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1
1
LIBRARV
University of California.
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1
Sitziiug^sberich te
mathomutiscli-ptiysikttlisdhen Klaa
K. B. Akademie der Wissenschaften
MilTicheij.
l;i(M.. 11,
Sitzungsberichte
der
mathematisch-physikalischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu München.
Band XXXVI. Jahrgang 1906.
^.
Mfinehen
Verlag der K. B. Akademie der Wissenschaften
1907.
lo Kommission des 6. Frsiis'schen Verlags (J. Kotb).
▲kadenUscfae Bnebdruckerei von F. Straub in München.
*^ #?
Übersicht
des Inhaltes der Sitzniigsbeiiclite Bd. XXXYI
Jahrgang 1906.
Die mit * bezeichneten AbkMidUingen find in den Sitsungeberiehten nieht abgedmekt.
SUgung wm 13. Januar 1906.
A. Korn: a) Uniersachangen zur allgemeinen Theorie der Poten-
tiale von Flächen nnd Räumen
b) Allgemeine Lösunpf des elastischen Gleichgewichts-
problems bei gegebenen Yerrflckungen an der Oberfläche .
*£. Weinschenk: Über Mineralbestand und Struktur der kristal-
linischen Schiefer
Seit»
8
37
Sitssung vom 3. Febnuzr 1906.
H. S eiliger: Über die sogenannte absolute Bewegung
M. Schmidt: Die südbayerische Dreieckskette, eine neue Ver-
bindung der altbayerischen Grundlinie bei München mit der
Osterreichischen Triangulierung bei Salzbuig und der Basis
von Oberbergheim bei Strassburg (mit Tafel I) .
*E. E. Ranke: Anthropologische Beobachtungen aus Zentralbrasilien
£. Landau: Über die Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen
85
189
82
161
Sitzung vom 3. Märe 1906.
*R. Hertwig: Weitere Untersuchungen über die Ursachen der
Geschlechtsbestimmung bei den Fröschen .... 219
*L Bnrmester: Über eine Theorie der geometrisch - optischen
Gestalttäuschungen 219
Fr. Hartogs: Einige Folgerungen aus der Gauchy sehen Integral-
formel bei Funktionen mehrerer Veränderlichen . . 22$
180049
IV
Sitzung vom 5. Mai 1906, Seite
A. Voss: Über diejenigen Flächen, welche durch zwei Scharen
von Kurven konstanter geodätischer Krümmung in infinitesi-
male Rhomben zerlegt werden 247
A. Endrös: Die Seeschwankungen (Seiches) des Chiemsees (mit
Tafel II und III) 297
A. Korn: II. Die Eigenschwingungen eines elastischen Körpers mit
ruhender Oberfläche 351
*W. Küken thal: Japanische Alcyonaceen 245
Sitzung vam 9. Juni 1906.
*J. Rückert und S. Mollier: Über die Entwicklung des Blutes
bei Wirbeltieren 403
J. Lüroth: Über die Extreme einer Funktion von zwei oder drei
veränderlichen Größen 405
Sitzung vom 7, Juli 1906.
*P. Groth: Über die Krystallstruktur des Ammoniumjodides und
seiner Alkylderivate .413
A. Pringsheim: Über das Additions - Theorem der elliptischen
Funktionen 415
♦P.A. Kleinschmidt und P.H.Limbrock. 8. V.D.: III. Die Ge-
steine des Profiles durch das südliche Musart-Tal im zentralen
Tian-Schan 413
Öffentliche Sitzung zur Feier des 147. Stiftwngstages
am 14. März 1906.
K. Th. V. Heigel: Ansprache 425
C. V. Voit: Nekrologe 433
Sitzung vom 3. November 1906.
M. V. Rohr: Die beim beidäugigen Sehen durch optische Instru-
mente möglichen Formen der Raumanschauung (mit Tafel IV) 487
C. W. Lutz: Über einen neuen Flammenkollektor und dessen
Prüfung im elektrischen Felde (mit Tafel V und VI) . 607
H. Ebert: Über Pulsationen von geringer Periodendauer in der
erdmagnetischen Feldkraft . . . . . . . 527
V
Saite
J. B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen in Bayern.
2. Mitteilung (mit Tafel VII) 546
G. Faber: Über Potenzreihen mit unendlich vielen verschwindenden
Koeffizienten 581
Öffentliche Süeung zu Ehren Seiner Königlichen Hoheit
des Prinzregenfen am 17, November 1906,
K. Th. V. Ueigel: Ansprache 585
Wahlen 593
Sitzung vom 1. Dezember 1906,
H. Seeliger: Das Zodiakallicht und die empirischen Glieder in
der Bewegung der innem Planeten 595
Eingelaufene Druckschriften im Jahre 1906
l*-39*
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Sitzungsberichte
der
Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften,
Mathematisch-physikalische Klasse.
Sitzung vom 13. Januar 1906.
1. Herr Ferd. Lindemann legt. zwei (eng miteinander yer-
bundene) Arbeiten des Herrn Prof. Arthüe Kobn vor:
a) »Untersuchungen zur allgemeinen Theorie der
Potentiale von Flächen und Räumen*^.
Die Abhandlung enthält die Beweise für eine Reihe von
Hilfssätzen, welche in der Elastizitätstheorie von Wichtig-
keit sind.
b) , Allgemeine Lösung des elastischen Oleich-
gewichtsproblems bei gegebenenVerrückungen
an der Oberfläche*.
Hier wird die Methode der sukzessiven Näherungen auf
die Integration der Differentialgleichungen der Elastizitätstheorie
angewandt, und zwar zunächst auf das Problem des Gleich-
gewichts eines beliebigen elastischen Körpers mit stetig ge-
krümmter Oberfläche, für den Fall, daß die Yerrückungen an
der Oberfläche gegeben sind. Die Lösungen werden als unend-
liche Reihen dargestellt, deren Konvergenz nicht bloß in
endlicher Entfernung von der Oberfläche nachgewiesen wird —
1M6. SftxBBgBbi d. iiuiih.-phy8. KL 1
2 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
dieser Beweis war bereits durch frühere Untersuchungen von
Lauricella und Cosserat möglich — sondern auch bei unend-
licher Annäherung an die Oberfläche, und dadurch wird zum
ersten Male die Existenz der Lösungen dieses elastischen Gleich-
gewichtsproblems einwandsfrei nachgewiesen.
2. Herr August Rothpletz überreicht eine Abhandlung des
Herrn Prof. Dr. Ernst Weinschenk: „Über Mineralbestand
und Struktur der kristallinischen Schiefer*^. Dieselbe
ist für die Denkschriften bestimmt.
üntersüchimgen zur allgemeinen Theorie der Potentiale
von Flächen und Ränmen.
Von km Kom.
{Ehtg^irftn 18. Januar.)
I. Abschnitt.
Verallgemeinerung einiger Sätze über Potentiale von
Doppelbelegungen.
Die folgenden 3 Sätze bilden eine Verallgemeinerung einiger
früherer Sätze, *) durch welche der aUgemeine Beweis der Neu-
mannschen Methode des arithmetischen Mittels ermöglicht wurde.
Der verallgemeinerte Satz II dieser Abhandlung ist bereits von
LiapounoflF*) bewiesen worden ; wenn ich auch diesen hier noch
einmal beweise, so geschieht dies, um zu zeigen, daß die Hilfs-
mittel, mit denen der Beweis des ursprünglichen Satzes von
mir gegeben wurde, auch fflr die Verallgemeinerung ausreichen.
Die Beweise der Sätze I und III in ihrer neuen allgemeinen
Form werden in dieser Abhandlung zum ersten Male gegeben.
Während für den Beweis der Neumannschen Methode des
arithmetischen Mittels diese VeraUgemeinerungen nicht nötig
waren, sondern die ursprüngHch von mir gegebenen Sätze')
1) A. Korn, C. r. 130, p. 1238, 1900; Abhandlungen zur Potential-
theorie 1 (Ferd. Dümmlers Verlag« Berlin 1901); Einige Sätze über die
Potentiale von Doppelbelegungen (diese Ber. 33, S. 3, 1903).
*) Liaponnoff, Comm. de la Soc. Math, de Kharkow 1902.
*) A Korn, Abhandlungen zur Potentialtheorie 1, Satz I — III, S. 6 — 11.
1*
4 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
ausreichten, sind diese verallgemeinerten Sätze sehr nützlich
fär den Beweis einer der Neuuiannschen analogen Methode in
der Theorie des elastischen Gleichgewichts ; aus diesem Orunde
war ich gezwungen, noch einmal auf diese Sätze zurückzu-
kommen und sie in der Form zurechtzulegen, in der sie für
diese neue Methode in der Elastizitätstheorie geeignet sind.
§ 1.
I.*) Ist die Funktion x der Stelle auf einer stetig
gekrümmten, geschlossenen Fläche co derart stetig, da&
ihre absoluten Funktionsdifferenzen in zwei Punkten 1
und 2 in genügend kleiner Entfernung r^,
-_,-.. , \ A endliche Konstante,
*2' I A irgend ein echter Bruch,
und setzen wir:
1) w^j.'^dco,
so sind bereits die ersten Ableitungen (sowohl die
tangentialen, als auch die normalen) der Funktion:
2) w, = \^{Wa+W^'^^^da>
an der Oberfläche (sowohl an der Innenseite, als auch
an der Außenseite) derart stetig, daß, wenn o eine
beliebige Richtung bedeutet, für zwei Punkte 1 und 2
der Fläche co in genügend kleiner Entfernung r,,:
r aTT I ^w 1 1
wo c, und c, zwei endliche Konstanten vorstellen, die
lediglich von der Gestalt der Fläche co und den Zahlen iU'
abhängen, k* einen beliebigen echten Bruch < i. (in
strengem Sinne).
^) Beiläufig sei bemerkt, daß sich der Satz auch fOr A' = Jl beweisen
l&fit» doch genügt die hier gegebene Fassang des Satzes für unsere Zwecke.
^»^.-^•fjjr''
A. Kom: Potentiale von Flächen und Räumen. 5
Wir beweisen zunächst, daß die ersten tangentialen
Ableitungen der Funktion:
filr zwei Punkte 1 und 2 der Fläche in genügend kleiner Ent-
fernung r,2 die Eigenschaft haben:
4) abs. [
laTfo,
dh
2
9 j^j -1
— f-j P) < (aj J. + a, abs. Max. «) rjg, A" < A,
wo ttj und ttj zwei endliche Konstanten vorstellen, die ledig-
lich von der Gestalt der Fläche (o und den Zahlen ZA" ab-
hängen, l" einen beliebigen echten Bruch < l (in strengem
Sinne).
Wir bilden zum Beweise die Ableitung von Wo, nach
irgend einer tangentialen Richtung Ai(2)^) in den Punkten 1 und 2 :
5)
^^to I C. - cos (vÄ,) — 3 cos (rÄ,) cos (rv) ,
m
dh
J, V co8(rA,) — 3 cos(rÄ,) cos(rv) ,
CO
(eine strenge Begründung dieser Formeln s. diese Berichte 33,
S. 13—18).
Wir denken uns um den Mittelpunkt 0 der die Punkte 1
und 2 verbindenden Graden eine Kugel mit dem Radius
ISf
die Schnittkurve c dieser Kugelfläche und der Fläche co zer-
legt cü in einen Teil co^, der 1 und 2 enthält, und einen
Teil CO — CO,.
Wir konstruieren femer um 0 als Zentrum eine Kugel
mit dem Radius H [der größer ist, als eine bestimmte end-
liche Länge], deren Schnittkurve 2* mit co die Fläche co in
einen Teil o), + co,, der 1 und 2 enthält, und einen Teil
io — o>, — CO, zerlegt, so daß man für den von (d^ + oy^ her-
rührenden Teil in den Integralen 5).
^) 008 (^x) = cos (^iO;) -|- «1, . ., wobei |«i K endL Konst. fn, . .
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
6)
'\x — )<j I < -4 • r^,
X — X, I < JL • r^,
cos (vAi(2)) I < r/;
.\cos{rv)\^rF
(f und F endlich) setzen kann.
Es folgt dann zunächst für die von co^ herrührenden
Integrale 5):
^(x — xi 2 ) ^^ (y *i(2)) — 3 <^Qs (rK2)) cos(ry) ^^
7)
»1
< endl. Konst. Ä • | -;j3% ,
<ut
< endl. Konst. Ä • r\^^).
Andererseits ist:
abs.
J, . cos(vA,) — 3cos(rA,)cos(rv) ,
a>
cos
-JJ{|«(f'??)-''(«y^)l+^'^2}
1 a>)
a cos (vÄj) - 3 cos (r A, ) cos (rv)
35 r*
dcodSj
wobei das Integral J( — ) d5 über eine zwischen 1 und 2 auf
1
CO, beliebig verlaufende Kurve s zu erstrecken ist, deren Ab-
stände von CO, kleiner als r,, sind. Somit ist:
2
, C, ^ cos (yh.) — 3cos(rÄ,)cos(rv) ,
abs. I (x — X,) — ^-^^ ^^3-^-^ ^-^ d
CO
«1
)
< endl. Konst. Ä • Jj J^ + rj J^ } ds,
< endl. Konst. Ä • < -r-r H — ^ [ 1 d«, *
Ki2~' ^iJJ
< endl. Konst. -4 • r|^ ,
)
^) Mit Berücksichtigung der letzten Formel S. 292 meines Lehr-
buchs der Potentialtheorie I.
^) Mit Rficksicht darauf, dafi ru kleiner als jedes r.
»i^-xt^mf'
A. Korn: Potentiale von Flächen und Räumen.
und wir erhalten weiter:
, , N ' fcos (vA,) — 3 cos (rh.) cos (rv) ,
abs. (x, — X,) J ^^ d
(O
«1
< endl. Eonst. Ä • rj^
J r*
CO,
')
2
< endl. Konst. Ä - rj:/) (A" < A)
Ferner ist:
)cos(n') cos
(vÄj)-3cos(rA,)cos(n')1 ,
r* J
Ol)
< endl. Konst. Ä - r,j
^ endl. Konst. JL • rj^ , *)
und es folgt aus den drei letzten Formeln:
1 r! f/ vCos(vÄJ — ScosfrAJcosTrv) ,
abs. ; J (« - «,) ^—^ 8 ^-^ d
8)
(O
J, V cos(rÄ,) — 3co8(rÄ,)cos(rv) , 1
(«-«,) — —- y» ^— '(iö) I
< endl. Konst. A • rjg.
Schließlich ist, da die Entfernungen des Flächen teiles
OD — coj — coj von 1 und 2 grö&er sind, als eine bestimmte,
endliche Länge:
9)
1 r f/ N cos (y Ä,) — 3 cos (r Ä,) cos (r v) ,
abs.[ J (x-H,) —^^-^l -j^—^ 5^ d
(O
J. COS (v A,) — 3 cos (r Ä.) cos (rv) , l
(x — X,) ^— i^ ^» ' ^-^d(o
< endl. Konst. abs. Max. x • r,,,
, . f cos (vAg) — 3 cos (r Ag) cos {rv) ,
^ endl. Konst. -^ • ^j,
(O
2
1) Vgl. Anm. 1 u. 2 auf Seite 6.
S Sitzung der mmtlu-pbjs. Klasae Tom 13. Januar 1906.
und die Addition der Ungleichangen 7), 8\ 9) ergibt die be-
hanptete Ungleichung 4).
Um mit Hilfe der Ungleichung 4). die wir jetzt bewiesen
haben, die eigentliche Behauptung unseres Satzes zu beweisen,
mOssen wir uns noch zwei Hilfesatze zurecht legen:
Hilfesatz L^) Das Flächenpotential:
10) ^=J«^.
in dem H lediglich als eine endliche^) Funktion der Stelle
auf der Fläche vorausgesetzt wird, hat die Eigenschaft, dafi
für zwei Punkte 1 und 2 der Oberfläche in genügend kleiner
Entfernung r„:
11) abs. . r J ^ • JL • abs. Mai. H • r;*,,
wo A einen beliebigen echten Bruch, und A eine endliche
Konstante rorstellt, die lediglich Ton der (Jestalt der Fläche co
und der Wahl des echten Bruches .1 abhängt.
Hilfesatz 2.') Die ersten Ableitungen des Flächenpoteu-
tials:
a»
in dem H als eine derart stetige Funktion der Stelle auf der
Fläche a> Yorausgesetzt wird, daß für zwei Punkte 1 und 2
der Fläche in genügend kleiner Entfernung r„:
12) abs. (fl, — J3,)<^.r{2,
A endlich,
i ein echter Bruch,
^) Allgemeinere Fassung eines bereits früher von mir bewiesenen
Satzes (Lehrbuch der Potentialtheorie I, S. 388K
^ Endlich im Sinne von «endlich und integrabel*.
•) Erweiterung eines Satzes von Holder (Beiträge zur Potential-
theorie, Stuttgart 1882). Beiläufig sei bemerkt, daß sich der Satz auch
für i' = i beweisen läfit. doch genügt die hier gegebene weniger allge-
meine Fassung für unsere Zwecke.
^s-wir.ejÄ»
A. Korn: Potentiale von Flächen und Räumen.
sind selbst auf der Fläche derart stetig, daß für zwei Punkte
1 und 2 der Innen (Außen) seite von (o in genügend kleiner
Entfernung r^^:
13) abs. f ' ?^| — l-\Y<i^^-\-C! abs. Max. H) rj„ (A'< A)
wenn a eine ganz beliebige (tangentiale oder normale oder
irgend eine andere) Richtung vorstellt, B, C endliche Eonstan-
ten, die lediglich von der Gestalt der Fläche (o und den
Zahlen Xl' abhängen.
Zum Beweise des Hil&satzes 1 denken wir uns um den
Mittelpunkt 0 der Gh'aden 1, 2 eine Kugel mit dem Radius r^,,
die CO in der Kurve g schneidet und in einen 1 und 2 ent-
haltenden Teil coj und einen Teil co — cOj zerlegt. Dann ist
der von co, herrührende Teil der DiflFerenz | F, — Fj |
abs. I F.H I f "< 2jff V '
^ 2 abs, Max. Ä i ,
(Ol
^ 2 abs. Max. H • r^, *)
(o^ herrührende Teil der Differenz | F, — F, |
Jd{
—
auf der Oraden 1, 2,
< endl. Konst. abs. Max. JT« r^, • -^33^,*)
''12
wo A einen beliebigen echten Bruch vorstellt. Durch Addition
der beiden Ungleichungen ergibt sich aber die Behauptung
des Hilfssatzes 1.
Zum Beweise des Hilfssatzes 2 bedenken wir zunächst,
daß, wenn x eine beliebige Richtung vorstellt:
der von (o
abs.
V
d(o
^) Formel 46) oder 47) S. 38 u. 39 meines Lehrbuchs der Potential-
theone I.
*) Mit Rücksicht auf die letzte Formel 8. 392 dieses Lehrbuchs.
10
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
f Cd(o\ C , . cos (rv) , CKcosivx) , I
M — J = - J cos {vx) —^- da> - J ^ dco, ;
K ErümmungsmalB von do)^
daß somit, da
r , .cos(rv) , , - / N f / \C^(^^)j I
— J cos(va:) — -^ - aa> = +2jicos(vj?)— J cos(v:c) — y--»ö>,
€0
O)
CO
mit Rücksicht auf die Ungleichung 4) sogar stetige erste
Ableitungen auf (o hat, und nach dem Hilfssatz 1 :
5 I f^^s(
abs.
auch:
14) abs.
vx)
d(o
^arj^
bei genügend kleinem r„,
A beliebiger echter Bruch, a endlich
3 Cdo)
dxJ r
€0
<; endl. Eonst. rj^g,
A beliebiger echter
Bruch.
Zum Beweise des Hilfssatzes 2 haben wir daher nur die Un-
gleichung :
15) Rhs,\W\l <(endl.Konst.^-f endl. Konst. abs. Max.H)rj2,(A'<A)
nachzuweisen, wenn wir
16)
5Pi(« =
f{Hi^r],)-H{xf,.)}'-^d
0)
to
1(2)
setzen.
Wir teilen die Fläche o) in drei Teile: Wir denken uns,
ähnlich wie wir dies schon einmal gehabt haben, um den
Mittelpunkt 0 der die Punkte 1 und 2 verbindenden Graden
eine Kugel mit dem Radius r^^; die Schnittkurve g dieser
Kugelfläche und der Fläche (o zerlegt (o in einen Teil a>,,
der 1 und 2 enthält, und einen Teil a> — co,. Wir konstruieren
ferner um 0 als Zentrum eine Kugel mit dem Radius R (der
größer ist als eine bestimmte, endliche Länge), deren Schnitt-
kurve 2* mit (o die Fläche (o in einen Teil ö>, + ö>j, der 1
und 2 enthält, und einen Teil o) — coj — ö>, zerlegt, so daß
^) Mit Rücksicht auf Formel 64) S. 42 dieses Lehrbuchs.
2) Anm. 2 S. 9.
A. Korn: Potentiale von Flächen und Kilumen.
11
man für den von cüj + co, herrührenden Teil in den Inte-
gralen 16):
|fl^— Äi(2)|<^-r^
setzen kann.
Es folgt dann zunächst für den von co^ herrührenden Teil
der Differenz | !P | J.
d(o
17)
abs. !P'a>j li '< endl. Konst. Ä J i -^^ + I -^tzi [
< endl. Konst. Ä*r^^,
für den von o>, herrührenden Teil der Differenz | !iF|J
18)-
abs. I V^ \l
abs.
JrzT ir\COs(ra:) , |2 fcos(rÄ?) ,
(ff-fl;) -^j— ^ dö> + abs. (i^-fi,) J — i— ^^
^ endl. Konst. Ä [r„ / ^, + J? | + rj'^ ] , (^ < A) ')
endl. Konst. Ä rj' ,
12
schließlich für den von (o — tu, — co, herrührenden Teil der
Differenz |5P^|J, da die Entfernungen der Fläche cd — cü, — co,
von den Punkten der Oraden 1, 2 größer als eine bestimmte,
endliche Länge sind:
1. \\ C/TT rr\COs(ra;) , I f.^ rr\<5ös(ra:) , l
19)
to — e»|— Ol)
abs
< endl. Konst. abs. Max. JET- rj,
cos (r j?)
. {H^—H,) J — J^^^ da> < endl. Konst. Ä'r\^,
und die Addition der Formeln 17), 18), 19) ergibt die ün-
gleichung 15) und damit auch die Behauptung des Hil&-
satzes 2.
') Man vei^gleiche die analoge Untersuchung S. 7.
12 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1905.
Wir werden nunmehr leicht zeigen können, daß die Un-
gleichung 4) die Behauptung unseres eigentlichen Satzes I
nach sich zieht, daß die ersten Ableitungen der Funktion:
20) W.^jW.^d
(O
auf der Oberfläche co derart stetig sind, daß, wenn o eine
ganz beliebige Richtung vorstellt, für zwei Punkte 1 und 2
der Fläche co in genügend kleiner Entfernung r^^:
\^ — -^- < ((?, ^ + (?, abs. Max. «) r^,
I 3a 2 5ö iJ
wo C| und c, zwei endliche Eonstanten vorstellen, die lediglich
von der Gestalt der Fläche co abhängen und von den Zahlen XX\
X' einen beliebigen echten Bruch < >l in strengem Sinne.
Es ist in der Tat:
22)»)
aTT,^ r 3 TTo, cos (ry)
do J 3« r*
o>
0>
da
dW
d. h. es setzt sich -^-^ aus ersten Ableitungen von Flächen-
So
Potentialen
a>
additiv zusammen, in denen die Funktion H die Voraussetzung
des Hilfssatzes 2 erfüllt. Der Hilfssatz 2 beweist somit un-
mittelbar die Behauptung unseres eigentlichen Satzes I.
*) Formel 59 S. 46 meines Lehrbuchs der Potentionltheorie I., wenr
wir allgemein durch Überstreichung einer Richtung h die tangentiale
Richtung mit den Richtungskosinussen :
co8(Äa;) = C08{hx) — co8(Äv)co8(va;), coa{hij) = coa{hy) — cos{hy)co9{vy)
cos (Ä«) = cos (he) — cos (hv) cos (vz\
andeuten.
**Ä?
A. Kom: Potentiale von Flächen nnd Räumen.
13
§2.
n. Die Werte des über eine stetig gekrümmte,
geschlossene Fläche (o zu erstreckenden Integrales:
23)
W
r cos(rv)
=/-
dcoj
o>
in dem x eine (abteilungsweise) stetige Funktion der
Stelle auf (o vorstellt, auf der Fläche selbst:
24)
W^ = i{Wa+ Wi)
sind selbst auf der Fläche a> derart stetig, daß für
2 Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Entfernung r,,:
25)
abs. I W(o |.J < a abs. Max. « 'rj^j,»
wo A einen beliebigen echten Bruch darstellt und a
eine endliche Konstante, die lediglich von der Oestalt
der Fläche und der Wahl des echten Bruches A ab-
hängt.
Der Beweis ist dem Beweise des Hilfssatzes 1 des § 1
einigermaßen analog. Wir teilen die Fläche (o in drei Teile:
Wir denken uns, ähnlich wie wir dies bereits getan haben,
um den Mittelpunkt 0 der die Punkte 1 und 2 verbindenden
Graden eine Kugel mit dem Radius r,,; die Schnittkurve g
dieser Kugelfläche und der Fläche co zerlegt die Fläche (o in
einen Teil co,, der 1 und 2 enthält, und einen Teil (o — coj.
Wir konstruieren femer um 0 als Zentrum eine Kugel mit
dem Radius 22 (der größer ist als eine bestimmte, endliche
Länge), deren Schnittkurve 2* mit co die Fläche (o in einen
Teil cüj + CO, , der 1 und 2 enthält, und einen Teil (o — co^ — cü,
zerlegt, so daß man für den von cw, + o)^ herrührenden Teil
in den Integralen:
Wa,,l{2) =
>
cos(rv)
d(o
to
«,1(2)
den Werten von TT«, in 1 und 2 auf der Fläche
14 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
26) I cos(rv) I ^ endl. Größe • r^,
setzen kann.
Es folgt dann zunächst fttr den von (o^ herrührenden
Teil der Differenz \W^\\:
27)
abs. I TTcoj \\ < endl. Konst. abs. Max. x} 1 — + 1 — [ ,
y OH 1 coj 2^
i^ endl. Konst. abs. Max. x «Tj, (Vgl. Anm. *) S. 9),
für den von co, herrührenden Teil der Differenz | Wo, \\ :
abs. I Wa^ I J < endl. Konst. abs. Max. «•>'„• Max. I —^
28)
«1
auf der Graden 1, 2,
< endl. Konst. abs. Max. x -rf^, (A beliebiger
echter Bruch, vgl. S. 9) ;
schließlich für den von (o — tu, — co, herrührenden Teil der
Differenz |TFo>|f» <ia die Entfernungen des Gebietes cü-ö>,-co,
von der Graden 1, 2 größer sind, als eine bestimmte, endliche
Länge:
29) abs. I Wfo-o>i-c^\] < endl. Konst. abs. Max. x • r,, ,
und die Addition der Formeln 27), 28), 29) ergibt die Be-
hauptung 25). Wir wollen diesem Satze den folgenden als
Zusatz anfügen, obgleich er eigentlich bereits in die Theorie
der Raumpotentiale gehört:
Zusatz zu n. Das Raumpotential:
Jdx
— über den Innenraum von cd
i
hat an der Oberfläche co zweite Ableitungen, die an
der Innen(Außen)seite von co derart stetig sind, daß
für zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Ent-
fernung r,,:
a*F * —
< endl. Konst. r|*j
31) abs.
dh^dh^
A. Korn: Potentiale von Flehen und R&omen.
15
▼0 A, *, zwei beliebige Richtungen Torstellen, xl einen
ganz beliebigen echten Bruch und b eine endliche
Konstante, die lediglich Ton der Gestalt der Fläche (o
und der Wahl des echten Bruches .1 abhängig ist.
Wir bedenken, daß infolge einer einfachen Greenschen
Umformung:
32)')
daraus folgt unmittelbar die Behauptung unseres Zusatzes mit
Hilfe des Hilfssatzes 2 des § 1.
Man kann den Zusatz auch direkt aus dem Satze 11 her^
leiten, aus diesem Grunde füge ich denselben in diesem § hinzu,
f&r uns war aber die Herleitung mit Hilfe des bereits be-
wiesenen Hilfssatzes 2 des vorigen § einfacher.
§3.
in. Ist S die Losung des Dirichletschen Problems
fQr den Innenraum einer stetig gekrümmten, geschlos-
senen Fläche CO mit den gegebenen Randwerten 6,
welche auf der Fläche derart stetig vorausgesetzt
werden, dafi für zwei Punkte 1 und 2 der Fläche in
genügend kleiner Entfernung r^,
Ä endlich,
i echter Bruch,
33)
abs. j d ji < -^ ^2 '
dann ist allgemein für zwei Punkte 1 und 2 des Innen-
raumes in genügend kleiner Entfernung r^,:
34)
abs. I Ö ;2 < (a ^ + 6 abs. Max. 6) r\^
wo a, b endliche Eonstanten vorstellen, die lediglich
von der Gestalt der Fläche und der Zahl i, abhängen.
1) Vgl. z. B. Formeln 88, S. 62 meines Lehrbuchs der Potential-
tbeorie I.
16 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
Wir beweisen zunächst, daß das Potential der Doppel-
belegung :
35) w==je'^d
CO
CO
im Innenraume derart stetig ist, daß für zwei Punkte 1 und 2
in genügend kleiner Entfernung r^,
36) abs. I T1^ 1^ ^ (endl. Konst. Ä + endl. Eonst. abs. Max. ß) r\^ .
Sobald die Entfernung der beiden Punkte 1 und 2 von
der Fläche größer ist, als eine bestimmte, endliche Länge,
sind ja alle Ableitungen von W stetig, wir haben daher nur
zu beweisen, daß man um jeden Punkt der Oberfläche einen
Raum abgrenzen kann, in dem die größte Entfernung zweier
Punkte kleiner (gleich) ist, als eine bestimmte, endliche Länge,
und in dem für zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner
Entfernung r^^:
37) abs. I W If ^ (a ^ + ^ abs. Max. d) rj^ , \ a, ß endlich.
Die Voraussetzung 33) bestehe für
wo a größer sein soll, als eine bestimmte, endliche Länge ; wir
schlagen um den Mittelpunkt 0 der Graden 1, 2 eine Kugel mit
dem Radius — , wo c einen echten Bruch vorstellen soll und
bezeichnen mit 3 den Punkt der Fläche o>, der von der Ver-
bindungsgraden 1, 2 die kürzeste Entfernung hat. Zerlegen
wir den Teil von a>, dessen Entfernungen von 0 kleiner sind
als ^ noch in zwei Teile cOj und (o^ so, daß co^ alle Punkte
enthalte, deren Entfernungen von den Punkten 1 und 2 größer
sind, als r,j — a>j kann sich auch auf null reduzieren — ,
dann ist der von a>, herrührende Teil der Differenz
2
W-W,]',-
• 1 •:fr '^^Jt ß^
38)
A. Korn: Potentiale von Flächen und Räumen.
abs.,TI^-ir,U?
17
<
endl. Konst. Ar^^AA 1 -\,-^irfö> + | - 1 " ^% V
\-\J I l i"^ ' 2-'
endl. Konst. -dr^g,
der von tu, herrahrende Teil der DiflFerenz | W — W^ |f
39)
abs.iir-ir,|^«
1 va^
2
< J J endl. Konst. -^da)ds<^ endl. Konst. ^^^fzy , *)
endlich, da alle Punkte der Flüche co — coj — co^ von den
Punkten der Verbindungsgrade 1, 2 größer sind, als eine be-
stimmte, endliche Länge, der von (o — a>, — (o^ herrührende
Teil der DiflFerenz \W—W^\^^:
40) abs. I W — W^ ic»-tt>i-<M, 1 <; endl. Konst. abs. Max. ö • r,, ,
und es folgt die Formel 37) durch Addition der Ungleichun-
gen 38), 39), 40).
Damit ist aber auch die Behauptung 36) für irgend zwei
Punkte des Innenraumes von co in genügend kleiner Ent-
fernung r,j bewiesen.
Nach der Methode des arithmetischen Mittels ist nun
«)
a j^ 1 fi cos(r»') , ,
to
wo w das Potential einer Doppelbelegung darstellt, deren erste
Ableitungen nach dem Satze I bereits im ganzen Innenraume
stetig sind. Durch die Formel 36) ist daher die Behauptung
des Satzes lU mitbewiesen.
2
*) Das Integral J^( — )<f», analog früheren Betrachtungen, über die
1
Verbindungsgrade 1, 2 zu erstrecken.
<j Man vgl. S. 6.
1906. Sitxongsb. d. maUi.-phys. KL 2
18 Sitzung der math.-pbjs. Klasse vom 18. Januar 1906.
42)
Zusatz 1 zu III. Ein jedes Flächenpotential
da)
-s
H
to
ist, wenn man über die Funktion H lediglich voraus-
setzt, daß sie endlich^) ist, im ganzen Innenraume
und Außenraume derart stetig, daß für zwei Punkte
1 und 2 in genügend kleiner Entfernung Tj,:
A beliebiger echter
43) abs. \V\\ < endl. Konst. abs Max. H* rj^^
Bruch.
Der Zusatz folgt unmittelbar nach dem Hilfssatz 1 des
§ 1 und dem Satze lU.
Zusatz 2 zu III. Das Baumpotential ^)
dx
44)
-St
besitzt zweite Ableitungen, weiche im ganzen Innen-
(Außen)raume derart stetig sind, daß für zwei Punkte
des Innen(Außen)raumes 1 und 2 in. genügend kleiner
Entfernung r^^:
45)
abs.
9Ä, dh^
<an
12
wenn h^ und h^ zwei ganz beliebige Richtungen vor-
stellen, A einen beliebigen echten Bruch und a eine
endliche Konstante, die lediglich von der Gestalt der
Fläche 0} und der Wahl des echten Bruches A abhängt.
Der Zusatz folgt unmittelbar aus dem Zusatz zu dem
Satze II und dem Satze III.
Zusatz 3 zu III. Besteht die Voraussetzung des
Satzes III:
46)
abs. I dl? <:^rf.
*) Im Sinne von , endlich und integrabel*.
*) Eine Verallgemeinerung dieses Satzes findet man im zweiten
Abschnitt.
A. Korn: Potentiale von Flächen und Räumen.
19
für
47) r,^<o,
wo o größer ist als eine bestimmte, endliche Länge,
und konstruieren wir um irgend einen Punkt der
Oberfläche als Zentrum eine Kugel mit dem Radius
wo zl eine beliebig kleine Zahl vorstellt, so ist für
zwei Punkte 1 und 2 des Raumes T, den diese Kugel
und der Innenraum von co gemeinsam haben:
48) abs. I ö IJ < (endl. Konst. A -\ ^ ^ abs. Max. Ö) rj^.
Wir haben in dem Beweise von III nur den echten Bruch
c = 1 — A zu setzen ; die beiden Ungleichungen 38) und 39)
bleiben ungeändert, die Ungleichung 40) schreiben wir:
abs. I W- TVj !a,-a>j-a>, J < ©ndl. Konst. abs. Max. Ö-r^^ Max. | _
auf der Strecke 1, 2,
und es folgt die Behauptung, wenn wir noch bedenken, daß
das Integral rechts
endl. Konst. ^)
kleinste Entfernung der Fläche a> — o>, — o), von 1 und 2
— . endl. Konst.
also
49)
A • o
abs. W— W^ \ro-toi-a^] < ^ * abs. Max. 0-r^^,
durch Addition von 38), 39) und 49).
Zusatz 4 zu in. Sind außer ß die ersten tan-
gentialen Ableitungen von S auf der Fläche o> derart
stetig, daß für zwei Punkte 1 und 2 der Fläche o) in
genügend kleiner Entfernung r^^:
1) Vgl. Anmerkung ') S. 6.
2
20
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
50) abs.
de
dh
<^-^2'
X echter Bruch,
A endliche Konstante,
wo h^) eine beliebige tangentiale Richtung vorstellt,
so sind die ersten Ableitungen der Potentialfunktion Ö
im ganzen Räume i derart stetig, daß für zwei Punkte
1 und 2 des Raumes i in genügend kleiner Ent-
fernung rjgi
51) abs.
36
da
< (a ^ + 6 abs. Max. 0) rf^ , (A' < X)
wo o eine ganz beliebige Richtung vorstellt, a, h end-
liche Konstanten, die lediglich von der Gestalt der
Fläche o) und den Zahlen XX* abhängen.
Es folgt zunächst die behauptete Stetigkeit der ersten
Ableitungen von W von der Art 51) genau in derselben Weise,
wie die Behauptung des Satzes I aus der Ungleichung 4) S. 5.
Schließlich ist nach der Methode des arithmetischen Mittels:
52)
da
1 dW , dw^
2^1 da
da
wo w^ das Potential einer Doppelbelegung darstellt, deren erste
Ableitungen bereits im ganzen Räume i nach Satz I von der
Art 51) eindeutig und stetig sind. Damit ist auch der Zu-
satz 4 bewiesen.
^) cos [h^x) — cos {h^x) -^ sy, . . , wobei | «j ^ endl. Konst. r,2.
■-■^■-■■t^mmm,
A. Korn: Potentiale von Flächen und Räumen. 21
n. Abschnitt.
Einige Sätze über Raumpotentiale.
Ein bekannter Satz von Holder^) sagt aus, daß die zweiten
Ableitungen des Raumpotentials:
1) v=j
E
dx
eindeutig und stetig sind, im ganzen Innenraume sowohl, als
auch im ganzen Außenraume, falls die absoluten Funktions-
differenzen von E in zwei Punkten 1 und 2 des Raumes t
sind, bei genügend kleiner Entfernung r,, der beiden Punkte,
wo A eine endliche Konstante, l eine positive, von null ver-
schiedene Zahl vorstellt.
Er sagt ferner aus, daß die Sprünge der zweiten Ab-
leitungen bei dem Durchgange durch die Oberfläche des Ge-
bietes T dieselben sind, wie bei der Voraussetzung endlicher
erster Ableitungen von E, und daß schließlich auch die obige
Bedingung für E für die Gültigkeit der Formel:
AV= —ijzE
in jedem Punkte des Innenraumes hinreichend ist.
Ich werde in diesem zweiten Abschnitt vier Sätze be-
weisen, von denen der erste eine Erweiterung des Hölderschen
Satzes ist; die drei anderen Sätze beziehen sich auf ein diesem
Satze verwandtes Gebiet der Potentialtheorie, und es sei hervor-
gehoben, daß dieselben in meinen Abhandlungen zur Elasti-
zitatstheorie eine ganz außerordentlich wichtige Rolle spielen
werden.
*) Holder, Beiträge zur Potentialtheorie, Tübingen 18S2.
22 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
§ 1.
L Erfüllt die Funktion E der Stelle des Raumes z
die Bedingung, daß die absoluten Funktionsdiffe-
renzen für zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner
Entfernung r^^: _
sind, wo Ä eine endliche Konstante, X einen echten
Bruch vorstellt, so sind auch die zweiten Ableitungen
des Raumpotentiales:
T
sowohl im Innenraume, als auch im Außenraume der-
art stetig, daß die absoluten Funktionsdifferenzen
für zwei Punkte 1 und 2 des Innen(Außen)raumes in
genügend kleiner Entfernung r^g
< (aÄ + b abs. Max. E) rj^
sind, wo a und b endliche Konstanten vorstellen, die
lediglich von der Gestalt des Gebietes r abhängig
sind und von der Zahl X.
Es seien 1 und 2 zwei Punkte des Innenraumes in der
Entfernung r^^, wir beschränken uns auf die Betrachtung im
Innenraume, die Betrachtung im Außenraume ist Schritt für
Schritt dieselbe. Wir denken uns um den Mittelpunkt 0 der
Graden 1, 2 eine Kugel mit dem Radius r,, und nennen das
Gebiet, welches t und diese Kugel gemein haben, t,, dann ist,
wenn wir
2)^
T TT
v^v-^e/^,
X
F"=Jr.£:(f,?c)-E(xy^)]^
*tt:Sf*^ÄP
f. i.
a?? -v*
A. Eom: Potentiale von Flächen und Räumen.
23
setzen, mit D^ irgend eine zweite Ableitung bezeichnen und r,^
genügend klein annehmen :
I ' I T«
i
wobei durch den Index Tj angedeutet werden soll, daß das
Potential F" nur über den Kaum t^ erstreckt werden soll,
also:
abs.
' Tj '"1
2-1
Aus der durch eine einfache Green'sche Umformung fol-
genden Formel:
o>i Oberfläche von t, ,
. f dr 1 rcos(rv)
ergibt sich:
V innere Normale von d(o,
'i
somit:
cos(r»') , I
^ 1
Jdr
cos(n')
Jcos(i
do)
w,
abs. ! D, F" < — r- J. rj, , abs.
und:
< endl. Konst. -4 • r|j ^)
abs. I D^{V—r') f + abs. D^V;^ |j'
<; endl. Konst. -4 • r^g + ^°^'- Konst. abs. Max. JEr^^ *).
Wir schlagen jetzt um 0 eine zweite Kugel mit dem
Radius B ; w^ir können denselben so wählen, daß derselbe größer
1) Da
stets endlich ist.
— < endl. Konst. rjg»
T
WO yl einen beliebigen echten Bruch darstellt. (Zusatz 2 zu Satz III
des I. Abschnitts.)
')
24
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
ist, als eine bestimmte, endliche Länge, aber dennoch genügend
klein so, daß die Oberfläche co^ dieser Kugel den Raum t—Tj
in zwei Teile t^ und t — Tj — t, zerlegt, und daß für je zwei
Punkte 1 und 2 des Raumes t, -f- t, :
Es ist dann:
abs. I £ IJ < -4 • rjg .
'' 1 Ti
9Ai
95
drflb,
wobei wir durch den Index t, andeuten, daß das Potential V
nur über den Raum Tj erstreckt werden soll, und unter ds
ein Element der Graden 1, 2^) verstehen, und es ist auf der
Graden 1, 2:
j[\E{Sfjg)-E(xyz)\+Ar'^,]
dB
J f^-f-
Cdr
,f|^^<6^J^ + 6^^2j^
'2
oder, da entsprechend der Formel 3):
Jdr 1 rcosfrr) ,
'2
{Ol-\-(0^
V die in das Gebiet t, hinein-
gehende Normale von dco,
-12.4 1 , , 12^ 1 , ,
(irj
^ ^12
daraus folgt:
^2
dB
2' _-, 48(2-A) , ,
? 1 — X ''
somit:
5)
^hs.\D,V;J,^in^^^-^ Ar\^
Schließlich ist, da R größer ist als eine gegebene end-
liche Länge:
*) Falls die Verbindungsgrade 1, 2 nicht ganz im Innenraume ver-
laufen sollte, kann dieselbe durch eine andere zwischen 1 und 2 ver-
laufende, ganz im Innenraume liegende Kurve s ersetzt werden.
k
A. Korn: Potentiale von Flächen und Räumen.
25
6) abs. 1 1>, V;_^^_^^ I« < h' abs. Max. E- r„ , (6' endlich),
und es folgt durch Addition von 4), 5), 6) die Behauptung:
7) abs. I D, F If ^ (oul + 6 abs. Max. E) rj, .
§2.
II. Die ersten Ableitungen des Raumpotentiales:
-/
E
dt
in dem E lediglich als endlich^) vorausgesetzt wird,
sind im ganzen Räume derartig stetig, daß ihre abso-
luten Funktionsdifferenzen für zwei Punkte 1 und 2
in genügend kleiner Entfernung r^^
< Ä abs. Max. E -r\^
sind, wo man für k einen beliebigen echten Bruch
setzen kann und Ä eine endliche Konstante vorstellt,
die lediglich von der Gestalt des Gebietes t und der
Wahl des echten Bruches i abhängt.
Es seien 1 und 2 zwei Punkte des Raumes in der Ent-
fernung r„; wir denken uns um den Mittelpunkt 0 der Graden 1,2
eine Kugel mit dem Radius r,j und nennen wieder das Gebiet,
welches t und diese Kugel gemein haben, Tj, dann ist, wenn
wir mit D^V irgend eine erste Ableitung von V bezeichnen
and Tj, genügend klein annehmen:
I Dj F,J, ^ 4 TT abs. Max. E-r\^, I A ^»i la < * ^ *^^s. Max. E • rj^
somit:
8) abs. 1 2), Vr, I? ^ 8 Ji abs. Max. E'r\^.
Es ist femer:
2
abs
.\D,r.-r,\r<j
ds
ds
1) Endlich im Sinne von endlich und integrabel.
26
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
wenn wir wieder unter ds ein Element der Graden 1, 2 ver-
stehen, und es ist auf der Graden 1, 2:
ds
i_ xr r^ rar :^ .abs. Max. ii r «T
<aabs.Max.^J-^<^- ^^_, J^:^,
a, ß endliche Konstanten,
oder, da entsprechend der Formel 3):
ocOj Oberflächen von t, t, ,
Jdr 1 pcos(rr)
T-r,
auch:
€0-\-0)i
V die in das Innere von t — Tj
gehenden Normalen,
< j abs. Max. E -j^ ,
daraus folgt:
12
J
ds
ds <
8
1 — A
abs. Max. J? • rf « ,
12
und:
9)
8
abs. I DjVr-r^ IJ <; abs. Max. E-r\j,
somit, durch Addition von 8) und 9) die Behauptung:
10) abs. \D^r\l^A abs. Max. E • rj,.
§3.
III. Verstehen wir unter ß eiYie Funktion der Stelle
auf einer Kugelfläche vom Radius ü, die derart*)
stetig ist, daß die absolute Funktionsdifferenz für
zwei Punkte 1 und 2 der Kugelfläche in genügend
kleiner Entfernung r,,
^) Es ist möglich, daß man die Voraussetzung des Satzes:
abs. I ö i ; < ^ • »{2
entbehren kann, und daß die Stetigkeit von d auf der Kugelfläche hin-
reichend ist; doch ist der Satz in der obigen Form für die Zwecke, für
die wir ihn brauchen werden, ausreichend.
A. Rom: Potentiale von Flächen und Räumen.
27
wo A eine endliche Konstante, X einen echten Bruch
vorstellt, und ist 6 die Lösung des Dirichletschen
Problems für den Innenraum der Kugel bei den Rand-
werten ö, so sind die zweimal nach der Normalen ge-
nommenen Ableitungen des Raumpotentials:
11) ^=J*T
I
an der inneren (äußeren) Seite der Kugelfläche in fol-
gender Weise darstellbar:
12)
^'^=2.ö + ijö.^l^d ' '
CO
Jdx
6 — , außen,
€0
- = _4^Ö+«J
- cos(rr) , 1
mnen,
dv* - . 5.J ^a 2Äary r
V innere Normale.
Wir denken uns zum Beweise die Funktion S auf der
Kugelfläche nach Kugelfunktionen entwickelt, was ja bei der
Voraussetzung des Satzes gestattet ist:
13)
dann ist:
0
ö = £i I ^ j Yj(ji^(p^) für jeden Punkt {r^ jn^ 99,) in der Kugel,
und:
14)
^=J^-r = ^"V(2i+l)(2i + 3)^^^>^'^)
für jeden Punkt {q fx q?) des Außenraums,
a*F , f,_a + i)ü + 2) ^, s
^ = ^'' ?(2i + l)(2i + 3) ^^^'^)
außen an der Kugelfläche.
Da femer:
«0
15) 4~ = -4^Si
i+1
B d
r (2 j + 1) (2i + 3)
Yj (m, <p)
28
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
und:
16)
J *•* .9/1
y/0",9^)
r- 7 2i + l
außen an der Eugelfiäche,
so folgt die erste Formel 12) unmittelbar aus 13), 14), 15)
und 16).
Die zweite Formel 12) ergiebt sich, wenn man bedenkt, daß:
»'.-'
do)
CO
= — 4716 +
J»'-J
rv)
du) .
CD
§4.
IV. Verstehen wir unter ß eine Funktion der Stelle
auf einer beliebigen, geschlossenen, stetig gekrümmten
Fläche r/>, und zwar eine derart stetige Funktion, daß
die absoluten Funktionsdifferenzen für zwei Punkte 1
und 2 der Fläche in genügend kleiner Entfernung r„
wo Ä eine endliche Konstante, k einen echten Bruch
vorstellt, und ist S die Lösung des Dirichletschen
Problems für den Innenraum von co bei den Rand-
werten d, so ist die Funktion:
17)
71
9vV r
der Stelle an der Außenseite der Oberfläche w derart
stetig, daß die Funktionsdifferenzen für zwei Punkte 1
und 2 der Oberfläche in genügend kleiner Entfern ungr^^
<
U A + U + -M abs. Max. e\ r\^ , (r,, <{\ — d)o),
wo <?! und Cg zwei endliche Konstanten vorstellen, die
lediglich von der Gestalt der Fläche co und der Zahl A
A. Korn: Potentiale von Flächen and Räumen.
29
abhängen, 6 eine Zahl, die beliebig klein gewählt
werden kann, e^ und e^ zwei Konstanten, die mit ab-
nehmendem o bezw. d zu null konvergieren, aber stets
bestimmte, von null verschiedene positive Werte haben,
sobald o und d von null verschiedene positive Werte
besitzen.
Zum Beweise seien 1 und 2 zwei Punkte der Oberfläche o>
in der Entfernung r,,, und wir denken uns zwei Kugeln mit
einem Radius ü, der größer ist als eine bestimmte, endliche
Lange, aber doch klein genug, daß die beiden Kugeln, welche
bezw. die Fläche a> in 1 und 2 berühren sollen, ganz in dem
Innenraume von o> liegen. Auf dem Schnittkreise der beiden
Kugeln, die wir in der Folge als erste und zweite Kugel be-
zeichnen wollen, markieren wir den Punkt 3, der von der
Graden 1, 2 den kürzesten Abstand hat, und wir konstruieren
um diesen Punkt 3 als Zentrum eine Kugel mit dem Durchmesser
o(l-J),
wo A eine beliebig klein gewählte Zahl sein mag. Den Teil
der Kugel, der im Innenraume von co, aber außerhalb der
beiden zuerst konstruierten Kugeln liegt, wollen wir mit T
bezeichnen. T ist in der Figur schraffiert. Der Gang unseres
Beweises wird nun folgender sein:
30
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
Wir werden zeigen, daß die Funktion:
F=e —
1
71
V nach Belieben eine der
4 Richtungen :
18) ^ innere Normale von o> in 1 oder 2,
innere Normale der beiden zuerst konstruierten Kugel-
flächen in 3,
die Ungleichungen erfüllt :
19a) B!bs.\F\\<LA+U + ^~^
m ^ I F'i ? j,. ^ + (^+ i).b., M.X. sj ,t. ,; '•^•^l^f:
und daß die Funktion:
r,f(«-».)y
dv
in den beiden Punkten 1 und 2 Werte besitzt, deren absolute
DiflFerenz
<
.^)^V (^^
C endl. Konstanten),
L ä+(b+^\ abs. Max
und daraus wird sehr leicht die Behauptung folgen.
Wir wollen zuerst zeigen, daß
T
die zuletzt behauptete Eigenschaft besitzt.
Wir bemerken hierzu zunächst, daß bei der Voraussetzung
unseres Satzes über ß:
für zwei beliebige Punkte
20) ^) abs. \S\\< endl. Konst. g
A
12
des Innenraumes in genügend
kleinem Abstand Q^^,
0 Satz III des I. Abschnitts.
'"^■f ■^ßi^^fPi
A. Eom : Potentiale von Flächen und Räumen.
und im Besonderen in dem Kaume T:
21) •) abs. I ö I? < f endl. Kons*. Ä -\- ^"'^•^"°^*' abs. Max
' " ^\ ZI • o
31
•ö)et.-
Wir teilen femer das Gebiet T noch in zwei Teile (1) und
(2), so da& (2) alle Punkte von T enthält, deren Abstand von
den Punkten der Verbindungsgraden 1, 2 gröfjer als r^^ ist —
das Oebiet (2) kann sich auch auf Null reduzieren. Dann ist:
11.
Je»
0)
(|i?C)-Ö(«y^)]
< ( endl. Konst. Ä -\ '-z ' abs. Max.
\ d - o
'W"
oder, da entsprechend der Formel 3) dieses Abschnittes:
dr 2 fcos (rv)
auch:
rar 2 pcos (r
0) «1
d(ü
< ( endl. Konst. Ä -| ^ abs. Max. 0)1- A^ d (o
■ •)KÄ
wenn wir mit co^ die Oberfläche von (1) bezeichnen. Nun ist
fiir die Teile von o>j, welche der Fläche o) und den beiden
zuerst konstruierten Kugelflächen angehören:
cos (rv) <' endl. Konst. r^g
für den übrigen Teil ist:
Jcos (rv) =r. , f i cos (rv) I ,
(Ü
und gleichfalls:
Jl cos(rv) I , = j, xr L
% ^^ < ®^^^- Konst. r,j.
1) Zusatz 3 zu III des I. Abschnitts.
32
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
Es ist somit jedenfalls:
I 2-A ^ ^ < ^"^'" Konst. rj+^
und folglich:
abs.
?!
iJ[Ö(f)?C)-Ö(^y^)]
< f^ .4 -i —j ' abs. Max. ö rj^^
dt
r
sowohl in 1,
als auch in 2.
Da wieder infolge einer einfachen Greenschen Transfor-
mation:
man vgl. z. B. Formel 88)
S. 62 meines Lehrbuchs der
Potentialtheorie L,
ferner wiederum für die Teile von o>,, welche der Fläche o)
und den beiden zuerst konstruierten Kugelflächen angehören:
-^ I — = \cos(yv)-—Ma)
(1) « a>i
cos (yv') = 1 -f- f,
für den übrigen Teil:
cos (rv')
< endl. Konst. r^^,
/'
.2
da) '<c^ endl. Konst. r,,,
so ist sowohl in 1, als auch in 2:
i a*
abs. ' " ^ I - I < endl. Konst. Tj^,
somit :
(»» - ö.)
und es folgt:
(i)
dr
Ja T — -
— < endl. Konst. abs. Max. ^ • »"u,
(i) *
22)
abs.
(1)
< ( «a -^ + ( 6ndl. Konst. H ^— ^ '- 1 abs. Max
U A^L
1
(sowohl in 1, als auch in 2).
• ö) »1..
^^ßf^
A. Korn: Potentiale von Flächen und Räumen.
33
Andererseits ist:
! (2)
- S(xyjsi)\ + ( endl.K.il-i — — - - 'abs
■"■»HlsÄ**'
"^1 \2) (2) '
weon wir mit ds ein Element der Verbindungsgraden 1, 2*)
bezeichnen, somit:
< 1 endl. Konst.u4+
' 1 H2) (2)
da entsprechend der Formel 3) dieses Abschnitts:
CO, Oberfläche von (2),
V die in das Innere von (2) hinein-
gehenden Normalen,
Jdz 1 pcos (rv) j
12)
auch:
«t
<
f endl. Konst. Ä -\ '- abs. Max
J • ö
•^)
2
f { f cos (rv) , fcos (rv) , 1 ,
Wieder ist für die Teile der Fläche o>g, welche der
Fläche (o und den zuerst konstruierten Kugelflächen angehören:
cos (rv) <^ endl. Konst. o.
Für den übrigen Teil ist:
j
es folgt somit:
cos (r v) ■
\ — ■ dö> < endl. Konst. o,
Jcos T/" v^ r*cos (r V) ^o
-^^'dcü+rjgj--; ' dco< endl. Konst. o —
«2
a>2
^) Vgl. Anmerkung ») S. 24.
1906. SitsoDgib. d. math.-pbys. KL
<Ti-m A r-w
»
■' ^ ' ■£-.■■. ■ * ,^^ ■■■•
34
Sitzung der math.-phya. Klasse vom 13. Januar 1906.
und:
23) abs.
£:,>-^4-|;<(«--
, endl.Konst. , __
1 : abs. Max
•»)'1r
Durch Addition von 22) und 23) ergibt sich:
abs.
24)
r «1
j <; I £a -1 + 1 endl. Konst. H ■— j abs. Max. <^ ) rj, .
Wir gehen jetzt zum Beweise der Formel 19 a) über. Wir
teilen zum Beweise derselben das Gebiet i — 2' in vier Teile,
1. in die Kugel Tj, deren Oberfläche ö> in 1 berührt, 2. in
den Teil T, von i — T — T,, welcher außerhalb der Kugel mit
dem Radius -;^ (1 — ^) um den Punkt 3 als Zentrum liegt,
drittens in den Teil T^ von i — T — Tj — T,, dessen Abstände
von den Punkten der Verbindungsgraden 1, 3 größer sind, als
Tjj, und viertens in den übrig bleibenden Teil T^ von i — T.
Dann ist zunächst analog 22) und 23):
25)
abs.
dv'
<(..^+(.
7*4 1«
endl. Konst.\
Ä
e„-4 -f ( endl. Konst. + --"—--^^""^' J abs. Max. ^ ) »^2'
26)
abs. U% (d-dj^
_-/ . . endl.Konst. , «,
< I fi^ -A H -■. abs. Max
.ö)rt,;
27)
abs. ö —
1
dt\ |8
r
es ist ferner:
< endl. Konst. abs. Max. 6 • rj^^)
nach dem Satze III dieser Abhandlung.
') Mit Rücksicht auf Satz II dieses Abschnitts und Satz II des
I. Abschnitts.
A. Eom: Potentiale von Flächen und Räumen.
35
Schliefilich ist:
28)
abs.
$>-^.)
Ti
r
1
< endl. Eonst. abs. Max. B • :; — 7^
1
1 r
»•«.')
.= endl. Konst. , „ ;: , ,^ .. ,^ t.^
< D'o(l^A) ' ' **"' ^^" < «^ (1 — ^) (1 — ^)).
Aus 25), 26), 27), 28) folgt nunmehr unmittelbar die
Formel 19 a), und analog die Formel 19 b).
Berücksichtigt man, daß nach Zusatz 2 zu Satz U des
I. Abschnitts :
29)
3* rdT
abs. 0, ^ • I —
M3v*J r
< endl. Konst. abs. Max. ß • r:\
12
bei genügend kleinem r,j, A ein ganz beliebiger echter Bruch,
so ergibt sich aus 19 a), 19 b) und 24) unmittelbar die Be-
hauptung unseres Satzes, wenn wir noch zeigen können, daß
tatsachlich die Formeln 19 a), 19 b) bestehen, welche Richtung
von den 4 Richtungen
innere Normale von o) in 1 oder 2,
innere Normalen der beiden ersten Kugelflächen in 3
wir auch wählen mögen.
Wir bemerken hierzu, daß die Fehler, welche wir machen,
wenn wir eine dieser Richtungen durch eine andere derselben
ersetzen, _
< 21 • endl. Konst. r^^
sind, wenn 31 den absolut größten Wert bezeichnet, den irgend
eine der zweiten Ableitungen von
j
6
dx
(hinerstreckt über eine der beiden
zuerst konstruierten Kugeln)
haben kann, da nur in 27) ein Fehler entstehen kann.
■• - 1^'
auf der Verbindungslinie I, 3 kleiner als
endl. Konst.
kürzester Abstand von Tf nach dieser Verbindungslinie'
3*
36 Sitzung der math.-phys. Klasse vom IS. Januar 1906.
Nun ist, wie bereits aus den Hölderschen Untersuchungen
hervorgeht :
A' ein beliebiger,
echter Bruch,
endl. KoDst. ^
somit auch der gemachte Fehler
, . , endl. Konst. , ,, -.
< («a -nL + abs. Max. 0) r„ ,
o
und damit ist unser Satz vollständig bewiesen.
i^fK^^ßml^
37
Abhandlungen zur Elastizitätstheorie.
I.
Allgemeine Losung des elastischen Gleich-
gewichtsproblems bei gegebenen Verrückungen
an der Oberfläche.
Von ▲• Korn.
{KiHff^fifm 19, Januttt'.)
Die Methode der successiven Annäherungen ist im An-
schluß an die bekannten, grundlegenden Arbeiten von Schwarz,
Picard, Poincar^ mit größtem Erfolge zur Losung einer Reihe
der wichtigsten Probleme der mathematischen Physik heran-
gezogen w^orden.
Versuche, diese Methode auch zur Lösung der in der
Elastizitätstheorie auftretenden Differentialgleichungen, und zwar
zunächst der statischen Gleichungen:
1)
Au -|- Ä -— = — X,
dX
dy
Aw+k — = —Z,
dz '
du dV Bw
u = — -f- — -|- —
dx dy ^ dz
anzuwenden, sind von Lauricella^) und E. und F. Cosserat*)
gemacht worden, aber sie hatten bisher noch zu keinem be-
1) Lanricella, Ann. della R. Scnola Norm. Sup. di Pisa 1894; N. C.
U) 9, S. 97, 10, S. 5. Während der Dnicklegnng meiner Abhandlung
erhielt ich Kenntnis von einer nenen, interessanten Untersuchung Herrn
Laoricellas (Ann. di Mat. 1905), auf die ich hier noch hinweisen will;
dieselbe beschränkt sich auf eine überall konvexe Grenzfläche.
«) E. und F. Cosserat, C. r. 126, S. 1089, 1898; 133, S. 145, 1901.
38 Sitzung der inath.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
fi*iedigenden Resultate geführt. Die Konvergenz der Reihen,
welche die Lösungen darstellen sollen, ließ sich bei den Me-
thoden von Lauriceila und E. und F. Cosserat zwar beweisen,
so lange man sich in endlicher Entfernung von der Oberfläche
hält, bei unendlicher Annäherung an die Oberfläche lassen uns
diese Untersuchungen aber vollständig im Stich, und es bleibt
durchaus unsicher, ob die aufgestellten Reihen wirklich an der
Grenze die geforderten Grenzbedingungen erfüllen, ja, ob die-
selben überhaupt konvergent sind.
Um durch die Methode der successiven Annäherungen
das elastische Gleich ge wich tsproblem bei gegebenen Ver-
rückungen an der Oberfläche in seiner ganzen Allgeraeinheit
zu lösen, ist ein von den früheren etwas verschiedener Ansatz
nützlich. Mit Hilfe desselben gelingt es, wie in der vor-
liegenden Abhandlung gezeigt werden soll, nicht bloß, die
Konvergenz der für die Lösungen aufgestellten Reihen in end-
licher Entfernung von der Oberfläche zu beweisen, — wozu
der Cosseratsche Grundgedanke hinreichend ist — sondern auch
die Hauptschwierigkeit zu überwinden, nämlich zu zeigen, daß
die aufgestellten Reihen auch bei unendlicher Annäherung an
die Oberfläche konvergent bleiben und die geforderten Grenz-
bedingungen erfüllen.
Es wird in dieser Abhandlung gezeigt, daß die elastischen
Gleichungen 1) bei gegel)enen Grenzwerten von u, v, w an der
Oberfläche ein und nur ein System von Lösungen u, v, w zu-
lassen, für jeden beliebigen Wert von i, der der Ungleichung
entspricht :
— 1 <Ä< + 00,
und diese Lösungen werden in Gestalt von unendlichen, stets
konvergenten Reihen gegeben, bei gewissen Stetigkeiisvoraus-
setzungen über die Funktionen X, Y, Z, die Grenzwerte von
u, V, w und ihre Ableitungen.
Damit ist das elastische Gleich ge wich tsproblem bei ge-
gebenen Verrückungen an der Oberfläche in seiner allge-
meinsten Form gelöst.
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 39
§1.
Wir suchen drei in einem Gebiete t eindeutige und stetige
Funktionen w, r, ic mit endlichen*) ersten Ableitungen, welche
in dem Gebiete t den Differentialgleichungen 1) genügen und
an der Oberfläche oj von r gegebene Grenzwerte
2)
annehmen.
über die als gegeben vorauszusetzenden Funktionen X, Y, 2,
der Stelle in t wollen wir annehmen, daß sie (abteilungs weise)
eindeutig und stetig sind, und zwar so, daß für je zwei Punkte
1 und 2 (eines Teilgebietes) die abjK>luten Funktionsdifferenzen
sind, bei genügend kleiner Entfernung r,, der beiden Punkte,
wo A eine endliche Konstante, x eine von null verschiedene
positive Zahl vorstellt.*)
Über die als gegeben vorauszasetzenden Funktionen
M, r, IT
der Stelle an <o wollen wir annehmen, daß sie mit ihren er^o
Ableitungen eindeutig und stetig sind, und zwar sollen die
ersten Ableitungen derart stetig sein. da£ fBr je zwei Punkte
1 and 2 der Fliehe co die absoluten Funktionsdifferenzen (der
eisten Äbleitanfren)
sind, bei genügend kleiner Entfernung r,, der beiden Punkte,
wo A' eine endliche Kon^nante. i' eine von Xull verschiedene
positive Zahl vorstellt. 'i
^t Dkse B<«ü::;?djF isi in B-sswÄ^ifr»» «rf^t. w*Ea die «nux A?>-
■. r. V
40
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1905.
Bezeichnen wir mit Z7, F, W die Potentialfunktionen des
Gebietes r, welche bezw. die Grenzwerte w, t;, u; an co besitzen,
so ergeben sich für die Funktionen :
u' = w - CT,
3) . v' = t; — F,
. w;' = m; — W
die Differentialgleichungen :
4)
= — X— Ä
Aw* -y ifc
9y
ä7
= —Z—Ji
dx '
de
de
dz '
wo wir noch:
5)
6' =
e =
3m' , 3f' , 3«''
9a;
ay
dz
2W
ao; ^ 3y ^ dz
gesetzt haben. Dazu kommen noch die Grenzbedingungen :
6)
an CO.
§2.
Das allgemeine Problem läßt sich somit auf das folgende
zurückführen, das wir als das Hauptproblem des elastischen
Gleichgewichts bezeichnen wollen:
Wir suchen drei in einem Gebiete t eindeutige und stetige
Funktionen w, v, w mit endlichen ersten Ableitungen, welche
in dem Gebiete t den Differentialgleichungen genügen:
■^■-^ t^
A. Korn: Lösung des ehistischen Gleichgewichtsproblems. 41
7)
= -/•..
oder, was dasselbe ist, den Differentialgleichungen :
-p;=(i-o/-.,
und an der Oberfläche cd von t die Grenzwerte:
M = 0,
. m; = 0
annehmen.
Über die als gegeben vorauszusetzenden Funktionen /", f^ /",
der Stelle in r wollen wir annehmen, daß sie in t derart stetig
sind, ") daiä für zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Ent-
fernung r,j die absoluten Funktionsdifferenzen
sind, wo Ä eine endliche Konstante, l eine von Null ver-
schiedene, positive Zahl vorstellt, und überdies im Innenraume
8")
dx dy dz
^-» = 0
vorausgesetzt werden soll.
^) Diese Bedingung ist im besonderen erfüllt, wenn die ersten Ab-
leitungen von fx {% f^ in r endlich sind.
42 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
Nach Lösung dieses Problems werden wir im § 7 zeigen,
daß man in der Tat auch für f^ f^ f^ drei Funktionen von der
folgenden Form wählen darf:
/,= r +
U = z +
dß
dy '
3©
dss
"<-^^o,
wo X, F, Z drei ganz beliebige Funktionen der Stelle in r
sind, die in t nur derart stetig sind, daß für zwei Punkte
1 und 2 des Gebietes in genügend kleiner Entfernung r^, ihre
3X 3 Y dZ
absoluten Funktionsdifferenzen, sowie die von 1- 1- -—
dx dy dz
A endlich,
X positive, von Null verschiedene Zahl,
sind, und S eine allgemeine, stetige Potentialfunktion,^) deren
Stetigkeit in t dieselbe Bedingung erfüllt, wde die Stetigkeit
der Funktionen X, Y, Z.
Wir werden die Lösung des Problems geben für jeden
beliebigen Wert von k in den Grenzen
— 1<Ä<00
d. h. für jeden Wert von f in den Grenzen:
— 1 < f < -f 1 (in strengem Sinne),
wenn also f einen beliebigen positiven oder negativen echten
Bruch vorstellt.
§ 3.
Daß für
— 1 <Ä<oo
nur ein System von Lösungen vorhanden ist, wenn man von
vornherein die Existenz eines Systems von Lösungen voraus-
*) D. i. die Lösung des Dirichletschen Problems für den Innenraum x
bei gegebenen stetigen Randwerten 6 an eu.
yrtf. MF«?
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 43
setzt, ist bekannt, ich füge den Beweis hier nur der Voll-
ständigkeit halber hinzu.
Gäbe es zwei Systeme von Lösungen Mj v, w^ und u^ v^ w^,
dann wäre : . o /'ä ä ^
3 (<», - »,) _
3y
9)
^i^t —»») + *
= 0
in T,
lind:
10)
[ w, — w, = 0,
l m;, — m;, = 0
an (ü.
Wir multiplizieren die erste der Gleichungen 9) mit u^ — m^,
die zweite mit v^ — v^, die dritte mit m?, — Wg, addieren und
integrieren über r, dann folgt:
J [k— **i) ^ («^1— «2) + (^1—^2) ^ (^1— ^2) + 0^i-«^2) ^ K— «^2)
oder mit Rücksicht darauf, daß:
11)
_ a^ I a /aec; ar\ __ ^ /av _ auXi
ay |ä^\ay dz) dx\dx ay/J'
auch:
cz Laa;\a^ dxj
d fdW dV
dy \dy ~iz
)]■
^ * * LayV 9x 8y y a^V a^ ax )\
*■ * *'la^'V ay a^ ) dx\ bx dy yj
* *^iSx\ de dx } dy\ dy de )\\
44
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
oder nach einer einfachen Greenschen Umformung:
12)
p.r ^) _ »(if, r ».)}V p^ _ '_(.. -.s)}"] ,_ „ .
sobald somit ifc + 1 positiv ist, solange also :
13) _ 1 < A; < 00
folgt:
U)
W, — M, = 0,
t<;j — m;^ = 0
im ganzen Innenraume von od; damit ist die Eindeutigkeit
bewiesen.
§4.
Wir gehen nun zur Lösung der gestellten Aufgabe mit
Hilfe der Methode der successiven Annäherimgen über, und
zwar gehen wir von den Gleichungen 8) aus. Wir bilden
successive die folgenden Funktionen:
15)
r
T
r
r
r
i = 1, 2, . . .
A. Korn: Lösnn^ des elastisclien Gleichgewichtsproblems. 45
wo die UjVjW^ die Lösungen des Dirichletschen Problems
bei den Randwerten:
^•^i^iJ^'y' ^>=27iä^J*^'y'
16)
1 3
= 1,2
'^.-4'j^.7'. ^''Lhi''-'^'
f an CO
vorstellen.*) Können wir beweisen, dafi:
• •
. f^' (.
lim • f-^'l zIm?/
^1^
in T in irgend welcher, im übrigen beliebig kleiner Entfernung
von der Oberfläche, und daß die Reihen:
00
00
Sil^w,-, Sif^vy, ^iVWi
Ü 0 Ü
Funktionen darstellen, die in r eindeutig und stetig sind und
endliche erste Ableitungen besitzen, dann werden diese Funk-
*) Die Existenz dieser Funktionen Uj Vj Wj , ihre für uns in Be-
tracht kommenden Stetigkeitseigenschaften, sowie die Formeln:
150
dxj''r dx
T
. d c dl . dej-i
T
A A- I ßj-l — = — 4jr —^ —
dzj •' r dz
werden wir noch in diesem § beweisen.
46
Sitzung der math.-pbjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
tionen offenbar die Lösungen der gestellten Aufgabe darstellen.
Wir werden zunächst zeigen, daß die Integrale:
17)
=!>'"
die Ungleichungen erfüllen:
18) V^ Jj^a- Vi,
wo l ein beliebiger echter Bruch ist, a eine endliche Konstante.
Es ist in der Tat, wenn wir die Abkürzungen :
3 IV i 9 Vj
"^ = ^y -
dz'
19)
dWj
dx'
^ dX
gebrauchen :
XK' + uJ+Oi + w'Jdr
— Jhp-(i7'-t)}+"'r5?-(t"'-s)i
= J"[Ö,Ö^_, + Ujüj-i + ÖyOi-l -t- WjWj-i — 2ÖjÖy_,] dz,
T
somit :
und hieraus folgt:
20)
:■> •.-^. w m
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 47
21)>) JT»! + u| -i- ttj + to,?] dr < X(ö; ., + Uy*_, + x>U + »i-l) <*»
also:
22)
[ ^^Jj < P^M + «I + ö* + »!] «^^
T
wo f einen echten Bruch und a eine endliche Konstante
vorstellt.
Wir haben für die Gültigkeit dieser Ableitung nur noch
zu begründen, daß bei unseren Voraussetzungen die in der
Ableitung benützten Integrale einen Sinn haben, und daß die
Greenschen Umformungen berechtigt sind.
Wir bedenken hierzu, daß nach Voraussetzung die Funk-
tionen JFj JFg F^ in T derart stetig sind, daß für zwei Punkte 1
und 2 in genügend kleiner Entfernung ihre absoluten Funk-
tionsdifferenzen
sind, wo k einen ganz bestimmten echten Bruch, Ä eine
endliche Konstante bezeichnen möge. Es sind aus diesem
Grunde (Satz I des zweiten Abschnitts der vorangehenden Ab-
handlung) die zweiten Ableitungen der Raumpotentiale
/
T
!
r
dl
^) Nach der bekannten Schwarzsehen Ungleichung ergibt sich ja
ans 2 >) :
48 Sitzung der matb.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
in T in ähnlicher Weise stetig, somit die zweiten Ableitungen
von UqVqWq ebenfalls, solange man sich in endlicher, im
übrigen beliebig kleinen Entfernung von der Oberfläche cd
hält, und Gleiches folgt successive nach den Formeln 15) für
die zweiten Ableitungen von Uj Vj Wj^ wenn die 6j stetige,
allgemeine Potentialfunktionen sind.^)
Die Gleichung 20), auf die es uns ankommt, wird durch
einen strengen Grenzübergang erhalten, wenn wir zeigen können,
da£ die ersten Ableitungen der UjVjWj im ganzen Räume ein-
deutig und stetig sind.
Wir haben also noch zu beweisen, daß die Oj infolge der
Definitionen 15) stetige, allgemeine Potentialfunktionen ^) des
Innenraumes t und daß alle ersten Ableitungen von Uj Vj Wj im
ganzen Innenraume eindeutig und stetig sind.
Wir werden nun in der Tat zeigen, daß die ßj bei unseren
Voraussetzungen stetige, allgemeine Potentialfunktionen und
in T derart stetig sind, daß für zwei Punkte 1 und 2 des
Innenraumes in genügend kleiner Entfernung r,g
abs.|öj.|?^C,.rti, (0<Ay<l),
wo Cj bei endlichem j eine endliche, von j abhängige Kon-
stante vorstellt, die natürlich, worauf es uns vorläufig nicht
ankommt, möglicherweise mit j unendlich wachsen könnte.*)
Die Funktionen Uf^V^Wf^ haben Randwerte, deren erste
Ableitungen (Satz 11 des 11. Abschnittes der vorstehenden Ab-
handlung) derart stetig sind, daß für zwei Punkte 1 und 2
der Fläche co in genügend kleiner Entfernung r,, ihre abso-
luten Funktionsdifferenzen :
^ a • abs. Max. {F^, -F,, F^) • r^^
sind, wo A einen ganz beliebigen echten Bruch und a eine
endliche Konstante vorstellt, die lediglich von der Gestalt der
^) p. h. Lösungen eines Dirichletschen Problems mit stetigen Rand-
werten ßj,
^) Diese Frage werden wir im späteren Verlauf der Abhandlung
noch diskutieren.
A.Korn: Lösung des eluhtischen OleioligewichtsjtrobltMus. 4.)
Fläche a> und der Wahl der Zahl A abhängt. Die Funktionen
Uq Vq Wq sind somit ^) Potentialfunktionen des Kaunies t, die
im ganzen Innenraum derart stetig sind, daß für zwei Punkte
1 und 2 desselben in genügend kleiner Entfernung r,,:
absJ?:^« -
do
< endl. Konst. rj« ,
wenn o eine ganz beliebige Richtung vorstellt, da ja l ein
ganz bestimmter echter Bruch ist und wir A größer als l
wählen können. Außerdem ist:
— F
— F
somit:
24)
A9^ = Q, mit Rücksicht auf 8'0;
es ist also 0, eine stetige, allgemeine Potentialfunktion des
Raumes r, deren Stetigkeit in der ganzen Ausdehnung des
Raumes r derart ist, da& fUr zwei Punkte 1 und 2 des
Raumes t in genügend kleiner Entfernung r,,:
25) abs. ! Öo if < endl. Konst. rj^ ^ C« rj« , | ^ Jülich.'
Es ist nun weiter:
26)
d
-.= «'«+ 2^ äJ^o, -TT.,
und die ersten Ableitungen der Randwerte der Potentialfunk-
tionen U^V^W^i
1) Zusatz 4 zu Satz III des I. Abschnitts der vorstehenden Abhandlung.
190e. Siinixigib. d. niAth.-phya. KL 4
50
Sitsang der math.-phys. Klasse Tom 13. Janaar 1906.
27)
T
V = i -l- fö ^
T
, an a>
sind an der Oberfläche (o derart stetig, daß:
28)
abs.
dh
< (^ C^o H" ^ ^^s- ^^^- ^o) ^l^'
wo Ä eine beliebige tangentiale Ricbtung,^) a h endliche Kon-
stanten vorstellen, die lediglich von der Gestalt der Fläche o>
und der Zahl Xq abhängen (Satz II des zweiten Abschnitts der
vorstehenden Abhandlung). Mit Rücksicht auf den Zusatz 4
zu Satz lU des I. Abschnitts der vorstehenden Abhandlung
folgt somit, daß die ersten Ableitungen von u^ v^ w^ in dem
Räume derart stetig sind, da& für zwei Punkte 1 und 2 in
genügend kleiner Entfernung r,,:
29) abs.
2
9o II
<: endl. Konst. rj« < C, rjj ,
(7j endlich,
wo o eine beliebige Richtung, (7, eine endliche Konstante
vorstellt.
Außerdem ist:
A w, =
J r, =
A ii\ ^
BS
dx ^ "'
^2^-^ + Av,,
-2\\' + Aw,
somit:
30)
Jö, = 0;
') C08(^a;) -= cosC^i^r) + ^i, . ., wo | «i | ^ endl. Konst. 1*12,
A.Kom: Lösung- des elastischen Gleichf,'ewicht>prol>lenis. '^t
es ist also Ö, eine stetige allgemeine Potentialfunktion des
liaumes r, deren Stetigkeit in der ganzen Ausdehnung des
Raumes t derart ist, daß für zwei Punkte 1 und 2 des Rau-
mes T in genügend kleiner Entfernung r:
31) abs.;d,|2^C,rJi,,
o<;i,<i,
6\ endlich.
In dieser Weise können wir nun weiter gehen und sehen,
daß für jedes beliebige endliche j die 6^ stetige, allgemeine
Potentialfunktionen sind, deren Stetigkeit in r die Bedingung
23) erfüllt.
Es folgt auf diese Weise auch die Gültigkeit der For-
meln 15') S. 45 für jeden Punkt des Raumes r in irgend-
welcher, im übrigen beliebig kleiner Entfernung von co. Es
folgt schließlich auch successive die Stetigkeit der ersten Ab*
leitungen von Uj Vj Wj in ganzer Erstreckung des Raumes r für
jedes beliebige endliche j.
Damit sind nun aber alle Schlüsse dieses § streng be-
gründet, und wir können bisher das folgende Resultat aus-
sprechen :
Die durch die Formeln 15) definierten successiven
Funktionen Uj Vj tVj sind mit ihren ersten Ableitungen
für jedes beliebige endliche j in ganzer Erstreckung
des Raumes r eindeutig und stetig; die Stetigkeit ihrer
ersten Ableitungen, im besonderen die Stetigkeit der
stetigen, allgemeinen Potentialfunktionen ßj in x ist
derart, daß für zwei Punkte 1 und 2 in genügend
kleiner Entfernung r^^i
wo Ij einen echten Bruch, Cj eine endliche Eonstante
Torstellt.
Die Formeln:
52 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
dxj ' r dx
r
dx .de,
dyJ ^ r dy'
d/sj ^ r dz'
bestehen für jedes beliebige endliche j in irgend
welcher, im übrigen beliebig kleiner Entfernung von
der Fläche co.
Es besteht ferner die Ungleichung:
wo a eine von j unabhängige endliche Konstante vor-
stellt.
§5.
Wir suchen jetzt zu beweisen, daß die Funktion d eine
stetige allgemeine Potentialfunktion des Baumes r darstellt,
deren Stetigkeit die Bedingung erfüllt:
32) abs. |d|2^C.rj2, | (7 endlich,
wenn wir:
33) e = e, + ie,^\-t^e^ + ..
setzen. Daß diese Reihe innerhalb r, d. h. in endlicher Ent-
fernung von der Oberfläche ö> stets konvergent ist und mit
allen Ableitungen innerhalb o) eindeutig und stetig ist, folgt
leicht aus der Ungleichung:
r-^je]dT^aPK
Denn denken wir uns um einen Punkt {x y e) innerhalb
o) eine Kugel vom Radius 12, der nur klein genug gewählt
ist, dafi die Kugel ganz in dem Gebiete t liegt, so ist:
A. £om: Lösniig des elastischen Gleichgewichtsproblems. 53
öi(^.y.^) = 4;^,J«i'^'.
WO das Integral rechts über die Kugel zu erstrecken ist, somit:
M,(x,,.«)! 5,-5;^!/ /«./.. 5iS-.]/J»;^''-i
R*
y 4.nB?
V
oder:
34)
ß
r*
ß endliche Eonstante,
wenn r die kleinste Entfernung von der Oberfläche co darstellt.
Analoge Formeln kann man sofort auch für die ersten,
zweiten etc. Ableitungen von Bj innerhalb co ableiten.
Für uns ist es aber erforderlich, die Stetigkeit von B und
zwar die Stetigkeit von der Art 32) in ganzer Erstreckung
des Gebietes t zu erweisen, und zu diesem Zwecke müssen wir,
ausgehend von der Formel:
If. echter Bruch,
35) abs. I Bj \ < C^ rj^ , (0 < r,, < o),
in den successiven Formeln:
Cq endliche Eonstante ,
36)
abs. Bj\\ < C^r^a, (0 < r„ < a^)
die Abhängigkeit der Größen CjkjOj von j näher erforschen.
Wir gehen aus von den Definitionsformeln:
37)
1 a f^ dr ^
r
fi =tv_, +l^-y«,_4'-F„ i = l,2,...
X
54
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 18. Januar 1906.
UjVjWj sind die Potentialfunktionen des Innenraumes
mit den Randwerten:
38)
ü* =
dX
> an Q),
wo wir zur Abkürzung:
3« 2jraa;J ■'"' r '
y 2w3yJ '"' r '
axr 2n3«J ^~' r '
39)
d
gesetzt haben, es ist somit nach der Methode des arithmeti-
schen Mittels^):
40)
„ 1 ra!Pi-i cos(rv)
a>
0 Es hat in der Tat jedes ^
i«
nach Satz II des II. Ab-
schnitts der vorstehenden Abhandlung die Eigenschaft:
abs.
-il
< a abs. Max. ßj__i r\j , (0 < r,, < a)
wo Ai einen beliebigen echten Bruch vorstellt, a eine endliche Eonstante,
a eine Länge, die gar nicht von der Funktion Sj—i abhängig sind, und
hierauf ergibt sich in der Tat 41) mit Hilfe des Satzes 1 des I. Ab-
schnitts der vorstehenden Abhandlung, wenn nur Ä •< Ai^ also überhaupt
ein beliebiger echter Bruch ist.
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewicbtsproblems. 55
wo ^1, X^2» ^jis Potentiale von Doppelbelegungen sind, deren
erste Ableitungen nach dem Satze I des I. Abschnitts der vor-
stehenden Abhandlung S. 1 im ganzen Räume derart stetig
sind, daß für zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Ent-
fernung r„:
41) abs.
^.1
da
< Ä • abs. Max. dy_i rd , . . (0 < r,, < a) ,
wo o eine beliebige Richtung, A einen echten Bruch, Ä eine
endliche Eonstante, o eine Länge vorstellt, die in keiner Weise
von j abhängig sind, und man kann, wenn man will:
42)
setzen.
A = X
Es sind andererseits -—-—, — ^— , J die Potential-
dX dy dS
funktionen des Aussenraumes mit den Randwerten — - — ,
dx
dy ' a^
des arithmetischen Mittels:
an o), es ist daher wieder nach der Methode
43)
d
X 2nJ dS r^ ^
ot
d¥,.
dy 2 71 J drj r^ * j*
a«R_i 1 fa«R_, cosCrv) , , .
<u
im
Außen-
raume ,
wo die 0j,i 0j^2 ^j,2 Potentiale von Doppel belegungen mit den-
selben Stetigkeitseigenschaften wie X^j, Xy,2, X,8, im beson-
deren an der Fläche (o, sind.
Da mit Rücksicht auf den Satz I des II. Abschnitts der
vorstehenden Abhandlung die Funktionen —~z-^ '~i~~^ 7
auf der Fläche co erste tangentiale Ableitungen haben, von solcher
56 Sitzung der matb.-phys. Ellasse vom 18. Januar 1906.
Stetigkeit, das für zwei Punkte 1 und 2 der Fläche in ge-
nügend kleiner Entfernung r^,:
abs.
<Gj^iiy •• (0<ns<^i).
so ist an der Fläche w nach einem bekannten Satze (Lehrbuch
der Potentialtheorie I S. 394):
d_ rd^j-i cos (r v) ,
(O
(O
d ra!PJ_i cos(rv) -
dvj af r*
somit folgt:
44)
dv
dVi
j _
dv
dWj
dv
a' !PJ-.
aa;3v
a» !Pi-i
aya»'
' a' »^-.
a^'av
- 1 "
+fl/,
+2i-,
wobei die £} //y Z^- Funktionen vorstellen, deren erste Ablei-
tungen an der Oberfläche (o derart stetig sind, daß für zwei
Punkte 1 und 2 der Fläche in genügend kleiner Entfernung r,j:
45) abs.
^j^ I < B abs. Max. dj_, r][, . . (0 < r,, < o)
wo Ä eine beliebige tangentiale Richtung, A einen echten
Bruch, o eine endliche Konstante, a eine Länge vorstellen,
die in keiner Weise von j abhängen, und man kann, wenn
man will:
A =X
setzen.
Da Wj v/ voj an der Fläche ö> verschwinden, ist :
ö,- = — ^ cos(va:) -}- --" cos(i'y) -j- -^"^ cos (v^).
av ^ ^^ ' dv
ö^-i = —} — cos
^^ . ._ (vx) + -^- cos (r y) + — ^ cos {ye)
> an a>,
#•' -W^wnn:.
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewiclitsproblems. 57
und es folgt aus den Formeln 37):
1 ^^ r ar
2jiäv*J ^* r
= «>-i + 7
oder:
46)
Cn dx idUj , . dVj , . dWj , A
I Si^i- -{-^cos(va;)+-— -^cos(vy)H--— ^cos(v-8r)>,
J r ^ \3v dv dv j
a» r dr 1 !a» r dx\
X • I T I«
WO Hj eine Funktion der Stelle an o) darstellt, die derart
stetig ist, daß für zwei Punkte 1 und 2 der Fläche im Ab-
stand r.
!«•
47) abs. I ^ IJ < r« abs. Max. öy-i • t^g » (^ < ^12 < ^)
r eine endliche Eonstante, o eine Länge, die größer ist als
eine bestinmite endliche Länge; JT, o gänzlich unabhängig
Ton j.
Wir bringen jetzt den Satz IV des IL Abschnitts der
vorangehenden Abhandlung über Raumpotentiale, den eigent-
lichen Schlüsselpunkt für die Lösung der gestellten Aufgabe,
zur Anwendung. Besteht für zwei Punkte 1 und 2 des Raumes t
in der Entfernung r^^ die Ungleichung:
48)
abs. I ö,._, '{ < (7y^i rj/-^ , (0 < r„ ^ ay_i).
so ergibt sich nach dem genannten Satze, den Formeln 46)
und 47):
49) *) abs.| Bi IJ ^ [e,^.^^ (7y_, + U + j^-^ abs. Max. Öy-i] rji-i ,
wo d eine beliebig kleine Zahl, €„ und 6 zwei Eonstanten
Torstellen, die bezw. mit ay-i und 6 zu Null konvergieren,
aber stets von Null verschiedene, bestimmte Werte haben, so-
bald bezw. ay-i und d von Null verschieden sind, ca von j
unabhängig.
^) ^1 c% endliche Eonstanten, die von i unabhängig sind.
58 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 13. Januar 1906.
Wir können hieraus sofort die folgenden Schlüsse ziehen :
Wir können
setzen, wo d eine beliebig kleine Zahl sein kann, und:
51) abs. I Ö, If < Lj (7,_, + g^qQ^^y-t abs. Max. ßj-A r\^ ,
WO die Eonstanten c und €a von j ganz unabhängig sind und
Sj eine mit j zu Null konvergierende Zahl vorstellt. Wir können
jedenfalls, indem wir a von vornherein genügend klein wählen
machen und die Ungleichung 51) auch so schreiben:
52) abs. I öy |2 5 (Cj-i + Y^r^zrs)i *^^' ^*^- ^^"V ^2 '
(0<r,,^a(l-(J)^),
wo Ei eine Konstante vorstellt, die zwar um so größer ist, je
kleiner 6 gewählt wird, aber für jedes ^ + 0 einen bestimmten,
von Null verschiedenen, von j unabhängigen Wert hat; wir
können dabei 6 im übrigen von vornherein beliebig klein
wählen.
Diese Formel wird sogleich eine sehr wichtige Rolle spielen.
Wir errichten in einem Punkte 0 der Fläche die innere Nor-
male und markieren auf derselben in dem Abstände r^- den
Punkt 0'. Dann ist:
I ^i |o = I öy |o' + I ^j |o'
und mit Rücksicht auf 34) und 52):
53) , "*''• '^ < ^ + {^'-' + E-(}- 6y "*'^- ^"^- •'^-0 «i'
(0 5t,^o(l-d)i),
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 59
55)
oder, wenn wir mit fi einen echten Bruch
54) I< ft < 1
bezeichnen und
Ä^ abs. Max. ßj = Äj,
setzen, so daß:
abs. Max. ßj Ä^ ^ Aj
•2/^2, (0<r,,5o(l
so erhalten wir die Formeln:
56)
{
{abs. Max. Oj ^^
abs. |ftifl|/|f<
-m,
57)
^ < T?'^(^-'"' '^E^^'^'-') '^' (^^'■'■^"^l -'')^'
Jf,<B,_i +
EAi-sy
Aj-\.
Wir wählen nun d und einen echten Bruch L so, dafi:
ft<L<(l — .5)^<1
58)
und setzen:
59)
-(
ft*(l - d)T\i
Li
^i
was ja gestattet ist, da ja:
9r(l — d)li
L*
<l—d\
wir können dann die beiden Ungleichungen 57) so schreiben:
60)
^J<ß
\(1 - (J)W ^i
(Bj.:il-dy-^E, + A
'-'©'*;
1
-Bi<-Bi-. + Wziy^i-"
oder, wenn wir mit ^ den größeren der beiden echten Brüche
62)
60 Sitzung der math.-phy8. Klasse Tom 13. Januar 1906.
bezeichnen :
U < [^ + 1 (^_, + -E, (1 - d)'-> B,_o] M
^^^ 1 =- ' 1
Wir multiplizieren die zweite dieser Ungleichungen mit
^^(1 — Sy und addieren, dann folgt:
A, + E,{i- dys, ^ ^,_, + ^, (1 - a)'-i B,-i
+ [ß + ^ Ui-^ -VE.il- a)'-> £,_,)] //'.
oder, wenn wir:
63) ri = AiJrE,(l-6yBi
setzen :
64) /;.^/;_, + [^ + ^rij,,.'.
Wir wenden jetzt den KunstgriflF an, der bereits von
LiapounoflF^) bei einer anderen Gelegenheit mit Erfolg benützt
worden ist. Wir schreiben die Ungleichung in der Form:
r, + ß-E,^ (/;_, + ßE,) (i + f ).
dann folgt:
r, + /?.^,^(r„ + ^^,)(i + |j(i + 0..(i + |3.
Das Produkt:
ist konvergent, da ^ ^ 1, und es wird somit:
66) ri-^ß.E,<:,(r^ + ßE,)Q,
^) Liapounoff, Sur certaines questions qui se rattachent au probleme
de Dirichlet (Joum. de math. 1898, S. 278).
•r«?
A. Korn: Ldsung des elastischen Gleichgewichtsproblema. 61
80 daß:
67)
n^Ä,
WO A eine bestimmte, endliche, von j unabhängige Konstante
Torstellt. Nun ist:
abs. Max. '' • ^« == { ä ) ' -^i
so daß, wenn wir wieder mit m einen echten Bruch bezeichnen :
68)
{
abs. Max. V Bi^a- m\ I
und wir erhalten das wichtige Resultat:
abs.|I'd,|J <b'm*fi^, (0 <r,, < o(l-d)%
wo m einen echten Bruch yorstellt, a, ft endliche, von j unab-
hängige Konstanten.
Durch die erste Formel 69) wird uns die gleichmäßige
Konvergenz der Reihe:
70) « = »o + l»i + «*». + •••
gewährleistet, und sicher gestellt, daß 6 eine in dem ganzen
Gebiet t eindeutige und stetige Funktion der Stelle vorstellt.
Wir verlangen von der Stetigkeit der Funktion 6 aber
noch mehr, und wir wollen mit Hilfe der zweiten Formel 69)
die Behauptung 32) nachweisen.
Wir teilen die Reihe 70) in 2 Teile:
71)
0 r-f 1
und wählen die Zahl v genügend groß, so daß:
00
H-1
< endLKonst. r,,.
62
Sitzunff der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
wenn r„ die Entfernung zweier Punkte 1 und 2 des Raumes t
Torstellt. Eine solche Zahl v läßt sich stets finden, da:
OB
£i Vßj ^ endl. Konst. #»•';
man hat eben nur v so groß zu machen, daß
72) m*' ^ endl. Konst. r„ ;
dann ist:
73 a) abs.
und:
•'-hl
< endl. Konst. r^, ,
73 b) abs.
0
< endl. Konst. rj^ , (0 < r„ < o (1 — d)")
mit Rücksicht auf die zweite Formel 69), und die Bedingung
kann noch fortgelassen werden, sie ist, wenn nur
ist, was ja stets dadurch erreicht werden kann, daß man von
Tornherein d klein genug annimmt, bei der Festsetzung 72)
von selbst erfüllt, wenn r^^< bestimmte, endliche Konstante a'(<ö).
Durch Addition der Formeln 73 a) und 73 b) folgt aber
für irgend zwei Punkte 1 und 2 des Raumes t:
74) abs. I <^ IJ < endl. Konst. r]^ ,
und das wollen wir in diesem § beweisen.
Wir haben also das Resultat erhalten:
Die Reihe:
75) e = e„ + t», + t*e, + - ■ (-i^f^ + i)
stellt eine in der ganzen Erstreckung des Raumes t
eindeutige und stetige Funktion dar, und es gelten
für zwei Punkte 1 und 2 des Raumes t die Formeln:
76) abs. I ö ]J <; endl. Konst. rj^ .
^ -IF«B
A. Eom : Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems.
63
Die einzelnen Glieder der Reihe haben die Eigen-
schaft:
77)
{
abs. Max. f^ dy < a • w-',
abs.|Iid, |?<6-mi.r^2, (0 <r,,<o (l-(J)O,
wo die a, h endliche, von j unabhängige Konstanten,
m einen echten Bruch darstellt.
§6.
Wir gehen nunmehr zu der Untersuchung der Funktionen
Ui Vi Wi über, die successive durch die Gleichungen 15) de-
finiert sind.
Es ergiebt sich zunächst wieder aus den Ungleichungen 77)
für die Potentialfunktionen Uj Vj Wj mit den Randwerten 16)
an (o mit Rücksicht auf Satz U und Satz I des I. Abschnitts
der Torangehenden Abhandlung, daß die Reihen:
78)
und
79)
0
a7 = Sil^d7'
(-KK+1),
(-KK+1),
wenn s eine beliebige Richtung vorstellt, für jeden Punkt des
JTJ
Gebietes t konvergieren, und daß die Reihen U und -j- im
ganzen Gebiete t eindeutige und stetige Funktionen der Stelle
vorstellen.
Wir multiplizieren jede der Formeln 15) bezw. mit V^
(0 <!<!'< 1) und summieren von 1 bis j, dann folgt:
80)
^^ i. ««/ TT
1— — S« ' ^''
r * T
64
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
dann folgt, da auch:
abs. Max. f* St < a' m'*
abs. ; f '• d, I? ^ b' m" rjg , (0 ^ r„ ^ a (1 ~ (JO*"')
wo m' einen echten Bruch bedeutet:
81)
{
82)
und auch:
83)
I ^'^ ^J I < ®^^' Konst. ,
I ^'^ ^J i ^ ®^^^- Konst. ,
V^ tVj < endl. Konst. ,
^''' ^-^ < endl. Konst. ,
I'^ -/^ ^ endl. Konst. ,
ds ^
f '> -p ^ endl. Konst. ,
ds ^
wo 5 eine ganz beliebige Richtung vorstellt.
Setzen wir jetzt:
f
84)
n y.
SO folgt:
Vui
< endl. Konst. n^,
85)
V vj
< endl. Konst. n^,
Vwj
< endl. Konst. n^,
und:
*
ds
< endl. Konst. n^,
86)
ds
< endl. Konst. »^,
ds
< endl. Konsi n^,
wo n einen echten Bruch bedeutet, und wir sehen, daß at
die Reihen:
A. Korn; Lösung des elitstischen Gleichgewichtsproblems. 65
87)
und:
88)
00
u = Si t^' Uj ,
0
TD
V = iJi I-' Vj ,
00
w = Si f-' Wj
9 W » dUj
ds
ds
Is
= Si V
it
ds '
^tjv'"'
0
= £i V
0
ds
in ganzer Erstreckung des Raumes r konvergieren und ein-
deutige und stetige Funktionen der Stelle darstellen.
Nunmehr können wir das Resultat aussprechen:
Die Reihen 87) stellen, wie behauptet, die Lö-
sungen unserer gestellten Aufgabe dar.
§7.
Wir haben bisher über die gegebenen Funktionen f^ f^ f^
in den Differentialgleichungen 7) vorausgesetzt, daß sie der
Differentialgleichung genügen :
89)
dx cy ' de
und daß sie in ganzer Erstreckung des Gebietes t derart stetig
sind, daü für zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Ent-
fernung r,,:
90) abs. I /, If ^ endl. Konst. rj^ , . . . | A echter Bruch ;
für den Beweis ist aber von Wichtigkeit nur, daß die durch
die Formeln:
I906w SHsoagsb. d. nutÜL-phy«. Kl. 5
66
Sitzung der math.-phya. EImm Tom 19. Januar 1906.
91)
1— f r . dz
1— I r az j.
1— f C . dx
1— I r.ax ^
dx
i-r c. dx
TT.
definierten u^ v„ w, in t mit ihren ersten Ableitungen eind
und stetig sind, und daß die stetige, allgemeine Pote
Funktion :
92)
9u
3«,
«0=^;.? + ^? +
dw^
in T derart stetig ist, daß für zwei Punkte 1 und 2 in geni
kleiner Entfernung r,,:
93) abs. 1 «0 1! < endl. Konst. rj^ ,
und daß schließlich in r in irgend welcher im übrigen he
kleinen Entfernung von co:
94)
dxJ ® r
T
dz J " r
3Öo^
dx '
a»o
dJt'
Wir wollen jetzt zunächst weiter zeigen, daß diese Vo
Setzungen 92), 93), 94) auch erfüllt sind, wenn
95)
h=-z+
diu'
ae dX dY a^^Q
ay ' aa; "^ ay "'" a;er '
aö
a^f'
A. Eom: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 67
XTZ wieder in t derart stetig sind, daß für zwei Punkte 1
und 2 in genügend kleiner EntfemuDg r^^i
96) abs. I X|* ^ endl. Konst. rj^ , . . .
und d eine stetige, allgemeine Potentialfunktion vorstellen soll,
von der wir nur wissen, daß ihre Stetigkeit in t die Be-
dingung erfüllt:
97) abs. I ö j J ^ endl. Konst. r\^
fär zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Entfernung r^,.
Es folgt nämlich in diesem Falle aus den Formeln 91) in
derselben Weise, wie 46) aus 37) folgte,
98)
j. 1 1— tr ^^^'l , ± ri— I r 3ö dri
dxi in J 3x r \ dyi in J dy r \
20,
1 — f
dzi in J de r \ dx dy dz
wo U^ eine Funktion der Stelle an co darstellt, die derart
stetig ist, dafi für zwei Punkte 1 und 2 der Fläche in ge-
nügend kleiner Entfernung r,,:
99) abs. I flo I? < ^ abs. Max. (0, X, T, Z) • rj^g ,
wo A ein ganz beliebiger echter Bruch, F eine endliche Kon-
stante ist, die nur von der Gestalt der Fläche co und der
Wahl des echten Bruches A abhängig ist, den man z. B.
gleich A setzen kann.
Es ist femer %^ nach wie vor eine stetige Potential-
fanktion des Raumes, die nunmehr nach dem Satze IV des
n. Abschnitts der Torstehenden Abhandlung^) im ganzen
Räume t bei genügend kleinem r^, der Bedingung 93) genügt.
^) Diese Berichte S. 28.
68
Sitzung der math.-phys. Klasse Tom 13. Janoar 1906.
Auch die Bedingungen 94) sind erfüllt, da XYZ die
Bedingung 96) erfüllen und 0 nach Voraussetzung eine stetige,
allgemeine Potentialfunktion des Baumes r ist.
Der Beweis bleibt also nach wie vor richtig, wenn f^ f^ f^
von der Form 95) sind.
Es bleibt jetzt schließlich noch der Fall zu behandeln, daß
100)
ax ar az
aber eine derart stetige Funktion des Raumes r ist, daß fOr
zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Entfernung r,,:
101) abs. \F\l'-^ endl. Konst. rf^ .
Wir setzen in diesem Falle:
102)
und:
V = —
.dr
47i{l+k)
p'i
103)
1 d r dz „ , ,
ffv.^^+»+»'.
t; =
1 d
W
ijidy
1 d
1 a f dt ^,
U, SS, SB Potentialfunktionen
von T mit den Randwerten :
1 d r dr ]
_ 1 ^ r dr
as
SB
_ J_ a^ r dx_
an CO,
dann ist:
A 7^^ /. iN^v A ^ 7 5^' 1^ /3U a» affl\
90
3V
äy
104)iJ« + A:>(l+*)'^ + J.' + r£: + i;^(^- + --f^;^),
a<9'
a /au . aüB aSB'
a^ a^
A 7^^ /l 7n3V^ A i 1^^ 1 ^ (
au aüB aSB
)•
dz dz dz dZ\dX dy dZ
und die neuen Funktionen u' v' w' haben die Diflferential-
gleichungen zu erfüllen:
A. Korn: LOsung des elastischen Gleicbgewichtsproblems.
69
105)
....*-.[r-a.*,|-;].l[e-.(:^
)]•
^x dy dz
, as affi\i
"''ay'-ayjj'
au a» a®
aa: ay dz
)\
das sind aber wieder Differentialgleichungen Ton der früheren
Form 7), bei denen die Funktionen /*, f^ f^ die Form 95) haben.
Dieser Fall ist damit auf den früheren zurückgeführt.
§8.
Theorem. Es sei vorgelegt das folgende Problem:
Wir suchen drei in einem von einer stetig ge-
krümmten Fläche CO begrenzten Räume r eindeutige
and stetige Funktionen u, t;, w mit endlichen ersten
Ableitungen, welche in dem Gebieter den Differential-
gleichungen genügen:
A ih^^ Y ^^
106)
. , ,ad ^ aö
dy dy
Aw -j-Jc — = — Z— -— ,
a^gr a-er
and den Grenzbedingungen:
107)
woX YZ0 gegebeneFunktionen derStelle desRaumesr,
UV w gegebeneFunktionen der Oberfläche co sein sollen,
und zwar machen wir über diese gegebenen Funk-
tionen die folgenden Voraussetzungen:
70
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
dX dY dZ
X^Y^Z, h - — h -r— sollen in t derart (abtei-
dx dy dz ^
lungsweise) stetig sein, daß für zwei Punkte 1 und 2
(der Teilgebiete) in genügend kleiner Entfernung r„:
108) abs. I X IJ ^ endl. Konst. rj^ , . . . \ k echter Bruch,
S soll eine stetige allgemeine Potentialfunktion des
Raumes t sein, deren Stetigkeit im Räume t der Be-
dingung:
109) abs. I 0 12 < endl. Konst. rj^
bei genügend kleinem r,, genügt.
uvtv sollen mit ihren ersten Ableitungen stetig
sein, und zwar sollen die ersten Ableitungen derart
stetig sein, daß für je zwei Punkte 1 und 2 der Fläche
in genügend kleiner Entfernung r^,:
110)
abs.
du
dh
< endl. Konst. rj^ ,
wenn Äi(2)^) eine beliebige tangentiale Richtung vor-
stellt.
Dieses Problem hat, wenn der Parameter k die
Ungleichung erfüllt:
111) — l<ifc<+oo
stets ein und nur ein Lösungssystem, das man auf
folgende Weise erhalten kann:
Man führe entsprechend den Ausführungen des
§ 1 und des § 7 das Problem auf das Grundproblem:
112)
'^«'-1-*^ = — /i, [in
dx^ dy ^ djs '
0 cos (h^x) •= cos (Ä| Ä?) + ei , . . . , «i < endl. Konst. ^u, . . .
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 71
113)
u
V
w
0, ]
0,
= 0
> an a>
zurück und bilde dann successive die folgenden Funk-
tionen:
114)
1— f
4« J'« r »'
v^
tf» =
1— f r. dr
4« J'» r
T
1— I c^ dx
4» J'» r
V,, * =
2J_
1— I
-w„
«J
= '^-.+fJJ'-T-^"
Vi =
-^i,
tt;/
-'"- + ÄÄJ»'-T-'^"
i= 1,2, ...,
wo die Uj Vj Wj die Potentialfunktionen des Raumes t
Torstellen mit den Randwerten:
X X
.auo),
dann erfüllen die Funktionen:
72
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
116)
u =
V =
w =
0
0
00
0
in T in irgend welcher, im übrigen beliebig kleinerEni-
fernungvon der Fläche co die Differentialgleichung 112)
und an der Fläche die Randbedingungen 113). Die
Funktionen u v w, die durch die Reihen 116) definiert
werden, sind mit ihren ersten Ableitungen in ganzer
Erstreckung des Raumes z eindeutig und stetig.
Es ist von Interesse, dieses Resultat mit dem entsprechen-
den Resultat in der Potentialtheorie zu yergleichen:
Es sei V die Lösung der Differentialgleichung:
welche in t eindeutig und stetig ist und an co die stetigen
Randwerte
annimmt; ist die in t gegebene Funktion f derart stetig, dals
für zwei Punkte 1 und 2 des Gebietes t in genügend kleiner
Entfernung r,,:
abs. |/*|f ^ endl. Konst. ^g» M echter Bruch
und ist V mit seinen ersten Ableitungen auf cd eindeutig und
stetig, und zwar die ersten Ableitungen derart stetig, daß für
zwei Punkte 1 und 2 der Fläche in genügend kleiner Ent-
fernung r„:
abs.
^j^ "< endl. Konst. rjg,
A. Eom: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 73
wo Ai(0)^) eine beliebige tangentiale Richtung vorstellt, dann
kann man aussagen, daß F mit seinen ersten Ableitungen im
ganzen Gebiete t eindeutig und stetig ist.
Es folgt dies leicht aus dem Satze IX meiner Abhand-
lung I zur Potentialtheorie*) mit Hilfe eines bekannten Theoremes
von Holder.*)
Die Analogie wird noch größer, wenn man für V die
folgende Differentialgleichung in z fordert:
AV =
wo s eine beliebige feste Richtung, X eine gegebene Funktion
von (x y £), S eine gegebene, stetige allgemeine Potential-
fanktion in t vorstellt, bei den Voraussetzungen:
abs. I X i^ < endl. Konst. rj^ ,
abs. I 0 j^ < endl. Konst. r^^ ,
Auch in diesem allgemeineren Falle ist V mit seinen
ersten Ableitungen in ganzer Erstreckung von t eindeutig
und stetig.
X echter Bruch.
^) cos (h^ X) = cos C»! a;) + £| , . . . ; | «i | < endl. Konst. fu , ...
*) Abhandlungen zur Potentialtheorie (Berlin, F. Dümmlers Verlag,
1901-1902).
*) Daß bei der Voraussetzung Über f\
.Jr^^ = -w.
74 Sitzung der math.-pbjB. Klaue vom 13. Januar 1906.
Anhang.
Die Ton mir in dieser Abhandlung gegebene Methode
beruht auf der Umformung der Oleichungen des elastischen
Gleichgewichts 7) auf die Form 8):
k =
2t
1-V
und der Beihenentwickelung von it v w nach Potenzen von f.
Die Methode gilt ftir
— 1<1< 1
also für den Bereich Ton k:
— 1 <*<+ 00,
Nach dem hier gegebenen Beweise kann man nun auch
die früheren Entwickelungen, durch welche von Lauricella und
E. und F. Cosserat die Lösung versucht wurde, in den Grenzen,
in denen diese Entwickelungen konvergent sind, sicher stellen.
Wir wollen die Entwickelung, die von der Form:
de
117)
ausgeht, nach Potenzen von Ic als die Entwickelung von Lauri-
cella bezeichnen.
KV-:-- ^'.K'Hßtt^
A. Korn: Lösung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 75
Man setzt bei derselben:
118)
u =
V =
w =
0
00
0
0
wobei die Funktionen Ui Vi Wi in der folgenden Weise ge«
bildet werden:
119)
u.
Vr
W,
Ui
dx
r
u„
T
iTir* r *'
T
1 a
J«.-,
dl
M><
4»ayJ— ' r ^"
X
1 3 r^ <^l^ Txr
üi Frf TTrf die Potentialfunktionen des Gebietes t mit den Rand-
werten:
120)
r
ana>.
76 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 13. Januar 1906.
Für:
121) 1<Ä< + 1
kann man analog, wie in § 3, nachweisen, daß die Reihe :
j;2«Vrf, y = o, 1, 2...
in der:
122) J,. = Jö2dT
r
gesetzt ist, konvergiert, mit Hilfe der Ungleichung:
123) ¥*Ji^a'k'*, I a endliche Konstante.
Andererseits geht die Formel 46) S. 57, auf die es vor
allem ankommt, in die folgende über:
124)
125)
und hierauf die Formel 51) S. 58 in die folgende:
abs. I Bi IJ < 2 (1 + «f) Ci-\ + - o(\-dY-^ abs.Max. ö,_i rj,^
(O<;r„5a(l-(5)0,
wo Bi eine Zahl ist, die durch Vergrößerung von i unter jeden
beliebigen Kleinheitsgrad herabgedrückt werden kann, und
hierauf ist es auch möglich, die Konvergenz der Reihen 118)
und ihrer ersten Ableitungen zu beweisen.
Man kann also zeigen, daß die Lauricellasche Entwicke-
lung für:
— 1<Ä;<+1
die Lösung des Problems darstellt.
Wir wollen schließlich die Entwickelung, die von der Form:
zlii — xMm — — j =— 90j, 90j = (l— x)/;,
(d6\ K
A. Korn: Losung des elastischen Gleichgewichtsproblems. 77
ausgeht, nach Potenzen von x als die Entwickelung von Cosserat
bezeichnen. Man setzt bei derselben:
127)
OD
u =
V =
w =
0
CD
0
OD
0
wobei die Funktionen u« Vi Wi in der folgenden Weise gebildet
werden:
128)
l C dx j^
T
\ r dx ^
T
, \ d C. dx _r
r, = Vi^i + T— — förf-i — — Frf, i = 1, 2 . . .
indyj r
-'"-' + TiU''-'T-^'-
Wi
Ui Vi Wi die Potentialfunktionen des Gebietes t mit den Rand-
werten:
= 1,2...
an CO.
78 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Janaar 1906.
Für:
130) — l<x<+l
kann man analog, wie in § 3, nachweisen, daß die Reihe:
in der:
131) J,^^e]di
X
gesetzt ist, konvergiert, mit Hilfe der Ungleichung:
132) «^•c/rf < a • x^', \a endliche Konstante.
Andererseits geht die Formel 46), auf die es vor allem
ankommt, in die folgende über:
.33)., = +V-i(._,-i|^>-4'[) + «.
und hierauf die Formel 51) S. 58 in die folgende:
abs.|drf|J < 2 (l+£^)(7<-.i4-— Yj^xTTiabs.Max.Ö,-, rj^,
(O^r„^a(l-<J)0,
134)
wo £« eine Zahl ist, die durch Verkleinerung von i unter jeden
beliebigen Eleinheitsgrad herabgedrückt werden kann, und
hierauf ist es auch möglich, die Konvergenz der Reihen 127)
und ihrer ersten Ableitungen zu beweisen.
Man kann also zeigen, daß die Gosseratsche Entwieke-
lung für:
— I<x<+1, — l<A< + oo
die Lösung des Problems darstellt.
A. Korn : Löfung des elastiaclien Gleichgewichtsproblems. 79
Unser Beweis kann also auch dazu dienen, die Lauricella-
schen und Goaseratschen Entwickelungen sireng zu begründen,
die Entwickelung von Lauricella für:
— 1<Ä<+1
die von Cosserat für:
unsere Entwickelung ist die allgemeinste, sie gibt die
Losung des Problems für:
— l<Jfc< + oo.
Für manche Untersuchungen wird noch die folgende Be-
merkung von Wichtigkeit sein:
Es ergibt sich nach den Ausführungen des § 5:
I ^örf I < endl. Konst. A • m',
abs. I lBi\\ < endl. Konst. Amfr\^^ m < 1,
(0<r„^a(l-(5)0,
wenn _ _
abs.|dJf<C,r},, (0<r,,<a)
nnd A den gr6fieren der beiden Werte C^ und abs. Max. d^
darstellt ; dabei sind die hier auftretenden endlichen Konstanten
lediglich von der Gestalt der Oberfläche o> abhängig.
Bei der Definition von
3Ma dv^ ^w^
durch die drei ersten Formeln 15) S. 44 ist mit Rücksicht auf
Satz n des 11. Abschnittes und Zusatz 4 zu m des I. Ab-
Schnittes der vorstehenden Abhandlung
A ^ abs. Max. (F^ , F^, F^ • endl. Konst.,
und es folgt somit:
I Ö I < endl. Konst. abs. Max. (-F, , -F,, F,),
135) ^ abs. I (^ I J < endl. Konst. abs. Max. {F^ ,F^,F^r\^,
80 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 13. Januar 1906.
wobei A ein ganz beliebiger echter Bruch sein kann und die
endlichen Konstanten in keiner Weise von den Funktionen
F, F^ F^ abhängen.
Die Lösungen m, v, w des Problems 7) S. 41 erfüllen also
stets die Ungleichungen:
{abs.Max.(«i,t;,t^,2)jM,2)jt;,2)jU;)^ endl.K. abs.Max.(/j,/'j,/'3),
abs. I ö j^ <^ endl. Konst. abs. Max. (/,, /i, f^ r\^^
wenn DjU, Djt;, D^w irgend welche erste Ableitungen von
w, v, w bezeichnen.
Ist
so ergeben die Ausführungen des § 7 (Formeln 103), 105)) mit
Rücksicht auf das soeben gefundene Resultat 136) die Un-
gleichungen :
[abs. Max. (ti,t;,M?,2),w,2),t;,2),«(;) < endl. K. abs. Max. (/i/j/j^iO»
\ abs. I ö I J <; endl. Konst. abs. Max. (/, , /i , /i , F) r\^ ,
wobei nach wie vor A ein beliebiger echter Bruch ist und die
endlichen Konstanten in keiner Weise von den Funktionen
fif%U abhängen.
Die Formeln 137) sind noch einer weiteren Verallgemeine-
rung fähig, worauf ich bei einer späteren Gelegenheit zurück-
kommen werde.
.*?• '^
81
Sitznng der math.-pliys. Klasse vom 3. Februar 1906.
1. Herr H. v. Seeligeb hält einen Vortrag: „Über die
sogenannte absolute Bewegung.'
Der Verfasser behandelt vom Standpunkt des Astronomen
die in den letzten Jahrzehnten vielbesprochene Frage nach
einer einwandfreien Definition des Trägheitsgesetzes. Er stellt
sich dabei entschieden auf die Seite der Ilelativisten, welche
die Annahme einer absoluten Bewegung als sinnlos und dem-
zufolge als unzulässig erklären. Es wird im einzelnen aus-
geführt, daß weder die logische Fassung noch die tatsächlichen,
astronomischen Verwendungen der mechanischen Grundsätze zur
Aufgabe des Prinzips der Relativität nötigen.
2. Herr H. v. Seeliger legt eine Arbeit des Professors der
Geodäsie an der Technischen Hochschule Dr. Max Schmidt vor:
»Die südbayerische Dreieckskette, eine neueVerbindung
der altbayerischen Grundlinie bei München mit der
österreichischen Triangulierung bei Salzburg und der
Basis von Oberbergheim."
Dieselbe behandelt die vorläufigen Berechnungsergebnisse
einer in den letzten Jahren im Auftrag der K. B. Kommission
für die intemationle Erdmessung bei der Akademie der Wissen-
schafben von ihm bearbeiteten Hauptdreieckskette.
Diese Kette großer Dreiecke, deren Eckpunkte teilweise
auf den Berggipfeln des Nordrandes der bayerischen Alpen
190t. SiUnngsl». <L matb.-phys. KL 6
82 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
gelegen sind, und die als wichtigsten Hauptpunkt die Spitze
des nördlichen Turmes der Frauenkirche in München enthält,
erstreckt sich längs des 48. Breitenparallels in eine Ausdehnung
von 200 km von der württembergischen Grenze im Westen bis
zu den Salzburger Bergen im Osten.
Sie bildet ein bisher noch fehlendes Zwischenglied einer
zum Studium der Krümmungsverhältnisse des Erdsphäroids
dienenden Längengradmessung auf dem 48. Breitenparallel,
welche sich von Brest am atlantischen Ozean über Paris, Straß-
burg, München und Wien bis nach Astrachan am Kaspischen
Meere ausdehnt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dieses großen
Unternehmens werden nach seiner Vollendung als Ganzes durch
das Zentralbureau der Internationalen Erdmessung in Potsdam
bearbeitet und veröffentlicht werden.
3. Herr Siegfried Günther überreicht eine Abhandlung
des Dr. med. Karl E. Ranke in Arosa: „Anthropologische
Beobachtungen aus Zentralbrasilien." Die Abhandlung
ist für die Denkschriften bestimmt.
Der Verfasser, welcher die von jeglicher Kultur unbe-
rührten Wilden des Xingu-Gebietes aus eigener Anschauung
genau kennt, hat sich drei Stämme zu seinen Untersuchungen
ausersehen, deren Sprachen bereits auf ihre Verschiedenheit
hinweisen, und hat letztere auf Grund genauer anthropo-
metrLscher Bestimmungen, die er eingehend beschreibt, völlig
außer Zweifel gesetzt. Dabei fallen auch interessante Streif-
lichter auf die Beziehungen zwischen den südamerikanischen
Indianern und — einerseits — den Kaukasiem, sowie — anderer-
seits — der mongoloiden Rasse. Endlich hat die Arbeit auch
methodologischen Wert, indem sie umfassend die Hilfemittel
der von Pechner und Bravais begründeten, neuerdings von
englischen und amerikanischen Forschem weiter geförderten
mathematischen Statistik zur Anwendung bringt.
■^' fr -is^ '>'■
Sitzung der maih.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
83
4. Herr Alpred Pbingsheim legt eine Arbeit des Herrn
Professor Edmund Landau in Berlin: „Über die Grundlagen
der Theorie der Fakultätenreihen'* vor.
Der Verfasser beweist zunächst die bereits bekannten grund-
legenden Sätze mit neuen, wesentlich vereinfachten Hilfsmitteln
und fügt eine Anzahl neuer Sätze hinzu, die insbesondere die
exakte Bestimmung der geradlinigen Konvergenz-Grenze und
das Verhalten der durch solche Reihen definierten analytischen
Funktionen auf jener Konvergenz-Geraden zum Inhalt haben.
Au&erdem behandelt er noch verschiedene andere mit den
Fakultatenreihen verwandte Reihen und gewisse in naher
Beziehung stehende bestimmte Integrale.
6*
i rv^ r^
85
Über die sogenannte absolute Bewegung.
Von Hago Seeligrer.
{Siugflan/tH 8. Februar.)
Für Galilei, den Begründer der wissenschaftlichen Mechanik,
konnte kein Zweifel darüber entstehen, was er bei der Betrach-
tung von Bewegungsvorgängen als das Ruhende und Feste
betrachten mußte, um voraussichtlich zu der einfachsten theo-
retischen Zusammenfassung der beobachteten Erscheinungen zu
gelangen. Für ihn kamen fast ausschließlich nur Vorgänge
in Betracht, die sich in unmittelbarer Nähe der Erdoberfläche
abspielten und so erschien es von selbst als das Natürlichste,
die Erdoberfläche zum Bezugssystem zu wählen, in Bezug auf
welches alle irdischen Bewegungen zu betrachten seien. Ein
glücklicher Umstand war es hierbei, daß für die damals be-
bekannten mechanischen Vorgänge die getroffene Wahl des
Bezugssystems vollständig genügte, denn nur so war es ihm
möglich, in den verwickelten Bewegungserscheinungen das im
mechanischen Sinne Wesentliche von dem zu trennen, was als
unwesentlich anzusehen ist. Das Resultat dieser Abstraktion,
die zu den bewunderungswürdigsten gehört, die der mensch-
liche Geist ausgeführt hat, war die Aufstellung des alle Be-
wegungsvorgänge beherrschenden Trägheitsgesetzes: ein sich
selbst überlassener Punkt bewegt sich in gerader Linie mit
gleichförmiger Geschwindigkeit. Was man darunter, trotz des
Fehlens einer genaueren Definition, zu verstehen hat, konnte
zu Galileis Zeiten niemandem zweifelhaft sein und insoweit
auch in der Folgezeit keine Ei*scheinungen bekannt wurden,
die eine genauere Festlegung der Begriffe verlangten, war da-
86 Sitzung der math.-phjs. Klasse Tom 3. Februar 1906.
mit in der Tat die Grundlage zur Entwicklung der Mechanik
gegeben. Denn die weiterhin entwickelten Begriffe der Be-
schleunigung, der Kraft, der Masse u. s. w. schließen sich an
das Trägheitsgesetz an und sind durch dasselbe bedingt.
Als man aber die Folgerungen aus der kopemikanischen
Lehre zu ziehen anfing, als man die Bewegungen der irdischen
Körper — z. B. den freien Fall derselben — als auf einer
rotierenden und um die Sonne sich bewegenden Erde vor sich
gehend aufzufassen begann« als dann Newton die Bewegung
der Himmelskörper auf Gnmdlage der Galileischen Forschungen
zu untersuchen unternahm, mußte sich das Bedüriiiis nach
einer strengeren Begrifi&bildung einstellen. Newton war der
erste, der dieses Bedürfiiis erkannte und eine strenge Definition
des den mechanischen Betrachtungen zu Grunde zu legenden
Koordinatensystems fär nötig hielt. So trat zuerst bei ihm die
fundamentalste Frage der Mechanik auf: in Bezug auf welches
Koordinatensystem bewegt sich ein sich selbst überlassener
Punkt geradlinig und gleichförmig? Die Antwort Newtons ist
in den bekannten und viel zitierten Sätzen enthalten:^)
I. Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt
an sich, vermöge ihrer Natur, gleichförmig und ohne Beziehung
auf irgend einen äußeren Gegenstand ....
II. Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und
und ohne Beziehung auf einen äußeren Gegenstand stets gleich
und unbeweglich. Der relative Raum ist ein Maß oder ein
beweglicher Teil des ersteren. . . .
in. Der Ort ist ein Teil des Raums, welchen ein Körper
einnimmt und nach Verhältnis des Raumes entweder absolut
oder relativ.
rV. Die absolute Bewegung ist die Übertragung des Körpers
von einem absoluten Ort nach einem anderen absoluten Ort;
die relative Bewegung die Übertragung von einem relativen
Ort nach einem anderen relativen Ort. — Die weiteren Er-
*) Newtons mathematische Prinzipien etc. Übersetzt von Wolfers,
1872, S. 25.
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 87
klärungen Newtons sind dahin zusammenzufassen, daß die ab-
solute Bewegung eines sich selbst überlassenen Punktes gerad-
linig und gleichförmig sei. Das gesuchte Koordinatensystem
ist also ein absolutes oder ein mit dem absoluten festen Raum
fest verbundenes.
Bei diesen wenig befriedigenden Festsetzungen Newtons
haben sich die meisten Forscher auf dem Gebiete der Mechanik
beruhigt. Dies muß einigermaßen befremden, da man kaum
zaudern wird, E. Mach^) Recht zu geben, wenn er die absolute
Zeit Newtons einen müßigen metaphysischen BegriflF nennt und
ebenso L. Lange,^) der die absolute Zeit und den absoluten
Raum als .Gespenster'' bezeichnet.
Die Geschichte der Versuche sich mit den Newtonschen
Fiktionen in der einen oder anderen Weise abzufinden, ist
äußerst interessant. Sie ist sehr eingehend von H. Streintz')
und L. Lange dargestellt worden. Danach hat es seit Newton
bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zwar nicht an Versuchen
zur Klarlegung gefehlt, aber es waren doch nur wenige Mathe-
matiker und Physiker, die sich in dieser Richtung betätigt
haben. Allgemeineres Interesse haben die sich hier darbieten-
den Fragen nicht gefunden und eine wirkliche Aufklärung ist
tatsachlich nach keiner Richtung hin erfolgt. Eine Wendung
wurde erst durch eine kleine Schrift von Carl Neumann*)
hervorgerufen, die auf die Notwendigkeit einer strengeren
Fassung der mechanischen Grundsätze aufmerksam machte.
^) E. Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklang, 5. Aufl., Leipzig
1904, S. 238.
') Von L. Lange werden im folgenden drei Arbeiten zitiert:
a) Über das Behamingsgesetz. Berichte der GeselUchaft der Wissen-
Schäften zu Leipzig, 1885.
bi Die Geschichte U.Entwicklung des BewegungsbegrifFes. Leipz.1886.
c) Das Ineitialsystem vor dem Forum der Naturforschung. Wundts
Philoflophische Studien^ Bd. XX, 1902.
'j H. Streintz, Die phjsikal. Grundlagen der Mechanik. Leipzig 1883.
*) Cari Neamann, Ober die Prinzipien der Galilei -Newtonschen
Thame. Leipzig 1870.
88 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
Diese wichtige Schrift Neumanns enthält eine Fülle klarer und
eindringender Gedanken, denen eine unbedingte Gültigkeit zu-
erkannt werden muß, auch wenn man sich seinen schließlichen
Zusammenfassungen nicht anschließen kann.
Nahezu gleichzeitig und unabhängig von C. Neumann
setzen die Bemühungen E. Machs ein, dem alle unsere Erkennt-
nisse beherrschenden Prinzipe der Relativität auch in diesem
Gebiete Geltung zu verschaffen. Seitdem hat man den bespro-
chenen Fragen ein intensives Interesse entgegengebracht, wie
eine recht umfangreiche Literatur darüber beweist. Diese ist
in zusammenhängender Weise von Mach und L. Lange in
den zitierten Schriften kritisch besprochen worden. Eine sehr
vollständige Übersicht über diese Literatur hat A.Voß*) gegeben.
Wenn ich im folgenden auf den Gegenstand näher ein-
gehe, so geschieht dies in der Absicht, den Versuch zu machen,
das Fazit aus den Aufklärungen zu ziehen, die die letzten drei
Jahrzehnte gebracht haben, und zwar in einer dem Gedanken-
kreise des Astronomen entsprechenden Weise. In der Astro-
nomie ist die Überlegung dieser fundamentalen Fragen von
großer Wichtigkeit und die richtige Interpretation mancher
Tatsachen, welche die neuere Fixsternkunde kennen gelehrt
hat. hängt hiervon ab. Die Schriften von L. Lange und Mach
stellen gewiß befriedigende und richtige Lösungen der aufge-
tauchten Schwierigkeiten dar, wie sich im folgenden auch er-
geben wird. Trotzdem hoffe ich, daß die folgenden Bemer-
kungen als nicht ganz unnötig sich erweisen werden.
Bisher hat sich, soviel ich weiß, von astronomischer Seite
nur Herr E. Anding*) mit dem Verhältnis des in der Astronomie
gebrauchten empirischen Koordinatensystem zu dem sogenannten
„absoluten* der Mechanik beschäftigt. Es ist selbstverständ-
lich, daß im folgenden sich nahe Berührungspunkte mit den
ausgezeichneten Auseinandersetzungen Herrn E. Andings heraus-
stellen werden.
*) Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften, Band IV.
2) Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften, Band VI2. 1905.
r -i?-:
H. Seeliger: Ober die sogenannte absolute Bewegung. 89
1.
Ausgehend von der EiDsicht, daß ebeDso wie nur relative
Lagen der Objekte gegeneinander, auch nur relative Bewegungen
beobachtet und gemessen werden können, muß man vielge-
brauchte Begriffe wie: absoluter Raum, absolute Bewegung,
absolute Ruhe als sinnlos erklären. Wenn auch natürlich
nichts dagegen einzuwenden ist, daß man der Kürze wegen
diese Worte gebraucht, solange man sie nur wirklich faßbaren
Begriffen zuordnet, so ist es doch, wie L. Lange betont, ratsam,
etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen und jene Worte gänz-
lich zu vermeiden. Es soll demzufolge das Newtonsche „ab-
solute* Koordinatensystem, einem sehr passenden Vorschlage
L. Langes gemäß „Inertialsystem" genannt werden. Ebenso
soll ,Inertialzeit" „Inertialbewegung" materiell mit dem über-
einstimmen, was Newton durch das Beiwort absolut bezeichnen
wollte.
Die Frage, welche vorliegt, geht also dahin: wie ist das
Newtonsche Inertialsystem vom Standpunkt der Relativität aus
zu definieren? Wir sagen „Newtonsches Inertialsystem'*, weil
dieselben Grundlagen festgehalten werden sollen, welche sich
beim Aufbau der heutigen Mechanik nach jeder Richtung be-
währt haben. Im wesentlichen kommen diese auf den materiellen
Inhalt des Galilei-Newtonschen Trägheitsgesetzes hinaus. Not-
wendig ist dieser Standpunkt keineswegs, denn niemand wird
die Möglichkeit leugnen, andere Systeme der Mechanik aufstellen
und ausbauen zu können. Zweifelhaft bleibt es nur, ob man auf
anderem Wege zu einer ebenso einfachen Zusammenfassung
der Bewegungstatsachen gelangen kann, wie der heutigen
Mechanik gelungen ist.
Mit der Forderung nach einer logisch einwandfreien Defini-
tion eines Inertialsystems darf die nach der tatsächlichen Fest-
legung eines solchen, z. B. gegen den Fixsternhimmel oder gegen
ein System ausgewählter Sterne, nicht vermengt werden. Denn
diese Festlegung kann unabhängig von einer vorangehenden
Definition dadurch bewerkstelligt werden, daß einfachere Be-
wegungsvorgänge verfolgt werden, in denen Richtungen auf-
^t' -bttBODUi: wf* lUALL-pny^ Kiaiw ran. i, y-eaaucr iMb.
•treveL. iv-ei-cin lai«: ü^l weitera. i-nTrs-wkinnpei: der MfschKnik
tu 4imvtL lumuiisysyeiL nnTeiüiiu^En ^sniu. Jüt düsHBc £i(^
tUM^^^L iUJSL» iiiiiKa. dit AtüuseL ^IIla^ iueniükvs&snK lunFemndfiF-
Iicii4r Viuk^I. uud w«iiL mar jcut ^pt^g^L. dit- Fusteme ifesäagi.
MV m timm^lut um deii jnertBuaxeL 4?flaBiti*ttgn. llteaBr W«^
lucutuii^. ^fr!:|ptaeiciiufl: wonieL J^enii -er iuo ffao&ai^, und
üim*a^ lUsüüktiXi ük wiciiüc ift^rroisfeuoi^eii. üilL. is meinen) «.id»»-
Itneir^ hv«uitL tfiiwulii dit Ai>siCH»iiimigi: um auuL dk- Siftenen &flr
i'iaiAftumUdnmL i«isüi^üL. wem. t^bscverBtäudlicij -von Afm
isj;invuäfiu JauvritkuiureL der uuuerec J^li]ii<!teD aiifreHaifteii irird.
iJMf MidsXmi^au vul der Soimt iimcL uei. i^eritudieii imü J^jibälieii.
<Hi<mM> Vit dit X^urtdiaciniisföliiiieL der I'jaiifiteBtiiiimeD mn irgfsni
-ttÜMir vus üuieti «!liuil*BXi demnucb die La£fe -einef Inem&l-
«w^fitmit iPMifftm tun iMuk)iii^F»> -empirifitdHfifk. Bt^^ii durch äjt Fox-
Uterus detiumr«tffr ^^(VfaB^] zu ^»escimmen. Hbl kaiiD auch snäfc«
util^viitiuiitfcL Teidiilgiiurf ^ErHcbeimm^ifeii. ^rk^ die vAi» der Rcts:»-
iÄxnuiAMw'^ uhkütliureii TerauidfirmuFeii der Li^?b& von Scianzkam»"
adu^mj Ui«tf*l#ai iHmutateiu doch snä üciiche Modifikittiniifiii dts^ V-er-
i«Uf«ik> j;ri[t2;ijuall innreüeniilidL. l^^üeutihoh Idfioht dk- M^licii-
iwut 4mi«i! Festb^mi^ iiHKduuiiflchflr Iii€KrtüdKr«feaiiH' ipesfen ^'■qM-
ri^^ aid Orruud dtir Xi'irtaitfcciheii £zit«:ict}]rn£feiL ia er-
Uidi »udb die A.uisftdiruxtgfiD Qerm Aiidingg w«3<«& in gicsdier
F4i£it fittc dKf Ft»^ t<»ii dieMm <BDfCT»äM9i ätuadpuiikt«
«M «r^fobeiUii dk Ft^-d^msg nac^ «eemt «^tnfitr k^euiclMS) I>dfiiiitioD
idi^^f4i$s^ 4m» üisUHÜLaÜe osd Hjsterüfta^ im absxüdirtn Svstem
%äpwiMm iMJbeüt;^ <^me e» ertdiren na volicsi. & ist nun zwar
4^mkhMir^ Amü «idb mscdlieT durch dieses Ver&hrai befriedigt
0lkUm if^nis, Mher der Heinang. daß die Annahme der mbso-
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 91
luten Zeit und des absoluten Raumes , weitaus* als die beste und
einfachste zu gelten habe, wie neuerdings ein sehr hervorragender
Mathematiker behauptet hat, muß auf das entschiedenste ent-
gegengetreten werden. Denn diese Annahme ist sinnlos, liegt
außerhalb aller Erfahrung und erlaubt gar keine bestimmte
Fassung. Will man der unbequemen Frage nach der Bedeutung
des Trägheitsgesetzes aus dem Wege gehen, so kann man dies
nur, wie erwähnt, durch die Bestimmung der Lage des soge-
nannten absoluten Koordinatensystems gegen ein empirisch ge-
gebenes. Man verzichtet so allerdings auf eine Diskussion der
Grundlagen der Mechanik, gibt sich aber dann wenigstens
keiner Selbsttäuschung hin. Stellt man sich aber nicht auf diesen
wenig befriedigenden Standpunkt, so drängt sich uns von selbst
die Frage auf: wie kommt es, dalä sich Geister wie Lagrange,
Laplace u. a. mit der Fiktion eines absoluten Raumes befreunden
konnten, was bedeutete ihnen dieser an sich inhaltsleere Be-
griff? Carl Neuroann hat nun von Neuem auf die bekannte
Stelle in der M^canique Celeste von Laplace aufmerksam ge-
macht, in der von einem «espace sans bomes, immobile et
penetrable a la matiere** die Rede ist. Dieser Ausspruch, dem
man ähnUche Aussprüche anderer berühmter Mathematiker
und Physiker an die Seite stellen könnte, läßt kaum einen
Zweifel aufkommen darüber, daß hier der Raum als eine ob-
jektiv gegebene Realität, ausgestattet mit irgendwelchen be-
stimmten Eigenschaften mathematischer oder physikalischer
Natur, angesehen wird. Man darf hierin nicht etwa den Hin-
weis auf die Vorstellungen der modernen Physik erblicken,
welche im Äther den Vermittler oder Erzeuger aller physika-
lischen Vorgänge sieht. Gelänge es wirklich, wovon wir noch
weit entfernt sind, alle Bewegungen durch Beziehungen zu
dem Äther zu erklären, so wäre allerdings damit jede Schwierig-
keit in der Definition des Trägheitsgesetzes behoben, zugleich
hätte sich aber das Prinzip der Relativität glänzend bewährt.
Die hier allein in Betracht gezogene heutige Mechanik hat
mit solchen Beziehungen nichts zu tun und der räumlich aus-
gedehnte Äther ist eben nicht der Raum, sondern ein sehr
92 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
reales Ding. Der Raum soll frei sein von allem, was irgend
wie an das, was wir Materie nennen, erinnert. Denn erst wenn
von allen materiellen Objekten, von allen ihren physikalischen
Eigenschaften abstrahiert wird, soll der Newtonsche absolute
Raum übrig bleiben. Für den Naturforscher geht aber bei
diesem Prozesse alles ohne Rest verloren und der Begriff ver-
flüchtigt sich zu nichts. Deshalb ist gegen die Konstruktion
dieses monströsen Gedankendings, Raum genannt, von mancher
Seite schon protestiert worden und es ist in der Tat nicht ab-
zusehen, wie diesem Protest auf wirksame Weise begegnet werden
könnte. Offenbar handelt es sich hier um ein Mißverständnis,
demzufolge man die Art und Weise, wie man räumliche Be-
ziehungen von Objekten zueinander aufstellen kann, ver-
wechselt mit Eigenschaften, die man einem objektiv nicht exi-
stierenden, aber in dieser Weise angesehenen absoluten Raum
andichtet. Aus diesem Mißverständnis sind auch zum Teil jene
merkwürdigen Interpretationen zu erklären, welche manche
Mathematiker den Entwicklungen der sogenannten nichteukli-
dischen Geometrie angedeihen lassen, denen doch eine ganz
andere Bedeutung zukommt.
Die Schwierigkeiten, welche sich einer Begriffsbestimmung
des Inertialsystems im Sinne des Prinzips der Relativität, an
dem unter allen Umstünden festgehalten werden muß, entgegen-
stellen, beruhen, wie Newton ausführlich erörtert hat, auf dem
Auftreten von Zentrifugalkräften bei Rotationen. Die von ihm
angeführten einfachen Beispiele sind auch jetzt noch die ein-
leuchtendsten und sie können deshalb bei Auseinandersetzungen,
wie die vorliegenden, nicht gut umgangen werden. Ehe mit
einigen Worten auf sie eingegangen wird, möge eine von Carl
Neumann erwähnte instruktive Eventualität besprochen werden.
Ein flüssiger, um eine Achse rotierender homogener Körper
wird die Gestalt eines EUipsoids annehmen. Denkt man sich
nun außer dieser rotierenden Masse alle übrigen Weltkörper
des Universums vernichtet, so würden nur die in relativer Ruhe zu
einander befindlichen Teilchen des Körpers vorhanden sein. Da
also alle vorhandenen Teilchen in relativer Ruhe sind, könnten
*t^m9mm.
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 93
auch, wenn die Rotation etwas rein Relatives wäre, keine
Zentrifugalkräfte mehr vorhanden sein und mit ihrem Verschwin-
den müßte die Abplattung des rotierenden Körpers aufhören.
L. Lange ^) bemerkt demgegenüber, daß das Trägheitsgesetz gar
nicht behauptet, da£ die relative Ruhe der Teile eines mate-
riellen Komplexes schon das Auftreten von Zentrifugalkräften
verhindert, sondern nur die Ruhe gegen ein Inertialsystem.
Im übrigen ist die Ausführung des Neumannschen Gedanken-
experiments, um einen Ausdruck von E. Mach^) zu gebrauchen,
nur dann zulässig, wenn angenommen wird, daß nur die Re-
lativität der Bewegung gegen beliebig ausgewählte Massen
in Frage kommt, was doch gewiß niemand behaupten wird.
Im vorliegenden Falle werden die für die Definitionen wesent-
lichen Körper, nämlich die weit entfernten kosmischen Massen,
wie noch gezeigt werden wird, fortgelassen und die unwesent-
lichen, nämlich die zu einer flüssigen im Gleichgewichte be-
findlichen Masse vereinten also in einer nahen physikalischen
Verbindung miteinander stehenden, beibehalten. Die in Frage
kommenden Definitionen verlieren ihre Bedeutung und es ist
keineswegs merkwürdig, daß die Anwendung von nunmehr in-
haltsleer gewordenen Begriflfen zu Widersprüchen und Schwierig-
keiten führt. Hätte man aber von vornherein nur einen isolierten,
um eine Achse rotierenden Körper und gar keine anderen Massen,
nach denen irgend eine Orientierung vorgenommen werden könnte,
so würde sich die Mechanik auf einem solchen Körper ebenfalls in
Übereinstimmung mitdem Prinizpe der Relativität aufbauen lassen.
Indessen wäre es vermutlich eine äußerst schwierige Aufgabe
gewesen, unter solchen Umständen Ordnung in die Bewegungs-
erscheinungen zu bringen, und niemand kann wissen, wie sich
hier die Mechanik entwickelt hätte. Ein besonders ingeniöser
Kopf wäre vielleicht auf den Versuch verfallen, alle Ortsver-
änderungen auf ein Koordinatensystem zu beziehen, dessen eine
Achse mit der Rotationsachse zusammenfallt, deren Lage also
etwa durch die kleinste Dimension des Körpers bedingt ist,
I) Abhandlung b) S. 123. >) E. Mach. 8. aoi.
94 Sitzang der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
während die beiden darauf senkrechten Achsen im Äquator
mit konstanter Winkelgeschwindigkeit gegen die im Äquator
gelegenen Teile des Weltkörpers sich drehen. So wären die
ersten Grundlagen zu einer Mechanik in unserem Sinne gegeben
gewesen, wobei nach keiner Richtung die Nötigung zur An-
nahme irgendwelcher «absoluter*' Drehungen oder dergleichen
aufgetreten wäre. Ähnliche Überlegungen könnte man an-
stellen, wenn nur zwei Körper, die sich umeinander bewegen,
vorhanden wären. Doch haben diese und ähnliche Betrachtungen
keinen besonderen Wert, denn wie Mach öfters hervorgehoben
hat, die Mechanik ist eine rein empirische Wissenschaft, die
sich nur auf Grund der wirklich gemachten Erfahrungen gerade
so entwickelt hat, wie es tatsächlich geschehen ist.
Die obenerwähnten Beispiele Newtons betreffen das viel-
besprochene „ Wasserglas ** und die zwei etwa durch einen Faden
miteinander verbundenen Kugeln. Wird ein Glas mit Wasser
um eine Achse gedreht, so krünmit sich die Wasseroberfläche
immer mehr mit zunehmender Drehgeschwindigkeit und der-
selbe Erfolg kann nicht etwa dadurch erreicht werden, daß
man das Glas ruhen läßt, und die Umgebung in Drehung ver-
setzt. Der Faden der beiden Kugeln erhält mit zunehmender
Drehgeschwindigkeit zunehmende Spannung imd man könnte
aus der mit einem Kraftmesser gemessenen Spannung die Größe
der Rotationsgeschwindigkeit, die sich dann als eine „absolute"
erweisen soll, berechnen. Die Beweiskraft dieser Anordnungen
für das Vorhandensein einer absoluten Rotation fallt aber in sich
zusammen, wenn es gelingt, ein Inertialsjstem aus dem Prinzipe
der Relativität zu definieren.
Mach') bezeichnet mit Recht die Anordnung mit dem
Wasserglas, wenn dieses ruhend angenommen, hingegen die
ganze Umgebung, also auch der Fixsternhimmel, rotierend ge-
dacht wird, als unausführbar und deshalb nichtssagend. Wenn
er aber weiter^) sagt: «Niemand kann sagen, wie der Versuch
verlaufen würde, wenn die Gefäßwände immer dicker und
1) Mechanik, S. 253. >) Mechanik, S. 253.
=-:^;i.
■ j
iefiger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 95
massiger und zuletzt mehrere Meilen dick würden. Es liegt
nur der eine Versuch vor und, wir haben denselben mit den
übrigen uns bekannten Tatsachen, nicht aber mit unseren will-
kürlichen Dichtungen in Einklang zu bringen'', so lassen sich
doch wohl nicht unbegründete Einwendungen dagegen erheben.
Soll mit dem Angeführten gesagt sein, daß wir niemals mit
Sicherheit über das hinausgehen können, was beobachtet und
im Sinne einer wissenschaftlichen Disziplin erklärt worden ist,
indem wir immer gefaM sein müssen, auf eine Tatsache zu
stoßen, die eine Modifikation der bestehenden Theorie nötig
machen könnte, so ist dies allerdings ein etwas rigoroser Stand-
punkt, dessen Zulässigkeit indessen nicht bestritten werden
kann. Hält man sich aber an den Wortlaut, so müßte man
eine erhebliche Veränderung in den quantitativen Verhält-
nissen allein, gegenüber denen, welche bei der Vergleichung
der Theorie mit den Beobachtungen zu Gebote standen, als
eine voUständig neue Situation betrachten, deren Erklärbarkeit
durch die Theorie keineswegs wahrscheinlich sei. Gäbe man
dies zu, dann wären z. B. sehr viele Resultate der Mechanik
des Himmels sehr schwach begründet. Die auf dem Erdkörper
mit gewissen Theorien in Übereinstimmung gefundenen Resultate
werden uns z. B. nicht berechtigen, dieselbe Theorie auf die
soviel größeren Himmelskörper, wie Sonne oder Jupiter, anzu-
wenden, der Nachweis, die Rotation der Sonne könne nur
eine kleine Abplattung ihrer Oberfläche hervorrufen, falls sie
als flüssig angenommen werden darf, wäre hinfallig u. s. f.
Sicherlich würde dieser allzu rigorose Standpunkt auf die Ent-
wicklung der Mechanik des Himmels nicht günstig einwirken
und ich meine, er wäre auch in Rücksicht auf die bisherigen
Erfahrungen, die wohl ausnahmslos nachträglich ähnliche Extra-
polationen bestätigt haben, nicht gerechtfertigt.
An die eben besprochene Äußerung Machs knüpfen B. und
J. Friedländer*) an. Ohne, wie wir scheint, die sonstigen Klar-
stellungen Machs und namentlich auch Langes genügend zu
') B. u. J. Friedländer, Absolute oder relative Bewegung? Berlin 1896.
96 Sitzung der math.-phys. Klasse Tom 3. Februar 1906.
würdigen, wollen sie das Trägheitsgesetz in einem anderen
Prinzip zusammenfassen : alle Massen streben danach, ihren Be-
wegungszustand nach Geschwindigkeit und Richtung aufrecht
zu erhalten. Ohne genauere Verfolgung im einzelnen, die die
Verfasser nicht yersuchen, sind solche Sätze yiel zu unbestimmt
und es ist wohl kaum möglich, ihre Richtigkeit zu beurteilen.
Im besten Falle, nämlich wenn es, was mir nicht sehr wahr-
scheinlich scheint, gelänge, in dieser oder ähnlicher Weise die
Grundlagen der Mechanik herzustellen, käme es nach den
Vorschlägen der Verfasser in letzter Instanz auf die Einfüh-
rung von Kräften hinaus, die von den relativen Geschwindig-
keiten abhängen und auch die Gesetze der Massenanziehung
müßten durch dementsprechende Zusatzglieder vervollständigt
werden. Der Sinn der von den Herren F. in Angriff genom-
menen Experimente kann wohl kaum anders gedeutet werden.
Diese Experimente selbst suchen nach einem Einfluß schnell
rotierender, verhältnismäßig großer Massen — als solche wurde
ein großes Fabriksschwungrad genonmien — auf eine möglichst
nah aufgestellte Drehwage. Für die vorliegenden Fragen wäre
der Nachweis solcher Einwirkungen — der bisher nicht ge-
lungen ist — , wie mir scheint, erst dann von Bedeutung, wenn
gezeigt werden könnte, daß diese Einwirkungen nicht von
der Drehgeschwindigkeit gegen ein Inertialsystem, sondern tat-
sächlich von der relativen Geschwindigkeit gegen die Dreh-
wage abhängen. Die Versuche müßten demnach eine Genauigkeit
besitzen, die wohl gänzlich außerhalb des Bereiches des Er-
reichbaren liegen dürfte.
