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Full text of "Sitzungsberichte - Bayerische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse"

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1 

1 

LIBRARV 

University  of  California. 

RECEIVED    BY    EXCHANGE 

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■ 

1 

Sitziiug^sberich  te 


mathomutiscli-ptiysikttlisdhen  Klaa 


K.  B.  Akademie  der  Wissenschaften 


MilTicheij. 


l;i(M..     11, 


Sitzungsberichte 


der 


mathematisch-physikalischen  Klasse 


der 


K.  B.  Akademie  der  Wissenschaften 


zu  München. 


Band  XXXVI.    Jahrgang  1906. 


^. 


Mfinehen 

Verlag  der  K.  B.  Akademie  der  Wissenschaften 

1907. 

lo  Kommission  des  6.  Frsiis'schen  Verlags  (J.  Kotb). 


▲kadenUscfae  Bnebdruckerei  von  F.  Straub  in  München. 


*^  #? 


Übersicht 

des  Inhaltes  der  Sitzniigsbeiiclite  Bd.  XXXYI 

Jahrgang  1906. 

Die  mit  *  bezeichneten  AbkMidUingen  find  in  den  Sitsungeberiehten  nieht  abgedmekt. 


SUgung  wm  13.  Januar  1906. 

A.  Korn:   a)  Uniersachangen  zur  allgemeinen  Theorie  der  Poten- 
tiale von  Flächen  nnd  Räumen 

b)  Allgemeine  Lösunpf   des   elastischen   Gleichgewichts- 
problems bei  gegebenen  Yerrflckungen  an  der  Oberfläche     . 

*£.  Weinschenk:   Über  Mineralbestand  und  Struktur  der  kristal- 
linischen Schiefer 


Seit» 


8 


37 


Sitssung  vom  3.  Febnuzr  1906. 

H.  S  eiliger:   Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung 

M.  Schmidt:  Die  südbayerische  Dreieckskette,  eine  neue  Ver- 
bindung der  altbayerischen  Grundlinie  bei  München  mit  der 
Osterreichischen  Triangulierung  bei  Salzbuig  und  der  Basis 
von  Oberbergheim  bei  Strassburg   (mit  Tafel  I)     . 

*E.  E.  Ranke:  Anthropologische  Beobachtungen  aus  Zentralbrasilien 

£.  Landau:  Über  die  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen 


85 


189 

82 

161 


Sitzung  vom  3.  Märe  1906. 

*R.  Hertwig:   Weitere  Untersuchungen   über  die  Ursachen   der 

Geschlechtsbestimmung  bei  den  Fröschen       ....    219 

*L  Bnrmester:    Über   eine   Theorie  der  geometrisch  -  optischen 

Gestalttäuschungen 219 

Fr.  Hartogs:   Einige  Folgerungen  aus  der  Gauchy sehen  Integral- 
formel bei  Funktionen  mehrerer  Veränderlichen    .  .    22$ 


180049 


IV 


Sitzung  vom  5.  Mai  1906,  Seite 

A.  Voss:  Über  diejenigen  Flächen,  welche  durch  zwei  Scharen 
von  Kurven  konstanter  geodätischer  Krümmung  in  infinitesi- 
male Rhomben  zerlegt  werden 247 

A.  Endrös:    Die  Seeschwankungen    (Seiches)   des  Chiemsees    (mit 

Tafel  II  und  III) 297 

A.  Korn:    II.  Die  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers  mit 

ruhender  Oberfläche 351 

*W.  Küken thal:   Japanische  Alcyonaceen 245 


Sitzung  vam  9.  Juni  1906. 

*J.  Rückert  und  S.  Mollier:    Über  die  Entwicklung  des  Blutes 

bei  Wirbeltieren 403 

J.  Lüroth:    Über  die  Extreme  einer  Funktion  von  zwei  oder  drei 

veränderlichen  Größen 405 


Sitzung  vom  7,  Juli  1906. 

*P.  Groth:    Über  die  Krystallstruktur  des  Ammoniumjodides  und 

seiner  Alkylderivate .413 

A.  Pringsheim:    Über  das  Additions  -  Theorem   der  elliptischen 

Funktionen 415 

♦P.A.  Kleinschmidt  und  P.H.Limbrock.  8.  V.D.:  III.  Die  Ge- 
steine des  Profiles  durch  das  südliche  Musart-Tal  im  zentralen 
Tian-Schan 413 


Öffentliche  Sitzung  zur  Feier  des  147.  Stiftwngstages 

am  14.  März  1906. 

K.  Th.  V.  Heigel:    Ansprache 425 

C.  V.  Voit:   Nekrologe 433 


Sitzung  vom  3.  November  1906. 

M.  V.  Rohr:  Die  beim  beidäugigen  Sehen  durch  optische  Instru- 
mente möglichen  Formen  der  Raumanschauung  (mit  Tafel  IV)    487 

C.  W.  Lutz:    Über    einen    neuen    Flammenkollektor   und    dessen 

Prüfung  im  elektrischen  Felde  (mit  Tafel  V  und  VI)  .    607 

H.  Ebert:    Über  Pulsationen  von  geringer  Periodendauer  in  der 

erdmagnetischen  Feldkraft       .        .        .        .        .        .        .    527 


V 

Saite 
J.  B.  Messerschmitt:   Magnetische  Ortsbestimmungen  in  Bayern. 

2.  Mitteilung  (mit  Tafel  VII)  546 

G.  Faber:  Über  Potenzreihen  mit  unendlich  vielen  verschwindenden 

Koeffizienten 581 

Öffentliche  Süeung  zu  Ehren  Seiner  Königlichen  Hoheit 
des  Prinzregenfen  am  17,  November  1906, 

K.  Th.  V.  Ueigel:   Ansprache 585 

Wahlen 593 

Sitzung  vom  1.  Dezember  1906, 

H.  Seeliger:    Das  Zodiakallicht  und  die  empirischen  Glieder  in 

der  Bewegung  der  innem  Planeten 595 


Eingelaufene  Druckschriften  im  Jahre  1906 


l*-39* 


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VJV-:-.  :;.•'■:•    ■ 


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Sitzungsberichte 

der 

Königl.  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften, 


Mathematisch-physikalische  Klasse. 

Sitzung  vom  13.  Januar  1906. 

1.  Herr  Ferd.  Lindemann  legt. zwei  (eng  miteinander  yer- 
bundene)  Arbeiten  des  Herrn  Prof.  Arthüe  Kobn  vor: 

a)  »Untersuchungen  zur  allgemeinen  Theorie  der 
Potentiale  von  Flächen  und  Räumen*^. 

Die  Abhandlung  enthält  die  Beweise  für  eine  Reihe  von 
Hilfssätzen,  welche  in  der  Elastizitätstheorie  von  Wichtig- 
keit sind. 

b)  , Allgemeine  Lösung  des  elastischen  Oleich- 
gewichtsproblems  bei  gegebenenVerrückungen 
an  der  Oberfläche*. 

Hier  wird  die  Methode  der  sukzessiven  Näherungen  auf 
die  Integration  der  Differentialgleichungen  der  Elastizitätstheorie 
angewandt,  und  zwar  zunächst  auf  das  Problem  des  Gleich- 
gewichts eines  beliebigen  elastischen  Körpers  mit  stetig  ge- 
krümmter Oberfläche,  für  den  Fall,  daß  die  Yerrückungen  an 
der  Oberfläche  gegeben  sind.  Die  Lösungen  werden  als  unend- 
liche Reihen  dargestellt,  deren  Konvergenz  nicht  bloß  in 
endlicher  Entfernung  von  der  Oberfläche  nachgewiesen  wird  — 

1M6.  SftxBBgBbi  d.  iiuiih.-phy8.  KL  1 


2  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

dieser  Beweis  war  bereits  durch  frühere  Untersuchungen  von 
Lauricella  und  Cosserat  möglich  —  sondern  auch  bei  unend- 
licher Annäherung  an  die  Oberfläche,  und  dadurch  wird  zum 
ersten  Male  die  Existenz  der  Lösungen  dieses  elastischen  Gleich- 
gewichtsproblems einwandsfrei  nachgewiesen. 

2.  Herr  August  Rothpletz  überreicht  eine  Abhandlung  des 
Herrn  Prof.  Dr.  Ernst  Weinschenk:  „Über  Mineralbestand 
und  Struktur  der  kristallinischen  Schiefer*^.  Dieselbe 
ist  für  die  Denkschriften  bestimmt. 


üntersüchimgen  zur  allgemeinen  Theorie  der  Potentiale 

von  Flächen  und  Ränmen. 


Von  km  Kom. 


{Ehtg^irftn  18.  Januar.) 


I.   Abschnitt. 

Verallgemeinerung   einiger  Sätze   über   Potentiale  von 

Doppelbelegungen. 

Die  folgenden  3  Sätze  bilden  eine  Verallgemeinerung  einiger 
früherer  Sätze,  *)  durch  welche  der  aUgemeine  Beweis  der  Neu- 
mannschen  Methode  des  arithmetischen  Mittels  ermöglicht  wurde. 
Der  verallgemeinerte  Satz  II  dieser  Abhandlung  ist  bereits  von 
LiapounoflF*)  bewiesen  worden ;  wenn  ich  auch  diesen  hier  noch 
einmal  beweise,  so  geschieht  dies,  um  zu  zeigen,  daß  die  Hilfs- 
mittel, mit  denen  der  Beweis  des  ursprünglichen  Satzes  von 
mir  gegeben  wurde,  auch  fflr  die  Verallgemeinerung  ausreichen. 
Die  Beweise  der  Sätze  I  und  III  in  ihrer  neuen  allgemeinen 
Form  werden  in  dieser  Abhandlung  zum  ersten  Male  gegeben. 

Während  für  den  Beweis  der  Neumannschen  Methode  des 
arithmetischen  Mittels  diese  VeraUgemeinerungen  nicht  nötig 
waren,   sondern  die   ursprüngHch  von   mir  gegebenen  Sätze') 


1)  A.  Korn,  C.  r.  130,  p.  1238,  1900;  Abhandlungen  zur  Potential- 
theorie 1  (Ferd.  Dümmlers  Verlag«  Berlin  1901);  Einige  Sätze  über  die 
Potentiale  von  Doppelbelegungen  (diese  Ber.  33,  S.  3,  1903). 

*)  Liaponnoff,  Comm.  de  la  Soc.  Math,  de  Kharkow  1902. 

*)  A  Korn,  Abhandlungen  zur  Potentialtheorie  1,  Satz  I — III,  S.  6 — 11. 

1* 


4  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

ausreichten,  sind  diese  verallgemeinerten  Sätze  sehr  nützlich 
fär  den  Beweis  einer  der  Neuuiannschen  analogen  Methode  in 
der  Theorie  des  elastischen  Gleichgewichts ;  aus  diesem  Orunde 
war  ich  gezwungen,  noch  einmal  auf  diese  Sätze  zurückzu- 
kommen und  sie  in  der  Form  zurechtzulegen,  in  der  sie  für 
diese  neue  Methode  in  der  Elastizitätstheorie  geeignet  sind. 

§  1. 

I.*)  Ist  die  Funktion  x  der  Stelle  auf  einer  stetig 
gekrümmten,  geschlossenen  Fläche  co  derart  stetig,  da& 
ihre  absoluten  Funktionsdifferenzen  in  zwei  Punkten  1 
und  2  in  genügend  kleiner  Entfernung  r^, 

-_,-..      ,       \  A  endliche  Konstante, 

*2'    I  A  irgend  ein  echter  Bruch, 
und  setzen  wir: 

1)  w^j.'^dco, 

so  sind  bereits  die  ersten  Ableitungen  (sowohl  die 
tangentialen,  als  auch  die  normalen)  der  Funktion: 

2)  w,  =  \^{Wa+W^'^^^da> 

an  der  Oberfläche  (sowohl  an  der  Innenseite,  als  auch 
an  der  Außenseite)  derart  stetig,  daß,  wenn  o  eine 
beliebige  Richtung  bedeutet,  für  zwei  Punkte  1  und  2 
der  Fläche  co  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,,: 

r  aTT  I       ^w  1 1 


wo  c,  und  c,  zwei  endliche  Konstanten  vorstellen,  die 
lediglich  von  der  Gestalt  der  Fläche  co  und  den  Zahlen  iU' 
abhängen,  k*  einen  beliebigen  echten  Bruch  <  i.  (in 
strengem  Sinne). 

^)  Beiläufig  sei  bemerkt,  daß  sich  der  Satz  auch  fOr  A'  =  Jl  beweisen 
l&fit»  doch  genügt  die  hier  gegebene  Fassang  des  Satzes  für  unsere  Zwecke. 


^»^.-^•fjjr'' 


A.  Kom:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen.  5 

Wir   beweisen    zunächst,    daß   die   ersten    tangentialen 
Ableitungen  der  Funktion: 

filr  zwei  Punkte  1  und  2  der  Fläche  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r,2  die  Eigenschaft  haben: 


4)  abs.  [ 


laTfo, 


dh 


2 


9  j^j  -1 

—  f-j  P)  <  (aj  J.  +  a,  abs.  Max.  «)  rjg,  A"  <  A, 


wo  ttj  und  ttj  zwei  endliche  Konstanten  vorstellen,  die  ledig- 
lich von  der  Gestalt  der  Fläche  (o  und  den  Zahlen  ZA"  ab- 
hängen, l"  einen  beliebigen  echten  Bruch  <  l  (in  strengem 
Sinne). 

Wir    bilden   zum   Beweise   die   Ableitung   von   Wo,  nach 
irgend  einer  tangentialen  Richtung  Ai(2)^)  in  den  Punkten  1  und  2 : 


5) 


^^to  I C.  -  cos  (vÄ,)  —  3  cos  (rÄ,)  cos  (rv)  , 


m 


dh 


J,  V  co8(rA,)  —  3  cos(rÄ,)  cos(rv)  , 


CO 


(eine  strenge  Begründung  dieser  Formeln  s.  diese  Berichte  33, 
S.  13—18). 

Wir  denken  uns  um  den  Mittelpunkt  0  der  die  Punkte  1 
und  2  verbindenden  Graden  eine  Kugel  mit  dem  Radius 


ISf 


die  Schnittkurve  c  dieser  Kugelfläche  und  der  Fläche  co  zer- 
legt cü  in  einen  Teil  co^,  der  1  und  2  enthält,  und  einen 
Teil  CO  —  CO,. 

Wir  konstruieren  femer  um  0  als  Zentrum  eine  Kugel 
mit  dem  Radius  H  [der  größer  ist,  als  eine  bestimmte  end- 
liche Länge],  deren  Schnittkurve  2*  mit  co  die  Fläche  co  in 
einen  Teil  o),  +  co,,  der  1  und  2  enthält,  und  einen  Teil 
io  —  o>,  —  CO,  zerlegt,  so  daß  man  für  den  von  (d^  +  oy^  her- 
rührenden Teil  in  den  Integralen  5). 


^)  008 (^x)  =  cos  (^iO;)  -|-  «1, . .,  wobei  |«i  K  endL  Konst.    fn, .  . 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


6) 


'\x  —  )<j  I  <  -4  •  r^, 

X  —  X,  I  <  JL  •  r^, 

cos  (vAi(2))  I  <  r/; 
.\cos{rv)\^rF 

(f  und  F  endlich)  setzen  kann. 

Es    folgt    dann    zunächst    für    die   von    co^   herrührenden 
Integrale  5): 

^(x  —  xi  2  )  ^^  (y  *i(2))  —  3  <^Qs  (rK2))  cos(ry)  ^^ 


7) 


»1 


<  endl.  Konst.  Ä  •  |  -;j3%  , 


<ut 


<  endl.  Konst.  Ä  •  r\^^). 


Andererseits  ist: 


abs. 


J,  .  cos(vA,)  —  3cos(rA,)cos(rv)  , 


a> 


cos 


-JJ{|«(f'??)-''(«y^)l+^'^2} 

1  a>) 


a  cos  (vÄj)  -  3  cos  (r A, )  cos  (rv) 
35  r* 


dcodSj 


wobei  das  Integral  J( — )  d5  über  eine   zwischen  1  und  2  auf 

1 

CO,  beliebig  verlaufende  Kurve  s  zu  erstrecken  ist,   deren  Ab- 
stände von  CO,  kleiner  als  r,,  sind.     Somit  ist: 

2 


,        C,           ^  cos  (yh.)  —  3cos(rÄ,)cos(rv)  , 
abs.     I  (x  —  X,)  — ^-^^ ^^3-^-^ ^-^  d 


CO 


«1 


) 


<  endl.  Konst.  Ä  •  Jj  J^  +  rj  J^  }  ds, 


<  endl.  Konst.  Ä  •  <  -r-r  H — ^  [  1  d«,  * 

Ki2~'       ^iJJ 

<  endl.  Konst.  -4  •  r|^ , 


) 


^)  Mit  Berücksichtigung  der  letzten  Formel  S.  292  meines  Lehr- 
buchs der  Potentialtheorie  I. 

^)  Mit  Rficksicht  darauf,  dafi  ru  kleiner  als  jedes  r. 


»i^-xt^mf' 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


und  wir  erhalten  weiter: 


,      ,             N '   fcos  (vA,)  —  3  cos  (rh.)  cos  (rv)  , 
abs.  (x,  — X,)   J ^^ d 


(O 


«1 


<  endl.  Eonst.  Ä  •  rj^ 


J  r* 

CO, 


') 


2 


<  endl.  Konst.  Ä  -  rj:/)    (A"  <  A) 


Ferner  ist: 


)cos(n')  cos 


(vÄj)-3cos(rA,)cos(n')1 , 
r*  J 


Ol) 


<  endl.  Konst.  Ä  -  r,j 

^  endl.  Konst.  JL  •  rj^ ,  *) 
und  es  folgt  aus  den  drei  letzten  Formeln: 


1     r!  f/           vCos(vÄJ  —  ScosfrAJcosTrv)  , 
abs.  ;  J  («  -  «,) ^—^ 8         ^-^  d 


8) 


(O 


J,           V  cos(rÄ,)  —  3co8(rÄ,)cos(rv)  ,      1 
(«-«,) — —- y»  ^— '(iö)    I 

<  endl.  Konst.  A  •  rjg. 


Schließlich  ist,  da  die  Entfernungen  des  Flächen teiles 
OD  —  coj  —  coj  von  1  und  2  grö&er  sind,  als  eine  bestimmte, 
endliche  Länge: 


9) 


1    r    f/           N  cos  (y  Ä,)  —  3  cos  (r  Ä,)  cos  (r  v)  , 
abs.[  J  (x-H,)  —^^-^l -j^—^ 5^  d 


(O 


J.  COS  (v  A,)  —  3  cos  (r  Ä.)  cos  (rv)  ,      l 
(x  — X,) ^— i^ ^»        ' ^-^d(o 

<  endl.  Konst.  abs.  Max.  x  •  r,,, 
,  .    f  cos  (vAg)  —  3  cos  (r  Ag)  cos  {rv)   , 

^  endl.  Konst.  -^  •  ^j, 


(O 


2 


1)  Vgl.  Anm.  1  u.  2  auf  Seite  6. 


S  Sitzung  der  mmtlu-pbjs.  Klasae  Tom  13.  Januar  1906. 

und  die  Addition  der  Ungleichangen  7),  8\  9)  ergibt  die  be- 
hanptete  Ungleichung  4). 

Um  mit  Hilfe  der  Ungleichung  4).  die  wir  jetzt  bewiesen 
haben,  die  eigentliche  Behauptung  unseres  Satzes  zu  beweisen, 
mOssen  wir  uns  noch  zwei  Hilfesatze  zurecht  legen: 

Hilfesatz  L^)     Das  Flächenpotential: 

10)  ^=J«^. 

in  dem  H  lediglich  als  eine  endliche^)  Funktion  der  Stelle 
auf  der  Fläche  vorausgesetzt  wird,  hat  die  Eigenschaft,  dafi 
für  zwei  Punkte  1  und  2  der  Oberfläche  in  genügend  kleiner 
Entfernung  r„: 

11)  abs.  .  r  J  ^  •  JL  •  abs.  Mai.  H  •  r;*,, 

wo  A  einen  beliebigen  echten  Bruch,  und  A  eine  endliche 
Konstante  rorstellt,  die  lediglich  Ton  der  (Jestalt  der  Fläche  co 
und  der  Wahl  des  echten  Bruches  .1  abhängt. 

Hilfesatz  2.')  Die  ersten  Ableitungen  des  Flächenpoteu- 
tials: 


a» 


in  dem  H  als  eine  derart  stetige  Funktion  der  Stelle  auf  der 
Fläche  a>  Yorausgesetzt  wird,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2 
der  Fläche  in  genügend  kleiner  Entfernung  r„: 


12)        abs.  (fl,  — J3,)<^.r{2, 


A  endlich, 

i  ein  echter  Bruch, 


^)  Allgemeinere  Fassung  eines  bereits  früher  von  mir  bewiesenen 
Satzes  (Lehrbuch  der  Potentialtheorie  I,  S.  388K 

^  Endlich  im  Sinne  von  «endlich  und  integrabel*. 

•)  Erweiterung  eines  Satzes  von  Holder  (Beiträge  zur  Potential- 
theorie,  Stuttgart  1882).  Beiläufig  sei  bemerkt,  daß  sich  der  Satz  auch 
für  i'  =  i  beweisen  läfit.  doch  genügt  die  hier  gegebene  weniger  allge- 
meine Fassung  für  unsere  Zwecke. 