2.
Ich habe schon oben die Meinung ausgesprochen, daß
durch die Arbeiten von Mach und L. Lange die Aufgabe, das
Trägheitsgesetz aus dem Prinzip der Relativität zu erklären,
im wesentlichen als gelöst zu betrachten ist. Es scheinen
sich ' auch andere dieser Auffassung anzuschließen, wie u. a.
aus den ähnliche Tendenzen wie Lange verfolgenden wert-
ii^ ,-?-:■ %^ fgpi,'
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 97
vollen Au&ätzen von Mac Gregor^) hervorgeht. Die wichtigen
Resultate L. Langes verdienen aber unter allen Umständen
mehr, als bisher, bekannt zu werden, auch was ihre mathe-
matische Begründung betrifft. Anschließend an ein Referat*'^)
bald nach Erscheinen der Langeschen ersten Schrift werde
ich im folgenden eine Begründung der Langeschen Sätze geben.
Die Darstellung folgt selbstverständlich dem Gedankengange
Langes, benützt aber im einzelnen etwas abgeänderte Entwick-
lungen.
In den Gleichungen, welche die Transformation von einem
rechtwinkligen Koordinatensystem S Y Z zu einem anderen
X, F, Z, vermitteln :
1 = 4 ^ ax-\- a^y + a^z
C = d^-j-yx + y,y+ y^z\
(1)
kommen 6 voneinander unabhängige Koeffizienten vor. Die
Zeit t soll zunächst in einer ganz willkürlichen Skala gemessen
werden, so daß sie nichts anderes als eine vierte Variable be-
deutet, durch welche die Bewegungsvorgänge mitbestimmt
werden. Bewegt sich im System EYZ ein Massenpunkt auf
einer beliebigen Kurve mit beliebiger Geschwindigkeit, so werden
f?/C gegebene Funktionen von i sein. Aus (1) folgt dann
sofort, daß es unendlich viele Systeme X YZ gibt, in Bezug
auf welche dieser Punkt eine vorgeschriebene Kurve mit vor-
geschriebener Geschwindigkeit beschreibt. Erst wenn 2 Punkte
in beiden Systemen gegebene Bahnen mitgegebenen Geschwindig-
keiten beschreiben sollen, wäre die Lage und Bewegung des einen
Systems gegen das andere im allgemeinen bestimmt, da dann
6 Größen 6 Gleichungen zu genügen haben. Es sollen nun
nur geradlinige Bahnen betrachtet werden. Nimmt man zu-
*) Mac Gregor, On the fundamental hypotheses of abstract dynamics.
Canada. R. Soc. Trans, vol X, 1892, ferner; On the hypotheses of dynamics.
Philos. Meg. 5. ser., vol. 86, 1893.
3) Vierte^jabresscbrift der Astr. Gesellsch., Band 28.
1906. SiUnngsb. d. math.-phys. Kl. 7
98 Sitzung der math.-phys. Klasse Tom 3. Februar 1906.
ürnt an, daß n Punkte im System X YZ sich in vorgescliriebenen
(Jeraden
n = 0, 1 . . ., n - 1 i (2)
bewegen sollen, so sind also die Größen A^ B, (7, D gegeben,
während ihre Bewegung im System SYZ ebenfalls beliebig
gegeben ist, so daß | ?; C bekannte Funktionen der Zeit sind.
Für jeden Wert von t müssen dann 3 n Gleichungen (1) und
2 n Gleichungen (2) erfüllt sein, denen die 6 Transformations-
koef&zienten und 3 n Koordinaten zu genügen haben. Die Er-
füllung der Bedingungen ist im allgemeinen nur möglich, wenn
5n<3n + 6 oder n^3
Man kann demnach im allgemeinen ein System X YZ so
bestimmen, daß in ihm 3 beliebig bewegte Punkte vorge-
schriebene Gerade beschreiben. Für diesen Fall schreiben wir
die Gleichungen der gegebenen Geraden besser in der Para-
meterdarstellung
x = a -{-b (p(t) I x' = a' + b' q?'
y = a^-\'b^(p(t)
^ = a^ -^r b^<p (t)
z' = ai -f b± (p'
X =^a ^Vq/
y'=a\ + b: (p" (3)
js" = a] -j- bi (p"
Gegeben sind also die Koeffizienten a, b. . die Funktionen
S f]C^ i' ' ' ' i\ während die Funktionen (pq^' q>\ aßd , . . , zu
bestimmen sind. Da es sich, weil die Orthogonalitätsbedin-
gungen vom 2. Grade sind, um nichtlineare Gleichungen handelt,
ist die Bestimmung nicht eindeutig, sie kann auch zu imagi-
nären Werten führen. Aus den 9 Gleichungen (1) kann man
die 6 Transformationskoeffizienten eliminieren. Die sich so
ergebenden 3 voneinander unabhängigen Gleichungen erhält
man am einfachsten dadurch, daß man das von den drei
Punkten in jedem Zeitmoment gebildete Dreieck betrachtet.
Dasselbe ist erst durch alle 3 Seiten gegeben und diese drei
Seiten müssen in den beiderlei Systemen dieselbe Länge haben.
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung.
99
Die 3 im allgemeinen voneinander unabhängigen Gleichungen
sind also:
(|-iT+(^-»?T+(C-n*
(x .xy+(tf-yy+{e-j^y
{x--xy-^(ff--yy+ie-2y\
(4)
Führt man mit (3) die (p^p'^p" ein, so erscheinen diese ftir
jedes t durch 3 quadratische Gleichungen bestimmt. Denkt man
sich die (p(p'(p' etwa als rechtwinklige Koordinaten eines
Punktes, so muß dieser zugleich auf 3 Oberflächen 2. Gerades
liegen* Danach gibt es höchstens 8 zusammengehörige
Werte q?q>'q?\ Bildet man nun aus (1) die Gleichungen
(5)
S — S' = a {x — x') + a^(y — y) + a^ {z
f - r = a(a: -o:-) + a,(y - /) + a, (^
wozu noch noch hinzutritt
I = a* + a? + a|
so ergeben sich für jedes Wertsystem ^p^'q)' zwei Lösungen
fiir an^a^ etc. und ähnlich für ßß^ß^» Denn die ersten beiden
Gleichungen geben a, und a, als lineare Funktionen von a und
die 3. Gleichung ist dann vom 2. Grade in Bezug auf a.
Zu jedem Wertsystem aa^a^ gehört aber nur ein Wert-
system ßßiß^, denn es ist
m
— /; =
0 =
ß(x^x') + ß,(j^^y) + ß,{js;-z')
ß(x^x') + ß,(f,^y') + ß,(z-z')
^ • o + /^i «1 + A «f
und die ß bestimmen sich also eindeutig aus den aa^a^.
Ganz ähnliches kann für die Bestimmung des y y^ y^ und
auch der d^d^.d^ ausgesagt werden, so daß es also höchstens
16 Koordinatensysteme gibt, die den gestellten Bedingungen
entsprechen. Natürlich können einige der Lösungen imaginär
werden und es können auch, da hier die Bestimmungen für die
einzelnen Zeitmomente ausgeführt werden, reelle Lösungen mit
100 Sitzung der iiiath.-ph78. EQasse vom 3. Februar 1906.
der Zeit imaginär werden und umgekehrt. Es ist wohl kaum
nötig, zu erwähnen, daß die Bestimmung der a aus (5) un-
bestimmt wird, wenn die 3 Punkte in X YZ in einer Geraden
liegen, welcher Fall also auszuschließen ist.
Man kann also auch für 3 sich selbst überlassene Punkte,
die sich in Bezug auf ein willkürliches Koordinatensystem S YZ
irgendwie in bekannter Weise bewegen, ein Koordinatensystem
XYZ gegen SYZ so festlegen, daß sich diese 3 Punkte in
vorgeschriebenen Geraden bewegen und zwar gibt es nur
eine relative kleine Zahl solcher Systeme.
Der letzte Zusatz setzt noch voraus, daß die Gleichungen (4)
voneinander unabhängig sind, was wohl im allgemeinen, aber
nicht in allen besonderen Fällen stattfindet. Sind die Glei-
chungen (4) nicht unabhängig voneinander, dann gibt es
unendlich viele gesuchte Systeme, die Aufgabe ist unbestimmt.
Die Unabhängigkeit der Gleichungen (4) voneinander wird
dadurch ausgedrückt, daß man (3) in (4) einsetzt, die (p(p'<p'
als unabhängige Variable betrachtet und die Funktionaldetermi-
nante A der 3 Funktionen von q>(p'(p\ welche in (4) vorkommen,
gleich Null setzt. Man setze zur Abkürzung
Za=a-\-a^-\'a^y Za =a -\-ai + «2, Sah = ah-Y dib ^-\- a^\eic,
so schreiben sich die rechten Seiten von (4)
Z{a' - ay -{- 2(p' I{a' -a)h' -2(p Z{a —a)h
— 2Ihh'(p(p''\'(p"'Zh'^ + (p^Zh''
Z(a'^ay+2(p''Z{a''-a')b''—2(pZ{a-a')b'
^2 Zb'b'q?' (p' + (p"^ Zb"' + cp'^Zb'^
und wenn man weiter abkürzt:
Ä =Zab-^(p Zb^ B =Zab' + <p'Zb'^ \ C ^Za-V+tp-Zb"^
Ai =Za' b-^<p' Zbb'
A^^Za'b + q>''Zbb''
JB,=2V6'+ (p'Zb'b" i C\^Za 6'+ (p Zbb"
B^r=.Zab' + <pZbb' \C^^Za'b'+<p'Zb'b'
"5^ ^^ -AT' *« ^W ^Hr ;
H. Seelif^er: Über die sogenannte absolute Bewegung. 101
so wird
A -A, B—B^ 0
J = .1— ^ 0 C-C,
0 B-B^C-C\
Offenbar ist A h^O, wenn
= {A-A,){B-B,)(C-CO
+ (A-A,XB-B,){C-C,)
b' =kb, fej = i 6i, b2 = Je b2
V = k'b, b[ = k'h, bi = k'b^
(1. h. wenn die Geraden parallel zueinander sind. Diese Be-
dingung ist also gewiü hinreichend. Dala sie aber auch not-
wendig ist, kann man folgendermaßen beweisen. Soll J = 0
sein für alle möglichen Werte der (p q?' (p\ so kann man par-
tiell nach den einzelnen q) diffenzieren.
Differenziert man log J partiell nach 9?, so wird:
Zb-"
Ä-A.
2bV
2b''
A-A.
Zbb'
B-B.
Differentiiert man weiter nach <^':
{A-A,y _ {C--C,f
2h* ZV*
und durch nochmalige Differentiation nach (p ergibt sich sofort:
2b* 2bh'
Ä — Ä.
C — C\
eine Gleichung, die für jedes 9?* erfüllt sein muß, woraus man
findet:
2 b* 2(a- - a) 6" = 2b b' («' — a)b
2b* 2 b'* = (2hby
Die letzte Gleichung ausführlich geschrieben lautet:
{b* + 6? + 6?) (6-» + bl* + bi*) = (bb'+ b,b\ + h hl)*
Setzt man nim
b' = kb; b'i = Xb\\ hi=fth2
102 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
so wird
W.Qc — Xf + h^hl(jx — lcf + h\h\(jx — Xf = 0
eine Gleichung, die für reelle und von 0 verschiedene h nur
erfüllt werden kann durch h = X = fi.
In derselben Weise wird sich nachweisen lassen, daß die
Gleichung J = 0 die Bedingung nach sich zieht:
womit die Notwendigkeit der obigen Bedingung nachgewiesen
erscheint.
Wenn aber durch die drei sich selbst überlassenen Punkte
ein Koordinatensystem mit beschränkter Vieldeutigkeit dadurch
definiert ist, daß in ihm die 3 Bahnkurven gerade Linien
sind, so ist dieses System noch kein Inertialsystem. Als solches
soll vielmehr ein System gelten, in Bezug auf welches
sich beliebig viele sich selbst überlassene Punkte gerad-
linig bewegen. Es wird sich empfehlen, die Definition eines
Inertialsystems, wie L. Lange tut, durch Konstruktion eines
recht einfachen Falles zu bewerkstelligen. Danach sollen drei
Massenpunkte genommen werden, die gleichzeitig nach ver-
schiedenen Richtungen von einem Punkte ausgehen und sich
selbst überlassen werden. Ein Koordinatensystem, in Bezug
auf welches dann die 3 Bahnkurven gerade Linien sind, ist,
wie leicht zu zeigen, ein Inertialsystem. Die Voraussetzungen
erlauben, die Möglichkeit eines solchen Ansatzes natürlich
vorausgesetzt, anzunehmen
rjin) = j5(M) t
^in) ^ Sin) l
WO für n kein, ein oder 2 Striche zu setzen sind. Rs kann
dabei t in irgend einer Skala angesetzt sein. Ebenso wird man
in (3) alle a gleich Null setzen dürfen. Dann schreibt sich
die erste Gleichung (4)
-:4-:K *^^rr
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 103
und ganz ähnlich die beiden anderen. Die Auflösung gibt
unter allen umständen
q) =::mt; cp' =m t\ (p' = m''t
wobei die m Konstanten sind. Ebenso wird die Auflösung von (5)
für die Richtungskosinusse a ß y . . , konstante Werte ergeben,
während sich die d d^ d^ als lineare Funktion von t darstellen.
Für jeden weiteren sich selbst überlassenen Punkt werden
jetzt die Koordinaten ^ rj C als lineare Funktionen von f, also
anzusetzen sein und daraus folgt dann, wenn man die soeben
gefundene Form der Transformationskoeflizienten in (1) berück-
sichtigt, daß xyjcf ebenfalls lineare Funktionen von t sind.
Auf Grund der ausgeführten Entwicklungen erweisen sich
nun, wie von selbst klar ist, die Aufstellungen L. Langes nach
jeder Richtung hin als zulässig und wohlbegründet. Ich führe
sie hier wörtlich an:
Definition I. Inertialsystem heißt ein jedes Koordinaten-
system von der Beschaffenheit, daß mit Bezug darauf drei vom
selben Raumpunkt nach verschiedenen Richtungen projizierte
und dann sich selbst überlassene Punkte P P' P" auf drei be-
liebigen, in einem Punkte zusammenlaufenden Geraden dahin-
schreiten.
Theorem I. Mit Bezug auf ein Inertialsystem ist die Bahn
jede^ beliebigen vierten sich selbst überlassenen Punktes gleich-
falls geradlinig.
Über die Bedeutung der 4. Variablen, der Zeit t, ist bisher
noch nichts ausgesagt worden. Man kann sich nun unbedenk-
lich der von Carl Neumann gegebenen Aussage anschließen:
»Zwei materielle Punkte, von denen jeder sich selbst über-
lassen bleibt, bewegen sich (in einem Inertialsystem) in solcher
Weise, daß gleiche Wegabschnitte des einen immer gleichen
Wegabschnitten des anderen entsprechen*, und gleichen Weg
abschnitten werden gleiche Zunahmen der Variablen t zuge-
ordnet, wo t das, was wir die Zeit in einer gleichförmig ver-
104 Sitzung der matb.-phys. Klasse Tom 8. Februar 1906.
laufenden Skala gemessen nennen, ist. Die Einwendungen,
die H. Streintz hiergegen erhoben hat, sind nach meiner Meinung
unwesentlich und gegenstandslos. Dann ergeben sich folgende
Sätze, deren logisch musterhafte Fassung man ebenfalls L. Lange
verdankt.
Definition II. Inertialskala heißt eine jede Zeitskala,
in Bezug auf welche ein sich selbst überlassener auf ein Inertial-
system bezogener Punkt gleichförmig fortschreitet.
Theorem IL In Bezug auf eine Inertialzeitskala ist jeder
beliebige andere sich selbst überlassene Punkt in seiner Inertial-
bahn gleichförmig bewegt.
Die Langesche Konstruktion des Inertialsystems ist selbst-
verständlich eine Idealkonstruktion, die aber das logische Be-
dürfnis nach jeder Richtung vollkommen befriedigt und das
Prinzip der Relativität wahrt, denn tatsächlich ist jede Bezug-
nahme auf etwas Absolutes gänzlich verschwunden.
Es ist von einigen Seiten angewendet worden, dais der sich
selbst überlassene Punkt noch einer Definition bedarf, da er
doch als solcher, erst durch die öeradlinigkeit seiner Bahn im
Inertialsystem erkennt werden kann. Indessen darf nicht über-
sehen werden, daß man zu dem Begriff des sich selbst über-
lassenen Punktes auch gelangen kann, wenn man den Kraft-
begriff zunächst in anderer Weise festlegt und dann den sich
selbst überlassenen Punkt als einen solchen definiert, der von
keinen Kräften angegriffen wird. Erfahrungsgemäß sind nun
alle Kraftwirkungen in der Natur an das Vorhandensein von
Massen gebunden. Wo Kraftwirkungen nachweisbar sind, sind
auch Massen in größeren oder kleineren Entfernungen da und
umgekehrt, wo Massen in der Nähe sind, haben wir Kraft-
wirkungen anzunehmen. So wird sich strenge genommen nirgends
im Univerum eine Stelle finden, wo das Ideal eines sich selbst
überlassenen Punktes anzutreffen wäre. Ahnliches gilt ja in
allen Teilen der Naturwissenschaften, wo gewisse Idealvorgänge
erst durch mehr oder weniger weit ausgeführte Abstraktion
geschaffen werden müssen. So werden wir hier durch Ab-
straktion den Begriff eines isolierten Massenpunktes bilden
■«'ÄT*^^?}^
H. Seeliger: Ober die sogenannte absolute Bewegung. 105
müssen, indem wir uns einen solchen in immer größere Ent-
fernung von anderen Massen gerückt denken. Das praktisch
unerreichbare Ideal wäre erreicht, wenn alle anderen Massen m
in unbegrenzt großer Entfernung sich befanden. In Wirklich-
keit erfordert auch schon von Anfang an die Idealkonstruktion
Langes die Durchführung einer ähnlichen Abstraktion. Denn
die von einem Punkt ausgehenden materiellen Punkte werden
sich auch gegenseitig durch die Newtonsche Gravitation be-
einflussen und strenge genommen erst dann sich selbst über-
lassene Punkte sein, wenn sie in ihren Bahnen in überaus
große gegenseitige Entfernungen gerückt sind. Man könnte
ja auch die Massen der Punkte immer kleiner werden lassen,
doch leistet dies Verfahren nicht mehr, als die zuerst gemachte
Annahme, da hier ebensowenig ein nicht zu Ende durchführ-
barer Prozeß vermieden werden kann wie dort. Erklärt man
die Unzulässigkeit dieser Art von Abstraktionen, dann wird
man überhaupt niemals zu befriedigenden Definitionen der Grund-
begriffe der Mechanik gelangen können. Läßt man aber den
Begriff des isolierten Massenpunktes als zulässig gelten, dann
würden in der Tat 3 isolierte Punkte, die nicht in einer
Geraden stehen ein Inertialsystem vollständig und in
der einfachsten Weise definieren. Der Anfang des
Systems kann in jedem der 3 isolierten Punkte liegen,
seine Achsenrichtungen werden durch die Richtungen
nach den beiden anderen Punkten bestimmt.
Diese Idealkonstruktion ist nichts anderes als ein spezieller
Fall der Langeschen. Man wird aber kaum leugnen können,
daß sie mit der Wirklichkeit, d. h. mit den durch astronomische
Beobachtungen gewonnenen Erfahrungen engere Fühlung be-
sitzt. Denn man wird zunächst als Anfang des Inertialsystems
nicht einen isolierten Punkt nehmen, der überhaupt nicht auf-
findbar ist, sondern ein in mechanischer Beziehung äquivalentes
Gebilde. Ein solches ist — allerdings wegen der Anziehung
der Sterne nur näherungsweise — der Schwerpunkt des Planeten-
systems, der sich gegenüber äußerst entfernten Massen gerade
so bewegt wie ein Massenpunkt. Dann wird man zur Orien-
106 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
tierung auch ähnliche ausgedehnte Massensysteme benützen
können und zwar in beliebiger Anzahl, wenn dieselben nur
die Bedingung der Isoliertheit erfüllen, d. h. unbegrenzt weit
vom Schwerpunkt des Sonnensystems abstehen und von ihm
aus gesehen nicht in unmeßbar kleiner Entfernung voneinander
zu stehen scheinen. Eine solche Idealkonstruktion des Inertial-
systems, die also außer dem Schwerpunkt des Planetensystems
noch mindestens 2 unbegrenzt weite Massen erfordert, scheint
mir keine größeren gedanklichen Schwierigkeiten zu besitzen,
als irgend eine andere und ich habe keinen Grund, sie als
nicht sehr ansprechend zu bezeichnen. Bekanntlich gehen
in solchen Fragen die Meinungen auseinander und was dem
einen besonders ansprechend erscheint, ist es dem anderen
keineswegs und eine Diskussion in dieser Richtung führt
selten zu einer Einigung. Daß das so definierte System ein
wohl definiertes ist und auf dem Prinzip der Relativität ruht,
dürfte indessen unzweifelhaft sein.
Die angestellten Betrachtungen leiten direkt zu den Klar-
legungen über, welche die Wissenschaft Mach verdankt. Sie
sind, wie schon erwähnt, in seinem Buche über die Entwick-
lung der Mechanik enthalten, welches zu den schönsten Büchern
gehört, die über Mechanik überhaupt geschrieben worden sind.
Die fundamentale Wichtigkeit dieses Werkes in Bezug auf
die vorliegenden Fragen beruht hauptsächlich in der Eonsequenz,
mit welcher Mach zuerst das Prinzip der Relativität und den
Grundsatz festgehalten hat, demzufolge die Mechanik ein auf
rein empirischer Grundlage aufgebautes Gebäude ist, was merk-
würdigerweise nicht immer genügende Berücksichtigung ge-
funden hat. Für Mach hat nun die Orientierung des Inertial-
systems einfach nach dem Fixsternhimmel zu erfolgen und die
Zeitskala ist durch die Rotation der Erde gegeben. Zu Newtons
Zeit hätte diese Definition unzweifelhaft auch praktisch ausge-
reicht. Seitdem hat man aber in den Eigenbewegungen der
Fixsterne Einflüsse kennen gelernt, welche die Festlegung eines
Inertialsystems erschweren und auch die Rotationszeit der Erde,
gemessen durch die übliche Stemzeit, ist ein Zeitmaß, das sich
maä
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 107
nachgewiesenermaßen periodisch und säkular, letzteres in einem
nicht genügend festgestellten Grade, ändert. Infolge dieser
Tatsachen ist eine Orientierung einfach nach dem Fixstem-
himmel zu unbestimmt und muß schärfer gefaßt werden. Das
ist Mach auch nicht entgangen und er ersetzt/) von dem Grund-
satze ausgehend, daß man von den Massen des üniversiums
nicht absehen dürfe, die Aussage, daß eine Masse ^ im
Raum sich in gerader Linie und mit gleicher Geschwindigkeit
bewege durch eine andere. Nennt man m, m' . . . die Massen
in den Entfernungen r, r , . . vom Punkte //, so wird die ge-
nannte Aussage äquivalent sein mit dem Sinne der Formel
-^f^n = o
insofern nur „hinreichend viele, hinreichend große und weite
Massen' in Betracht gezogen werden. Die Zulässigkeit dieses
sinnreichen Ansatzes unter gewissen Bedingungen muß aner-
kannt werden. Denn wenn die großen und weiten Massen die
näheren überwiegen, deckt sich der mechanische Ansatz mit
den oben gemachten Bemerkungen mit beliebiger Annäherung,
wenn einzelne Entfernungen r beliebig groß gemacht werden.
Indessen möchten doch Einwände zu erheben sein. Der
erste bezieht sich darauf, daß es nicht in unserem Ermessen
steht, die ausgesprochene Bedingung für die Massen zu er-
füllen, da wir Tatsachen nicht verändern können. Daß femer
die Formel auf die sichtbaren Fixsterne angewendet nahezu
richtig ist, dürfte feststehen; ebenso sicher ist es aber, daß
sie nicht dem, was die Bewegung eines sich selbst überlassenen
Punktes in einem Inertialsystem ausdrücken soll, ganz genau
entsprechen kann. Alle Massen und die näheren im besonderen
wirken auf /i so ein, daß sich dieser Punkt tatsächlich nicht
gleichförmig und geradlinig in Bezug auf ein Inertialsystem
bewegt und ohne nähere Untersuchung können wir nicht ein-
mal sagen, ob diese Abweichung nicht sehr merklich ist. Man
M Mechanik, S. 248.
108 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
muß also die wirkliche Bewegung von fx unter allen Umständen
durch Abstraktion idealisieren. Wie weit man die Abstraktion
treibt, scheint mir von keiner ausschlaggebenden Bedeutung
zu sein und man wird demnach berechtigt sein, von diesen und
jenen Massen zu abstrahieren, da man ganz ohne Ausführung
eines solchen Prozesses doch nicht auskommen kann. Hält
man daran fest, so führt auch der Machsche Ansatz zu der
Nötigung, nur sehr weite und isolierte Massen zur Orientierung
zu verwenden und dann kommt man wieder auf denselben Weg,
auf den die obigen Betrachtungen geführt haben und den ja
auch die Langeschen Festsetzungen, in gewissem Sinne, an-
weisen.
Die wirkliche Festlegung eines Inertialsystems mit Hilfe
sehr weiter isolierter Massen ist geknüpft an eine niemals ab-
brechende Reihe von Korrekturen von Beobachtungen feststell-
barer Tatsachen und sie verlangt also strenge genommen die
Ausführung eines unendlichen Prozesses, der natürlich nie zu
Ende geführt werden kann. An sich wird hiermit allerdings
nichts anderes verlangt, was nicht auch sonst in allen Natur-
wissenschaften verlangt wird; da alle Beobachtungen ungenau
sind, wird die immer erneute Nötigung zu Korrekturen nie-
mals aufhören.
Bei der Festlegung eines Inertialsystems würde es also darauf
ankommen, die Entfernung immer weiter entfernter Fixsterne
abschätzen zu lernen und dann die näheren als zur Orientierung
nicht geeignet ausscheiden zu lassen. Da tritt nun eine neue
und wie es scheint unüberwindliche Schwierigkeit entgegen.
Alle Erfahrungen in der Fixstemastronomie drängen zu der
Annahme, dafi die sichtbaren, also zunächst der Beobachtung
allein zugänglichen Weltkörper ein räumlich begrenztes und
zwar nicht einmal so ungeheuer großes, wie man früher meinte,
System bilden, über dessen Grenzen hinaus bisher jede Wahr-
nehmung ausgeschlossen war und wohl auch immer bleiben
wird. Dadurch ist es unmöglich, den oben erwähnten Ab-
straktionsprozeß beliebig weit fortzusetzen und das Inertial-
system kann auf diesem Wege nur bis zu einer gewissen be-
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 109
schränkten Genauigkeit festgelegt werden. Diese Beschränkung
bezieht sich natürlich nur auf die tatsächliche, nicht begriff-
liche Festlegung. So bleibt für die erstere nur der bereits
oben erwähnte, durchaus gangbare, bereits von Newton an-
gezeigte und von Carl Neumann näher beleuchtete Weg übrig.
Nicht unnötig dürfte es sein, am Schluß dieser Betrach-
tungen noch einmal darauf hinzuweisen, daß mit der festeren
Begründung des Trägheitsgesetzes einzig und allein die Ab-
sicht verbunden sein kann, den wahren Sinn der Grundlagen
des wissenschaftlichen Systems, das wir Mechanik nennen, fest-
zustellen. Von diesem Standpunkt hat es kein Interesse, zu
untersuchen, ob unter allen Umständen die jetzige Mechanik
sich als das zweckmäßigste wissenschaftliche System für die
Erklärung aller denkbaren Vorgänge bewähren muß. In-
dessen wird uns doch die fast unabsehbare Reihe von Erfah-
rungen, die bisher in dieser Richtung gesammelt worden sind,
einigermaßen zuversichtlich machen und uns die Hoffnung
offen lassen, es möchten nicht leicht rein mechanische Tat-
sachen auftreten, welche die bisher benützten Grundsätze als
hinfallig und unbrauchbar oder selbst nur als unzweckmäßig
erweisen würden.
3.
Die Aufgabe der tatsächlichen Festlegung eines Inertial-
systems fallt der Astronomie zu und diese Festlegung hat gegen
das empirisch hergestellte, in der Astronomie gebräuchliche
Koordinatensystem zu erfolgen. Legen wir die Anfange beider
Systeme in den Schwerpunkt des Planetensystems, so wäre das
nur erlaubt, wenn das Planetensystem wirklich isoliert wäre.
Selbstverständlich ist das im strengen Sinne des Wortes nicht
der Fall, aber diese Annahme genügt, wenn die Abweichungen
in langen Zeiträumen mnerhalb der Genauigkeitsgrenze der
Beobachtungen bleiben. Diese Forderung als strenge erfüllt
nachzuweisen, ist gegenwärtig unmöglich und man muß sich
mit mehr oder weniger sicheren Abschätzungen begnügen.
Auf Schwierigkeiten, die hierbei auftreten, haben Carl Neu-
110 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 3. Februar 1906.
mann^) und ich^) hingewiesen. Es steht danach, trotz der
Einwände, die hiergegen gemacht worden sind, fest, daß man
sich entschliessen muß, die universelle und strenge Gültigkeit
der Newtonschen Attraktionsformel zu leugnen, wenngleich
nur so kleine Korrekturen notwendig sein mögen, daß deren
Folgen innerhalb des Planetensystems und vielleicht beträcht-
lich darüber hinaus unbemerkbar bleiben. Diese Korrekturen
müssen unter allen Umständen in der Richtung liegen, daß die
Gravitationswirkung gegenüber der Newtonschen Formel schneller
mit der Entfernung abnimmt. Bedenkt man weiter, daß wir mit
einiger Sicherheit die uns umgebenden Fixsterne als ein end-
liches und durch weite Zwischenräume von eventuell anderen
vorhandenen Systemen getrenntes System ansehen müssen, so
wird vielleicht die Wirkung der Anziehungen jener anderen
Systeme vernachlässigt werden können. Dann würde es in
absehbarer Zeit möglich sein, eine obere Grenze für die Ge-
sammtanziehung der Fixsterne anzugeben, denn es ist anzu-
nehmen, daß die Studien über die räumliche Verteilung der
Sterne zu bestimmten zahlenmäßigen Resultaten führen werden.
Zur Ableitung einer solchen oberen Grenze genügt die An-
nahme des Newtonschen Gesetzes. Laplace') hat die Größe
der Anziehung eines Sternes berechnet und danach die Über-
zeugung gewonnen, daß in der Tat unser Sonnensystem als
ein isoliertes aufzufassen ist. Die Wichtigkeit der Sache wird
es rechtfertigen, wenn ich hier eine kurze Darstellung von
einem etwas anderen Standpunkt aus folgen lasse.
Das Sonnensystem befindet sich in dem von den Fixsternen
geschaffenen Kraftfeld. Ein Punkt mit der Masse 1 wird an
einer Stelle, deren Koordinaten in einem Inertialsystem, dessen
Anfang etwa im Schwerpunkt des ganzen Fixsternsystems liegt,
') C. Neumann, Allgemeine Untersuchungen über das Newtonsche
Prinzip etc. Leipzig 1896.
^) Münchener Sitzungsberichte 1896 und A. N. Nr. 3273.
*) Laplace, Mecanique c^Iecte, Livre VI, Chapit. XVIll und Con-
naissance des temps pour Tan 1829.
"l'S^. >?
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 111
(t]C sein mögen, den Kraftkomponenten X, F, Z ausgesetzt
'sein und diese verändern sich mit f, rj, C- Strenge genommen
werden sie auch die Zeit explizite enthalten; diese Abhängig-
keit kann aber vorerst sicherlich unberücksichtigt bleiben.
Sind nun M^^onVo^^o ^^sse und Inertialkoordinaten der
Sonne, m, S, tj, C dieselben Größen für einen Planeten, so
hat man:
==h*2m^—i^^--\-XQ
f-l = k*M. ^S- + **^. '^-P-^ + X
dt*
^,'
Die 2! ist auf alle Planeten, 2*, auf alle Planeten mit
Ausnahme des betrachteten auszudehnen. Femer ist r der
Radiusvektor der Planeten, A^ seine Entfernung von einem
anderen Planeten, X 0 und X die Werte von X an den Stellen
Für den Schwerpunkt SYZ des Planetensystems ist:
{M + 2:m) ^= MXq + i:m X
und für die relativen Koordinaten xyjs des betrachteten Planeten
gegen die Sonne ergeben sich die Gleichungen:
df
dX
und ähnliche für y und £^, Hier bedeutet JR die gewöhnliche,
aus der Anziehung der Planeten hervorgehende Störungsfunktion.
Die Veränderung der Komponenten X YZ mit den Koordinaten
wird sicher sehr klein sein. Erlaubt man sich in der betreffen-
den Taylorschen Reihe die Glieder 2. Ordnung fortzu-
lassen und nennt man XqYqZq die Werte von XYZ im
Schwerpunkt des Planetensystems, so wird
112 Sitzung der matb.-pbjs. Klasse vom 3. Febrnar 1906.
dt*'"^' d^»"-^«' dt*
i+..,.+™,-;='^+e4..(i-v
(1)
cPy
dt
Tt
Hier bedeuten die eingeklammerten Werte der DiflFerential-
quotienten Werte im Schwerpunkt.
Der Schwerpunkt des Planetensystems mag sich vielleicht
nicht unbeträchtlich in dem vorliegenden Koordinatensystem
bewegen. Nach der oftmals gemachten Annahme, daß er sich im
Jahre etwa um J ji Erdbahnradien weiter bewegt, würde er sich
in tausend Jahren immerhin um rund 140 Neptunsweiten ver-
schieben, was einer Parallaxe von 49* entspricht, die etwa y^^
der Entfernung der allernächsten Sterne gleichkommt. Ob
innerhalb solcher Räume und Zeiten die Differentialquotienten
( -^ j etc. als konstant angesehen werden dürfen, ist natürlich
zweifelhaft. Indessen wird man wohl auch dann nicht ganz
unsichere Abschätzungen mit dieser Annahme erhalten.
Nennt man dann noch V das Potential der Stemanziehung,
so werden also die Koeffizienten:
-.. = (?,^>-..=(^-)..-..=m
WO axji = ajix, konstant sein und die Bewegung eines Planeten
um die Sonne geschieht so, daß durch die Fixsterne eine
Störung hinzutritt, deren Storungsfunktion
F = floo^" + 2««! a;y + a„ y^ + - +«„^ (2)
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 113
eine quadratische Form der Variablen xyjs ist. Wirken die
Sterne nach dem Newtonschen Gesetz, so besteht die Gleichung :
«00 + »11 + »21 = 0
Es macht nun nicht die geringste Schwierigkeit, die Ver-
änderung der Bahnelemente eines Planeten infolge der Störungs-
funktion F zu ermitteln. In jedem Falle kann man sich auf
die Betrachtung der säkularen Veränderungen beschränken.
Man hat zu diesem Zweck den säkularen Teil S der Funktion F
zu bilden und hierzu sind die säkularen Teile der in (2) vor-
kommenden variablen Größea aufzusuchen. Ich will solche
säkulare Teile durch ein vorgesetztes S bezeichnen.
Mit Benutzung der üblichen Bezeichnungsweise (a, 6, ji,
Q^ iy n = halbe große Achse, Exzentrizität, Perihel-, Knoten-
länge, Neigung und mittlere Bewegung) ergibt sich leicht:
S{x^) = ^ [1 — sin» ßsin» i + 4 e» — 5 e* sin* Ji]
a}
S (y*) = ^ [1 — cos* ü sin* i -|- 4 e* — 5 e* cos* ji]
S(jg^) =^sin*i
a*
S{xy) = -T- [sin 2 Q sin* i + 5 e* sin 2 ti]
a*
S (xjsi) = — — sin fl sin i
Ck
a*
fif (y ^) = -|- ^ sin ß sin i
und mit diesen Ausdrücken nach (2):
- . |- = — a* e [(aj, — a J sin 2 ji + 2 a^, cos 2 jr]
1 3 Ä
- . — = — 5 a* [a^ sin* n + «n cos* n — a^, sin 2 n
e de ^
— "5 («00 + «ii)]
1906. Sltsongtb. d. matb -phys. Kl. 8
114 Sitzung der math.-phjs. Klasse Tom 3. Februar 1906.
— = a* COS i [( — a^ sin* Q — aj, cos* ü + a^
-+- a^j, sin 2 ß) sin i — a^, sin fi -f a,2 cos fl]
-:— . • ^ v^ = TT • [(a,, — önn) sin 2 ß Sin i + 2 tto, cos 2 fi sin i
smi aß 2 "-^ " *^ ^ rl o • ni
— 2 a^j cos ß — 2 ttjj sin ßj
Diese Ausdrücke hätte man in die bekannten Formeln
für die Variation der Konstanten einzusetzen, was so einfach
sich vollzieht, daß nicht weiter darauf einzugehen nötig ist.
Zur Abschätzung wird die Bemerkung genügen, daß sich
die säkularen Veränderungen -77 , ^;Tr» ^^^^~^J^ ~li ergeben,
wenn man die angegebenen Differentialquotienten mit -j^ und
mit Zahlen, die höchstens einige Einheiten betragen, multi-
pliziert. Berechnet man den Rang einer Größe dadurch, daß
man sie in Klammern setzt, so würde die Gleichung
aussagen, daß der absolute Wert von A gleich ist a multi-
pliziert mit einer Zahl, die höchstens einige Einheiten betragen
kann. Auf diese Weise ergibt sich, daß für jedes der 4 Bahn-
elemente E
\dt) k^ ^ ^
Danach könnte man also, falls die a^ gegeben wären, die
säkularen Veränderungen der Bahnelemente leicht abschätzen.
Es soll nun beispielsweise eine ganz einseitige Massen-
verteilung angenommen werden, welche also voraussichtlich
ganz außerordentlich übertrieben große a^ji ergibt. Nimmt man
nämlich an, daß alle Fixsterne in einer bestimmten Richtung in
der Entfernung g vom Planetensystem in einer Masse /u ver-
einigt wären, dann ergibt sich leicht
^'W!
H. Seeliger: Ober die sogenannte absolute Bewegung. HS
und demzufolge
idE\ fa-y
Setzt man fx = X- 10* Sonnenmassen, q entsprechend einer
dE
Parallaxe O'Ol •<>, so ergibt sich für Neptun, wo —j- nume-
risch am größten wird, im Jahrhundert
{di;} = o'' 00027. ;i.a»
Nach dem, was wir — es ist das allerdings wenig genug
— über die Massen und Verteilung der Fixsterne wissen, wird
man X und d kaum größer als 1 annehmen dürfen, d ist sogar
wahrscheinlich ein kleiner Bruch. Danach darf man selbst
nach vielen Jahrhunderten in den planetarischen Bewegungen
um die Sonne wohl kaum einen bemerkbaren Einfluß der An-
ziehung der zu unserem Fixsternsystem gehörenden Massen er-
warten. Ein wenig anders mögen sich die Verhältnisse für
die Bewegung des Schwerpunktes unseres Sonnensystems ver-
halten. Die Kraftkomponenten sind hier — bei Festhaltung
des herangezogenen Beispiels — nur vom Range ^— . Ich
habe schon bei früherer Gelegenheit*) gezeigt, daß man wohl
kaum bei den Fixsternen selbst in langen Zeiträumen auf eine
bemerkbare Abweichung von der geradlinigen und gleich-
förmigen Bewegung rechnen wird dürfen, natürlich von Aus-
nahmefällen abgesehen.
Der Krümmungsradius q der Bahn des Schwerpunktes
des Planetensystems ist gegeben durch
Q = — 7^
(
ds\
dt)
vm^
\dt^
yfo ds das Bogenelement ist.
+ f W+ ^^
_/d»sY
') Astronomische Nachrichten, Nr. 3675.
8*
116 SäUaiBg der ButtiL^Tft. Übt vom S. F«iffiiftr 1906.
Nenst uLkD üso V di« G-efchwiDdigkeit and P die Große
der e'mvirkenden KraÜL so wird d^r Kang tod 9 durch
gi^gieben sein. Do* Winkel da zwischäi zvei benachbarten
Tangenten an die Bahn ist dann
rfa_ 1 rf*_ r
dt ~ gdt~ g
Also
fda\_P
{dJI ~ r
und im obigen Beispiel:
fda\ _ ejM_
{dtl~ r-Q^
Bei Festhaltung der astronomischen Einheiten ist k^ = c^,
wo c die Bahngeschwindigkeit der Erde ist. Denmach hat man
tda\_ c^fi
[dil~ r-g^
Setzt man, wne oben, fir=z l^ 10*; g entsprechend einer
Parallachse O'Ol • d so ist Ja' die Änderung Ton a im Jahr-
hundert in Bogensekunden
Ja=SV'(y\iS^
Für -j^ =s'-^ 1 = 6 = 1 würde also eine Richtungsänderung
in der Bewegung des Schwerpunktes des Sonnensystems von
46' im Jahrhundert folgen, eine 21ahl die voraussichtlich noch
Tiel zu hoch gegriffen ist.
H. Seeliger: Über die so^^renannie absolute Bewegung. 117
4.
Die Bewegungen der Planeten werden auf ein gewisses
empirisches Koordinatensystem bezogen. Dasselbe hat im Laufe
der Zeit eine recht solide Festlegung erfahren. Das Nähere
ist in dem soeben erschienenen Band VI, der mathematischen
Enzyklopädie in den Artikeln von E. Anding und F. Cohn so
eingehend auseinandergesetzt, daß dem wohl kaum etwas hin-
zuzufügen wäre. Indessen ist ohne weiteres durch eine ein-
fache Betrachtung der Resultate der messenden Astronomie ein-
zusehen, daß man von selbst darauf geführt wurde, eine in
einem Inertialsystem feste Ebene z. B. die Ebene der Erdbahn
zu einer bestimmten Epoche als Fundamentalebene einzufQhren
und diese gegen die Fixsterne oder vielmehr die Fixsterne
gegen jene Ebene mit immer steigender Genauigkeit festzu-
legen. Könnte man nun in dieser Ebene eine feste Inertial-
richtung gegen die Fixsterne bestimmen, so wäre ein Inertial-
system auch praktisch definiert. Das ist aber nicht mit ge-
nQgender Genauigkeit möglich, weil der Durchschnittspunkt
von Äquator und Ekliptik, welcher nach der X Achse des
empirischen Systems weist, sich verschiebt und diese Ver-
schiebung, in ihrem säcularen Teil wenigstens, nicht genau genug
theoretisch berechnet werden kann. Hierzu wäre eine genauere
Kenntnis der Differenzen der Trägheitsmomente des Erdkörpers
nötig, die anderseitig nicht beschafft werden kann. So bleibt
eine Unsicherheit in der Bestimmung der erforderlichen Inertial-
richtung bestehen, die nur durch Zuhülfenahme von gewissen
Hypothesen von zum Teil sehr zweifelhafter Sicherheit an-
scheinend behoben worden ist.
Jedenfalls werden tatsächlich in Bezug auf dieses empi-
rische System die Differentialgleichungen der Bewegung für
die Planeten aufgestellt und integriert und die hier auftreten-
Konstanten als Bahnelemente behandelt und aus den Beob-
achtungen bestinunt Da die Differentialgleichungen nur richtig
sind, wenn sie sich auf ein Inertialsystem beziehen, so wird,
wenn eine von der Zeit abhängige Verlagerung der beiderlei
Achsen gegeneinander vorhanden ist, die Theorie der Plimeten-
118 Sitzung der math.-ph jb. Klasse Tom 8. Februar 1906.
bewegung unvollständig sein. Man kann nun, um diese ünvoU-
kommenheit aufzudecken, sich damit begnügen von den Stö-
rungen durch die Planeten abzusehen und die Keplersche Be-
wegung allein zu betrachten. Sind in dem empirischen System
die Koordinaten eines Planeten x' y z\ so wird angenommen,
daß die Bewegung durch die Gleichungen:
bestimmt ist. In Wirklichkeit gelten aber die analogen
Gleichungen nur für die Koordinaten xyzm einem Inertial-
system, wo also ist:
d^x X ^
während die empirischen Koordinaten nunmehr Gleichungen
von der Form
d*x' X* ^
genügen und demnach in der ausgebildeten Planetentheorie
die als störende Kräfte interpretierteren Komponenten XYZ
vemachlä^gt worden sind. Es handelt sich also um die Wir-
kung dieser störenden Kräfte auf die Planetenbahnelemente,
die durch sie verändert ei-scheinen. Es ist leicht die allge-
meinen Formeln für eine beliebig gegen ein Inertialsystem be-
wegtes empirisches System abzuleiten. Da es sich indessen
offenkundig nur um sehr kleine Veränderungen handeln kann,
wird es genügen anzunehmen, data die gegenseitigen Neigungen
der gleichnamigen Achsen beider Systeme so klein seien, daß
ihre zweiten Potenzen, innerhalb des betrachteten Zeitraumes,
vemachläßigt werden können.
Zwischen den beiderlei Koordinaten bestehen nun die
Gleichungen :
x' = ax +by -f- cz
y' =a' x-{-b'y '\- c z
z' = a'x + Vy -j- c'z
«.^i-Ä^iM?Är
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 119
Werden die 2. Potenzen der oben genannten Neigungen
fortgelassen, so folgt bekanntlich daraus :
b + a' = 0, c + a* = 0, c' + b' = 0
und wenn man setzt :^)
a* = — b = r^; — a' = c=3g; b' = — c ^^p
so wird
y' = y—p^ +r,x (2)
jBf' = a — qx + py .
und mit derselben Genauigkeit:
x=^ x' +r^y' — qe' \
y = y' +P^' -r,x' i (2a)
-er = £f' + qx' — py' j
Die pqr^ sind bekanntlich die Drehkomponenten des einen
Koordinatensystems um das andere. Die Qesamtdrehung erfolgt
um eine Achse mit den Neigungswinkeln a, /?, y gegen das
System x' y' z* mit einer Winkeldrehung Q und es ist
fissj/'jp^ 4- g*-|- rj, ßcosa=/?, flcos/? = y, Qto^y = r^
Sind beide Koordinatensysteme rechtsdrehende (sog. Kork-
zieher-) Systeme, so daß also die a?' Achse durch eine positive
Drehung um die e Achse um 90 Grad in die y' Achse gebracht
werden kann und in ähnlicher Weise die y Achse in die
z Achse und die z Achse in die x Achse, so bedeuten positive
pgr, positive Drehungen, die um die Achsen des empirischen
Systems x* y' z' ausgeführt werden müssen, um zum Inertial-
system x y z zu führen. Die in der Astronomie üblichen
Systeme der Rektaszensionen und Deklinationen, ebenso wie
der Längen und Breiten sind solche rechtsdrehende Systeme.
Die pqr^ können im allgemeinen beliebige Funktionen der
Zeit sein. Ich will mich, was vorderhand ausreichend sein
*) Vgl. u. A. H. Weber, Die partiellen Differentialgleichungen der
Physik. Leipzig 1900, 1, S. 201.
120 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
dürfte, mit der Annahme begnügen, daß pqr^ sich propor-
tional mit t ändern, so daß sie für / = 0 selbst verschwinden.
Es soll also gesetzt werden
u;, = m; cos a, Wg=^w cos ß, Wg^^w cos y
wo die Drehkomponenten iVx w^ w, um die 3 Achsen als unab-
hängig von t anzusehen sind.
Aus den Gleichungen (2a) folgt dann:
dx' dx dy , dz' , , ,
d»«' flPa; d}y' , d}z' „ dy' ^ de
-dfi = -dii-'^df^^-d^-^'"'-dt+^'"'>Tt
und aus (1) ergeben sich dann die Störungskomponenten
X= — 2«;,^+2w,
dy de
di + ^'^'-dt
V o dz dx
^ ^«'.^ + 2«;.-^
^ 2«;,^ + 2«,.^
(3)
Hierin können nach Belieben die xy z durch x* y z er-
setzt werden. Diesen Störungskomponenten entsprechend wer-
den die Bahnelemente periodische und säkulare Veränderungen
erleiden. Zur Ermittlung dieser wird man am besten die
Kraftkomponenten iZ, 5, TF, in der Richtung des Radiusvektor,
senkrecht darauf in der Bahnebene und senkrecht auf die
Bahnebene, berechnen. Es seien xyz Ekliptikalkoordinaten,
femer sollen die früheren Bezeichnungen festgehalten werden,
außerdem v die wahre Anomalie, w = t;-f-^ — ß = t;-|-w'
und I? = a (1 — e*) sein. Man hat dann bekanntlich :
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 121
X
— = cosw cos Q — sin w sin Q cos i
r
-?^=:coswsinfl + sinMcosflcosi
e
= sinusint
dx \ / IL
'iT='\/ [ — cosß(sinw + esincü) + sin/2cosi(cosu-f-^cosa>)]
-7y = 1/ — [ — sinfl(sinw + ^sin w) — cos/2cosi(cosu + ccosco)]
d£f
dt
1/ — [sin i (cos w + e cos cw)]
Bezeichnet man noch:
Ä = — sinucosi? — cosusin^cosi
B == — sinM sin /2 + cos w cos Qcosi
C = — cosusini
so wird:
r r r
8=X'A+ Y'B + Z'C
TT = X sin ß sin i — Fcos fl sin i + Zcosi
Die weitere Ausrechnung ist mit Hilfe der Formeln für
die Eeplersche Bewegung leicht auszuführen. Setzt man zur
Abkürzung :
D = cos a sin Qsini — cos/? cos fl sin i + cos y cos i
d = cos a sin Q cos i — cos ß cos Q cos i — cos y sin i
E = cosa cos Q + cos/? sin ii
so erhält man:
R ^VJ^^D
iS = + 2ii7csin
i.,\/JD
W='^ 2u?l/ — [— Jsinw-f-^costi— zl^sinft> + £'ccosa>]
(4)
122 Sitzung der xnath.-phy8. Klasse vom 8. Februar 1905.
Hiermit ergeben sich nun die Differentialquotienten der
Bahnelemente nach der Zeit. Die periodischen Störungen ent-
stehen durch das Auftreten von Zentrifugalkräften bei der
Rotation des empirischen Systems um das Inertialsystem, wobei
indessen nicht vergessen werden darf, daß mit w^ multiplizierte
Glieder fortgelassen worden sind.
Man findet leicht:
da 2a» / . p\
a bleibt demnach, wenn man nur die Gli'eder erster Ordnung
berücksichtigt, völlig konstant. Nennt man E die exzentrische
Anomalie, so wird
-^=|/--IJBsint; + S(cost; + cosJ^ j = — 2wD - sinv
, .dQ 1 Txr • 2w..
sm * -37- = —7=^ Wr sm M = — X
dt yjj, p ^
[ — Jrsin*w + -Ersinvcos^w — Jesina> • r sinu + Eecos co • rsinw]
di 1 Txr 2fr ^
[— <4r sin m cos« + Ercoa*u — Jesin eo • r co8U-f--£ccoso> • rcosw]
d
2wAV 1
= rcost;(l + c») + 2^r +etg|i
. ,dQ
» • sm t -,— .
ät
Offenbar darf man zunächst nur darauf rechnen, daß die
säkularen Veränderungen eventuell merkbar, werden. Um
diese zu erhalten, sei bemerkt, daß man mit der oben ein-
geführten Bezeichnung für säkulare Glieder erhält:
8{r) = a ( 1 + ö^*)? S(^sint;) = /S(rsint;cost;) = 0
S(rcost;)= — ^a«; S{rcos^v)=ale^+ ^\; S(rsin*t;)«=^(l-e*)
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 123
und hiermit
S(rsinw) = — -aesinco- S(rsin^u) = 5 [1 — c*+ 3e*sln*cü]
u I a
3 ' a
S{rcosu) = — ^ aecosQ) S(r cos*ii) = - [1 + 2e* — 3c^sin*ö>]
3
/S(rsinucosu) = ^ a 0* sin co cos cw.
Daraus folgt sofort
und wenn diese Formeln ausführlich hingeschrieben werden:
S ( e -j- 1 = e Iw^ tg j^ i sin ß — «<;y tg | i cos ß + Wg\
iSfsini-,- I = — i(;xC0sisin/2 + m;^ cos i cos ß + u?, sin i
S ( -,- 1 =^ Wx cos Q -\- Wy sin ii .
(5)
Diese Formeln stimmen, wie zu erwarten, vollkommen mit
denen des Herrn Anding*) überein, die er einfach durch die
Transformation der Elemente auf ein gegen das empirische
bewegte Inertialsystem abgeleitet hat. Hier erscheinen sie als
spezieller Fall allgemeinerer Betrachtungen. Die einfachste
Anwendung dieser Formeln zur Ermittlung von Wx Wy Wt hat
Herr Anding vorgenommen. Diese war ermöglicht dadurch,
daß S. Newcomb*) die säkularen Veränderungen der Bahn-
elemente der vier kleinen Planeten, Merkur, Venus, Erde, Mars
sowohl theoretisch als auch empirisch abgeleitet hat.
^) Enzyklopädie der niathem. Wissenschaften, Bd. YI^.
^ The Elements of the four inner Planets. Washington 1895, S. 109.
124 Sitzung der math.-phys. EQasse vom 8. Februar 1906.
Die Differenzen der so gefundenen zweierlei Werte werden
als mit den obigen S Werten übereinstimmend angenommen
werden können, wenn man voraussetzen darf, daß im Übrigen
die theoretische Berechnung der Störungen vollständig war.
Dies triffb bekanntlich fttr das Merkurperihel nicht zu und es
muß die große Abweichung zwischen dem empirischen und
theoretischen Werte der Säkularveränderung dieses Elementes
außer Betracht gelassen werden. Tut man dies, so ergeben
sich folgende Werte:
w;a, = 0:00±0:i5; Wy = 0:03 + 0:i5; tc;, = 7:50 + 2:30
zugleich mit den mittleren Fehlem, welche mit den Angaben
Herrn Andings fast vollkommen übereinstimmen.
Wie man auch die Zuverlässigkeit der Newcombschen
Zahlen, die sehr vergrößert in das Resultat eingehen, beur-
teilen mag — auch hierin wird man Herrn Anding beistimmen
müssen — sicher ist es, daß das empirische System der Astro-
nomie sich im Jahrhundert um mehrere Bogensekunden um
ein Inertialsystem drehen wird. Daß von den 3 Drehkom-
ponenten nur Wz merkbar ist, ist durch die Art der Orien-
tierung des empirischen Systems von selbst erklärt.
§5.
Es ist hier der Ort, ein Hilfsmittel zur Sprache zu bringen,
auf das seit Laplace oftmals als auf ein besonders taugliches
zu ähnlichen Betrachtungen, wie die vorliegenden, hingewiesen
worden ist. Nennt man xyjs die Inertialkoordinaten einer
der planetarischen Massen, so gelten die 3 Flächensätze:
/ da dy\
„ f dx djsi\
^ ( dy dx\
(1)
*«Ä^
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 125
worin die c Konstante sind. Nimmt man ein zweites Koordinaten-
system (t]C mit demselben Anfang und setzt man
cos (C, x) =
cos (C, J^) =
cos (f , y) =
fc? + (^ + cJ
V(^i + (ii+cl'
so ist die f 17 Ebene die Laplacesche unveränderliche Ebene.
In Bezug auf sie hat die Konstante der Flächengeschwindig-
keiten den größten Wert, den sie erreichen kann, nämlich
V<i + ^ + ^ und in Bezug auf jede darauf senkrechte Ebene
ist sie = Null. Aus dieser Bedeutung der unveränderlichen
Ebene folgen gewisse Vorteile für die analytische Behandlung
von Bewegungsproblemen, wenn man diese Ebene zu einer
Koordinatenebene wählt. Da sie gegen das Inertialsystem fest-
liegt, so kann sie, allerdings nur in beschränktem Umfange,
zur Orientierung des empirischen Systems gegen ein Inertial-
system benutzt werden. Dazu wird man die zu (1) analogen
Ausdrücke fQr die Koordinaten oc'y'z' im empirischen System
zu bilden haben. Mit den Bezeichnungen des letzten Artikels
ergibt sich Folgendes: Man setze zur Abkürzung:
^•m (y» + 0^) = Ä
Um (x* + y») = (7
Zmye = c
Zmex = c'
ümxy = c"
(2)
m
Zm
Dann wird:
y dt ^ dt)
f y -^ -«' -j^ j =<=c,+M',--4+«;,(fc,-0-«',-(^+0
c\ = C^+Wg{fCf-c')-Wg{tC^+c')-^W,-C
„ ( .dx' .de\
= c\- C^-Wgi(tC^-hC'')-\-Wp-B'HVa(tC^-c')
(3)
Die durch (2) definierten Ghrö&en sind mit den Umläufen
der Planeten periodisch veränderlich. Man wird auch hier die
126 Sitzung der math.-phy8. Klasse vom 13. Januar 1906.
periodischen Glieder fortlassen können, da sich voraussichtlich
nur die säkularen Glieder, die eben mit der Zeit beliebig groß
werden können, als bemerkbar erweisen werden. Da bekannt-
lich die 3 Flächensätze nicht unabhängig von einander sind,
viehnehr rein formal aus zweien der dritte folgt, so kann man
aus (3), wie von anfang an klar war, die 3 Rotationskom-
ponenten Wgi Wg Wt nicht getrennt bestimmen. Abgesehen hier-
von hat die Verwendung der Flächensätze bei der Orientierung
des empirischen Systems noch andere Bedenken. Da die Planeten-
massen als Faktoren in den Summen erscheinen, werden die
großen Planeten den wesentlichen Anteil an den Summen haben.
Tatsächlich erhält man schon eine sehr angenährt richtige
Bestimmung der Lage der unveränderlichen Ebene, wenn man
außer Jupiter und Saturn alle andern Planeten außer Acht läßt.
In der Hauptsache werden die linken Seiten von (2) also nur
durch die großen Planeten bestimmt und Merkur z. B. hat
nur einen kaum bemerkbaren Einfluß. Darin ist auch be-
gründet, warum die Integrale der Flächensätze eine so wenig
wertvolle und durchgreifende Prüfung für die Richtigkeit der
Planetentheorien abgeben. Da die Genauigkeit in den von
den großen Planeten herrührenden Gliedern sich nicht in ent-
sprechendem Grade erreichen läßt, könnte die Bewegung von
Merkur und Venus total verfehlt berechnet sein und doch würde
dadurch die Lage der unveränderlichen Ebene oder was das-
selbe ist, die Größen c, c, c^ sich als konstant erweisen.
Eine Eigentümlichkeit besitzen bekanntlich die Integralo
der Flächensätze, die in manchen Fällen von Bedeutung sein
kann. Sie gelten nämlich für allerlei Artcfn innerer Kräfte.
Die Eonstanten c^ c^ c^ ändern sich nicht, wenn das Newtonsche
Gesetz nicht zutreffen oder wenn plötzlich an seine Stelle ein
anderes Gesetz wirksam werden sollte, sie bleiben ungeändert
bei Explosionen, Zusammenstößen etc. Auf diese Weise sind
sie überhaupt keine Kontrolle für die Planetenbewegungen,
die für jeden einzelnen Planeten dem Newtonschen Gesetz ge-
mäß erfolgen und den Beobachtungen entsprechend dargestellt
werden sollen.
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 127
Die Bedeutung der unveränderlichen Ebene scheint dem-
nach in mechanischer Beziehung eine sehr geringe zu sein und
es dürfte sich kaum lohnen, ihre Lage im empirischen System
mit grofier Genauigkeit zu bestimmen. Wenn dies aber unter-
nommen wird, dann muß man nicht nur alle Mitglieder des
Sonnensystems, also auch die Trabanten, mit einbegreifen, was
auch gewöhnlich geschieht, sondern man darf auch nicht ver-
säumen, wie Poinsot^) zuerst bemerkt hat, die Rotationen der
Sonne und der Planeten zu berücksichtigen. Man überzeugt
sich leicht, daß die Rotationsmomente der großen Planeten
von demselben Range sind, wie der Anteil des Merkur und
daß die Rotation der Sonne die Lage der unveränderlichen
Ebene durchaus nicht unmerklich verändert. Tatsächlich sind
aber die Summen (1) nur konstant, wenn nicht nur alle Massen
im Planetensystem, sondern auch ihre vollen Geschwindigkeits-
komponenten eingesetzt werden. Auf diesen Punkt hat Poinsot
besonderen Nachdruck gelegt und daran sehr weitgehende Aus-
sichten geknüpft, die mathematisch zwar wohlbegründet sind,
sich aber tatsächlich niemals werden realisieren lassen. Bildet
man nämlich die Summen (1), so erscheinen links die Massen
als Faktoren, femer die Trägheitsmomente der Planeten in
Bezug auf zu den x y z parallele und durch den Schwerpunkt
eines jeden Planeten gehende Achsen, multipliziert mit den
Komponenten der Rotationsgeschwindigkeit. Die Summen dieser
Ausdrücke müssen konstant sein und wenn man nun zu ver-
schiedenen Zeitepochen die Koordinaten der Schwerpunkte und
ihre Geschwindigkeiten, ferner die Lagen der Rotationsachsen
und die Rotationsgeschwindigkeiten um sie bestimmt, so könnte
man hieraus sowohl die Massen als auch die Trägheitsmomente
ableiten. Diese Aussicht ist allerdings verlockend und sie wurde
auch von Poinsot mit großer Wärme besprochen. Daß sie aber
trotzdem eine nicht realisierbare Utopie ist, auch abgesehen
von der Nichtkoinzidenz des empirischen Systems mit einem
^) L. Poinsot, Memoire sur la theorie et la determination de
requateur du Systeme solaire. Addition zu den «^^mens de Statique*!
Paris 1880.
128 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
Inertialsystem, braucht kaum bemerkt zu werden. Die er-
forderliche Genauigkeit — eine genügende Variation in den
Koef6zienten selbst vorausgesetzt — wird niemals zu erreichen
sein, selbst wenn sich die praktische Astronomie in ganz un-
geahnter Weise entwickeln sollte.
§6.
Zum Schluß sollen noch einige Bemerkungen über den
Zusammenhang gemacht werden, in dem die Eigenbewegungen
der Fixsterne mit den hier besprochenen Fragen stehen. Ich
werde mich indessen auf das Nötigste beschränken, da ich bald
Gelegenheit zu finden hoffe, auf einige der zu berührenden
Punkte näher einzugehen.
Wählt man den Schwerpunkt des Sonnensystems zum
Anfang eines Koordinatensystems f, rj, Ci das wir nach den
früheren Betrachtungen als ein Inertialsystem ansehen können
und ein empirisches System ^' rj' C' n^it demselben Anfang,
welches etwa nach dem Äquator orientiert ist, so ist
f ' = ^ cos d sin a
t]' ^== Q cos i sin a
C = ^ sin d
wo a und d beobachtete Bektaszension und Deklination, q die
Entfernung eines Fixsterns bedeuten. Durch Differentiation
ergeben sich die viel benutzten Gleichungen:
Qdd = — df sind cos a-f- diy' sind cos a-j- df'cosd
Q cos d • da =s — dS' sina + dtj' cos a
dg ^=s — dS' cosd cosa + drj' cosdsina -(- df'sind.
(1)
Nimmt man nun ein zweites System xy/s, dessen Achsen
mit den S, rj, C parallel laufen und dessen Anfang zunächst
unbestimmt bleiben mag, so wird:
f = a; — a, tj = y — b, ^ = i8 — c (2)
wo abc die Koordinaten des Schwerpunkts des Planetensystems
oder mit genügender Annäherung die Sonnenkoordinaten sind.
^- ^r^x
rff
= dx —
■ da-
-dr-
ri' -^ dc['
• ri
df]-
= dy-
dh-
— dp
■ r + dr•
r
dC
= de-
-dc-
— dq-
■ f ' + d/) •
v'
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 129
Man hat nun weiter, indem gegen früher nur r statt r^
gesetzt wird:
Mit Ausnahme yielleicht von einzelnen sehr stark bewegten
Sternen wird man rdrj', qdC etc. gegenüber den anderen
Gliedern, die durch Differentiation entstehen, für sehr lange
Zeiträume vernachlässigen können. Dann ergibt sich
(3)
Denkt man sich (3) in (1) eingesetzt, so erhält man
Gleichungen, von denen ein spezieller Fall bei den so viel-
fach ausgeführten Untersuchungen über die Bewegung des
Sonnensystems gewöhnlich benutzt wird. Es sollen nun nur
solche dx, dy, de betrachtet werden, die aus einer Rotation
um eine beliebige durch den Anfang gehende Achse mit be-
liebiger Rotationsgeschwindigkeit entstehen. Demgemäß soll
gesetzt werden
dx = zw^ — yw^
dy = xw^ — J^!lv^
dz = yw^ — xw^
Dabei sollen die Rotationskomponenten w^ w^ w^ als be-
liebige Funktionen des Orts angesehen werden. Dann wäre
der allgemeinste Fall, in dem den rechten Seiten der letzten
Gleichungen noch etwa die Größen >l, /x, v hinzuzufügen wären,
ebenso leicht zu behandeln, denn man hätte im folgenden
nur da, db, de durch da — X, db — yu, de — v zu ersetzen.
Doch soll hier davon Abstand genommen werden. Noch ist
zu bemerken, daß w^ w^ w^ Rechtsdrehungen bedeuten, wenn
das Koordinatensystem xyjs ein rechtsdrehendes ist.
Führt man noch die Polarkoordinaten Ä und D desjenigen
Punktes ein, nach welchem die Bewegung des Sonnensystems
1906. Sitsangsb. d. nuah.-phj«. KL 9
130 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 3. Februar 1906.
im Inertialsystem xyz erfolgt und h die Weglänge dieser
Bewegung in einer sehr kleinen Zeit, so wird
da = h cos D cos A
db = h cos D sin Ä
de = Ä sin D
Setzt man dies in (3) und darauf die Werte (3) in (1)
ein, so ergibt sich folgendes. Bezeichnet man:
AcosDcos-4 4- bw^ — cw^ = X^
hcosUcosA -f öw^ — cw^ = A^ ^
h cos D sin Ä-^ cw^ — a w^ = F^ >
Ä sin Z) -\- aw^ — bw^= Zq)
(4)
so findet man schließlich:
gdd =^ X^sind cosa -j" I^o^^^^ ^^^^ — ZqCOSÖ
+ (di> + «;,) ^ sin a — (ßq -\- w^) gcosa -^ /iq
Q cos d'da = X^sina — Yq cos d — (dp + w^) g sin d cos a \ (I)
— (^9' + ^%) Q sin d sin a + ß cos d » (dr -\- w^)
dg = — Xq cos d cos a — Yq cos d sin a — Z^ sin S
In diesen allgemeinen Gleichungen ist durch die Be-
ziehung auf das Inertialsystem schon eine Präzessionskorrektion
enthalten. Das in der ersten Gleichung hinzugefügte Glied jtig
bedeutet etwaige Korrektionen der zur Ableitung der Eigen-
bewegungen in d benutzten Deklinationssysteme, während eine
etwaige Verbesserung der Äquinoktien als in dr + w^ enthalten
betrachtet werden kann.
Da die w^ w^ w^ unbekannte Funktionen von a, d und g
sind, so erlaubt I gar keinen Schluß auf den Apex der
Sonnenbewegung; auch darf man nicht übersehen, daß die
Fixstementfemung g im allgemeinen unbekannt ist. Was man
bisher über die Eigenbewegungen da und dd in Erfahrung
gebracht hat — in Bezug auf die spektroskopisch bestimmten
dg berechtigt die allzu lückenhafte Erfahrung kaum zu irgend
einer Aussage — , zeigt, daß sie für die einzelnen Sterne stark
und anscheinend regellos hin- und herschwanken. Allgemeinere
Gesetze werden sich demgemäß nur in Mittelwerten für sehr
H. Seeliger: Ober die sogenannte absolute Bewegung. 131
viele Sterne zeigen können und man wird nur in solchen Mittel-
werten eine Abhängigkeit vom Ort erkennen. Die Gleichungen I
sind dann so zu verstehen, daß die w^ tv^ tv^ diese den Mittel-
werten entsprechenden Funktionen bedeuten. Man wird also
für jeden Stern den Gleichungen eine Größe A hinzufügen
müssen, die dem Stern individuell zugehört und als ein Fehler,
in der einfachsten Annahme von zufälliger Art, zu behandeln ist.
Die weitere Behandlung von / ist natürlich nur möglich,
wenn über die Funktionen w, zum mindesten was ihre Form
betrifll, Hypothesen gemacht werden. Diese Hypothesen be-
stimmen in Verbindung mit der Art der Ausgleichung, der
Verteilung der Sterne etc., das Koordinatensystem xyjs^ In-
folge dessen kann man nicht immer behaupten, daß die Re-
sultate für verschiedene Stemklassen z. B. für solche von ver-
schiedenen Helligkeiten, sich auf dasselbe Koordinatensystem
beziehen, in manchen Fällen wird man eine solche Annahme
sogar als sehr unwahrscheinlich erkennen. Hierdurch und
noch durch andere Umstände stellen sich einer einwandfreien
Interpretation der Resultate über die Bestimmung des Apex
der Sonnenbewegung große, fast unüberwindliche Hindernisse
entgegen, worauf hier umsoweniger eingegangen werden soll,
ab Herr Anding^) darüber sehr eingreifende wichtige Unter-
suchungen angestellt hat.
Gewöhnlich wird nun die Annahme u\ ^= w^^^w^ =^ 0
gemacht und außerdem dp = 0 gesetzt. Dann kann man
auch dr und dq als Verbesserung der Präzessionskonstanten m
und n betrachten, so daß
Am = dr; An = — dq
Diese beiden Größen stellen bekanntlich nur eine Unbe-
kannte dar, wenn die Planetenpräzession und die Korrektion
der Äquinoktien als genügend genau bekannt angesehen werden
dürfen.
1) E. Anding, Kritische ünterrochungen über die Bewegung der
Sonne im Welträume. München 1901.
9*
132 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
Die auf solche Weise spezialisierten Oleichungen I sind
außerordentlich oft und zwar mit Benützung sehr verschieden-
artigen Materials numerisch verwendet worden. Auch wenn nicht
gerade nach diesen unter dem Namen der Airyschen Formeln
bekannten Vorschriften gerechnet worden ist, wurden doch
fast immer ganz ähnliche Annahmen gemacht, die im Wesent-
lichen darauf hinauslaufen, daß es Koordinatensystem ^y^e^ mit
zu Inertialachsen parallelen Achsenrichtungen gibt, für welche
sich die Bewegungen dXj dy^ dz im Mittel aus einer größeren
oder kleineren Anzahl von Sternen genommen, vollständig
kompensieren. Auf das rein hypothetische und nicht sehr
wahrscheinliche dieser Annahme wurde nachdrücklich von
Anding, Kobold,^) Stumpe*) und mir hingewiesen. Eine Be-
rechtigung zu dieser Annahme läßt sich nur aus dem Erfolge
ableiten und dieser Erfolg wird weiter nur dadurch konstatiert,
daß die so verschiedenartigen Berechnungen meistens zu nicht
gerade abnorm abweichenden Werten für die Koordinaten A
und D des Apex geführt haben. Daraus wird man aller-
dings vielleicht schließen dürfen, daß die gemachte Annahme
bis zu einem gewissen Grade die wirklichen Verhältnisse dar-
stellt. Indessen muß andererseits konstatiert werden, daß sich
fast alle Ableitungen nur auf die im Mittel uns näheren Fix-
sterne beziehen und daß andere Annahmen noch nicht ver-
folgt worden sind. Es ist also nicht zu leugnen, daß sich
demnach fast alle vorliegenden Untersuchungen mit großer Ein-
seitigkeit nach einer Richtung nur erstrecken. Außerdem haben
sich aber auch auf diesem Wege Ergebnisse eingestellt, die
bei der Interpretation der gefundenen Zahlen zur Vorsicht
mahnen. Es sei hier nur ein solches vor kurzem gefundenes
Ergebnis mitgeteilt. Die Herren Dyson und Thackeray*) haben
durch Vergleichung des neu reduzierten öroombridge Katalogs
mit neueren Greenwicher Beobachtungen Eigenbewegungen ab-
^) Astron. Nachrichten, No. 3284.
') Astron. Nachrichten, Nr. 3348.
•) Monthly notices. LXV.
■ r»«=? w^
Sterng^fie
Anzahl
A
1 4.9
200
244«
5.0 5.9
454
268«
6.0—6.9
1003
278«
7.0 7.9
1239
280«
8.0 8.9
811
272«
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 133
geleitet und aus ihnen mit den sogenannten Airyschen Formeln
den Sonnenapex bestimmt, indem sie den fiir gleiche Flächen
am Himmel gebildeten Mitteln der Eigenbewegungen gleiche Ge-
wichte geben und den innerhalb gewisser Größenklassen liegen-
den Sternen dieselbe Entfernung zuerteilen. So ergab sich^)
B
+ 15«
+ 27
+ 33
+ 38Va
+ 43
Hier stellt sich mit zunehmender Sterngröße eine sehr
deutliche und bedeutende Vergrößerung von D dar. Ahnliches
hat übrigens schon Stumpe gefunden. Der Umstand, daß der
Qroombridge Katalog nur Sterne, deren b > 38® ist, enthält,
wird yielleicht von Einfluß gewesen sein, indessen ist es nicht
wahrscheinlich, daß hierdurch alles erklärt wird.
Formell nicht sehr verschieden von der Annahme w^j =
M?^ = K?j = 0, aber allgemeiner, ist die Annahme, daß die %v
Konstanten sind. An sich ist es von vornherein sehr wahr-
scheinlich, daß in den Mittelwerten, als Rest gewissermaßen,
eine Rotation übrig bleibt und man wird nur über die even-
tuelle Bemerkbarkeit dieser Rotation verschiedener Meinung
sein können. Die Frage, ob dieses konstante Rotationsglied
den Hauptteil des systematischen Verlaufs in den Bewegungen
der Fixsterne gegen ein System x y z wiedergibt, mag hier
unerörtert bleiben. Wahrscheinlich ist dies nicht der Fall.
Zuerst hat wohl E. Schönfeld ^) darauf aufinerksam gemacht,
daß es sich empfehlen dürfte, auf eine solche Rotation des
Fixstemhimmels Rücksicht zu nehmen. Leider hat er sich
durch einen Fehlschluß — der übrigens seine Formeln, welche
^) Für die hellsten Sterne sind die a. a. 0. gegebenen Zahlen durch
irgend welche Druck oder Schreibfehler entstellt. Ich habe die Zahlen
for X YZ als richtig angewiesen.
<) Viertelljahrschrift der Astron. Gesellschaft XVIL S. 355 ff.
134 Sitzung der maih.-phjs. Klasse Tom 3. Februar 1906.
in den einfacher gestalteten Formeln I inbegriffen sind, nicht
beeinträchtigt hat — verleiten lassen, sofort eine Spezialisierung
zu empfehlen, die bisher, soviel ich weiß, nicht beanstandet
worden ist. Die Vermutung, daß die Bewegungen der Fix-
sterne irgend eine Beziehung zur Milchstraße zeigen müssen,
ist gewiß berechtigt, wenn man auch gegenwärtig positive
Angaben in dieser Richtung nicht machen kann. Schönfeld
sagt nun weiter: „Die Beziehungen der mittleren Bewegungen
(zur Milchstraße) können in mehrfacher Weise gedacht werden.
Am nächsten liegt aber die Annahme, daß die Bewegungen
in Ebenen erfolgen, deren Neigungen gegen die Milchstraße
klein sind und demgemäß in Richtungen, welche nahezu unter
sich und der Milchstraße selbst parallel sind. Ohne Annahme
einer solchen Rotation in der Ebene der Milchstraße, wie
J. Herschel sie nennt, ist es kaum möglich, das Bestehen der
sichtbaren Milchstraße zu erklären: dieselbe müßte sich mit
fortschreitender Zeit auflösen und es wäre eigentlich ein Zu-
fall, daß wir gerade zu einer Zeit leben, in der dies noch nicht
stattgefunden hat.* Daraus glaubte Schönfeld schließen zu
müssen, daß eine etwaige gemeinschaftliche Drehung aller
Sterne nur annähernd um eine Achse erfolgen könne, die
senkrecht auf der Ebene der Milchstraße stände. Es ist aber
nicht einzusehen, wie eine solche gemeinschaftliche Drehung,
die also als Rest der Mittelwerte der Bewegungen bestehen
bleibt, ein Zerfallen der Milchstraße erzeugen soll. Der ganze
Fixsternhimmel, und mit ihm auch die Milchstraße, dreht sich
wie ein starrer Körper — das sagen auch die Formeln Schön-
felds aus — es könnten nur eventuell parallaktische Verschie-
bungen, wenn das Sonnensystem an der Rotation nicht Teil
nimmt, stattfinden. In jedem Falle ist dieses Argument Schön-
felds nicht geeignet, die Wahl der Rotationsachse irgendwie
zu beschränken. Wenn nicht ganz andere Gesichtspunkte
namhaft gemacht werden, ist jede Wahl gleich wahrscheinlich
und zulässig. Leider haben mehrere Rechner, welche also die
Formeln I mit konstanten w^ w^ u\ anwandten, nur die Schön-
feldschen Annahmen benutzt und weiter verfolgt.
H. Seeliger: Ober die sogenannte absolute Bewegung. 185
Indessen erlauben die Rechnungen L. Struves^), der die
Ausgleichung im allgemeinen Falle bis zu einem gewissen
Grade durchgeführt hat ohne neue Rechnungen manches in
dieser Richtung auszusagen. Die Arbeiten L. Struye gehören
überhaupt zu den besten auf diesem Gebiete, weil sie die
Grundlagen der Rechnung mit Klarheit und Deutlichkeit her-
vortreten lassen und auch nicht den Versuch machen, kleine
Widersprüche, die an sich ja eigentlich selbstverständlich auf-
treten müssen, durch gekünstelte Annahmen wegzuschaffen.
Danach findet er für die Bradleyschen Sterne, wobei er aller-
dings für die q gewisse hypothetische Werte angenommen hat,
in der hier benutzten Bezeichnungs weise:
1. Aus den Rektaszensionen :
dr + w^ = — 2:725
dj? + u;, = — 0.037
dg + i(7, = — 1.368
2. aus den Deklinationen:
^0 =
— 0:493
— 4.386
dp + w^ = + 0:408
dq + w^ = + 1.090
cco = + 0:206
yo = — 3.284
/^o= + 2.033
Die Übereinstinmiung der doppelt bestimmten Werte ist
keine gute. Indessen sind, wie L. Struve in einer zweiten Ab-
handlung erwähnt, noch einige Korrektionen anzubringen. Zu-
erst erfordert die von ihm benutzte Planetenpräzession (2A, um
sie mit den neuesten Werten in Übereinstimmung zu bringen,
die Korrektion — 0:81 und eine Verbesserung des Äquinoktiums
im Betrage von -j" i:62, so daß die beobachteten da die
Gesamtkorrektion -|- 0:81 zu erhalten haben. Dasselbe wird
erreicht, wenn man
rfr + w, = — 2:725 + 0:81 = — 1:92
0
annimmt. Eine Ausgleichung der Rektaszensionen und Dekli-
*) L. Struve, Bestimmung der Konstante der Pr&zession. 8t. Peters-
burg 1887 und in Astron. Nachrichten, Nr. 3729—30.
136 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 13. Januar 1906.
nationen zusammen hat leider L. Struve nicht im allgemeinen
FaU ausgeführt. Da es sich hier nur um ungefähre Ab-
Abschätzungen handelt, habe ich mich damit begnügt, die
doppelt bestimmten Werte nach Maßgabe der aus den m. F.
folgenden Gewichte überschlagsweise zu vereinigen. So er-
gibt sich
dp + w^ = -\- 0:34
dq + w^ = '\- 0.87
dr -\-w^ = — 1:92
Diese Rotationskomponenten beziehen sich auf das nach
dem Äquator orientierte Koordinatensystem. In Bezug auf die
Ekliptik, wo also, wie früher die a^-Achse nach dem Widder-
punkt, die y-Achse nach + 90*^ Länge und die -8^-Achse nach
Norden zeigt, findet man, wenn e die Schiefe bedeutet:
Q^ = w, + djp = + 0:34
fij = (w'j -f ^Q) cos e + {w^ + dr) sin c = + 0r04
ßj = — {w^ + dq) sin c + (w'j + dr) cos c =? — 2ril
Mehr läßt sich aus den Eigenbewegungen der Bradleyschen
Sterne nicht schließen, denn man kann selbstverständlich die
Rotation des Fixsternsystems von der Drehung des Inertial-
systems gegen das empirische nicht trennen. Nimmt man aber
die oben angegebenen Werte für die Drehkomponenten des
Inertialsystems
Q^ = o:oo; ßy = + 0:03; ß, = + 7:50
so werden die Drehkomponenten des Fixsternsystems ß',,
fi', = + 0:34, _
ß'^ = + o:oi ^^'~ ^•^^•
Man wird wohl kaum behaupten können, daß diese Zahlen
den Betrag der Drehung des Inertialsystems Qz = 7r50, wie
ihn die säkularen Veränderungen der inneren Planetenbahnen
ergaben, besonders wahrscheinlich macht. Denn es ist, trotz
der speziellen Annahmen, die gemacht worden sind, immerhin
ß^.'44p^mm
H. Seeliger: Über die sogenannte absolute Bewegung. 137
verdächtig, daß eine Drehung des Fixstemhimmek hervorgeht,
deren Achse sehr nahe senkrecht zur Ekliptik steht, die doch
in keiner Weise eine Beziehung zum Fixstemsystem zu haben
scheint.
Die vorstehenden Bemerkungen sind natürlich nur Ansätze
zu Betrachtungen, die zum Teil erst in der Zukunft werden weiter-
geführt werden können. Namentlich wird, wie schon bemerkt,
die Ableitung und Benutzung der Eigenbewegung entfernter
Sterne von großer Bedeutung werden. Die Konstanz der Dreh-
komponenten w ist bisher nichts als eine ganz willkürliche
Annahme. Andererseits mögen bei den Säkularveränderungen
der Planetenbahnen noch rein mechanische Vorgänge vorliegen,
deren Einwirkung bisher nicht berücksichtigt worden ist, wie
dies ohne Zweifel bei der Bewegung des Merkurperihels der
Fall ist. Wir werden nach alle dem wohl mit einiger Sicher-
heit den Satz aussprechen dürfen, daß sich das im Gebrauch
befindliche astronomische empirische Koordinaten-
system nicht um mehr als um einige und wahrschein-
lich ganz wenige Bogensekunden im Jahrhundert um
ein Inertialsystem drehen kann.
139
Die südbayerische Dreieckskette,
eine neue Verbindang der altbayerisohen Grundlinie bei Manchen
mit der österreichischen Triangaliernng bei Salzburg und der Basis
von Oberbergheim bei Strassburg.
Von Dr. M. Schmidt.
(Singtlaufen 8. Ftibmar.)
(Mit Tafel L)
Im Herbst des Jahres 1801 ist unter der Oberleitung des
französischen Oberst Bonne und unter Mitwirkung französischer
und bayerischer Offiziere und Topographen zwischen München
und Aufkirchen bei Erding die Messung einer Grundlinie aus-
geführt worden, die zu den längsten jemals gemessenen Grund-
linien gehört und den Zwecken einer von der Kurfürstlichen
Bayerischen Regierung angeordneten Landestriangulierung diente.
Durch ein das ganze Land überspannendes Netz großer Drei-
ecke wurde zugleich die Grundlage einer auf 22 Blätter in
1 : 100000 berechneten kartographischen Darstellung des Landes
geschaffen, die später durch französische Kartographen bis auf
einige unvollendet gebliebene Blätter in Kupferstich ausge-
arbeitet und unter dem Titel „Carte de la Bavi^re au 1 : 100000
17 feuilles en noir et 1 tableau d'assemblage, gravure sur cuivre*
unter den Kartenwerken des Service g^ographique de Tarra^e
fran^aise in Paris im Jahre 1810 veröffentlicht wurde.
Diese oberbayerische Grundlinie, deren Messung leider nur
einmal erfolgte, hat neue Wichtigkeit und erhöhte Bedeutung
bekommen, als im Jahre 1807 eine Grundsteuervermessung in
Bayern in Angriff genommen und die Landestriangulierung bis
an die erweiterten Grenzen des Königreiches und auf die Rhein-
pfalz ausgedehnt wurde. In Verbindung mit zwei weiteren, im
Jahre 1807 zwischen Erlangen und Nürnberg und im Jahre 1819
140 Sitzung der maih.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
im Rbeintale bei Speyer gemessenen Grundlinien ist die alt-
bayerische Basis für alle seitdem in Bayern für wissenschaft-
liche, staatswirtschaftliche und topographische Zwecke ausge-
führte Vermessungsarbeiten von grundlegender Bedeutung ge-
worden und hat dabei den strengsten Genauigkeitsforderungen
Genüge leisten müssen.
Die auf den Meeresspiegel reduzierte Länge der zwischen
den versteinten Endpunkten unmittelbar gemessenen Strecke
der Grundlinie ist in dem im Jahre 1873 erschienenen amt-
lichen Werke «Die bayerische Landesvermessung* mit
Berücksichtigung aller nötigen Verbesserungen auf 21 653,75 m
und der durch trigonometrische Berechnung daraus abgeleitete
Abstand der beiden Turmspitzen von München und Aufkirchen
auf 28497,10 m festgestellt worden.
Am gleichen Orte finden sich auch Angaben über den Grad
der Genauigkeit der in Bayern ausgeführten Basismessungen.
Dieselben sind durch Vergleichung je zweier Werte einiger
Hauptdreiecksseiten gewonnen worden, die aus verschiedenen
Grundlinien berechnet sind. Die Unterschiede sind gering und
betragen beispielsweise für die aus der Münchener und Nürn-
berger Grundlinie abgeleitete Größe der 29,7 km langen Seite
St. Johann — Hohenstein 67 nun pro km und bei der 69,4 km
langen Seite Hohenstein — Wülzburg 42 mm pro km.
Einen Vergleich der vor mehr als 100 Jahren ausgeführten
Messung der altbayerischen Grundlinie mit neueren Basis-
messungen, bei welchen vollkommenere Apparate und genauere
Meßmethoden Verwendung fanden, erhält man mittelst einer in
den Jahren 1901 bis 1904 auf dem 48. Breiten parallel in Süd-
bayem hergestellten Hauptdreieckskette. (Tafel I.)
Dieselbe schließt sich im Westen an die im Jahre 1892
von E. Hammer bearbeitete »Triangulierung zur Verbindung
des rheinischen Netzes mit dem bayerischen Hauptdreiecks-
netz'^ an und erstreckt sich in östlicher Richtung bis in die
Gegend von Salzburg, woselbst sie mit den durch das K. und
K. Militargeographische Institut in Wien gemessenen Dreiecken
verbunden ist.
M. Schmidt: Die südbayerische Dreieckskette. 141
Durch die beiden, den südlichen Teil von Oberbayem,
Schwaben und Württemberg durchziehenden Dreiecksketten
wird auf dem kürzesten Wege eine Verbindung der altbaye-
rischen Grundlinie bei München mit der von der K. preußischen
Landesaufnahme in der Gegend von Straiaburg bei Oberberg-
heim gemessenen Basis hergestellt.
Die neue südbayerische Dreieckskette ist mit ausgiebiger
Benützung älterer Hauptdreieckspunkte der ursprünglichen
bayerischen Landestriangulierung entworfen. Von den zu An-
fang des XIX. Jahrhunderts auf den jetzt wiederbenützten
Punkten ausgeführten Winkelmessungen, die in dem Werke
,.Die bayerische Landesvermessung'' veröffentlicht sind, konnten
jedoch nur jene der Stationen StauflFersberg, Altomünster und
Aufkirchen als den heutigen Genauigkeitsforderungen ent-
sprechend angesehen und in die neue Dreieckskette über-
nommen werden. Die meisten übrigen Winkel sind durch
direkte Messungen neu bestimmt worden.
Da femer von einigen Anschlußpunkten der neuen Kette
an die Nachbartriangulierungen gute Winkelmessungen aus
den Jahren 1901 bis 1903 und für den Anschluß des astro-
nomischen Netzes in Schwaben solche aus den Jahren 1890
bis 1894 bereits vorlagen, so konnten die noch weiter erforder-
lichen Winkelmessungen in der neuen Kette im Laufe des
Jahres 1904 auf allen Punkten Erledigung finden bis auf die
Station Mitbach, woselbst die Messungen erst im Sommer 1905
zur Ausführung gelangten.
Durch dankenswertes Entgegenkommen des K. Bayerischen
Katasterbureaus waren zur Ausführung der Winkelbeobach-
tungen die Herren Katastergeometer Wölfel und Netzsch nebst
den erforderlichen Gehilfen der Erdmessungskommission zur
Verfügung gestellt worden, während von österreichischer Seite
in den Anschlußdreiecken 10 bis 15 die Beobachtungen durch
Herrn Hauptmann Andres des K. und K. Militärgeographischen
Instituts in Wien ausgeführt wurden. Die erforderlichen Meß-
instrumente sind aus den Beständen der K. B. Erdmessungs-
kommission und des geodätischen Instituts der K. Technischen
142 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
Hochschule in München entnommen worden. Insbesondere ist
der verwendete Mikroskoptheodolit mit 23 cm Kreisdurchmesser
aus der Werkstätte Ton Hildebrand in Freiberg Eigentum des
geodätischen Instituts.
Das bei den Winkelmessungen angewendete Beobachtungs-
verfahren bestand darin, daß die einzelnen Dreieckswinkel
jedesmal in sechs verschiedenen Kreisständen aus je 8 bis
12 Doppeleinstellungen jeder Richtung bestimmt wurden.
Über den bei den Winkelmessungen erreichten Genauig-
keitsgrad ist folgendes zu bemerken.
Der mittlere Winkelfehler berechnet sich aus den Drei-
eckswidersprüchen A nach der internationalen Formel
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aus den in der Hauptkette, sowie für die Basis- und Azimut-
anschlüsse und für den österreichischen Anschluß in Betracht
kommenden 22 Dreiecken zu
m = ± 0:455.
Stellt man dagegen die Dreieckswidersprüche in drei nach
der Verschiedenheit der Art der Winkelbeobachtungen gebildete
Gruppen zusammen, so erhält man:
a) aus den Dreiecken 1 bis 9 der Hauptkette und den
Anschlußdreiecken 1*, 5* und 6*, in welchen 14 aus der Landes-
vermessung übernommene Winkel nach dem Repetitionsver-
fahren, die übrigen 22 Winkel aber mit Doppeleinstellungen
in beiden Femrohrlagen in sechs verschiedenen Kreisständen
beobachtet sind: m = + 0r357
b) für die sechs österreichischen Anschlußdreiecke 10 bis 15,
in welchen die Winkel zur Hälfte von bayerischer Seite, zur
Hälfte von Seite Oi^terreichs gemessen sind:
^2 = ± 0^432,
c) für die das astronomische Viereck in Schwaben bilden-
den vier Dreiecke, deren Winkel der Mehrzahl nach aus Azimut-
differenzen berechnet sind:
Wa = ± 0,691.
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M. Schmidt: Die südbayeriache Dreieckskette. 143
Was die Widersprüche in den Seitenanschlüssen anlangt,
so findet sich, wenn man zu dem S. 349 der bayerischen Landes-
vermessung in bayerischen Ruten angegebenen Wert des Log.
Sinus der Basisseite München — Aufkirchen die Reduktion von
Ruten- auf Metermaß und das Additament von 14,4 Einheiten
der siebenten Logarithmenstelle hinzufügt
Log. M A = 4,454 8006.7.
Hieraus ergibt sich für den Anschluß an die österreichi-
schen Dreiecke bei Salzburg im Dreieck 9 für die Seite Hoch-
gern-Asten Log. h A = 4.619 6316.2.
Nach einer Mitteilung des K. und K. Militärgeographischen
Instituts in Wien Tom 26. November 1904 beträgt der ent-
sprechende, österreichischerseits bestimmte Wert:
Log. H A = 4,619 6344.7.
Die AnschlußdiflFerenz in dieser Seite ist somit — 28,5.10~'
bezw. 0,274 m, d. i. 6,6 mm pro km oder relativ 1 : 152 000.
Für die Seite Ho chgern — Rettenstein findet sich nach
der bayerischen Messung im Dreieck 15
Log. H R = 4,693 2188.7.
Nach der österreichischen Angabe ist
Log. HR «4,693 2205.6.
Als Anschlußdifferenz in dieser Seite hat man somit
— 16,9.10"' bezw. 0,190 m, d. i. 3,8 mm pro km oder relativ
1 : 260 000.
Der Anschluß an die im Jahre 1892 von Hammer be-
arbeitete württembergische Triangulierung wird durch die Drei-
ecksseite Aenger — Roggenburg vermittelt.
Da jedoch die von Hammer berechnete Länge dieser Seite
sich auf die über 500 km entfernte Grundlinie des rheinischen
Dreiecksnetzes bei Bonn bezieht, ist es offenbar vorzuziehen,
die Länge der Seite Aenger — Roggenburg aus der mit ihr
nahezu auf dem gleichen Parallelkreis gelegenen und nur 200 km
entfernten Basis von Oberbergheim bei Straßburg herzuleiten.
144 Sitzung der math.-phya. Klasse vom 3. Februar 1906.
Die Verbindung der vorerwähnten Vergleichsseite mit der
zuletzt genannten Grundlinie ergibt sich durch Vermittelung
der Seite Donon — Straßburg des rheinischen Netzes. Der
Logarithmus dieser Seite ist im „Rheinischen Netz' S. 127
und „Lotabweichungen" Heft II, S. 37 aus der alten Bonner
Basis berechnet zu
Log. Do.-Str. = 4,642 6742.5.
In „Hauptdreiecke** Bd. XI, S. 89 findet sich für diese
Seite, berechnet aus der Oberbergheimer Basis:
Log. Do.-Str. = 4,642 6766.9.
Zur Keduktion auf das internationale Meter ist der erste
Logarithmus um -f- 38.10"", der letztere um -|- 58.10""' zu
verbessern.
Man hat daher die verbesserten Logarithmen der Seite
Donon — Straßburg :
Log. Do.-Str. = 4,642 6780.5 (aus der alten Bonner Basis)
Log. Do.-Str. = 4,642 6824.9 (aus der Oberbergheimer Basis)
mit der Differenz 44,4.10 ~'.
um diesen Betrag sind die aus dem rheinischen Netz be-
rechneten und auf das internationale Meter reduzierten Seiten-
logarithmen der Hammerschen Triangulation zu vergrößern.
Man hat also für den Logarithmus der Seite Roggenburg
—Aenger die Verbesserung (+ 38,0 + 44,4) 10-' = + 82,4.10-^
und erhält
Log. Ae.-Rog. (Th) = 4,793 8256.6 (Hammers Triang. S. 89)
hiezu die Verbesserung = + 82,4
Log. Ae.-Rog. (Th) = 4,793 8339.0 (verbesserter Wert).
Wogegen sich aus der südbayerischen Dreieckskette mit
der altbayerischen Grundlinie findet:
Log. Ae.-Rog. (Th) = 4,793 8332.5.
Die Anschlußdifferenz beträgt somit — 6,5.10*"' bezw.
0,093 m oder 1,5 mm pro km, d. i. relativ 1 : 670000.
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M. Schmidt: Die südbayerische Dreieckskette. 145
Ein zweiter Vergleich zwischen der alten Bonner Basis
und jener Ton Oberbergheim ergibt sich nach Dr. Kühnen
(VerhandL, Brüssel 1892, S. 533) durch die Seite Ballon— Donon
(rhein. Netz, S. 127), deren Logarithmus reduziert auf das inter-
nationale Meter 4,833 7669 ist.
Berechnet man diese Seite aus dem Dreieck Ballon-Donon-
Bressoir der preußischen Landestriangulierung mit den „Haupt-
dreiecke* XI, S. 204 im Jahre 1902 publizierten Elementen,
so erhält man
Log. Ba.-Do. = 4,833 7711
und die Differenz -|- 42 gegen den aus dem rheinischen Netz be-
rechneten Wert. Somit ist für die Seite Aenger— Roggenburg
die Verbesserung (+ 38 + 42).10-'' =+ 80.10 -' und der
verbesserte Logarithmus der Hammerschen Triangulierung
Log. Ae..Rog. = 4,793 8336.6.
Der entsprechende, aus der altbayerischen Basis berechnete
Wert ist
Log. Ae.-Rog. = 4,793 8332,5.
Die logarithm. Anschlußdifferenz zwischen der südbaye-
rischen Kette und der württembergischen Triangulierung be-
trägt somit, wenn man dieser die Basis yon Oberbergheim zu
Grunde legt, — 4,1. 10~' bezw. 0,059 m oder 0,9 mm pro km,
d.i. relativ 1:1054000.
Diese überraschend gute Übereinstimmung ist wohl zum
Teil einem günstigen Zufall zuzuschreiben. Gleichwohl beweist
dieselbe im Zusammenhalt mit dem befriedigenden Anschluß
an die österreichischen Dreiecke, deren Seitenlängen bereits
auf das internationale Meter reduziert sind, daß die zu Beginn
des letzten Jahrhunderts ausgeführte Abgleichung der in Bayern
verwendeten Basisapparate nach dem Pariser-Platinmeter, dessen
Länge mit der des internationalen Meters übereinstimmt, mit
der größten Genauigkeit ausgeführt worden ist. Die aus den
bayerischen Basismessungen abgeleiteten geodätischen Längen
verdienen daher in metronomischer Beziehung volles Vertrauen.
1906. SiUiuigib. d. in*ili.-phyB. Kl. 10
146 Sitzung der iimth.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
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über die Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen.
Von Edmnnd Landaa«
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Einleitung.
Man verdankt Herrn Nielsen eine Anzahl interessanter
Arbeiten über Fakultätenreihen, d. h. Reihen von der Form
(1)
fl(rr) = S
=oa:(a:4-l)...(a;-|-n)'
wo Oq, ttj, rtj, ... komplexe Konstanten sind und x eine kom-
plexe Variable bezeichnet.*) Herr Nielsen hat seine Unter-
suchungen im dritten Teile des kürzlich erschienenen Werkes
„Handbuch der Theorie der Gammafunktion* *) im Zusammen-
hang dargestellt.
Die wichtigste Grundlage der Theorie der Fakultätenreihen
besteht im folgenden
Satz I: Wenn Ü(x) für einen Wert x = Xq konvergiert,
so konvergiert ii(x) für jedes x = x^, welches die
Ungleichheitsbedingung
SR (^i) > 5R (^o)
erfüllt.
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*) Eine Reihe von der Gestalt Zj
A,
— / I ,\ / — 'i — \ würde da«-
nelbe bedeuten; es ist jedoch zweckmäßig, die Schreibweise (1) anzuwenden.
») Leipzig (Teubner), 190Ü, S. 237 if.
152 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
Hierbei handelt es sich natürlich nur um solche Werte
von o;, welche von 0, — 1, — 2, ... verschieden sind, da sonsi
die Glieder der Reihe sinnlos sind.
Der Satz I läßt sich offenbar auch folgendermaßen aus-
sprechen :
Der Konvergenzbereich einer Fakultätenreihe be-
steht aus einer Halbebene, welche links durch eine
Parallele zur Achse des Imaginären begrenzt ist.
Mit anderen Worten: zu jeder Fakultätenreihe gehört
eine bestimmte reelle Zahl X derart, daß (abgesehen von den
Punkten 0, — 1, — 2, . . .) die Reihe für yi(x)>X kon-
vergiert, für SR (:r)< >l divergiert. Das Verhalten für di(x)^=X
bleibt ebenso unbestimmt wie das Verhalten einer Potenzreihe
auf dem Konvergenzkreise.
Hierbei sind offenbar die beiden extremen Fälle A = oo
und X = — 00 auch möglich , in welchen der Konvergenz-
bereich nicht vorhanden bezw. gleich der ganzen a;-Ebene ist.
Ein Beweis des wichtigen Satzes I ist zuerst von Herrn
Nielsen ') veröffentlicht worden; derselbe stützt sich auf gewisse
Integraldarstellungen der Fakultätenreihen und ist recht kom-
pliziert. Auch erscheint mir Herrn Nielsens Beweisführung nicht
einwandfrei.*) Ich werde die vorliegende Arbeit damit beginnen,
daß ich einen direkten und sehr einfachen Beweis des Satzes I
mitteilen werde. Ich benutze diese Gelegenheit, um Herrn
Jensens Verdienste in dieser Frage besonders hervorzuheben.
Herr Nielsen zitiert von dessen Publikationen nur eine aus dem
Jahre 1891,*) in welcher Herr Jensen den Satz I ohne Beweis
^) «Recherches sur les s^ries de factorielles*, Annales scientifiques
de r^cole normale sup^rieure, Ser. 8, Bd. 19, 1902, S. 416 — 429; ,|Le8 söries
de factorielles et les Operations fundamentales *, Mathematische Annalen,
Bd. 59, 1904, S. 356— 359; »Handbuch etc.*, S. 239-245.
») Schon die von ihm (1. c, S.420, bezw. S. 357, bezw. S. 241— 242)
mit l und X' bezeichneten Zahlen sind dort so definiert, dafi sie nur
unter einschränkenden Annahmen über die Koeffizienten der gegebenen
Fakultätenreihe existieren.
^) «Grammafunktionens Theori i elementsBr Fremstilling", Nyt Tids-
skrift for Mathematik, Bd. 2 B, S. 6 \
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E.Landau: Grandlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 153
ausspricht. Ich fQge folgende zwei Zitate hinzu. Herr Jensen
hat schon im Jahre 1881 den Satzl ohne Beweis angegeben;*)
er hat femer in einer sehr wichtigen Arbeit*) aus dem Jahre 1884
den Satz I und verschiedene Analoga für andere Reihen typen
ohne Beweis ausgesprochen, und er hat dort nur flir ein ver-
wandtes Problem, nämlich die Frage nach dem Konvergenz-
gebiet einer Dirichletschen Reihe, den Beweis ausgeführt. Ich
habe schon bei einer anderen Gelegenheit *) einmal die Bedeu-
tung dieser Jensenschen Arbeit hervorgehoben und dort dessen
Priorität für den Satz erwähnt, daß das Konvergenzgebiet einer
Dirichletschen Reihe eine Halbebene ist. Dieser Satz war erst
zehn Jahre später dadurch allgemein bekannt geworden, daß
Herr Cahen*) ihn unabhängig wiederentdeckt hat.
Im § 1 des Folgenden werde ich auf direktem Wege außer
dem Satz I die anderen bekannten Sätze beweisen, welche die
Grundlage der Theorie der Fakultätenreihen bilden. Im § 2 be-
gründe ich einen eigentümlichen Zusammenhang zwischen einer
Fakultätenreihe und einer zugehörigen Dirichletschen Reihe in
Bezug auf ihre gleichzeitige Konvergenz. Bei dieser Gelegen-
heit wird sich eine Darstellung der Abszisse X der Grenzgeraden
einer Fakultätenreihe ergeben. In § 3 dehne ich jenen Zu-
sammenhang zweier zugehöriger Reihen auf den analytischen
Charakter der durch sie definierten Funktionen aus. In § 4 be-
weise ich einen Satz über das Verhalten der durch eine Fakul-
tätenreihe definierten analytischen Funktion auf der Grenz-
geraden. Zu allen im vorangehenden behandelten Sätzen be-
weise ich kurz in § 5 die Analoga für Binomialkoeffizienten-
reihen, d. h. Reihen von der Form
1) Tidsskrift for Mathematik, Ser.4, Bd. 5, S. lao, Aufgabe 451.
*) ,0m Raekkers Konvei^g^ens", ebenda, Ser. 6, Bd. 2, S. 70—72.
^) «Über die zu einem algebraischen Zahlkörper gehörige Zetafunk-
tion und die Ausdehnung der Tschebyscheischen Primzahlentheorie auf
das Problem der Verteilung der Primideale", Journal fQr die reine und
angewandte Mathematik, Bd. 125, 1903, S. 65.
^) ,Sur la fonction i (s) de Riemann et sur des fonctions analogues*,
Annales scientifiques de Täcole normale superieure, Ser. 3, Bd. 11, 1894, S.85.
154 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
i. = 0 W! n=:0 \ n J
Herr Nielsen, der auch über diese Reihen mehrere interessante
Untersuchungen publiziert hat,^) war hier nicht bis zum Beweise
des Analogons zum Satze I, also der Existenz der Konvergenz-
halbebene, gelangt, obgleich ein solcher bereits auf ganz ein-
fachem Wege von Herrn Bendixson *) geführt war. In § 6 be-
handle ich kurz zwei allgemeinere, schon von Herrn Jensen^)
erwähnte Klassen von Reihen, nämlich
y> 4»
-=0 (x + y,) (x + y^),.. (x + yn)
und
OB
(2) ^An (x — y,) (x — y;)...(x — yn),
n = 0
^o 7j, y,, ... eine Folge positiver, monoton ins Unendliche
wachsender Größen ist, für welche
OD 1
••==1 yn
divergiert.*) Für die Reihen (2) hatte bereits Herr Bendixson *)
die von Herrn Jensen ausgesprochene Existenz der Konvergenz-
halbebene, sowie die gleichmäßige Konvergenz in der Umgebung
jeder Stelle dieser Halbebene bewiesen; doch ist der in § 6
des Folgenden hierfür gegebene Beweis etwas einfacher, und
^) Literatur s. .Handbuch etc.", S. 124 flF. und 225 ff.
') ,,Sur une extension ä Tinfini de la formule d*interpolation de
Gauss", Acta mathematica, Bd. 9, 1887, S. 15—20. Herr Nielsen schreibt
mir in einer nachträglichen Note auf S. 325 seines Baches irrtümlich
diesen Satz zu.
«) 1. c. (s. S. 163, Anm. 2), S. 71—72.
^) Es ist nicht allgemeiner, von einer Folge reeller, monoton ins
Unendliche wachsender Größen zu sprechen, für welche die Über alle
• X
(mit etwaiger Ausnahme von 0) erstreckte Summe 2j — divergiert.
») 1. c, S. 15—23.
■^■»^ffSH
£. Landau: (hundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 155
ich beweise auch neue Sätze über diese Reihen. In § 7 be-
handle ich einige Eigenschaften der Integrale von der Gestalt
1
welche mit den Fakultätenreihen eng verwandt sind; diese
Integrale sind schon mehrfach untersucht worden, und Herr
Pincherle ^) hat ihrer Theorie eine umfassende Darstellung ge-
widmet, zu welcher ich einige Bemerkungen und Zusätze mache.
§ 1.
Herr Dedekind^) hat folgenden Konvergenzsatz bewiesen
und Herr Jensen*) hat ihn wiedergefunden:
Hilfssatz 1: Wenn 6^, 6„ ... und Cq, c^, ... zwei Folgen
komplexer Größen sind, und wenn die beiden un-
endlichen Reihen
und
£6.
•1 = 0
S \Cn — Cn-hÜ
•1=0
konvergieren, so konvergiert die Reihe
(3)
£ hnCn-
M = 0
Beweis: Beide Autoren beweisen diesen Satz mit Hilfe
des Abelschen Kunstgriffes der partiellen Summation folgender-
maßen:
') ,Sur les fonctions d^terminantes", Annales scieutifiques de T^cole
normale sup^rieure, Ser. 3, Bd. 22, 1905, S. 9—68.
*) Vgl. die von ihm herausgegebenen Vorlesungen Dirichlets über
Zahlentheorie, 2. Aufl., 1871, S. 373. Für reelle Werte der Größen &w, Cn
war der Satz schon von du Bois-Reymond (,Neue Lehrsätze über die
Summen unendlicher Reihen", Antrittsprogramm, Freiburg 1870, S. 10)
bewiesen worden.
>) 1. c. (■. S. 153, Anm. 2), S. 69.
156 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
Wenn
t
TtK = Bi, B.x =0
gesetzt wird, so ergibt sich
t t
Ij 6h ^w = Ij (Bn jBh- l) Cn
n—Q M=0
t
(4) = 1j Bn {Cu — Cn+ i) + BtCt+i.
n = 0
Nach Voraussetzung konvergiert
OB
S I Cn — Cn^l !,
also auch
S (^H — ^H + l),
N = 0
so daß
lim Ci^i
existiert; ferner existiert nach Voraussetzung
lim Bi,
so daiä insbesondere fUr alle n
\Bn\<B
ist, wo B eine von n unabhängige Konstante bezeichnet. Wegen
I Bn(Cn — ^n + l) i ^ B (Cn — ^w + l)
ist also die Reihe
m
ij Bn(Cn — Cn + l)
konvergent; auf der rechten Seite von (4) nähern sich also
beide Glieder für ^ = oo einem Grenzwert; damit ist die Kon-
vergenz der Reihe (3), also der Hilfssatz 1 be^viesen.
^' J*^ f^
E.Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 157
Herr Dedekind*) beweist mit Hilfe der Transformations-
formel (4) auch folgenden
Hilfssatz 2: Es sei erstens
L6h =-\Bt\
N = 0
für alle ^ = 0,1,2, ... unterhalb einer endlichen
Schranke B gelegen; es sei zweitens
lim (^ = 0,
und es sei drittens die Reihe
OD
s
N=0
Cn Cn + l
konvergent. Dann konvergiert die Reihe
00
(3)
S bn Cn>
M = 0
Beweis: Wie oben ergibt sich wegen
I -Bw (Cn — ^H+l) \^B\Cn — Cn + l
daß das erste Glied auf der rechten Seite von (4) sich für
t = CO einem Grenzwerte nähert, und wegen der beiden ersten
Voraussetzungen ist
lim BtCt^i = 0,
SO daß aus (4) die Konvergenz der Reihe (3) folgt.
Jeder der beiden Hil&sätze 1 und 2 führt nun leicht zum
Satz I:'^) Wenn eine Fakultätenreihe
(1)
» n\ ein
^) 1. c, S. 371. Für Eeihen mit reellen Gliedern ist der Hüfssats 2
auch schon von du Bois-Reymond (1. c, S. 10) bewiesen worden.
^ S. S. 151 ; 0^ und x^ sollen weder Null noch ganzzahlig negativ sein.
158 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
für x = Xf^ konvergiert und wenn
ist, so konvergiert die Reihe für x = Xy
Wenn man den Beweis auf Grund des Hilfssatzes 2 führt
■ — was hier geschehen soll — , so braucht man nicht die Kon-
vergenz von Q{x^ vorauszusetzen; sondern es genügt, anzu-
nehmen, daß für alle ^ = 0, 1, 2, . . .
* n! a«
<B
ist.
Beweis: Es werde
K =
n! an
_ a?o(a?o+ l)..,{x^ + n)
c« =
gesetzt. Dann ist nach Voraussetzung für alle t
S6«
n=:0
<B.
Ferner ist
Cn — ^11+ 1
(5)
a^«(a'o+ !)• • • (a?o4-») a;a(a;o+ 1).. .(3:,+ « + 1)
«1 («1 + 1) --(«i + «) a;,(a;, + !)...(«, + » + 1)
^0 (a^o + 1) • . • (a;, + n) L _ a;o + n + l\
«i(a?, + l)-..(a;, + n)V a;, + n-t-iy
go(a?o+l)--(go + «) a?! — gp
Bekanntlich ist für jedes von 0, — 1, — 2, ... verschiedene x
(6)
n!
•.=«oa:(a:+ l)...(a: + n)
n* = r(a;)
eine endliche, von Null verschiedene Zahl; also erhält man, in-
dem man die Qleichung (6) für x^ und x^ ansetzt und dividiert.
^**«?
E.Landau: Gnindlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 159
lim ^o.(?o + 1) . • i(^(L±;>) ^,, _,, _ f (^,)
n = <^x, (a:^ + 1) . . . (:r, + n) r(x^y
Ci) lim I -*> ^^P-+ ^) • - (^0 + n)
^«(»l-*o) _
^(^i)
^(^o)
Aus (7) folgt zunächst wegen 5R {x^ — x^>^^ daß
lim Cn\ = Q,
ms: 00
lim Cn =0
N = QO
ist, womit die zweite Voraussetzung des Hilfssatzes 2 erfüllt
ist. Femer folgt aus (5) und (7), daß
lim I Cn — Ch+1 I n^+'*(*i-^^=
nsoB
X,
Xr
ist, also von einer gewissen Stelle an
\Cu—CnJ^\ |<2
r(x,)
hieraus ergiebt sich die Konvergenz von
x^—XqI n^+«(«i-'o);
00
N=0
/. + 1 I,
so daß auch die dritte Voraussetzung des Hilfssatzes 2 erfüllt
ist. Derselbe liefert also die Konvergenz von
OB
n! a„
und damit den Satz I.
Aus Satz I folgt, wie schon in der Einleitung angegeben,
die von Herrn Jensen entdeckte Tatsache:
Wenn eine Fakultätenreihe gegeben ist, so sind nur
folgende drei Fälle möglich:^)
') Hierbei ist nur von den Zahlen die Rede, welche von 0,-1, — 2, . . .
vefHchieden sind.
160 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
1. Sie konvergiert überall.
2. Sie konvergiert nirgends.
3. Es gibt eine reelle Zahl X, so daß die Reihe fttr yi(x)>l
konvergiert, für SR(a;)<A divergiert.
Was das Verhalten der Reihe auf der , Grenzgeraden* oder
, Konvergenzgeraden ** di(x) = X betrifft, so gibt es Reihen,
welche dort überall konvergieren, solche, die dort nirgends und
solche, die weder nirgends, noch überall auf dieser Geraden
konvergieren. Beispiele dieser Möglichkeiten werden weiter
unten ^) angegeben werden.
Hilfssatz 3:*) Es seien 6^, 6j, ... Eonstanten, Cq, Cj, . . .
Funktionen einer komplexen Variabein x, welche in
einem gewissen Gebiete ® regulär sind; es sei erstens
für alle ^ = 0, 1, 2 ...
= \Bt\<B;
S6,
N=l
zweitens konvergiere in ® Cn gleichmäßig gegen 0;
drittens sei in ® die Reihe
S \Cn ^„4-1
gleichmäßig konvergent. Dann ist die Reihe
OB
•1=0
gleichmäßig in ® konvergent.
Beweis: Aus der Gleichung
t i
(4) £ in Cn = 5j ^« {Cn — C„4. i) + jB< Ct^ i
N=0 11 = 0
i) S. S. 172-173.
') Dieser Hilfssatz ist von Herrn Oahen auf S. 79 seiner oben (auf
S. 153, Anm. 4) zitierten Arbeit bewiesen worden. Herr Gaben stützt auf
ihn den Nachweis seines Satzes, daß eine Dirichletsche Reihe in ihrem
Konvergenzbereiche eine analytische Funktion darstellt.
E.Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 161
folgt wegen
ohne weiteres die Richtigkeit der Behauptung.
Satz II: Eine Fakultätenreihe ist in einer gewissen
Umgebung jeder (von 0, — 1, — 2, ... verschiedenen)
Stelle im Innern ihrer Konvergeuzhalbebene gleich-
mäßig konvergent.
Es genügt oflFenbar zu beweisen: wenn Q{x) für x^ kon-
vergiert, so konvergiei-t Q (x) gleichmäßig für alle x = u + vi,
welche die Ungleichungen erfüllen
^o + yi.^w.<a;o + yg, — 7s^v<y8'
wo y, , y^y /s ^^^^ positive Größen bezeichnen (}',<?'»), die so
klein gewählt sind, daß das obige Rechteck keinen der Punkte
0, — 1, — 2, ... im Innern oder auf dem Rande enthält. In
der Tat läßt sich jede (von 0, — 1, ... verschiedene) Stelle
der Konvergenzhalbebene in ein solches Rechteck ® einschließen.
Beweis: Es werde
, ^ nl^On ^ Xq {Xq + 1) . . . (Xf, + n)
'''' x,{x,+ l)..,{x,+ ny " X {X +}).::{x +n)
gesetzt. Dann handelt es sich auf Grund des Hilfssatzes 3 ledig-
lich darum, nachzuweisen, daß in ® gleichmäßig
lim Cn = 0
Lst, und daß die Reihe
S I ^H Cn-{-l
in ® gleichmäßig konvergiert.
Wenn eine ganze Zahl y oberhalb der drei Zahlen \Xq\,
^0 + ^1 I "f' 7$ ^^^ I ^0 4" ?'« I + Xs gewählt wird, so ist in ®
überall
\x\ = |w + t;il<|w| + |v|<y,
ebenso
I ^0 l< y-
1906. Sitzangtb. d. math.-phji. KL 11
162 Sitzung der matb.-phjs. Klasse vom S. Februar 1906.
Es sei ferner ß so gewählt, daß in ®
(8)
ist. Da fOr
^i
<ß
ist,') erhält man für v>2y und alle o; in (S
^0+^
=
1 +
V
—
'0
+ *>!
Uli
r
-^
X + V
1 1
X
;^)
«0+^
also für n>2y und alle a; in ®
(9)
77
^0 + »'
= 2y + l^ + ^
<e " = 2/4-1
r= I
Aus (8) und (9) folgt, daß für alle n von einer gewissen Stelle
an und alle x \n ®
(10)
Ck =
" a:o+ V
/7
< C 2 * =
W7
y = 0 '
ist. Dies liefert zunächst, daß in ® gleichmäßig
lim Cn = 0
ist. In Verbindung mit der Identität
Cn
CnJi-l = C,
X — X,
0
X -\- n -\- \
ergibt sich femer aus (10), daß für alle n von einer gewissen
Stelle an und alle o; in ®
1) Denn |-y+ logd + y)! =
y
+
y
+
+ ...=
_ \y
2 ' 2 • 2 ' •' 2(1
2) ffierin ist |^, |<1, |^al<l.
2^3 4 ^*
<|y^
y I) "
■V.-J;l: .<<-{¥ #e«- IfP
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 163
1 2y 4/
Cn — e?H+i I <
W 2 -
2
n ^2
ist, so dala die Reihe
S \Cn — Cn+\
in @ gleichmäßig konvergiert. Damit ist der Satz II bewiesen.
Nun besagt ein bekannter Satz von Weierstraü:*) Wenn
t\{x\ f^ipo)^ ...analytische Funktionen sind, welche in
einem zusammenhängenden Gebiete @ der 2:-Ebene
regulär sind, und wenn die unendliche Reihe
00
S fn {X)
in einer gewissen Umgebung jeder Stelle von ® gleich-
mäßig konvergiert, so stellt diese Reihe in ® eine ana-
lytische Funktion f {x) dar; ferner ist die durch k-
maliges gliedweises Differentiieren (Ä = 1, 2, . . .) gebil-
dete Reihe
*) .Zur Funktionenlehre ", Monatsberichte der Kgl. Pr. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin, 1880, S. 723—726; Abhandlungen zur Funk-
tionenlehre, 1886, S. 73— 78; Werke, Bd. 2, 1895, 8. 205--209. Herr
Morera folgerte im Jahre 1886 („Un teorema fondamentale nella teorica
delle funzioni di una variabile complessa**, Rendiconti del R. Istituto
Lombardo, Ser. 2, Bd. 19, S. 806 und „Sulla rappresentazione dclle fun-
zioni di una variabile complessa per mezzo di espressioni analitiche
infinite*, Atti della R. Accademia delle scienze di Torino, Bd. 21, S. 894
bis 897) diesen Satz aus der von ihm entdeckten Umkehrung des Cauchj-
sehen Integralsatzes. Herr Painleve führte im Jahre 1887 («Sur les
ligues singulieres des fonctions analytiques**, Annales de la facult^ des
sciences de Toulouse, Bd. 2, S. 11 — 12) den Nachweis des Weierstraß-
schen Satzes mit Hilfe des Cauchjschen Satzes. Es ist jedenfalls über-
flQssig. dafi Herr Gaben (I.e., S. 65— 86) in der Theorie der Dirichlet-
sehen Reihen nach dem Beweise der gleichmäßigen Konvergenz in einer
Umgebung jeder Stelle der Eonvergenzhalbebene noch besonders beweist,
daß die durch gliedweises Differentiieren entstehenden Reihen konver-
gieren. Weierstraß, Herr Morera und Herr Painleve bemerken übrigens
auch, daß die Reihe (11) in einer gewissen Umgebung jeder Stelle des
gegebenen Gebietes gleichmäßig konvergiert.
11*
164 Sitzung der maih.-phy8. Klasse vom 8. Februar 1906.
(11) tn'H^)
in ® konvergent und = f^^^ {x).
Aus diesem Satz folgt in Verbindung mit Satz U der
Satz III. Eine Fakultätenreihe stellt in ihrer Kon-
vergenzhalbebene eine mit eventueller Ausnahme
der Punkte 0, — 1, — 2, ... reguläre analytische
Funktion dar und darf dort beliebig oft gliedweise
differentiiert werden.
Die in der Konvergenzhalbebene gelegenen Punkte 0, — 1,
— 2, ... sind, wie leicht einzusehen ist, Pole erster Ordnung
oder reguläre Stellen. Denn, wenn a: = — m (w > 0) ein sol-
cher Wert ist, so ist
(12) x{X'^\).,.{X'^m)(ü{x)^^ . ^/!'''\ ^ \
= s
« =f+ 1 (« + *»+ 1) (* + »» + 2) ...(« + n) '
falls
n — m — 1 = Ä, X -\- m ■\-\^=y, w! a„ = Ä! ft»
gesetzt wird, von neuem eine Fakultätenreihe
»STöT+iTTTTöhF*)'
stellt also eine für J/ = 1 reguläre analytische Funktion dar,
so daß nach (12) (o: -}- tn) fi (a:) für x^= — m regulär ist.
In ihrer Konvergenzhalbebene braucht eine Fakultäten-
reihe nicht absolut zu konvergieren. Es gilt der von Herrn
Nielsen ^) bereits auf dem natürlichsten Wege bewiesene
Satz IV. Das Gebiet der absoluten Konvergenz einer
Fakultätenreihe ist — falls die Reihe weder überall
noch nirgends absolut konvergiert — eine Halb-
ebene, welche links durch eine Gerade SR(a;) = /i be-
0 «Recherches etc.", S. 416; .Handbuch etc% 8. 238.
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 165
grenzt ist, mit oder ohne Einschluß der ganzen
Geraden 9i(a:) = /i selbst.
Die Menge der Punkte, in welchen ü (x) absolut konver-
giert, hat also die Form di(x)> ju oder SR (x) > /i.^)
Beweis: Es braucht nur gezeigt zu werden, daß aus der
Konvergenz von
w! I a„ I
S
H = 0 1^0
a;o + l| ... |a:o + n
n! a.
•» = 0 1^1
a:^ + 1 I . . . I a?! + ^
die Konvergenz der Reihe
1
folgt, falls
ist. Dies ist eine unmittelbare Folge der Gleichung
(7)
lim
nzzco
^a (a^o + 1) . . . K + n)
^1 (a:j + 1) . . . (ajj + n)
und des bekannten Satzes: Wenn
^9l(«t— JBJ)) jgg»
rix,)
absolut konvergiert und
existiert,*) so konvergiert
S6n
»ssO
lim c,^
MS»
5j ^n Cn.
•1 = 0
In der Tat ergibt sich für
n\\aJ
K =
X,
a^o + 1 ! . . . I a:^ + «
, Cn =
^o(^o + l) ...(a:o + w)
x^ (ajj + 1) . . . {x^ + n)
nach (7), daß
lim c« =
11=0»
r{.x,)
für SR («,) = 5» («o)
ist.
0 für SR («,) > SR («o)
*) Hierbei sind uatOrlich die Punkte 0, — 1, — 2, ... anazuschließen.
*) Es genOgt, dafi aUe | Cn | < c sind.
166 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
Für jede Fakultätenreihe gibt es also, wenn man die beiden
Sätze I und IV zusammennimmt, zwei charakteristische Zahlen
X und ßA derart, daß X< ju ist und (abgesehen von den Punkten
0, — 1, — 2, . . .) die Reihe
für {R (aj)< >l divergiert,
für A<SR(a?)</i bedingt konvergiert,
für SR (x) > /LI absolut konvergiert.
Hierbei kann es sich allerdings ereignen, daß X = ju ist, also
der Streifen bedingter Konvergenz nicht vorhanden ist; ferner
müssen für; die Zahlen X und /n auch die extremen Werte — oo
und + 00 zugelassen werden.
Es gilt noch der von Herrn Nielsen^) bewiesene
Satz V: Wenn eine Fakultätenreihe für a;^ konvergiert
und SR (iPi) > 5R (x^) + 1 ist, so ist die Reihe für a;,
absolut konvergent.
Hierbei wird x^ von 0, — 1, . . . verschieden angenommen.
Aus diesem Satz folgt, daß für endliche X, fi stets
ist, ferner, daß für Jl = — oo auch ,u = — oo ist und daß für
^ = -|- 00 auch A = -j- 00 ist.
Beweis: Wie Herr Nielsen wohl bemerkt hat, folgt die
Behauptung, auch wenn man an Stelle der Konvergenz von
a(xQ) nur voraussetzt, daß für aUe n
(13)
n\a„
<A
^0 (a^o + 1) . . . (a^o + n)
ist, unmittelbar aus (7); denn alle Glieder von
® »! «H
liegen nach (7) und (13) von einem gewissen n an unterhalb
^) »Recherches etc/, S. 415; »Lea series etc.*, S. 358; , Handbuch
etc.", S. 238.
■^S'*»^w«ip
R. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 167
2A
Herr Nielsen hat nicht entschieden, ob die Differenz ßi — X
wirklich zwischen 0 und 1 (mit Ausschluß der Grenzen) ge-
legen sein kann. Auf örund der Betrachtungen von § 2 wird
es leicht') sein, diese Frage — durch Konstruktion eines passen-
den Beispiels — in bejahendem Sinne zu beantworten.
(1)
§2.
Das KoDTergenzgebiet einer Fakultätenreihe
n! o„
Üix) = ±
%x(x+l). ..(« + »)
ist nach Satz I in demselben Sinne eine Halbebene wie das
einer Dirichletschen Reihe
(14)
^(x) = S ""
n=l
n'
oder einer allgemeineren Dirichletschen Reihe
00
n = l
(wo y,, y^, ... eine monoton ins Unendliche wachsende Folge
reeller Größen bezeichnen) auf Grund des von Herrn Jensen'^)
gegebenen Beweises.
Wenn man zu einer gegebenen Fakultätenreihe (1) die
zugehörige Dirichletsche Reihe (14) mit denselben Koeffizienten
fl»(w^l) betrachtet, so gilt der merkwürdige
Satz VI: Die Konvergenzhalbebenen der beiden Reihen
Q(x)\ind ^{x) stimmen überein, und, was noch mehr
besagt,*) für jedes (von 0, — 1, ... verschiedene)
») S. S. 171, Nr. 3.
«) 1. c, S. 70.
^) Es ist nämlich nicht nur die charakteristische Zahl X für beide
Reihen dieselbe, sondern es konvergieren bezw. diver^g^eren auch in jedem
I*unkt der Geraden 91 (j:) = Ä beide Reihen gleichzeitig.
168 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
a: konvergieren beide Reihen oder divergieren beide
Reihen gleichzeitig.
Beweis: 1. Es sei x eine (von 0, — 1, . . . verschiedene)
Zahl, für welche W{x) konvergiert, und es werde für n ^ 1
, an n\ n'
n'
x(x-\-l) . . .(x-^n)
gesetzt; ich behaupte, daß die Voraussetzungen des Hilissatzes 1
erfüllt sind, d. h. daß
konvergiert. Es ist
Cn — ^»4-1 =
t *3L*
Ch + I
ni n
(n + 1)! (n + 1)'
a; (« -|- 1) ...(« + n) x(x + 1) . . .(x-\- n-{- 1)
^ nln' (^ _ <" + ^) (^ + 'n)']
x{x + l).,.{x + n)\ x + n + 1 J '
n\ n^
Da nach (6)
(15) lim I c„ I = lim — ;^ — , ^. / , \
- = 00' ' n = co\x(X'{-l)...{X + n)
ist, so genügt es, zu zeigen, daß
= \r(x)
00
S
(n+1)
hl)
x + n+ 1
konvergiert. Dies folgt tatsächlich daraus, daß für alle n,
welche > 1 und > | a; + 1 | sind,
x + n+l 1J.^^'^^ ^/
y* \y»i
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 169
ist, also für alle n > 1
(n+1)
1 —
0+^)'
a; + w + 1
wo y eine von n unabhängige Gncöüe bezeichnet. Nach dem
Hilfssatz 1 ist also die Reihe
a
00
X 11=1
konvergent.
2. Es sei Q (x) konvergent und es werde für n ^ 1
6.=
n\an
- a; (aj + 1) . . . (a: + »)
x(x -\-\) , , .(x-^ n)
, Cn =
n! »*
gesetzt. Dann ist
- - 1 1 1 , ,
t'» ^n -}- 1 t'i» t'n + 1
so daß wegen (15) auch
00
S |cw — ÖH+l
konvergiert, da die Konvergenz von
soeben gezeigt wurde. Daher ist nach dem Hilfssatz 1 die
Dirichletsche Reihe
00
a.
konvergent.
Der bewiesene Satz VI scheint bei oberflächlicher Betrach-
tung schon von Herrn Kluyver ^) ausgesprochen zu sein. Wie
^) ,Over de ontwikkeling van eene functie in eene faculteiten-
reeks*, Nieuw archief voor wiskunde, Ser. 2, Bd. 4, 1899, S. 74.
170 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 8. Februar 1906.
indessen aus Herrn Kluyvers Begründung hervorgeht, meint er
nur den leichter beweisbaren
Satz VII: Die Punkte absoluter Konvergenz sind für
die beiden Reihen
und
(14)
dieselben.
Beweis: Dies folgt ohne weiteres aus
n!
00 n
^i^) = £ -l
(6)
lim
n'=. r{x)
= »a:(a;+ 1) . . . (a? + n)
nach dem auf S. 165 angewendeten bekannten Konvergenzsatz.
Für Fakultätenreihen wie für Dirichletsche Reihen*) hat
man zur Bestimmung der Konvergenzhalbebene nur die Grenz-
stelle der Konvergenz für reelle x zu bestimmen; da dies bei
dem einfacheren Bau der Dirichletschen Reihen oft für diese
leichter ist, sind die Sätze VI und VII von großem Nutzen
für die Konstruktion spezieller Fakultätenreihen mit vorge-
schriebenen Konvergenzeigenschaften.
Folgende Beispiele veranschaulichen die schon in § 1^)
für k und /x unterschiedenen Fälle und zeigen, daß jeder der-
selben vorkommen kann.
^) Der Jensensche Satz von der Existenz der Konvergenzhalbebene
einer Dirichletschen Reihe W {x) folgt natürlich seinerseits aus den
Sätzen I und VI. Aber sein direkter Beweis ist ganz einfach und be-
ruht bloß auf dem Hilfssatz 1 und der för SH (x) > 0 gültigen Ungleichung
1
«• (n+l)*
^ n«(«) + »
oder statt dieser, was auch ausreicht, auf der Ungleichung
n* (n+l)*| n«(»)
«) S. S. 166.
-('+i)
— «
n«(«)
n n*
<
««(«)+!•
*^ JW
m^'
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultütenreihcn. 171
1. Es ist A = — 00, /i = — 00 für a» = :7j. In der Tat
n!
ist die Reihe
E '
M = l
n! »*
für jedes reelle x absolut konvergent.
2. Es ist ; endlich und /* = i für a« = 1.') In der Tat
ist die Reihe
für o; < 1 divergent, für x>l absolut konvergent, so daß
/ = 1, /* = 1 ist.
3. Es ist X endlich und >l</i<>l + 1 liir die Fakultäten-
reihe, deren Koeffizienten folgendermaßen definiert sind:
für ungerade nichtquadratische n ist a„ = 1,
für gerade nichtquadratische n ist a„ = — 1,
für ungerade quadratische n ist a„ = 2,
für gerade quadratische n ist a„ = 0.
In der Tat ist erstens die Reihe
11111 ® r— 1V' + »
M=l
n"
&iTX<iO divergent, für 0<a;^l bedingt konvergent, für
x>l absolut konvergent; zweitens ist die Reihe
111 ^ 1
4x-r 9,-r jg^ . _^^,
1 1
« = 1
für j;<— divergent, für ^> v absolut konvergent. Die durch
Addition beider Reihen entstehende Reihe
11111121 «a«
»^ Qx "^ t;« A« ~ 7» ö« »^ o* irvt ' • * * ^4*»
2' • 3^
8^
9* 10*
M = l
ist daher für x<-^ divergent, für -h-<^^1 bedingt kon-
^) Für Reihen mit positiven Koeffizienten ist natürlich stets f* = X,
172 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
vergent und für x>l absolut konvergent, so daß A = — ,
/i = 1, also /i = i + — ist.
4. Es ist X endlich und ju^X+l für a^ = (— 1)"+^ ;
denn für die Reihe (16) ist A = 0, /i = 1.
5. Es ist A = 00, /i = 00 für a„ = n! In der Tat ist die
Reihe
für jedes reelle x divergent.
Folgende Beispiele zeigen unter Anwendung des Satzes VI,
daß für das Verhalten einer Fakultätenreihe auf der örenz-
geraden die verschiedenen denkbaren Fälle ^) möglich sind.
1. Q(x) konvergiert in keinem Punkte der Gh-enzgeraden
für a„ =K 1. In der Tat ist bekanntlich*)
n = l
1
i» *.i+»'
für jedes reelle v divergent.
2. Q (x) konvergiert in allen Punkten der Grenzgeraden für
«» = 1— V- (»>2).
^ log*n ^ = ^
In der Tat ist die Reihe
für a; < 1 divergent, für x = l +vi (absolut) konvergent.
3. ü{x) konvergiert weder in allen Punkten der Grenz-
geraden noch in keinem Punkte derselben, falls
1) S. 8. 160.
') Literatur s. in meiner Arbeit ^über die zu einem algebraischen
Zahlkörper etc.", 8. 106—107.
£. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultaienreihen. 173
a„ = 1 für Primzahlen,
a« = 0 für zusammengesetzte n
ist. In der Tat ist die über alle Primzahlen (in wachsender
Reihenfolge) erstreckte Reihe
p
pi+.i
bekanntlich^) für v = 0 divergent, für alle anderen reellen v
konvergent. Es gibt natürlich einfachere Beispiele; ich wählte
das vorliegende, da es an sich von Interesse erscheint; zu den
nicht zahlreichen, mit der Verteilung der Primzahlen zusammen-
hängenden Reihen, deren bedingte Konvergenz man beweisen
kann, gehört nämlich jetzt z. B. die Reihe
ß(i + i) =
2!
•N +
3!
(1 + 0(2 + 0(3+0 ' (1 + 0(2 + 0(3 + 0(4 + 0
+
5!
(1 + 0. ..(6 + 0
TC + . . . +
(i + 0...(i' + i + 0
•\ I • • •
Das folgende Beispiel zeigt endlich, daß — im Gegensatz
zu einer früher von Herrn Nielsen*) gemachten Bemerkung —
aus der Konvergenz einer Fakultätenreihe für ^0=^*^0 + ^0^
nicht die absolute Konvergenz in allen Punkten folgt, deren
Abstand von der Geraden di(x) = UQ „nicht kleiner als 1" ist.
Die Dirichletsche Reihe
« ( - 1)" n
ist für x=l konvergent und konvergiert trotzdem für x=^2
nur bedingt, nicht absolut. Absolute Konvergenz ist also — durch
»} Literatur s. ebenda, S. 108—109.
*) .Recherches etc.", S. 429; in seiner Arbeit ,sur la multiplication
de deux s^ries de fiictorielles* (Rendiconti della R. Accademia dei Lincei,
Ser. 6, Bd. 13i, 1904, S. 71) spricht Herr Nielsen gleichfalls noch (mit
vermeintlichem Beweis) den Satz aus: ,Wenn Q(x) konvergiert, so kon-
vergiert ö (jc 4- 1) absolut.*
174 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
den Satz V — nur für yiix—x^) > 1, nicht fiir 5R (x—Xq) ^ 1
gesichert.
Die durch Satz VI gelieferte Beziehung zwischen einer
Fakultätenreihe und der zugehörigen Dirichletschen Reihe ge-
stattet, die Abszisse X der Grenzgeraden einer Fakultatenreihe
(und damit auch die Abszisse fi der Grenzgeraden ihrer abso-
luten Konvergenz) in ähnlicher Weise mit Hilfe eines limes
superior in geschlossener Form durch die Koeffizienten aus-
zudrücken, wie Cauchy und Herr Hadamard es für Potenzreihen
getan haben. Diese Darstellung folgt unmittelbar aus dem
von Herrn Cahen^) bewiesenen Satz:
Wenn die Abszisse k der Grenzgeraden einer
Dirichletschen Reihe
> 0 ist,*) so ist
/1Q\ ^^8
i
(^^) >l=limsup -
< = » log t
Folgendes ist der Cahensche Beweis der wichtigen For-
mel (18)*) in unwesentlich abgeänderter Gestalt.
1. Es ist nachzuweisen: wenn x den Ausdruck auf der
rechten Seite von (18) bezeichnet, wenn x endlich und i > 0
ist, so ist die Reihe (17) fHrx=^x-\-d konvergent. Es werde
i) 1. c, S. 89 und 102.
*) Durch eine lineare Transformation der Variablen x = x' — c
läßt sich dies stets erreichen, falls die Grenzgerade überhaupt im End-
lichen gelegen ist.
*) Für die allgemeineren Dirichletschen Reihen 2J ^h*""^"* be-
n = l
weist Herr Cahen (für X>0) analog die Formel
log
X = lim sup
t
<=• Yt
^H»^^
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 175
gesetzt. Dann ist wegen
lim SUD — ,
t=x> logt
X
von einer gewissen Stelle an
log I -4h . d
log
AiKf+i-,
also ist w^en
" o. "
-2^ M« ~ ^ n«
~5/"(^' (^ + 1)7 '^''"^
(a+l)*
fiir a: = X -f- <J
wo a von ^ und a unabhängig ist; hierin hat wegen der Kon-
vergenz von
1
die rechte Seite für ^ =s od, a = od den Grenzwert 0, so daß,
wie behauptet, die Reihe (17) für a: = x + <J konvergiert.
2. Es ist zu zeigen: wenn die Reihe (17) für ein reelles
a: > 0 konvergiert und d>0 ist, so ist von einer gewissen
Stelle an
logl^
d.h.
J4\<t'-^\
176 Sitzung der math.-phys. EUasse vom 3. Februar 1906.
In der Tat ist, falls
a
£ -^=5,^_, = 0
gesetzt wird,
N= 1
t
n
a.
i
= £ B.in'-(n + 1)*) -^B,(t-\- ly,
n = l
also, da \Bt\ für alle t unterhalb einer Schranke B gelegen ist,
\At\<Bj^{(n + iy-n')-tB{t+iy<2B{t + 1)^
also von einer gewissen Stelle an
I ^ I < ^+^.
Damit erhalte ich also für Fakultätenreihen den
Satz VIII: Falls die Abszisse >l der Konvergenz geraden
einer Fakultätenreihe >0 ist, ist
(18)
log
k = lim sup
<=00
log^
falls die Abszisse ju ihrer Grenzgeraden absoluter
Konvergenz ^ 0 ist, ist
(19)
log S I «n
u = lim sup 7^-z . ^)
*=« log^
(Offenbar folgt aus dem vorigen Beweise, daß diese Formeln
auch in den Fällen Jl = oo, /^ = oo richtig sind.)
Beispielsweise ist für die auf S. 171, Nr. 3 angegebene
Fakultätenreihe
^) Ohne Benutzung des entsprechenden Cahenschen Satzes über
Dirichletsche Reihen läßt sich der Satz VlII direkt auf dem Wege be-
weisen, der im § 6 für den Satz VIII* angewendet werden wird.
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 177
also
•1 = 1 ^
und a fortiori
lim
log
n=l
Vt
11 = 1
= 1
lim - T -; — =ö"i
« = 00 log^ 2
log
ferner
A = lim sup
<=00
N=l
log^
1^
2'
also
H = l
S l«»l = < + [Kn,
lim
«=00
t
N=l
^
= 1,
ju = lim sup
<=QC
log S I ^H I log 2 I «M
n = l 1- N=l
log^
= lim
<=ao
log^
= 1.
Auf Grund des Satzes VIII lassen sich leicht Beispiele bilden,
in welchen ju — k jeden zwischen 0 und 1 gelegenen Wert hat.
Ich muß bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß Herr
Pincherle ^) die Zahl /i auch mit einem limes superior in Ver-
bindung gebracht hat; allerdings ist er nicht bis zur genauen
Gleichung (19) gelangt, sondern er hat nur die leicht beweis-
baren Ungleichungen
*</!<*+ 1
gefunden, wo
*) ,Sulle serie di fattoriali*, Rendiconti della R. Accademia dei
Lincei. Ser. 6, Bd. 11„ 1902, S. UO— 141.
1906. SiUungsb. d. maib.-phya. KL 12
178 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
log|a<
k = lim sup ,
^=00 log t
gesetzt ist. Herr Pincherle bewies nämlich , daß Q (x) für
di(x) Kk divergiert, für 5K(a:) > A; + 1 absolut konvergiert;
daraus folgen die obigen Ungleichungen und, wenn l einge-
führt wird, die Ungleichungen
k<X<iii<:k+l.
Dagegen begeht Herr Pincherle einen Irrtum,*) indem er
meint, die Gleichung
/i = Ä;+ 1
bewiesen zu haben. Dieselbe braucht gar nicht erHillt zu sein,
wie folgendes einfache Beispiel zeigt: es sei a„ = l für quadra-
tische n, Om = 0 für nichtquadratische n; dann ist offenbar
k = lim sup -, -r- =■ 0,
<=» log^
und die durch den Satz VHI bestimmte Abszisse der Grenz-
geraden absoluter Konvergenz
^
t
r H = i ,. log[K^J 1
lim sup i 7 — = lim sup ,- -i = tt •
/=0D log t i=» ^ log ^ 2
§3.
Die Beziehung zwischen einer Fakultätenreihe und der
zugehörigen Dirichletschen Reihe reicht noch tiefer als bloß
bis zu der in Satz VI festgestellten Tatsache der gemeinsamen
Eonvergenzhalbebene und der gleichzeitigen Konvergenz bezw.
Divergenz in allen Randpunkten. Es gilt nämlich in Bezug
auf das analytische Verhalten der durch die Reihen definierten
Funktionen der
0 !• c., S. 143—144, .Sulla sviluppabilitä di una funzione in serie
di fattoriali'', ebenda, Bd. 12s, 1903, S. 340, und ,Sui limiti della con-
vergenza di alcune espressioni analitiche", Rendiconto delle sessioni della
R. Aeoademia delle scienze deir Istituto di Bologna, Ser. 2, Bd. 8,
1901, S. 13.
E. Landau: Grandlagen d^r Theorie der Fakoltätenreihen. 179
Satz IX: Jede (von 0, — 1, ... verschiedene) Stelle der
Konvergenzgeraden yt(x)=^X der Reihen
(0
und
(14)
Q (X) = V — *^^-^=
•P(a;) = y; -^-
ist für beide (in der Halbebene SR(a;)>>l durch Q(x)
und W{x) definierten) Funktionen regulär oder für
beide singulär.
Es braucht natürlich keinen auf der Grenzgeraden ge-
legenen singulären Punkt zu geben.
Dem Beweise des Satzes IX schicke ich folgenden Hilfs-
satz aus der Theorie der Gammafunktion voraus:
Hilfssatz 4: Es sei für jedes komplexe x und jedes
ganzzahlige n^l eine Funktion 9? (^, n) durch die
Gleichung
(20)
n! n* X + x'^ (p {x, n) j.
r{x)x(x+ 1) ...(a; + «) "" 2n~ "^ ^~ '
definiert. Wenn ® ein im Endlichen gelegenes Ge-
biet der a;-Ebene ist, ist \(p{Xyn)\ für alle o; in®
und alle n = 1, 2, ... unterhalb einer endlichen (von
X und n unabhängigen) Schranket, gelegen.
Erster (direkter) Beweis des Hilfssatzes 4: Es ist,
falls C die Eulersche Eonstante bezeichnet,
1
r{x)
(21)
^e^'x
/7(l + -W "^e^'a;//— ^^ '• /7 {1+-K ^
n! n*
r(a:)x(a; + l)...(a;+n)
= e
(c+logH-iJv)
^) Die linke Seite von (20) stellt für jedes n eine ganze tran-
szendente Funktion von x dar, <p{x^n) also gleichfalls.
12*
180 Sitsung der math.-ph js. Klasse vom 3. Februar 1906.
Eine Eonstante c sei so gewählt, daß für alle o; in ®
x\<^c
ist. Da für |y|<ö
ist,*) so ergibt sich für v>2c und alle a? in ®
I 1 -| — je v = e »v2^ »-»
also für n>2c und alle :r in ®
xr9
00
(22) /7 (1 +-)e~r = c '="+' '=»+' (|^,|<1).
Nun ist
(23)
und
(24)
00
^^J'^f-^J^i-?! (0<^.<1)
« 1 •djßr 1
y = M +1 M
aus (22), (23) und (24) ergibt sich fOr n > 2 c und alle a; in @
(25)
i.,(-r^=
-S+*»<''+'»'^i (l^^l^l).
Ferner ist bekanntlich
j^l=.logn + C+l^-l\ (0<d,<l),
v = l
2n n'
') Denn
-y + ^y' + ioKO+y)
— =
.v' .V* .
=
2(1
^^ <y».
^|(|y|« + |y|* +
^Sf»^t^
E. Landau: Grundlagen der llieorie der Fakultätenreihen. 181
also
Aus (21), (25) und (26) folgt fllr alle n>2c und alle a: in ®
r(x)x(x + 1) . . . (a; + n)
Mit anderen Worten, es ist
= e"-2ir'^^'^-^'"^^'^r2 (I ^J < 1).
= e 2« n2,
r(x) x{x \- \). , .{x '\- n)
wo ! i; I für alle n> 2c und alle x in ® unterhalb einer end-
lichen Schranke gelegen ist. Daraus folgt
f2f)\ ^JL^ x + x* (p(x,n)
^ ' r{x)x{x+l).,.{x^n) 2n "^ n» '
wo I q) (a;, n) | für « > 2 c und alle a: in ® unterhalb einer end-
lichen Schranke liegt. Für die endlich vielen n<2c und
alle o: in ® liegt das durch (20) bestimmte q) (x, n) gleichfalls
unterhalb einer endlichen Schranke, womit der Hilissatz 4 be-
wiesen ist.
Zweiter Beweis des Hilfssatzes 4: Aus bekannten
Eigenschaften der Gammafunktion läßt sich der Hilfssatz auf
vielfache Arten als Korollar herleiten. Ich gehe z. B. von
dem Satze ^) von Stieltjes aus: »für nicht negative y = jy e***» ist
(27) logr(y)=(y-i)logy-y + logV^+i^ + -B(y),
WO
R(y)\< - ^
360
y|'(cos|y
ist". Nach (27) ist für alle a; in ® und alle w>(?*)
>) Literatur s. Nielsen, , Handbuch etc.*, S. 208.
') c bezeichnet eine Zahl, welche größer als die absoluten Beträge
aller x in ® ist; alsdann ist sicher x-^-n nicht negativ.
1S2 Sitzung der math.-phys. Kliisse vom 3. Februar 1906.
log r{x -\- n)= Ix -]- n —^Yogix -\- n) — x — n-\-\ogy27i
j 1 . ^
^ I2(x + n)^n*'
wo r]^ (desgl. in der Folge i;„ i;,, . . .) eine Größe bezeichnet,
die für alle o; in ® und alle n> c dem absoluten Betrage
nach unterhalb einer endlichen Schranke gelegen ist. Außer-
dem ist nach dem schon von Stirling bewiesenen Spezialfall
y = n der Formel (27)
log n! = log n + log r^n)
folglich
r(x)xix+ l).,.(x + n) ^(x + n)r{x + n)
-(a:+n-~^)log(:r + n) + ^ + n-logl/2^-j^^
\ ' 2/ ^\ nj 12n 12(a;4-n) n*
"^ ^ 2n ■^2n"^n»"" 2n "^n»'
n!n* _*±f?+''« ^ a;+a;* , 9:^(0?, n)
r(x)x{x+l).,.ix + n) 2n ^ n
I» ♦
wo I <p (Xy n) I für alle a; in ® und n > c, also auch fUr alle o;
in ® und alle n > 1 unterhalb einer endlichen Schranke liegt.