^s-wir.ejÄ» 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


sind  selbst  auf  der  Fläche  derart  stetig,  daß  für  zwei  Punkte 
1  und  2  der  Innen  (Außen)  seite  von  (o  in  genügend  kleiner 
Entfernung  r^^: 

13)  abs.  f '  ?^|  —   l-\Y<i^^-\-C!  abs.  Max.  H)  rj„  (A'<  A) 

wenn  a  eine  ganz  beliebige  (tangentiale  oder  normale  oder 
irgend  eine  andere)  Richtung  vorstellt,  B,  C  endliche  Eonstan- 
ten, die  lediglich  von  der  Gestalt  der  Fläche  (o  und  den 
Zahlen  Xl'  abhängen. 

Zum  Beweise  des  Hil&satzes  1  denken  wir  uns  um  den 
Mittelpunkt  0  der  Gh'aden  1,  2  eine  Kugel  mit  dem  Radius  r^,, 
die  CO  in  der  Kurve  g  schneidet  und  in  einen  1  und  2  ent- 
haltenden Teil  coj  und  einen  Teil  co  —  cOj  zerlegt.  Dann  ist 
der  von  co,  herrührende  Teil  der  DiflFerenz   |  F, —  Fj  | 

abs.  I  F.H  I  f  "<  2jff  V  ' 

^  2  abs,  Max.  Ä  i , 

(Ol 

^  2  abs.  Max.  H  •  r^,  *) 

(o^  herrührende  Teil  der  Differenz  |  F,  —  F,  | 

Jd{ 
— 

auf  der  Oraden  1,  2, 

<  endl.  Konst.  abs.  Max.  JT«  r^,  •  -^33^,*) 

''12 

wo  A  einen  beliebigen  echten  Bruch  vorstellt.    Durch  Addition 

der  beiden  Ungleichungen   ergibt  sich  aber   die  Behauptung 

des  Hilfssatzes  1. 

Zum   Beweise   des  Hilfssatzes  2   bedenken   wir  zunächst, 

daß,  wenn  x  eine  beliebige  Richtung  vorstellt: 


der  von  (o 
abs. 


V 


d(o 


^)  Formel  46)  oder  47)  S.  38  u.  39  meines  Lehrbuchs  der  Potential- 
theone  I. 

*)  Mit  Rücksicht  auf  die  letzte  Formel  8.  392  dieses  Lehrbuchs. 


10 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


f  Cd(o\             C       ,     .  cos  (rv)  ,           CKcosivx)  ,      I 
M  — J  =  -  J  cos  {vx)  —^-  da>  -  J ^  dco, ; 

K  ErümmungsmalB  von  do)^ 
daß  somit,  da 

r       ,     .cos(rv)  ,  ,  -         /     N       f      /     \C^(^^)j   I 

— J  cos(va:)  — -^   -  aa>  =  +2jicos(vj?)—  J  cos(v:c) — y--»ö>, 


€0 


O) 


CO 


mit   Rücksicht    auf    die   Ungleichung   4)    sogar   stetige   erste 
Ableitungen  auf  (o  hat,  und  nach  dem  Hilfssatz  1 : 


5  I  f^^s( 


abs. 

auch: 

14)        abs. 


vx) 


d(o 


^arj^ 


bei  genügend  kleinem  r„, 

A  beliebiger  echter  Bruch,  a  endlich 


3    Cdo) 
dxJ   r 

€0 


<;  endl.  Eonst.  rj^g, 


A  beliebiger  echter 
Bruch. 


Zum  Beweise  des  Hilfssatzes  2  haben  wir  daher  nur  die  Un- 
gleichung : 

15)  Rhs,\W\l  <(endl.Konst.^-f endl. Konst. abs. Max.H)rj2,(A'<A) 
nachzuweisen,  wenn  wir 


16) 


5Pi(«  = 


f{Hi^r],)-H{xf,.)}'-^d 


0) 


to 


1(2) 


setzen. 

Wir  teilen  die  Fläche  o)  in  drei  Teile:  Wir  denken  uns, 
ähnlich  wie  wir  dies  schon  einmal  gehabt  haben,  um  den 
Mittelpunkt  0  der  die  Punkte  1  und  2  verbindenden  Graden 
eine  Kugel  mit  dem  Radius  r^^;  die  Schnittkurve  g  dieser 
Kugelfläche  und  der  Fläche  (o  zerlegt  (o  in  einen  Teil  a>,, 
der  1  und  2  enthält,  und  einen  Teil  a>  —  co,.  Wir  konstruieren 
ferner  um  0  als  Zentrum  eine  Kugel  mit  dem  Radius  R  (der 
größer  ist  als  eine  bestimmte,  endliche  Länge),  deren  Schnitt- 
kurve 2*  mit  (o  die  Fläche  (o  in  einen  Teil  ö>, +  ö>j,  der  1 
und  2  enthält,    und   einen  Teil  o)  —  coj  —  ö>,   zerlegt,   so   daß 


^)  Mit  Rücksicht  auf  Formel  64)  S.  42  dieses  Lehrbuchs. 
2)  Anm.  2  S.  9. 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Kilumen. 


11 


man    für   den    von   cüj  +  co,    herrührenden   Teil   in   den   Inte- 
gralen 16): 

|fl^— Äi(2)|<^-r^ 
setzen  kann. 

Es  folgt  dann  zunächst  für  den  von  co^  herrührenden  Teil 
der  Differenz  |  !P  |  J. 

d(o 


17) 


abs.    !P'a>j  li  '<  endl.  Konst.  Ä  J     i  -^^    +     I  -^tzi      [ 


<  endl.  Konst.  Ä*r^^, 
für  den  von  o>,  herrührenden  Teil  der  Differenz  |  !iF|J 


18)- 


abs.  I V^  \l 


abs. 


JrzT  ir\COs(ra:)  ,    |2  fcos(rÄ?)  , 

(ff-fl;)  -^j— ^  dö>   +  abs.  (i^-fi,)  J  — i—  ^^ 


^  endl.  Konst.  Ä  [r„  /  ^,  +  J?  |  +  rj'^  ] ,  (^  <  A) ') 


endl.  Konst.  Ä  rj'  , 


12 


schließlich  für  den  von  (o  —  tu,  —  co,  herrührenden  Teil  der 
Differenz  |5P^|J,  da  die  Entfernungen  der  Fläche  cd  —  cü, — co, 
von  den  Punkten  der  Oraden  1,  2  größer  als  eine  bestimmte, 
endliche  Länge  sind: 


1.    \\  C/TT    rr\COs(ra;)  ,  I  f.^    rr\<5ös(ra:)  ,       l 


19) 


to — e»|— Ol) 


abs 


<  endl.  Konst.  abs.  Max.  JET-  rj, 
cos  (r  j?) 


.  {H^—H,)  J  —  J^^^ da>  <  endl.  Konst.  Ä'r\^, 


und  die  Addition  der  Formeln  17),  18),  19)  ergibt  die  ün- 
gleichung  15)  und  damit  auch  die  Behauptung  des  Hil&- 
satzes  2. 


')  Man  vei^gleiche  die  analoge  Untersuchung  S.  7. 


12  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1905. 

Wir  werden  nunmehr  leicht  zeigen  können,  daß  die  Un- 
gleichung 4)  die  Behauptung  unseres  eigentlichen  Satzes  I 
nach  sich  zieht,  daß  die  ersten  Ableitungen  der  Funktion: 

20)  W.^jW.^d 


(O 


auf  der  Oberfläche  co  derart  stetig  sind,  daß,  wenn  o  eine 
ganz  beliebige  Richtung  vorstellt,  für  zwei  Punkte  1  und  2 
der  Fläche  co  in  genügend  kleiner  Entfernung  r^^: 

\^    —   -^-       <  ((?,  ^  +  (?,  abs.  Max.  «)  r^, 

I   3a    2  5ö     iJ 

wo  C|  und  c,  zwei  endliche  Eonstanten  vorstellen,  die  lediglich 
von  der  Gestalt  der  Fläche  co  abhängen  und  von  den  Zahlen  XX\ 
X'  einen  beliebigen  echten  Bruch  <  >l  in  strengem  Sinne. 

Es  ist  in  der  Tat: 


22)») 


aTT,^  r 3 TTo,  cos (ry) 
do        J    3«        r* 


o> 


0> 

da 


dW 

d.  h.  es  setzt  sich  -^-^  aus  ersten  Ableitungen  von  Flächen- 
So 

Potentialen 


a> 


additiv  zusammen,  in  denen  die  Funktion  H  die  Voraussetzung 
des  Hilfssatzes  2  erfüllt.  Der  Hilfssatz  2  beweist  somit  un- 
mittelbar die  Behauptung  unseres  eigentlichen  Satzes  I. 

*)  Formel  59  S.  46  meines  Lehrbuchs  der  Potentionltheorie  I.,  wenr 
wir  allgemein  durch  Überstreichung  einer  Richtung  h  die  tangentiale 
Richtung  mit  den  Richtungskosinussen : 

co8(Äa;)  =  C08{hx)  —  co8(Äv)co8(va;),  coa{hij)  =  coa{hy)  —  cos{hy)co9{vy) 

cos  (Ä«)  =  cos  (he)  —  cos  (hv)  cos  (vz\ 
andeuten. 


**Ä? 


A.  Kom:  Potentiale  von  Flächen  nnd  Räumen. 


13 


§2. 

n.  Die   Werte   des    über   eine   stetig   gekrümmte, 
geschlossene   Fläche  (o  zu   erstreckenden  Integrales: 


23) 


W 


r    cos(rv) 


=/- 


dcoj 


o> 


in  dem  x  eine  (abteilungsweise)  stetige  Funktion  der 
Stelle  auf  (o  vorstellt,  auf  der  Fläche  selbst: 


24) 


W^  =  i{Wa+    Wi) 


sind   selbst   auf  der  Fläche  a>   derart   stetig,    daß  für 
2  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,,: 


25) 


abs.  I  W(o  |.J  <  a  abs.  Max.  « 'rj^j,» 


wo  A  einen  beliebigen  echten  Bruch  darstellt  und  a 
eine  endliche  Konstante,  die  lediglich  von  der  Oestalt 
der  Fläche  und  der  Wahl  des  echten  Bruches  A  ab- 
hängt. 

Der  Beweis  ist  dem  Beweise  des  Hilfssatzes  1  des  §  1 
einigermaßen  analog.  Wir  teilen  die  Fläche  (o  in  drei  Teile: 
Wir  denken  uns,  ähnlich  wie  wir  dies  bereits  getan  haben, 
um  den  Mittelpunkt  0  der  die  Punkte  1  und  2  verbindenden 
Graden  eine  Kugel  mit  dem  Radius  r,,;  die  Schnittkurve  g 
dieser  Kugelfläche  und  der  Fläche  co  zerlegt  die  Fläche  (o  in 
einen  Teil  co,,  der  1  und  2  enthält,  und  einen  Teil  (o  —  coj. 
Wir  konstruieren  femer  um  0  als  Zentrum  eine  Kugel  mit 
dem  Radius  22  (der  größer  ist  als  eine  bestimmte,  endliche 
Länge),  deren  Schnittkurve  2*  mit  co  die  Fläche  (o  in  einen 
Teil  cüj  +  CO, ,  der  1  und  2  enthält,  und  einen  Teil  (o  —  co^  —  cü, 
zerlegt,  so  daß  man  für  den  von  cw,  +  o)^  herrührenden  Teil 
in  den  Integralen: 


Wa,,l{2)  = 


> 


cos(rv) 


d(o 


to 


«,1(2) 


den  Werten  von  TT«,  in  1  und  2  auf  der  Fläche 


14  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

26)  I  cos(rv)  I  ^  endl.  Größe  •  r^, 

setzen  kann. 

Es  folgt    dann   zunächst    fttr   den   von   (o^    herrührenden 
Teil  der  Differenz  \W^\\: 


27) 


abs.  I  TTcoj  \\  <  endl.  Konst.  abs.  Max.  x}    1  —   +    1  —    [ , 

y    OH  1  coj  2^ 

i^  endl.  Konst.  abs.  Max.  x  «Tj,  (Vgl.  Anm.  *)  S.  9), 
für  den  von  co,  herrührenden  Teil  der  Differenz  |  Wo,  \\ : 

abs.  I  Wa^  I J  <  endl.  Konst.  abs.  Max.  «•>'„•  Max.   I  —^ 


28) 


«1 
auf  der  Graden  1,  2, 


<  endl.  Konst.  abs.  Max.  x  -rf^,    (A  beliebiger 

echter  Bruch,  vgl.  S.  9)  ; 

schließlich  für  den  von  (o — tu,  —  co,  herrührenden  Teil  der 
Differenz  |TFo>|f»  <ia  die  Entfernungen  des  Gebietes  cü-ö>,-co, 
von  der  Graden  1,  2  größer  sind,  als  eine  bestimmte,  endliche 
Länge: 

29)        abs.  I  Wfo-o>i-c^\]  <  endl.  Konst.  abs.  Max.  x  •  r,, , 

und  die  Addition  der  Formeln  27),  28),  29)  ergibt  die  Be- 
hauptung 25).  Wir  wollen  diesem  Satze  den  folgenden  als 
Zusatz  anfügen,  obgleich  er  eigentlich  bereits  in  die  Theorie 
der  Raumpotentiale  gehört: 

Zusatz  zu  n.   Das  Raumpotential: 

Jdx 
—  über  den  Innenraum  von  cd 
i 

hat  an  der  Oberfläche  co  zweite  Ableitungen,  die  an 
der  Innen(Außen)seite  von  co  derart  stetig  sind,  daß 
für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r,,: 

a*F   *  — 

<  endl.  Konst.  r|*j 


31)  abs. 


dh^dh^ 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flehen  und  R&omen. 


15 


▼0  A,  *,  zwei  beliebige  Richtungen  Torstellen,  xl  einen 
ganz  beliebigen  echten  Bruch  und  b  eine  endliche 
Konstante,  die  lediglich  Ton  der  Gestalt  der  Fläche  (o 
und  der  Wahl  des  echten  Bruches  .1  abhängig  ist. 

Wir  bedenken,   daß  infolge   einer   einfachen   Greenschen 
Umformung: 


32)') 


daraus  folgt  unmittelbar  die  Behauptung  unseres  Zusatzes  mit 
Hilfe  des  Hilfssatzes  2  des  §  1. 

Man  kann  den  Zusatz  auch  direkt  aus  dem  Satze  11  her^ 
leiten,  aus  diesem  Grunde  füge  ich  denselben  in  diesem  §  hinzu, 
f&r  uns  war  aber  die  Herleitung  mit  Hilfe  des  bereits  be- 
wiesenen Hilfssatzes  2  des  vorigen  §  einfacher. 


§3. 

in.  Ist  S  die  Losung  des  Dirichletschen  Problems 
fQr  den  Innenraum  einer  stetig  gekrümmten,  geschlos- 
senen Fläche  CO  mit  den  gegebenen  Randwerten  6, 
welche  auf  der  Fläche  derart  stetig  vorausgesetzt 
werden,  dafi  für  zwei  Punkte  1  und  2  der  Fläche  in 
genügend  kleiner  Entfernung  r^, 

Ä  endlich, 
i  echter  Bruch, 


33) 


abs.  j  d  ji  <  -^  ^2  ' 


dann  ist  allgemein  für  zwei  Punkte  1  und  2  des  Innen- 
raumes in  genügend  kleiner  Entfernung  r^,: 


34) 


abs.  I  Ö  ;2  <  (a  ^  +  6  abs.  Max.  6)  r\^ 


wo  a,  b  endliche  Eonstanten  vorstellen,  die  lediglich 
von  der  Gestalt  der  Fläche  und  der  Zahl  i,  abhängen. 


1)  Vgl.  z.  B.  Formeln  88,  S.  62  meines  Lehrbuchs  der  Potential- 
tbeorie  I. 


16  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

Wir  beweisen   zunächst,   daß  das  Potential  der  Doppel- 
belegung : 

35)  w==je'^d 


CO 

CO 


im  Innenraume  derart  stetig  ist,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2 
in  genügend  kleiner  Entfernung  r^, 

36)  abs.  I T1^  1^  ^  (endl.  Konst.  Ä  +  endl.  Eonst.  abs.  Max.  ß)  r\^ . 

Sobald  die  Entfernung  der  beiden  Punkte  1  und  2  von 
der  Fläche  größer  ist,  als  eine  bestimmte,  endliche  Länge, 
sind  ja  alle  Ableitungen  von  W  stetig,  wir  haben  daher  nur 
zu  beweisen,  daß  man  um  jeden  Punkt  der  Oberfläche  einen 
Raum  abgrenzen  kann,  in  dem  die  größte  Entfernung  zweier 
Punkte  kleiner  (gleich)  ist,  als  eine  bestimmte,  endliche  Länge, 
und  in  dem  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner 
Entfernung  r^^: 

37)  abs.  I W  If  ^  (a  ^  +  ^  abs.  Max.  d)  rj^ ,  \  a,  ß  endlich. 
Die  Voraussetzung  33)  bestehe  für 

wo  a  größer  sein  soll,  als  eine  bestimmte,  endliche  Länge ;  wir 
schlagen  um  den  Mittelpunkt  0  der  Graden  1,  2  eine  Kugel  mit 

dem  Radius  — ,  wo  c  einen  echten  Bruch  vorstellen  soll  und 

bezeichnen  mit  3  den  Punkt  der  Fläche  o>,  der  von  der  Ver- 
bindungsgraden 1,  2  die  kürzeste  Entfernung  hat.  Zerlegen 
wir  den  Teil  von  a>,   dessen  Entfernungen  von  0  kleiner  sind 

als   ^   noch  in  zwei  Teile  cOj  und  (o^  so,   daß  co^  alle  Punkte 

enthalte,  deren  Entfernungen  von  den  Punkten  1  und  2  größer 
sind,  als  r,j  —  a>j  kann  sich  auch  auf  null  reduzieren  — , 
dann  ist  der  von  a>,  herrührende  Teil  der  Differenz 

2 


W-W,]',- 


•  1  •:fr  '^^Jt  ß^ 


38) 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


abs.,TI^-ir,U? 


17 


< 


endl.  Konst.  Ar^^AA  1    -\,-^irfö>   +  |     -   1  "  ^%  V 

\-\J  I  l        i"^  '  2-' 


endl.  Konst.  -dr^g, 
der  von  tu,  herrahrende  Teil  der  DiflFerenz  |  W —  W^  |f 


39) 


abs.iir-ir,|^« 


1     va^ 
2 


<  J  J  endl.  Konst.  -^da)ds<^  endl.  Konst.  ^^^fzy ,  *) 

endlich,  da  alle  Punkte  der  Flüche  co  —  coj  —  co^  von  den 
Punkten  der  Verbindungsgrade  1,  2  größer  sind,  als  eine  be- 
stimmte, endliche  Länge,  der  von  (o  —  a>,  —  (o^  herrührende 
Teil  der  DiflFerenz  \W—W^\^^: 

40)     abs.  I  W —  W^  ic»-tt>i-<M,  1  <;  endl.  Konst.  abs.  Max.  ö  •  r,, , 

und  es  folgt  die  Formel  37)  durch  Addition  der  Ungleichun- 
gen 38),  39),  40). 

Damit  ist  aber  auch  die  Behauptung  36)  für  irgend  zwei 
Punkte  des  Innenraumes  von  co  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r,j  bewiesen. 

Nach  der  Methode  des  arithmetischen  Mittels  ist  nun 


«) 


a        j^    1     fi  cos(r»')  ,       , 


to 


wo  w  das  Potential  einer  Doppelbelegung  darstellt,  deren  erste 

Ableitungen  nach  dem  Satze  I  bereits  im  ganzen  Innenraume 

stetig  sind.     Durch  die  Formel  36)  ist  daher  die  Behauptung 

des  Satzes  lU  mitbewiesen. 

2 

*)  Das  Integral  J^( — )<f»,  analog  früheren  Betrachtungen,  über  die 

1 
Verbindungsgrade  1, 2  zu  erstrecken. 

<j  Man  vgl.  S.  6. 
1906.  Sitxongsb.  d.  maUi.-phys.  KL  2 


18  Sitzung  der  math.-pbjs.  Klasse  vom  18.  Januar  1906. 


42) 


Zusatz  1  zu  III.    Ein  jedes  Flächenpotential 

da) 


-s 


H 


to 


ist,  wenn  man  über  die  Funktion  H  lediglich  voraus- 
setzt, daß  sie  endlich^)  ist,  im  ganzen  Innenraume 
und  Außenraume  derart  stetig,  daß  für  zwei  Punkte 
1  und  2  in  genügend  kleiner  Entfernung  Tj,: 

A  beliebiger  echter 


43)  abs.  \V\\  <  endl. Konst. abs  Max. H* rj^^ 


Bruch. 


Der  Zusatz  folgt  unmittelbar   nach   dem  Hilfssatz  1    des 
§  1  und  dem  Satze  lU. 

Zusatz  2  zu  III.    Das  Baumpotential  ^) 

dx 

44) 


-St 


besitzt  zweite  Ableitungen,  weiche  im  ganzen  Innen- 
(Außen)raume  derart  stetig  sind,  daß  für  zwei  Punkte 
des  Innen(Außen)raumes  1  und  2  in. genügend  kleiner 
Entfernung  r^^: 


45) 


abs. 


9Ä,  dh^ 


<an 


12 


wenn  h^  und  h^  zwei  ganz  beliebige  Richtungen  vor- 
stellen, A  einen  beliebigen  echten  Bruch  und  a  eine 
endliche  Konstante,  die  lediglich  von  der  Gestalt  der 
Fläche  0}  und  der  Wahl  des  echten  Bruches  A  abhängt. 
Der  Zusatz  folgt  unmittelbar  aus  dem  Zusatz  zu  dem 
Satze  II  und  dem  Satze  III. 

Zusatz  3   zu   III.     Besteht   die   Voraussetzung   des 
Satzes  III: 


46) 


abs.  I  dl?  <:^rf. 


*)  Im  Sinne  von  , endlich  und  integrabel*. 

*)  Eine  Verallgemeinerung  dieses  Satzes  findet  man   im   zweiten 
Abschnitt. 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


19 


für 

47)  r,^<o, 

wo  o  größer  ist  als  eine  bestimmte,  endliche  Länge, 
und  konstruieren  wir  um  irgend  einen  Punkt  der 
Oberfläche  als  Zentrum  eine  Kugel  mit  dem  Radius 

wo  zl  eine  beliebig  kleine  Zahl  vorstellt,  so  ist  für 
zwei  Punkte  1  und  2  des  Raumes  T,  den  diese  Kugel 
und  der  Innenraum  von  co  gemeinsam  haben: 

48)  abs.  I  ö  IJ  <  (endl.  Konst.  A  -\ ^ ^  abs.  Max.  Ö)  rj^. 

Wir  haben  in  dem  Beweise  von  III  nur  den  echten  Bruch 
c  =  1  —  A  zu  setzen ;  die  beiden  Ungleichungen  38)  und  39) 
bleiben  ungeändert,  die  Ungleichung  40)  schreiben  wir: 

abs.  I  W-  TVj  !a,-a>j-a>,  J  <  ©ndl.  Konst.  abs.  Max.  Ö-r^^  Max.  |  _ 

auf  der  Strecke  1,  2, 

und  es  folgt  die  Behauptung,   wenn  wir  noch   bedenken,   daß 

das  Integral  rechts 

endl.  Konst.  ^) 

kleinste  Entfernung  der  Fläche  a>  —  o>,  —  o),  von  1  und  2 

— .  endl.  Konst. 


also 
49) 


A  •  o 


abs.   W—  W^  \ro-toi-a^]  < ^ *  abs.  Max.  0-r^^, 


durch  Addition  von  38),  39)  und  49). 

Zusatz  4  zu  in.  Sind  außer  ß  die  ersten  tan- 
gentialen Ableitungen  von  S  auf  der  Fläche  o>  derart 
stetig,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2  der  Fläche  o)  in 
genügend  kleiner  Entfernung  r^^: 


1)  Vgl.  Anmerkung  ')  S.  6. 


2 


20 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


50)        abs. 


de 

dh 


<^-^2' 


X  echter  Bruch, 

A  endliche  Konstante, 


wo  h^)  eine  beliebige  tangentiale  Richtung  vorstellt, 
so  sind  die  ersten  Ableitungen  der  Potentialfunktion  Ö 
im  ganzen  Räume  i  derart  stetig,  daß  für  zwei  Punkte 
1  und  2  des  Raumes  i  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung rjgi 


51)         abs. 


36 
da 


<  (a  ^  +  6  abs.  Max.  0)  rf^ ,     (A'  <  X) 


wo  o  eine  ganz  beliebige  Richtung  vorstellt,  a,  h  end- 
liche Konstanten,  die  lediglich  von  der  Gestalt  der 
Fläche  o)  und  den  Zahlen  XX*  abhängen. 

Es  folgt  zunächst  die  behauptete  Stetigkeit  der  ersten 
Ableitungen  von  W  von  der  Art  51)  genau  in  derselben  Weise, 
wie  die  Behauptung  des  Satzes  I  aus  der  Ungleichung  4)  S.  5. 
Schließlich   ist  nach  der  Methode  des   arithmetischen  Mittels: 


52) 


da 


1    dW  ,    dw^ 


2^1  da 


da 


wo  w^  das  Potential  einer  Doppelbelegung  darstellt,  deren  erste 
Ableitungen  bereits  im  ganzen  Räume  i  nach  Satz  I  von  der 
Art  51)  eindeutig  und  stetig  sind.  Damit  ist  auch  der  Zu- 
satz 4  bewiesen. 


^)  cos  [h^x)  —  cos  {h^x)  -^  sy,  .  . ,   wobei  |  «j    ^  endl.  Konst.  r,2. 


■-■^■-■■t^mmm, 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen.  21 


n.   Abschnitt. 
Einige  Sätze  über  Raumpotentiale. 

Ein  bekannter  Satz  von  Holder^)  sagt  aus,  daß  die  zweiten 
Ableitungen  des  Raumpotentials: 


1)  v=j 


E 


dx 


eindeutig  und  stetig  sind,  im  ganzen  Innenraume  sowohl,  als 
auch  im  ganzen  Außenraume,  falls  die  absoluten  Funktions- 
differenzen von  E  in  zwei  Punkten  1  und  2  des  Raumes  t 

sind,  bei  genügend  kleiner  Entfernung  r,,  der  beiden  Punkte, 
wo  A  eine  endliche  Konstante,  l  eine  positive,  von  null  ver- 
schiedene Zahl  vorstellt. 

Er  sagt  ferner  aus,  daß  die  Sprünge  der  zweiten  Ab- 
leitungen bei  dem  Durchgange  durch  die  Oberfläche  des  Ge- 
bietes T  dieselben  sind,  wie  bei  der  Voraussetzung  endlicher 
erster  Ableitungen  von  E,  und  daß  schließlich  auch  die  obige 
Bedingung  für  E  für  die  Gültigkeit  der  Formel: 

AV=  —ijzE 

in  jedem  Punkte  des  Innenraumes  hinreichend  ist. 

Ich  werde  in  diesem  zweiten  Abschnitt  vier  Sätze  be- 
weisen, von  denen  der  erste  eine  Erweiterung  des  Hölderschen 
Satzes  ist;  die  drei  anderen  Sätze  beziehen  sich  auf  ein  diesem 
Satze  verwandtes  Gebiet  der  Potentialtheorie,  und  es  sei  hervor- 
gehoben, daß  dieselben  in  meinen  Abhandlungen  zur  Elasti- 
zitatstheorie  eine  ganz  außerordentlich  wichtige  Rolle  spielen 
werden. 


*)  Holder,  Beiträge  zur  Potentialtheorie,  Tübingen  18S2. 


22  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

§  1. 

L  Erfüllt  die  Funktion  E  der  Stelle  des  Raumes  z 
die  Bedingung,  daß  die  absoluten  Funktionsdiffe- 
renzen  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner 
Entfernung  r^^:  _ 

sind,  wo  Ä  eine  endliche  Konstante,  X  einen  echten 
Bruch  vorstellt,  so  sind  auch  die  zweiten  Ableitungen 
des  Raumpotentiales: 

T 

sowohl  im  Innenraume,  als  auch  im  Außenraume  der- 
art stetig,  daß  die  absoluten  Funktionsdifferenzen 
für  zwei  Punkte  1  und  2  des  Innen(Außen)raumes  in 
genügend  kleiner  Entfernung  r^g 

<  (aÄ  +  b  abs.  Max.  E)  rj^ 

sind,  wo  a  und  b  endliche  Konstanten  vorstellen,  die 
lediglich  von  der  Gestalt  des  Gebietes  r  abhängig 
sind  und  von  der  Zahl  X. 

Es  seien  1  und  2  zwei  Punkte  des  Innenraumes  in  der 
Entfernung  r^^,  wir  beschränken  uns  auf  die  Betrachtung  im 
Innenraume,  die  Betrachtung  im  Außenraume  ist  Schritt  für 
Schritt  dieselbe.  Wir  denken  uns  um  den  Mittelpunkt  0  der 
Graden  1,  2  eine  Kugel  mit  dem  Radius  r,,  und  nennen  das 
Gebiet,  welches  t  und  diese  Kugel  gemein  haben,  t,,  dann  ist, 
wenn  wir 


2)^ 


T  TT 

v^v-^e/^, 

X 

F"=Jr.£:(f,?c)-E(xy^)]^ 


*tt:Sf*^ÄP 


f.   i. 


a??  -v* 


A.  Eom:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


23 


setzen,  mit  D^  irgend  eine  zweite  Ableitung  bezeichnen  und  r,^ 
genügend  klein  annehmen : 


I  '  I    T« 


i 


wobei  durch  den  Index  Tj  angedeutet  werden  soll,  daß  das 
Potential  F"  nur  über  den  Kaum  t^  erstreckt  werden  soll, 
also: 


abs. 


'   Tj  '"1 


2-1 


Aus  der  durch  eine  einfache  Green'sche  Umformung  fol- 
genden Formel: 

o>i  Oberfläche  von  t,  , 


.       f  dr        1  rcos(rv) 
ergibt  sich: 


V  innere  Normale  von  d(o, 


'i 
somit: 


cos(r»')  ,    I 

^  1 


Jdr 


cos(n') 


Jcos(i 


do) 


w, 


abs.  !  D,  F"    <  — r-  J.  rj, ,     abs. 
und: 


<  endl.  Konst.  -4  •  r|j  ^) 


abs.  I  D^{V—r')  f  +  abs.    D^V;^  |j' 
<;  endl.  Konst.  -4  •  r^g  +  ^°^'-  Konst.  abs.  Max.  JEr^^  *). 

Wir  schlagen  jetzt   um    0    eine   zweite    Kugel  mit   dem 
Radius  B ;  w^ir  können  denselben  so  wählen,  daß  derselbe  größer 


1)  Da 


stets  endlich  ist. 


—    <  endl.  Konst.  rjg» 

T 

WO  yl   einen  beliebigen  echten   Bruch   darstellt.    (Zusatz  2   zu  Satz  III 
des  I.  Abschnitts.) 


') 


24 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


ist,  als  eine  bestimmte,  endliche  Länge,  aber  dennoch  genügend 
klein  so,  daß  die  Oberfläche  co^  dieser  Kugel  den  Raum  t—Tj 
in  zwei  Teile  t^  und  t — Tj — t,  zerlegt,  und  daß  für  je  zwei 
Punkte  1  und  2  des  Raumes  t,  -f-  t,  : 


Es  ist  dann: 


abs.  I  £  IJ  <  -4  •  rjg . 


''  1    Ti 


9Ai 

95 


drflb, 


wobei  wir  durch  den  Index  t,  andeuten,  daß  das  Potential  V 
nur  über  den  Raum  Tj  erstreckt  werden  soll,  und  unter  ds 
ein  Element  der  Graden  1,  2^)  verstehen,  und  es  ist  auf  der 
Graden  1,  2: 


j[\E{Sfjg)-E(xyz)\+Ar'^,] 


dB 


J  f^-f- 


Cdr 


,f|^^<6^J^  +  6^^2j^ 


'2 


oder,  da  entsprechend  der  Formel  3): 


Jdr  1       rcosfrr)   , 


'2 


{Ol-\-(0^ 


V  die   in  das  Gebiet  t,   hinein- 
gehende Normale  von  dco, 


-12.4  1  ,       ,    12^       1       ,      , 


(irj 


^  ^12 


daraus  folgt: 


^2 


dB 


2'       _-,     48(2-A)    ,     , 
?  1  —  X  '' 


somit: 
5) 


^hs.\D,V;J,^in^^^-^  Ar\^ 


Schließlich  ist,   da  R  größer   ist   als  eine   gegebene  end- 
liche Länge: 


*)  Falls  die  Verbindungsgrade  1,  2  nicht  ganz  im  Innenraume  ver- 
laufen sollte,  kann  dieselbe  durch  eine  andere  zwischen  1  und  2  ver- 
laufende, ganz  im  Innenraume  liegende  Kurve  s  ersetzt  werden. 


k 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


25 


6)  abs.  1 1>,  V;_^^_^^  I«  <  h'  abs.  Max.  E-  r„ ,     (6'  endlich), 

und  es  folgt  durch  Addition  von  4),   5),   6)  die  Behauptung: 

7)  abs.  I  D,  F  If  ^  (oul  +  6  abs.  Max.  E)  rj, . 


§2. 
II.    Die  ersten  Ableitungen   des  Raumpotentiales: 


-/ 


E 


dt 


in  dem  E  lediglich  als  endlich^)  vorausgesetzt  wird, 
sind  im  ganzen  Räume  derartig  stetig,  daß  ihre  abso- 
luten Funktionsdifferenzen  für  zwei  Punkte  1  und  2 
in  genügend  kleiner  Entfernung  r^^ 

<  Ä  abs.  Max.  E  -r\^ 

sind,  wo  man  für  k  einen  beliebigen  echten  Bruch 
setzen  kann  und  Ä  eine  endliche  Konstante  vorstellt, 
die  lediglich  von  der  Gestalt  des  Gebietes  t  und  der 
Wahl  des  echten  Bruches  i  abhängt. 

Es  seien  1  und  2  zwei  Punkte  des  Raumes  in  der  Ent- 
fernung r„;  wir  denken  uns  um  den  Mittelpunkt  0  der  Graden  1,2 
eine  Kugel  mit  dem  Radius  r,j  und  nennen  wieder  das  Gebiet, 
welches  t  und  diese  Kugel  gemein  haben,  Tj,  dann  ist,  wenn 
wir  mit  D^V  irgend  eine  erste  Ableitung  von  V  bezeichnen 
and  Tj,  genügend  klein  annehmen: 

I  Dj  F,J,  ^  4 TT  abs.  Max.  E-r\^,  I A  ^»i  la  <  *  ^  *^^s.  Max.  E •  rj^ 
somit: 

8)  abs.  1 2),  Vr,  I?  ^  8  Ji  abs.  Max.  E'r\^. 

Es  ist  femer: 


2 


abs 


.\D,r.-r,\r<j 


ds 


ds 


1)  Endlich  im  Sinne  von  endlich  und  integrabel. 


26 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


wenn  wir  wieder  unter  ds  ein  Element  der  Graden  1,  2  ver- 
stehen, und  es  ist  auf  der  Graden  1,  2: 


ds 


i_     xr       r^  rar  :^  .abs.  Max.  ii  r  «T 
<aabs.Max.^J-^<^-     ^^_,       J^:^, 


a,  ß  endliche  Konstanten, 
oder,  da  entsprechend  der  Formel  3): 

ocOj  Oberflächen  von  t,  t,  , 


Jdr  1       pcos(rr) 


T-r, 

auch: 


€0-\-0)i 


V  die  in  das  Innere  von  t — Tj 
gehenden  Normalen, 


< j  abs.  Max.  E  -j^ , 


daraus  folgt: 


12 


J 


ds 


ds  < 


8 


1  — A 


abs.  Max.  J?  •  rf « , 


12 


und: 
9) 


8 


abs.  I DjVr-r^ IJ  <; abs. Max.  E-r\j, 


somit,  durch  Addition  von  8)  und  9)  die  Behauptung: 
10)  abs.  \D^r\l^A  abs.  Max.  E  •  rj,. 


§3. 

III.  Verstehen  wir  unter  ß  eiYie  Funktion  der  Stelle 
auf  einer  Kugelfläche  vom  Radius  ü,  die  derart*) 
stetig  ist,  daß  die  absolute  Funktionsdifferenz  für 
zwei  Punkte  1  und  2  der  Kugelfläche  in  genügend 
kleiner  Entfernung  r,, 

^)  Es  ist  möglich,  daß  man  die  Voraussetzung  des  Satzes: 

abs.  I  ö  i ;  <  ^  •  »{2 

entbehren  kann,  und  daß  die  Stetigkeit  von  d  auf  der  Kugelfläche  hin- 
reichend ist;  doch  ist  der  Satz  in  der  obigen  Form  für  die  Zwecke,  für 
die  wir  ihn  brauchen  werden,  ausreichend. 


A.  Rom:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


27 


wo  A  eine  endliche  Konstante,  X  einen  echten  Bruch 
vorstellt,  und  ist  6  die  Lösung  des  Dirichletschen 
Problems  für  den  Innenraum  der  Kugel  bei  den  Rand- 
werten ö,  so  sind  die  zweimal  nach  der  Normalen  ge- 
nommenen Ableitungen  des  Raumpotentials: 

11)  ^=J*T 

I 

an  der  inneren  (äußeren)  Seite  der  Kugelfläche  in  fol- 
gender Weise  darstellbar: 


12) 


^'^=2.ö  +  ijö.^l^d  '     ' 


CO 


Jdx 
6  — ,  außen, 


€0 


-  =  _4^Ö+«J 


-  cos(rr)  ,  1 


mnen, 


dv*  -         .    5.J  ^a  2Äary      r 

V  innere  Normale. 

Wir  denken  uns  zum  Beweise  die  Funktion  S  auf  der 
Kugelfläche  nach  Kugelfunktionen  entwickelt,  was  ja  bei  der 
Voraussetzung  des  Satzes  gestattet  ist: 


13) 
dann  ist: 


0 


ö  =  £i  I  ^  j  Yj(ji^(p^)  für  jeden  Punkt  {r^  jn^  99,)  in  der  Kugel, 


und: 


14) 


^=J^-r  =  ^"V(2i+l)(2i  +  3)^^^>^'^) 
für  jeden  Punkt  {q  fx  q?)  des  Außenraums, 

a*F     ,    f,_a  +  i)ü  +  2)    ^,     s 

^  =  ^''  ?(2i  +  l)(2i  +  3)  ^^^'^) 


außen  an  der  Kugelfläche. 


Da  femer: 


«0 


15)         4~  =  -4^Si 


i+1 


B    d 


r  (2  j  +  1)  (2i  +  3) 


Yj  (m,  <p) 


28 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


und: 


16) 


J  *•*  .9/1 


y/0",9^) 


r-  7  2i  +  l 

außen  an  der  Eugelfiäche, 

so   folgt   die   erste  Formel  12)   unmittelbar   aus  13),   14),  15) 
und  16). 

Die  zweite  Formel  12)  ergiebt  sich,  wenn  man  bedenkt,  daß: 


»'.-' 


do) 


CO 


=  —  4716  + 


J»'-J 


rv) 


du)  . 


CD 


§4. 

IV.  Verstehen  wir  unter  ß  eine  Funktion  der  Stelle 
auf  einer  beliebigen,  geschlossenen,  stetig  gekrümmten 
Fläche  r/>,  und  zwar  eine  derart  stetige  Funktion,  daß 
die  absoluten  Funktionsdifferenzen  für  zwei  Punkte  1 
und  2  der  Fläche  in  genügend  kleiner  Entfernung  r„ 

wo  Ä  eine  endliche  Konstante,  k  einen  echten  Bruch 
vorstellt,  und  ist  S  die  Lösung  des  Dirichletschen 
Problems  für  den  Innenraum  von  co  bei  den  Rand- 
werten d,  so  ist  die  Funktion: 


17) 


71 


9vV      r 


der  Stelle  an  der  Außenseite  der  Oberfläche  w  derart 
stetig,  daß  die  Funktionsdifferenzen  für  zwei  Punkte  1 
und  2  der  Oberfläche  in  genügend  kleiner  Entfern ungr^^ 


< 


U  A  +  U  +  -M  abs.  Max.  e\  r\^ ,      (r,,  <{\  —  d)o), 


wo  <?!  und  Cg  zwei  endliche  Konstanten  vorstellen,  die 
lediglich  von  der  Gestalt  der  Fläche  co  und  der  Zahl  A 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  and  Räumen. 


29 


abhängen,  6  eine  Zahl,  die  beliebig  klein  gewählt 
werden  kann,  e^  und  e^  zwei  Konstanten,  die  mit  ab- 
nehmendem o  bezw.  d  zu  null  konvergieren,  aber  stets 
bestimmte,  von  null  verschiedene  positive  Werte  haben, 
sobald  o  und  d  von  null  verschiedene  positive  Werte 
besitzen. 

Zum  Beweise  seien  1  und  2  zwei  Punkte  der  Oberfläche  o> 
in  der  Entfernung  r,,,  und  wir  denken  uns  zwei  Kugeln  mit 
einem  Radius  ü,  der  größer  ist  als  eine  bestimmte,  endliche 
Lange,  aber  doch  klein  genug,  daß  die  beiden  Kugeln,  welche 
bezw.  die  Fläche  a>  in  1  und  2  berühren  sollen,  ganz  in  dem 
Innenraume  von  o>  liegen.  Auf  dem  Schnittkreise  der  beiden 
Kugeln,   die  wir  in  der  Folge  als  erste  und  zweite  Kugel  be- 


zeichnen wollen,  markieren  wir  den  Punkt  3,  der  von  der 
Graden  1,  2  den  kürzesten  Abstand  hat,  und  wir  konstruieren 
um  diesen  Punkt  3  als  Zentrum  eine  Kugel  mit  dem  Durchmesser 

o(l-J), 

wo  A  eine  beliebig  klein  gewählte  Zahl  sein  mag.  Den  Teil 
der  Kugel,  der  im  Innenraume  von  co,  aber  außerhalb  der 
beiden  zuerst  konstruierten  Kugeln  liegt,  wollen  wir  mit  T 
bezeichnen.  T  ist  in  der  Figur  schraffiert.  Der  Gang  unseres 
Beweises  wird  nun  folgender  sein: 


30 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


Wir  werden  zeigen,  daß  die  Funktion: 


F=e  — 


1 


71 


V  nach  Belieben  eine  der 
4  Richtungen : 


18)  ^  innere  Normale  von  o>  in  1  oder  2, 

innere  Normale  der  beiden  zuerst  konstruierten  Kugel- 
flächen in  3, 

die  Ungleichungen  erfüllt : 

19a)  B!bs.\F\\<LA+U  +  ^~^ 


m  ^  I  F'i  ?  j,.  ^ + (^+ i).b.,  M.X.  sj  ,t. ,;  '•^•^l^f: 


und  daß  die  Funktion: 


r,f(«-».)y 


dv 


in  den  beiden  Punkten  1  und  2  Werte  besitzt,  deren  absolute 
DiflFerenz 


< 


.^)^V    (^^ 


C  endl.  Konstanten), 


L  ä+(b+^\  abs.  Max 

und  daraus  wird  sehr  leicht  die  Behauptung  folgen. 
Wir  wollen  zuerst  zeigen,  daß 

T 

die  zuletzt  behauptete  Eigenschaft  besitzt. 