■*^«^w
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 183
Beweis des Satzes IX: Wenn man die Gleichung (20)
mit ~ multipliziert und über alle n = 1, 2, . .'. summiert, so
ergibt sich für di(x)>l
rix) r{x)^^^x{x+\)...(x + n)
a
X rix) ^
da
und
" rt
22 ^ = »^(^ + 1)
n = l
itir 9} (a;) > >l konvergieren, so ist
Hierin ist
^0
o; + o;'*
!P(a;+ 1)
für alle Punkte der Halbebene 9i(ic)>A — 1, also gewiß ftir
^ix) = X regulär. Femer ist die Reihe
• 9?(a;, n)a»
H=l
„« + 2
in jedem endlichen im Innern der Halbebene SR (a:) > A — 1
gelegenen Gebiete ®*) gleichmäßig konvergent; denn in ®
ist nach dem Hilfssatz 4
') Es sollen also alle Punkte von (& den zwei Bedingungen
fl{x)>l^l + e (« > 0) und \x\<c genügen.
1S4 Sitzung der math.-phys. Klasse Tom 8. Februar 1906.
i' y) (a?, n) g, I ^ A\an\ ^ A\an
und die Reihe
»=i
konvergiert bekanntlich.^) Die Gleichung (28) lehrt also, daß
die für ^{x)> X durch die Diflferenz
definierte analytische Funktion in der Halbebene ^{x)> k — 1,
also insbesondere auf der Geraden 9i(:c)==A regulär ist, mit
etwaigem Ausschluß der Punkte 0, — 1 , . . ., welche Pole erster
Ordnung oder reguläre Punkte sind. Folglich ist jeder Punkt
X-\-vi (mit etwaigem Ausschluß von A, falls A = 0, — 1, . . .
ist) für beide durch Q{x) und V{x) definierten Funktionen
regulär oder für beide singulär, womit der Satz IX bewiesen ist.*)
Die Analogie zwischen beiden Funktionen läßt sich aber
noch weiter verfolgen. Beide Beweismethoden des Hilfssatzes 4
zeigen, daß für jedes ganzzahlige positive k eine Gleichung
r{x)x{x-\-l)..,{x + n)
(29)
besteht, wo
F,{x)=h ^,(3;) = -^+— , F,{x),..., F,{x)
') Nach den Sätzen V und VII oder nach dem (vgl. Cahen, 1. c,
S. 92) direkt leicht beweisbaren Satze, daß die Breite des Streifens be-
dingter Konvergenz bei einer Dirichletschen Reihe < 1 ist.
*) Wenn der Punkt X fflr W(x) singulär ist, so ist er es auch für Q (x).
K. liandau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 185
ganze rationale Funktionen von x sind und wo für alle j: in ®
und alle n = 1 , 2, . . .
I q} (x, n)\<A
ist.
In der Tat folgt dies z. B. nach der ersten Methode aus
der Gleichung (21), wenn man für v>2c
[ x\ _* .l'^a.L^^ (-1)*^+^. ^|xifc+2
setzt, wo I i> : <I 1 ist, und die Relationen berücksichtigt
i_l=iog„+f+f+...+?.;+Mft- (K.K».
wo die G und die A gewisse von n unabhängige Konstanten
sind und l eine der Zahlen 2, 3, . . . , A; + 2 bezeichnet. So
ergibt sich zunächst eine Gleichung
/OA. 1^^ ^^ ^^^ 4. ^ ^*(^) 4. _ 'y
^^ ^r{x)x(x\\),,\x\n)' n "^"""^ n* "^«* + »'
wo Gr,(a;), . . ., (xk{x) ganze rationale Funktionen sind und für
alle o; in ® und alle n>2c
ist; aus (80) folgt das Bestehen von (29).
Es ist leicht einzusehen, daß in (30)
(31) G. (x) = -J^f) 9'.+. (^ + 1)
ist, wo <pr{x) das sogenannte BemouUische Polynom v**" Grades
^Jx) = ar - ^ a^-' + Q £, x^ -2 - (^) ^.x-* + ...«)
'j Die Reihe ist so lange fortzusetzen, als der Exponent ^ 0 ist.
186 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
ist (in welchem £,, 5j, ... die BemouUischen Zahlen bezeich-
nen). In der Tat ist für ganzzahlige positive x bekanntlich
<^,(a:) = v(l»'-' + 2"-' + ••• + (^-1)"-'),
also für ganzzahlige positive x und n> x
,1 w!n* . »In*
log -tT-^ ^(^ ■ IX /^ . ^x = log
r[x)x[x+ l)...(a;+n) ® {x-\-n)\
= ^«« (n-H)(n + 2).T:(,r+"^) = - ,5/"^ i' + n)
_ • ^-, (-i)-e- _ X«. (zi.ll ^ „, _ ^ ti)' y-+'(^ + i)
^, ^, vn- ~ , vn' e/ ^, W v(v+l) "
Damit ist (31) für ganzzahlige positive x^ also für alle x be-
wiesen. Übrigens läßt sich dieser Zusammenhang der semi-
konvergenten Entwickelung (3Q) mit den BernouUischen Funk-
tionen auch aus den bekannten Formeln des Herrn Sonin*)
ablesen.
Was die Polynome Fk{x) betriflft, so hängen sie eng mit
den sogenannten Stirlingschen Polynomen i**" Grades v'*(^)
zusammen, deren Theorie von Herrn Nielsen sehr übersichtlich
im fünften Kapitel seines Handbuches dargestellt worden ist.
Wenn die Ausdrücke (£» durch die für ganzzahlige positive
X und I n I > a: gültige Potenzreihe
1 f,(-j.)*e:+j
...(« + «) » = 0 *»«+! + » ' ''
n(w+l)
definiert sind, so ist
ß5+i = (-l)»+'a;(a; + l)...(a; + *)v»-.(-a:-l)(*>0).')
') «Beinoullische Polynome und ihre Anwendungen" (russisch),
Warschauer üniversit&tsnachrichten, 1838; ^Sur les polyndmes de Ber-
noulli*, Journal für die reine und angewandte Mathematik, Bd. 116,
1896, S. 137.
*) Es ist dies die Gleichung (9) auf S. 68 des Handbuchs, wenn in
dieser n statt x, x+\ statt yf, k statt 8 geschrieben wird.
») 1. c, S. 74, (l(i).
JSF «e? Vü
fi. Landau : Gmndlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 187
Da nun ffir ganzzahlige positive x und n>x
1 nln* nln* n*+*
r(z) x(z +l)...(x + n) (j;+ «)! n(n + 1). . .(n + x)
^|>(-iysU.
ist, so ist für ganzzahlige j; > 0, also allgemein die in (29)
auftretende Funktion
F,ix) = — x(x+l)...{x + k)tp,-i(-x-l) (k>0).
Für meinen Zweek kommt es nur darauf an, daß die
Fk(x) in (29) überhaupt ganze rationale Funktionen sind. Die
Relation (29) ergibt, wenn man mit ~ multipliziert und über
alle n = 1, 2, . . . summiert, für 9i(x)> X
+ ... + j;(x)!P(:. + ft) + E^^^-;
hierin ist die Reihe
y.(p(x,n)a^
für eine gewisse Umgebung jeder Stelle der Halbebene 9t (:r)> il - Ä;
gleichmäßig konvergent. Falls also z. B. die durch ^(x) defi-
nierte Funktion für 91 (o?) > i — 10 existiert und regulär
ist, so lehrt die Gleichung (32), daß die durch -ty~\ ^^^^^^
Funktion für 9l(x)>il — 10 existiert und regulär ist. Falk
V(z) eine ganze transzendente Funktion definiert, definiert also
0(x) eine in der ganzen Ebene existierende eindeutige analy-
tische Funktion, welche keine anderen singulären Punkte haben
kann als Pole erster Ordnung in 0, — 1, — 2,... Ein
Beispiel hierfür liefern die beiden wohlbekannten Funktionen,
welche den Werten
188 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
entsprechen und für 9?(x)>0 durch die Reihen
Q(r\ - f (-1)"»!
^ ^~»=ox(x+l)...(a; + n)
definiert sind. In der Tat ist bekanntlich einerseits die durch
!P(x) = -(l-|)(l + 2\ + ^ + i^ + ---) (9iW>l)
definierte Funktion
0-2')^^^)
eine ganze transzendente Funktion, und andererseits ist')
1 ^_i <» 1 1
wo der letztere Summenausdruck eine bis auf die Pole erster
Ordnung 0, — 1, ... in der ganzen Ebene reguläre Funktion
darstellt.
§4.
Auf S. 179 ist schon bemerkt worden, daß auf der Kon-
vergenzgeraden einer Fakultätenreihe kein singulärer Punkt der
durch sie definierten analytischen Funktion zu liegen braucht.
Diese Tatsache war bereits von Herrn Pincherle*) beachtet
worden. Um so mehr Interesse beansprucht der
Satz X: Wenn alle Koeffizienten einer Fakultäten-
reihe mit endlicher Grenzgeraden ^{x) = X von einer
gewissen Stelle an reell und ^0 sind, so ist der
Punkt x=^X eine singulare Stelle der Funktion.
Erster (direkter) Beweis: Ohne Beschränkung der Allge-
meinheit kann A > 0 angenonunen werden ; denn anderenfalls
braucht man statt
1) Vgl. z. B. Nielsen, ,, Handbuch etc.", S. 246.
*) S. die auf S. 178, Anra. 1 zuletzt genannte Arbeit.
■:i^^f'um^mm
£. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 189
(1)
fl(a;) = S
n! a»
=:0^(^+ l)...(a: + n)
nur die Fakultätenreihe
xix+l)...(X'\'m) (q(x) - S —-—"^^-^
^ ^V n=ox(x+l)...{x + n)J
= £
rrm+l (j? + W + 1) . . . (O? + n) '
WO m eine ganze Zahl > — 1 — X ist, als Funktion von
X -{- m -\- 1 =^ y z\x betrachten und auf die Reihe
nlan
00
= s
h\h
»=m+ 1 (x + w + 1) . . . (a; -f- n) *=oy (y + 1) . . . (y + A)
mit der Grenzgeraden 9i(y) = A + m-f-l>0 den Satz anzu-
wenden. Auf Grund von (12) kann man auch ohne Beschrän-
kung der Allgemeinheit annehmen, daß gleich von Anfang an,
also für alle w ^ 0 die Ungleichung
erfüllt Ist.
Da die Reihe (1) nach Satz III in der Konvergenzhalb-
ebene beliebig oft gliedweise diflPerentiiert werden darf, ergibt
sich für yi(x)>X
00 / J
ß'(a;) = Sn!a„( — — rr ^r~- r
•*=() V x^{x + l),.,(x + n)
1 ^
x(x + 1).. .(a; + w)V'
ü\x
x{x -\- l)^ . , .{x -\- n)
2
)=£)n!a„( -^
+ :7.
1
(«+!)... (a;+n) ' x'*(x+iy...{x+n)
+
■)
u. s. f. Man sieht, daß in fi^*^ (x) für reelle x>X die Glieder
das Vorzeichen (— 1)* oder 0 haben, je nachdem a„> 0 oder = 0
ist; jedenfalls treten in ( — l)\Q^''^(x) keine negativen Glieder
auf. Wäre nun x = l eine reguläre Stelle der Funktion, so
würde die in der Umgebung von x = X -\- l gültige Potenzreihe
00
190 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 8. Februar 1906.
(33) Qix) = j:'' ^'^'f(x-k-lf
einen Eonvergenzradius r > 1 haben. Es sei p so gewählt, daß
P> 0, p <kj p<r—l
ist ; wegen p<r — 1 würde die Reihe auf der rechten Seite
von (33) für x = X — p konvergieren ; diese Reihe
fc = 0 Kl
ist eine Doppelreihe, deren Glieder sämtlich ^ 0 sind. Daher
konvergiert auch die durch Vertauschung der Summationsfolge
entstehende Reihe
(34) i;«!a.i;tiV7^>*(^^^Si5IS«)) .
Nun ist für jedes n, wenn die rationale Funktion von x
x(x-{-\).,.(x + n) ^ ^^^^
gesetzt wird, für|j: — X — l|<A-f-l
also speziell für x = X — p
1 =f:^-^-^)*/-(*)(A+i),
so daß die mit (34) identische Reihe
£j nla»
=o{i—p)i^-p + l)...{l—p + n)
= Q{X —p)
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 191
konvergieren würde, gegen die Voraussetzung, daß9?(a;) = >l
die Konvergenzgerade von Q(x) ist.
Zweiter Beweis: Der Satz X ergibt sich unmittelbar,
wenn ich meinen kürzlich publizierten*) analogen Satz als be-
kannt voraussetze: der reelle Punkt der Konvergenz-
geraden einer Dirichletschen Reihe mit reellen, nicht
negativen Koeffizienten ist eine singulare Stelle der
Funktion. Wenn dieser Satz mit dem Satz IX verbunden
wird, so ergibt sich daraus ohne weiteres der zu beweisende
Satz ; denn x=^X ist eine singulare Stelle der durch die zu-
gehörige Dirichletsche Reihe definierten Funktion.
Ich will noch bemerken, daß im Falle der Divergenz von
Q{1) der Satz X leichter zu beweisen ist. Wenn alle «n^O
angenommen werden und A>0 ist, könnte QQ) nur gegen + oo
divergieren, und es ist nicht schwer, analog zu einer bekannten
Eigenschaft der Potenzreihen zu beweisen, daß alsdann bei An-
näherung von rechts
lim Q(x)= +00
ist, also X keine reguläre Stelle der Funktion sein kann. Aber
die obigen beiden Beweise gelten auch im Falle der Konver-
genz von Ü(X).
Eine letzte Anwendung des Satzes IX will ich zu dem
Zwecke machen, eine Fakultätenreihe zu konstruieren, welche
über ihre Orenzgerade nicht fortsetzbar ist. Hierzu genügt
e^ offenbar nach Satz IX, eine Dirichletsche Reihe mit dieser
Eigenschaft anzugeben; aber in der Literatur habe ich noch
kein solches Beispiel erwähnt gefunden. Es läßt sich analog
der durch Herrn Lerch bekannten nicht fortsetzbaren Potenzreihe
a; + x» -f a;* + ••• = £; ic'-*
leicht eine Dirichletsche Reihe der verlangten Art bilden; ich
behaupte nämlich, daß die Dirichletsche Reihe
M «Über einen Satz von Tschebyschef, Mathematische Annalen,
Bd. 61, 1905, S. 536.
192 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 3. Februar 1906.
1111 «1
— 4- — + -— -I — — H = V
16^ • 256* ' ^% (2^*)'
über ihre Grenzgerade 9? (a;) = 0 nicht fortsetzbar ist. Hierzu
1 In
ist es hinreichend, nachzuweisen, daß alle Punkte , — k -^- ^
' log 2 2«
(? ganz, m !^ 0 ganz) singulär sind, da diese auf der Grenz-
geraden dicht verteilt liegen. Und hierfür reicht es hin, zu
zeigen, daß für jeden solchen Punkt vi, wenn x = vi-^x'
gesetzt wird, die entstehende Dirichletsche Reihe in x' (mit
der Konvergenzgeraden 9?(a:') = 0) von einer gewissen Stelle
an positive Koeffizienten hat. Dies ist der Fall; denn das
allgemeine Glied dieser Reihe ist
1 p-i^2«2'^82"
22*(»i + «') (22*)*' '
und der Exponent von e ist für alle k^m -\- 1 ein Multiplum
von 2jii.
§5.
Über Binomialkoeffizientenreihen
„,„ = £ „.(^-l)(^-2)...(.^j00. ^ „. /- .)
♦1=0 "• » = o \ ^* /
lassen sich durchweg die analogen Eigenschaften zu denen der
Fakultätenreihen mit den in §§ 1 — 4 angewandten Mitteln be-
weisen. Herr Nielsen behandelt die Reihen W{x) auf S. 125
— 127 seines Handbuches, gelangt jedoch dort nicht zu dem
Satz, welcher dem Satz 1 entspricht, sondern beweist nur die
Analoga zu den Sätzen IV und V über absolute Konvergenz.
Tatsächlich findet man genau wie in den §§ 1 — 4 mit den
näher anzugebenden Abänderungen in den Beweisen die 10 Sätze,
welche den Sätzen I bis X entsprechen und mit V bis X'
numeriert sein mögen.
^) Unter dem ersten Gliede wird Oq verstanden.
«^ " je?". '
£. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 193
Zunächst gilt der bereits 1884 von Herrn Jensen^) ohne
Ausfuhrung des Beweises publizierte
Satz I': Wenn W{x^ konvergiert und Xq von 1, 2, . . . ver-
schieden ist, so konvergiert W(x^) für 9i(a;,)>9?(j:o).
Der Beweis verläuft ganz wie der des Satzes I ; nur ist hier
j ^^ (3:o-l)-.fa-n) ^ ^(j:^-l)...(x,-n)^(-a?^-hl)...(-a;,-fn)
nl ' " (Xo-i)...(.ro-n) i-x^^l)...(-XQ+n)
lim ' Cn ■ n*<*«-*ö) = lim
zu setzen und die Oleichung
nebst
M = ao
n:=ao
It* («1 - teoi
(35)
^11 ^» + 1 — ^n
ap.
a:.
— x^+n + l
zu verwenden.
Aus Satz r folgt die Existenz der Konvergenzhalbebene
im Sinne von S. 159—160; nur sind hier die außerhalb der-
selben etwa gelegenen Punkte 1, 2, . . . den Konvergenzpunkten
zuzuzählen.
Satz ir lautet wie Satz II und wird ebenso bewiesen.
Er besagt, daß eine Binomialkoeffizientenreihe in einer gewissen
Umgebung jeder Stelle in ihrer Konvergenzhalbebene gleich-
mäßig konvergiert. Dies gilt auch von den in der Konver-
genzhalbebene gelegenen ganzen positiven Zahlen o; = m, da
die Reihe
(x \)
J-^^^^{w(.)--£aJ^
— l) . . ,(x — n)
nl
)
" (x — m — l) , . ,(x — w)
= ^an ' 7— ■--
M=:m
ni
») 1. c, S. 71—72.
*) Für Xq = 0 bezw. iCi = 0 ist unter dem Zähler bezw. Nenner der
rechten Seite von (35} der Wert 1 zu verstehen.
1906. SitxaBgsb. d. maUL-phys. KL 13
194 Sitzung der math.-pbjs. Klasse yom 3. Februar 1906.
wieder eine Binomialkoeffizientenreihe mit der Variablen x-m=y
und der Konvergenzhalbebene SR (y) > A — m darstellt.
Aus Satz ir folgt unmittelbar der Satz III', nach welchem
die Reihe W{x) in ihrer Konvergenzhalbebene eine reguläre
Funktion darstellt und beliebig oft gliedweise diflferentiiert
werden kann.
Satz IV ergibt sich wie Satz IV; er besagt, daß das
Gebiet der absoluten Konvergenz eine Halbebene (mit oder
ohne Einschluß der Grenzgeraden) ist.
Die Sätze T, 11', III', IV' sind schon von Herrn Bendixson*)
bewiesen worden, da sie in seinen entsprechenden Sätzen*) über
die Reihen von der Gestalt (2) enthalten sind.
Satz V, nach welchem die Breite des Streifens bedingter
Konvergenz -^ 1 ist, ergibt sich wie Satz V.
Satz Vr lautet: In jedem (von 1, 2,... verschiedenen)
Punkte sind die Binomialkoeffizientenreihe
Tir/ \ J^ (^ — 1) . . . (x — w)
W{x) = S «.. ~y-
und die Dirichletsche Reihe
n-) = t ^^-^
fir
gleichzeitig konvergent oder gleichzeitig divergent.
Dieser Satz wird wie Satz VI bewiesen, wenn man im
ersten Teil des Beweises berücksichtigt, daiä für
_ (— ly {x — l),..{x — n)n'^
n!
(36) Cn — Cn^l
1) 1. c, S. 19, 22, 23, 24.
>) S. § 6 des Folgenden.
>r -ai:; *5.
E. Landau: Grondlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 195
ist Denn der Klamnterausdruck auf der rechten Seite von (36)
ist für n > 2 in die Seihe entwickelbar
-1 +
x — 1
1 +
--."- ('+:-nv-)
-' + (-'+'-^)('4+l:+-)(.+:-+2+-)
— 2j» -4- ?^ 4- . . .
n* n
Analog verläuft der Beweis des zweiten Teiles im Anschluß
an S. 169.
Ohne Mühe ergibt sich Satz Vif, nach welchem die Punkte
absoluter Konvergenz für W{x) und !P(x) (abgesehen von 1,2,...)
dieselben sind.
Aus Satz Vr folgt ^) der
Satz VIII': Falls die Abszisse A der Konvergenzgeraden
von W{x) nicht negativ ist, so ist
log
k = lim sup
t =« log t
falls die Abszisse /ti der Grenzgeraden absoluter
Konvergenz > 0 ist, so ist
i
log £ ; an I
T « = 1
u = lim sup ^ 7 — .
/ = « log ^
Herr Pincherle*) ist auch hier') der irrtümlichen Ansicht,
es sei
Ai = lim sup -f^l-^ + 1 =Jfc + 1,
^zrOD ^ log t
<) Der Satz Ylir l&ßt sich auch direkt durch die Schlüsse be-
weisen, welche auf S. 203 ff. für den Satz VIII" angewendet werden.
«) 1. c. (s. S. 177, Anm. 1), S. 419.
«) Vgl. S. 178.
13*
196 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
und er nennt die Halbebene 9i (:j?) > Ä + 1 den (absoluten)
Konvergenzbereich von W{x).
Ferner gilt der Satz IX', nach welchem jeder (von 1, 2, . . .
verschiedene) Punkt der Grenzgeraden für W{x) und V(x)
beidemal regulär oder beidemal singulär ist. Dies folgt aus
der Relation, welche sich aus (20) durch Vertauschung von x
mit — X ergibt und
{—lym 1 _..x — x^(p,{x,n)
-IN /^ ^\ ^« — ^ ~r ci .' ~r ' o.
— xr{—x) {x—l),.,{x—n)n' ' 2n ' n^
lautet; denn dies liefert
(x — l)...(x-'n)^ 1 (— 1)" 1
n! — X'r( — x) n* x — x^ , (Pi(x,n)
^+"2;r+""v-
1 (-l)Y x-x^ <P,(x,n)\
— xr(-x) n' \ 2n '^ n^ )'
wo |9'2(^, w)| in jedem endlichen, die Punkte 1, 2, . . . im
Innern und auf dem Rande nicht enthaltenden Gebiet unter-
halb einer endlichen, von z und n unabhängigen Schranke liegt.
Für SR (x) > A ist also
^(-) = «0 + ^-^ ^(X) + ^lf_^^^ !P(X + 1)
was die Behauptung enthält, wenn man die Überlegungen von
S. 183-184 anstellt.»)
Satz X' endlich besagt, daß der reelle Punkt x = A auf
der Grenzgeraden von W(x) singulär ist, falls ( — l)"a„ von
einer gewissen Stelle an > 0 ist und X keine positive ganze
Zahl ist. Dies folgt ohne weiteres aus Satz IX' und aus der
auf S. 191 zitierten Eigenschaft der Dirichletschen Reihen. Für
*) Wenn der Punkt k für W{x) regulär ist, so ist er es auch für W (x).
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 197
ganzzahliges A > 0 gilt der Satz nicht, wie das einfache Bei-
spiel der Binomialkoeffizientenreihe
s(-i)
M = 0
..(^;^)=i-(.-i) + <£
-l)(^-2)
2!
mit der Grenzgeraden 9? (aj) = 1 zeigt, welche in ihrer Kon-
vergenzhalbebene die ganze transzendente Funktion 0 darstellt.
§6.
Es mögen nun kurz die verallgemeinerten Fakultätenreihen
^^""^ ^So (« +yi) ■ • • (*"+y-)
und die verallgemeinerten Binomialkoeffizientenreihen
6?(a;) = £ A (^ — ri) (o? -/,).. . (x — y^)
M=:0
behandelt werden; hierin sollen >'„ >'2» • • • positive, monoton ins
Unendliche wachsende Größen bezeichnen, für welche die Reihe
CO J_
divergiert. *)
Aus dieser Annahme folgt leicht, daiä nach Annahme einer
positiven Größe d für alle hinreichend großen n
(37)
ist.
* 1 " 1
V = 1 / » V = 1 ^^
Denn für alle v>Vq ist
2
d
*) Man kann auch andere lohnende Annahmen über die y^ machen.
Herr Jensen hat solche FSlle a. a. 0. (S. 72) noch besonders erwähnt,
und Herr Bendixson hat einige derselben (1. c.) behandelt.
198 Sitzung der maUi.-phy». Klasse vom 3. Februar 190G.
also für alle n > v^
^ r ^ 2 ^ /. ^ 2 ^, y/
\ 1 d *t^ 1 »^"M
y— 1 /y ^y—i y» y=si y^
und für alle hinreicliend großen n ist hierin
vo-i 1 d "t, l
iU i ^ ^ ^J »
SO daß (37) erfüllt ist.
Es gilt nun zunächst der
Satz V: Wenn F(x), bezw. G(x), für x^=Xq konvergiert
und 9? (j?,) > 9i (xj ist, so konvergiert F (x^), bezw.
6f(j?,). (Hierbei werden für F(x) die Stellen — y,„ für
G (x) die Stellen y„ von der Betrachtung ausge-
schlossen.)
Beweis: 1. Für F{x) werde
" >o+>'i).--(^o + y")' " (^i + y,)...(^, + 7")
a?j OJ^
gesetzt, 80 daß
ist. Nach dem Hilfssatz 1 handelt es sich lediglich um den
Nachweis der Konvergenz von
00
NSO
also genügt es a fortiori, die Konvergenz von
zu beweisen. Es ist
••=1 y^
*^ ^. »
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreiben. 199
5»
'°«0-.7^i*)-«(-«r;-f+(d^7ö')'
wo I ;/j I*) fllr alle v unterhalb einer endlichen Schranke liegt.
Daher ist
9?
'°*('-^)=---v^"*+';5.
Cm 1 = A7 I -°-i-^' I •■= ^ ! 1 - ^•--,- ^ 1= C'= '
■.. ,^ A'l5 + 2''l.__
(38)
= e
y=i
-1 r,
vrrl
Nach (37) ist für alle hinreichend großen n
*• 1 1 •• 1
also
'c«!<c
-|«(«.-^)Si^,
(39) ,«/•«, V. C r=l
und es reicht fttr unseren Zweck aus, zu beweisen, daß die Beihe
konvergiert, oder, falls
gesetzt wird, daß die Reihe
* 1
= /Jn
konvergiert. Dies folgt tatsächlich aus
') Dae^l. in der Folge | i^f | für alle v und 1 17s | für alle n.
200 Sitzung der inath.-phys. Klasse vom 8. Februar 1906.
(R ^ R \r-'ßn ^ ßn— ßn-\ ßn — ßn-l _ 1 1
(Pu— Pn^lje Pn<: ~ ^ =
ßn ßnPn-l ßu-l ßn
2. Wird
bn = An (Xo — y,) . . . (Xq — y«),
(^0 — >'j) • • • (^0 — y«) (~ ^0 + yi) • • • (— ^0 + yn)
gesetzt, so ist wegen 9t(— a?o)>^( — ^1) ^^^ Nachweis des
Satzes r für G (x) analog dem obigen Nachweise für F (x).
Für die Reihen G{x) hat Herr Bendixson*) den Satz V
und ebenso die bezüglichen Teile der Sätze U*, Iir, IV schon
bew^iesen, wenn auch unnötigerweise unter Heranziehung der
Weierstra&chen ganzen transzendenten Funktion
n(i——)e.=
welche die y» zu Nullstellen besitzt.
Aus Satz r folgt die Existenz einer Konvergenzhalbebene.
Satz H*. In einer gewissen Umgebung jeder Stelle der
Konvergenzhalbebene konvergiert F{x) bezw. G(x)
gleichmäßig.*)
Beweis: Es genügt (vgl. den Beweis des Satzes H), für
F{x) zu zeigen: Wenn die Reihe in x^ konvergiert, so kon-
vergiert sie gleichmäßig in jedem endlichen Gebiete (S, welches
der Halbebene $R (a;) ^ 5R (x^) + p angehört (wo p eine positive
Größe bezeichnet) und keinen der Punkte — y» enthält (auch
nicht auf dem Rande). In der Tat bezeichnet in
SR
'^('-:-Tf)=K-^;7:+(x-;y.p)
97 eine für alle o; in (9 und alle v dem absoluten Betrage nach
1) 1. c, S. 19, 22, 23, 24.
') Fflr F{x) sind hierbei die Stellen —Yn auszuschließen.
£. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 201
unterhalb einer endlichen Schranke gelegene Oröße. Die For-
meln auf S. 199 ergeben offenbar, wenn x statt x^ gesetzt wird,
daß fUr
und alle hinreichend großen n
n
\c.
ist, welches o; in (9 auch gewählt sei.
gleichmäßige K(mvergenz von
Hieraus folgt die
.ti y«
also von
N=:0
X — X,
0
^ + YnA-l
00
= 1:1"»
M=0
Cn + l
in @. Der Hilfssatz 3 ergibt also für F{x) — und ganz
ebenso für G{x) — den Satz 11*.
Aus Satz ir folgt Satz IH*, nach welchem F(x) und G{x)
in ihrer Konvergenzhalbebene (nach etwaigem Ausschluß der
Punkte — }'n für F{x)) reguläre analytische Funktionen dar-
stellen und beliebig oft gliedweise differentiiert werden dürfen.
Aus der in (39) enthaltenen Gleichung
lim
n = 00
(^i + yi) . . . (^1 + yn)
folgt der Satz IV', nach welchem für F{x) und G{x) auch
das Gebiet der absoluten Konvergenz eine Halbebene ist.
Satz V hat kein Analogon, nach welchem die Breite des
Streifens bedingter Konvergenz stets unterhalb einer endlichen
Schranke gelegen oder auch nur endlich wäre. Vielmehr lautet
der entsprechende
202 Sitzung der matk-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
Satz V: Wenn i und /x die Abszissen der Grenzge-
raden bedingter und absoluter Konvergenz von F (x)
(bezw. G(x)) sind und
lim sup . ° =
<=« „ 1
T
»=1 "»
endlich ist, so ist
Beweis: Es sei F{x^ (bezw. G{Xq)) konvergent und
5»(^,)-9e(:Po) = T + 3p, p>0.
Dann ist zu zeigen, daß F{x^) (bezw. G (xj) absolut konvergiert.
Der Quotient der allgemeinen Glieder für x^ und Xq ist
" (^i + }',)...(^i+}'h)' ' " ('-'Xo+yi)"'(—^o-^yny
und es genügt, die Konvergenz von
MSl
nachzuweisen. Nach (37) und (38) ist von einem gewissen n an
\cn\<e ^t^/" ,=1'"=« .=1'";
nach der Definition von r ist für alle hinreichend großen n
logn
^7
<T+p;
also ist von einem gewissen n an
woraus die Behauptung folgt.
*) Für /i, = »* ist T = 1; wenn r =00 iat, ist der Satz trivial.
*»#^
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 203
Es hat kein erhebliches Interesse, die analogen Unter-
suchungen zu den Sätzen VI, VI! und IX auszuführen, da die
zum Vergleich heranzuziehende Reihe im allgemeinen keine
Dirichletsche wäre.
Dagegen erscheint es wohl von Bedeutung, daß sich die
Abszissen X und /^ der Grenzgeraden für die betrachteten
Reihen im Sinne des Satzes VIII durch einen geschlossenen
Ausdruck darstellen lassen.
Es mögen die Reihen F(x) und G{x) in der Form
F{x) = o, + ]r;
OnT,
7»
e*. (x -t- y,) . . . (^ + y»)'
»=1
geschrieben werden, was nur eine Änderung der Bezeichnung
ist. Dann gilt der
• Satz Vlir: Falls A^O ist, ist für F{x)
(40)
X = lim sup
log
t
für G{z)
(41)
log
k = lim sup
t
£(-l)»a.
»=1
falls /i > 0 ist, ist für F{x) und G{x)
(42)
l0gX2|an
yU =a lim sup j
Beweis: Es brauchen offenbar nur die Formeln (40) und
(41) für X bewiesen zu werden ; denn alsdann folgt der Wert
(42) von fi durch ihre Anwendung auf die Reihen
204
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
welche für reelle x nur absolut, nicht bedingt konvergieren
können, da ihre Glieder von einer gewissen Stelle an durch-
weg ^ 0 oder durchweg < 0 sind.
Es möge zunächst die Gleichung (40) bewiesen werden:
1. Wenn
log
lim sup
Da,
»=1
X
endlich und d > 0 ist, so ist zu zeigen, daü (falls x -f- '^
mit keinem — y» zusammenfallt) F{x + d) konvergiert. Es
ist von einer gewissen Stelle an
log
i
N=l
also, wenn
Ei
<x +
2'
gesetzt wird,
(43)
Femer ist
i
£ ün = Äi
Ät\<e
(.■*i)^l
t
n = l
1
(■+^^')•••('+^')
Yn
also, da für alle hinreichend großen n nach (37)
I v* 1 ^ ^ v ^
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 205
ist, von einer gewissen Stelle an
1 ^ -W-Osf
(44) I / «^d\ f, , x + d
('+'-^)-(
1 +
y»
)
Nun ist
£
o-yi
• • • /h
=x.(^ + }'i)---(^ + y")
= 2
-^ — .^^i —
H=e
■H^-d-hf)
=^ Jj An f r -. r-
An-\
^■
« + yi.+i
Für alle hinreichend großen q und o ^ @ ist also nach (43)
und (44)
farf / . N / — » — \ ^2j^ * ^ •— ^^ ^
a« yj . . . yn
4-e •'=^ ' e •'=^ ' H-c ''=^ e
r=:l
Die drei Glieder dieses Ausdruckes haben ftir ^ = 00, o = 00
den Grenzwert 0 (ersteres nach den Feststellungen von S. 199
bis 200), so daß die Konvergenz von Fix-^S) bewiesen ist.
2. Es ist zu zeigen: wenn a?>0 ist, F{x) konvergiert
und b eine beliebig gegebene positive Größe ist, so ist von
einer gewissen Stelle an
log I Ax
«=1"»
'-^<x + d,
206 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
d. h.
Es werde
.= , (« + y.) • • • (* -t- y»)
gesetzt; dann ist
j _ 4- « — V- «» yi • • • y» (* + yi) • • • (a? + y«)
".=, ~-=. (* + y.) . . . (i; + y») y. • • • y»
+
*('+F,)-('+i;>
Da nach Voraussetzung
existiert, ist für alle n
0
n=rao
Ä|<JB,
also
^■!<4l(' + 7.)-0 + ^)-0 + ^,)-('+F.)l
+ -B 1+^
('+^)-('+7^)
< 2 Be ^''» '■^'
also fOr alle hinreichend großen t
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 207
(«+^) 2
At\<e
M=l
Yn
Der Beweis des Satzes VIII' für die Reihen G (x), also der
Formel (41) ist genau derselbe, wenn man im ersten Teile Ton
der Formel
s«.'^i^-'^-'-i(^.-^.-.)(i-;)...(i-f)
ausgeht, wo
^< = S (— 1)" «'
M = l
ist, und im zweiten Teile Ton
A = S (& - -B— ) 7 jv^
('-n)-(
wo
«= 1 y. • • • y-
= 0
ist. Da das Produkt
0-^)-('-f.)
bei gegebenem positiven x (4= /j, y» • • •) von einem gewissen Index
an konstantes Vorzeichen besitzt und dem absoluten Betrage
nach abnimmt, so folgt die Behauptung im zweiten Teil mit
unwesentlicher Abänderung aus
""="(('-f)'(-^)"RPF
+
Bt
(■-;;)•■•{
1
X
y<+
ö
208 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
mit Hilfe der Ungleichung
Ai\<c+2Ii
\ yJ'\ n+iJ
Endlich gilt für Reihen F(x) bezw. G(x) ein den früheren
Sätzen X und X' entsprechender Satz X*, nach welchem im
Falle a^ > 0 bezw. ( — 1)** a» > 0 (für alle n von einer gewissen
Stelle an) der reelle Punkt X der Qrenzgeraden eine singulare
Stelle der Funktion ist. (Für G (x) wird hierbei i. von allen yn
verschieden angenommen.)
In der Tat ist füi- die Reihen F(x) der erste (direkte)
Beweis des Satzes X wörtlich anwendbar, und für die Reihen
G (x) ergibt sich ebenso — da ohne Beschränkung der Allge-
meinheit A < 0 angenommen werden kann — der Beweis aut
Qrund der Tatsache, daß aus
ö(^) = «0 + £ (- 1)"«.^-?^^^^^- ■^"'-^^
H = \
• • •
yn
durch glied weises DiflFerentiieren für G^*^ (x) eine Reihe ent-
steht, in welcher der mit ( — 1)*» a„ multiplizierte Ausdruck iur
x = 0 (und überhaupt für alle x zwischen k und y,) Null ist
oder das Vorzeichen ( — 1)* besitzt.
§7.
Herr Pincherle*) hat in einer kürzlich erschienenen aus-
führlichen Arbeit die Integrale
(45) ^<p(t)f''dt
0
behandelt, wo a > 0 ist und 9? (t) eine für 0 < ^ < a stetige
reelle oder komplexe Funktion der reellen Variablen t be-
zeichnet. Einige der von ihm bewiesenen Eigenschaften dieser
Integrale entsprechen den Sätzen I, II, UI, IV über Fakultäten-
') 1. c. (s. S. 155, Anm. 1).
£. Landau : Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 209
reihen ; seine Beweise sind — mit einer nachher anzugebenden
Ausnahme — denkbarst einfach und so kurz, daß ich sie zu-
nächst wiederholen will, um alsdann diejenigen neuen Eigen-
schaften hinzuzufügen, welche den Sätzen YIII und X über
Fakultätenreihen entsprechen.
Durch die Substitution
a
t = -
T
geht das Integral
wo 0 < d < a ist, in
•
über, wo
eine für t I^ 1 stetige Funktion von t bezeichnet. Also ist
die Theorie der Integrale (45) identisch mit der Theorie der
Integrale „
und ich will alle Betrachtungen für diese Schreibweise der
Integrale anstellen, auf die auch Herr Pincherle Bezug nimmt.
Es ist ihm nicht entgangen, daß die Funktion (p (t) bezw.
i/;(0 nicht stetig zu sein braucht. Ich mache demgemäß
folgende allgemeinere Annahme: xpif) ist für alle endlichen
reellen ^ > 1 eindeutig definiert, in jedem endlichen Intervalle
t = {\...o)) hat I v^ (0 ! eine endliche obere Grenze, und \p (t)
ist über jedes solche Intervall integrierbar. Alsdann zerfallen
alle komplexen x = u -\- vi in zwei Klassen :
1. Die durch das Integral
O}
^xp{t)t-' dt
1
190«. Sitonngsb. d. muth.-phyB. Kl. 14
210 Sitzung der matli.-ph78. Klasse vom 3. Februar 1906.
für jedes a)> 1 definierte Funktion^) von co besitzt für co = oo
einen Grenzwert.
2. Dies ist nicht der Fall.
Im ersteren Falle nennt man das Integral
konvergent.
Dann gilt der
Satz F": Wenn ^ (Xq) konvergiert und 3t (iPi) > 9i (a;^) ist,
so konvergiert ^{x^)-
Dieser Satz ist zuerst von Herrn Pincherle^) bewiesen
worden. Die Herren Phragm^n,^) Franel*) und Lerch,*) denen
Herr Pincherle ^) die Entdeckung des Satzes zuschreibt, sprechen
tatsächlich nur von denjenigen a?j = a^o + /^ i wo p > 0 ist.
Allerdings ist der Nachweis fQr5R(p)>0 ganz analog.''') Fol-
gendes ist für den Satz I" der Lerch-Pincherlesche
*) In der Tat ist das Produkt zweier integrierbarer Funktionen
bekanntlich integrierbar; wenn tff(t) = tp^ (t) -f iy^^i^) ist (wo Vi (0 und
VaCO reell sind), so existieren die beiden eigentlichen reellen Integrale
a>
J(Vi (0 cos ff log t) + vt (0 sin (o log t))i-**dt,
1
Ol
J( - Vi (0 8in (t^ log t) + tpt (l) cos (ü log f ) ) <- « d ^
i
«) 1. c, S. 14.
■) ,Sur le domaine de convergence de Tint^grale infinie ri^aa:)c -«da*,
u
Comptes rendus hebdomadaires des s^nces de Tacademie des seiences,
Paris, Bd. 182, 1901, S. 1396.
*) Die entsprechende Mitteilung Herrn Francis ist von Herrn Hurwitz
auf S. 864—866 seiner Arbeit publiziert: ,Sur quelques applicationa
g^metriques des s^ries de Fourier*, Annales »cientifiques de Pecole
normale sup^rieure, Ser. 3, Bd. 19, 1902.
^) ,Sur un point de la theorie des fonctions g^neratrices d'Abel',
Acta mathematica, Bd. 27, 1903, S. 345.
«) 1. c, S. 13.
') Die von Herrn Nielsen in seiner Arbeit «Elementare Herleitung
einiger Formeln aus der Theorie der Gammafunktion" (Monatshefte für
Mathematik und Physik, Bd. 15, 1904, S. 316) gegebene Begründung für
die Sätze V" und 11"' des Textes ist unzureichend. Seine auf S. 325
E. Landau: Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 211
Beweis: Wenn
€0
1
gesetzt wird, existiert nach Voraussetzung
Um !P(tw),
a>= 30
SO daß insbesondere | W((o) \ für alle a> > 1 unterhalb einer
endlichen Schranke J, gelegen ist. Es besteht nun die
Qleichung
(46) Jtp(t)t-'idt=¥{(o)€ü-'i-^'o+{x—x^)Jw{t)t-''^-^'o-idt.
Wegen 5R (x^) > 5R (x^) ist
lim !P(cü)a>-*i+'ü = 0;
CD^ JO
wegen
konvergiert das Integral
»'(O I < A
OD
1
also folgt aus (46) die behauptete Konvergenz des Integrals
S{x^)=Jtp(t)t-'idt
1
und zugleich die Relation
des «Handbuches* gemachte Angabe, Herr Pincherle habe die Kon-
vergenz des Integrales für ^(x^)^^ [Xq) nachgewiesen, ist nicht richtig;
Herr Pincherle spricht — mit Recht — nur von der Konvergenz für
Ä (Jt) > ^ W» und für SR (j?i) = SR (Xq) braucht das Integral nicht zu
konvergieren. Endlich schreibt Herr Nielsen a. a. 0. (S. 326) irrtümlich
mir die Priorität der Bemerkung zu, daß der Satz I'" auch ohne Yoraus-
setzung der Stetigkeit von yf [t) gilt
14*
212 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
OD 00
J V' (0 ^"'* dt = {x,—x^)S Vit) ^-'i+'o-i dt
1 1
Aus Satz I" folgt für das Integral ^{x) die Existenz einer
Konvergenzhalbebene, deren Abszisse A natürlich auch — co
oder 4" ^ sein kann.
Satz 11": In jedem endlichen Gebiete ®, welches inner-
halb der Konvergenzhalbebene liegt, ist das Integral
^{x) gleichmäiaig konvergent.
Bevreis (nach Herrn Pincherle): Nach Voraussetzung gibt
es zwei positive Konstanten p und g, so daß für alle a: in @
yi(x)^X'\r^P. \x\<q
ist. Es sei
o>
^yj{t)t-'^dt = W(co),
1
Dann folgt wegen
I W{a>)\<Ä
aus
jV {t)t-^dt= !P(ö>,) a>,-'+'o _ ;F(ft>o) cÜQ-^+'o
1
-\-{x — «„) j" !P(0 <-*+'o-i dt
die Ungleichung
0)0
^yj(t)t-'dt
< — + — + (7 + ^ + ;>) -1 ? 7^ ,
1 0 o\)
deren rechte Seite gegen Null konvergiert, falls cOq und a>, ins
Unendliche rücken. Damit ist der Satz bewiesen.
Der Satz II'" führt zum
Satz Iir": 3 (a:) stellt in seiner Konvergenzhalbebene
eine reguläre analytische Funktion von x dar und
darf in jener Halbebene beliebig oft unter dem
Integralzeichen differentiiert werden.
E.Landau: Grundlag'en der Theorie der Fakultätenreihen. 213
Um zu zeigen, daß 3 (x) eine analytische Funktion von x
ist, beweist Herr Pincherle unnötigerweise zuerst, daß das durch
DiiTerentiieren unter dem Integralzeichen entstehende Integral
für 5R (a;) > A konvergiert und zwar in einer gewissen Umge-
bung jeder Stelle gleichmäßig; er wendet dann einen Satz von
Scheefifer ^) an, nach welchem daraus der analytische Charakter
von 3(j:) folgt. Jener Nachweis der Konvergenz (und zumal
der gleichmäßigen Konvergenz) ist jedoch überflüssig, da statt
des Scheeflfierschen Satzes ein viel weittragenderer Satz von
Herrn de la Vall^e Poussin*) zur Verfügung steht; ich mache
hier zu Herrn Pincherles Beweisführung die analoge Bemer-
kung wie auf S. 168, Anm. 1 gegenüber Herrn Cahen, und es
erscheint mir prinzipiell wichtig, diese Dinge zu erwähnen,
obgleich im vorliegenden Fall die Untersuchung des durch
Diflferentiieren unter dem Integralzeichen entstehenden Inte-
grals keine Mühe macht.
Der Satz von Herrn de la Vallee Poussin ') lautet :
Es sei n eine Zahl, welche unstetig oder stetig
ins Unendliche wächst, f(x,n) für jedes in Betracht
kommende n eine in einem zusammenhängenden Ge-
biete ® reguläre analytische Funktion von x. Es
existiere für alle :r in ® der Grenzwert
lim fix,n) =f{x\
N = OD
und zwar konvergiere f{x,n) für alle :r in ® gleich-
mäßig gegen f(x).
^) ,Über einige bestimmte Integrale, betrachtet als Funktionen
eines komplexen Parameters*, Habilitationsschrift, München, 1883, S. 5-6.
') „Sur les applications de la notion de convergence uniforme dans
la theorie des fonctions d'une variable complexe*, Annales de la societe
scientifique de Bruxelles, Bd. 17, Teil 2, 1893, S. 324—325.
*) Herr de la Vallee Poussin beweist ihn durch Anwendung der
— von ihm wiedergefundenen — Moreraschen ümkehrung des Cauchy-
schen Satzes. Für den Fall, daß n alle positiven ganzen Zahlen durchläuft,
stellen 1. und 2. den auf S. 163—164 erwähnten Weierstraßschen Satz dar.
214 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Februar 1906.
1. Dann ist f{x) in ® eine reguläre analytische
Funktion von x,
2. Es ist für Ä = 1, 2, 3, . . . in ®
„-.„ dx^ dx^
3. Bei gegebenem k konvergiert — J^-^ — - gegen
/*<*) (x) für jedes innerhalb ® gelegene Gebiet ®' gleich-
mäßig.
Durch Anwendung von 1. und 2. ergibt sich folgender
Beweis des Satzes III"': Es werde
fix,n)=jy>(t)t-'dt
1
gesetzt, wo n alle positiven Werte > 1 durchläuft; ® sei ein
beliebiges, in der Halbebene {R (a;) > i gelegenes, zusammen-
hängendes Gebiet. Nach Satz 11"' konvergiert f{x^ n) in ®
gleichmäßig gegen ^{x); femer ist f{x^n) bei konstantem n
eine in ® reguläre analytische Funktion von x; denn^) es ist
die gliedweise Integration der unendlichen Reibe
Über das Intervall (1 . . . n) erlaubt, und die hierdurch ent-
stehende Reihe stellt sogar eine ganze transzendente Funktion
von X dar. Nach 1. ist also
Um f{x, n) == 3 (x) = ftp (t) t-' dt
N = 30 I
in ®, also überhaupt für 5R(a:)>A eine reguläre analytische
Funktion; nach 2. ist in ®, also für ^(x)>X
^-^ = h(t){-\ogtyt-'dt,
womit der Satz III'" bewiesen ist.
*) Man braucht hierzu nicht einmal die von Herrn de la Vall^e
Poussin aus seinem Satze gezogenen allgemeinen Folgerungen über Inte-
grale mit einem komplexen Parameter.
E. Landau : Grundlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 215
Aus
ergibt sich ohne weiteres der
Satz IV'":'Der Bereich absoluter Konvergenz von
ist eine Halbebene 5R(a;)>/i mit eventuellem Ein-
schluß des Randes.
Diesen bekannten Sätzen füge ich nun die Analoga zu
den Sätzen YIII und X über Fakultätenreihen hinzu.
Die Bestimmung der Abszissen X und jn der Grenzgeraden
bedingter und unbedingter Konvergenz ergibt sich durch den
Satz Vm": Falls ;i>0 ist, ist
log
01 = 00
(47) X = lim sup
tu
falls /i^O ist, ist
Q>
^tf (t) d t
log CO
Ol
(48)
logX|v;(OM^
/i = lim sup
a>^»
log W
Beweis: Es braucht nur die Formel (47) bewiesen zu
werden; denn aus ihr ergibt sich (48) durch Anwendung auf
das Integral J | v^ (0 I ^~* dt
1. Es werde
log
lim sup
cu = ao
a>
jtp{t)dt
log 0)
X
gesetzt, und es sei x endlich, 5>0; dann soll die Konver-
genz von
^{x + S) = 'lxp{f)t—-^dt
gezeigt werden. Wenn
216 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 8. Februar 1906.
<o
1
gesetzt wird, ist
CO CD
1 1
Von einer gewissen Stelle an ist
I *(co)|<co «;
daher ist
lini 4>(a>)fo-'*-^ = 0,
Qi=aD
und das Integral
1
ist (sogar absolut) konvergent, da von einer gewissen Stelle an
6
t ^
ist; nach (49) existiert also, wie behauptet,
0»
lim J> (0 1-"-* rf< = 3 (x + S).
tozziOi
2. Es sei o; > 0 und 3 (x) konvergent, d > 0 ; dann ist zu
zeigen, daß von einer gewissen Stelle an
I <P(cü)|<tt>'+^
ist. Falls
€0
1
gesetzt wird, ergibt sich
i^%p{t)t'-'dt = W{(o)
tO €0 tu
0(oJ)^CyJ(t)dt==^^^^(t)t-*'^dt = W{o))(o'—x^W{t)i''^dt,
1 1 1
also wegen
ßf^^-'^m
E. Landau: GniDdlagen der Theorie der Fakultätenreihen. 217
W{co)\<B (für aUe a>^l)
i 0(co) i < JS a>* + Bxjf-^ dt = Bco' + B((o' — l)<2 Bco',
1
folglich von einer gewissen Stelle an
|4>(tü)|<a)«+^
womit der Satz VUI" bewiesen ist.
Endlich gilt der — von mir bereits publizierte *) —
Satz X": Wenn für alle t von einer gewissen Stelle
an (f^a)
ist und das Integral
eine im Endlichen gelegene Konvergenzgerade*)
9{(j;) = i besitzt, so ista: = A eine singulare Stelle
der in der Halbebene 9t(x)>A durch das Integral
3(^) definierten analytischen Funktion.
Beweis: Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann
a = 1 angenommen werden, da
^yj{t)t-'dt
eine ganze transzendente Funktion von x ist. Nach Satz IIF"
ist nun, mindestens für \ x — X — 1 | < 1,
- (x — X- ly
3 (^) = E
kl
3W(A + 1)
^ <^ (A -^ 1 — a:)*
*=o '^' 1
Jyj{t)t-^''no^tdt.
Wäre X = X eine reguläre Stelle, so wäre der Konvergenz-
radius r dieser Potenzreihe > 1. Es sei jp so gewählt, daß
p>0, l + p<r
*) 1. c. (s. S. 191, Anm. 1), S. 648.
^ Natürlich muß hier fi^= ^ sein.
218 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. Februar 1906.
ist. Dann wäre die Potenzreihe für x = X — p konvergent.
Da alle Elemente in
k = 0
> 0 sind, ist die Vertauschung von Summation und Integration
erlaubt; es konvergiert also das Integral
jv^(0^-^-^f;^^-y~iog*^d^=Jv
gegen die Voraussetzung, daß X die Abszisse der Grenzgeraden
von 3 (x) ist. Daher ist, wie behauptet, a; = A eine singulare
Stelle der Funktion.
219
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. März 1906.
1. Herr R. Hertwig hält einen Vortrag über: ^Weitere
Untersuchungen über die Ursachen der Qeschlechts-
bestimmung bei den Fröschen.* Derselbe wird ander-
weitig zur Veröflfentlichung gelangen.
Herr Hertwiö macht darin weitere Mitteilungen über die
Untersuchungen, welche er über die Entwicklung des Uro-
genitalsystems bei Fröschen und Kröten angestellt hat, unter
besonderer Berücksichtigung der Veränderungen, welche durch
Überreife der Eier hervorgerufen werden.
2. Herr L. Burmester referiert: „Über eine Theorie der
geometrisch -optischen Gestalttäusch un gen.*
Diese merkwürdigen Öestalttäuschungen, die man seit nahe
300 Jahren vereinzelt beobachtet hat, aber noch nicht mit Erfolg
untersucht wurden, sind dadurch charakterisiert, daß an einem
monokular betrachteten, körperlichen Gebilde das Fernere näher
und das Nähere ferner erscheint, da£ somit das Vertiefte erhaben
und das Erhabene vertieft gesehen wird. Den Beobachtungen
zufolge stehen Objektgebilde und entsprechendes Truggebilde
in involutorischer reliefperepektiver Beziehung. Denn die Ver-
bindungsgeraden der entsprechenden Objektpunkte und Trug-
punkte gehen durch den Gesichtspunkt, den Drehpunkt des
beobachtenden Auges; die entsprechenden Objektgeraden und
Truggeraden sowie die entsprechenden Objektebenen und Trug-
ebenen schneiden sich in einer Neutralebene. Ferner gehen
die Truggeraden, welche parallelen Objektgeraden entsprechen,
220 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. März 1906.
durch einen zugehörigen Trugfluchtpunkt; und alle Trugflucht-
punkte befinden sich in einer zur Neutralebene parallelen
Ebene, die den Abstand des Gesichtspunktes von der Neutral-
ebene halbiert. Demnach kann das subjektive Truggebilde,
welches einem beobachteten Objektgebilde entspricht, im voraus
konstruiert, also auch als körpeftliches Gebilde hergestellt und
mit dem wahrgenommenen subjektiven Truggebilde sukzessiv
verglichen werden, um die Theorie zu bestätigen. Umgekehrt
erscheint infolge der involutorischen Beziehung das körperlich
hergestellte Truggebilde, wenn es an die Stelle des erschienenen
subjektiven Truggebildes gesetzt wird, durch die Gestalttäuschung
wieder in der Gestalt des von seiner Stelle weggenommenen
ursprünglichen Objektgebildes.
Ein wichtiges Kennzeichen des erschienenen Truggebildes
ist, daß bei ruhendem Gesichtspunkt "einer Drehung des Objekt-
gebildes eine entgegengesetzte Drehung des Truggebildes mit
gestaltlicher Veränderung entspricht, daß bei ruhendem Objekt-
gebilde und bewegtem Gesichtspunkt das Truggebilde in selt-
samer Bewegung und gestaltlicher Veränderung erscheint. Diese
Bewegungs Vorgänge und diese gestaltlichen Veränderungen wer-
den durch die Theorie erklärt und durch die Beobachtungen
auch bestätigt. Die Gestalttäuschungen und die damit zusammen-
hängenden mannigfaltigen Erscheinungen wurden an einigen,
aus weißem Karton hergestellten, monokular betrachteten Objekt-
gebilden demonstriert: z. B. an einem einfachen, schräg ge-
sehenen rechteckigen Blatt, welches an einem Stab befestigt
ist, an einem geknickten rechteckigen Blatt, an einem Hohl-
würfel und Vollwürfel sowie an einer kleinen Treppe, die alle
durch die Gestalttäuschungen umgestülpt in veränderter Ge-
stalt und veränderter Beleuchtung erscheinen ; femer an Hohl-
formen von Reliefs und Masken, die besonders leicht erhaben
gesehen werden.
Die Abhandlung über diese Theorie der geometrisch-
optischen Gestalttäuschungen wird in der , Zeitschrift für Psy-
chologie und Physiologie der Sinnesorgane" erscheinen.
•if-e ^,
Sitzung der math.-phjs. Elaase vom 3. März 1906. 221
3. Herr Alfr. Pbingsheim legt eine Arbeit von Herrn Fritz
Hartoos vor: , Einige Folgerungen aus der Cauchyschen
Integralformel bei Funktionen mehrerer Veränder-
lichen.*
Durch Übertragung der Cauchyschen Randintegral-Dar-
stellung auf Funktionen von zwei oder mehreren Veränder-
lichen gewinnt der Verfasser verschiedene in der Theorie der
Funktionen einer Veränderlichen keinerlei Analogon besitzende
Theoreme, welche gestatten, aus dem regulären Verhalten
solcher Funktionen in gewissen beschränkten Bereichen die
Regularität in merklich erweitertem umfange zu erschließen
und bestimmte Aussagen über die eventuelle Verteilung singu-
lärer Stellen zu machen.
223
Einige Folgeriingen ans der Ganchyscheii Integral-
formel bei Funktionen mehrerer Veränderlichen.
Von F. Hartogs.
{Singelanftn 3. Märt,)
Ist eine analytische Funktion f(x) flir alle dem Bereiche B
der a;- Ebene (einschl. Begrenzung) angehörenden Werte der
komplexen Veränderlichen x eindeutig und regulär, so gilt
nach Cauchy für alle x, welche inneren Punkten dieses Be-
reiches entsprechen, die Beziehung:
««)=iVJ/i!l«.
das Integral erstreckt über die (im gehörigen Sinne zu durch-
laufende) vollständige Begrenzung C des Bereiches B.
Durch zweimalige Anwendung dieser Formel erhält man
für analytische Funktionen f{x,y) zweier unabhängiger kom-
plexer Veränderlichen x und y unter geeigneten Voraus-
setzungen die analoge Beziehung:
/•(-^)=(2^)7/
m v)
(I - x)iri-y)
dSdt],
bei welcher x einen inneren Punkt des Bereiches B der a;-Ebene,
y einen solchen des Bereiches B' der y-Ebene bedeutet, und f
die vollständige Begrenzung C des Bereiches B, tj diejenige C
des Bereiches B' durchläuft.
Wie nun eine genauere Untersuchung zeigt, ist es, um die
Gültigkeit dieser Formel nachzuweisen, gar nicht nötig zu
224 Sitzung der matb.-phys. Klasse vom 8. März 1906.
wissen, daß f{x,y) im vollen Qebiete (J?, J?') regulär sei; viel-
mehr genügt es zu diesem Zwecke schon, wenn von f{x^y)
nur feststeht, daß es sich in einem gewissen Teilgebiete
desselben regulär verhalte. Da aber andererseits der Ausdruck
auf der rechten Seite der Gleichung — unter der Voraus-
setzung, daß wenigstens jeder Punkt (f , i;) des Integrations-
gebietes jenem Teilgebiete angehöre, — allemal eine im vollen
Gebiete (jB, B') eindeutige und reguläre analytische Funktion
von X und y darstellt, so ergeben sich auf diese Weise ganz
unmittelbar einige bemerkenswerte Sätze, auf welche, wie
es scheint, die Aufmerksamkeit bisher noch nicht gelenkt
worden ist.^)
Bedeutet F eine irgendwie definierte Gesamtheit von Wert-
systemen (a;, y), so sagen wir im folgenden, der Funktions-
zweig (oder auch kurz die Funktion) f{x^ y) verhalte sich ,im
Gebiete F eindeutig und regulär*, wenn es möglich ist, jedem
Punkte X ==^ x\ y = y' von F ein so kleines Ereisgebiet
\ X — x' \ <, Q, \y — y' \<q' zuzuordnen, daß die von x und y
abhängige Größe f{x^y)
1. für jede Stelle (a?, y), welche einem oder mehreren
dieser Ereisgebiete angehört, noch eindeutig erklärt sei,
2. innerhalb jedes einzelnen Ereisgebietes mit einer nach
ganzen positiven Potenzen von x — x' und y — y' fortschrei-
tenden und daselbst absolut konvergierenden Reihe dem Werte
nach übereinstimme.
Stellt F speziell eine abgeschlossene Punktmenge dar,
so ist es, wie leicht zu zeigen, dann auch stets möglich, die
Wahl der Größen q und q' so zu treffen, daß keine einzige
von ihnen kleiner sei als eine gewisse feste positive Größe a.
Das Analoge gilt für den Fall beliebig vieler Veränder-
lichen.
^) Die betrefPenden Sätze hat der VerfB^ser zum Teil schon in
seiner Inaugural-Dissertation (München 1903) auf anderem Wege herge-
leitet. (S. daselbst Kap. VI.)
Hartogs : Folgerungen aus der Cauchyschen Integralformel. 225
1.
Es sei in der ar-Ebene ein beliebiger Bereich B^), des-
gleichen in der y-Ebene ein beliebiger Bereich B' vorgelegt.
Die Randkurven dieser Bereiche mögen mit C bezw. C be-
zeichnet werden, und es stelle y = yQ irgend einen festen, dem
Bereiche B' angehörenden Punkt dar. Wir wollen alsdann
annehmen, es stehe von dem Zweige f{x^y) einer analytischen
Funktion der beiden unabhängigen Veränderlichen x und y
lediglich fest, daß er sich in dem ganzen Gebiete eindeutig
und regulär verhalte, welches besteht
a) aus allen Stellen (o;, y), für welche x der Begrenzung (7
des Bereiches B und y gleichzeitig dem Bereiche B' ange-
hört, und
b) aus allen Stellen {x^ y^), für welche x dem Bereiche B
angehört.
Es gibt alsdann zunächst, da B eine abgeschlossene Punkt-
nienge darstellt, eine positive Größe Ic derart, daß f{x^ y) auch
noch an allen Stellen (o;, y), für welche x dem Bereiche B an-
gehört und y der Bedingung | y — ?/o *^ ^' gß^^ig^» eindeutig
und regulär ist; die Gesamtheit aller inneren Punkte y von B\
für welche zugleich \y — ?/q | < Ä gilt, heiße K.
^) Unter einem »Bereich B* der ar-Ebene werde im folgenden
stets eine abgeschlossene Punktmenge von der Beschaffenheit ver-
standen, daß a) jeder Punkt x derselben entweder selbst ein innerer
Punkt der Menge ist (d. h. daß alle Punkte eines genügend kleinen
Kreises mit dem Mittelpunkte x ebenfalls zu B gehören) oder doch als
Häufungsstelle von inneren Punkten erscheint, und daß b) je zwei innere
Punkte von B stets durch eine aus einer endlichen Anzahl geradliniger
Stücke zusammengesetzte Linie miteinander verbunden werden können,
welche ganz aus inneren Punkten von B besteht. Die Gesamtheit der
Begrenzungspunkte von B (also derjenigen Punkte von B, welche
nicht zugleich innere sind) möge die , Begrenzung* oder die „Rand-
kurve* C des Bereiches B heißen; sie stellt ebenfalls eine abgeschlossene
Punktmenge dar. In der entsprechenden Weise mögen B' und C in
der y-Kbene erklärt sein. Endlich möge ein „Bereich B* der 4-dimen-
sionalen xy-Mannigialtigkeit in Bezug auf die letztere die analogen
Eigenschaften besitzen wie ein Bereich B in Bezug auf die 2-dimen-
aicnale ^-Mannigfaltigkeit.
19M. Hitzungsb. d. math.-pbys. Kl 15
226 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. März 1906.
Wird nun der Einfachheit halber fürs erste vorausgesetzt,
daß die Begrenzung C des Bereiches B und ebenso diejenige C
des Bereiches B' durch je eine endliche Anzahl von stetigen
rektifizierbaren Kurven gebildet werde, so hat man, solange \j
auf das Gebiet K beschränkt bleibt und x einen inneren
Punkt des Bereiches B bedeutet:
A-) = 2^;?^^^-
das Integral über die vollständige Begrenzung C des Bereiches B
erstreckt. Des weiteren ist aber, wenn f irgend einen Punkt
von G bezeichnet und y seine bisherige Bedeutung beibehält:
«^•"=2^11?^^'.
v — y
das Integral erstreckt über die Begrenzung von B\ Somit
ergibt sich:
c c
Der auf der rechten Seite dieser Gleichung stehende Aus-
druck, welcher hiernach im ganzen Innern des Gebietes (2?, K)
mit f{x^ y) übereinstimmt, stellt aber eine im Innern des vollen
Gebietes (jB, B') eindeutige und reguläre analytische Funktion
von X und y dar.*) Infolge der bezüglich f{x^ y) geltenden
Voraussetzungen nämlich ist die Größe unter dem doppelten
Integralzeichen, solange x einen inneren Punkt von B, y einen
solchen von B' bezeichnet, eine im ganzen Integrationsgebiete
stetige Funktion der Integrationsveränderlichen f, ?;, und daher
besitzt das Doppelintegral auch noch für alle diese Werte von
*) £in direkter Nachweis hierfür ergibt sich auch aus gewissen
allgemeinen Sätzen über Integrale von Funktionen, welche zugleich
analytische Funktionen eines oder mehrerer Parameter sind. (Vgl. für
den einfuchsten Fall FiUzykl. d. math. Wisa. II 6 1, Nr. 6« p. 22 sowie
die Anfangsbemerkung in Nr. 43.)
Hartogs: Folgerungen aus der Cauchy sehen Integralformel. 227
X und y jedenfalls einen wohlbestimmten endlichen Wert. Des
weiteren kann aber, wenn x = x^, y = y^ irgend ein festes der-
artiges Wertepaar bedeutet, 77 ^rV^ ^ durch eine nach
ganzen positiven Potenzen von x — x^ und y — y^ fortschreitende
Doppelreihe ersetzt werden, deren Koeffizienten von x und y
unabhängig sind, und welche bei geeigneter Beschränkung der
absoluten Beträge von x — x^ und y — y^ absolut, sowie in
Bezug auf alle in Betracht kommenden Wertsysteme f, rj
gleichmäßig konvergiert. Diese sämtlichen Eigenschaften
der Reihe bleiben auch dann noch bestehen, wenn man die-
selbe, was bei passender Anordnung ihrer Tenne möglich ist,
als einfach unendliche Reihe auffaßt. Durch gliedweise
Integration dieser letzteren erhält man dann in der Tat die
Entwicklung des Doppelintegrals nach positiven ganzen Potenzen
von X — x^ und y — y,, und zwar konvergiert die so sich er-
gebende (zunächst als einfach unendlich gedachte) Reihe sicher-
lich absolut, wenn man noch die obere Schranke für die ab-
soluten Beträge von x — tTj und y — y, beliebig wenig ver-
kleinert; die Reihe kann somit, wenn man will, auch wieder
als absolut konvergente Doppelreihe aufgefaßt werden.
Hieraus geht aber hervor, daß der betrachtete Ausdruck
die Funktion f(x, y) bezw. ihre analytische Fortsetzung auch
noch im Innern des vollen Gebietes {B, B') darstellen muß;
fi^iV) verhält sich also notwendig auch noch in der
Umgebung jedes im Innern des Gebietes {B^B*) ge-
legenen Punktes {x^y) regulär.
Läßt man jede spezielle Annahme bezüglich der Begren-
zung der Bereiche B und B' fallen, so kann man in folgender
Weise zum Ziele gelangen. Aus den Voraussetzungen folgt
zunächst die Existenz einer positiven, von Null verschiedenen
Größe a von der Beschaffenheit, daß, sobald x = x\ y =^y'
irgend eine der unter a) oder b) genannten Stellen bedeutet,
f{x, y) noch in jedem Gebiete \x — a?' 1 < a, \y — y'\<a ein-
deutig definiert und regulär ist. Die a;-Ebene werde nun auf
irgend eine Weise in kongruente Quadrate von der Seitenlänge
16*
228 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 3. März 1906.
^ a eingeteilt, und das von allen denjenigen Quadraten, welche
im Innern oder längs der Begrenzung irgend einen Punkt von
B enthalten, überdeckte Gebiet (einschl. Begrenzung) mit Ji^
bezeichnet. Jeder Punkt von J3 ist alsdann innerer Punkt von
-Bj, und jeder nicht zu B gehörige Punkt von JS,, speziell
also jeder Begrenzungspunkt von B^ ist von einem gewissen
Punkte des Bereiches B und daher auch von einem gewissen
Punkte der Begrenzung C desselben um weniger als | a ent-
fernt. Auf die nämliche Weise möge aus dem Bereich B' der
y-Ebene der erweiterte Bereich B[ gebildet werden. Offenbar
ist es alsdann, ohne daß die Voraussetzungen ihre Gültigkeit
verlieren, gestattet, in denselben die Bereiche B und B' durch-
weg durch JBi bezw. Bl zu ersetzen. Nach dem oben Bewie-
senen verhält sich somit der betrachtete Funktionszweig / (x, y)
im Innern des Gebietes (J5i, -BI), also sicher im vollen Gebiete
(£, B') regulär.
Wir können demnach den folgenden Satz aussprechen:
Es sei C die Begrenzung eines beliebigen Be-
reiches B der a:-Ebene und y^^Po irgend ein dem Be-
reiche B' der y-Ebene angehöriger Punkt. Verhält
sich alsdann der Zweig f{x^y) einer analytischen
Funktion von x und y in demjenigen Gebiete ein-
deutig und regulär, welches aus allen unter a) und b)
genannten Punkten besteht, so verhält sich die Fort-
setzung') desselben auch noch im vollen Gebiete
(jB, -B') eindeutig und regulär.
Ein zweiter Beweis für diesen Satz, bei welchem nur ein-
fache Integrale auftreten, möge hier noch angedeutet werden.
Es werde die oben benutzte Einteilung der :c-Ebene in
Quadrate von der Seitenlänge J a wieder aufgenommen und
das von allen denjenigen Quadraten, welche im Innern oder
längs der Begrenzung irgend einen Punkt von B^ aufweisen,
^) Dabei handelt es sich selbstredend nur um solche Fortsetzungen,
welche man erhält, ohne daß x den Bereich B und y den Bereich B'
Terläßt.
Hartogs: FolgerungeB aus der Gauchyschen Integralfomiel. 229
überdeckte Grebiet (inkl. Begrenzung) mit B^ bezeichnet. Der
Bereich B^ enthält dann den Bereich B^ in seinem Innern,
und jeder nicht zu B gehörige Punkt von B^ ist von einem
gewissen Punkte von B und daher auch von einem gewissen
Punkte von C um weniger als a entfernt. Der nicht zu J5,
gehörige Teil von B, möge (einschl. seiner Begrenzung) mit 8
bezeichnet werden. f(x, y) verhält sich alsdann im Gebiete
(S, B') eindeutig und regulär und es gilt somit:
wobei X irgend einen inneren Punkt des Gebietes ä, y irgend
einen Punkt von B' bezeichnet, und die Integrale jedesmal
über die vollständige Begrenzung des in Parenthese ange-
gebenen Gebietes zu erstrecken sind.
Andererseits verhält sich f(x,y) im Gebiete (J5j, | y — y^ | <a)
eindeutig und regulär, und es gilt somit, solange \y—yo\<.o ist.
!
(Bt) ^ ~ ^
df = 0
für jeden nicht zu B^ gehörigen Wert von x. Da aber für
jeden solchen Wert von x dieses Integral eine im Bereiche B'
durchweg reguläre analytische Funktion von y darstellt, so
verschwindet es auch für jedes dem Bereiche B' angehörige
y, und die rechte Seite der Gleichung (1) reduziert sich somit
stets auf ihr erstes Glied. Dieses, welches demnach im Gebiete
(S, B') mit 2 7iif{x^y) dem Werte nach übereinstimmt, stellt
aber eine im Innern des ganzen Gebietes (B2t -ßi)» speziell also
im vollen Gebiete {B, B') eindeutige und reguläre analytische
Funktion von x und y dar.
2.
Über die Verteilung der singulären Stellen bei den
analytischen Funktionen zweier Veränderlichen sagt der soeben
bewiesene Satz folgendes aus:
Es sei G die Randkurve irgend eines Bereiches B
derx-Ebene, welcher den Nullpunkt enthält. Ist als-
230 Sitzung der inatb.-pbys. Klasse vom 3. März 1906.
dann der Punkt x = 0, y = 0 für einen gewissen Zweig
f(x^y) einer analytischen Funktion von x und y eine
singulare Stelle, während dieser Zweig sich eindeutig
und regulär verhält an jeder Stelle (a:, 0), für welche
X auf (7 liegt, so gibt es eine Zahl l>0 derart, daß zu
jedem Punkte y = yQ des Kreises |y | <i eine singulare
Stelle (Xq, y^) jenes Zweiges existiert, für welche Xq
dem Bereiche -B angehört.
Infolge der über f{x, y) gemachten Voraussetzungen exi-
stiert nämlich jedenfalls eine positive Größe l von der Be-
schafiPenheit, daß f{x, y) noch im Gebiete (C, \y[<l) eindeutig
und regulär ist. Die so bestimmte Größe l genügt aber dann
zugleich den Anforderungen des Satzes. Ist nämlich y = y^
irgend ein der Bedingung | ^o I !^ ^ genügender Wert, und ver-
hielte sich entgegen der Behauptung f{x, y) in der Umgebung
einer jeden Stelle (a:, y^ regulär, für welche x dem Bereiche B
angehört, so müßte nach dem in Nr. 1 bewiesenen Satze /'(a;,y)
auch im vollen Bereiche (jB, | y | < 0 eindeutig und regulär sein,
während ja der Punkt a; = 0, y = 0 für f{x,y) eine singulare
Stelle sein sollte.
Durch Spezialisierung ergibt sich aus obigem Satze der
folgende :
Ist der Punkt a; == 0, y = 0 eine singulare Stelle für den
Funktionszweig f{x, y), gibt es jedoch in einer gewissen Nach-
barschaft dieses Punktes für f(x,y) keine weitere singulare
Stelle, deren y- Koordinate Null ist, oder gibt es wenigstens
innerhalb jedes beliebig kleinen Kreises um x ^=0 noch Be-
reiche jB, welche den Punkt x = 0 enthalten, und deren Rand-
punkte mit y = 0 sämtlich reguläre Stellen für f{x,y) ergeben,
so läßt sich zu jeder beliebig kleinen positiven Zahl k
stets eine zweite l derart angeben, daß zu jedem
Punkte y = yQ des Kreises \y\<l mindestens eine sin-
gulare Stelle (^o'^o) jenes Funktionszweiges existiert,
welche der Bedingung |a;Q|<Ä genügt.
Hartogs: Folgerungen aus der Cauchy sehen Iniegralfomiel. 231
3.
Ist ein beliebiger Bereich B der rc-Ebene sowie ein be-
liebiger Bereich B' der y-Ebene vorgelegt und steht von dem
Zweige f{Xy y) einer analytischen Funktion fest, daß er sich in
demjenigen Gebiete eindeutig und regulär verhalte, welches aus
allen Begrenzungsstellen des Bereiches B = (J5,J5') besteht
(d. h. sowohl aus allen Stellen {x, y\ für welche x der Rand-
kurve von B und y dem Bereiche B' als auch aus allen den-
jenigen, für welche x dem Bereiche B und y der Randkurve
von B' angehört), so ist nach dem in Nr. 1 bewiesenen Satze
f{x^ y) notwendig auch im vollen Bereiche B eindeutig und
regulär. Dieser Satz läßt sich nun auf völlig beliebige Be-
reiche B*) der a; y-Mannigfaltigkeit übertragen; doch werden
wir uns hierbei auf die Betrachtung eindeutiger analytischer
Funktionen beschränken. Der Satz lautet alsdann:
Liegt ein beliebiger Bereich B der a:y-Mannig-
faltigkeit vor und steht von der eindeutigen analyti-
schen Funktion f(x,y) fest, daß sie sich an jeder Be-
grenzungsstelle (o?, y) des Bereiches B regulär ver-
halte, so verhält sie sich auch im vollen Bereiche B
regulär.
Beweis. Da die Begrenzung von B eine abgeschlossene
Menge von Punkten {x, y) darstellt, so läßt sich zunächst
wiederum eine positive Größe a angeben, so beschaffen, daß
wenn {x\ y') irgend eine Begrenzungsstelle von B bedeutet,
/ (x, y) auch noch in jedem Gebiete \x — a:' | < a, | y — y' | < a
regulär ist.
Die Gesamtheit der y-Koordinaten aller Punkte von B
bildet offenbar einen Bereich B' der y-Ebene. Ist y = yo ein
Randpunkt von B' (oder auch ein beliebiger Punkt von B\
welcher von einem Randpunkte um weniger als a entfernt ist),
so ist f{x, y) sicher in der Umgebung jeder dem Bereiche B
augehörenden Stelle {x^ y) regulär, deren y-Koordinate gleich
y^ ist. Wüßte man, daß das nämliche auch von jedem be-
1) Siehe p. 225, Fußnote i).
232 Sitzung der math.-pbys. Kluäse vom 8. März 190G.
lie bigeil Punkte y = y^ des Bereiches -B' gilt, so wäre damit
die Behauptung erwiesen. Die gegenteilige Annahme führt aber
in der Tat auf einen Widerspruch. Gäbe es nämlich auch
Punkte y = yi von JB', für welche jene Aussage nicht zu-
träfe, so müßten speziell auch zwei Punkte y = y© ^^^ y = ^i
des Bereiches B' nachweisbar sein, von denen der erste, y^,
jene Bedingung erfüllt, der andere, y,, hingegen nicht, und
deren Entfernung voneinander zugleich kleiner ist als ^ a. Es
soll nun der Nachweis geführt werden, daß — entgegen der
soeben gemachten Annahme — f(x^ y) dann auch in der Um-
gebung einer jeden dem Bereiche B angehörenden Stelle regulär
sein muß, deren y-Koordinate gleich y, ist.
Ist (a:,, y,) eine beliebige solche Stelle, so untei-scheiden
wir drei Fälle, je nachdem der Punkt (o:,, y^) erstens ein Be-
grenzungspunkt von B, zweitens ein innerer Punkt von B
ist, oder drittens dem Bereiche B überhaupt nicht angehört.
Im ersten Falle ist f{x,y) im Gebiete \x — a;, | < a,
\y — y^ I < a durchweg regulär, also speziell auch in der Um-
gebung der Stelle (x^^y^).
Im dritten Falle gibt es, da zwar der Punkt (a:„ y,) dem
Bereiche B angehört, der Punkt (^p yo) hingegen nicht, auf
der geradlinigen Verbindungsstrecke der Punkte y^ und y^ min-
destens einen Zwischenpunkt y, derart, daß (x^^y^) ein Be-
grenzungspunkt von B ist. Dann verhält sich f{x^y) im
Gebiete \x — a?j|<a, |y — y, |<a durchweg regulär, also
speziell auch in der Umgebung der Stelle {x^^ y,).
Im zweiten Falle endlich bedeute X die Gesamtheit aller
Stellen Xy für welche (x, y^) ein innerer Punkt von B ist ; die
Gesamtheit aller derjenigen Punkte von X, welche mit dem
(gleichfalls zu X gehörenden) Punkte x^ durch eine aus einer
endlichen Anzahl von Geraden zusammengesetzte, aus lauter
Punkten von X bestehende Linie verbunden werden können,
bilden nebst ihreii Häufungsstellen alsdann einen Bereich B
der a;-Ebene und zwar von folgender Beschaffenheit: Ist x
irgend ein Punkt von JB, so gehört der Punkt (x, y,,) dem Be-
reiche B an; ist speziell x ein Punkt der Randkurve C von -B,
*BPE?
Uartogs: Folgerungen aus der Cauchjecheu Integralformel. 233
SO ist der Punkt (x, y^) (da er nicht innerer Punkt von B sein
kann) sicher ein Begrenzungspunkt von B. Demnach ist
f{x,y) in dem ganzen Gebiete regulär, welches besteht: a) aus
allen Stellen (r, y), für welche x der Kurve 6\ y dem Bereiche
.y — ^0 I 5t I " angehört; b) aus allen Stellen (r, y^^ für welche
z dem Bereiche B angehört. Nach dem Satze von Nr. 1 ist
infolgedessen f{x^ y) auch im vollen Gebiete (B, \y — ^o i "^ 1^)
regulär, also speziell in der Umgebung der Stelle (^j,y,).
4.
Der in Nr. 1 bewiesene Satz läßt noch nach einer anderen
Richtung hin eine Verallgemeinerung zu. Die bei der Voraus-
setzung desselben unter b) definierte Gesamtheit von Stellen
(x, y^) kann nämlich ersetzt werden durch eine anderweitige
Gesamtheit, bei welcher die t/-Eoordinate nicht mehr unge-
ändert bleibt, sondern ihren Wert gleichzeitig mit x ändert
(ohne jedoch den Bereich B' jemals zu verlassen). Allerdings
kann man sich schon an den einfachsten Beispielen von Singu-
laritäten unmittelbar davon überzeugen, daß diese Abhängig-
keit keineswegs völlig willkürlicher Natur sein (etwa Un-
stetigkeiten aufweisen) darf, sowie ferner, daß die Gestalt
mindestens eines der Bereiche B, B' gewissen Beschränkungen
unterworfen werden muß.^) Wir werden im folgenden annehmen.
*) Es sei z. B. f{x,y) — ■ --. Wählt man nun etwa für B den
x — y
Bereich \x\<2, für B' den Bereich \y\<\ (so daß f{x, y) im Gebiete
(0, B*) regulär ist), und setzt des weiteren y}(x)^=^0 für jeden von Null
verschiedenen , dem Bereiche B angehörenden Wert rc, dagegen y) (0)
gleich irgend einer von Null verschiedenen Konstanten, so verhält sich
f(x, y) in der Umgebung jeder Stelle (o:, v^ W) regulär und es sind somit
alle VorauKsetzungen erfüllt; nichtsdestoweniger ist f{x^y) im Bereiche
(B, B') nicht durchweg regulär. — Wählt man andererseits für B den
Kreisring 1 < | ar | ^ 4, für B' den Kreisring 2 < | x ' < 8 und setzt durch-
weg y*(t)^ — Xy 80 sind wiederum alle Voraussetzungen erfüllt, ohne
daß /"(.T, y) im Gebiete (B, B') durchweg regulär wäre. Damit der Satz
gültig »ei, muß zum mindesten einer der beiden Bereiche B und B'
einfach zusammenhängend sein.
234 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. März 1906.
daß die y-Koordinate eine eindeutige analytische Funktion
V (x) der x-Koordinate sei, und femer eine besondere Voraus-
setzung über die Gestalt des Bereiches B' hinzufügen.
Es sei y = y^ix) eine im Bereiche B der x-Ebene
eindeutige und reguläre analytische Funktion von x^
so beschaffen, daß, solange x dem Bereiche B ange-
hört, der Punkt y=^tp(x) im Innern des Bereiches B'
der y-Ebene gelegen sei. Von dem Zweige /"(a:, y) einer
analytischen Funktion von x und y stehe fest, daß er
sich in dem ganzen Gebiete eindeutig und regulär
verhalte, welches besteht:
a) aus allen Stellen (x, y), für welche x der Be-
grenzung C des Bereiches B und y gleichzeitig dem
Bereiche B' angehört, und
b) aus allen Stellen (x, y), für welche x dem Be-
reiche^ angehört und gleichzeitig y = tp(x) ist.
Der Bereich B' besitze überdies die Eigenschaft,
daß seine Begrenzung mit jeder Geraden der y-Ebene
höchstens zwei Punkte oder eine einzige geradlinige
Strecke gemein habe. Alsdann ist f{x^y) auch im
vollen Bereiche (J5, B') eindeutig und regulär.
Beweis, Die positive Größe ß möge so bestimmt werden,
daß, wenn x = x\ y^y' irgend eine der unter a) oder b) ge-
nannten Stellen bedeutet, f{x,y) noch im Bereiche \x — x'\Kß,
\y — y' I < /S eindeutig und regulär sei. Eine zweite positive
Größe a sei nicht größer als /S, werde jedoch, was stets mög-
lich ist, überdies noch so klein angenommen, daß, wenn x = x'
einen völlig beliebigen Punkt von B bezeichnet, für alle x des
Gebietes | j; — x' \<,a:
1. die Funktion tp(x) noch eindeutig und regulär sei,
2. der Punkt y = yf{x) dem Bereiche B' noch angehöre,
3. die Ungleichung \tp(x) — yf (x) \<^ ß gelte.
Mittels dieser Größe a mögen alsdann wie in Nr. 1 aus B die
Bereiche -Bj, B^ und S konstruiert werden.
l^
iribft
3Sf -^w
Hurtogs: Folgerungen aus der Cauchyschen Integralformel. 23o
Da f{x,y) alsdann im Gebiete {S,B') eindeutig und regulär
ist, so hat man zunächst ebenso wie in Nr. 1 die Beziehung:
wobei X irgend einen inneren Punkt des Gebietes S, y einen
beliebigen Punkt von B' bedeutet.
Ist andererseits x =^ x^ ein beliebiger Punkt von B^^ so
gibt es jedenfalls einen Punkt x = x^ von B derart, daß
I X, — a:^ I < a ; infolge obiger Annahmen gehört also der
Punkt ip (xj) dem Bereiche B' noch an und es gilt gleichzeitig
W {^i) — W (^o) I < ¥ ^•
Setzt man daher, unter y irgend einen festen Punkt des Be-
reiches B' verstehend,
% (x) = V W + * (y - V (*))
und bezeichnet mit D den Durchmesser eines Kreises, welcher
den ganzen Bereich B' umfaßt, so gilt sicher noch:
\%ix,)~y,{x,)\<ß,
solange t dem absoluten Betrage nach kleiner bleibt als ^^.
f{x, y) verhält sich nun im Gebiete \x — x^Kß^ \y — yy (Xq) ' <,ß
eindeutig und regulär, speziell also in der Umgebung des
Punktes (x„ !Pi(-c,)). Da überdies yf(x) im Bereiche -B, ein-
deutig und regulär ist, so stellt demnach f(x, !F< (a;)), solange nur
1^*^9 7)' ^^°® ^^ Bereiche JB, eindeutige und reguläre ana-
lytische Funktion von x dar, und es gilt somit:
für jeden außerhalb B^ gelegenen Punkt x,
Ist nun t^ irgend ein der Bedingung 0^tQ<il genügender
reeller Wert, f irgend ein Punkt der Begrenzung des Be-
reiches jBj, so gehört der Punkt v^({) und daher auch der
236 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. März 1906.
Punkt ?Pio (^) d®^ Bereiche B' noch an; wird sodann die
Größe t auf das Gebiet \t — ^o I < ^ beschränkt, so gilt
\%{i)-^i,m = \t-t,\\y-wm<ß
und demnach verhält sich die Funktion f{x^ y) in der Um-
gebung des Punktes (f, ^t{S)) noch eindeutig und regulär.^)
Daraus folgt aber, daß das zuletzt betrachtete Integral —
unter x nach wie vor einen außerhalb J5, gelegenen Punkt
verstanden — in jedem Gebiete | ^ — ^o I ^ ^ (0 < ^o < 1) eine
reguläre analytische Funktion von t darstellt. Da diese Funk-
tion aber für | ^ ! < J^-^. verschwindet, so muß sie auch fiir
alle betrachteten Werte von t verschwinden, speziell also für
^ = 1. Mithin reduziert sich die rechte Seite von Gleichung (1)
auf ihr erstes Glied; dieses aber stellt — aus genau denselben
Gründen wie in Nr. 1 — eine im vollen Gebiete (jB^, J5') ein-
deutige und reguläre Funktion von x und y dar.
5.
Die sämtlichen bisher erwähnten Sätze lassen sich auch
auf den Fall beliebig vieler Veränderlichen ausdehnen.
Als Grundlage kann dabei der in Nr. 1 bewiesene Satz dienen,
wenn derselbe zuvor noch auf eine etwas allgemeinere Form
gebracht wird. Liegt nämlich eine analytische Funktion der
Veränderlichen a?, y, «, v, u;, . . vor, so kann man, wenn man
in der x^ und in der y-Ebene die in Nr. 1 gebrauchten Be-
zeichnungen beibehält, während die Gebiete 6?, G\ . . . der
«-, v-, . .. . Ebene lediglich der Beschränkung unterliegen
sollen, daß sie abgeschlossene Punktmengen darstellen,^)
jenem Satze die folgende Gestalt geben:
^) f ist nämlich von einem gewissen Punkte der Randkurve C, und
^f\S\ von dem zu B' gehörigen Punkte 'jfVj(^) um weniger als ß entfernt
') Q braucht also nicht notwendig einen li-dimenaionalen Bereich
Hartogs: Folgerungen aus der Cauchysohen Jntegralformel. 237
(A.) Steht von dem Zweige f{x^ y, w, »,...) einer analy-
tischen Funktion der Veränderlichen x, y, u, t;, . . . fest, dafi
er sich in dem ganzen Gebiete eindeutig und regulär verhält,
welches besteht
a) aus allen Stellen (ic, y, w, r, . . .), welche durch das
Symbol (C, B\ G, G\ . . .), sowie
b) aus allen denjenigen, welche durch das Symbol
(5, y^, (t, G\ ) bezeichnet werden,
so verhält sich die Fortsetzung dieses Zweiges auch noch in
dem vollen Gebiete (jB, B\ (t, G\ . . .) eindeutig und regulär.
Da nämlich das in der Voraussetzung erwähnte Gebiet
eine abgeschlossene Menge von Punkten (a:, y, u^ v, . . .)
darstellt, so ist es wiederum möglich, eine positive Größe a
so zu wählen, daß, sobald {x\ y', u\ v\ . . .) irgend einen
Punkt dieses Gtebietes bedeutet, f{x, y, u, v, . . ») auch noch in
jedem Gebiete \x — a;' | < a, . ., | w — m' j < a, ... eindeutig
und regulär sei. Mittels dieser Größe a mögen nun genau wie
in Nr. 1 aus dem Bereiche B der a;-Eben6 die Bereiche J5j, B^^ S,
aus dem Bereiche B' der y-Ebene der Bereich B\ und schließ-
lich in analoger Weise aus den Bereichen 6r, G\ ... die Be-
reiche 6ri, 6ri, . . . konstruiert werden. Denkt man sich nun
den Größen t<, v, . . . bestimmte, den bezüglichen Bereichen
(ri, G'u . . . angehörige Werte beigelegt, so besteht, wie in
Xr. 1 (p. 229) bewiesen, jedenfalls die Beziehung:
J jr» / (a:, y, u, r, . . .) = J af ,
(^) ff - a;
wobei X einen inneren Punkt von S, y einen Punkt von B
bedeutet. Die rechte Seite dieser Gleichung stellt aber eine im
Innern des vollen Gebietes (7?^, J5J, Gi, Gi, . . .), also speziell
im ganzen Gebiete (-B, B\ G, G\ . . .) eindeutige und reguläre
analytische Funktion von x^ y, f#, f, . . . dar.
darzustellen, sondern kann z. B. auch die Gesamtheit der Punkte einer
Kurve, eventuell auch blofi einen einzigen Punkt l>edeuten.
238 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. März 190G.
Es mögen nun ar^, x^^ , . . x^ n komplexe Veränderliche
bedeuten, und es sei 0 < /x < v < n. Ein «Bereich 2^** der
:r^-Ebene werde im folgenden stets mit Bg^ seine Randkurve
mit 6^^ bezeichnet ; Xg = Xg bedeute durchweg einen festen
Punkt des Bereiches B^; endlich möge Gg eine abgeschlossene
Menge von Punkten Xg darstellen. Es gilt alsdann zunächst
die folgende Verallgemeinerung des obigen Satzes:
(B.) Steht von dem Zweige f{x^, a?,, . . . Xm) einer analy-
tischen Funktion der Veränderlichen x^, x^, , . . Xn fest, daß er
sich in dem ganzen Gebiete eindeutig und regulär verhalte,
welches besteht
a) aus allen Stellen
b) aus allen Stellen
SO verhält sich die Portsetzung desselben auch in dem vollen
Gebiet (J5„ -Bj, . . . JB,, G^^i, . . . Gn) eindeutig und regulär.
Der spezielle Fall dieses Satzes, welcher der Annahme
^ = 1 (oder auch der Annahme r = /i + 1) entspricht, ergibt
sich nämlich ohne weiteres durch mehrmalige Anwendung des
vorhergehenden Satzes (A); durch wiederholte Anwendung des
so gewonnenen speziellen Satzes ergibt sich sodann der Satz
in seiner allgemeinen Fassung.
Durch wiederholte Anwendung des Satzes (B) kann man dann
endlich noch folgende weitergehende Verallgemeinerung gewinnen :
(C.) /"(äTj, rCjj, . . . x^) verhalte sich in demjenigen Gebiete
eindeutig und regulär, welches besteht
a^) aus allen Stellen (0|, C,, . . . (7»«2» C'h-ii Bm),
a^) aus allen Stellen (Cj, (7,, ... (7„_2» ^«-i» a;2),
aj) aus allen Stellen (Cj, C,, . . . JS^-o» ^2-i» a;i),
a„) aus allen Stellen (J^,, x5, . . . ^ü - o» ^«-ii ^«).
Alsdann verhält sich f(x^^ x^, , . . Xu) auch im vollen Gebiete
(7?j, jB,, . . . JB») eindeutig und regulär.
Hartogs: Folgerungen aus der Caacbyschen Integralformel. 239
Was den Satz von Nr. 2 betriflPt, so können auch bei
diesem sowohl an Stelle von x, als auch an Stelle von y be-
liebig viele Veränderliche treten. Der Satz erscheint alsdann
in der folgenden Form, welche sich unmittelbar als Folgerung
aus dem Satze (B.) ergibt:
Es sei Cg (^ = 1, 2, ... /i) die Randkurve irgend eines
Bereiches B^ der a:^-Ebene, welcher den Nullpunkt enthält. Ist
alsdann der Punkt x^==x^ = ,., = Xn==0 eine singulare Stelle
für den Zweig f (a?j, x^^ ... Xn) einer analytischen Funktion,
während dieser Zweig sich in dem ganzen Gebiete eindeutig
und regulär verhält, das aus den Stellen (Cj, (7j, ... C^*, 0,0, ... 0)
besteht, so gibt es eine Zahl l>0 derart, daß zu jedem den
Bedingungen | ar/^-f-i | </,... | a;J < Z genügenden Wertsystem
•^a-fi, x^+2» . . . ^n eine singulare Stelle (a?*, xj, ... xi) jenes
Zweiges existiert, für w^elche xt dem Bereiche J5j, . . ., Xf^ dem
Bereiche Bf^ angehört.
Der Satz von Nr. 3 gilt unverändert für einen beliebigen
Bereich B der (a?j, x^, ,.. a:H)-Mannigfaltigkeit. Der Beweis er-
gibt sich ohne weiteres aus dem dortigen, indem man an Stelle
von y n — 1 Veränderliche treten läßt.
Was schließlich die Betrachtungen von Nr. 4 betrifft, so
kann man diesen zunächst den folgenden allgemeineren Satz
an die Seite stellen:
(D.) Der Funktionszweig f{x,y^z,,..\ w, v, . . .) verhalte
sich eindeutif^ und regulär in dem ganzen Gebiete, welches
besteht
a) aus allen Stellen (C, B\ B", . . .; G^G\ . , .\
b) aus allen Stellen (JB, w[^\x{^\ . . .; Gt ß^f • •)•
Dabei mögen die Bereiche B\ B', . . . und die Funktionen
V' (^)» X (^X • • • analogen Beschränkungen unterworfen sein, wie
sie in Nr. 4 bezüglich des Bereiches B' und der Funktion tp {x)
galten, während G, G\ . . . wieder beliebige abgeschlossene
Mengen von Punkten der w -, v -, . . . Ebene bedeuten. Als-
240 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 3. März 1906.
dann verhält sich f{x^ y, ^, . . . ; w, e?, . . .) auch im vollen Ge-
biete (jB, B\ B", . . .; G, G\ . . .) eindeutig und regulär.
Der Beweis ergibt sich unmittelbar aus dem in Nr. 4 mit-
geteilten, indem man an Stelle der dortigen Veränderlichen y
die Veränderlichen y^z^ . , , treten läßt.
Es möge nun weiterhin angenommen werden, daß jede
der Größen xp^ x^ - - - überdies noch von m, r, . . . abhängig sei
und zwar für jedes dem Gebiete G, G\ . , . angehörige Wert-
system M, v, . . . als Funktion von x betrachtet die bisher ver-
langten Eigenschaften besitze, ferner aber eine im Gebiete
B, G, G\ , . . stetige Funktion der Veränderlichen x, m, t\ . . ,
darstelle. Auch dann bleibt der obige Satz (D) noch unver-
ändert bestehen.
Zum Beweise wähle man zunächst eine Größe /? > 0
derart, daß, wenn {x\ ij\js\ , , ,; u',v\,,.) eine beliebige der
unter a) oder b)^) genannten Stellen bedeutet, f(x,y,js,,.,;
u,v, ...) noch in jedem Gebiete \x — x'\< ß, ..,; \u — w'|</?, .. .
eindeutig und regulär sei. Eine zweite Größe a > 0 kann als-
dann so bestimmt werden, daß, sobald x einen Punkt von
B, u,u' zwei der Bedingung \u — u'|<a genügende Punkte
von (t, analog v,v' zwei der Bedingung | v — v' <a genügende
Punkte von G\ . . . bedeuten, stets die Beziehungen | y}{x,u\v'. . .)
— tp{x,u,v,..,)\ <ß, \x(XjU',v\, , .) — x{^u,v, . , .)\< ß,,.,
stattfinden.
Es werde nun in der w-Ebene eine Einteilung in Qua-
drate Q von der Seitenlänge | a vorgenommen • und derjenige
Teil von 6r, welcher irgend einem, Qq, dieser Quadrate (inkl.
Begrenzung) angehört, mit (r^, irgend ein Punkt von Gq mit Uq
bezeichnet. Analog verfahre man in der v-Ebene u. s. f. Dann
ist es offenbar gestattet, in den Voraussetzungen des Satzes
überall G, (?',... durch Gq, Gq, . . . und gleichzeitig v' (^» w» *^» • • Ot
X (x, w, v, ...),.. . durch tp (x, m^, Vq, . . .), x (^» w^,!?^, . . .) zu
*) In der Zeile b) sind yf {x), x W» . • • jetzt durch yf {x, v, i% . . .),
X {x, t/, <?,...),... ersetzt gedacht.
L*u
Hartogs: Folgerungen aus der Cauch jachen Integralformel. 241
ersetzen, ohne da£ dieselben ihre Gültigkeit verlieren. Nach
dem Satze (D.) ist daher f(x,y,JSfj...;u,v,., .) in dem ganzen
Gebiete (J5, B\ If^ . . .; Öq» G^Oi • • •) eindeutig und regulär und
somit, da die Quadrate Qo« Q69 • • • beliebig gewählt werden
konnten, auch in dem ganzen Gebiete (J5, B'^B', . . .; ö, G',. ••)•
Durch wiederholte Anwendung dieses Satzes ergibt sich
dann schließlich jeder der beiden folgenden:
(D'.) Es sei 0 < /i < n. Der Funktionszweig /'(xi, Z2,. . ., Xn)
verhalte sich eindeutig und regulär in dem ganzen Gebiete,
welches besteht
a) aus allen Stellen (Ci, C2, . . . C,,, J5^+i, . . . Bn),
b) aus allen Stellen
(J5i, J52, . . . jB^, tpfi^i (xi, . . . a;^), . . . v'n (^1» • • • ^a*))-
Dabei sollen die Bereiche -B|4-hi, . . ., B„ die erwähnte spe-
zielle Eigenschaft besitzen, die Funktionen xPq[x\^ . . , Xf^
(? = A* + 1» • • •» **) aber im Gebiete ^1, ^2» > - -<, Bf^ eindeutig
und regulär sein, und der Punkt Xg = tpg (a?i, . . ., 2:^), so lange
das Wertsystem Xi, . . ., a;^ dem Gebiete JSi, . , .,Bf^ angehört,
im Innern des Bereiches Bq gelegen sein. Alsdann ist
f{x\^ Xi, . . ., Xn) auch im vollen Gebiete (JBi, B2, . . ., B^) ein-
deutig und regulär.
(D*.) Der Funktionszweig f(x\,X2j».',Xn) verhalte sich
eindeutig und regulär in dem Gebiete, welches besteht
ai) aus allen Stellen (Ci, (72, . . ., Ch_2, C»_i, jB»),
a2) aus allen Stellen ((7i, (72, . . ., (7^-2, -Bh-i, Wn\
as) aus allen Stellen ((7i, C2, . . ., -Bi»-2» y^n-u Wn)i
a«) aus allen Stellen (JBi, tp2y - - -, Wn-2, Wn-u Wn)»
Dabei sollen die Bereiche JB2» Bs, . , ,, Bn die erwähnte
spezielle Eigenschaft besitzen, die Größen y}ß=y}ß{x\,X'2,..,,Xg -i)
(o = 2, 3, . . ., n) Funktionen von X\, X2, . . ., a;^-! darstellen,
welche im Gebiete Bi, B2, . . ., JB^-i eindeutig und regulär sind,*)
*) Doch treten bei der Aufstellung der in irgend einer der n Zeilen
1906. Bitsongib. d. nwth.-phyi. KL 16
242
Sitzung der math.-pbyg. Klasie vom 3. Mär/. 1906.
I
*
und der Punkt a:^ = v'i?(^ii ^» • • •» ^e-i)» so lange das \
System X], X2n . . ., x^^i dem Gebiete i?i, U^ , . ,^ Bo-\ s
hört, im Innern des Bereiches J5^, gelegen sein. Alsdan
f[x\^ X2, . . ., Xn) auch im vollen Gebiete (i^i, //», . . ., 7>„)
deutig und regulär.
genannten Gesamtheit von Stellen als Argumente einer clor Funktior
jedesmal nur diejenigen Wertsysteme -^-i, -i^o» •• '»^o - i tAtsächlicl
welche dem in der nämlichen Zeile aufgcführtoii Oel»ietcder (-i^i, 'Co» • • •» -^
Mannigfaltigkeit angehören.
I
1* '
1^
■■^■/:^ .
*'V// V
^^if^W-im:
243
Sitzungsberichte
der ^
Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Klasse.
Sitzung vom 5. Mai 1906.
1. Herr Aueel Voss hält einen Vortrag: ^Uber Flächen,
welche durch Systeme geodätischer Kreise von kon-
stanten Radien in infinitesimale Rhomben zerlegt
werden.*
Er sprach über diejenigen Flächen, welche durch zwei
Scharen von Kurven mit bezüglich konstanter geodätischer
Krümmung in infinitesimale Rhomben zerlegt werden. Je nach-
dem diese beiden Krümmungen voneinander verschieden, oder
untereinander gleich resp. entgegengesetzt gleich, oder endlich
beide gleich Null sind, ergeben sich Flächengattungen, die
auch bei anderen geometrischen Untersuchungen auftreten, und
deren Eigenschaften hier unter neuen Gesichtspunkten erscheinen.
2. Herr Hermann Ebebt legt eine weitere Arbeit des K. Real-
lehrers Dr. Aäton Endrös in Traunstein: »Die Seeschwan-
kungen (Seiches) des Chiemsees* vor.
Die Schwingungsbewegungen dieses Sees sind deshalb von
besonderem Interesse, weil hier erstmalig ein See untersucht
wurde, der keine ausgesprochene Längsrichtung und dazu noch
1906. Siteangtb. d. iiifttb.-phys. KL 17
244 Sitzung der muth.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
viele Buchten und eine größere Insel besitzt. Die 5jährigen
Beobachtungen mit mehreren selbst registrierenden Limnimetern
an 19 verschiedenen Punkten des Sees haben ergeben, daß die
Schwingungen des Chiemsees mit denjenigen einer schwingen-
den Platte verglichen werden können, während diejenigen der
Langsseen ähnlich den Schwingungen einer Saite sind, daß also
Schwingungen der Wassermasse kreuz und quer dort anzu-
treffen sind. Da aber der See eine ganz unregelmäßige Uniriß-
form hat, also als eine Platte mit vielen Auszackungen und
sogar Ausschnitten, den Inseln, sich darstellt, so geben die ein-
gezeichneten Knotenlinien, ähnlich den Chladnischen Klang-
figuren, ein verwickeltes Liniensystem. Der Chiemsee hat allein
3 uninodale Seiches von 54 Minuten, 41 Minuten und 36 Mi-
nuten mittlerer Dauer. Außerdem wurden noch 14 weitere
Schwingungen geringerer Periodendauer beobachtet, welche als
mehrknotige Schwingungen in der einen oder anderen Richtung,
teils nur südlich teils nur nöidlich der Herreninsel und häufig
in beiden Richtungen schwingen. Zugleich konnte der Ein-
fluß der Tieferlegung des Seespiegels, welche in die Beob-
achtungszeit fällt, auch wissenschaftlich nutzbar gemacht werden,
also gleichsam ein Experiment größten Stiles angestellt werden.
Die Änderung der Schwingungsverhältnisse sind bedeutende,
da sich die schwingende Platte stark verkleinert und neue
Einschnitte in Gestalt von Landzungen und größere Ausschnitte
durch Vergrößerung der Inseln und sogar zwei neue durch
zwei weitere Inseln erhalten hat, so daß die Dauer der Schwin-
gungen sich merklich geändert hat, einzelne Seiches überhaupt
nicht mehr auftreten, dafür neue Schwingungen anzutreffen
sind. Im ganzen haben wohl diese zum Teil schwierigen
Untersuchungen am Chiemsee unsere Kenntnisse über die Seiches-
bewegungen der Seen wesentlich gefordert, und dürften in ihrer
Verallgemeinerung für die schwebenden Probleme an anderen
Seen sowohl als auch für die stehenden Schwingungen in den
Meeren, wie in der Arbeit kurz angedeutet ist, nutzbar gemacht
werden können.
pr-jr-:
SitsuD^ der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906. 245
3. Herr Ferdinand Lindemann überreicht eine zweite zu den
Abhandlungen zur Elastizitätstheorie gehörige Abhandlung von
Herrn Professor Artür Kürn: „Die Eigenschwingungen
eines elastischen Körpers mit ruhender Oberfläche.*
Nach der allgemeinen Lösung des elastischen Gleichge-
wichtsproblems für den Fall, daß die Verrückungen an der
Oberfläche gegeben sind, konnte in der zweiten Abhandlung
zu der Frage nach den Eigenschwingungen übergegangen
werden, deren ein elastischer Körper bei ruhender Oberfläche
fähig ist. Es ergibt sich nur die Existenz einer unendlichen
Zahl solcher Eigenschwingungen, und jeder Eigenschwingung
ist ein ganz bestimmtes Triplet von Funktionen des von dem
elastischen Körper eingenommenen Raumes und eine ganz be-
stimmte Zahl zugeordnet, aus der sich sofort die Schwingungs-
dauer der betreffenden Eigenschwingung berechnen läßt. Die
Untersuchungen dieser Abhandlungen beweisen die Existenz
dieser Funktionentripel und den für die Elastizitätstheorie
wichtigen Satz, daß jedes beliebige Triplet von Funktionen,
die in dem gegebenen Räume gewisse Stetigkeitseigenschaften
erfüllen, nach diesen elastischen Funktionentripeln entwickelbar
sind. Mit Hilfe dieser Entwickelungen können alle Bewegungs-
probleme der Elastizitätstheorie für den Fall, daß die Ge-
schwindigkeiten an der Oberfläche des elastischen Körpers ge-
geben sind, in sehr allgemeiner Weise gelöst werden. Die
Theorie stellt eine Analogie der sogenannten harmonischen
Funktionen Poincar^s dar, die Analogie, wie sie gerade in der
Elastizitätstheorie gebraucht wird.
4. Herr Richard Hertwig legt eine für die Denkschriften
bestimmte Arbeit des Herrn Dr. W. Kükenthal, Professors der
Zoologie in Breslau: über „Japanische Alcyonaceen* vor.
Dieselbe behandelt vornehmlich das reiche Material, welches
Herr Dr. Doflein, H. Konservator der Staatssammlung, auf
seiner Reise nach Japan gesammelt hat. Zur Ergänzung
wurden Materialien herangezogen, welche teils von Herrn
17*
246 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Professor Habeker der Staatssammlung geschenkt worden waren
teils aus den Museen von Wien, Berlin und Hamburg stammten.
Die Untersuchungen lieferten eine neue Bestätigung für die
Ansicht, daß die japanische Meeresfauna einen eigenartigen
Charakter besitzt. Von den 33 Arten, welche in der Arbeit
beschrieben werden, sind nicht weniger als 21 für die Wissen-
schaft neu. Manche sonst verbreitete Familien wie die Alcyo-
niden sind in Japan kaum vertreten, andere wie die Nidulinen
und die Nephthyiden haben umgekehrt gerade hier eine be-
sondere Entfaltung erfahren. Der auffallend große Reichtum
an Arten auf einem verhältnismäßig eng begrenzten Gebiet
erklärt sich aus den besonderen Tiefen- und Strömungsver-
hältnissen des Meeres.
Ä*«*?.
247
Über diejenigen Flächen, welche durch zwei Scharen
von Kurven konstanter geodätischer Erümmung in
infinitesimale Rhomben zerlegt werden«
Von A. Voss.
{Einffdaufm 21. Mai.)
Über Eigenschaften von Kurvenscharen konstanter
geodätischer Krümmung auf krummen Flächen habe ich
bereits vor längerer Zeit den folgenden Satz ausgesprochen,
der die Verallgemeinerung eines bekannten Satzes von Liou-
ville bildet:^)
, Schneiden sich zwei Kurvensysteme von den konstanten
geodätischen Krümmungen y^ und )\ auf einer Fläche überall
unter konstantem Winkel, so ist die Fläche von negativer kon-
stanter Krümmung." Nur in dem ganz speziellen Falle, wo
die Krümmungen j'j, y^ gleichzeitig Null sind, also die beiden
Kurvenscharen in geodätische Linien übergehen, wird die
Krümmung gleich Null, oder die Fläche developpabel.
In der folgenden Note untersuche ich nun die Form des
Längenelementes derjenigen Flächen, welche durch ein
Kurvensystem von den konstanten geodätischen Krüm-
mungen j'j, y^ in infinitesimale Rhomben geteilt werden
— Flächen mit infinitesimaler rhombischer Teilung*) durch
*) Vgl. Über die Fundamentalgleichungen der Flächentheorie, diese
Sitzungflber. Bd. XXII, p. 268, 1892; desgleichen die Inauguraldissertation
?on F. Probst, Über Flächen mit isogonalen Systemen von geodätischen
Kreisen. Würzburg 1893.
^ Statt dessen soll auch einfach rhombische Teilung gesagt werden.
248 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
geodätische Kreise von konstanten Radien, wie man auch sagen
könnte. ^)
0 Es seien hier noch folgende Bemerkungen über infinitesimale
Teilung in Rhomben angeführt. Aus jedem rhombischen System
d8^ = e{du^ + dv^) + 2fdudv
erhält man ein Orthogonalsjstem
m-'+(^-)-'
wenn man
setzt, vermöge der Diagonalkurven der Rhomben, umgekehrt erhält
man auch aus jedem Orthogonalsjstem
^idu\+(j,dv*
durch die Substitution
m' = u + 1?, t?' = M — V
das rhombische System
(«x-fPx) {du* + dv*) + 2dudv{e,-g,).
Die Auffindung aller Kurv ensyateme, welche eine Fläche
in infinitesimale Rhomben zerlegen, ist daher identisch mit
der Ermittelung aller Orthogonalaysteme.
Es gehört ferner zu jeder Kurvenschar eine unendliche Anzahl
anderer Scharen, welche mit der ersten eine rhombische Teilung be-
wirken.
Ist nämlich
ds" = edu* + 2fdudv + gdv*
das Längenelement, und geht dasselbe durch die Substitutionen
m
über, so ist
dH^^e,{dul+dv\)-^2du,dv,f,
Hieraus folgt durch Elimination von f^ und «, die partielle
Differentialgleichung
d. h. man hat unter Anwendung des Symboles ä für den ersten Dime-
ren tialparameter
A. VoB: Ober Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 249
Man überzeugt sich leicht, daiä nicht auf jeder Fläche
derartige Systeme möglich sind, sondern daß nur Flächen eines
charakteristischen Längenelementes solche Systeme zulassen,
und auf die Bestimmung dieses letzteren kann es hier allein
ankommen, da die geforderte Eigenschaft allen zueinander iso-
metrisch zugeordneten Flächen gleichmäßig zukommt.
§1-
Flächen mit iofinitesimal rhombischer Teilung durch Kurven,
deren konstante geodätische Krümmungen weder gleich nocl^
entgegengesetzt gleich sind.
Bezeichnet man das Quadrat des Längenelementes auf der
Fläche mit
1)
d$^ = edu^ -f" 2fdu dv -{- g dv^^
so sind bekanntlich die geodätischen Krümmungen der Koordi-
natenlinien u = const, V = const oder gu und g„ gegeben
durch')
2)
du dV^/g ^^
dVj _3 _f__ ./.
So sind z. B. alle rhombischen Teilungen der E})ene, bei denen die
eine Schar aus Parallelen resp. aus einem Strahlbüschel besteht, abhängig
von den Gleichungen
resp. ^\wlx-\-Wl = 1,
welche letztere durch die Substitution l v^^= v auf die obere zurückge-
führt wird. Analog kann man die Teilungen einer Rotationsfläche, bei
denen entweder die Parallelkreise oder die Meridiane als Kurven u = const
gewälilt werden, auf die Gleichung
wi H- vi = ^'m
zurückführen.
M Vgl. z. B. J. Knoblauch, Einleitung in die Theorie der krummen
Flächen, Leipzig 1888, p. 248.
250 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
WO A = eg — P
gesetzt ist.
Soll nun wegen der rhombischen Teilung e = g = e^ und
//« = — Cj, ^» = — c sein, setzt man femer
so daß — der Kosinus des Koordinatenwinkels a> ist, so
s
hat man aus 2)
^ — öf =^i«V€' — <^*
X :r^= c eK« — 9^ •
Wird ferner die Substitution
eingeführt, was unter der Voraussetzung, daß die geodätischen
Krümmungen der Koordinatenlinien weder gleich, noch eut-
gegengesetzt gleich sind,*) oder
A = c* — 6"? 4= 0
ist, zulilssig ist, so hat man
A w = c w, — c, v,
Aus den Gleichungen
d__ d_ A. A— J_a- ^
a_^ d iL— 1_ .i
9 M, du * 9 v 9 t;j '9m t;,
folgt nun nach 2*)
*) In Wirklichkeit kommt es auf das Verhältnis der Krümmungen c
und C| an, da man durch Ähnlichkeit^transformation von jeder Fläche
zu einer anderen übergehen kann, welcher dasselbe Verhältnis c : q und
derselbe Koordinaten vrinkel a> zukommt.
A. Voß: Über FläcbenzerleguDg in infinitesimale Rhomben. ^51
de ^
d
d
^1
dtp
cp
— =
d
<
oder
4)
wo ^p eine willkürliclie Funktion der Argumente w, , i;, be-
zeichnet. Führt man, in dem man statt der Diiferential-
quotienten
dF a* F dF
der Kürze halber
■*■ u% ■*■ uu% ■*- %
schreibt, die Werte in 4) in die Gleichungen 2*) ein, so ergibt
sich zur Bestimmung von v die partielle Differentialgleichung
zweiter Ordnung
A) V'., », — W^x «, = V'., V V'J, — H%
welche von c und c, gänzlich unabhängig ist.
Und umgekehrt gehört zu jeder Lösung der Glei-
chung A vermöge der Substitution 3) und der Glei-
chungen 4) das Längenelement einer Fläche, welche
durch die Kurven w = const, t; = const mit den konstanten
geodätischen Krümraungen — 6*j, — c in infinitesimale
Rhomben zerlegt wird, falls nur die Voraussetzung
c^ — c? + 0
eingehalten wird.
Das Quadrat des Längenelementes der Fläche 1) wird in
Bezug auf die Variabein m,, ?;,
5) {f - c?)»
r(d«? + d r?) (c» + e X y>) + 2 rf «, d i\ (e 73 + f » x)\
wo zur Abkürzung
252 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
_ 2 C Ct
gesetzt ist, und der Kosinus des Koordinaten winkeis ct>* der
Kurven m^ v^ steht mit co in der Beziehung
. cos CO + X
cos (O^ =
1 -{- X cos CO '
Die Kurven M, = const, «;, =const bilden daher wieder
eine rhombische Teilung der Fläche.
Wählt man insbesondere >« = 0, d. h. etwa c, = 0, c= — 1
so wird
ds^ = {du\ + di?^ \p\i + 2 dux dv^ \pn\ w^
^dxp^-^ du\{%p\^ — xpl^).
Die Fläche hat daher jetzt die Kurven «, = const zu
geodätischen Linien, während die Linien v^ = const von der
geodätischen Krümmung + 1 sind, woraus man durch Ahnlich-
keitstransformation diejenigen Flächen erhält, bei denen das
eine System aus geodätischen Kurven, das andere aus Kurven
von konstanter geodätischer Ej-Ommung besteht.
Es ist übrigens leicht zu zeigen, daß nicht auf jeder
beliebigen Fläche solche Kurvensysteme, wie die hier
betrachteten, existieren. Aus der Bonnetschen Formel*)
für die geodätische Krümmung g^ der Kurven q) = const
^"•^ attj " s " i'^dv \ s )'
S = Vgwl — 2 />- 9^« + c q)%
folgt nämlich, unter der Voraussetzung, daß die Fläche auf
ihre Minimalkurven e = flr = 0 bezogen sei
^) X darf dabei den Wert i 1 nicht annehmen.
2) Vgl. z. B. Knoblauch, a. a. 0., p. 247.
mrimsmm^^'
A. Voß: Ober Flächen Zerlegung in infinitesimale Rhomben. 253
oder, wenn man — mit £^*, f mit 1 : A* bezeichnet:
(Pu
Soll nun auf einer zweiten Kurve tp = const die geodätische
Krümmung wieder einen vorgeschriebenen Wert g^, haben, so
wird far ^ = C*
6»>)
ai
^ ^^ du ^ du^ dv C dV
Damit endlich eine rhombische infinitesimale Teilung durch
die Kurven (p = const, tp = const hervorgebracht werde, muß
Wh Wt = (Pn (Pv
sein. Setzt man nämlich
(pu d u -{• q^^^ d V =^ d q)
\pu d u -^ %Pe d V = d ip,
so wird, wenn man mit q die Funktionaldeterminante von q?
und ^f bezeichnet,
Q d u = yff d (p — rp^dxp
Q dv = (pu dip — \pud(p
oder
2 f
— ds^=—^ Idcp^y^^^fu + dy)^ (ptq^n — d q? dxp (y. <^„ + 9^* V«)]-
Setzt man demgemäß
ip^= ßlCj (Pn = /* -3^1
wo /< eine neue unbekannte Funktion ist, so ergibt sich durch
die Integrabilitätsbedingungen in Bezug auf (p und v^, sowie
254 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 6. Mai 1906.
in Bezug auf ^, eine partielle Differentialgleichung zweiter
Ordnung für z und C, so daß man mit 6*), 6^) im ganzen
drei partielle Differentialgleichungen tlir z und C hat, welche
nur für gewisse Formen von A oder f miteinander verträglich
sein werden, wie dies übrigens auch schon aus der oben an-
gegebenen Form des Längenelementes ersichtlich sein dürfte.
§2.
Beispiele zu § 1.
Die partielle Differentialgleichung A des § 1, welche durch
die Substitutionen
«*« = ^1 + <^i
auch auf die Form
•
oder in gewöhnlicher Schreibweise in die Gestalt
gebracht werden kann, scheint einer allgemeinen Behandlung
in dem hier erforderlichen Sinne nicht zugänglich. Ich be-
schränke mich daher auf die Betrachtung einfacher partiku-
lärer Lösungen derselben.
1. Setzt man
1^ = w, A -|- V
wo V eine Funktion von Vj allein ist, und die Konstante A,
wie im folgenden geschehen soll, auch gleich 1 gesetzt werden
kann, so folgt aus A § 1,
r''=V 1/F»~ 1
oder
1 V' ^
arc cos -^ = r,, r =
COSVj
mithin wird
A. Voß: Über Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 255
1
e = i/>pi =
cosv.
(p= Wui=l
und der Kosinus des Koordinaten winkeis ist
cos CO = cos Vj.
Das Quadrat des Längenelementes wird daher nach § 1, 5
{du\ + dvi) f-V- + -^^) +2 du, dvi (-^ +
\cos*t;j cosVj/ * \cos't;j cos
Ml
oder
aS^ = ^T. HTT ; — X
(c* — ci[)*co8*r,
{(d u\ -\- d Vi) (1 + X cos t»,) + 2 d M, d v^ {x -\- cos r,)}.
Bestimmt man nun nach der Weingartenschen Formel')
3 1 fde df
dvYÄ
\dv du)\
A = e^ — f''
das Krümmungsmaß K, so ergibt sich
1 (^ + ci
K= —
(1 — *») ' (c> — <^»
= - (c» + cj).
Die Fläche ist daher von konstanter negativer
Krümmung, der Koordinatenwinkel aber nicht von
den Variabein unabhängig.
2. Setzt man dagegen:
so ist
oder:
arc cos U' = w,,
^) Vgl. z. B. Knoblauch, a. a. 0., p. 177.
256 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 6. Mai 1906.
d.h.
c = 1, 9? = cos w.
Daher wird
d 5» == i^Y^% l(dui + dti){l + X cosw,) + 2 du, dv,(cosu, + ;.)!
i^C C^)
und das Krümmungsmaü wird jetzt gleich Null.
3. Man kann ferner y^ als Funktion von a u, -{- ß v, = ;s:
annehmen. Setzt man v' == ^(/)^ so ist^)
(j)2 _ a») jp- = F'^ ß \/ß^ — a*
oder
/? (a M, + /J r.) •
Da hier
' - (a u, -\- ß v,y 'f~ß(au,+ßv,y
SO wird — konstant; d. h. die Fläche ist konstanter nega
tiver Krümmung.
4. Setzt man endlich
-K?)=
SO wird die Differentialgleichung A
wobei die Indizes von F die Differentiationen nach ^ angeben.
Für F = Vf erhält man
af 2£rf £r
dz -3?*— 1 1/^»— 1 '
*) Der Wert a = i: ß ist hier nicht zulSssi^. Allerdings ist dann
die Funktion F willkürlich, aber cos w wird gleich + 1, was keinen
Sinn hat.
9mm
oder
A. Vofi: Über Flächenzerleguog in infinitesimale Rhomben. ^57
C = —i/J'^ri + k(2^- 1)
F =
vi
— «- 1
k {ul — vi) — Vi ^ü\ — i\
wo Ä* eine willkürliche Konstante. Demgemäß wird
w.
A; (w'f — Vi) — Vi V^«? —
i\
9^= + -:
V,
Ä (?i'i — rO — Vi 1/tf? — ^,
und zugleich wird
V. uc, + VC
cos fi> = ^ = —
u.
j uc -\r vc^
Die Flächen dieser Klasse zeichnen sich durch eine besondere
Eigenschaft aus, welche im nächsten § 3 nachgewiesen wird.
§ 3.
Die Differentialgleichang fdr den Koordinatenwinkel (o.
Durch die vorige Betrachtung ist die Bestimmung des
Längenelementes auf die partielle Differentialgleichung A des
§ 1 zurückgeführt. Man kann statt derselben auch eine analoge
Gleichung liir den Winkel to der Kurven «, v ermitteln. Hierzu
würde nur eine Transformation der genannten Gleichung er-
forderlich sein, doch erscheint es angemessener, die ursprüng-
lichen Variabein w, v jetzt beizubehalten. Setzt man
(p ■=, E cos iO
6 = V>;»
so geh(?n die Gleichungen 2*) des § 1 über in
1)
-}- cotg iO ft>„
— Vn = —V \-
l sm CO
+
C, 4" C cos CO
sm CO
CO (Op
Cj cos CÜ + (?
sm CD
258 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
und man hat nur die Integrabilitätsbediugungen für die Funk-
tion Tj zu bilden. Ist nun allgemein
so folgt aus den Integrabilitätsbedingungeh für f
2) f IX - Äu] + {JBn + B'A)^ {B[ + BA) = 0.
Ist also nicht gleichzeitig
3) ^; - ^„ = 0
Bu + B'A = B',^ BA\
so ist I völlig bestimmt. Unter diesen Umständen ge-
hört alöo auch zu dem Werte o) in den Gleichungen 1)
eine völlig bestimmte Form des Längenelementes, d. h.
eine ganz bestimmte Klasse zueinander isometrischer Flächen.
Sind dagegen die beiden Gleichungen 3) erfüllt, so wird f im
allgemeinen noch eine für das Längenelement wesentliche Kon-
stante enthalten; d. h. es existieren dann oo^ Flächen mit
rhombischer Teilung durch Kurven konstanter geo-
dätischer Krümmung, ohne daß sich dabei der von
diesen eingeschlossene Winkel cd ändert.^)
Man hat nun:
A = — h Ö)„ COtff CO
sm ö>
A = — h (Ü9 COtff CO
sm CO
j. ^1 + C cos CO
sin CO
C? + C, cos CO
B'
sm CO
also
M Dabei ist selbstverständlich nicht aus^^eschlossen , daß diese
Flächen selbst zueinander isometrisch sein können.
A
A. Vofi: Über Flächenzerlegung in iofinitesimale Rhomben. 259
4)
J±u — -Af
3 M \ sin cü / 3 1; \ sin a> /
B„—B'A =
cos f 0 , . -
CD» -r-5 — (C, H" C COS Ö>)
Sin^CD *
•D' -DA' COS Ö) .
JD^ ^ JdA = cd« -r-5 — (C, COS CD + c).
sin*cD '
Der zuletzt genannte Fall kann, abgesehen von der
Möglichkeit (o = const, wo die Fläche wegen der konstanten
Krümmung oo' Transformationen in sich zuläßt,^) nur statt-
finden, wenn
5)
(Ot [c, + c cos cd] = CD,, [Cj cos (O -\' c]
und die ei-ste der Gleichungen 4) erfüllt ist. Aus dieser letz-
teren folgt aber unmittelbar
^(logtgf) = ^(logtgf)
oder
CD
tg-- = 2i'.<p,
WO Fj resp. (P Funktionen der Argumente w + v, resp. u
allein sind. Setzt man nun
— V
l-tg»2-
cos CD =
i + tg'
CD
SO ergibt sich aus 5) die Funktionalgleichung für F und 0
6) 0 = (c — (?,) F' F^^ + {c + (?j) 0' F
oder ^'
0»
wo h eine wiUkürliche Konstante bedeutet.
») Hierüber vgl. § 8, 9, 10.
190«. 8iinng»b. d. maib.-phys. KL
18
260 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 6. Mai 1906.
Demnach witvd, falls (c* — c?) + 0
A (m + v)
F» =
Cj — c
1 _ hiu-v)
wo die Integrationskonstaiiten als ganz unwesentlich von vorn-
herein gleich Null gewählt sind. Mithin ergibt sich
und hieraus folgt
UC. -{- VC
cos ö> = —^ :
d. b. gerade der Wert, der sich bei dem früheren Ansätze in
§ 2 ergeben hatte. In der Tat ergibt sich nun nach ent-
sprechender Rechnung auch genau die dort angegebene Form
des Längenelementes, welche noch eine willkürliche wesent-
liche Konstante k enthält.
Es wird nämlich
V^^v^ Vc" - c}
sin 0> s= ; *-
dv ^\uc -^ vcj
V«* — V*
'i ..1 { iij,.i i ■. ...
A. Voß: Über Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 261
Setzt man noch
u* — v^
so werden die Differentialgleichungen 1)
so da&
KW* — v*
KM* — v*
^9;
oder
^=^ + I /\ ^xa/- (tidv — t;dM)=«0
»y h{u^ — v^) — {cu-\- (?, v) I^M* — v*
wird, wo k die Integrationskonstante.
Demgemäg wird
i/~z — :j mc + vc,
E yc* — c? = ^
Ä (m* — v*) — (c M 4- (?j v) Kw* — V*
und wenn man den Nenner mit w bezeichnet, so daß
u; = A; (u* — V*) — (cu-Y (?j v) Vu^ — V*
ist, wird das Längenelement
Die Koeffizienten desselben sind in u, t; homogene Funk-
tionen vom Grade — 2. Nach einem bekannten Satze von
Bour^) ist aber dasselbe einer zu einer Rotationsfläche
isometrischen Fläche angehörig.
1) Vgl. s. B. Maarice L^yy, Sor le d^veloppement des surfaces dont
relement lineaire est exprimable par ane fonction homogene. Compt.
Rend. 87, p. 788.
18*
262 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Das Krümmungsmaß K kann am einfachsten vermöge der
folgenden Formel berechnet werden, welche nur noch DifPe-
rentialquotienten von <o enthält:
sm* 0) K== — (c^ 4- 2cc, cos o) + c^
e
a>, (c, -|- c cos a>) + cü^ (c + ^i cos cd)
hat aber bei beliebigem c, c^ keinen einfachen Wert. Ist in-
dessen c, (oder auch c) gleich Null, so ergibt sich eine
Fläche negativer konstanter Krümmung. Man sieht
dies am leichtesten aus der oben gegebenen Form von ds^,
welche in dem genannten Falle die Gestalt
, ^ (du* + d t;*) w* — 2vududv
^ "" (kiu^^ -- v^) - c vVuy^^y
annimmt. Setzt man m» — v* = t«?, v == v, so erhält man
(t Wj — C Vj)*
und dies ist dasLängenelement einer Fläche von dem Krümmungs-
maße
- (** + C^)'
Man hat also den folgenden Satz:
Die einzigen Flächen, bei denen Systeme von
Kurven geodätischer, durchweg konstanter Krüm-
mung c, (?|(c* — ^4=0) existieren, und bei denen zu ein
und demselben Koordinatenwinkel CO noch oo^ Längen-
elemente gehören, sind diejenigen, bei denen
uc, -}- VC
cos O) s= — — .
uc + vc^
ist. Sie sind zu Rotationsflächen isometrisch.^) In
^) Ich unterlasse es, den T jpas dieser Rotationsflächen anzugeben,
der in bekannter Weise erhalten werden kann, aber keine einfiskche Ge-
stalt anzunehmen scheint.
«/iT!^
A. Vo6: Über Flächenzerle^^^ung in infinitesimale Rhomben. 263
dem besonderen, Falle wo die eine Kurvenschar aus
geodätischen Linien gebildet ist, sind die betreffen-
den Flächen von konstanter negativer Krümmung.
In der Gleichung 6) ist indessen der Fall c^ = cl, der in
den sich daran schließenden Betrachtungen ausgeschlossen werden
mußte, zulässig. Setzt man z. B. c = -f c^ so folgt
4> = const = 1, F= f{u + v),
wo i^eine willkürliche Funktion von u -^ v ist. Man erhält dann
cos (O =
Integriert man unter dieser Voraussetzung die Gleichungen 1),
so wird auch rj oder e eine Funktion von u + v allein und
man erhält das Längenelement einer willkürlichen
Rotationsfläche
I cos* "ö (^ *♦
CO
+ dvy + sin^^ (du — dvy
o
bei welcher die Diagonalkurven der Rhomben, u — v = const,
selbst geodätische Linien (die Meridiane der Rotationsfläche)
vorstellen. Der Fall c^ — cj 4^ 0 wird indes im nächsten Para-
graph allgemein untersucht werden.
Über diejenigen Fl&chen, welche in infinitesimale Rhomben
durch Kurven gleicher oder entgegengesetzt gleicher geod&-
tischer Erflmmong geteilt werden.
Setzt man den in den vorigen Untersuchungen im allge-
meinen ausgeschlossenen Fall c^=^ (^ voraus, so läßt sich die
Bestimmung des Längenelementes, anstatt auf eine par-
tielle Differentialgleichung, auf eine kubische Irra-
tionalität und zwei einfache Quadraturen zurück-
führen.
Wird (? = (?j angenommen — für den Fall c = — Cj gelten
264 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 6. Mai 1906.
ganz dieselben Betrachtungen, nur daß an Stelle von u -y- v
u — V einzusetzen ist — , so geben die Gleichungen 2*) des § 1
€ti — 9?f = «» — (f
V
oder
9 (g -f y) ^ ^ (g + y)
du dv'
Demnach ist
€ -}- q) = F{u + v),
wo F eine willkürliche Funktion des Argumentes w + t; be-
deutet. Setzt man jetzt
w — v = v ,
so wird die erste der Gleichungen 2*) § 1
wegen
q)^F—e
und
% 9 ~2-^
du dV ^ du
in
o U
Übergehen. Setzt man endlich
2e — F==w^,
80 daß
F — ui^
cos CO = -=—. — 5
wird, so erhält man als Differentialgleichung für a>
d. h. eine Rice a tische Differentialgleichung, bei der die Inte-
grationskonstante eine willkürliche Funktion von u — t; « v' ist.
A. Voß: Ober Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 265
Die Gleichung 1) läüt sich lösen, wenn man die Funktion F
in geeigneter Form annimmt. Setzt man nämUch
tc = z VF,^)
so entsteht
2) J'g* _ c^ i±il
att' "~ 2 ^ •
Denkt man sich nun s^ durch eine partikuläre von v freie
Lösung der Gleichung 2) hestiinmt, so kennt man ein partiku-
läres Integral von 1) und findet so
3) «^ = ^7+ -^^-^,
WO Uj C/j, Z7, Funktionen von u' allein, V eine willkürliche
Funktion von v ist. Damit dieser Wert von w der Gleichung 1)
genüge, müssen die Gleichungen
a) r = (j/4(l?'+ U^)VF
b) U[ = c\iVF2UU,
c) —m=c\4:U,VF
bestehen. Nun liefert die Gleichung a) bei willkürlich ange-
nommenem U eine und nur eine reelle Wurzel für yF^ aus b)
erhält man dann U^ durch Quadratur, und ebenso aus c) die
Funktion C/,.
Das Längenelement wird nun bezogen auf dieVariabelnUpZ;,,
4) ds^=— -±^[dw;F+df?u;»].
Wird also w als Funktion von u, allein angenommen, so
ist die betreffende Fläche zu einer Rotationsfläche
isometrisch.
Umgekehrt kann man aber auch auf jeder Rota-
1 ! ]
M Dabei wird cos ca = r-r — ^ aber für if = tg -, C08 <o = cos A.
' 1 -|- Ä* ° 2
266 Sitzung der math.-ph78. Klasse vom 5. Mai 1906.
tionsfläche solche Systeme von Kurven konstanter
geodätischer Krümmung bestimmen, da ds^ noch eine
willkürliche Funktion enthält.
Setzt man nämlich das Längenelement in der Form
5) ds^==dU*+ gdi/i
voraus, so daß v^ = const geodätische Linien der Fläche sind,
wählt man femer
WO f eine noch zu bestimmende Funktion von Mj, g aber eine
gegebene Funktion von f ist, so kann man immer, und zwar
im allgemeinen auf oo^ verschiedene Arten, bewirken, daß die
rechten Seiten der Gleichungen 4) und 5) identisch werden.
Man hat dazu nur zu setzen:
{w^ + F)w^=4g.
Daraus folgt durch Addition und Multiplikation
{w^ + F)^=4(f^ + g)
(w'' + F)^Fu^= 16 f*^.
Demnach wird
(w^ + F)wVF = ifVg
w^ + F =^ 2Vf^^Tg
vr+9
Die Differentialgleichung 1), welche man auch in der Form
schreiben kann, wird daher
d ,1 = cfVg.
A. Voß: Über Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 267
Sie liefert
9 _
oder
v'n+ 9
^=cSV9df-\-a
df
9^
lS
— 9
c'iSV9df+ay
womit f als Punktion von Mj mit der willkürlichen wesent-
lichen Konstanten a bestimmt ist. Hiermit ist zugleich die
Aufgabe gelöst, auf einer gegebenen Rotationsfläche alle die-
jenigen Kurvensysteme mit der geodätischen Krümmung c zu
finden, die eine rhombische Teilung bewirken, deren Diagonal-
kurven die Meridiane sind.
Ich erwähne zwei Beispiele allgemeinerer Natur.
Wählt man in Gleichung 1) F = P, so wird
(ü = *tg(M,e? — + F),
setzt man zur Abkürzung
k^
so wird das Längeuelement ausgedrückt durch
ds^ =
4 cos* o
(dul + tg^adt^.
Bestimmt man aus den Koeffizienten
^ ** ^*^tg»o
4 cos* a ' "^ 4 cos* o
mittelst der Gau fischen Formel
2Veg l^uV»^ * d
^1
Vge
das Krümmungsmafi K, so erhält man
'II
Veg
268 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
Man erhält daher wieder eine Fläche konstanter nega-
tiver Krümmung — c?*, wenn V eine lineare Funktion von
v, ist, aber der Koordinatenwinkel cw ist nicht konstant, son-
dern eine lineare Funktion von u^ und Vj.^) Setzt man
andererseits
so ist
w^ =
ß
eine partikuläre Lösung von 1), wenn
gewählt wird. Nun wird
2 m,
a* — /?»
man erhält daher wieder eine Fläche konstanter negativer
Krümmung mit konstantem Koordinatenwinkel. Die allge-
meine Lösung der DiflFerentialgleichung 1) führt in diesem
Falle auf nicht besonders einfache Formen.
§5.
Über diejenigen Flächen, welche durch zwei Systeme geodä-
tischer Linien in infinitesimale Rhomben zerlegt werden.
Soll endlich eine rhombische infinitesimale Teilung
der Fläche durch zwei Systeme geodätischer Kurven
entstehen, so ist in den Formeln 2% des § 1 (? = Cj = 0 zu
setzen. Man erhält dann
€h = (P9
') Es wird allgemein cot a> = cos 2 o.
A. Yoß: Über Flächen Zerlegung in infinitesimale Rhomben. 269
oder
mithin
Wn — Wwn = 0
oder
tp =^ F(u + v) — 0 (m — v),
wo 2^ und 0 willkürliche Funktionen ihrer Argumente sind.
Demgemäß wird
<p = F' — 0\
wo die Indizes bei F und 0 Differentiationen nach den Argu-
menten u + v, M — V andeuten. Das Längenelement wird nun-
mehr durch die Formel
d5* = (-F' + 0') l{du + dvyr + {du- dvf0"]
ausgedrückt. Setzt man
{du + dv)VF = du^
(du — d v)Y0' = d v,
F' + 0'=u, + r,,
wo f/, und F, Funktionen von u, = t* + ^» Vj = u — v allein
sind, so entsteht
1) d^ = (dtA-\-di^(:U,+r,).
Man hat daher den folgenden Satz: Jede Fläche, welche
durch zwei Scharen geodätischer Linien rhombisch
geteilt wird, ist eine Fläche mit dem Liouville'schen
Längenelement, d. h. eine Liouville'sche Fläche.
umgekehrt kann man nun aber auf jeder Liou-
ville'schen Fläche oo^ Systeme von Kurvenscharen der
genannten Art angeben.
Bekanntlich sind durch die Gleichungen
— 7=~= + ->^:, — L^-^ = const
bei willkürlicher Eonstante c bei geodätischen Linien der
Fläche gegeben. Setzt man nun
270 Sitzung der math.-phys. Klasse vom Ö. Mai 1906.
du, dv. ,
-A= ' = dv,,
yu, + c vv,-c
so wird
dv^ du^-]- dv^
und damit geht die Form ds^ (1) in
über, aus der hervorgeht, daß alle diese Systeme geodätischer
Kurven rhombische Teilungen hervorrufen.
Zu den Liouville'schen Flächen gehören insbesondere die
Flächen zweiten Grades; zu den Systemen geodätischer Linien
der verlangten Art die Erzeugenden derselben. Dies lä&t sich
auch leicht direkt nachweisen.
Betrachtet man z. B. das Hyperboloid
a» "^ b*
':=!
C^
und setzt
a ~'" b
so ist
f =
M + V
1 + MV
UV — \
V =
l+UV
u — »
C =
1 1 •
A. Yofi: Über Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 271
Es wird demgemäß für l '\' uv = s
- ■_!— ^^ t _ 1— ^^
^« — ^^ , f . — ^^
2v 2 m
1?- = ^, ^. = y»
_ l + r _ 1 +j*»
daher sind die Koeffizienten des Längenelementes gegeben durch
^ e = a» + c* — 2 v^a» — c^ — 2 6*) + (a» + c^) v*
^^ == a» + c* — 2 u^a»— c* — 2 6*) -H (a» + c») m*;
und in der Tat wird die Teilung eine rhombische, wenn man
an Stelle der Yariabeln u, v die durch die Gleichungen
, du
^' ~ Va» + c» — 2 u» (a* — c* — 2 6») + (a* +1^
, dw
^'~Va* + c*— 2t;M«* — c*-26'») + (a^ ^"^
einfährt.
Nun hat bekanntlich das Hyperboloid') die Eigenschaft,
dag zu dieser Teilung oo^ Flächen derselben Art gehören, bei
denen die Koeffizienten 6, g dieselben bleiben, während der
*) Die nämliche Eigenschaft besteht übrigens noch für das Para-
boloid
^ "■ 6« "" T
wo durch die Institutionen
2x , 2v 2e
a ' * 6 c
die Koeffizienten e und g gleich
gt^-b^+c^o« a'^ + h^ + c^u*
4 ' 4
werden, und sich nicht ändern, wenn man a^ durch n' — A, 5' durch
6* + il ersetzt.
272 Sitzung der math.-phys. Klaase vom 5. Mai 1906.
Eosimus des Koordinatenwinkels variiert; sie entstehen durch
die mit der Transformation in die Schar der konfokalen Flächen
a'» = a» + A
äquivalente Deformation, welche die Längenabschnitte zwischen
den sich kreuzenden Erzeugenden ungeändert läßt.
Dieselbe Eigenschaft aber kommt allen Liouville-
schen Flächen überhaupt in viel allgemeinerem Sinne
zu: d.h. zu jeder rhombischen Teilung einer Liouville-
schen Fläche durch Systeme geodätischer Linien ge-
hören 00^ andere Liouville'sche Flächen, welche die-
selben Längenabschnitte der auf ihnen verlaufenden
beiden Scharen geodätischer Linien, aber einen ver-
schiedenen Koordinatenwinkel dieser Scharen be-
sitzen. Wie man sieht, liefert dies eine , Deformation' der
Li ouville 'sehen Flächen, welche der ganz speziellen Defor-
mation der Flächen zweiten Grades völlig analog ist, und zu-
gleich die bekannte Deformation der letzteren als Spezialfall
erscheinen läßt.
Man erhält nämlich für tj = log e aus den Gleichungen 2*)
des § 1, wenn man cos co =z setzt,
-0— -er, = ü
du dv
2)
— ^ — £^ x-^ — -er^ = 0.
dv du
Die Integrabilitätsbedingungen für e sind, wenn man aus
den Gleichungen 2) die Werte von -er, und 0^ wieder einträgt:
rjuu — t]^ {rj, — zri^ — js riu^ = rj^w—Vu («?« — 2 «;.) — -er rju,
oder
Vun + vl = »?„ + vi-
Ist aber diese von ^ ganz unabhängige Gleichung über-
haupt erfiillt, so wird
A. Yofi: Über Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 273
9e , 9fi
^c= I — dft;+-— dM +
J du dv
const
aber bei ungeändert bleibendem e • cos co noch von einer Kon-
stanten abhängig.
Der Satz kann übrigens auch aus der Form des Längen-
elementes auf den Liouvilleschen Flächen ganz direkt geschlossen
werden. Für den allgemeineren Fall, wo die Kurven von
konstanter geodätischer Krümmung sind, besteht ein analoger
Satz nicht, da die Integrabilitätsbedingung hier die Funktion z
selbst enthält.
§6.
Beispiele ftlr die Bestimmimg von Karvensystemen der be-
sprochenen Art anf Fl&chen konstanter Krümmung.
Als eine weitere Aufgabe bietet sich nun die Bestim-
mung aller Kurvensysteme der gewünschten Art dar,
welche auf einer gegebenen Fläche unter gewissen
Umständen möglich sind. Ich muß mich aber hier größten-
teils auf die einfache Angabe einzelner einfacher Fälle be-
schränken, welche die Flächen konstanter Krümmung betreffen.
Schon auf den Flächen von der Krümmung Null scheint es
keineswegs einfach wegen der Komplikation der zu lösenden
Funktionalgleichungen, alle Systeme der geforderten Art, die
nicht auf bloßen Bewegungen beruhen, anzugeben. 0
1. Setzt man
-V X = r cos w + r, cos v
y = r sin M + rj sin v,
so hat man bei konstantem u den Kreis
(x — r cos w)* + (y — r sin m)* = r,
M Für dieLionville 'sehen Flächen ist dagegen die Aufgabe, alle
rhombischen Teilungen durch geodätische Linien zu finden,
im § 5 gelöst. Ein besonderes Interesse haben dabei wieder diejenigen
Flächen, die auf mehrfache, d.h. oo vielfache Art sich als Li ouvil lö-
sche Flächen ansehen lassen.
274: Sitiung der iiiath.-phy8. Klasse vom 6. Mai 1906.
luit dem Kadius r^ , dessen Mittelpunkt den Kreis mit dem
Radius r durchläuft; die Gleichungen bilden überhaupt ein
doppeltes System von Translationskurven. Daß nun
die Ebene durch dasselbe in Rhomben zerlegt wird, ist selbst-
verständlich. Transformiert man dies Kreissystem durch stereo-
graphische Projektion in geeigneter Weise auf eine Kugel, so
erhält man auf den Flächen positiver konstanter Krüm-
mung eine Doppelschar von Kreisen mit konstanter geodäti-
scher Krümmung, welche die Fläche in Rhomben zerlegen.
Dabei ist natürlich der Fall nicht ausgeschlossen, daß r und r^
von verschiedenen Vorzeichen angenonmuen werden, was eine
veränderte Lage der Kreise gegeneinander zur Folge hat.
2. Das System der Kreise mit konstantem Radius a,
deren Mittelpunkte einen Kreis mit dem Radius r
durchlaufen:
liefert
(x — r cos u)* + (y — r sin u)* = a*
(x — r cos v)* + (y — r sin v)* = a\
^* + y* — 2 r (a: cos w + y sin m) = a* — r*
^* + y* — 2 r (j; cos t; + y sin v) = a* — r*
oder
X (cos u — cos v) + y (sin u — sin v) = 0.
Setzt man nun
wobei
X = X [sin u — sin v] = 2 A sin q cosp
y = X (cos u — cosv) = 2 Xsinq sinp,
U -{- V
i =
2
U — V
80 wird
a; cos w -|- y sin tt = i sin (« — v)
:c^ + y« = 4A^sin**^^
A. Yoß: Über Fl&chenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 275
oder
jj __ 1 1 (cos q 4- 1/a* — r* + cos* q)
sin q
Demgemäß wird
X == cos jp (cos q + S)
y = sin jp (cos g + S),
cos*g
wenn zur Abkürzung
gesetzt wird.
Eine einfache Rechnung zeigt, daß in der Tat die Koeffi-
zienten e und g von cfe* einander gleich sind. Wählt man
insbesondere a = r, so erhält man die Doppelschar von
Kreisen mit konstantem Radius durch den Koordi-
natenanfang, d. h. einen speziellen Fall von Nr. 1.
Auch hier kann man durch stereographische Projektion zu
Flächen konstanter positiver Krümmung übergehen.
3. Auch die Kreise von gleichem Radius r, welche
eine gerade, etwa die a;-Achse berühren, bilden eine
solche Doppelschar. Setzt man nämlich
x =
M + t;
1/
(v_u)*— r^
so ist
y«= —
v
Xu = V»» ^f = Va
V — u
V — u
-uf — r"
v
— uY -r^
so daß wieder e = g wird.
4. Vermöge des Prinzips der reziproken Radien gewinnt
man aus dem Spezialfälle unter Nr. 3 in der Ebene den Fall,
wo die Doppelschar der Geraden, welche ein und den-
190«. Sitsniigsb. d. malth.'phjB, KL 19
A. Vofi: Über Flftchenzerlegung in infinitesimale Ehomben. 277
Hier wird das Längenelement
d^ = du' (1 + v^) + 2uv du dv + u" dv",
so da& man nur
du
u
= du,
dv
Yi + i^
= dv
zu setzen hat.
6. Endlich sei noch ein System angeführt, bei dem die
eine Kurvenschar geodätisch, die andere aus Kreisen von kon-
stantem Radius besteht.
Setzt man
(rc-u)« + y» = c^,
d. h. betrachtet man die Parallelen zur a;-Achse und die
Kreise mit konstantem Radius c, deren Mittelpunkt
auf der rr-Achse liegt, so ist das Längenelement
d^ =s du^ — 2 ^ +
|/? — tr* c^ — t^
und man hat nur
£ dv
y&—i?
= dVj, dw = dw,
zu setzen, um die rhombische Teilung herbeizuführen.