Wir  bemerken  hierzu  zunächst,  daß  bei  der  Voraussetzung 
unseres  Satzes  über  ß: 

für   zwei   beliebige  Punkte 


20) ^)     abs.  \S\\<  endl.  Konst.  g 


A 
12 


des  Innenraumes  in  genügend 
kleinem  Abstand  Q^^, 


0  Satz  III  des  I.  Abschnitts. 


'"^■f  ■^ßi^^fPi 


A.  Eom :  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


und  im  Besonderen  in  dem  Kaume  T: 

21) •)   abs. I ö I? < f endl.  Kons*. Ä  -\-  ^"'^•^"°^*'  abs.  Max 

'    "  ^\  ZI  •  o 


31 


•ö)et.- 


Wir  teilen  femer  das  Gebiet  T  noch  in  zwei  Teile  (1)  und 
(2),  so  da&  (2)  alle  Punkte  von  T  enthält,  deren  Abstand  von 
den  Punkten  der  Verbindungsgraden  1,  2  gröfjer  als  r^^  ist  — 
das  Oebiet  (2)  kann  sich  auch  auf  Null  reduzieren.    Dann  ist: 


11. 


Je» 

0) 


(|i?C)-Ö(«y^)] 


<  ( endl.  Konst.  Ä  -\ '-z '  abs.  Max. 

\  d  -  o 


'W" 


oder,  da  entsprechend  der  Formel  3)  dieses  Abschnittes: 

dr        2  fcos  (rv) 


auch: 


rar  2  pcos  (r 

0)  «1 


d(ü 


<  (  endl.  Konst.  Ä  -| ^ abs.  Max.  0)1-  A^  d  (o 


■  •)KÄ 


wenn  wir  mit  co^  die  Oberfläche  von  (1)  bezeichnen.  Nun  ist 
fiir  die  Teile  von  o>j,  welche  der  Fläche  o)  und  den  beiden 
zuerst  konstruierten  Kugelflächen  angehören: 

cos  (rv)  <'  endl.  Konst.  r^g 

für  den  übrigen  Teil  ist: 


Jcos  (rv)  =r.    ,    f  i  cos  (rv)  I    , 


(Ü 


und  gleichfalls: 


Jl  cos(rv)  I    ,     =      j,  xr      L 
%        ^^  <  ®^^^-  Konst.  r,j. 


1)  Zusatz  3  zu  III  des  I.  Abschnitts. 


32 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


Es  ist  somit  jedenfalls: 

I       2-A     ^  ^  <  ^"^'"  Konst.  rj+^ 
und  folglich: 


abs. 


?! 


iJ[Ö(f)?C)-Ö(^y^)] 


<   f^  .4  -i —j '  abs.  Max.  ö  rj^^ 


dt 
r 

sowohl  in  1, 
als  auch  in  2. 


Da  wieder  infolge  einer  einfachen  Greenschen  Transfor- 
mation: 

man  vgl.   z.  B.  Formel  88) 

S.  62  meines  Lehrbuchs  der 

Potentialtheorie  L, 

ferner  wiederum  für  die  Teile  von  o>,,    welche  der  Fläche  o) 
und  den  beiden   zuerst  konstruierten  Kugelflächen  angehören: 


-^  I —    =     \cos(yv)-—Ma) 

(1)  «  a>i 


cos  (yv')  =  1  -f-  f, 
für  den  übrigen  Teil: 

cos  (rv') 


<  endl.  Konst.  r^^, 


/' 


.2 


da)  '<c^  endl.  Konst.  r,,, 


so  ist  sowohl  in  1,  als  auch  in  2: 

i  a* 


abs. '  "  ^  I  -     I  <  endl.  Konst.  Tj^, 


somit : 

(»» -  ö.) 
und  es  folgt: 


(i) 


dr 


Ja  T     —  - 

—    <  endl.  Konst.  abs.  Max.  ^  •  »"u, 

(i)       * 


22) 


abs. 


(1) 


<  (  «a  -^  +  (  6ndl.  Konst.  H ^— ^ '- 1  abs.  Max 


U  A^L 


1 

(sowohl  in  1,  als  auch  in  2). 


•  ö)  »1.. 


^^ßf^ 


A.  Korn:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


33 


Andererseits  ist: 


!  (2) 

-  S(xyjsi)\  +  (  endl.K.il-i — — -  -  'abs 


■"■»HlsÄ**' 


"^1     \2)  (2)       ' 


weon    wir  mit  ds  ein  Element  der  Verbindungsgraden  1,  2*) 
bezeichnen,  somit: 

<  1  endl.  Konst.u4+ 

'  1     H2)  (2) 

da  entsprechend  der  Formel  3)  dieses  Abschnitts: 

CO,  Oberfläche  von  (2), 
V  die  in  das  Innere  von  (2)  hinein- 
gehenden Normalen, 


Jdz  1    pcos  (rv)  j 


12) 

auch: 


«t 


< 


f  endl.  Konst.  Ä  -\ '- abs.  Max 


J  •  ö 


•^) 


2 

f  {  f cos  (rv)  ,    fcos  (rv)  ,    1  , 

Wieder    ist    für    die   Teile    der    Fläche    o>g,    welche    der 
Fläche  (o  und  den  zuerst  konstruierten  Kugelflächen  angehören: 

cos  (rv)  <^  endl.  Konst.  o. 


Für  den  übrigen  Teil  ist: 

j 

es  folgt  somit: 


cos  (r  v)  ■         

\ — ■  dö>  <  endl.  Konst.  o, 


Jcos  T/"  v^  r*cos  (r  V)        ^o 

-^^'dcü+rjgj--;    '  dco<  endl.  Konst.  o  — 


«2 


a>2 


^)  Vgl.  Anmerkung  »)  S.  24. 
1906.  SitsoDgib.  d.  math.-pbys.  KL 


<Ti-m  A  r-w 


» 


■'  ^  '    ■£-.■■.    ■  *  ,^^      ■■■• 


34 


Sitzung  der  math.-phya.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


und: 
23)    abs. 


£:,>-^4-|;<(«-- 


,  endl.Konst.  ,     __ 
1 : abs.  Max 


•»)'1r 


Durch  Addition  von  22)  und  23)  ergibt  sich: 


abs. 


24) 


r  «1 


j  <;  I  £a  -1  +  1  endl.  Konst.  H ■— j  abs.  Max.  <^ )  rj, . 

Wir  gehen  jetzt  zum  Beweise  der  Formel  19  a)  über.  Wir 
teilen  zum  Beweise  derselben  das  Gebiet  i  —  2'  in  vier  Teile, 
1.  in  die  Kugel  Tj,  deren  Oberfläche  ö>  in  1  berührt,  2.  in 
den  Teil  T,  von  i — T — T,,  welcher  außerhalb  der  Kugel  mit 

dem  Radius  -;^  (1  —  ^)   um   den   Punkt  3   als   Zentrum   liegt, 

drittens  in  den  Teil  T^  von  i  —  T — Tj  —  T,,  dessen  Abstände 
von  den  Punkten  der  Verbindungsgraden  1,  3  größer  sind,  als 
Tjj,  und  viertens  in  den  übrig  bleibenden  Teil  T^  von  i — T. 
Dann  ist  zunächst  analog  22)  und  23): 


25) 


abs. 


dv' 


<(..^+(. 


7*4  1« 

endl.  Konst.\ 
Ä 


e„-4  -f  (  endl.  Konst.  +  --"—--^^""^'  J  abs.  Max.  ^ )  »^2' 


26) 


abs.  U%     (d-dj^ 

_-/      .   .   endl.Konst.    ,     «, 
<  I  fi^  -A  H -■. abs.  Max 


.ö)rt,; 


27) 


abs.    ö  — 


1 


dt\  |8 
r 


es  ist  ferner: 

<  endl.  Konst.  abs.  Max.  6  •  rj^^) 
nach  dem  Satze  III  dieser  Abhandlung. 


')  Mit  Rücksicht  auf  Satz  II   dieses  Abschnitts  und  Satz  II   des 
I.  Abschnitts. 


A.  Eom:  Potentiale  von  Flächen  und  Räumen. 


35 


Schliefilich  ist: 


28) 


abs. 


$>-^.) 

Ti 


r 


1 


<  endl.  Eonst.  abs.  Max.  B  •  :; — 7^ 


1 


1  r 


»•«.') 


.=  endl.  Konst.    ,     „       ;:  ,  ,^        ..  ,^       t.^ 

<  D'o(l^A)  '     '  **"'     ^^"  <  «^  (1  —  ^)  (1  —  ^)). 

Aus  25),  26),  27),  28)  folgt  nunmehr  unmittelbar  die 
Formel  19  a),  und  analog  die  Formel  19  b). 

Berücksichtigt  man,  daß  nach  Zusatz  2  zu  Satz  U  des 
I.  Abschnitts : 


29) 


3*    rdT 
abs.  0,    ^  •  I  — 
M3v*J    r 


<  endl.  Konst.  abs.  Max.  ß  •  r:\ 


12 


bei  genügend  kleinem  r,j,  A  ein  ganz  beliebiger  echter  Bruch, 
so  ergibt  sich  aus  19  a),  19  b)  und  24)  unmittelbar  die  Be- 
hauptung unseres  Satzes,  wenn  wir  noch  zeigen  können,  daß 
tatsachlich  die  Formeln  19  a),  19  b)  bestehen,  welche  Richtung 
von  den  4  Richtungen 

innere  Normale  von  o)  in  1  oder  2, 

innere  Normalen  der  beiden  ersten  Kugelflächen  in  3 
wir  auch  wählen  mögen. 

Wir  bemerken  hierzu,  daß  die  Fehler,  welche  wir  machen, 

wenn  wir  eine  dieser  Richtungen  durch  eine  andere  derselben 

ersetzen,  _ 

<  21  •  endl.  Konst.  r^^ 

sind,  wenn  31  den  absolut  größten  Wert  bezeichnet,  den  irgend 
eine  der  zweiten  Ableitungen  von 


j 


6 


dx 


(hinerstreckt  über  eine  der  beiden 
zuerst  konstruierten  Kugeln) 


haben  kann,  da  nur  in  27)  ein  Fehler  entstehen  kann. 


■•  - 1^' 


auf  der  Verbindungslinie  I,  3  kleiner  als 
endl.  Konst. 


kürzester  Abstand  von  Tf  nach  dieser  Verbindungslinie' 

3* 


36  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  IS.  Januar  1906. 


Nun  ist,  wie  bereits  aus  den  Hölderschen  Untersuchungen 
hervorgeht : 

A'  ein  beliebiger, 
echter  Bruch, 


endl.  KoDst.  ^ 


somit  auch  der  gemachte  Fehler 

,       .    ,    endl.  Konst.    ,     ,,       -. 

<  («a  -nL  +     abs.  Max.  0)  r„ , 

o 

und  damit  ist  unser  Satz  vollständig  bewiesen. 


i^fK^^ßml^ 


37 


Abhandlungen   zur   Elastizitätstheorie. 

I. 

Allgemeine  Losung  des  elastischen  Gleich- 
gewichtsproblems bei  gegebenen  Verrückungen 

an  der  Oberfläche. 

Von  ▲•  Korn. 

{KiHff^fifm  19,  Januttt'.) 

Die  Methode  der  successiven  Annäherungen  ist  im  An- 
schluß an  die  bekannten,  grundlegenden  Arbeiten  von  Schwarz, 
Picard,  Poincar^  mit  größtem  Erfolge  zur  Losung  einer  Reihe 
der  wichtigsten  Probleme  der  mathematischen  Physik  heran- 
gezogen w^orden. 

Versuche,  diese  Methode  auch  zur  Lösung  der  in  der 
Elastizitätstheorie  auftretenden  Differentialgleichungen,  und  zwar 
zunächst  der  statischen  Gleichungen: 


1) 


Au  -|-  Ä  -—  =  —  X, 

dX 

dy 
Aw+k  —  =  —Z, 

dz  ' 


du         dV  Bw 

u  =  —  -f-  —  -|-  — 

dx        dy    ^    dz 


anzuwenden,   sind   von  Lauricella^)   und   E.  und  F.  Cosserat*) 
gemacht  worden,   aber  sie   hatten  bisher  noch  zu   keinem  be- 

1)  Lanricella,  Ann.  della  R.  Scnola  Norm.  Sup.  di  Pisa  1894;  N.  C. 
U)  9,  S.  97,  10,  S.  5.  Während  der  Dnicklegnng  meiner  Abhandlung 
erhielt  ich  Kenntnis  von  einer  nenen,  interessanten  Untersuchung  Herrn 
Laoricellas  (Ann.  di  Mat.  1905),  auf  die  ich  hier  noch  hinweisen  will; 
dieselbe  beschränkt  sich  auf  eine  überall  konvexe  Grenzfläche. 

«)  E.  und  F.  Cosserat,  C.  r.  126,  S.  1089,   1898;   133,  S.  145,  1901. 


38  Sitzung  der  inath.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

fi*iedigenden  Resultate  geführt.  Die  Konvergenz  der  Reihen, 
welche  die  Lösungen  darstellen  sollen,  ließ  sich  bei  den  Me- 
thoden von  Lauriceila  und  E.  und  F.  Cosserat  zwar  beweisen, 
so  lange  man  sich  in  endlicher  Entfernung  von  der  Oberfläche 
hält,  bei  unendlicher  Annäherung  an  die  Oberfläche  lassen  uns 
diese  Untersuchungen  aber  vollständig  im  Stich,  und  es  bleibt 
durchaus  unsicher,  ob  die  aufgestellten  Reihen  wirklich  an  der 
Grenze  die  geforderten  Grenzbedingungen  erfüllen,  ja,  ob  die- 
selben überhaupt  konvergent  sind. 

Um  durch  die  Methode  der  successiven  Annäherungen 
das  elastische  Gleich  ge  wich  tsproblem  bei  gegebenen  Ver- 
rückungen an  der  Oberfläche  in  seiner  ganzen  Allgeraeinheit 
zu  lösen,  ist  ein  von  den  früheren  etwas  verschiedener  Ansatz 
nützlich.  Mit  Hilfe  desselben  gelingt  es,  wie  in  der  vor- 
liegenden Abhandlung  gezeigt  werden  soll,  nicht  bloß,  die 
Konvergenz  der  für  die  Lösungen  aufgestellten  Reihen  in  end- 
licher Entfernung  von  der  Oberfläche  zu  beweisen,  —  wozu 
der  Cosseratsche  Grundgedanke  hinreichend  ist  —  sondern  auch 
die  Hauptschwierigkeit  zu  überwinden,  nämlich  zu  zeigen,  daß 
die  aufgestellten  Reihen  auch  bei  unendlicher  Annäherung  an 
die  Oberfläche  konvergent  bleiben  und  die  geforderten  Grenz- 
bedingungen erfüllen. 

Es  wird  in  dieser  Abhandlung  gezeigt,  daß  die  elastischen 
Gleichungen  1)  bei  gegel)enen  Grenzwerten  von  u,  v,  w  an  der 
Oberfläche  ein  und  nur  ein  System  von  Lösungen  u,  v,  w  zu- 
lassen, für  jeden  beliebigen  Wert  von  i,  der  der  Ungleichung 
entspricht : 

—  1    <Ä<    +    00, 

und  diese  Lösungen  werden  in  Gestalt  von  unendlichen,  stets 
konvergenten  Reihen  gegeben,  bei  gewissen  Stetigkeiisvoraus- 
setzungen  über  die  Funktionen  X,  Y,  Z,  die  Grenzwerte  von 
u,  V,  w  und  ihre  Ableitungen. 

Damit  ist  das  elastische  Gleich  ge  wich  tsproblem  bei  ge- 
gebenen Verrückungen  an  der  Oberfläche  in  seiner  allge- 
meinsten Form  gelöst. 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         39 

§1. 

Wir  suchen  drei  in  einem  Gebiete  t  eindeutige  und  stetige 
Funktionen  w,  r,  ic  mit  endlichen*)  ersten  Ableitungen,  welche 
in  dem  Gebiete  t  den  Differentialgleichungen  1)  genügen  und 
an  der  Oberfläche  oj  von  r  gegebene  Grenzwerte 


2) 


annehmen. 

über  die  als  gegeben  vorauszusetzenden  Funktionen  X,  Y,  2, 
der  Stelle  in  t  wollen  wir  annehmen,  daß  sie  (abteilungs weise) 
eindeutig  und  stetig  sind,  und  zwar  so,  daß  für  je  zwei  Punkte 
1  und  2  (eines  Teilgebietes)  die  abjK>luten  Funktionsdifferenzen 

sind,  bei  genügend  kleiner  Entfernung  r,,  der  beiden  Punkte, 
wo  A  eine  endliche  Konstante,  x  eine  von  null  verschiedene 
positive  Zahl  vorstellt.*) 

Über  die  als  gegeben  vorauszasetzenden  Funktionen 

M,  r,  IT 

der  Stelle  an  <o  wollen  wir  annehmen,  daß  sie  mit  ihren  er^o 
Ableitungen  eindeutig  und  stetig  sind,  und  zwar  sollen  die 
ersten  Ableitungen  derart  stetig  sein.  da£  fBr  je  zwei  Punkte 
1  and  2  der  Fliehe  co  die  absoluten  Funktionsdifferenzen  (der 
eisten  Äbleitanfren) 

sind,  bei  genügend  kleiner  Entfernung  r,,  der  beiden  Punkte, 
wo  A'  eine  endliche  Kon^nante.  i'  eine  von  Xull  verschiedene 
positive  Zahl  vorstellt. 'i 


^t  Dkse  B<«ü::;?djF  isi  in  B-sswÄ^ifr»»  «rf^t.  w*Ea  die  «nux  A?>- 
■.  r.  V 


40 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1905. 


Bezeichnen  wir  mit  Z7,  F,  W  die  Potentialfunktionen  des 
Gebietes  r,  welche  bezw.  die  Grenzwerte  w,  t;,  u;  an  co  besitzen, 
so  ergeben  sich  für  die  Funktionen : 

u'  =  w  -  CT, 
3)  .     v'  =  t;  —  F, 

.  w;'  =  m;  —  W 


die  Differentialgleichungen : 


4) 


=  — X— Ä 


Aw*  -y  ifc 


9y 
ä7 


=  —Z—Ji 


dx  ' 
de 

de 

dz  ' 


wo  wir  noch: 


5) 


6'  = 


e  = 


3m'    ,    3f'    ,    3«'' 


9a; 


ay 


dz 
2W 


ao;    ^  3y  ^  dz 


gesetzt  haben.    Dazu  kommen  noch  die  Grenzbedingungen : 


6) 


an  CO. 


§2. 

Das  allgemeine  Problem  läßt  sich  somit  auf  das  folgende 
zurückführen,  das  wir  als  das  Hauptproblem  des  elastischen 
Gleichgewichts  bezeichnen  wollen: 

Wir  suchen  drei  in  einem  Gebiete  t  eindeutige  und  stetige 
Funktionen  w,  v,  w  mit  endlichen  ersten  Ableitungen,  welche 
in  dem  Gebiete  t  den  Differentialgleichungen  genügen: 


■^■-^  t^ 


A.  Korn:  Lösung  des  ehistischen  Gleichgewichtsproblems.         41 


7) 


=  -/•.. 


oder,  was  dasselbe  ist,  den  Differentialgleichungen : 


-p;=(i-o/-., 


und  an  der  Oberfläche  cd  von  t  die  Grenzwerte: 


M  =  0, 

.  m;  =  0 
annehmen. 

Über  die  als  gegeben  vorauszusetzenden  Funktionen  /",  f^  /", 
der  Stelle  in  r  wollen  wir  annehmen,  daß  sie  in  t  derart  stetig 
sind, ")  daiä  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r,j  die  absoluten  Funktionsdifferenzen 

sind,    wo   Ä   eine   endliche   Konstante,   l  eine   von  Null   ver- 
schiedene, positive  Zahl  vorstellt,  und  überdies  im  Innenraume 


8") 


dx       dy        dz 


^-»  =  0 


vorausgesetzt  werden  soll. 


^)  Diese  Bedingung  ist  im  besonderen  erfüllt,  wenn  die  ersten  Ab- 
leitungen von  fx  {%  f^  in  r  endlich  sind. 


42  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

Nach  Lösung  dieses  Problems  werden  wir  im  §  7  zeigen, 
daß  man  in  der  Tat  auch  für  f^  f^  f^  drei  Funktionen  von  der 
folgenden  Form  wählen  darf: 


/,=  r  + 


U  =  z  + 


dß 

dy  ' 
3© 

dss 


"<-^^o, 


wo  X,  F,  Z  drei  ganz  beliebige  Funktionen  der  Stelle  in  r 
sind,  die  in  t  nur  derart  stetig  sind,  daß  für  zwei  Punkte 
1  und  2  des  Gebietes  in  genügend  kleiner  Entfernung  r^,  ihre 

3X       3  Y       dZ 

absoluten  Funktionsdifferenzen,  sowie  die  von 1- 1-  -— 

dx        dy       dz 

A  endlich, 

X  positive,  von  Null  verschiedene  Zahl, 

sind,  und  S  eine  allgemeine,  stetige  Potentialfunktion,^)  deren 
Stetigkeit  in  t  dieselbe  Bedingung  erfüllt,  wde  die  Stetigkeit 
der  Funktionen  X,  Y,  Z. 

Wir  werden   die  Lösung   des  Problems   geben   für  jeden 
beliebigen  Wert  von  k  in  den  Grenzen 

—  1<Ä<00 

d.  h.  für  jeden  Wert  von  f  in  den  Grenzen: 

—  1  <  f  <  -f  1      (in  strengem  Sinne), 

wenn  also  f  einen  beliebigen  positiven  oder  negativen  echten 
Bruch  vorstellt. 

§  3. 
Daß  für 

—  1  <Ä<oo 

nur  ein  System  von  Lösungen  vorhanden  ist,  wenn  man  von 
vornherein  die  Existenz  eines  Systems  von  Lösungen   voraus- 

*)  D.  i.  die  Lösung  des  Dirichletschen  Problems  für  den  Innenraum  x 
bei  gegebenen  stetigen  Randwerten  6  an  eu. 


yrtf.  MF«? 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         43 

setzt,   ist   bekannt,   ich   füge   den   Beweis  hier  nur  der  Voll- 
ständigkeit halber  hinzu. 

Gäbe  es  zwei  Systeme  von  Lösungen  Mj  v,  w^  und  u^  v^  w^, 
dann  wäre :      .  o  /'ä       ä  ^ 

3  (<»,  -  »,)  _ 

3y 


9) 


^i^t  —»»)  +  * 


=  0 


in  T, 


lind: 
10) 


[  w,  —  w,  =  0, 
l  m;,  —  m;,  =  0 


an  (ü. 


Wir  multiplizieren  die  erste  der  Gleichungen  9)  mit  u^ — m^, 
die  zweite  mit  v^  —  v^,  die  dritte  mit  m?,  —  Wg,  addieren  und 
integrieren  über  r,  dann  folgt: 

J  [k—  **i)  ^  («^1— «2)  +  (^1—^2)  ^  (^1— ^2)  +  0^i-«^2)  ^  K— «^2) 
oder  mit  Rücksicht  darauf,  daß: 


11) 


_  a^     I  a  /aec;      ar\  __  ^  /av  _  auXi 
ay     |ä^\ay      dz)      dx\dx      ay/J' 


auch: 


cz     Laa;\a^      dxj 


d    fdW         dV 

dy  \dy      ~iz 


)]■ 


^  *    *  LayV    9x  8y    y    a^V    a^  ax    )\ 

*■  *    *'la^'V     ay  a^    )    dx\    bx  dy    yj 

*     *^iSx\     de  dx     }  dy\     dy  de    )\\ 


44 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


oder  nach  einer  einfachen  Greenschen  Umformung: 


12) 


p.r  ^)  _  »(if,  r  ».)}V  p^  _ '_(.. -.s)}"] ,_  „ . 


sobald  somit  ifc  +  1  positiv  ist,  solange  also : 

13)  _  1  <  A;  <  00 

folgt: 


U) 


W,  —  M,  =  0, 

t<;j  —  m;^  =  0 


im   ganzen   Innenraume   von   od;   damit   ist   die   Eindeutigkeit 
bewiesen. 

§4. 

Wir  gehen  nun  zur  Lösung  der  gestellten  Aufgabe  mit 
Hilfe  der  Methode  der  successiven  Annäherimgen  über,  und 
zwar  gehen  wir  von  den  Gleichungen  8)  aus.  Wir  bilden 
successive  die  folgenden  Funktionen: 


15) 


r 

T 

r 

r 
r 


i  =  1,  2, . . . 


A.  Korn:  Lösnn^  des  elastisclien  Gleichgewichtsproblems.         45 


wo  die   UjVjW^   die  Lösungen    des   Dirichletschen   Problems 
bei  den  Randwerten: 


^•^i^iJ^'y'  ^>=27iä^J*^'y' 


16) 


1    3 


=  1,2 


'^.-4'j^.7'.  ^''Lhi''-'^' 


f  an  CO 


vorstellen.*)     Können  wir  beweisen,  dafi: 


•  • 


.      f^'    (. 


lim  •  f-^'l  zIm?/ 


^1^ 


in  T  in  irgend  welcher,  im  übrigen  beliebig  kleiner  Entfernung 
von  der  Oberfläche,  und  daß  die  Reihen: 


00 


00 


Sil^w,-,      Sif^vy,      ^iVWi 

Ü  0  Ü 

Funktionen  darstellen,   die  in  r  eindeutig  und  stetig  sind  und 
endliche  erste  Ableitungen  besitzen,  dann  werden  diese  Funk- 


*)  Die  Existenz  dieser  Funktionen  Uj  Vj  Wj ,  ihre  für  uns  in  Be- 
tracht kommenden  Stetigkeitseigenschaften,  sowie  die  Formeln: 


150 


dxj''r  dx 

T 

.  d  c       dl        .   dej-i 

T 

A  A-    I  ßj-l  —  =  —  4jr  —^ — 
dzj    •'        r  dz 


werden  wir  noch  in  diesem  §  beweisen. 


46 


Sitzung  der  math.-pbjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


tionen  offenbar  die  Lösungen  der  gestellten  Aufgabe  darstellen. 
Wir  werden  zunächst  zeigen,  daß  die  Integrale: 


17) 


=!>'" 


die  Ungleichungen  erfüllen: 

18)  V^   Jj^a-  Vi, 

wo  l  ein  beliebiger  echter  Bruch  ist,  a  eine  endliche  Konstante. 
Es  ist  in  der  Tat,  wenn  wir  die  Abkürzungen : 

3 IV  i        9  Vj 


"^  =  ^y  - 

dz' 

19) 

dWj 

dx' 

^           dX 

gebrauchen : 

XK'  +  uJ+Oi  +  w'Jdr 

— Jhp-(i7'-t)}+"'r5?-(t"'-s)i 

=  J"[Ö,Ö^_,  +  Ujüj-i  +  ÖyOi-l  -t-  WjWj-i  —  2ÖjÖy_,]  dz, 

T 

somit : 

und  hieraus  folgt: 


20) 


:■>  •.-^.  w  m 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         47 

21)>)  JT»!  +  u|  -i-  ttj  +  to,?]  dr  <  X(ö; .,  +  Uy*_,  +  x>U  +  »i-l)  <*» 


also: 


22) 


[    ^^Jj  <  P^M  +  «I  +  ö*  +  »!]  «^^ 

T 


wo  f  einen  echten  Bruch  und  a  eine  endliche  Konstante 
vorstellt. 

Wir  haben  für  die  Gültigkeit  dieser  Ableitung  nur  noch 
zu  begründen,  daß  bei  unseren  Voraussetzungen  die  in  der 
Ableitung  benützten  Integrale  einen  Sinn  haben,  und  daß  die 
Greenschen  Umformungen  berechtigt  sind. 

Wir  bedenken  hierzu,  daß  nach  Voraussetzung  die  Funk- 
tionen JFj  JFg  F^  in  T  derart  stetig  sind,  daß  für  zwei  Punkte  1 
und  2  in  genügend  kleiner  Entfernung  ihre  absoluten  Funk- 
tionsdifferenzen 

sind,  wo  k  einen  ganz  bestimmten  echten  Bruch,  Ä  eine 
endliche  Konstante  bezeichnen  möge.  Es  sind  aus  diesem 
Grunde  (Satz  I  des  zweiten  Abschnitts  der  vorangehenden  Ab- 
handlung) die  zweiten  Ableitungen  der  Raumpotentiale 


/ 

T 

! 

r 


dl 


^)  Nach  der  bekannten  Schwarzsehen  Ungleichung  ergibt  sich  ja 
ans  2  >) : 


48  Sitzung  der  matb.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

in  T  in  ähnlicher  Weise  stetig,  somit  die  zweiten  Ableitungen 
von  UqVqWq  ebenfalls,  solange  man  sich  in  endlicher,  im 
übrigen  beliebig  kleinen  Entfernung  von  der  Oberfläche  cd 
hält,  und  Gleiches  folgt  successive  nach  den  Formeln  15)  für 
die  zweiten  Ableitungen  von  Uj  Vj  Wj^  wenn  die  6j  stetige, 
allgemeine  Potentialfunktionen  sind.^) 

Die  Gleichung  20),  auf  die  es  uns  ankommt,  wird  durch 
einen  strengen  Grenzübergang  erhalten,  wenn  wir  zeigen  können, 
da£  die  ersten  Ableitungen  der  UjVjWj  im  ganzen  Räume  ein- 
deutig und  stetig  sind. 

Wir  haben  also  noch  zu  beweisen,  daß  die  Oj  infolge  der 
Definitionen  15)  stetige,  allgemeine  Potentialfunktionen  ^)  des 
Innenraumes  t  und  daß  alle  ersten  Ableitungen  von  Uj  Vj  Wj  im 
ganzen  Innenraume  eindeutig  und  stetig  sind. 

Wir  werden  nun  in  der  Tat  zeigen,  daß  die  ßj  bei  unseren 
Voraussetzungen  stetige,  allgemeine  Potentialfunktionen  und 
in  T  derart  stetig  sind,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2  des 
Innenraumes  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,g 

abs.|öj.|?^C,.rti,     (0<Ay<l), 

wo  Cj  bei  endlichem  j  eine  endliche,  von  j  abhängige  Kon- 
stante vorstellt,  die  natürlich,  worauf  es  uns  vorläufig  nicht 
ankommt,   möglicherweise  mit  j  unendlich   wachsen  könnte.*) 

Die  Funktionen  Uf^V^Wf^  haben  Randwerte,  deren  erste 
Ableitungen  (Satz  11  des  11.  Abschnittes  der  vorstehenden  Ab- 
handlung) derart  stetig  sind,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2 
der  Fläche  co  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,,  ihre  abso- 
luten Funktionsdifferenzen : 

^  a  •  abs.  Max.  {F^,  -F,,  F^)  •  r^^ 

sind,  wo  A  einen  ganz  beliebigen  echten  Bruch  und  a  eine 
endliche  Konstante  vorstellt,  die  lediglich  von  der  Gestalt  der 

^)  p.  h.  Lösungen  eines  Dirichletschen  Problems  mit  stetigen  Rand- 
werten ßj, 

^)  Diese  Frage  werden  wir  im  späteren  Verlauf  der  Abhandlung 
noch  diskutieren. 


A.Korn:  Lösung  des  eluhtischen  OleioligewichtsjtrobltMus.  4.) 


Fläche  a>  und  der  Wahl  der  Zahl  A  abhängt.  Die  Funktionen 
Uq  Vq  Wq  sind  somit  ^)  Potentialfunktionen  des  Kaunies  t,  die 
im  ganzen  Innenraum  derart  stetig  sind,  daß  für  zwei  Punkte 
1  und  2  desselben  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,,: 

absJ?:^«     - 


do 


<  endl.  Konst.  rj« , 


wenn  o  eine  ganz  beliebige  Richtung  vorstellt,  da  ja  l  ein 
ganz  bestimmter  echter  Bruch  ist  und  wir  A  größer  als  l 
wählen  können.     Außerdem  ist: 


—  F 

—  F 


somit: 
24) 


A9^  =  Q,   mit  Rücksicht  auf  8'0; 


es  ist  also  0,   eine  stetige,   allgemeine  Potentialfunktion  des 

Raumes   r,   deren  Stetigkeit  in   der  ganzen  Ausdehnung  des 

Raumes  r    derart   ist,    da&   fUr    zwei   Punkte   1    und    2  des 
Raumes  t  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,,: 

25)      abs. !  Öo  if  <  endl.  Konst.  rj^  ^  C«  rj« ,  |  ^    Jülich.' 
Es  ist  nun  weiter: 


26) 


d 


-.=  «'«+ 2^  äJ^o,   -TT., 


und  die  ersten  Ableitungen  der  Randwerte  der  Potentialfunk- 
tionen  U^V^W^i 


1)  Zusatz  4  zu  Satz  III  des  I.  Abschnitts  der  vorstehenden  Abhandlung. 
190e.  Siinixigib.  d.  niAth.-phya.  KL  4 


50 


Sitsang  der  math.-phys.  Klasse  Tom  13.  Janaar  1906. 


27) 


T 

V    =  i  -l-  fö  ^ 

T 


,  an  a> 


sind  an  der  Oberfläche  (o  derart  stetig,  daß: 


28) 


abs. 


dh 


<  (^  C^o  H"  ^  ^^s-  ^^^-  ^o)  ^l^' 


wo  Ä  eine  beliebige  tangentiale  Ricbtung,^)  a  h  endliche  Kon- 
stanten vorstellen,  die  lediglich  von  der  Gestalt  der  Fläche  o> 
und  der  Zahl  Xq  abhängen  (Satz  II  des  zweiten  Abschnitts  der 
vorstehenden  Abhandlung).  Mit  Rücksicht  auf  den  Zusatz  4 
zu  Satz  lU  des  I.  Abschnitts  der  vorstehenden  Abhandlung 
folgt  somit,  daß  die  ersten  Ableitungen  von  u^  v^  w^  in  dem 
Räume  derart  stetig  sind,  da&  für  zwei  Punkte  1  und  2  in 
genügend  kleiner  Entfernung  r,,: 


29)     abs. 


2 


9o  II 


<:  endl.  Konst.  rj«  <  C,  rjj , 


(7j  endlich, 


wo    o   eine   beliebige   Richtung,    (7,    eine   endliche   Konstante 
vorstellt. 


Außerdem  ist: 


A  w,  = 


J  r,  = 


A  ii\  ^ 


BS 

dx  ^      "' 
^2^-^  +  Av,, 

-2\\'  +  Aw, 


somit: 
30) 


Jö,  =  0; 


')  C08(^a;)  -=  cosC^i^r)  +  ^i,  .  .,  wo  |  «i  |  ^  endl. Konst.  1*12, 


A.Kom:  Lösung-  des  elastischen  Gleichf,'ewicht>prol>lenis.  '^t 

es  ist  also  Ö,  eine  stetige  allgemeine  Potentialfunktion  des 
liaumes  r,  deren  Stetigkeit  in  der  ganzen  Ausdehnung  des 
Raumes  t  derart  ist,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2  des  Rau- 
mes T  in  genügend  kleiner  Entfernung  r: 


31)  abs.;d,|2^C,rJi,, 


o<;i,<i, 

6\  endlich. 


In  dieser  Weise  können  wir  nun  weiter  gehen  und  sehen, 
daß  für  jedes  beliebige  endliche  j  die  6^  stetige,  allgemeine 
Potentialfunktionen  sind,  deren  Stetigkeit  in  r  die  Bedingung 
23)  erfüllt. 

Es  folgt  auf  diese  Weise  auch  die  Gültigkeit  der  For- 
meln 15')  S.  45  für  jeden  Punkt  des  Raumes  r  in  irgend- 
welcher, im  übrigen  beliebig  kleiner  Entfernung  von  co.  Es 
folgt  schließlich  auch  successive  die  Stetigkeit  der  ersten  Ab* 
leitungen  von  Uj  Vj  Wj  in  ganzer  Erstreckung  des  Raumes  r  für 
jedes  beliebige  endliche  j. 

Damit  sind  nun  aber  alle  Schlüsse  dieses  §  streng  be- 
gründet, und  wir  können  bisher  das  folgende  Resultat  aus- 
sprechen : 

Die  durch  die  Formeln  15)  definierten  successiven 
Funktionen  Uj  Vj  tVj  sind  mit  ihren  ersten  Ableitungen 
für  jedes  beliebige  endliche  j  in  ganzer  Erstreckung 
des  Raumes  r  eindeutig  und  stetig;  die  Stetigkeit  ihrer 
ersten  Ableitungen,  im  besonderen  die  Stetigkeit  der 
stetigen,  allgemeinen  Potentialfunktionen  ßj  in  x  ist 
derart,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend 
kleiner  Entfernung  r^^i 

wo  Ij  einen  echten  Bruch,  Cj  eine  endliche  Eonstante 
Torstellt. 

Die  Formeln: 


52  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

dxj  '  r  dx 

r 

dx  .de, 


dyJ  ^  r  dy' 

d/sj  ^  r  dz' 


bestehen  für  jedes  beliebige  endliche  j  in  irgend 
welcher,  im  übrigen  beliebig  kleiner  Entfernung  von 
der  Fläche  co. 


Es  besteht  ferner  die  Ungleichung: 


wo  a  eine  von  j  unabhängige  endliche  Konstante  vor- 
stellt. 

§5. 

Wir  suchen  jetzt  zu  beweisen,  daß  die  Funktion  d  eine 
stetige  allgemeine  Potentialfunktion  des  Baumes  r  darstellt, 
deren  Stetigkeit  die  Bedingung  erfüllt: 

32)  abs.  |d|2^C.rj2,   |   (7  endlich, 

wenn  wir: 

33)  e  =  e,  +  ie,^\-t^e^  +  .. 

setzen.  Daß  diese  Reihe  innerhalb  r,  d.  h.  in  endlicher  Ent- 
fernung von  der  Oberfläche  ö>  stets  konvergent  ist  und  mit 
allen  Ableitungen  innerhalb  o)  eindeutig  und  stetig  ist,  folgt 
leicht  aus  der  Ungleichung: 


r-^je]dT^aPK 


Denn  denken  wir  uns  um  einen  Punkt  {x  y  e)  innerhalb 
o)  eine  Kugel  vom  Radius  12,  der  nur  klein  genug  gewählt 
ist,  dafi  die  Kugel  ganz  in  dem  Gebiete  t  liegt,  so  ist: 


A.  £om:  Lösniig  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         53 


öi(^.y.^)  =  4;^,J«i'^'. 


WO  das  Integral  rechts  über  die  Kugel  zu  erstrecken  ist,  somit: 


M,(x,,.«)!  5,-5;^!/ /«./..  5iS-.]/J»;^''-i 


R* 


y    4.nB? 


V 


oder: 
34) 


ß 


r* 


ß  endliche  Eonstante, 


wenn  r  die  kleinste  Entfernung  von  der  Oberfläche  co  darstellt. 

Analoge  Formeln  kann  man  sofort  auch  für  die  ersten, 
zweiten  etc.  Ableitungen  von  Bj  innerhalb  co  ableiten. 

Für  uns  ist  es  aber  erforderlich,  die  Stetigkeit  von  B  und 
zwar  die  Stetigkeit  von  der  Art  32)  in  ganzer  Erstreckung 
des  Gebietes  t  zu  erweisen,  und  zu  diesem  Zwecke  müssen  wir, 
ausgehend  von  der  Formel: 

If.  echter  Bruch, 


35)     abs.  I  Bj  \  <  C^ rj^ ,  (0  <  r,,  <  o), 
in  den  successiven  Formeln: 


Cq  endliche  Eonstante , 


36) 


abs.  Bj\\  <  C^r^a,    (0  <  r„  <  a^) 


die  Abhängigkeit  der  Größen  CjkjOj  von  j  näher  erforschen. 
Wir  gehen  aus  von  den  Definitionsformeln: 


37) 


1     a    f^      dr      ^ 

r 

fi  =tv_,  +l^-y«,_4'-F„    i  =  l,2,... 

X 


54 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  18.  Januar  1906. 


UjVjWj  sind    die   Potentialfunktionen   des   Innenraumes 
mit  den  Randwerten: 


38) 


ü*  = 


dX 


>  an  Q), 


wo  wir  zur  Abkürzung: 

3«  2jraa;J  ■'"'  r  ' 

y  2w3yJ  '"'  r  ' 

axr  2n3«J  ^~'  r  ' 


39) 


d 


gesetzt  haben,  es  ist  somit  nach  der  Methode  des  arithmeti- 
schen Mittels^): 


40) 


„  1    ra!Pi-i  cos(rv) 


a> 


0  Es  hat  in  der  Tat  jedes     ^ 


i« 


nach   Satz  II   des   II.  Ab- 


schnitts der  vorstehenden  Abhandlung  die  Eigenschaft: 


abs. 


-il 


<  a  abs.  Max.  ßj__i  r\j ,  (0  <  r,,  <  a) 


wo  Ai  einen  beliebigen  echten  Bruch  vorstellt,  a  eine  endliche  Eonstante, 
a  eine  Länge,  die  gar  nicht  von  der  Funktion  Sj—i  abhängig  sind,  und 
hierauf  ergibt  sich  in  der  Tat  41)  mit  Hilfe  des  Satzes  1  des  I.  Ab- 
schnitts der  vorstehenden  Abhandlung,  wenn  nur  Ä  •<  Ai^  also  überhaupt 
ein  beliebiger  echter  Bruch  ist. 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewicbtsproblems.         55 


wo  ^1,  X^2»  ^jis  Potentiale  von  Doppelbelegungen  sind,  deren 
erste  Ableitungen  nach  dem  Satze  I  des  I.  Abschnitts  der  vor- 
stehenden Abhandlung  S.  1  im  ganzen  Räume  derart  stetig 
sind,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r„: 


41)    abs. 


^.1 
da 


<  Ä  •  abs.  Max.  dy_i  rd , . .  (0  <  r,,  <  a) , 


wo  o  eine  beliebige  Richtung,  A  einen  echten  Bruch,  Ä  eine 
endliche  Eonstante,  o  eine  Länge  vorstellt,  die  in  keiner  Weise 
von  j  abhängig  sind,  und  man  kann,  wenn  man  will: 


42) 
setzen. 


A  =  X 


Es  sind   andererseits  -—-—,  — ^— ,      J       die  Potential- 

dX  dy  dS 

funktionen    des    Aussenraumes    mit    den    Randwerten    — - — , 

dx 

dy   '     a^ 

des  arithmetischen  Mittels: 


an  o),   es  ist  daher   wieder  nach  der  Methode 


43) 


d 


X  2nJ     dS         r^  ^ 


ot 


d¥,. 


dy  2  71 J     drj         r^  *      j* 

a«R_i  1     fa«R_,  cosCrv)  ,       ,     . 