§7.
Bestimmung aller geod&tischen Eurvensysteme mit rhombischer
Teilung auf den developpabeln Fl&chen.
Die im vorigen § 6 gegebenen Beispiele erschöpfen für
die Ebene noch nicht einmal die Fälle, in denen beide Kurven-
scharen aus geraden Linien bestehen. Aus dem Liouville-
schen Ausdrucke für das Krümmungsmaß folgt für c = c;^ = 0
sofort
19*
278 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
COnw =0
oder
1) (o=U+r,
wo U und V Funktionen von w, v allein sind.
Aus den Gleichungen
dVe d /w- X ^
— r— (y e COS Ö>) = 0
du dV
dV du
folgt für c = [/e:
_I — (Vc cos o)) = 0
fi„ sin o) + (ü, + ^« cos o) = 0
fi» sin o) 4" ö>tt + (ü, cos ö) = 0;
also die Integrabilitätsbedingung
d
d
(ö>f + ö>« COS a)\ d f(Ou + ö)f cos 0)\
sino) / au\ sinö) /
oder nach 1)
sin (D^H- F) (F" — P') = (F'» - U'*) cos (fT + F),
d.h.
2) ^{JT+V)^yn-:-^..
Diese Funktionalgleichung ist nun offenbar erfüllt fdr
U'sssCj V= + c; desgleichen für t; = const,
U" coh{U+c)
F*"sin(£r+c)
oder
U' = CiSin(ü'4- c\
also
dU
A. Voß: Über Fl&chenzerlegUDg in infinitesimale Rhomben. 279
Um aber alle Systeme der verlangten Art zu finden, muß
die Funktionalgleichung 2) gelöst werden. DifiFerentiiert man
nun dieselbe nach u und v, indem man zunächst tg iU-\' V)
durch f{ü'\'V) ersetzt, so folgt
^, ^ _ 2iru'' r' -_ w" j^.n
2 r v"
F»- U
'%
oder durch EUmination von f
Dividiert man diese Gleichung durch U' V*, was zulässig
ist, wenn keine der Funktionen U, V eine Eonstante ist,
(welcher Fall soeben betrachtet wurde) so folgt
3) 2(r^- u"^) = (r» - u'^ (^ + O .
DifiFerentiiert man jetzt nach v, so folgt
4) 4rr'-2rr(^+-p)-(F''-t^'')(^)==o
und hieraus durch DifiTerentiation nach u
-2rv" (^-) + 2 v u" (^) = 0.
Mithin ist
fü"'\' 1 _fV"\' 1 _
\ü'') mr ~ KV ) T~v" ~ "'
wo c eine willkürliche Konstante. Durch Integration erhält man
5)
^- = c/2r^ + |.
280 Sitzung der maih.-phy8. Klasse Tom 5. Mai 1906.
Setzt mau den so bestimmten Wert von -jn- in 4) ein,
so folgt
F " [4 r'" — 2 c F'» - (a + /?) F'] = 0.
Eine erste Lösung dieser Gleichung ist F" = 0. Dann
ist aber F' = y, und der Gleichung
kann offenbar nur genügt werden, wenn V ^^r y genommen
wird, wodurch man auf den oben bereits genannten Spezialfall
zurückgeführt wird.
Es muß daher
6*) F"' = c/2 F'' + ^-^ r
4
und ebenso
6»>) u'" = c\2 ü'^ + ^-t^ ir
sein. Vergleicht man diese Gleichungen mit den in 5) er-
haltenen Ausdrücken, so folgt
so daß nun
F' ~ 2 "^2
TT"
wird. Setzt man diese Werte endlich in 3) ein, so folgt
2 ( r"' - 1}"") = (^'~^''') [(F'" -f U'^) c + 2 a]
und diese Gleichung zerfallt in die beiden neuen
A. Voü: ('b».*r Fl;"u.'litM)z<'rlt*'ruii<r in intiiiit^'.-^iiiiiilc KhoiiiluMi. 281
'«j
7)
r*|-F'»^ = fc
j;-»_ir*4-ö''»a/2 = Ä;
wo X; eine neue willkürliche Konstante bedeutet. Setzt man
jetzt a = — iß, so wird
2U'dU'
V
= 2duU'
U'*~—U'lß f Ä
oder, wenn c/4 = — y' genommen wird,
arc sm
•° (>-+^"0 _
1/
Mau hat also:
wo
r"Y + - = V^sin 2iUy + A,),
y
gesetzt ist. Demgemäß wird
y {U'^ _ V'^) = V'w [sin 2 ([7y -f Ä,) - sin 2 (Ty + A,)]
U'—U'= Ym [cQs 2 (I7y 4- Aj) — cos 2 (Fy + A,)].
Hieraus folgt
y F- - P == ~ *'°*« KÜ" + F) y + Ä, + A,].
Zieht man noch die Konstante y in die Funktionen TJ^ V
hinein, und wählt A^ -|> A, =;= ;r/2, so folgt in der Tat
282 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Diese Lösung, welche ?7, V als elliptische Funktionen von
u, V darstellt, entspricht, wie jetzt gezeigt werden soll, dem
folgenden Satze:
Die Tangenten jedes Kegelschnittes bilden eine
doppelte Schar von geodätischen Linien in der Ebene,
durch welche dieselbe rhombisch geteilt wird.
Seien nämlich
X cos M y sin w ^
X cos v y sin v ^
zwei Tangenten eines Kegelschnittes, insbesondere der Ellipse^)
a» ^ b^ '
so wird
— sin Co — u) = sin t; — sin u
a
^ sin (v — u) = cos u — cos v.
ö
Daraus ergibt sich
e = a:^ + yj = (a* sin^ v + 6* cos^ v) P
^ = ^ + yj = (a* sin* M + 6* cos* u) P,
wo
p ^ 1 1 — cos (t? — u) J*
sin*(t7 — u)
gesetzt ist. Es entsteht also in der Tat eine rhombische
Teilung, wenn man
1) Fflr die Hyperbel sind natflrlich die trigonometrischen Funk-
tionen durch hjperbolische zu ersetien.
A. Vofi: Über Flächen Zerlegung in infinitesimale Rhomben. 283
du
Ya^ sin' w + 6' cos* u
dv
Va^ sin* V + b^ cos* v
-- = du.
= du,
setzt. Auch für die Parabel y* = 2 p o? besteht der Satz. Denn
hier hat man für den Schnittpunkt zweier Tangenten
x =
y =
UV
2p
Demnach wird
2 1 2 /^ + <^
4;i
2 »
., , .> / + t*^
und man hat nur
du
Vf + u'
= dM,,
dt;
vw+^
= d»,
zu setzen.
Will man dagegen alle rhombischen Teilungen der
Ebene finden, welche durch zwei Kreisscharen von
konstanten Radien c und c^ entstehen, so ist zu setzen
X — 17= c cos ö, y — CT, = csin 0
a: — F = c, cos 0', y — V^^=c^ sin S\
wo U, U^; F, F, Funktionen der Argumente u; v allein, 0
und 0| aber von beiden abhängig sein können. Alsdann ist
a?„ = — (?, sin 0' 0i, j;, = — c sin 9 0,
y» = + <?, cos Ö' 0;, y, = + <? cos ö ö„
so dais die Bedingung der rhombischen Teilung
wird. Setzt man demgemäß
284 Sitzung der inath.-pbys. Klasse vom 5. Mai 1906.
SO sind noch die Funktionalgleichungen
U — F = c, cos {c tpt) — c cos (c, \pj)
[/, — F, = Cj sin (c, tp,) — c sin {c^ tpu)
zu befriedigen. Dieselben sind aber keiner einfachen Behand-
lung zugänglich und auch andere Ansätze, welche die Ein-
führung trigonometrischer Funktionen vermeiden, führen zu weit-
läufigen Funktionalgleichungen, die ich bisher nicht vollständig
untersucht habe.
§8.
Die Fl&chen konstanter negativer Krümmung.
Die Formeln des § 1, 2 nehmen eine besonders einfache
Gestalt an, wenn cos (o als konstant vorausgesetzt wird.
Bezeichnet man die geodätischen Krümmungen der Koordi-
natenlinien u = const, V = const mit y^, y^, so wird das Längen-
element der zugehörigen Fläche*)
,^ du^ 4- 2 cos o) du dv 4- dv^
1) r(?^i + y% cos o)) u + (yg + yy cos co) vV
[ sin CO J
mit dem konstanten negativen Krümmungsmaß
jgr y? + 2 yi ya cos (o-\-y\
sm* CO
Da K ein negativer definiter Ausdruck ist, der nur
dann Null wird, wenn y,, y, gleichzeitig Null sind, so ent-
stehen nur dann developpable Flächen, wenn beide Kurven-
systeme aus geodätischen Linien gebildet werden. Zugleich
zeigt sich aber, daß ein solches Kurvensystem die Fläche
negativer konstanter Krümmung immer in infinitesi-
male Rhomben zerlegt.
Setzt man
y^ •\- cos ft> ^j = a sin co
y, cos CO -|- y, = 6 sin co
*) Vgl. P. Probat, a. a. 0., p. 36.
A. VoG: Uljer Flät'lu'nzerle«'un': in iiifinitt'.-inial»' IMiuiiiltfii. l'^»)
-o "-"'r
und
a u -{- ß V = v^,
so wird für
m = a ß — ba
m*(df«*-+- dv'^ -{- 2cos(o du d v) = e^diil + 2/, du^ (^y, +^, dv],
wobei
ßj = /?* + ö* — 2 cosco a ß
(/j = 6* 4" a* — 2 cos (oab
/i = cos CO (/? a + 6 a) — (ßb + a a).
Wird nun angenommen, daß
ß = /ji(a — b cos co)
a^= fji{a cos a> — 6)
ist, so verschwindet der Faktor /", ; es folgt zugleich
a* 4" i^ — 2a ß cos a> = ju^ (a^ + ^* — 2 a 6 cos m) sin* co
m = /i (a* + J* — 2 a & cos a>).
Demnach wird
a* + ^* — 2 ab cos co
m* d«* = (/i^sin* o) du] -\-di^
Setzt man jetzt
ul
so wird
, ^_ sin* (o {d i4 + e'-^'*^d ij)
a* -+- 6* — 2 a 2^ cos CO
Das Krümmungsmaß ist nunmehr
a* + 6* — 2 a& cos CO
j:« — —
sin* CO
Damit ist das Längenelement auf die typische Form der
Flächen konstanter negativer Krümmung gebracht, bei der die
286 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
geodätischen Linien dv^ = 0 sämtlich durch einen unendlich
fernen Punkt der Fläche gehen.
Es ist aber
v^sino) = — = M(acosa> — b) + v(a — 6coso>).
Da endlich
a cos a> — 6 = — sin o) y^
a — cos o> ft = sin CO yj,
so wird
Für den besonderen Fall yi=iyj wird daher die
eine Schar der Diagonalkurven der Rhomben selbst
aus geodätischen Linien gebildet.
Ist umgekehrt eine Fläche von der Krümmung — 1 ge-
geben, also
so setze man
a» + 6* — 2 a
b cos (o ^
— 1
sin* CO
und
Vi
1
' smo>
«*i
u^^=^ au-^-bv
v^ — au + ßv,
/ff = a — b cos CO,
y^ sin CO = /ff
a =sacosco — ft,
ygSinco= —a.
Die Fläche von der Krümmung — 1 ist alsdann auf ein
rhombisch isogonales System mit den konstanten geodätischen
Krümmungen ^|, y^ bezogen.
Ich beweise nun zunächst die TTmkehrung des obigen
Satzes:
Ist ein rhombisches System mit konstantem Ko-
ordinatenwinkel auf einer Fläche mit konstantem
A. Voß: Über Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 287
Erümmungsmaß vorhanden, und besteht die eine Schar
der Kurven aus Kurven konstanter geodätischer
Krümmung y^ 4= 0, so ist auch die andere Schar von
konstanter geodätischer Krümmung y^ und das Krüm-
mungsmaß der Fläche ist negativ.
Es sei denmach e^^g und cos (o konstant, f = e cos o)^
so ist nach § 1, 2
dVe dVe
— y. e sm (o = — — cos co,
'* du ov
2) — y, sm a> = —-^ cos co — — ^.
^ dv du
Eine partikuläre Lösung dieser Gleichung ist
3) f]Q = uy^sm(o;
aus der Gleichung
0 s= cos CD -^-^- — -^ ^^ ,
dv du
welche man durch Einführung von 3) in 2) erhält, folgt daher
fj = fJo + f{ucos(o + v\
wo f eine willkürliche Funktion des Argumentes jg = u cos (o-^-v
ist. Demnach ist
wy, sin CO + /* wa + Z"'
wenn man a =: y^ sin (o setzt.
Die geodätische Krümmung y, der anderen Kurvenschar ist
dVe dVe
— y- c sm CO = -:: r — cos co.
'^ dv du
Vermöge der Gleichungen
dYi^ f dVe^ (g-f-f cosco)
dv ~ (wa-f/)»' du {ua + fy
288 Sitzung der inath.-pbys. Klasse vom 6. Mai 1906.
folgt:
y, = f sin (o — y^ cos a>.
Aus der Liouyilleschen Formel fttr das Krümmungsmaß K
folgt aber, wenn man den Wert von y^ einsetzt,
5) K=-y\-r-\-(ua-Yf)f;
WO die Größen f\ f von dem Argumente z allein abhängen.
Differentiiert man nun die Gleichung 5) nach t?, so folgt
-rr+(«a+r)r=o.
Jetzt müssen zwei Fälle unterschieden werden. Ist a,
d. h. y^ von Null verschieden, so kann diese Gleichung
nur dann bestehen, wenn f eine Konstante ist,') dann ist
aber auch y^ eine Eonstante. Ist nämlich f nicht konstant,
so ist auch f nicht Null, dann ist aber auch f" von Null
verschieden, da ua 4~ /^ nicht unendlich sein darf. Dann folgt aber
(-^ + /-W«a = 0.
Nun ist der eingeklammerte Teil entweder eine Eonstante
oder eine Funktion von e\ beides aber führt auf einen Wider-
spruch. Damit ist der angegebene Satz bewiesen.
Ist dagegen a = 0 oder y^ = 0, so hat die Funktion f
nur der Gleichung
K — n+fr
zu genügen.
Dieselbe gibt durch Differentiation nach e
—f'r+fr=o.
Diese Gleichung ist wieder erfüllt für f = const, dann
ist auch y^ = const. Ist aber f nicht konstant, so ist auch
/"4= 0) ^^^ ^&i^ ^^^
*) Natürlich kann auch /"' = 0 sein, dann ist 72 = ^ 7i cos a> und
A. Voß: Über FlächenzerleguDg in infinitesimale Rhomben. 289
und dies liefert
r ^ f '
Wird das obere Vorzeichen gewählt, so wird
K = ^ABc\
man erhält daher Flächen von konstanter Krümmung; dieselbe
kann hier positiv, negativ oder auch Null sein.
Wählt man dagegen das untere Vorzeichen, so ist
f=Asmcz-\-BQO^ce
also K wesentlich negativ.
Eine Fläche konstanter Krümmung kann daher
auch in infinitesimale Rhomben durch ein isogonales
Kurvensystem zerlegt werden, deren eine Schar von
geodätischen Linien gebildet ist, während die andere
Scharnicht von konstanter geodätischer Krümmung ist.
Man kann übrigens aus jedem Systeme u,v^ wie es in
1) zu Grunde gelegt ist, durch lineare Transformation
der Variabein w, v andere Systeme derselben Eigen-
schaft herleiten.
Nach Bonnet's Formel ist die geodätische Krümmung y^^,
welche zu den Kurven 9? = const gehört, für den Fall c = ^,
/'=ecosa> ausgedrückt durch
9 V^{(Ph — cos o) 9?») , 3 Ve{q)^ — cos a> 99,,)
— y^ e sin a> =
wobei
du
s
+
dv
s
Sf= V(p^ — 2 cos (oq)u(pt + <pl
gesetzt ist. Setzt man nun
290 Sitzung der mat]i.-phy8. Klasse vom 5. Mai 1906.
SO werden die Kurven u^ = const, v^ == const ein rhombisches
System bilden, wenn
ist, und der Kosinus des Koordinatenwinkels C0| ist
(dß + ay) + (ad4- ßY)cos(o
cos CO, = — ^ — — ~ — L— c_^y .
Es werden daher die geodätischen Krümmungen /\ und F,,
welche zu den Kurven Wj = const, Vj = const gehören, aus-
gedrückt durch
^ 9 (a — ßcos(o)Ye , d (ß — acosa>)V^^
* du X dv X
wn . 5 (y — d cos co)\/ € , d (d — y cos co) Ye
-r,esma> = - ^ + - j .
Unter Berücksichtigung der Gleichungen
dV~e dVe
— y- csm ö> = r — cos co
'* du dv
dVe dVe
— y«csina> = -- — cosa>
' dv du
folgt hieraus
B[ierdurch sind auf der Fläche negativer konstanter Krüm-
mung 00' lineare, nur durch die Bedingungen
a*4"i8* — 2a/?cosa>==y*4" ^* — 2y3cosö>
a3-/?y4:0
beschränkte Transformationen der Variabehi bestimmt, welche
wieder isogonale Kurvensysteme von rhombischer Teilung mit
den konstanten geodätischen Krümmungen Fj, F^ bilden.
Für den Winkel a>j erhält man auch die Gleichung
A* sin* a>| = (a d — ß y)* sin* a>,
A. Voß: Über Flächen Zerlegung in infinitesimale Rhomben. 291
aus welcher
l sin a>| = + sin CO (a (5 — ßy)
folgt, falls diese Transformationen stetig aus der identischen
a = l ß = 0
y=0 d=l
hervorgehen sollen.
Auch erkennt man, daß die Invariante des Zählers
von ds^ in 1) bei dieser Transformation durch die Gleichung
r?-l-2r,raCosfOi + /l y?+2yiy2COsa> + y?
h
sin* ö>,
sin* CO
ausgedrückt wird, welche die Unveränderlichkeit des Krtim-
niungsmaües K aussagt.
Setzt man insbesondere
u =ua-}'Vß
v' = — tiß — va
ß = a cos CO,
so wird
und
cos fOj = cos ro, X = a sin (o
R =
n = —
7i + Tt ^^^ ^
sin CO
(yj cos 0} + y^)
smfo
so daiä der Kosinus des Koordinatenwinkels ungeändert
bleibt, während die geodätischen Krümmungen sich ändern.')
Diese Transformation entspricht daher keineswegs einer Be-
wegung der Fläche in sich.
Eine solche mula dagegen notwendig eintreten, wenn auch
rj = yj, r^ = y^ wird. In diesem Falle ergibt sich aus den
beiden vorstehenden Gleichungen zwischen y, und y^ die
[Relation
y^ (1 — sin (o) = — y^ cos a>.
*) Vgl. § 3.
190t. SiUnngab. d. matb.-phya. KL
20
292 Sitzung der matb.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Und in der Tat, setzt man
M, = W -|- V cos CO
so wird
t?j = — V — ttcosa>,
l^ cos CO J
dul'\- dv]+ 2dUxdViCOsoD
■"■ T~(rTsi^rT ~y~
L * cos a> 1 ' ' » 1 j
sobald y^ (1 — sin co) = — y, cos o) vorausgesetzt wird.
§10.
Allgemeine Bemerkungen über die geodätische Krümmung
eines Eurvensystems.
Ich führe endlich einige Bemerkungen über geodätische
Krümmungen an, welche eine nähere Ausführung zu verdienen
scheinen.
Sind die Kurven w=const, t; = const und die Flächen-
normale so orientiert, wie die Achsen a:, y, 8 eines Parallel-
koordinatensystems, so ist das Integral
J \dU dvj
bei positiver Umlaufung eines „Elementarflächenstückes* Fy
d. h. bei derjenigen, welche denselben Sinn hat, wie die positive
Umlaufung eines den positiven Zuwachsen du, dv entsprechen-
den Elementarparallelogrammes der Koordinatenbestimmung,
gleich
W=-^{Pdv—Qdu).
Es sei nun nach Bonnet's Formel das Integral der geo-
dätischen Krümmung y^ der Kurven q) = const, erstreckt über
A. Voß: Über Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben. 293
die Fläche F^ es mag etwa als totale geodätische Krüm-
mung der Kurven (p für dieses Gebiet bezeichnet werden — ,
gegeben durch
wobei
gesetzt ist.
Man erhält also
1) —fy dF= [^^^ — ff^^^^-i^V'^'^f'P*)^^
wo rechts das Integral über die Berandung von F in positivem
Umlauf zu erstrecken ist. Ist nun F hinreichend klein, so
werden die Kurven (p = c nahezu in derselben Richtung ver-
laufen; wir verstehen dann unter der positiven Richtung
von 9> = const diejenige, für die dv positiv ist. Dann ist
für einen Punkt des Randes
(pt du
Enthält q? überhaupt die Variable t«, so kann man immer
voraussetzen, daß 7?« positiv ist. Unter dieser Voraussetzung
ist aber der Integrand auf der rechten Seite von 1) mit Be-
rücksichtigung des Vorzeichens, da nur positive Gröüen aus
dem Wurzelzeichen 8 entfernt werden, gleich d s cos (<^, d 5),
so daß
2») —§y^dF=—jcos{q>,ds)ds')
wird. Ist dagegen 9^» 4=0, so erhält man, falls jetzt als posi-
tive Richtung der Kurven «^ = const diejenige angesehen
wird, wo du positiv ist, ebenso
2^) -SrräF=+§eosiq,,d8)ds.
') Der Satz selbst ist keineswegs nea, vgl. z. B. Darboux, Le^ons
sur la theorie generale des surfaces III, p. 142; doch scheint daselbst
keine völlig ausreichende Vorzeichenbestimmnng gegeben zu sein.
20*
294 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
Ich mache von den beiden Formeln eine Anwendung auf
diejenigen Flächen, welche ein isogonales Kurvensystem w = coiist,
V = const mit den konstanten geodätischen Krümmungen y^, y,
enthalten.
Für das aus den Kurven u = const, v = const gebildete
V^iereck A B C D mit dem Inhalte J^ welches in positivem
Sinne durchlaufen wird, ergibt sich für 9 = m nach 2*)
— y^J=—{ÄB — CD)-]-{BC — ÄD)(iosio,
Dagegen nach 2^) für q) =^v
— y^J = {AB-CD)cos(o + {BC—AD),
Endlich hat man nach Liouville's Formel für das Krüni-
mungsmaß
+SKdJ= y. J^^ du dv -t- r,J^' du dv
^y,{CD-AE) + y^{BC-AD).
Hieraus folgt nun
J {yi + y^ cos cü) = (^ jB — CD) sin* io
J{y^ cos a> + y^ = (BC—AD) sin* a>,
also
-{KdJ= — ^?ÜA?!i ^2 cos o) + }^;>)
J J sin* CD
Aus dieser Formel aber kann man unmittelbar auf die
Konstanz von Abschließen, wenn man e7 gegen Null konver-
gieren läßt.
Ist andererseits ein Gebiet F eingeschlossen von zwei ortho-
gonalen Trajektorien einer Reihe von Kurven q) = const, so daß
ein Viereck A B C D entsteht, in dem A B C D zwei gegen-
überliegende Trajektorien, BC und AD zwei Kurven 7^ = const
sind, so ist die totale geodätische Krümmung der Kurven
(p = const für F
— ^y,dF=BC — AD.
\. Vulj: ÜbtT l'liirlK'ir/.tM-li'^^'-un.Lr in iiilinilf.siui.ilt' lllioinlx'ii. 2*J'>
Insbesondere ist für y,^ = coust = y
'-yJ = BC — AV
also die Differenz der Bogenlängen der Kurven q), welche das
Gebiet begrenzen, dem Inhalte J desselben proj)Oi-tional. In
dem besonderen Falle, wo ^^ = 0, ergibt sich der bekannte Satz
von der Aquidistanz der orthogonalen Trajektorien einer Serie
geodätischer Linien.
Diese Betrachtungen können auch in etwas erweitertem
Sinne benutzt werden. Ein Beispiel dafür bildet das Stück
einer Zone einer Rotationsfläche, die von irgend zwei Parallel-
kreisen und zwei durch Rotation ineinander übergehenden
Kurven begrenzt wird. Hier haben die Parallelkreise, falls das
Längenelement der Fläche gegeben ist durch
die geodätische Krümmung
_ _ 1 _
die totale geodätische Krümmung ist daher gleich
2 JT (w, — tio),
d. h. gleich der Differenz der beiden Parallelkreisbögen, welche
das Zonenstück begrenzen.
Eine Serie von Kurven, deren geodätische Krümmung
überall von ein und demselben Zeichen ist, kann niemals von
einer oder mehreren geschlossenen orthogonalen Trajektorien
völlig begrenzt werden, vorausgesetzt, daß eine Zerlegung des
Gebietes in Elementarflächen möglich ist, für welche die
Formeln 2") resp. 2**) immer in derselben Weise anwendbar
bleiben. Für geodätische Linien ist dies dagegen sehr wohl
möglich, wie z. B. ringförmige, aus den Umfangen Qauß-
scher Kreise gebildete Teile der Fläche zeigen.
Umgekehrt ist es nicht möglich, auf einer Fläche etwa
296 Sitzung der mat]i.-phj8. Klasse vom 6. Mai 1906.
ein ringförmiges Gebiet abzugrenzen, das Yon geodätischen
Linien begrenzt ist, derartig, daß auch der Innenraum stetig
von solchen geschlossenen Linien erfüllt ist — den einzigen
Fall ausgenommen, wo die Umfange der beiden Begrenzungs-
linien, wie z. B. bei einer Zylinderiläche, gleich groß sind.
Dagegen ist dies, wie das Beispiel der Parallelkreise einer
Rotationsfläche zeigt, für Kurven, deren geodätische Krümmung
von einerlei Vorzeichen ist, sehr wohl möglich.
^^
m^
297
Die Seeschwankungen (Seiches) des Ghiemsees.
Von AntOH Endrös«
(A'«i(7«iaN/Sm 5. Mai.)
(Mit Tafel II und III.)
Die ersten Untersuchungen jener periodischen Bewegungen
der Wassermasse eines Sees, welche nach einer Genfer Lokal-
bezeichnung allgemein ^.Seiches" genannt werden, waren am
Chiemsee in den Jahren 1901 bis 1903 ausgeführt worden.
Die Beobachtungen hatten der unregelmäßigen Umrißform des
Sees enisprechend äußerst komplizierte Schwingungsverhält-
nisse ergeben, worüber in einer Schrift „Seeschwankungen
(Seiches) beobachtet am Chiemsee, Traunstein 1903, Disser-
tation der K. Technischen Hochschule in München " ^) (im
folgenden zitiert mit P. I.) ausführlich berichtet wurde. Auf
Anregung von Herrn Professor Dr. Hermann Ebert wurden
die Untersuchungen im Frühjahr 1904 wieder aufgenommen.
Es war zunächst erwünscht an weiteren Zwischen-
punkten Beobachtungen mit selbstregistrierenden Limni-
metern anzustellen, um einzelne Schwingungen, besonders die-
jenige von 29 Min.-Dauer im westlichen Teile des Sees, Inselsee
genannt, näher aufzuklären (vgl. P. I S. 65 ff.). Dabei sollte
zugleich der Einfluß der Inseln, welche von den baye-
rischen Seen nur am Chiemsee in dieser Ausdehnung vorhanden
0 Die Schrift erschien zugleich als Jahresprogramm der K. Real-
schule Traunstein 1903.
298 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
sind — die Herreninsel hat 225 ha, die Fraueninsel 8,9 ha
und die Krautinsel 2,7 ha; sie machen zusammen 2,25 ®/o der
Seefläche aus — in die Untersuchung einbezogen werden. Im
Juni 1904 mußte ferner die Tieferlegung des Chiemsee-
spiegels dem Vertrage gemäß beendigt sein, wobei alle Wasser-
stände des Sees durch Regulierung des Seeabflusses, der Alz,
um 60 cm tiefergelegt werden sollten.^) Dies seit 200 Jahren
geplante Unternehmen, das den Zwecken der Melioration der
anliegenden Kulturländer diente, konnte hiebei auch für die
Wissenschaft nutzbar gemacht werden, indem der Einfluß auf
die Schwingungsverhältnisse des Sees untersucht und damit
gleichsam ein Experiment größten Stiles angestellt werden
konnte. Die ersten Untersuchungen hatten auch neben der
starken Einwirkung der Umrißform des Sees auf die Schwin-
gungsverhältnisse eine Mitwirkung der unterseeischen
Beckenunregelmäßigkeiten ergeben. Diese Mitwirkung
sollte weiter verfolgt werden, wozu zunächst Neulotungen
notwendig waren, da verschiedene Umstände darauf hindeuteten,
daß die Lotungen an mehreren Stellen nicht dicht genug waren.
So erwähnte E. Bay berger,*) dem wir die erste Aus-
lotung des Sees verdanken, selbst, daß die isolierte Tiefe von
43 m südwestlich der Herreninsel (vgl. die Tafel II) nicht
notwendig angenommen werden muß, sondern daß die 40, 30
und 20 m-Tiefenkurven noch diese Stelle vielleicht umschließen.
Um über die Bodengestalt in diesem Seeteile Sicherheit zu er-
halten, wurden daher dort zwei Querprofile ausgelotet, das eine
vom Badehaus bei Felden gegen die Südwestecke der Herren-
insel und das zweite von da gegen den Ufervorsprung südlich
Harras. Diese wie die folgenden geloteten Tiefen sind in die
*) Über das nun ausgeführte Unternehmen ist eben ein amtlicher
Bericht ,Die Senkung des Chiemseespiegels mittels Korrektion des Alz-
ausflusses bei Seebnick* vom Vorstande des K. Straßen- und Flußbaa-
amtes Herrn Bauamtmann G. Mayr veröffentlicht worden, aber leider
nicht im Drucke erschienen, welchem obige Angaben entnommen sind.
*) E. Bayberger, Der Ghiemsee. Mitteilungen des Vereins für
Erdkunde zu Leipzig 1888, S. 30.
A. Endrös : Die Seeschwankungen des Chiemsees. 299
Karte auf Tafel 11 eingezeichnet. Dieselbe enthält als üfer-
linie die Tiefenkurve von — 0,36 m H. P., mit welcher die
Umriälinie des Sees nach der Tieferlegung nahe zusammen-
fallen dürfte. Die genannte Kurve ist einer Karte des K. Straßen-
und Flußbauamtes Traunstein entnommen, welche im Jahre
1880 auf Orund umfangreicher Vermessungen hergestellt und
mit Tiefenkurven von 0,5 zu 0,5 m versehen ist. Die frühere
Uferlinie des Sees ist durch die punktierte Linie ange-
deutet; sie ist dem Katasterblatte des K. B. topographischen
Bureaus entnommen, da die Umrißlinie der Baybergerschen
Karte sich als ungenau erwiesen hatte. Die Tiefenangaben
stützen sich im wesentlichen auf die E. Baybergersche Karte
und beziehen sich sämtliche auf das frühere Mittelwasser von
+ 0,50 m H. P. Aus den Neulotungen ersieht man, daß die
10 m-Tiefenkurve viel näher als früher an die Irschner Bucht
herangeht und daß die 20 und 30 m-Isobathen hier nicht
enden, sondern die isolierte Tiefe von 43 m umschließen,
femer daß nur die 40 m- Kurve eine in sich geschlossene
ist, aber eine ungefähr fünfmal so große Fläche einschließt
und sich 500 m südlich Harras so sehr dem Ufer nähert,
daß wir hier ähnliche Böschungsverhältnisse wie an dem durch
die Alluvionen der Achen entstandenen Achenzipfel und dem
durch den Rotbach erzeugten Ufervorsprung vor uns haben.
(Wahrscheinlich befand sich hier früher einmal die Mündung
der Prien, von welcher ein Seitenkanal, der Mühlbach, etwas
südlicher bei Schöllkopf in den See mündet.) Außerdem ist
aus den Lotungen ersichtlich, daß von der Südwestspitze der
Herreninsel in südlicher Richtung gegen das Feldner Gasthaus
ein sanfter Rücken zieht mit zwei Sätteln, dem südlichen von
36 m größter Tiefe und dem nördlichen von 24 m; dazwischen
erhebt sich der Seeboden bis 20 m. Diese Erhebung setzt
sich, wie ich von den Fischern erfahren konnte, in Gestalt
eines Rückens längs der Insel gegen Osten fort.
Weiterhin wurde das Profil Urfahren — Herren inselnord-
spitze ausgelotet, da die dort sich befindliche Einengung bei
der Schwingungsunterteilung einen sehr großen Einfluß ausübt.
300 Sitzung der imith.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Der Seeboden fällt von Urfahren aus gleichmäßig bis zu einer
Tiefe von 6,5 m ab; etwa 100 m vor der Herreninsel nur ist
eine 20 m breite, über 10 m tiefe Rinne, welche ich erst bei
einer Nachlotung auffinden konnte.
Femer wurden einige von den den Fischern wohlbekannten
und mit besonderen Namen belegten unterseeischen Erhebungen
aufgesucht, von welchen der Chiemsee acht haben soll. Eine
Stelle von 13 m Wassertiefe genannt die «Höhe** wurde schon
von Bayberger südöstlich der Herreninsel aufgefunden. Da
nördlich davon keine Lotungen voilagen, so hat er den See-
boden ansteigend gegen die Herreninsel angenommen. Ein
weiterer Berg erhebt sich vor der Feld wieser Bucht bis 11 m
unter Wasser, während ich näher der Bucht noch 28 m lotete.
Eine dritte unter dem Namen „Kaiser** bekannte Erhebung
(s. P. I, S. 92) liegt im nordwestlichen Teile der Chieminger
Seeausbuchtung und erhebt sich als Rücken langsam von Süden
nach Norden bis 5 m unter Wasser, fällt aber gegen Westen,
Norden und Osten ziemlich steil ab. Eine vierte isolierte
Bodenerhebung hat E. Bayberger zu 27 m mitten zwischen
der Fraueninsel und dem Achenzipfel, der Halbinsel am Süd-
ufer, gefunden. Eine fünfte soll sich etwa 1 km nordöstlich
von Gstadt, am Nordwestufer, befinden, da wo nach Bayberger
der See steil abfällt. Eine sechste Erhebung soll als größeres
Plateau zwischen Chieming und dem Achenzipfel liegen, das
von den Fischern als Grabenstädter Berg bezeichnet wird.
Endlich reichen zwei weitere Erhebungen östlich bezw. nord-
östlich der Herreninsel bis wenige Dezimeter unter Wasser,
so daß dieselben nach der Tieferlegung bei niedrigem Wasser-
stand als Inseln hervortreten, während ich zwischen denselben
und der Herreninsel noch 5 bezw. 4 m gelotet habe.
Man sieht aus den Lotungsergebnissen, daß die von
E. Bayberger vorgenommenen Lotungen, so genau sie im
westlichen Seeteile sind, sich doch als unzureichend im süd-
lichen Teile und im Weitsee erweisen. Es dürfte sich daher
verlohnen, wenn noch die Veränderungen der Seefläche durch
die Tieferleguug veröflfentlicht sein werden, eine Neuverlotung
A. £ndr(V8: Die Seeschwankungen des Chiemseea. 301
Yorzuuehmen und die Konstanten des Seebeckens neu zu be-
stimmen.
Ein Hauptzweck der weiteren Untersuchungen der Seiches
unseres Sees war endlich die Erforschung der En t stehungs-
ursachen dieser Seeschwankungen, da sich die ersten Unter-
suchungen nur auf acht Monate erstreckt hatten und gerade
der Chiemsee sich wegen seiner geographischen Lage sowohl
als der raschen Dämpfung der Hauptschwingung, wodurch der
Zeitpunkt und die Größe der neuerzeugten Schwankungen
deutlicher als an anderen Seen herausgefunden werden kann,
als besonders geeignetes Objekt erwiesen hatte. Über die
Ergebnisse dieser letzteren Untersuchungen, in welche noch
Beobachtungen am Waginger- und Simssee einbezogen wurden,
wird in einer weiteren Arbeit berichtet werden. Im folgenden
seien nur die Ergebnisse über die Schwingungsformen des
Chiemsees an sich mitgeteilt.
Zuvor möchte ich mich der angenehmen Pflicht entledigen
fttr die mannigfache Unterstützung, die ich bei der Arbeit
gefunden habe, wärmstens zu danken. Vor allem waren mir
die zum Teil kostspieligen Untersuchungen nur dadurch er-
möglicht, daß die K. B. Akademie der Wissenschaften
in München wiederum die erforderlichen Mittel zur Ver-
fügung steUte, wofür an dieser Stelle ehrerbietigst gedankt
sei. Am See selbst übernahmen bereitwilligst die Hilfsbeob-
achter, welche später bei den betreffenden Stationen mit Namen
aufgeführt sind, die Überwachung und Bedienung der Instru-
mente. Außerdem gewährte mir der Besitzer der Chiemsee-
dampfschiffahrt Herr Ludwig Feßler in liebenswürdigster
Weise während der ganzen Beobachtungszeit freie Fahrt, wo-
durch mir die Kontrolle der Apparate sehr erleichtert wurde.
Femer überließen mir in entgegenkomnienster Weise der Vor-
stand des K. B. Hydrotechnischen Bureaus Herr Oberbaurat
Hensel die Diagramme des registrierenden Alzpegels in See-
bruck und der Vorstand des K. Straßen- und Flußbauamtes
Traunstein Herr Bauamtmann Mayr sämtliche für die Tiefer-
legUDg einschlägigen Schriften und Karten. Endlich stellte
302 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
mir Herr Professor Dr. W. Halbfaß in Neuhaldensleben
seinen Lotapparat und seine umfangreiche Literatur Über die
Seenkunde bereitwilligst zur Verfügung und Herr Professor
Dr, E. Bayberger in Passau übersandte mir freundlichst seine
Originalaufzeichnungen über die Verlotung des Chiemsees. Den
genannten Herrn sei auch an dieser Stelle nochmals aufrichtigst
gedankt. Besonderen Dank aber schulde ich wiederum Herrn
Professor Dr. Hermann Ebert an der Technischen Hoch-
schule in München für die Überlassung sämtlicher Apparate
wie die allseitige Förderung der Untersuchungen.
I. Die Beobachtungen.
1. Die Apparate.
Zu den Beobachtungen stand mir zunächst wieder ein
Sarasinsches selbstregistrierendes Limnimeter^) zur
Verfügung. Instrumente dieser Art hatten an den verschieden-
sten Seen Anwendung gefunden, um ein einheitliches Verfahren
in der Beobachtungsmethode zu erhalten, und haben im all-
gemeinen sich gut bewährt. Auch bei den Untersuchungen in
den Vorjahren wurden dieselben als sehr empfindlich befunden
(s. P. I, S. 11). Die Störungen, welche durch die Verbindung
von Pegel- und Registrierapparat mittels einer Gelenkstange
entstanden, konnten bei der ständigen, persönlichen Überwa-
chung rasch behoben werden. Da aber eine so häufige Kon-
trolle des Apparates wie früher mir jetzt nicht mehr möglich
war, besonders wegen der größeren Ausdehnung des ganzen
Beobachtungsnetzes, weisen die Limnogramme öfters die abge-
schnittenen Kurvenzüge auf, welche einen Fehler bis 4- 5 mm
enthalten können. Die gleichen Erfahrungen hatte schon
W. Halb faß beim Horster Limnimeter am Madüsee*) ge-
macht, wie die mitgeteilten Kurvenbeispiele ersehen lassen; dem
^) Eine eingehende Beschreibung durch H. Ebert findet sich in der
Zeitschrift för Instrumentenkunde, Bd. XXI, 193. J. Springer, Berlin 1901.
') W. Halbfaß, Stehende Seespiegelschwankungen (Seiches) am
Madüsee in Pommern. Zeitschrift für Gewässerkunde, 6. Bd., 2. H«, 1903.
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Chiemsees. 303
geDannten Forscher war eine persönliche Kontrolle der Apparate
bei der weiten Entfernung vom See unmöglich. Auch die japa-
nischen Seichesforscher berichten von unbefriedigenden Er-
gebnissen mit den Limnimetern,^) wobei die Aufzeichnungen
eines solchen Instrumentes mit einem daneben aufgestellten, von
ihnen konstruierten, das den Schreibstift direkt an der Schwim-
merstange trägt, nicht übereinstimmten. Die von E. Sarasin
auf Grund seiner reichen Erfahrung auf dem Gebiete der Sei-
chesforschung konstruierten Apparate waren eben zunächst fUr
eine Aufstellung auf Steinmauern oder in festgebauten Bade-
häusem gedacht, wo eine Verschiebung von Pegel- und Regi-
strierapparat nicht leicht möglich ist, und die dicht bewohnten
Schweizer Seen erlaubten auch immer eine so feste Aufstellung
und sorgsame Überwachung. Dazu kommt, daß die Instrumente
fast inmier an größeren Seen verwendet worden waren, wo die
Schwingungsamplituden gewöhnlich über 1 cm betragen, so daß
Fehler von dem erwähnten Betrage nicht so störend wirken.
Bei den in neuester Zeit untersuchten Seen fehlte aber jede
Gelegenheit zu einer derartigen festen Aufstellung, weshalb die
Instrumente auf eigens geschlagenen Pfählen oft weit in den
See hinaus — wie am Madüsee — gestellt und dort dem
Wellengang, Wind und Wetter ausgesetzt waren. Daß dabei
jederzeit Verschiebungen zwischen Pegel- und Registrierapparat
eintreten können, ist klar und unvermeidlich. Die Sarasinschen
Instrumente in der jetzigen Form sind daher besonders für
kleinere Seen, wo die Amplituden 1 — 2 mm gewöhnlich nicht
übersteigen, nicht immer zu gebrauchen.
Die Sarasinschen Limnimeter lassen sich jedoch durch
einfache Abänderungen, wie sie zur Zeit an den beiden
Instrumenten der K. B. Akademie vorgenommen werden, auch
in den genannten Fällen brauchbar machen. Der getrennte
Pegelapparat ist überflüssig und der Schwimmer wird direkt
über die beiden Rollen des Registrierapparates gehängt, welche
*) H. Ebert, Über neuere japanische Seenforachungen. Zeitschrift
füLT instmmentenkunde, XXIII, Nov. 1903, S. 345. J. Springer, Berlin.
304 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
die Schiene mit dem Schreibstift tragen. Der Schwimmer hängt
hierbei an einem Kupferbande, das an der Schiene selbst mittels
Druckschrauben festgeklenmit werden kann. Da die eine Rolle
in der Mitte ihres Umfanges gezahnt ist, wird das Band seiner
ganzen Länge nach in zwei schmale Bänder gespalten oder
man verwendet statt des Doppelbandes nach Chrystal *) zwei
Drähte, welche in zwei Riefen über die Rollen geführt sind.
Dadurch ist erreicht, daß man dem abgeänderten Limnimeter
jederzeit seine frühere Form wiedergeben kann, wenn an einem
See die Verhältnisse dafür günstig sind. Am anderen Ende des
Bandes hängt ein Gegengewicht. Durch diese Anordnung ist
außerdem der Schreibstift in direkter Verbindung mit dem
Schwimmer und die oben besprochenen Störungen fallen weg.
Weiterhin bietet die Anordnung den Vorteil, daß der Schutz-
zylinder unmittelbar zwischen den Pfählen, welche den Apparat
tragen, befestigt werden kann und dadurch einen festeren Halt
bekommt. Je nach den Veränderungen des Pegelstandes kann
die Schiene mit dem Schreibstift auf dem Bande nach Locke-
rung der Schrauben verschoben werden.
Auch Professor Chrystal hat die Sarasinschen Limni-
meter für die Beobachtungen an den schottischen Seen für nicht
immer geeignet befunden und dieselben in ähnlicher Weise
bereits abgeändert und außerdem ein neues Instrument
konstruiert, das sich bereits bei den Untersuchungen bewährt
hat.*) Bei dem letzteren hängt der Schwimmer mittels eines
Stahlbandes über zwei Gleitrollen, wie oben bei der Abänderung
des Sarasinschen Limnimeters angegeben ist, an dessen anderem
Ende ein Gegenge\^4cht sich befindet. An dem Bande ist nun
nicht direkt der Schreibstift befestigt wie beim Plantamour-
schen Limnographen,^) wo infolge der Reibung des Stiftes auf
dem Papier der Stift schiefgestellt und ein störender Fehler
entstehen kann, sondern auf dem Streifen wird ein kleiner
^) Die folgende kurze Beschreibung ist einer gütigen brieflichen
Mitteilung des Herrn Prof. Dr. Chrystal entnommen.
^) E. V. Cholnoky, Limnologie des Plattensees. Wien 1897.
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Cbiemsees. 305
Wagen befestigt, der einerseits auf zwei Rädchen mit Ein-
kerbungen am Rande über einer kantigen Schiene läuft und
anderseits auf einer Rolle mit flachem Rand auf einer eben-
solchen Schiene gleitet. Dieser kleine Wagen trägt den Schreib-
stift, der dabei schief auf dem Papier liegt. Hierdurch ist eine
leichte und fehlerfreie Bewegung des Stiftes erreicht und außer-
dem ein Hemmen des Streifengauges durch den eindrückenden
Stift vermieden. Den gleichen Wagen verwendete Chrystal
auch bei den abgeänderten Sarasinschen Instrumenten. Die
Schiene des ursprünglichen Limnimeters, welche den Schreib-
stift trägt, bleibt dabei weg, dafQr werden die beiden oben-
genannten Schienen daneben befestigt. Statt des Stahlbandes
benützte Chrystal hierbei auch zwei Drähte, wie schon oben
erwähnt, welche in je zwei in die Rollen des Sarasinschen
Limnimeters eingeschnittenen Rinnen laufen. Mit einem solchen
abgeänderten Limnimeter wurden bereits Beobachtungen an
Seen angestellt und diese lieferten Kurvenzüge, welche alle jene
Einzelheiten aufweisen, wie ich sie mit meinem Limnimeter
erhalten habe, wovon ich mich an einem von Chrystal freund-
lichst übersandten Original -Limnogramme selbst überzeugen
konnte. Zugleich verwendet Chrystal Tintenstifte und dazu
Papier mit feinerer Oberfläche, was sich bei dem schiefstehen-
den Stifte vollständig bewährt hat.
Als zweites Limnimeter benützte ich das von mir selbst
konstruierte Instrument,^) das im folgenden zum Unterschied
vom Sarasinschen Limnimeter kurz transportables genannt
ist. Dasselbe war zu Beobachtungen an Zwischenpunkten her-
gestellt worden und hat sich auch bei den weiteren Beobach-
tungen am Chiemsee und besonders bei den Untersuchungen
am Wagingersee und an kleineren Weihern wegen seiner Hand-
lichkeit und groisen Empfindlichkeit als sehr geeignet ervriesen.
Dadurch ferner, daß die Aufzeichnungen mehrerer Tage (bis
zu acht Tagen bei geringer Amplitude) untereinander auf
^) Eine Inirze Beschreibung desselben mit Abbildung s. P. I, S. 33.
und Zeitschrift für Instrumentenkunde. J. Springer, Berlin, 24. Juni 1904
306 Sitzung der math.-phy8. Kla-sse vom 5. Mai 1906.
denselben Streifen kommen, sind die Limnogramme sehr tiber-
sichtlich. Beim langsamen Streifengang (pro 1** 2 cm) fallt auch
die häufige Bedienung weg.
Endlich wurde wieder das Zeigerlimnimeter *) zu Ab-
lesungen des Wasserstandes an korrespondierenden Punkten
häufig gebraucht. Der verwendete Zeiger erlaubte die Able-
sungen des Wasserstandes in achtfacher Vergrößerung und
zwar wurde gewöhnlich von Minute zu Minute abgelesen, wozu
sich auch Hilfsbeobachter benützen ließen.
2. Die Limnogramme.
Die Aufzeichnungen der Limnimeter sind am Chiemsee
meistens Interferenzkurven von zwei und häufig von mehr als
zwei Schwingungen, wie ich sie in P. I, S. 12 u. flF. eingehen-
der besprochen habe. Die Entzifferung solcher Limnogramme
verlangt daher immerhin eine Übung, welche man sich am
besten durch künstliches Entwerfen mehrerer einfacher Kurven
von verschiedener Dauer und Danebenzeichnen von Interferenz-
kurven derselben verschafiFl.
Die Dauer der einzelnen Seiches erhält man am genauesten
und sichersten an den Knotenlinien der nächsten Oberschwin-
gungen. Das ist aber nur an Seen mit vorwiegender Längs-
richtung der Fall. Am Chiemsee dagegen, wo Schwingungen
nach verschiedenen Richtungen auftreten, sind auch an den
genannten Knotenlinien die einzelnen Schwingungen nicht ge-
nauer zu messen. Man ist daher auf die Bestimmung der
Dauer aus Interferenzkurven angewiesen. Es wurde dabei
wieder so verfahren, daß nur längere Seichesreihen benützt
wurden, welche in der zu messenden Schwingung ausklangen.
An der Hand der künstlich hergestellten Interferenzkurven
konnten außerdem die höchsten und tiefsten Stellen der Einzel-
schwingungen hinreichend genau herausgefunden werden. Dabei
war besonders auf eventuelle Phasenänderungen zu achten.
^) Eine Beschreibung desselben s. P. I, S. 7 und Dr. A. Petermanna
geographische Mitteilungen, 1904, 12. H., S. 1.
A. Endrös: Die Seeschwankuogen des Ghiemsees. 307
Außerdem mußten die ersten Kurvenzüge einer jeden Reihe
gewöhnlich weggelassen werden, weil sie keine periodischen
Bewegungen des Seespiegels, sondern durch denivellierende
äußere Ursachen erzwungene Bewegungen verzeichnen. Auf
diese Bewegungen, die Chrystal zum Unterschied von den
Seiches, welche , freie* Schwingungen der Wassermasse sind,
»erzwungene* genannt hat,^) werde ich bei den Ursachen der
Seiches ausführlich zurückkommen. Hier sei nur erwähnt, daß
diese Eurvenzüge nie symmetrische Gestalt haben, wie die reinen
Sinuskurven, so daß die Gefahr einer Verwechslung mit freien
Schwingungen nicht leicht möglich ist. Findet man daher einen
oder mehrere synMnetrisch verlaufende Kurvenzüge von an-
nähernd gleicher Dauer, so darf man darin eine neue Schwin-
gung vermuten und wird sie bei genauer Durchsicht der Limno-
gramme öfters herausfinden. Auf diesem Wege habe ich eine
neue Seiche von 54 Min.-Dauer und andere seltenere Schwin-
gungen aus den früheren Limnogrammen nachträglich heraus-
gefunden. Außerdem ist diese Bemerkung, die ich aus meinen
Erfahrungen an sämtlichen Seen als erwiesen annehmen darf,
besonders wichtig für die kurzdauernden Untersuchungen mit
dem Zeigerlimnimeter, welche gewöhnlich nur wenige Kurven-
züge liefern. Eine Verwechslung mit dikroten Schwingungen
ist ebenfalls ausgeschlossen, weil bei diesen der auf- und ab-
steigende Ast der Kurvenzüge ebenfalls nicht symmetrisch ver-
läuft. Eine Ausnahme nur habe ich bei den sogenannten
Schwebungen beobachtet.
Nähern sich nämlich die Periodendauern zweier Schwin-
gungen, so konmien n solche längerer Dauer auf n -j- 1 solche
kürzerer Dauer, wobei n = -^ ^. , wenn „ T** die längere
Dauer und ,,T'* die Dauer der kürzeren Periode ist; „n* ist
dabei gewöhnlich nicht rational. Ich habe diese Kurvenzüge
Schwebungen genannt, weil dieselben die graphische Dar-
0 Chrystal, On the Hydrodynamical Theorie of Seiches; Trans.
Roy. Sog. Edinburgh 51. III. No. 25. Im folgenden zitiert mit H. T. S.
1906. SiUangsb. d. math.-phys. Kl 21
308 Sitzung der math.-phys. lüasse ▼om 6. Mai 1906.
Stellungen der sogenannten Schwebungen in der Aku-
stik sind. Man sieht hierbei symmetrische Kurvenztige, aber
die Amplituden der einzelnen aufeinanderfolgenden Schwingungen
wachsen bis zu einem Maximum (gleich der Summe der Ampli-
tuden der einzelnen Schwingungen) und nehmen in der gleichen
Zeit wieder ab bis zu einem Minimum (der Differenz der Ampli-
tuden), um das Spiel zu wiederholen. Die Dauer einer solchen
Schwebung ist hierbei n • T = (n -f- 1) X T'(Min.). Ich habe
schon darauf hingewiesen, daß ein Phasen vergleich der Einzel-
schwingungen an zwei Stationen sehr erleichtert und auch
ohne ganz genaue Zeitmarke möglich ist; laufen nämlich die
Kurvenzüge parallel, so haben beide Schwingungen an den
betreffenden Stationen gleiche oder beide entgegengesetzte
Phase; ist der Gang der Schwebungen entgegengesetzt, so hat
die eine gleiche Phase, die andere entgegengesetzte (vgl. P. I,
S. 16). Liegen dagegen nur einzelne Kurvenzüge, also keine
ganze Schwebung vor, wie es bei Aufnahmen mit dem Zeiger-
limnimeter gewöhnlich der Fall ist, so kann ein Vergleich der
Kurvenzüge zu ganz falschen Ergebnissen führen, worauf ich
später zurückkommen werde. Chrystal weist auch daraufhin,
daß die Perioden höheren Nodalität, weil sich dieselben mit
der Knotenzahl immer mehr nähern, am Ende der Längs-
achse schwer herauszufinden sind. Das ist auch der ärund
dafür, daß die Kurven an den Enden der Hauptachse oft recht
kompliziert werden. Denn schon drei Schwingungen von nahe
gleicher Periodendauer z. B. von 11, 10 und 9 Min. -Dauer
geben eine sehr komplizierte Kurve. Darin hat auch die
verwickelte Form der Kurven in Seebruck, am Nordende des
Chiemsees (s. P. I, S. 26) und diejenige der Limnogramme in
Luzem am Vierwaldstättersee seinen Grund. ^)
') Ed. Sarasin, Beobachtungen über die Seiches des Vierwald-
stättersee; übersetzt von Trutmann. Mitteilung der Naturforscher-Ge-
sellschaft in Luzern 3. 1903/04.
A. EndrOa: Die Seeschwankungen des Cliiemsees. 309
3. Die früheren Beobachtungen.
Nachdem durch Experimente an einem Becken-
modelle des Chiemsees und durch Beobachtungen mit
dem Zeigerlimnimeter erwiesen war, daü Schafwaschen
im Aiterbach Winkel, am Westufer des Sees, und Seebruck,
am Nordufer, die Enden der Hauptschwingungsachse sind, war
dort je ein selbstregistrierendes Sarasinsches Limnimeter
aufgestellt worden. In Schafwaschen, dem Aufstellungsorte
am Westufer (s. Karte auf Tafel II, Station I), stand das In-
strument vom 14. April 1902 bis 1. Februar 1903 und in
Seebruck das zweite Limnimeter vom 23. Juni 1902 bis 15. Fe-
bruar 1903 (s. Tafel II , Station II). Um die komplizierten
Schwingungsverhältnisse aufzuklären war ein drittes Instrument
notwendig, das leicht transportiert und rasch aufgestellt werden
konnte. Ich hatte zu diesem Zwecke im Mai 1902 das oben
erwähnte transportable Limnimeter konstruiert. Dasselbe war
in der Zeit vom 21. Juli bis 15. November 1902 nach und
nach an 8 rings um den See verteilten Punkten aufgestellt
worden und zwar nacheinander 1. in Feldwies, am SQdufer,
2. in Felden, am westlichen Ende des Südufers, 3. in Mühlen,
nördlich der Herreninsel, 4. in Stock, westlich der Herren-
insel, 5. in Qstadt, nordwestlich der Fraueninsel, 6. in Arla-
ching, am Nordostufer, 7. in Chieming, am Ostufer und 8. in
Hagenau, am Südostufer. Die Punkte selbst sind mit den
laufenden Nummern in die Karte auf Tafel II eingetragen.
Die Ergebnisse an diesen Stationen sind in P. I, S. 17 — 47
ausführlich mitgeteilt. Weil wir im folgenden wiederholt
darauf zurückkommen müssen, seien nochmals in beiliegender
Tabelle die an jedem Punkte beobachteten Seiches und für
jede Seiche das Amplitudenverhältnis zu einer Vergleichsstation
angegeben, wobei die Amplitude an derselben gleich 100 ge-
setzt ist. Das beigefügte Zeichen gibt die gleiche (+), be-
ziehungsweise entgegengesetzte Phase ( — ) in bezug auf die
Vergleichsstation an. Ist die betreflfende Schwingung an einer
Station nicht aufgefunden worden trotz eines Vergleiches mit
dem gleichsteitigen. Limnogramme einer anderen Station, so ist
21*
310
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
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GroTHte
Amplitnde
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Chiemsees. 311
die Amplitude 0 gesetzt; ist sie zweifelhaft;, so ist die Rubrik
freigelassen. In der ersten Rubrik stehen die Stationen, in
der zweiten die Amplituden und Phasen der 43 Min.-Seiche,
in der dritten die der 37^/» Min.-Seiche u. s. w., in der letzten
ist die größte Doppelamplitude des Beobachtungsortes in Milli-
metern angefügt.
Auf Grund dieser Ergebnisse, wozu noch Beobachtungen
an 10 weiteren Punkten mittelst des Zeigerlimnimeters kamen,
konnten die Knoten und Bäuche einer gröl^ercn Zahl von
Schwingungen zum Teil genau angegeben werden (vgl. P. I,
S. 47—57).
4. Die neuen Beobachtungen in Schafwaschen (I).
Aus den einleitend schon erwähnten Gründen wurden nun
im Frühjahr 1904 die Untersuchungen wieder aufgenommen.
Zunächst wurde das Sarasinsche Limnimeter in Schafwaschen
an der gleichen Stelle wie in den Vorjahren wieder aufgestellt.
In dem genannten Winkel des Sees hatten sich die beiden
Hauptschwingungen des Sees mit ihrer größten Amplitude ge-
zeigt und da mir diesmal nur ein Sarasinsches Instrument zur
Verfugung stand, war dieser Punkt der geeignetste um als
feste Vergleichsstation für die Beobachtungen an den Zwischen-
punkten zu dienen. Außerdem standen mir in Seebruck die
Aufzeichnungen des dortigen registrierenden Seepegels zur
Verfügung, welche die Seiches, wenn auch nur in zehnfacher
Verkleinerung, so doch deutlich genug anzeigten, um die ein-
zelnen Schwingungen herausfinden zu können. An der ge-
nannten Stelle stand das Limnimeter vom 14. April bis 10. Juli,
von wo ab die Wassertiefe infolge der raschen Senkung des
Seespiegels durch die Tieferlegung so gering wurde, daß eine
Neuaufstellung notwendig wurde. Etwa 100 m nördlicher
wurde dieselbe vorgenommen, an einer Stelle, wo die Wasser-
tiefe bei 0 cm Herrenwörther Pegel (im folgenden mit H. P.
abgekürzt) immer noch 1,5 m betrug. Um keine Unterbre-
chung in der Beobachtung eintreten zu lassen, registrierte dort
das transportable Limnimeter vom 1. Juni bis 10. Juli
312 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
ununterbrochen den Wasserstand. Von da ab war das Sara*
sin sehe Instrument in Tätigkeit bis 1. Januar 1905, wo be^
ginnende Eisbildung weitere Beobachtungen verhinderte. Bei
dem Tauwetter Ende Februar wurden die Beobachtungen wiedeX"
aufgenommen; dabei war die ganze Bucht noch unter starke x"
Eisdecke. Unerwarteter Eisgang am 12. März unterbrach diö
Untersuchungen, da das Instrument ans Ufer geschoben und.
beschädigt wurde. Ende Mai gelang es wieder, dasselbe an
der gleichen Stelle in Tätigkeit zu setzen, bis Ende Juli die
Beobachtungen beendigt werden konnten. Die Bedienung hatte
wieder wie in den Vorjahren Herr Gasthofbesitzer B. Mayer
in freundlichster Weise übernommen.
Im folgenden werden nun die Seiches, welche aus den
Aufzeichnungen in Schafwaschen herausgefunden wurden, ge-
ordnet nach ihrer Dauer aufgezählt.
1. Die 54 Min.-Seiche. Die Schwingung wurde erst
nachträglich bei der abermaligen Vermessung der Limno-
gramme des Jahres 1902 als eigene Seiche des Sees erkannt.
Die größte Reihe umfaßt aber nur sechs Schwingungen und
die Amplitude^) erreicht nur 10 mm. Sie ist dabei auch nur
bei hohem Wasserstande (über 80 cm H. P.) zu finden ; da
dieser Wasserstand in der weiteren Beobachtungszeit nicht
mehr erreicht wurde, ist die Schwingung auch aus den neuen
Limnogrammen nicht mehr herauszufinden. Als Mittel aus
den gemessenen Reihen ergibt sich 53,8 Min. (größte Dauer
55,2 Min., kleinste 51,6 Min,), weshalb sie kurz 54 Min.-Seiche
genannt sei.
2. Die 43 Min.-Seiche. Wie in den Vorjahren ist sie
auch jetzt noch die eigentliche Seiche dieser Station und wenn
nicht rein, so doch in dikroter Form fast immer zu erkennen.
Die größte gelegentliche Doppelamplitude betrug im Jahre 1902
300 mm, im Jahre 1904 160 mm und 1905 185 mm. Dabei
nimmt aber die Amplitude aufeinanderfolgender Schwingungen
*) Unter Amplitude ist hier wie im folgenden immer der Abstand
des tiefsten und höchsten Punktes einer Schwingung Terstanden.
A. Endrös: Die Seescb wankungen des Chiemsees. 313
rasch ab und die Reihen der Seiches sind im Verhältnis zu
anderen Seen kurz. Die Dämpfung ist merkwürdigerweise bei
hohem Wasserstande eine stärkere als bei niedrigem. Die Dauer
der Seiche änderte sich auch diesmal stark mit dem Pegel-
stande und zwar ging der Wasserstand von 30 cm H. P. auf
— 57 cm H. P. während der Beobachtungszeit zurück (in-
folge der Tieferlegung) und die Dauer nahm mit dem Pegel-
stande vom höchsten Werte von 42,10 bis 39,34 Min. ab, so
daß der Mittelwert dieser Beobachtungszeit und zugleich
des neuen Mittelwasserstandes von 0 cm H. P. 40,8 Min.
rund 41 Min. beträgt. Die Seiche sei daher von jetzt ab
41 Min.-Seiche genannt. Auf die Veränderungen der Perioden-
dauer im einzelnen werde ich später zurückkommen.
3. Die 37'/i Min.-Seiche ist nur an einigen Inter-
ferenzkurven der 41 Min.-Seiche zu erkennen. Da die Dauer
derjenigen der ersteren sich nähert, bilden die beiden gleich-
zeitig auftretenden Schwingungen die früher mit Schwebung
bezeichnete Form einer Interferenzkurve, wobei auf sechs
Schwingungen von 41 Min. sieben solche von rund 36 Min.
kommen. Die Dauer hat also um ungefähr 1^2 Min. gegen
früher abgenommen und wird daher im folgenden 36 Min.-
Seiche genannt.
4. Die frühere 29 Min.-Seiche ist auch diesmal neben
der 41 Min.-Seiche am häufigsten im Schafwaschner Limno-
grarame zu finden. Rein tritt sie nie auf; nur zu Zeiten, wo
die 41 Min.-Seiche rascher gedämpft wird, klingen manche
Reihen in der 29 Min.-Seiche aus. Zeitweise zeigt sich die-
selbe mit aufiallend kleiner Amplitude. Die größte überhaupt
gemessene Amplitude betrug diesmal 80 mm. Die Dauer der
Seiche änderte sich von 28,99 Min. im Mittel bis 28,1 Min.
Bei dem jetzigen Mittelwasser ist dieselbe 28,5 Min., weshalb
sie nun 28^1 2 Min.-Seiche heißt.
5. Die 18. Min.-Seiche ist sehr selten in Schafwaschen
zu erkennen. Nur wenn die Amplituden der Hauptschwin-
gungen klein sind, konnte sie und auch dann nur einige Male
314 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 6. Mai 1906.
deutlich erkannt und ihre Phase und Amplitude mit anderen
Punkten verglichen werden.
6. Die 11 Min. -Seiche ist aus den neuen Aufzeich-
nungen nur einmal deutlich herauszufinden. (2. Juni bei
+ 14 cm H. P.)
7. Die frühere 8 Min. -Seiche. Diese Schwingung
zackt die Kurven jetzt häufiger aus und ist besonders im Mo-
mente des Eintrittes einer starken Denivellation immer und
mit größerer Amplitude vorhanden. Doch sind gewöhnlich
nur kurze Reihen zu messen. Auffällig ist, daß sie bei nied-
rigem Wasserstande und zwar bei — 54 cm H. P. in sehr
langen Reihen, bis 89 Schwingungen nacheinander, und mit
bedeutender Amplitude, bis 40 mm, auftritt. Einmal war dabei
sogar der ganze Schafwaschner Winkel noch unter starker Eis-
decke. Die Dauer dieser Seiche hat besonders stark abge-
nommen und zwar in der ganzen Beobachtungszeit von 8,57 Min.
bis 6,40 Min., das sind um 25 "/o der ursprünglichen Dauer,
worauf ich ebenfalls später noch zurückkommen werde. Sie
sei daher zum Unterschied von der 8 Min.-Seiche des Weitsees
6,4 Min.-Seiche genannt.
8. Die 3,8 Min.-Seiche. Diese ist nur einmal bei Pegel
— 54 cm zu messen gewesen und ist eine neue Seiche,
welche früher, auch bei der nochmaligen Durchsicht der Limno-
gramme, nicht herauszufinden war.
5. Die Beobachtungen an weiteren Zwischenpunkten.
Um die Amplituden und Phasen der einzelnen Seiches
an den verschiedenen neuen Beobachtungspunkten miteinander
vergleichen zu können, wurden häufig das Schaf waschen er
Limnimeter und das transportable Limnimeter von mir per-
sönlich kontrolliert und mit übereinstimmenden Zeitmarken
versehen. Dabei wurde beim Beobachtungsgange um den See
und beim Vergleich der Limnogramme besonders auf die häufiger
auftretenden Seiches geachtet, da bei den selten auftretenden
Seiches oft wochenlange Aufzeichnungen hätten mnsonst sein
'im^m-
A. Endrös: Die Sceschwankungen des Ghiemsees.
315
können. Häufig wurden nach der Kontrolle der Apparate
noch gleichzeitige Aufzeichnungen an korrespondieren Punkten
mit dem Zeigerlimnimeter gemacht und auch diese beim Ver-
gleich der Phasen und Amplituden der Seiches, wie sie in dem
Ergebnisse in den folgenden Tabellen zusammengestellt sind,
benützt. In den Tabellen selbst steht unter „T*^ die aus dem
betreffenden Limnogramme gemessene Dauer der Seiches in
Minuten. Ist die Rubrik freigelassen, so konnte die Schwin-
gung an dieser Stelle wohl beobachtet, aber mit ihrer Dauer
nicht gemessen werden. Unter „n" steht die Anzahl der
Schwingungen der längsten dort aufgetretenen Reihe. Unter
, Auftreten* ist angegeben, wie oft die Schwingung gefunden
wurde; unter „a* steht die größte dort gemessene Amplitude
in Millimetern, unter Vergleichsstation der Ort, mit welchem
die Amplituden und Phasen der betreffenden Schwingungen
verglichen wurden; unter „ F** das Aniplitudenverhältnis des
Beobachtungsortes und des Vergleichspunktes in Prozenten,
wobei das zugefügte Zeichen die Phase der Schwingung angibt
und zwar das „-(-"Zeichen die gleiche und das „ — "Zeichen
die entgegengesetzte Phase. Die Nummern der Stationen geben
an, in welcher Reihenfolge dieselben verwendet wurden; mit
diesen Nummern sind sie auch in die Karte eingetragen (siehe
Tafel II).
316 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
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A.EndrOs: Die SeeacbwankuDgeo des Cbiemiees. 317
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318 Sitzung der math.-pbjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
18. Sieebruck (Station II). Nach den Beobachtungen an
den Zwischenpunkten wurde das transportable Limnimeter am
20. Oktober 04 nach Seebruck gebracht und zuerst etwa 100 m
östlich des früheren Beobachtungspunktes aufgestellt. Es sollten
hier die Dauer und Häufigkeit der Schwingungen des Weitsees
nach der Tieferlegung beobachtet werden. Aus den früheren
Beobachtungen war erwiesen, daß an diesem Punkte alle Seiches
des Weitsees mit größerer Amplitude auftreten. Das Limno-
gramm war wieder meistens sehr kompliziert; doch traten wie
in den Vorjahren auch diesmal sämtliche Seiches zeitweise in
einfacheren Kurven deutlich genug auf, um ihre Dauer daraus
messen zu können. Außerdem sollten hier die Seeschwankungen
des Sees für die Untersuchung der Ursachen den Winter über
beobachtet werden; da die Schafwaschener Bucht sich jeden
Winter und frühzeitig schon mit Eis bedeckt, der See in
Seebruck, am Ausflusse aber immer eisfrei bleibt, war die
Registrierung des Wasserstandes im Winter nur hier möglich.
Herr Oberauer, der auch den registrierenden Alzpegel be-
dient, übernahm wieder die Überwachung des Instrumentes.
Derselbe nahm auch selbständig zweimal eine Versetzung des
Limnimeters vor, nachdem eine solche durch die Änderungen
des Wasserstandes notwendig geworden war. Das Instrument
funktionierte hier ununterbrochen bis 8. April 1905. In folgen-
der Tabelle sind die Beobachtungen zusammengestellt. Da
keine Vergleichsbeobachtungen in dieser Zeit vorliegen, sind
hier statt der früheren Rubriken nur die gemessene mittlere
Dauer „T* der betreffenden Seiche, die größte Anzahl auf-
einanderfolgender Schwingungen ^n*, die Häufigkeit und die
größte Amplitude ^a** angefügt.
A. EndrOs: Die Seeschwankungen des Chiemsees.
319
1
Die Beobachtungen
in Seebruck in den Jahren 1904/OS
>.
1904/06
1902/03
Nr.
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häufig
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häufig
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Öfters
15
18
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nie
3,00
30
häufig
25
Die zum Teil sehr merklichen Änderungen der Schwin-
gimgsdauer der Seiches und der Häufigkeit ihres Auftretens
infolge der Tieferlegung können wir ei*st nach der Feststellung
der Schwingungsachse und der Schwingungsbäuche und Knoten
der einzelnen Seiches näher besprechen.
II. Die Schwingungsformen des Chiemsees.
1. Die 41, 36 und 54 Min.-Seiche.
Die Amplituden Verhältnisse, welche aus den mittleren
Amplituden möglichst deutlicher Schwingungsreihen an zwei
yerschiedenen Stationen gebildet wurden und die in obigen
Tabellen bereits mitgeteilt sind, wurden für die häufiger auf-
tretenden Seiches in die beiliegende Karte auf Tafel III Fig. 1
bis 5 eingetragen. Die Amplitude an einem Ende der Schwin-
gungsachse ist dabei =100 gesetzt. Die eingefügten Zeichen
(+ und — ) geben die Schwingungsphasen an den betreffenden
Punkten an; dieselben wurden in den See selbst eingetragen
und zwar so, dafi ihre Dichtigkeit ein Bild der Größe der
320 Sitzung der math.-pby8. Klasse vom 5. Mai 1906.
Amplitude gewähren kann. Die (4* und — ) Zeichen sind dabei
in Reihen senkrecht zur horizontalen Wasserbewegung, also
senkrecht zur Schwingungsachse angeordnet. Die Knotenlinien
sind durch stark ausgezogene Linien angedeutet. Die Ampli-
tuden Verhältnisse selbst können natürlich keinen Anspruch
auf Genauigkeit machen, da die Amplituden zweier Punkte
nach der Theorie nicht einmal in ganz regelmäßigen Seebecken
in konstantem Verhältnisse stehen. Doch gibt die gewonnene
Verhältniszahl einen guten Anhalt, um auf die Entfernung des
betreffenden Punktes von der Knotenlinie zu schließen.
Die 41 Min. -Seiche ist nach dieser Zusammenstellung
auf Taf. III Fig. 1 die uninodale Längsschwingung des
Chiemsees mit der Schwingungsachse Schafwaschen-
Seebruck. Die Knotenlinie geht durch die Südspit^e
der Herreninsel gegen Mühlen zu. Die Kommunikation
nördlich der Herreninsel nimmt ebenfalls an der Schwingung
teil, wie die Beobachtungen an der Nordspitze der Herren-
insel und in Kailbach ergeben haben. Dabei hat Schafwaschen
die sechsfache Amplitude von Seebruck, wie schon früher her-
vorgehoben wurde (s. P. I, S. 48). Das Amplitudenverhältnis
nähert sich nach den neuen Ergebnissen noch mehr dem um-
gekehrten Verhältnis der beiden Seeäächen, wie sie durch die
Knotenlinie voneinander getrennt werden, weil der größere
Teil des Mühlener Winkels noch zum östlichen Teile kommt.
Das Verhältnis ist das größte bis jetzt an Seen beobachtete.
Daß die Fraueninsel die Amplitude — 5 hat, während das
von der Knotenlinie entferntere Hagenau und Ostad 0 haben,
läßt vielleicht schließen, daß an den seichten Ufern die Am-
plituden geringer sind als in der Mitte des Sees; dies wäre
eine Bestätigung der Vermutung, wie sie Chrystal und Mac-
lagan-Wedderburn auf Ghrund theoretischer Betrachtungen
ausgesprochen haben. ')
*) Chrystal and Maclagan Wedderbum «Calculation of the periods
and nodos of lochs Eam and Treig, from the bathymebric ^ata of the
acottiah Lake-Survey. Triui«. of the Boy. Soa of Edi^l»l]]:gh 4L. Hl 1905.
K. Kndrös: Die SreschwankiniLrcii cle> rliit-iii-fe'-. '»-1
Die 3(3 Min. -Seiche (trübere 37^/2 Miii. -Seiche) war bei
den ersten Untersuchungen nur in dem Schaf waschener Liinno-
gramme und da nur in der Höchstzahl von neun aufeinander-
folgenden Schwingungen beobachtet worden. Nun liegen neue
Beobachtungen von dieser Seiche am Ein- und Ausgang des
Rinnganges vor. Dort ist sie häufiger und deutlicher zu er-
kennen, weil die 29^/» Min.-Seiche speziell am Ausgang ganz
fehlt und die 41 Min.-Seiche kleinere Amplituden als in Schaf-
waschen hat. Da die Amplitude der 36 Min.-Seiche am Rinn-
gang kleiner ist als in Schafwaschen und die Schwingung an
beiden Punkten gleiche Phase hat, ist sie gegen Schafwaschen
und nicht gegen Kailbach gerichtet, wie früher vermutet (s. P. I,
S. 64). Auch die Beobachtung im Kailbachwinkel bestätigt
dies, da die Seiche dort nie aus dem Limnogranune herauszu-
finden ist, wo sie doch die gröite Amplitude hätte haben
müssen. Daß sie im Weitsee aus den Aufzeichnungen der
Limnimeter nicht herausgefunden werden konnte, erklärt sich
aus dem nämlichen Grunde, warum die 41 Min.-Seiche dort
so lange nicht nachzuweisen war; sie muß eben dort gemäß
dem Verhältnisse der größeren schwingenden Flächen eine be-
deutend kleinere Amplitude haben als in Schafwaschen, wo
dazu die Amplitude der 36 Min.-Seiche selbst nie bedeutend
war. Eine günstige Beobachtung bei den Vorversuchen
im Jahre 1901 aber verzeichnet in Chieming einen symme-
trischen Kurvenzug von genau 36 Min. -Dauer mit nur 1'/« mtn
Amplitude; die Beobachtung dauerte 52 Min., so daß nur ein
ganzer Kurvenzug vorliegt. Aus den früher erwähnten Gründen
(S. 307) darf man in nur einem solchen symmetrischen
Kurvenzuge eine eigene Schwingung des Sees erblicken. Die
Beobachtungen deuten also darauf hin, daß wir in der 36 Min.-
Seiche eine uninodale Schwingung Schafwaschen —
Südufer — Chieming gefunden haben, wenn die Wasser^
masse nur südlich der Herreninsel schwingt, wofür wir weiter
unten an der Hand der Theorie noch eine Bestätigung finden
werden.
Die 54 Min.-Seiche konnte nur aus den früheren Limno-
322 Sitzung der math.-phjB. Klasse vom 5. Mai 1906.
grammen herausgefunden werden und da nur bei hohem Wasser-
stande (über 80 cm H. P.). Da die Schwingung in der Zeit,
wo Zwischenbeobachtungen gemacht wurden, nämlich seit
20. Juni 1902 überhaupt nicht mehr oder nur in 1 bis 2
Schwingungen von wenigen Millimetern Amplitude aufgetreten
ist — es blieb eben der Wasserstand immer unter 80 cm — ,
so liegen für diese Seiche keine Vergleichsbeobachtungen vor
und es können solche wohl kaum mehr bescha£Ft werden, da
der See wohl nie mehr längere Zeit einen so hohen Wasser-
stand erreichen dürfte. Dennoch glaube ich mit großer Wahr-
scheinlichkeit inder 54Min.-SeicheeineuninodaleSchwin-
gung in der Richtung Schafwaschen —Nordufer der
Herreninsel — Chieming gefunden zu haben. Als Seiche
längs der größten Achse haben wir nämlich schon die 41 Min.-
Seiche durch direkte Beobachtung nachweisen können. Eine
Schwingung erhält nach ChrystaP) aber eine verhältnismäßig
große Periode, wenn das Becken am Knoten konvex ist. Und
bei Urfahre^ erhebt sich der Seeboden bis 12 m unter Wasser
und gleichzeitig findet sich hier eine starke Einschnürung des
Sees mit einer Breite von 500 m. Ein Beispiel einer unge-
wöhnlichen Periodenverlängerung durch die ganz gleichen Um-
stände habe ich am Wagingersee gefunden, wo die Haupt-
schwingung bei einer Seelänge von nur 11 km eine Dauer
von 62 Min. hat.*) Auch der Umstand, daß die Seiche von
54 Min. nur bei hohem Wasserstand auftrat, spricht für die
Annahme. Bei Hochwasser nämlich ist der Querschnitt des
Sees an der Stelle Urfahren — Herreninsel ungefähr 500 m
breit und hat dann bei einer mittleren Tiefe von rund 4 m
eine Fläche von rund 2000 m^ Bei den flachen Ufern nimmt
aber die Breite des Querschnittes mit dem Wasserstande rasch
ab; sie beträgt nach meinen Schätzungen bei dem jetzigen
Mittelwasser nur noch rund 400 m, so daß der Querschnitt
M Chrystal, H. T. 8. zitiert S. 807.
*) A. Endrös, Die Seiches des Waginger — Tachingersees ; diese
Sitzungsberichte Bd. 35. 1905, U. III, S. 447.
4^7*«?
A. Endrds: Die Seeschwankungen des Cbiemsees. 323
bei einer mittleren Tiefe von 2^1% m nur mehr 50 **/o des
vorigen, nämlich 1000 m^ ausmacht. Die Periode muü sich
nach Chrystal mit der Verkleinerung des Querschnitts be-
deutend yerlängem und die Dämpfung noch stärker werden,
als sie an sich schon ist. In der Tat linden sich nur mehr
1 bis 2 Kurvenzüge vor. Ein weiterer Umstand spricht für
obige Annahme, nämlich daß die Schwingung nur bei plötz-
lichem Nachlassen des reinen Ostwindes zweimal in Reihen
bis zu sechs Schwingungen aufgetreten ist. Auf die Stich-
haltigkeit dieses Argumentes möchte ich aber erst bei Be-
sprechung der Ursachen der Seiches näher zurückkommen.
Wir haben sonach am Chiemsee das merkwürdige Er-
gebnis, daß der See drei uninodale Seiches verschie-
dener Dauer hat, wovon alle drei ein Ende der Schwin-
gungsachse, nämlich das westliche, gemeinsam haben;
während das östliche Ende der einen, der 41 Min.-Seiche, am
Nordende, in Seebruck, sich befindet, schwingen sehr wahr-
5u;heinlich die beiden anderen gegen Chieming. Dies Ergebnis
entspricht ganz der Oberflächen- und Beckenform des Sees,
bei der Chieming als Ende einer Seeachse ebenso in Betracht
kommt wie Seebruck ; die Geographen haben in der Tat auch
zum größten Teile die Länge des Sees von Schafwaschen nach
Chieming oder Grabenstädt hin gemessen,^) obwohl die Ent-
fernung Irschner Winkel — Seebruck etwa 500 m länger ist.
Die Teilung des Beckens durch die Herreninsel schafft dazu
zwei Wege für die sich bei der Seichesbewegung west- und
wieder ostwärts bewegenden Wassermassen, welche wegen der
verschiedenen Tiefe Perioden von verschiedener Dauer bedingen.
Schwingt das Wasser überwiegend in dem nördlichen Rinn-
sale, so haben wir die 54 Min.-Seiche, im anderen Falle die
36 Min.-Seiche. Jedenfalls stören sich die beiden Schwingungen
gegenseitig, worin wohl auch ein Grund für das seltene und
kurze Auftreten der einen wie der anderen zu suchen ist. In
der Seichesliteratur haben wir schon ein Beispiel für zwei
*) E. Bayberger, Der Chiemsee, S. 8 zit. S. 298.
I9(M. SiUimgsb. d. math.-phyB. KL 22
324 Sitzung der math.-pliys. Klasse vom 5. Mai 1906.
uninodale Längsschwingungen, nämlich am Neuenburger-
see.^) E. Sarasin, der die größeren Schweizer Seen auf ihre
Seiches untersucht hat, wählte eigens diesen See wegen seiner
ausgesprochenen Längsrichtung und regelmäßigen Umrißform
und erwartete dort dementsprechend regehnäßige Schwingungs-
verhältnisse zu finden. Die Untersuchung aber ergab ganz
unregelmäßige Seiches, unter welchen eine Schwingung von
50 Min. und eine zweite von 39,5 Min., aber nur in Reihen
von höchstens 5 bis 10 Schwingungen zu messen waren. Am
Neuenburgersee teilt nämlich ein unterseeischer Rücken, der
sich stellenweise bis 8 Meter unter Wasser erhebt, das Becken
in zwei Rinnen, wovon die westliche in der Mitte eine größte
Tiefe von 153 m, die östliche aber nur von 94 m erreicht.
Die Eigenschwingungen der beiden Teilbecken müssen des-
halb verschiedene Dauer haben und stören sich auch gegen-
seitig, wie Sarasin selbst erwähnt. Die 39,5 Min.-Seiche ist
sehr wahrscheinlich die uninodale Seiche der westlichen und
die 50 Min.-Seiche diejenige der östlichen Rinne, worauf Forel
ausdrücklich aufmerksam macht/'') Am Chiemsee sind die Um-
stände für zwei Schwingungen verschiedener Dauer noch gün-
stiger, da hier der trennende Rücken als Insel sich noch über
den Wasserspiegel erhebt.
2. Die uninodalen Seiches und die Theorie.
Die P» Du Boyssche Methode der Berechnung der
Perioden einknotiger Seiches hatte speziell für den Chiem-
see einen mit der Beobachtung sehr befriedigend über-
einstimmenden Wert ergeben. Die Dauer der Haupt-
schwingung war bei Mittelwasser vor der Tieferlegung
zu 42,68 Min.^) beobachtet und zu 42,22 Min. berechnet worden
^) Ed. Sarasin, Les Seiches du Lac deNeuchätel; Arch. de Geneve
28. 256.
2) Forel, Le Lemau II, S. 158.
^) Bei den folgenden theoretischen Betrachtungen sind zunächst
nur die Mittelwerte des früheren WaaaerBtandes und die früheren Tiefen
benützt.
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Chiemsees. 325
(P. I, S. 59), welcher Wert sich mit Benützung der neuen
Lotungen zu 43,0 Min. erhöbt und der damaligen Beob-
achtung also noch näher kommt. Seit dem hat nun Chrystal
eine neue exakte Theorie der Seiches veröflFentlicht. ') Die
neue Theorie hat bereits am Loch Earn und Treig*) sehr be-
friedigende Resultate geliefert und zwar nicht nur für die
uninodalen, sondern auch für die mehrknotigen Seiches, bei
welchen die Du Boyssche Theorie vollständig versagt hatte.
Auch die Ergebnisse am Waginger-Tachingersee^) wurden nur
durch die Chrystalsche Theorie verständlich.
Obwohl nun der Chiemsee schon im voraus zu einer
exakten Behandlung nach der Chrystalschen Theorie nicht
geeignet sich erweist, da er sehr rasche Querschnitts-
änderungen besitzt und dazu eine große Breitenentwick-
lung gegenüber seiner Längenausdehnung hat, habe
ich dennoch die Normalkurve des Sees längs der Achse
der 41 Min. -Seiche gezeichnet, welche auf Taf. II links oben
mitgeteilt ist. Dazu wurden 18 Querschnitte senkrecht zum
erwähnten Talwege Seebruck-Südufer-Schafwaschen gelegt, wie
.sie in der Karte auf Taf. II angedeutet und numeriert sind.
Dieselben wurden in vergrößertem Maßstabe gezeichnet, ihre
Flächeninhalte gemessen, mit der Oberflächen breite multipliziert
und als Ordinaten in die Kurve eingetragen, deren Abszissen
die Seeflächen von Seebruck bis zu dem betreffenden Quer-
schnitte sind. Im Maßstab der Ordinaten ist 1 mm = 10^ m^
und dem der Abszissen 1 mm = 50' m*.
Eine besondere Schwierigkeit bei Aufstellung der Normal-
kurve bieten an unregelmäßigen Seen und besonders am Chiem-
see die Verzweigungen des Talweges. So laufen vom tief-
sten Punkte des Weitsees aus eine Rinne gegen Seebruck-Ost,
eine zweite gegen Seebruck-West, eine dritte gegen Mühlen,
eine vierte gegen Qrabenstädt und eine fünfte gegen Chieming.
M CliryBtal, H. T. S., zit. S. 307.
') Chrystal and E. Maclagan-Wedderburn, Calculation, zit. S. 320.
^) Endrös, Die Seiches des Waginger-Tachingersees : diese Zeit-
schrift 35, 1905 H. III, S. 460.
22*
326 Sitzung der math.-phys. blasse vom 5. Mai 1906.
Doch ist für die 41 Min.-Seiche auf Grund der zahlreichen Be-
obachtungen ein Zweifel über die Richtung des Talweges fast
ausgeschlossen.
Aus der so erhaltenen Normalkurve treten ganz deutlich
die vier plötzlichen Querschnittsänderungen bei Punkt
9, 12, 15 und 17 hervor. Dieselben üben jedenfalls auf die
Dauer der einzelnen Schwingungen je nach der Entfernung der
betreffenden Einschnürungen von den Knotenlinien einen be-
deutenden Einfluß aus. Außerdem verursachen sie sehr wahr-
scheinlich die Instabilität mancher Schwingungen, deren Knoten
in die Nähe dieser Seestellen fallen, ohne mit denselben genau
zusammenzufallen. Auf die Dauer der 41 Min.-Seiche übt wohl
besonders die konvexe Stelle bei Punkt 12 der Normalkurve
eine verlängernde Wirkung aus, da der Knoten dieser Schwin-
gung dorthin fallt. Eine exakte Berechnung der Seicheskon-
stanten, welche auch an der vorliegenden Kurve trotz der Ein-
engungen durch Annähern an Stücke von Parabeln und geraden
Linien nach Chrystal vorgenommen werden könnte, kann aber
aus einem weiteren Gründe keine brauchbare Annäherung lie-
fern. Die Koordinaten des Kurvenzuges im Inselsee sind gegen-
über denjenigen für den Weitsee verschwindend klein und ihre
Verhältnisse gehen in die zur Auswertung der Seicheskonstanten
vorzunehmenden Rechnungen ein.
Da man also am Chiemsee auf die Anwendung der exakten
Theorie verzichten muß, ist man auf Annäherungsformeln ange-
wiesen und da gerade hier die P. Du Boyssche Theorie einen
so gut übereinstimmenden Wert für die Dauer der 41 Min.-
Seiche geliefert hat, möchte ich im folgenden an der Hand der
Chrystalschen Theorie kurz untersuchen, für welche Becken-
formen die genannte Formel brauchbare Werte für die uni-
nodale Schwingungsdauer ergibt.
P. Du Boys gelangte, wie Chrystal durch seine neue Theorie
uns lehrt, durch ungenaue Anwendung der Theorie fort-
schreitender Wellen, sogenannter „ Einzelwellen *, auf die
i dl
stehenden Wellen zu der Formel: T= 2 f — r — , wobei T die
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Chiemsees.
327
Dauer der uninodalen Seiche eines Becken von der Länge l und
der veränderlichen Tiefe h bedeutet. Die Integration ist dabei
längs der Linie der größten Tiefe vorzunehmen. Die Unzu-
länglichkeit dieser Formel ist besonders deutlich ersichtlich bei
der Anwendung derselben auf vier verschiedene Chrystalsche
Seentypen, nämlich auf einen See mit symmetrisch paraboli-
schem Längsschnitt und einen solchen mit halb parabolischen,
von denen also ersterer seine größte Tiefe in der Mitte und
letzterer an einem Ende der Längsachse hat, ferner auf einen
See, dessen Längsschnitt aus zwei symmetrisch gegen die tiefste
Stelle geneigten Geraden besteht und einen derartigen, dessen
Längsschnitt eine einzige, gegen die am Seende befindliche größte
Tiefe geneigte, gerade Linie ist. Die vier Seen sollen sämt-
liche die gleiche Länge „2'^ und dieselbe Maximaltiefe ^h*^ be-
sitzen und außerdem konstante Breite und überall rechteckigen
Querschnitt haben. Die Gleichung zwischen der veränderlichen
Tiefe h und der Länge x hat bei den beiden erstgenannten, den
parabolischen Schnitten, die Form:
-K-5)
und bei den geradlinigen die Form:
' a
l
wobei a bei den symmetrischen Seen = --, der halben See-
länge, und bei den asymmetrischen = l, der ganzen Seelänge
ist. Die Integration ergibt fQr beide parabolischen Kurven:
T =
71
l
Wh
und für beide geradlinigen:
T =
Vgh
= 1,27
n l
Vgh
328
Sitzung der matb.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
Der Übersicht halber stelle ich in folgender Tabelle die
nach Du Boys berechnete Dauer mit der von Chrystal nach
seiner exakten Theorie berechneten zusammen und füge in der
letzten Rubrik die Abweichung der Du Boysschen Dauer in
Prozenten md Td^ an:
Form des Längsschnittes i T nach Du Boys 2' nach Cbrysial
d Tu in 0/0
1. Parabolisch
2. Halbparabolisch
3. Symmetrisch gerad-
linig
4. Geradlinig
1,00-^
Vyh
1,00 ,
1,27 ,
1.27 ,
0,70-
jzl
\9h
0,82
0,83
1,05 ,
+ 43
+ 22
+ 65
+ 21
Aus der Tabelle ersieht man zunächst deutlich, daß die
uninodale Schwingungsdauer für alle vier Seentypen nach
P. Du Boys zu groß wird und zwar bei symmetrischen
Seen viel mehr als bei asymmetrischen. Ferner soll nach
P. Du Boys ein symmetrisch parabolischer See dieselbe Dauer
haben wie ein halb parabolischer und ein symmetrisch gerad-
liniger die gleiche wie ein geradliniger. Die P. Du Boyssche
Formel nimmt eben keine Rücksicht auf die Lage des
Knotens in Bezug auf die größte Tiefe. Chrystal macht
uns die Schwingungsverhältnisse verständlich durch das Beispiel
einer vertikal gespannten schwingenden Saite, wobei nur die
Längs- und Querbewegungen zu vertauschen sind. Wie näm-
lich eine Saite mit der geringsten Dichtigkeit in der Mitte eine
kleinere Schwingungsdauer besitzen muß als eine gleichlange,
deren geringste Dichtigkeit am Ende ist, so muß ein See mit
der größten Tiefe in der Mitte auch eine kleinere uninodale
Schwingungsdauer haben als ein solcher, der seine größte Tiefe
am Ende hat. Die beiden Schwingungsvorgänge stimmen wegen
der Analogie der ihnen zugrunde liegenden Diflferential^ei-
chungen vollständig überein.
Aus obigen Betrachtungen lernen wir den Grund kennen,
warum die P. Du Boyssche Formel gerade für die Haupt-
A. EndrÖH: Die Seeschwankungen des Cbiemsees. 329
Schwingung des Cbiemsees eine so gute Annäherung ergibt.
Der Chierasee, der ein vollständig konkaver See ist, hat näm-
lich eine zu große Schwingungsdauer im Verhältnis zu seiner
Lange und Tiefe, weil der Knoten nicht an die tiefste Stelle
des Sees fällt, sondern im seichten Inselsee liegt und dazu noch
mit einer plötzlichen Beckeneinengung zusammenfallt. Letztere
bewirkt ebenso wie die geringe Tiefe eine Verlängerung der
Periode, wie ich besonders am Waginger-Tachingersee gefun-
den habe.^) Zum Vergleiche möchte ich hier die Abweichungen
der nach P. Du Boys berechneten Dauer von der beobach-
teten für eine Anzahl von Seen anfügen. Dieselbe beträgt am
Chiemsee -\- 1%*,*) am Vierwaldstättersee + 2^/o*, am Genfer-
see ebenfalls + 2<>/o,^) am Loch Treig + 12^/o,*) am Madtisee
+ 17<>/o*, am Starnbergersee + 18 ^/o*, am Loch Eam + 22 «/o,*)
am Bodensee + 23°/^*, am Wagingersee + 3l®/o* der beob-
achteten Dauer. Wie für den Chiemsee, so gibt also auch für
den Genfer- und Vierwaldstättersee die P. Du Boyssche Formel
sehr angenäherte Werte für die Periodendauer der uninodalen
Seiches. Li allen drei Seen ist eben der Knoten gegen das
seichtere Ende des Sees hin verschoben und iUllt dazu an eine
plötzliche, starke Einschnürung des Beckens. Die Dauer wird
durch beide Umstände so verlängert, daß sie der sonst bedeu-
tend zu großen Dauer nach P. Du Boys sich nähert. Die
Dauer nach Du Boys weicht aber um so mehr ab, je näher
der Knoten der tiefsten Stelle des Sees zu liegen kommt, wie
beim Loch Eam, beim Bodensee und Wagingersee. Somit ist
auch durch die Ergebnisse an den bereits untersuchten Seen
bestätigt, daß die P. Du Boyssche Formel in konkaven,
stark asymetrischen Seen eine gute erste Annäherung
für die Periode der uninodalen Seiche eines Sees ergibt,
daß aber dieselbe um so stärker abweicht, je näher der
Knoten der tiefsten Stelle eines Sees liegt.
') A. Endrös, Die Seiches des Waginger-Tachingersees, zit. S. 322.
*) Die mit * bezeichneten Zahlenangaben habe ich selbst berechnet.
«) Forel, La Libman IT S. 124,
*) Chrystal und Maclagan-Wedderbum, Calculation, zit. 8. 320.
330 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1905.
Da die Beckenverhältnisse für die 36 Min. -Seiche des
Chiemsees in der Richtung Schafwaschen-Südufer-Chieming ganz
ähnliche wie bei der 41 Min.-Seiche sind, dürfen wir auch zur
Berechnung dieser Schwingungsdauer die P. Du Boyssche
Formel benützen. Die Berechnung ergibt in der genannten
Richtung 38,2 Min., also einen Wert, der mit dem bei früherem
Mittelwasser beobachteten von 37VaMin. auf +3% überein-
stimmt. Wir dürfen daher in dieser guten Übereinstimmung
eine Bestätigung unserer Deutung der Beobachtungsergebnisse
erblicken.
Wenden wir zur Berechnung der Dauer der 54 Min.-
Seiche die Du Boyssche Theorie an, so erhalten wir in der
Richtung Chieming-Urfahren-Schafwaschen 36,1 Min. Die Dauer
bleibt also bedeutend unter dem beobachteten Werte und
zwar um 33 ^/o. Das Gleiche konnte ich bei der Hauptseiche
des Waginger-Tachingersees konstatieren, wo die berechnete
Dauer von 36 Min. um 44®/o unter der beobachteten von 62 Min.
zurückbleibt. Ich habe schon oben S. 322 auf die ganz ähn-
lichen Beckenverhältnisse längs der Schwingungsachsen der
beiden Seiches hingewiesen. Der Knoten beider Schwingungen
fallt nämlich mit einer seichten und stark eingeengten Seestelle
zusammen, so daß die Seen in der Mitte konvex sind, wodurch
nach der Chrystalschen Theorie die betreffende Periodendauer
stark verlängert wird. Die genannte Theorie gibt nämlich
für einen See mit konvexem parabolischen Längsschnitt für
T^ 0,61 — TT^rr, wobei h die kleinste Tiefe am Scheitel der
Vgh'
71 l
Parabel ist, und nach P. Du Boys erhält man 0,26-^:==:i, also
vgh
eine Dauer, welche um 55®/o unter der nach der exakten
Theorie berechneten zurückbleibt. Wir sehen sonach, daß auch
theoretisch die Schwingung in der angenommenen Richtung
möglich ist.
Die Lage der Knoten der uninodalen Seiches kann
mit Vorteil nach der Du Boysschen Theorie berechnet
werden. Am Wagingersee konnte ich wiederholt auf das
MP«EmK
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Chiemsees.
331
übereinstimmende Ergebnis von Berechnung und Beobachtung
hinweisen. Auch der Knoten der 41 Min. -Seiche am Ghiem-
see tallt nach Berechnung sehr nahe mit dem beobach-
teten Knoten südöstlich der Herreninsel zusammen.
Der Knoten der 36 Min.-Seiche fallt nach Berechnung P/akm
westlicher und derjenige der 54 Min.-Seiche in den Mühlener
Winkel. Die beiden letzten Knoten konnten aus den schon
angegebenen Gründen nicht beobachtet werden.
3. Die Änderungen der Dauer der uninodalen Seiches.
Die Dauer der 41 Min.-Seiche änderte sich am Chiemsee
stark mit dem Pegelstande. Da der Unterschied zwischen
dem höchsten und tiefsten Stande 166 cm beträgt, dürfte es
von Interesse sein die früheren Beobachtungen mit den neuen
zusammenzustellen, was in folgender Tabelle geschehen ist.
In der ersten Rubrik steht die Zeit, in welcher die betreffenden
Messungen gemacht wurden; in der zweiten der Pegelstand in
cm H. P.; in der dritten die Mittelwerte der Dauer in Min.,
in der vierten abweichende Mittelwerte in der beigefügten Zeit
bezw. bei dem angegebenen Pegelstande (vgl. P. I., S. 62).
Die Dauer der 41 Min.-Seiche und der Pegelstand.
Beobach ta ngszeit
2. 4.-4. 7. 1902
3.5.-
7.7.-
1.9.-
9.11.
28.4.-
25. 6.-
9.5.-
29. 8.
19. 6.
25.9.
10. 7.-
14. 12.-
-22. 5. 1902
25. 8. 1902
6.11.1902
11.1.1903
-9. 5. 1904
-8. 6. 1904 ,
24. 5. 1904|
-26. 9. 1904 j
10. 7. 1904^
4. 12. 1904/
-26. 8. 1904)
12.8.1905/
Abweichende Mittelwerte
109 bis 86 ' 43,90
86 . 68
43,34
68 , 50
42,83
50 , 30
43,13
30 . 10
42,15
+ 10 , -
10
41,38
-10 . -
30
41,00
zwischen 3. 4. und 2. 5. 44,06
zwischen 24. 5. und 4. 7. 43,75
bei Pegel 40 bis 30 : 43,56
bei Pegel 22 bis 19 : 40,65
-30 .
; bei Pegel
40 bis - 50 : 89,84
50 bis — 57 : 40,07
332 Sitzung der roath.-phys. Klasse vom 5. Mai 1905.
Die Dauer der Hauptseiche des Chiemsees hat also
von 44,05 Min. bis 39,34 Min., das ist um 11 ^/o des Mittel-
wertes abgenommen, als der Pegelstand von 109 cm bis
— 57 cm H. P. zurückging. Die Dauer bei Mittelwasser vor
der Tieferlegung war 42,68 Min. und ist jetzt 41,00 Min. Die
Abnahme der Dauer bei Abnahme der Tiefe ist, wie früher
schon hervorgehoben wurde, auf die starke Abnahme der
Achsenlänge in der Schafwaschener Bucht zurückzuführen.
Das Ufer läuft dort sehr flach aus, so daß beim Rückgang
des Wasserstandes von Pegel 109 bis 68 cm die Achsenläuge
um rund 100 m sich verkürzte, das ist um die Breite des
früheren Überschwemmungsgebietes. Von Pegel 68 bis un-
gefähr Pegel — 30 wurde die eigentliche Uferzone, die mit
Schilf bewachsen und ungefähr 40 m breit ist, trockengelegt.
Die ganze Verkürzung der Länge der Achse beträgt also rund
150 m, das ist aber nur 0,8 ®/o der ganzen Achse. Die Ver-
kürzung der Dauer beträgt aber 1 1 °/o, soll jedoch der Theorie
nach unter 0,8% bleiben, da die Abnahme der Tiefe um
166 cm, das sind rund 2^/o der größten Tiefe, die Dauer der
Theorie nach verlängern muß {l steht linear im Zähler, h in
der ^ Potenz im Nenner). Es kann daher nur die Seicht-
heit dieses freigewordenen Uferstreifens die Dauer
so beeinflussen. Wir dürfen daher aus dieser Beobachtung
am Chiemsee schließen, daß seichte Ufer auch von geringer
Breite die Periodendauer der Seiches verhältnismäßig stark ver-
längern. W. Halbfaß hat die gleiche Erscheinung am Madüsee
beobachtet, wo sich die uninodale Seiche von 35,5 Min. bei
einer Zunahme des Wasserstandes um rund 60 cm auf 36,4
verlängerte, das ist um 2,5 ^/o. Die Ufer an den Enden des
Sees sind dort ebenfalls sehr flach, so daß die Achse um un-
gefähr 400 m länger wird, worin auch Halbfaß die Ursache
hiefür erblickt (S. 81).
Einzelne scheinbare Abweichungen sind am Cliiemsee
zu verzeichnen. Während z. B. die Dauer bis zum Pegelstand
50 cm auf 42,83 Min. abgenommen hat, nahm dieselbe zwischen
Pegel 40 und 30 cm deutlich bis zum Werte 43,56 Min. zu,
Mpfa^«*t
A. EndrJVs: Die Seesch wankungen des Chienuees. 333
welche Beobachtung mit derjenigen in den Vorjahren über-
einstimmt. Der Grund ist nur der, daü bei Pegel 50 cm das
eigentliche Seebecken, dessen Begrenzung eine rund 20 cm
hohe Grasböschung bildet, gerade ausgefüllt war und da£ also
die Achse sich bis 30 cm Pegel nicht änderte, sondern nur
die Tiefe und daher die Dauer zunehmen mußte (s. P. I, S. 62).
Das Gleiche wiederholte sich bei Pegel — 40 und — 50 cm.
Nach der Zone des Schilfes fallt nämlich das Ufer senkrecht
auf eine Tiefe von 60 cm ab und das Wasser war bei Pegel
— 50 bis zu dieser Stelle zurückgegangen und die Dauer,
welche auf 39,34 Min. im Mittel zurückgegangen war, nahm
von Pegel — 50 bis — 57 bis 40,07 Min. wieder zu. In der
Veränderung der Dauer spiegelt sich die Terassen-
form des Ufers wieder. Die früher unter Eis gemessene
Dauer endlich stimmt mit den Werten bei Pegel — 30 bis
— 40 cm überein, beidesmal beträgt sie rund 41 Min. Die
frühere Annahme (s. P. I, S. 64), daß das an das Ufer und
das Schilf angefrorene Eis die Seichesbewegungen
nicht mitmachen kann, also die Achse um die Breite der
Schilfzone verkürzt wird, findet dadurch seine Bestätigung.
Auch die 36 Min. -Sei che hat gegen früher an Dauer
abgenommen; da aber die Messungen früher und jetzt nicht
genau sind, kann die Abnahme nicht besprochen, ja ihrem
ungefähren Betrage nach nicht einmal angegeben werden.
Die 54 Min. -Seiche trat nur bei hohem Wasserstande in
meßbaren Reihen auf.
4. Die 28V» Min.-Seiche.
In anliegender Kartenskizze Taf. III Fig. 2 seien wieder
wie l>ei der 41 Min.-Seiche die Amplituden und Phasen der
19 Beobachtungspunkte eingetragen.
Die 28'/2 Min.-Seiche ist also nach den Beobach-
tungen die binodale Seiche mit der Schwingungsachse
Schafwaschen — Chieming. Die eine Knotenlinie ver-
läuft ostlich der Fraueninsel in fast nord-südlicher
Richtung, die zweite, westliche, liegt am Eingang in
334 Sitzung der math.-phjs. Klasse vcun 5. Mai 1906.
die Schafwaschener Bucht DermittlereSchwingungs-
bauch liegt vor Harras. Die frühere Deutung findet also
durch die neuen Beobachtungen ihre Bestätigung. Die Wasser-
bewegung verzweigt sich hier, so daß die Kommunikationen
nördlich und südlich der Herreninsel an der Schwin-
gung teilnehmen und der mittlere Schwingungsbauch scheint
da zu liegen, wo die Bewegungen südlich und nördlich der
Herreninsel sich trefiFen. Die 28 ^/a Min.-Seiche ist also eine
uninodale Seiche Chieming — Harras, deren Dauer sich wahr-
scheinlich wenig ändern würde, falls die Schafwaschener Bucht
abgesperrt wäre. Die P. Du Boyssche Formel gibt für Chie-
ming—Südufer — Harras rund 23 Min., für Chieming — Nord-
ufer— Harras 24 Min. Die Dauer ist demnach nach Du Boys
zu kurz; jedenfalls wirkt die Einengung des Beckens durch
die drei Inseln nahe der östlichen Knotenlinie verlängernd auf
die Dauer. Die Einengung bei Urfahren dagegen wirkt nicht
besonders ein, weil dieselbe femer dem Knoten liegt.
Die 28Va Min.-Seiche ist ferner uninodale Schwin-
gung Harras-Schafwaschen, deren Knoten durch die
neuen Beobachtungen sehr genau an den Eingang in die
Schafwaschener Bucht, also an eine starke Beckenein-
schnürung fällt. Die P. Du Boyssche Regel ergibt für diese
Strecke von 4,8 km Länge rund 15,7 Minuten, bleibt also um
54 ^/o hinter der beobachteten Dauer zurück. Die Schwingung
stimmt hierin mit der 54 Min.-Seiche unseres Sees und mit
der 62 Min.-Seiche des Wagin ger-Tachingersees überein. Die
Achsenlänge der westlichen Schwingung beträgt also
nur 4,8 km gegen diejenige der östlichen von 13 km.
Die 28^1 Min.-Seiche ist sonach die binodale Schwin-
gung zu der 36 Min.-Seiche. Das Verhältnis der Dauer
der uninodalen und binodalen Seiche erhält hier den
ungewöhnlich großen Wert von 1:0,77 (37,5:28,99).
Am Wagingersee, wo das Verhältnis 1 : 0,70 beträgt, habe ich
auf die vollständige Unzulänglichkeit der P. Du Boysschen Theorie
und die Übereinstimmung des Ergebnisses mit der Chrystal-
schen Theorie hingewiesen, öanz dasselbe, was vom Waginger-
A. EndrOs: Die Seeschwankungen des Chiemsees.
335
See bei der 11,78 Min.-Seiche gesagt wurde, gilt auch vom
Chiemsee bei der 28^3 Min.-Seiche. Da am Wagingersee die
starke Einschnürung bei Uom mit dem nördlichen Knoten der
1 1,8 Min.-Seiche zusammenfallt, wurde die Dauer derselben so
verlängert und, da der westliche Knoten der 28^» Min.-
Seiche an den Rinngang und auch der östliche Knoten an die
Beckeneinengung durch die drei Inseln fällt, wird die Dauer
der binodalen Seiche des Chiemsees noch stärker ver-
längert.
Sehr lehrreich ist die Zusammenstellung der Peri-
odenverhältnisse von Grund- und erster Oberschwin-
gung der schon oben erwähnten Seen, geordnet nach der
Qrölse dieser Periodenverhältnisse.
Unter T, steht hier die Dauer der uninodalen, unter T,
diejenige der binodalen Seiche in Min. und unter V das Ver-
hältnis in % der uninodalen Periode.
See
Vi
in 0/0
Chiemsee
Wagingersee
Stambergersee
Cliiemsee, Schafwaschncr Bucht
See mit parabolischem Längs-
schnitt
Madüsee
Loch Treig
Loch Earn
Vierwal dstattersec
Tachingersee
Cienfersee
37,5
16,80
25,0
6,4
100
35,5
9,18
14,5
44,25
12,6
73
28,99
11,78
15,8
3.8
58
20,3
5,15
8,10
24,25
6,25
85,5
77
70
63
59
58
57
56
56
55
49
48
Der Chiemsee, Wagingersee und Stambergersee
haben der Reihenfolge nach die weitaus größten Verhältnisse.
Die anormale Verlängerung der Dauer der binodalen Seiches
bei den beiden ersten Seen ist verursacht durch das Zu-
sammenfallen einer bezw. beider Knotenlinien mit star-
ken Beckeneinschnürungen, wie ich es oben und beim
386 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Wagingersee eingehend besprochen habe. Das gleiche scheint
auch am Starnbergersee der Fall zu sein, wo die südliche
Knotenlinie wahrscheinlich mit der Einschnürung bei Unter-
zaismering zusammenfallt, wie auch H. Ebert schon seinerzeit
das damals einzig dastehende, stark abweichende Verhältnis (64)
begründet hatte.^) Die dortige Einengung ist aber nicht so
stark wie am Wagingersee, so daß auch das Verhältnis unter
dem am Wagingersee zurückbleibt. Beide letztgenannten Seen
haben also ganz ähnliche Beckenform für die uninodale und
binodale Schwingungsunterteilung. Einen großen Gegensatz
bilden aber hier der Chiemsee und Genfersee; während die
Beckenform für die uninodalen Seiches die ganz gleiche ist
(vgl. S. 329), ist dieselbe für die binodale Unterteilung so ver-
schieden, daß der Chiemsee an den Anfang der Tabelle und
der Genfersee an den Schluß kommt. Während wir nämlich
am Chiemsee auch an den Knoten der binodalen Seiche starke
Einschnürungen haben, liegen die Knoten derselben am L^mau
weder an Einengungen des Beckens noch an besonders seichten
Stellen, so daß die binodale Seiche mit sonst normaler Dauer
unter der Hälfte der anormal großen Dauer der uninodalen
Seiche zurückbleibt. Die Periodenverhältnisse bei den
übrigen Seen nähern sich zum Teil sehr demjenigen von
Chrystal für rein parabolische, konkave Seen berech-
neten Werte von 58, was mit ihrer regelmäßigen Gestalt auch
im Einklang steht. Wir sehen aus den aufgezählten Beispielen
daß auch so verschiedene Verhältnisse der Periodendauem
von Grund- und erster Oberschwingung, wie sie U albfaß in
letzter Zeit übersichtlich zusammengestellt hat,*) vollkommen
im Einklänge mit der neuen Chrystalschen Theorie
stehen.
Auch die Dauer der 28Va Min. -Seiche nimmt nach
den neuen Untersuchungen mit dem Pegelstande ab (größter
») H. Ebert; diese Berichte 30, 1900 H. III, S. 456.
') W. Halbfaß, Seiches oder stehende Seeapiegelschwankungen.
Natnrw. Wochenschrift von H. Potoni^. Berlin 23. Oktober 1904.
A. Kndrös: Die Seeachwankungen des Chiemsees. 337
Wert 29,00, kleinster 28,10). Die Abnahme beträgt aber nur
3^0 und führt wegen dieses geringen Betrages nicht zu näheren
Erörterungen. Jedenfalls kompensiert die Zunahme der Dauer
durch die Querschnittsverkleinerung am Kinngang zum Teil die
Abnahme derselben infolge der Achsen Verkürzung an dem
seichten Schafwaschener Ende. Zu erwähnen ist noch, daß
diese Seiche bei mittlerem und niedrigem Wasserstande mit
auffallend kleiner Amplitude und selten auftritt,, was wahr-
scheinlich in Knotenverschiebungen infolge der Veränderung des
Wasserstandes seinen Grund hat.
5. Die 18 Min. -Seiche und 15Va Min-Seiche.
Bei der 18 Min.-Seiche haben sich, wie schon einleitend
erwähnt, einzelne Änderungen gegenüber den früheren Annah-
men ergeben. Der Grund war hauptsächlich die Interferenz-
kurve der Schwebung, an welcher man bei kurzen Beobach-
tungen die eine mit der anderen verwechseln kann. Die neuen
Ergebnisse sind wieder wie bei den vorausgehenden Seiches in
Fig. 3 auf Taf. III eingetragen.
Die 18 Min.-Seiche ist darnach die binodale Seiche
Seebruck-Kailbach mit der ersten Knotenlinie etwas
nördlich Chieming und der zweiten etwas südlich Stock.
Infolge der Kommunikation nördlich der Herreninsel erfolgt die
Schwingung auch auf diesem Wege und wird dadurch gleich-
zeitig Querseiche Mühlen-W^eitsee. Endlich ist die Seiche
infolge der weiteren Beckenunregelmäßigkeit, der Einengung
am Rinngange, trinodale Seiche Seebruck-Schafwaschen
mit dem dritten Knoten am Rinngang. Die Schaff
waschener Bucht schwingt aber nur -zeitweise in dem
Takte der 18 Min.-Seiche mit, während im benachbarten Kail-
bach die Schwingung immer und mit größerer Amplitude auf-
tritt. Diese Schwingung zeigt so recht, welche kom-
plizierten Schwingungsverhältnisse in einem so un-
regelmäßigen Seebecken möglich sind.
Von Osternach bis Schafwaschen fallt also eine ganze uni-
nodale Seiche von 18 Minuten. Es ist an der langen Dauer
'^38 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
eben wieder die Einengung am Rinngang schuld, welche mit
dem Knoten zusammenfallt. Das Verhältnis der uninodalen
Seiche Seebruck-Schafwaschen zur binodalen ist 1 : 0,43, also
wieder verhältnismäßig groß (bei parabolischen Seen ist das-
selbe nach Chrystal 1:0,41)^), ebenfalls nur verursacht durch
das Zusammenfallen des dritten Knotens mit dem Rinngange.
Für die IS'/a Min.-Seiche stellt die Ergebnisse Fig. 4
auf Taf. ni dar. Darnach ist diese Schwingung die binodale
Seiche in der Richtung Seebruck — Harras mit dem
ersten Knoten an dem Ufervorsprung nördlich Chie-
ming, bei Schützing und dem zweiten Knoten an der
Südostspitze der Herreninsel, dem Knoten der 41 Min.-
Seiche, unterbrochen durch die Herreninsel, gegen den
Rinngang hin. Auch hier erfolgt die schwingende Bewe-
gung des Wassers südlich und nördlich um die Herren-
insel herum. Der mittlere Schwingungsbauch fallt in die
Höhe der Spitze des Achenzipfels, der westliche vor Harras.
Da Mühlen eine so große Amplitude hat, fallt sehr wahr-
scheinlich zwischen Mühlen — Harras eine weitere uninodale
Seiche, so daß wir die 15^/, Min.-Seiche die dreiknotige
Seiche Seebruck — Harras — Mühlen nennen können. Zu be-
achten ist, daß die Schafwaschener- und Kailbacher-
Bucht hiebei nicht mitschwingen, weil die horizontale
Wasserbewegung bei dieser Seiche quer zu den Buchten er-
folgt. Ein Beispiel hiefür haben wir schon in der Seiche-
literatur; am Yierwaldstättersee teilt sich die Querschwin-
gung von rund 18 Min. Dauer in der Richtung Küssnacht —
Sandsstadt ebenfalls dem Hauptbecken nicht mit, weil die
horizontale Wasserbewegung quer zur Hauptachse erfolgt.
Um die Theorie auch auf ein so kompliziertes Becken an-
zuwenden, habe ich die Dauer der IS^/a Min.-Seiche aus
der Normalkurve berechnet. Dieselbe läßt sich bis zum
Knoten dieser Schwingung bei Stöttham (von Punkt 0 bis 3)
angenähert als gerade Linie darstellen. Die Dauer muß daher
0 Chrystal, H. T. 8. Seite 623.
A. EndrJVs : Die Seeschwankungen des Chiemsees. 339
2nl
nach Chrystal T = -7:=^ sein, wobei für l die doppelte
^ 2,4051/(7* ^^
Seefläche von Seebruck bis zum Knoten und h die Ordinate
a der Normalkurve zu setzen ist; es ergeben sich 10,5 Min.
In gleicher Weise kann die Dauer der 18 Min.-Seiche
aus der Normalkurve bestimmt werden. Die Schwingung ist
nämlich die uninodale Seiche Seebruck — Herreninsel Südost,
also die uninodale Seiche des Hauptzweiges der Normalkurve
von Punkt 0 bis 12. Der Knoten fallt außerdem fast genau
in die Mitte dieses Kurvenzuges. Wir können daher diesen
Zweig angenähert als Parabel betrachten, deren Scheitelpunkt
Ttl
im Knoten ist. Für die Dauer T = —. , wobei l die
V2jh
Fläche bis zum Knoten der 41 Min.-Seiche = 200 »5* 100 qm
und Ä die Ordinate der Kurve in der Mitte = 90 • 5^ • 10^ m'
gesetzt ist, erh,ält man 15,4 Min. Beide berechneten Werte
bleiben also bedeutend unter den beobachteten Dauern
und zwar der für die 15*/a Min.-Seiche um 32**/o und der Wert
für die 18 Min.-Seiche um 15%. Die Annäherung der Kurve
einerseits an eine Gerade andererseits an eine Parabel sind wohl
beidesmal nicht genau, aber die Abweichungen sind nicht so
groß um diese bedeutenden Beträge, um welche die berechnete
Dauer hinter der beobachteten zurückbleibt, verständlich zu
machen. Jedenfalls sind die besonderen Verhältnisse des Sees
wie die große Breite, die flachen Ufer u. a. die Ursachen der
geringen Übereinstimmung.
6. Die Seiches kürzerer Dauer.
Die 8 Min.-Seiche (vgl. Taf. HI Fig. 5) ist die nächste
Oberschwingung zu der \h^\% Min.-Seiche, also die
vierknotige Seiche Seebruck — Harras; die erste Knoten-
linie befindet sich bei Arlaching, die zweite geht südlich Chie-
ming gegen (Jstadt, die vierte läuft von Felden unterbrochen
durch die Insel gegen Stock. Beobachtungen zwischen dem
Schwingungsbauche bei Feld wies und dem westlichen bei Harras
fehlen. Die dritte Knotenlinie läuft zwischen Mühlen und
1906. SiUnngsb. d. nuttlL-phyB. KL 23
340 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
Gstadt östlich der Herreninsel vorbei gegen Süden. Von be-
sonderem Interesse ist die Schwingung noch deshalb, weil
sie bei höherem Wasserstande auch in Schafwaschen
aufgetreten ist und mit Seebruck gleiche Phase hatte. Die
Eigenschwingung des Schaf waschener Winkels betrug näm-
lich bei höherem Wasserstande, zwischen 60 und 30 cm H. P.,
ungefähr 8,10 Min. und die Bucht machte dann die Schwin-
gungen in gleichem Takte mit. Die 8 Min. -Seiche war auf
diese Weise zeitweilig die sechsknotige Seiche See-
bruck— Schafwaschen, wobei die beiden Kommunikationen
südlich und nördlich der Herreninsel an der Schwingung
teilnahmen. Diese Schwingung pflanzte sich im Gegensatze
zur 15^4 Min. -Seiche wohl nur deshalb in den Winkel
hinein fort, weil ein Schwingungsbauch an den Ein-
gang fällt, während bei der 15^/a Min.-Seiche ein Knoten in
der Nähe des Einganges liegt und die Wasserbewegung quer
zum Eingang der Bucht stattfindet. Auch bei niedrigem
Wasserstande wurde in Rinngang Süd und Nord die 8,2 Min.-
Seiche noch beobachtet, aber in Schafwaschen ist diese Seiche
nie mehr verzeichnet.
Die Eigenschwingung der Schafwaschener Bucht
hat sich mit dem Wasserstande stark geändert. Bei
Pegel 109—80 umfaßte sie : 8,57 Min., von Pegel 60 bis 30 cm
: 8,10 Min., von da ab tritt die Schwingung sehr selten auf.
Bei Pegel -f- 15 ist eine Reihe mit 7,15 Min. Dauer zu messen,
eine weitere bei Pegel — 17 mit 6,67 Min. Erst bei Pegel
— 54 tritt die Seiche wieder häufig und in sehr langen Reihen
auf. Die Dauer hat dabei den geringsten Betrag von 6,40 Min.
erreicht. Die starke Abnahme um 2,17 Min., das sind 34 ^/o
der nunmehrigen Dauer, erklärt sich eben aus der Verkür-
zung der Achse im Schafwaschener Winkel und zwar
um dea sehr seichten Ufenand. Der Vorgang kann aber
nicht in der gleichen Weise wie bei der 41 Min.-Seiche ver-
folgt werden, weil die Schwingung oft gar nicht zu messen
war. Daß sich auch später noch der Schwingungsbauch vor
der Bucht in dieselbe hinein verlagerte, sieht man aus den
A. EndrÖB: Die Seeach wankungen des Ghiemaees. 341
Limninieterbeobachtungen am ßinngang sowohl als besonders
aus Messungen von Seichesströmungen am Rinngang,
bei welchen eine deutliche Periode von 8,2 Min. zu erkennen
ist, worüber ich in einer eigenen Schrift Näheres mitteilen
werde. Da die Bucht eben nicht mehr abgestimmt ist,
schwingt sie nicht mehr mit und die Bewegungen können nur
mehr erzwungene Schwingungen sein, wie ich sie am Waginger-
Tachingersee beobachtet habe. Die Amplitude derselben ist
aber, wie auch die der 17 Min. -Seiche im Tachingersee, nur
klein, so da& sie aus dem unruhig verlaufenden Schaf waschen er
Limnogramme nicht zu erkennen ist.
Eine Seiche von 4 Min. wurde in Seebruck, Feldwies
und Felden mit fast genau gleicher Dauer gemessen. Obwohl
ein Phasenvergleich wegen der kurzen Periode und der ge-
ringen Zahl aufeinanderfolgender Schwingungen nicht möglich
war, so glaube ich dennoch mit großer Wahrscheinlichkeit in
ihr die weitere Oberschwingung von der 15^» Min.-Seiche
suchen zu dürfen, also die achtknotige Schwingung Seebruck —
Harras, da die Schwingung gerade am Ende der Achse der
15Vt Min.-Seiche, nämlich in Seebruck, in deren mittleren
Schwingungsbauche in Feldwies und deren westlichen Bauche
bei Felden gefunden wurde.
Die nur einmal bei sehr niedrigem Wasserstande gemessene
Seiche von 3,8 Min. ist sehr wahrscheinlich die binodale
Seiche der Schafwaschener Bucht. Es wurde sonst
nirgends eine Schwingung von solcher Dauer gemessen. Das
Verhältnis der Perioden ist 6,4 : 3,8 = 1 : 0,59 und entspricht
ganz der konkaven Beschaffenheit des Schafwaschener Winkels.
Die 10,7 Min.-Seiche wurde bei den neuen Beobach-
tungen nur einmal in Osternach und einmal in Schafwaschen
gemessen und beide Male bei einem Pegelstande von rund
-|- 15 cm H. P. Da sie besonders in Seebruck nie mehr
auftrat, liegen keine weiteren Vergleichsbeobachtungen vor.
Eine Durchsicht der früheren Beobachtungen ergab in Gstadt
eine Verwechslung der 11 mit der 12^/^ Min.-Seiche, so daß
also Gstadt die Amplitude 0 hat. Außerdem hat die Seiche
23*
342 Sitzung der matb.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
am ganzen Ostufer gleiche Phase. Ich halte sie daher
für eine Oberschwingung der 28^2 Min. -Seiche und
zwar für die trinodale Seiche Chieming — Harras. Die
besondere Eigentümlichkeit hiebei ist, daß der östliche
Schwingungsbauch infolge Verzweigung der Richtung in
zwei solche zerfällt und zwar erstreckt sich der eine gegen
Seebruck und der zweite gegen Hagenau. Die östliche
Enotenlinie muß hiebei vom Achenzipfel gegen Nordosten
ausbiegend nach dem Nordwestufer, ungefähr 1,5 km vor See-
bruck, verlaufen. Für den Inselsee liegen zu wenig Vergleichs-
beobachtungen vor. Nur einmal wurde die Schwingung früher
in einer langen Reihe und größerer Amplitude in Schafwaschen
beobachtet (s. P. I, Taf. 11 Fig. 11), dabei hatte sie überein-
stimmend mit Seebruck entgegengesetzte Phase. Sie mußte
dann, wie schon früher (P. I, S. 53) betont, vierknotige
Seiche Seebruck — Schafwaschen gewesen sein. Auch bei
dieser Seiche machte also die Bucht die Schwingungsbewegung
nur zeitweise mit.
Für die 7 Min.-Seiche liegen nur einzelne Reihen in
Harras und an der Fraueninsel vor. Sie konnte früher als
dreiknotige Seiche Seebruck — Hagenau festgelegt werden. Nach
den neuen Beobachtungen scheint sie auch zeitweise gegen
Westen sich fortzusetzen.
Die 12V» Min.-Seiche konnte bei den neuen Untw-
suchungen nur vereinzelt aus dem Kailbacher Limnogramme
gefunden werden, aber mit einer gegen früher sehr kleinen
Amplitude. Sie ist, wie schon früher (P. I, S. 55) angegeben
werden konnte, sehr wahrscheinlich eine Schwingung Feld-
wies— Kailbach und zwar eine binodale.
Die übrigen Schwingungen, das sind die 9'/»Min. -Seiche,
die 6,5 und 5,5 und 5 Min.-Seiche, sind Schwingungen des
Weitsees, können aber auch auf Grund der neuen Beobach-
tungen nach Zahl und Lage der Knoten nicht näher festge-
legt werden.
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Chiemsees. 343
7. Die Einwirkung der Tieferlegung auf die Seiches.
Dadurch daß der Eintritt der Seespiegelsenkung des
Sees in die Beobachtungszeit fallt, war, wie schon einleitend
erwähnt, Gelegenheit gegeben die Einwirkung derselben auf
die Schwingungen des Sees zu untersuchen, also ein Experi-
ment im Großen anzustellen. Es dürfte angebracht sein diese
Einwirkungen hier näher zu besprechen.
Die Tieferlegung selbst bestand darin, daß durch Aus-
baggern und Regulieren des Seeabflußes, der Alz, alle Wasser-
stände um rund 70 cm erniedrigt wurden (in Wirklichkeit
beträgt die Senkung bei Hochwasser 60 cm und bei Niedrig-
wasser 80 cm). Die Seetiefen sind also durchweg um diesen
Betrag geringer geworden. Durch die große Sommerdürre des
Jahres 1904 trat außerdem ein ungewöhnlich tiefer Wasser-
stand ein, der bis — 59 cm H. P. zurückging. Bei der Flach-
heit der Ufer änderte sich daher die Seefläche bedeutend.
Die Änderungen sind deutlich aus der Karte auf Taf. II zu
ersehen, in welche die neue üferlinie bereits eingezeichnet und
die frühere Umrißlinie durch die punktierte Linie angedeutet
ist. Bei — 60 cm wurde einmal die Feldwieser-Bucht voll-
ständig und die Hagenauer-Bucht zum großen Teile trocken
gelegt. Weiterhin wurden die Einengungen bei Urfahren und
am Uinngang bedeutend verstärkt; erstere hatte, wie schon er-
wähnt, bei Hochwasser von 100 cm H. P. eine Querschnitts-
fläche von rund 2000 qm und bei — 60 cm H. P. nur mehr
rund 1000 qm, letztere eine solche von 2000 qm und dem
seichtem Wasserstande nur 1200 qm. Außerdem wurden zwei
kleine Inseln östlich der Herreninsel und mehrere größere
Landzungen frei, so an der Nordostspitze der Herreninsel
und Krautinsel ein Ufervorsprung von 400 m Länge, bei See-
bruck ein solcher von rund 300 m; eine neue Halbinsel er-
streckt sich bei Harras und eine weitere etwas südlich Harras
200 m weit in den See hinein und nördlich Stock zwei kleinere
von 150 bezw. 120 m Länge. Femer wurde rings um den
See und um die Herreninsel ein 50 bis 100 m breiter Rand
344 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
trocken gelegt. Endlich ist jetzt der Ausfluß bei Seebruck
etwa 200 m weiter in den See hinein verlegt.
Wie man sieht, sind die Veränderungen immerhin be-
deutende, so daß eine Einwirkung auf die Schwingungen
schon im voraus zu erwarten war. Dieselbe bestand nun ein-
mal in einer Veränderung der Dauer aller Schwingungen.
Um dieselbe überblicken zu können, sind die Mittelwerte der
Dauer bei dem früheren und jetzigen Mittelwasserstande in der
Tabelle S. 319 zusammengestellt. Darnach hat die Dauer
bei den Schwingungen von 41, 36, 28V7, 18, lb% 12V-2
und 6,4 Min. abgenommen und bei denjenigen von 9'/i,
8 und 7 Min.' zugenommen. Die Abnahme der Dauer
habe ich bei der 41 Min.-Seiche eingehend besprochen; sie ist
durch die Verkürzung der Achse um einen seichten Uferstreifen
verursacht. Die gleiche Ursache triflft wohl auch bei den
übrigen Schwingungen zu. In der Verlängerung der Dauer
bei den anderen Seiches dagegen kommt die Tiefenverringerung
mehr zum Ausdruck, weil das eine Ende der Achse in Seebruck
nicht verkürzt wird und auch das andere Ende wahrscheinlich
nicht auf seichtes Ufer ausläuft. Weiterhin treten mehrere
Seiches bei tiefem Wasserstande gar nicht mehr auf,
wie besonders die 10,7 Min.-Seiche, welche früher eine ständige
Schwingung des Weitsees war, ebenso die 5 und 3 Min.-Seiche
und die schon erwähnte 54 Min.-Seiche. Andere Seiches treten
dagegen neu auf, wie die von 6,5 und 5,7 Min.-Dauer. Wieder
andere sind viel seltener zu erkennen, wie die 28*/» Min.-
Seiche und die 4 Min.-Seiche und endlich mehrere viel häu-
figer wie die 36 Min.-Seiche und 6,4 Min.-Seiche in Schaf-
waschen und die 9V» und 8 Min.-Seiche in Seebruck. Wenn
sich auch die Ursache der Veränderungen bei den einzelnen
Seiches nicht angeben läßt, so verstehen wir doch die Ein-
wirkung im allgemeinen. Durch Trockenlegung der seichten
Ufer wird die Dauer so verändert, daß auch die Lage der
Knotenlinien stark verschoben wird und dadurch bei der Becken-
unregelmäßigkeit eine stärkere Dämpfung oder eine bessere
Abstimmung des Seeteiles auf die einzelne Schwingung erfolgt.
A. Endrös: Die Seeschwankungen des Chiemsees. 345
Oder es wird die Einengung an bastimmten Punkten so stark,
daß die eine oder andere Seiche von der betreffenden Dauer
nicht mehr stabil ist. Lehrreich sind hiefÜr die Untersuchungen
am Waginger-Tachingersee, wo keine binodale Seiche des
ganzen Beckens wegen der Lage der starken Einschnürung
möglich ist und wegen der Einschnürung bei Hörn die bino-
dale Schwingung des Wagingersees instabil ist. Auch die Ein-
engung bei Rappers wjl am Zürichersee ist nach Sarasin
wohl die Ursache dafür, daü die uninodalen und biuodalen
Seiches sich so schlecht entwickeln. Diese Ergebnisse
machen es verständlich, warum in unregelmäßigen
Seebecken nicht alle Seiches jeder Knotenzahl auf-
treten.
Zusammenstellung der Hauptergebnisse.
Der Chiemsee stellt in der Seichesforschung in gewisser
Beziehung ein vollständiges Novura dar. Während bisher vor-
wiegend Seen mit ausgesprochener Längsrichtung untersucht
wurden, liegt hier zum erstenmal die Untersuchung eines See-
beckens vor, dessen Breitenausdehnungen von fast derselben
Größenordnung wie seine Längsdimensionen sind. Man kann,
um ein akustisches Analogon heranzuziehen, die Schwingungen
der bisher untersuchten Seen mit ausgesprochenem Längstal-
wege mit denjenigen von Saiten mit variabler Dichte Verteilung
vergleichen; der Chiemsee mit seinen vielen Schwingungsrich-
tungen entspricht dagegen einer Chladnischen Klangplatte von
sehr unregelmäßiger Umgrenzung, einer Platte, aus der sogar
durch die Inseln Teile ausgespart sind. Es kann nicht wunder
nehmen, daß bei einem derartig komplizierten, aber immer
noch schwingungsföhigen Gebilde überaus mannigfache Einzel-
formen des Schwingungsbildes zutage treten mußten, deren
Charakteristika nach dem Vorausgehenden im wesentlichen aus
folgendem bestehen:
1. Am Chiemsee konnten 17 Schwingungen verschiedener
Dauer, wobei die unter 3 Min. Periodendauer noch nicht mit-
gerechnet sind, gefunden und die Lage der Knoten und Bäuche
346 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
der häufiger auftretenden Seiches auf Grund von Beobachtungen
an 19 verschiedenen Seestellen mittels selbstregistrierender Limni-
meter und 12 weiteren Punkten mittels des Zeigerlimnimeters
zum Teil ganz genau festgelegt werden.
2. Die Hauptschwingung des Chiemsees von 41 Min. mitt-
lerer Dauer schwingt in der Richtung Schafwaschen — Seebruck
mit der Knotenlinie durch die Südostspitze der Herreninsel gegen
Urfahren, also unterbrochen durch die Insel. Die Schwingungs-
achse ist dabei fast halbkreisförmig. Die Amplituden sind im
Westen 6 mal so groß als im Osten.
3. Der Chiemsee hat zwei weitere uninodale Seiches, welche
nur selten auftreten und zwar eine solche von rund 54 Min.
Dauer, mit der Schwingungsrichtung Schafwaschen— Nordufer
der Herreninsel — Chieming und eine weitere von ungefähr
36 Min., welche ebenfalls von Schafwaschen nach Chieming
schwingt, aber längs der südlichen, tieferen Rinne.
4. Die Anwendung der P. Du Boysschen Berechnungs-
methode ergibt für die Dauer der 41- und 36 Min.-Seiche sehr
befriedigende Werte, versagt aber bei der Berechnung der
54 Min.-Seiche vollständig. Ein Vergleich mit den uninodalen
Seiches in anderen bereits untersuchten Seen liefert das Er-
gebnis, daß die Dauer nach der P. Du Boysschen Interpolations-
formel in symmetrisch konkaven Seen zu groß erhalten wird,
wie auch die Ghrystalsche Theorie lehrt, daß aber in konkaven,
asymmetrischen Seen, wo der Knoten gegen die tiefste Stelle
stark verlagert ist, die Annäherung eine gute wird, wie am
Grenfersee und bei der 41- und 36 Min.-Seiche des Chiemsees.
Fällt aber der Knoten einer Schwingung an eine konvexe Stelle
mit starker Beckeneinschnürung, so wird die Dauer nach der
Formel viel zu klein, wie bei der 54 Min.-Seiche des Chiemsees
und der 62 Min.-Seiche des Waginger— Tachingersees. Die
Anwendung der exakten Chrystalschen Theorie aber ist am
Chiemsee wegen der plötzlichen, starken Querschnittsänderungen
sowohl als besonders wegen der geringen Längenausdehnung
gegenüber derjenigen in der Breite nicht mit Erfolg möglich.
A. Endrös : Die Seeschwankungen den Chiemsees. 347
5. Eine 28^/t Min.-Seiche ist binodale Schwingung zu der
36 Min.-Seiche in der Richtung Ostufer— Schaf waschen, wobei
die Wassermasse sowohl südlich wie nördlich der Herreninsel
beteiligt ist. Die östliche Enotenlinie läuft von Feldwies öst-
Uch der Fraueninsel vorbei, die westliche befindet sich genau
am Eingang in die Schafwaschener Bucht. Der mittlere
Schwingungsbauch fallt vor Harras. Das anormale Verhältnis
?on Grund- und erster Oberschwingung, 1 : 0,77, erklärt sich
übereinstimmend mit den Ergebnissen an anderen Seen durch
das Zusammenfallen der Knotenlinien mit starken Becken-
einschnürungen.
6. Eine weitere Seiche von 18 Min. ist zweiknotig in der
stark abgebogenen Richtung Seebruck Südufer— Eailbach und
zugleich auch uninodale Querseiche Mühlen— Weitsee. Zeit-
weise schwingt auch die Schafwaschener Bucht mit, wobei am
inneren Ende des Rinngangs ein weiterer Knoten entsteht, so
daß diese Schwingung zeitweise dreiknotige Seiche der Richtung
Seebruck— Schafwaschen ist.
7. In einer Seiche von 15*/» Min. Dauer konnte die binodale
Schwingung Seebruck — Harras erkannt werden, wobei die
1. Knotenlinie südlich Arlaching liegt, und die 2. südöstlich
der Herreninsel, zusammenfallend mit dem Knoten der Haupt-
schwingung und unterbrochen durch die Insel, gegen Osternach
läuft. Insofern kann sie auch als dreiknotige Seiche Seebruck—
Südufer— Mühlen bezeichnet werden. Auch die nächste Ober-
schwingung zur 15*/a Min.-Seiche von 8 Min. Dauer wurde
beobachtet, welche also vierknotige Seiche Seebruck— Harras ist.
Bei höherem Wasserstande, wo die Schafwaschener Bucht eine
Eigenschwingung gleicher Dauer hatte, setzte sich die schwin-
gende Bewegung auch in diese Bucht hinein fort als sechs-
knotige Seiche Seebruck— Schaf waschen. Endlich ist die 4,2 Min.-
Seiche sehr wahrscheinlich die nächste Oberschwingung zur
8 Min.-Seiche, welche sich aber nicht in den Schafwaschener
Winkel fortsetzte, so da& sie als achtknotige Seiche Seebruck—
Harras gelten kann.
348 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
8. Eine Schwingung von 10,7 Min. mittlerer Dauer ist
dreiknotige Seiche Weitsee - Insekee ; dabei zerföllt der öst-
liche Schwingungsbauch in zwei getrennte Bäuche, einen nord-
östlichen bei Seebruck und einen südöstlichen bei Hagenau.
Auch diese Seiche teilt sich zeitweise der Schafwaschener Bucht
mit und istdann vierknotige Schwingung Weitsee— Schafwaschen.
Diese Seiche ist mit derjenigen von 28*/» Min. und von 18 Min.
so recht ein Beispiel dafür, welch komplizierte Schwingungs-
unterteilungen in einem so unregelmäßigen Becken möglich sind.
9. Eine Seiche von 12*/» Min. tritt nur im Inselsee und
außerdem noch in Feldwies auf und ist sehr wahrscheinlich
die zweiknotige Seiche Feld wies— Kailbach, eine weitere von
7,1 Min. ist schon früher als trinodale Schwingung Seebruck—
Hagenau nachgewiesen worden imd setzt sich nach den neuen
Beobachtungen auch in den Inselsee fort. Weitere Seiches von
9,5 Min., 6,5 Min., 5,7 Min., 5,0 Min. und 3 Min. treten nur
an einzelnen Punkten des Weitsees und da nicht so häufig
auf, daß ihre Knoten und Bäuche mit Sicherheit aufgefunden
werden konnten.
10. Die Schafwaschener Bucht endlich hat eine uninodale
Eigenschwingung von 8,57 Min., welche mit dem Wasserstande
bis 6,4 Min. abnahm, wo dann die Bucht für diese Periode
gleichsam sehr gut abgestimmt war. Auch die binodale Seiche
der 6,4 Min.-Schwingung konnte mit einer Dauer von 3,8 Min.
gemessen werden.
11. Einen bedeutenderen Einfluß auf die Schwingungs-
unterteilung übt nur die Herreninsel, die größte der drei Inseln
aus. Einmal teilt sie den Inselsee in zwei Kanäle, welche in-
folge ihrer Tiefen- und Querschnittsunterschiede Eigenschwin-
gungen verschiedener Dauer bedingen. Bei der Mehrzahl der
Schwingungen erfolgen die Schwingungsbewegungen südlich
und nördlich der Herreninsel, so daß die Knotenlinien durch
die Insel in zwei Teile zerlegt werden. Femer wird durch
die zweite Kommunikation die merkwürdige Erscheinung er-
möglicht, daß eine Schwingung, nämlich die 18 Min.-Seiche,
A. Endröe: Die Seeschwankungen des Chiemsees. 349
zugleich Längs- und Querseiche sein kann. Die Beobachtung
auf den Inseln, also mitten im See, ergab eine etwas gro&ere
Amplitude, als die korrespondierenden Punkte am Ufer haben,
und ermöglichten außerdem die endgültige Festlegung der
Knoten mehrerer Schwingungen.
12. Die Seichesuntersuchungen an einem See von so kom-
plizierter Beckengestalt und Ümrifiform haben ergeben, daß
Seichesbewegungen nach den verschiedensten Richtungen mög-
lich sind, daß femer jede Bucht Ende einer Schwingungs-
richtung sein kann, daß weiterhin die Schwingungsrichtungen
sich verzweigen können. Wichtig ist endlich das Ergebnis,
daß mehrknotige Seiches nur einen Teil des Sees einnehmen
können und daß nur zeitweise auch andere Seeteile im näm-
lichen Rhythmus mitschwingen. Eine Bucht schwingt nicht
merklich mit, wenn die Schwingungsachse quer zu derselben
verläuft
13. Der jeweilige Wasserstand des Sees und dessen Ver-
änderungen üben auf die Dauer der Schwingungen einen zum
Teil bedeutenden Einfluß aus. indem die Dauer deijenigen
Seiches, welche gegen seichte, flache Ufer schwingen, bei Ab-
nahme des Wasserstandes ebenfalls abnimmt, bei anderen zu-
nimmt. Besonders stark änderte sich die Dauer der Haupt-
schwingung, welche von 44.05 Min. bis 39.-^ Min., also um
11*/» der mittleren Dauer abnahm, als der Wasserstand nach
und nach von 109 cm bis — 57 cm H. P. zurückging. Eben
diese starke Veränderung der Dauer läßt schließen, daß flache
Ufer auf die Dauer der Seiches auch in sonst konkaven Becken
einen merklichen Einfluß ausüben. Endlich bewirken die Ver-
änderungen des Wasserstandes, daß einige Seiches zu Zeiten
selten und mit kleiner Amplitude auftreten und rasch gedampft
werden, andere sich überhaupt nicht mehr zeigen. Durch dieses
Elrgebnis wird verständlich, warum in den einzelnen Seen nicht
alle Seiches jeder Xodalität angetroffen werden. Die eben ge-
nannten Beobachtungen wurden nur dadurch ermöglicht, daß
die Tieferlegung des Chiemseespiegels in die Beobachtungsieit
350 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
fiel und hiedurch die Differenz des höchsten und tiefsten Wasser-
standes den hohen Betrag von 1,66 m erreichte.
Gleichzeitig mit den Untersuchungen der Schwingungs-
formen des Chiemsees, deren Ergebnisse in vorliegender Schrift
mitgeteilt sind, wurden umfangreiche Beobachtungen über die
Ursachen der Seiches angestellt und zugleich andere mit den
Seiches in Zusammenhang stehende Probleme geophysikalischer
Natur in dieselben einbezogen, worüber ich später zu berichten
gedenke.
Traunstein, April 1906.
IffI JE'
351
Abhandlungen zur Elastizitätstheorie.
IL
Die Eigenschwingungen eines elastischen Körpers
mit ruhender Oberfläche.
Von A. Korn.
{KingMaufen 5. Mai.)
Nachdem wir in der ersten Abhandlung gezeigt haben,
daß das elastische Gleichgewichtsproblem:
1)
Jw+k^^^ -Z,
de
in dem elastischen Körper t
\ dx dy dz)
I w — 0,
2)
V = 0, an der Oberfläche eo,
für
t€ = 0,
3)
l</^<-ha)
bei gewissen Stetigkeitsvoraussetzungen über die gegebenen
Funktionen
X, F, Z von X, y, z
stets ein und nur ein System von Lösungen m, t^, w zuläfat,
352 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
wollen wir jetzt die Existenz einer abzählbar unendlichen
Menge von Funktionentripeln:
beweisen, welche den DifiPerentialgleichungen :
^ u. + ^^-^ + »-l u. = 0,
4)
genügen und an der Oberfläche verschwinden. Dabei sind die X'^\
5) ^,<A<\<'-
Konstanten, welche wir als die den elastischen Funktionen-
tripeln C/x F^ W^K zugehörigen Zahlen bezeichnen wollen.
Zur Bestimmung der Eigenschwingungen eine^ elastischen
Körpers bei ruhender Oberfläche haben wir Funktionen WW-
zu bestimmen, welche in r den Differentialgleichungen genügen:
6)^ zfF+^T— =0*' ^TTi"» (*» ^'^ Konstanten des Mediums),
a y dt
3© 9* TT
de dt^
und an der Grenze verschwinden. Jedem elastischen Funk-
tionentripel (7« V^ W^ ist nun eine elastische Eigenschwingung
bei ruhender Oberfläche zugeordnet:
7)
U ^= Utt cos
r=n
cos
W = *W», cos
( -, -}- i J 2 71, {d beliebige Konstante),
'^fsrnm-
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 353
und die betreflPende Schwingungsdauer bestimmt sich aus der
dem elastischen Fuuktionentripel zugeordneten Zahl k^ durch
die folgende Relation:
8) y-. = ^.
Z 71 O
Die Theorie der elastischen Funktionentripel läßt übrigens
nicht bloß diese eine Anwendung zu, sondern die Verwendbar-
keit derselben ist dieselbe, wie die der Theorie der Poincar^-
schen harmonischen Funktionen.
Es läßt sich zeigen, wie wir sehen werden, daß sich jedes
Funktionentripel u, r, w von gewissen Stetigkeitseigenschaften
nach den elastischen Funktion entripeln entwickeln läßt:
9) ' t; = S" Cx ^K» (^1 ^2 . . . Konstanten).
Nach dem Beweise dieser Entwicklungen kann man das System
von Diiferentialgleichungen :
10)
Av 4- k — = o' — — ,
Aw A- K — = o* — -r,
das System von Differentialgleichungen:
11)
Av 4- k — =z u- ,
^ dy ^ dt'
Aw 4- k == u ,
^ dz ^ dt
und auch das noch allgemeinere System von Differential-
gleichungen :
3Ö4
Sitznng der inath.-phya. Eliase rom 6. Mai 1906.
12)
99 a^tf du
' ay af» ^ ^ a^
J ir + AT -— = O* —-5- + il — r
in sehr allgemeiner Weise bei gegebenen Anfangs- und Grenz-
bedingungen ini^rieren.
§ 1.
Ich stelle der Untersuchung den folgenden Hil£3satz voran :
Hilfssatz. Es seien
ujvjwj 0 = 0, 1,2 . . .1?)
p + 1 Funktionentripel, die mit ihren ersten Ablei-
tungen in T eindeutig und stetig sind, an der Grenze
verschwinden, und von denen sonst nichts voraus-
gesetzt werde, als daß die UjVjWj derart linear unab-
hängig sind, dafs keine Relationen von der Form statt-
finden können:
0
0
im ganzen Innenraum,
wo die ßj reelle Eonstanten sind, die der Gleichung:
genügen. Man kann dann stets die p -{- 1 reellen Eon-
stanten:
so berechnen, daß
13) «5 + «? + "- + «p=^
und die Funktionentripel:
«0«l '"^p
A. Kom: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. <^<>»^
14)
0
p
0
p
die Ungleichung erfüllen:
J(u» + t;» + M;»)dT
15)
0}
wo a eine endliche, lediglich von der Gestalt der Fläche
abhängende, von den Funktionen UjVjWj gänzlich unab-
hängige Länge vorstellt, und wo:
16)
du dv dW
o = -\ J ,
17)
dW
du
^ = 37-
dv_
ä7'
gesetzt ist.
Es ist in der Tat:
dx'
du
18)
äy
9y.
aiD
)i
. Jae /au ato\| , p« /a» auMl ,
+ iay - iä;^ - äi j) + ** \V. -\Vx- Vy)\\ ^'^
= — ^ \uAu'\' vAv '\- wAw]dr^
1906. Sitonngsb. d. math.-pb78. Kl 24
356 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
und wir wissen nach dem Beweise eines Poincareschen Satzes,*'
dafd bei genügend groüem p die Konstanten aj so bestinmil
werden können, daß:
J-<.^/[(-^"-G")'-(li')>"
19)
s^-<mm'-m-(^yh
I I
Wir haben in dem bekannten Beweise des Poincar^chen
Satzes das Gebiet t nur in eine Anzahl < ^ Teilgebiete tj zu zer-
legen, und die Konstanten aj so zu berechnen, daß für jedes
Teilgebiet:
20) Jwdr =Jv(It =jwdt = 0,
'i V V
dann ergibt jener Beweis auch unmittelbar die obigen Formeln.
§2.
Wir stellen uns jetzt das folgende Problem:
Gegeben sind drei (abteilungs weise) eindeutige und stetige
Funktionen der Stelle des Innenraums /j f^ /"j, von denen wir
voraussetzen, daß in den Teilgebieten, in denen Stetigkeit vor-
handen ist, für zwei Punkte 1 und 2 in genügend kleiner Ent-
fernung r„:
21) ab8.[|/;.|.-/,i.]<^,<,^ = l,2,3, ^^^^^ »^ ^^^^^^ ^^^^^
Es sollen drei mit ihren ersten Ableitungen eindeutige und
stetige Funktionen U V W der Stelle des Innenraumes so ge-
funden werden, daß:
*) H. Poincare, Rendiconti del Circ. Mat. di Palermo, 1894; A. Korn,
Abh. zur Potential theorie 4 (Berlin, Ferd. Döramlers Verlag 1902).
A. Korn: Kigenschwingungen eines elastischen Körpers. oüi
22)
d X
/iV +k
AW+k
9y
"de
+ X*V /,,
+ A»Tr =-/:,
Ä und P gegebene Zahlen ( — 1 < Ä < ex), und daß an der
Fläche (o:
23) F = 0,
W=0.
Wir bilden successive, entsprechend den Untersuchungen
meiner ersten Abhandlung zur Elastizitätstheorie,') die mit ihren
ersten Ableitungen in r eindeutigen und stetigen Funktionen:
so, daß:
^^0 + *!*' = -/;,
24)
Jm,-|- «yj = — «-1,
J «; + Ä
90
t^-i
■^«v + * 37 = — «v-i.
j-1,2,...
in T,
*) Wir könnten auch ebenao leicht das allgemeinere Problem be-
handeln, in dem statt Uj q>^ U steht, . . . und 9?* eine überall von null
verschiedene, positive Funktion der Stelle des Innenraumes ist, die nur
einer ähnlichen Bedingung 21) wie die fj genügt.
2) Diese Ber. B. 36, S. 37.
24»
358
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
während an a> stets:
«,= 0, ]
25) ■ »y = 0,
Können wir zeigen, daß:
i = 0,1,2...
lim (i^y uj^O
und daß die Iteihen:
0
00
0
OD
S,(A»yu;y
0
mit ihren ersten Ableitungen eindeutige und stetige Funktionen
der Stelle des Innenraumes vorstellen, dann werden diese Reihen
die Lösungen der gestellten Aufgabe repräsentieren. Bevor wir
zu diesen Konvergenzbetrachtungen übergehen, wollen wir einige
Eigenschaften der aufeinander folgenden Funktionen Uj Vj w'j
kennen lernen.
§3.
Wir wollen voraussetzen, es bestehen zwischen den p -{- 1
Funktionentripeln
«i «V ^J U = 0, 1, . . . p)
die Relationen:
0
26)
u
ljßiU>j = 0,
A. Korn: Digenschwingungun eiues elastiachen Körpui'«. •-'•JÜ
WO die ßj reelle, den Qleichungen:
27)
/^ + /^ +
+ /Pp=l
genügende Konstanten vorstellen, und wo p eine endliche
!Zahl ist. Wir wollen zusehen, zu welchen Konsequenzen dies
für die drei Funktionen f^ f^ f^ führen muß. Wir werden zu-
nächst zeigen, daß man aus 26) stets drei Relationen von der
Form
28)
p-1
S/^i i;y==0,
0
P-i
S/y^-tt^, = 0
0
ableiten kann, wo die y^- (^' = 0, 1, . . .p — 1) reelle, den Glei-
chungen :
29)
yl + 7\^ 1- yj-i = 1
genügende Konstanten vorstellen, in folgenden drei Fällen:
1. Wenn die Gleichung:
30)
ß^c^ + ß^afi-^^ ... + ^p = 0
eine komplexe Wurzel:
x^ + ix^ (^1 + 0)
besitzt:
2. wenn diese Gleichung eine reelle, negative Wurzel
besitzt ;
3. wenn diese Gleichung eine positive Doppelwurzel hat.
In der Tat berechnen wir die j? + 2 Konstanten
70 71
yp-i X a
so, daß:
'MO
Sitzung der matb.-pbys. Klasse vom ö. Mai 1SKM>.
31)
a^O,
32 a)
^70 = ßo^
^y% = /'« + «^^1»
0 = ßp + axyp-u
^0 + ^'^ + • • • yl^i = 1'
wiis auf jp Weisen möglich ist, entsprechend den p Wurzeln
der Gleichung 30), so folgt aus 26):
H + yp-i Wp),
^0 ^0 + ^1 ^1 -\ H yp-i ^P-i = ^iro ^1 + Yi ^t
+ 1- yp-1 vp).
H h yp-1 t^p)
oder:
' 9
H h yp-i öp) = — a;(yoWi + ^i w» H h yp-i Wp),
ooux ) ^(^'o^» +^»^« +"• ^-yp-it^p) +*jj-(^oöi + >',<^«
32b) ^ ^y
H h yp^i öp) = — ^O'o t^i + ^1 ff H h yp-1 vp%
^(yo^i + yi^^-i + yp-i ^p) + * ^ (/o ^'i + Yi ^%
H + yp-\ ^p) = —^{y^^h + yi tv^ -f 1- Yp-i ^pI
Hat die Gleichung 30) eine komplexe Wurzel
fl?i + ix^ (x^ + 0),
und setzen wir:
yo^i+Yi^i'\ h Yp-i Up = X+iS,
33) yo^i+Yi^t + '" + Yp-i ^P = Y+ in,
Yo^i + Yi^^i-] \-yp-\t^p = ^+ iZ,
so folgt, wenn wir die Gleichung 32 b) bezw. mit
A. Korn: Eigunschwingungen eine« elastischen Körpen. 361
X-iS, Y—iH, Z—iZ
multiplizieren, addieren und über den Innenraum integrieren:
a(X-i=-)a(X+i=-) dJX—iE)d{X-\-iS)
34)
J [ dx
dX
ay
3y
, diX-i3)diX+iS) , diY-iH)d(Y-\-iir)
dz
Ss
dX
dX
djY—ilf) djY+JH) d(Y-iH) djY-j-iH)
dy dy de dg
d{Z—iZ)d(Z-{-iZ) , d(Z—iZ)d{Z+iZ)
3y
+
dx
dX
+
9y
3(Z-iZ)a(Z+_iZ) p
-^l..(r+i//) + ^^(Z+iZ)|{3^(x-ir)
ay
= -(x,+ i«,)X(X»+ r»+ Z»+ ^»+ i/»+ Z*)dr,
somit, falls x, :^ 0, da die linke Seite reell ist:
S{X*+ r» + Z» +£•»+//» 4- Z»)»dT = 0,
x=r=z=r = .ff=z = o,
oder:
35)^ yo«i + yi«* + hyF-i«P = 0; J-o», + y,v,
I -f H '/p-i fp = 0; yoW'i + ^1 »<'« H H yp-i «^p = 0
und hieraus durch die Operationen
de
'^ + *ai' ^^*a-^' ^ + *fj
die Gleichungen:
36)
+ y,-x «v-i = 0; y« "o + yi "i
In hyp-i«>-i=0: yo«'o+yi«'iH hyp-i«'j.-i =
0.
\
362 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Hat die Gleichung 30) eine reelle, negative Wurzel
so folgt aus 34):
-j[®+('f)"+(v?)'+(i-i)+af)+(^D'
-'/(
1
dx ' 9y ' de
t
und hieraus wieder: 35) und 36), da links eine Summe von
lauter negativen Gliedern steht.
Hat schließlich die Gleichung 30 b) eine positive Doppel-
wurzel
37)
X ~~- X ,
so können wir die p Eonstanten
so bestimmen, daß sie zusammen mit x die Gleichungen erfüllen
38)
bdp-2 = Yp^2 + ftdp-sS,
0 = yp_i +6dp-2*,
6 + 0
t2
2
^0 + ^1 + • ' • + ^p-2 = 1,
und wir können die Gleichungen 32 a) in der Form schreiben
F—2xF^ + x'^F^ = 0,
39) {G-2xG,+i^G^ = 0,
A. Korn : Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 363
40)
Ft = ^0^*% -r \t*» +
G^ = ^0 »0 + ^1 fi +
^1 = ^0 »I + ^I «t +
G'« = ^0 »» + ^i f , +
■ff == ^0 «»0 + ''j Wi +
-ff, = ^0«'! + ^!«'« +
Es folgt aus 39) und 40):
JF+h^J^+ ^ + ^Jp\ + 2xF-ö?F, = 0,
+ dp-2Mp-l,
+ ^p_2 Wp ;
+ ^p-2Vp-2,
+ ip-2 Vp-1 ,
+ <5p-2t;p;
+ dp_iM;p_2,
+ dp_2Wp-l,
-}- (Jp_2u;p.
dX\dX
a^
Diese Gleichungen multiplizieren wir bezw. mit
{-F,), (-G,), (-£,),
addieren und integrieren über den Innenraum, dann ergibt sich :
J* {F* + (?2 + IT« — 2« {FF^ + GG, -f HH,)
und hieraus:
F—xF^ = 0,
41) G — xG, = 0,
H—xH^ =0,
das sind Gleichungen von der Form:
^0^*0 + ^1 «*i H h Yp-i **P-i = 0,
yo^'o + ^1 <^i H H yp 1 ^?'\ = 0,
yoW'o + Yi^i H h yp-iw'p-i == 0.
Wir sind damit zu dem Resultate gelangt, daü man
Gleichungen von der Form:
;{6l
Sitzung der niath.-phys. Klasse vom &. Mai lUOti.
' + ßp
Up
0,
+ ßp
h
=
0,
' + ßr
Wp
=-
0
-f Ym
Um
0,
+ Ym
Vm
—
0,
+ Ym
Wfn
— =
0
ßo^o+ß^v, +•
stets auf (jleichungen :
^2) IyoVo +Yi^i +"
^0 M^o + ^1 «^1 + ••
reduzieren kann, in denen die
YoYi " ' Ym
reelle, der Relation:
•43) y? + y? + • • • + >t = 1
genügende Konstanten vorstellen und so beschaffen sind, daü
die Gleichung:
44) Yo^ + Y\ ^'""^ H \-Ym = 0
m positive, einfache Wurzeln besitzt.
Bezeichnen wir mit x^x^ . , . x,n diese m Wurzeln, so ist,
da eine Doppelwurzel nicht existiert, die Determinante:
1 1 ... 1
»1^1 Xa ... •vfn
x-x^ . . . ^^
/wOH — 1 ^W* — 1
• • • •«'_.
-l
+ 0,
und wir können somit mit Hilfe der Gleichungen:
„o=?7, + Ü-2 H + ü„,...')
«1 = X-' Ui -\- x-'Ui+ •■■ + a;-> U„„ . . .
45) \ u-z = a:,-« Ui + x^* U2 -\ + x-''U,,...
^) Je zwei analoge Gleichungen, in denen überall a durch v bezw. ir
und U durch V bezw. W zu ersetzen ist.
A. Korn: Eigenschwingungen eines elatttiuchen Körpers. 365
die Funktionen
U^U^ . . . Um linear durch die w^ w, ... Um- 1 ,
'^\ '^i • • • '9n Jl 9 f» ^Q V^ , . , V^ -l j
definieren. Aus 45) und 42) folgt nun, dsL x^ x^ , . , x,n die
Gleichung 44) erfüllen, auch:
Um = a;,-"* Ui + xi/'^U.-i h a;-"* C^,h, . . . ,*)
so daß wir die
Uj V, Wj 0* = 1, 2 . . . ^0
anstatt durch die Gleichungen 45) auch durch die folgenden
Gleichungen definieren können:
46) uj = x-^U^-\-x^^U2+'"+x-JU^,...') 0' = li2...m).
47)
Nun folgt aus 46) und 24):
-i-
-i^
+ x-i{AU„ +*
dx )'•-•
0 = 1.2... m),
und da wir die Oleichungen 45) auch so schreiben können:
48) ttj_,=a;r«-')tr,+a;,-«-')ü,+-a;-'i-')tr„,... 0 = 1,2. ..m)
auch:
49)
0
+ *^'-+^
+ a:-0-»jjtr. + Ä:^^^« + ^,f7,} + . •
+ a:-0-» jj £r„ + i^ + z« tr.j,...
j = 1,2... m.
Das sind dreimal m lineare und homogene Gleichungen
für die m Größen:
') Je zwei analoge Gleichungen, in denen überall u durch v bezw. to
und (/ durch V bezw. IK zu ersetzen ist.
366
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
^Uj + k^^ + xjUj,
bezw. AVj+k^^ +xjVj,
i = 1, 2 ... fw,
es folgt somit, da die Determinante dieser Gleichungen 4= 0
ist, einzeln:
50)
j' = 1, 2 . . . w.
Die erste Oleichung 45) lehrt uns somit: Es ist bei unserer
Voraussetzung :
51) »0= F, + F,+ ... + F«,
wo die C^ Fy W^ linear durch die Wy vy m;^ ausdrückbare Funk-
tionen des Innenraumes von w sind, welche in demselben den
Differentialgleichungen genügen :
AUj+k
^^i + *^ *i^^ > = 1, 2...m.
dWj+k^^-XjWj,
Dabei sind die Xj positive Zahlen, welche der Gleichung:
genügen.
A. Korn: Eigenschwingungen eines eliiistischen Körpers. 367
Wir sprechen das Resultat folgendermaßen aus:
I. Bestehen zwischen den successive durch die
Gleichungen 24) und 25) definierten Funktionen UjVjWj
Relationen von der Form:
+ ßpUp = 0,
+ ßpVp = 0,
+ ßpWp = 0,
v?o p eine endliche Zahl, ßo ß\ * - - ßp reelle, der
Gleichung:
^ + /j? + ---+^ = i
genügende Eonstanten vorstellen, so kann man ^^o^o^^o
in der Form darstellen:
u^ =
v^ =
w^ =
wo die UjVjWj linear durch die UjVjWj resp. ausdrück-
hare, mit ihren ersten Ableitungen eindeutige und
stetige Funktionen der Stelle des Innenraumes von co
sind, die in demselben den Differentialgleichungen:
dWj + k
d9j
de
xjWj
j == l, 2 . . . m
und an der Oberfläche den Bedingungen:
Vi
Wj
= 0,
= 0,
= 0,1
j = l, 2 . . . tn
;{68
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
genügen; dabei sind die Xj positive Wurzeln der
Gleichung:
/S,a5P + /?,a;''-' + .-- + /?p = 0.
Die Funktionen fif^f^ sind in der Form darstellbar:
f^ = — X^U^ — «, ü, X„U„,
52) \ft = -^,yi -^,v^ «»J^«.
Die letzte Behauptung folgt unmittelbar aus 51) und 50).
Setzen wir bei der Voraussetzung des Satzes I
U=a^U^ + a, t/, -\ \- OmUm,
53) • r= a, F, + a, F, + • • . + a„ F„„
>F = a, TF, + a,TF, + . . • + a„.TF,„,
so genOgen diese Funktionen den DüFerentialgleichungen :
30
54)
wenn
55)
Xi
aj =
X^
Xi
bei der Voraussetzung:
X^ + Xy
Die Lösungen 53) unseres Hauptproblems haben somit,
als Funktionen von X^ betrachtet, einfache Pole an den Stellen :
X^ = Xj (j = l, 2 , , . w).
Fragen wir, kann es noch ein anderes Lösungssystem
[/•' j/' ^r* jgj. Aufgabe geben, so bemerken wir, daß in dem
Falle der Existenz eines zweiten Lösungssystems U' V W:
Ä. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 369
56)
A{U' —
A{V' —
dX
dy
A{W—W)-\-k
d(9 — 0)
de
= -X*{U'-U),
= _x»(F'— F),
= —P(W'—W)
sein müßte; nur um solche Funktionen V — U, V — V, W'~ W,
die im Innenraume den Gleichungen 56) genügen und an der
Oberfläche verschwinden, können sich UVW und U' V W
unterscheiden.
Wir betrachten jetzt den Fall, daß sich zwischen den
successiven Funktionen UjVjWj keine Relationen von der Form:
ßo^o + A«*i -t l-ßpUp = 0.
ßo^o+ßi^x -V-'-VßpVp =0,
ßt^^Q -^ ßx^i-\ h ßpt^p = 0
herleiten lassen, wo^ eine endliche Zahl ist und ßoßi-'-ßp reelle,
der Gleichung
genügende Konstanten vorstellen.
Wir bilden an Stelle der Keihen iij Vj tvj die Reihen, welche
entstehen, wenn man anstatt von den Funktionen /, /i/i von
den Funktionen:
4- QpWp-]
«o/s + «i «<^o + «a ^^1 + •
ausgeht, wo die
/^ + 1 reelle Konstanten sein sollen, die der Gleichung:
«H«?+
+ «f, = 1
genügen, und über die wir uns noch weitere Bestimmungen
vorbehalten.
370
Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Wir bilden also successive die Funktionentripel ^jXjQjj
welche in t den DüFerentialgleichungen genügen:
57)
d^
4 1 ^^3
djii + k—^
' dX
= - Jly-i
dOj
= - Qj-i »
j = l,2...
<^J
dx dy de'
und an der Fläche (o den Grenzbedingungen
'^J
=
0, )
Xi
=
0,
^QJ
^sz
0,1
i = 0, 1, 2 . .
58)
Wir wollen zeigen, daß wir bei genügend großem p die
Konstanten
a^a^ , . , Op
so wählen können, daß
59)
. ^ ! l Ä endliche Eonstante,
^^S \ L echter Bruch,
wenn A* eine beliebige positive, festgegebene Zahl vorstellt,
so daß die Reihen:
60)
^ = ^0 + i* ^1 -|- ^* ^1 +
X = Xo + ^^Xi + ^^X% +
A. Kom: Eigen9chwin<^nnt((*n eines elastischen K(>rpers. 'W 1
mit ihren ersten Ableitungen eindeutige und stetige Funktionen
der Stelle des Innenraumes von co vorstellen, die in demselben
den Differentialgleichungen:
da
61)
^^ + * ^^ = — K /i + «1 «*o + h op Wp-O»
dX
do
^X+ ^:rz = —(%f% + ^i ^0 H h op vp-i)»
dX
do
^^ + * ^^ = — («o/i + «1 ^0 H h «P w^P-i)
djs
und an der Fläche (o den Orenzbedingungen :
62)
genügen.
Wir betrachten
Quotienten:
zum Beweise dieser Behauptung den
jfK + Xl + Ql) dr
J(i_, + Xl-, + ei_,) dx '
der nach 57):^)
{m eine endliche Zahl),
1) Es ist nach 67):
J-(4.i+;rLi+^Li)^'
^^'mV
do^\2
= /[K + *^)+('^'- + *-aT)'+('^- + *^)'H
UDd:
,%+>"'-+(fe-^)*+(fe-te)*+(->t-'^)>
■omit:
190lw Sitnugab. d. iiiatb.-pbyB. KL
^z«,+t9~) +(^e«+*
(•
m^-
25
372 Sitzung der maih.-phy8. Klasse vom 6. Mai 1906.
S« + ^« + el) dx
L/[<-')"^Ht-Y;)M1?-'*-)M'*--t)']'".
und
a*
wenn wir a^j a, . . . Op in geeigneter Weise wählen , nach der^
Hilfssatz auf S. 354, da
^m = «0 ***•-» + Oj Mm + • • • + «p Wm+p-l ,
Xm = «0 ^»»-1 + «1 ^m + • • • + «p t;,»+p_i,
Qm = «0 *<'"»-l + «1 W^m + • • • + öp ^m+p-\ •
Das Resultat:
XK + ^^l + g^d. ,„,, Konst.
i
gilt somit für jedes bestimmte, endliche w, bei beliebigem/)
und geeignet gewählten a^a^ . , , Qp.
Bedenken wir jetzt, daß:
i
0 Für m = 1 soll
;C^_2 ^ ao/i + «i «»o H h «p <^p-i»
^m-2 ^^J" «o/s + «l«"oH l-ötpW'p-l
stehen.
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 373
SO folgt:
i
< SK + Xl + Ql) dr S«-i + Xl-, + Q%-,) dr,
oder:
64)
f JK-. + Xl-^ + e2.-i) dr S« + xl + ei) dr
_- endl. Eonst.
Infolge dieses Schlusses von m auf m — 1 ist allgemein
für jedes bestimmte, endliche m bei geeignet gewählten a^ a^ api
XK + 4 + eS)dr
65)
<V.
i'{(«o/i+«i«o+ •+«i'Vi)*+(ao/»+ai«o+ •+«pVi)'+(ao/«+a.«'o+- +«p«'p-0*}<^T
S{"\+X'\+Q\)dr _S("i+xl+Ql)dT _ S« + xl + el)dr
'j(<+j^et)dr^*'M+xf+^)d'r^"' < jK_',+zi:'.+7i:,)rfT
i i i
-endl. Konst.
Man kann dieses Resultat aber auch für unendlich
wachsende m beweisen, nach der bekannten, von Poincart^
gefundenen Schlußweise: Man betrachte die für ein beliebiges
endliches m unseren Voraussetzungen genügenden
Uy u^ • • • "p /
als Koordinaten von Punkten der Eugelfläche:
66) «2 + aj -h . . . + a« = 1
in einem jp + 1 dimensionalen Räume, dann wird für die
^) Ich fQge die Indices (m) zur genaueren Bezeichnung hinzu.
26*
67)
374 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 6. Mai 1906.
**0 1 • • • "p
eines gewissen Gebietes d«, der Eugelfläche die Bedingung 6^^
erfüllt sein. Wir können in gleicher Weise, bei geeignet g^ —
wählten
u 1 • • • **p
erreichen, daß:
JK + ;t? + eS)dT
j'{(s/i+«i"o+ +«p«P-i)*+ (aoA+ai»o+"+«J'Vi)*+(ao/«+«i«'o+ +«^«'f
<•"<
endl. Konst.
3'
wo die endliche Konstante rechts von m und p ganz unab-
hängig ist. Die Punkte
«(m+l) «(«+1) ^ ^ ^ a(m+l),
welche der Bedingung 67) genügen, werden einem Gebiete dnt-\.i
der Eugelfläche 66) angehören, welches ganz in dem Gebiete ($«•
enthalten ist, da die Bedingungen 65) eine Folge von 67) sind;
in dieser Weise fortgehend sieht man, daß das entsprechende
Gebiet dm-^2 ganz in dem Gebiete <$m4.i, <$m4^ ganz in dem
Gebiete ^m4-2 enthalten ist, und so fort; daraus folgt, daß ein
Wertsystem:
Qq €L* m , , OLp
existiert, für welches die Ungleichungen 67) auch bei unend-
lich wachsendem m erfüllt sind, und es ergibt sich:
68) jinj + x'j+Qj)dr<B-LlJ,
wenn wir
^^. j. endl. Konst.
09) Itp = -
8
i/f
A. Koni: Kigeiisch\viii«^uiigen eines eliistischen Köiper.s. « u ».)
setzen und unter B eine endliche Konstante verstehen, die von
j ganz unabhängig ist.
Wir folgern aus 68) auch
J-PJ dr ^ endl. Konst. jLJ^
T
(man vgl. die letzte Formel Anm. S. 371), wenn man unter
Fj eine der vier Funktionen
^^a^a^a^ ae/_a^- 93_9ey Ixj_^^j
^ dx '^ dy'^ djsi' dy djsi' dz dx' dx d'y
versteht ; denken wir uns um einen Punkt {x y z) innerhalb co
eine Kugel vom Radius 12, der nur klein genug gewählt ist,
daß die Kugel ganz in dem Gebiete r liegt, so ist:
wo die Integi'ale rechts über die Kugel bezw. Kugelfläche zu
erstrecken sind, somit:
-" iJ» i F> I < endl. Zahl • VCF^drR*
O %ß J
R
+ Jendl.Zahl2PV^iJ.JJi<;^dTdü,
also:
0
-< (endl. Zahl • jßi + endl. Zahl • B^) L/',
Li
Fj I < endl. Konst. -^
r*
wenn r die kleinste Entfernung des Punktes {x y z) von (o ist.
Ferner ist wegen der Formeln:
""^--U fxi ^^T + 4^ ä^J ""^ r—4^ rzi '> 7' • • •
in dem Punkte (x y z):
376 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
U
abs. Max. {n^ Xj Qj) <t abs. May. Fj -|- endl. Konst.
rr'
somit, wenn wir mit Cj den absolut größten Wert von ^jXjQj^M
in {x y z) bezeichnen :
Cj < endl. Konst. -^ .
r*
Andererseits ist nach den Untersuchungen meiner ersten
Abhandlung zur Elastizitätstheorie:
abs. I öy |i <^ endl. Konst. Cj^\ ri2 , (vgl. diese Ber. 36, S. 80, 1906),
somit
Li
Cj < endl. Konst. Cy-i r^ -f- endl. Konst. -j ,
r*
wobei man fQr r eine beliebig kleine Länge einsetzen kann,
hieraus in bekannter Weise, daß Cj, somit auch
70) abs. Max. (jij xj Qj A ^j 2>, XjI^iQj)<^' U^
wo A eine endliche, von j unabhängige Konstante, Lp eine
Zahl vorstellt, die durch Vergrößerung von p beliebig klein
gemacht werden kann.
Ist nun X* eine beliebige, positive, fest gegebene Zahl, so
können wir dadurch, daß wir
r =^
machen {L irgend ein echter Bruch), erreichen, daß
71) abs.Max. lX^^7ij,X^^xj.^^JQj,X^W,jZj,X^Waj.X^W,Qj] <ALj
wird, und es wird dann tatsächlich in den Reihen:
In = 71q + P jij + A*jr, H ,
X = Xo + ^^Xx+^^X, + '".
Q = ^0 + ^*^1 + ^*^t H
ein mit seinen ersten Ableitungen in t eindeutiges und stetiges
Funktionentripel gegeben, das im Jnnenraume den Differential-
gleichungen:
73)
A. Korn: fügenschwinguiigen eines elastischen Körpers. 377
^^ + * ^ = — («o/i + «1 "o + a, Wi H h «pW^-O,
■Je + * g^ = — («o/s + «i««o+ «»«'i H h «p««?-!)
und an der Oberfläche a» den Grenzbedingungen:
74) j Z = 0,
[e = o
genügt.
§5.
Wir definieren jetzt die p-\- \ Funktiouentripel
uü"ü"...m\ vrr'...v»'\ w w w . . . w^^^-)
durch die dreimal p -\- \ linearen Gleichungen :
U—X'U' =»0. •••
U' — )?U" =M,,...
75)
man kann dann zeigen, daß für den Fall des Nichtverschwindens
der Determinante dieser Gleichungen:
76)
D =
a
0 ^1
1 —x^
0 1
a.
0
V ..
0 0 0 .
= (- Xy a, + (- Xy-^ a, +
Op
0
0
1 — A»
• — X^ Op-x + n»,
*) Die Zeichen (j) sollen hier als Indizes stehen.
') Je zwei analoge Gleichungen, die dadurch entstehen, daß man
für U bezw. VW, tii a bezw. xe> ftr «« bezw. v w schreibt.
378
Sitzung der inath.-phy8. Klasse vom 5. Mai 1906.
die Funktionen UVW mit ihren ersten Ableitungen eindeutig
und stetige Funktionen der Stelle des Innenraumes von m dai
st«llen, die den Differentialgleichungen:
99
77)
und den Grenzbedingungen:
78)
0,
0,
0
genttgen. Wir schreiben hierzu die an zweiter bis p ■{■ 1*
Stelle stehenden Gleichungen 75) in der Form:
79) f7W-i) _ X" mfi — tt^i = 0, . . . 0" = 1,1) 2 ... p)
und folgern hieraus durch die Operationen
AiT,^^ A.l.^^ A.l.^^
dx dy de
daß:
80)
d ©0-1)
-K^'^+'^)
9 a;
+ «^.i») = 0,
JFW
3y V 3y /
AW^i-\)j^-k
+ »i-j = 0,
--K^'--+'^)
i = i,2
») Im Falle j = 1 steht ^^^"'^ F^^"*^ TF^'"*^ für V VW.
^) Im Falle i = 1 steht u^g ^/-2 •fy-« ^*^ A A /••
A. Korn: fiigenschwingangeii eines elastischen Körpers. 379
Während nun die an erster Stelle stehenden Gleich-
ungen 75) mit Rücksicht auf die Gleichungen 73) die Rela-
tionen liefern:
«oW
81»)
+*4?-+^*t; +/■,
dX
■I
+ aAAU' +i-||- + Pr +«j
+
a, \a U"
+ Ä
dß"
dX
+
+ a,{jtAW + A?3^' +
x» uw + „,_,| = 0,
V>lgen, wenn man die Gleichungen 79) mit X' multipliziert und
^ezvr. zu 80) addiert, die folgenden Gleichungen, die wir für
1 = \,2 . . . p explicite hinschreiben:
^^+*4? + 'l'^ + /'.
Slb) .
dx
dß'
= 0, . .
— i* Li u"
äir + ^ + pir-^-u.
A» U" + tt.) =
0, .
3 Ö(P-')
9x
X* M tTü» + k ^' + A» Ü"W) + up_,] = 0, . . .
Die Gleichungen 81 a) und 81 b) bilden zusammen ein System
von dreimal p-{- 1 linearen, homogenen Gleichungen in Bezug
auf die dreimal p + 1 Größen :
380
Sitzung der matb.-phys. Klaase vom 5. Mai 1906.
.tu+k^-^k'ü+f,, dir + k^ + i^u'+u,,
dx
d&'
dx
o X o X
o X o y
dy dy
als dZ
Ist ihre Determinante D (76) + 0, so müssen sie einze
verschwinden; im Besonderen genügen also UV W Heu DiflFere
tialgleichungen 77).
Nach den Detinitionsgleichungen 75) sind 17 F W in d
Form darstellbar:
82)
t7 =
D'
wenn
W=-
88)
P =
« =
JJ =
71
«I
s
. . . «,,_!
itf
«0
;»
0
. . . 0
0
«I
1 •
-A* .
.. . 0
0
M,_l
0
0
. . . 1 ■
-X*
Z
«1
«.
. . . af-i
op
«0
A» 0
. . . 0
0
»1
1 -
-A»
. . . ü
0
»p-1
0
0
... 0
;i»
e
«1
«1
. . . ap_i
«p
Wo
— A»
0
... 0
0
JC,
1
X*
. . . 0
0
«"»-I
0
0 ,
... 1
-X*
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 381
Die Formeln 82) stellen in jedem Falle die Lösungen
unseres Hauptproblems dar, falls nicht A* gerade eine Wurzel
der Gleichung
D = 0
ist; dieser Ausnahmefall bedarf einer besonderen Diskussion.
§6.
Wir haben i} bisher als eine bestimmte, festgegebene
positive Zahl betrachtet, wir wollen jetzt A* als eine beliebige,
positive Zahl unterhalb dieser festen Zahl auffassen. Die
Punktionen n^Qt somit auch PQR sind in allen diesen Fällen
^it ihren ersten Ableitungen (nach xyjsi) eindeutige und stetige
Funktionen der Stelle des Innenraumes von co; dagegen wachsen
^ie Lösungen UV W unseres Hauptproblems ins Unendliche,
"v^enn sich P einer Wurzel der Gleichung
D = 0
unendlich nähert und nicht etwa gleichzeitig auch P bezw. Q R
zu Null konvergieren.
Die Wurzeln
Af^l...^ (<i^
der Gleichung:
D = 0
werden somit Pole der Funktionen U VW in Bezug auf die
Variable A* sein, falls dieselben nicht Nullstellen für F bezw.
Q R sind.
Unsere wesentliche Aufgabe wird daher jetzt sein, das
Verhalten der Funktionen P^ü an den Stellen
Es folgt aus 83):
J TT a.
zu untersuchen.
zlP=
a.
Jm. 1 —V
dup-i 0 f,0
0 0
0 0
1 — A»
\
382
und:
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
^'<c//m
+PP
-(a/,+a,ttj-l-aoM,+ --Hi,f4p.i) «j a,-.ap.ia,
-/i+^X -i»0,. 0 0
oder:
-Mp_2 + PUp_|
0 0.. 1-A»1
84)
9a;\9a;
+ ?^ + ?;l) + >i'^ = -AA
^« + *if^ +
3y
3«
9e
3R
dy\3x dy
+ |f)+i»« = -^,A
^j2+,i,(^ + ^+3«
)+^'iJ =
Bezeichnen wir die Werte von PQR für
i* = i.j (j=\,2...p)
mit PjQ JR^ so folgt:
- I ^-^ -4- —^ -4-
9B
f»D-
85)
APj-\-k
dy\^ X dy dz J ^ ^
dy
dBi+Je
(il+^+'*
a^erVaa; dy de
Definition. Wir bezeichnen als elastische Funk-
tionentripel des Innenraumes von (o 3 mit ihren ersten
Ableitungen eindeutige und stetige Funktionen der
Stelle des Innenraumes UjVjWj^ welche in demselben
den Differentialgleichungen genügen:
86«)
2
t
^Wj + h^ + l]Wj = 0,
de
^^T
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 383
den Grenzbedingungen:
86") i ^^^=0,
und der Beziehung:
86«) J(?^+F; + TFj)dT = l;
i
ij bezeichnen wir als die dem elastischen Funktionen-
iripel UjVjWj zugehörige Zahl.
Wir können nach dieser Definition das Resultat 85) auch
so aussprechen:
Die Werte, welche PQR tHr
A ^=2 A\j A2j ... Ap
annehmen, sind entweder identisch Null oder elastische Funk-
tionentripel des Innenraumes von tu, multipliziert mit von Null
verschiedenen Konstanten.
Die Wurzeln Ay, denen elastische Funktionentripel ent-
sprechen, können nicht Doppelwurzeln der Gleichung
sein. Für eine solche Doppelwurzel wäre:
dD
dP
= 0,
somit nach 84).
;«p- AP h ^ (^Pj,^Qj.^^i\
di* '^ dx\9xdi} '^dy dX* '^ dg dl"
<] ^^ dX'
R..
Multipliziert man diese Gleichungen bezw. miteinander,
addiert und integriert ttber den Innenraum, so folgt mit Rück-
sicht auf die Relation:
384 Sitzung der maih.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
+ • • • dt
daß:
JW^''+'r.(5f+lf+il)]+-]=«'
oder:
^ \dz dxj ^\dx dy ) J
2
also:
P,= (?^ = Ä^ = 0.
womit die Behauptung erwiesen ist, daß einer Doppelwurzel Ij
kein elastisches Funktionentripel üjVjWj entspricht.
a
Es ist femer leicht zu ersehen, daß die Wurzeln Xj der
Gleichung
denen identisch verschwindende PjQjRj entsprechen, nicht Pole
für die Lösungen UVW unseres Hauptproblems sein können,
da in diesem Falle, wenn das betreffende kj eine m fache Wurzel
der Gleichung
2) = 0
ist (m = 1, 2, . . . p):
^~dX* (dl*f^""^{dX*r-'~'{dX'y'^
d«p drQ d-'R
7T_(<ijr r-^^^ w-Wr
(dA*)- (di")" (<ii*)"
""•^ (di^' (dl^ii' {dWr *" ^ ^ eindeutig und
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers.
385
stetig sind.^) Wir können das Resultat in folgender Weise zu-
sammenfassen :
U. Bestehen zwischen den successive durch die
Gleichungen 24) und 25) definierten Funktionen
Uj Vj wj 0 == 0, 1, 2 . . .)
keine Relationen von der Form:
ß6^6 + ßi^i + '" -i'ßpWp = 0,
vio p eine endliche Zahl, ß^ß^ -" ßp reelle, der Gleichung:
ß'o + ßl+'- + ßl=l
genügende Eonstanten vorstellen, so kann man für
ein beliebiges
A*<
i«.'
j. endl. Konst.
m*
wenn m eine beliebig große, fest gegebene Zahl vor-
stellt, ein Lösungssystem unseres Hauptproblems in
der folgenden Form angeben:
X (A2, a?, y, z)
87)
y ^ r (r, X, y, z)
a^-A?)(f-Ai)...a^-4)'
(i»-.i?)u^-Ai)...a'-4r
0*)<w<w,
*) Dies ist ohne weiteres klar für m = 1 ; für w = 2 folgt aus 84)
und jTj = 0, da nun das betreffende ^i eine Doppelwurzel der Gleichung
D = 0 ist: ^p
^^ ^ •. TT 1^^
-TT« =^ 0 , ... somit : U = ^ .. ....
ond so fort, für m = 3, 4 . . .
*) Für den Fall n = 0 soll die rechte Seite einfach ftlr X(X^,x,y,t\
Y (2«, X, y, r), Z (2«, a:, y, z) stehen.
386 SÜKang der matlL-phys. Klasse Tom 6. Mai 1906.
wo X\ Xl . . . il^ bestimmte, von einander verschiedene
positive Zahlen (^t— ) sind, XYZ für jeden Wert
von X^i
ein mir ihren ersten Ableitungen in t eindeutiges
und stetiges Funktionentripel darstellen und abge-
sehen von einem konstanten Faktor für
in ein elastisches Funktionentripel des Innenraumes
von (o mit zugehöriger Zahl Xj übergehen.
Die kurze auf den Satz I folgende Betrachtung (S. 367)
zeigt uns, daß der FaU:
ßo^o -^ ßi^i + - ' + ß,^ = 0,
ß,%+ßx^i +--- + /f,t;, =0,
{p endlich) keinen Ausnahmefall des vorstehenden Satzes
darstellt :
Zusatz 1 zu n. Der Satz 11 gilt in gleicher Weise,
auch wenn zwischen den successiven Funktionen:
w/ tv Wj 0" = 0, 1, 2 . . .)
Relationen von der Form:
/'oW'o + ßi^i-\ 1- ßp^p = 0
{p endlich) bestehen.
Zusatz 2 zu n. Für irgend ein von
X\ X% . . , Xn
verschiedenes A* kann sich eine andere Lösung TTV'W*
unseres Hauptproblems von der Lösung 87) nur um
Funktionen
v'—u, r—V, W—W
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 387
unterscheiden, die selbst ein elastisches Funktionen-
tripel für den Innenraum von co mit dem betreffenden
X' als zugehöriger Zahl bilden.
Dies folgt genau in derselben Weise, wie in dem Spezial-
fälle S. 369. Die Frage nach der Existenz der Lösungen unseres
Hauptproblems wird durch den Satz II vollständig beantwortet,
wir wollen uns nun besonders mit den Polen dieser Lösungen
und den elastischen Funktionentripeln beschäftigen, welche
diesen Polen entsprechen.
§7.
ni*). Die einemelastischenFunktionentripel U^VjWj
zugehörige Zahl Ij ist eine reelle, positive, von null
verschiedene Zahl.
Der Beweis von III*) liegt in der Betrachtung S. 359 — 362.
IIP). Jedes elastische Funktionentripel UjVjWj
entspricht der Ungleichung:
abs. Max. ( U^ Vj Wj) < a • X],
wo a eine endliche, lediglich von der Gestalt der
Fläche ü) abhängende Konstante vorstellt.
Zum Beweise dieses Satzes braucht man eine Verallgemeine-
rung der Formeln 137) meiner ersten Abhandlung zur Elasti-
zitätstheorie (diese Ber. 36, S. 80, 1906); man kann nämlich
ohne Schwierigkeit auch aus den Formeln 103), 105) und 136)
folgern,^) daß auch in dem Falle
dx ^ dy ^ da ^
die Formeln 136) bestehen. Bedenkt man, daß wegen der
Definitionsgleichungen :
^) In einer Abhandlang ,Sur les ^quations de Telasticit^*, die dem-
nächst in den Ann. de L'Ec. Norm, erscheinen wird« werde ich übrigens
etwas ausführlicher auf diese Verallgemeinerong eingehen.
190«. Sitsongsb. d. maib.-pbjt. Kl 26
388
Sitzung der math.-phys. Klane vom 5. Mai 1906.
^Uj + k^- = -l^Uj,...:
J 9y dr < endl. Konst. A|, JUj dt ^ endl. Konst. Ij, ...
T T
und setzt man:
so folgt leicht wegen der Formeln:
somit die Behauptung, wenn man r = -^ X einer genügend
C; < endl. Konst. — + endl. Eonst. t • 4 Cy. x .. v
Vt Länge),
1
kleinen, endlichen Konstanten setzt.
III«) Setzt man:
88«) f, = Vj,
[f, = w>.
WO UjVjWj ein elastisches Funktionentripel des Innen-
raumes von (o^Xj die zugehörige Zahl vorstellt, so ist:
u = «0 4- A* Wj + A* Wj +
a» < Aj).
88'') ] V EE^ tJjj -f- A* V, + A* Vj -f • • • =
w; zz m;^ -f Jl* m;^ + A* m;* -j- • •
Denn es ist in diesem Falle:
^i
^^1
Wj
X^ — X
2»
**0 jJ2 ♦
i
^« 1« » • • '
und so fort.
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers.
389
Diese Überlegung beweist zugleich den Zusatz:
Zusatz zu IIP). Setzt man:
89«)
fx = «1 ?^i + «« U, +
U = «1 »"i + «« Vt +
+ «p Up,
«p Vp,
+ OpWp,
wo a, ag . . . ap Konstanten, UjVj Wj (; = 1, 2, . . .|)) i? ela-
stische Funktionentripel des Innenraumes von o> mit
2 02
den zugehörigen Zahlen Ai Jlj . . . A^ vorstellen, so ist:
89»>)
w = Wo + ^* Wj + A* Wg -f
V
% + ^^ ^l + ^* ^2 +
«ü ^ m;^ + A* m;, + A* w^ +
2ji ,2 ,2»
, Ay — Xy
1 Xy — Ay
2jy ,2 ,2»
1 Ay — Aj
solange / kleiner als die kleinste der Zahlen AI Ai . . . Ap
und p eine endliche Zahl ist.
IIP). Es existiert für jede stetig gekrümmte, ge-
schlossene Fläche o) und für jeden Wert von Ä;> — 1
eine endliche, positive Zahl m von solcher Beschaffen-
heit, daß, falls p eine beliebige endliche positive
ganze Zahl > m vorstellt, die Zahl der überhaupt
möglichen, linear unabhängigen elastischen Funk-
tionentripel des Innenraumes von co mit zugehörigen
Zahlen
.2:^ 1
j endl. Eonst.
Vf
</> sein muß.
Man kann nach unseren früheren Resultaten bei genügend
großem p die Konstanten a^a^ , . , ap so wählen, daß:
2,2,2, ,2 1
Oo -f- Ol -f- «2 + • • • "r Qp ** -l
und die Reihen 89^) fUr ein beliebiges
26*
390 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 5. Mai 1906.
konvergent sind. Wären nun alle
SO würden die Gleichungen:
^ OjVj des vorangehenden
" ~ y if^T' Zusatzes zu IIP)
diesem Resultate widersprechen, es muß somit wenigstens eines
der A*
' 1
sein, wenn UjVjWjp linear unabhängige elastische Funktionen-
tripel des Innenraumes von a> vorstellen.
Wir können diesem Satze sofort die folgenden Zusätze
hinzufügen:
Zusatz 1 zu UI**). Die Anzahl der elastischen
Funktionentripel, die von einander linear unabhängig
sind und zugehörige Zahlen
besitzen, wo m eine endliche Zahl vorstellt, ist endlich.
Zusatz 2 zu III^). Die Anzahl der möglichen,
linear unabhängigen elastischen Funktionentripel mit
derselben zugehörigen, endlichen Zahl Xj ist endlich,
m*). Sind UiViWi und UkVnWk irgend zwei ela-
stische Funktionentripel mit den von einander ver-
schiedenen zugehörigen Zahlen i^ und ^j^, so ist:
90) S(ü,TJ, + VtVu + W,W,:)dx^O, (iJ + AD.
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 391
Wir multiplizieren zum Beweise die Relationen:
AUi-i- k
dX
2
-ÜUu
de
2
X'i Vi,
xlw>
bezw. mit lJi,Vi,Wk, addieren und integrieren über den Innen-
raum, dann folgt:
^hUiÜH^ViV^^WiWH)dT
- x^(ü,[7»+ ViV,+ WiW^) dz;
i
es folgt somit die Gleichung 90), sobald
Zusatz zu nie.). Können wir drei Funktionen f\f^t^
der Stelle des Innenraumes, die an der Oberfläche co
verschwinden, in der Form darstellen:
91)
V'-
1/ =
(7, f7, + (7, CT, 4-
C, F, + ü, F, ^
WO U^VjWj (j = 1, 2 . . .) elastische Funktionentripel
mit von einander verschiedenen Zahlen )\i\... vor-
stellen, SO müssen die Konstanten Cj die Werte haben:
92) G^ = Sif^üi-^UVi■^f,W,)dx, C;'=l,2...).
392
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
Wir haben zum Beweise nur die Ponneln 91) bezw. uiit
UiViWi zu multiplizieren, zu addieren und über den Innen-
raum zu integrieren, schlielalich die Formeln
X ( U^U, + VtV, + WtW,) dz = 0, (i:^ k)
zu beachten.
Die Frage, unter welchen Bedingungen wir vorgelegte
Punktionentripel fxf^f^ nach elastischen Funktionentripeln ent-
wickeln können, soll uns in dem folgenden Paragraphen be-
schäftigen.
§8.
Die Untersuchung, welche uns zu dem Satze IF. führte,
n
hat uns gelehrt, daß jedem Pole Xj der Lösungen unsers Haupt-
problems :
ü=V=W=0, an (ü
(für 0 < A-* < y- , wo 2? eine endliche , im übrigen beliebig
Lp
große positive Zahl vorstellt), ein elastisches Funktionentripel
üj Vj Wj entspricht, und daß die Anzalil dieser Pole höchstens
= 2? ist.
Wir definieren nun die Funktionen RpSpTp durch die
Gleichungen :
Rp ^ f^ — Cj C/j — 6*2 L'j — • • • — Op Up,
93) s^ = f, — c\ F^, — c; r, c, v^
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen KOrpers. 393
wo:
94) C-, = J* (/", f^i 4- /, yj + /, Wj) dt, ü == 1, 2 . . », (y<n<p),
i
entsprechend den n Polen von UVW im Intervalle
während
95) C/) =-0, 0' = w f 1, n + 2, . . . 1?)
sein soll, und wir wollen jetzt von den Funktionen /*, f^ f^ vor-
aussetzen, daß sie an der Oberfläche co verschwinden und in t
eindeutig und stetig sind mit ihren ersten Ableitungen, während
ihre zweiten Ableitungen endlich und integrabel vorausgesetzt
werden sollen.
Es gilt dann gleiches auch für die Funktionen RpSpTp.^)
Wir werden von dem Ausdruck
S(Rl + ^i + Tl)dr
i
zunächst nachweisen, daß er durch Vergrößerung von p unter
jeden beliebigen Kleinheitsgrad herabgedrückt werden kann.
') Mit der Festsetzung, daß auch
2) Der Beweis, daß die zweiten Ableitungen von Uj Vj Wj stetig
sind, folgt daraus, daß man in dem in der ersten Abhandlung zur
Ebistizitätstheorie behandelten allgemeinen Gleicbgewichtsprobleme die
Stetigkeit der zweiten Ableitungen von u v w stets beweisen kann, falls
A/j/s von der Art stetig sind:
abs. fj l < endl. Konst. /|2, . . ., 0 < A < 1.
Eine ausführliche Behandlung dieser Dinge wird in meiner dem-
nächst in den Ann. de l'Kc. Norm, erscheinenden Arbeit: Sur les c^qua-
tions de l'elasticite gegeben. Für den Beweis der Stetigkeit der zweiten
Ableitungen von uvw ist allerdings noch die Bedingung hinzuzufügen,
daß die ersten Ableitungen der Richtungskosinusse der inneren Normalen
cos (vo;), cos {vy)i cos (ve) auch von der Art stetig sind:
19 - 2
1 < endl. Konst. »12, . . ., 0 < A < 1.
394 Sitzung der math.-phjs. ELlaise vom 5. Mai 1906.
Wir betrachten zu diesem Zwecke die Lösungen uvw des
folgenden Problems:
PI
Jw + *|^+ A»w = — Ä
Av + kl^ + X^v = — Sp,
96) { 9y
/Iw + k— + X^tv = — Tp.
dz *^
M = v = w = 0, an cü,
welche wir analog der zu dem Satze 11. führenden Unter-
suchung zu finden imstande sind, und wir wollen zunächst
zeigen, daß die früheren Werte
A — — A| , A2, • • • A|
nicht Pole des Funktionentripels uvw sein können.
Multiplizieren wir die erste Gleichung 96) mit £/}, die
zweite mit F}, die dritte mit Tf^-, addieren und integrieren
über den Innenraum, so folgt mit Rücksicht auf
J[f/,(j«
und
daß:
97)
+*^-:)+F,(..+*?-j)+H',(..+i|-»)].
i
S{R,Uj+S,Vj+T,Wj)dr = 0,
I
(^' - -iMC« Uj-\-vVj+wW,)dr = 0,
I
0 = 1,2..»»).
.2
Ist Xi das kleinste Xj, so ist, wenn wir UjVjtvj (; = 0, 1, 2, . .)
durch die Gleichungen definieren:
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen KOrpers. 395
98)
99)
9a?
— -Rp,
JWq -\- k
de
= — Sp^
T •
zJ Wj + *
ady___
9a;
9d,
Wj-i ,
**i = Vi = «!; = 0, an co, (j = 0, 1, 2 . . .),
m T,
U = W^ -}- A* Wj + ^* Mj + • • • = U
<; = i;^ + >l* v, -f A* v, -f- • • • = ^ —
1 Aj — A
1 A.J — A.
C'W
r ^}-x'
Nun ist nach Satz II:
100)
YiUi
f^=Tf^,+ fr,
x^,-x'
r=^-,+ r,
w^
A,\ A
WO T'j eine Konstante,
auch für lim {}\ — X^) =
aus 99):
ü' V' W Größen darstellen, die
0 endlich bleiben; es folgt somit
396
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 6. Mai 1906.
8 Ay — /.
"11
AI A
V "^ C'Vz
w = (y, - C.)
w
3 ^i — ^
• CjWj
2'
8
A? - X
2'
oder
(A?-A0ti = (7,-C0 U, + 8u
101) . (A? - A^) t; = (y, - (70 F, + e,,
wo £i €2 £3 durch Verkleinerung von (X\ — l^) unter jeden be-
liebigen Kleinheitsgrad herabgedrückt werden können.
Es folgt hieraus mit Benützung von 97) — diese Glei-
chung gilt, wie nahe wir auch k^ an XI heranrücken l&ssen —
durch Übergang zur Grenze lim (Xl — A^) = 0:
und
102)
2 Aj A
2 Ay A
2»
2 ^j — ^
WO f/' y' W endlich bleiben, wie nahe wir auch X' an /?
heranrücken lassen.
Die Stelle A^ = AJ ist somit kein Pol für die Lösungen
uvw^ dieselben können überhaupt keinen Pol ^ A? haben. Die
Reihe 99) konvergieren hiemach nicht blos für alle Werte
von A^, die kleiner als AJ sind, sondern für alle A^, die kleiner
sind, als das nächstgrößere A-^; wir können nun in analoger
Weise weiterschließen und finden, daß die Reihen 99) für alle A',
deren Wert <^:- ist, konvergiert; wir können aus dieser Kon-
vergenz schließen, es ist:
».,
A. Korn: Eigenschwingungen eines elastischen KOrpers. 397
103)
J'K + fS + «^)dt
es bestehen nämlicli nach einer früheren Betrachtung die Un-
gleichungen:
J"(M^ + vi + M-^) i T J-(„J +»«+«^) dx XK+fJ+U^ dx
<
wäre nun:
<•••;
J*K + fS + «?)d^
j{:^-\-sl-^T';)dx
>Ll
so würde hieraus folgen:
1
und das würde der Konvergenz der Reihen 99) für A* = y.-
widersprechen. Wir haben damit tatsachlich die Ungleichung 103)
bewiesen.
Es ist nun andererseits:
X(i^, + s;+r^)dT
wo:
_aÄ,
104) r,=^^' + i^?+?^^7.
aT„ aSo aJJo ar,
a y dz\
'P C7X»p VJ.p
^^ dz dx'
Qp
^dSp dB,
somit:
105)
dx dy '
<V^J[(i+*)^P+^P+;cp+^arfiJ[(i+Ä)ö!!+
398 Sitzung der maih.-pfays. Klasse vom 6. Mai 1906.
oder, da:
^l/J"(t4+»^J)A/(i^iS^I*)(iz,
• i
^LpSil^-^Sl+I^dr, nach 103),
so folgt aus 105):
106) SiRl+ ^P+ Jt}dr^US[{l +k)rl + 4 + xl+ Q^dT.
i *
Es ist nun weiter nach 93):
107) X[(l +^)4 + 4-\'Xp + Qp\d^
i
wo:
108) rJJl^'fi^'A nJ-I^-'-I^, X = ^^, ^='/*-'^'-
^ dx dy d0 dy ^z ^ dz dx ^ dx dy
Diese stets positive Größe 107) nimmt nach der soeben
abgeleiteten Ungleichung mit wachsendem p fortdauernd ab,
so daß, wie groß auch p sein möge:
S[(l+k)Tl + 4 + xl-{-Ql]dr
109) '
^ J*[(l + Ä) r» + «» + ;k* + e*] d T,
i
somit folgt nach 106):
110) X(ii; + S?+2^)dT^/^J[(14-i)T» + ^» + ;c'+^»]dT.
• i
Diese Formel beweist die Behauptung, daß das Integral:
duixh Vergrößerung von p unter jeden beliebigen Kleinheits-
grad herabgedrückt werden kann.
Wir wollen nun aber auch zeigen, daß die Funktionen
A.Eom: Eigenschwingungen eines elastischen Körpers. 399
RpSpTp durch Vergrößerung von p unter jeden beliebigen
Kleinheitsgrad herabgedrückt werden können.
Es ist:
111)
S[(l + Jc)rl + 4 + xl + Ql]dr
<
y j-(4t5;H.29*j[(^ii,+»g)V {äs,^f^\ (" v*?>)'].'..
und da:
112)
/[(
JRp + k
^) + -]
=J[(j/-, + i?iy+ .. .]rfr-;J (A-M 4c;>o
eine mit wachsendem p stets abnehmende Ch*öße, also:
113)
JI(
^«p+*^i +
S)'+ ■■•]'"</[('"'■ +''B)+ ■■■]'"
ist, so folgt aus 111) und 106):
114) Sk^ + k)tl + 4 + xl + Ql]ät < endl. Konst. Lp.
Wir bemerken weiter, daß nach 112) die Reihe:
^1 ^1 T" ^2 ^2 "f" ' * '
konvergiert, und daß, wenn wir mit F eine der vier Größen:
dy d»
/- (C, tr, + (7, J7, +. . + (7, IT«) - A (C, W,+C, Tr,+ . . +C7h F.),
4 (<^'. ^. + '^-', »"« + • • + C» r„) - ^(C, ü-, + (7, ?7. + ■ . + 0. f^.)
400 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 5. Mai 1906.
bezeichnen:
Jzl P» d T ^ endl. Konst. aJ;
da nun, wenn wir mit F eine der vier Größen tp^tpXpQp be-
zeichnen, (man vgl. die analoge Untersuchung auf S. 375):
F I < §ndL Konst. 1/ -j + ©ndl. Konst. l/r Ap -|- endl. Konst.,
wo r eine beliebig kleine Länge sein kann, so ergiebt sich,
wenn wir:
r = endl. Konst. y-
setzen :
115) abs. Max. i'^p^pXpQp) < ©ndl. Konst. --7=-
r Lp
Es bestehen nun die Formeln:
1
1A^ p - 1 ^ r ^^ . 1 d C dr 1 d C dz
Sei (x y e) irgend ein Punkt in t, wir konstruieren wieder
um denselben, ähnlich wie S. 375, eine Kugel mit dem Radius r,
bezeichnen das Gebiet, das t und diese Kugel gemein hsiben,
mit Tj, dann ist:
117*) {
Kp I ^ endl. Konst. abs. Max. ijpQpXv) J ~i"»
'1
< , — , mit Rücksicht auf 115),
wenn wir durch Hinzufügung des Index r, andeuten, daß in
116) die Integrale rechts nur über Tj erstreckt werden sollen,
femer:
117 )
!l2^--^^|^endl.Konst.l/" J ^^ . J(r; + ^J + ;C.')dr,
< endl. Konst.!/ ^^ mit Rücksicht auf 114).
A. Korn: JSgenschwing^ngen eines elastischen KOrpero. 401
Somit folgt:
118) ! Bp
r + c.
s
VH-
WO (?, und (?j endliche Konstanten sind.
Setzen wir daher:
119) x^VTp
so ergiebt sich:
120) |jBp!^(?*/Z;, ...
wo c eine endliche Eonstante vorstellt.
Wir erhalten das Resultat:
IV. Jedes Tripel von Punktionen fif^f^, die an (o
verschwinden, in t mit ihren ersten Ableitungen ein-
deutig und stetig sind, und für welche die Ausdrücke:
d
Af. + Jc
\dx
i'. + i4 + 3/.
dz
3/,
+
dy de
^/•»H-fc
+ ?A +
)'
endlich und integrabel sind, kann in Reihen ent-
wickelt werden, die nach den elastischen Funktionen-
tripeln Uj Vj Wj fortschreiten:
Dabei sind die Eonstanten dieser Entwicklungen:
402
Sitzang der math.-phjs. Elftsse Tom 5. Mai 1906.
Berichtigungen zu der Abhandlung:
Untersuchungen zur allgemeinen Theorie der Potentiale
von Flächen und Räumen. (Diese Ber. B. 81, S. 3.)
S. 6, Zeile 8 von unten lies :
, größer als echter Bruch x r|,' statt «kleiner als ru*
Anm. ') ist fortzulassen.
S. 9, Zeile 16 von oben lies:
,endl. Eonst abs. Max. E • r^^ statt .2 abs. Max. if • ria*.
Berichtigung zu der Abhandlung 1. (Diese Ber. B. 81, S. 37.)
S. 58, in Formel 36) lies: r\l statt r^^
S. 56, Zeile 12 und 18 von unten lies: .die' statt «deren erste Ablei-
tungen*;
in Formel 45 lies:
■Sil
statt
dsj
dh
Zeile 9 von unten ist: „h eine beliebige tangentiale Richtung*,
zu streichen.
4u:;
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 9. Juni 1906.
1. Herr Joh. Rückebt teilt die Resultate einer mit Herrn
Professor Dr. Siegfried Mollieb ausgeführten Untersuchung:
,Über die Entwicklung^ des Blutes bei Wirbeltieren*
mit. Dieselben werden anderweit veröffentlicht.
Das Blut ursprünglich entodermaler Herkunft entsteht bei
den gnathostomen Wirbeltieren aus dem ventralen Mesoblast,
der seinerseits bei den einzelnen Wirbeltierklassen mehr oder
weniger innige genetische Beziehung zum Entoblast besitzt.
2. Herr C. v. Voit legt eine von dem korrespondierenden
Mitgliede Jakob Loboth in Freiburg i. Br. eingesandte Abhand-
lung: ,Über die Extreme einer Funktion von zwei oder
drei veränderlichen Größen* vor.
In dieser Arbeit wird gezeigt, daß man den Weiherstraß-
sehen sogenannten Vorbereitungssatz benutzen kann, um die
Untersuchung des Extremums einer Funktion auf die Frage
zurückzuführen, ob eine algebraische Gleichung nur komplexe
Wurzeln hat. Sind die Bedingungen dafür bekannt, so läßt
sich bei zwei Variabein die Untersuchung leicht erledigen; bei
mehr Veränderlichen sind, abgesehen vom einfachsten Falle,
größere Rechnungen oder Reihenentwicklungen nötig.
I90Ö. Sitsiingab. d. math.-pliys Kl. 27
405
Über die Extreme einer Fanktion von zwei oder
drei veränderlichen Grössen.
Von J. Lttroih.
{KingtkiHftu 9. Jim f.)
§1-
Es sei B(x,i/) eine Pofcenzreihe der zwei reellen Ver-
änderlichen X und y, die für (x = 0, y = 0) verschwindet.
Die Veränderlichen seien durch einen Punkt in einer Ebene
dargestellt, um zu untersuchen, ob dem Ursprung 0 ein
Maximum oder Minimum von B (x, y) entspricht, kann man
den folgenden Weg einschlagen.
Es seien (:r, y)2p die Glieder niedrigster Dimension in 22.
Man kann immer annehmen, daß sie eine der Veränderlichen,
etwa y, in der 2|?^" Potenz enthalten, denn wenn dies nicht
an sich der Fall ist, kann man es immer durch eine passende
lineare Transformation der Veränderlichen erreichen.
Nach dem Weierstraßschen , Vorbereitungssatze***) kann
man
R{x,y)=^Cf{x,y).F(x,i,) 1)
setzen, wo C eine Konstante, F{x^y) eine Potenzreihe nach
X und y ist, die für a: = 0, y = 0 sich auf Eins reduziert,
und f{x^ y) eine ganze rationale Funktion von y bezeichnet,
die in Bezug auf y vom Grade 2p ist, und deren Koeffizienten
Potenzreihen nach x sind, die für a; = 0 verschwinden. Dabei
hat y P den Koeffizienten Eins. Soll nun im Punkte 0 ein
*) Weierstraß' Werke, Bd. 2, S. 135. Stickelberger, Math. Annalen
Bd. SO, S. 401.
27*
406 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 9. Juni 1906.
Extremum von R stattfinden, so muß es möglich sein um 0
ein (Quadrat Q so abzugrenzen, daß in ihm 72 nur in dem
Punkte 0 und sonst nicht verschwindet. Wenn man Q ge-
hörig klein macht, sind die in ihm liegenden Nullen von R
mit denen von f(Xy y) identisch. Also darf in Q kein von 0
verschiedener Nullpunkt von f liegen. Wie Weierstraß ge-
zeigt hat, werden aber alle Nullpunkte von iZ in einem
passenden kleinen Bereich erhalten, indem man die Gleichung
f=0 nach y auflöst, wobei man x auf ein gewisses Gebiet,
I a; I < (5, beschränkt. Soll also in 0 ein Extremum von R
eintreten, so muß ein Gebiet von a?, | a: | < (5, existieren, für
welches die Gleichung f (x, y) = 0 nur komplexe Wurzeln y
liefert, den Punkt x = 0 ausgenommen.
Ist umgekehrt diese Bedingung erfüllt so gibt es ein
Gebiet um 0, in dem f(x^ y) überall positiv ist, R also als
Zeichen von C hat und nur für 0 selbst verschwindet. Dann
liefert der Punkt 0 sicher ein Extremum von R. Ein un-
eigentliches Extremum findet statt, wenn für eine oder mehrere
den Punkt 0 enthaltende Kurven R verschwindet, ohne daß
beim Durchschreiten dieser Koirven ein Zeichen Wechsel eintritt.
Dies verlangt, daß die Gleichung f{x^ y) = 0 für y reelle
Werte ergiebt, ohne daß in deren Nähe f verschiedene Zeichen
hätte. Die entsprechenden Wurzeln besitzen dann eine gerade
Vielfachheit. Dies erfordert, daß die Diskriminante von / (x, y)
gebildet nach y, identisch Null, und daß f{x,y) von der Form
ff (^t yy ' Mp^i y) sei, wo h nur komplexe Wurzeln hat.
Die Bedingungen dafür, daß /*(a:, y) = 0 nur komplexe
Wurzeln hat, können sich in der Form darstellen
S,(a:)>0, S,(rp)>0,..., 2)
wo die S Potenzreihen nach x sind, die für a: = 0 verschwinden.
Es ist aber auch möglich — und dies tritt z. B. schon ein,
wenn f{x,y) vom vierten Grade ist — daß jene Bedingungen
nur die alternative Form haben:
wenn S, (x) > 0 ist, muß S, (a:) > 0 . . . 3)
wenn aber S^ (x) < 0 ist, muß S, (a?) > 0 . . . sein.
99 rr'
J. Lüroth: Über die Extreme einer Funktion.
407
Aus den Exponenten der niedrigsten Potenzen von x in
den Reihen S und den Zeichen von deren Koeffizienten ist
leicht zu entscheiden, ob es für ' a: | einen Bereich gibt, der
die Bedingungen 2) oder 3) erfüllt.
Als ein Beispiel betrachte ich die Reihe
R{x,yi) = ff* -{■ ax^y -{- x^ -{-bx^y -\- cx'^y'^
+ dx^y^ + {x,y\y*+ • • •
Durch unbestimmte Koeffizienten findet man C'= 1,
f(^y y) = y* 4- y* {dx^ H ) + yM^^'' + • • 0
-^ y{ax^ -\-hx^ -\- -'•)-{■ x^ -{■ • • •
Schafft man in f(x^y) das Glied mit y^ fort indem man
y = z — -{dx^'\ ) .
setzt, so erhält man
^ + z^{cx'^ -{- ' . ^)-\- ziax^ + hx^^ ) + A-^+ • • •
Die Bedingungen, daß eine Gleichung vierten Grades
;^-f r^»-f-5ir + ^ = 0 4)
lauter komplexe Wurzeln habe, sind nun: die Diskriminante
16 rU — i r3 5» + 144 r 5» ^ — 128 r^ t^ + 256 /^ — 27 s*
nmü > 0, und entweder
r* — 4 ^ < 0 oder r* — 4 ^ > 0 und r > 0
sem.
Die Diskriminante wird hier 256 (x}^ + • • )» also für ge-
hörig kleine x positiv.
Die Funktion r^ — it wird == — 4 a?® + • • • folglich < 0.
Somit sind die Bedingungen komplexer Wurzeln für gehörig
kleine x erfüllt und daher gibt es ein Gebiet, in dem die
408 Sitzung der luath.-pbjs. Klasse vom 9. Juni 1906.
gegebene Reihe R stets positiv ist, so daß dem Wertsystem
(2; = 0, y = 0) ein Minimum entspricht und zwar ein eigent-
liches, weil die Diskriminante nicht identisch Null ist.
§2.
Bei Funktionen von drei Veränderlichen lassen sich die
ersten Betrachtungen des vorigen Paragraphen ebenfalls durcb-
fübren. An die Stelle der Ungleichungen 2) oder 3) treten
dann änliche, in denen statt der Iteihen nach x, solche nach
zwei Veränderlichen, etwa x und y, vorkommen. Wenn die
Bedingungen für komplexe Wurzeln sich stets in die Form 2)
bringen lieüen, so könnte man nach dem in § 1 gegebenen
Verfahren untersuchen, ob es einen Bereich gibt, in dem diese
Ungleichungen erfüllt sind. Schwieriger ist die Entscheidung
im Falle 3) der alternativen Bedingungen, falls es Gebiete
gibt, für die S, > 0 und andere in denen S, < 0 ist. Setzt
man nach dem Vorbereitungssatze
S, (x, y) = C,' /; {x, y) F, {x, y)
S, {x, y) = C, . /; {x, y) F^ (x, y),
wo die C^f^F analoge Bedeutung haben wie in § 1, so wird
man zu untersuchen haben, ob f^ (x, y) = 0 als Gleichung fiir y
reelle oder komplexe Wurzeln hat, und ferner ob aus C,/',(^,f/)>0
stets auch C, /j {x, y)> 0 folge.
Gesetzt es seien die Bedingungen aufzustellen, dala aus
F(w)>0 folge G (w) > 0, wenn F(w) und G (w) ganze Funk-
tionen von w sind. Man zerlege F {w) = 0 (tcY f {tv), G (tv)
= W{wy^g{w) wo die Funktionen f und g nur einfache Nullen
haben. Ist f(w) constant oder hat es nur komplexe Null-
stellen, so muß g (w) stets > 0 sein, darf also nur komplexe
Nullen haben. Hat f(w) = 0 reelle Wurzeln, so mu|j ent-
weder g (w) stets > 0 sein , darf also nur komplexe Nullen
haben. Oder es ist notwendig und hinreichend, daß für alle
reellen Nullen von f(w) die Funktion g{ui)>0 sei, und für
alle reellen Nullen von g(w) die Funktion f{w) negativ aus-
J. Lüroth: Über die Extreme einer Funktion.
409
falle. Unter Umstäüden folgt die eine Aussage aus der anderen.
Stellt man sich die beiden Gleichungen auf, von denen die
eine die Werte von f für alle — reelle und komplexe —
Nullen von </, und die andere die Werte von g in den Null-
punkten von f zu Wurzeln hat, so sind deren Koeffizienten
rational durch die Koeffizienten von F und G ausdrückbar.
Die eine von ihnen darf dann keine positiven, die andere keine
negativen Wurzeln haben, was sich mit Sturmschen Reihen,
vieUeicht schon mit der Descartes'schen Zeichen regel, ent-
scheiden läßt.
Wendet man diese Methode auf den vorhin erörterten
Fall an, so kommt man wieder auf die Betrachtung von
Potenzreihen nach x zurück. Hier dürfte es indessen bequemer
sein für die Wurzeln von f^ {x^ y) = 0 und f^ (x, y) = 0 in be-
kannter Weise Reihenentwicklungen aufzustellen und mit deren
Hilfe die Entscheidung nach den oben gegebenen Kriterien zu
treffen.
Als Beispiel diene die Reihe
^ + ^M3y^ - X^ + (X, y\ + ...) + y^ + x' + (X, y), + • . •
die schon die Form der Funktion f hat.
In den Bezeiclmungen von 4) ist s = 0, daher die Dis-
kriminante = 16 (r* — 4 tj^ • t. Damit die Gleichung für js
vier komplexe Wurzeln habe, muß also ^ > 0, und entweder
r* — 4 ^ < 0 oder r* — 4 ^ > 0 und r > 0 sein. Setzt man
(^,y)6=^o^* + ^i^y +
d,y'
so wird
Mit y = jy — j(d, a?* H ) folgt
/■, («. y) = n* + V* id,x^ + -'-) + V id, X* +
■j-a;* + d^x^ H- • • •
410 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 9. Juni 1906.
Schreibt man dies
fx (^» y) = ^* + n »?* + «1 »7 + ^1»
so wird die Diskriminante 256 x^^ H jf\ — it^ ^ — 4ar*H
Also sind fUr gehörig kleine x die Bedingungen komplexer
Wurzeln erfüllt, / ist für kleine x und y positiv und ver-
schwindet nur für a: = y = 0. Die Kombination r* — 4 ^ er-
gibt sich
Setzt man diese Reihe S^ (x y) und bestimmt dazu f^ {x, y),
so wird 6'j, == 5,
fA^.y)=-y' + y' (-f^«^* + •••) + ^^(-5 ^' + • • )
+ y f — 5 rf, a:* H j - 5 ^ H
Mit y = t] — ^d^x^ -\- ' ' ' folgt
fi (*. y) = »?* + V* (— 5 »* H j
Da die Diskriminante
= _(l64;.|+128 4:.-^ + 256|;)a^^+-.-
ist, so hat f^ {x, y) = 0 zwei reelle und zwei komplexe Wurzeln
und folglich kann f^ — 4 ^ = S, (a;, y) positiv oder negativ sein.
Somit liegt der Fall 3) vor und wir haben noch r = S^ {x^ y)
zu betrachten. Hier findet sich C^ = 3 und
/i('2^»y) = y' + y(«,^' + • •-•)-3^ + • • •
wobei {x,y\ = eQX^ -\- 3 e, a:' y + ' • " gesetzt ist. Es muß
nun, wenn die Gleichung f{x, y, £r) = 0 nur komplexe Wurzeln
haben soll, da die Diskriminante > 0 ist, aus r* — 4 ^ > 0 auch
»^
J. Läroth: Cber die Extreme einer Funktion.
411
r>0 oder aus/; (x.y)>0/"(x, y)>0 folgen. Da/;(x,y) = 0
nur zwei reelle Wurzeln jf hat, so genOgt es hiezu, daß die
Nullen ¥on (^(x^y) die Funktion /s(Jr. jf)<0 machen. Jene
Nullen haben die Entwickelung
und y = = +
^ Vi
Tragt man in /^ (j?, jf) ein, so erhält man beidemale
- • Alles zusammengenommen folgt also, daß es
9 ^
für die x, y einen Bereich gibt, in dem die Gleichung fix^jf^ jer)=0
nur komplexe Wurzeln hat und somit stets > 0 bleibt Aber
die Diskriminante kann auch Null werden. Dies tritt ein fftr
t = 0 und r* — 4^=0, also für die Kurven f^ (x, y) = 0 und
/*j(a;,y)=0. Die erstere hat, wie oben bewiesen, außer (x==y=0)
keinen reellen Punkt in der Nähe des Ursprungs. Die zweite
^eht aber mit zwei reellen Asten durch den Ursprung, und
für sie wird
t
also = 0, wenn ^* + ö = 0 ist. Für die reellen Wurzeln von
U (^» y) = 0 ergibt sich
y-±V'-
3 + 1/24
x +
r = ^(3l/24 + 4)ar*H
^=-^(3/24+4)^;^ + ...;
also werden, für kleine x^ auch wenn die Deskriminante Null
ist, die Wurzeln von f(x,j/^z)=0 imaginär, folglich wird
diese Funktion in der Nähe des Ursprungs überhaupt nicht
Null und bleibt beständig > 0. Sie hat demnach im Ursprung
ein eigentliches Minimum.
+ 1^ SiUung der iimth.-phys. Kla*we vom 9. Juni 190(5.
§3.
Wenn man die Bedingungen für komplexe Wurzeln stets
durch eine Reihe von Ungleichungen darstellen könnte, ohue
Alternative, könnte man das geschilderte Verfahren auf Funk-
tionen von beliebig vielen Variabein ausdehnen. Sicher geht
dies an, wenn die Glieder niedrigster Dimension in allen vor-
kommenden Reihen von der zweiten Dimension sind.
Gegenüber den Methoden von Scheeffer, Stolz und Dant-
scher*) hat die obige den Vorteil, daß sie theoretisch über-
sichtlicher ist und in jedem Fall die Entscheidung liefert. Ein
Nachteil ist, wenigstens zur Zeit, daü die notwendigen und
hinreichenden Bedingungen für lauter komplexe Wurzeln einer
Gleichung nur für Gleichungen der niedrigsten Grade bekannt
sind und für Gleichungen höherer Grade erst durch die Sturm-
schen Reihen gebildet werden müssen. Femer ist bei Funk-
tionen von mehr als drei Veränderlichen die Anwendung von
Reihenentwicklungen nicht stets möglich und damit unter
Umständen die Entscheidung nach der im § 2 entwickelten
Methode mühsam.
M Zitate findet man in der Enzykl. d. Math. Hd. 2, Teil 1, S. 83.
V
413
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 7. Juli IDOG.
1. Herr Paul Gkoth hält einen Vortrag: »Über dieKry-
stallstruktur des Amnioniumjodides und seiner Alkyl-
derivate.* Die Abhandlung wird in der Zeitschrift für Kry-
stallographie und Mineralogie veröflFentlicht werden.
Auf Grund der neueren Anschauungen über die Krystall-
struktur wurde an Modellen erläutert, wie sich von der kubischen
Krystallstruktur des Ammoniumjod ides die tetragonale Struktur
des Tetramethyl- und des Tetraäthylammoniumjodides ableiten
läiit, und aus diesen sich die Struktur und somit auch die
Krystallform und die Volumenverhältnisse des intramediären
Dimethyldiäthylammoniumjodides in einer mit der Erfahrung
übereinstimmenden Weise ergeben.
2. Herr Alfred Pringsheim spricht „Über das Additions-
Theorem der elliptischen Funktionen.**
Auf gemeinsamer, überaus einfacher Grundlage werden die
Additions-Theoreme sowohl der Weierstraü'schen Pe-Funktion
als auch der Jacobi'schen Funktionen hergeleitet, ohne daß
von deren Darstellung durch Sigma- bezw. Theta-Quotienten
Gebrauch gemacht wird.
3. Herr August Rothpletz legt eine Fortsetzung zu den
wissenschaftlichen Ergebnissen der MpRZBACHER'schen Tian-Schan-
Expedition vor; nämlich „HI. Die Gesteine des Profiles
durch das südliche Musart -Tal im zentralen Tian-
Schan" von P. A. Kleinschmidt und P. H. Limbrock, S. V. D.
Die Abhandlung ist für die Denkschriften bestimmt.
415
Üb
er
das Additions-Theorem der elliptischen Funktionen.
Von Alfred Pringsheim.
iSimg§laufen 7. Juli.)
Die im folgenden mitgeteilte Methode zur Herleitung des
Additions-Theorems der elliptischen Funktionen dürfte zwar
kaum danach angetan sein, auf prinzipielle Neuheit irgend-
welchen Anspruch zu erheben. Immerhin ist sie wohl, wie
ich glaube, in der hier angegebenen Weise bisher nicht durch-
geführt worden, scheint mir aber andererseits einer solchen
Durchführung nicht unwert, da sie auf gemeinsamer, überaus
einfacher Grundlage ganz direkt und ohne jeden Kunstgriff
nicht nur die verschiedenen Formen des Additions-Theorems
für das Weierstraßsche p w, sondern auch die Additions-
Theoreme für die Jacobischen Funktionen snu, cnu, dnu
liefert. Dabei wird von der Darstellung der Funktionen pu
bzw. snu durch Sigma- bzw. Theta-Quotienten keinerlei Ge-
brauch gemacht. Als Beweismittel dienen vielmehr lediglich
die bekannten Liouvilleschen Sätze über Anzahl und Summe
der Nullstellen bzw. Pole einer doppelt-periodischen Funktion
und die Differentialgleichung für p u bzw. sn u.
§1.
Additions-Theorem für gewisse doppelt-periodische
Funktionen zweiter Ordnung.
Es sei (p{ti) eine eindeutige doppelt-periodische Funktion,
welche im ersten Perioden-Parallelogramm nur für w = 0 und
zwar von der zweiten Ordnung unendlich wird. Es ist dann
4rl6 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 7. Juli 1906.
also (p(u) eine doppelt-periodische Funktion zweiter Ordnung
und zwar allemal eine gerade Funktion'). Denn, da die
Summe der im ersten Perioden-Parallelogramm gelegenen Pole
den Wert 0 hat, so wird:
q)(v) = cp (u), wenn : u -^ v = 0,
d. h. man hat in der Tat:
(p(—u)^(p (u).
Es seien femer Wj, u^ zwei beliebige Zahlen von der Be-
schaflFenheit, daß 9^ ("^1)1 9^ (Wg) nicht unendlich und von
einander verschieden, d. h. man habe, wenn die Perioden
von q.^(u) mit 2 a>, 2 a>' bezeichnet werden:
(1) u,$0 u,^0
(2) Wg ^ — u^ ' (mod. 2 o), 2 ci>').
(3) Wg ^ Mj
Setzt man sodann:
so besteht die Identität:
(5) (p(u,) — Q . (p(u,) = cp' (u^) — Q'(f^ K),
und, wenn noch gesetzt wird:
(6) ^;<«.>-«-^(«.)l = B, ako: ij = f W^'K)-?'(««)?'K),
Vw-e'-pC«,)/ v' (",) - v' («,)
so folgt zunächst, daß der Ausdruck
die beiden nach den Moduln 2co, 2a>' inkongruenten Null-
stellen u = Wj und M = u, und folglich, da er eine doppelt-
0 In der Tat folgt ja aus der Vorraussetzung, daß die fragliche
Funktion von der Form
sein muß, wovon aber im Texte kein Gebrauch gemacht wird.
»^
A. Pringftheim: Additions-Theorem elliptischer Funktionen. 417
periodische Funktion dritter Ordnung mit dem dreifachen Pole
M = 0 darstellt, noch die durch die Gleichung:
(7) ti, + II, + 1I3 = 0
definierte Nullstelle u = u^ besitzen muß. Da hiernach:
(8) <f'{u)-Q'(p(u)-B = 0 för u = tt,, ti,, u,,
so ergibt sich fürs erste, daß allemal die Relation besteht:
r'K) (p{n,) 1
(9) ff'iu,) ^>K) 1 =0,
9^'K) 9^K) 1
wenn u^jU^jU^ irgend drei durch die Gleichung (7) verbundene,
lediglich den Beschraukungen (1) — (3) genügende Zahlen
bedeuten. Sie bleibt überdies auch noch giltig, wenn man
die Beschrankung (3) fallen läßt, da im Falle M,=t<, (mod 2ci), 2co')
die Determinante (9) wegen Gleichheit zweier Zeilen identisch
verschwindet.
Aus Gleichung (8) folgt nun weiter, daß für t« = tt,,t«^, u^i
9 («)' = (Q-<p («) -H Rf
also:
(10) tp' 00* — Q^'(p(uy'-2QR'(p (u)—R' = 0.
Andererseits muß 99 (u) als eindeutige doppelt-periodische
Funktion zweiter Ordnung mit zweifachem Pol einer Diffe-
rentialgleichung von folgender Form genügen:*)
(11) 99' (uy -=a^'(p {uf + a, . 9? (m)* + a» • 9^ (w) + a.
Durch Einsetzen dieser für jeden Wert von u giltigen
Darstellung von (p (m)* in die Gleichung (10) ergibt sich, daß
die in Bezug auf (p (u) kubische Gleichung
^) Zur Herleitung dieses Resultates ist es keineswegs erforderlich,
den Weg über die Begehung (p (m) = ä» p u -^-B oder irgend eine andere
spezielle Darstellungsforra für 9? (ti) zu nehmen. Es genügt dazu, außer
den Liou vi] leschen Sätzen über Anzahl und Summe der Nullen bzw.
Pole noch denjenigen heranzuziehen, welcher die Konstanz einer doppelt-
periodischen Funktion ohne Pole besagt.
418 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 7. Juli 1906.
(12) o„ '<p(uy- (<?»- a,y<p («)»-(2 QB- «,) • 9,(tt)_(iJ»_c^=0
die Wurzeln <p(u^), <p(Ug), <piu^) besitzt. Daraus folgt aber,*) daß:
(I) 9'(«,) + 9'K)+9'K)=^-(2'-J,
(H) 9> («,) . <p («,) + (,, (H,) + q> («,)) • 9^ («,) = - I • (^ ü + J,
(IIl) 9'(«.)-«p(«,)-9'(«,) = ^-i2»-J.
Man gewinnt also auf diese Weise drei verschiedene
Formeln zur Darstellung von (p (Wj), d. h. von (p (Wj -f- u^), als
rationale Funktion von (p{u^%(p(u^),q^'(u^\q? (u^\ somit drei
verschiedene Formen für das Additions-Theoreni der Funk-
tion cp {u).
Schließlich kann man noch mit Hilfe einer einfachen
Stetigkeits-Betrachtung die ursprünglich eingeführte, lediglich
durch die für Q und B gewählte Form geforderte, nach Lage
der Sache offenbar aber unnötige Beschränkung u^ \- w, (siehe
GL (2)) beseitigen. Hierzu hat man Q und R nur in die
Form zu setzen:
^ ^ T'Cw,)' • (p' {u^y — (p (u^y •// (wi)'
^ (tt,) • q>' K) + 9^ (w,) • (f' (Wi) '
*) Man bemerke, daß 93(mi)» ^'(''a)! tM s*^^« ^He möglichen
Wurzeln der kubischen Gl. (12) darstellen. Denn auf Grund der Voraus-
setzung (2) und (3) hat man stets fp{u2)^T{^i)' Zugleich ist aber auch
ti«
9^(^t)^~Ti^i) und <p{<pyt)^9^(*i2)t außer wenn tifZ: — 2ui oder ii« = — x
(mod 2 CO, 2 a)')» in welchen Spezialfällen dann <p(vt) = <pM bzw. 9>(m^
= 9(1/2) als Doppel Wurzel auftritt.
A. Pringsheim : Additions-Theorem elliptischer f^unktionen. 419
§2.
Additions-Theorem der Funktion pu.
Die Funktion ^m besitzt oflFeubar genau den Charakter
(p (u). Man findet also zunächst, indem man in Gl. (9) (p (u)
= pu setzt:
pu, pu^ 1
0 (wenn u^ + u^ ~{- u^ = 0 bzw. :in 0),
(15)
p u^ p u^ 1
eine Relation, welche sonst gewöhnlich als Folgerung aus
dem Additions-Theorem der Funktion pu hergeleitet wird^)
und einer bekannten geometrischen Deutung (geradlinige Lage
dreier Punkte der Kurve dritter Ordnung: x=^pu, y ^= p ti)
fähig ist.
Da die Gl. (11) hier die Form annimmt:
(16) ()P'«*)' = 4jp'm — r7,pw— ^s,
so daß also:
(17) % = 4, rt, = 0, a, = - 0^, «8 = — 9v
80 liefert die Gleichung (I), weim man noch pu^ durch
P (w, -l- ttj) ersetzt, das Additions-Theorem in der bekannten
Form:
,18) »>.', + p-^ + K", + ..)=l(;;:;-^>;)'.
welche mit Benützung von Gl. (13) in die folgende, auch
im Falle u^'~u^ brauchbare übergeht:
(19) ^«.+p«.,-p(«.+„,)=^(^-^-^i,-i^,-^«^ y*y
Die andere bekannte Form des Additions-Theorems resul-
tiert sowohl aus 61. (II), als aus Gl. (III). Man findet z. B.
aus 61.(111):
^) S. z. B. H. Burkhardt, Elliptische Funktionen, p. 62.
190«. SiUangsb. d. miith.-pbys. Kl 28
420 Sitzung der math.-phys. Klaiae vom 7. Juli 1906.
wo:
/ /
sodaij sich ergibt:
(20) ß (m, 4- u,) = -^^ =-if; r;
§3.
Die Additions-Theoreme der Funktionen snu^cnu^dnu.
Aus den Beziehungen
sn{n + 2^= — snu sn(u -f- 2iK')=^snu
sn(2mÄ:+ 2wii:') = 0 (w = 0, ±1, ±2,...)
erkennt man, daß sit^u die Perioden 2 K^ 2iK' und somit im
ersten Perioden-Parallelogramm die einzige Nullstelle w=0
und zwar als zweifache Nullstelle besitzt. Es ist somit sn~* u
wiedemm eine Funktion vom Charakter (p (w) *) (wenn noch ge-
setzt wird: o) = JST, (d = i K'), Aus Gl. (9) folgt dann durch
die Substitution von (p{ü)'=sn~^n, also: 9p'(?i)= — 2sn~^U'Snu^
wenn man die betreffende Gleichung noch mit — — sn^ u
multipliziert:
sn n^ snu^ sn^?/,
(21)
Sn Mj 5« Wjj SW^Wj
= 0 (wenn Wj + «*,+ **s~ ^ ^^w* -^ ^)^
*) Dies würde natürlich auch unmittelbar aus der Formel:
;-T.)
folgen, von welcher ich aber absichtlich keinen Gebrauch machen will.
8 n-* U = fP ( — — :
A. PriqgBhaB:
elliptincher Funktioiien. ^^1
eine Relation, wekhe in analogem Zusammenhange, wie die
GL (15) auftritt, wenn man die Theorie der Kuiren drilter
Ordnung mit homogenen statt mit rechtwinkeligen Koordinaten
behandelt ')
Aus der Differentialgleichung:
(5 n hY = (1 - 511» m) .1 — t» sn^ h)
folgt sodaun durch Multiplikation mit ( — 25H"^m)*=4j?>» ^n:
( — 2 s n' i# • s n' Mi* = 4 5 »-- m (s w"- ii — 1) (s w~* m — ¥\
sodaß also die Differential-Gleichung filr q^. \Uj =^ s n~' h fol-
gendermaßen kutet:
(22) 9)'(tt)» = 49:(i4)» — 4(l+iP)9 (M)*+4Jp9-(«).
Man übersieht unmittelbar, daß die einfachste Form des
Additions-Theorems hier durch Anwendung der Formel (IIH
resultieren muß. Man findet (wegen flj ^ 0) auf diese Weise:
1 / — 2sn~-u^ -sn'^fi, - sn u^ + 2 sn~^ u^- sn'^n^- sn mA-
4 \ 5n~*fij — s«--M, /
(snu^ • sn u^— snu^ • 5«' mA-
und daher:
(23) .«««, = ( g;*'-"*-^"'"' . V
• \5WMj-5nfij — snu^'SnuJ
Daraus folgt, wegen snu^=^ — 5n(w, + m,), zunächst:
(24)
«n(t«j -j- w,) = €
sn'w, — sn'w,
5nMj-5w'Mj — 5tlMj-5n tl/
') S. Clebsch-Lindemann, Yorlesun^n über Geometrie I (187CK
p. 605, Gl. (8). (Es muß dort übrigens p. 604, Gl. (5j statt:
heißen:
QX^= sin^ am u
ß ar| = fc* sin' tim •»).
oo*
28
422 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 7. Juli 1906.
wo « = ± 1. Da aber Gl. (23) und somit Gl. (24) infolge der
Stetigkeit von snu bei m == 0 auch noch für den ursprünglich
ausgeschlossenen Fall w, = 0 gilt, so folgt, wegen sn 0 = \:
snUi. , , ,
snu.=€' *-, also £ = 4- I,
' snu^
und somit schließlich:
(25) 5 w (m, + w J = * - — — .
^ ^ * * snu^^ sn u^ — snu^ • sn u^
Um auch diese Formel zu einer für den bisher ebenfalls
ausgeschlossenen Fall u^ '=f=e Mj brauchbaren umzugestalten, hat
man wieder nur Zähler und Nenner der rechten Seite mit
einem passenden Faktor, nämlich (snu^-sn u^-]- snu^-sn u^)
zu multiplizieren und zu beachten, daia:
5n\ -sn*u^ — sn*u^'8n^u^
= 5w*«, «cw'w, -(1 —k'^sn^n^ — sn'w,- cn'Wj • (1 — Ä*sn'«,)
= {sn*H^ —sn*u^) • (l — k^sn^v^ - sn'Wg),
sodaß sich schließlich das fragliche Additions-Theorem in der
zumeist üblichen Form ergibt:
,^^. , . . snu.' cnu^' dnu^A- snu^' cniL-dnu,
(26) sn(w, + w,) = ^ * Tj^ \ ' '
Will man hieraus lediglich mit Hilfe der Beziehungen:
^^ ^ \ dn' (m, -f- ?g = l-k's n\ti, + w,)
auch noch die entsprechenden Formeln für cn{n^-\-u^), dn(u^^-u^)
herleiten, so läßt sich die erforderliche Rechnung etwa in
folgender Weise ziemlich einfach durchführen.
Es werde gesetzt:
(28) 1 -k'sn'u,'Sn'n^ = K
Die Substitution von 1 = cn^u^ -\- s«'Wj = cnUi^ -\- sn^u^
liefert alsdann liir N die beiden Ausdrücke:
A. Pringsheim: Additions-Theorem elliptischer Funktionen. 423
und somit für IP dem symmetrischen Ausdruck:
(29) N' = (cn' Wj + 5n*«j dn^u^ (cn^u^ + snru^ • rfn'ti,).
Ebenso ergibt sich aus dem Ausdrucke für N durch Sub-
stitution von 1 = dn'tt, + k^sn^u^ = dn^ u^ + T^sn^u^:
(30) i\r = (dn^Mj + Vsn'u, • cn' Wg) (dn' w, + V sn^u^- cuUi,).
Durch Einführung von (29) bzw. (30) in die rechte Seite
der mit IP multiplizierten Beziehungen (27) findet man dann
aber ohne weiteres:
[DP cn^{u^'\-u^-{cnu^' cnu^- snu^'dnu^'Snu^' dnu^^
|^-dn*(Mj + Mj)=(dnWj-dwMj-i--5wWj-(;nM,-5WM,-cww2)'
und, da sich das Vorzeichen der Quadratwurzeln wieder un-
mittelbar durch Substitution von w^ = 0 bestimmen läßt, so
erhält man auf diese Weise in der Tat die bekannten Formeln
für c n (Mj + u^^ d » (Mj -|- u^.
Öfifentliche Sitzung
zur Feier des 147. Stiftungstages
am 14. März 1906.
Die Sitzung eröffnete der Präsident der Akademie, Oeheiinrat
Dr. Karl Theodor v. Hei gel, mit folgender Ansprache:
Wir haben im Frühling des vorigen Jahres dem volks-
tümlichsten Dichter der Deutschen unsere Huldigung darge-
bracht; wir haben in der Novembersitzung aus Anlaia des be-
vorstehenden Zentenariums die Schöpfer des modernen Staates
Bayern dankbar gefeiert; nun wandeln wir auch den heutigen
Stiftungstag in einen Festtag, indem wir das Bild eines Kollegen
unter den Laren unseres Hauses aufstellen und seinem Ge-
dächtnis Kranze flechten. Da möchte der femer Stehende wohl
den Eindruck gewinnen, daß wir uns zu Heroenkult und Fest-
gepränge allzu willig «vom Kalender kommandieren* ließen.
Doch der Vorwurf wäre nicht berechtigt, denn es gilt heute
nicht so fast ein längst verehrtes Ehrenmal zu schmücken, jils
ein altes Unrecht zu sühnen. Handelt es sich doch um einen
Forscher, der in zielbewußter, rastloser Arbeit seine ganze
Kraft aufgezehrt, sein Leben lang aber Enttäuschung und
Zurücksetzung geerntet hat! Sollte da nicht der Nachwelt die
Verpflichtung obliegen, durch einen ehrerbietigen Gruß der
Treue den Dank zu erstatten, den die Zeitgenossen kurzsichtig
versagt haben?
Freilich, wenn die Bewertung eines Gelehrten davon ab-
hinge, ob sein Name in aller Welt Mund oder doch in weiten
Kreisen der Gebildeten bekannt sei, dürfte unser Johann Kaspar
426 öffentliche Sitzunf» vom 14. März 1906.
Zeüss kaum zu den Großen gezählt werden. Wie wenige wissen
oder wußten bis vor kurzem etwas von der Grammatica celtica
und ihrem Verfasser! Da aber der Gradmesser der Bedeutung
eines Gelehrten nur darin zu suchen ist, welchen Fortschritt,
welche Förderung ihm die Wissenschaft zu danken hat, da
nicht in der Celebrität, sondern in der Autorität das maßgebende
Moment zii erblicken ist, darf der Maurersohn aus dem fränki-
schen Dörfchen Vogtendorf im auserlesensten Kreis berühmter
Bayern des 19. Jahrhunderts einen Ehrenplatz beanspruchen.
Es ist nicht meine Aufgabe, auf die Werke und Tage des
Gefeierten näher einzugehen. Von einem berufeneren Redner
wird Ihnen dargelegt werden, wie sich diese geistige Kraft ent-
wickelt, wie Zeuß auf den Gebieten der Sprachkunde, der Ethno-
logie und der Geschichtswissenschaft als Entdecker in die Nähe
und Weite für alle Zeiten gewirkt hat.
Nur mit ein paar Worten möchte ich Zeugnis ablegen,
daß auch mir das Herz aufging, als ich aus Anlaß der bevor-
stehenden Jahrhundertfeier mich eingehender mit unserem ge-
lehrten Landsmann beschäftigte. Welch harmonisches, reines,
gerade in seiner rührenden Bescheidenheit bedeutendes Lebens-
bild! Welche Hingebung an den Forscherberuf ! Welche Arbeits-
kraft! Und ebenso in den Schriften: welche Schlichtheit, welche
Größe! Einzelheiten mögen veraltet sein, als Ganzes sind die
hier niedergelegten Lösungen wichtiger Probleme unerreicht
und unerschüttert.
Doch unter wie trüben Verhältnissen mußten diese Werke
geschaffen werden! Eine Passionsgeschichte rollt sich vor uns
auf. Auch Zeuß mußte, wie unzählige andere, die Erfahrung
machen, daß der Dienst der Wissenschaft mit Entbehrung
verknüpft ist und die Sehnsucht nach Wahrheit eine treue
Geiahrtin nötig hat, die Geduld. Er brauchte ja nicht gerade
Not zu leiden, doch aus ärmlichen Verhältnissen konnte er
sich niemals emporringen, und peinliche Enttäuschungen be-
gleiteten seine Erdentage mit unbarmherziger Treue. Die für
Zeitgenossen und Nachwelt so fruchtbringende Arbeit brachte
ihm keinen Lohn. Die Aufnahme in unsere Akademie — er
K. Th. V. Hei^l: Ansprache. •^27
war von 1842 — 1847 korrespondierendes Mitglied der philo-
sophisch-philologischen, von 1847 — 1856 ordentliches, später
wieder korrespondierendes Mitglied der historischen Klasse —
war fast die einzige Auszeichnung, die ihm zuteil wurde. In
der Gelehrten weit Deutschlands, der Urheimat der Sprach-
wissenschaft, wurden zwar die bahnbrechenden Schriften selbst-
verständlich mit Hochachtung aufgenommen, aber man küm-
merte sich nicht um den Verfasser. »Auch im Gelehrtenberuf*,
sagt Ernst Curtius, «wird das Glück immer als das größte
Verdienst anerkannt; nach dem, was man durch stille, ent-
sagungsvolle Arbeit zu stände bringt, fragen nur wenige I'*
Wenn es sich um Anstellung handelte, wurde zwar seine
«scientifische Bildung' von den maßgebenden Persönlichkeiten
gnädig anerkannt, doch die Türen blieben ihm verschlossen.
Von der Universität Würzburg wird er abgelehnt, weil eine
Professur für deutsche Philologie nicht notwendig sei, — von
Erlangen bleibt er ausgeschlossen, weil die philosophische
Fakultät den Bewerber nicht genügend kenne, — in Berlin
findet er angeblich aus konfessionellen Gründen keine Aufnahme.
Vom Archivdienst, für welchen er wie geschaffen gewesen wäre,
wurde er von Hormayr mit spöttischen Witzen zurückgewiesen.
Endlich verlieh das Ministerium Maurer-Zenetti dem Vierzig-
jährigen in München eine Professur für allgemeine Weltge-
schichte, doch nun vermochte sich der schüchterne, für den
Katheder ohnehin wenig geeignete Mann in den neuen Wir-
kungskreis nicht mehr zu finden. Es war schon nicht mehr
zweifelhaft, daß er einer in seiner Familie erblichen, tückischen
Krankheit zum Opfer fallen werde; der Arme mußte seinen
Benediktinerfleiß mit immer häufigeren Blutopfem bezahlen.
Es war ihm nicht mehr möglich, sich im weiten Hörsaal ver-
ständlich zu machen; die Zuhörerschaft lichtete sich immer
auffalliger; er wurde im Kollegium als Drohne angesehen und
vermutlich auch als solche behandelt. Welche Pein für eine
feinfühlige Natur! Es begreift sich, daß er eine Versetzung an
das Bamberger Lyzeimi mit erheblich vermindertem Gehalt als
erlösende Wohltat empfand. Einsam verlebte er in der Main-
428 öfFentliclie Sitzung vom 14. März 1906.
Stadt seine letzten Lebensjahre, doch sie entbehrten nicht der
Sonnenstrahlen des Glückes. Ersatz für Familienfreuden und
heiteren Lebensgenuß bot ihm die Arbeit, dieser glückselige
Fluch, womit Gott das Menschengeschlecht in Wahrheit ge-
segnet hat. Die Arbeit gab ihm einen Frieden, den Frau Welt
nicht zu geben vermag. Die menschliche Sprache war für ihn
das Buch des Lebens, und die Erforschung ihrer Gesetze ge-
währte ihm Anregung, Befriedigung, Erhebung. Sein Umgang
beschränkte sich nur noch auf irische Mönche der Merowinger-
und Karolingerzeit, deren Glossen ihm den StoiF zu der seit
langem in Angriff genommenen keltischen Grammatik boten.
Während die Forscher auf anderen Gebieten, wie der Land-
mann bei günstigem Erdreich, nur den Samen in die Krume
zu streuen brauchen, mußte Zeuß erst eine Wildnis urbar
machen durch Beseitigung der Auswüchse einer Keltomanie,
die das Wissen über die keltische Völkerfamilie nicht bereichert,
nur verwirrt hatte. Gott ließ ihn die Freude erleben, daß dichte
Saat, wogend im Felde, den Samen zurückgab; er konnte noch
die keltische Grammatik vollenden, das monumentale Werk, dem
nur die deutsche Grammatik von Jakob Grimm und die Gram-
matik der romanischen Sprachen von Diez ebenbürtig zur Seite
stehen. Kaum war das Tagewerk vollbracht, so erlosch das nur
der Wissenschaft geweihte Leben.
Auf eine Persönlichkeit, die sich auf ganz anderem Gebiete
Ruhm und Ehre erkämpfte, auf Prinz Eugen, den edlen Ritter,
hat der Dichter Jean Baptiste Rousseau das Wort geprägt: ,Nie
war in andrem Manne so viel Einfachheit mit so viel Größe
vereinigt!* Dieses Wort darf auch auf Sinnesart und wissen-
«jchaflliche Taten unseres Zeuß angewendet werden.
Ein Name ohne Makel! Eine Erinnerung ohne Schatten!
l*
K. Th. V. Heigel: Mitteilungen. 429
Im Jahre 1903 hat die Akademie zur Bewerbung um einen
Preis aus dem Zographosfonds folgende Preisaufgabe aus-
geschrieben:
,Die meteorologischen Theorien des griechi-
schen Altertums auf Grund der literarischen und
monumentalen Überlieferung*.
Hiefiir sind zwei Bewerbungen eingelaufen.
Die erste mit dem Motto: Alvog ßaodevei ror AP l^eXtiXaxiog
ist eine hochbedeutsame wissenschaftliche Leistung, welche sich
durch gründliche Sachkenntnis, scharfsinnige Kombination und
umsichtiges urteil auszeichnet. Sie bietet neues Material und
neue Gesichtspunkte. Gleich im ersten Abschnitt, welcher „über
meteorologische Instrumente* betitelt ist, wird ein bei Anti-
kjthera im Meere gefundenes Bronzeinstrument als eine Art
Planetarium erkannt. Femer wird unter anderem ein Fragment
des Meteorologen Arrian über Ebbe und Flut aus dem Lateini-
schen des Priscianus Lydus in das Griechische zurückübersetzt
und in der Hauptsache auf Poseidonios zurückgeführt. Über-
haupt werden verschiedene Quellenschriften der antiken Meteoro-
logie in ihrem gegenseitigen Verhältnis untersucht und wird
vor allem die Bedeutung des Poseidonios für die meteorologische
Forschung in ihrem vollen umfange festgestellt.
Leider ist der Verfasser infolge äui^rer Hemmnisse nicht
über diese Vorarbeiten hinaus zur Hauptsache, zu einer syste-
matischen Feststellung der meteorologischen Theorien gekom-
men. Deshalb kann ihm der Preis nicht zuerkannt und nur
der lebhafte Wunsch ausgesprochen werden, der Verfasser möge
seine vielversprechenden Forschungen fortführen und bald in
der Lage sein, deren Ergebnisse zu veröffentlichen.
Die zweite Bearbeitung mit dem Motto: t6xe fäQ olofxe&a
yivdfoxeiy ?xa<nov xxX, besteht aus zwei Teilen. Der Verfasser,
welcher Meteorologie im Sinne der Alten auffaßt, so daß auch
Fragen der Geophysik und Astronomie diesem Gebiete zufallen,
geht von der Ansicht aus, daß nach der Auffassung der griechi-
430 ÖffeuUicbe Sitzung vom 14. März 1906.
sehen Philosophen alle meteoren Erscheinungen aus der Wirksam-
keit der vier Elemente hervorgehen, und gibt deshalb im ersten
Teile eine ausführliche Darlegung, wie sich die Vorstellungen
von den vier Elementen bei den griechischen Philosophen und
Naturforschern gebildet und entwickelt haben. Wenn in dieser
Darlegung auch die eine oder andere Aufstellung nicht ein-
wandfrei erscheint, so ist damit doch eine breite Unterlage für
den zweiten, den systematischen Teil gewonnen, in welchem
eine umfassende Darstellung der alten Meteorologie geboten
wird, die den inneren Zusammenhang der Theorien verfolgt
und deren Haltbarkeit teilweise an den Ergebnissen modemer
Forschung prüft. Hiernach trägt die Akademie kein Bedenken,
der mit umfassender Gelehrsamkeit abgefa&ten, nahezu druck-
fertigen Abhandlung den Preis zuzuerkennen.
Als Verfasser ergibt sich Geheimer Regierungsrat, Pro-
fessor Dr. Otto Gilbert, Bibliotheksdirektor a. D. in Halle a/S.
Aus dem Thereianos-Fonds konnten folgende Unter-
stützungen gewährt werden:
1. 1500 M. für das von Adolf Furtwängler und Reich-
hold herausgegebene Werk über „Griechische Vasenmalerei*,
2. 1500 M. für die von Karl Krumbacher herausgege-
bene „Byzantinische Zeitschrift*,
3. 1000 M. an Professor Spyridion Lampros in Athen
für eine wissenschaftliche Reise nach Italien zu Forschungen
über die Geschichte des Despotats des Peloponnes unter den
Paläologen,
4. 1100 M. für Dr. Paul Marc in München zu einer
wissenschaftlichen Reise auf dem Athos zum Zwecke von Hand-
schriftenstudien,
5. 600 M. für Dr. Ludwig Curtius in München zu
archäologischen Untersuchungen im westlichen Kleinasieu.
Endlich wurde dem Ephoros Georgios Sotiriades in
Athen für seine wertvollen Untersuchungen über die Topo-
graphie und die älteste Kulturgeschichte von Böotien und
Phokis ein Preis von 800 M. zuerkannt.
K. Th. V. Heigel: Mitteilungen. 431
Im Anschluß an die Mitteilung über den Thesaurus
linguae Latinae vom November 1904 ist jetzt mitzuteilen,
daß der Reservefonds für den Thesaurus, eine Stiftung Qeheim-
rats von Wölflflin, gegenwärtig 18,500 M. beträgt. Es mag
noch hervorgehoben werden, daß der bayerische Staat zu diesem
großen Unternehmen, von dem Ostern 1906 der zweite, gleich-
falls über 1000 Seiten starke Foliant erscheinen wird, jährlich
5000 M. und außerdem 2500 M. zum Gehalt des ersten Sekre-
tärs, Professor Dr. Hey, beiträgt und daß die philosophisch-
philologische Klasse in den letzten Jahren etwa 500 M. für
einen vom Thesaurus nur mit 1200 M. honorierten bayerischen
Assistenten beigesteuert hat.
Generalredaktor Professor Vollmer ist infolge Übernahme
eines Ordinariats an unserer Universität von der Leitung des
Thesaurus zurückgetreten und als Mitglied der Kommission
kooptiert worden. Als sein Nachfolger wurde Dr. Eugen
Lommatzsch, Privatdozent in Freiburg i. Br., berufen. Der
zweite Redaktor, Professor Ihm, tritt aus, um einem Rufe
nach Halle Folge zu leisten ; nach Ablehnung der Stelle durch
Professor Hey wurde Privatdozent Dr. Berthold Mauren-
brecher von Halle berufen.
Die Zinsen der Savigny-Stiftung standen dieses Jjihr
unserer Akademie zur Verfügung.
Auf Vorschlag der Kommission der Savigny-Stiftung be-
schloß unsere Akademie, sie in folgender Weise zu verwenden :
1. 600 M. an das Kuratorium der Savigny-Stiftung zur
Unterstützung ,des Honorarfonds der Savigny-Zeitschrift für
Uechtsgeschichte,
2. 4400 M. an den Reichsarchivassessor Dr. Hermann
Knapp als Beitrag zu den Druckkosten seines zweibändigen
Werkes über die Zentordnungen des Hochstifls Würzburg.
Aus den Zinsen der Münchener Bürger- und Cramer-
Klett-Stiftung wurden bewilligt:
432 öffentliche Sitmng vom U. M&rz 1906.
1. 500 M. für Professor Dr. Oskar Schultze in Würz-
burg zur Untersuchung der feineren Struktur des elektrischen
Organs der Fische,
2. 1500 M. für den Studierenden Hans Prandtl in Mün-
chen zur Untersuchung der Sagittawürmer in der Bucht von
Messina,
3. 2500 M. für den Kustos des Botanischen Museums in
München, Dr. Hermann Roii, zur Erforschung bestimmter
Wechselbeziehungen zwischen Tier- und Pflanzenwelt der Tropen
des mittleren Amerika,
4. 500 M. für den Assistenten der anatomischen Anstalt
zu München, Dr. Albert Hasselwander, zu einer Forschungs-
reise nach Dalmatien.
Endlich ist noch der Ehrung eines Mitglieds unserer
Akademie Erwähnung zu tun.
Auf Wunsch unseres Kollegen Professor Königs ist die
von ihm begründete Stiftung »zur Förderung chemischer For-
schungen* aus Anlaß des 70. Geburtstags Adolf von Baeyers
umgewandelt worden in eine Adolf von Baeyer -Jubi-
läumsstiftung.
Zugleich ist das Kapital durch eine neue Spende des Stif-
ters auf 50,000 M. erhöht worden.
Möge der gefeierte Name, den die Stiftung nunmehr trägt,
für alle Forschungen, die in Zukunft aus diesem Fonds Unter-
stützung finden werden, ein glückliches Omen sein!
C. Voit: Nekrologe. 433
Der Sekretär der mathematisch -physikalischen Klasse,
Herr C. v. Voit, teilt mit, daß die mathematisch-physikalische
Klasse in dem vergangenen Jahre sieben Mitglieder durch den
Tod verloren hat:
Das ordentliche Mitglied:
Dr. Carl v. Orff, Generalmajor a. D., gestorben den 27. Sep-
tember 1905.
Die auswärtigen Mitglieder:
Dr. Otto Wilhelm v. Struve, Direktor der russischen Stern-
warte in Pulkowa, gestorben am 14. April 1905;
Dr. Albert v. Kölliker, Professor der Anatomie an der Uni-
versität zu Würzburg, gestorben am 2. November 1905.
Die korrespondierenden Mitglieder:
Dr. Georg Meißner, Professor der Physiologie an der Uni-
versität zu Göttingen, gestorben am 30. März 1905;
Dl'. Walther Flemming, Professor der Anatomie an der Uni-
versität zu Kiel, gestorben am 4. August 1905;
Dr. Ferdinand Frhr. V. Richthof en, Professor der Geographie
an der Universität zu Berlin, gestorben am 6. Oktober 1905;
Dr. Otto Stolz, Professor der Mathematik an der Universität
zu Innsbruck, gestorben am 23. November 1905.
Carl V. Orif.*)
Am 27. September 1905 ist das ordentliche Mitglied der
mathematisch -physikalischen Klasse, der Generalmajor a. D.
Dr. Carl v. Orff im Alter von 77 Jahren verschieden. Ein
ungemein reiches Leben liegt hiermit abgeschlossen vor uns,
denn der Verstorbene war nicht nur ein hervorragender
Offizier, sondern auch ein bedeutender Gelehrter, der durch
*) Siehe den Nekrolog von Professor Dr. Karl Oertel, AUg. Zeitung,
Beilage vom 1. Oktober 1905, Nr. 227. und Vierteljahrschrifb der astron.
Ges. 1906, 41. Jahrg., 1. Heft, S. 3.
4:34 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
seine wissenschaftliche Tätigkeit die theoretische und praktische
Geodäsie wesentlich gefordert hat.
Er wurde in München als der Sohn eines Kriegsrates am
23. September 1828 geboren und erhielt seine erste Erziehung
im K. Kadettenkorps, da die Tradition der Familie ihn für die
militärische Laufbahn bestimmt hatte. Schon hier erregte er
durch sein Talent und seinen Fleiä die Aufmerksamkeit seiner
Lehrer, insbesondere durch seine Befähigung und sein<e Kennt-
nisse in der Mathematik. Darum wurde er als 23jähriger
Leutnant zur mathematischen Sektion des topographischen
Bureaus kommandiert, wodurch er in die Bahn gelenkt wurde,
auf welcher er so Ausgezeichnetes leisten sollte. In dieser
Stellung machte er unter der Leitung des verdienten Direktors
des topographischen Bureaus Friedrich Weiiä zunächst um-
fassende Terrainaufnahmen in der westlichen Pfalz und dann
Zenithdistanzmessungen in weiteren Gebieten Bayerns. Ein
längerer zur Ausbildung benutzter Urlaub führte ihn nach Paris,
woselbst er unter anderen den berühmten Mathematiker Gauchy,
an welchen er empfohlen war, näher kennen lernte. Als
Hauptmann im topographischen Bureau des Generalquartier-
meisterstabes machte er den Feldzug des Jahres 1866 mit, in
dem er Leiter der Feldtelegraphenabteilung war.
Orff hörte nicht auf, gröi^tenteils durch Selbststudium, an
der Vervollkommnung seiner Kenntnisse imd Erfahrungen
eifrigst zu arbeiten. In diesem Bestreben verbrachte er nach
Beendigung des Feldzugs seine ürlaubszeit an der Sternwarte
zu Bogenhausen zu, die damals unter der Leitung unseres ver-
storbenen Mitgliedes, des berühmten Astronomen Johann Lamont
stand, der sich insbesondere durch seine erdmagnetischen Unter-
suchungen große Verdienste erworben hat. Die Bekanntschaft
und spätere innige Freundschaft mit diesem hervorragenden
Gelehrten war von großem Einfluß auf Orffs Entwicklung; die
Anregung zu seinen wertvollen astronomisch -geodätischen
Studien und Beobachtungen verdankt er seinem Lehrer Lamont.
Mittlerweile war Orff (1867) zum Dozenten für reine und
angewandte höhere Mathematik an der damals gegründeten
C. Voit: Nekrolog auf Carl v. Orff. 435
Kriegsakademie ernannt worden, welches ihm sehr zusagende
Amt er als äußerst beliebter Lehrer 33 Jahre lang ausübte.
Im Jahre 1868 erfolgte seine Beförderung zum Major und zum
Direktor des topographischen Bureaus an Stelle des verstorbenen
Obersten Weiß. Als solcher hat er sich durch seinen uner-
müdlichen Pflichteifer und durch das volle Verständnis der
wichtigen Aufgabe sehr verdient gemacht; es ist ihm durch
seine wissenschaftlichen und praktischen Kenntnisse gelungen,
das seiner Leitung unterstellte Listitut während 22 Jahren
ganz auf der Höhe der schnell fortschreitenden Zeit zu er-
halten. Namentlich verdankt man ihm die Neubearbeitung
und Herausgabe der 50 000 -teiligen Blätter des topographischen
Atlas von Bayern sowie der 250 000 -teiligen Blätter der Karte
von Süd Westdeutschland (der Generalquartiermeisterstabskarte);
als eine praktische Leistung, an welcher Orff den rühmlichsten
Anteil hat, darf die bekannte prompte Ausrüstung der bayerischen
und teilweise auch der preußischen Armee mit Kriegskarten
während des Feldzuges 1870/71 bezeichnet werden. Es fiel
ihm dann auch die umfangreiche Aufgabe zu, die Bearbeitung
des auf Bayern treffenden Anteils der 100 000 -teiligen Karte
des Deutschen ßeiches in die Wege zu leiten und zu über-
wachen. Seine Verdienste in dieser Stellung wurden im In-
lande und im Auslande voll anerkannt und gewürdigt. Nach-
dem er im topographischen Bureau bis zum Generalmajor vor-
gerückt war und 44 Jahre in der Armee gedient hatte, erbat
er sich im Jahre 1890 wegen geschwächter Sehkraft die Pen-
sionierung.
Die meisten hätten sich wohl an dieser Tätigkeit genügen
lassen, aber dem regen Geiste und dem rastlosen Forschungs-
drange Orffs genügte die Direktion des topographischen Bureaus
für sich allein auf die Dauer nicht. Er sehnte sich nach rein
wissenschaftlicher Arbeit, weshalb er auch noch zehn Jahre,
wie vorher erwähnt, die Stelle als Dozent der Mathematik an
der Kriegsakademie beibehielt.
Da trat am Ende der sechziger Jahre eine große Aufgabe
an ihn heran, seine Beteiligung an der bayerischen Landes-
1906. SitBiittcsb. d. iiuih.-ph7S. KL 29
436 ÖfiPentliche Sitzung vom li. März 1906.
Vermessung. Nach der in Frankreich während der französischen
Revolution zur Ermittlung der Gestalt der Erde durchgeführten
großen Gradmessung fanden nach dem wiederhergestellten
Frieden in vielen Staaten ähnliche Gradmessungen und Landes-
vermessungen statt; so begann auch in Bayern, nachdem schon
1801 von französischen Offizieren Vorarbeiten für ein Haupt-
dreiecksnetz gemacht worden waren, eine Landesvermessung mit
einer von dem Astronomen Soldner unter Mithilfe von Schiegg
nach wissenschaftlichen Prinzipien und mit den zur Zeit besten
von Reichenbach und Fraunhofer gebauten geodätischen und
astronomischen Instrumenten ausgeführten Triangulation. Es
hatte sich dabei seit Anfang des 19. Jahrhunderts ein außer-
ordentlich umfangreiches Beobachtungsmaterial angehäuft, das
noch der Verwertung harrte. Orff übernahm, nachdem Bauern-
feind die Bearbeitung niedergelegt hatte, freiwillig die Aufgabe.
Es waren enorme Schwierigkeiten zu überwältigen, denn es
war über die von Soldner erdachte der Landesvermessung zu
Grunde liegende genaue Projektionsmethode noch gar nichts
veröffentlicht, so daü Orff sich das gesammte Material im Archiv
des E. Katasterbureaus erst mühsam zusammensuchen mußte.
Nur der beharrlichsten Ausdauer und aufopferungsvollen Hin-
gebung sowie der sichersten Sachkenntnis konnte es gelingen
die gewaltige Aufgabe zu bewältigen. Schon im Juni 1873
war die Bearbeitung des von dem K. B. Eatasterbureau
herausgegebenen großen Werkes: „Die bayerische Landesver-
messung in ihrer wissenschaftlichen Grundlage ** in einem
100 Druckbogen umfassenden Quartband vollendet. Es ist
die größte Leistung Orffs. Das durchaus selbständige, den Geo-
däten innerhalb und außerhalb Bayerns unentbehrlich gewordene
und allgemein anerkannte Werk nimmt einen hohen wissen-
schaftlichen Rang ein sowohl durch die äußerst sorgfaltige
mustergiitige Verarbeitung des Ungeheuern Zahlenmaterials als
auch durch die vollendete Verwendung der theoretischen Vor-
schriften.
Nach Abschluß desselben folgten die astronomisch -geo-
dätischen Ortsbestimmungen Orffs an der hiesigen Sternwarte.
C. Voit: Nekrolog auf Carl v. Orff. 437
Er machte zunächst eine Bestimmung der geographischen Breite
der K. Sternwarte bei München nach Talcotts Methode und
im ersten Vertikal, welche 1877 in den Annalen der K. Stern-
warte veröflFentlicht wurde. Dann folgten weitere Breitebestim-
mungen in Bayern im Auftrage der K. B. Kommission für die
europäische Gradmassung, deren Vorsitzender damals Lamont
war. Der preußische General v. Baeyer, der Vater unseres
verehrten Kollegen, hatte nämlich eine einheitliche mittel-
europäische Gradmessung zwischen dem französischen und russi-
schen Meridian angeregt, zu deren Durchführung sich alle von
dem bezeichneten Meridian berührten Staaten, zu denen auch
Bayern gehört, anschlössen und die , europäische Gradmessungs-
Konunission* bildeten. Nach dem Beitritt der Vereinigten
Staaten von Nordamerika, von Japan und Großbritannien wurde
sie zur Kommission der „internationalen Erdmessung" erweitert;
der bayerischen Kommission für die europäische und interna-
tionale Erdmessung, welche die auf Bayern treflFenden Erd-
messungsarbeiten nach den Beschlüssen der allgemeinen Kon-
ferenzen zu betätigen hatte, gehörten außer Lamont noch
Bauemfeind, Seidel und Seeliger an und nach Bauernfeind^s
Tod (1894) Orff für die geodätischen Fragen. Auch an diesen
Problemen beteiligte sich Orff mit gewohnter Hingebung durch
ganz auf der Höhe der Wissenschaft stehende astronomisch-
geodätische Arbeiten.
Die vorher erwähnten Beobachtungen zu den Breitebe-
stimmungen in Bayern fanden in Nürnberg, Mittenwald, Holz-
kirchen, Ingolstadt und der Wülzburg statt und wurden (1880)
als astronomisch-geodätische Ortsbestimmungen in Bayern von
der K. B. Kommission für die europäische Gradmessung heraus-
gegeben.
Daran schlössen sich die 1874 begonnenen, der europä-
ischen Gradmessung dienenden ausgedehnten „ telegraphischen
Längenbestimmungen für die K. Sternwarte zu Bogenhausen*
an, welche in zwei Teilen (1888 und 1893) von der K. B.
Kommission für die internationale Erdmessung herausgegeben
wurden und in den Denkschriften unserer Akademie erschienen
29*
438 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
sind. Diese Arbeiten sollten die exakte telegraphische Be-
stimmung des astronomischen Längenunterschiedes möglichst
vieler Orte gegen die Münchener Sternwarte liefern, dann die
astronomischen Koordinaten einer gröiseren Anzahl von Punkten
innerhalb Bayerns und die in diesen Punkten herrschenden
Lotabweichungen ermitteln, und vor allem die genaue Orien-
tierung des bayerischen Uauptdreiecksnetzes auf dem Erd-
sphüroid ergeben. Dabei wurden zunächst die Längenunter-
schiede bestimmt zwischen Bogenhausen einerseits und Wien,
dem PfUnder und Prag anderseits, wodurch der Anschluß an
die von dem Astronomen v. Oppolzer in Wien geleitete öster-
reichische Gradmessung hergestellt war; dann folgte eine gleich-
zeitige Längenbestimmung innerhalb des Viereckes Bogenhausen,
Wien, Padua und Mailand; femer eine Bestimmung zwischen
den Sternwarten Bogenhausen, Wien und Strasburg, sowie
eine solche zwischen Bogenhausen, Wien und Greenwich und
endlich die mit Professor Plantamour gemachte zwischen Bogen-
hausen und Genf.
Von Bedeutung war auch seine ungemein sorgfaltige »Be-
stimmung der Länge des einfachen Sekundenpendels auf der
Sternwarte zu Bogenhausen'' mit dem ihm von Professor
V. Oppolzer in Wien tiberlassenen Ueversionspendel (1883).
Zuletzt trat noch eine wichtige Aufgabe an Orfif heran,
nämlich die Messung der Größe der Schwerkraft der Erde
mit dem Pendelapparat das österreichischen Obersten v. Sterneck.
Man hat dieselbe an verschiedenen Orten der Erde ermittelt
aus der Schwingungsdauer eines Pendels oder aus der Länge
des Sekundenpendels und erfahren, da£i zwischen den geodä-
tischen und astronomischen Längen- und Breitenmessungen Ab-
weichungen sich finden. Man hat dieselben aus besonderen
Lage- und Dichtigkeitverhältnissen der die Erdkruste bilden-
den Mineralmaisen zu erklären gesucht. Aus diesem Grunde
haben insbesondere die Geologen großes Interesse an der Frage
genommen. OrfP hat daher umfassende Pendelbeobachtungen
ausgeführt; es gelang ihm bald die Schwierigkeiten, welche
sich dabei einer genauen Zeitbestimmung entgegenstellen, in
C. Voit: Nekrolog auf Otto Struve. 439
einfachster Weise zu überwinden und für Bayern fast ab-
schließende Resultate zu erhalten, die er in einer in den
Sitzungsberichten der Akademie (1897) erschienenen Abhand-
lung: ,, Bemerkungen über die Beziehungen zwischen Schwere-
messungen und geologischen Untersuchungen und Bericht über
die in Bayern begonnenen Pendelmessungen" niederlegte. Bis
kurz vor seinem Tode hat Orff die Erdmessungsarbeiten in
Bayern geleitet.
In einer in der Festsitzung der Akademie vom 15. No-
vember 1893 gehaltenen Rede: ,,Uber die Hilfsmittel, Methoden
und Resultate der internationalen Erdmessung* resümierte 'er
die Fortschritte dieser Wissenschaft, die seiner Arbeit so viel
verdankt.
Die philosophische Fakultät unserer Universität ernannte
ihn (1883) in Würdigung seiner Verdienste um die Wissen-
schaft zum Ehrendoktor der Philosophie.
Wir haben ihn nicht nur wegen seiner selbstlosen Hin-
gebung für die Wissenschaft verehrt, sondern auch wegen
seines reinen und edlen Charakters geliebt; von wahrer Be-
scheidenheit und Humanität war er stets voll Freundlichkeit
und Liebenswürdigkeit gegen Alle.
So ist sein Lebenswerk ein gesegnetes für .die Wissen-
schaft gewesen; der Name »Orff* wird in der Geschichte der
Geodäsie immer in Ehren genannt werden.
Otto Struve.^)
Am 14. April 1905 ist der berühmte Astronom Otto v.
Struve, Direktor der Sternwarte in Pulkowa, im Alter von
86 Jahren gestorben. Er gehörte unserer Akademie seit dem
Jahre 1866 als auswärtiges Mitglied und als Nachfolger seines
Vaters Wilhelm Struve an. Die Struves sind eine Astronomen-
familie; der Vater Wilhelm Struve hatte sich als Leiter der
berühmten Sternwarte in Pulkowa die größten Verdienste er-
*) Siehe den Nekrolog von M. Nyr^n, in der Vierteljahrschrift der
ABtronom. Gresellschaft 40, S. 286.
440 ('m'entliche Sitzung vom 14. März 1906.
worben; der Sohn Otto Struve setzte das Werk des Vaters
in rülimlichor Weise fort, indem er auf verschiedenen Gebieten
der Astronomie, insbesondere durch seine ausgedehnten Mes-
sungen der Dojjpelsterne, hervorragende Erfolge erzielt hat;
auch zwei Söhne Ottos sind bekannte Astronomen.
Otto Struve wurde am 7. Mai 1819 in Dorpat geboren,
wo sein Vater, dessen Eltern aus Altona eingewandert waren,
Professor an der Universität und Direktor der Sternwarte war;
in derselben befand sich der groüe von Fraunhofer herge-
stellte, in der öffentlichen Sitzung unserer Akademie vom
10: Juli 1824 beschriebene Refraktor von 9 Zoll Öffnung.
Nach Absolvierung des Gymnasiums in Dorpat besuchte er die
damals in hoher Blüte stehende Universität daselbst. In der
Sternwarte aufgewachsen war er früh entschlossen sich der
Astronomie zu widmen, so daß er bald seinem Vater behilflich
sein konnte und schon im Alter von 18 Jahren vor Abschluß
der Universitätsstudien als Assistent an der Sternwarte ange-
stellt wurde.
Nachdem unter dem Kaiser Nikolaus I. das große astro-
nomische Zentralinstitut in Pulkowa auf einem Bergrücken
bei St. Petersburg in den Jahren 1833—1839 entstanden war,
wurde W. Struve zum Direktor der glänzend ausgerüsteten,
besonders für Stellar-Astronomie bestimmten Anstalt bestellt.
Neben anderen vollendeten Instrumenten war daselbst der von
den Nachfolgern Fraunhofers, Georg Merz und Mahler ver-
fertigte 14 zöllige Refraktor, das mächtigste optische Instrument
der damaligen Zeit, aufgestellt. Später ergab sich das Bedürfnis
nach einem noch größeren Fernrohr, das 1884 als ein 30 Zöller
von Clark fertig gestellt wurde. Otto Struve wurde zugleich neben
anderen jungen Gelehrten als Gehilfe des Direktors eingesetzt
und nahm von da an hervorragenden Anteil an den Arbeiten
des Observatoriums durch vielfache Beobachtungen und Unter-
suchungen. Das Jahr 1841 brachte ihm den Titel eines Ma-
gisters der Astronomie an der Universität zu St. Petersburg.
Als vom Jahre 1845 an bei der ausgebreiteten astronomi-
schen und geodätischen Tätigkeit seines Vaters diesem nicht
C. Voit: Nekrolog auf Otto Struve. 441
mehr die Zeit blieb, sich der Verwaltung der Sternwarte zu
widmen, fielen diese zeitraubenden Arbeiten dem Sohne zu, der
sich deshalb noch in jungen Jahren, ehe er das 30. Lebens-
jahr erreicht hatte, nicht so wie er gewünscht hätte, den
eigenen Forschungen hingeben konnte. Er erhielt dann das
Amt eines zweiten Astronomen, 1858 das eines Verwalters
der Sternwarte und im Jahre 1862 nach dem Rücktritt seines
Vaters das des Direktors. Im Jahre 1889 beging er das
50jährige Jubiläum der Sternwarte und trat dann im Alter
von 70 Jahren von der Stelle, die er während 28 Jahren
ruhmvoll bekleidet hatte, zurück und lebte seitdem größten-
teils bei nahen Verwandten in Karlsruhe.
Aus Mangel an Arbeitskräften war es längere Zeit nicht
möglich gewesen die vielenr mit den Instrumenten gewonnenen
Beobachtungen zu bearbeiten; erst vom Jahre 1857 an konnten
die dazu nötigen Keduktionen in Angriff genommen werden.
Es wurden zuerst mit größtem Fleiße die Konstanten zur Be-
rechnung der Beobachtungen ermittelt: Die Refraktion, die
Aberration, die Nutation, die Präzession. Die letztere Auf-
gabe fiel dem jungen Otto Struve zu, der seine diesbezüglichen
Beobachtungen in einer wichtigen Abhandlung: „Bestimmung
der Konstante der Präzession mit Berücksichtigung der eigenen
Bewegung des Sonnensystems", welche Bewegung man früher
nicht mit in Rechnung gezogen hatte, (1841) veröffentlichte.
Über ein halbes Jahrhundert sind diese in Pulkowa bestimmten
Konstanten allgemein in Gebrauch gewesen und haben viel
dazu beigetragen, die astronomischen Beobachtungen auf ein
gemeinschaftliches System zurückzuführen.
Aus allen diesen großen Arbeiten entstanden die „Obser-
vations** durch Otto Struve und seine Mitarbeiter, denen er
das gemeinsame Ziel gab und zu denen spätere berühmte Namen
der Astronomie zählten. Sie enthalten die Kataloge der Rektas-
zension, der Deklination der Hauptsterne, der Beobachtungen
im ersten Vertikal am Vertikalkreis und am Meridiankreis mit
dem Passageinstrument.
Die Haupttätigkeit Otto Struves war die mit dem großen
142 (")mMitliehe Sitzung vom 14. März 1906.
Refraktor, insbesondere das Aufsuchen neuer Doppelsteme und
möglichst scharfer Mikrometermessungen derselben. Diese durch
40 Jahre fortgesetzten Messungen, welche im 9. und 10. Band
der Observations enthalten sind, bieten ein ungemein reiches und
wichtiges Quellenmaterial für alle Zeiten; sie sind die reifste
Frucht der Lebensarbeit Struves. Außerdem stammen von ihm
noch viele Monographien über einzelne Resultate seiner Be-
obachtungen über Doppelsterne, Kometen, Nebelflecke, Stem-
parullaxen, Planetentrabanten, die Saturnringe.
Bei den Bestimmungen der Doppelsterne bemerkte man
auffallige Unterschiede in den Messungen der gleichen Er-
scheinung bei den verschiedenen Beobachtungen, die man bis
dahin zumeist den angewandten Beobachtungsmethoden und
nicht den Beobachtern zuschrieb. * Struve erkannte die auch
für die Physiologie wichtige Tatsache, daß diese Unterschiede
vor allem von der Verschiedenheit der Beobachter, von deren
persönlichen Messungsfehlern, herrühren. Er machte zur Er-
mittlung der Größe derselben Beobachtungen an künstlichen
Doppelsternen mittelst einer höchst ingeniösen Methode. In
einer 2,5 km entfernten schwarzen Tafel waren in verschie-
denen Entfernungen und Richtungen vom Zentrum kreisrunde
Löcher von verschiedenem Durchmesser angebracht; alle Löcher
waren durch schwarze Stöpsel geschlossen bis auf zwei, welche
gerade gemessen werden sollten. Da die Entfernung der Tafel
von dem Refraktor bekannt war, sowie die Enttemung und
Richtung der einzelnen Löcher, so konnte man die gemessenen
Zahlen auf ihre Richtigkeit prüfen. Es ergaben sich in der
Tat nicht unbedeutende systematische Fehler in den Distanzen
und den Positionswinkeln. Mit Hilfe der aus allen diesen
Messungen abgeleiteten empirischen Formeln wurden dann die
unmittelbaren Beobachtungsergebnisse korrigiert.
Außerdem war Otto Struve bei einer Reihe wichtiger
wissenschaftlicher Unternehmungen beteiligt. Er war es, der
die Durchführung der großen russischen Meridianbogenmessung
und die Verbindung derselben mit den übrigen europäischen
Gradmessungen ermöglichte. Der Vater W. Struve wünschte
PI»':
C. Voit: Nekrolog auf Otto Stnive. 443
nämlich seiner russisch-skandinavischen Breitegradmessung eine
Längengradmessung auf dem 47. Parallel zwischen Brest und
Astrachan hinzuzufügen. Da er dabei jedoch auf Schwierig-
keiten bei den westeuropäischen Staaten stieß, schlug Otto
Struve (1860) vor den Bogen auf dem 52. Parallel auf der
weiten 69° umfassenden Strecke zwischen Arsk in Sibirien und
Valencia auf Island zu messen, welch großartige Arbeit unter
Beteiligung aller davon berührten Staaten zustande kam. Auch
wirkte er (1843) bei der Bestimmung des Längenunterschiedes
Pulkowa — Green wich mit. Die geodätisch-topographische Auf-
nahme des russischen Reiches hat er eifrig gefördert.
Er beteiligte sich ferner an zwei Expeditionen zur Be-
obachtung totaler Sonnenfinsternisse, 1851 an der nach Polen
und 1860 an der nach Spanien. Bei den Vorbereitungen zur
Beobachtung des Venusdurchgangs 1874 war er entscheidend
tätig. Er regte ferner die neue Reduktion der astronomischen
Messungen Bradley's, deren Wert für die Wissenschaft durch
BessePs fundamenta astronomica festgestellt worden ist, durch
Auwers an.
Seine Revision und Herausgabe des zweiten Katalogs von
Weiße, enthaltend die Sterne der Bessel'schen Zonen zwischen
-}- 15° und -\- 45° Deklination brachte der praktischen Astro-
nomie großen Nutzen. Ebenso nützlich war die mit Schiaparelli
gemachte Bearbeitung und Herausgabe der von Baron Deinbowski
Unterlassenen Doppelsternmessungen.
Von besonderem Interesse ist seine Schrift über das Ver-
hältnis Keplers zu Wallenstein auf Grund der in der Pulkowaer
Bibliothek befindlichen Manuskripte Keplers.
Li der alten Schule wurde in Pulkowa nur die messende
Astronomie betrieben; Struve verschloß sich aber dem Neuen
nicht. Als sich die Bedeutung der Astrophysik erwies, erwarb
er alsbald die zu solchen Untersuchungen notwendigen In-
strumente und setzte die SchafiPiing der Stelle eines Astro-
physikers bei der Sternwarte durchs Und als die Verwendbar-
keit der Photographie für astronomische Zwecke dargetan
wurde, nahm er lebhaftes Interesse an der photographischen
444 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
Aufnahme des Himmels und war Vorsitzender des internatio-
nalen Kongresses hiefür in Paris. In dieser Weise wußte er
den alten Glanz der Pulkowaer Sternwarte zu erhalten.
Struve gehörte zu den Begründern der so fruchtbar wir-
kenden astronomischen Gesellschaft. Er war leider ohne Er-
folg bestrebt die Kalenderreform und den Übergang vom Juli-
anischen zum Gregorianischen Kalender in Rußland durchzu-
setzen.
Ein besonderes inniges Verhältnis bestand zwischen ihm
und seinen zahlreichen Schülern und Mitarbeitern, die ihn wie
einen Patriarchen liebten. Überall hat er sich durch seine
edlen Charaktereigenschaften Freunde und Verehrer erworben.
Er war, trotzdem er gut deutsch geblieben ist, ein treuer An-
hänger Rußlands, insbesondere liebte er seine engere Heimat,
die baltischen Provinzen, und es war für ihn ein schwerer
Schlag, als Dorpat, in dem er die Verkörperung aller guten
Eigenschaften einer deutschen Universität erblickte und in der
so viele hervorragende Deutsche gewirkt hatten, den Namen
Jurjew erhielt.
Albert EOlUker.^)
Am 2. November 1905 starb in Würzburg der Anatom
Albert KöUiker im 89. Lebensjahre, der Senior der Würz-
burger Universität, eine der größten Zierden der Alma Julia
und der letzte jener Männer, die den Ruhm ihrer medizinischen
Fakultät begründet haben. Er hat als einer der Tätigsten
mitgearbeitet an der Vermehrung der Kenntnisse in der mikro-
skopischen Anatomie und in der Entwicklungsgeschichte des
Menschen und der Tiere, aus denen die heutigen Lehren in
diesen Wissenschaften hervorgingen. Mit seinem Tode ist ein
1) Siehe die Nachrufe von: W. Waldeyer, Anatomischer Anzeiger
1906, Bd. 28 Nr. 21, S. 539.
J. Sobotta, Münchener mediz. Wochenschr. 1905, Nr. 51.
0. Schnitze, mediz. Klinik 1905, Nr. 50.
0. Taschenberg, Leopoldina 1906, Heft 42, Nr. 6, S. 75.
A. Kölliker, Erinnemngen ans meinen Leben 1899.
C. Voit: Nekrolog auf Albert Kölliker. 445
Gelehrtenleben vollendet, welches wohl eines der köstlichsten
genannt werden darf; alles, die äußeren Bedingungen sowie
die körperlichen und geistigen Veranlagungen, und die Gunst
des Geschickes waren vereint, um ein harmonisches Dasein zu
bilden: Gesundheit an Leib und Seele, unermüdliche Arbeits-
kraft und Schaffensfreude bis ins höchste Alter hatten es er-
möglicht, daß er ein erschöpfendes Wissen und Können in
allen anatomischen Wissenschaften sich aneignen konnte und
durch äußerst fruchtbare Arbeit ein zuverläßiger all verehrter
Führer der Anatomen seiner Zeit wurde; und dann kam nach
diesem gesegneten Leben ein sanftes Ende ohne Empfindung
der Schwächen des Alters. So steht er vor uns, der uns allen
Lehrer und Vorbild in Fleiß und Ausdauer war.
Albert Kölliker wurde am 6. Juli 1817 als Sohn eines
angesehenen Kaufmanns in Zürich geboren; die Mutter war
eine Frau von hervorragender geistiger Begabung und feiner
Bildung, die ihren zwei Söhnen eine vortreffliche Erziehung
zuteil werden ließ; von ihr hatte der ältere Sohn Albert die
Schönheit des Körpers, die große Sprachenkenntnis und die
vornehme Erscheinung mit den Formen des Umganges des
Weltmanns. Er hatte auch das große Glück, daß die äußeren
Lebensverhältnisse ihm keine Beschränkung auferlegten und
ihm in Anschaffung von Büchern und Instrumenten, sowie in
Unternehmung von weiten Reisen freie Hand gegeben war.
Er entschloß sich bald zum Studium der Medizin, zu
welchem ihn die früh aufgetretene Neigung zu den sogenannten
beschreibenden Naturwissenschaften geführt. Die letztere war
wohl wie bei so vielen seiner Landsleute genährt durch die
Schönheiten der Natur seines Vaterlandes, dem er immer als
treuer Sohn in Liebe anhing. Schon als Knabe sammelte er
eifrig Schmetterlinge und im Gymnasium Pflanzen; an der
Universität zu Zürich, an die er 1836 übergetreten war, be-
trieb er daher besonders die Naturwissenschaften ; für die prak-
tische Medizin hatte er von Anfang an ein geringeres Interesse
und Verständnis. Er fand dort vortreffliche Lehrer, den Phy-
siker Mousson, den Chemiker Löwig, den Mineralogen Julius
446 Öfl'entliche Sitzung,' vom 14. März 1906.
Fröbel, den Anatomen Friedrich Arnold, den Geologen Escher
von der Lindt, den Botaniker Oswald Heer und den früher
unserer Akademie angehörenden Zoologen und Naturphilosophen
Lorenz Oken. Besondere Anregung erhielt er durch von der
Lindt und Oken, vor allem aber durch den geistvollen Heer,
der in ihm das lebhafteste Interesse für die heimische Flora
erweckte. Mit ihm und mit seinem Freunde, dem späteren
berühmten Botaniker Karl Nägeli durchforschte er die Flora
seines Heimatkantons und legte ein umfangreiches Herbarium
an; die Frucht dieser Beschäftigung war die erste Schrift des
zwanzigjährigen Studenten, ein „Verzeichnis der phanerogami-
schen Gewächse des Kantons Zürich, 1839", das nicht nur
eine Aufzählung der Arten und Fundorte war, sondern auch
auf klimatische und Bodenverhältnisse Rücksicht nahm. Es
ist sehr zu beklagen, daß unsere Mediziner dieses vorzügliche
Mittel an Naturobjekten beobachten zu lernen wegen Über-
bürdung mit als wichtiger angesehenen Fächern nur wenig
mehr benützen.
Nach einem in Bonn zugebrachten Semester begab er sich
mit seinem Freunde Nägeli für drei Semester nach Berlin
(1839). Er bezeichnete diesen Aufenthalt als einen Wende-
punkt in seinem Leben, der seinen Studien von nun an die
Richtung gab. Durch Johannes Müller, Jacob Henle und
Robert Remak empfing er vollständig neue Eindrücke. Der
mit seinem umfassenden Geist noch immer fortwirkende Johannes
Müller zeigte ihm den Zusammenhang der Formen der Tiere
und führte ihn in die vergleichende Anatomie besonders der
wirbellosen Tiere ein. Bei Jacob Henle lernte er die Lehren
von C. Th. Schwann, der kurz vorher (1839) durch die Ent-
deckung der Zellen als Grundlage aller Gewebe des Tier-
körpers eine neue Ära der anatomischen Disziplin eröfPhet
hatte, kennen und durfte er in dessen Demonstrationen zum
erstenmale mit dem Mikroskop Blutkörperchen, Epithelien,
Samenfaden etc. sehen. Von dem talentvollen Robert Remak
erhielt er in Vorlesungen und in Demonstrationen über die
Entwicklung des Hühnchens die ersten Anregungen auf dem
C. Voit: Nekrolog auf Albert Kölliker. 447
Gebiete der Entwicklungsgeschichte, die durch die Forschungen
von Döllinger, Karl Ernst v. Baer und Theodor BischofP mächtig
gefördert worden war. Man kann sich denken, wie dies alles
auf den jungen Kölliker wirkte; er sah ein großes Arbeits-
feld vor sich, das zu bebauen er fest entschlossen war.
In seinem 9. Semester schaffte er sich in Berlin zu diesem
Zweck ein Mikroskop von Schick an, mit dem er halbe Nächte
lang arbeitete. So entstand (1841), seine erste mikroskopische
Arbeit: „Untersuchungen über die Geschlechts Verhältnisse der
wirbellosen Tiere und über die Bedeutung der Samenfäden*,
mit welcher er sich in Zürich den Grad eines Doktors der
Philosophie erwarb; ein Jahr später wurde er in Heidelberg
zum Doktor der Medizin promoviert unter Vorlage einer ver-
gleichend-embryologischen Untersuchung an Fliegenlarven: „Be-
obachtungen über die erste Entwicklung der Insekten**.
Von Berlin aus machte Kölliker mit Nägeli seine erste
wissenschaftliche Reise nach Föhr und Helgoland zum Studium
der Fauna und Flora des Meeres, von wo sie ein reiches
Material zurückbrachten. Auf der Heimreise nach Zürich
suchten die beiden den Botaniker Schieiden in Jena auf, um
den Entdecker der Zellen in den Pflanzen kennen zu lernen.
Unterdessen war Henle (1841) als Professor der Ana-
tomie nach Zürich berufen worden; derselbe nahm den ihm
schon bekannten jungen Kölliker, dessen Wert er erkannt
hatte, als Hilfsassistent auf; ein Jahr darauf wurde er Pro-
sektor bei dem Manne, den er als den hervorragendsten Ana-
tomen seiner Zeit pries und später seinen Freund nennen durfte,
von dem er in der Gewebelehre die größte Förderung empfing.
Durch seine Studien war Kölliker bald auf die Bedeutung
der Beobachtung der niederen Tiere des Meeres für die ver-
gleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte geführt worden ;
er ging daher in richtiger Einsicht auf ein halbes Jahr mit
Nägeli nach Neapel und Messina. Es waren zwar schon vor
ihnen solche Reisen an die Meeresküste von Tiedemann, Stannius,
Joh. Müller und Anderen gemacht worden, aber sie wurden
doch erst von da an für einen wissenschaftlichen Biologen als
448 öffentliche Sitzung vom 14. Mä^rz 1906.
notwendiges Rüstzeug angesehen. Kölliker war begeistert von
der Manigfaltigkeit der Formen und bereicherte mit größter
Energie und reinstem Genüsse seine Kenntnisse der Seetiere,
deren Erlangung damals noch mit großen Schwierigkeiten ver-
bunden war. Insbesondere interessierten ihn die Tintenfische;
die Hauptfrucht seiner Arbeiten war außer zahlreichen kleineren
VeröflFentlichungen die Entwicklungsgeschichte der Oephalo-
poden: es war sein erstes größeres, wahrhaft grundlegendes
Werk, die erste umfassende Darstellung einer ununterbrochenen
Reihe von Entwicklungsstadien eines wirbellosen Tieres; ich
stehe nicht an dieses Werk als eine seiner bedeutendsten Taten
zu bezeichnen.
Nach der Rückkunft von seiner Reise habilitierte sich
Kölliker (1843) in Zürich mit einem Probevortrag als Privat-
dozent, aber schon ein Jahr darauf wurde er, nachdem Henle
nach Heidelberg gegangen war, zum außerordentlichen Professor
der Physiologie und vergleichenden Anatomie ernannt. Da
kam, als er eben 30 Jahre alt war (1847), durch Rineckers
Einfluß der ehrenvolle Ruf nach Würzburg als ordentlicher
Professor der Physiologie, vergleichenden und mikroskopischen
Anatomie und Entwicklungsgeschichte; im Jahre 1849 erhielt
er noch die Professur der deskriptiven Anatomie mit den
Präparierübungen dazu, so daß er längere Zeit 14-16 Stunden
in der Woche Vorlesungen hielt. Der Würzburger Universität
hätte kein größeres Glück widerfahren können, aber auch
Kölliker bekam die Gelegenheit eine Lehr- und Forscher-
tätigkeit ohne Gleichen zu entwickeln. Er hat zum damaligen
Aufblühen der medizinischen Fakultät neben Virchow das
Meiste beigetragen. Es entfaltete sich dadurch in Würzburg
ein außerordentliches wissenschaftliches Leben unter den Lehrern
und Studierenden. In den Instituten sammelten sich streb-
same Schüler, die ihre ersten wissenschaftlichen Arbeiten
machten und mit Stolz auf die Entdeckungen ihrer Lehrer
blickten. Die Universität Würzburg war ihm dadurch so lieb
geworden, daß er verschiedene Berufungen, nach Breslau, Bonn
und auch nach München, ablehnte. Er hatte auch das Glück,
C. Voit: Nekrolog auf Albert Kölliker. 449
talentvolle junge Forscher zu finden, die ihn in seineni Amte unter-
stützten ; es war namentlich der unvergeßliche, frühverstorbene
Heinrich Müller, der durch seine anatomischen und physiologischen
Arbeiten über die Netzhaut berühmt geworden war; dann der
noch lebende vortreffliche vergleichende Histologe Franz Leydig
und der spätere große Anatom Carl Gegenbaur. Mit Leydig
wurde der erste, in später Abendstunde abgehaltene mikrosko-
pische Kursus in Deutschland eingerichtet, Spezialvorlesungen
über vergleichende Gewebelehre und vergleichende Entwicklungs-
geschichte gehalten, für welche sich immer ein Kreis wissens-
durstiger Zuhörer fand; heutzutage, mit dem einzigen Streben
bei den Meisten die Prüfung mit Not zu bestehen, ist dies
leider ganz anders geworden. Ich erinnere mich mit den Ge-
fühlen des tiefsten Dankes an die schöne Zeit, in der ich bei
ihm als junger Mediziner 1851/52 die Vorlesungen über Ana-
tomie, Gewebelehre, Physiologie, Entwicklungsgeschichte, ver-
gleichende Anatomie und vergleichende Entwicklungsgeschichte
hören durfte und in der Handhabung des Mikroskops unter-
richtet wurde zu einer Zeit, wo uns an der Münchener Uni-
versität noch keine Gelegenheit gegeben war die feineren Formen
mit dem Mikroskop zu beobachten oder Entwicklungsgeschichte
zu lernen. Durch seine Vorlesung wurde, obwohl sie keine
Experimente und Apparate brachte, zuerst die Lust zur Phy-
siologie in mir erweckt.