<u 


im 
Außen- 
raume , 


wo  die  0j,i  0j^2  ^j,2  Potentiale  von  Doppel belegungen  mit  den- 
selben Stetigkeitseigenschaften  wie  X^j,  Xy,2,  X,8,  im  beson- 
deren an  der  Fläche  (o,  sind. 

Da  mit  Rücksicht  auf  den   Satz  I   des  II.  Abschnitts  der 
vorstehenden  Abhandlung  die  Funktionen  —~z-^  '~i~~^         7 
auf  der  Fläche  co  erste  tangentiale  Ableitungen  haben,  von  solcher 


56  Sitzung  der  matb.-phys.  Ellasse  vom  18.  Januar  1906. 


Stetigkeit,   das   für  zwei  Punkte  1  und  2    der  Fläche   in  ge- 
nügend kleiner  Entfernung  r^,: 


abs. 


<Gj^iiy  ••  (0<ns<^i). 


so  ist  an  der  Fläche  w  nach  einem  bekannten  Satze  (Lehrbuch 
der  Potentialtheorie  I  S.  394): 


d_  rd^j-i  cos (r v)  , 


(O 


(O 


d  ra!PJ_i  cos(rv) - 
dvj    af       r* 


somit  folgt: 


44) 


dv 


dVi 


j  _ 


dv 
dWj 

dv 


a'  !PJ-. 

aa;3v 

a»  !Pi-i 

aya»' 

'  a'  »^-. 
a^'av 

-         1     " 


+fl/, 


+2i-, 


wobei  die  £}  //y  Z^-  Funktionen  vorstellen,  deren  erste  Ablei- 
tungen an  der  Oberfläche  (o  derart  stetig  sind,  daß  für  zwei 
Punkte  1  und  2  der  Fläche  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,j: 


45)      abs. 


^j^  I  <  B  abs.  Max.  dj_,  r][,  . .  (0  <  r,,  <  o) 


wo    Ä    eine   beliebige   tangentiale   Richtung,    A   einen   echten 

Bruch,   o  eine   endliche   Konstante,    a   eine  Länge   vorstellen, 

die  in  keiner  Weise  von  j  abhängen,   und  man  kann,    wenn 

man  will: 

A  =X 

setzen. 

Da  Wj  v/  voj  an  der  Fläche  ö>  verschwinden,  ist : 

ö,-  =  — ^  cos(va:)  -}-  --"  cos(i'y)  -j-  -^"^  cos  (v^). 


av        ^  ^^   '    dv 
ö^-i  =  —} —  cos 


^^     . ._  (vx)  +  -^-  cos  (r y)  +  — ^  cos  {ye) 


>  an  a>, 


#•'  -W^wnn:. 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewiclitsproblems.         57 
und  es  folgt  aus  den  Formeln  37): 


1   ^^  r       ar 
2jiäv*J  ^*  r 


=  «>-i  +  7 


oder: 
46) 


Cn     dx     idUj      ,    .    dVj      ,    .    dWj      ,    A 
I Si^i-    -{-^cos(va;)+-— -^cos(vy)H--— ^cos(v-8r)>, 
J  r  ^  \3v  dv  dv  j 

a»  r      dr       1  !a»  r      dx\ 

X  •  I  T  I« 


WO  Hj  eine  Funktion  der  Stelle  an  o)  darstellt,  die  derart 
stetig  ist,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2  der  Fläche  im  Ab- 
stand r. 


!«• 


47)      abs.  I  ^  IJ  <  r«  abs.  Max.  öy-i  •  t^g »     (^  <  ^12  <  ^) 

r  eine  endliche  Eonstante,  o  eine  Länge,  die  größer  ist  als 
eine  bestinmite  endliche  Länge;  JT,  o  gänzlich  unabhängig 
Ton  j. 

Wir  bringen  jetzt  den  Satz  IV  des  IL  Abschnitts  der 
vorangehenden  Abhandlung  über  Raumpotentiale,  den  eigent- 
lichen Schlüsselpunkt  für  die  Lösung  der  gestellten  Aufgabe, 
zur  Anwendung.  Besteht  für  zwei  Punkte  1  und  2  des  Raumes  t 
in  der  Entfernung  r^^  die  Ungleichung: 


48) 


abs.  I  ö,._, '{  <  (7y^i  rj/-^ ,     (0  <  r„  ^  ay_i). 


so  ergibt  sich  nach  dem  genannten  Satze,  den  Formeln  46) 
und  47): 

49)  *)  abs.|  Bi  IJ  ^  [e,^.^^  (7y_,  +  U  +  j^-^  abs.  Max. Öy-i]  rji-i , 

wo  d  eine  beliebig  kleine  Zahl,  €„       und  6  zwei  Eonstanten 

Torstellen,  die  bezw.  mit  ay-i  und  6  zu  Null  konvergieren, 
aber  stets  von  Null  verschiedene,  bestimmte  Werte  haben,  so- 
bald bezw.  ay-i  und  d  von  Null  verschieden  sind,  ca  von  j 
unabhängig. 


^)  ^1  c%  endliche  Eonstanten,  die  von  i  unabhängig  sind. 


58  Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

Wir  können  hieraus  sofort  die  folgenden  Schlüsse  ziehen : 
Wir  können 

setzen,  wo  d  eine  beliebig  kleine  Zahl  sein  kann,  und: 

51)  abs.  I  Ö, If  <  Lj (7,_,  +  g^qQ^^y-t  abs.  Max.  ßj-A  r\^ , 

WO  die  Eonstanten  c  und  €a  von  j  ganz  unabhängig  sind  und 
Sj  eine  mit  j  zu  Null  konvergierende  Zahl  vorstellt.  Wir  können 
jedenfalls,  indem  wir  a  von  vornherein  genügend  klein  wählen 

machen  und  die  Ungleichung  51)  auch  so  schreiben: 

52)  abs.  I  öy  |2  5  (Cj-i  +  Y^r^zrs)i  *^^'  ^*^-  ^^"V  ^2 ' 

(0<r,,^a(l-(J)^), 

wo  Ei  eine  Konstante  vorstellt,  die  zwar  um  so  größer  ist,  je 
kleiner  6  gewählt  wird,  aber  für  jedes  ^  +  0  einen  bestimmten, 
von  Null  verschiedenen,  von  j  unabhängigen  Wert  hat;  wir 
können  dabei  6  im  übrigen  von  vornherein  beliebig  klein 
wählen. 

Diese  Formel  wird  sogleich  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielen. 
Wir  errichten  in  einem  Punkte  0  der  Fläche  die  innere  Nor- 
male und  markieren  auf  derselben  in  dem  Abstände  r^-  den 
Punkt  0'.     Dann  ist: 

I  ^i  |o  =  I  öy  |o'  +  I  ^j  |o' 
und  mit  Rücksicht  auf  34)  und  52): 

53)  ,  "*''•  '^  <  ^  +  {^'-'  +  E-(}-  6y  "*'^-  ^"^-  •'^-0  «i' 

(0  5t,^o(l-d)i), 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         59 


55) 


oder,  wenn  wir  mit  fi  einen  echten  Bruch 

54)  I<  ft  <  1 

bezeichnen  und 

Ä^  abs.  Max.  ßj  =  Äj, 

setzen,  so  daß: 

abs.  Max.  ßj  Ä^  ^  Aj 

•2/^2,     (0<r,,5o(l 
so  erhalten  wir  die  Formeln: 


56) 


{ 

{abs.  Max.  Oj ^^ 
abs.  |ftifl|/|f< 


-m, 


57) 


^  <  T?'^(^-'"'  '^E^^'^'-') '^'    (^^'■'■^"^l -'')^' 


Jf,<B,_i  + 


EAi-sy 


Aj-\. 


Wir  wählen  nun  d  und  einen  echten  Bruch  L  so,  dafi: 

ft<L<(l  — .5)^<1 


58) 

und  setzen: 

59) 


-( 


ft*(l  -  d)T\i 


Li 


^i 


was  ja  gestattet  ist,  da  ja: 


9r(l  —  d)li 
L* 


<l—d\ 


wir  können  dann  die  beiden  Ungleichungen  57)  so  schreiben: 


60) 


^J<ß 


\(1  -  (J)W       ^i 


(Bj.:il-dy-^E,  +  A 


'-'©'*; 


1 


-Bi<-Bi-.  +  Wziy^i-" 


oder,  wenn  wir  mit  ^  den  größeren  der  beiden  echten  Brüche 


62) 


60  Sitzung  der  math.-phy8.  Klasse  Tom  13.  Januar  1906. 

bezeichnen : 

U  <  [^ + 1  (^_,  +  -E,  (1  -  d)'->  B,_o]  M 
^^^    1    =-       '    1 

Wir  multiplizieren  die  zweite  dieser  Ungleichungen  mit 
^^(1  —  Sy  und  addieren,  dann  folgt: 

A,  +  E,{i-  dys,  ^  ^,_,  +  ^,  (1  -  a)'-i  B,-i 

+  [ß  +  ^  Ui-^  -VE.il- a)'->  £,_,)] //'. 

oder,  wenn  wir: 

63)  ri  =  AiJrE,(l-6yBi 

setzen : 

64)  /;.^/;_,  +  [^  +  ^rij,,.'. 

Wir  wenden  jetzt  den  KunstgriflF  an,  der  bereits  von 
LiapounoflF^)  bei  einer  anderen  Gelegenheit  mit  Erfolg  benützt 
worden  ist.    Wir  schreiben  die  Ungleichung  in  der  Form: 

r,  +  ß-E,^  (/;_,  +  ßE,)  (i  +  f ). 

dann  folgt: 

r,  +  /?.^,^(r„  +  ^^,)(i  +  |j(i  +  0..(i  +  |3. 

Das  Produkt: 
ist  konvergent,  da  ^  ^  1,  und  es  wird  somit: 

66)  ri-^ß.E,<:,(r^  +  ßE,)Q, 


^)  Liapounoff,  Sur  certaines  questions  qui  se  rattachent  au  probleme 
de  Dirichlet  (Joum.  de  math.  1898,  S.  278). 


•r«? 


A.  Korn:  Ldsung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblema.         61 


80  daß: 

67) 


n^Ä, 


WO  A  eine  bestimmte,  endliche,  von  j  unabhängige  Konstante 
Torstellt.     Nun  ist: 

abs.  Max.  ''  •  ^«  ==  {  ä  ) '  -^i 

so  daß,  wenn  wir  wieder  mit  m  einen  echten  Bruch  bezeichnen : 
68) 


{ 


abs.  Max.  V  Bi^a-  m\  I 


und  wir  erhalten  das  wichtige  Resultat: 

abs.|I'd,|J  <b'm*fi^,     (0  <r,,  <  o(l-d)% 

wo  m  einen  echten  Bruch  yorstellt,  a,  ft  endliche,  von  j  unab- 
hängige Konstanten. 

Durch  die  erste  Formel  69)  wird  uns  die  gleichmäßige 
Konvergenz  der  Reihe: 

70)  «  =  »o  +  l»i +  «*».  +  ••• 

gewährleistet,   und  sicher  gestellt,  daß  6  eine   in  dem  ganzen 
Gebiet  t  eindeutige   und  stetige  Funktion  der  Stelle  vorstellt. 

Wir  verlangen  von  der  Stetigkeit  der  Funktion  6  aber 
noch  mehr,  und  wir  wollen  mit  Hilfe  der  zweiten  Formel  69) 
die  Behauptung  32)  nachweisen. 

Wir  teilen  die  Reihe  70)  in  2  Teile: 


71) 


0  r-f  1 


und  wählen  die  Zahl  v  genügend  groß,  so  daß: 


00 


H-1 


<  endLKonst.  r,,. 


62 


Sitzunff  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


wenn  r„  die  Entfernung  zweier  Punkte  1  und  2  des  Raumes  t 
Torstellt.     Eine  solche  Zahl  v  läßt  sich  stets  finden,  da: 

OB 

£i  Vßj  ^  endl.  Konst.  #»•'; 

man  hat  eben  nur  v  so  groß  zu  machen,  daß 
72)  m*'  ^  endl.  Konst.  r„ ; 

dann  ist: 
73  a)  abs. 

und: 


•'-hl 


<  endl.  Konst.  r^, , 


73  b)   abs. 


0 


<  endl.  Konst.  rj^ ,  (0  <  r„  <  o  (1  —  d)") 


mit  Rücksicht  auf  die  zweite  Formel  69),   und  die  Bedingung 

kann  noch  fortgelassen  werden,  sie  ist,  wenn  nur 

ist,  was  ja  stets  dadurch  erreicht  werden  kann,  daß  man  von 
Tornherein  d  klein  genug  annimmt,  bei  der  Festsetzung  72) 
von  selbst  erfüllt,  wenn  r^^<  bestimmte,  endliche  Konstante  a'(<ö). 

Durch  Addition    der  Formeln  73  a)  und   73  b)   folgt   aber 
für  irgend  zwei  Punkte  1  und  2  des  Raumes  t: 

74)  abs.  I  <^  IJ  <  endl.  Konst.  r]^ , 

und  das  wollen  wir  in  diesem  §  beweisen. 
Wir  haben  also  das  Resultat  erhalten: 
Die  Reihe: 

75)       e  =  e„  +  t»,  +  t*e,  +  -  ■    (-i^f^  +  i) 

stellt  eine  in  der  ganzen  Erstreckung  des  Raumes  t 
eindeutige  und  stetige  Funktion  dar,  und  es  gelten 
für  zwei  Punkte  1  und  2   des   Raumes  t  die  Formeln: 

76)  abs.  I  ö  ]J  <;  endl.  Konst.  rj^ . 


^    -IF«B 


A.  Eom :  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems. 


63 


Die  einzelnen  Glieder  der  Reihe  haben  die  Eigen- 
schaft: 


77) 


{ 


abs.  Max.  f^  dy  <  a •  w-', 

abs.|Iid,  |?<6-mi.r^2,  (0  <r,,<o  (l-(J)O, 

wo  die  a,  h  endliche,   von  j  unabhängige  Konstanten, 
m  einen  echten  Bruch  darstellt. 


§6. 

Wir  gehen  nunmehr  zu  der  Untersuchung  der  Funktionen 
Ui  Vi  Wi  über,  die  successive  durch  die  Gleichungen  15)  de- 
finiert sind. 

Es  ergiebt  sich  zunächst  wieder  aus  den  Ungleichungen  77) 
für  die  Potentialfunktionen  Uj  Vj  Wj  mit  den  Randwerten  16) 
an  (o  mit  Rücksicht  auf  Satz  U  und  Satz  I  des  I.  Abschnitts 
der  Torangehenden  Abhandlung,  daß  die  Reihen: 


78) 
und 
79) 


0 

a7  =  Sil^d7' 


(-KK+1), 


(-KK+1), 


wenn  s  eine  beliebige  Richtung  vorstellt,  für  jeden  Punkt  des 

JTJ 

Gebietes  t  konvergieren,   und   daß   die  Reihen  U  und  -j-   im 

ganzen  Gebiete  t  eindeutige  und  stetige  Funktionen  der  Stelle 
vorstellen. 

Wir   multiplizieren   jede   der   Formeln  15)   bezw.   mit   V^ 
(0  <!<!'<  1)  und  summieren  von  1  bis  j,  dann  folgt: 


80) 


^^  i.      ««/   TT 

1—  —  S«    '       ^'' 


r       *  T 


64 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


dann  folgt,  da  auch: 

abs.  Max.  f*  St  <  a'  m'* 

abs.  ;  f '•  d,  I?  ^  b'  m"  rjg ,    (0  ^  r„  ^  a  (1  ~  (JO*"') 

wo  m'  einen  echten  Bruch  bedeutet: 


81) 


{ 


82) 


und  auch: 


83) 


I  ^'^  ^J  I  <  ®^^'  Konst. , 

I  ^'^  ^J  i  ^  ®^^^-  Konst. , 

V^  tVj    <  endl.  Konst. , 

^'''  ^-^  <  endl.  Konst. , 
I'^  -/^  ^  endl.  Konst. , 

ds  ^ 

f '>  -p  ^  endl.  Konst. , 
ds  ^ 


wo  5  eine  ganz  beliebige  Richtung  vorstellt. 

Setzen  wir  jetzt: 

f 


84) 

n       y. 

SO  folgt: 

Vui 

<  endl.  Konst.  n^, 

85) 

V  vj 

<  endl.  Konst.  n^, 

Vwj 

<  endl.  Konst.  n^, 

und: 

* 

ds 

<  endl.  Konst.  n^, 

86) 

ds 

<  endl.  Konst.  »^, 

ds 

<  endl.  Konsi  n^, 

wo  n  einen  echten  Bruch  bedeutet,   und  wir  sehen,   daß  at 
die  Reihen: 


A.  Korn;  Lösung  des  elitstischen  Gleichgewichtsproblems.         65 


87) 


und: 


88) 


00 


u  =  Si  t^'  Uj , 


0 


TD 


V  =  iJi  I-'  Vj , 


00 


w  =  Si  f-'  Wj 


9  W  »  dUj 


ds 
ds 
Is 


=  Si  V 


it 


ds  ' 


^tjv'"' 


0 


=  £i  V 


0 


ds 


in  ganzer  Erstreckung  des  Raumes  r   konvergieren   und   ein- 
deutige und  stetige  Funktionen  der  Stelle  darstellen. 

Nunmehr  können  wir  das  Resultat  aussprechen: 

Die   Reihen  87)    stellen,    wie   behauptet,    die    Lö- 
sungen  unserer  gestellten  Aufgabe  dar. 


§7. 

Wir  haben  bisher  über  die  gegebenen  Funktionen  f^  f^  f^ 
in  den  Differentialgleichungen  7)  vorausgesetzt,  daß  sie  der 
Differentialgleichung  genügen : 


89) 


dx        cy    '    de 


und  daß  sie  in  ganzer  Erstreckung  des  Gebietes  t  derart  stetig 
sind,  daü  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r,,: 

90)         abs.  I  /,  If  ^  endl.  Konst.  rj^ ,  . . .  |  A  echter  Bruch ; 

für  den  Beweis  ist  aber  von  Wichtigkeit  nur,  daß  die  durch 
die  Formeln: 

I906w  SHsoagsb.  d.  nutÜL-phy«.  Kl.  5 


66 


Sitzung  der  math.-phya.  EImm  Tom  19.  Januar  1906. 


91) 


1— f  r  .  dz 


1— I  r     az      j. 


1— f  C  .  dx 


1— I  r.ax      ^ 


dx 


i-r  c.  dx 


TT. 


definierten  u^  v„  w,  in  t  mit  ihren  ersten  Ableitungen  eind 
und  stetig  sind,  und  daß  die  stetige,  allgemeine  Pote 
Funktion : 


92) 


9u 


3«, 


«0=^;.?  +  ^?  + 


dw^ 


in  T  derart  stetig  ist,  daß  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  geni 
kleiner  Entfernung  r,,: 

93)  abs.  1  «0 1!  <  endl.  Konst.  rj^ , 

und  daß  schließlich  in  r  in  irgend  welcher  im  übrigen  he 
kleinen  Entfernung  von  co: 


94) 


dxJ    ®  r 


T 

dz  J    "  r 


3Öo^ 

dx  ' 

a»o 
dJt' 


Wir  wollen  jetzt  zunächst  weiter  zeigen,  daß  diese  Vo 
Setzungen  92),  93),  94)  auch  erfüllt  sind,  wenn 


95) 


h=-z+ 


diu' 

ae     dX     dY    a^^Q 

ay  '      aa;  "^  ay  "'"  a;er         ' 

aö 

a^f' 


A.  Eom:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         67 

XTZ  wieder  in  t  derart  stetig  sind,  daß  für  zwei  Punkte  1 
und  2  in  genügend  kleiner  EntfemuDg  r^^i 

96)  abs.  I  X|*  ^  endl.  Konst.  rj^ ,  . . . 

und  d  eine  stetige,  allgemeine  Potentialfunktion  vorstellen  soll, 
von  der  wir  nur  wissen,  daß  ihre  Stetigkeit  in  t  die  Be- 
dingung erfüllt: 

97)  abs.  I  ö  j J  ^  endl.  Konst.  r\^ 

fär  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Entfernung  r^,. 

Es  folgt  nämlich  in  diesem  Falle  aus  den  Formeln  91)  in 
derselben  Weise,  wie  46)  aus  37)  folgte, 


98) 


j. 1 1— tr ^^^'l  ,  ± ri— I r 3ö dri 

dxi  in  J   3x   r  \       dyi  in  J   dy   r  \ 


20, 
1  — f 


dzi  in  J    de    r  \        dx         dy  dz 


wo  U^  eine  Funktion  der  Stelle  an  co  darstellt,  die  derart 
stetig  ist,  dafi  für  zwei  Punkte  1  und  2  der  Fläche  in  ge- 
nügend kleiner  Entfernung  r,,: 

99)  abs.  I  flo  I?  <  ^  abs.  Max.  (0,  X,  T,  Z)  •  rj^g , 

wo  A  ein  ganz  beliebiger  echter  Bruch,  F  eine  endliche  Kon- 
stante ist,  die  nur  von  der  Gestalt  der  Fläche  co  und  der 
Wahl  des  echten  Bruches  A  abhängig  ist,  den  man  z.  B. 
gleich  A  setzen  kann. 

Es  ist  femer  %^  nach  wie  vor  eine  stetige  Potential- 
fanktion  des  Raumes,  die  nunmehr  nach  dem  Satze  IV  des 
n.  Abschnitts  der  Torstehenden  Abhandlung^)  im  ganzen 
Räume  t  bei  genügend  kleinem  r^,  der  Bedingung  93)  genügt. 