Nach dem Tode von Heinrich Müller (1864) gab er die
Physiologie ab und behielt die Leitung des anatomischen und
des zootomischen Instituts mit den Vorlesungen bei. Erst 1897
an seinem 80, Geburtstag, den er noch in voller geistiger Kraft
und Schaffensdrang feierte, und nach 50jähriger Wirksamkeit
als Professor in Würzburg überließ er die Professur für Ana-
tomie seinem langjährigen Schüler Philipp Stöhr, las aber noch
über vergleichende Anatomie, Mikroskopie und Entwicklungs-
geschichte; vom 85. Lebensjahre ab prüfte er noch im Doktor-
examen und war regelmäßig mit mikroskopischen Allheiten im
anatomischen Institut bis wenige Tage vor seinem Tode be-
schäftigt, so daß er 64 Jahre lang im Dienste der Wissen-
450 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
scbafk verbrachte. Seine letzte einige Tage nach seinem Tode
erschienene Arbeit handelte über die Entwicklung der Elemente
des Nervensystems. Er genoß die Freude, da& viele der von
ihm aufgestellten Lehren sich Bahn brachen und von Einfluß
auf die weitere Entwicklung der morphologischen Wissen-
schaften waren. Auch im hohen Alter verschloß er sich dem
Neuen nicht, sondern machte sich dasselbe schnell zu eigen,
so daß er immer einer der Modernsten blieb.
Die größten wissenschaftlichen Erfolge KöUikers liegen
auf dem Gebiete der mikroskopischen Anatomie und der Ent-
wicklungsgeschichte. Man muß bedenken, welche gewaltigen
Fortschritte in beiden Disziplinen in den 60 Jahren seit dem
Eingreifen Köllikers gemacht worden sind; zu keiner Zeit war
die Umwandlung derselben größer als in dieser, hervorgerufen
durch die Ausbildung der Schwannschen Zellenlehre. Er hat
die Fortschritte alle mitgemacht und tätig dabei mitgewirkt;
keine Zeit war aber auch günstiger für einen jungen Forscher,
wo jedes Bemühen reiche Früchte trug.
Sein Hauptverdienst besteht in der ungemein umfassenden
und äußerst sorgfaltigen Detailarbeit, der Ermittlung einer
Fülle neuer Beobachtungstatsachen, die nötig waren um zu
allgemeinen Schlußfolgerungen und Fragen zu gelangen; er
hat dadurch den größten Nutzen geschajQTen, wenn er auch
keine neuen Probleme aufstellte und seiner Wissenschaft keine
ganz neuen Wege erschloß. Jede auftauchende Beobachtung
griff er alsbald voll Eifer auf, prüfte dieselbe nach und ver-
folgte sie weiter; durch seine reichen Erfahrungen wirkte er
bei wichtigen Fragen von allgemeiner Bedeutung klärend und
scharf kritisierend und trug so zur Lösung derselben bei.
Die Bedeutung Köllikers kann nicht schöner und wahrer
geschildert werden als dies in der ihm von der physikal.
mediz. Gesellschaft in Würzburg zum 80. Geburtstag gewid-
meten Adresse durch Boveri geschehen. Es heißt darin: «Mit
einer unvergleichlichen Allseitigkeit und seltenem Scharfblick
begabt, haben Sie überall sofort die Fruchtbarkeit und Trag-
weite eines neuen Gedankens, einer neuen Beobachtung, einer
C. Voit: Nekrolog auf Albert Kölliker. 451
neuen Methode erkannt; mit immer gleichbleibender Jugend-
lichkeit haben Sie stets in das Neue sich hineingelebt, um als-
bald allen Arbeitsgenossen voran zu schreiten. An jeder großen
wissenschaftlichen Bewegung baben Sie führend Teil ge-
nommen.'
Es gibt kaum einen Körperteil oder ein Gewebe der
höheren und niederen Tiere, woran sich nicht eine wichtige
mikroskopisch-anatomische Entdeckung KöUikers knüpft. Es
sei nur erinnert an den ersten Nachweis der Bildung der
Samenfaden, an den Nachweis des zahlreichen Vorkommens
der glatten Muskelfasern und ibre erste isolierte Darstellung,
an die Untersuchung der Vorgänge bei der Bildung und der
Resorption der Knochen, an die Studien über den Nerven-
faserverlauf in dem zentralen Nervensystem, dann an die
wichtige Arbeit: „Die Selbständigkeit und Abhängigkeit des
sympathischen Nervensystems durch anatomische Untersu-
chungen bewiesen ''. Bei seinen vergleichend -anatomischen
Untersuchungen finden sich genaue Angaben über die feineren
Formen vieler Gruppen, namentlich der wirbellosen Tiere; er
wurde dadurch zu einem der Begründer der wissenschaftlichen
Zoologie.
Auch bei seinen entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten waren
es weniger morphogenetische Fragen, die ihn beschäftigten,
sondern wiederum außerordentlich sorgfaltige mikroskopisch-
anatomische Befunde. Er war, wie vorher schon erwähnt
wurde, der Erste, der die Entwicklungsgeschichte eines
wirbellosen Tieres, der Cephalopoden , eingehend verfolgte,
nachdem vor ihm fast nur an Wirbeltieren von Pander, Baer,
Remak, Rathke und Bischoff Beobachtungen gemacht worden
waren.
In der ersten Zeit hat er auch physiologischen Vorgängen
seine Aufmerksamkeit geschenkt. In der Arbeit über die
Bildung der Samenfaden wurde dargetan, daß die Bewegungen
derselben vitaler Natur sind und daß zur Ruhe gekommene
Fäden durch kaustische Alkalien wieder zu lebhaften Bewe-
gungen angeregt werden. Mit dem Chemiker Loewig tat er
1906. SiUuDgsb. d. matb.-phyB. Kl. 30
452 Öffentliche Sitzung vom U. März 1906.
das Vorkommen der Cellulose im Mantel der Tunikaten dar.
Er zeigte, daß durch Eintrocknung unerregbar gewordene
Nervenfasern durch Wasser wieder erregbar werden, was aller-
dings durch Eckhardt in anderer Weise gedeutet worden ist.
Den Mechanismus der Erektion erklärte er zuerst durch Er-
schlaffung der glatten Muskeln der corpora cavernosa des Penis.
Er studierte die Wirkung verschiedener Gifte (des Curare.
Strychnin, Morphium, Coniin) auf die Muskeln, das Nerven-
system und die Herzbewegungen; er machte ferner Beobach-
tungen über die Resorption der Fette, über Gallensekretion
und über das elektromotorische Verhalten des schlagenden
Froschherzens.
Durch seine mikroskopischen Beobachtungen erlangte
EöUiker einen guten Anteil an der Ausbildung der Zellenlehre
und namentlich auch an der Beantwortung der Frage nach
der Herkunft der Zellen. Schieiden und Schwann glaubten
noch, daß die Zellen aus unorganisiertem Material entstanden;
KöUiker waren schon früh Zweifel an dieser »Cytoblastenlehre*
gekonmien, und er ließ die Gewebszellen aus den Furchungs-
kugeln des Eies entstehen; später sprach er sich, wie auch
Remak und Leydig, bestimmt dahin aus, daß es keine freie
Zellenbildung gäbe, sondern alle Elementargebilde aus der Ei-
zelle durch Teilung hervorgehen und zwar bevor Virchow, auf
pathologische Beobachtungen gestützt, seine geflügelten Worte
„omnis cellula e cellula*^ aussprach. Er gab dabei eine genaue
Darstellung des wichtigen Furchungsprozesses am Ei und be-
teiligte sich auch an der näheren Untersuchung der Form und
Bedeutung des Zellkerns, woraus sich später, namentlich durch
W. Flemmings Beobachtungen, die neue Lehre von den merk-
würdigen Wandlungen des Zellkerns entwickelte.
Das lebhafteste Interesse nahm Kölliker an der durch
Gamillo Golgi 1894 eingeführten eigentümlichen Färbungs-
methode, durch welche sich die histologischen Elemente des
Nervensystems in großer Klarheit darstellen lassen; er war
wiederum einer der Ersten, der die Wichtigkeit des neuen
Hilfsmittels erkannte und dasselbe anwendete. Daran an-
C. Voit: Nekrolog auf Albert Kölliker. 453
schließend, war es die aus den Untersuchungen mit der Golgi-
sehen Methode hervorgegangene Neuronenlehre von Ramön
7 Cajal, die er mit jugendlicher Begeisterung erfaßte und
durch unermüdliche Untersuchung des zentralen Nervensystems
zu stützen suchte. Es handelt sich dabei um die prinzipiell
wichtige Frage, ob die Leitung der Erregung im Nerven durch
Kontinuität oder durch Kontakt sich vollziehe; Kölliker ent-
schied sich noch in seiner letzten Untersuchung, entsprechend
der Neuronenlehre, für die Übertragung durch Kontakt, während
Eduard Pflüger in neuester Zeit auf das Entschiedenste gegen
die Neuronentheorie auftrat und sie für unbegründet und den
Erfahrungen der Physiologie widersprechend hält.
Er nahm ferner mit Waldeyer Stellung gegen die His'sche
Parablastenlehre und beteiligte sich dadurch an der Lösung
der schwierigen Frage nach der Quelle des Blutes und des
Bindegewebes; er sucht sie in dem mittleren Keimblatt, welches
aus dem Zellenmaterial des Primitivstreifens abstammt, das im
Wesentlichen aus dem Ektoblasten hervorgeht.
Der berühmte Botaniker Jul. Sachs hatte die Teile der
Pflanzenzelle nach ihrer Dignität geschieden und das vom Kern
beherrschte Protoplasma, also den mit Leben ausgestatteten
Teil der Zelle, die tätige Energide derselben genannt. Kölliker
^iiF diese für die pflanzlichen Zellen aufgestellte Energiden-
lehre auf und dehnte sie auf die tierischen Gewebe aus. Unser
Kollege KupjQTer hat diese Vorstellungen für die tierische Zelle
in seiner Rektoratsrede noch schärfer durchgeführt.
Auf Grund der Beobachtungen von Oskar Hertwig trat
Kölliker für die hohe Bedeutung der Kernsubstanzen für die
Vererbung ein.
Er lieferte auch wertvolle Beiträge zu der viel diskutierten
Deszendenzlehre; er war wie die meisten Naturforscher gegen
die einseitige Darwin'sche Selektionstheorie, die Theorie der
natürlichen Zuchtwahl, zur Erklärung der Entstehung und
Umwandlung der Arten, er war geneigt die Umwandlung im
Wesentlichen auf innere, in der Organisation begründete Ur-
sachen zurückzuführen.
80*
1
454 öflfentliche Sitzung vom 14. März 1906.
Eölliker erwarb sich außerdem ein großes Verdienst durch
seine ausgezeichneten Lehrbüclier der mikroskopischen Anatomie,
in welchen die feinere Struktur aller Teile des tierischen Orga-
nismus geschildert wird. Ei) war seinen Werken die Allge-
meine Anatomie von J. Hea}e 1841 und das Handbuch der
allgemeinen und speziellen Gewebelehre von J. Gerlach 1848
vorausgegangen. Zuerst kam 1850 und 1852 die große mikro-
skopische Anatomie oder Gewebelehre des Menschen in zwei
Bänden, aber nur die spezielle Gewebelehre, während der in
Aussicht genommene allgemeine Teil ausblieb; das Bnch
enthält die gründliche nnjt vollständige Darstellung alles da-
maligen Wissens der Hisrologie. Es folgte dann 1852 die
erste Auflage des Handbuches der Gewebelehre des Menschen,
von dem 1867 die fünfte Auflage erschien. Durch die großen
Fortschritte in der Erkenntnis des mikroskopischen Baues des
Körpers war die „Gewebelehre* allmählich veraltet; der Sieben-
zigjährige begann die sechste Auflage derselben, welche ein
völlig neues großes Werk wurde, das in drei Bänden erschien ;
in dem zweiten sind seine umfassenden Untersuchungen des
feineren Baues des Zentral-NeiTensystems mittelst d^r Golgi-
schen Imprägnationsmethode enthalten; den dritten Band über-
gab er V. V. Ebner in Wien zur Vollendung.
Nicht minder wichtig ist seine Entwicklungsgeschichte
des Menschen und der höheren Tiere, welche 1861 in erster
Auflage erschien; für die zweite Auflage von 1879 hatte er
alles auf Durchschnitten nochmals nachuntersucht und- geprüft.
Das Buch ist eine Fundgrube für die späteren Forscher* über die
Entwicklung des Hühnchens und Kaninchens und für die Or-
ganentwicklung der Säugetiere. In abgekürzter Fo^m hat er
dasselbe für weniger Geübte als Grundriß 1880 und 1884 in
zweiter Auflage bearbeitet. <
Diese ausgezeichneten Lehr- und Handbücher, welche die
Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen weithin bekannt
machten, werden noch für lange Zeit unentbehrliche Ratgeber
für den Forscher sein. Das in ihnen zuerst eingeführte System
der Gewebelehre ist überall angenommen worden.
C. Voit: Nekrolog auf Albert KöUiker. 455
Als er schon die Achtzig überschritten hatte, schrieb er
1899 seine Selbstbiographie „Erinnerungen aus meinem Leben*
mit einer eingehenden Analyse seiner Arbeiten.
Durch die mit Siebold 1848 unternommene Gründung der
Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie trug er viel dazu bei
die Zoologie aus einer blos beschreibenden Wissenschaft zu
einer erklärenden zu erheben.
Mit Kiwisch und Virchow gründete er 1849 die angesehene
physikalisch-medizinische Gesellschaft in Würzburg, an deren
Gedeihen und Wirksamkeit er wesentlich beteiligt war. Neun-
mal fährte er den Vorsitz in derselben.
Er war auch eines der tätigsten Mitglieder der durch die
Initiative von Julius Kollmann im Jahre 1886 begründeten so
ungemein nützlichen anatomischen Gesellschaft.
Es ist selbstverständlich, daß dem verdienten Mann viele
Ehrungen dargebracht wurden. An seinem 70. Geburtstag
feierten ihn die medizinische Fakultät, die physikalisch-medi-
zinische Gesellschaft und fünftindzwanzig Schüler durch Fest-
schriften; bei seinem 50jährigen Doktorjubiläum erhielt er acht
Festschriften von der Universität und dem eidgenössischen
Polytechnikum in Zürich mit dreizehn Abhandlungen, von der
Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, dem anatomischen
Institut in Würzburg und seinen Schülern Merkel, Bonnet,
Gegenbaur, His und Waldeyer.
Es mag noch bemerkt werden, daß Kölliker großen Wert
auf die Pflege und Ausbildung des Körpers durch Leibesübungen
aller Art legte. Durch vielfache Reisen suchte er die ange-
sehensten Fachgenossen kennen zu lernen und seine Kennt-
nisse zu bereichem. Er war von feiner universeller Bildung,
eine vornehme ehrwürdige, sympathisch berührende Persönlich-
keit, freundlich entgegenkommend, namentlich auch der Jugend
gegenüber; die größten Ehrungen änderten nichts an seinem
schlichten leutseligen Wesen.
Schon im Jahre 1849, zwei Jahre nach seiner Berufung
nach Würzburg, wurde er in unsere Akademie auf Vorschlag
von Philipp v. Walther aufgenommen, der den damals noch
456 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
jungen Gelehrten als genauen Beobachter und verdienstvollen
Arbeiter in der vergleichenden Anatomie pries; es war die
erste Auszeichnung, die er durch eine Akademie erhielt. In
diese Zeit und wohl auch von derselben Seite fiel die Anfrage,
ob er nicht nach München kommen wolle.
Der Name KöUiker wird in der Geschichte der anato-
mischen Wissenschaft stets mit hoher Ehre genannt werden.
Georg Meissner.^)
Unsere Akademie beklagt das in Göttingen erfolgte Ab-
leben des Professors der Physiologie Georg Meißner, der juu
30. März 1905 im Alter von 76 Jahren gestorben ist. Er
war einer der wenigen noch lebenden Biologen, welche das
von Johannes Müller uns hinterlassene große Erbe angetreten
und weiter entwickelt haben. Vom reichsten Wissen und
Können hat er noch einen großen Teil des weiten Gebietes
der biologischen Wissenschaft übersehen und dasselbe mit
wertvollen Gaben bereichert: er war als fein beobachtender
Morphologe in der Zoologie der niederen Tiere, der Histologie
und der Embryologie tätig und ebenso als experimentierender
Physiologe in der Lehre von den Sinnesempfindungen, von
den physikalischen und chemischen Vorgängen im Muskel, von
der Verdauung des Eiweißes im Darmkanal und den Verände-
rungen vieler Stoffe im Stoffwechsel. Er ist also kein ein-
seitiger Physiologe wie so viele der heutigen Zeit gewesen,
denn er verstand es noch, zur Erforschung der physiologischen
Vorgänge alle Hilfsmittel, das Mikroskop, die physikalischen
und chemischen Methoden sowie das Experiment am Tier an-
zuwenden. Als in die Wissenschaft eingreifender Forscher
war er den Jüngeren kaum mehr bekannt; denn schon seit
*) Siehe: Prof. H. Boruttau, Archiv für die ges. Physiologie 1905,
Bd. 110, S. 361 und die medizinische Woche 1905, Nr. 18. — Otto Weiss.
Münchener mediz. Wochenschrift 1906, Nr. 25, S. 1206. — M. Verwom,
Nachrichten von der K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, geschäftl. Mitteil.
1905, Heft 1, S. 46.
C. Voit: Nekrolog auf Georg Meißner. 457
35 Jahren hat er keine Arbeiten mehr veröffentlicht, obwohl
er bis zu seinem Ende wissenschaftlich sich beschäfkigte; durch
einige in unwürdiger und beklagenswerter Form geführte ver-
letzende Angriffe gegen mehrere seiner wertvollen Arbeiten,
die er mit Aufbieten seiner ganzen bedeutenden Kraft durch-
geführt hatte, warder mit einem äußerst lebhaften Temperament
Begabte gekränkt und verbittert, so daß er zu dem Entschluß
kam sich solchen Urteilen nicht mehr auszusetzen. Man kann
dies bedauern, da vieles Wichtige in seinen Aufzeichnungen
verschlossen blieb, aber man kann es verstehen; es ließe sich
vielleicht gegen seinen Standpunkt geltend machen, daü wir
auf der Erde die Pflicht haben, nach unseren Fähigkeiten an
dem Ausbau der Wissenschaft ohne Rücksicht auf unsere Person
mitzuarbeiten.
Meißner wurde am 19. November 1829 als Sohn eines
Obergerichtsrates zu Hannover geboren und studierte an der
ehrwürdigen, der wissenschaftlichen Tätigkeit so günstigen
Göttinger Universität von 1849 — 1853 Medizin und Natur-
wissenschafken. Er hatte dabei als Lehrer Männer wie Friedrich
Wöhler, Wilhelm Weber und Rudolf Wagner; vor allem wirkte
letzterer auf ihn ein. Dieser geistvolle, ungemein anregende
Physiologe, der in der Zoologie, der vergleichenden Anatomie
und Embryologie umfassende Kenntnisse besaß, gab ihm zuerst
den weiten Ausblick auf die ganze Biologie, besonders in der
vergleichend-anatomischen Richtung. Man hatte damals er-
kannt, welche große Bedeutung das Studium der einfachen
niederen Seetiere für die Beurteilung der Lebenserscheinungen
besitzt; auf einer zu diesem Zwecke 1851 unternommenen
Reise an die Meeresküste von Triest durfte Meißner noch ak
Student seinen Lehrer begleiten, was seine frühe Reife dartut.
Unter Wagners Leitung arbeitete er sodann im physio-
logischen Institut, und es glückte ihm 1853, bis dahin unbe-
kannte Sinnesorgane in der äußeren Haut, die Tastkörperchen,
zu entdecken; dieser schwierige Nachweis bezeugt, wie scharf
Meißner damals schon beobachtete. Die Widmung seiner als
Doktordissertation erschienenen Schrift an RudolfWagner : , Durch
458 OfiFentliche Sitzung vom U. März 1906.
Sie erhielt Sinn und Bedeutung, was dem Schüler der Zufall
entdeckte** beweist die Bescheidenheit und Selbsterkenntnis des
jungen Forschers, die heutzutage wohl nur selten Nachahmung
finden dürfte. Er ging dann (1853) nach Berlin zu Johannes
Müller, der die ganze Biologie seiner Zeit umfa&te und von dem
er, wie alle seine Schüler, den nachhaltigsten Eindruck erhielt;
wie kaum bei einem anderen, wächst seine Bedeutung immer mehr.
Von da wanderte Meißner nach München, wohin ihn der
Ruhm des vergleichenden Anatomen Karl Theodor v. Siebold,
der eben mit seinen Arbeiten über die Parthenogenesis be-
schäftigt war, gelockt hatte; hier machte er vergleichend-
anatomische und embryologische Untersuchungen an niederen
Tieren, insbesondere an gewissen Fadenwürmern.
Durch diese Arbeiten wurde die Aufmerksamkeit auf den
begabten und vielversprechenden jungen Gelehrten gelenkt, so
daß der erst 26 Jahre alte (1855) einen Ruf als ordentlicher
Professor der Anatomie und Physiologie nach Basel erhielt,
wo er mit dem eigenartigen hervorragenden Chemiker Schön-
bein zusammentraf, dessen Forschungen über das Ozon Meißners
spätere Untersuchungen in dieser Richtung veranlaßt haben.
Aber schon nach zwei Jahren folgte er einem Rufe als Pro-
fessor der Physiologie und Zoologie an die Universität Freiburg
im Breisgau als Nachfolger von Alexander Ecker und als sein
einstiger Lehrer Rudolf Wagner wegen Kränklichkeit das Lehr-
fach der Physiologie in Göttingen aufgab, wurde mit glück-
lichem GriflF Meißner (1860) an seine Stelle gewählt; erwirkte
daselbst über 40 Jahre als um die Wissenschaft höchst ver-
dienter Forscher und als pflichterfüllter beliebter Lehrer, der
in äußerst lebendigem anschaulichem Vortrag den Studierenden
das richtige Verständnis über das Zustandekommen der Lebens-
erscheinungen beizubringen und sie zu naturwissenschaftlichem
Denken anzuleiten wußte.
Zu Ende der neunziger Jahre mußte er wegen Kränklich-
keit seine wissenschaftliche Tätigkeit mehr und mehr ein-
schränken, er hielt aber noch seine Vorlesungen, bis er im
Jahre 1901 die Enthebung von dieser Verpflichtung erhielt.
C. Voit: Nekrolog auf Georg Meißner. 459
Überblicken wir nun die hauptsächlichsten Leistungen
Mei&ners in annähernd chronologischer Folge.
Seine ersten Arbeiten bezogen sich, wie schon erwähnt, auf
die feinere Anatomie der äuiaeren Haut, insbesondere auf die
genaue Beschreibung der von ihm aufgefundenen und nach ihm
benannten Tastkörperchen. Man kannte bis dahin die Endi-
gungen der sensiblen Nerven in der äußeren Haut nicht, nur
die dem Muskelgefühl dienenden Yater-Pacinischen Körperchen
im Unterhautzellgewebe. Und nun zeigten sich in den Papillen
der Lederhaut der Innenfläche der Hand und der Fußsohle,
also der mit dem feinsten Tastgefühle versehenen Teile, besondere
Endorgane, eine Klasse neuer Sinnesorgane. Er schrieb ihnen
den Tastsinn, d. i. die Berührungsempiindung zu, und nicht die
Temperatur- und die absolute Druckempfindlichkeit, welche
an allen Stellen der Haut zustande kommen können; auch
versuchte er später eine Theorie ihrer Erregung, die er durch
Ungleichheiten des auf ihnen lastenden Druckes entstehen ließ,
und prüfte dieselbe durch Experimente.
Von Bedeutung sind seine auf neue Versuche gestützten
Erörterungen (1854 und 1859) über die komplizierten Be-
wegungen des Augapfels, die durch physiologische für die
Orientierung im Räume wichtige Anordnungen beschränkt sind.
Wie Donders und Listing gezeigt haben, ist mit jeder Lage der
Gesichtslinie zum Kopfe eine ganz bestimmte Augenstellung
verbunden und jedem Erhebungs- und Seitenwendungswinkel
entspricht ein bestimmter Raddrehungswinkel. Indem Meißner
die Neigung der Doppelbilder eines vertikalen Stabes bei den
verschiedenen Augenstellungen imtersuchte oder auch die Lagen-
veränderungen betrachteter Objekte bestimmte, wenn sie in
jeder Augenstellung im blinden Fleck verschwinden, konnte er
die von Donders und Listing aufgestellten Gesetze bestätigen.
Bei der so viel erörterten Frage nach den Punkten des
Raumes, welche mit beiden Augen einfach gesehen werden,
waren bekanntlich durch Johannes Müller die Punkte einer
durch den fixierten Punkt und die Knotenpunkte der beiden
Augen gezogenen Kreislinie erkannt worden; alle Punkte dieses
460 Öitentliche Sitzung? vom 14. März 1906.
sogenannten Horopterkreises entwerfen ihr Bild auf unter
gleichen Länge- und Breitegraden liegenden Netzhautstellen
oder auf die identischen Netzhautstellen; dies war aber nur
der auf eine horizontale Ebene beschränkte Horopter und
nicht die Horopterfläche. Meißner unternahm es durch feine
Versuche, die Form der Horopterfläche zu bestimmen und zeigte,
daß der Horopter verschieden ist, abhängig von der Richtung
der Gesichtslinien und der dieser. Richtung entsprechenden
Orientierung beider Augen.
Von Wichtigkeit war ferner die Auffindung (1857) von
Nerven und nervösen Zentralorganen in der Subraukosa des
Darmes, des nach ihm benannten Meißnerschen Plexus; er
hat ihn uns hier im physiologischen Institut gleich nach seiner
Entdeckung an frischen Holzessigpräparaten mit den damaligen
einfachen Mitteln mit großer Gewandtheit gezeigt.
Seine vorher erwähnten, zum Teil bei Siebold ausgeführten
vergleichend-anatomischen, embryologischen und physiologischen
Untersuchungen an Fadenwürmern (an Ascaris mystax, an
Mermis albicans und an Gordius) führten ihn zu der damals viel
umstrittenen Frage nach dem Eindringen der Samenfaden in das Ei
bei der Befruchtung. Er war einer der ersten (1856), der die von
Keber am Ei der Flußmuschel gefundene Mikropyle, mit Samen-
fäden bedeckt, beim Seeigel wahrnahm und das von M. Barry
bei den Kaninchen und von Newport bei den Fröschen behauptete
Vorkommen von Samenfäden innerhalb der Eihülle bestätigte.
In die Jahre 1858 — 1862 fallen seine gnmdlegenden
chemischen Untersuchungen über die Veränderungen des Ei-
weißes bei der Verdauung. C. G. Lehmann hatte das von ihm
bei der Magenverdauung aus Eiweiß erhaltene, in Wasser lösliche
Endprodukt Pepton genannt; Meißner zeigte, daß es mancherlei
Übergangsstufen gibt, die er als Para-, Meta- und Dyspepton
bezeichnete; das Parapepton ist das beim Neutralisieren der
sauren Lösung ausfallende, nicht in Pepton übergehende Produkt;
das Metapepton fällt bei der Syntonin- und Kaseinverdauung
aus der neutralen Lösung durch 0,1 prozentige Säure heraus;
das Dyspepton ist durch längere Einwirkung der Säure unlös-
C. Voit: Nekrolog auf Georg Meißner. -i^l
lieh gewordenes Parapepton. Das schließlich erhaltene Pepton
ist nach ihm ein Qemisch von mehreren Peptonen, und er
unterscheidet ein durch konzentrierte Salpetersäure sowie durch
schwache Essigsäure und Ferrocyankalium ausfallendes a. Pepton,
ein durch Salpetersäure nicht, aber durch starke Essigsäure
und Ferrocyankalium ausfallendes b. Pepton und ein weder
durch Salpetersäure noch durch Essigsäure und Ferrocyankalium
ausfallendes c. Pepton. Man hat seitdem in der Erkenntnis
dieser Produkte Fortschritte gemacht, und man würde jetzt
das a. und b. Pepton als Albumosen, das c. Pepton als eigent-
liches Pepton und den unverdaulichen Rückstand des Dys-
peptons als Nuklein bezeichnen. Meißner hat jedoch die
Orundtatsachen festgestellt und es ist ein großes Unrecht, seine
Verdienste in dieser Richtung zu unterschätzen, denn es ist
schwieriger, eine neue Bahn zu brechen als auf einer solchen
weiter zu wandeln. Auch an der Feststellung der Wirkung
des Pankreassaftes auf Eiweiß war Meißner beteiligt; nachdem
Corvisart erkannt hatte, daß der Bauchspeichel für sich allein
aus Eiweiß die nämlichen löslichen Peptone wie der Magen-
saft macht, hielten viele diese Umwandlung für die Folge einer
Fäulnis durch niedere Organismen; Meißner bestätigte als einer
der ersten Corvisarts Angaben, aber er meinte noch, nur das
schwach sauere Sekret habe ohne Fäulnis verdauende Wir-
kung. Durch langes Kochen von Eiweiß mit Wasser bekam
er StoflFe wie bei der Magen- und Pankreasverdauung. Die
Verdauung war ihm eine Umprägung der aus den verschiedenen
EiweißstoflFen der Nahrung im Darm entstandenen Peptons
zu dem spezifischen Bluteiweiß des betreflFenden Tieres; er ist
in diesem Gedanken seiner Zeit vorausgeeilt, nur ging er nicht
so weit, wie es jetzt von manchem geschieht, welche das
Eiweißmolekül im Darm zersplittern lassen, um es dann wieder
aus den Trümmern aufzubauen.
Es ist Meißner in einer ungemein feinen Untersuchung
gelungen in dem Muskelfleisch kleine Mengen eines echten
reduzierenden und gärungsfahigen Zuckers, den Fleischzucker,
aufzufinden. Nebenbei sei bemerkt, daß er mit seinem Schüler
462 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
Ritter, ebenso wie der Engländer Pavy gegen Claude Bemard,
während des Lebens keinen Übergang des Glykogens der Leber
in Traubenzucker annahm, da sie in der ganz frischen Leber
keinen Zucker nachzuweisen vermochten ; die letztere Tatsache
ist vollständig richtig, aber nicht die Schlußfolgerung, denn
während* des Lebens wird der entstandene Zucker alsbald durch
das Blut weggeschwemmt.
Ein ganz anderes Gebiet betreten die elektrophysiologischen
Untersuchungen Meißners. Zu diesen hat er sich eines neuen
Meßinstrumentes bedient; er führte nämlich mit dem geschickten
Göttinger Mechaniker Meyerstein die nach dem Prinzip von
Wilhelm Weber gebaute Spiegelbussole ein, bei der zur Eliminie-
rung des Erdmagnetismus die Annäherung von zwei Magneten und
zur Dämpfung der Magnetschwingungen das Induktionsverfahren
von Gauss verwendet wurde; dieselbe tibertraf an Empfindlich-
keit die älteren Apparate. Zunächst prüfte er mittelst Elektro-
skop und Kondensator das elektrische Verhalten der Ober-
fläche des menschlichen Köpers; er suchte die Ursache dafür
unter der Haut, vor allem in den Muskeln. Dann ging er
an die Prüfung der elektrischen Erscheinungen des zusammen-
gedrückten und gedehnten Muskels im Vergleich mit denen
bei der Muskelkontraktion, die durch Du Bois Reymonds
Untersuchungen über tierische Elektrizität auf die Wirkung
während des Lebens präformierter elektromotorischer Moleküle
zurückgeführt worden waren. Meißner fand nun, daß der
Wadenmuskel des Frosches bei der Kompression in der Längs-
richtung eine Verminderung des ruhenden Muskelstromes, bei
der Dehnung eine Verstärkung desselben zeigt, und er war
daher geneigt, die sogenannte negative Schwankung bei dem
Tetanus des Muskels nicht von der Erregung des Muskels,
sondern von der Formveränderung desselben abzuleiten. Du
Bois Reymond, der dieses Gebiet als seine Domäne betrachtete
und keinen Widerspruch ertrug, übte an Meißners Angaben eine
ungemein gereizte und ungerechte Kritik; es muß dagegen
betont werden, daß die interessanten Beobachtungen von
Meißner nicht widerlegt worden sind.
C. Voit: Nekrolog auf Georg Meißner. 463
Man hat vielfacli trophische Nerven im Körper ange-
nommen, welche der Ernährung der Teile vorstehen sollen,
namentlich war es die nach der Durchschneidung des sensiblen
Nervus trigeminus oder seines Augenastes am Auge des
Kaninchens eintretende Augenentzündung, welche zu einer
solchen Annahme führte. Man meinte andererseits, es handle
sich dabei um die Folgen äußerer Schädlichkeiten an dem un-
empfindlich gewordenen Auge und in der Tat trat die Ent-
zündung nicht ein, als Meißner mit Büttner das Auge durch
eine Kapsel vor solchen Läsionen schützte. Der erste Beob-
achter der Erscheinung, der Niederländer Snellen, hielt die
Empfindungslosigkeit für die Ursache der Entzündung, Schifi
dagegen die Lähmung der Gefaßnerven und die Ausdehnung der
Blutgefäße, während Meißner längere Zeit die Lähmung für
die Ernährung der Gewebe nötiger Nerven annahm. Er hat
mancherlei Beobachtungen als Beweise für seine Anschauung
beigebracht, namentlich daß bei Erhaltung eines Teiles der
Nervenfasern im Augenaste die Entzündung trotz völh'ger
Empfindungslosigkeit ausblieb. Neuere Beobachtungen haben
jedoch die Existenz besonderer trophischer Nerven widerlegt.
Es folgten nun die in der zweiten Hälfte der sechziger
Jahre mit Hilfe chemischer Methoden gemachten umfassenden
Arbeiten Meißners über das Entstehen einer Anzahl von Zer-
setzungsprodukten im Körper beim Stoffwechsel; ich halte
dieselben für seine bedeutendsten und reifsten Leistungen.
Er hat durch dieselben gezeigt, was eigentlich physiologische
Chemie ist (worüber man heutzutage den merkwürdigsten Vor-
stellungen begegnet), nämlich die Anwendung der Chemie zur
•
Untersuchung und Erklärung der Lebensvorgänge, nicht die
chemische Untersuchung der Konstitntion isolierter chemischer
Verbindungen, wenn sie auch im Organismus vorkommen, und
ihrer Zersetzungsprodukte im chemischen Laboratorium, welche
der reinen Chemie zu gehören, wie die klassischen chemischen
Arbeiten von Emil Fischer über die Harnsäure, die Zacker-
arten und das Eiweiß dartun, die für die Entwicklung der
Physiologie allerdings von größter Bedeutong sind. Meißners
464 öflfentliche Sitzung vom 14. M&rz 1906.
hierher gehörige Untersuchungen beginnen mit dem mit F. JoUy
geführten Nachweis der Bernsteinsäure im Harn mit Fleisch
und viel Fett gefütterten Hunden; dieselbe geht offenbar aas dem
Fett hervor, da sie zunimmt mit der Menge des gereichten
Fettes. Beim Kaninchen trat viel Bernsteinsäure im Harn
auf nach reichlicher Fütterung mit Mohrrüben, welche äpfel-
sauren Kalk enthalten, oder beim Kaninchen, Hund und Menschen
nach Darreichung von äpfelsaurem Kalk sowie auch nach Auf-
nahme von viel Spargeln. Es fand sich im Hundeham bei
Fütterung mit Fleisch stets etwas Harnsäure vor, bei vege-
tabilisclier Nahrung nur Spuren; bei eigentlichen Pflanzen-
fressern war sie entgegen den gewöhnlichen Angaben stets
vorhanden.
Im Jahre 1828 hatte der Chemiker F. Wöhler die denk-
würdige Entdeckung gemacht, daß nach Darreichung von
Benzoesäure im Harn Hippursäure erscheint, deren Zerlegung
in Benzoesäure und Olykokoll 1845 Dessaignes gelang. Es
war dieses Entstehen der im Harn der pflanzenfressenden
Säugetiere vorkommenden, komplizierter gebauten Hippursäure
aus zwei einfacheren Verbindungen das erste Beispiel einer
Synthese im Tierkörper. Meißner suchte nun (1866) mit seinem
Schüler Shepard nach dem Ort dieser Synthese und der Her-
kunft der Benzoesäure, des aromatischen Komplexes der Hippur-
säure des Harns der Pflanzenfresser. Nach Ausschaltung der
Nieren fand sich im Blut keine Hippursäure vor, woraus sie
schlössen, daß die Synthese der Hippursäure in der Niere
stattfindet und nicht, wie Kühne und Hallwachs glaubten,
in der Leber. Das Giykokoll der Hippursäure wird nach ihnen
bei den Zei-setzungen im Körper gebildet, die Benzoesäure
stammt dagegen aus der Kutikularsubstanz der verzehrten ober-
irdischen Pflanzenteile; denn wenn die Kaninchen die Schalen
von Äpfeln und fleischigen Blättern oder die Hülsen von
Cerealien und Leguminosen erhielten, schieden sie reichlich
Hippursäure aus, aber keine nach Verabreichung der inneren
abgeschälten Teile.
Als die Bildungsstätte des Harnstoffes betrachtete man
C. Voit: Nekrolog auf Georg Meißner. 465
lange Zeit die verschiedenen Organe und nicht die Nieren, da
hervorragende Chemiker nach Entfernung der Nieren eine An-
häufung von Harnstoff im Blut gefunden hatten; später (1865)
behauptete namentlich Zalesky, der bei Hoppe-Sejler arbeitete,
dalä nach Unterbindung der Harnleiter sich im Blute Harn-
stoffanhäufe, aber nicht nach Ausschneidung der Nieren, woraus
er schloß, daß in der Niere der Harnstoff entstehe. Meißner
trat alsbald dieser Anschauung entgegen, da er bei Kaninchen
nach Exstirpation der Niere die gleiche Harnstoffansammlung
im Blute beobachtete wie nach Unterbindung der Uretheren.
Ich habe um dieselbe Zeit bei Kaninchen und Hunden nach
Entfernung der Nieren beträchtliche Ansammlungen von Harnstoff
im Blut und allen Organen gefunden und dadurch ebenfalls
bewiesen, daß der Harnstoff nicht erst in der Niere etwa aus
Kreatin gebildet wird. Die Untersuchungen Meüaners über
die Ausscheidung von Kreatin und Kreatinin ergaben im
wesentlichen die auch von mir erhaltenen Resultate.
Meißner machte bei dieser Gelegenheit auch Versuche über
die Ursache der urämischen Erscheinungen, indem er Tieren nach
Unterbindung der Harnleiter verschiedene Zersetzungsprodukte
wie Kreatin, Kreatinin, bernsteinsaures Natron und Harnstoff
in die Venen einspritzte; nur größere Mengen des letzteren
beschleunigten den Tod. Ich habe dargetan, daß der Harn-
stoff an und für sich nicht giftig ist, sondern nur seine Nicht-
ausscheidung aus dem Körper schädlich wirkt.
Da er in der Leber beim Säugetier stets viel Harnstoff,
beim Vogel viel Harnsäure fand, so vermutete er, daß der
Harnstoff in der Leber der Säugetiere, die Harnsäure in der
Leber der Vögel direkt aus der Zersetzung von Eiweiß und
zwar aus dem in diesem Organ zerfallenen Eiweiß der Blut-
körperchen hervorgeht; wir wissen jetzt, daß der Harnstoff
und die Harnsäure allerdings in der Leber entstehen, aber
nicht direkt aus Eiweiß, sondern aus von anderen Organen
zugeführten stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukten, den Vor-
stufen des Harnstoffes und der Harnsäure.
Nachdem ich nachgewiesen hatte, daß bei der Muskel-
4^66 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
arbeit direkt nicht mehr Eiweiü zerfallt, wohl aber mehr stick-
stofffreie Stoffe zu Grunde gehen, war die Frage entstanden,
ob auch die stickstofffreien Stoffe als Quellen der Muskel-
arbeit dienen können; Meißner sprach schon im Jahre 1868
aus, daß außer dem stickstofffreien Material der Nahrung auch
das Eiweiß oder wenigstens die aus ihm abgespaltenen stick-
stofffreien Stoffe die Energie für die Muskelarbeit liefern. Wir
wissen jetzt mit Sicherheit, daß beide Klassen von Stoffen sich
bei der Entstehung der Muskelkraft beteiligen.
Durch seinen Umgang mit Schönbein in Basel war Meißner
auf das Ozon und sein merkwürdiges Verhalten zum Organismus,
besonders zu dem Blute, aufmerksam geworden; dadurch kam
er zu seinen umfangreichen, Schönbein gewidmeten Unter-
suchungen über den elektrisierten oder ozonisierten Sauer-
stoff. Es wurde dabei das vollständig trockene Ozon zunächst
in einer konzentrierten Jodkaliumlösung absorbiert; sowie man
es nun durch Wasser gehen ließ, so traten dichte Nebel auf
von dem Antozon Schönbeins oder dem Atmizon nach Meißner;
letzterer hielt das Ozon für negativ elektrisch geladenen, das
Antozon für positiv elektrisch geladenen Sauerstoff, welche bei
der Elektrisierung immer zusammen auftreten, während andere
die Nebel für bei der Ozonzerstörung entstandenes Wasserstoff-
superoxyd ansahen. Bei weiteren Untersuchungen meinte er,
daß das Ozon nicht eine, wie man glaubte, durch eine andere
Atomzahl im Molekül bedingte allotropische Modifikation sei,
sondern daß eine Veränderung des Molekularbewegimgszustandes
vorliege. Es war eine fein durchdachte, mit äußerster Sorg-
falt ausgeführte experimentelle Untersuchung.
Eine große Anzahl von Arbeiten ging von . seinen zahl-
reichen Schülern auf seine Anregung und unter seiner Leitung
aus seinem Laboratorium hervor.
Eines wesentlichen Verdienstes Meißners muß noch Er-
wähnung getan werden, nämlich des mit dem Anatomen Jakob
Henle für die Jahre 1856 — 1871 herausgegebenen Jahres-
berichtes über die Fortschritte der Anatomie, Entwicklungs-
geschichte und Physiologie, der in rein sachlicher Weise und
C. Voit: Nekrolog auf Georg Meißner. 467
doch streng kritisch die Resultate der Forschung brachte; ich
war ihm für seine Berichte über die Stoffwechselversuche der
hiesigen Schule dankbar, da er ihnen volles Verständnis zu
einer Zeit entgegenbrachte, in der sie von anderen Seiten kaum
Beachtung fanden.
Das größte Interesse zeigte er für die die Lebensvorgänge
nahe berührenden hygienischen Arbeiten Pettenkofers; indem
er die Bedeutung hygienischer Kenntnisse für den Mediziner
und Arzt richtig schätzte, hielt er vom Jahre 1874 an eine
Vorlesung über öffentliche Gesundheitspflege, die erste der Art
an einer norddeutschen Universität. Er führte auch Unter-
suchungen des Brunnenwassers von Göttingen aus und wirkte
mit, den Gesundheitszustand der Stadt zu verbessern.
Meißner war, wie gesagt, noch nach dem Jahre 1872, in
dem er seine Publikationen abbrach, bis zuletzt mit wissen-
schaftlichen Arbeiten beschäftigt. Sein Assistent Boruttau
berichtet über Arbeiten zur Widerlegung der Urzeugung und
zum Beweis der Notwendigkeit von Mikroorganismen für
Gärung und Fäulnis, wobei es ihm gelang, frische tierische
Organe in Wasser ohne irgend einen desinfizierenden Zusatz
nur durch Abhalten der Keime mittelst gebogener Glasröhren
und Watteverschluß jahrelang unverändert aufzubewahren.
Dann über Untersuchungen der anatomischen Beziehungen
zwischen Ohrlabyrinth und Kleinhirn der Vögel. Femer über
die Analyse der Vokalklänge der menschlichen Stimme und
der Klänge vieler Musikinstrumente vermittelst der phonauto-
graphischen Methode, wozu er als feiner Kenner der Musik,
der jahrelang in der Karwoche hierher kam, um an klassischer
Kirchenmusik sich zu erquicken, besonders geeignet war. Dann
über rein mathematische Studien über das Newtonsche Fallgesetz.
So zeigt sich uns Meißner als einer der scharfsinnigsten
und verdientesten Physiologen seiner Zeit, der unverlöschliche
Spuren seiner Wirksamkeit hinterläßt. Erfüllt von dem Drang
nach Erkenntnis war er von unbestechlicher Wahrheitsliebe
und Gewissenhaftigkeit; streng gegen sich und andere war der
etwas verschlossen erscheinende Mann doch von wahrer
1906 SiUnngab. d. math.-phys. Kl. 31
468 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
Herzensgüte und tiefem Gemüt, wie mir ein rührender Brief
zeigte, den ich nach dem Tode seiner Frau, einer Tochter unseres
unvergeßlichen Kollegen Kobell, erhielt. Wenn ich in die Ver-
gangenheit blicke, wo wir vor 50 Jahren in die Wissenschaft
eingetreten sind, so erinnere ich mich an die reine Freude,
die ich an den Fortschritten unserer Wissenschaft hatte, an
denen mein edler Freund einen so großen Anteil besaß.
Walther Flemming.^)
Das korrespondierende Mitglied der Akademie Walther
Flemming, Professor der Anatomie an der Universität zu Kiel,
ist am 4. August 1905 im Alter von 62 Jahren aus dem
Leben geschieden. Er war ein hervorragender Histologe, der
durch seine Beobachtungen mit dem Mikroskop die Kenntnis
des feineren Baues der Zelle in vorher nicht geahnter Weise
vertieft und durch die Aufhellung dieses Gebildes, aus dem
alles Organisierte hervorgeht und an welches das Leben ge-
knüpft ist, Zoologie wie Botanik, Entwicklungsgeschichte wie
pathologische Anatomie in gleichem Grade gefördert hat.
Er wurde am 21. April 1843 in Schwerin geboren als
Sohn des verdienten Psychiaters und Leiters der Irrenanstalt
Sachsenberg Karl Friedrich Flemming. Der Sohn Walther
Flemming zeigte frühzeitig eine besondere Neigung für die
schöne Literatur sowie ein Talent für Dichtung und Sprache,
so daß er anfangs sich der Philologie widmen wollte; er wandte
sich aber dann der Medizin zu, die er an den Universitäten
zu Göttingen, Tübingen, Berlin und Rostock studierte. Bald
begann er sich mit mikroskopischen Untersuchungen zu be-
schäftigen, zuerst unter der Leitung von F. E. Schulze, da-
maligen Prosektors bei dem Anatomen Henke in Rostock, deren
erste Frucht (1868) seine Doktordissertation über den Ziliar-
muskel der Haussäugetiere war. Nachdem er bei dem Zoologen
^) Siehe die Nekrologe von Friedrich Meves in der Münchener
Medizinischen Wochenschrift 1906, Nr. 46, S. 2232. — Und von Dr. F. Graf
y. Spee im Anatomischen Anzeiger 1906, Bd. 28, S. 41.
C. Voit: Nekrolog auf Walther Plemming. 469
Semper in Würzburg und bei dem Physiologen W. Kühne in
Amsterdam kurze Zeit Assistent gewesen, wurde er Prosektor
am Anatomischen Institut in Rostock und habilitierte sich (1871)
daselbst als Privatdozent der Anatomie und Entwicklungsge-
schichte mit einer Arbeit über Bindesubstanz und Gefafiwandung
bei Mollusken. 1872 ging er mit Henke nach Prag, woselbst
er im folgenden Jahre die Ernennung zum außerordentlichen
Professor mit dem Lebrauftrag für Histologie und Entwick-
lungsgeschichte erhielt; dorten schon sammelte sich um ihn
eine Anzahl von talentvollen Schülern, die zum Teil ihre ersten
Arbeiten unter seiner Leitung machten. Im Jahre 1876 folgte
er dem Rufe als Nachfolger unseres verstorbenen Kollegen
C. Kupffer als ordentlicher Professor der Anatomie nach Kiel,
wo er 26 Jahre lang als Zellforscher und Lehrer überaus
tätig war.
Flemming ist seiner Arbeitsrichtung nach ausschließlich
Histologe, aber als solcher bahnbrechend gewesen und zwar
vorzüglich auf einem Gebiete, der bis an die Grenze des Sicht-
baren gehenden feinsten Struktur der Zelle, das zu den
schwierigsten Objekten der mikroskopischen Forschung gehört.
Er war einer der größten Meister in der Kunst der mikro-
skopischen Beobachtung, ebenso scharf blickend als Beob-
achter, wie vorsichtig und gewissenhaft in seinen Generali-
sationen.
Ein Meister auch in der Technik, rastlos an stetiger Ver-
vollkommnung seiner Methoden arbeitend, hat er am lebenden
Objekt sowie an dem mit Reagentien und mit den Hilfsmitteln
der Färbung behandelten die zartesten Strukturen enthüllt.
Dadurch hatte er sich in kurzer Zeit zu einem der be-
rühmtesten Histologen aufgeschwungen.
Nach seiner Doktordissertation folgten zoologisch -histo-
logische Arbeiten, Beobachtungen über Sinnesepithelien und
Bindegewebe bei Mollusken und die auch für die Physiologie
wichtigen Aufschlüsse über Bildung und Rückbildung der
Fettzelle im Bindegewebe; nach Toldt soll das Fettgewebe
ein besonderes Organ sein, welches nicht aus dem Bindegewebe
31»
470 Öffentliche Sitzung vom U. M&rz 1906.
hervorgeht, Flemming suchte dagegen nachzuweisen, da£ die
Fettzellen sich aus den gewöhnlichen Bindegewebszellen bilden
und das Fett als Produkt der Stoffwechselvorgänge in der Zelle
entsteht.
Beobachtungen über die ersten Entwicklungserscheinungen
am Ei der Teichmuschel und der Najaden führten ihn auf
sein eigentliches Forschergebiet, zu dem Studium des Baues
und der Lebenserscheinungen der Zelle, das ihn von nun an
während seines ganzen Lebens beschäftigen sollte. Mit der
größten Ausdauer untersuchte er den Leib der Zellen und ins-
besondere ihres Kerns in der Absicht aus der genauen Kenntnis
der Form auch die Erscheinungen ihres Lebens, eine Zellular-
physiologie, zu entwickeln. Seine zahlreichen grundlegenden
Arbeiten hierüber hat er 1882 in seinem Hauptwerke: » Zell-
substanz, Kern und Zellteilung' zusammengefaßt; dasselbe
bildete die Grundlage für alle weitere Zellforschung, die wohl
manche neue Tatsachen zufügte, aber keine Liiümer nachwies.
Bis zu Flemmings Eingreifen glaubte man, die Zellsub-
stanz oder das Protoplasma wäre eine gleichmäßige feinkörnige
Masse, von einer Struktur derselben war kaum und nur in
einzelnen Fällen etwas bekannt. Es waren allerdings schon
von einigen, z. B. von unserem Kollegen G. Kupffer, Faden-
strukturen in der Zellsubstanz beschrieben worden; aber erst
Flemming hat die verschiedenen Zellen daraufhin eingehend
geprüft und überall im Inhalt derselben ein eigentümliches
Fadenwerk vorgefunden, eine Filarmasse und eine Interfilar-
masse; er hielt es für wahrscheinlich, daß es sich dabei um
ein feines Gerüst handelt.
Noch merkwürdigere Strukturen und Vorgänge erkannte
er am Zellkern, den man lange für ein homogenes Gebilde
oder für ein mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen gehalten hatte.
Es waren wohl schon hie und da in den Kernen strangförmige
Bildungen gesehen worden; Flemming gelang es jedoch (1875)
eine gerüstförmige Struktur an der frischen Eizelle von Muscheln
mit Sicherheit zu erkennen und dann sich zu überzeugen, daß
dieses Gerüstwerk im lebenden Kern ein allgemeines Vor-
C Voit: Xelcrolog Mf Wklther Flemming. 471
kommen ist; seine Beobachtungen lieferten die Grundl^e zu
dem heutigen Wissen Ton dem Bau des Zellkerns.
Von grö&ter Bedeutuog sind die von ihm an lebenden
Objekten beobachteten Veränderungen bei der Teilung der
Zellen und Zellkerne, der Mitose. Bei der ausschlieälich durch
Teilung stattfindenden Vermehrung der Zellen zeigen sich die
ersten Pbänomear bekanntlich am Kern; nach der alten Lehre
TOD Hemak soll sich dabei der Kern nach Verdoppelung des
Nukleolus in zwei Hälften durchschoQren : Fleouniug war einer
der ersten, der dabei an sich furchenden lebenden Eizellen
wirbelloser Tiere viel kompliziertere Vorgänge fand. In seinen
berühmten Beiträgen zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebens-
erscheinungen (lt<7ä) wurde von ihm der ganze merkwürdige
Verlauf der Kernteilung Schritt fOr Schritt verfolgt und fest-
gestellt. da& der Kern dabei nicht zu Grande gebt, wie es
anfangs schien, sondern auf Umwegen durch sogenannte in-
direkte Mitose sich teilt. Diese Erkenntnisse legten den Grund
zu einer ueuen Epoche in der Zellenlehre, besonders in der
Struktur und der biologischen Bedeutung des Kerns.
Die gleiche mitotische indirekte Zellteilung und ZeUver-
mehrung wies er dann auch nach bei der Regeneration fertiger
Gewebe, z. B. an den Lymphzellen in den Keimzentren der
Ljmphknötchen sowie bei den Epithelzellen und bei den
Sanienfuden. wobei das Chromatin der Hodenzelle zum Spermin-
kopf, die achromatische Substanz des Kerns tu dessen Halle
und der Zellleib zum Sperminschwanz wird.
Noch eine besonders wichtige, im Jahre 1891 gemachte
Untersuchung muß erwähnt werden, nämlich die der zellulären
Zentren in Gewebs- und Wanderzellen. Flemming hatte 1875
im Zentrum der Radiensysteme bei der Teilung des Eies von
Anodoota besondere körperliche Gebilde gesehen, welche dann
auch andere an sich furchenden Eiern beobachteten und Pol-
körperchen nannten, die in der Zellsnbstanz erst nach Beginn
der Teilung auftreten sollen. Nach van Beneden und Boveri
finden sich die Polkörperchen oder Zentrosomeu schon vorher
und sind allgemeine und diuiemde Teile der Zelle; im Innem
472 Otfentlicbe SitzuDf? vom 14. März 1906.
•
der Zentrosomen wurde noch ein winziges Zentralkom, der
Zentriol, erkannt. Flemming fand nun im Zentrum der
Strahlung in yerschiedenen Gewebszellen neben den völlig
ruhenden Kernen kleinste Doppelkömchen, die aber nicht, wie
man meinen könnte, Zentrosamen sind, sondern den Zentriolen
entsprechen; die Zentriolen sind demnach allgemeine und per-
manente Zellorgane und nicht die Zentrosomen.
Sehr yerdienstvoU sind ferner seine in den Jahren 1892
bis 1898 in den Merkel- Bonnetschen Ergebnissen yeröffent-
lichten Berichte über die neuen Arbeiten über die Morphologie
der Zellen, die nur er mit solcher Sachkenntnis und Kritik
schreiben konnte.
Es wären ja noch viele wichtige Arbeiten Flemmings auf-
zuzählen, z. B. die zur Kenntnis des Ovarialeies, die er Karl
Kupffer zum 70. Geburtstag gewidmet hat. Er hatte anfangs
wohl manche Gegner, aber später schlössen sich viele Mit-
arbeiter an ihn an, die auf der von ihm geschaffenen Grund-
lage weiter bauten. Zahlreiche junge Anatomen kamen nach
Kiel, um bei dem bewährten Meister sich in der histologischen
Forschung auszubilden.
Ein im Jahre 1892 auftretendes schweres Nervenleiden
beeinträchtigte seine gewohnte Tätigkeit, ohne jedoch seinen
Verstand und sein Gedächtnis zu alterieren, so daß er 1901
um Enthebung von seinem Amte nachsuchen mußte.
Alle, welche ihm näher traten, verehrten den edlen Mann
von unabhängiger Gesinnung und wahrer Herzensgüte.
Ferdinand Frhr. v. Richthofen. ^)
Durch das am 6. Oktober 1905 erfolgte Ableben des ordent-
lichen Professora für Geographie an der Universität zu Berlin
Ferdinand v. Richthofen hat die geographische Wissenschaft
ihren bedeutendsten Vertreter verloren. Aus regster Tätigkeit
*) Siebe den Nekrolog von Dr. E. Frhr. Stromer v. Reicbenbach,
Beilage zur Allgem. Ztg. 1905, Nr. 238, und .Gec^htnisfeier fOr Ferd.
Frhr. v. Richthof^% Beilage zur Allgem. Ztg. 1906, Nr. 252.
C. Voit: Nekrolog auf F. v. Richthofen. 473
wurde er im Alter Ton 72 Jahren abberufen. Er ist von der
Geologie, in der er zuTor Bedeutendes geleistet und seinen
Sinn für Katurforscbung ausgebildet hatte, zur Geographie
geführt worden.
Am 5. Mai 1833 zu Karlsruhe, einem kleinen Orte Schlesiens
geboren, studierte er an den Universitäten zu Breslau und
Berlin Geologie, zu der er schon früh besondere Neigung
gefallt hatte; mit einer geschätzten Dissertation «de Melaphyro**
trat er 1856 zuerst vor die Öffentlichkeit. Nach einer geolo-
gischen Studienreise durch Dalmatien und die benachbarten
Teile der Balkanhalbinsel begab er sich nach Wien, um an
den praktischen Aufnahmsarbeiten der geologischen Reichs-
anstalt Teil zu nehmen. An diesem berühmten, damals unter
der Leitung von Ferdinand v. Hochstetter stehenden Institut
fand er wie so viele junge Geologen die beste Ausbildung.
Gleichsam als Probeaufgabe übernahm der junge Pl-aktikant
im Sommer 1856 die geologische Durchforschung eines der
wichtigsten, zugleich aber auch schwierigsten Gebiete in den
südtiroler Alpen, nämlich die Umgebung der berühmten Fund-
stätte von Versteinerungen in St. Cassian und des höchst interes-
santen Fassatals mit dem glänzendsten Erfolge, so daß schon
diese erste größere geologische Publikation als Grundlage für
die geologische Auffassung der gesamten südlichen Ealkalpen
gelten kann; sie zeichnet sich durch scharfe und kritische
Beobachtung der so verwickelten Gebirgsverhältnisse, durch
klare und übersichtliche Darstellung sowie durch geistreiche
Versuche aus, die außergewöhnlichen Erscheinungen alpiner
Gesteinsbildungen naturgemäß zu erklären; für die viel um-
strittene Theorie der Dolomitbildung, welche in Südtirol durch
die plötzlich zu enormer Mächtigkeit anschwellende Ausbildung
noch besondere Wichtigkeit erlangt, fand er eine neue Er-
klärung in der Annahme ihrer Entstehung aus umgewandelten
Korallenriffen. In den folgenden Jahren beteiligte sich Bicht-
hofen an den Arbeiten der geologischen Reichsanstalt in ver-
schiedenen Gegenden Österreichs und gewann überall, wo er
mit seinem eminenten Fleiß und acharfem Blick seine For-
474 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
schungen vornahm, neue Erfolge. Sorgsam in der Einzel-
beobachtung ließ er gleichwohl nie unversucht, einen höheren
wissenschaftlichen Standpunkt zu gewinnen, indem er im Über-
blick über das Ganze allgemeine Gesetze ableitete und auf
diese Weise die geologische Wissenschaft wesentlich förderte.
So wuäte er namentlich mit vielem Glück aus den Ergebnissen
seiner Forschungen in den vulkanischen Gebieten Ungarns eine
tiefere Gliederung der bis dahin fast zusammenhangslos be-
trachteten trachytischen Gebilde zu gewinnen. In den tiroler
Kalkalpen, wo er gleichzeitig mit der bayerischen geogno-
stischen Aufnahme beschäftigt war, trugen seine Arbeiten nicht
wenig dazu bei, diese Teile des Hochgebirges in beiden Länder-
gebieten in einheitlichem Sinne zur geologischen Darstellung
zu bringen.
Eine Wendung in der wissenschaftlichen Tätigkeit Richt-
hofens brachten hierauf seine großen Reisen hervor, die ihn
der Geographie zuführten. Er wurde nämlich im Jahre 1860
aufgefordert, die preußische außerordentliche Gesandtschaft des
Grafen zu Eulenburg, die mit den ostasiatischen Reichen Japan,
China und Siam Handelsverträge abschließen sollte, als Geologe
mit dem Range eines Legationssekretäi-s zu begleiten. Zahl-
reiche wichtige Reiseberichte, welche bereits während der
Expedition erschienen, z. B. über den Gebirgsbau an der Nord-
küste von Formosa, Bemerkungen über Ceylon, die Nummu-
liten-Formation in Japan und auf den Philippinen legen Zeugnis
ab von seiner unermüdlichen und erfolgreichen Tätigkeit. Als
die Expedition von Siam heimwärts ging, blieb Richthofen
zurück, um allein und selbständig weitere Aufgaben zu lösen ;
er wandte sich nach Hongkong, Schanghai, besuchte Formosa,
die Philippinen, Celebes, Java und wollte von Bangkok zum
Ganges vordringen, um über Kaschmir durch China zum Tian-
Schan zu kommen, was ihm aber erst vier Jahre später gelang.
Er begab sich daher nach Kalifornien und die Sierra Nevada,
die er durchforschte. Die Ergebnisse dieser ausgedehnten
Reisen wurden in zahlreichen wichtigen Publikationen nieder-
gelegt, so die über das Alter der Gold führenden Gänge und
C. Voit: Nekrolog auf F. von Richthofen. 475
der von ihnen durchsetzten Gesteine, über die Metallproduktion
Kaliforniens und insbesondere die Principles of the natural
System of Tolcanit rocks, in welcher Abhandlung er eine
generelle Klassifikation aller auf der Erde auftretenden vul-
kanischen Gesteine mit dem ihm eigentümlichen Schar&inn
und auf Grund seiner ausgedehnten Erfahrungen aufstellt, auch
die Gesetze der gegenseitigen Beziehungen zwischen Massen-
Eruptionen und vulkanischer Tätigkeit einer gründlichen Er-
örterung unterzieht und endlich die Beziehung der Vertei-
lung vulkanischer Gesteine zur Gestaltung der Erdoberfläche
klar legt.
Von da zog er nun 1868 nach Schanghai, um während
vier Jahren sich der umfassenden Erforschung Japans und
Chinas zu widmen, die er in den verschiedensten Richtungen
durchzog ; von den 18 Provinzen Chinas lernte er dabei 13 kennen.
Seine Forschungen in China lieferten ihm nach der im Jahre 1872
erfolgten Rückkehr nach Europa das reichste Material zu der
bis jetzt eingehendsten und gründlichsten Schilderung der da-
mals noch wenig bekannten geographisch-geologischen Verhält-
nisse dieses ausgedehnten Landes. Mit diesem großartigen
Reisewerk über China, der Frucht Jahre langer Arbeit, welches
nach allen Beziehungen den bedeutendsten auf diesem Gebiete
erschienenen Publikationen ebenbürtig zur Seite gestellt zu
werden verdient, hat sich Richthofen einen Ehrenplatz unter
den hervorragendsten Geologen und Forschern auf geographi-
schem Gebiete gesichert; es enthält die Grundzüge des geolo-
gischen Aufbaus Ostasiens und ist bahnbrechend für die wissen-
schaftliche Erschließung des fernen Ostens gewesen. Außerdem
waren von Wichtigkeit seine Briefe über China an die ihn
unterstützende Handelskammer in Schanghai mit gründlichen
Schilderungen der politischen, sozialen und wirtschaftlichen
Verhältnisse Chinas; dann die Schrift: Aufgaben und Methoden
der heutigen Geographie, die Anleitung zur praktischen geo-
graphischen Arbeit und der im Jahre 1886 erschienene „Führer
für Forschungsreisende*, worin er die Prinzipien seiner For-
schung darlegte.
476 öffentliche Sitzung vom 14. März 1906.
Nach Abschluß seiner großen Reise erhielt er 1875 einen
Ruf als ordentlicher Professor der Geologie an die Universität
Bonn mit der Zusage, die Stelle erst nach Vollendung des
ersten Teils seines Reisewerkes (1879) antreten zu dürfen; 1883
erfolgte die Berufung als Professor der Geographie nach Leipzig
und 1886 die nach Berlin in gleicher Eigenschaft.
Wie er vom Geologen zum Geographen sich allmählich
entwickelte, beschrieb er in seiner vor der Akademie der
Wissenschaften in Berlin im Jahre 1899 gehaltenen Antritts-
rede mit folgenden Worten : «Mein Studium war die Geologie.
Ihre praktische Anwendung auf den Gebirgsbau heimischer und
fremder Länder stellte ich mir früh als Ziel der Forschung.
Das Streben, die Gesamtheit der Erscheinungen zu erfassen,
welche dem Wesen und den natürlichen Veränderungen von
mir untersuchten Erdräumen zugrunde liegen, führte mich zur
physischen Geographie, inbesondere zu deren wichtigstem Zweig,
der Geomorphologie.* Er setzte dabei die geologischen, phy-
sischen, historischen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme
stets zu einander in Beziehung und zog aus seinen wissen-
schaftlichen Untersuchungen die praktischen Folgerungen.
So ist er zum angesehendsten Geographen seiner Zeit und
zum Richtung gebenden Führer in seiner Wissenschaft geworden.
Es gingen außerdem von ihm noch andere wichtige Anregungen
hervor. So war er der Gründer und erste Direktor des In-
stituts für Meereskunde in Berlin, in dem die deutsche Meeres-
forschung sich konzentrierte. Das geographische Institut der
Universität erhob er auf die Höhe einer Musteranstalt. Mehr
als 30 Jahre war er der eifrigste Förderer der Gesellschaft für
Erdkunde und 17 Jahre lang ihr erster Präsident, der er den
Geist ernster wissenschaftlicher Forschung einzupflanzen wufite.
Auf dem Geographentage in München 1884 beantragte er
die Schaffung eines Repertoriums, das dann als «Bibliotheca
geographica* von der Berliner Gesellschaft für Erdkunde ver-
wirklicht wurde.
Er war auch ein ungemein eifriger und beliebter Lehrer,
der eine große Anzahl von Schülern um sich versammelte, die
C. Voit: Nekrolog auf Otto Stolz. 477
er für die Wissenschaft zu begeistern wußte. In seiner viel
besuchten Vorlesung der vergleichenden Übersicht der Kon-
tingente gab er aus dem reichen Schatze seines Wissens ein
anschauliches Bild von dem Zusammenhang des geologischen
Aufbaues der Gestalt der Erdoberfläche, den klimatischen
Verhältnissen, der Flora und Fduna und der wirtschaftlichen
Entwicklung der Bewohner. Von besonderer Bedeutung war
das GoUoquium für Vorgerücktere, einem Seminar für ältere
Studierende und junge Gelehrte aller möglichen Wissensgebiete,
in dem er sein Bestes gab und seine Schule erzog. Ein edler
Mensch von schlichter sittlicher Gröläe und unabhängigem Cha-
rakter ist mit ihm dahingegangen.
Otto Stolz.
Am 23. November 1905 starb in Innsbruck der Professor
der Mathematik an der Universität daselbst Dr. Otto Stolz im
Alter vom 63 Jahren. Er wurde am 2. Juli 1842 zu Hall in
Tirol als der Sohn des Direktors der Landesirrenanstalt ge-
boren und studierte in Innsbruck und Wien Mathematik und
Astronomie. Nachdem er 1864 promoviert hatte, habilitierte
er sich 1867 an der Wiener Universität als Privatdozent ftlr
Mathematik und wurde zugleich als Assistent an der Wiener
Sternwarte angestellt Im Jahre 1869 verließ er diese Stellung,
um mit Hilfe eines Reisestipendiums bei Kummer, Weierstraß
und Eronecker in Berlin, sodann bei Clebsch in Göttingen
seine Studien fortzusetzen. 1871 nahm er seine Lehrtätigkeit
in Wien wieder auf, wurde aber schon im folgenden Jahre
nach Innsbruck berufen, wo ein zweiter Lehrstuhl für Mathe-
matik errichtet worden war; 1876 erhielt er die ordentb'che
Professur daselbst. Trotz mehrfacher verlockender Rufe nach
Wien ist er doch seiner Landesuniversität treu geblieben. Er
war wirkliches Mitglied der Kaiserl. Akademie der Wissen-
schaften zu Wien und seit 1900 korrespondierendes Mitglied
unserer Akademie.
478 öffentliche Sitzung vom 14. Mara 1906.
Als Schüler von Clebsch wandte er sich zunächst der
analytischen Oeometrie zu. Seine erste größere Arbeit auf
diesem Gebiete: ,Über die geometrische Bedeutung der kom-
plexen Elemente in der Geometrie* (1871) löste in überaus
glücklicher Weise das Problem, gewisse rein geometrische Er-
gebnisse der Staudtschen Forschungen dem Gebiete der ana-
lytischen Geometrie einzuverleiben. Es folgten eine Reihe
weiterer analytisch-geometrischer Arbeiten, die wie die eben-
genannte während der siebenziger Jahre in den Mathematischen
Annalen erschienen sind und sich auf singulare Punkte, As-
symptoten und Schnittpunkte algebraischer Kurven beziehen.
Eine tiefere kritische Untersuchung gewisser Grundlagen der
Geometrie, wie sie in seiner Abhandlung: „Über die Geometrie
der Alten, insbesondere über ein Axiom des Archimedes* (1883)
zutage tritt, sodann wohl auch seine I^ehrtätigkeit und die in
der Berliner Studienzeit empfangenen Anregungen führten ihn
allmählich ganz jener Richtung zu, welche man wohl allge-
mein als die Weierstraßsche zu bezeichnen pflegt und deren
Endziel in der strengen arithmetischen Begründung und lücken-
losen Ausgestaltung der Funktionenlehre besteht. Die Mathe-
matischen Annalen der letzten zwanzig Jahre und die Sitzungs-
berichte der Wiener Akademie enthalten eine ansehnliche Zahl
Stolzscher Arbeiten über Gegenstände des ebenbezeichneten
Gebietes: Grenzwerte, Punktmengen, Doppelreihen, gleich-
mäßige Konvergenz, unendlich kleine Gröisen, Maxima und
Minima, bestimmte Integrale u. a.
Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, sei nur hervor-
gehoben, daß der für die Theorie der ein- und mehrfachen
Integrale fundamentale Begriff des Inhalts einer Punktmenge
zuerst von Stolz formuliert worden ist (1884). Die Resultate
seiner eigenen Forschungen und die Früchte einer ungewöhn-
lich ausgedehnten Literaturkenntnis faßte er in zwei größeren
Werken zusammen: Den zweibändigen »Vorlesungen über all-
gemeine Arithmetik* (1885—1886) und den „Grundzügen der
Differential- und Integralrechnung* (3 Bände, 1893 — 1899);
ihnen folgte die .Theoretische Arithmetik*; dieselben haben
C. Voit: Nekrolog auf Otto Stolz. 479
nicht wenig dazu beigetragen, die schärferen Methoden der
neueren Analysis und deren schwierige Untersuchungsgebiete
weiteren Kreisen zugänglich zu machen, und sind jedem Fach-
mann zu unentbehrlichen Handbüchern geworden. In unseren
Sitzungsberichten vom 7. Januar 1905 erschien noch eine Ab-
handlung von ihm: , Beweis eines Satzes über das Vorhanden-
sein des komplexen Integrals/
Stolz hatte auch das Bestreben, die Lehren der Wissen-
schaft dem Volke zugänglich zu machen; dahin gehört sein
vortreffliches Buch „Die Sonne* sowie seine Rede über „Größen
und Zahlen*, in welche er einige Wesensbegriffe der Mathe-
matik mit philosophischen Betrachtungen in geistvoller Weise
entwickelt.
Er war ein ausgezeichneter Lehrer, zu dessen Schülern
viele Studierende der Theologie gehörten.
Seine Freunde, zu denen ich mich zu zählen das Olück
hatte, haben ihn als echte Tiroler Natur, begeistert für die
Schönheiten seines Vaterlandes, trotz seines großen Wissens
als einfachen und biederen Mann von zuverlässigem Charakter
und großer Liebenswürdigkeit gekannt.
Generalmajor Karl v. Popp.
In dem am 22. Oktober 1905 im 81. Lebensjahre in
München verstorbenen Generalmajor a. D. Karl von Popp verlor
die Akademie einen um die Erforschung der Urgeschichte
Bayerns höchst verdienten Mitarbeiter. Popp war nicht nur
ein hervorragender tapferer Offizier, er war auch ein Gelehrter,
der sich mit großer Ausdauer und Sachkenntnis der Erfor-
schung des Limes und seiner fortifikatörischen Anlagen und
Straßen widmete. Als Militär, anfangs dem Topographischen
Bureau des Generalquartiermeisterstabes zu gleicher Zeit mit
unserem Mitgliede v. Orff zugeteilt, interessierte er sich schon
früh lebhaft für diese Koste der altrömischen Befestigungen in
Deutschland und er hatte durch deren genaue Untersuchung
480 öffentliche Sitzung vom 14- M&rz 1906.
die Kenntnisse über dieselben sehr gefördert. Da war es selbst-
verständlich, daä die Akademische Kommission für Erforschung
der Urgeschichte Bayerns sich 1890 als technischen Beirat den
Mann erwählte, welcher der erfahrenste für ihre römischen
Untersuchungen war. In der Festrede am 141. Stifkungstage
der Akademie im Jahre 1900 hat Herr Johannes Ranke die
höchst ersprießlichen Leistungen Popps für die Kommission
nach den Berichten des damaligen Vorsitzenden der Kommission
Heinrich v. Brunn geschildert. Popp wird darin als eine für
seine Aufgabe in seltener Weise qualifizierte Persönlichkeit
bezeichnet: „Gewöhnt im Gelände überall persönlich zu unter-
suchen, Terrainstudien und Aufnahmen in technisch und künst-
lerisch vollendeter Weise selbst auszuführen, vollkommen ver-
traut mit jeder Einzelheit der vorliegenden Aufgaben, seit
lange überall in Stadt und Land bekannt und verehrt als
Förderer der urgeschichtlichen topographischen Untersuchungen.*
Er übernahm die Beaufsichtigung und Leitung sowie die selbst-
ständige Untersuchung der römischen Altertumsreste; als solcher
nahm er von neuem den Limes mit seinen fortifikatorischen
Anlagen topographisch auf, wodurch mehrere ältere Annahmen
berichtigt werden konnten. Außerdem wurden von ihm die
römischen Fundplätze und Straßen im Lande besucht, genau
untersucht und kartographisch festgelegt. Er hatte ferner die
Angaben der Mitarbeiter über neu gemachte Romerfunde zu
prüfen und ihre Untersuchungen zu überwachen. Auch die
vorrömischen und mittelalterlichen Befestigungen nahm er
unter seinen Schutz. Unausgesetzt war der liebenswürdige
Mann bereit, seine Mitarbeiter durch Rat und Tat zu unter-
stützen, neue Mitglieder der Sache zu gewinnen und die
historischen Vereine und Altertumsgesellschaffcen zur Tätigkeit
anzuregen. In dieser* Weise hat er die urgeschichtlich-archäo-
logische Landesaufnahmen neu belebt. Er war auch der Vor-
sitzende der Kartenkonunission, welche genaue topographische
Aufnahmen der urgeschichtlichen Bodenaltertümer machte und
sie in die Katasterblätter eintrug, um für spätere Zeiten ihren
Ort festzustellen. Als die Erforschung des römischen Limes
C. Voit : Nekrolog auf Karl v. Popp.
481
auf das Deutsche Reich überging, wurde Popp stimmftthrendes
Mitglied der Reichslimes-Eoinmission und ihres engeren Aus-
schusses.
Die Akademie verlieh Popp im Jahre 1899 an seinem
80. Gebiirtstage für seine vielseitige und ergebnisreiche Tätig-
keit bei der Kommission die goldene Medaille ,,Bene Merenti*^
als höchste Auszeichnung. Wir werden des verdienstvollen
treuen Mitarbeiters stets in Dankbarkeit und Hochachtung
gedenken.
482 Berichtigungen,
Berichtigungen.
1. Zu der Abhandlmg JübBr äh Grundlagen dar Thaaria dar FakuHHanraMiaiiP*
van Edmund Landau.
Auf S. 156, Z. 6 v.u. lies: \Cn — ^»-|-i| statt (c„ — ^w-hi)»
1 -L —
Auf S. 169, Z. 10 V. o. lies: -r-, «? 7 statt n'+'*<*i-*o>.
Auf S. 161, Z. 12—14 V. 0. lies:
^ö y,, ^2, y^y y^ vier reelle Größen bezeichnen (0 < y, < y-
y^Ky^y die so gewählt sind, daß etc.
Auf S. 161, Z. 6—6 V. u. lies:
Wenn eine ganze Zahl y oberhalb der fünf Zahlen | x^\^
m^o) + Yi\ + \Y,l \^{^o) + Y,\+\nl |9eK) + y.l + 1x4-1
und I yiix^) + y» I + I ^4 I gewählt wird, so etc.
2. Zu dar Abhandlung „EInIga Falgerungan aus dar Cauchyschan latagraWanaat
bal Funktianen mahrarar Varändarllchan'' van F. Hartaga.
S. 224 Z. 10 y. o. ist hinter , welche*' einzuschalten: (abgesehen
von dem einfachsten, die Unmöglichkeit isolierter singii-»
lärer Stellen betreifenden Falle)
Gollenshausen.
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483
Sitzungsberichte
der
KönigL Bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Klasse.
Sitzung vom 3. November 1906. ,
1. Herr Sebastun Finster walder legt eine Abhandlung von
Herrn Moritz y. Rohr, wissenschaftlichen Mitarbeiter der Firma
Zeiß in Jena, vor über: „Die beim beidäugigen Sehen
durch optische Instrumente möglichen Formen der
Raumanschauung.^
Der Charakter der natürlichen Perspektive mit einem Auge
besteht darin, daß das Projektionszentrum vom Objekt aus
gesehen gegen den Beobachter zu liegt und nahe Dinge größer
erscheinen als gleich große fenie. Beim einäugigen Sehen durch
optische Instrumente können aber auch alle gleich großen
Gegenstände in gleicher Größe erscheinen, ja sogar die fernen
größer als die nahen. In solchen Fällen kann man um einen
konvexen Körper herumsehen und z. B. von einem Würfel
5 Flächen von einem Punkt aus überblicken. Beim beidäugigen
Sehen hängt die zustande kommende Raumanschauung außerdem
von der Art und Weise ab, wie durch das optische Instrument
die beiden Augen in den Objektraum hinausprojiziert werden,
ob ihre gegenseitige Stellung dabei ungeändert bleibt, ob sie
1906. SiUangsb. d. math.-phys. Kl. 32
Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. November 1906. ^85
3. Herr Hebm. Ebbrt berichtet über Versuche, welche er
in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Max Edelmann im Laufe des
verflossenen Jahres über ,,Pulsationen von kurzer Dauer
in der erdmagnetischen Feldkraft" angestellt hat.
Schon früher waren regelmäßige Schwingungen bei Ge-
legenheit erdmagnetischer Störungen beobachtet worden, welche
in den Feinregistrierungen oft sehr entfernter Stationen in auf-
fallender Übereinstimmung hervortraten und Eschenhagen
glaubte (1896) in solchen Pulsationen von ca. 30 Sekunden
Periodendauer die ,, erdmagnetischen Elementar wellen* gefunden
zu haben. Indessen wurden bald Anzeichen dafür erhalten, daß
in den erdmagnetischen Elementen regelmäßige Schwankungen
von noch viel kürzerer Dauer vorkommen. Um diese zu ver-
folgen wurde auf störungsfreiem Terrain im Walde (zwischen
Icking und Wolfratshausen) ein vieladriges Kabel zu einer
größeren Schleife ausgelegt und mit einem empfindlichen Edel-
m a n n sehen Saitengalvanometer verbunden, dessen überaus
dünner Metallfaden jeder Schwankung der elektrischen Kraft
genau folgt, welche durch das Ein- oder Austreten von erd-
magnetischen Kraftlinien in oder außer der Leiterschleife ge-
weckt wird; die interessanten Schwingungsbilder, die sich
hierbei auch an störungsfreien Tagen ergaben, konnten auf
rotierenden Filmstreifen auch photographisch fixiert werden;
einige derselben wurden in der Sitzung vorgelegt.
4. Herr H. v. Seelioer legt eine Arbeit des Herrn Dr.
J. B. Messerschmitt, Observators des erdmagnetischen Obser-
vatoriums bei der Sternwarte: „Magnetische Ortsbestim-
mungen in Bayern* (2. Mitteilung) vor.
Ein über das ganze Land ziemlich gleichmäßig verteiltes
Netz von Stationen wurde für die magnetische Landesaufnahme
durchbeobachtet. Die Ergebnisse lassen im Zusammenhang mit
den vor 50 Jahren von Lamont angestellten Messungen die
seither stattgefundenen Änderungen der magnetischen Elemente
genau ermitteln. Weiterhin konnten die wichtigsten magneti-
32*
486 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
sehen Störungsgebiete festgestellt und ein Zusammenhang mit
den Anomalien der Schwerkraft und mit den geologischen Ver-
hältnissen festgestellt werden.
5. Herr Alfred Pringsheim legt eine Note des Herrn Dr.
Georg Faber in Karlsruhe vor: ^Über Potenzreihen mit
unendlich vielen verschwindenden Koeffizienten,*
Der Verfasser gibt ein sehr einfaches Beispiel für die von
Herrn E. Fabry bemerkte Tatsache, daß gewisse Potenzreihen
mit unendlich vielen, unbegrenzt sich erweiternden Lücken nur
eine einzige singulare Stelle auf dem Konvergenzkreise besitzen.
487
Die beim beidäugigen Sehen durch optische Instru-
mente möglichen Formen der Raumanschauung.
Von Moritz t« Rohr.
(Binff^uftn ,8, November.)
(Mit Tafel IV.)
Wenn man die Formen der Raumanschauung, die durch
die verschiedenen binokularen Instrumente vermittelt werden,
systematisch ordnen will, so stößt man bei der Pseudoskopie
auf eine gewisse Schwierigkeit. Diese Erscheinung ist nicht
nur auf eine gewissermaßen zufallige Art entdeckt worden,
sondern sie wird auch heute noch in einer recht indirekten,
an den Einzelheiten der pseudomorphen Instrumente haftenden
Weise der Orthoskopie gegenübergestellt.
Die Betrachtung der Strahlenbegrenzung schien hier ein
einfaches Einteilungsprinzip an die Hand zu geben, und die
eingehende Behandlung der verschiedenen Fälle lieferte auch
eine Erweiterung der Erkenntnis für die beim einäugigen Sehen
auftretenden Möglichkeiten.
Wenn man mit freien Augen ein Objekt betrachtet, so
sind stets zwei Bedingungen ohne weiteres erfüllt, und zwar
ist ihre Erfüllung so selbstverständlich, daß ihr Bestehen bei
der Behandlung des Sehvorganges meistens übersehen wird.
Einmal liegt im Sinne der Lichtbewegung das Objekt in Bezug
auf jedes Einzelauge vom, und dann ist die Lage der beiden
Augen zueinander stets so, daß ihre Medial- oder Nasenseiten
einander zu-, ihre Lateral- oder Schläfenseiten voneinander
abgewandt sind. Beide Bedingungen sollen in der neben-
488 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
stehenden Figur 1 als erfüllt kenntlich gemacht sein. Die erste
von ihnen ist die Bedingung des einäugigen, die zweite die
des beidäugigen natürlichen Se-
hens. Es ist auch ganz unmög-
0<^ lieh, sich beim Gebrauch der
r unbewaffneten Augen den Ob-
0 jekten gegenüber von der Ein-
Fig. 1. Die Betrachtung do^ Ob- Haltung dieser Bedingungen frei
jekts 0 mit unbewaffneten Augen, zu machen.
Der Charakter der natürlichen Perspektive.
Die soel>en erwähnte Lage des Einzelauges zum Objekt
hat zur Folge, daß sich das Projektionszentrum jenes flächen-
haften Bildes, das allein dem Auge zugänglich ist, im Beob-
achter oder zwischen Objekt und Beobachter befindet; dabei
ist es für den Charakter der Perspektive gleichgültig, ob sie
durch die Mitte der Augenpupille oder — im freien, direkten
Sehen — durch den Augendrehungspunkt bestimmt wird. Ja,
es ändert sich der perspektivische Charakter — die geringere
Größe weiter entfernter Gegenstände — nicht, wenn die Strahlen-
begrenzung durch ein* enges Loch zwischen dem Objekt und
dem Auge vorgenommen wird, während die Beobachtung bei
ruhig gehaltenem Auge dufch die weit geöfinete Pupille, oder
bei bewegtem Kopfe und entsprechend bewegtem Auge als eine
reine Schlüssellochbeobachtung zustande kommt.
Das Gemeinsame für alle diese Fälle soll dadurch hervor-
gehoben werden, daß man überall da, wo es sich um die ge-
wöhnliche Perspektive handelt, dieselbe Bezeichnung für den
Strahlengang anwendet. Da in diesen Fällen stets das Zentrum
der Projektion vom Objekt aus gerechnet in der Richtung auf
den Beobachter zu liegt, so sei der Strahlengang als ein ento-
zentrischer (von ivzog = diesseits) eingeführt.
Dieser Charakter der natürlichen Perspektive, daß vom
Objekt aus gesehen das Zentrum nach dem Beobachter zu in
endlicher Entfernung liegt, und daß daher ein näheres Objekt
M. V. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauang. 489
dem Beobachter unter einem größeren Gesichtswinkel erscheint
als ein gleichgroßes ferneres, ist unumgänglich nötig, wenn
die Erscheinungsformen der Umgebung auf Grund der Erfah-
rung schnell und zutreffend gedeutet werden sollen. Man geht
kaum zu weit, wenn man der natürlichen Perspektive für die
Raumvorstellung eine noch größere Bedeutung beilegt als sogar
dem Sehen mit beiden Augen.
Die Aufhebung der natürlichen Perspektive.
Die optischen Instrumente bieten die Möglichkeit, sich
von den verschiedenen soeben aufgezählten Beschränkungen
frei zu machen, sei es, daß das sie verlassende Licht nur ge-
brochen oder nur gespiegelt oder gebrochen und gespiegelt
wurde. Bei der Unvollständigkeit, mit der die Wirkung solcher
optischen Vorkehrungen betrachtet zu werden pflegt, erscheint
es zweckmäßig, hier einen kurzen Exkurs einzuschalten, wobei
auf die ausführlicheren Darstellungen verwiesen sei, die sich
an anderen Stellen^) finden.
Die Wirkung eines optischen Instruments auf einer Schirm-
fläche (meistens einer Schirmebene) beschränkt sich stets auf
die Abbildung eines flächenhaften Objektgebildes oder meistens
der Einstellungsebene. Alle nicht in dieser Einstellungsebene
liegenden Objektpunkte werden von der Eintrittspupille des
Instruments durch Büschel endlicher Öffnung in sie hinein-
projiziert, so daß sie in ihr unscharf, d. h. als Zerstreuungs-
kreise, erscheinen. Für die Perspektive kommt es allein auf
^) Die Bilderzeugung in optischen. Instrumenten vom Standpunkte der
geometrischen Optik. Bearbeitet von den wissenschaftlichen Mitarbeitern
an der optischen Werkstätte von Karl Zeiß P. Culmann, S. Czapski,
A. König, F. Löwe, M. von Rohr, H. Siedentopf, E. Wandersieb.
Herausgegeben von M. von Rohr. 8®. XX, 587 Seiten mit 133 Textfig.
Berlin, J. Springer, 1904, S. 466-607.
Grundzüge der Theorie der optischen Instrumente nach Abbe. Von
S . C z a p s k i. 2. Aufl. Unter Mitwirkung des Verfassers und mit Beiträgen
von M. von Rohr. Herausgegeben von 0. Eppenstein. (Sonderabdruck
aus A. Winkelmanns Handbuch der Physik, Bd. 6.) Leipzig, J. A. Barth,
1904. gr. 80. XVI, 479 Seiten mit 176 Textfig., S. 248—261.
490
Sitzung der math.-phjR. Klasse vom 3. November 1906.
die Mittelpunkte dieser Zerstreuungskreise an, und zwar werden
diese durch alle die Strahlen bestimmt, die von der Mitte der
Eintrittspupille ausgehen. Die so auf der Einstellungsebene
entstehende Darstellung, das objektseitige Abbild, wird dem
Auge dargeboten — unter Umständen unter verändertem Ge-
sichtswinkel und in abweichendem Maßstabe — , doch kann
stets die Wirkung des optischen Instruments für das unbe-
grenzt akkommodierende Auge in theoretischer Strenge durch
das objektseitige Abbild ersetzt werden, wenn man die Ge-
sichtswinkel w' kennt, die durch das Instrument auf der Bild-
seite hervorgebracht werden.
Je nach der Größe der Augenpupille im Verhältnis zu
der Austrittspupille des Instruments sind auch bei den opti-
schen Instrumenten die beiden schon für das unbewaffnete
Auge wichtigen Fälle möglich, nämlich der des unbehinderten
Sehens, wo der Augendrehungspunkt die Perspektive bestimmt,
und der der Schlüssellochbeobachtung, wo die Pupille des In-
struments für die Perspektive bestimmend ist.
Eine Abweichung von der bisher allein betrachteten ento-
zentrischen Perspektive ergab sich, als Systeme konstruiert
wurden, bei denen die Eintrittspupille im Unendlichen lag,
oder mit anderen Worten, die nach der Objektseite telezen-
trisch gemacht worden waren. Es scheint, daß eine solche
Regulierung des Strahlenganges (wobei die Abbiendung in der
hinteren Brennebene des den Objekten zugekehrten Sjstemteils
vorgenommen wird) bewußt zuerst von E. Abbe eingeführt
worden ist. Jedenfalls hat er zuerst ganz allgemein die Folgen
angegeben, die ein solcher Strahlengang für die Maßverhält-
nisse hat, unter denen körperliche Objekte einem durch ein
solches System schauenden Auge erscheinen. Da das Projek-
tionszentrum der Objekte im Unendlichen liegt, so muß sich
auf der Einstellungsebene eine Parallelprojektion einstellen,
eine Erscheinungsform, die E. Abbe^) im Falle des zusammen-
^) Ueber mikrometrische Messnng mittelst optischer Bilder. Sitzber.
Jen. Ges. Med. Natur w. 1878, 11 — 17, S. 14. Siehe auch in: Gesammelte
Abhandlungen von Ernst Abbe. Bd. I. G. Fischer, Jena 1904, S. 168.
M. V. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauung. 491
gesetzten Mikroskops sehr deutlich beschrieben hat. Und in
der Tat finden sich bei diesem Instrument die Bedingungen
für den telezentrischen Strahlengang sehr häufig verwirklicht.
Herr S. Finsterwalder hat den Verfasser darauf hingewiesen,
daß man sich des telezentrischen Strahlen ganges mit Vorteil
bedienen könne, um mit Hilfe der Photographie exakte Grund-
und Aufrisse von kleinen Gegenständen herzustellen. Die Kor-
rektionsbedingungen, die in diesem Falle an die optischen
Systeme zu stellen sind, lassen sich ohne Schwierigkeit erfüllen.
Man kann nun noch einen Schritt weiter gehen und sich
bemühen, die Eintrittspupille vor die Objekte zu legen, so daß
gerade die vom Beobachter weiter entfernten Objekte unter
größeren Gesichtswinkeln erscheinen. Ein solcher Versuch
erscheint zunächst aussichtslos, weil er im Widerspruch zu
der Erkenntnis zu stehen scheint, daß alle durch optische
Mittel realisierbaren Abbildungen rechtläufig ^) sind. Da nun
das normale Auge hinter den Bildern liegen muß, wenn es sie
wahrnehmen soll, so müßte auch die Eintrittspupille des Sy-
stems hinter den Objekten liegen. Dieser Schluß ist ganz
bündig, wenn Bilder und Auge nicht durch die Unstetigkeits-
ebene des Bildrauras getrennt sind. Ist das aber der Fall, so
kann infolge der gegenseitigen Durchdringung des Objekt- und
des Bildraums die gewünschte Lage des Projektionszentrums
herbeigeführt werden. Das Ergebnis zeigt sich in der Figur 2.
Es handelt sich dabei um ein kleines Hausmodell von 40 mm
Länge, 7 mm Breite, 10 mm Seitenwand- und 15 mm First-
höhe. (In der Figur 3 ist es in gewohnter Weise aufgenommen
dargestellt.) Es war hinter einer Linse von 8 cm Brennweite
und dem zweckmäßigerweise besonders großen Offnungs-
verhältnis von 1 : 1 aufgestellt und durch sie hindurch mit
einem photographischen Objektiv aufgenommen worden, dessen
Eintrittspupille um mehr als 8 cm von der Vorderfläche der
*) Unter „Rechtläufigkeit" ist dabei diejenic^e Eigentümlichkeit der
Abbildung zu verstehen, nach welcher die Bildpunkte im Sinne der
Lichtrichtung dieselbe (nicht die entgegengesetzte) Reihenfolge einnehmen
wie die zogebörigen Objektpunkte.
4:92 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
Linse entfernt war. Da die hinteren Teile des Modells größer
erscheinen als die vorderen, so gestattet dieser Strahlengang,
rx
-JJ
Fig. 2. Das Hausmodell in
unnatürlicher Perspektive.
Fig. 3. Das Hausmodell io
natürlicher Perspektive.
mit einem Auge »um das Objekt herumzusehen", wie Herr
S. Finsterwalder das Auffallende dieser Darstellungsart kurz
bezeichnet.
Geht man nun auf den Abbildungsvorgang etwas näher
ein, so mag dazu die rein schematische, einen Meridianschnitt
darstellende Figur 4 dienen. Die Linse L mit den Brenn-
T 0' 0 ((q,
V
F'
■-^.
r
Fig. 4. Eine schematische Dai-stellung des hyperzentrischen Strahlen-
ganges durch die Wiedergabe des Meridianschnitts.
P Objektauge, F* Auge im Bildraum. Die auf den' Objektraum
bezüglichen Graden sind ^ausgezogen, die den Bildraum
betreffenden gestrichelt.
punkten F und F' sei vor dem als Objekt dienenden Würfel-
skelett 0 0^0^0 aufgestellt. Das beobachtende Auge befinde
M. V. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauung. 493
sich in dem Acbsenpunkte P* und werde durch die Linse reell
und umgekehrt in dem Objektauge P, also anscheinend
vor dem Objekt abgebildet. Es sei ferner angenommen, daß
auf die dem Beobachter zugekehrte, durch 0^ gehende Würfel-
fläche akkommodiert werde. Alsdann ist die Konstruktion des
objektseitigen Abbildes einfach: von P aus werden alle Punkte
des Würfelskeletts in die durch Oj gehende Einstellungsebene
projiziert, und man sieht ohne weiteres, daß die durch 0
gehende Würfelfläche 0 0 in der Einstellungsebene größer wird
{Ojfi} als die durch 0^ gehende, näherliegende 0^0^, Es ist
außerdem des leichteren Verständnisses wegen das Bildrelief
des Würfelskeletts gezeichnet worden, so daß man auch ein-
sieht, wie dieser Effekt im Bildraume zustande kommt. Der
scheinbare Widerspruch mit dem Gesetz der rechtläufigen Ab-
bildung löst sich durch die Betrachtung der Lichtrichtung:
Die auf P treffenden Strahlen von Punkten des Würfelskeletts
gelangen, da eine Lichtrichtung von links nach rechts voraus-
gesetzt ist, erst dann nach P, wenn sie das Unendliche passiert
haben und zwar in einer, mit der anfänglichen übereinstimmen-
den Richtung. P liegt also wirklich für diese Betrachtung
hinter 0 0,. Da das Objektauge P zwar umgekehrt ist, aber
auch abwärts gerichtete Gesichtswinkel w erhält, so wird im
Bildraume das Bildrelief aufrecht wahrgenommen. Die un-
natürliche Perspektive aber bleibt bestehen, und man kann sich
nicht überreden, daß sie einem Würfelskelett angehören könne.
Man faßt das Gebilde stets in einer ganz bestimmten Weise
verzerrt auf, weil eine solche Erscheinungsform des Würfel-
skeletts jeder Erfahrung widerspricht. Sie mag, den vorigen
Namen entsprechend, hyperzentrisch heißen.
Schon oben war darauf hingedeutet worden, daß diese
Erscheinungen am deutlichsten auftreten, wenn das Offiiungs-
verhältnis des abbildenden Systems besonders groß ist, und man
sieht auch leicht ein, daß dafür große Winkel w vorzüglich
günstig sind. Systeme mit solchen Eigenschaften finden sich
namentlich in Hohlspiegeln, die sich ja auch hinsichtlich der
Aufhebung der sphärischen und chromatischen Abweichungen
494 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
vor gleicli einfachen', rein dioptrischen Konstruktionen aus-
zeichnen.
Es muß sich daher diese Erscheinung häufig, namentlich
beim Experimentieren mit Hohlspiegeln geradezu aufgedrängt
haben; sie scheint aber nicht weiter beachtet worden zu sein,
oder man hat sie einfach auf die Abweichungen der Systeme
abgeschoben. Jedenfalls wurde kein Anhaltspunkt dafür ge-
funden, daß man bisher versucht habe, sie aus der veränderten
Strahlenbegrenzung zu erklären, ähnlich wie das E. Abbe für
die entsprechenden Verhältnisse beim telezentrischen Strahlen-
gange getan hat.
Die Tiefenwahrnehmung beim beidäugigen Sehen.
Durch die gleichzeitige Verwendung beider Augen beim
Sehen ist die Möglichkeit einer Tiefenwahmehmung gegeben.
Man sieht das aus der nachfolgenden schematischen Figur 5
Fig. 5. Der Strahlenverlauf von den Fußpunkten in der
Medianebene befindlicher Objekte.
am einfachsten, bei der die Annahme gemacht worden ist, daß
die beiden verschieden entfernten Punkte Oj, 0, in dem Schnitt
der Horizontal- und der Medianebene liegen. Hierbei erkennt
man leicht, daß die nach dem ferneren Punkte gerichteten
Strahlen in dem vor den Augen liegenden Gebiet mehr schlafen-,
die nach dem näheren mehr nasenwärts verlaufen. Die Be-
trachtung dieses ganz einfachen Falles mag hier genügen : die
allgemeineren Fälle würden sich ohne Schwierigkeit durch die
Einführung der Helmholtzischen stereoskopischen oder der
ihnen entsprechenden angularen Differenzen erledigen lassen.
Die Tiefenwahrnehmung ist auf diese Weise nicht nur körper-
M. V. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauung. 495
liehen Objekten gegenüber möglich, sie findet auch dem von
einem beliebigen optischen System gelieferten Bildrelief gegen-
über statt und führt zu einem richtigen (d. h. mit dem durch
die Betrachtung der Objekte selbst gewonnenen Resultat über-
einstimmenden) Ergebnis, weil alle optischen Systeme, wie
schon bemerkt, rechtläufig sind, also die Richtung der Tiefen-
ausdehnung der Objekte nicht verändern. E. Abbe*) scheint
zuerst auf diese allgemeine Eigenschaft des Bildreliefs optischer
Instrumente ' hingewiesen zu haben, um daraus einen Schluü
auf die beidäugige Tiefenwahrnehmung am Bildrelief zu ziehen.
Versucht man aber auch in diesem Falle die Betrachtung
auf die Vorgänge im Objektraume zu stützen, so muß man
die beiden Augen durch das optische System nach der Objekt-
seite zu abbilden. Macht man hierflir die vereinfachende (und
bei einfachen optischen Systemen — z. B. einer Graphoskop-
linse oder einem Hohlspiegel — in der Regel zutreffende) An-
nahme eines reellen Bildreliefs, so liegen die Objektaugen sicher
hinter den Objekten. Da ein einheitlich wirkendes optisches
System keine Veränderung der natürlichen Lage der beiden
Augen hervorbringen kann, so bleibt unter diesen Umständen,
d. h. bei der Abbildung durch ein einheitlich wirkendes opti-
sches System, die Bedingung des beidäugigen natürlichen Sehens
oder, wie hier gesagt werden soll, die orthopische*) Augen-
stellung erhalten. Strahlen von näher gelegenen Objektpunkten
verlaufen auch im Objektraume mehr nasenwärts, von ferneren
mehr schläfenwärts. Zu den Einzelheiten der Abbildung kann
man noch folgendes bemerken: Wird die Qesichtsfläche '^p als
Ganzes bei jener Abbildung durch das optische System einfach
umgekehrt ^|^ oder umgekehrt und spiegelverkehrt, so zeigt
sich das bei der Betrachtung darin, daß das Objekt zwar in
seiner Tiefenanordnung ungeändert bleibt, aber sonst einfach
^) On the conditions of orthoscopic and pseudoscopic effects in the
binocular microscope. Journ. Roy. Micr. Soc. 1881 (2), Bd. 1, 203—211,
S. 207. Siehe auch die Übersetzung in den auf S. 490 zitierten gesam-
melten Abhandlungen auf S. 319.
^) Nach Analogie von xvxlcjy; und kyklopisch gebildet.
496 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 3. November 1906.
umgekehrt oder umgekehrt und spiegelverkehrt wird. Es ist
das eine notwendige Folge der Änderung, die der Sinn der
objektseitigen Gesichtswinkel w durch das optische System für
jedes Einzelauge erleidet.
Man kann also auch nach der hier durchgeführten Be-
trachtungsweise, bei der die Vorgänge im Objektraume berück-
sichtigt werden, keine Änderung der Tiefenanordnung erwarten,
wenn es sich um die Abbildung durch ein einheitlich wirkendes
optisches System handelt.
Die Aufhebung der natürlichen Augenstellung.
Schon sehr früh — gegen das Ende des siebzehnten Jahr-
hunderts — hatte ein unter dem Klostemamen Ch^rubin
D' Orleans bekannt gewordener Kapuzinermönch ein binoku-
lares Instrument hergestellt, wodurch für die Objektaugen die
natürliche Stellung aufgehoben wurde. Er richtete nämlich
zwei gewöhnliche bild umkehrende Mikroskope auf einen und
denselben Objektpunkt und wählte die Neigung der Rohre so,
daß das rechte Okular von dem rechten und das linke Okular
von dem linken Auge benutzt werden konnte. Man sieht leicht
ein, daß bei der Abbildung der beiden
Augen des Beobachters in den Objekt-
raum ein jedes für sich umgekehrt wurde,
so daß sich nach dem hier gebrauchten
Schema der in der Figur 6 dargestellte
Fall ergab. Die Vermutung liegt nahe,
Fig. 6. Die Stellung der ^laü mit einer solchen Änderung der
ganz schematisch ge- . . ••
zeichneten Objektaugen natürlichen Augenstellung eme Ande-
im Ch^rubinschen ^ung der Tiefenanordnung im Bildraume
Doppelmikroskop. , , . i • i i
verbunden sein müsse, und so ist es auch
tatsächlich. Konstruiert man jenes einfache Schema in der
Figur 7 wieder, so sieht man, daß für jedes der beiden Objekt-
augen die Strahlen von dem ferneren Punkte mehr nasen-,
die von dem näheren mehr schläfenwärts verlaufen. Zeichnet
man nunmehr die Figur 8 für den Bildraum, wo die Augen
natürlich die orthopische Stellung haben müssen und sucht
4^'
M. V. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauung. 497
dort die entsprechenden Strahlen auf, so müssen die vorher
mehr schläfenwärts liegenden Strahlen auch hier wieder mehr
schläfenwärts liegen, da jedes einzelne optische System seine
Meridianebene — abgesehen von der hier nicht in Betracht
Fig. 7. Der Strahlenverlauf von den Fuß-
punkten in der Medianebene befind-
licher Objekte bei chiastopiacher Stel-
lung der schematisch gezeichneten
Objektaugen.
<?'
Fig. 8. Der der Figur 7
entsprechende Strahlen-
gang im Bildraume.
kommenden Nachbarschaft der objektseitigen Brennebene —
zusammenhängend abbildet. Die ausgezogenen und die ge-
strichelten Strahlen definieren also im Bildraume, wie man
auf der Figur 8 sieht, zwei Punkte 0,', 0/ in umgekehrter
Tiefenfolge.
Man erhält auf diese Weise die Verwirklichung einer rück-
läufigen Abbildung, die bei einheitlich wirkenden optischen
Systemen ausgeschlossen war. Sie kommt in binokularen In-
strumenten zustande, wenn durch die Wirkung der getrennten
Systeme die Gesichtsfläche ^[^ nicht zusammenhängend, sondern
unstetig l^^^l abgebildet wird.
Bei dieser großen Wichtigkeit der Augenstellung für die
durch das beidäugige Sehen vermittelte Anschauung der Tiefen-
gliederung sei die unnatürliche (gekreuzte) Stellung als chia-
stopische bezeichnet. Wird sie im Objektraum hervorgerufen,
ohne daß sie von einer Änderung der Perspektive begleitet
wird, so erhält man eine Umkehrung der Abstände, die aber
nur bei beidäugiger Beobachtung zwingend ist; bei einäugiger
Betrachtung kann die Täuschung verschwinden oder überhaupt
nicht zustande kommen.
Während diese Änderung des Baumbildes, die bei dem
Doppelmikroskop von Ch^rubin d' Orleans zweifellos vorhan*
498 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. Novembre 1906.
den war, zu jener Zeit unbemerkt blieb, erregte sie die Auf-
merksamkeit Ch. Wheatstones, der sie 1852 zuerst unter
dem Namen der Pseudoskopie beschrieb. Er gab damals
mehrere Möglichkeiten der Verwirklichung an, und zwar be-
stand der ihm besonders geeignet erscheinende Apparat aus
zwei Amicischen Reflexionsprismen, die, wie man aus der
Figur 9 sieht, die chiastopische Augenstellung im Objektraume
Fig. 9. Ein schematischer Horizontalschnitt durch das
Wheatstonesche Pseudoskop.
Die Objektaugen sind punktiert, um ihre mangelhafte
Abbildung anzudeuten.
herbeiführten. Durch die Punktierung der ganz schematisch
gezeichneten Objektaugen soll angedeutet werden, daß sie in-
folge der Abbildung durch starke Brechungen in Prismen von
beträchtlicher Dicke mit ziemlichem Astigmatismus behaftet
sind. Bei den Versuchen schadet dieser Bildfehler übrigens
nicht wesentlich, aber das Gesichtsfeld des Instruments ist nur
gering, und nicht jedem Beobachter gelingen die damit anzu-
stellenden Versuche. Am besten eignen sich dafür Skelette
einfacher stereometrischer Körper, weil hier keine Schatten
das Zustandekommen des pseudoskopischen Eindrucks hindern,
und weil sich die Inversion eines stereometrischen Skeletts eben
so leicht vorstellen läät wie das Skelett selbst.
Die von Ch. Wheatstone gegebene Erklärung des pseudo-
skopischen Raumbildes war vollständig zutreffend^ beruhte aber
M. V. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauun^. 499
auf der Betrachtung des Bildraums, und so kam es, daß damals
der allgemeinere Grund der Pseudoskopie nicht bemerkt wurde.
In den 50er und 60 er Jahren des vorigen Jahrhunderts
beschäftigten sich tüchtige Mikroskopiker namentlich englischer
Zunge mit der Konstruktion eines stereoskopischen Mikroskops,
und sie sahen, da nun einmal das Interesse auf die pseudo-
skopische Wahrnehmung gerichtet war, wie leicht man zu
einem solchen, hier meistens unerwünschten Eindruck kommen
könne. Wenn es ihren scharfsinnigen Bemühungen auch ge-
lang, durch eine zweckmäßige Verfügung über die Konstruk-
tionselemente den gewünschten stereoskopischen Eindruck zu
sichern, so haben sie doch an der Klärung des allgemeinen
Sachverhalts nicht gearbeitet.
Dies geschah erst durch E. Abbe, der, ohne eingehende
Kenntnis dieser Entwicklung des Binokularmikroskops in Eng-
land, 1880 ein stereoskopisches Okular baute, um das Qebiet
der stereoskopischen Mikroskopie auch auf dem Kontinent aus-
zudehnen. Er entwickelte als erster eine zusammenfassende
Theorie, wenn auch nicht aller stereoskopischen Mikroskope,
so doch aller derer, die mit einem einfachen Objektiv aus-
gerüstet waren, und die auch zu jener Zeit allein in Betracht
kamen. Zu gleicher Zeit gab er auch ein überraschend ein-
faches Merkmal an,^) wonach man bei einem jeden dieser In-
strumente die orthoskopische oder die pseudoskopische Wirkung
sofort voraussagen konnte. Diese Abbesche Regel lautet in
ihrer einfachsten Form: „Die einzige notwendige Bedingung
für die orthoskopische Wirkung in irgend einem binokularen
Apparat ist, daß die betreffenden Halbkreise entsprechend dem
Schema 0 dargestellt werden können, und für die pseudosko-
pische Wirkung, daß sie dem Schema P entsprechend liegen."
Dabei beziehen sich die in den Figuren 10 und 11 wieder-
gegebenen Abbeschen Zeichnungen auf die Austrittspupillen,
^) Beschreibung eines neuen stereoskopischen Oculars nebst allge-
meinen Bemerkungen über die Bedingungen mikro-stereoskopischer Beob-
achtung. Carls Rep. 1881, 17. 197—224, S. 208. (In den ges. Abh. S. 265
und On the conditions etc. S. 203/204 und in der Übers. 314.)
190«. BÜKungsb. d. iiMih.-ph7t. Kl. 33
500 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
die bei allen Binokularmikroskopen halbkreisförmig sind, wo
die Eintrittspupille des Objektivs geometrisch in eine rechte
und eine linke Hälfte geteilt und je einem der beiden Augen
zugeordnet wird. Man sieht leicht ein, daß die Abbesche
Regel in allen von ihm behandelten Fällen mit der hier ge-
gebenen Formulierung übereinstimmt; denn schreibt mau dar-
unter die hier benutzten Symbole, wie das in den Figuren 12
und 13 geschehen ist, und beachtet man, daü die beiden Aus-
Fig. 10.
Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 10 und 11. E. Abbes bildseitiges Eriterinm für die orthoskopische
und die pseudoskopische Wirkung der binokularen Mikroskope mit
gemeinsamem Objektiv.
Fig. 12 und 13. Die Zurückföhrung des Abbeschen Kriteriums auf die
orthopische und die chiastopische Stellung der Objektaugen.
trittspupillen zusammen im Objektraume die vollständige kreis-
förmige Eintrittspupille des Instruments ergeben müssen, so
wird man nur in dem einen Falle (der Figur 12) auf die
orthopische Augenstellung im Objektraume geführt, im anderen
(der Figur 13) muß sich die chiastopische ergeben. Es ist zu
bedauern, daß £. Abbe filr den allgemeinen Fall die Lösung
entgangen ist. Er hat sich offenbar durch die unbestreitbare
Eleganz seines Satzes in den besonderen von ihm behandelten
Fällen verleiten lassen, von seinem so folgenreichen Prinzip
abzugehen, die Betrachtung auf die Vorgänge im Objektraume
aufzubauen, und so ist er darum gekommen, eine Theorie der
gesamten binokularen Instrumente zu geben.
Wenn sich vorher allgemein hatte nachweisen lassen, daß
eine pseudoskopische Wahrnehmung durch einheitlich wirkende
optische Instrumente nicht verwirklicht werden kann, so hat
sich nunmehr gezeigt,, daß nicht immer das Vorhandensein
zweier völlig getrennter Instrumente für die beiden Augen
M. V. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauung. 501
nötig ist; es genügt auch, hinter einem gemeinsamen Objektivteil
eine Diskontinuitätsstelle einzuführen, so daß die eine Hälfte
der Eintrittspupille nur dem rechten, die andere nur dem linken
Auge zugeordnet ist.
Eine Mittelstellung zwischen den beiden im vorhergehenden
behandelten Möglichkeiten nimmt der Fall ein, daß beide Augen
im Objektraume zusammenfallen, oder wie man es auch nennen
kann, der Fall der synopischen Augenstellung. Er wurde
anscheinend zuerst beobachtet, als man in den 50 er Jahren
des vorigen Jahrhunderts identische Bilder im Stereoskop be-
trachtete. Hatte man hier unbewußt stets an der entozen-
trischen Perspektive festgehalten, so machten englische Mikro-
skopiker in der Mitte der 60 er Jahre einen wichtigen Fort-
schritt darüber hinaus. Bei der besten der damals vorge-
schlagenen Einrichtungen — sie stammte von F. H. Wenham
her — wurde mit Hilfe einer sowohl durchlässigen als auch
spiegelnden Schicht jeder einzelne Strahl in zwei Teile ge-
spalten, um je einem der beiden Augen zugeführt zu werden.
Es erhielt dann jedes Auge ein (abgesehen von den Helligkeits-
unterschieden) identisches Bild, und zwar bei starken Mikro-
skopobjektiven ein Bild in telezentrischer Perspektive. Eine
solche Beobachtung im zweiäugigen (indifferenten) Sehen bietet
doch noch einen Vorteil für den Beobachter, insofern als die
Beobachtung mit beiden Augen bequemer und angenehmer ist
als die mit einem Einzelauge. Für makroskopische Objekte
mit entozentrischer Perspektive hat man den Vorzug der syno-
pischen Augenstellung schon in den 50er Jahren gekannt; hier
kommt noch hinzu, daß es sich bei Landschaftsaufnahmen um
angenähert bekannte Gegenstände in weiter Entfernung handelt,
bei denen die Verschiedenheit eigentlich stereoskopischer Halb-
bilder keine große Rolle spielt. In solchen Fällen läßt die
gewohnte und bequeme Beobachtung mit beiden Augen um so
leichter die auf der Erfahrung beruhende Tiefendeutung als
Ersatz für die Tiefenwahmehmung eintreten.
Eine Verbindung der verschiedenen Bedingungen des ein-
äugigen und des beidäugigen Sehens miteinander ist aber ganz
83*
502 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
allgemein möglieb, da sie voneinander ganz unabhängig sind.
Es sei bier ein Scbema mitgeteilt, das eine Yollständige L ber-
sicbt über die überhaupt möglichen Bedingungen des Sehens
mit beiden Augen liefert, da es mit einem Eingänge für die
drei monokularen und einem solchen für die drei binokularen
Bedingungen versehen ist. Es ist dabei für die verschiedenen
Formen der Erscheinung auch die Zeit angegeben worden, zu
der sie zuerst bemerkt worden sind. (Siehe S. 503.)
Handelt es sich jetzt darum, alle diese neun möglichen
Formen des beidäugigen Sehens wirklich zu veranschaulichen,
so empfiehlt sich vornehmlich die auf Taf. IV gewählte Dar-
stellung mit Hilfe von Stereogrammen. Ein Stereoskop ist
dabei nicht notwendig. Alle Beobachter, die ihren Augen-
achsen eine nahezu parallele Richtung geben können, werden
ohne weiteres den beabsichtigten Eindruck erhalten. Alle, die
diese Fähigkeit nicht haben, werden zweckmäßig nach dem
besonders für Kurzsichtige geeigneten Plane verfahren, wie er
in Figur 14 nach der mündlichen Angabe von Herrn A. Köhler
dargestellt worden ist. Eine Scheibe gewöhnlichen Fenster-
Stere^yamm-
-Ebene
Fig. 14. Die Köhlersche Methode zur Erleichterung der Betrachtung
von Stereogrammen mit parallel gerichteten Augenachsen.
H. V. Rohr: HOgUche Formen der RaiimAnschniiunK, ^03
sj]ljj 1IUI äiin)|j|^\ jap a;j(anj ii,T)sJ[jT^ai« jap Sunj^i^j^
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504 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
glases wird unter etwa 45 Graden Neigung so über das Stereo-
gramni gehalten, daß ein entfernter Gegenstand an den unbe-
legten Flächen gespiegelt wird und unter der Ebene des Stereo-
gramms erscheint. Fixiert man dieses meistens sehr licht-
schwache Spiegelbild, richtet indessen seine Aufmerksamkeit
auf die beiden Halbbilder, auf die auch akkommodiert werden
muß, so verschmelzen diese ziemlich leicht zu einem Raumbilde.
Vor die Besprechung der neun Stereogramme wird zweck-
mäßig eine kurze Erläuterung der Verhältnisse eingeschoben,
wie sie bei den gebräuchlichen Doppelkameras mit parallelen
Fig. 15. Ein schematischer Hoiizontalschnitt durch eine Doppelkaniera
mit parallelen Achsen.
Die Objektive sind im allgemeinen Falle als unsymmetrische Konstruk-
tionen vorausgesetzt.
Achsen herrschen. Stellt die Figur 15 eine solche Einrichtung
im Horizontalschnitt dar, so ist es bei verzeichnungsfreien Ob-
jektiven klar, daß jedes Halbbild i, R für die Mitte der dazu-
gehörigen Eintrittspupille P/, Pr zu den aufgenommenen Ob-
jekten perspektivisch ist. (Um die photographischen Kopien
des Doppelnegativs in diese Lage zu bringen, müssen sie zer-
schnitten werden, wenn sie mit dem gewöhnlichen Kontakt-
M. y. Rohr: Mögliche Formen der Raumanschauung. 505
druckverfabren hergestellt worden sind.) Aus der Entstehung
der Halbbilder ist klar, daß — mit E. Abbe zu reden —
L eine durchaus links-, R eine durchaus rechtsäugige Per-
spektive ist. Diese ein- für allemal festgelegte Beziehung
kann man in einer einfachen Weise dadurch andeuten, dajä
man wie in der Figur 16 um die Eintrittspupille das entspre-
chende Augenzeichen beschreibt. Man sieht dann ohne weiteres
ein, daß sich in der Figur 17 bei einer Vertauschung der beiden
Halbbilder ein pseudoskopisches Raumbild ergeben muß. Denn
auf Grund derselben Überlegungen, die bei der Einführung
der chiastopischen Augenstellung gemacht worden waren (es
handelte sich darum, daß die Strahlenpaare mehr nasen- oder
mehr schläfenwärts verliefen), läßt sich auch der hier ange-
nommene Fall erledigen. Es entspricht dem unendlich fernen
und einem reellen, vor dem Beobachter liegenden Punkte des
orthomorphen Raumbildes der unendlich ferne und ein vir-
tueller, hinter dem Beobachter gelegener Punkt des pseudo-
morphen Raumbildes, und — was von besonderer Wichtigkeit
Fig. 16.
Fig. 17.
Fig. 18.
R
H
n
Fig. 16. Die Beziehung der Augen zu richtig montierten Halbbildern.
Das Äquivalent zur orthopischen Stellung der Objektaugen.
Fig. 17. Die Beziehung der Augen zu gekreuzt montierten Halbbildern.
Das Äquivalent zur chiastopischen Stellung der Objektaugen.
Fig. 18. Die Beziehung der Augen zu identischen Halbbildern.
Das Äquivalent zur synopischen Stellung der Objektaugen.
506 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
ist — die Reihenfolge der Punkte ist im ersten Falle der
Lichtrichtung gleich, im zweiten ihr entgegengesetzt.
Setzt man schließlich in der Figur 18 beiden Augen das
gleiche Halbbild vor, so erhält man die synopische Augen-
stellung, und zwar wurde in den hier dargestellten Fällen die
von dem rechten Objektiv gelieferte Abbildskopie verdoppelt.
Dementsprechend sind also nur drei stereoskopische Auf-
nahmen gemacht worden, nämlich Ii, II i und Uli. Alle mit
2 bezeichneten Bildpaare sind durch Verdoppelung des rechten
Halbbildes, alle mit 3 bezeichneten durch Yertauschung der
beiden Halbbilder gegeneinander hergestellt worden.
Das Objekt war in allen Fällen das gleiche Skelett einer
geraden Säule von quadratischer Grundfläche, deren Länge
39 mm betrug bei 20 mm Höhe und Breite; ihre Vorderfläche
wurde durch eine der oberen Kante aufgesetzte Perle kenntlich
gemacht. Es war schon oben darauf hingewiesen worden, dalä
namentlich pseudomorphe Raumbilder am sichersten mit solchen
auf die umrisse beschränkten Objekten gelingen. Bei den
ersten sechs Darstellungen findet sich nur das Säulenskelett
vor, bei den letzten drei ist auch die ziemlich tiefe Fassung der
Linsenkombination sichtbar, die den hyperzentrischen Strahlen-
gang hervorbrachte. Bei dem Stereogramm IHs ist die Rück-
läufigkeit der Abbildung sehr deutlich zu erkennen. Man sieht
sehr gut in der Richtung auf den Beobachter zu zuhinterst
den äußersten Rand der Linsen fassung, dann ihren inneren
Rand und schließlich das in sich invertierte Säulenskelett. Aus
diesem Raumbilde wird auch klar, daß man zweckmäßig den
hyperzentrischen Strahlengang wählen wird, wenn es sich
darum handelt, durch optische Mittel aus einer vorliegenden
Hohlform ein Urteil über den danach anzufertigenden Abguß zu
erhalten. Denn nur in diesem Falle wird die Perspektive mit
der einigermaßen übereinstinunen, die man bei der Betrachtung
des Abgusses erhalten würde. Der Verfasser verdankt einem
seiner Kollegen den Hinweis auf diesen Umstand.
Für die Anfertigung der photographischen Aufnahmen ist
er Herrn R. Schüttauf verpflichtet.
507
über einen neuen Flammenkollektor und dessen
Prüfung im elektrischen Felde.
Von Dr. C. W. Lutz.
{Eingelau/tn S. Notemier.)
(Mit Tafel V und VI.)
Durch die Munifizenz der K. B. Akademie der Wissen-
schafken zu München wurde dem hiesigen Erdmagnetischen
Observatorium die Anschaffung eines Benndorfschen selbst-
registrierenden Elektrometers zur Aufzeichnung des luftelektri-
schen Potentialgefälles') ermöglicht.
Bekanntlich liefert dieser Apparat nur relative Werte des
elektrischen Spannungsgefälles, welche durch eine gleichzeitige
Messung im freien flachen Terrain auf die Ebene zu reduzieren
sind. Diese Bestimmung des , Reduktionsfaktors" geschieht
gewöhnlich mit Hilfe eines Wasser- oder Flammenkollektors,
der auf einem Hartgummistabe wohl isoliert aufgestellt und
durch einen mehrere Meter langen dünnen Leitungsdraht mit
einem Aluminiumblattelektroskop verbunden wird. Da der
Meßbereich eines solchen transportablen Elektroskopes ein eng
begrenzter ist (von ca. 50 bis 250 Volt), so wird der Abstand
des Kollektors vom Erdboden, also die Länge der Hartgummi-
stütze entsprechend dem eben herrschenden PotentialgeföUe
gewählt, so daß ein gut ablesbarer Ausschlag der Elektroskop-
blättchen entsteht. Eine solche Messungsanordnung ist nur
dann einwandsfrei, wenn der Verlauf des Potentialgradienten
in der Nähe der Erdoberfläche ein linearer ist, und das scheint
») H. Benndorf, Wiener Akademieberichte 111, IIa, 487, 1902.
508 SitzuDg der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
auch nach den Messungen von F. Exner^) bis hinauf zu
ca. 50 m der Fall zu sein. Dieser einfache Zusammenhang
zwischen Potential und Abstand von der Erdoberfläche zeigt
sich nach Exner*) besonders deutlich an klaren Tagen des
Januars bei Temperaturen unter 0® und fest gefrorener Schnee-
decke. Bei anderen Wetterlagen scheint aber doch eine Ände-
rung des Potentialgefalles mit der Höhe vorhanden zu sein.
So fand z.B. A. Gockel*) wiederholt eine starke Abnahme
des Potentialgradienten mit der Höhe. Auch ich fand in der
wärmeren Jahreszeit gelegentlich der Bestimmung des oben
erwähnten Reduktionsfaktors verschiedene Zahlen je nach dem
Abstand des Kollektors über dem Erdboden ; und zwar ergaben
sich stets bei größeren Abständen kleinere Werte des Potential-
gefalles (in Volt/m), also eine nicht zu verkennende Ab-
nahme des Gradienten mit zunehmender Höhe. Hier
sei gleich bemerkt, daß bei diesen Messungen der noch näher
zu erörternde Umstand berücksichtigt wurde, daß der Aus-
gleichsort der Spannungen bei Flammenkollektoren immer höher
liegt als der obere Rand des Schutzzylinders.
Stellt man sich auf den Boden der Ebertschen Theorie,*)
so ist dieses verschiedene Verhalten des Potentialgefalles im
Winter und Sommer wohl verständlich. Nach Ebert kommt
das elektrische Erdfeld durch das Herausdringen der im Erd-
boden enthaltenen, stark ionisierten Luft zustande. Auf dem
Wege durch die Erdkapillaren gibt die ionenreiche Bodenluft
vorwiegend — Ladungen ab, tritt also mit einem Überschusse
von -+• Ionen aus dem Erdboden heraus. Die freie + Ladung
der unteren Luftschichten bedingt das positive, nach oben hin
abnehmende Potentialgefalle. Eine Unterbrechung des Tran-
spirationsprozesses durch Zufrieren der Erdkapillaren im Winter
muß das von Exner beobachtete Verhalten des Potential-
gradienten zur Folge haben.
1) F. Exner, Wiener Akademieberichte 93, IIa, 258, 1886.
«) Ebenda, S. 260.
») A. Gockel, Meteoroloj^ische Zeitschrift 23, 54, 1906.
«) H. Ebert, Physikalische Zeitschrift 5, 135, 1904.
C. W. Lutz: Über einen neuen Flammenkollektor. 509
dV .
Daß das Potentialgefälle ^7 nicht konstant ist, bringt
allerdings in die erwähnte Reduktionsmessung eine Schwierig-
keit hinein; aber an sich ist dieses Verhalten des Gradienten
von großem Interesse, da es eine Hindeutung auf die in der
Luft enthaltene freie Elektrizitätsmenge enthält. Dies genauer
zu studieren, sind Messungen im Gange, über welche später
berichtet wird; hier soll zuerst die Kollektorfrage behandelt
werden. Da bei allen luftelektrischen Stationen eine solche
„Reduktion auf die Ebene* wiederholt durchgeführt werden
muß, so ist die Wahl eines geeigneten Kollektors für die Feld-
beobachtungen auch bei den fortlaufend registrierenden In-
strumenten von großer Bedeutung. Unter allen Kollektortypen
am brauchbarsten für diesen Zweck dürfte der Flammenkollektor
sein. Infolge seiner leichten Transportfähigkeit, des geringen
Gewichtes, der raschen Einstellung und Brauchbarkeit bei jeder
Temperatur und Tageszeit eignet sich gerade dieser Kollektor
am besten für Reise- und Feldbeobachtungen (Radiokollektoren
sind zu vermeiden, wenn noch anderweitige luftelektrische Be-
stimmungen, wie Leitfähigkeit und lonendichte gemacht werden
sollen). Leider stehen diesen Vorzügen zwei ganz erhebliche
Nachteile gegenüber. Die Angaben eines Flammenkollektors
werden nämlich vom Winde beeinflußt, und der Hauptnachteil
der üblichen Konstruktionen ist der, daß sie schon bei geringen
Windgeschwindigkeiten verlöschen. Der letztere Übelstand machte
Beobachtungen auf dem weiten, allseits dem Winde ausgesetzten
ebenen Terrain im Osten des Observatoriums, das sich für luft-
elektrische Messungen sonst vorzüglich eignet, schon bei einer
Windstärke 2 (der 10 teiligen Skala) unmöglich.
Gelänge es, den Flammenkollektor von den erwähnten
Mängeln frei zu machen, so wäre er sicher für die so wichtigen
Feldbeobachtungen der brauchbarste Apparat.
Diese Erwägungen veranlaßten mich, den Flammenkollektor
so umzuändern, daß er sicher im Winde brennt, leicht trans-
portabel, reinlich und sparsam im Betrieb, also mehrere Stunden
510 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
ununterbrochen zu gebraueben ist. Durch eine Prüfung*) im
künstlichen elektrischen Felde wurde dann die Lage des Aus-
gleichspunktes, der Einfluß der Luftbewegung auf denselben,
sowie die Ladezeit des neuen Kollektors untersucht, um ihm
auch in dieser Hinsicht die beste Form zu geben.
Nach mehreren Fehlversuchen gelang es mir, eine Kon-
struktion zu finden, die allen erwähnten Anforderungen ge-
nügt. Der Apparat ist in Figur 1 im Längsschnitt dar-
gestellt. Im Innern eines Messingrohres R steckt eine kurze
dicke Kerze K^ die durch eine Feder F beständig nach oben
gedrückt wird, am Hin ausgeschoben werden aber durch den
schmalen Rand r verhindert wird. In dem Maiae nun, in dem
die Kerze oben abbrennt, wird sie durch die Feder nachgedrückt,
so daß die Flamme stets an der gleichen Stelle brennt. Unten
ist das Rohr R durch die Platte P verschlossen (Bajonett-
verschluß), welche zum Einführen einer neuen Kerze abge-
nommen werden kann. Das Auswechseln der Kerze nimmt
nur wenig Zeit in Anspruch. Mittels des Halses H kann der
ganze Apparat auf einen isolierenden Stab aufgesteckt werden.
Die Mutter m dient zum Einklemmen des nach dem Elektro-
skope fuhrenden Verbindungsdrahtes.
Soweit würde der Apparat bereits einen vollständigen
Flammenkollektor darstellen, dessen freibrennende Kerzen-
flamme aber bei geringstem Winde ausgelöscht werden würde.
Um das zu verhindern, ist folgende Einrichtung getroffen:
^) Untersuchungen über verschiedene Kollektoren wurden bisher
ausgeführt von:
H. Pellat, Comptes Rendus 100, 735, 1886.
K. V. Wesendonk, Naturwissenschaftliche Rundschau 15, 233, 1900.
F. Henning, Annalen der Physik, 4. Folge 7, 893, 1902.
V. Conrad. Wiener Akademieberichte 111, IIa, 333, 1902.
F. Linke, Physikalische Zeitschrift 4, 661, 1903.
H. Benndorf und V. Conrad, Boltzmann -Festschrift, Leipzig
1904, 691.
EL Benndorf. Wiener Akademieberichte 115, IIa. 425, 1906.
Auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen, soweit sie auf die vor-
liegende Arbeit Bezug haben, komme ich noch an geeigneter Stelle zurück.
C. W. Lutz: Über einen neuen Flammenkollektor.
511
I
sdifv.
Längs des Rohres II ist mit leichter Reibung das kurze
Rohrstück 8 und der damit festverbundene Teller mit Rand T
verschiebbar. Auf diesem steht in drei eingedrehten Füßchen
/", /'j/'j ausVulkan it (Wärme-
schutzmittel) der oben ko-
nische Glaszylinder (r, der j^ .
seinerseits von einem zylin- ' » /!>
drischen Metallnetz K um-
geben ist. Oben trägt
dieses Netz einen um das
Scharnier seh aufklapp-
baren konischen Deckel D
aus dünnem Metallblech.
Ein kleiner Schnäpper sch'p
hält den Deckel D zu.
Der Glaszylinder G sitzt
nicht dicht auf dem Teller
T auf, sondern wird durch
die drei Füßchen f etwas
darüber gehalten, so daß
zwischen beiden ein schma-
ler ringförmiger Spalt ofiFen
bleibt, durch den dieFrisch-
luft zuströmen kann. Der
wulstformige, unten ofiFene
Ring TF'schützt die Flamme
vor zu heftigen, durch den
Spalt eindringenden Wind-
stößen. Beim Transporte
wird der Teller T und mit
ihm der darauf befestigte
ganze obere Teil des Kol-
lektors (Glaszylinder und
Netzgehäuse) bis zum Auf-
sitzen auf die Platte P herabgeschoben. In derselben Stellung
wird die Kerze nach Aufklappen des Deckels D angezündet.
MaCse in mm
512 Sitzung der inath.-phys. Klasse vom 8. November 1906.
Durch die beschriebene Einrichtung des Kollektors ist
erreicht, daß ein horizontal ankommender Windstoß mehrmals
seine Richtung ändern muß, um senkrecht auf die Flamme zu
treffen. Dem dürfte es wohl in erster Linie zuzuschreiben sein,
daß die Kerze selbst durch stürmische Winde nicht verlöscht
wird, wovon ich mich wiederholt überzeugte. Die obere Ein-
ziehung des Glaszylinders und die entsprechende Form des
Deckels begünstigt den raschen Abzug der ionisierten Ver-
brennungsgase, was die Wirksamkeit des Kollektors erhöht^)
(vergleiche Tab. 5). Der Glaszylinder, das Metallnetz, sowie
die Vulkanitfüßchen verhindern eine stärkere Erwärmung des
Metallrohres, in welchem die Kerze steckt. Dadurch wird
erreicht, daß die Kerze, selbst im geheizten Zimmer, ununter-
brochen bis zu Ende brennt. Bei den von mir verwendeten
Kerzen, die ich eigens zu diesem Zwecke anfertigen ließ, be-
trägt die Brenndauer (im Kollektor) ca. 6 Stunden.
Bei Verwendung von einfachen Metallzylindern, wie dies
bei meinen ersten Versuchen geschah, erhitzte sich das Rohr 22,
trotz eines zwischengeschalteten Vulkanitringes nach einiger Zeit
so stark, daß die Kerze herausschmolz. Auch eine völlige
Ausfütterung der Metallzylinder mit Asbest half nicht.
Den oben beschriebenen Kollektor nnterzog ich nun einer
eingehenden Prüfung im künstlichen elektrischen Felde, in
welchem ich zur Vergleichung auch einige andere Kollektor-
typen untersuchte.
Prfifting des Flammenkollektors im kOnsiliciien
elektrischen Felde.
Zunächst mußte festgestellt werden, in welcher Weise der
Kollektor selbst die Niveauflächen eines homogenen elektrischen
Feldes deformiert und wo jene besondere Niveaufläche (Aus-
gleichsniveaufläche, Bezugsniveaufläche) liegt, deren Potential
der Kollektor schließlich annimmt. Gewöhnlich wird nämlich
bei Messungen des atmosphärischen Potentialgefalles die Stö-
1) F. Linke, 1. c, S. 663 and S. 664.
C.W.Lutz: Über einen Deuon Flammenkoltektor.
513
rang des Erdfeldes durch den Kollektor selbst vüllig vernach-
lässigt, d. h. man nimmt an, da§ ein Flammenkollektor das
Potential der Niveauääche annimmt, die durch seinen oberen
Zylinderrand hindurchgeht und dag die Lage dieser Niveau-
äSche auch im ungestörten Felde, also bei Abwesenheit des
Kollektors, dieselbe bleibt.
Femer wurde die Zeit (Ladezeit) bestimmt, die der neue
Flammenkollektor zu seiner völligen Aufladung benötigt und
endlich wurde der Eiuäuä der Luftbewegung auf seine Wir-
kungsweise untersucht.
Das künstliche elektrische Feld') wurde in folgender
Weise hergestellt (Fig. 2);
Ein Zinkdrahtnetz (200 cm lang und 100 cm breit) Z von
1 cm Maschenweite wurde über einen festen Holzrahmen Jeben
ausgespannt, der mit den beiden Schmalseiten auf zwei Holz-
') Eine Einrichtnng ganz ähnlicher Art bat F. I
8. 898) getroffen.
r 0- c,
514 Sitzung der math.-phjs. Klasse yom 8. November 1906.
bocken J5, J5, horizontal auflag, von diesen durch je ein Paar
Paraffinklötze K^. ,K^ isoliert. Das ganze Netz wurde mit Hilfe
einer Hochspannungsbatterie -4, deren negativer Pol geerdet
war, auf die stets gleiche Spannung von -f- 210 Volt aufgeladen.
Diese Spannung wurde durch ein Elektroskop E^ unter fort-
währender Kontrolle gehalten. 50 cm unter dem Netze Z lag
auf einem Tische eine ebene Zinkblechplatte P, die dauernd
geerdet wurde. Zwischen dem + geladenen Netz und der
hiezu parallelen geerdeten Blechplatte bestand demnach ein
elektrisches Feld, dessen Niveauflächeu, wie Messungen mit
einem Wasser- und einem Flammenkollektor in übereinstim-
mender Weise zeigten, bis nahe an die Ränder heran horizontal
verliefen. Nur in der Nähe der beiden Holzblöcke J5j -B,, an
den Schmalseiten des Feldes, ergaben sich zu kleine Potential-
werte, was von vornherein zu erwarten war, denn hier werden
ja die Niveauflächen auf- und um die Böcke herumgebogen.
Der Verlauf des Potentiales in vertikaler Richtung wurde
mit Hilfe eines Wassertropfkollektors G, ü (Fig. 2) untersucht.
Das Oefaß des Kollektors war, um Störungen des elektrischen
Feldes möglichst zu vermeiden, außerhalb des Feldes ange-
ordnet. Vom Wassergefaß G aus führte eine 175 cm lange
horizontal gehaltene Metallröhre R in das Feld hinein. (In
der Figur ist der Kollektor halb zur Seite gedreht gezeichnet.)
Das vordere Ende des Rohres war ausziehbar eingerichtet,
außerdem ließ sich der ganze Kollektor um seinen isolierenden
Hartgummifuß F drehen und mit der aus der Figur 2 leicht
erkennbaren Aufzugvorrichtung V in vertikaler Richtung ver-
schieben. Damit war erreicht, daß sich die Auflösungsstelle
des Wasserstrahles an jede beliebige Stelle des Feldes verlegen
ließ, wodurch ein Abtasten der Niveauflächen ermöglicht wurde.
Zunächst wurde festgestellt, daß der Verlauf des Poten-
tiales in vertikaler Richtung beim ungestörten künstlichen
Felde ein linearer ist. Die Messung wurde in der Weise aus-
geführt, daß nacheinander die Auflösungsstelle des Wasser-
strahles an verschiedene in ungefähr gleichen Abständen auf-
einanderfolgende Punkte ein und derselben Vertikalen (Mittel-
V
C. W. LuU:lÜber einen i
1 Flamnienkollektor.
linie des Feldes) gebracht und für jeden dieser Funkte das
Potential und der Abstand vom Orundbleclie gemessen wurde.
Ersteres geschah mit üilfe eines mit dem Kollektor leitend
verbundenen Elektroskopes £, (Fig. 2), letztere Messung durch
einen vertikal auf einer Fuüplatte stehenden Malistab, der
nur zum Zwecke dieser Abmessung ftlr kurze Zeit ins Feld
gebracht wurde. Die so erhaltenen Werte (Tabelle 1) wurden
zur Zeichnung der Figur 3 verwendet. Zur Messung der niederen
p
n
^
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y
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\ —
Tr-7
_
\^.
nt
j
_
\A
__
„
__
__
_
Potentialwerte 20, 33 und 54 Volt verwendete ich ein empfind-
liches kleines Aluminiumblattelektroskop , das zwar bei diesen
Spannungen deutliche Ausschläge zeigte, doch dOrften trotzdem
diese Werte etwas unsicherer als die Übrigen sein.
Tabelle I.
(Za Figur 3.)
Abstand vom ^eerdeteD
Bleche in cm (Ordinatea) ,,5,0
Spannung in Volt
(Äbazisfen)
9,6 13,9 18.8
U 76
Auf Grund dieser Messungen darf das künstliche elektrische
Feld bis auf die Kandpartien als homogen angesehen werden.
ISOt. aitnDnb. d. niUi.-phTS. Kl. 34
516 Sitzung der math.-pfajs. Klasse vom 3. November 1906.
In dieses homogene Feld wurde der oben beschriebene
Flammenkollektor gestellt und der nunmehrige Verlauf der
zehn Niveauflächen vom Potentiale 20, 33, 54 etc. Volt be-
stimmt. Der brennende Kollektor stand bei diesen Messungen
in der Mitte des Feldes auf einer kurzen Hartgummisfiule, die
in eine kleine Holzplatte eingelassen war (Tafel V). Zuerst
wurde das Potential bestimmt, das der Kollektor bei dieser
Aufstellung im Felde annahm. Das hiezu verwendete Aluminium-
blattelektroskop war 1,5 m außerhalb des Feldes aufgestellt
und durch einen dünnen horizontal geführten Leitungsdraht
mit dem Kollektor verbunden. Dem Verlaufe der Niveaufläche
vom Potential des Kollektors wurde in der folgenden Unter-
suchung besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Lage der deformierten Niveauflächen wurde in folgen-
der Weise ermittelt. Zunächst wurden für eine in der Längs-
mittelebene des Feldes gelegene Vertikale im Abstände von
40 cm von der Feldmitte der Reihe nach die Lagen der Punkte
vom Potential 20, 33, 54 etc. Volt bestimmt. Es geschah dies
mit Hilfe des S. 514 beschriebenen Wasserkollektors, dessen
Ausflußöffnung entsprechend orientiert und der nun allmählich
so lange aufwärts bewegt wurde, bis das mit dem Tropfgefaß
verbundene Elektroskop (JBj Fig. 2) den verlangten Potentialwert
anzeigte. Die einzelnen Potential werte konnten auf diese Weise
mit genügender Genauigkeit festgelegt werden, da schon eine
Vertikalverschiebung des Wasserkollektors von nur 2 mm eine
wahrnehmbare Änderung des Elektroskopausscblages hervorrief.
Zu jedem Potential werte wurde mit dem oben erwähnten Maiä-
stab der zugehörige Abstand vom Grundblech auf Millimeter
genau abgemessen.
In der gleichen Weise wurden für weitere vier Vertikalen
derselben Mittelebene die zu den Potentialen von 20, 33 etc.
Volt gehörigen Abstände bestimmt. Die so ermittelten Punkte
gehören alle den Schnittlinien der deformierten Niveauflächen
mit der vertikalen Längssymmetrieebene des Feldes an, und es
kann nun leicht ein Längsschnitt durch das deformierte Feld
gezeichnet werden (Tafel V).
C. W. Lutz: Über einen neuen Flammenkollektor. 517
Da ich mich durch Messungen an yerschiedenen Seiten
des Kollektors überzeugte, daß der Verlauf der Niveauflächen
zum Flammenkollektor, wie vorauszusehen, völlig symmetrisch
ist, so beschränkte ich mich in der Folge auf die Bestimmung
von Punkten in der linken Hälfte der senkrechten Mittelebene
des Feldes.
Der obenerwähnte horizontale Zuleitungsdraht vom Flam-
menkollektor zum Hilfselektroskop, der stets senkrecht zu den
Längsseiten aus dem Felde herausgeführt wurde, wird zwar das
Feld in seiner Umgebung etwas deformieren, doch reicht diese
Deformation nicht bis zu unserer Schnittebene, wovon ich mich
durch direkte Messungen mit und ohne Verbindungsdraht ver-
gewisserte. Späterhin habe ich das Potential des Flammenkol-
lektors nur zu Beginn und am Ende einer jeden Messung be-
stimmt und den Zuleitungsdraht während des Versuches ganz
fortgelassen, da das EoUektorpotential sich nie merklich än-
derte, so lange die Flamme nicht rußte.
Tafel VI stellt den Verlauf der Niveauflächen dar einmal,
wenn der Kollektor brennt (blaue Kurven) und einmal, wenn
er nicht brennt (rote Kurven). Bei beiden Messungen stand
der Flammenkollektor auf einem in ein Metallrohr eingebauten
Hartgummistab, der mit Natrium getrocknet werden konnte.
Letztere Vorrichtung war notwendig, weil bei nichtbrennendem
Kollektor nur dann ein richtiger Verlauf der Niveauflächen er-
halten wird, wenn die Stütze vorzüglich isoliert. Natürlich wird
durch diese, quer zu den Niveauflächen langgestreckte metal-
lische Hülle eine sehr starke Felddeformation herbeigeführt,
welche man bei den Messungen im Terrain und bei brennen-
dem Kollektor unbedingt vermeiden würde. Auch muis bei
diesem Versuche der Kollektor vor jeder Messungsreihe sorg-
faltig geerdet werden, unter gleichzeitiger Ableitung des Zink-
drahtnetzes Z Fig. 2. Von einer Umladung des stets auf
+ 210 Volt geladenen Netzes wurde abgesehen, da frühere
Untersuchungen^) zeigten, daß auch bei umgekehrtem Rich-
1) K. V. Weeendonk, 1. c, S. 234. F. Henning, 1. c, S. 901.
34*
518 Sitzuog der math.-phjs. Klasse Tom 3. November 1906.
tungssinn der Kraftlinien des elektriscben Feldes der Aus-
gleichsort stets über dem Kollektorrand liegt. Die zu den
Tafeln Y und VI gehörigen, durch direkte Messung gewonnenen
Werte sind in nachstehenden Tabellen 2 bis 4 zusammen-
gestellt.
Tabelle 2.
(Zu
Tafel 1.)
Volt
Ordinaten fem)
20
—
4,3,
1
4,1! 4,7' 5,0
33 ■ —
6,5
6,6, 8,5 1 9.6
54 —
1
8,5
9,4 12.4 ; 13,9
75 —
1 ,
10,6
13,1 17,2 \ 18,8
97 -
12,5'
16,9 22,1 23,6
118 -
14,6'
21,6 > 26,9 i 28,5
140 —
20,2 1
28.8 82,2 33,8
168 ! 31,9
36,0
37,8 39,3,40,0
186 . 43,3
43,5
43,8 44,5,45,0
199 47,2
;47,3
47,4 1 47,9
48,0
Abszisse . ^
5
10 25
40
(ciuj .
!
Tabelle 3.
Tabelle 4.
(Zu Tafel 2, blaue Kurven.)
(Zu Tafel 2, rote Kurven.)
Volt Ordinalen (cm)
Volt
20
Ordinaten (cm)
20 - 2,6i 3,2, 4,6 4,6
- 3,9. 4,6j 5,6' 5,7
33 — 3,6- 5,4 8,8 9,2
33 — 5,9; 8,3 j 9,6 10. l
54 ' - 4,6| 7,2] 12,0 13.8
54 - , 9,6j 13,3i 13,9 14,2
75 — 5,9 10,3 16,7l 18,6
75 - i 20,4 19,9; 19,3 19,2
97 — ! 7,1' 14,3; 21.4 23,4
97 37,3! 32^6' 26,2' 24,5 24,4
118 — 9,41 19,1 26,4; 28,4
118 88,4 35,9 32,o| 29,4 29.2
140 . — 14,2 25,7 32,2 33,8
140 40,2, 38,6; 36,5| 34,5 34,3
165 - ' 24,2 34,7. 38,6 39,0
165 43,0i 42,3. 41,4^ 39,8 39,6
186 37,6' 41,3; 42,9' 44,5 44,7
186 46,6 46,3. 45,6, 45.3 45,2
199 46,0 46,6 47,0: 47,7 47,9
(
199 48,7' 48.5' 48,4; 48,4 48,1
1 1
Abs.«««', „ ,
V U 1 0
1
10 i 25 40
Abszisse 0 ' 5 ! 10 ! 25 ' 40
(cm) ,
11 1
■
(cm)
1
1 1
1 1 . ■
< ■ .
C. W. Lotz: Über einen neuen Flammenkollektor. 519
Die Tafeln V und VI geben ein anschauliches Bild davon,
in welcher Weise die Niveauflächen des homogenen Feldes (punk-
tiert eingezeichnet) durch den Kollektor deformiert werden.
Bei nicht brennendem Kollektor (Tafel VI rote Kurven)
findet eine Verteilung der Elektrizität durch Influenz statt.
Dementsprechend ergeben sich zwei Partien von Niveauflächen,
die beide durch eine horizontale, nicht deformierte Niveaufläche,
der auch die Oberfläche des Kollektors angehört, voneinander
geschieden sind. Die Lage dieser nicht deformierten Niveau-
fläche (neutralen Fläche) wurde durch graphische Interpolation
bestimmt.
Ganz anders dagegen wird das Bild bei brennendem Flam-
menkollektor (Tafel V und VI blaue Kurven).
Nach eingetretenem Spannungsausgleich hat der Kollektor
das Potential einer Niveaufläche, angenommen, die im unge-
störten Felde ca. 9 cm über seinem oberen Rande liegt. Diese
, Ausgleichsniveaufläche" wird am Orte des Kollektors herab-
gebogen und umschließt ihn in einer sackförmigen Ausbiegung,
wobei der untere Teil von der leitenden Oberfläche des Kollek-
tors selbst gebildet wird. Die darunter liegenden Niveauflächen
werden herabgedrängt und gehen unter dem Kollektor durch
die isolierende Stütze hindurch, doch erstreckt sich diese De-
formation nicht sehr weit. Schon in einer Tiefe unter dem
Kollektor, die ungefähr der halben Längserstreckung gleich-
kommt, werden die Niveauflächen wieder eben. Das gleiche
gilt für die Niveauflächen oberhalb des Kollektors. Seitwärts
vom Kollektor sind die Niveauflächen bis zu einer Entfernung
hin. deformiert, die ungefähr der doppelten Länge desselben
entspricht (Tafel V). Je länger der Kollektor, desto weiter
reicht die Störung, wie eine Vergleich ung der beiden Tafeln
V und VI lehrt. Hieraus dürfte sich die Forderung ergeben,
den Kollektor möglichst klein zu bauen und die iso-
lierende Hartgummistütze blank, also ohne Schutz-
hülse, zu verwenden.
Zum Vergleiche wurden noch einige andere Arten von
Flammenkollektoren unter den gleichen Bedingungen im selben
520 Sitzung der math.-pliys. Klasse Tom 8. November 1906.
elektrischen Felde geprüft. Die Kollektoren waren dabei in
der Mitte des Feldes auf dem in Tafel V gezeichneten ein-
fachen Hartgummistab aufgestellt. Da durch die vorhergehen-
den Messungen ein übersichtliches Bild der Feldstörung durch
einen FlanimenkoUektor gewonnen wurde, so konnten die fol-
genden Untersuchungen wesentlich vereinfacht werden. Ich be-
stimmte lediglich das konstante Potential, auf welches sich der
jeweilige FlammenkoUektor auflud nach der S. 516 angegebenen
Weise. Mit Hilfe dieses Wertes kann leicht angegeben werden
(aus Fig. 3), wie hoch über dem Kollektorrand (und der Flara-
menspitze) die „Ausgleichsniveaufläche* im ungestörten Felde
liegt. Diese Werte sind für verschiedene Kollektortypen in
Tabelle 5 zusammengestellt.
Anschließend an diese Messung wurde für jeden Kollektor
die Ladezeit bestimmt. Theoretisch *) braucht ein Kollektor un-
endlich lange Zeit, um sich völlig aufzuladen, praktisch ist dies
aber geschehen, wenn das zu diesen Messungen fast ausnahms-
los verwendete Aluminiumblattelektroskop eine konstante Ein-
stellung erreicht hat. Ich bestimmte die Ladezeit in folgender
Weise. Der Kollektor wurde innerhalb des künstlichen Feldes
in Betrieb gesetzt und nun gewartet, bis sich das Elektroskop
auf einen konstanten Wert eingestellt hatte, hierauf geerdet
und mit Hilfe einer Stoppuhr die kürzeste Zeit gemessen, die
zur Wiederaufladung des Elektroskopes auf den gleichen Wert
nötig war. Auch die Ladezeiten in sec. sind in nachstehender
Tabelle 5 für verschiedene Flammenkollektoren angegeben.
Zu diesen Zahlen möchte ich noch bemerken, daß das Po-
tential der freibrennenden Flammen bestandig schwankt. Selbst
wenn die Flamme auch ganz ruhig zu brennen scheint, ändern
sich doch fortwährend die Angaben des Elektroskopes. Beson-
ders bei der leicht flackernden Gasflamme ist eine sichere Ein-
stellung des Elektroskopes gar nicht zu erzielen.^)
1) F. Linke, Physikalische Zeitschrift 4, 662, 1903.
*) Dieser Übelstand veranlaßte z. B. K. v. Wesen donk (1. c) seine
Messungen nicht fortzusetzen.
G. W. Lutz: Über einen neuen Flammenkollektor.
521
Tabelle 5.
Bezeichnung des Kollektors
Abstand der
Ausgleichs-
niveaufläche
vom Kollek-
torrand
cm
Abstand der
Ausgleiohs-
niveaufläche
von der Flam-
menspitze
cm
Ladezeit
sec.
Flammenkollektor mit Netz-
gehäuse
(Mittel aller Messungen)
Kkter-Geitel-Flammenkollektor : ')
a) bei kleiner Flamme
b) bei rußender ,
Kerzenflammenkollektor nach
Exner:
a) Metallzjlinder 10 cm hoch
b) , 15,5 , ,
Freibrennende Flammen:
a) Kerzenflamme 8 cm hoch
b) Petroleumflamme 2,5 , ,
c) Grasflamme 7,5 , „
d) , 3,1 . ,
8,6
15,6
7,2
7.3
12,0
8,2
6.7
15,2
19,2
15,8
16,2
12.4
3,0
27
38
28
36
55
38
35
6
7
In Übereinstimmung mit allen früheren Messungen*) er-
gibt sich aus der Tabelle 5, daß die Flammenkollektoren aus-
nahmslos zu hohe Potentialwerte angeben, d. h. sie nehmen
keineswegs das Potential einer durch die Flammenspitze oder
den Kollektorrand gehenden Niveaufläche an, sondern das einer
^) Von der Firma Günther und Tegetmejer in Braunschweig.
*) K. V. Wesendonk, 1. c, S. 235. F. Henning, 1. c, S. 898, 899
und S. 903. F. Linke, 1. c, S. 663 und 664.
Besonders möchte ich auf die Arbeit des Herrn H. Benndorf
hinweisen, der auf rechnerischem Wege zu genau denselben Resultaten
kommt (1. e., S. 453). Diese Arbeit kam mir erst nach Abschluß der Tor-
steheaden Untenochungen zur Hand.
522 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 8. November 1906.
mehrere Zentimeter höher gelegenen Fläche. Nimmt man bei
Potentialmessungen im Freien als Ort des beobachteten Poten-
tialwertes den oberen Kollektorrand, so fallt die zugehörige
Höhe zu klein aus, die Werte des Potentialgefalles (in Volt/m)
werden infolgedessen zu groß. Bei einem Abstand des Kol-
lektorrändes von 1 m bzw. 0,5 m vom Erdboden erhält man
dadurch Fehler von ca. lO^/o bzw. 20 ^/o.
Die Ladezeit ist für Kollektoren mit rasch aufsteigenden
Verbrennungsgasen (Kollektor mit Netzgehäuse und rußender
Elster-Geitelscher Kollektor) am kürzesten (Tabelle 5). Jede
Behinderung des freien Abzuges der Verbrennungsgase, sei es
durch lange Zylinder, sei es durch aufgesetzte Kamine, oder
gar durch kleine über der Kollektoröffnung angebrachte Dächer,
vergrößert die Ladezeit ganz erheblich, wovon ich mich durch
mehrfache Versuche überzeugte. Femer ergibt sich aus der
Tabelle 5, daß bei freibrennender Flamme die Ausgleichsniveau-
fläche etwas höher über der Flammenspitze liegt, als bei An-
wendung von Zylindern. Nur durch Zylinder, die die Flammen-
spitze beträchtlich überragen, wird dieselbe gehoben. Der gleiche
Fall tritt ein, wenn auf den Kollektor (mit Netzgehäuse) noch
ein mehrere Zentimeter hoher Kamin aufgesetzt wird, umge-
kehrt läßt sich durch Aufsetzen eines Daches über der Kol-
lektoröffnung die Ausgleichsniveaufläche bis zum Kollektorrande
herabdrücken, was aber, wie die folgenden Untersuchungen zeigen,
ohne praktische Bedeutung ist.
Durch diese Untersuchungen sollte nämlich festgestellt
werden, inwieweit die Luftbewegung die Angaben eines
Flammenkollektors beeinflußt. Zu diesem Zwecke wurde
außerhalb des Feldes ein elektrischer Ventilator aufgestellt,
durch den ein kräftiger Luftstrom quer durch das Feld ge-
trieben werden konnte. Die Geschwindigkeit des Ventilator-
flügels konnte in Stufen verändert werden und so Windgeschwin-
digkeiten von im Mittel 1, 2 und 4 m/sec. erzeugt werden (ge-
messen durch ein Anemometer, das in verschiedener Höhe in
der Mittellinie des Feldes aufgestellt wurde). Eine Deformation
des Feldes durch den etwa 50 cm von einer Längsseite aufge-
C.W.Lutz: Über
1 neaen Flammenkollektor.
stellten Ventilator trat nicht ein, wovon ich mich mit Hilfe des
Wasserkollektors Überzeugte. Der Einfluß des Windes (4 m/sec.)
auf die Angaben dieses Kollektors war unmerklich, trotzdem
der Wasserstrahl durch den kräftigen Luftstrom stark aus seiner
ursprünglichen Richtung herau^edrängt wurde.
Die Ergebnisse der Uessuag sind in folgender Tabelle 6
zusammen mit den Werten ohne Ventilation (aus der Tabelle 5)
dargestellt und zwar fUhre ich hier der Kürze halber nur die
Mittelwerte aus vielen Einzelmessungen an.
Tabelle 6.
Einrua des Windea auf Flammenkollektoren.
Name des
Wind-
geschwin-
Abi fand des
Kollektov-
rande» vom
Bodenbleehe
in cm
Höhe der
Äusgleichs-
niveau flache
AuBgleichs-
niveauflüthe
Lade-
zeit
EoUekton
dJRkeit
in m/aec.
über dem Kol-
lektocmnd
in ein
Resunken
insec.
Flummeii'
0
30,6
8.G
. — —
27
kotlektor mit
l
30,1
B,5
3,1
39
Netigeh&use
4
30.1
-0.8
«.4
86
Flammen-
0
27.9
7.2
—
88
kollektor
i 1
27.6
5,5
1.7
66
ElBter-Geitel
1 •'
24,9
fl
3,1
60
Flammen-
1
kollektor mit
1 ^
30,9
8,2
—
36
10 cm hohem
1 4
30,9
1,4
3,8
67
Zylinder
1
FUmmen-
1
kollektor mit
0
36,3
6.7
—
65
15,5cm hohem
4
36,3
1.5
6.2
217
ZyUnder
1
Bei allen Flammenkollektoren zeigt sich zunächst, daß
schon ganz schwacher Wind (1 m/sec.) die Ausgleichsniveau-
fläche um einige Zentimeter herabdrUckt Der Kollektor nimmt
524 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
dementsprechend ein kleineres Potential an. Bei größer werden-
der Windgeschwindigkeit rückt auch die Ausgleichsniyeaufläche
tiefer und erreicht schließlich bei ca. 4 m/sec. den Eollektor-
rand. Eine weitere Steigerung der Windgeschwindigkeit ist
praktisch bedeutungslos, da schon bei 4 m/sec. die Blättchen
des Elektroskopes zu flattern beginnen.
Der Elster- Geitelsche Kollektor fängt schon bei einer
Windgeschwindigkeit von 1 m/sec. stark zu rußen und zu
flackern an; eine Steigerung derselben auf 2 m/sec. führt nach
kurzer Zeit das Erlöschen des Flämmchens herbei, so daß bei
dieser Geschwindigkeit nur mit Mühe Ablesungen erhalten
werden können. Bei noch größerer Windstärke erlischt die
Flamme sofort.
Femer zeigt sich (Tabelle 6), daß sich bei Wind jeder
Flammenkollektor langsamer aufladet und zwar um so lang-
samer, je größer die Windgeschwindigkeit ist. Bei dem Kerzen-
kollektor mit 15,5 cm langem Metallzylinder wächst die Lade-
zeit auf mehrere Minuten an. Auch aus diesem Grunde wäre
ein solcher Flammenkollektor nicht zu empfehlen.
Durch besondere, am Kollektor angebrachte Armierungen,
wie Kamine, kleine Dächer, Platten über der Offiiung, Wind-
schirme etc. suchte ich den erwähnten Einfluß des Windes zu
beseitigen. Abgesehen davon, daß jede Behinderung des freien
Abzuges der Verbrennungsgase die Ladezeit eines Flammen-
kollektors bedeutend vergrößert, drückt der Wind, trotz der
besonderen Vorrichtungen, die Ausgleichsniveaufläche herab, oft
noch weit in den Zylinder des Kollektors hinein.
Die ungleichmäßige innere Struktur des im Freien wehen-
den Windes muß, unseren Untersuchungen zufolge, die Aus-
gleichsniveaufläche eines Flammenkollektors bei Messungen in
der freien Atmosphäre in beständigem Schwanken erhalten.
Demzufolge werden bald größere bald kleinere nicht reelle
Schwankungen des Potentialgefälles zu beobachten sein,
wovon man sich bei Potentialmessungen im Freien leicht über-
zeugen kann.
C. W. Lutz: t3l)er einen neuen Flammenkollektor. 525
Eine Vermeidung dieser Fehlerquelle dürfte allein
durch die gleichzeitige Verwendung zweier, völlig
übereinstimmend gebauter Flammenkollektoren mög-
lich sein. Ein Kollektor wird dann in geringer Entfernung
über dem Erdboden aufgestellt und mit dem nunmehr zu iso-
lierenden Gehäuse des Elektroskopes verbunden, der andere 1 m
darüber, mit dem Blättchen träger in leitender Verbindung. Eine
Anordnung dieser Art ist auch deshalb zu empfehlen, weil
wohl nur in wenigen Fällen der Beobachtungsplatz vollkommen
eben, und so der Abstand des Ausgleichsortes von der Erdober-
fläche genau angebbar ist.
Die vorstehenden Untersuchungen wurden zum größten
Teile im Physikalischen Institut der Technischen Hochschule
ausgeführt. Herr Professor Dr. H. Ebert hat mir in freund-
lichster Weise die hiezu nötigen Apparate zur Verfügung ge-
stellt und meine Arbeit durch manchen wertvollen Rat geför-
dert. Hiefür, sowie für die wirksame Unterstützung, die Herr
Professor Ebert überhaupt den luftelektrischen Beobachtungen
am Erdmagnetischen Observatorium seit ihrer Einführung zu-
teil werden läßt, möchte ich auch an dieser Stelle meinen ver-
bindlichsten Dank aussprechen.
527
Über Palsationen von geringer Periodendaner
in der erdmagnetischen Feldkraft
Von H. Ebert.
(SingilaM/tn 8. JVoftfin5«r.)
1. Schon seit längerer Zeit erregen jene auffallend regel-
mäßigen Schwingungen von kurzer Periodendauer in der Inten-
sität der erdmagnetischen Kraft allgemeinere Aufmerksamkeit,
welche namentlich zu Zeiten von magnetischen Störungen in
den die Feldkraft in ihrem zeitlichen Verlaufe darstellenden
Kurven in Form kurzer Wellen zur Erscheinung kommen (»erd-
magnetische Wellen*). Bekannt ist das von Friedrich Kohl-
rausch vom 20. November 1882 mitgeteilte Beispiel,*) bei dem
durch zweisekundliche Ablesungen an dem von ihm konstru-
ierten Ablenkungs-Intensitätsvariometer für die Horizontalkom-
ponente (Schwingungsdauer der Nadel 1,7 sec, Dämpfungs-
verhältnis 2,0) solche Schwingungen von rund 12 sec. Perioden-
dauer und i y (ly = 0,00001 C.G.S. Einheiten) Amplitude
erhalten wurden. Bei den gewöhnlichen Registrierverfahren
mit langsamem Streifengang müssen derartige kurzdauernde
Schwankungen der erdmagnetischen Feldkraft verloren gehen;
sie können sich höchstens in einer Verbreiterung und un-
scharfen Zeichnung der Kurven kundgeben.
Es war daher ein wesentliches Verdienst von M. Eschen-
hagen, daß er zum Studium gerade derartiger kleiner Varia-
tionen des Erdmagnetismus die sog. «Feinregistrierung'' ein-
*) Fr. Kohlrausch, Wied. Ann. 60, 336, 1897.
528 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
führte,^ bei welcher durch rascheren Streifengang (1 mm gleich
15 sec, statt wie sonst üblich, 180 sec.) eine bei weitem mehr
ins einzelne gehende Auflösung des zeitlichen Ablaufes der Er-
scheinungen ermöglicht wurde. Gleichzeitig erhöhte er die
Empfindlichkeit des Variationsinstrumentes; sein Unifilarmag-
netometer, bei welchem ein kleiner magnetisierter Stahlspiegel
durch einen tordierten Quarzfaden, an dem er hängt, in senk-
rechter Stellung zum magnetischen Meridian erhalten wird, gab
bei 8,5 sec. Schwingungsdauer und einem Dämpfiingsverhältnis
von etwa 4 eine Empfindlichkeit von 1 mm gleich 0,3 y. In
dem von ihm a. a. 0. mitgeteilten Kurvenbeispiele kann man
199 Pulsationen zählen, welche auf eine (ganze) Schwingungs-
dauer von 32,2 sec. bei einer mittleren Amplitude von 1,4 y
führen. Eschenhagen glaubte in diesen Wellen von kon-
stanter Periode , gewissermaßen die einfachsten Elementar-
bewegungen des Erdmagnetismus '^ erblicken zu dürfen, da
(bei seinem Instrumente) keine weiteren Details durch fort-
gesetzte Auflösung zu erkennen waren. Auf Grund eines um-
fangreicheren Materiales an solchen Feinregistrierungen (etwa
sechzig), kommt er zu dem folgenden Schlüsse:^) «Alle gesam-
melten Ergebnisse beweisen, daß man durch eine solche Fein-
registrierung bei gleichzeitiger guter Dämpfung der Magnet-
nadel und hoher Empfindlichkeit gegenüber den Intensitäts-
änderungen in der Tat bis zur letzten Auflösung der
kleinsten Schwankungen des Erdmagnetismus, also zu
einer Darstellung der „Elementarwellen'' kommt, so
daß eine weitere Verfeinerung jener Hilfsmittel keinen Erfolg
mehr verspricht."
Bemerkenswert ist, daß jene kurzdauernden Wellen vor-
zugsweise am Tage, zwischen morgens und abends 6 Uhr,
also zu einer Zeit, in der die Sonne über dem Horizonte
der Beobachtungsorte zur betreffenden Jahreazeit stand, auf-
») M. Eachenhagen, Sitzungsber. d. Berliner Akad. Nr. XXXIX,
965, 1896.
2) M. Eschenhagen, Sitzungsber. der Berliner Akad. Nr. XXXII,
678, 1897.
H. Ebert: Über Pulsationen von geringer Periodendauer. 529
traten, sehr selten nachts, während in den Nachtstunden häufig
längere, schon an den gewöhnlichen Registrierungen erkennbare
Wellen erschienen.^) Interessant vor allem sind die von Eschen-
hagen entdeckten „Wellengruppen", die eine Analogie zu den
Schwebungen der Töne darstellen; eine Wellenbewegung von
34 sec. Periodendauer trat mit einer solchen von 43 sec. in
Interferenz und erzeugte die für das Schwingungszahlen Ver-
hältnis 5 zu 4 charakteristische Schwebungskurve ; dabei betrug
die Amplitude der beiden miteinander interferierenden Schwin-
gungen etwa 0,6 y.
Solche erdmagnetische Schwingungen können ein weites
Verbreitungsgebiet besitzen. Schon 1895 wurden bei Gelegen-
heit von Terminbeobachtungen Wellen von 40 bis 50 sec. Dauer
bemerkt, welche (innerhalb der Grenze der Beobachtungsfehler
von 1 bis 2 sec.) in Potsdam und in Wilhelmshaven gleich-
zeitig auftraten. Weiteres hierher gehöriges Material wurde
von Kr. Birkeland bei Gelegenheit der Norwegischen Expe-
dition zum Studium der Polarlichter 1899 — 1900 gesammelt.*)
Es zeigten sich bemerkenswerte Übereinstimmungen zwischen
gleichzeitig zu Haidde bei ßossekop im nördlichen Norwegen
und in Potsdam vorgenommenen Feinregistrierungen, also an
zwei Stationen, welche um ca. 2000 km voneinander entfernt
sind, ein Zeichen dafür, daß derartige Pulsationen ungeheure
Gebiete des erdmagnetischen Kraftfeldes mit gleichem Rhythmus
durchzucken können. Birkeland hat auch die Häufigkeit des
Auftretens solcher Pulsationen als Funktion ihrer Periodendauer
dargestellt; hierbei zeigt sich, daß eine Häufung der Erschei-
nungen auftritt für bestimmte Dauern, welche nach dem da-
mals vorliegenden Materiale bei etwa 32 und 8 sec. gelegen
ist. Hier haben wir also bereits Schwingungen von wesentlich
kürzerer Dauer als die Eschenhagenschen Elementarwellen.
Es drängt sich daher die Frage auf: Kommen nicht viel-
leicht Pulsationen von noch kürzerer Periode in den erdmag-
1) Vgl. auch Th. Arendt, Das Wetter, Heft 11 und 12, 1896.
^) Kr. Birkeland, Videnskabsselsk. Skrifter. Akad. Christiania.
I. Math.-naturw. Kl. Nr. 1, 1901, S. 3 ff.
530 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 8. November 1905.
netischen Elementen vor? Sind die in den Feinregistrierungen
aufgezeichneten kleinen Wellen wirklich die letzten Bestand-
teile der großen erdmagnetischen Feldschwankungen, kann man
in der beschriebenen Weise überhaupt die erdmagnetischen Er-
scheinungen in ihre letzten Elemente auflösen? Eine einfache
Überlegung zeigt, daß dies stets daran scheitern muß, daß wir
nicht imstande sind, die Schwingungsdauer der magneto-
metrischen Apparate unter eine gewisse Grenze herabzudrücken,
wenn wir nicht an Empfindlichkeit erheblich einbüßen wollen ;
die Magnetsysteme sind viel zu träge, um Variationen von
wenigen Sekunden Periode folgen zu können, ohne das Bild
des zeitlichen Ablaufes dieser Variationen bis zur völligen Un-
kenntlichkeit zu verwischen; hier muß ein ganz anderes Prinzip
herangezogen werden.
Eschenhagen hat schon selbst 1886, zurückgreifend auf
einen Vorschlag von Werner Siemens aus dem Jahre 1882,
auf die Induktionswirkung in einer ausgedehnten Leiter-
schleife bei Variation der von dieser umfaßten Kraftlinien-
zahl hingewiesen.^) Siemens hatte der Deutschen Polarexpe-
dition'') vom Jahre 1882 — 1883 ein 12 km langes, leichtes,
durch eine Guttaperchahülle isoliertes, einadriges Kabel mit-
gegeben, welches auf dem Eise des Kingua-Fjordes, der Deut-
schen Beobachtungsstation, während des internationalen Polar-
jahres derart ausgelegt wurde, daß es eine Fläche von rund
8 qkm umspannte. Seine Enden waren an ein astatisches
Spiegelgalvanometer von Siemens und Halske angeschlossen,
und die in ihm auftretenden Stromstöße wurden mit den Varia-
tionen der Vertikalintensität, wie sie eine Lloydsche Wage auf-
zeichnete, verglichen. Es zeigte sich, daß die im Kabel beob-
achteten Ströme in der Tat durchaus dem Wechsel in der
^) M. Eschenhagen, Sitzungsber. der Berliner Akad. Nr. XXXII,
1897, S. 686 und Verhandl. Phys. Ges.. I. Jahrg., Nr. 9, 8. 151, 1899.
') Die internationale Polarforschung 1882 — 1883. Die Beobachtungs-
Ergebnisse der Deutschen Stationen, Band I, Kingua-Fjord u. s. w. Die
Erdstrom-Beobachtungen, bearbeitet von W. Giese, 8. 411, Berlin 1886;
Tgl. auch M. Eschenhagen, ebenda S. 697.
H. Ebert: Über Pulsationen von geringer Periodendaner. 531
Intensität der Vertikalkomponente folgen, so da& kein Zweifel
bestehen konnte, daü wirklich die in der Leiterschleife durch
die Feldvariation geweckte In duktions Wirkung ein Mittel dar-
bietet, jene Variationen zu studieren. Ja die Empfindlichkeit
des Kabelapparates erwies sich fttr die kleinsten beobachteten
Schwankungen der Vertikalintensität bei diesen Versuchen etwa
hundertmal so groß als die der Lloydschen Wage, seither des
einzigen Instrumentes, welches sich für die Registrierung der
Vertikalkomponente dauernd als brauch bar erwiesen hat. W.G i e s e,
welcher, wie oben angegeben, diese Beobachtungen der Deut-
schen Station bearbeitete, hebt hervor, dag das Kabel eigent-
lich nie frei war von den elektomagnetischen Impulsen und
daß die ganze Anordnung für die hohen Breiten eigentlich zu
empfindlich war. Eschenhagen schlug daher vor, statt der
großen und sehr ausgedehnten ebenen Leitei*schleife minder
ausgedehnte Drahtspulen zu verwenden, welche den Vorteil
bieten würden, daß man je nach ihrer Orientierung beliebige
Komponenten des Erdmagnetismus, eventuell auch dessen Total-
intensität untersuchen könnte; ob sich empfehlen würde, eine
Verdichtung der erdmagnetischen Kraftlinien durch Ausfüllen
des Spuleninneren mit weichem Eisen herbeizuführen, sei erst
durch besondere Versuche festzustellen. Zu diesen ist Eschen-
hagen selbst nicht mehr gekommen.
Ich hatte 1897/98 in Kiel zunächst zum Studium der Natur
der durch den elektrischen Trambahnbetrieb bedingten Störungen
der einzelnen erdmagnetischen Komponenten derartige eisen-^
erfüllte flache Spulen von großer Gesamtwindungsfläche, welche
an ein empfindliches, in Juliusscher Aufhängung montiertes
Du Bois-Rubenssches Galvanometer angeschlossen waren, mit
großem Erfolge benutzt (es sind dies die Versuche, auf welche
M. Eschenhagen, Verhandl. der Phys. Ges., I. Jahrg., Nr. 9,
S. 151 unten, 1899 hinweist). Zu Zeiten, als der Trambahn-
verkehr ruhte, blieben aber noch schwache Stromstöße von
außerordentlicher Variabilität zurück, welche augenscheinlich
mit zeitlichen Variationen in den einzelnen erdmagnetischen
Komponenten selbst zusammenhingen. Schon hierbei zeigte
19(M. Sttaungsb. d. math.-phys. KL 85
532 SitzQDg der math.-phjs. Klasse vom 3. Norember 1906.
sich aber, daß die Eisenerfüllung beim Studium der rasch sich
Tollziehenden Schwankungen ungünstig wirkte; daduit^, difi
man einen dichteren KrafUinienstrom durch das Spuleninnere
leitet, gewinnt man zwar an Feldin tensitat, aber das Eisen
folgt selbst bei den hier vorkommenden schwachen magneti-
schen Belastungen den zeitlichen Änderungen zu trage und
verwischt dieselben, sogar wenn man sehr weit unterteiltes
Eisen und namentlich in der Kraftlinienrichtung selbst nur kurz
bemessene Drähte aus weichstem Eisen wählt. Da die Induk-
tionswirkung der zeitlichen Anderungsgeschwindigkeit der be-
trefiPenden Feldkomponente proportional ist, wurde daher der
weiche Eisenkern bald wieder verlassen und auf die ausgedehn-
tere Leiterschleife zurückgegriffen.
Unterdessen sind in Kiel auf Veranlassung des Herrn
Professor Leonh. Weber von Herrn Herm. Andreesen*) Ver-
suche angestellt worden, bei denen ein Kabel 96 mal um das
magnetische Observatorium herumgelegt wurde, so daß eine
Gesamtwindungsfläche von 7200 qm erzielt wurde. Die Kabel-
enden wurden an ein Drehspulen galvanometer nach D^prez-
d'Arsonval von Siemens und Halske von 2,5 bis 3 Minuten
Schwingungsdauer angeschlossen. Die erhaltenen Registrier-
kurven zeigen außer sehr unregelmäßigen Zacken gelegentlich
nachts kleinere Zacken von kurzer Dauer, welche Andreesen
geneigt ist, ebenfalls vagabundierenden Strömen zuzuschreiben,
wie jene großen Zacken, welche einen unverkennbaren Zu-
sammenhang mit dem Trambahnbetriebe aufwiesen. Nur ein-
mal im September 1904 zeigten sich nachts ganz feine regel-
mäßige Wellenzüge von ca. 30 sec. Periodendauer, welche also
den von Elschenhagen gefundenen Wellen entsprechen würden.
2. Hatten die bisherigen Versuche gezeigt, daß das Induk-
tionsprinzip in der Tat imstande ist, ein Vertikal-Intensitäts-
Variometer des Erdmagnetismus von hoher Empfindlichkeit zu
liefern, so mußte doch seither auch auf diesem Wege der Ver-
such als aussichtslos erscheinen, wesentlich weiter in die Einzel-
ij H. Andreesen, Inaag.-Diss., Kiel 1905, S. 32 ff.
II. Filtert: Ühin' Piilsaiioiicn v.)ii ir,.i-)'nnr,.i- I'.>ii<)<ltMi(];nioi-. .)•>)»
heiten des zeitlichen Verlaufes der rascheren erd magnetischen
Pulsationen vorzudringen. An Stelle der beweglichen Systeme
der Magnetometer traten jetzt diejenigen der Galvanometer; da
man die Schwingungsdauer und die Trägheitsmomente der-
selben nicht unter eine gewisse Grenze bringen kann, so ver-
mögen sie ebensowenig den kürzeren Wellen zu folgen, wie
die direkt auf die Variationen der erdmagnetischen Kraft rea-
gierenden Apparate. Dazu gesellt sich bei den Galvanometern
mit - beweglichen Magneten und feststehenden stromführenden
Teilen noch der Nachteil, daß die Orientierung ihrer beweg-
lichen Teile selbst wieder von den Variationen der erdmagneti-
schen Kraft abhängig ist. Bei den Spulengalvanometern, bei
denen dieser Nachteil wegfallen würde, stört der Umstand, daß
sie, durch das Kabel geschlossen, außerordentlich stark ge-
dämpft und daher sehr träge sind, wenn man nicht durch
Vorlegen großer Ballastwiderstände die Empfindlichkeit stark
herabsetzen will.
Hier konnte nun ein wesentlicher Fortschritt erzielt
werden durch Heranziehung des zuerst von Ader angegebenen,
dann von Herrn Einthoven und später von Herrn M. Edel-
mann jun. so überaus verfeinerten und vervollkommneten
Saitengalvanometers. ^) Bei diesem wird ein möglichst
dünner versilberter Quarzfaden oder ein feiner Metalldraht in
einem starken konstanten Hilfsmagnetfelde senkrecht zu dessen
Kraftlinien längs der schneidenartig gestalteten Polschuhe
desselben ausgespannt; geht ein Strom durch den Faden, die
»Saite*, so wird diese mit einer der Stromstärke, der Stärke
des Hilfefeldes und der Länge der Saite proportionalen Kraft
quer zu den Kraftlinien abgelenkt; die Ablenkung wird durch
ein Mikroskop hindurch verfolgt oder durch geeignete optische
1) Vgl. bezüglich der Ad ersehen Anordnung: L^aute, Compt.
rend. 124, 1440, 1897, oder La Natura, 2, 116, 1897, L'ßclairage elec-
triqae 1897, 295, Elektrotechn. Zeitschrift 1897, 561.
W.Einthoven, Ann. der Phys. (4). 12, 1059, 1903; 14, 182, 1904;
16, 20, 1905.
M. Edelmann jun., Physikal. Zeitschrift, 7, Nr. 4, 115, 1906.
S5*
534 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 3. November 1906.
Systeme auf einem bewegten lichtempfindlichen Filmstreifen
abgebildet. Hier hat man ein System von verschwindend kleiner
Masse, welches im Stande ist den raschesten Wechseln der
Stromintensität fast momentan zu folgen, eine Anordnung, welche
mit dem Vorzug vollkommener Unempfindlichkeit gegen äußere
magnetische Störungen denjenigen der höchsten Stromempfind-
lichkeit verbindet.
Mit einem solchen Saitengalvanometer habe ich meine
längere Zeit unterbrochenen Versuche über die Wirkungen
rascher erdmagnetischen Pulsationen auf grö&ere Leiterschleifen
im Sommer vergangenen Jahres wieder aufgenommen, wobei
mich Herr Dr. Max Edelmann jun. in München auf das
wirksamste unterstützte, wofür ich ihm auch an dieser Stelle
meinen wärmsten Dank aussprechen möchte.
Um bei der Wahl des Beobachtungsortes nicht an Strom-
quellen gebunden zu sein, wurde bei der Konstruktion der
Saitengalvanometer von der Verwendung der Elektromagnete
abgesehen und zu derjenigen kräftiger Dauermagnete überge-
gangen; dadurch wurde zwar etwas an Empfindlichkeit preis-
gegeben, doch gelang es dem Edelmannschen Institute daftlr
sehr handliche Saiten galvanometer herzustellen.*)
Das zu den Versuchen verwendete Galvanometer enthielt
einen Faden von 120 Ohm Widerstand und gab 1 mm Aus-
schlag bei einem Strome von 10 -' Ampere; die mikroskopische
Vergrößerung war nur eine 50 fache; Ströme von 10 ~® Ampere
waren aber noch bequem und sicher zu messen. Um in den
Photogrammen die Zeitmarken mit zu erhalten, ließen wir vor
dem Spalte der Itegistriertrommel das Pendel eines Metronoms
so schwingen, daß es bei jeder ganzen Schwingung einmal
etwas von der Seite her über den Spalt sich hinbewegte; am
Rande des Kegistrierstreifens entstanden dann kleine Zacken,
>) Vgl. bezüglich der Beschreibung derselben sowie der pboto-
graphischen Registrierapparate die obengenannte Arbeit von M. Edel-
mann.
H. Ebert: Über Pulsationen von geringer Periodendauer. 535
an denen die Zeitbestimmung mit großer Sicherheit vorge-
nommen werden konnte.
Die Leiterschleife wurde hergestellt mittels eines von der
Firma Feiten und Guillaume bezogenen Kabels von 15 von-
einander isolierten Kupferadern von je 0,8 mm Durchmesser,
d. i. 0,5 qmm Querschnitt und 0,03463 Ohm Widerstand pro
Ader und pro laufenden Meter. Das Kabel war 210 m lang,
seine 15 Adern wurden hintereinander geschaltet, so daß eine
Gesamtdrahtlänge von 3150 m und beim Auslegen längs einer
Kreisfläche eine Gesamtwindungsfläche von 52640 qm zur Ver-
fügung stand bei einem Gesamtwiderstand von 109 Ohm. Es
ist klar, daß wenn man ein derartiges Kabel im Freien aus-
legt, Störungen thermo-, vielleicht auch hydroelektrischer Natur
nicht ausbleiben können. Den hierdurch bedingten Kabel-
strömen legen sich freilich die gesuchten Induktionsströme ein-
fach über, ohne durch diese beeinflußt zu werden, indessen be-
dingen diese Ströme ein fortwährendes Herausgehen des Galvano-
meterfadens aus der Kuhelage und eventuell auch aus dem
Gesichtsfelde. Dieser Übelstand wurde dadurch behoben, daß
in einem Nebenschluß zum Kabel durch eine dauernd hier
eingeschaltete elektromotorische Kraft (ein Trockenelement mit
regulierbarem großen Yorschaltwiderstand) eine geeignete Kom-
pensation hergestellt wurde; außerdem empfahl es sich noch
einen zweiten Nebenschluß anzuordnen, durch welchen die
Empfindlichkeit des Galvanometers geeignet abgestuft werden
konnte. Das Kabel blieb während des Nichtgebrauches immer
in sich kurz geschlossen und an Erde gelegt, so daß eventuelle
statische Ladungen sich sofort ausgleichen mußten. Außerdem
verblieb bei den Messungen selbst ein Ende des Meßfadens
sowie das ganze Gestell des Apparates mit dem Magnetsystem
dauernd an Erde.
Das Kabel mußte vollkommen fest auf dem Boden verlegt
werden; denn wenn irgend ein Teil desselben, — bei der großen
Empfindlichkeit der Anordnung, selbst ein relativ kurzer, —
sich bewegt, etwa vom Winde in Pendelschwingungen versetzt
wird, so schneidet er die Kraftlinien des Erdfeldes und ruft
536 Sitzung der raath.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
Induktionsströme hervor, welche genau dem Rhythmas der
Bewegungen folgen.^) Außerdem war das Kabel nach Möglich-
keit vor direkten elektrostatischen Beeinflu&ungen , etwa von
Seiten des elektrischen Feldes der Atmosphäre zu schützen.
Hätte unser Kabel einen Bleimantel besessen, so hätten wir
es in die Erde eingegraben, wodurch die genannten Störungs-
quellen am sichersten eliminiert worden wären. Bei der im
nächsten Frühjahr geplanten Fortsetzung der Versuche ge-
denken wir in der Tat ein umbleites, vieladriges (natürlich
nicht eisenbandagiertes) Telephonkabel zu verwenden, welches
weit entfernt von jedem größeren Verkehrs- oder Industrie-
zentrum in die Erde so verlegt ist, daß es einen bestimmten
Flächenraum (vgl. weiter unten) umspannt. Den seither an-
gestellten Versuchen möchten wir nur die Bedeutung von Vor-
versuchen beimessen, welche zunächst die Brauchbarkeit der
neuen Anordnung erproben sollten.
3. Die ersten Versuche wurden auf dem in der Nymphen-
burger Vorstadt Münchens gelegenen Grundstücke des Herrn
Prof. Dr. M. Th. Edelmann sen. ausgeführt. Hier hatten
wir während des Tages und abends reichlich Gelegenheit die
Störungen zu studieren, welche durch den Trambahnverkehr,
vorübergehende Wagen und die elektrische Straßenbeleuchtung
hervorgerufen werden. Dieselben bestehen durchweg in plötz-
lich auftretenden Zuckungen von sehr unregelmäßiger und ver-
schiedenartiger Gestalt, die aber rasch abklingen.
Daneben zeigten sich aber stets längere Ketten überaus
regelmäßiger Wellen von Periodendauem weniger Zehntel
') Hierauf ließe sich eine bemerkenswerte Anwendung der ganzen
Anordnung gründen. Da erdmaguetische Kraftlinien überall in genügen-
der Zahl zur Verfügung stehen, so braucht man nur mit einem bewegten
Teile eines Systems, etwa eines Pegelapparates oder Flutmessers, dessen
Bewegungen fernregistriert werden sollen, einen die Kraftlinien schnei-
denden Leiterteil zu verbinden, der durch eine Doppelleitung an ein
solches hochempfindliches Saitengalvanometer angeschlossen ist. Bei
vielen Gelegenheiten überzeugten wir uns davon, wie treu die inducie-
rende Bewegung durch den Stromverlauf nachgeahmt wird.
H. Ebert: Über Pulsationen von geringer Periodendauer. 537
Sekunden. Diese waren es, welche auch nachts in der Zeit
zwischen 1 und 5 ühr, in der der Trambahnverkehr ruht, und
auch morgens zwischen 4 und 5 Uhr, in der auch der Licht-
betrieb im Sommer abgestellt wurde, andauerten. Natürlich
wurde sofort an entfernte elektrische Betriebe gedacht, welche
die ganze Nacht hindurch unterhalten blieben. Nach einge-
zogenen Erkundigungen kam hier vor allem die nächste, aber
immer noch 1130 m weit entfernte Unterstation der städtischen
Elektrizitätswerke in Betracht.
Die großen zwölfpoHgen Gleichstromdynamos, welche das
Beleuchtungsnetz speisen, machen 165 Touren pro Minute, die
Dauer einer ganzen Umdrehung der Armatur beträgt also
0,363 sec. Die Zeit, welche verstreicht, bis ein Wickelungs-
element von einem Feldmagneten bis vor den nächsten tritt,
beträgt nur den zwölften Teil hiervon oder 0,030 sec. Weder
die eine noch die andere Periode trat in den Kurven hervor.
Der zum Betriebe dieser Dynamos verwendete dreiphasige
Wechselstrom hat die gewöhnlich angewendeten 100 Perioden
per See; es konnten Pulsationen von l/aoo sec. Dauer erwartet
werden, aber auch diese waren nicht zu bemerken.
Somit konnte bereits bei diesen Versuchen vermutet werden,
daß diese Wellen dem Erdmagnetismus selbst angehörten.
Immerhin wird man derartigen Beobachtungen, welche in
der Nähe eines großen Verkehrszentrums angestellt worden
sind, nicht unberechtigtes Mißtrauen entgegenbringen. Wir
verlegten daher den Beobachtungsort weit außerhalb der Stadt
auf das 25 km südlich von München zwischen Icking und
Wolfratshausen in der Villenkolonie „Schiederlohe* gelegene
Waldgrundstück des Herrn Prof. Dr. M. Th. Edelmann.
Unterhalb desselben führt zwar in tiefem Einschnitte die Isartal-
bahn vorüber, deren Züge jedesmal beim Vorüberfahren sich
durch ganz charakteristische Stromzuckungen in der Leiter-
schleife kennzeichneten; da aber diese Momente der Störungen
durch die vorüberfahrenden Eisenmassen genau feststellbar, da
sie außerdem nicht zu häufig waren, konnten sie leicht aus
den Beobachtungen eliminiert werden. Die nächste elektrische
538 Sitzung der raath.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
Zentrale, das Drehstromwerk in Weidach, liegt 2,2 km ent-
fernt, eine ihren Maschinen entsprechende Schwingungsperiode
konnte nicht konstatiert werden. Man könnte noch an eine direkte
Induktionswirkung von seiten der unten im Eisenbahneinschnitte
vorüberföhrenden Telegraphenleitungen auf die von uns aus-
gelegte Leiterschleife denken. Aber abgesehen davon, dafi
die nächste Stelle der Schleife ca. 70 m vom nächsten Tele-
graphendrahte entfernt lag, breitete sich zwischen diesem und
der Schleife der ganze Erdhang aus, so daß vom Orte des
Kabels die Leitungen nirgends sichtbar waren; es war also
genügender Erdschutz vorhanden. Die Schleife wurde im Walde
ausgelegt, das Kabel durch Holzpflöcke im tiefen Grase be-
festigt; dadurch waren die oben angedeuteten Fehlerquellen
beseitigt.
Auch hier auf diesem völlig geschützten Terrain zeigten
sich nun die kurz dauernden Pulsationen vollkommen deutlich
ausgeprägt und in großer Fülle, sowohl tags als auch nachts.
Indessen besteht ein sehr charakteristischer Unterschied, der
an denjenigen erinnert, welcher schon von Eschenhagen be-
züglich der langen erdmagnetischen Wellen konstatiert worden
war (vgl. oben S. 529). Am Tage sind die Pulsationen heftig,
stürmisch, wechselnd und unruhig; während der Nacht treten
dafür ruhige Schwingungen, von kleinerer aber gleichförmiger
Amplitude auf. Die Kurven weisen teils ziemlich reine Sinus-
linien auf, teils mehrere miteinander interferierende Wellen-
systeme. Die meteorologischen Elemente scheinen keinen direkten
Einfluß zu haben, wenigstens konnten wir keinen merklichen
Unterschied in den Kabelströmen bemerken bei Wind oder
bei Windstille, bei Sonnenschein oder bei bedecktem Himmel,
bei hoher oder niedriger Temperatur, bei Regen oder nieder-
schlagsfreiem Wetter, selbst ein heranziehendes Gewitter änderte
nichts Wesentliches an dem allgemeinen Erscheinungsbilde.
Offenbar umfaßt die Ursache der „erdmagnetischen Pulsationen*
weite Gebiete, so daß der lokale Witterungscharakter an einem
bestimmten Orte irrelevant ist.
Was die Empfindlichkeit unserer Anordnung betriSl, so
H. Ebert: Über Pulsationen von geringer Periodendauer. o39
berechnet sich dieselbe wie folgt: In Schiederlohe hatten wir
mit dem Kabel eine nahezu rechteckige Fläche von 53,2 bzw.
54,0 m Länge und 33,1 bzw. 37,8 m Breite, also rund 1900 qm
oder 1,9 • 10^ cm* Fläche umlegt, die übrigen 32 m waren als
Hin- und llückleitung zu dem in der Villa des genannten
Grundstückes aufgestellten Galvanometer dicht nebeneinander
gelegt. Da die 15 Adern wiederum in Serie geschaltet waren, so
betrug die gesamte Windungsfläche 28500 qm oder 2,8 • 10* cm*.
Bei einer Vertikal in tensi tat von 0,41 C. G. S. Einheiten, wie
sie im Mittel am Beobachtungsorte herrschte, würde die Ände-
rung um 1 y dieser Komponente d. i. um den 41000 sten Teil
ihres mittleren Betrages in einer Sekunde einer induzierten
elektromotorischen Kraft von 2,8 «10"^ Volt entsprechen. Der
Widerstand des gesammten Leiterkreises betrug 229 Ohm; bei
voller Empfindlichkeit entsprach, wie oben angegeben, ein
Millimeter 10 ~' Ampere; der genannte Liduktionsstoß brachte
also mehr als einen Skalenteil Ausschlag hervor, der mit dem
Mikroskope genau gemessen werden konnte. Ein Zehntel der
genannten Feldvariation konnte noch deutlich bemerkt werden.
Da der Faden auch sehr kurz dauernden Stromstößen voll-
kommen getreu folgt, so steigert sich die Empfindlichkeit in
dem Maße, als sich der zeitliche Ablauf der Feldstärkeände-
rung beschleunigt. Hierin liegt ein wesentlicher Vorteil gegen-
über den älteren Methoden, die schon weit oberhalb der ge-
nannten Empfindlichkeitsgrenze versagen.
4. Von besonderem Interesse sind naturgemäß die bei den
Beobachtungen sich ergebenden Periodendauern. Außer
Pulsationen von der Dauer, wie sie schon früher beobachtet
worden waren, also von der Periodenlänge von mehreren Se-
kunden, konnten wir auch sehr viel kürzere magnetische Wellen
konstatieren, ja bei Schnelllauf der Registriertrommel gelang
es, noch länger andauernde und sehr regelmäßige Pulsationen
nachzuweisen, deren Periodendauer nur 0,025 sec. betrugen.
Damit ist gezeigt, daß man selbst bei den , Feinregistrierungen **
noch lange nicht an den letzten ^Elementen' der erdmagneti-
schen Störungen angelangt war, wie vermutet wurde (vgl.
540 Sitzung der iiuith.-phTB. Klaaw rom S. Norember 1906.
oben S. 528), sondern dafi diese bei weiterer Auflösong noch
eine Fülle von feineren Einzelheiten zu offenbaren vermögen.
Angesichts so rascher Pulsationen könnte die Vermutung ge-
äußert werden, daß man hier Tielleicht eine elektromagnetische
Eigenschwingung des in sich geschlossenen Leiterkreises selbst
vor sich habe. Das Kabel besitzt ja eine gewisse Selbstinduktion
L und eine nicht unerhebliche Kapazität C (die entsprechenden
Gröiien für das Galvanometer sind daneben zu Temachlassigen).
Nun ist bekanntlich die Schwingungsdauer eines solchen Leiter-
kreises:
2 n |/Z"(cm).C(cm)
3 . 10»"
Die Selbstinduktion einer Ader gegenüber allen anderen
Adern und gegenüber dem Erdboden wurde für ein 2 m langes
Stück rund gleich 0.00001 Henry gefunden: für eine ganze
Ader beträgt sie somit 0.00105 Henry und die Induktanz des
ganzen Kabels L war angenähert gleich 0.01575 Henry (Erd-
quadrant) oder 1,6-10' elektromagnetische Einheiten (cm).
Die Kapazität einer Ader gegen die anderen betrug 5,7 Mikro-
farad pro km, des ganzen Kabels also rund 18 Mikrofarad oder
1,8« 10"'* elektromagnetische Einheiten oder 1,6-10' elektro-
statische Einheiten (cm). Setzt man diese Werte ein. so erhält man
eine Schwingungsdauer für die Eigenschwingung t = 0,003 sec.
also eine Größe, die noch unterhalb des Schwellenwertes des Auf-
lösungsvermögens der verwendeten Registrierung gelegen ist.
Es ist natürlich kaum daran zu denken, alle diese Einzel-
schwingungen fortlaufend zu registrieren: dazu würde man
ja außerordentliche Längen der Registrierstreifen benötigen.
Aber 1>ereit8 die vorliegenden, wenn auch gerade nach dieser
Seite hin noch unzureichenden Aufzeichnungen scheinen darauf
hinzudeuten, daß die Feriodenlängen der auftretenden Wellen
nicht beliebig verteilt sind, sondern daß gewisse Perioden-
dauern häufiger wiederkehren.
Es liegt die Frage nahe: Dürfen wir nicht gewisse Perioden-
dauem in diesen kurzen erdmagnetischen Pulsationen schon
von vornherein vermuten und nach ihnen suchen?
H, Ebert: Über Puhationen von geringer Periodendauer. 541
Bei der Erzeugung elektrischer Wellen von kleiner Länge
verwendet man bekanntlich häufig, z. B. bei der Demonstration
der Hertzschen Versuche nach Righi, Kugeln, welche aus
dem elektrischen Gleichgewicht — etwa durch eine Funken-
eutladung — herausgebracht, elektrische Eigenschwingungen
ausführen und dadurch zur Entstehung elektromagnetischer
Wellen Veranlassung geben; die Längen dieser Eigen wellen
sind von der Größenordnung des Kugelumfanges. Die Theorie
solcher «Kugeloscillatoren^ wurde zuerst eingehender von
J. J. T h o m s o n ^) behandelt. Neuerdings wurde die Thomsonsche
Theorie von A. Lampa^) für den Fall erweitert, daß die Um-
gebung der Kugel eine von der Einheit verschiedene Dielektri-
zitätskonstante besitzt.
Übereinstimmend ergibt sich, daß die Eigenschwingung
einer von Luft umgebenen Kugel die Periodendauer:
vVt
hat, wie a der Kugelradius in cm, V die Lichtgeschwindigkeit
r=3.10'0cm/sec. ist.
Die Erde stellt eine im Weltenraume frei schwebende, von
Luft allseitig umgebene Kugel aus gutleitendem Materiale an ihrer
Oberfläche dar. Denkt man sich das elektrische Gleichgewicht
auf ihr durch irgend einen irdischen oder außerirdischen Prozeß
gestört, so wird sie in den Gleichgewichtszustand nur durch
eine Reihe von Eigenschwingungen hindurch gelangen können.
Die Periode dieser Schwingungen berechnet sich nach der mit-
geteilten Formel zu 0,15 oder 1/6 bis 1/7 sec.
Die Wellenlänge dieser Eigenschwingung ist in Luft gleich
46130 km, d. h. gleich dem 1,155 fachen des Erdumfanges, sie
ist also nicht mit einer der in der drahtlosen Telegraphie ver-
wendeten Wellenlängen zu verwechseln.
0 J* J. Thomson, Recent researches in Electricity and Magnetism.
Oxford 1893, 8. 360 ff.
^) A. Lampa, Wiener Sitzungsber. 111, Abt. II a, S. 87, 1908.
o42 SitzQOg der math.-phjs. Klaase rom 3. NoTember 1906u
Es wäre verfrüht, wollte man behaupten, dafi gerade eine
kurzdauernde Schwingung dieser Periode in den BeobachioDgen
besonders häufig auftritt; um dies außer Zweifel zu setzen,
mtliiten die Beobachtungen auf einen viel größeren Zeitraum
ausgedehnt und namentlich an anderen Orten unter anderen
Bedingungen und mit anderen Hilfsmitteln verifiziert werden.
Sollte sich indessen die Vermutung bestätigen, so wäre sofort
ein anderer Weg angedeutet, auf welchem vermutlich sich
wesentliche neue Einblicke in das Wesen der erdmagnetischen
Störungen eröffiien würden. E& liegt nicht außerhalb der Mög>
lichkeit einen Schwingungskreis von 0,15 sec. Eigenschwingungs-
periode herzustellen. Würde man von dem benutzten Kabel eine
Länge von 9,5 km verwenden, so würde dasselbe 7,25 • 10* cm
Selbstinduktion und etwa ebensoviele cm Kapazität besitzen:
man würde dann nur noch einen kleinen Luftkondensator an
irgend einer Stelle einzuschalten haben, um eine Periode von
der genannten Größenordnung genau einregulieren zu können;
das Saiten galvanometer würde man an der dieser Zusatzkapazität
im Leiterkreise genau diametral gegenüberliegenden Stelle ein-
schalten, so daß zwischen jedem Saitenende und dem nächsten
Kondensatorbelege auf beiden Seiten die gleiche Leiterstrecke
enthalten ist; die Kapazität selbst wäre geeignet einzuregulieren.
Das Kabel würde, falls kreisförmig ausgelegt, einen Flächen-
raum von ca. 720 Hektar umfassen.
Man würde an dem Kondensator einen Schwingungsbauch
der Spannung erhalten, das Saitengalvanometer wäre an dem
Spannungsknoten und dem Schwingungsbauche der Strömung
eingeschaltet; vermutlich wird man die Amplitude der Schwin-
gung durch beide, Spannung und Strömung, messen können.
Eine solche mit der genannten Selbstinduktion und Kapazität
ausgerüstete Leiterschleife würde alsdann einen auf die elek-
tromagnetische Grundschwingung des Erdkörpers ab-
gestimmten Resonator darstellen. Derselbe würde vermut-
lich leicht «ansprechen'', so oft jene regionalen erdmagnetischen
Störungen einsetzen, auf deren Vorhandensein schon ältere
Beobachtungen hingewiesen haben (vgl. oben S. 529). Als-
H. Ebert: Über Pulsationen von gerin^j^er Periodendauer. 543
dann müssen sich an der Stelle, wo die Kapazität eingeschaltet
ist, erhebliche Spannungsschwankungen einstellen ; bekanntlich
wächst ja die Amplitude derselben außerordentlich rasch, wenn
sich die Eigenperiode des Resonators der Periode der Schwin-
gungen, auf welche der Resonator ansprechen soll, nähert.*)
Man brauchte alsdann also nicht mehr die einzelnen Schwin-
gungen selbst zu registrieren, sondern nur das Anwachsen und
Abnehmen der Resonatorerregung.
Derartige Versuche würden sich namentlich in höheren
Breiten sehr empfehlen, in denen die „magnetische Unruhe"
durchweg eine sehr große ist (vgl. oben S. 531). Hier brauchte
man nur ein relativ unempfindliches Saitengalvanometer oder
man könnte wahrscheinlich die an der Kapazität auftretenden
Spannungsschwankungen elektronietrisch direkt messen. Vor
allem wäre es gewiß außerordentlich lohnend, wenn der S. 530
erwähnte Siemenssche Versuch im hohen Norden von Nord-
Amerika, in der Nähe des magnetischen Nordpoles mit einer
großen Kabelschleife wiederholt werden würde, deren Eigen-
schwingungsperiode in bestimmter Weise abgestimmt
werden könnte.
*) Vgl. z. B. die am einfachen quadratischen Draht-ReBonator an-
gestellten Messungen von V. Bjerknes, Ann. d. Phys. (3), 44, 74, 1891.
545
Magnetische Ortsbestimmungen in Bayern.
2. Mitteilung.
Von J. B. Messersclmiitt.
(Mit T*fel YIL)
Die magnetische Landesaufnahme konnte bereits soweit
gefördert werden, daß nunmehr im rechtsrheinischen Bayern
an mehr als 40 Orten alle erdmagnetischen Elemente (Dekli-
nation, Inklination und Horizontal-Intensität) neu bestimmt
sind, wozu noch fast ebensoviele andere Punkte kommen, an
denen infolge äußerer Umstände, insbesondere der Ungunst der
Witterung, nur ein oder zwei Elemente erhalten wurden. Alle
diese Messungen sind ziemlich gleichmäßig über das ganze
Oebiet verteilt. Die gegenseitige Entfernung der Stationen,
an welchen alle Elemente beobachtet sind, beträgt durchschnitt-
lich etwa 40 km, entspricht also einem magnetischen Netze
erster Ordnung. Man kann daher daraus bereits den allge-
meinen Verlauf der magnetischen Kurven sicher ableiten und
gestützt darauf die weitere Detailarbeit, nämlich die Unter-
suchung von gestörten Gebieten, vornehmen.
Meine ersten magnetischen Ortsbestimmungen in Bayern
vom Jahre 1903^) wurden mit einem von dem Württembergi-
schen Statistischen Landesamt entlehnten magnetischen Theo-
^) Messerschmitt, Magnetische Ortsbestimmungen in Bayern.
Diese Berichte Bd. XXXV, Heft 1, 8. 69—83, 1906.
546 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
doliten von L. Tesdorpf ausgeführt. Im Jahre 1904 ist dann
bei derselben Firma ein neuer Reisetheodolit bestellt worden,
der aber wegen Krankheit des Verfertigers erst im Juni 1905,
kurz vor dem plötzlichen Ableben dieses geschickten Mechanikers
zur Ablieferung gelangte.
Dieses Instrument (Nr. 2679) weist gegenüber dem älteren,
zuerst verwendeten (Tesdorpf Nr. 1769) mehrfache Verbesse-
rungen auf, die schon großenteils bei anderen Reiseapparaten,
welche Tesdorpf für die Südpolarexpeditionen und für andere
Institute geliefert hat, angebracht sind. Einige weitere Ände-
rungen, welche mir nach den Erfahrungen im Jahre 1903
wünschenswert erschienen, sind an unserem Theodoliten eben-
falls berücksichtigt worden, so daß derselbe in seiner jetzigen
Form sowohl recht zweckentsprechend eingerichtet, als auch
bei der Arbeit sehr handlich ist. Er kann mit allem Zubehör
in einem tragbaren Kasten verpackt und im Felde verhältnis-
mäßig leicht transportiert werden.
Er besteht aus einem theodolitartigen Unterbau, dessen
Horizontalkreis völlig verdeckt ist und einen Durchmesser
von 12 cm hat. Der Kreis ist in 20' direkt geteilt und wird
durch zwei Schätzmikroskope auf je 0.'2 abgelesen, so daß die
Summe der beiden Mikroskopablesungen O'.l gibt. Die Teilung
ist vorzüglich und kann für die vorliegenden Zwecke als fehler-
frei angenommen werden. Das Femrohr ist am Rande des
Kreises so angebracht, daß die verschiedenen Hilfeapparate
zentrisch aufgesetzt werden können. Dabei zeigt die Visierachse
genau nach dem Mittelpunkt des Kreises. Das Objektiv hat
20 mm freie ÖflFiiung und 140 mm Brennweite. Das Okular
vergrößert neunmal. Das Fadenkreuz besteht aus vier verti-
kalen und einem horizontalen Faden und wird von oben durch
einen kleinen Ausschnitt im Femrohr und durch einen darüber
nach allen Seiten verstellbaren Spiegel mit Blende beleuchtet.
Ein kleines gleichseitig rechtwinkliges Prisma, das hinter der
Fadenplatte eingesetzt ist, dient zur Reflexion des Fadenkreuzes
von dem Magnetspiegel, indem so der Magnet stets durch
AutokoUimation eingestellt werden kann.
J. B. Messerschmitt: Magneüsche Ortsbestimmungen. 54^
Für die erste Einstellung des Instrumentes ist an dem
Dreifuß eine Dosenlibelle angebracht; zur genaueren Nivel-
lierung der Fernrohrachse dient jedoch eine Reiterlibelle, deren
Teilwerte 16r3 betragen.
Zu dem Reisetheodoliten gehören zwei Deklinatorien, zwei
Deflektoren, zwei Ablenkungsmagnete mit Ablenkungsschienen
und einem Schwingungskasten, ein Inklinationsgehäuse mit
zwei Inklinationsnadeln und zwei Streichmagneten, ein astro-
nomischer Aufsatz, ein eisenfreies Stativ und noch einige andere
kleinere Hilfsmittel. Sämtliche Teile des Instrumentes sind
eisenfrei. Zum Schutze gegen Sonne und Regen dient ein
großer eisenfreier Schirm.
Das eine Deklinatorium mit Fadensuspension besitzt zwei
Röhrenmagnete von 35 mm Länge, 12 mm äußerem Durch-
messer und 20 g Gewicht. Bei dem anderen schwingt die
Magnetnadel auf der Pinne. Dieser Magnet besteht aus vier
übereinander getrennt gelagerten Stahllamellen, welche an dem
einen Ende einen kleinen Spiegel tragen, in dem sich das im
Fernrohr befindliche Fadenkreuz spiegelt. Der Magnet hat ein
fein geschliflenes Doppelhütchen aus Saphir in einer Metall-
hülse, welche sich in einem zweiten Zylinder auf- und ab-
bewegen kann. Es kann also die EoUimation durch Umlegen
des Magneten eliminiert werden. Um dies zu ermöglichen wird
die Pinne versenkt, worauf der Magnet durch zwei Zungenarme
gefaßt und mit dem sie tragenden Rahmen im Deklinations-
gehäuse um 180^ gedreht wird. Im Felde wird nur dieses
Magnetsystem bei den Beobachtungen verwendet.
Bei den Deklinationsbestimmungen habe ich gewöhn-
lich das Azimut einer Mire durch astronomische Messungen
bestimmt. Ist die Sonne nicht zu hoch über dem Horizont,
so kann das mit dem Untersatz fest verbundene Fernrohr direkt
zu den Einstellungen der Sonne benutzt werden. Bei größeren
Höhen muß entweder der Sonnenspiegel oder noch besser der
astronomische Aufsatz verwendet werden. Dieser besitzt einen
Höhenkreis von 10 cm Teilungsdurchmesser. Der Kreis ist in
1906. Siiximgsb. d. math.-phjB. KL 36
548 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
halbe Grade geteilt und kann durch zwei Nonien auf 1' abge-
lesen werden. Das Femrohr hat ein Objektiv von 20 mm
Öffnung. Die Okularvergröierung ist 18 fach; außerd^n ist
für Zenitbeobachtungen ein Prismenokular beigegeben. Die
Sonnengläser können auf die Okularblenden beider Femrohre
aufgesteckt werden. Eine Nivellierlibelle (14" Teilwert), eine
Stützlibelle (24" Teilwert), eine Alhidadenlibelle am Höhenkreis
(31") und eine Aufsatzlibelle (27") vervollständigen den astro-
nomischen Aufsatz. Für die Fadenbeleuchtung bei Nacht wird
entweder ein Ring vor das Objektiv gesteckt oder es kann
durch die durchbohrte Fernrohrachse Licht auf einen zentrisch
einzuschraubenden Metallspiegel von 1,5 mm Durchmesser mit
0,5 mm starkem Schaft geworfen werden. Durch Drehung
dieses kleinen Spiegels läßt sich die Beleuchtung im Okular
bequem verändern.
Bei den Azimutmessungen wurde das bereits früher (1. c,
S. 74) angewandte Verfahren eingehalten, das sich gut bewährt
hat. Es wurde daher der Stand des Taschenchronometer Kittel
(Nr. 230) mit Halbsekundenschlag im Felde so oft als möglich
mit Hilfe der täglichen telegraphischen Zeitsignale der Post-
und Telegraphenämter ermittelt. Die Uhr hat auch im Jahre
1905 ihren vorzüglichen Gang beibehalten, so daß man stets
der Zeit auf ± 0?25 sicher sein konnte, eine Oenauigkeit, die
für die Azimutmessungen zu Deklinationsbestimmungen völlig
ausreicht.
Die Richtung des astronomischen Meridians wurde aus
Sonnenbeohachtungen ermittelt, indem jeweilen der rechte und
linke .Sonnenrand eingestellt wurde, um allfallige Irrtümer
beim Beobachten leichter erkennen zu können, sind die ein-
zelneiTEinstellungen gesondert berechnet worden und zwar nach
der Formel:
tff t • cos M
^ sm {(p — M)
wenn ig M= cos t 'ig d ist.
Die Beobachtungen mit dem astronomischen Aufsatz sind
bequemer, als mit dem am Untersatz befindlichen Fernrohr,
J. B. Messersclimitt : Magnetische Ortsbestimmungen. 549
insbesondere wegen der stärkeren Vergrößerung und der Ver-
wendung eines Okularprismas. Die Genauigkeit ist jedoch in
beiden Fällen nahe gleich, wie sich aus direkten Versuchen
ergab, indem bei den Azimutmessungen an mehreren Stationen
sowohl der astronomische Aufsatz, als auch das feste Femrohr
mit und ohne Sonnenspiegel (schwarzem Glasspiegel) verwendet
wurde. Aus der inneren Übereinstimmung eines Satzes von
acht Einstellungen folgt der mittlere Fehler eines Azimutes zu
± 0.15; um etwa den gleichen Betrag weichen die mit den
verschiedenen Fernrohren erhaltenen Azimute voneinander ab.
Die Einstellungen der Magnetnadel durch AutokoUimation
können auf '^ 0'.3 sicher geschehen, so daß man unter Berück-
sichtigung aller in Betracht kommenden Fehlerquellen annehmen
darf, daß die vorliegenden Deklinationsbestimmungen auf min-
destens r genau sind.
Zur Bestimmung der Horizontalintensität dienen zwei
Ablenkungsmagnete und zwei Deflektoren. Im Felde wurde
dieses Element fast ausschließlich aus Ablenkungsbeobachtungen
berechnet. Die Temperaturkoeffizienten der vier Magnete sind
aus zwei größeren Reihen im Oktober und November 1905 am
erdmagnetischen Observatorium in München ermittelt worden.
Hiebei lagen die Temperaturen zwischen 0° und 33^ C. Die
Temperaturkoeffizienten sind für 1^ C.
für den Ablenkungsmagneten Nr. I (23): 25,7 y
, , . Nr. II (35): 26,1 y
, „ Deflektor 1: 27,3 y
n r, . 2: 26,0 y.
Die Änderung erfolgt innerhalb des Messungsbereiches
genau linear.
Da die Magnete offenbar noch ziemlich jung waren, nahm
ihr Moment in der ersten Zeit noch merklich ab. Besser hielt
sich das Moment der beiden Deflektoren. Der log c des Ab-
lenkungsmagneten Nr. I zeigte vom 30. August auf den 1. Sep-
tember einen plötzlichen Sprung (von 9,11820 auf 9,11100),
dessen Ursache nicht aufgeklärt werden konnte. Da übrigens
36*
J. B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen. 551
hat 12 cm Durchmesser und ist in 20' geteilt; es können also
noch 2' abgeschätzt werden. Die Summe der Ablesungen an
beiden Nadelenden gibt also direkt Bogenminuten. Die In-
klinationsnadeln von 11,5 cm Länge ruhen mit ihren 25 mm
langen gehärteten Stahlachsen, die an den Enden Zapfen von
0,4 mm Durchmesser haben, auf plangeschliffenen Karneol-
schneiden. Ihr Gewicht beträgt 5 Qramm. An der Rückseite
des Magnaliumgehäuses ist eine Arretierungsvorrichtung ange-
bracht, mit welcher die Hebung und Senkung der Achsen der
Nadeln auf und von der Schneide ab sicher und langsam erfolgt.
Die Genauigkeit der Inklinationsmessungen kann auf ± V
angenommen werden. Dabei sind bei den Messungen jedesmal
die Nadeln sowohl in beiden Lagen beobachtet, als auch je-
weilen ummagnetisiert worden. Der Unterschied zwischen den
beiden Nadeln beträgt — 2'. 5; ihr Mittel entspricht dem in
München verwendeten System.
Die Beobachtungen im Feld sind nach den Registrierungen
in München auf den Anfang des Jahres 1905 reduziert. Bei
den Inklinationen sind aber noch die Angaben des Potsdamer
Observatoriums beigezogen worden, da die Variationen der
Vertikalintensität durch den Einfluß des elektrischen Trambahn-
betriebs in München nicht genügend sicher erhalten werden.
Die betreffenden Angaben verdanke ich der gütigen Mitteilung
des Vorstandes jenes Observatoriums, Herrn Prof. Ad. Schmidt.
Die magnetischen Elemente in München, gültig für den
Anfang des Jahres, sind aus den Mittelwerten der Monate
Dezember des vorhergehenden Jahres und dem Januar des
folgenden Jahres abgeleitet worden. Sie sind in der nach-
folgenden Tabelle I zusammengestellt.
Aus den direkt beobachteten Werten der Deklination (D),
der Horizontalintensität (H) und der Inklination (J) sind die
rechtwinkligen Komponenten
5^2 Sitzung der inath.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
Tabelle I.
N. Br. 48^ 8/8. Länge 11« 36/5 ö. v. Greenw. Höhe = 530 m.
1
München j! 1>
H
0.20 672
J
63023.'2
X
|0.20 220
, 250
Y
Z
; F
1899.0 10ö36.'8W
—0.03 789
0.41 056
0.45 922
1900.0 30.2
595
20.0
780
41011
890
1901.0 ' 25.8
629
18.1
288
735
41019
914
1902.0 ' 21.2
643
15.1
1 307
710
40 957
865
1903.0 16.9
652
11.8
320
686
40 878
798
1904.0 1 10.1
648
10.9
319
644
40 834
755
1905.0 1 7.3
653
10.5
331
630
40 841
767
1906.0 2.0
1
651
10.3
385
598! 40832 757
' 1
1850.0 l|l5®53.9
1
0.19 523J640 59.5
k). 18 776
1
-0.05 348 0.42 826:0.46 181
Theorie '
1885.0 110 20.5
■
0.20 096
64^ 5.7
0.19 704
1
-0.03 952
0.41 380 0.46 001
1
Nordkomponente : X = JET • cos D
Westkomponente: Y = -ff • sin D
Vertikalkomponente: Z = H' tg J
abgeleitet worden, woraus dann die Totalintensität:
F= H' secJ= Z' cosec J
folgt.
Zum Vergleich sind noch die von Lamont für 1850,0,
der Epoche seiner magnetischen Ortsbestimmungen, bestimmten
Werte angeführt. (Lamont, «Magnetische Ortsbestimmungen
in Bayern*, Band I, Seite 24 und 135, München 1854.) Aus
der Differenz der Werte für 1900 und 1850 folgt die mittlere
jährliche Variation der magnetischen Elemente in München
innerhalb des letzten halben Jahrhunderts für:
D
6:47
H
; + 21.44 y
J:
1.99
X:
+ 29.48 y
T
: + 31.36 y
Z:
36.30 y
F:
;— 5.82 y.
J.B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen.
553
Vergleicht man damit die seit der Einrichtung des neuen
Observatoriums direkt beobachteten Variationen, so erhält man
im Mittel von 1899 bis 1906:
B\— 4:97
H\-\- 11.3 y
J\— 1.8
X:+ 16.4 y
Y\ + 27.3 y
Z: — 32.0 y
F: - 23.6 y,
also beträchtlich kleinere Werte. Im einzelnen sind die Unter-
schiede nach der obigen Zusammenstellung in Tabelle I noch
beträchtlicher.
In Deklination ist die jährliche Abnahme der westlichen
Deklination im mittleren Europa jetzt nur noch 4' bis 5' gegen
6^5 früher; die Zunahme der Horizontalintensität beträgt nur
11 y gegen 21 y. Noch auffälliger ist die Änderung in den
einzelnen Jahren, insbesondere bei der Horizontalintensität und
bei der Inklination, welch beide Elemente in den letzten Jahren
fast konstant geblieben sind, wie die nachstehende Zusanmien-
stellung ergibt:
Jahr
Var. D
Var. H
Var. J
1899—1900
— 6/6
+ 23y
-3/2
1900—1901
— 4.4
+ 34y
— 1.9
1901—1902
— 4.6
+ 14y
— 3.0
1902—1903
4.3
+ 9y
— 3.3
1903—1904
— 6.8
- 9y
— 0.9
1904—1905
— 2.8
-hlOy
— 0.4
1905—1906
— 5.3
- 2y
— 0.2
Dementsprechend sind auch die Variationen der Kom-
ponenten und der Totalkraft gegen den Durchschnitt des letzten
halben Jahrhunderts stark geändert. Es rühren diese Unter-
schiede teils von der jetzt herrschenden stärkeren magnetischen
i>i)\ Sitzung der matb.-phys. Klasse vom 8. NoTember 1906.
Unruhe her, teiln aber sind sie auch säkularer Natur. Aach
die anderen benachbarten Observatorien zeigen den nämlichen
Cliarakter in den Variationen, wie man aus den fiir die Jahres-
initt<* ^ültigun Angaben von Potdam und Pola erkennen kann.
Pot Hdain. lireite 52» 22/9. Länge Id^ ^19 ö. v. 6. Höhe 86 m.
.iHhr
/;
1899 9«riO.'7
HWK) r>ß.3
1901
1902
1908
1904
52.1
48.0
43.8
39.4
4.4
4.2
"4.1
4.2
-4.4
//
0.18 818 , ^^
844+^^
®^>27
^^>+12
876+;
880^
X — r
66025/8 ^ , 0.18 531 0.03 27l!o.43 1330.47 ffit
— 1.'.4
26.2
22.8'
20.8
20.0
3.4
2.0
—0.8
19.6
—0.4
561;
582
598
605
612
252*
233
212
190j
167j
206
128
090
063
065
074
OH
m
oa
f'ola. Breite 44^ r>2ri. Länge 13^ 50.8 0. v. 6. H5he 83 m.
Jahr
JJ
1899 , 90 29.'9
lOüO
1901
1902
KK)3
1904
25.3
20.1
15.1
10.7
6.0
-86
-5.2
-5.0
-1.4
4.7
//
0.22 168
202+^^
-Y
r
I
230
233
225
221
H-28
+ 3
- 8
-f 6
600 _
15.9
13.2
10.6
9.9
7.9
—2.7
-2.6
-0.7
-2.0
I
0.21 836 0.03 626t —
902 634 0.38 87 1^0.44 765
606' 848, 759
936
948
941!
951 j
575
545
516
784
753
709
705
674
I
1
Für die Deklinationsänderungen in Deutschland kann man
auch die Messungen der magneti.schen Observatorien von Berg-
werken beiziehen. So wird dieses Element in Bochum am
Observatorium der Westfälischen Bergwerkschaftskasse (Vorstand
Markscheider Lenz)^) und in Hermsdorf bei Waidenburg (Reg.-
Bez. Breslau) am magnetischen Observatorium der Nieder-
schlesischen Steinkohlen -Bergbau -Hilfskasse (Vorstand Mark-
scheider Floisclier) aus Registrierungen abgeleitet. Letztere
Werte verdanke ich der gefalligen direkten Mitteilung des Herrn
Fleischer. Hieran sollen noch die aus dreimal täglichen Beob-
*) Die jährlichen Beobachtungen sind in der Zeitschrift »Glückanr
veröffentlicht.
J. B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen.
555
achtungen abgeleitete Deklination von Prag angeschlossen werden,
da dieser Ort die München am nächsten gelegene magnetische
Station ist. Die Lage der drei magnetischen Warten ist:
Bochum: Breite 51« 29' 28:2. Länge 7« 13' 52:5 ö. v. G.
115 m Meereshöhe.
Herrasdorf: Breite 50« 45' 38:5. Länge 16M 3' 55:5 ö. v.G.
515 m Meereshöhe.
Prag: Breite 50" 5' 18:5. Länge 14« 25' 21 :5 ö. v. G.
202 m Meereshöhe.
Die Deklination, gültig für die Jahresmitte, und ihre
Variation beträgt:
]
Jahr
Bochum
Hermsdorf
Pra^
1901 i
1902
1903
1904
1905
12» 42.'8 W
39.4
35.7
31.4
27.2
-3.'4
— 3.7
— 4.3
— 4.2
8» 13/6 W
8.9
4.0
7 59.3
55.0
-4.7
— 4.9
— 4.7
— 4.3
90 117
8 57.6
53.6
48.7
43.3
-4/1
— 4.0
— 4.9
— 5.4
Die Ergebnisse der Beobachtungen des Jahres 1905 zur
magnetischen Landesaufnahme sind in der Tabelle II zusammen-
gestellt. Sie enthält zunächst die geographischen Koordinaten
und Meereshöhen der Beobachtungspunkte. Diese sind den
Karten des topographischen Atlasses von Bayern (Maßstab
1:50000) entnommen worden. Das betreffende Blatt ist in
der letzten Kolumne angeführt. Die Längen sind in den Karten
von der alten Sternwarte in München aus gezählt. Zur Um-
wandlung in Längen östlich von Greenwich ist die Länge des
Nullpunktes zu IP 36' 12" angenommen worden. Die neue
im Jahre 1816 von Soldner erbaute Sternwarte liegt 20" öst-
licher und r 12" nördlicher als die alte Sternwarte,^) deren
Ort also jetzt auf dem Terrain des Ostbahnhofes zu suchen ist.
Was nun die Genauigkeit anbelangt, mit der man die Lage des
^) Geogr. Breite also 48^^ T 33" vgl. K. Then, Die Bayerischen
Kartenwerke in ihren mathematischen Grundlagen. München 1905.
556 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 8. November 1906.
Nr.
Ort
Breite
Länge
I
1
2
3:
4
5
6
7
8
9'
10
11
12!*
13
14
15'
16
17
18,
19
20
21
22
23-
24
25,:
26
27'
28
29
30'
311,
32
33 '
34
35
36
37
38 i
39
4o;;
41,:
42
Nessel wanp^
Kochel
Waltenhofen
Penzberg
Memmingen
Grafing
München
Haspelmoor
Wal pertski rchen
Senden
Neufahm b. Freis.
Günzburg
Pfaffenhofen a. I.
Altdorf (Landsbut)
Straubing
Wasserzell
Pfünz
Solnhofen
Dinkelsbühl
Cham
Neumarkt i. 0.
Ansbach
Schwabach
Schwandorf
Burgfambach
üflFenheim
Neustadt a. Aisch
Kleinheubach
Neustadt a. W.
Forchheim
Kitzingen
WOrzburg
Bayreuth
Aschaffenburg
liOhr
Obern dorf
Wunsiedel
«
Lichtenfels
Hof
Neustadt a. S.
Koburg
47037' 29"
47 39 37
47 39 55
47 44 47
47 47
48 2
16
86
8 47
' 48
48 13 29
48 15 55
48 19 28
;48 19 33
ii48 27 42
;;48 32 2
|t48 33 37
'48 52 19
;.48 52 34
;<48 53 15
, 48 53 28
! 49 4 18
I 49 13 27
',49 16 16
; 49 18 35
'49 19 25
149 19 31
:'49 29 37
|U9 32 50
ii49 34 47
49 43 16
49 43 26
49 43 42
i4<.) 44 0
i;49 46 25
l|49 56 59
,j49 58 27
50 0 33
:;50 2 16
50 1 55
,50 2 28
n50 8 34
50 18 21
50 21 -
50 17 —
!!
19^30' 28"
11 21 54
10 18 81
11 22 24
10 10 30
11 56 25
11 36 32
11 6 14
11 58 82
10 3 24
11 39 41
10 17 31
11 31 58
12 7 33
12 34 24
11 9 25
11 15 52
10 59 58
10 20 36
12 39 43
11 28 29
10 34 43
11 1 42
12 6 7
10 55 41
10 13 27
10 85 48
9 12 13
12 10 29
3
9
52
5
57 30
37 9
11
10
9
11
9 10 50
9 84 37
10 12 36
12 0 1
0 46
4 5
53 26
16 —
12
11
11
10
10 68 —
Meeres-
höhe
D
880m
602
730
600
600
550
530
543
490
490
460
460
450
410
330
390
890
450
450
380
440
450
340
360
315
350
290
140
420
270
210
250
860
200
200
220
540
600
280
580
250
10^14.2
11 56.6
10 12.5
11 20.5
10 7.8
10 4.2
10 20.1
9 58.0
9 44.0
10 80.1
10 32.7
10 45.4
10.20 738
W 0.20 750
'0.20 698
0.20 717,
:oj>o 520!
,0.20 600
1O.2O 658
;0.20 510.
I0.2O 512!
,0.20 3981
0.20 527
0.20 358'
0.20 4211
1O.2O 413
0.20 272'
0.20 254'
i0.20 229|
0.20 2131
0.20 076
10 21.9
10 43.8
10 33.2
9 57.1
10 58.8
11 82.3
10 5.2
10 31.0
11 5.3
11 2.5
11
10
10
10
10
10
10
10
'10
29.4
58.9
58.2
3.0
8.0
40.6
7.8
57.5
88.5
I'
— ,0.20 070
1O.2OO66
0.20 023|
0.20 0501
0.20 108,
0.19 909,
0.19881.
i0.19 891|
i0.l9 675!
|0. 19 9731
;0.l9 866i
0.19 8161
0.19 784
0.19 782
0.19 570
0.19 624
;0.19 658
0.19 770
10.19 908
0.19 650i
'0.19 729
,0.19 624
10.19 624
1) Beobachtungsort der Inklination 48» 23' 60" N. B. 1 1» 44' 18" ö. v. G.
2) , , « 48<>81'50"N.B. 12» 9'12"ö.v.G.
») , , , 490 27' 52" N.B. 11« r 3"ö.v.G.
J. B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen.
557
Tabelle II.
J
X
Y
Z
F
Tia.mont
Top.
Atlas
89 W
62« 52.1
0.20 420
— 0.03 688
0.40 494
0.45 501
I 111
91 W
62 52.4
0.20 250
0.04 283
0.40 402
0.45 396
89 W
—
0.20 389
0.03 672
—
—
91 W
63 16.4
0.20119
0.04 035
0.40 752
0.45 625
I 129
80
63 13.3
0.40 820
0.45 723
78 W
68 10.5
0.20 331
0.03 630
0.40 841
0.45 767
I 135
77 0
63 25.2
—
0.40 993
0.45 838
76 0
0.20 196
0.03 587
—
—
71 W
68 28.6
—
—
0.41 810
0.46 727
—
67
63 32.6 1)
0.41 247
0.46 072
179
70 0
63 38.7
0.41 075
0.45 843
188
60 W
63 34.6
0.20 090
0.03 658
0.41 096
0.45 890
I 151
62 W
63 33.0 2)
0.20 103
0.03 533
0.41014
0.45 811
I 114 II 94
63 W
63 47.1
0.19 979
0.03 431
0.41 170
0.45 881
I 177 II 168
56 W
63 5(\6
0.41 241
0.45 946
—
58 0
63 53.8
0.19 438
0.03 687
0.41 287
0.45 976
—
53 0
63 54.8
0.19 420
0.03 699
0.41 285
0.45 968
53 W
64 8.7
0.19 723
0.03 742
0.41 428
0.46 036
II 50
45 W
I 68 II 43
43 W
64 7.5
0.19 739
0.03 610
0.41 372
0.45 982
I 137 11 117
41 W
64 16.9
0.19 674
0.03 795
0.40 625
0.46 142
146
89 0
64 11.2
0.19 710
0.03 672
0.40 506
0.46 043
II 157
40W
64 3.6
0.19 795
0.03 531
0.41 337
0.45 961
I 169
42 W
64 20.1')
—
—
0.41 402
0.46 021
34 W
64 26.8
0.19 517
0.03 787
0.41 582
0.46 089
I 183 II 174
33 W
64 34.0
—
0.41 827
0.46 316
—
33 0
64 53.3
0.19 277
0.03 935
0.41 980
0.46 362
—
25 W
64 33.6
0.19 665
0.03 498
0.41 988
0.46 497
II 120
30 0
64 23.7
0.19 532
0.03 626
0.41 455
0.45 961
II 58
28 0
64 38.6
0.19 445
0.03 811
0.41 814
0.46 271
26 0
64 40.8 <)
0.19 418
0.03 789
0.41 829
0.46 272
I 196 II 183
26 0
64 43.9
0.41909
0.46 343
I 57 II 34
21 W
64 58.0 J^)
0.19 177
0.03 906
0.41 968
0.46 307
149
17 W
,64 54.5
0.19 265
0.03 738
0.41 908
0.46 276
—
17 0
64 53.0
0.19 299
0.03 741
0.41 934
0.46 313
12 W
64 50.0
0.19 477
0.03 450
0.42 077
0 46 491
II 185
15 W
64 88.6
0.19 598
0.03 503
0.42 009
0.46 487
—
22 W
64 55.2«)
0.19 310
0.03 640
0.41 951
0.46 324
I 121
13 0
64 55.1
0.19 422
0.03 467
0.42 152
0.46 540
—
8
65 22.5
0.19 266
0.03 730
0.42 813
0.47 097
I 120
5 W
64 57.5
0.19 286
0.03 618
0.42 015
0.46 376
■~~~
♦) Beobachtungsort der Inklination 49« 47' 4" N.B. 9« 55' 15" ö. v. G.
(Käppele). ^) Im Jahre 1904 wurde in 49« 58' 22" N. B. 9« 8' 16" ö. v. (J.
110 m Höhe J" (1905.0) = 65« 0.'6 gefunden. «) Im Jahre 1904 wurde in
50« 8' 40 " N. B. 11« 3' 47" ö. v. G. 265 m Höhe / (1905.0) = 64« 54,9 gefunden.
558 8itxuiif( der matfa.-phjs. Klane vom 3. NoTember
jitweili^en Beobnchtungspunktes in die Karten eintragen kann,
so m5ge folgende Betrachtung dienen. In Bayern entspricht
1" Breitimdiffercnz 30.9 m Länge, während für 1" Längen-
dilFerf^nz die Werte zwischen 20.9 ni (bei 47^»^ Breite) und
19.7 m (in 50 V%" Breite) liegen, d. h. es entspricht auf den
tofiogrnphi.Rchon Karten 1" gleich 0.6 mm in Breite und 0.4 mm
ifi fillngo. Dio Kintrugung des Beobachtungsortes in die Karten
geAchnli moini im Felde selbst, überdies wurde von jeder Station
f^in klfiiior Sitiiationsplan angefertigt, wobei die Station mög-
lichst niif benach))arte größere Objekte bezogen wurde. Man
darf dahf*r annehmen, daü die so abgeleiteten Koordinaten unter
Berücksichtigung aller Fehlerquellen, wie Verzeichnung durch
die Projektion, Schwinden des Papiers u. dgL auf 2" genau
sind, was ftlr magnetische Zwecke vollauf genügt, da ja die
normale Änderting der magnetischen Elemente innerhalb eines
Umkreises von einem Kilometer kleiner als die angestrebte
Genauigkeit ist. Es ist daher das spätere Wiederauffinden der
magnetischen Stationen auch o^ne ZuhUlfenahme der ange-
fertigten (Jroipiis mit Hülfe der topographischen Karten jeder-
zeit auf wenige Meter möglich.
Die vorletzte Kolumne der Tabelle II gibt für diejenigen
Punkte, an welchen bereits früher Lamont beobachtet hat,
den Band und <lie Seitenzahl von Lamonts Magnetischen Orts-
bestimmungen in Bayern. Die übrigen Spalten enthalten ge-
mäß ihren Überschriften die verschiedenen bestimmten mag-
netischen Elemente.
In der Tabelle sind noch die Punkte Neustadt a. S. und
Koburg nach den Beobachtungen von Prof. Edler aufge-
nommen, welche er 1903 im Auftrage des magnetischen Ob-
servatoriums in Potsdam ausführte.^) Gleichzeitig mit diesem
Herrn habe ich im gleichen Jahre in Königsberg i. F. beob-
achtet, wobei die gegenseitige Entfernung der beiden Instrumente
etwa 100 m betrug. Auf 190L0 bezogen erhielten wir:
*) Die Station Schwandorf ist aus der ersten Mitteilung wiederholt,
weil dort die Werte durch Druckfehler entstellt sind.
J. B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestiinmungen. 559
D U J
Edler (Theodolit Hechelmann) 1P2' 0.19630 T 65<> 2'
Messerschraitt (Theodolit Tesdorpf) UM' 0.19619 T 65 0
Üntei^schied^ —2' + 11 y +¥'
Die Reduktion der beiderseitigen Messungen fand völlig
unabhängig von einander statt; auch benutzte Prof. Edler die
Variationen der Registrierungen von Potsdam, während ich die
von München verwendete. Es war dies übrigens die erste
Station, welche ich mit dem Württemberger Instrumente be-
suchte. Die Differenz der beiderseitigen Messungen liegt noch
innerhalb der Genauigkeitsgrenzen, es dürfen daher die Mes-
sungen in Bayern und Preußen wohl aufeinander bezogen werden.
Zur größeren Sicherheit soll aber noch eine direkte Vergleichung
des neuen Reiseinstrumentes mit den Potsdamer Instrumenten
später vorgenommen werden.
Bildet man die Unterschiede der auf den Stationen er-
haltenen Beobachtungen gegen die Basisstation München, so
erhält man die Werte der Tabelle III, worin die Differenzen
der Deklination {^D\ der Horizontalintensität {^H) und der
Inklination {AJ) im Sinne „Feldbeobachtung minus münchner
Beobachtung" genommen sind. Zum Vergleich sind die von
Lamont für 1850 gefundenen Unterschiede beigefügt, welche
seinen „Magnetischen Ortsbestimmungen in Bayern* München
1854 und 1856, entnommen sind. Überdies ist jeweilen die
Differenz der beiden Resultate in der dritten Kolumne einge-
tragen. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß die Beob-
achtungsorte nicht immer identisch sind, da eben häufig die
alten Orte wegen den seither eingetretenen örtlichen Änderungen
nicht mehr benutzt werden können. Im allgemeinen ist aber
auch die Entfernung der gleichnamigen Punkte nicht sehr groß,
so daß unter normalen Verhältnissen eine Vergleichung unbe-
denklich gestattet ist. In Störungsgebieten freilich gilt dies
nicht mehr. Da übrigens Lamont bei seinen Stationen die
genauen Soldnerschen Koordinaten angegeben hat, lassen sie
sich da mit Hülfe der Katasterpläne bis auf wenige Zentimeter
genau wieder auffinden.
560 SitEQHg: der inatb.-phyB. Klanse rom 9. November 1906.
Neaselwang
Eocbel
WaltenhofeD
Penzberg
Memmin Iren
Urafing
München
Hsispelmoor
Walpertskirchen
Senden
Neufahrn b. Frei«.
Günzburgr
Pfatfenhofen a. 1.
Altdarf (Landshnt)
h'\ Straubing
B ' Wa«8erzell
7, PfOnz
gl, Solnhofen
Dl: Dinkehbübl
a|< Cham
1 '' Neumarkt i. 0.
2<| AoBbach
5 '< Scbwabacb
1 'I Scbwandorf
El j! Burgfarnbach
6 USenbeim
7 1| Neustadt a. Aiscb
s|[ Kleinheubaoh
9 1 Neustadt a. W.
I)|| Forchfaeim
I ,| Eitiingeii
2i' Würzburg
3l{ Bayreuth
41 Aschaffenbuiv
5 ] Lohr
6i| Oberodorf
11, WuDaiedel
39:! Lichtenfels
' Neustadt a
, Soborg
-
[+27)
- + 80
[+116]>[- S6),+ 56,
'-1-6.9
+ 3.0'+ 3.9+ 97
+ 184
- 87 + 3
1+37.4
+ 6.2
[+351 1 ^ 21 + 46
(+90] 1- 4614-451
l+0|, lo; + Ü4
+120] 1- 5fa]]+ 34,
+53.0
+40.li+l2.4'- 133
— 23
-110 — 20
[-121] - u- 63
[+60l|[-lI3]|-Ji3|
1 z
+ u
— '— 143
[- 70]
- 73 1+ 17'
— 3.1
- 9
[+ 6] - 141
- 101
-131
- 4I|
+15
- , - 255
-170]
- 86
+ &,
[0]
- '- 126
1- 90)
— 36
+ 64
-
+38.2
- r- 296
—213
-69
+ 7.|
j+12.8
+ 7.4
+ 5.4 1- 232
-180
— 62
+ 38,
'- S.3
[+ 21 1- 240
-135
-105
- 1^!
— 2a.7
-23.6
+ ae'i- 373
-246
-128
- sä\
_
1+18
- |,- 399
[-8501
(- 49 ;+ 41:1
+22.8
+ 14
+ 9 ■- 424
-3451
- 79 + 111
I+2Ö.*
+22
+ 3 ;- 440
[-9601
— 80 + 1«*!
1-38.1
+43.9
— 6.8— 577
-488
- 89
-*■ 'i
-
-23.2
- il- 579
-378
-201
-110
+ 14.6
+12.2
+ 2.4^ 687
-460
-127
-37
(-36.6
[+«1
1- 31;;- 630
-560
- 80
+ io!l
+25.1*
+ 2G.4
— 0.6' - 60S
-621
— 82
+ e'l
-10.2
- 6.2
- 4.01- 644
— 4BI
- 93
- sl
1+30]
- ,;— 705
[-570]
-136
- 4Ö|
+Bl.ft
-I-&J.3
- 0.8 - 772
-666
— 107
- 1T|
>3öll — 1,- 742
—645
- 97
- 7'i
+66.0
[+8ti(,[- 1]|- 078
-890
— 88
+ a,|
- 2.1
- 2.4*+ 0.3 - C80
-Ö72
—108
- 18
+23.7
+28.8'- 6.1',- 787
-679
-109
-19
+6B.Ü
(+59J[- 1]!!- 837
[-760]
[- 77]
-H »3
I+6&.2
+63.6 - 8.4';-- 869
—806
- 64
+ 26
+23.7; ■ - K- 871
-749
-122
-3»
1+82.6
+94.7.-12.1-1083
-978
-110
- 20,
1+51.6
1+78] [ 26.1 '-1029
[-980]
[- 991
- *■■
+50.9
+66.9 - 6.9,'- 999
[-880]
-119
-29
— 4.3
- 0.7,- 3.6||- 683
-787
- 96
- ^\
+ 0.7
[- 111+ 21- 831
+359 — 3.*i— 1003
[-780]
[- 61]
+ S9'I
+-33.Ö
-860
-149
— 69'
— 2.b
( t- ü] I- 8j'i- 924
-920
- 4
+ 86,'
+ 50,2
+59.1,- 8.9(— 1029
-961
— 68
+ 24l
+31.2
[t-8Sl
[— 4] -1029
(-902]
-127)
— 37i!
Ü
J. 6. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen.
561
Tabelle III.
J J
ld05
1905
1850
Diff.
Diff.
-7.Ö
A X
A Y
AZ
AF
I!
— 18.4
— 18.1
+
5.9
2.8
+ 14.7
+
+
4-
+
+
+
+
18.1
22.1
28.2
24.1
22.5
36.6
40.1
43.3
44.3
58.2
57.0
66.4
60.7
53.1
69.6
76.3
83.5
+ 102.8
+
83.1
+
73.2
+
88.1
+
90.3
+
93.4
-h 107.5
-+- 104.0
4- 102.5
+ 99.5
-H 88.1
-I- 104.7
+ 104.6
-h 132.0
+ 107.0
[-
[-
+
[-
14]
18.4
6]
18]
3.2
7]
[-h 7]
[0]
[4-
-h
+
+
[+
[+
[+
4-
+
+
[+
+
[+
20]
9.3
23.6
19.2
12.6
23.2
36]
36]
36]
'18.4
40.0
51.0
60.2
55.9
46.3
60]
66.5
59]
[+ 131]
+ 66.2
[-h 70]
[-h 80]
-h 81.5
4- 72.2
+103.9
[^ 99]
[^ 93]
■+- 87.8
[-h 82]
+ 89.7
[-h 96]
[+110]
(4- 97)
+ 0.0
1-121
+ 2.7
[+_10]
l+_8]
[- 2]
+ 12,8
+ 4.6
+ 4.9
+ 9.9
+ 13.4
[+ 41
[r 7]
[+ 8]
+ 9.8
[+ 6]
[+ 6]
+ 4.8
+ 6.8
[+10]
[+10]
[+24]
[-28]
+ 16.9
[+ 3]
[+ 8]
+ 8.8
+ 21.2
+ 3.6
[- 5]
[+ 9]
+ 11.7
[+ 6]
+ 15.0
[+10]
[+22]
[-f 10]
- 7 [ + 89
- 19 i - 81
-1+58
- 5 I — 212
+ 3 !l -
0
+
+
+
9
5
3
3
2
6
— 4
0
+ 1
-|-_2
— 1
— 1
— 3
— 1
+ 3
+ 2
+ 6
-35
+ 9
— 5
0
+ 1
+ U
— 4
— 12
-- 2
-- 4
— 1
+ 8
+ 2
+ 4
+ 3
— 135
— 241
— 228
— 352
— 893
— 911
— 608
— 592
— 691
— 621
— 525
— 814
— 1054
— 666
— 799
— 886
— 913
— 1154
— 1066
— 1032
— 854
— 733
— 1021
— 909
— 1065
— 1045
- 43
+ 58 — 347
+ 653 — 439
+ 42
405 — 89
19
+ 152
+ 969
+ 406
+ 234
+ 255
+ 173
+ 329
+ 400
+ 57 + 446
+ 09 + 444
+ 112 + 587
+ 28
- 97
— 200
— 20
+ 269
+ 42
+ 155
+
+
- +
+ 157. ±
+
+ 305
— 132
— 4
+ 181
+ 159
--276
--108
--111
— 180
— 127
+ 10
— 163
+ 100
+ 12
531
216
335
496
651
741
986
+ 1139
+ 1147
+ 614
+ 973
-f 988
+ 1068
+ 1127
+ 1067
+ 1093
+ 1236
+ 1168
+ 1110
--1311
--1972
--1174
— 266
— 371
— 142
— 44
+^61
+ 960
+ 305
+ 76
+ 123
+ 44
+ 114
-f 179
+ 209
+ 201
+ 269
+ 215
+ 375
+ 275
+ 194
+ 254
+ 322
+ 549
+ 695
+ 730
-h 196
+ 504
+ 505
+ 576
+ 540
+ 509
+ 546
+ 724
+ 720
-h 567
-h 773
+1330
+ 609
562 Sitzung der math.-phys. Klasse toiu 3. November 1906.
Die vier letzten Reihen der Tabelle III enthalten noch die
entsprechenden Differenzen der Komponenten und der Total-
intensität gegen den Basispunkt München.
Für diejenigen Orte, an welchen Lamont nicht beob-
achtet hat, sind die Yergleichswerte seinem Atlas (Magnetische
Karten von Deutschland und Bayern. München 1854) ent-
nommen worden. Die so erhaltenen Zahlen sind durch Ein-
klammern kenntlich gemacht.
Die Differenzen zwischen den neuen und alten Messungen
enthalten, abgesehen von den eigentlichen Unsicherheiten der
Beobachtungen selbst, die konstanten Fehler der Keiseinstru-
mente der absoluten Messungen und der Unterschiede in den
Säkularvariationen zwischen der Basisstation (München) und
den Feldstationen.
Betrachtet man zunächst die Deklinationsdifferenzen, so
erkennt man sogleich einen Gang in der Größe und im Vor-
zeichen derselben. Dieser Gang hängt von der Entfernung
der Station von der Basisstation und von der Himmelsrichtung
ab, er kann daher als Funktion der geographischen Koordinaten
dargestellt werden. Schon eine einfache lineare Funktion von
der Form
Diff = a . (5. - B„d + h{U-L^)
gibt ein gutes Resultat. In dieser Formel sind J5, und J5«, die
Breiten der Station bzw. von München und Lg und L^ die
entsprechenden Längen ; a und h sind zwei noch zu bestinunende
Konstanten. Würde man dieser Formel noch ein konstantes
Glied anfügen, so würde dieses die Summe der allfallig vor-
handenen Instrumentalkorrektionen darstellen. Man erkennt
aber auch ohne eigentliche Rechnung, daß dieselben recht klein
sind und noch innerhalb der B^obachtungsgenauigkeit liegen
müssen, so daß also die Unterschiede ganz von der Verschieden-
heit der Säkularvariationen zwischen der Station und München
herrühren. Sie können daher zum Verschwinden gebracht
werden, wenn man die betreffenden jährlichen Änderungen der
Abnahme in der westlichen Deklination berücksichtigt. Um
einen Überschlag über die zu erwartenden Größen zu haben,
M
'"^ c
J. B. Mesaerschiuitt: Magnetische Ortsbestimmungen.
habe ich aus obiger Formel die a und b berechnet, indem ich
20 möglichst ungestörte und gleichmäßig über das ganze
Gebiet verteilte Stationen berücksichtigte. Die betreflfenden
Werte sind:
DiflF. = 4.105 AIi+ 9.636 AL
worin die zIJS, Breitendifferenzen, und AL, Längendifferenzen
gegen München, in Graden ausgedrückt sind. Mit diesem Aus-
druck sind die folgenden das Messungsgebiet umspannenden
Werte berechnet, welche also die Differenzen der Säkularvaria-
tionen der Deklination gegenüber der in München beobachteten
Säkularvariationen vorstellen. Das negative Zeichen bedeutet,
daß die jährliche Abnahme der westlichen Deklination größer,
das positive, daß sie kleiner als in München ist. — Man würde
noch eine bessere Übereinstimmung erhalten, wenn man noch
die quadratischen Glieder einführen würde; für den zunächst
vorliegenden Zweck genügen die so erhaltenen Zahlen.
20
- 10
00
+ 1«
+ 20 .
— 0.'200
— 0.'025
+ 0/150
+ 0/324
+ 10 :
— 0.276
— 0.100
+ 0.075
+ 0.249
0
— 0.851
— 0.175
0.000
+ 0.175
-10
— 0.425
- 0.249
— 0.074
+ 0.100
Beispiels\\:eise genügt es, die Säkular Variation in Unter-
franken um 0!1 bis 0'.2 größer anzunehmen, als in München,
damit die vorhandenen Unterschiede verschwinden. Es hat also
das System der Isogonen außer einer Parallelverschiebung gleich-
zeitig eine Drehung erlitten, ein Resultat, das auch mit anderen
Erfahrungen übereinstimmt. Im Durchschnitt sind die Unter-
schiede in den Säkularvariationen, wie nicht anders zu erwarten,
recht gering, da eben das untersuchte Gebiet räumlich noch
recht klein, ist. Einige Abweichungen aber, die die Unsicher-
heit der Messungen überschreiten, dürften wohl daher rühren,
daß die Säkularvariationen in Störungsgebieten etwas anderen
1906. BitcuDgsb. d. math.-phyi. KL 37
564 Sitxang der math.-phys. Klasse Tom 8. November 1906.
Oeseta^n folgen als in ungestörten und in Bayern nehmen gerade
diese Qebiete eine bedeutende Ausdehnung ein.
Zunächst ist das Kiesgebiet zu nennen, das ja in jüngster
Zeit eingebend magnetisch untersucht worden ist. Nach deo
hier vorliegenden Messungen und denjenigen von Lamont dehnt
sich aber dieses Störungsgebiet noch weiter nach Osten aus und
zwar umfafit es das ganze Juragebiet. Besonders drängen sich
in der Gegend bei Ingolstadt die Isogonen recht eng zusammen,
was mau auf Tafel YII deutlich sehen kann. Ein weiteres
bemerkenswertes Störuugsgebiet hat schon Lamont näher
studiert; es ist dies der Bayerische Wald und insbesondere die
Umgebung von Passau. Aber auch die anderen Gebirge, wie
die Alpen, der Spessart und die Rhön sind magnetisch gestört
In der Bhön besonders ist es der Basalt, der die normale Ver-
teilung im Erdmagnetismus stark beeinflußt. Wie weit dieser
Einfluß gehen kann, hat Böhmländer für den Wachtküppel
in der Rhön gezeigt.^)
Aber schon aus den magnetischen Ortsbestimmungen
Lamonts und den daraus konstruierten Karten der magneti-
schen Elemente kann man die Störungsgebiete erkennen. Die
Lamontschen Karten enthalten die „wahren isomagnetischen
Linien,* bei welchen sich also die Zeichnung möglichst den
Beobachtungen anschmiegt. Leitet man daraus mittlere Werte,
die sogenannten „terrestrischen isomagnetischen Linien,* was
am einfachsten graphisch geschieht, ab, so geben die Unter-
schiede zwischen beiden Systemen einen Aufschluß über die
vorhandenen Lokulablenkungen. Auf diese Weise habe ich die
in der nachstehenden Tabelle enthaltenen DeklinationsdifTerenzen
im Sinne »wahrer minus terrestrischer Wert* aus den Lamont-
schen Beobachtungen abgeleitet:
') K. G. Böhmländer, Verlauf der Isogonen auf dem Wachtküppel.
Dissertation. München 1899.
J. B. Messpnulimilt: Mugnetm'lio (IrtabestiraiiiuiiifPii.
StürUDKen in Deklination.
0 26?5 27?Ü 27^ 28?0 2e?5' 29?0- 29?ö| 30?0 30?5.3
i i : . : 1 I !
I I I .
:+'!+' i '
i+11+7-,+ 1 +1 +1-I+61+6', (!■
2| 0 |-t
I
;+I|-l,+ 5 -(-2
0
; 0 +i!+4 0 ,-1-3; 0'
l+li+3 0 1-41-3+2:
.+ !■ 0 !+3-l +2I+4I- 2
1 — 8, 0 ■ 0 1 0 3+5 — 8
|-3 -ii+i+i]+3 +7+6
-3 0 J+2I4-I +1+1+8
'— 1 0+2 0
4+4+9
1-2 -1 1 0 i— 5
ti -4+10
i+4i-2i— a:-»!— a — (
In dieser Tabelle ist das untersuchte Oebiet in kleine
Trapeze von 15' Breitendifferenz und 30' Längendifferenz ein-
geteilt und für die Schnittpunkte die Unterschiede der beiden
Deklinationssysteme eingetragen. Man erkennt sofort die syste-
matische Verteilung in den Vorzeichen, so daß die einzelnen
Störungsgebiete deutlich hervortreten.
Die Tergleichung der neuen Beobachtungen der Hori-
zontalintensität mit den Laniontscheu ergibt nun zunächst
einen konstanten Unterschied, der im Mittel aus sämtlichen
Beobachtungen — 90}' (Einheiten der fUnften Dezimalstelle in £)
beträgt. Die Beobachtungen des Jahres 1903 (siehe diese Be-
richte Bd. 35, 1905, Seite 82) ergaben fast genau den gleichen
Betrag, nämlich — 87. Die Differenz stellt die Summe der
lustrumentalkorrektionen der beiderseitigen Messungen dar.
Der größere Teil davon muß den Lamontscben Messungen
zugeteilt werden , da der nämliche Unterschied auch aus den
Vergleich ungen mit den von Edler ausgeführten Messungen,
die von Potsdam aus bearbeitet wurden (z. B. Neustadt a. S.
87*
566 Sitzung der math.-phjs. Klasse Tom 3. November 1906.
und Koburg), folgt. Auch die in Württemberg angestellten
Beobachtungen geben das nämliche Resultat. Ein kleinerer
Teil des Unterschiedes ist dem neuen Instrumente zuzuschreiben,
da ja bekanntlich alle magnetischen Messungen mit gewissen
konstanten, den Instrumenten eigentCimlichen Fehlem behaftet
sind. Es wurde daher auch auf der letzten Konferenz der Inter-
nationalen Magnetischen Vereinigung in Innsbruck eine syste-
matische Durchführung von V ergleich ungen zwischen den Nor-
malinstrumenten der verschiedenen Obserratorien beschlossen.^)
Fügt man allen Differenzen der A H (1905—1850) die
Eonstante 90 hinzu, so erkennt man wiederum einen syste-
matischen Gang in den übrigbleibenden Zahlen, der von dem
unterschiede der säkularen Variationen zwischen den Feld-
stationen und München herrührt. Es genügt anzunehmen, daß
beispielsweise die jährliche Zunahme der Horizontalintensität in
der Gegend des Bodensees um 1 y jährlich größer und in Franken
etwa 1 y kleiner als in München ist, um die vorhandenen Unter-
schiede zu verringern. Es hat also ebenso wie bei der Dekli-
nation das System der Isodynamen der Horizontalintensität außer
einer Verschiebung eine geringe Drehung erlitten. Die mathe-
matische Darstellung dieser Änderung als Funktion der geo-
graphischen Koordinaten soll jedoch erst später, wenn die
neuen Messungen weiter vorgeschritten sind, vorgenommen
werden, weil dann auch die Orte mit größeren Störungen
besser eliminiert werden können.
Die magnetischen Störungsgebiete treten im Verlauf der
Isodynamen der Horizontalintensität noch deutlicher hervor
als bei den Isogonen. Insbesondere im mittleren Teile des Jura
finden starke Abweichungen von der normalen Verteilung statt.
Die Beobachtungen in PfUnz, Eichstätt, Solnhofen liefern alle
eine viel zu kleine Horizontalintensität. Bei Ingolstadt hat
bereits Lamont eine solche Anomalie gefunden. Diese Beob-
^) Messerschmitt, Bericht über die internationale Konferenz fOr
Erdmagnetismus und Luftelektrizität zu Innsbruck 1905. Terrestrial
Magnetism., 10. Jahrgang 1905, S. 195.
J. B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen. 567
achtung hat später C. Orff*) auf Lamonts Veranlassung ge-
legentlich astronomisch -geodätischer Messungen mit dem La-
montschen Reisetheodoliten kontrolliert und bestätigt gefunden.
Der Standpunkt Lamonts lag etwa 1 km westlicher als der-
jenige von Orff und zwar beobachtete in Soldnerschen Koor-
dinaten (bayer. Ruten) ausgedrückt:
X
Lamont +24172,
Orff + 24 154,
Es kann also die gefundene Anomalie nicht auf ein Ver-
sehen oder begrenzt lokale Ursache zurückgeführt werden. Die
gefundenen Differenzen der magnetischen Elemente gegen
München sind:
Y
+ 3850
+ 3492.
Lamont 1850
OrflF 1874/75
AD
AH
AJ
+ 6.'0
— 431y
+ 39/0
+ 16.'3
— 452y
+ 49/0
Um einen sicheren Anhaltspunkt über die Störungs-
gebiete zu haben, wurden für die Horizontalintensität in
der gleichen Weise wie fiir die Deklination die Unterschiede
zwischen den wahren und den terrestrischen isomagnetischen
Linie ermittelt, welche in der beistehenden Tabelle enthalten
sind. Die bereits angeführten Störungsgebiete treten hier noch
deutlicher wie bei der Deklination hervor und bildet daher
diese Zusammenstellung einen guten Anhalt über die weiterhin
vorzunehmenden Untersuchungen. (Vgl. auch Tafel VII.)
*) C. von Orff, Astronomisch-geodätische Ortsbestimmungen in
Bayern. München 1880, Anhang. Magnetische Messungen zu Ingolstadt
und auf der Wülzburg (Seite 143-164). Für Wülzbuig findet Orff;
AD = + 25/3 ; J ff = — 430 y und AJ = + 56/1, welche Werte gut mit
den Lamontschen Karten harmonieren.
568 Sitjiung der math.-phys. Klasse vom 3. November ld06.
Störungen der Horizontalintensität in Einheiten
der fünften Dezimale.
\
Länge
ö. ▼. ii « 1
Ferro! 25?0
25?5
26?0l26?5!27?0,27?o|28?0
Breite
ÖO*» 30'
15
0
49 45
30
15
0
48 45
30
15
0
45
30
28?ö
29?0 29?5
._ .j 1 .
30?0 80?5:$Ö
+20'H- 30'f— 10'
-j-30|+ 20| -20
4-30 + 50 ,+20
+60! +100, +30
— 5-50
1-20
-40'' -50'
0 !+io! 1
+15i+20 0' I-35''— 20', — 15'i
+10|-M0'+10i 0 ! 0 -20
+15 j+35 i+40 1 0
+10 +30 1+20 i— 10
-15i-10
—40 -40
20 -20
+40! 0
48
47
-2O1— 10,— 10 — 40 -i
-50|-30|-2o'-30!-i
i+201— 10!— 20— 10,-20 U40 I
, 1 !+2o!-10' 0 |— 10 !— 40-50 -
1+40+20' 0 I 0 I 0 i— 25■-70-
'+lo!— lo'+lo| 0 •+10,-10-40
+20 1+15 1+10' 0 |-10j 0 I 0 +40:
I ' • i ; I '
Die Inklination wurde von mir mit einem Nadelinklinato-
rium gemessen, während Lamont sie aus der Induktionswirkung
des Erdmagnetismus auf weiche Eisenstäbe ableitete. Wie nun
Lamont schon selbst fand, traten namentlich in den späteren
Jahren bei seinen Eisenstäben Anomalien auf, die die Inklina-
tionsmessungen in nicht sicher kontrollierbarer Weise beein-
flußten (Bd. II, Seite 22). Betrachtet man jedoch die Unterschiede
der neuen und der alten Inklinationsmessungen in Tabelle IIL
wobei übrigens meist Stationen aus der ersten Zeit von Lamonts
Beobachtungen in Frage kommen, so findet eine recht befriedi-
gende Übereinstimmung statt. Zunächst erhält man, ähnlich
wie bei der Horizontalintensität, einen konstanten Unterschied,
der im Mittel + 7!5 beträgt.^) Bei den 1903 beobachteten
M Dieser Unterschied bildet nichts Auff&lliges, indem selbst he\
neueren Instrumenten noch Differenzen von derselben Größenordnung
vorkommen. So fand z. B. van Rijke vorsei (Comparaison of the in-
struments for absolute magnetic measurements. Royal. Meteorol. Inst, of
the Xetheriands, 1897, 98 und 99) noch Unterschiede in den Inklinations-
J. B. Measerschmitt: HagnetiBche Ortabettiimnuiif;(ra. <>d9
Inklinationen (1. Mitteilung, Seite 83) beträgt diese Differenz
-f- 9!5, was eine befriedigende Übereinstimmung genannt werden
darf. Es ist also die Keduktionskonstante zwischen beiden Reihen
8', um welchen Betrag die Lamontschen Inklinationen gegen-
über den meinigen zu klein sind. Bringt man diese konstante
Reduktion an sämtliche Differenzen an, so erhält man wieder
die Unterschiede in den jährlichen Variationen der Inklination
zwischen dem Basispunkt München und den Feldstationen. Auch
hier ist, wenn auch weniger sicher als bei den anderen Elementen,
eine Verdrehung der Isoklinen angedeutet, ein Beweis dafür,
daß die Lamontschen Beobachtungen besser sind, als nach den
bemerkten Anomalien der weichen Eisenstäbe zu befQrchten war.
. LänKel
1 1 1 1 : 1
XoUVj|2B?0
Breite \|l
M?5
26fO
36?6
27?0|a7f6 26?0 28?6
29?0
39?5'30?0
80?B
31W
600 90'
■hl'
+-1-
15
— 8
-B
0
+ 2
-2
-B
-9
-7
-6
-y
-1
49 « — r
H-a
+*
-B
— 7
-.7
— 7
— 7
_3
0
30 H-B
— 1
-|-2|
— «
-«
-7
0
-l
-a*
IB -6
-3
3
-7
-6
-4
— 1
-3
— 1
0 — e
+ 3
+ 6
-5
-7
0
•1-1
-2
— 2
- 2'
48 45
-4
-3
0
-t-1
+ 1
0
-10
30
1-8
-1
0
-f-1
0
-I
-11
IB
|— 1
0
+1
-f-a
+ 3
-hl
- 3
0
-t-2. 0
+ 1
+ 1
+ 1
+ 1
■i-e
-hl
47 45
+i.+ i
0
u
0
+ *
-h»
-h 3
30
+ 1
+ 1
0
-1
^'
~'
-1-3
H-B
bestimmnnffen zwitcben den abBo1at«n He«nn)reii Tenchiedener Obser-
vatoiieo, die bia 8' ging'en. In Potidaiii betrtlgt der Unterschied aviichen
dem Erdinduktor und dem Bambergschen Inklinatorium 7.'B. — Bei den
anderen Elementen aind diu Unterschiede nach BijkeToriel kleiner,
doch gehen sie bei der Deklination noch bi* 1' and bei der Horiiontail-
inteniit&t bit 20 r. Einmal warde sogar für WitbelmshaTen 49}- ge-
funden.
•>/0 Sitzung der nuith.-phys. Klasse vom 3. November 1906.
Ich habe daher auch ftir dieses Element die Unterschiede
zH'ischen den wahren und terrestrischen Isoklinen gebildet und
in der beistehenden Tabelle vereinigt. Diese Zusammenstellung
lä&t die gleichen Anomalien wie die beiden imderen Elemente
erkennen.
Die im Yorstehenden aus den Beobachtungen selbst abge-
leiteten Normalwerte, die sog. terrestrischen isomagnetischen
Linien, sind zwar fQr die Untersuchung der lokalen Storungs-
gebiete sehr brauchbar, haben aber natürlich nur beschrankte
Gültigkeit, da sie nicht unabhängig «von den regionalen Stö-
rungen sind. Es erscheint daher angebracht, die gewonnenen
Messungsergebnisse auch mit den Elementen zu vergleichen,
die nach der Theorie aus einem großen, die ganze Erde um-
spannenden Materiale abgeleitet sind.
Oauß hat zuerst aus den damals bekannten Messungen
(las erd magnetische Potential abgeleitet. Die seither erweiterten
und verbesserten Beobachtungen haben denn auch mehrfach
Veranlassung gegeben, diese Rechnung zu wiederholen. Von
diesen wählte ich das von Ad. Schmidt berechnete System,
das sich auf das Jahr 1885,0 bezieht.^) Dabei beschrankte ich
mich auf die Vergleichung der drei rechtwinkligen Koordinaten
X, Y und Z. Zur Erleichterung der Rechnung habe ich für
das ganze Gebiet zwischen 47** und 51® nördlicher Breite und
9^ bis 14® östlicher Länge von Green wich besondere Tabellen
berechnet, in welchen das Intervall in Länge und Breite von
10' zu 10' fortschreitet, so da& daraus rasch durch einfaches
Interpolieren die theoretischen Werte entnommen werden können.
Die so erhaltenen Werte sind in der Tabelle IV zusammen-
') Schmidt Adolf, Mitteilangen über eine neue Berechnung des
erdmagnetischen Potentials. Abhandlungen der Bayer. Akad. d. Wiss..
math.-phvB. KI„ XIX. Bd., I. Abt., 1895. — Derselbe, Der magnetische
Zustand der Erde zur Epoche 1885,0. Aus dem Archiv der deutschen
Seewarte, XXI. Jahrgang, Nr. 2, 1898. — Derselbe, Über die Darstellung
der Ergebnisse erdmagnetischer Beobachtungen im Acschhiß an die
Theorie. Ann. der Hvdrog^. u. Marit. Meteorologie, XXVI, Januar 1898.
J. 6. Messerschmitt: Häretische Ortsbestimmangen. &71
gestellt, welche neben den berechneten (R) die aus den Beob-
achtungen (B) abgeleiteten Komponenten nebst deren Unter-
schieden im Sinne ^»Beobachtung minus Rechnung* enthält.
Zugleich ist diese Tabelle an der nördlichen und westlichen
Grenze von Bayern durch einige benachbarte Messungen in
Preußen und Württemberg ergänzt. Bei diesen DiflFerenzen ist
zunächst zu beachten, daß sich die theoretischen Elemente auf
die Epoche 1885,0 beziehen, während die von mir beobachteten
Werte auf die mittlere Beobachtungszeit, nämlich 1905,0,
reduziert sind. Der Unterschied der Epochen entspricht jedoch
in unserem Falle, wie bereits gezeigt wurde, wegen der ge-
ringen Ausdehnung des untersuchten Gebietes, näherungsweise
einer Konstanten. Eis ist daher der Unterschied für den vor-
liegenden Zweck ohne Bedeutung; wollte man jedoch die
beiderseitigen Systeme aufeinander reduzieren, so müßte znerst
eine eingehende Untersuchung der säkularen Variationen voran-
gehen, welche zu ermitteln ja auch eine der Aufgaben ist, die
unsere magnetische Landesaufnahme losen soll.
Würde der Verlauf der magnetischen ^Elemente genau der
Theorie entsprechen, so müßten, bis auf kleine Reste, die von
der Verschiedenheit der säkularen Variationen herrühren, samt-
liche Differenzen {B — E) eines jeden Elementes innerhalb der
Unsicherheit der Beobachtungen übereinstimmen. Wie die
Tabelle jedoch lehrt, ist dies nicht der Fall, sondern es finden
noch ziemlich große Unterschiede statt, die sich teilweise in
Gruppen vereinigen lassen. Diese Unterschiede zeigen eben,
wie es auch bei anderen geophysikalischen Elementen der Fall
ist, an, daß einesteils die Theorie noch zu vervollkommnen ist,
andererseits aber neben den lokalen auch regionale Stömngs-
gebiete vorhanden sind.
572 Sitzung der matb.-phja. Klasse ▼om 8. November 1906.
•
Länge
Ort
Breite
östl
. von
Xb
-^Ä
1
Greenw. '
Lindau
47« 34.'0
1
90 40.'3
1
1
! 0.20 341
0.19 797
Berchtesgaden
47
87.4
13
0.1 1
1 0.20 579
0.20 100
Oberdorf
47
88.0
9
35.9 <
! 0.20 295
0.19 789
Kochel
47
39.6
11
21.9 ;
i 0.20 420
0.19 878 1
Waltenbofen
47
39.9
10
18.5 ;
: 0.20 250
0.19 740
Gro&holzlente
47
40.6
10
6.8 i
1
, 0.20 303
0.19 839
Riedhansen
47
41.1
11
12.0
0.20 423
0.19 846
Reichenball
47
43.3
12
52.4
1 0.20 517
f
0.20 041
Penzberg
47
44.8
11
22.4
! 0.20 389
0.19 846
Tölz
' 47
1
46.2
11
34.5
0.20 423
0.19 858
Memmingen
47
47.3
10
10.5 ;
i 0.20 119
0.19 671
Reicbenbofen
47
51.2
10
0.2 i
0.20 233
0.19 621
Traunstein
47
52.4
12
37.8
0.20 426
0.19 946
Landsberg
48
3.0
10
53.4 ;
0.20 239
1
0.19 653
Reinstetten
48
6.0
9
58.6
0.20 121
0.19 515
München
48
8.8
11
36.5
0.20 831
0.19 704
Walpertskirchen
1 48
15.9
11
58.5
0.20 196
0.19 700
Göggingen
48
20.3
9
57.5
0.20 031
! 0.20 068
0.19 414
Olbeck
48
30.0
10
4.0
0.19 361
Pfaffenbofen
48
32.0
11
82.0
0.20 090
0.19 584
Sontheim
• 48
32.6
10
18.1
0.19 971
0.19 874
Landshut
i; 48
33.6
12
7.5 1
1
0.20 103
0.19 595
Dillingen
;: 48
34.7
10
29.1 .
j
1 0.19 983
1
0.19 384
Herbrechtingen
' 48
1
38.1
10
10.8 ,
1
0.19 919
0.19 321 1
Schwenningen
■■ 48
39.4
10
38.3
0.19 950
0.19 370
Schnaitheim
"■ 48
42.7
10
10.4
0.19 769
0.19 289 '
Donauwörth
48
1
43.1
10
47.5
0.19 989
0.19 365
Sohaching
' 48
1
50.4
12
56.9
0.20 009
0.19 580
Nördlingen
' 48
50.9
10
28.9
0.19 786
0.19 273
Straubing
: 48
52.3
12
34.4
0.19 979
0.19 522
PfQnz
48
53.2
11
15.9 1
0.19 438
0.19 853 1
Solnhofen
48
53.5
10
59.9 '
■
0.19 420
0.19 819
Geislingen
48
56.3
10
26.2
0.19 794
1
0.19 230
Rindelbach
48
69.7
10
10.7
1 0.19 744
1
0.19 172
Regensburg
49
0.3
12
5.7
1
1 0.19 920
0.19 407
J. R. Mesaersohmitt: Magaetische Ortsbestimraungen. 578
Tabelle IV.
Yg
Y^
^'B
Zh i-Sß-X«
^B-^R
2|,-^ü
— 0.03 9U
— 0.04 362
0.40 646
0.41 289. +644
+ 438
— 648
— 0.03 402
— 0.03 722
40 698
41 194 ; + 479
+ 320
— 4M
-0.03 979
-0,04 363
40 59S
41 330
+ 506
+ 384
-732
- 0.03 688
- 0.04 038
40 402
41 273
+ 542
+ 360
— 871
- 0.04 283
-0.04 228
—
41 324
+ 510
— 55
—
- 0.03 899
— 0.04 264
40 536
41 333
+ 464
+ 365
-797
— 0.«3 710
— 0.04 060
40 655
41 343
+ 577
+ 350
— 688
- 0.03 132
-0.03 739
40 705
41 256
+ 476
+ 307
-BBI
— 0.03 672
— 0.04 022
—
41 323
+ 513
+ 350
—
— 0.03 609
- 0.03 983 j
40 702
41 330
+ 565
+ 374
-638
— 0.04 035
- 0.04 246 j
40 752
41 396
+ 448
+ 210
-04«
- 0.03 889
— 0.04 378
40 725
41 440
+ 612
+ 484
— 716
-Oitö 698
- 0.03 776 1
40 719
41 352
+ 480
+ 178
— 688
— 0.03 788
- 0.04 093 ;
40 788
41 516
+ 586
+ 305
-728
- 0.03 878
-0,04 276
40 816
41 583
+ 606
+ 396
— 746
-0.03 630
- 0.03 952 !
40 841
41 546
+ 627
+ 322
-706
-0.03 B87
- 0.03 886 j
—
41 600
+ 496
+ 299
—
- 0.03 874
- 0.0* 261
40 957
41 717
+ 617
+ 377
-760
- 0.03 905
— 0.04 220 1
41 136
41 803
+ 707
+ 316
-667
- 0.03 668
— 0.03 941 1
41 002
41 766
+ 556
+ 283
-7M
— 0.03 820
— 0,04 173 !
41 002
41 817
+ 597
+ 353
-816
— 0.03 633
- 0,03 832
41 014
41 762
+ 508
+ 299
— 748
— 0.0S 782
-0.04 136
41 049
41 832
+ 599
+ 354
— 783
— 0.03 890
- 0 04 192
41 265
41 878
+ 598
+ 302
— 608
— 0.03 769
— 0.04 103
41 094
41 767
+ 580
+ 334
-678
- 0.03 796
— 0.04 188
41 154
41 913
+ 480
+ 392
— 76»
-0.03 722
— 0,03 996
41 144
41 895
+ 574
+ 274
-751
— 0.03 734
— 0.03 650
41 086
41 893
+ 429
— 84
-807
— 0.03 753
— 0.04 121
41 338
41 984
+ 513
+ 368
-646
— 0.03 431
-0.03 719
41 170
41 922
+ 457
+ 288
— 762
- 0.03 687
- 0.03 969
41 287
41 972
+ 85
+ 283
— 686
- 0.03 699
-0,04 011
41 285
41 984 1 -h 101
+ 312
-69»
- 0.03 769
- 0,04 124
41 220
42 030 !| + 564
+ 365
-810
-0,03 796
-0,04 170
41 300
42 070 + 672
+ 374
-770
— 0.03 604
— 0,03 803
41 276
42 010
+ 513
+ 299
— 732
574 SitziiDg der math.-phys. Klasse Tom 3. November 1906.
Ort
Breite
Länf^e
östl. von
Greenw.
X
Zwiesel
1 49«
1.'3
130 13/2
DinkelsbOhl
1 49
4.3
10
20.6
Crailsheim
> 49
8.2
10
6.0
Neumarkt i. 0.
: 49
16.3
11
28.5
Ansbach
49
18.6
10
34.7
Schwabach
1 49
19.4
11
1.7
Schwandorf
49
1
19.5
12
6.1
Leuzendorf
I 49
20.3
10
5.7
Frauenthal
49
30.5
10
5.6
Uffenheim
> 49
32.8
10
13.4
Kleinheubach
> 49
43.3
9
12.2
Neustadt a. W.
49
43.4
12
10.5
Forchheim
1 49
43.7
11
3.9
Kitzingen
' 49
44.0
10
9.1
Würzburg
49
46.4
9
57.5
Bamberg
49
53.2
10
61.7
Aschaffenburg
1 49
58.4
9
10.8
Lohr
1 60
0.6
9
34.6
Obemdorf b. Schweinf.
' 50
2.3
10
12.6
Wunsiedel
! ^
1.9
12
0.0
«
i 50
2.5
12
0.8
Königsberg i. F.
; 50
4.9
10
32.6
Lichtenfeli
! 50
8.6
11
4.1
Koburg
. 50
17
10
58
Hof
50
18.3
11
53.4
Neustadt a. S.
50
21
10
15
B
X
H
0.20 084
0.19 723
0.19 704
0.19 739
0.19 671
0.19 710
0.19 806
0.19 622
0.19 553
0.19 517
0.19 277
0.19 666
0.19 532
0.19 445
0.19 418
0.19 439
0.19 177
0.19 265
0.19 299
0.19 477
0.19 598
0.19 297
0.19 310
0.19 286
0.19 422
0.19 266
0.19 636
0.19 162
0.19 105
0.19 222
0.19 094
0.19 144
0.19 250
0.18 998
0.18 954
0.18 955
0.18 756
0.19 122
0.18 -986
0.18 870
0.18 831
0.18 896
0.18 778
0.18 687
0.18 762
0.18 969
0.18 975
0.18 780
0.18 818
0.18 749
0.18 852
0.18 702
J. B. MeKsersuhmitt: Magnetische ÜrtsbeBtimmungeD. 575
Tabell« IV (FortaetEunft).
- O.OS 344
-0.03 686
■ —0.03 742
-0.03 942
- 0.03 795
— 0.04 176
— 0.03 610
— 0.03 904
, — OXB 725
- 0.03 862
; — a03 672
- 0.03 987
- 0.03 475
-0.03 780
! — 0.08 794
- 0.04 166
■ — 0.03 815
— 0.04 164
; — 0.03 787
- 0.03 936
' - 0.03 935
— 0.04 312
1 - 0.03 498
— 0.03 741
, — 0.03 626
- 0.03 965
' — 0.03 811
- 0.03 938
— 0.03 789
-0.04 165
■ — 0.03 610
-0»8 985
1 — 0.03 906
— 0.04 302
: - 0.03 736
— O.Ol 223
1 — 0.03 741
-0.04 101
! -0.08 460
-0.03 753
1 - Ö.03 503
-0.03 765
1 —0.03 666
— 0.04 033
: —0.03 640
- 0.03 929
I —0.03 618
- 0.03 941
— 0.03 467
- 0,03 762
1 —0.03 730
- 0.04 074
Hg
^,
X„~K^
0.41 277
0.41 987 1' + 538
41 428
42 lOÖ 1 + 561
41 309
42 149
+ 899
41 372
42 174
+ 517 1
40 626
42 223
+ 680
40 606
42 216
+ 566
41 300
42 186
+ 666
41 416
42 267
+ 624
41 617
42 848
+ 699
-11 582
42 364
+ 662
41 980
42 493
+ 622
4t 988
42 393
+ 543
41 456
42 432
+ 546
41 B14
42 468
+ 675
41 829
42 492
+ 587
41 852
42 621
+ 643
41 908
42 626
+ 399
41 908
42 629
+ 578
41 934
42 621
+ 637
42 077
42 664
+ 508
42 009
42 668
+ 623
41 868
42 632
+ 617
41 »51
42 649
+ 492
42 015
42 724
+ 587
42 162
42 622
+ 670
42 813
42 768
+ 664
+ 242 '
+ 200
+ 316
+ 306
+ 243 , — 405
+ 329
_
977
+ 127
—
649
+ 376
—
663
+ 376
—
669
+ 896
—
667
+ 486
—
731
+ 360
—
687
+ 803
—
467
+ 292
—
66»
+ 869
—
764
+ 28»
-
696
+ 323
—
709
+ 196
—
470
+ 344
+
26
»>'6 Sitzuiijf der imith.-phys. Klasse vum 3. Noveml>cr 1900.
Die vorstehonden Betrachtungen lassen also zunächst er-
kennen, da£ der neue magnetische Reisetheodolit den Anforde-
rungen, welche man an solche Instrumente stellen muB, Yöllig
Genüge leistet, so iaik damit die Deklination und Inklination
auf mindestens ± V und die Horizontalintensität auf ±10 y
erhalten werden kann, eine Genauigkeit, die auch durchgehend
erreicht worden ist.
Für die Aufnahmen im Feld dienten die Registrierungen des
Münchener Observatoriums als Ausgangspunkt. Die Zusammen-
stellung der fiir München gültigen Elemente in den letzten
Jahren zeigt, daß die Abnahme der westlichen Deklination
jetzt durchschnittlich nicht ganz 5' beträgt, also kleiner ge-
worden ist als die Variation im Mittel aus dem letzten halben
Jahrhundert. Die Variation der Horizontalintensität hat sich
noch mehr geändert, indem sie in den letzten Jahren fast ganz
verschwunden ist, während noch vor wenigen Jahren eine
beträchtliche Zunahme vorhanden war. Auch die Inklination
nimmt jetzt nur sehr wenig ab. Ein Vergleich dieses Ver-
haltens der magnetischen Elemente in München mit demjenigen
an den benachbarten Observatorien, insbesondere von Pola und
Potsdam, bestätigen dieses Resultat. Diese Änderungen in den
jährlichen Variationen rühren zum Teil daher, daß der Erd-
magnetismus, parallel der Sonnenfleckentätigkeit, sich jetzt in
einer Periode größerer Unruhe befindet, zu welchen Zeiten
beispielsweise für die Horizontalintensität die Tendenz zur Ab-
nahme besteht. Zum anderen Teil beruht aber auch die Ab-
nahme der Variationen in Vorgängen säkularer Natur.
Die neuen Messungen sind über das ganze Königreich
ziemlich gleichmäßig verteilt. Die mittlere Entfernung der ein-
zelnen Punkte beträgt 40 km, genügt also vollständig, um den
normalen Verlauf der magnetischen Elemente ableiten zu können.
In einigen Gegenden sind sogar die Stationen schon etwas dichter
genommen worden, um über die daselbst vermuteten Störungen
einigen Anhalt zu bekommen. Dagegen wurden die beiden großen
Störungsgebiete im Ries und im Bayerischen Wald nahe ganz
gemieden, da das erstere Gebiet bereits neuerdings eingehend
J. B. Messerschmitt : Magnetische Ortsbestimmungen. 577
studiert, letzteres aber, soweit es nötig, im Zusammenhang
untersucht werden soll.
Um die bayerischen Messungen mit denjenigen der benach-
barten Staaten sicher vergleichbar zu machen, sind bereits mit
den preußischen Beobachtern Anschluämessungen ausgefiihrt
worden; einige weitere Anschlüsse sind noch in Aussicht ge-
nommen.
Von ganz besonderer Bedeutung werden die neuen Mes-
sungen durch einen Vergleich mit den vor 50 Jahren durch
Lamont ausgeführten magnetischen Ortsbestimmungen. Da
das Netz von Lamont etwa nochmal so dicht war als das
neue, so können daraus allein bereits manche wichtige Schlüsse
gezogen werden, wenn es sich herausstellt, daß diese Messungen
den entsprechenden Grad der Genauigkeit erreichen. In der
Tat bestätigen nun die Vergleichungen der beiderseitigen Mes-
sungen die groüe Genauigkeit, welche bereits Lamont bei
seinen Beobachtungen erhalten hat. Bei der Horizontalintensität
und der Inklination lassen sich zunächst konstante Unterschiede
zwischen dem neuen und alten System ableiten, die hauptsäch-
lich die Instrumentalkorrektionen des Lamohtschen Reisetheo-
doliten darstellen und nichts Auffälliges bieten; wegen der
Sicherheit aber, mit der sie aus den Vergleichungen bestimmt
werden können, das beste Zeugnis für die Güte der Beobach-
tungen selbst liefern. Die Deklinationsvergleichung gibt keinen
Unterschied, so daß also innerhalb des Genauigkeitsgrades beider
Reihen die Deklinationssysteme gleich sind.
Obwohl nun das untersuchte Gebiet eine verhältnismäßig
kleine Fläche der Erde umspannt, erkennt man doch nach
Berücksichtigung der konstanten Abweichungen deutlich, daß
alle magnetischen Linien in den letzten 50 Jahren nicht nur
eine Parallelveischiebung sondern auch eine kleine Drehung
erlitten haben. Man kann daher die Verschiedenheit der säku-
laren Variationen bereits recht genau berechnen.
Bekanntlich hat Lamont die Inklination aus dem in
weiches Eisen induzierten Magnetismus abgeleitet. Er fand
dabei in den späteren Jahren Anomalien, indem offenbar das
^78 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 3. November 190G.
von ihm benutzte weiche Eisen mit der Zeit unkontrollierbare
Änderungen erlitten hatte. Es dürfte diese wohl hauptsächlich
auf Strukturänderungen zurückzuführen sein. Bei anderen
weichen Eisen trat hingegen diese Veränderung nicht ein, wie
eine Vergleichung von Beobachtungen von Theodoliten, die
Lamont an andere Institute und Gelehrte geliefert hat, dartut.
In den ersten Jahren der Lamontschen Messungsreihe besteht
diese Unsicherheit jedoch noch nicht und es verdienen, wie
eben der Vergleich mit den neuen Beobachtungen lehrt, diese
Inklinationsmessungen volles Vertrauen. Die Beobachtungen
der späteren Jahre können dagegen nur zum Teil, nach ein-
gehender Diskussion und Vergleichung mit Neumessungen,
weitere Verwendung finden.
Aus den Beobachtungen von Lamont wurde nun der
mittlere Verlauf des Erdmagnetismus, die sogenannten ter-
restrisch isomagnetischen Linien, abgeleitet und mit dem wahren
verglichen. Ebenso fand ein Vergleich der neuen Beobachtungen
mit den aus der Theorie folgenden Werten statt. Beide Wege
ergeben einen Überblick über die in Bayern vorkommenden
magnetischen Störungsgebiete, die aus der beiliegenden Karte
noch deutlicher zu erkennen sind.
Es ist vor allem das Gebirge, welches den Verlauf der
magnetischen Linien beeinäu&t. Die Störungen machen sich
daselbst besonders dadurch geltend, daß eine Verminderung
der normalen Horizontalintensität gefunden wird.
Im Süden erscheinen die Alpen als wichtigstes Störungs-
gebiet, das besonders in dem östlichen Teile von der Linie
Tölz-Holzkirchen bis zur Salzach deutlich hervortritt. Die
bayerische Hochebene gibt mehr normale Werte bis in die
Nähe der Donau, wo durch das Zusammenstoßen der ver-
schiedenen Gebirgssysteme große geologische Störungen auf-
treten, die sich auch im Erdmagnetismus bemerklich machen.
Das vulkanische Riesgebiet zeigt ganz besondere magne-
tische Verhältnisse, die durch die basaltischen Lakkolithe ihre
Erklärung finden. Dieses Störungsgebiet setzt sich aber längs
dem ganzen Jura fort. Hier hebt sich noch das Gebiet in der
J. B. Messerschmitt: Magnetische Ortsbestimmungen. r)70
Gegend von Ingolstadt vor allem heraus, wo sich die Iso-
dynamen der Horizontalintensität und die Isogonen besonders
eng aufeinander drängen, ein Verhalten, das noch wichtiger
wird, weil in dieser Gegend auch die Intensität der Schwere
starke Abweichungen erkennen läßt. Es ist klar, daß die
geologischen Verhältnisse dieses Gebietes, die freilich zum Teil
nicht offen daliegen, eine Erklärung geben können.
Die Störungen im Bayerischen Wald dagegen sind leichter
aus den sichtbaren Gebirgsmassen zu erklären, aber auch hier
erstreckt sich die Wirkung noch weiter südlich über das rechte
Ufer der Donau hinaus.
Auch die Gegend von Amberg und Neumarkt in der Ober-
pfalz zeigt eine zu geringe Intensität des Magnetismus, besonders
dort, wo der Jura sich an den Bayerischen Wald anschließt,
ein Verhalten, das auch die Schweremessungen erkennen lassen.
Das Fichtelgebirge tritt magnetisch weniger hervor, da-
gegen kommen die vulkanischen Durchbräche in der Rhön
besonders in Betracht. Manche Kuppen zeigen so starke mag-
netische Störungen, daß Aufnahmen, die ein ganz enges Netz
bilden, die Lage der Störungsmassen recht genau zu bestimmen
erlauben.
Im Spessart erleidet besonders die Deklination ganz außer-
gewöhnliche Ablenkungen und zwar in dem Sinne, daß die
Mißweisung kleiner als ihr normaler Wert ist. Diese Anomalie
setzt sich noch weit außerhalb Bayern fort und erstreckt sich
bis an den Rhein.
Die vorliegenden Beobachtungen lassen also genau erkennen,
wo die Detailuntersuchungen einzusetzen haben, die dann im
Verein mit anderen geophysikalischen Messungen, insbesondere
der Richtung und Intensität der Schwerkraft und den geologi-
schen Verhältnissen, manche wichtige Frage klären und ihrer
Lösung näher bringen können und damit allgemeinere Bedeutung
gewinnen.
1906. Sitzangsb. d. mjitli.-phyB. KL 38
über Potenzreihen mit unendlich vielen
verschwindenden Koeffizienten.
Von Q. Ftber in Karlsruhe.
Überwiegen in einer Potenzreihe mit endlichem Konvergenz-
mdius die Koeffizienten vom Werte Null in genügend starkem
Maße Über die Übrigen, so läßt sich unter geeigneten ein-
fachen Zusatzbedingungen nachweisen, dag der Konvergenzkreis
eine natürliche Grenze der betreffenden Funktion ist. Herr
Fabry hat diese Fragen zuerst auf das gründlichste unter-
sucht;*) einen Teil seiner Sfitze habe ich dann einfacher be-
wiesen.*)
Wenn man mit n(i-) die Anzahl der nicht verschwinden-
den Koeffizienten bezeichnet, die zu Potenzen mit Exponenten
0 eine hinreichende Be-
»(-).
< V gehören, so ist z. B. lim
dingung fUr die Nichtfortsetzbarkeit der Reihe. Andrerseits ist,
wie Herr Fabry*) ausdrücklich hervorhebt, das Vorhandensein
unendlich vieler und schließlich beliebig viele aufeinanderfolgende
Koeffizienten umfassender Lücken in der Eoeffizientenreibe für
sich allein nicht hinreichend dafür, daß der Konvergenzradius
sich als natürliche Grenze ergibt; ja es kann lim— ^ — > 0
') Ann. BC. noi-m. (3) 13 (1896) und acta math. 22 (1899).
*} HdDchener Berichte 34 (1904)-
■) Acta math. 22 (1899), p. 87 n. Joum. de Math. (6) 4 (1898), p. 349.
88*
582 Sitzung der niath.-phy». Rlasae vom 3. November 1906.
n(v)
und lim — -- beliebig klein (aber > 0) sein, ohne daß auf dem
K = 00 ^
Konvergenzkreise mehr als eine einzige singulare Stelle zu
liegen braucht.
Es ist vielleicht nicht überflüssig, diese von Herrn Fabry
konstatierte interessante Möglichkeit durch Konstruktion ein-
facherer Beispiele als derjenigen des Herrn Fabry aufs neue
darzutun.
Ifly
Wenn liraVTä«^! = 1 ist, konvergiert die Reihe
V ^ CO
in dem Gebiete, in welchem ||a;|-|a?+l|<l ist, d. i. im
Innern einer Lemniskate (ohne Doppelpunkt) mit den Brenn-
punkten 0 und — 1. Vom Kreise \x\ = 1 liegt der eine Punkt
x=l auf dieser Lemniskate, alle übrigen aber innerhalb
derselben; denn für diese übrigen Punkte des Einheitskreises
ist l\x'^-^ x\ < l(ix'^\-\- \x'') mit Ausschluß des Gleichheits-
zeichens, also < 1.
Wählt man nun
(2) iny^i > 2wy
und ordnet man (1) nach Potenzen von x:
(3) t^b^A
Ü
so werden sämtliche (/„ deren Indices zwischen 2 m, und m,^i
liegen, gleich Null; es lassen sich also auf diese Weise in der
Koef&zientenreihe 6^, 6p b^ . . , beliebig viele und beliebig große
Lücken herstellen. Trotzdem hat die Reihe (3), da sie ja die
gleiche Funktion wie (1) darstellt, auf dem Einheitskreise keine
singulare Stelle als höchstens die Stelle x =^ 1; diese ist aber
sicher singulär; denn auf Grund der Voraussetzung (2) und
des eingangs erwähnten Fabryschen Satzes ist die Lemniskate
\x(X'\'l)\ = 2 natürliche Grenze der Funktion (1). Will man
von jenem Satze keinen Gebrauch machen, so wähle man die
G. Faber: Über Potenzreihen. 583
ttm^ reell, dann werden es auch die ba und es wird, wie leicht
i"
zu sehen, lim 1^|6/«| = 1, woraus ebenfalls folgt, daß der Punkt
o; = 1 ein singulärer für (3) ist.
Wählt man die m^ so, daß lim — -- = oo wird, so ergibt
sich für die Reihe (3): lim ^*-^ = 0 (speziell: lim^^ = 0),
dagegen wird im allgemeinen lim == J werden, da ja
zwischen fi = my und /n = 2my sämtliche Koeffizienten vor-
fi(2 tu ^
banden sein können und dann lim — ^r — *^- = X ist; man kann
2 Wv *
aber den obem Limes beliebig verkleinem, wenn man statt
von (1) von der im übrigen genau dasselbe leistenden Reihe
S^öm^l -^ ) ausgeht, wo l eine beliebige natürliche
Zahl ist; es ergibt sich dann, wenn wieder lim— ^ — = oo an-
T'wy
genommen wird, lim^^^ = 0, li^"^'^^ = -^ (speziell:
= » Imy „ = 00 (i + l)Wv
V= »
In den so konstruierten Beispielen ist die einzige auf dem
Konvergenzkreise gelegene singulare Stelle keine isolierte Sin-
gularität der betreffenden Funktion, und es scheint in der Tat
(obwohl hieftir ein Beweis nicht vorliegt) lim — ^ immer > 0
r = jo
zu sein, sobald auf dem Konvergenzkreis nur eine endliche
Anzahl isolierter Singularitäten auftritt.
585
öffentliche Sitzung
zu Ehren Seiner Königlichen Hoheit des
Prinz-Regenten
am 17. November 1906.
Der Präsident der Akademie, Herr K. Th. v. Hei gel,
eröffnete die Festsitzung mit der folgenden Ansprache:
XJnauslöschbar wird sich jedem Teilnehmer an den soeben
verrauschten Kaiserfesten das rührende und erhebende Bild
eingeprägt haben : neben der kraftvollen Persönlichkeit des
Reichsoberhaupts unser Regent, alt, doch nicht gealtert, un-
gebeugt von der Last seiner Jahre, ein Ehrfurcht gebietendes
Beispiel von Pflichttreue. Der französische Akademiker Fon-
tenelle sagte einmal: „Wenn ich vor einen Vornehmen treten
muß, verbeuge ich mich, doch mein Geist macht den Bückling
nicht mit!" Doch auch dem selbstbewußten Dichter würde,
wenn er vor unseren Regenten getreten wäre, jede Ehren-
bezeugung von Herzen gekommen sein, denn diesen Fürsten
zeichnen nicht bloß Rang und Würde aus, sondern auch echte
Menschlichkeit und Bürgertugend.
Längst ist der Beweis erbracht, daß er der Wissenschaft
treue Fürsorge und jede mögliche Förderung angedeihen läßt.
Auch im ablaufenden Jahre hat sich unsere Akademie mancher
Beweise der Gunst der K. Staatsregierung zu erfreuen gehabt.
Vor allem verdient unseren Dank die Einräumung des Nord-
flügels des Wilhelminums. Freilich mußte die westliche Hälfte
des ersten Stockwerkes zunächst dem Ludwigsgymnasium dn-
586 Oifentliche Sitzung vom 17. November 1906.
geräumt werden, und ein Teil davon wird nach Errichtung des
neuen Gymnasiums dem Staatsarchiv überlassen werden müssen.
Immerhin bedeutet es einen Fortschritt, da& die östliche Hälfte
des ersten Stockwerkes vom Münzkabinett und das zweite Stock-
werk vom zoologischen Institut bezogen werden können; die
erforderliche Adaptierung wird in wenigen Monaten durch-
geführt sein. Wenn in absehbarer 2feit auch noch andere,
gegenwärtig zu fremden Zwecken verwendete Räume im Erd-
geschoß und im dritten Stockwerk an die wissenschaftlichen
Sammlungen des Staates abgegeben werden, ist dem empfind-
lichsten Mißstand im Wilhelminum abgeholfen. Denn nur wenn
die Sammlungen in genügend geräumigen und hellen Räumen
in übei*sichtlicher Ordnung aufgestellt sind, vermögen sie ihren
Doppelzweck zu erfüllen : für den Unterricht in den Instituten
das erforderliche Material und auch den breitesten Yolksmassen
Anregung und Belehrung zu bieten.
Zu wärmstem Danke sind wir der K. Staatsregierung und
den beiden Kammern verpflichtet für Erhöhung des Etats der
Kommission für Erforschung der Urgeschichte Bayerns, sowie
der zoologischen Sammlung. Mit reicheren Mitteln ausgestattet,
wird die genannte Kommission in Stand gesetzt sein, die Aus-
grabungsarbeiten systematischer vornehmen zu lassen und in
Wahrheit der Mittelpunkt der prähistorischen Studien in Bayern
zu werden. Der zoologischen Sammlung aber ist durch die
Aufbesserung ihres Etats die Möglichkeit gegeben, empfind-
liche Lücken ihrer Bestände auszufüllen und die wertvollen
Erwerbungen der letzten Jahre durch zweckentsprechende Ver-
arbeitung und Aufstellung fruchtbar zu machen.