^)  Diese  Berichte  S.  28. 


68 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  Tom  13.  Janoar  1906. 


Auch  die  Bedingungen  94)  sind  erfüllt,  da  XYZ  die 
Bedingung  96)  erfüllen  und  0  nach  Voraussetzung  eine  stetige, 
allgemeine  Potentialfunktion  des  Baumes  r  ist. 

Der  Beweis  bleibt  also  nach  wie  vor  richtig,  wenn  f^  f^  f^ 
von  der  Form  95)  sind. 

Es  bleibt  jetzt  schließlich  noch  der  Fall  zu  behandeln,  daß 


100) 


ax     ar     az 


aber  eine   derart  stetige  Funktion   des  Raumes  r  ist,    daß   fOr 
zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Entfernung  r,,: 

101)  abs.  \F\l'-^  endl.  Konst.  rf^ . 

Wir  setzen  in  diesem  Falle: 


102) 
und: 


V  =  — 


.dr 


47i{l+k) 


p'i 


103) 


1    d  r    dz     „  ,    , 


ffv.^^+»+»'. 


t;  = 


1      d 


W 


ijidy 
1     d 


1    a  f   dt    ^, 


U,  SS,  SB  Potentialfunktionen 
von  T  mit  den  Randwerten : 

1     d    r    dr  ] 


_    1    ^  r     dr 


as 


SB 


_  J_  a^  r    dx_ 


an  CO, 


dann  ist: 


A      7^^    /.    iN^v    A  ^   7  5^'    1^  /3U    a»    affl\ 


90 


3V 

äy 


104)iJ«  +  A:>(l+*)'^  +  J.'  +  r£:  +  i;^(^-  +  --f^;^), 


a<9' 


a  /au  .  aüB    aSB' 
a^     a^ 


A  7^^         /l  7n3V^  A       i        1^^  1      ^      ( 


au   aüB    aSB 


)• 


dz  dz  dz  dZ\dX      dy        dZ 

und    die    neuen    Funktionen    u'  v'  w'    haben    die   Diflferential- 
gleichungen  zu  erfüllen: 


A.  Korn:  LOsung  des  elastischen  Gleicbgewichtsproblems. 


69 


105) 


....*-.[r-a.*,|-;].l[e-.(:^ 


)]• 


^x     dy      dz 

,  as    affi\i 
"''ay'-ayjj' 


au    a»    a® 

aa:     ay      dz 


)\ 


das  sind  aber  wieder  Differentialgleichungen  Ton  der  früheren 
Form  7),  bei  denen  die  Funktionen  /*,  f^  f^  die  Form  95)  haben. 
Dieser  Fall  ist  damit  auf  den  früheren  zurückgeführt. 


§8. 

Theorem.    Es  sei  vorgelegt  das  folgende  Problem: 

Wir  suchen  drei  in  einem  von  einer  stetig  ge- 
krümmten Fläche  CO  begrenzten  Räume  r  eindeutige 
and  stetige  Funktionen  u,  t;,  w  mit  endlichen  ersten 
Ableitungen,  welche  in  dem  Gebieter  den  Differential- 
gleichungen genügen: 

A         ih^^  Y  ^^ 


106) 


.     ,  ,ad  ^     aö 

dy  dy 

Aw  -j-Jc  —  =  —  Z—  -— , 
a^gr  a-er 


and  den  Grenzbedingungen: 


107) 


woX  YZ0  gegebeneFunktionen  derStelle  desRaumesr, 
UV  w  gegebeneFunktionen  der  Oberfläche  co  sein  sollen, 
und  zwar  machen  wir  über  diese  gegebenen  Funk- 
tionen die  folgenden  Voraussetzungen: 


70 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


dX        dY        dZ 

X^Y^Z, h  - — h -r—  sollen   in   t   derart   (abtei- 

dx       dy       dz  ^ 

lungsweise)  stetig  sein,  daß  für  zwei  Punkte  1   und  2 

(der  Teilgebiete)  in  genügend  kleiner  Entfernung  r„: 

108)  abs.  I  X IJ  ^  endl.  Konst.  rj^ , . . .  \  k  echter  Bruch, 

S  soll  eine  stetige  allgemeine  Potentialfunktion  des 
Raumes  t  sein,  deren  Stetigkeit  im  Räume  t  der  Be- 
dingung: 

109)  abs.  I  0 12  <  endl.  Konst.  rj^ 

bei  genügend  kleinem  r,,  genügt. 

uvtv  sollen  mit  ihren  ersten  Ableitungen  stetig 
sein,  und  zwar  sollen  die  ersten  Ableitungen  derart 
stetig  sein,  daß  für  je  zwei  Punkte  1  und  2  der  Fläche 
in  genügend  kleiner  Entfernung  r^,: 


110) 


abs. 


du 
dh 


<  endl.  Konst.  rj^ , 


wenn  Äi(2)^)   eine  beliebige   tangentiale  Richtung  vor- 
stellt. 

Dieses   Problem   hat,    wenn   der   Parameter   k   die 
Ungleichung  erfüllt: 

111)  —  l<ifc<+oo 

stets   ein   und    nur    ein    Lösungssystem,    das   man   auf 
folgende  Weise  erhalten  kann: 

Man    führe    entsprechend    den   Ausführungen   des 
§  1  und  des  §  7  das  Problem  auf  das  Grundproblem: 


112) 


'^«'-1-*^  =  —  /i,    [in 


dx^  dy  ^  djs  ' 


0  cos  (h^x)  •=  cos  (Ä| Ä?)  +  ei , . . . ,    «i  <  endl.  Konst.  ^u, . . . 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         71 


113) 


u 

V 

w 


0,  ] 
0, 


=  0 


>  an  a> 


zurück  und  bilde  dann  successive  die  folgenden  Funk- 
tionen: 


114) 


1— f 


4«  J'«   r  »' 


v^ 


tf»  = 


1— f  r.  dr 

4«  J'»   r 

T 

1— I  c^  dx 
4»  J'»  r 


V,,        *  = 


2J_ 
1— I 


-w„ 


«J 


=  '^-.+fJJ'-T-^" 


Vi  = 


-^i, 


tt;/ 


-'"-  +  ÄÄJ»'-T-'^" 


i=  1,2, ..., 


wo  die   Uj  Vj  Wj  die  Potentialfunktionen  des  Raumes  t 
Torstellen  mit  den  Randwerten: 


X  X 


.auo), 


dann  erfüllen  die  Funktionen: 


72 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 


116) 


u  = 


V  = 


w  = 


0 
0 

00 

0 


in  T  in  irgend  welcher,  im  übrigen  beliebig  kleinerEni- 
fernungvon  der  Fläche  co  die  Differentialgleichung  112) 
und  an  der  Fläche  die  Randbedingungen  113).  Die 
Funktionen  u  v  w,  die  durch  die  Reihen  116)  definiert 
werden,  sind  mit  ihren  ersten  Ableitungen  in  ganzer 
Erstreckung  des  Raumes  z  eindeutig  und  stetig. 

Es  ist  von  Interesse,  dieses  Resultat  mit  dem  entsprechen- 
den Resultat  in  der  Potentialtheorie  zu  yergleichen: 

Es  sei  V  die  Lösung  der  Differentialgleichung: 

welche  in  t  eindeutig  und  stetig  ist  und  an  co  die  stetigen 
Randwerte 


annimmt;  ist  die  in  t  gegebene  Funktion  f  derart  stetig,  dals 
für  zwei  Punkte  1  und  2  des  Gebietes  t  in  genügend  kleiner 
Entfernung  r,,: 

abs.  |/*|f  ^  endl.  Konst.  ^g»  M  echter  Bruch 

und  ist  V  mit  seinen  ersten  Ableitungen  auf  cd  eindeutig  und 
stetig,  und  zwar  die  ersten  Ableitungen  derart  stetig,  daß  für 
zwei  Punkte  1  und  2  der  Fläche  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r„: 


abs. 


^j^  "<  endl.  Konst.  rjg, 


A.  Eom:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         73 


wo  Ai(0)^)  eine  beliebige  tangentiale  Richtung  vorstellt,  dann 
kann  man  aussagen,  daß  F  mit  seinen  ersten  Ableitungen  im 
ganzen  Gebiete  t  eindeutig  und  stetig  ist. 

Es  folgt  dies  leicht  aus  dem  Satze  IX  meiner  Abhand- 
lung I  zur  Potentialtheorie*)  mit  Hilfe  eines  bekannten  Theoremes 
von  Holder.*) 

Die  Analogie  wird  noch  größer,  wenn  man  für  V  die 
folgende  Differentialgleichung  in  z  fordert: 


AV  = 


wo  s  eine  beliebige  feste  Richtung,  X  eine  gegebene  Funktion 
von  (x  y  £),  S  eine  gegebene,  stetige  allgemeine  Potential- 
fanktion  in  t  vorstellt,  bei  den  Voraussetzungen: 

abs.  I  X  i^  <  endl.  Konst.  rj^ , 
abs.  I  0  j^  <  endl.  Konst.  r^^ , 

Auch  in  diesem  allgemeineren  Falle  ist  V  mit  seinen 
ersten  Ableitungen  in  ganzer  Erstreckung  von  t  eindeutig 
und  stetig. 


X  echter  Bruch. 


^)  cos  (h^  X)  =  cos  C»!  a;)  +  £| ,  . . . ;     |  «i  |  <  endl.  Konst.  fu ,  ... 

*)  Abhandlungen  zur  Potentialtheorie  (Berlin,  F.  Dümmlers  Verlag, 
1901-1902). 

*)  Daß  bei  der  Voraussetzung  Über  f\ 


.Jr^^  =  -w. 


74  Sitzung  der  math.-pbjB.  Klaue  vom  13.  Januar  1906. 


Anhang. 

Die  Ton  mir  in  dieser  Abhandlung  gegebene  Methode 
beruht  auf  der  Umformung  der  Oleichungen  des  elastischen 
Gleichgewichts  7)  auf  die  Form  8): 


k  = 


2t 
1-V 


und  der  Beihenentwickelung  von  it  v  w  nach  Potenzen  von  f. 
Die  Methode  gilt  ftir 

— 1<1< 1 

also  für  den  Bereich  Ton  k: 

—   1  <*<+  00, 

Nach  dem  hier  gegebenen  Beweise  kann  man  nun  auch 
die  früheren  Entwickelungen,  durch  welche  von  Lauricella  und 
E.  und  F.  Cosserat  die  Lösung  versucht  wurde,  in  den  Grenzen, 
in  denen  diese  Entwickelungen  konvergent  sind,  sicher  stellen. 

Wir  wollen  die  Entwickelung,  die  von  der  Form: 

de 


117) 


ausgeht,  nach  Potenzen  von  Ic  als  die  Entwickelung  von  Lauri- 
cella bezeichnen. 


KV-:--  ^'.K'Hßtt^ 


A.  Korn:  Lösung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         75 
Man  setzt  bei  derselben: 


118) 


u  = 


V  = 


w  = 


0 


00 


0 
0 


wobei   die   Funktionen  Ui  Vi  Wi  in   der   folgenden   Weise  ge« 
bildet  werden: 


119) 


u. 


Vr 


W, 


Ui 


dx 
r 


u„ 


T 

iTir*  r  *' 

T 


1    a 


J«.-, 


dl 


M>< 


4»ayJ— '  r       ^" 

X 

1        3      r^  <^l^  Txr 


üi  Frf  TTrf  die  Potentialfunktionen  des  Gebietes  t  mit  den  Rand- 
werten: 


120) 


r 


ana>. 


76  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

Für: 

121)  1<Ä<  +  1 

kann  man  analog,  wie  in  §  3,  nachweisen,  daß  die  Reihe : 

j;2«Vrf,   y  =  o,  1, 2... 

in  der: 

122)  J,.  =  Jö2dT 

r 

gesetzt  ist,  konvergiert,  mit  Hilfe  der  Ungleichung: 

123)  ¥*Ji^a'k'*,   I  a  endliche  Konstante. 

Andererseits   geht   die  Formel  46)  S.  57,   auf  die   es   vor 
allem  ankommt,  in  die  folgende  über: 


124) 


125) 


und  hierauf  die  Formel  51)  S.  58  in  die  folgende: 

abs.  I  Bi IJ  <  2   (1  +  «f)  Ci-\  +  -  o(\-dY-^  abs.Max. ö,_i    rj,^ 

(O<;r„5a(l-(5)0, 

wo  Bi  eine  Zahl  ist,  die  durch  Vergrößerung  von  i  unter  jeden 

beliebigen    Kleinheitsgrad    herabgedrückt    werden    kann,    und 

hierauf  ist  es  auch  möglich,  die  Konvergenz  der  Reihen  118) 

und  ihrer  ersten  Ableitungen  zu  beweisen. 

Man  kann  also  zeigen,   daß  die  Lauricellasche  Entwicke- 

lung  für: 

—  1<Ä;<+1 

die  Lösung  des  Problems  darstellt. 

Wir  wollen  schließlich  die  Entwickelung,  die  von  der  Form: 

zlii  — xMm  — — j  =— 90j,  90j  =  (l— x)/;, 

(d6\  K 


A.  Korn:  Losung  des  elastischen  Gleichgewichtsproblems.         77 


ausgeht,  nach  Potenzen  von  x  als  die  Entwickelung  von  Cosserat 
bezeichnen.     Man  setzt  bei  derselben: 


127) 


OD 


u  = 


V  = 


w  = 


0 

CD 

0 

OD 

0 


wobei  die  Funktionen  u«  Vi  Wi  in  der  folgenden  Weise  gebildet 
werden: 


128) 


l     C     dx       j^ 

T 

\    r    dx     ^ 


T 

,     \     d    C.      dx       _r 

r,   =  Vi^i  +  T—  —  förf-i  —  —  Frf,   i  =  1,  2  .  . . 

indyj  r 


-'"-'  +  TiU''-'T-^'- 


Wi 


Ui  Vi  Wi  die  Potentialfunktionen  des  Gebietes  t  mit  den  Rand- 
werten: 


=  1,2... 


an  CO. 


78  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Janaar  1906. 

Für: 

130)  —  l<x<+l 

kann  man  analog,  wie  in  §  3,  nachweisen,  daß  die  Reihe: 

in  der: 

131)  J,^^e]di 

X 

gesetzt  ist,  konvergiert,  mit  Hilfe  der  Ungleichung: 

132)  «^•c/rf  <  a  •  x^',    \a  endliche  Konstante. 

Andererseits   geht  die  Formel  46),   auf  die  es  vor  allem 
ankommt,  in  die  folgende  über: 

.33).,  =  +V-i(._,-i|^>-4'[)  +  «. 

und  hierauf  die  Formel  51)  S.  58  in  die  folgende: 

abs.|drf|J  <  2  (l+£^)(7<-.i4-— Yj^xTTiabs.Max.Ö,-,   rj^, 

(O^r„^a(l-<J)0, 


134) 


wo  £«  eine  Zahl  ist,  die  durch  Verkleinerung  von  i  unter  jeden 
beliebigen  Eleinheitsgrad  herabgedrückt  werden  kann,  und 
hierauf  ist  es  auch  möglich,  die  Konvergenz  der  Reihen  127) 
und  ihrer  ersten  Ableitungen  zu  beweisen. 

Man  kann   also   zeigen,   daß  die  Gosseratsche  Entwieke- 
lung  für: 

—  I<x<+1,     — l<A<  +  oo 
die  Lösung  des  Problems  darstellt. 


A.  Korn :  Löfung  des  elastiaclien  Gleichgewichtsproblems.         79 

Unser  Beweis  kann  also  auch  dazu  dienen,  die  Lauricella- 
schen  und  Goaseratschen  Entwickelungen  sireng  zu  begründen, 
die  Entwickelung  von  Lauricella  für: 

—  1<Ä<+1 
die  von  Cosserat  für: 

unsere  Entwickelung  ist  die  allgemeinste,  sie  gibt  die 
Losung  des  Problems  für: 

—  l<Jfc<  +  oo. 

Für  manche  Untersuchungen  wird  noch  die  folgende  Be- 
merkung von  Wichtigkeit  sein: 

Es  ergibt  sich  nach  den  Ausführungen  des  §  5: 

I  ^örf  I  <  endl.  Konst.  A  •  m', 
abs.  I lBi\\  <  endl.  Konst.  Amfr\^^  m  <  1, 

(0<r„^a(l-(5)0, 
wenn  _  _ 

abs.|dJf<C,r},,      (0<r,,<a) 

nnd  A  den  gr6fieren   der  beiden  Werte  C^  und   abs.  Max.  d^ 
darstellt ;  dabei  sind  die  hier  auftretenden  endlichen  Konstanten 
lediglich  von  der  Gestalt  der  Oberfläche  o>  abhängig. 
Bei  der  Definition  von 

3Ma       dv^       ^w^ 

durch  die  drei  ersten  Formeln  15)  S.  44  ist  mit  Rücksicht  auf 
Satz  n  des  11.  Abschnittes  und  Zusatz  4  zu  m  des  I.  Ab- 
Schnittes  der  vorstehenden  Abhandlung 

A  ^  abs.  Max.  (F^ ,  F^,  F^  •  endl.  Konst., 

und  es  folgt  somit: 

I Ö I  <  endl.  Konst.  abs.  Max.  (-F, ,  -F,,  F,), 
135)     ^  abs.  I  (^  I J  <  endl.  Konst.  abs.  Max.  {F^ ,F^,F^r\^, 


80  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

wobei  A  ein  ganz  beliebiger  echter  Bruch  sein  kann  und  die 
endlichen  Konstanten  in  keiner  Weise  von  den  Funktionen 
F,  F^  F^  abhängen. 

Die  Lösungen  m,  v,  w  des  Problems  7)  S.  41  erfüllen  also 
stets  die  Ungleichungen: 

{abs.Max.(«i,t;,t^,2)jM,2)jt;,2)jU;)^  endl.K.  abs.Max.(/j,/'j,/'3), 
abs.  I  ö  j^  <^  endl.  Konst.  abs.  Max.  (/,,  /i,  f^  r\^^ 

wenn  DjU,  Djt;,  D^w  irgend  welche  erste  Ableitungen  von 
w,  v,  w  bezeichnen. 

Ist 

so  ergeben  die  Ausführungen  des  §  7  (Formeln  103),  105))  mit 
Rücksicht  auf  das  soeben  gefundene  Resultat  136)  die  Un- 
gleichungen : 

[abs.  Max.  (ti,t;,M?,2),w,2),t;,2),«(;)  <  endl.  K.  abs.  Max.  (/i/j/j^iO» 
\  abs.  I  ö  I J  <;  endl.  Konst.  abs.  Max.  (/, ,  /i ,  /i ,  F)  r\^ , 

wobei  nach  wie  vor  A  ein  beliebiger  echter  Bruch  ist  und  die 
endlichen  Konstanten    in    keiner  Weise    von    den   Funktionen 

fif%U  abhängen. 

Die  Formeln  137)  sind  noch  einer  weiteren  Verallgemeine- 
rung fähig,  worauf  ich  bei  einer  späteren  Gelegenheit  zurück- 
kommen werde. 


.*?•  '^ 


81 


Sitznng  der  math.-pliys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

1.  Herr  H.  v.  Seeligeb   hält   einen  Vortrag:    „Über   die 
sogenannte  absolute  Bewegung.' 

Der  Verfasser  behandelt  vom  Standpunkt  des  Astronomen 
die  in  den  letzten  Jahrzehnten  vielbesprochene  Frage  nach 
einer  einwandfreien  Definition  des  Trägheitsgesetzes.  Er  stellt 
sich  dabei  entschieden  auf  die  Seite  der  Ilelativisten,  welche 
die  Annahme  einer  absoluten  Bewegung  als  sinnlos  und  dem- 
zufolge als  unzulässig  erklären.  Es  wird  im  einzelnen  aus- 
geführt, daß  weder  die  logische  Fassung  noch  die  tatsächlichen, 
astronomischen  Verwendungen  der  mechanischen  Grundsätze  zur 
Aufgabe  des  Prinzips  der  Relativität  nötigen. 


2.  Herr  H.  v.  Seeliger  legt  eine  Arbeit  des  Professors  der 
Geodäsie  an  der  Technischen  Hochschule  Dr.  Max  Schmidt  vor: 
»Die  südbayerische  Dreieckskette,  eine  neueVerbindung 
der  altbayerischen  Grundlinie  bei  München  mit  der 
österreichischen  Triangulierung  bei  Salzburg  und  der 
Basis  von  Oberbergheim." 

Dieselbe  behandelt  die  vorläufigen  Berechnungsergebnisse 
einer  in  den  letzten  Jahren  im  Auftrag  der  K.  B.  Kommission 
für  die  intemationle  Erdmessung  bei  der  Akademie  der  Wissen- 
schafben von  ihm  bearbeiteten  Hauptdreieckskette. 

Diese  Kette  großer  Dreiecke,  deren  Eckpunkte  teilweise 
auf  den   Berggipfeln    des  Nordrandes   der   bayerischen   Alpen 

190t.  SiUnngsl».  <L  matb.-phys.  KL  6 


82  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

gelegen  sind,  und  die  als  wichtigsten  Hauptpunkt  die  Spitze 
des  nördlichen  Turmes  der  Frauenkirche  in  München  enthält, 
erstreckt  sich  längs  des  48.  Breitenparallels  in  eine  Ausdehnung 
von  200  km  von  der  württembergischen  Grenze  im  Westen  bis 
zu  den  Salzburger  Bergen  im  Osten. 