Noch einem dringenden Bedürfnis aber ist in nächster
Zeit abzuhelfen: es gilt, einen unseres Staates und unserer
hohen Schulen würdigen neuen botanischen Garten zu
schaffen.
Nahezu ein Jahrhundert ist verflossen, seit die Haupt-
und Residenzstadt München ihren ersten botanischen Garten
erhalten hat.
K. Th. V. Heigel: Ansprache. 587
Während Berlin schon im 17. Jahrhundert einen »Apotheker-
garten* und seit 1718 einen „Garten der Sozietät der Wissen-
schaften'* hatte, die Eaiserstadt Wien sich einer weltberühmten
PAanzeuschule erfreute und sogar kleine Universitätsstädte, wie
Altdorf, ihre Lehrgärten besaßen, fehlte es in München noch
um die Wende des 18. Jahrhunderts an einem solchen Institut.
Erst 1807 erhoben zwei Akademiker, der große Anatom und
Physiker Sömmering und Medizinalrat Güthe, ihre Stimmen für
Ausfüllung der empfindlichen Lücke in den trefflichen wissen-
schaftlichen Anstalten der kurbajerischen Akademie. Sömmering
motivierte seinen Antrag galanter Weise u. a. auch damit, daß
Botanik, von Alters her scientia amabilis, die liebenswürdige
Wissenschaft, genannt, in jüngster Zeit ein Lieblingsstudium
der Damen geworden sei. Die Akademie schloß sich dem An-
trage an, und der gütige Max Joseph ging auf die Wünsche
der Gelehrten ein; er schenkte zur Anlage eines botanischen
Gartens eine Wiese von 6Va Tagwerken längs dem Herzogs-
garten und dem Löwenwirtshause vor dem Earlstor; andere
Grundstücke im Umfang von 8 Tagwerken wurden dazu gekauft.
Hier wurde sodann in den nächsten Jahren ein anfanglich nur
die Heimatsflora umfassender Garten von Hofgartenintendant
V. Sckell und Professor v. Schrank, bisher Konservator des
botanischen Universitätsgartens in Landshut, angelegt, also von
Männern, die mit den einschlägigen Gesetzen der Natur, der
Wissenschaft und der Kunst wohl vertraut waren.
Das neue Unternehmen fand jedoch viele Gegner. Im
Publikum waren schlimme Gerüchte verbreitet über Beschaffen-
heit und Tauglichkeit des gewählten Platzes. Auch die alte
Eifersucht zwischen Universität und Akademie spielte herein«
Die Landshuter Professoren meinten, es wäre besser, das Geld,
statt es im Münchener Kalkboden nutzlos zu vergraben, zur
Erweiterung des herrlichen Universitätsgartens auf dem Hof-
berg zu verwenden. Allein Schrank, Güthe und Sckell, 1811
von der Regierung zu gründlicher Untersuchung der Frage
aufgefordert, vertraten einstimmig und entschieden die Auf-
fassung, daß gegen den gewählten Platz in München schwer-
588 öffentliche Sitzung vom 17. November 1906.
wiegende Bedenken nicht zu erheben seien. Er sei gesichert
gegen die im Isartal jährlich wiederkehrenden Überschwem-
mungen, habe die richtige Lage gegen den Sonnenlauf und
genügenden Schutz gegen rauhe Bergwinde durch die nicht
allzu hohen Oebäude des Herzog-KIemens-Palastes ; dagegeo
sei genügend Vorsorge getroffen, daß dem (harten nicht durch
bürgerliche Gebäude Licht und Luft und die nicht minder
nötige Ruhe entzogen würden. Der Boden, vorwiegend Kalk-
erde mit Alaunerde und Eisenoxjd, sei zwar für den Anbao
zarterer Pflanzen zur Zeit noch nicht sehr geeignet, könne
aber von einem wissenschaftlich gebildeten Kultivateur nach
Wunsch verbessert werden. Leichter könne die Universität
eines botanischen Gartens entbehren, da die für den Unterricht
notwendigen Pflanzen auch auf dem Handelswege erhältlich
seien, als eine Akademie, welche das botanische Studium als
reine Wissenschaft betrachte und betreibe. Auch in Paris
sei der Jardin des plantes nicht mit der uralten Universität,
sondern mit dem weit jüngeren Institut des sciences et des
arts verbunden. Der Akademie des ersten Staates im kon-
föderierten Deutschland dürfe ein so wichtiges Attribut nicht
länger fehlen.
Diese Gründe schlugen durch; die Arbeiten für die ge-
plante Schöpfung durften fortgesetzt werden.
Es wäre hier nicht am Platze und kann nicht meine Auf-
gabe sein, eingehend zu schildern, was in der Folge für innere
Einrichtung des Gartens, Verbesserung des Bodens, Bau der
Gewächshäuser, Ansiedlung der Pflanzen geleistet wurde. Dem
praktischen Sinn, dem rastlosen Eifer und der wissenschaft-
lichen Erfahrung der Gründer und ihrer Nachfolger war es zu
danken, daß sich der Münchener Garten zu einem der reichsten
und bestgeordneten in Deutschland entwickelte. Pflanzen sind
organische Wesen, die einer Verständnis- und liebevollen War-
tung bedürftig sind. Es kam unserem Garten zugute, dafi
seine Pfleger nicht bloü ausgezeichnete Floristen waren, sondern
auch ein Herz für die lebende Pflanze hatten. Am nächsten,
so meine ich als I^aie, muß doch auch dem Botaniker das-
K. Th. V. Heigel: Ansprache. 589
jenige liegen, was noch lebt. Dekorativer Wirkung darf
selbstverständlich in einem botanischen Garten nicht die Be-
deutung eingeräumt werden, wie in einem Ziergarten, doch
schon der Name Sckell bürgte dafür, daß auch auf anmutige
Formen und Umrisse, auf harmonische Übergänge der Baum-
arten, auf Abstufung der Parbentöne von Blumen und Strauch-
werk jede mögliche Rücksicht genommen wurde. Nicht minder
wurde auf Einbürgerung seltener Arten aus allen Teilen der
alten und neuen Welt, insbesondere unter der Leitung des be-
rühmten Erforschers der brasilianischen Flora, Karl von Martins,
rege Sorgfalt verwendet.
Einen schweren Schlag erlitt jedoch der Garten im Jahre 1854
durch den Beschluß der Regierung, den zur Aufnahme der
Industrieausstellung bestimmten Glaspalast in den botanischen
Garten zu verlegen und mitten durch eine öffentliche Strafie
zu ziehen. Es soll anfanglich geplant gewesen sein, den Glas-
palast selbst nach Beendigung der Ausstellung als Gewächs-
haus zu benützen; der Gedanke konnte aber natürlich nicht
verwirklicht werden, denn wie hätten so ungeheuere Räume
erwärmt werden sollen? Martins verglich seinen geliebten
Garten nach der Katastrophe des Jahres 1854 mit einem
Menschenkörper, in welchem alle Sehnen entzwei geschnitten
seien. Die Besorgnis war nicht unbegründet, aber übertrieben.
Dem erhöhten Eifer der Beamten und Bediensteten gelang es,
die Umwandlung des Gartens so glücklich durchzuführen, dafi
er nach wie vor zu wissenschaftlichen Untersuchungen reiches
Material lieferte, den Künstlern zu mannigfaltigen Studien-
zwecken diente und zahlreiche Gäste zu harmloser Natur-
beobachtung anregte.
In dieser Gestalt ist er unser aller Liebling gewesen, und
es läßt sich wohl verstehen, daß der verehrte Kollege Radlkofer,
der hier sein Leben lang „die Arbeit und das Wirken der
Pflanzen* liebevoll beobachtet hat, die tröstliche Oase nicht
aufgegeben wissen will.
Und doch muß ernstlich die Schöpfung eines neuen
botanischen Gartens ins Auge gefaßt werden ! Gerade der zart-
590 öffentliche Sitzung vom 17. November 1906.
fühlende Freund der Pflanzenwelt darf sich dieser Forderung
nicht länger verschließen. Wenn Sckell für verbürgt erachtete,
daß der Garten niemals durch Umbauung geschädigt werden
könnte, so ist dieser Erwartung nicht entsprochen worden; er
ist beute auf allen Seiten von teilweise sehr hohen Gebäuden
— es sei nur an den Justizpalast, die Töchterschule u. s. w.
erinnert — eng umschlossen, so daß ihm nicht mehr soviel
Luft und Licht vergönnt ist, als zum Fortkommen empfind-
licher Pflanzenarten notwendig wäre. Noch schädlicher — ich
bediene mich der Worte des sachkundigsten Gewährsmannes,
unseres Kollegen Goebel selbst — wirkt die Rauchentwicklung,
die hauptsächlich infolge der beständigen Erweiterung des
nahen Bahnhofes unerträglich geworden ist und Hunderten
von Pflanzen einen frühen Tod bringt. Die Gewächshäuser
sind, obwohl auf ihre Reinigung jährlich große Summen ver-
wendet werden, fast beständig mit einer Rußschichte bedeckt,
die den Warmhauspflanzen das unentbehrliche Sonnenlicht ent-
zieht oder doch verkümmert. Nadelholz kann überhaupt nicht
am Leben erhalten werden, so daß den Schülern und dem
Publikum die Gelegenheit benommen ist, sich mit den gewöhn-
lichsten Arten unserer Waldflora vertraut zu machen. Die
Verhältnisse des Gartens sind überhaupt zu eng, zu kleinlich
geworden; für die dringend wünschenswerte Ausbreitung des
Alpinums, der biologischen Gruppen u. s. w. ist kein Raum
mehr geboten. Die Gewächshäuser sind vor nahezu 50 Jahren
gebaut worden ; seither sind in Bezug auf Konstruktion, Heizung,
Verglasung u. s. w. namhafte Fortschritte gemacht worden. Um
einer größeren Anzahl Studierender mikroskopische Forschung
zu ermöglichen, wurde 1891 das pflanzenphysiologische Institut
errichtet; es reicht zur Zeit für Unterrichtszwecke gerade noch
aus. Dagegen können die Räume für die Sammlungen nicht
mehr genügen. Der riesig gesteigerte Weltverkehr, die Er-
schließung unbekannter Regionen in der alten und neuen Welt
haben auch für die Botanik eine Fülle neuer Schätze und damit
eine Fülle neuer Aufgaben gebracht. Unsere Herbarien können
aber neue Bestände schlechterdings nicht mehr au&ehmen.
K. Th. V. Heigel: Ansprache. 591
Und gänzlich fehlt es an Platz für ein wirkliches botanisches
Museum, das den Studierenden und dem Publikum die Kenntnis
aller pflanzlichen Rohstoffe fiir Medizin, Pharmazie, Industrie
und Handel yermitteln könnte.
Allen diesen Übelständen kann nur durch Schöpfung eines
neuen Gartens abgeholfen werden ; deshalb hat sich das General-
konservatorium in voller Übereinstimmung mit dem Konser-
vatorium des botanischen Gartens und des pflanzenphysiologischen
Instituts schon vor drei Jahren für möglichst baldige Ver-
legung ausgesprochen, und von der K. Staatsregierung wird
die Angelegenheit mit ernster Sorgfalt behandelt.
Freilich ist ausgeschlossen, daß sich wieder ein Platz findet,
der allen Besuchern so leicht zugänglich wäre, wie der jetzige.
Die Studierenden werden nicht mehr so rasch und bequem in
die botanischen Lehrgebäude gelangen ; auch den Beamten und
Lehrern wird ihre Tätigkeit erheblich erschwert werden. Und
große Summen, darüber darf man sich nicht täuschen, werden,
wenn man schon aus hygienischen Gründen den sogenannten
kleinen Garten nicht der Privatspekulation überlassen will, auf-
gebracht werden müssen. Der botanische Garten in Dahlem
bei Berlin bat mehrere Millionen gekostet. Minderwertiges darf
auch in München nicht geschaffen werden.
Doch diese Gründe gegen die Verlegung des alten Gartens
werden durch die wichtigeren Vorteile einer neuen Schöpfung
aufgewogen.
Daß der botanische Unterricht der studierenden Jugend
auch an einem von der Universität, ja sogar von der Univer-
sitätsstadt weit entfernten Platze erteilt werden kann, ist eine
bereits erwiesene Tatsache ; der Garten in Dahlem ist viel weiter
von Berlin entfernt, als z. B. Nymphenburg von München. Und
der erste Zweck eines botanischen Gartens, der mächtig fort-
schreitenden Wissenschaft einen der Entwicklung förderlichen
Boden zu unterbreiten, kann eben nur durch Anlage eines
geräumigeren, mit allen Errungenschaften der Wissenschaft
und der Technik ausgestatteten Pflanzengartens erfüllt werden.
592 öffentliche Sitzung vom 17. November 1906.
Glücklicherweise fallen in dieser Frage die Interessen der
Wissenschaft und der Kunst, des Staates und der Stadt
zusammen.
Die Künstlerschaft Münchens wird ihre Ausstel-
lungen nicht mehr lange in dem baufälligen Glas-
palast abhalten können; die Errichtung eines neuen
Ausstellungsgebäudes ist unabweisbares Bedürfnis.
Der Staat Bayern und die Stadt München haben, was
mühelos nachzuweisen wäre, ebenso ein wirtschaftliches wie
ein geistiges Interesse an Erfüllung berechtigter Wünsche der
Vertreter von Kunst und Wissenschaft. Welche Schwierig-
keiten auch immer dem großen Unternehmen sich entgegen-
stellen mögen : wenn alle beteiligten Faktoren einmütig, eifrig
und opferwillig zusammenwirken, ist eine würdige Lösung
der Aufgabe mit Sicherheit zu erhoffen. Möge der holde
Genius der scientia amabilis zu fröhlichem Gelingen seinen
Segen spenden!
Aus den Zinsen der Adolf v. Baeyer-Jubiläums-
Stiftung wurden bewilligt:
1. dem Privatdozenten für Chemie Dr. Heinrich Wieland
in München zur Beschaffung von Chemikalien 300 M. ;
2. dem Professor Dr. Karl Hofmann in München zur
Beschaffung radioaktiver Schwermetalle 300 M. ;
3. dem Privatdozenten Dr. Julius Sand in München zur
Beschaffung von Apparaten für physikalisch-chemische
Messungen 200 M.
C. V. Voit: Wahlen. 593
Hierauf verkündigte der Klassensekretär, Herr C. v. Voit,
die Wahlen der mathematisch-physikalischen Klasse. Es wurden
gewählt und von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz-
Regenten bestätigt:
zum außerordentlichen Mitgliede:
Dr. Karl Hofmann, außerordentlicher Professor für anorga-
nische Chemie an der hiesigen Universität;
zu korrespondierenden Mitgliedern:
1. Dr. Wilhelm Fiedler, Professor für darstellende und
synthetische Geometrie an der eidgenössischen technischen
Hochschule in Zürich;
2. Dr. August Froriep, ordentlicher Professor der Ana-
tomie an der Universität in Tübingen;
3. Dr. Karl Rabl, ordentlicher Professor der Anatomie an
der Universität in Leipzig;
4. Dr. Ernst Stahl, Professor der Botanik an der Universität
in Jena;
5. Dr. Hermann Carl Vogel, Geheimer Regierungsrat,
Professor und Direktor des astrophysikalischen Labora-
toriums in Potsdam;
6. Dr. Veit Brecher Wittrock, Professor der Botanik an
der Universität und Direktor des botanischen Gartens in
Stockholm.
594
Sitzung der math.-phys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
Herr Hugo v. Seeliger hält einen Vortrag über: «Das
Zodiakallicht und die empirischen Glieder in der Be-
wegung des inneren Planeten.*
Nur in ganz wenigen Fällen reicht das Newtonsche An-
ziehungsgesetz scheinbar nicht aus, die beobachteten Bewegungen
im Planetensystem vollständig zu erklären. Die größte dieser
Anomalien ist eine von Leverrier entdeckte Bewegung des
Perihels der Merkurbahn von etwa 40 Sekunden im Jahrhundert,
welche die Theorie nicht ergibt, die aber durch die Beobach-
tungen zweifellos festgestellt ist. Der Vortragende erblickt den
Grund des Widerspruchs zwischen Theorie und Beobachtung
darin, daß bisher die Einwirkung fein verstreuter Materie inner-
halb des Planetensystems auf die Planeten nicht genügend
berücksichtigt worden ist. Diese fein verstreute Materie bietet
den Anblick des Zodiakallichts dar. Bei nahe liegenden
Annahmen über die Flächen gleicher Dichtigkeit in dem Gebilde
des Zodiakallichts gelingt es in der Tat alle bisher bemerkten
Widersprüche zu beseitigen. Die Dichtigkeit der Massenver-
teilung kann dabei äußerst gering sein. Selbst im Maximum
braucht nur in jedem Kubikkilometer sich eine Masse vorzu-
finden, gleich der eines Würfels Wasser, dessen Seitenlänge
kaum Vs Meter beträgt.
595
Das Zodiakallicht und die empirischen Glieder in der
Bewegung der innem Planeten.
Von H« Seeligrer.
{Singilaufm 1. D«B4mb0r.)
Nur in ganz wenigen Fällen ist es bisher der Astronomie
nicht gelungen, die beobachteten Bewegungen, der erlangten
Genauigkeit entsprechend, als reine Folge der Newtonschen
Gravitation darzustellen. Beschränkt man sich auf die Be-
wegungen der großen Planeten, so ist insbesondere in einem
Fall eine allerdings erhebliche Differenz zwischen Theorie und
Beobachtung hervorgetreten. Auf ihn bezieht sich die viel-
besprochene Entdeckung Leverriers, der vor mehr als40 Jahren
fand, daß die Perihellänge der Merkurbahn sich im Jahrhundert
um rund 40" schneller vorwärts bewegt, als die allein auf die
gegenseitige Anziehung der Planeten gegründete Theorie ergibt.
Diese Leverriersche Entdeckung ist von vielen Seiten nachge-
prüft worden. Stets ergab sich eine Bestätigung auch in
quantitativer Beziehung, so daß man das tatsächliche Vorhanden-
sein dieser Anomalie als absolut feststehend bezeichnen muß.
Die eingehendsten Nachforschungen in dieser Richtung ver-
dankt man S. Newcomb, der über Leverrier hinausgehend,
bei allen vier inneren Planeten und zwar in allen Bahnelementen
nach etwaigen anderen empirischen Gliedern suchte, indem er
die Säkularveränderungen der Bahnelemente einerseits empirisch
bestimmte, andererseits nach der Newtonschen Theorie berech-
nete. Die so gefundenen Differenzen in den hundertjährigen
1906. Sitxungsb. d. mAUi.-phya. Kl. 39
596 Sitzung der iDath.-pbys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
Veränderungen im Sinne Beobachtung— Theorie, nebst ihren
wahrscheinlichen Fehlem sind folgende:^)
Merkur Venus Erde Man
4^ = — 0:88±0:50 +0:21±0:31 +0:02 ±0:10 +O:292:0/2
e -3T = + 8.48 ± 0.43 — 0.05 ± 0.25 + 0.10 ± 0.13 + 0.75 r O.c
dt
-J- = + 0.38 ±0.80 + 0.38 ±0.33 - — O.Ol x O.i
dt
sin i ^y = + 0.61 ± 0.52 + 0.60 ±0.17 - + 0.03 ± 0.2
Die angeführten wahrscheinlichen Fehler mögen viel-
leicht nicht die ganze Unsicherheit der Resultate angeben.
Immerhin wird man doch zugeben müssen, daß einige dieser
Glieder nicht ohne weiteres als nicht reell angesehen werden
dürfen. In jedem Falle werden solche Annahmen, welche etwa
zur Erklärung der Bewegung des Merkurperihels gemacht
werden, den Vorzug verdienen, welche auch die anderen Newcomb-
schen Glieder ihren Fehlem entsprechend miterklären. Nur
das Glied in der Exzentrizität der Merkurbahn und ebenso der
anderen Planetenbahnen muß zunächst unberücksichtigt bleiben,
da zu seiner Erklärung andere Annahmen, als bis jetzt gebraucht
worden sind, nötig wiiren. Newcomb selbst ist der Meinung,
daiä bei Merkur der wahrscheinliche Fehler zu klein heraus-
gekommen ist und dieses Glied, zunächst wenigstens, als nicht
reell angesehen werden darf.
2.
Die Zahl der Hypothesen, welche zur Erklärung der Be-
wegung des Merkurpei ihels aufgestellt worden sind, ist nicht
klein. Sie sind zum Teil von Newcomb a. a. 0. erwähnt und
in einer Weise kritisiert worden, der man in den meisten Punkten
beistimmen wird können. Lange Zeit wurde, namentlich im
*) S. Newcomb, the Elements of tbe four inner Planets etc.
Washington 1895, S. 108.
H. Seeliger: Das Zodiakallicht. 597
Anschluß an Leverrier selbst, die Annahme intram^kurieller
Planeten in kleiner oder größerer Zahl od^ selbst in Tolle
Planetenringe aufgelöst, beyorzugt. Die formale Seite der Frage
vmrde öfters, so von Newcomb und Bauscbinger,^) unter-
sucht. In dieser Beziehung genügt die erwähnte Annalime den
zu stellenden Anforderungen ziemlich beiriedigend, wenn man
sie in Verbindung mit einer säkularen Drehung des empirischen,
in der Astronomie gebrauchten Koordinatensystems zur An-
wendung bringt. Sie rechnet aber, abgesehen vielleicht noch
von anderen Bedenken, mit Verhältnissen, wenigstens wenn
man den allerdings negativen Aussagen der Beobachtung ent-
sprechend die Anzahl der einzelnen Massen des Ringes groß
annimmt, welche sich zunächst weder erweisen noch wider-
legen lassen, und die also zu deijenigen Klasse von Hypothesen
gerechnet werden muß, die man als unnötige bezeichnen
kann. Vorausgesetzt natürlich, daß man eine mehr ansprechende
Annahme machen kann.
Nicht so gut entspricht in formaler Beziehung die An-
nahme ungleicher Hauptträgheitsmomente des Sonnenkörpers,
die ebenfalls vielfach, besonders eingehend von P. Harzer^) unter-
sucht worden ist, da der Sonnenäquator seiner Lage nach zi^n-
lich sicher bekannt ist und man doch wohl annehmen muß«
daß die Hauptachsen im Äquator und in der Rotationsachse
liegen. Aber dieser Annahme wird durch die Beobachtungen
an der Sonne entschieden widersprochen, denen zufolge die in
verschiedenen Richtungen gemessenen Durchmesser sich kaum um
mehr als etwa On voneinander unterscheiden können. Dagegen
erfordert die obige Annahme, daß der äquatoriale Sonnendurch-
messer um etwas mehr als 1" größer als der polare sein muß.
Dieses Resultat läßt sich streng aus gewissen Voraussetzungen
mit wenigen Worten ableiten, weshalb ich kurz darauf eingehe,
obwohl ja die Frage durch die Rechnungen des Herrn Harzer
1) J. Baaschinger, Untenuchangen Ober die Bewegung des Pla-
neten Merkur. München 1884.
') Panl Harzer, Über die Bewegung des Merkurperibels. Astron.
Nachr. Nr. 3080 (1891).
39*
598 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
als erledigt betrachtet werden darf. Sind G und A die beiden
Hauptträgheitsmomente der Sonne in Bezug auf die Drehachse
und in Bezug eine im Äquator gelegene Achse, wobei das dritte
Trägheitsmoment dem ^gleich angenommen wird, Jf die Sonnen-
masse, n, a, 71 die mittlere Bewegung, mittlere Entfernung Ton
der Sonne und Länge des Perihels eines Planeten, so ist für
hinreichend kleine Exzentrizitäten und Neigungen bekanntlich
die säkulare Veränderung von n gegeben durch:
dt ~^^ ' a^M'
Die Abplattung e der Sonnenoberfläche - ist andererseits
nach einem vielgebrauchten Satze der Himmelsmechanik ge-
geben durch:
g — 1 0 4- 8 9.I1A
wo R der Sonnenradius und 4> das Verhältnis der Zentrifugal-
kraft zur Anziehung im Äquator ist. Diese Formel setzt nichts
über die Dichtigkeitszunahme in der Richtung zum Zentrum
des Sonnenkörpers voraus, nur wird angenommen, daß sich das
Innere der rotierenden flüssigen Masse im Gleichgewicht befindet.
Daraus folgt aber für die Abplattung des Sonnenkörpers:
c= I $4-
fay 1^ dji
\r)' n ' dt'
Soll demnach die Bewegung des Merkurperihels durch eine
Verschiedenheit der Trägheitsmomente der Sonne erklärt werden,
d TZ
so muß -TT = 40" im Jahrhundert gesetzt werden und da
* = 0.000020 ist, folgt € = 0.000525. Danach muß der
äquatoriale Sonnendurchmesser (a) KOI größer sein als der
polare {ß\ was mit den Angaben des Herrn Harzer gut stimmt.
Die Messungen an der Sonne geben sicherlich kaum a — ß ^Q1\.
Wird die Sonne als homogen betrachtet, so gibt bekannt-
lich die Gleichgewichtstheorie a — )8 = 0r05. Nimmt man
andererseits das andere Extrem an, nämlich, daß die Masse
H. Seeliger: Das ZodiakalUcht. 599
unendlich zusammendrückbar ist, daß also die ganze übrige
Sonnenmasse gegenüber der in der Nahe des Zentrums befind-
lichen zu vernachlässigen ist, so ergibt sich leicht a—- ß = 0r02.
Nach diesen Daten dürfte es jedenfalls aussichtslos sein, die
Merkurperihelbewegung durch ungleiche Verteilung der Masse
der Sonne in ihrem Innern zu erklären , selbst wenn man von
den Bedingungen des Gleichgewichts absieht.
Von physikalischer Seite beeinflußt, hat man bald nach
der Leyerrierschen Entdeckung und seit jener Zeit in den ver-
schiedensten Formen durch mehr oder weniger ansprechende
Überlegungen eine Modifikation des Newtonschen Fernwirkungs-
gesetzes zu finden gesucht, welche die Anomalie in der Be-
wegung des Merkurperihels zu erklären imstande wäre. Der
Erfolg ist in formaler Beziehung im ganzen ausgeblieben, d. h.
es gelang in den meisten Fällen nicht, den festgestellten Betrag
dieser Bewegung herzuleiten. Überdies hat man hierbei von
vornherein darauf verzichtet oder verzichten müssen, die an-
deren Newcombschen empirischen Glieder zu erklären. Das
letztere dürfte allerdings, in erster Annäherung, vielleicht als
zulässig angesehen werden können. Wie dem auch sein möge, als
besonders geeignet wurde in letzter Zeit eine Modifikation des
Newtonschen Gesetzes betrachtet, derzufolge der Exponent 2
der reziproken Entfernung durch einen um eine sehr kleine
Größe vermehrten 2 -|- >l zu ersetzen wäre. Schon in Newtons
Prinzipien ist der Satz abgeleitet, daß hierdurch eine säkulare
Bewegung des Perihels in positivem Sinne entsteht und die
Mathematiker Green und Carl Neumann^) haben sich dieses
Gesetzes angenommen und es im Gebiete der Elektrizität ver-
wertet. Der Verwendung eines solchen Gesetzes in der Astronomie
stehen indessen ernstliche Bedenken entgegen. Bleibt man auf
dem Boden der Femwirkungstheorie, so wird ein solches aUer-
dings akzeptabel sein, da es in der Tat bei passender Wahl von
l die Bewegung des Merkurperihels in gewünschtem Betrage
^) Carl Neu mann, Allgemeine Untersuchungen über das Newtonsche
Prinzip der Ferhwirkungen. Leipzig 1896.
600 Sitzung der math.-pbys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
ergibt ohne bei den anderen Planeten Beträge für ähnliche
Glieder zu erfordern, die den Beobachtimgen widersprechen.
Dagegen stellen sich Bedenken allgemeinerer Art ein. Ich
habe zu wiederholten Malen ^) darauf aufmerksam gemacht, dafi
das Newtonsche Gesetz kein strenger und unbedingt geltender
Ausdruck für die im Weltall herrschenden Anziehungen sein
kann, indem man auf lästige, wenn nicht imüberwindliche
Schwierigkeiten stößt, wenn man dieses Gesetz auf beliebig
große, mit Masse erfüllte Bäume anwendet. Letzteres muß aber
erlaubt sein, da das Newtonsche Gesetz ein üniversalgesetz,
d. h. unter allen umständen genau gültig sein soll. Diese
Bedenken sind, wie ich glaube, durch die dagegen erhobenen
Einwände, nur gewichtiger geworden. Nach meiner Meinung
mü&te demnach, wenn man an eine solche rein formale Modi-
fikation des Ausdrucks für die Newtonsche Femwirkung
denken will, diesen Bedenken Rechnung getragen werden. Das
Greensche Gesetz ist aber, wie ich nachgewiesen habe, nicht
geeignet, dies zu leisten.
Verläßt man aber den Boden der Fern Wirkungstheorie, so
wird man kaum erwarten dürfen, durch irgendwelche physi-
kalische Überlegungen oder Annahmen zu einem ähnlich ein-
fachen Gesetze zu gelangen, wie das Greensche. Ich kann mich
deshalb nicht der Meinung anschließen, wonach durch die An-
nahme dieses Gesetzes eine brauchbare oder befriedigende Er-
klärung der Bewegung des Merkurperihels angebahnt sein soll.
3.
Die theoretische Astronomie hat die Bewegungen im Planeten-
system mit Berücksichtigung aller Torhandenen Massen zu er-
klären und in dieser Beziehung alles zu versuchen, ehe sie zu
einer Modifikation ihrer Grundlagen oder zur Annahme unsicht-
barer Massen oder dergleichen greift. Zu diesen jedenfalls vor-
handenen, weil sichtbaren Massen gehören aber die Massen,
^) Ülxjr das Newtonsche Gravitationsgeeetz. Afftron. Na^^hrichten
Nr. 3273 und Sitzungd>>erichte der Münehener Akademie, 1896.
H. Seeliger: Das Zodiakallioht. 601
welche das Zodikallicht erzeugen oder kurz gesagt das Zo-
diakallicbt.
Ich hatte bei yerschiedenen Gelegenheiten^) Veranlassung,
mich der Ansicht anzuschließen, nach der die Erscheinung des
2k)diakallichts auf fein zerstreute Materie zurückzuführen ist,
die um die Sonne herumgelagert ist und nachweisbar über die
£rdbahn hinausreicht. Über die Dichtigkeitsverteilung in dieser
Masse läßt sich zur Zeit Genaueres nicht aussagen ; aber nichts
spricht dagegen, daß die Flächen gleicher Dichtigkeit scheiben-
förmige Rotationsflächen sind und die Dichtigkeit mit der Ent-
fernung von der Sonne abnimmt. Früher nahm man den Äquator
dieser Flächen als nahezu in der Ekliptik liegend an, neuere
Beobachter dagegen sind geneigt, ihn mit größerer Annäherung
mit dem Sonnenäquator zusammenfallen zu lassen. Damit soll
nicht gesagt sein, daß alle Flächen gleicher Dichtigkeit genau
dieselbe Rotationsachse haben, denn wie sich die der Sonne
nächsten Teile des Zodiakallichts in dieser Richtung verhalten,
wird sich wohl schwerlich feststellen lassen, ist jedenfalls bisher
völlig unaufgeklärt geblieben, da man die Erscheinung des Zodia-
kailichtes sicher nicht bis zu kleineren Winkelabständen von der
Sonne, als 20 oder 30 Grad, verfolgen kann. Zudem kann die
Massendichtigkeit aus der beobachteten Lichtverteilung keines-
wegs hypothesenfrei abgeleitet werden, denn die letztere ist
nicht nur von der Dichtigkeit der Massenverteilung sondern
auch von dem Volumen der einzelnen Teilchen, welche das
Zodiakallicht bilden, abhängig. Je größer die Anzahl der
Teilchen ist, in welche dieselbe Masse zerteilt ist, desto größer
ist unter sonst gleichen Umständen die Flächenhelligkeit des
zurückgeworfenen Sonnenlichts.
Man hat demnach eigentlich kein anderes Mittel zur Be-
stimmung der Massendichtigkeit im Zodiakallicht, als das Studium
der von ihm ausgehenden Anziehungskräfte. Daß solche vor-
^) U. A. a) Ober allgemeine Probleme der Mechanik des Himmels.
Verlag der Münchener Akademie, 1892.
b) Über kosroiache Staubmassen und das Zodiakallicht. Sitzungs-
berichte der Münchener Akademie, 1901.
()02 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
banden sein und die Bewegungen der Planeten beeinflussen
müssen, ist selbstverständlich zweifellos und nur über die Größe
dieser Einwirkung können die Meinungen auseinandergehen.
Mit einiger Sicherheit darf behauptet werden, daü sich
die Masse des Zodiakallichts symmetrisch um eine Ebene
gruppiert, von der wir allerdings nicht wissen, ob sie der Eklip-
tik oder dem Sonnenäquator näher liegt. Es ist femer ziem-
lich sicher, daü in der Erscheinung des Zodiakallichts die
Jahreszeit so gut wie keine Rolle spielt. Man wird danach
die Dichtigkeit q als Funktion nur von der Entfernung von der
Sonne {q) und des Winkelabstandes d^ von dem Pole der Sym-
metrieebene ansehen dürfen. Es kann also q als eine Kugel-
funktionsreihe:
0»
2 = nS ^^ P- (cos d)
0
angenommen werden, in der die Koeffizienten Ä^ Funktionen
von Q sind. Wegen der erwähnten Symmetrie wird ferner w
eine gerade ganze Zahl sein. Nimmt man nun an, daß die
genannte Reihenentwicklung für q so aufgestellt werden kann,
daß sie für alle innerhalb einer Kugel vom Radius r^ liegen-
den Punkte gilt, wo also r^ die Maiimalausdehnung des Zodiakal-
lichts ist, dann läßt sich die Störungsfunktion Q^ welche bei
der Bewegung des inneren Planeten in Betracht zu ziehen ist.
sehr einfach darstellen. Denn es ist zunächst:
Ü = k'' Jsin § d »fg* qdg • J-J,
0 0 0
wo A die Entfernung des Planeten (r #, <f^) und eines Massen-
teilchens {q # (p) ist und k die Oaußsche Konstante bedeutet.
Ist noch y der Winkel zwischen q und r, so hat man:
1 " o»'
1 " /••
i = 'S -74.7 -P* (cos jO • • • ^ > ^•
H. Seeliger: Das Zodiakallicht. 603
Setzt man dies und die Reihe für q in den Ausdruck für Q
ein, so ergibt die Anwendung sehr bekannter Sätze aus der
Theorie der Kugelfunktionen:
r ri
ü r
Die weitere Entwicklung hängt von der Form ab, welche
die An als Funktionen von q haben. Man könnte gegebenenfalls
sich die -4„ stets als Potenzreihen, welche nach ganzen positiven
und negativen Potenzen von q fortschreiten (da die Umgebung des
Punktes ^ = 0 ausgeschlossen erscheint), denken, und da man nur
den säkularen Teil von Q brauchen wird, wären die säkularen
Teile von:
r« P~ (cos d) , log r . P" (cos t?) ,
wo m positive oder negative ganze Zahlen bedeuten, zu ent-
wickeln. Das ist leicht in der gewöhnlichen Weise durch
Rechenentwicklungen und in mathematisch annehmbarerer Form
durch Einführung von Funktionen, die den Kugelfunktionen
verwandt sind, auszuführen. Doch hätte die Mitteilung der
betreflFenden Formeln für die vorliegenden Fragen keine Be-
deutung, denn es ist gegenwärtig unmöglich die Entwicklung
von q etwa anderswoher zu nehmen und andererseits ist die
Einwirkung des Zodiakallichts auf die Bewegung der Planeten
so klein und dergestalt, daß eine Bestimmung der wirksamen
Koeffizienten durch diese Störungen nicht wohl auszuführen wäre.
Man wird vielmehr nur zu einem befriedigenden Ziele gelangen,
wenn man von vornherein über die Gestalt der Flächen gewisse
Annahmen macht, die man natürlich, dem Gesagten zufolge,
als mehr oder weniger plausibel ansehen mag. Hält man daran
fest, daß die genannten Flächen ähnlich plattgedrückten Scheiben
aussehen müssen, dann kann man die näheren Bestimmungs-
stücke innerhalb gewisser Grenzen variieren, ohne einen schlech-
teren Anschluß an die Beobacbtungsdaten befürchten zu müssen.
Man wird deshalb die spezielleren Daten so wählen können,
daß die auszuführende Rechnung verhältnismäßig einfach wird.
604 Sitzung der math.-phys. Klaise vom 1. Dezember 1906.
Da bietet sich nun zunächst die Annahme dar, dafi man das
Zodiakallicht aus lauter Schichten, welche zwischen zwei um-
drehungsellipsoiden mit großen Abplattungen liegen, bestehen
läßt. Man kann jedenfalls eine, vielleicht auch mehrere
ste ti ge Dichtigkeitsänderungen von Schicht zu Schicht so wählen,
daß da3 Potential der ganzen Masse auf innere Punkte durch
weitere Entwicklung auch für die numerische Rechnung brauch-
bar zum Ausdrucke gebracht wird. Indessen wird man in ge-
wissem Sinne allgemeiner und zweckmäßiger so veifahren, daß
man eine endliche Zahl beliebiger homogener Ellipsoide
mit gleichem Mittelpunkt in der Sonne übereinanderlegt und
die Dichtigkeit dieser Ellipsoide ebenso wie ihre Lage und
Größenverhältnisse so wählt, wie den darzustellenden Anomalien
in den Bewegungen der inneren Planeten angemessen ist. Die
einzelnen Ellipsoide müssen so gelegt werden, daß ihre Ober-
flächen von keiner Planetenbahn geschnitten werden. Diesen
Weg habe ich vor 13 Jahren beschritten, mußte damals aber
den Abschluß meiner Rechnungen aufgeben, da die Newcomb-
schen Zahlen noch nicht vorlagen, somit irgendwelche Hand-
habe zu einer Prüfung nicht vorhanden war.
4.
Man muß also die säkularen Störungen, denn diese kommen
allein in Betracht, in angemessener Form berechnen, welche
ein homogenes Rotationsellipsoid auf innere und äußere plane-
tarisch bewegte Punkte ausübt. Zu diesem Zwecke ist der
säkulare Teil des Potentiales eines homogenen aber beliebig
stark abgeplatteten Ellipsoides abzuleiten. Bei dieser Rech-
nung kann man von den Potentialen Va und Vi eines abge-
platteten Rotationsellipsoids mit den Axen a, a und b und der
homogenen Dichtigkeit q auf äußere und innere Punkte in der
integrierten Form ausgehen. Viel einfacher ist es aber, wenn
man zuerst die Ausdrücke unter dem Integral entwickelt und
dann erst die Integration ausführt, wobei nur bekannte Formeln
anzuwenden sind. Beide Methoden geben selbstverständlich
übereinstimmende Resultate.
H. Sceliger: Das Zodiakallieht.
605
Ist noch k die QauSsche Konstante und setzt man:
so ist bekanntlich für äußere Punkte:
""-J V - «* + o - WT'c) (a'4
da
+ 0} (o* 4- o) V'&M- o '
wo A, bestimmt ist durch die Gleichung:
a^ + y*
+ M
e^
= 1.
Für innere Punkte ergibt sich X2,, wenn in £?• 2, == 0
gesetzt wird. Setzt man hierin noch:
r^ =B j:« -}- y« -|- ^«,
so wird also:
"•=/(' -».-4
^>(a»— 6«)
+ o (a« + o) (6» H- a)} («« -|. o)(V^6»+ o)
)) («'
e^o
(1)
und:
»^ ^» • (g* — V) _
«» +7; "*" (a» + 1,) (6« + A,) - ^ •
(2)
Fttr innere Punkte ist dagegen das zugehörige Potential:
Die Berechnung der säkularen Störungen, welche die
inneren Planeten durch diese Potenttale erleiden, kaiin nun
dadurch ausgeführt werden, daß man die in den bekannten
Ausdrücken für diese Störungen vorkommenden Differential-
quotienten von Q nach den Elementen bildet und dann die
Integrale in Bezug auf den ganzen Umkreis der mittleren
Anomalie auf mechanischem Wege ermittelt. In einem gege-
benen speziellen Falle wäre dieses Verfahren rechnerisch viel-
leicht das einfachere. Will man aber wiederholt ähnliche
606 Sitzung der math.-pbys. I^lasse vom 1. Dezember 1906.
Rechnungen mit abgeänderten Daten ausführen, dann ist es
angemessen, die Unbequemlichkeit einer allgemeinen analyti-
schen Entwicklung nicht zu scheuen.
Im vorliegenden Falle, wo es sich um die inneren Planeten
handelte dürfen nun die Bahnexzentrizitäten und die Bahn-
neigungen gegen die Ekliptik oder andere gegen sie nicht
beträchtlich geneigte Ebenen als kleine Größen betrachtet
werden, nach deren Potenzen brauchbare Entwicklungen von
Q fortschreiten werden. Für die Planeten Venus, Erde und
Mars wird man dann, da es sich doch nur um mäisig genaue
Entwicklungen handelt, bei den Gliedern zweiter Ordnung
stehen bleiben können. Es ist leicht einzusehen, daß die End-
resultate kaum wesentlich sich ändern werden, wenn man
sCuch in Bezug auf die Merkurbahn dieselbe Einschränkung
der Entwicklung gelten läßt und ich habe vorläufige Rech-
nungen tatsächlich so ausgeführt Jetzt soll die Entwicklung
auf breiterer Grundlage ausgeführt werden und zwar so, daß
auch für Merkur die größten Glieder bis auf 3 bis 4 Stellen
genau herauskommen.
Im folgenden wird die sogenannte EUiptizität /:
X^ = ^-'- (3)
eingeführt. Damit bestimmt sich der hier in Frage kommende
Wert von X^ nach (2):
Bezeichnet man mit a, die mittlere Entfernung des in
Betracht zu ziehenden Planeten und setzt man:
so wird u eine kleine Größe sein und es soll also das Potential ü
nach Potenzen und Produkten von u und ;9^ = ^ entwickelt
werden.
Bezeichnet man die Werte der Differentialquotienten für
u = 0 und sf =• Q durch Hinzufügung des Index 0, so wird:
H. Seeliger: Das Zodiakallicht.
607
ö = ßo+
+
Q.'-m^
z"
[ea»'H.K,^a-a-jp
Q\
H-ICa—li^I-'-'G-^j,""
+
+
(4)
Bei der Differentiation des Integrals für Qa kann man die
Grenze Aj konstant halten, weil für a := ^, der Ausdruck unter
dem Integral nach (2) verschwindet, wodurch die weitere Aus-
rechnung wesentlich vereinfacht wird. Das Glied:
fio=I-a?II,
wo:
I
0> 00
kann man ganz fortlassen, da es nur vom Bahnelement a^ ab-
hängt und Differentialquotienten nach a^ im folgenden nicht
vorkommen. Es tritt noch das Integral:
ni
00
Jdo
)i
auf. Hier ist AJ der Wert von ^ für u = -s^ = 0, also:
{kiy + ¥ = al- a' + b' = al — l'b'.
Am einfachsten für die numerische Rechnung scheinen
sich die Formeln zu gestalten, wenn man:
SI.S
r =
X*h
IM
a\ - i^b
(5)
608 Sitzung der umth.-phys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
einführt, woraus u. a. folgt:
1 4-f*
«1=^0 • ^5 — .
Die oben erwähI]te^ Integrale I, II und III sind bekannt-
lich leicht ausführbar und man findet:
, 2
^^' "==«Ä"4*^8^-ITf^]
(^a^^i^)m=-^.rctgS-i^,.^±^
Ich habe im folgenden noch die Bezeichnung benutzt:
(6)
8>(^)=-3ai«tgf-:i^-i-=j'- 1
y,(A)-3(arctgA-j-A_j.
Die Berechnung des Differentialquotienten in (4) bietet
nun höchstens einige Umständlichkeiten, aber keine Schwierig-
keiten dar. Eb wird genügen, ihre Werte in der definitiven
Form anzuführen.
KdQ'Jo A6a;L2^2*J
(^\ S r^LS . 189 81 15 ^1
\de')~ ^ba'^l 8 ■'" 8 *"''8*"'"8*J
/'»•^•^ _ . f [3465 693 891 165 105^]
Für die Differentialquotienten nach C findet man:
H. Seeliger: Das Zodiakallicht.
60d
V 3 C'7.~
dC'dQ
>l6a; [2 ^2^J
1* [63 , 27 .
r+ 2 ^
•+yf]
= +
'\'!r + '!r]
Iba^'l
4
693
_^ 891 ^,^495
8
8
r +
105
8
■J
In Rücksicht auf die im Folgenden auftretenden Yerhfiltnisse,
denen zufolge bei Merkur zwar u beträchtlich, dagegen aber C
sehr klein und bei den übrigen inneren Planeten, wo f merkbarer
als u ist, reichen die angegebenen Werte zu einer für die vor-
liegenden Zwecke genügend sicheren Berechnung der sakulfiren
Störungen sicherlich aus. Es sind nunmehr die s&kularen
Teile der Potenzen und Produkte von u und C zu berechnen.
Ich bezeichne diese durch ein vorgesetztes S. Am einfachsten
gewinnt man in den vorliegenden Fällen den säkularen Teil
einer Funktion f von u und C durch Ausführung des Integrals:
Sfiu, C)==~ ff(u, 0-(l-e cos E) dE,
worin selbstverständlich:
M = r* — a? und C
durch die exzentrische Anomalie E auszudrücken sind.
610 Sitzung der math.-phya. Kloaae vom 1. Dezembre 1906.
Auf diesem Wege findet man:
1.-271^-5 ^(«') = «K2V" + äV-)
Bei der Entwicklung der säkularen Teile von Größen,
welche mit Potenzen von js'' behaftet sind, soll bis zu Gliedern
6. Ordnung gegangen werden, wobei indessen Glieder von der
Ordnung js* ^ und z^ und kleinere als unmerklich fortzulassen
sind. Man kann nun weiter e in die Form bringen:
^ = 5, r sin v + C^i ^ cos v,
wo V die wahre Anomalie bedeutet. Man kaijn dann sofort z
als Funktion' der exzentrischen Anomalie darstellen und die
obigen Integrale fUr f(uC) =^ ti"* ^ entwickeln. Bis zum an-
gegebenen Genauigkeitsgrad findet sich dann:
S (^«) = a\ ^ [^ I 4- C« ^ _ ^B\ I + e' Cr ■ I]
H. Seeliger: Das Zodiakallicht. 611
Bei der Zusammenfassung des Resultats für Qa nach
Formel (4) empfiehlt sich folgende Schreibweise. Es sei Qq
die mittlere Dichtigkeit der Sonnenkugel, g ihr Radius, Wj die
mittlere Bewegung des Planeten und /i = i' die Anziehungs-
konstante, c eine passend zu wählende ganze Zahl derart, daß
nicht zu große und nicht zu kleine Werte für die Koeffizienten
hervorgehen. Ich setze dann:
^ = |.«.L+J!,o.
4 a« P
■= ftO'
Ä.=
)5-10
— e
(7)
Dann ergibt sich für die in den Störungsformeln für die
a, n.
Elemente vorkommende Größe — — - Va folgender Ausdruck, wo-
bei, wie schon erwähnt, die Glieder, welche nur das Element
Aj enthalten, der Einfachheit wegen fortgelassen worden sind:
+ A,n,
^
1+r
{:X
'+l^'hik+
11 m^
16^ "^192^
-^^(24 + 108^+1151«+ 35 10
— -g^ (24 -f 180 I' + 335 r + 175 A.
(8)
190«. Sitsungslf. d. mAih.-pliT». KL
40
612 Sitzung der math.-phjs. Klasse vom 1. Dezember 1906.
Für innere Punkte stellt sich die Endformel völlig streng
in sehr viel einfacherer Gestalt dar. Man findet sofort:
a. n
(9)
Um alles beisammen zu haben sind nun noch die Großen
B^ und (7| und ihre DifTerentialquotienten nach den Elementen:
Länge des Perihels tt, Länge des aufsteigenden Knoten ii^
Neigung der Bahnebene i zu berechnen, welche Elemente sich
in üblicher Weise auf die Ekliptik und den Widderpunkt be-
ziehen. Da sich z auf die Aquatorebene des EUipsoids be-
zieht, ist:
z = r sin i, sin (v -f- ji — Q — d) = B^r sin r + 6\ r cos t\
Hierbei bedeutet i, die Neigung der Ebene der Planeten-
bahn gegen den Äquator des EUipsoids, d ist die Winkel-
distanz des aufsteigenden Knotens der Planetenbahn auf der
Aquatorebene von dem aufsteigenden Knoten derselben Bahn-
ebene auf der Ekliptik in demselben Sinne wie Ji und Q ge-
zählt. Nennt man noch J die Neigung des Äquators und 0
die Länge seines aufsteigenden Knotens in Bezug auf die Ekliptik,
so sind die drei Winkel in dem von den drei in Frage kom-
menden Kreisen gebildeten sphärischen Dreieck: ij, J und
180° — i und die den zwei ersten Winkeln gegenüberliegenden
Seiten und ü — 0 und d. Man hat demnach :
sin L sin d = sin c7sin (Q — 0) \
. . ... 1 (10)
sin i, cos d = cos c7sin i — sin c7cos i cos (ß — 0) }
und damit ergibt sich sofort:
J?, = sin i| cos (ji — ii — d); C\ = sin t, sin (ji — fi — S), (11)
Die zweite Formel (10) wird für kleine Werte von J—%
und Q — 0^ wie solche in der Tat bei Merkur vorkommen,
praktisch unbrauchbar. Sie ist dann durch:
. Q— 0
sin ij cos (5 = sin (i — e7) + 2 sin J cos i sin * — ;r —
zu ersetzen.
'H. Seeliger: Das Zodiakallicht.
613
Aus (11) ergibt sich nun sehr einfach:
— .* = cos tj cos {n — U) ; -■— = cos tj sin (n -
und, was auch zur Kontrolle benutzt werden kann:
Q)
a (Bl + CT)
di
= 2 sin i, cos i, cos d.
dB
Ferner ergibt eine einfache Rechnung:
J = + (7, 4" sin «T^sin {n — <P) — 2 sin* ^ i sin t, sin S cos (« — Q)
dÜ
'4 = -^-
5j — sin J'cos(7i — 0) — 2 sin^ l i sin i^ sin <5 sin (n — Ü).
Als Kontrollformel wird man die sehr einfache Relation
zu verwenden haben:
9 (-BJ + C?) o • • . . . . «
^ = 2 sm t, cos tj sm » • sin d.
Nunmehr sind alle im Folgenden benutzten Formeln ab-
geleitet.
Es sei gleich bemerkt, da& für die innem Planeten folgende
Daten benutzt worden sind, wobei das Jahrhundert als Zeit-
einheit angesetzt ist:
ü
st
log<j
Merkur 7?003 7ö?896 47?147 9.3131
log (f]\
14.4912
Venus 3.394 130.164 75.780 7.8320 14.8984
Erde — 101.219 —
8.2241 15.1095
Mars 1.850 334.218 48.786 8.9699 15.3841.
Die in Frage kommenden Säkularänderungen der Planeten-
bahnelemente ergeben sich aus den bekannten Gleichungen:
40'
614 Sitzung der math.-phja. Klasse vom 1. Dezember 1906.
dt e d ji \ /i J
d
^ dt
" = + i/T=T« . I sf«'^'n+ -^-^tg^i ^.s(^-^
. dii , 1 a c'/'«i».'^\
sin t • , .- = i — ; — -- • - ; '5 I - — ' — )
dt ' |/i
(2»
dl
^ Y\ ß^dn \ jLL J yi ^3 sin* dU \ fi J
5.
Will man nun die angegebenen Formeln zur Darstellung
der empirischen Glieder in den säkularen Bewegungen der
Bahnelemente der inneren Planeten benutzen, so hat man, den
früheren Bemerkungen gemäis, eine Anzahl konzentrischer
EUipsoide, die mit 1, 2, 3 etc. bezeichnet werden mögen, pas-
send zu wählen. Unbekannt sind zunächst die Dichtigkeiten
innerhalb der einzelnen EUipsoide Qi^ Q^, Q^ etc., ebenso die
Elliptizitäten X^ X^ X^ etc., die Neigungen e/, J^ . ., die Enoten-
längen 0, (ß, etc. ihrer Äquatorebenen. Selbstverständlich wird
man die Zahl der Unbekannten möglichst klein wählen, denn
eine durch eine genügend große Anzahl von Unbekannten er-
zwungene Darstellung der empirisch gegebenen Daten hätte
keine Bedeutung. Sind die einzelnen q bekannt, so mufi die
Gesamtdichtigkeit innerhalb des ersten Ellipsoids q^-\- q^+Q^-i-"
angenommen werden. Zwischen dem ersten und zweiten Ellip-
soid herrscht die Dichtigkeit q^-\- q^-l- "<, zwischen dem zweiten
und dritten qs-\- q^+ " u. s. f. Zu bemerken ist noch, daß
die Massen innerhalb der Sonnenkugel eigentlich nicht in Be-
tracht gezogen werden sollten. Indessen tritt, wenn hierauf
nicht Rücksicht genommen wird, nur eine Vergrößerung der
Sonnenmasse ein, was natürlich umsomehr gleichgültig ist, als
sich die einzelnen q gegenüber der Sonnendichtigkeit ^^ ver-
schwindend klein ergeben.
H. Seeliger: Das Zodiakallicht. 615
Ursprünglich hatte ich fünf Ellipsoide mit den großen
Halbachsen:
a, = 0.10, 0.17, 0.24, 0.60, 1.20
angenommen. Die Rechnung ergibt aber, daß die Koeffizienten,
welche die den drei ersten Ellipsoiden entsprechenden Beiträge
zu den säkularen Veränderungen bestimmen, so nahe propor-
tional verlaufen, daß gar nicht daran gedacht werden
kann, die einzelnen ?, g'^ ^3 zu bestimmen. Es ist demnach
so gut wie ganz gleichgültig, wie die Dichtigkeit der
Massenverteilung in der Nähe der Sonne bis zu etwa
*/3 der Merkurentfernung verläuft. Man wird deshalb
in jedem Falle mit der Annahme nur eines EUipsoides, das
zwischen Sonne und Merkurbahn liegt, auskommen müssen und
es ist dabei ziemlich gleichgültig, wie groß man das zuge-
hörige a wählt. Ich habe im Folgenden nur das EUipsoid 3
beibehalten. Ebenso zeigt der Verlauf der Koeffizienten, daß
das EUipsoid 4 keinen nennenswerten Beitrag zur Darstellung
der empirischen Glieder liefern kann und es fast ganz gleich-
gültig ist, ob man dieses beibehält oder nicht. Ich habe es
schließlich fortgelassen, so daß nur die beiden Ellipsoide 3 und 5
übrig bleiben. Jedenfalls ergibt sich aus dem Gesagten, daß
die Massen Verteilung im Zodiakallicht nur in ganz allge-
meinen Umrissen bestimmbar ist, was in jedem Falle nicht
zu Ungunsten der ganzen Hypothese zu sprechen scheint. —
Was die ElHptizitäten l betrifit, so zeigt sich ebenfalls,
daß dieselben innerhalb weiter Grenzen willkürlich angenommen
werden dürfen, ohne eine wesentliche Änderung in der Dar-
stellung der empirischen Glieder zu veranlassen; nicht einmal
die Werte der Unbekannten ändern sich sehr merklich. Da
zunächst über die Dichtigkeitsflächen im Zodiakallicht nichts
näheres angegeben werden kann und nur die Annahme, daß
die Abplattungen sehr beträchtlich sind, einige Sicherheit hat,
ist man tatsächlich zu diesen willkürlichen Annahmen ge-
zwungen. Wichtig ist es, daß eine solche Willkür keine große
Bedeutung hat. Ich habe nun für das EUipsoid 3 A = 10, für
das EUipsoid 5 dagegen A = 5 gewählt. Auf diese Weise ist
616 Sitzung der math.-phys. Klaase vom 1. Dezember 1906.
erreicht, daß die Erdbahn ganz innerhalb des EUipsoids 5
liegt, was bei der Aufstellung der Formeln angenommen wor-
den ist.
Die Lage der Aquatorebenen der EUipsoide ist, wie von
vornherein zu erwarten, nicht so unbestimmt, wie die anderen
Daten. Es zeigt sich, daß die Lage des EUipsoids 3 in ziemlich
bestimmter Weise angenommen werden muß, dagegen die von
5, wegen des geringen Einflusses der hieraus hervorgehenden
Störungen, ziemlich gleichgültig ist. Wichtig und nötig ist
zu einer befriedigenden Darstellung der empirisch gefundenen
Newcombschen Glieder die Einführung einer Drehung des in
der Astronomie üblichen Koordinatensystems gegen ein im
Sinne der Mechanik sogenanntes absolutes oder besser gesagt,
gegen ein Inertialsystem im Sinne der Untersuchungen Herrn
E. Andings*) und meiner eigenen.^)
Ich hatte mich bei einer provisorischen Rechnung, deren
Resultate ich in der Versammlung der Astronomischen Gesell-
schaft in Jena^) vortrug, damit begnügt, die Störungsfunktion
Va bis auf Glieder zweiter Ordnung inklusive in Bezug auf
Neigung und Exzentrizitäten zu benutzen, ein Verfahren, dessen
Zulässigkeit wohl von Anfang an überblickt werden kann, das
durch die folgenden Mitteilungen aber unzweifelhaft bestätigt
wird. Einen detaillierten Nachweis über diese Rechnungen zu
geben, hätte kein Interesse mehr, da sie jetzt nur noch als
orientierende Grundlage für das Folgende benutzt worden sind.
Ich begnüge mich deshalb hier nur die damals erhaltenen Re-
sultate anzugeben.
Es gelang eine durchaus befriedigende Darstellung durch die
Einführung von fünfU nbekannten, nämlich: Neigung Jund Knoten
0 des Äquators des EUipsoids 3 in Bezug auf die Ekliptik,
die zwei Dichtigkeiten q^ und q^ und schließlich der Rotations-
*) E. An ding, Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften,
Band Via, 1906.
*) Über die sogenannte absolute Bewegung. Sitzungsberichte der
Manchener Akademie, 1906.
^) Vierte^jahrBSührift der Astron. Gesellschaft, Jahi-gang 41.
H. Seeliger: Da« Zodiakallicht. 617
komponente r, welche sich auf die Orientierung des empiri-
schen Koordinatensystems der Astronomie bezieht und die
hundertjährige Drehung dieses Systems um eine auf der Ekli-
ptik senkrechten Achse bedeutet. Es ist von vornherein nach
der Art, wie sich die Orientierung des astronomischen Koordi-
natensystems mit der Zeit entwickelt hat, recht wenig wahr-
scheinlich, daß die beiden anderen Rotationskomponenten p
und q außer r einen nennenswerten Betrag haben könnten.
Deshalb wurden die p und q gar nicht eingeführt, weil sonst
die Zahl der Unbekannten größer als wünschenswert geworden
wäre. So handelte es sich um die Bestimmung von fünf Un-
bekannten aus zehn Bedingungsgleichungen und das Über-
wiegen der letzteren ist durchaus genügend. Bei der Beur-
teilung dieses Überschusses ist es bekanntlich ganz gleich-
gültig, ob die darzustellenden empirischen Glieder groß oder
klein sind. Eine säkulare Veränderung der Exzentrizitäten
wird erst durch die höheren Potenzen von Exzentrizität und
Neigung, als in Betracht gezogen worden sind, erzeugt und
man muß sich auf die obige Bemerkung beziehen, daß diese
ebenfalls von Newcomb abgeleiteten Veränderungen zunächst
wenigstens unberücksichtigt bleiben können.
Für die fünf genannten Unbekannten nebst ihren mittleren
Fehlern ergab sich nun:
J = 6?95 ± 0?97 0 = 40?03 ± 7?3
^ = (2.52 ± 0.15) 10-^> ^ = (2.60 ± 2.19) 10-^«
r = 5:693 ±i:68.
Hierbei wurde angenommen, daß der Äquator des Ellip-
soids 5 mit dem Sonnenäquator zusammenfallt.
Für die Rechnung mit den im Vorigen gegebenen ge-
naueren Formeln habe ich nun für J und (P, sowie für die
Lage des EUipsoids 5 dieselben Annahmen gemacht, die eben
erwähnt worden sind, da schon so ein guter Anschluß an die
empirischen Daten in Aussicht stand. Als zu bestimmende
Unbekannte wurde statt q^ und q^ eingeführt:
618 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
Für das Ellipsoid 3, d.h. a = 0.24, ergibt sich, nun:
I log ^f'l^)
Merkur 0.7889 8.7692^—10
Venus 0.3498 7.2360« — 10
Erde 0.2459 6.5196h— 10
Mars 0.1587 5.5894„— 10.
Femer ist:
log W{10) = 1.1955n, log !P, (10) = 0.6145.
Für das Ellipsoid 5 habe ich aus äußeren Gründen, weil
die früheren Rechnungen beim Mars mit einem Näherungswert
für f ausgeführt worden waren und ich wegen der Kontrolle
denselben Wert ftlr f benutzen wollte, angenommen a = 1.2235
(früher 1.20). Hiermit ergibt sich für Mars:
1 = 1.2773; log »^(1) = 9.5057»
und:
log !^(5) = 0.7833«; log W^ {X) == 0.5494.
Mit diesen Daten kann nun an die Ausrechnung der im
Artikel 4 gegebenen Formeln geschritten werden. Diese Aus-
rechnung ist nicht ganz einfach. Ich hoffe indessen mich durch
wiederholte Kontrollen und wo solche nur auf diesem Wege
zu erhalten waren, durch doppelte Rechnung vor Rechenfehlem
geschützt zu haben, so daß ich die Sicherheit des Endergeb-
nisses einigermaßen verbürgen kann. Die Mitteilung der Einzel-
heiten der Rechnung wäre danach wohl überflüssig und ich
führe nur das Endresultat an. Zunächst ist zu bemerken, daß
auch jetzt die Säkularstörungen in den Exzentrizitäten voll-
ständig unmerklich sind. Das Weitere kann in die zehn Be-
dingungsgleichungen für die drei Unbekannten ß^y ß^^ r zu-
sammengefaßt werden, wobei die in Klammem gesetzten Zahlen
H. Seeliger: Das Zodiakallicbt.
619
Logarithmen bedeuten und der Strich über der Kennziffer eine
Verminderung um 10 andeutet:
[ Merkur [0.6505 ] /?, + [0.3538»
dn I Venus [7.9629 ] [9.2878,,
dTjErde [7.8418] [9.8834„
[Mars [7.9369 ] [9.8403
du
dt
dt
"dl
Merkur [8.4728,]
Venus [8.7263 ]
Mars [7.9285 ]
Merkur [9.5404 ]
Venus [8.9815 ]
Mars [7.2369 ]
[9.5147,
[0.4791
[9.7993
[0.0809«
[9.2588
[9.6137»
ß, + [9.3131] r
[7.8338]
[8.2240]
[8.9699]
[9.0861]
[8.7723]
[8.5091]
+ 8:48 3
— 0.05 4
+ 0.10 7
+ 0.75 3
+ 0.61 2
+ 0.60 6
+ 0.30 5
+ 0.38 1
+ 0.38 3
— O.Ol 5.
Die Gewichte g sind den von Newcomb angegebenen
wahrscheinlichen Fehlern entsprechend auf ganze Quadrat-
zahlen abgerundet worden.
Von einer weiteren Verbesserung der Größen J und ^
habe ich abgesehen, denn es ergibt sich, daü man eine fast
genau gleiche Darstellung wie frUher erhält, wenn man /?,
der Perihelbewegung des Merkurs und ß^ dem Glied im Venus-
knoten entsprechend annimmt:
log ß^ = 0.2207 , log ß^ = 8.7084 .
Es ist nun weiter nicht möglich die Quadratsumme der
übrigbleibenden Fehler merkbar, d. h. die Genauigkeit der vier-
stelligen Rechnung wesentlich übersteigend, zu verkleinern und
man könnte also mit dem erhaltenen Resultat sich begnügen.
Indessen schien es mir wünschenswert die mittleren Fehler der
Unbekannten zu ermitteln. Aus diesem Grunde wurde eine
Ausgleichung der zehn Bedingungsgleichungen mit drei Unbe-
kannten ausgeführt. Diese ergab die folgenden Werte nebst
ihren mittleren Fehlern:
/?, = 1.654 ± 0.077 ; ß^ = 0.0477 ± 0.0263
r = 5:85 ± 1:22
620 Sitzung der math.-phys. Klasse vom 1. Dezember 1906.
und nunmehr ergibt sich folgende Dai-stellung, wobei ich der
Übersichtlichkeit wegen die einzelnen, von ß^^ ß^ und r her-
rührenden Glieder anführe und ihrer Summe die Newcorabschen
Daten gegenüberstelle:
^'d^'IErde
ßt /?Q r Rechnung Newcomb N—R
(Merkur +7:396 -0.108 +1.203 +8:49 +8:48±0:43 -OrOl -0:01
Venus +0.015 -0.009 +0.040 +0.05 -0.05 0.25 -0.10 -0.10
+0.012 -0.037 +0.098 +0.07 +0.10 0.13 +0.03 +O.01
Mars +0.014 +0.033 +0.546 +0.59 +0.75 0.35 +0.16 +0.19
. .dÜ
sm t ~^-
dt
Merkur -0.049 -0.016 +0.713 +0.65 +0.61 0.52 -0.04 -O.Ol
Venus +0.088 h 0.144 +0.346 +0.58 +0.60 0.17 +0.02 0
Mars +0.014 +0.030 +0.189 +0.23 +0.03 0.22 -0.20 -0.18
di
dt
fMerkur +0.574 -0.057
Venus +0.159 +0.009
Mars +0.003 -0.020
— +0.52 +0.38 0.80 -0.14 -0.11
— +0.17 +0.38. 0.33 +0.21 +0.18
— -0.02 -O.Ol 0.20 +0.01 0
In der letzten Rubrik steht noch die Darstellung, wie sie
die provisorische Rechnung geliefert hat. Ein irgendwelcher
in Betracht zu ziehender Unterschied ist nicht vorhanden und
der Umstand, daß die frühere Darstellung ein wenig besser ist,
hat keine Bedeutung, weil er sofort verschwinden würde, wenn
eine Neubestimniung von i und 0 unternommen würde, was
natürlich gegenwärtig ein ganz unnötiges Unternehmen wäre.
Aus den obigen Zahlen ß^ und ß^ ergibt sich noch:
^ = 2.18X10
-H; ^•'^=0.31X10-'*
Die Gesamtmasse der ganzen Massenverteilung ist hiernach
gleich 3.1 xlO""^ Sonnenmassen.
Die Dichtigkeit der Massen Verteilung ist also selbst in den
der Sonne am nächsten liegenden Partien ganz außerordentlich
klein. Sie entspricht der Massenverteilung, die man erhält,
wenn man einen Würfel Wasser von weniger als ^/a Meter
Seitenlänge in einem Raum von 1 Kubikkilometer verteilt.
H. Seeliger: Das Zodiakallicht. 621
Was die Darstellung der Newcombschen empirischen Glieder
betrifft, so ist dieselbe geradezu überraschend gut. Sämtliche
Glieder werden innerhalb ihres wahrscheinlichen Fehlers durch
die Rechnung dargestellt und mit Ausnahme des Gliedes in
sin i-^T bei Mars weit innerhalb des wahrscheinlichen Fehlers.
dt
Bedenkt man nun weiter, daß diese Darstellung gleich beim
ersten Versuche gelungen ist, so wird man den erreichten Erfolg
wohl kaum nur einem glücklichen Zufall zuschreiben. Die
Sache liegt eben so, daß die gemachten allgemeinen Annahmen
einen weiten Spielraum für die speziellen Zahlenangaben, die
zu Grunde gelegt wurden, gestatten. Da eine Einwirkung der
das Zodiakallicht bildenden Massen auf die Bewegung der
inneren Planeten unter allen Umständen stattfinden muß und
man, wie schon oben erwähnt, nur über die Größe und Art
dieses Einflusses im Zweifel sein kann, da weiter in der durch-
geführten Rechnung nirgends Zahlen auftreten, die nach irgend
einer Richtung Bedenken erregen können, so ist mit einiger
Sicherheit anzunehmen, daß die empirischen Glieder
in der Bewegung der inneren Planeten tatsächlich auf
die Massen des Zodiakallichts zurückzuführen sind.
Wesentlich für die gewonnene Darstellung ist die Lage
des innersten Ellipsoides, die durch J und 0 bestimmt ist,
während das Charakteristische in der Dichtigkeitsverteilung die
schnelle Abnahme der Massendichtigkeit ist, die bereits in den
Gegenden, wo sich die Merkurbahn befindet, eingetreten ist.
Als ebenso wesentlich für die Darstellung der empirischen Glieder,
mit Ausnahme des die Perihelbewegung des Merkur bestimmen-
den, hat sich die Einführung der Rotationsgröße r bewährt.
Es war dies übrigens von vornherein zu erwarten. Was dieses
r betrifft, wonach also eine säkulare Drehung des empirischen
Koordinatensystems der Astronomie um das der Mechanik zu
Grunde liegende im Betrag von 5r8 ± V,2 im Jahrhundert
stattfindet, so ist nicht uninteressant, daß sich sein Betrag
gegen die früheren Darstellungen mit Ausschluß der Perihel-
bewegung und ohne Rücksicht auf die Einwirkungen der Massen
622 Sitzung der math.-ph js. Klasse vom 1. Dezember ld06.
des Zodiakallichts nicht unwesentlich verkleinert hat. Ich hahe
a. a. 0. darauf hingewiesen, daß eine Verkleinerung des früher
gefundenen Wertes r = 7'5 angemessen zu sein scheint. Eine
solche Verkleinerung ist jetzt schon eingetreten; es wäre aber
vielleicht möglich diese Verkleinerung noch weiter zu treiben
durch abgeänderte Anfangsdaten, die ja doch mehr oder weniger
willkürlich waren, was eben als ein günstiges Zeichen für die
Zulässigkeit der Grundlagen dieser Arbeit angesehen werden darf.
Die empirischen Glieder in den Exzentrizitäten konnten
nicht in gleichem Maße, wie die übrigen, dargestellt werden.
VtToUte man dieses erreichen, so müiäte wohl eine andere und
voraussichtlich weniger einfache Anordnung der Massen des
Zodiakallichts, wie hier angenommen worden, in Betracht ge-
zogen werden. Daß namentlich in der Nähe der Planeten so
einfache Verhältnisse gar nicht bestehen können, dürfte inso-
weit feststehen, als das Zodiakallicht als eine Massenanhäufung
von stabiler Dichtigkeitsverteilung angesehen wird. Damit
werden indessen Fragen berührt, zu deren Behandlung bisher
noch kein Versuch gemacht worden ist.
tri
Namen -Register.
Bunue«ter Ludwig 219.
Ebert Hermann 627.
EndrOB Anton 297.
Faber Qeorg 661.
Fiedler Wilhelm (Wahl) 693.
Flemming Walther (Nekrolog) 468.
Froriep August (Wahl) 593.
V. flroth Paul 413.
HartogB Fritz 223.
T. Heigel Karl Theodor 42Ö. 585.
Hartwig Richard 219.
Hoftnann Karl (Wahl) 593.
Kleinechmidt A. 413.
V. KOlliker Albert (Nekrolog) 441-
Kom Arthur 3. 37. 351.
KOkeothal W. 245.
Landau Edmund 161.
Limbrock H. 413.
Larotb Jakob -105.
Lutz C. W. 607.
Meißner Georg (Nekrolog) 466.
Mesaerscbmitt Johann Baptist 546.
Hollier Siegfried 403.
V. Orff Carl (Nekrolog) 433.
T. Popp Karl (Nekrolog) 479.
Pringaheim Alfred 415.
624 Namen -Register.
Babl Karl (Wahl) 593.
Ranke Karl Ernst 82.
V. Richthofen Ferdinand (Nekrolog) 472.
V. Rohr Moritz 487.
Rückert Johannes 408.
Schmidt Max 139.
y. Seeliger Hugo 85. 595.
Stahl Ernst (Wahl) 593.
Stolz Otto (Nekrolog) 477.
Struve Otto (Nekrolog) 439.
Vogel Hermann Cari (Wahl) 593.
V. Voit Cari 433-479.
Voß Aurel 247.
Weinschenk Ernst 2.
Wittrock Veit Brecher (Wahl) 593.
625
Sach- Register.
Ailditionstheorem elliptischer Funktionen 415.
Alcyonaceen, japanische 245.
Ammoniumjod id, KriHtalLstruktur 413.
Anspniche des Präsidenten 426. 585.
Anthropologische Beobachtungen aus Zentralbrasilien 82.
Bewegung, absolute 85.
Blut, Entwicklung bei Wirbeltieren 403.
Dreieckskette, südbayerische 139.
Druckschriften, eingelaufene im Jahre 1906 1* -39*.
Eigenschwingungen eines elastischen Ktirpers 351.
Extreme einer Funktion 405.
Fakultätsreihen, Theorie 151.
Flächenzerlegung in infinitesimale Rhomben 247.
Flammen kollektor, neuer 507.
Geschleohtsbestimmung bei Fröschen 219.
GestültstäuHchungen, geometrisch -optische 219.
Gleichgewichtsproblem, elastisches 37.
Integralformel, Cauchysche 223.
Magnetische Ortsbestimmungen in Bayern 545.
Nekrologe 433—479.
r
Potentiale von Flltchen und RAnmc^n 3.
Fotensreihen mit uoeniUich vielen Koefüzienten 561.
PnlnUonen von geringer Perioden da uer iD der luagnetiecheit FcldkiaA W. ■
Baomanschauuiig, ini^Kli>''iQ Formi'ii Iji'i buiilriugi)p'in Sclieii 487.
Säiiefer, kristuUininchpr 2.
Beewhwan klingen de» ChieinKi'es l'Si.
Tiui-Schan, Prolil dunh ilo« Büdliclu; Mii:.iirt-'l'ul 413.
Wahlen 693.
Zodialcallicht &9A.
eiektrischen Feld«
-^
ta^
m
5 Cm
'endefi Flämmenkolleh
i
iktrischen Feldes
r.
Verzeichnis der im Jahre 1906 eingelaufenen Drucicschriften.
Die yerabrlicbeii Geaellscluiften und Institute, mit welchen unsere Akademie in
Tsuschverkehr steht, werden gebeten, nachstehendes Verzeichnis sugleieh als Empflings-
besULtigung xu betrachten.
Das Format ist, wenn nicht anders angegeben, 80.
Von folgenden GeseUsohaften and Instituten:
Oeschichtsverein in Aachen:
Zeitechrift. Bd. 27. 1905.
Historisdie Gesellschaft des Kantons Aanjau in Äarau:
Argovia. Bd. 31. 1905.
Societe d'Emulation in Äbbeville:
Biületin trimestriel 1903/05. 190G, No. 1 et 2. 1903—06.
Memoires. Tome 21. 1906.
Memoires. 4« Serie, tome 5, partie 1 et Table generale 1707 — 1904. 1904.
lioyal Society of South- Australia in Adelaide:
Menioirs. Vol. I, part 3. 1905. 4".
Transactions and Proceedings. Vol. XXIX. 1905.
Observatory in Adelaide:
Meteorological Observations of the years 1902/04. 1905—06. fol.
Südslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:
Ljetopis. 1905. 1906.
Rad. Bd. 161—164. 1905-06.
Zbornik. Bd. X, 2; XI, 1. 1905-06.
2ivota Biskupa. Strossmayora 1. 1906.
Codex diplomaticus regni Croatiae. Vol. III. 1905. gr. 8®.
Rjecnik Svezak 25, 2. 1905. 4«.
Tl. Kroat.-slavon.'dalmatinisches Landesarchiv in Agram:
Vjestnik. Bd. VIII, Heft 1 -4. 1906. 4«.
Kroatische Ardiäologische Gesellschaft in Agram:
Vjesnik. N. Serie, Bd. VIII. 1906. 40.
1
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Faeulti de droit et des lettres in Aix:
Annales. Tome 1, No. 4; tome 2, No. 1, 2. Paris 1905—06.
NatmrforscKende Gesellschaft des Osterlandes in ÄUenbutg:
Mitteilungen aus dem Osterlande. N. F., Bd. 12. 1906.
Sociile des Antiquaires de Picardie in Ämiens:
Album arch^ologique. Fase. 14. 1905. fol.
Documents in^dits concemant la Province. Tome 40, fasc. 2. 1905. 4®.
Bulletin. Annee 1905, trimestre 1—3. 1905—06.
K, Akademie der Wissenschaften in Amsterdam:
Verhandelingen. Afd. Natuurkunde, I. Sectie, Deel IX, No. 2, 8 ; II. Sectie,
Deel Xli, No. 3, 4. 1»06. 4<>.
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Verslagen en Mededeelingen. Afd. Letterkunde, Deel VII. 1906.
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Congr^s des Soci^tes savantes tenu k Arras les 7 — 10 Juillet 1904. 1905.
Naturwissenschaftlicher Verein in Aschaffenburg:
Mitteilungen V. Herausgegeben 1906.
Redaktion der Zeitschrift „Athena" in Athen:
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Bulletin de Correspondance hell^nique. 30« ann^e, No. 1 — 4. Paris 1906.
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Comptes rendus. 1^^ session. 1905.
Historischer Verein für Schwaben und Neuburg in Augsburg:
Die Herrschaftsgebiete im heutigen Regierungsbezirk Schwaben und
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Verhandelingen. Deel 55, stuk 2; Deel 56, stuk 2—4. 1905—06. 49,
Notulen. Deel 43. afl. 1—4; Deel 44. afl. 1. 1905-06.
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Deutsche Geologische Gesellschaft in Berlin:
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Medizinische Gesellschaft in Berlin:
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Die Fortschritte der Physik im Jahre 1905. 3 Bde. Braunschweig 1906.
Verhandlungen. Jahrg. 6, Nr. 24, 1904; Jahrg. 7, Nr. 1—24, 1905;
Jahrg. 8, Nr. 1—23. Braunschweig 1906.
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1905. 4«.
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1905. 40.
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Zeitschrift für Instrumentenkunde in Berlin:
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Osservatorio astronomico e meteorologico in Bologna:
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Naturhistorischer Verein der preußischen Rheinlande in Bonn:
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Sociite d€s sciences physiques et naturelles in Bordeaux:
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Zeitschrift. X. Jahrg., Heft 1—4. 1906.
Naturforschender Verein in Brunn:
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M^moires couronnes CoUection in 8^ tom. 18, fasc. 10; tom. 19, fasc. 1. 1906.
Bulletin. IV« Serie, tome 19, No. 9, 10; tome 20, No. 1-8. 1906.
VerMtkhnis der eingelaufenen Druekeehriften. 7*
AcadSmie Boyale des scienees in Brüssel:
La Chronique de Saint-Hubert publiee par Karl Hanquet. 1906.
Recueil de Documenta rel. k Thistoire de Vlndustrie drapiere au Flandre.
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Annuaire 1906.
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b) Classe des sciences 1906, No. 9—12; 1907, No. 1—8.
M^moires. Classe des lettres. Collection in 8®, tome I, fasc. 6.
Cartulaire de l'Abbaye du Val-Benoit publie par J. Cuvelier. 1906. 4®.
Biographie nationale. Tome 18, fasc. 2.
Inventaire analjtiqne des chartes de la coll^ale de Saint-Pierre ä Li^e
par Ed. Poncelet. 1906.
Inventaire de la ,Librairie* de Philippe le Bon (1420) par Georges
Doutrepout. 1906.
Bibliothique Boyale in Brüssel:
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Ohservatoire Bayale in Brüssel:
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Zoologie 13 fasc. — Botanique 3 fasc. — Meteorologie 3 fasc. —
Hydrographie 1 fasc. avec cartes, publ. par G. Lecointe, Directeur
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Földtani Közlöny. Bd. 35, Heft 8—12; Bd. 36, Heft 1-5. 1905—06. 4«.
Jahresbericht für 1903 und 1904. 1905—06. 40.
Erläuterungen zur agrogeologischen Karte. Sektionsblatt ^ . y^ti *
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, Memoriile sectiunii literare. Serie II, tome 27, 1904—05. 1905. 4®.
„ gtiin^ifice. Ser.II,tom.27, 1904—05. 1905. 4«.
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Istoria romana de Titus Livius. Tome 3, fasc. 1. 1904.
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Memoires et Documents. Särie in 4^, tome 3. 1906. 4^.
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Göttingische Gelehrte Anzeigen. 1905, Nr. 12; 1906, Nr. 1—11. Berlin.
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Naturwissenschaftlicher Verein für Neu- Vorpommern in Greifswald:
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Bijdragen. VII. Reeks, Deel 5, afl. 1—4. 1906.
Departement van Kolonien im Haag:
Description geologique de l'lle d'Ambon par R. D. M. Verbeck. Text
und Atlas, l^tavia 1905. (Atlas in foL)
14'*' Verseiehnis der eingelaufenen Druekeehriften,
Musee Teyler in Haarlem:
Arcliives. Serie II, vol. 10, partie 1 u. 2. 1905—06. 49.
Teylers tweede Genootachap in Haarlem:
Verhandelingen. N. Reeks, Deel VI u. VII. 1905—06.
SociM Hdlandaise des Sciences in Haarlem:
Archives Neerlandaises des sciences exactes. S<^r. II, tome 11, livr. 1 — 5. 1906.
Natuurkundige Verhandelingen. 3® Verzameling, l)eelVl,2<^«8tuk. 1906. 49.
Nova Scütian Institute of Science in Halifax:
The Proceedings and Transactions. Vol. XI, part 1 u. 2. 1901, 1906.
Historisüier Verein für Württembergisch-Franken in Schwäbisch- Hall:
Württembergisch-Franken. N. F., IX. 1906.
K. Leopoldinisdi-Karolinische Deutsche Akademie der Naturforseher
in Halle:
Leopoldina. Heft 41, Nr. 12, 1906; Heft 42, Nr. 1—10, 1906.
Nova Acte. Bd. 82—84. 1904-05. 4«.
Katelog der Bibliothek. Bd. 3, Lief. 1. 1905.
Deutsdie Morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitechrift. Bd. 59, Heft 4; Bd. 60, Heft 1—8. Leipzig 1905—06.
Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. Bd. XII, Nr. 2. Leipzig 1906.
Universität Halle:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4^ u. 8®.
Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle:
Zeitschrift für Naturwissenschaften. 78. Bd., Heft 1—3. Stuttgart 1906.
Thüringisch-Säc/isischer Verein für Erforschung des vaterländisd^en
Altertums in Halle:
Neue Mitteilungen. Bd. 22, Heft 8. 1906.
Mathematische Gesellschaft in Hamburg:
Mitteilungen. Bd. IV, Heft 6. Leipzig 1906.
DeiUsche Seewarte in Hamburg:
27. u. 28. Jahresbericht för 1904 u. 1905. 1905—06. gr. S^.
Sternwarte in Hamburg:
Mitteilungen. Nr. 8, 10. 1905.
Verein für hamburgische Geschichte in Hamburg:
Mitteilungen. 25. Jahrg. 1905. 1906.
Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg:
Verhandlungen. III. Folge, Bd. 13. 1906.
Historischer Verein für Niedersachsen in Hannover:
Zeitechrift. Jahrg. 1905, Heft 3, 4; Jahrg. 1906, Heft 1—4.
Großherzogliche Sternwarte in Heidelberg:
Mitteilungen. Nr. VU— IX. Leipzig 1906.
Vereeichnis der eingelaufenen Druckschriften. \h*
Universität Heidelherg:
Theodor Curtius, Robert Bunsen als Lehrer in Heidelberg. 1906. 4^.
Schriften der Universität aus dem Jahre 1905/06 in 4» u. 8®.
Aus alter u. neuer Zeit der Heidelberger Bibliothek. Rede von J. Wille. 1906.
Historisch-philosophischer Verein in Heidelherg:
Neue Heidelberger Jahrbücher. Jahrg. XIV, Heft 2. 1906.
Naturhiiftorisch'medizinischer Verein in Heidelberg:
Verhandlungen. N. F., Bd. VIIT, Heft 2. 1905. gr. 8<>.
lieichslimeskommission in Heidelherg:
Der obergermanisch -rätische Limes des Römerreiches. Lief. 26 u. 27.
1906. 40.
Astronomisches Institut in Heidelherg:
Bestimmung der Längendifferenz der Großherzoglichen Sternwarte bei
Heidelberg und der Universitäts-Sternwarte in Straßburg i. E. Karls-
ruhe 1906. 4P.
Commission gSologique de Fintdande in Helsingfors:
Bulletin. No. 16. 1905.
Finnlänäisclie Gesellschaft der Wissenschaften in Helsingfors:
Acta. Vol. 32. 1906. 4^.
öfversigt 47. 1905.
Bidrag tili kännedom af Finnlands Natur och Folk. Heft 63. 1905.
Institut metiorologique cefüral in Helsingfors:
Observations m^t^orologiques 1895/96. 1906. fol.
Societas pro Fauna et Flora Fennica in Helsingfors:
Acta. Vol. 6 (1889), 21-23, 25, 27, 28. 1902—06.
Meddelanden. Vol. 28, 29, 31, 32. 1902-06.
Sodete de giographie de Finhlande in Helsingfors:
Fennia. VoL 19—22. 1903—05.
Universität Helsingfors:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4^ u. B9.
Verein für siehenbärgische Landeskunde in Hermannstadt:
Archiv. N. F., Bd. XXXIH, 1-4. 1905-06.
Siehenhürgischer Verein für Naturwissenschaften in Her mannst adt:
Verhandlungen und Mitteilungen. Bd. 54, Jahrg. 1904. 1906.
Verein für Sadisen-Mevningische GeschicfUe in Hildburghausen:
Schriften. Heft 52. 1906. gr. QP.
Ungarischer Karpathen- Verein in Iglö:
Jahrbuch. 33. Jahrg. 1906.
Historischer Verein in Ingolstadt:
SammelbUtt. Heft 29. 1905.
Naturunssensdhaftlich-mediiinischer Verein in Innsbruck:
Berichte. 29. Jahrg. 1908/04 u. 1904/05. 1906.
16* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Journal of Physical Chemistry in Ithaca, N. Y, :
The Journal. Vol. 10, No. 1—8. 1906. gr. 8®.
Imperial CentrcU Ägriculturai Experiment Station in Japan:
Bulletin. Vol. I, No. 1. Nishigahara, Tokio 1906.
Universite de Jassyi
Annales scientifiques. Tome 111, fusc. 4; tome IV, fasc. 1. 1906.
Medusinisch-fiatuncissenschaftliche Gesellschaft in Jena:
Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. 41, Heft 1—4. 1906.
Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde in Jena:
Zeitschrift. N. F., Bd. XVI. 2; XVII, 1. 1906.
Gelehrte Estnische Gesellsdiaft in Jurjew (Dorpat):
Sitzungsberichte 1905. 1906.
NaiurforscJiende Gesellschaft bei der Universität Jurjew (Dorpat):
Archiv für Naturkunde. Serie II, Bd. XIII, 1. 1905.
Sitzungsberichte. Bd. XIV, 1, 2; XV, 1 u. Register zu Bd. 3—14. 1905-06.
Schriften. Bd. XVI u. XVII. 1905-06. 4».
Universität Jurjew (Dorpat):
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4<> u. 8<^.
Badische Historische Kommission in Karlsruhe:
Oberrheinische Städterechte. I. Abt., Heft 7. 1906.
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F., Bd. XXI, 1—4.
Heidelberg 1906.
Neujahrsblätter 1906. Heidelberg.
Zentralbureau für Meteorologie und Hydrographie in Karlsruhe:
Ergebnisse der Untersuchung der Hochwasserverhältnisse im deutschen
Rheingebiete. Berlin 1905. 4^.
Jahresbericht für das Jahr 1905. 1906. fol.
Großlierzoglich Techniscl^e Hochschule in Karlsruhe:
Schriften aus dem Jahre 1906.
Naturwissenschaf Uidier Verein in Karlsnüie:
Verhandlungen. Bd. 19, 1905-06. 1906.
Societe physico-mathematique in Kasan:
Bulletin. U. S^rie, tome 15, No. 2. 1906.
Universität Kasan:
UUchenia Sapiski. Bd. 73, No. 1-10. 1906.
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde in Kassel:
Zeitschrift. N. F., Bd. 29. 1905.
Verein für Naturkunde in Kassel:
Abhandlungen und Bericht L. 1906.
Universiti Impiriale in Kharkow:
Annales. 1905, Heft 2; 1906, Heft 1, 2. 1906.
Verzeichnis der eingelaufenen Drucksehriften, IT*
Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte in Kiel:
Zeitschrift. Bd. 36. 1906.
Kommission zur toissenschaftl. Untersuchung der deutsehen Meere in Kiel:
Wissenschaftliche Meeresuntersuchungen. N. F., Bd. 7 (Abteilung Helgo-
land, Heft 2); Bd. 9 (Abteilung Kiel). Kiel u. Leipzig 1906. 4«.
K. Universität in Kiel:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4^ u. 8®.
Universität in Kiew:
Iswestija. Bd. 45, Nr. 11; Bd. 46, Nr. 1—8. 1905—06.
GeschicMsverein für Kärnten in Klagenfurt:
Jahresbericht für 1904. 1905.
Carinthia I. 95. Jahrg., Nr. 1—6. 1905.
Naturhistorisches Landesmuseum in Klagenfurt:
Carinthia II. 95. Jahrg. 1905, Nr. 5, 6; 96. Jahrg. 1906, Nr. 1—4.
Siebenbürgisches Museum in Klausenburg:
Sitzungsberichte. I. Med. Abteilung, Bd. 26, Heft 2, 3; Bd. 27, Heft 1—8.
II. Naturw. Abteilung, Bd. 27, Nr. 1-3. 1905—06.
Erdelyi Müzeum. Bd. XXIII, No. 1-4. 1906. 4^.
Az Erdelyi Müzeum Egyesület . . . Eml^kkönyve. 1906. 4^
Regierung des Kongostaates:
Annales du Musde du Congo. Botanique, vol. I, fasc. 3; Zoologie, S^rie V,
tome I, fasc. 1. Bruxelles 1906. fol.
Notices sur les plantes utiles de la Flore du Congo. Vol. 2, &sc. 1.
Bruxelles 1906.
Physikaiisch'ökanomische Gesellschaft in Königsberg:
Schriften. 46. Jahig. 1905. 1906.
Universität in Königsberg:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4» u. 8^.
K. Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen:
Dansk Ordbog, udgiven under Videnskabernes Selskabs Bestjrelse. Ottende
TomeV— Z. 1905. 4».
0 versigt. 1905, No. 6; 1906, No. 1—6.
Mömoires. 1. Section des Lettres, 6« Serie, tome 5, No. 3; 2. Section des
Sciences, 7« Serie, tome I, No. 5, 6, tome II, No. 5, 6, tome III,
No. 1. 1906. 40.
Conseü ])ermanent international pour Vexploration de la mer
in Kopenhagen:
Rapports et Proces-verbaux. Vol. IV— VI. 1905—06. 4<>.
Bulletin trimestriel. Ann6e 1904—05. No. 4; 1905-06, No. 1—3.
Publications de circonstance. No. 28— 34 u. 13 c. 1905—06.
Bulletin statistique des pdches maritimes. Vol. I. 1906. 4^.
Gesellschaß für nordische Altertumskunde in Kopenhagen:
Aarböger. II. Raekke, Bd. 20. 1905.
Memoires. Nouv. Särie 1904/06. 1905-06.
2
18* Vergeichnis der eingelaufenen Druckschrißen,
Genealogisk Institut in Kopenhagen:
Max Grohshennig, Legatfamilien Aagaard. 1905.
Akademie der Wissenschaften in Krakau:
Anzeiger. (Bulletin international) 1. Classe de philolofjpe, 1906, No. 1— 10.
2. Classe des sciences mathematiques, 1905, No. 8—10; 1906, No. 1-3.
Rocznik. Rok 1904/05. 1905.
Monuinenta niedii aevi historica. Tome 17. 1905. 4®.
Bibliografia historyi Polskiej. Bd. III, zesc. 3. 1906.
Sprawozdanie komisyi fizyograficzny. Tome 39 mit Tafeln. 1906. 8®u.fol.
Atlas geologiczny Galicji. Zeszyt 17, Karte u. Text. 1906. 8^ u. fol.
Katalog rekopisöw. Akad. Um. 1906.
, literatury. Tome 5, Heft 1-4. 1906.
Zapatowicz, Conspectus florae Galiciae. Tome 1. 1906.
Rozprawy filolog. Serie II, tome 26, 28; histor., Serie 11, tome 23. 1906.
„ mathem. Tome 44, A. B. Spis rzeczy. 1904—05.
üscie solne. 1906.
Jan Czubek, Pisma polityczne. 1906.
Materyaly jezyk. Tome 3, zeszyt 1 i 2. 1905.
y, antropol. archeolog. Tome 8. 1906.
Wybrane pisma Lukiana. Tome 1. 1906.
Karlowicz, Slownik gwar. Tome 4. 1906.
Imperial üniversity in Kyoto:
The Kyoto Imperial üniversity Calendar 1906—06.
Historischer Verein in Landshut:
Verhandlungen. Bd. 42. 1906.
SocUti Vaudoise des sciences naturelles in Lausanne:
Bulletin. 5« S^rie, tome 41, No. 154; vol. 42, No. 155. 1905-06.
Societi d'histoire de la Suisse romande in Latuanne:
Memoires et Documents. 11® Serie, tome 7. 1906.
Maatschappij ra» Nederlandsche Letterkunde in Leiden:
Tijdschrift. N. Serie, Deel XXIII, 8, 4; Deal XXIV, 1-3. 1904-05.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Abhandlungen der philol.-hist. Klasse. Bd. XXIV, 4-6; Bd. XXV, 1.
1906. 4».
Abhandlungen der math.-phys. Klasse. Bd. XXIX, 5—8. 1906. 4^.
Berichte der philol.-hist. Klasse. Bd. 57. 1905, Nr. 5, 6; Bd. 68, 1906,
Nr. 1, 2.
Berichte der math.-phys. Klasse. Bd. 57, 1905, Nr. 6, 6; Bd. 68, 1906,
Nr. 1-5.
Fürstlich JahIonowski*8che Gesellschaft in Leipzig:
Jahresbericht. 1905 u. 1906.
Verein für Erdkunde in Leipzig:
Mitteilungen 1906. 1906.
Katalog der Bibliothek. Heft II der Mitteilungen. 1905.
Cuerpo de ingenieros de minas del Peru in Lima:
Boletin. Nr. 26 - 35, 37-39, 40, 42, 48. 1905 06.
Segunda Memoria del Director del cuerpo. 1906.
Vergeicknia der eingelaufenen Druckeduriften. 19*
üniversity of Nebraska in Lincoln:
Bulletin of the agricultural Experiment Station. Nr. 76—80, 84. 1905.
AeronaiUitfehes Observatorium bei Lindenberg:
Ergebniuse der Arbeiten im Jahre 1905. I. Bd. Braunschweig 1906. 4P.
Museum Frandsco-Carolinum in Lim:
64. Jahresbericht. 1906.
Sociedade de geographia in Lissabon:
Boletim. 1905, No. 11, 12; 1906, No. 1—10.
Liter arg and philosophical Society in Liverpool:
Proceedingg. 4Q^^ Session, No. 68, 1904—05. 1906.
UnioersitS Catholique in Loewen:
Publications academiques de Tannäe 1904/05.
Zeitschrift ^La Cellule* in Loewen:
La Cellule. Tome XXII, fasc. 2. 1905. 4«.
Boy dl Institution of Oreat Britain in London:
Proceedings. Vol. 17, part 8; vol. 18, part 1. 1906.
The English Histoncal Beview in London:
Hißtorical Review. Vol. XXI, No. 81—84. 1906.
Boyal Society in London:
Report on the Perl Oyster Fisheriea of the Gulf of Manaar. Part III, IV.
1905. 40.
Year-Book. 1906.
Proceedings. Series A, vol. 77, No. A 615—520; vol. 78, No. A 521—525,
1906; Series B, vol. 77, No. B 616—621; vol. 78, No. B 622 -527, 1906.
Philosophical Transactions. Series A, vol. 205, 206; Series B, vol. 198.
1906. 40.
Reports of the Commission for the investigation of Mediterranean Fever.
Part IV. 1906.
Reports to the Evolution Committee. Report III. 1906.
B, Astronomical Society in London:
Monthly Notices. Vol. 66, No. 2—9. 1905-06.
Memoirs. Vol. 56. 1906. 4^.
Chemical Society in London:
Journal 1905. Supplementary number cont. Indexes, No. 619—630 (Ja-
nuary — December). 1906.
Proceedings. Vol. 21, No. 301, 302; vol. 22, No. 303-317. 1905—06.
Geological Society in London:
The quarterly Journal. Vol. 61, part 1—4; vol. 62, part 1—4. 1906-06.
List. Nov. 15^1» 1905.
Geological Literature for the year ended Dec. 31"^ 1904. 1906.
Linnean Society in London:
Proceedings. 118^^ Session 1906/06. 1906.
The Journal, a) Botany, vol. 37, No. 260-262; b) Zoology, voL 29, No. 193,
194. 1906.
List of the Linnean Society 1906/07. 1906.
2»
20* Veräeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Medical and chirurgical Society in London:
Medico-chinirgical Transactions. Vol. 88, 89. 1905—06.
B, Micro8copieal Society in London:
Journal. 1906, part 1—6.
Zoological Society in Lotidon:
Proceedings. 1905, vol. II, part 1, 2. 1906.
Transactions. Vol. XVII, part 3-5. 1904-05. 4».
Zeitschrift „Natur e" in London:
Nature. No. 1888—1940. 4«.
Secretary of State for India in Council in London :
G. A. Grierson, The Pisäca Languages of North-Western India. 1906.
India Office in London:
42 Bände und einige Faszikel sprachlichen, geographischen und tech-
nologischen Inhalts Über Ostindien.
Agra, a Gazetteer. Vol. 8. Allahabad 1905.
Madras District Gazetteers. Guntür, vol. 2; Gödävari, vol. 2. Appendix
for Kistna District. Madras 1906.
District Gazetteers of the provinces of Agra and Oudh. Vol. 42—44.
Allahabad 19i»5.
Technical Art Series. Plates I -XIII. Illustrations of Indian Industrial
Art. Calcutta 1905. fol.
Museums- Verein für das Fürstentum Lüneburg in Lüneburg:
Lüneburger Museunisblätter. Heft 8. 1906-
SociitS gSologique de Belgique in Lüttich:
Annales. TomeSO, livr. 3; tome 32, livr. 4; tome 33, livr. 1-3. 1902-06.
Sodete Eoyale des Sciences in Lüttich:
Memoires. III® Särie, tome 6. Bruxelles 1906.
Universität in Lund:
Acta Universitatis Lundensis. Tome XL, 1904, in 2 Teilen.
Acta. Nova Series II, Afdelninger I, 1905. 1905-06. 4^.
Sveriges offentliga Bibliotek. Accessions -Katalog 18 — 19, 1908-04,
2 Teile. Stockholm 1905—06.
Institut Qrand Ducal in Luxemburg:
Archives trimestrielles de la section des seien ces naturelles. Faso. 1, 2.
Janvier -Juin 1906. 4<^.
Section historique de VInstitiU Grand-Ducal in Luxemburg:
Publications. Vol. 50. 1905.
Historischer Verein der fünf Orte in Luzern:
Der Geschichtsftreund. Bd. 61. Stans 1906.
üniversiti in Lyon:
Annales. Nouv. Serie I, No. 14-16; Nouv. Serie II, No. 15. 1905-06.
Wisconsin Geological and Natural History Survey in Madison:
Bulletin. No. 14, with an Atlas. 1906.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 21*
Government Museum in Madras:
Bulletin. Vol. V, No. 2. 1906.
Kodaikanal and Madras Ohservatories in Madras:
Annual Report for 1905. 1906. fol.
Bulletin. No. IV-VII. 1906. 40.
B, Äcademia de ciencias exactas in Madrid:
Revista. Tomo 3, No. 3—6; tomo 4, No. 1—6. 1905-06.
Memorias. Tomo 23 u. 24. 1905-06. 49-
Anuario. 1906.
R. Äcademia de la historia in Madrid:
Boletin. Tomo 48, cuad. 1-6; Tomo 49, cuad. 1—6. 1906.
Museum für Natur- und Heimatkunde in Magdeburg:
Abhandlungen und Berichte. Bd 1, Heft 2, 3. 1906.
B. Istituto Lombardo di scieme in Mailand:
Rendiconti. Serie II, vol. 38, fasc. 17—20; vol. 39, fasc. 1—16. 1906.
Memorie. Classe di scienze matematiche. Vol. XX, fasc. 7, 8. 1906. 4^.
Atti della fondazione Cagnola. Vol. 20. 1906.
Comitato per le onoranze a Francesco Brioschi in Mailand:
Opere matematiche di Francesco Brioschi. Tomo 4. 1906. 4®.
Societä Italiana di scienze naturali in Mailand:
Elenco dei soci e Indice generale. 1906.
Museo mineralogico Borromeo. 1906.
Atti. Vol. 44, fasc. 3, 4; vol. 45, fasc. 1, 2. 1906.
Societä Storica Lomharda in Mailand:
Archivio Storico Lombardo. Serie IV, anno 82, fasc. 8; anno 33, fasc.
9—11. 1905-06.
Altertumsverein in Mainz:
Mainzer Zeitschrift. Jahrg. I. 1906. 4^.
Liter ary and phHosophicdl Society in Manchester:
Memoirs and Proceedings. Vol. 50, part 1—3. 1905—06.
Philippine Weather Bureau in Manüa:
Bulletin for July— December 1905. 1905-06. 49.
Annual Report for the year 1903. Part I— III. 1905. 4^.
Ethnologiccd Survey for the Phüippine Islands in Manila:
Publications. Vol. II, parts 2, 3; vol. IV, part 1. 1905.
Altertumsverein in Mannheim:
Mannheimer GeschichtsblÄtter. 1906, Nr. 2—11, VII. Jahrg. 4^.
Verein für Naturkunde in Mannheim:
71. u. 72. Jahresbericht für 1904/05. 1906.
Schwäbischer Schiller- Verein in Marbaeh:
X. Rechenschaftsbericht für das Jahr 1905/06. 1906.
Das Schiller-Museum in Marbaeh. Stuttgart 1906.
22* Veneichnia der eingelaufenen Drtuikschriften,
Universität in Marburg:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4® u. 8^.
Abbaye de Maredsous:
Revue Ben^dictine. Ann^e 23, No. 2— 4. 1906.
Faculte des sciences in Marseille:
Annales. Tome XV. Paris 1904. 4<>.
Hennebergischer attertumsforschender Verein in Meiningen:
Neue Beiträge zur Geschichte deut-schen Altertums. Lief. 20. 1906. 4*.
Verein für Geschichte der Stadt Meißen in Meißen:
Mitteilungen. Heft 25. 1906.
Royal Society of Victoria in Melbourne:
Proceedings. New Series, vol. 18, part 2; vol. 19, part 1. 1906.
Äccademia Peloritana in Messina:
Atti. Vol. XX, fasc. 2; vol. XX I, fasc. 1. 1906.
Resoconti. April -Giugno 1906. 1906.
Gesellschaft für lothringische Geschichte in Mets:
Jahrbuch. XVII. Jahrg., 1. u. 2. Hälfte, 1905. 1906. 4^.
Instituto geolögico in Mexico:
Parergones. Tomo I, No. 9, 10. 1905—06.
Boletfn. No. 21. 1905. 4P,
Observatorio nieteorolögieo-magnitico central in Mexico:
Boletfn mensual. Octubre u. Noviembre 1902, Junio 1904. iP.
Sociedad cientifica „Antonio Alzate** in Mexico:
Memorias y revista. Tomo 21, No. 9— 12; tomo 22, No. 1—8; tomo 2S,
No. 1—4. 1904-05.
Regia Äccademia di scienze lettere ed arti in Modena:
Memorie. Serie III, vol. 6. 1905. 4^.
MusSe ocianographique in Monaco:
Bulletin. No. 56—86. 1905 - 06.
Observatoire mitiorologique du Mont Blanc:
Annales. Tome VI. Paris 1906. 4*.
Bureau de Dipöt, Distribution et d* behänge de Publications in Montevideo:
Anuario estadistico de la Repüblica 0. del Uruguay. Tomo II. 1906. 4®.
Museo nacional in Monier ideo:
Annales. Seriell, entrega 2 und Seciön historico-filosöfica, tomo II, entregal.
1905. 40.
Öffentliches Museum in Moskau:
Ottschet. Jahrg. 1905. 1906.
Lazarevsches Institut für Orientalist^ Sprachen in Moskau:
Trudy. Heft 13, 14. 1905.
Societe Impiriale des Naturalistes in Moskau:
Bulletin. Annee 1905, No. 1-3. 1906.
Vereeiehnis der eingelaufenen Druckschriften. ^S*
Maihemcftische Geselhchaft in Moskau:
Matematitscheskij Sbornik. Bd. XXV, 3. 1905.
Lick Observatory in Mount Hamilton, California:
Bulletin. No. 88—97 u. 99—103. 1906.
Statistisches Amt der Stadt München:
Münchener Jahresübersichten für 1905. Teil I u. II. 4®.
Die Erhebung der Wohnverhältnisse in München 1904- 07. I.-III.Teil. 4<>.
Erf^ebnisse der Wohnungszählung vom 1. Dezember 1905. 4®.
Die Bevölkerung Münchens 1905. 1906. 4^.
Deutsche Gesellschaft für Anthropologie in Berlin und München:
Korrespondenzblatt. 87. Jahrg. 1906, Nr. 1 -4,6 — 12. Braunschweig 1906. 4^.
Hydrotechnisches Bureau in München:
Verzeichnis der Flächeninhalte der Bach- und Flußgebiete. Heft VII,
Teil 1. 1906. 4«.
Jahrbuch. 1905, Heft 4, 5; 1906, Heft 1 u. 2. fol.
Generaldirektion der K. B, Posten und Telegraphen in München:
Verzeichnis der erscheinenden Zeitungen für 1907. I. Abt. 1906. fol.
K. Ludwigs- Kreisrealschüle in München:
Geschichte der E. Ludwigs-Kreisrealschule in München v. 6. Widenbauer.
1906.
K Bayer, Technische Hochschule in München:
Darstellungen aus der Geschichte der Tecknik, der Industrie und Land-
wirtschaft in Bayern. 1906. 4P,
Schriften aus dem Jahre 1903 — 06.
Metropolitan- Kapitel München-Freising in München:
Schematismus der Geistlichkeit für das Jahr 1906.
Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising. 1906, Nr. 1—31.
K. Oberbergamt in München:
Geognostische Jahreshefte. XVII. Jahrg. 1904. 1906. 4®.
Universität in München:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4® u. 8®.
Ärztlicher Verein in München:
Sitzungsberichte. Bd. XV. 1905.
Historischer Verein in München:
Altbayerische Monatsschrift. Jahrg. 6, Nr. 3—5. 1906. 4^.
Verein für Luftschiffahrt in München:
16. Jahresbericht für 1905.
Ornithologische Gesellschaft in München:
Verhandlungen. 1904, Bd. V. 1905.
Verlag der Hochschul-Kachrichlen in Mündien:
Hochflchul-Nachrichten. Nr. 184—195. 1906.
Verein für GeschidUe und Altertumskunde Westfalens in Münster:
ZeiUchrift. Bd. 63, Abt. 2 und Register sa Bd. 1—50. 1905.
2i* Verzeiehnis der eingelaufenen Druckschriften,
Äeadimie de Stanislaa in Nancy:
Memoires. 6® S^rie, tome 2. 1905.
Sociiti des Sciences in Nancy:
Bulletin. Serie III, tome 6, fasc. 4. 1906.
Reale Accademia di scienze moräli et pölitiche in Neapel:
Atti. Vol. 36, 37. 1906.
Rendiconto. Anno 44. 1905.
Accademia delle scieme fisiche e matematiche in Neapel:
Rendiconto. Serie 3, vol. 11, fasc. 8— 12; vol. 12, fasc. 1-8. 1905—06. 4«
Zoologische Station in Neapel:
Mitteilungen. Bd. 17, Heft 4. Berlin 1906.
Historischer Verein in Neuburg a, D.:
Neuburger Kollektaneen-Blatt. 68. Jahrg. 1904. 1906.
Sociiti des sciences naturelles in Neuehatel:
Bulletin. Tome 31, annee 1902—03; tome 32, ann^e 1903-04.
Institute of Engineers in New-Castle (upon-Tyne):
Transactions. Vol. 55, part 5, 6; vol. 56, part 1—3. 1906.
Annual Report for the year 1904/05 und 1905/06. 1905—06.
Report of the Committee upon mechanical Coalcutting. Part 2. 1905.
The American Journal of Science in New-Haveu:
Journal. 4. Series, No. 121— 126, 128-132. 1906.
AHronomicdl Observatory of the Tale ifniversity in New-Haven:
Transactions. Vol. 2, part 1.
American Oriental Society in New-Haven:
Journal. Vol. 26, second half; vol. 27, first half. 1906.
Americafi Jewish Historicdl Society in New -York:
Publicutions. No. 13, 14. 1905 -06.
American Museum of Natural History in New -York:
International Congress of Americanists. 13*^ Session, held in New -York
in 1902. 1905.
Journal. Vol. VI, No. 1—4. 1906.
Annual Report for the year 1905. 1906.
Bulletin. Vol. XVII, part 4; vol. XXI. 1905.
Memoirs. Vol. IV, 5; vol. V, 3; VIII, 1; IX, 1—3; X, 1; XI, 1; XIV, 1.
1906. 40.
Aboriginal Myths of Titicaca (Bolivia). By Adolph F. Bandelier. 1906.
American Geographical Society in New -York:
Bulletin. Vol. 38, No. 1-11. 1906.
Nederlandsche botanische Vereeniging in Nijmegen:
Recueil des travaux botaniques Neerlandais. Vol. II, livr. 3—4. 1906.
Archaeological Institut of America in Norwood, Mass.:
American Journal of Archaeology. Vol. 10, No. 1 — 3. 1906.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 25'*'
Naturhistorische Gesellschaft in Nürtiberg:
Abhandlungen. XV. Bd., 3. Heft. 1906.
Jahresbericht für 1904. 1905.
Germanisches Nationdlmuseum in Nürnberg:
Anzeiger. Jahrg. 1905 in 4 Heften. 1905. 4^.
Stadtm agistrat Nürnberg :
Katalog der historischen Ausstellung der Stadt Nürnberg. 1906.
Neurussische naturwissensclhaftliche Gesellschaft in Odessa:
Sapiski. Bd. 28, 29. 1905—06.
Verein für Geschichte und Landeskunde in Osnabrück:
Mitteilungen. 30. Bd. und Beiheft zum 30. Bd., 1905. 1906.
Department of the Interior in Ottawa:
Mounted Police Polar Expedition Maps. 1906.
Geological Survey of Canada in Ottawa:
Palaeozoic Fossils. Vol. HI, part IV. 1906.
Annual Report. New Series, vol. XIV, 1901 mit Maps; vol. XV (1902—03)
mit Maps. 1905-06.
Boycd Society of Canada in Ottawa:
Proceedings and Transactions. II. Seris, vol. 11. 1906.
Radcliffe Observatory in Oxford:
Catalogue of Stars for 1900. 1906. 4<^.
Äccademia scientifica Veneto-Trentino-Istriana in Padova:
Atti. N. Serie, anno II, fasc. 1, 2. 1905.
B. Äccademia di scienze in Padua:
Atti e Memorie. Nuova Serie, anno 364, 1904—06; n. Serie, vol. 21. 1905.
Bedaction der Zeitschrift „Rivista di storica antica^ in Padua:
Rivista. N. Serie, anno 10, fasc. 2—4. 1906.
Reale Äccademia di scienze, lettere e belle arti in Palermo:
Bullettino. Anni 1899—1902. 1906. 4^.
Gircolo matemcUico in Palermo:
Annuario 1905.
Rendiconti. Tomo XXI, fasc. 1 — 3; tomo XXI, fasc. 1, 2. 1906.
Supplemento ai Rendiconti. No. 1. 1906. 4^.
CoUegio degli Ingegneri in Palermo:
Atti. 1905, Luglio — Dicembre; 1906, Gennaio — Giugno. 4^.
Äcadimie de midecine in Paris:
Bulletin. 1906, No. 1—44.
Äcadimie des Sciences in Paris:
Oeuvres d' Augustin Cauchy. S^rie II, tome 1. 1905. 4**.
Comptes rendus. Tome 142, No. 1—26; tome 143, No. 1—27.
26'*' Verzei^nis der eingelaufenen Druckeckrißen,
Moniteur Scientifique in Paris:
Moniteur. Livr. 769—780 (Jan vier -D^cembre 1906). 40.
Musie Ouimet in Paris:
Annales. Bibliothfeque d'ötudes, tome 18 u. 20. 1905—06.
Revue de Thistoire des religions. Tome 51, No. 3; tome 52, No. 1— S;
tome 53, No. 1. 1905-06.
Musium d*Mstoire naturelle in Paris:
Bulletin. Annäe 1904, No. 2—4; ann^e 1905, No. Ü; ann^e 1906. No. 1-3.
Nouvelles Arcliives. S(5rie IV, tome VII, 1, 2. 1905. 4^.
SociiU d^anthropölogie in Paris:
Bulletins. V« S^rie, tome 6, fasc. 8—6. 1905.
SociiU des etudes historiques in Paris:
Revue. 72« annee, Janvier— Aoüt 1906.
SociHS de gdographie in Paris:
La Geographie. XII. annee 1905, No. 3— 6; XIII. annee 1906, No. 1—4. 49.
Sociiti mathimatique de France in Paris:
Bulletin. Tome 34, fasc. 1—3. 1906.
Western Äustrdlia Geological Survey in Perth:
Bulletin. No. 21, 22. 1906.
AcadSmie Impiriale des sdences in St. Petersburg:
Comptes rendus de la commission sismique. Tome II, livr. 2. 1906. 4®.
Memoires. a) Classe historico-pbiloloj^fique, S^rie VIII, tome VII. No. 3—7;
b) Classe pbysico-mathemat.. Serie VIII, tome XVI, No. 11, 12,
tome XVII, No. 1—6. 1905. 4^.
Annuaire du Mus^e zoologique. 1905, No. 1,2, 1906; Beilage zum
Annuaire, Bd. 11, 1906.
Kaiserl, Bibliothek in St, Petersburg:
Ottscbet 1900/01. 1905.
Gallerie Peters des Großen in der E. öffentlichen Bibliothek. 1903. 4^.
ComitS giologique in St. Petersburg:
Bulletins. XXIII> No. 7—10. 1904.
Memoires. Nouv. S^rie, livr. 3, 18-20. 1905. 4^
Kaiserl. Botanisd^r Garten in St, Petersburg:
Acta horti Petropolitani. Tome 24, fasc. 8; tome 25, f&se. 1; tome 26,
fasc. 1. 1905—06. 4».
Kaiserl, Bt^ssische Archäologische Gesellschaft in St. Petersburg:
Sapiski. Bd. 16, No. 2-4. 1905-06. 4»
Orientalische Abteilung, Bd. 17, No. 1—3. 1906. 4^.
Russische und slavische Abteilung, Bd. VII, 1. 1905. 4^.
Klassische Abteilung, Bd. II, 1, 2. 1904—06. 4^.
Materialien zur Geschichte der russischen geistlichen Mission in Peking.
1905. 40.
VerMeiehnis der eingelaufenen Druckschriften, 27
Kaiserl, Mineralogische Gesellschaft in 8t, Petersburg:
Materialien. Bd. XXIII. Lief. 1. 1906.
Verhandlungen. U. Serie, Bd. 43, Lief. 1, 2. 1906.
Physikalutch'Chemische Gesellschaft an der Kaiserl. Universität
St, Petersburg:
Schurnal. Bd. 87, Heft 8, 9; Bd. 88, Heft 1. 1905—06.
Physikalischss ZentraUObservatorium Nicolas in St. Petersburg:
Publications. Serie II, vol. III, vol. XIV, vol. XVII, No. II. 1905. fol.
Annales. Annee 1903, partie i, II, fiajc. 1, 2. 1905. 4<>.
Kaiserl, Universität in St. Petersburg:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 49 u. S^.
Äcademy of naturai Sciences in Philadelphia:
Journal. Second Series, vol. XIII, part 2. 1905. 4®.
Proceedings. Vol. 57, part 3; vol. 58, part 1. 1906.
Historical Society of Pennsylvania in Philadelphia:
The Pennsylvania Magazine of History. Vol. XXX, No. 117—119. 1906.
American Phüosophical Society in Philadelphia:
Proceedings. Vol 44, No. 181; vol. 45, No. 182. 1906.
Transactions. New Series, vol. XXI, part 2, 3. 1906. 4®.
R. Scuola normale superiore di Pisa:
Annali. Filosofia e filologia. Vol. 19, 20. 1906-07.
Societä Toscana di scienee naturali in Pisa:
Atti. Processi verbali, vol. 14, No. 9, 10; vol. 15, No. 1—5. 1905—06. 49,
Atti. Memorie, vol. XXI. 1905. gr. 8®.
Societä Italiana di fisiea in Pisa:
II nuovo Cimento. Serie V, tomo 10, Ottobre — Dicembre 1905, tomo 1 1,
Genajo— Giugno 1906, tomo 12, Luglio— Settembre 1906.
Ältertumsverein in Plauen:
Mitteilungen. 17. Jahresschrift 1905—06. 1906.
Historische Gesell sdiaft in Posen:
Zeitschrift. 20. Jahg., 1. u. 2. Halbband. 1905.
Historische Monatsblatter. Jahrg. VI, 1905, Nr. 1 — 12.
K. Geodätisches Institut in Potsdam:
Veröifentlichung. N. F., Nr. 25—29. Berlin 1906. 4»
F. R. Helmert, Die Größe der Erde. 1. Mitteilung. Berlin 1906. 4^.
Ästrophysikalisches Observatorium in Potsdam:
Publikationen. Bd. XV, 3-6; Bd. XVI; Bd. XVHI, 1. 1905 06. 4».
Landesarchiv in Prag:
Archiv Ceskj^. Bd. XXII. 1905. 4«.
28**° Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur
in Prag:
Mitteilung. Nr. XVI. 1905.
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1905. 1906.
K, Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften in Prag:
Catalogus codicum manuscriptorum latinorum qui in bibliotheca publica
et universitatis Pragensis asservantur, auctore Jos. Truhldr. Pars IL
1906. gr. 8^.
Jahresbericht für das Jahr 1905. 1906.
Sitzungsberichte 1905. a) Klasse für Philosophie.
b) Math.-naturw. Klasse, 1905, und Generalregister
zu 1884-1904. 1905.
St. Kostlivy, Untersuchungen über die klimatischen Verhältnisse von Beirut.
1905.
Vaclav Müller, Svobodnfci. 1905.
Mathematisch-physikalische Gesellschaft in Prag:
Casopis. Band XXXV, No. 1—3. 1905—06.
Lese- und Eedehdlle der deutschen Studetiten in Prag:
57. Bericht über das Jahr 1905. 1906.
K. Böhmisches Museum in Prag:
Bericht für das Jahr 1905. 1906.
Casopis. Bd. 80, Heft 1-4. 1906.
Pamatky. Bd. XXI, Heft 5-8, Inhaltsverzeichnis zu Bd. 21; Bd. XXII. Heft
1, 2. 1905-06. 40.
Starozitnosti zem^ öeske. Del II, svazek 3. 1905. 4^.
K. K. Sternwarte in Prag:
Magnetische und meteorologische Beobachtungen. Jahrg. 1905. 66. Jahrg.
1906. fol.
Deutsche Karl Ferdinands- Universität in Prag:
Die feierliche Installation des Rektors für das Jahr 1905/06. 1906.
Verein böhmischer Mathematiker in Prag:
Öasopis. Tome 35, No. 4, 5. 1906.
Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen in Prag:
Mitteilungen. 44. Jahrg., Nr. 1—4. 1905-06.
Deutscher naturvcissenschaftlich-medisinischer Verein für Böhmen „Ijotos"
in Prag:
Sitzungsberichte. Jahrg. 1905, N. F., Bd. 25. 1905.
Verein für Natur- und Heilkunde in Preßburg:
Verhandlungen. Bd. 25, 26. 1905-06.
Meteorological Department of Transvaal in Pretoria:
Annual Reports for the year ended 30. June 1905. 1906. fol.
Historischer Verein in Regensburg:
Verhandlungen. Bd. 57. 1905.
Vereeiehnis der eingelaufenen Druckschriften. 29*
Naturtoisaenschaftlicher Verein in Regensburg:
Berichte. 10. Heft, 1903 u. 1904 und Beilage dazu. 1906.
Naturforscher- Verein in Riga:
Korrespondenzblatt. Nr. 48. 1905.
Bibliothhque nationale in Rio de Janeiro:
Annaes da Bibliotheca nacional do Rio de Janeiro. Vol. 26, 1904. 1905. 4^.
A Bibliotheca Nacional em 1893. Relatorio. 1905.
A Conferencia Intemacional de Copenhague sobre a Tuberculose. Paris
1904. 40.
J. P. Calogeras, As minas do Brasil e sua legisla9äo II, III. 1905.
Brazil at the Louisiana Purchase Exposition. St. Louis 1904.
Museu nacional in Rio de Janeiro:
Archivos. Vol. XII. 1903. 4»
Observatorio in Rio de Janeiro:
Annuario. 1906, anno 32.
Boletim mensal. Jan.-Däcembro de 1905. 4®.
Geoloyical Society of America in Rochester:
Bulletin. Vol. 16. 1905.
Reale Accadeniia dei Lincei in Rom:
Annuario. 1906.
Memorie. Classe di scienze fisiche. Serie V, vol. 6, fasc. 1, 2. 1906. 4P.
Atti. Serie V. Notizie degli scavi di antichitä». Vol. 2, fasc. 8 — 12.
1905. 40.
Atti. Serie V, Rendiconti. Classe di scienze fisiche. Vol. 14, semestre 2,
fasc. 12 e Indice; vol. XV, semestre 1, fasc. 1-12; vol. XV, semestre 2,
fasc. 1—10. 1905-06. 4».
Rendiconti. Classe di scienze morali. Serie V, vol. 14, fasc. 7—12; vol. 15,
fasc. 1—4. 1905-06.
Atti. Rendiconto deir adunanza solenne del 3 Giugno. 1906. 4^.
Biblioteca Apostolica Valicana in Rom:
Studi e Testi 16. Initia patrum. Vol. I. 190Ü.
R. Comitato geologico d*Italia in Rom:
BoUettino. Anno 1905, No. 3, 4; anno 1906, No. 1, 2.
Accademia Pontificia d«' Nuoci Lincei in Rom:
Atti. Anno LVIII (1904-05), Sessione I-VlI. 1905. 49,
KaiserL Deutsches Archäologisches Institut (röm, Abt.) in Rom:
Mitteilungen. Bd. XX, Nr. 3, 4; Bd. XXI, Nr. 1, 2. 1906.
R, Minist ero della Istruzione pubbJica in Rom:
Le opere di Galileo Galilei. Vol. 17, 18. 1906. 4«.
R. Ufficio centrede meteorologico itcUiano in Rom:
Annali. Serie II, vol. XVI, parte 2 e 3. 1906. fol.
R, Societä Romana di storia patria in Rom:
Archivio. Vol. 28, fasc. 3, 4; vol. 29, f&sc. 1, 2. 1905—06.
30* VerieMnU der eingelaufenen Druektthriften.
Unicereität Rostock:
Schriften aus dem Jahre 1905 06 in 4^ u. ^.
R, Aecademia di seienze degti Agiafi in Rorereto:
Atti. Serie III, vol. XI, fasc. 3, 4; vol. XII, fasc. 1, 2, 1905-06.
]^!cole fran^aise (T Extreme-Orient in Saigon:
Bulletin. Tome 5, No. 3, 4. Hanoi 1905. 4^.
E$$ex Imstüute in Salem:
J. H. Sean, The physical Geographj, Geologj etc. of Kssex Countv, Mass.
1905. 4^
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde in Salzburg:
Mitteilungen. 46. Vereinsjahr. 1906.
Naturwissenschaftliche Gesellschaß in St. Gallen:
Jahrbuch 1904 und 1905.
Äcademy of science in St. Louis:
Trdnsactions. Vol. XIV, No. 7, 8 und Register zu Vol. 1—14; vol. XV,
No. 1-5. 1904-05.
Instituto y Observaiorio de marina de San Fernando (Cadiz):
Annales. Seccion 2\ &fio 1904 und 1905. 1905. fol.
Bosnisch- Her segovinische Landesregierung in Sarajevo:
Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen im Jahre 1901. Wien
1905. fol.
ünicersitäl in Sassari CSardinien):
Studi Sassaresi. Anno IV, sez. I, fasc. 2; sez. II, i&sc 1. Supplemento
No. 2-5. 1905-06.
Verein für mecklenburgische Geschichte in Schwerin:
Jahrbücher und Jahresberichte. 71. Jahrg. 1906.
Nord- China Braneh of the R, ÄsicUic Society in Shanghai:
Journal. Vol. 37. 1906.
R. Aecademia dei funocritici in Siena:
Atti. Serie IV, vol. 17, fasc. 5—10; vol. 18, fesc. 1-5. 1905—06.
Universität in Sophia:
Annuaire I, 1904-05. 1905.
K. K. Archäologisches Museum in Spalato:
Bullettino di Archeologia. Anno 28, No. 9—12; anno 29, No. 1—7.
1905-06.
K. Vitterhets Historie och Antiquüets Akademie in Stockholm:
Oscar Almgren, ,Kung Björns Hög". 1905. A^.
Antiqvarisk Tidskrift. Bd. 9, No. 4; Bd, 11, No. 6; Bd. 13, Xo. 4; Bd. 15,
No. 3; Bd. 17. No. 4, 5; Bd. 18, No. 1. 1905.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 31*
K, Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
Arsbok. Ar 1905. öpsala 1905.
Meteorologiska Jakttagelser i Sveri^e. Bd. 46, 47. üpsala 1905-06. 4®.
Handlingar. N. F., Bd. 39, No. 6; Bd. 40, No. 1, 5; Bd. 41, No. 1-3, 5.
1904-06.
Arkiv för Zoologi. Bd. 2, Heft 4; Bd. 3, Heft 1, 2. 1906.
Arkiv för Kemi. Bd. II, 2, 3. 1906.
Arkiv för Botanik. Bd. V, 1—4; Bd. VI, 1, 2. 1905-06.
Arkiv fbr Matematik. Bd. II, 3, 4; Bd. III, 1. 1905-06.
Les prix Nobel en 1903. 1906.
Nobelinstitut Meddelanden. Bd. I, 2—5. 1906.
Oeologiska Förening in Stockholm:
Förhandiingar. Bd. 27, Heft 7; Bd. 28, Heft 1-6. 1905-06.
Institut Royal gSologique in Stockholm:
Sveriges geologiska Undersökning. 12 Hefte mit Karten. 1906.
Commission Boyale Suidoise pour la mesure d'un arc de miridien au
Spitzberg in Stockholm:
Mesure d'un arc de mdridien au Spitzberg. S II B, SV, S VII A, S VIII A,
S VIII B, S VIII BS S VIII B^ S Vlll B^, S VIII B*, S VIII B*, S VIII C,
SX. 1904-05. 4».
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Straßburg:
Monatsbericht. Bd. 40, Nr. 1-7. 1906.
Kaiserl, Universität Straßburg:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4<> u. 8^.
Württembergische Kommission für Landesgeschichte in Stuttgart:
Vierteljahreshefte für Landesgeschichte. N. F., XV. Jahrg. 1906, Heft 1—4.
K. Württemberg. Statistisches Landesamt in Stuttgart:
Württembergische Jahrbücher für Statistik. Jahrg. 1905, Heft 1, 2. 1905. 4®.
Statistisches Handbuch für das Königreich Württemberg. Jahrg. 1904 u.
1905. 1906. gr. 8®.
DepaHment of Mines and Agriculture of Netc^South- Wales in Sydney ;
Annual Report for the year 1905. 1906. fol.
Mineral Resources. No. 11. 1906.
Records of the Geological Survey. Vol. 8, part2. Mit einer Karte. 1905. 4P.
Palaeontology. No. 5. 1906. 4^.
Linnean Society of Netc-South- Wales in Sydney:
Proceedings. Vol. 30, part 3, part 4 and Supplement; vol. 31, part 1, 2.
1905—06.
Observatorio astronömico nacional in Tacubaya:
Anuario. Ano de 1906, ano XXVI.
National Physical Labor atory in Teddington:
Report for the year 1905. 1906. 4®.
Earthquake Investigation Committee in Tokyo:
F. Oman, Note on the San Francisco Earthquake of April 18. 1906. 4^.
32* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo:
Mitteilungen. Bd. 10, Heft 3. 1906.
Kaiserl, Universität Tokyo (Japan):
Calendar 1905/06.
The Journal of the College of Science. Vol. 20, article 8—12; vol. 21,
article 1. 1905—06. 4».
Mitteilungen aus der medizinischen Fakultät. Bd. VI, No. 4. 1905. 4^
The Bulletin of the College of Agriculture. Vol. VII. No. 1, 2. 1906. 4^
Universum in Toulouse:
L'oeuvre antialcoolique par Doumergue. 1906.
Bulletin de la Station de pisciculture. No. 2 1905.
Annales du Midi. No. 68, 69. 1905—06.
Annales de la facult^ des sciences. II® Serie, tome VII, fasc. 3, 4; tome VIII,
fasc. 1. 1905-06. 4».
Biblioteca e Museo cowunale in Trient:
Archivio Trentino. Anno XX, fasc. 2; anno XXI, fasc 1—8. 1905 — 06.
Kaiser Franz Joseph-Museum für Kunst und Gewerbe in Troppau:
Jahresbericht fär die Jahre 1904 und 1905. 1906.
Tufts College Mass.:
Studies. Vol. 2, No. 1. 1905.
B. Accademia delle scienze in Turin:
Osservazioni meteorologische. Anno 1905. 1906.
Atti. Vol. 41, disp. 1—15 und Indici generali zu Vol. 31—40. 1905—06.
Memorie. Serie II, tomo 55. 1905. 4®.
R. Accademia d'agricoltura in Turin:
Annali. Vol. 48, 1905. 1906.
Humanisk, Vetenskaps Samfund in Upsala:
Skrifter. Bd. IX. 1906.*
Meteorolog. Observatorium der Universität Upsala:
Bulletin mensuel. Vol. 37. 1905-06. fol.
K. Universität in Upsoda:
Results of the Swedish Zoological Expedition to Egypt 1901, part II. 1905.
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 4» u. 8®.
Botaniska Studier tillägnade F. R. Kjellman den 4. Nov. 1906. 1906. gr. 8*^.
Historisch Genootschap in Utrecht:
Bijdragen en Mededeelingen. Bd. XXVI (1905). Amsterdam 1905.
Provinddl Utrechtsch Genootschap in Utrecht:
Naamlijst en Registers.
AanteeKeningen. 5. Juni 1906.
Verslag. 6. Juni 1906.
Institut Royal MHiorologique des Pays-Bas in Utrecht:
Annuaire 1904. 1906. 4^.
Mededeelingen en Verhandelingen I a, b, II — IV. 1906.
Vefßeu^mis der eingelaufenen Druekedtriften. 33*
Äieneo Veneto in Venedigs
Atti. Vol. 27, No. 1, 2; vol. 28, No. 1, 2. 1904-05.
i2. Istituto Veneto di acieme in Venedig:
Atti. Vol. 63, No. 1—10; vol. 64. Ko. 1—10. 1904— OB.
Memorie. Vol. XXVII, No. 8—5. 1904—05. 4^.
Mathematiech-physikalieche Gesellschaft in Warschau:
Prace. Tomo 17. 1906.
National Äcadetny of Sciences in Washington:
Memoirs. Vol. IX. 1905. 4P.
Bureau of American Ethnology in Washington:
Bulletin. No. 28, 29, Haida Texts 32. 1904—06.
23<^ annual Report. 1904. 4^*.
Commissioner of Edueation in Washingion:
Report for the jear ending Jone 80, 1904. Vol. 1. 1906.
U. S. Department of Agrieultwre in Washington:
Yearbook 1905. 1906.
Smithsonian InstituHon in Washington:
Smithsonian Goniribntions to knowledge. Vol. 34.
Carl Barus, A continuous Record of Atmospheric Nurleation 1905. 4®.
Annual Report for the year ending June 30, 1904. 1905.
Miscellaneous Collections. No. 1685. 1905.
Contributions from the U. S. National Herbarium. Vol. 10, pari 1, 2;
vol. 11. 1906.
ü, 8. Natiofud-Museum in Washington:
Annual Report for the year 1904. 1906.
Proceedings. Vol. 28— 80. 1905—06.
Bulletin. No. 54. 55. 1905.
U. S. Naval Observtttory in Washingion:
PubUcations. H. Serie«, vol. IV, part I— IV. 1906. 40.
Philosophieäl Society in Washington:
Bulletin. Vol. XIV, p. 317—336, 839—450. 1906.
U. S. Coast and Geodetic Sureey in Washingion:
Annual Report for the year 1905. 4^.
United States Qeologieai Sureep in Wasikington:
Bulletins. No. 247. 251, 256, 263, 265. 266, Ö68, 274-278. 290—282.
288, 291. 1905-06.
Monograph. No. XXXU. Atlas. Yellowstone National Park XLV, XLVII,
XLIX, 45, 47, 49. XLVIU. 2 parts. 1904—06. 4».
Annual Report XXVI, 1904—05. 1905. 4*.
Professional Paper. No. 34, 36-88, 40—44, 48, 50. 1904—05. 4^.
Mineral Resources. 1904. 1905.
Water-Supply Paper. No. I2S, 12Ö, 127, 12^—181. 138-158, l63, 165
bis 171, 176, 178. 1905—06.
8
34* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Harzverein für Geschichte in Wernigerode:
Zeitschrift. 38. Jahrg., 2. Heft, 1905; 89. Jahrg., 1. u. 2. Heft, 1906, und
Register zu Jahi^. 25—30, Bd. II. 1906.
Kaiserl, Akademie der Wissenschaften in Wien:
Sitzungsberichte. Philos.-hist. Klasse, Bd. 150, 151, 153 und Register zu
141-160. 1905.
Mathem.-naturwissenschaftl . Klasse.
Abt. I, Bd. 114, Heft 6-10; Bd. 115, Heft 1—5.
, IIa, Bd. 114, Heft 8-10; Bd. 115, Heft 1—5.
. üb, . 114, . 7-10; . 115, , 1-6.
, III, Bd. 114, Heft 5—10; Bd. 115, Heft 1—5.
Denkschriften. Philos.-hist. Klasse, Bd. 51, 52. 1906. 4».
Mathem.-naturwissenschaftl. Klasse, Bd. 78. 1906. 4^.
Anzeiger der mathem.-naturwissenschaftl. Klasse. 1906, Nr. I — XXVII.
Archiv für österreichische Geschichte. Bd. 94, 1. Hälfte. 1906.
Fontes rerum Austriacarum. II. Abt., Bd. 58 u. II. Abt., Bd. 59. 1906.
Almanach. Jahrg. 1906, Bd. 56, Heft 1 u. 2. 1906. 4».
Mitteilungen der Erdbebenkommission. N. F., Heft 30. 1906.
K, K, Geologische Eeichsanstalt in Wien:
Verhandlungen. 1905, Nr. 13—18; 1906, No. 1—10. 40.
Abhandlungen. Bd. XX, Heft 2. 1906. fol.
K. K, Zentralanstalt für Meteorologie in Wien:
Jahrbücher. Bd. 49, I u. IL 1906. 40.
K. JT. Gesellschaft der Ärzte in Wien:
Wiener klinische Wochenschrift. 1906, Nr. 1-52. 4^.
Zoologisch-botanische Gesellschaft in Wien:
Verhandlungen. Bd. 65, Heft 9, 10; Bd. 56, Heft 1—7. 1905-06.
Abhandlungen. Bd. III, Heft 3, 4. 1906. 4^.
Comiti für die Lieben-Feier in Wien:
Festschrift Adolf Lieben zum 60 jährigen Doktorjubiläum und zum 70. Ge-
burtstage gewidmet. Leipzig 1906.
Österr. Kommission für die internationale Erdmessung in Wien:
Verhandlungen. Protokoll über die am 29. Dez. 1904 abgehaltene Sitzung.
K, K, Naturhistorisches Hofmuseum in Wien:
Annalen. Bd. XX, Nr. 1—8. 19ü5. 4P.
Geologisches und paläontologisches Intiitut der Universität Wien:
Beiträge zur Paläontologie und Geologie Österreich-Ungarns. Bd. XIX,
Heft 2 u. 3. 1906. 4^.
K, K, Universität in Wien:
Schriften aus dem Jahre 1906.
Verein zur Verbreitung natuncissenschaftlicher Kenntnisse in Wien:
Schriften. Bd. 46, Jahrg. 1905/06. 1906.
Verein für Nassauische Altertumskunde etc. in Wiesbaden:
Annalen. 85. Bd., 1905. 1906. 40.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 35*
Nassauischer Verein für Naturkunde in Wiesbaden:
Jahrbücher. Jahrg. 59. 1906.
Physikalisch-medizinische Gesellschaft in Wikrzburg:
Verhandlungen. N. F., Bd. 38, Nr. 2—12. 1906—06.
Sitzung8berichte. 1905, Nr. 3—9.
Historischer Verein von Unterfranken in Würzburg:
Archiv. Bd. 47. 1905.
Jahresbericht für 1904. 1905.
Polytechnisches Zentralbureau in Würzburg:
Festgabe zur Jahrhundertfeier. 1906. 4^.
Schweizerische Meteorologische ZentraJanstalt in Zürich:
Annalen 1904. 41. Jahrg. 1906. 4^.
Allgemeine geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz in Zürich:
Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. 81. Bd. 1906.
Antiquarische Gesellschaft in Zürich:
Mitteilungen. Bd. 26, Heft 4. 1906. 40.
Naturforschende Gesellschaft in Zürich:
Neujahrsblatt auf das Jahr 1906. 1906. 4®.
Vierteljahrsschrift. Jahrg. 50, Heft 3, 4; Jahrg. 51, Heft 1. 1906-06. 4«.
Schweizerisches Landesmtueum in Zürichs
Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde. N. F., Bd. VII, Nr. 4;
Bd. VIII, Nr. 1, 2. 1906. 40.
14. Jahresbericht 1905. 1906.
Sternwarte in Zürich:
Astronomische Mitteilungen. Nr. 97. 1906.
Universität in Zürich:
Schriften aus dem Jahre 1905/06 in 49 u. 8®.
N'€uMra0:
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik und Physik in Berlin:
Jahrbuch. Bd. 35, Heft 2.
American Academy of Arts and Sciences in Boston:
Proceedings. Vol. 41, No. 14, 15. 1905.
Australasian Association for the advancement of science in Dunedin :
Report of the 10*»» Meeting held at Dunedin 1904.
36* V^TMeidinis der eingelaufenen Druckeehriften.
Von folgenden Privatpersonen:
Prinee Albert I, von Monaco:
Resultats des Campagnes scientifiques. Fase. 32. 1906. fol.
V, Ävramoff in Sofia:
Description Resumäe des Monnaies de la collection de Avrainoff. 1906.
Concetto Barreca in Syrakus:
Le Catacombe di S. Giovanni in Siracnsa. 1906.
Sopra un giudizio del Prof. Paolo Orsi a proponto delle Gatacoinbe di
S. Giovanni. 1906.
Verlagsbuchhandlung Johann Ämbrosius Barih in Leipzig:
Beiblätter zu den Annalen der Physik. 1906, Nr. 1-23 u. Bd. 30. Heft 13.
Journal für praktische Chemie. K F., Bd. 71, Heft 5—7; Bd. 72, Heft 6,
11, 12; Bd. 78, Heft 1—9; Bd. 74, Heft 1-4, 10. 1905-06.
Buchhandlung Bählaue Nachfolger in Weimar:
Die Gesetze der Angelsachsen. Herausgegeben im Auftrage der Sayigny-
Stiftung von F. Liebermann. Bd. II, 1. Hälfte. Halle 1906. 40.
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. 27. Bd. der romanist.
und der germanist. Abteilung. Weimar 1906.
Ludung Curiius in Athen:
Samiaca I. (Sep.-Abdr.) 1906.
H, Diele in Berlin:
Die Handschriften der antiken Ärzte. Berlin 1906. 4®.
Frone Do f lein in München:
Ostasienfahrt. Leipzig 1906.
Erich von Jh-ygaleki in München:
Ferdinand Freiherr von Richthofen. Leipsig 1906.
Leopold Engel in Blaseicite bei Dresden:
Geschichte des lUuminaten-Ordens. Berlin 1906
Joh. Et. Engl in Salzburg:
Hyrtla Mozart-Scbädel. I. Die geschichtliche Sohildemng. 1906.
Artur J, Evans in Oxford:
The Palace of Enossos. Athen 1904-^05. 4^
B, Fick in Prag:
Betrachtungen über die Chromosomen, ihre Individualität, Reduktion und
Vererbang. 1905.
Einü Fischer in Berlin:
Untersuchungen über Aminosäuren. 1906.
Verlagsbuchhandlung von Chistav Fischer in Jena:
Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 1906, Nr. 1 — 52.
Zoologische Forschungsreisen in Australien von R. Semon. Bd. IV, Lief. 4 =
Lief. 26. 1905. fol.
Vereeiehnis der eingelaufenen Drueksehriften. 37*
Henri Fisi^ier in Paris:
3 opuscules d*^ouard Piette, et nn n^crologe d*£d. Piette par Henri
Fischer. 1906.
Hermann Fischer in Tübingen:
Schwäbisches Wörterbuch. Lief. 13— X6. 1906. 4P.
B. Forrer in Strafiburg t. E.
Die Schwerter und Dolche in ihrer Formenentwicklnng. Leipzig 1905. fol.
Keltische Numismatik der Rhein- und Donaulande. (5. Fortsetzung.)
Henri OaidoM in Paris:
Pour le centenaire de (Caspar Zeuss. 1906.
Mmt 7f# jr. B. Ändri Qodin in Quise (Aisne):
Le Devoir. Tome 29, Decembre 1905; tome 30, Janvier-D^cembre 1906.
Documents pour une biographie complete de Jean-Baptiste-Andr^ Godin.
Vol. I. 1897—1901.
Luden Grcmx in Paris:
Proportionnalite direct entre le point cryoscopique d*une eau min^nJe
et la composition de cette eau. 1906. 4^.
S, Qundelfinger in Darmstadt \
0. Hesse, Vorlesungen aus der analytischen Geometrie. 4. Aufl., reTidiert
und ergänzt. Leipzig 1906.
Ernst Haeckel in Jena:
Prinzipien der generellen Morphologie der Organismen. Berlin 1906.
B. Hagen in Frankfurt:
Kopf- und Gesichtstjpen ostasiatischer und melonesischer Völker. Stuttgart
1906. fol.
Hermine Hartlehen in Berlin:
Ghampollion. Sein Leben und sein Werk. 2 Bde. 1906.
F, B. Helmert in Potsdam:
Generalleutnant Dr. Oskar Schreiber. Leipzig 1905.
Hermann von Ihering in 8äo Pmuiö:
The Anthropology of the State of S. Paulo, Brazil. 1906.
Wilhelm Knapp in Halle:
Chemische Zeitschrift. 1906, Nr. 1, 2, 4—18.
A. Köllikers Belikten in Würzburg:
Die Entwicklung der Elemente des Nervensystems. Leipzig 1905.
P. KokowBoff in Petersburg:
Nouveaux fragments Syropalert. 1906. fol.
Karl Krumbacher in üfüftcA^n:
Byzantinische Zeitschrift. Bd. XV, Heft 1 — 4. Leipzig 1906.
J. V, Kuli in Mün^^en:
Repertorium zur Münzkunde Bayerns. 8. FortsetBang. 1S06.
88* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Henry Charles Lea in Philadelphia:
A. History of the Inquisition of Spain. Vol. I u. 11. New- York 1906.
Joseph Levy in Grussenheim {Oberelsaß):
Geschichte des Dorfs Zimmerbaeh. Rixhenn 1906.
F. und L. Lindemann in München:
Henri Poincar^, Wissenschaft und Hypothese. Leipzijs^ 1906.
Vorlesungen über Geometrie. Bd. I, Teil 1, Lief. 1. Leipzig 1906.
C, G. lAoyd in Cincinnati:
Mycological Notes. No. 19, 20. 1906.
Wühelm Lndowici in JocJcgrim:
Stempel-Bilder römischer Töpfer. 1899. 4^.
Basüe Modestov in Born:
Introduction ä l'Histoire Romaine. Paris 1907. 4*^.
Ernesto Monaci in Rom:
Archivio paleografico italiano. Fase. 21— 23. 1905—06. fol.
Gabriel Monod in Versailles:
Revue historique. Tome 90, No. II, Mars, Avril 1906; tonie 91, No. I, II,
Mai-Aoüt 1906; tome 92, No. 1, 11, Sept.— Dec. 1906. Paris.
W, MorieVsche Buchdruck er ei und Vtrlagshandlung in Badolfzell:
,Vom Bodensee*. Vergangenheit und Gegenwart mit besonderer Berück-
sichtigung von Reichenau, Mainau, WoUmatingen und Konstanz.
Von B. Bauer. 1906.
Eugen Oberhummer in Wien:
Wolfgang Lazius, Karten der österreichischen Lande, herausgegeben von
E. Oberhummer und Franz R. von Wieser. Innsbruck 1906. fol.
Michele Rajna in Bologna:
Sülle condizioni deir osservatorio della R. Universitär di Bologna. 1906.
S, Riefler in München:
Zeitübertragung durch das Telephon.
Elektrische Femeinstellung von Uhren.
H, Rosenbusch in Heidelberg:
Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. 1906.
Heinrich Rudolf in Coblens:
Erdmagnetismus und Luftelektrizität. 1906.
Giovanni Scardovelli in Sermide:
L' Ultimo Conquistatore. 1906.
Verlag von Seitz dt Schauer in München:
Deutsche Praxis. 1906, Nr. 1—24.
Stephan Kekule von Stradonüz in Berlin:
Ahnentafel-Atlas. 1898—1904. quer fol.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 39*
Philipp Straßer in Sdleburg:
Fürst Otto von Bismarck, t 31. Juli 1898. 1906. fol.
Julius Tafel in Würeburg:
22 Separat-Abdrflcke aus dem Gebiete der Chemie.
Verlagsbuchhandlung B, G, Teubner in Leipzig:
Thesaurus linguae Latinae. Vol. 2, fasc. 8— 10; vol. 4, fasc. 1. 1905—06. fol.
Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften. Bd. II, 1, Heft 6;
Bd. 111, 2, Heft 3; Bd. IV, 2, Heft 3; Bd. V, 1, Heft 3; Bd. VI, 1.
Heft 1, und französische Ausgabe, tome I, vol. 3, fasc. 1; vol. 4,
fasc. 1. 1906.
Archiv der Mathematik und Physik. III. Reihe, Bd. 10, Heft 2—4; Bd. 11,
Heft 1, 2. 1906.
A, Thieullen in Paris:
Les pr^jug^ et les faits en industrie prehistorique. 1906. fol.
J, F, Thoene in Cöln:
Läßt sich unsere Zeitrechnung vereinfachen? 1906.
Heinrich Welehofer in Bohrbach:
Das Büchlein vom Höchsten. Stuttgart 1906.
Vinzenz Wiefiner in Freiwaldau:
Die Leitung der mechanischen Energie. Dresden 1906.
Ludwig Wüser in Heidelberg:
Die Burgunder im Wonnegau. Worms 1906.
J, Cook Wüson in Oxford:
On the Tra versing of Geometrical Figures. 1905.
Veit Brecher Wütrock in Bergen:
Acta Horti Bergiani. Vol. I, II, III, 1. Stockholm 1891-1903. 4P.
Catalogus illustratus Iconothecae botanicae. Pars II. Stockholm 1905. 4®.
Ed. V. Wölfflin in München:
Archiv für lateinische Lexikographie. Bd. XIV, 4. Leipzig 1906.
Firma Karl Zeiß in Jena:
Gesammelte Abhandlungen von Ernst Abbe. Bd. 3. 1906.
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