Sie  bildet  ein  bisher  noch  fehlendes  Zwischenglied  einer 
zum  Studium  der  Krümmungsverhältnisse  des  Erdsphäroids 
dienenden  Längengradmessung  auf  dem  48.  Breitenparallel, 
welche  sich  von  Brest  am  atlantischen  Ozean  über  Paris,  Straß- 
burg, München  und  Wien  bis  nach  Astrachan  am  Kaspischen 
Meere  ausdehnt.  Die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  dieses  großen 
Unternehmens  werden  nach  seiner  Vollendung  als  Ganzes  durch 
das  Zentralbureau  der  Internationalen  Erdmessung  in  Potsdam 
bearbeitet  und  veröffentlicht  werden. 

3.  Herr  Siegfried  Günther  überreicht  eine  Abhandlung 
des  Dr.  med.  Karl  E.  Ranke  in  Arosa:  „Anthropologische 
Beobachtungen  aus  Zentralbrasilien."  Die  Abhandlung 
ist  für  die  Denkschriften  bestimmt. 

Der  Verfasser,  welcher  die  von  jeglicher  Kultur  unbe- 
rührten Wilden  des  Xingu-Gebietes  aus  eigener  Anschauung 
genau  kennt,  hat  sich  drei  Stämme  zu  seinen  Untersuchungen 
ausersehen,  deren  Sprachen  bereits  auf  ihre  Verschiedenheit 
hinweisen,  und  hat  letztere  auf  Grund  genauer  anthropo- 
metrLscher  Bestimmungen,  die  er  eingehend  beschreibt,  völlig 
außer  Zweifel  gesetzt.  Dabei  fallen  auch  interessante  Streif- 
lichter auf  die  Beziehungen  zwischen  den  südamerikanischen 
Indianern  und  —  einerseits  —  den  Kaukasiem,  sowie  —  anderer- 
seits —  der  mongoloiden  Rasse.  Endlich  hat  die  Arbeit  auch 
methodologischen  Wert,  indem  sie  umfassend  die  Hilfemittel 
der  von  Pechner  und  Bravais  begründeten,  neuerdings  von 
englischen  und  amerikanischen  Forschem  weiter  geförderten 
mathematischen  Statistik  zur  Anwendung  bringt. 


■^'    fr  -is^  '>'■ 


Sitzung  der  maih.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 


83 


4.  Herr  Alpred  Pbingsheim  legt  eine  Arbeit  des  Herrn 
Professor  Edmund  Landau  in  Berlin:  „Über  die  Grundlagen 
der  Theorie  der  Fakultätenreihen'*  vor. 

Der  Verfasser  beweist  zunächst  die  bereits  bekannten  grund- 
legenden Sätze  mit  neuen,  wesentlich  vereinfachten  Hilfsmitteln 
und  fügt  eine  Anzahl  neuer  Sätze  hinzu,  die  insbesondere  die 
exakte  Bestimmung  der  geradlinigen  Konvergenz-Grenze  und 
das  Verhalten  der  durch  solche  Reihen  definierten  analytischen 
Funktionen  auf  jener  Konvergenz-Geraden  zum  Inhalt  haben. 
Au&erdem  behandelt  er  noch  verschiedene  andere  mit  den 
Fakultatenreihen  verwandte  Reihen  und  gewisse  in  naher 
Beziehung  stehende  bestimmte  Integrale. 


6* 


i  rv^  r^ 


85 


Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung. 

Von  Hago  Seeligrer. 

{Siugflan/tH  8.  Februar.) 

Für  Galilei,  den  Begründer  der  wissenschaftlichen  Mechanik, 
konnte  kein  Zweifel  darüber  entstehen,  was  er  bei  der  Betrach- 
tung von  Bewegungsvorgängen  als  das  Ruhende  und  Feste 
betrachten  mußte,  um  voraussichtlich  zu  der  einfachsten  theo- 
retischen Zusammenfassung  der  beobachteten  Erscheinungen  zu 
gelangen.  Für  ihn  kamen  fast  ausschließlich  nur  Vorgänge 
in  Betracht,  die  sich  in  unmittelbarer  Nähe  der  Erdoberfläche 
abspielten  und  so  erschien  es  von  selbst  als  das  Natürlichste, 
die  Erdoberfläche  zum  Bezugssystem  zu  wählen,  in  Bezug  auf 
welches  alle  irdischen  Bewegungen  zu  betrachten  seien.  Ein 
glücklicher  Umstand  war  es  hierbei,  daß  für  die  damals  be- 
bekannten mechanischen  Vorgänge  die  getroffene  Wahl  des 
Bezugssystems  vollständig  genügte,  denn  nur  so  war  es  ihm 
möglich,  in  den  verwickelten  Bewegungserscheinungen  das  im 
mechanischen  Sinne  Wesentliche  von  dem  zu  trennen,  was  als 
unwesentlich  anzusehen  ist.  Das  Resultat  dieser  Abstraktion, 
die  zu  den  bewunderungswürdigsten  gehört,  die  der  mensch- 
liche Geist  ausgeführt  hat,  war  die  Aufstellung  des  alle  Be- 
wegungsvorgänge beherrschenden  Trägheitsgesetzes:  ein  sich 
selbst  überlassener  Punkt  bewegt  sich  in  gerader  Linie  mit 
gleichförmiger  Geschwindigkeit.  Was  man  darunter,  trotz  des 
Fehlens  einer  genaueren  Definition,  zu  verstehen  hat,  konnte 
zu  Galileis  Zeiten  niemandem  zweifelhaft  sein  und  insoweit 
auch  in  der  Folgezeit  keine  Ei*scheinungen  bekannt  wurden, 
die  eine  genauere  Festlegung  der  Begriffe  verlangten,  war  da- 


86  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  Tom  3.  Februar  1906. 

mit  in  der  Tat  die  Grundlage  zur  Entwicklung  der  Mechanik 
gegeben.  Denn  die  weiterhin  entwickelten  Begriffe  der  Be- 
schleunigung, der  Kraft,  der  Masse  u.  s.  w.  schließen  sich  an 
das  Trägheitsgesetz  an  und  sind  durch  dasselbe  bedingt. 

Als  man  aber  die  Folgerungen  aus  der  kopemikanischen 
Lehre  zu  ziehen  anfing,  als  man  die  Bewegungen  der  irdischen 
Körper  —  z.  B.  den  freien  Fall  derselben  —  als  auf  einer 
rotierenden  und  um  die  Sonne  sich  bewegenden  Erde  vor  sich 
gehend  aufzufassen  begann«  als  dann  Newton  die  Bewegung 
der  Himmelskörper  auf  Gnmdlage  der  Galileischen  Forschungen 
zu  untersuchen  unternahm,  mußte  sich  das  Bedüriiiis  nach 
einer  strengeren  Begrifi&bildung  einstellen.  Newton  war  der 
erste,  der  dieses  Bedürfiiis  erkannte  und  eine  strenge  Definition 
des  den  mechanischen  Betrachtungen  zu  Grunde  zu  legenden 
Koordinatensystems  fär  nötig  hielt.  So  trat  zuerst  bei  ihm  die 
fundamentalste  Frage  der  Mechanik  auf:  in  Bezug  auf  welches 
Koordinatensystem  bewegt  sich  ein  sich  selbst  überlassener 
Punkt  geradlinig  und  gleichförmig?  Die  Antwort  Newtons  ist 
in  den  bekannten  und  viel  zitierten  Sätzen  enthalten:^) 

I.  Die  absolute,  wahre  und  mathematische  Zeit  verfließt 
an  sich,  vermöge  ihrer  Natur,  gleichförmig  und  ohne  Beziehung 
auf  irgend  einen  äußeren  Gegenstand  .... 

II.  Der  absolute  Raum  bleibt  vermöge  seiner  Natur  und 
und  ohne  Beziehung  auf  einen  äußeren  Gegenstand  stets  gleich 
und  unbeweglich.  Der  relative  Raum  ist  ein  Maß  oder  ein 
beweglicher  Teil  des  ersteren. . .  . 

in.  Der  Ort  ist  ein  Teil  des  Raums,  welchen  ein  Körper 
einnimmt  und  nach  Verhältnis  des  Raumes  entweder  absolut 
oder  relativ. 

rV.  Die  absolute  Bewegung  ist  die  Übertragung  des  Körpers 
von  einem  absoluten  Ort  nach  einem  anderen  absoluten  Ort; 
die  relative  Bewegung  die  Übertragung  von  einem  relativen 
Ort  nach  einem  anderen    relativen  Ort.    —    Die   weiteren  Er- 

*)  Newtons  mathematische  Prinzipien  etc.  Übersetzt  von  Wolfers, 
1872,  S.  25. 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.  87 

klärungen  Newtons  sind  dahin  zusammenzufassen,  daß  die  ab- 
solute Bewegung  eines  sich  selbst  überlassenen  Punktes  gerad- 
linig und  gleichförmig  sei.  Das  gesuchte  Koordinatensystem 
ist  also  ein  absolutes  oder  ein  mit  dem  absoluten  festen  Raum 
fest  verbundenes. 

Bei  diesen  wenig  befriedigenden  Festsetzungen  Newtons 
haben  sich  die  meisten  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Mechanik 
beruhigt.  Dies  muß  einigermaßen  befremden,  da  man  kaum 
zaudern  wird,  E.  Mach^)  Recht  zu  geben,  wenn  er  die  absolute 
Zeit  Newtons  einen  müßigen  metaphysischen  BegriflF  nennt  und 
ebenso  L.  Lange,^)  der  die  absolute  Zeit  und  den  absoluten 
Raum  als  .Gespenster''  bezeichnet. 

Die  Geschichte  der  Versuche  sich  mit  den  Newtonschen 
Fiktionen  in  der  einen  oder  anderen  Weise  abzufinden,  ist 
äußerst  interessant.  Sie  ist  sehr  eingehend  von  H.  Streintz') 
und  L.  Lange  dargestellt  worden.  Danach  hat  es  seit  Newton 
bis  zur  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  zwar  nicht  an  Versuchen 
zur  Klarlegung  gefehlt,  aber  es  waren  doch  nur  wenige  Mathe- 
matiker und  Physiker,  die  sich  in  dieser  Richtung  betätigt 
haben.  Allgemeineres  Interesse  haben  die  sich  hier  darbieten- 
den Fragen  nicht  gefunden  und  eine  wirkliche  Aufklärung  ist 
tatsachlich  nach  keiner  Richtung  hin  erfolgt.  Eine  Wendung 
wurde  erst  durch  eine  kleine  Schrift  von  Carl  Neumann*) 
hervorgerufen,  die  auf  die  Notwendigkeit  einer  strengeren 
Fassung    der    mechanischen    Grundsätze    aufmerksam    machte. 


^)  E.  Mach,  Die  Mechanik  in  ihrer  Entwicklang,  5.  Aufl.,  Leipzig 
1904,  S.  238. 

')  Von  L.  Lange  werden  im  folgenden  drei  Arbeiten  zitiert: 

a)  Über  das  Behamingsgesetz.  Berichte  der  GeselUchaft  der  Wissen- 
Schäften  zu  Leipzig,  1885. 

bi  Die  Geschichte  U.Entwicklung  des  BewegungsbegrifFes.  Leipz.1886. 

c)  Das  Ineitialsystem  vor  dem  Forum  der  Naturforschung.  Wundts 
Philoflophische  Studien^  Bd.  XX,  1902. 

'j  H.  Streintz,  Die  phjsikal.  Grundlagen  der  Mechanik.  Leipzig  1883. 

*)  Cari  Neamann,  Ober  die  Prinzipien  der  Galilei -Newtonschen 
Thame.    Leipzig  1870. 


88  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Diese  wichtige  Schrift  Neumanns  enthält  eine  Fülle  klarer  und 
eindringender  Gedanken,  denen  eine  unbedingte  Gültigkeit  zu- 
erkannt werden  muß,  auch  wenn  man  sich  seinen  schließlichen 
Zusammenfassungen  nicht  anschließen  kann. 

Nahezu  gleichzeitig  und  unabhängig  von  C.  Neumann 
setzen  die  Bemühungen  E.  Machs  ein,  dem  alle  unsere  Erkennt- 
nisse beherrschenden  Prinzipe  der  Relativität  auch  in  diesem 
Gebiete  Geltung  zu  verschaffen.  Seitdem  hat  man  den  bespro- 
chenen Fragen  ein  intensives  Interesse  entgegengebracht,  wie 
eine  recht  umfangreiche  Literatur  darüber  beweist.  Diese  ist 
in  zusammenhängender  Weise  von  Mach  und  L.  Lange  in 
den  zitierten  Schriften  kritisch  besprochen  worden.  Eine  sehr 
vollständige  Übersicht  über  diese  Literatur  hat  A.Voß*)  gegeben. 

Wenn  ich  im  folgenden  auf  den  Gegenstand  näher  ein- 
gehe, so  geschieht  dies  in  der  Absicht,  den  Versuch  zu  machen, 
das  Fazit  aus  den  Aufklärungen  zu  ziehen,  die  die  letzten  drei 
Jahrzehnte  gebracht  haben,  und  zwar  in  einer  dem  Gedanken- 
kreise des  Astronomen  entsprechenden  Weise.  In  der  Astro- 
nomie ist  die  Überlegung  dieser  fundamentalen  Fragen  von 
großer  Wichtigkeit  und  die  richtige  Interpretation  mancher 
Tatsachen,  welche  die  neuere  Fixsternkunde  kennen  gelehrt 
hat.  hängt  hiervon  ab.  Die  Schriften  von  L.  Lange  und  Mach 
stellen  gewiß  befriedigende  und  richtige  Lösungen  der  aufge- 
tauchten Schwierigkeiten  dar,  wie  sich  im  folgenden  auch  er- 
geben wird.  Trotzdem  hoffe  ich,  daß  die  folgenden  Bemer- 
kungen als  nicht  ganz  unnötig  sich  erweisen  werden. 

Bisher  hat  sich,  soviel  ich  weiß,  von  astronomischer  Seite 
nur  Herr  E.  Anding*)  mit  dem  Verhältnis  des  in  der  Astronomie 
gebrauchten  empirischen  Koordinatensystem  zu  dem  sogenannten 
„absoluten*  der  Mechanik  beschäftigt.  Es  ist  selbstverständ- 
lich, daß  im  folgenden  sich  nahe  Berührungspunkte  mit  den 
ausgezeichneten  Auseinandersetzungen  Herrn  E.  Andings  heraus- 
stellen werden. 


*)  Enzyklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften,  Band  IV. 
2)  Enzyklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften,  Band  VI2. 1905. 


r  -i?-: 


H.  Seeliger:  Ober  die  sogenannte  absolute  Bewegung.  89 

1. 

Ausgehend  von  der  EiDsicht,  daß  ebeDso  wie  nur  relative 
Lagen  der  Objekte  gegeneinander,  auch  nur  relative  Bewegungen 
beobachtet  und  gemessen  werden  können,  muß  man  vielge- 
brauchte Begriffe  wie:  absoluter  Raum,  absolute  Bewegung, 
absolute  Ruhe  als  sinnlos  erklären.  Wenn  auch  natürlich 
nichts  dagegen  einzuwenden  ist,  daß  man  der  Kürze  wegen 
diese  Worte  gebraucht,  solange  man  sie  nur  wirklich  faßbaren 
Begriffen  zuordnet,  so  ist  es  doch,  wie  L.  Lange  betont,  ratsam, 
etwaigen  Mißverständnissen  vorzubeugen  und  jene  Worte  gänz- 
lich zu  vermeiden.  Es  soll  demzufolge  das  Newtonsche  „ab- 
solute* Koordinatensystem,  einem  sehr  passenden  Vorschlage 
L.  Langes  gemäß  „Inertialsystem"  genannt  werden.  Ebenso 
soll  ,Inertialzeit"  „Inertialbewegung"  materiell  mit  dem  über- 
einstimmen, was  Newton  durch  das  Beiwort  absolut  bezeichnen 
wollte. 

Die  Frage,  welche  vorliegt,  geht  also  dahin:  wie  ist  das 
Newtonsche  Inertialsystem  vom  Standpunkt  der  Relativität  aus 
zu  definieren?  Wir  sagen  „Newtonsches  Inertialsystem'*,  weil 
dieselben  Grundlagen  festgehalten  werden  sollen,  welche  sich 
beim  Aufbau  der  heutigen  Mechanik  nach  jeder  Richtung  be- 
währt haben.  Im  wesentlichen  kommen  diese  auf  den  materiellen 
Inhalt  des  Galilei-Newtonschen  Trägheitsgesetzes  hinaus.  Not- 
wendig ist  dieser  Standpunkt  keineswegs,  denn  niemand  wird 
die  Möglichkeit  leugnen,  andere  Systeme  der  Mechanik  aufstellen 
und  ausbauen  zu  können.  Zweifelhaft  bleibt  es  nur,  ob  man  auf 
anderem  Wege  zu  einer  ebenso  einfachen  Zusammenfassung 
der  Bewegungstatsachen  gelangen  kann,  wie  der  heutigen 
Mechanik  gelungen  ist. 

Mit  der  Forderung  nach  einer  logisch  einwandfreien  Defini- 
tion eines  Inertialsystems  darf  die  nach  der  tatsächlichen  Fest- 
legung eines  solchen,  z.  B.  gegen  den  Fixsternhimmel  oder  gegen 
ein  System  ausgewählter  Sterne,  nicht  vermengt  werden.  Denn 
diese  Festlegung  kann  unabhängig  von  einer  vorangehenden 
Definition  dadurch  bewerkstelligt  werden,  daß  einfachere  Be- 
wegungsvorgänge  verfolgt  werden,    in  denen  Richtungen  auf- 


^t'  -bttBODUi:  wf*  lUALL-pny^    Kiaiw    ran.  i,  y-eaaucr  iMb. 

•treveL.  iv-ei-cin  lai«:  ü^l  weitera.  i-nTrs-wkinnpei:  der  MfschKnik 
tu  4imvtL  lumuiisysyeiL  nnTeiüiiu^En  ^sniu.  Jüt  düsHBc  £i(^ 
tUM^^^L  iUJSL»  iiiiiKa.  dit  AtüuseL  ^IIla^  iueniükvs&snK  lunFemndfiF- 
Iicii4r  Viuk^I.  uud  w«iiL  mar  jcut  ^pt^g^L.  dit- Fusteme  ifesäagi. 
MV  m    timm^lut   um   deii  jnertBuaxeL  4?flaBiti*ttgn.    llteaBr  W«^ 

lucutuii^.  ^fr!:|ptaeiciiufl:  wonieL  J^enii  -er  iuo  ffao&ai^,  und 
üim*a^  lUsüüktiXi  ük  wiciiüc  ift^rroisfeuoi^eii.  üilL.  is  meinen)  «.id»»- 
Itneir^  hv«uitL  tfiiwulii  dit  Ai>siCH»iiimigi:  um  auuL  dk-  Siftenen  &flr 
i'iaiAftumUdnmL  i«isüi^üL.  wem.  t^bscverBtäudlicij  -von  Afm 
isj;invuäfiu  JauvritkuiureL  der  uuuerec  J^li]ii<!teD  aiifreHaifteii  irird. 
iJMf  MidsXmi^au  vul  der  Soimt  iimcL  uei.  i^eritudieii  imü  J^jibälieii. 
<Hi<mM>  Vit  dit  X^urtdiaciniisföliiiieL  der  I'jaiifiteBtiiiimeD  mn  irgfsni 
-ttÜMir  vus  üuieti  «!liuil*BXi  demnucb  die  La£fe  -einef  Inem&l- 
«w^fitmit  iPMifftm  tun  iMuk)iii^F»>  -empirifitdHfifk.  Bt^^ii  durch  äjt  Fox- 
Uterus  detiumr«tffr  ^^(VfaB^]  zu  ^»escimmen.  Hbl  kaiiD  auch  snäfc« 
util^viitiuiitfcL  Teidiilgiiurf  ^ErHcbeimm^ifeii.  ^rk^  die  vAi»  der  Rcts:»- 
iÄxnuiAMw'^  uhkütliureii  TerauidfirmuFeii  der  Li^?b&  von  Scianzkam»" 
adu^mj  Ui«tf*l#ai  iHmutateiu  doch  snä  üciiche  Modifikittiniifiii  dts^  V-er- 
i«Uf«ik>  j;ri[t2;ijuall  innreüeniilidL.  l^^üeutihoh  Idfioht  dk-  M^licii- 
iwut  4mi«i!  Festb^mi^  iiHKduuiiflchflr  Iii€KrtüdKr«feaiiH'  ipesfen  ^'■qM- 
ri^^    aid    Orruud    dtir  Xi'irtaitfcciheii  £zit«:ict}]rn£feiL     ia    er- 

Uidi  »udb  die  A.uisftdiruxtgfiD  Qerm  Aiidingg  w«3<«&  in  gicsdier 

F4i£it  fittc  dKf  Ft»^  t<»ii  dieMm  <BDfCT»äM9i  ätuadpuiikt« 
«M  «r^fobeiUii  dk  Ft^-d^msg  nac^  «eemt  «^tnfitr  k^euiclMS)  I>dfiiiitioD 

idi^^f4i$s^  4m»  üisUHÜLaÜe  osd  Hjsterüfta^  im  absxüdirtn  Svstem 
%äpwiMm  iMJbeüt;^  <^me  e»  ertdiren  na  volicsi.  &  ist  nun  zwar 
4^mkhMir^  Amü  «idb  mscdlieT  durch  dieses  Ver&hrai  befriedigt 
0lkUm  if^nis,  Mher  der  Heinang.  daß  die  Annahme  der  mbso- 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.  91 

luten  Zeit  und  des  absoluten  Raumes  , weitaus*  als  die  beste  und 
einfachste  zu  gelten  habe,  wie  neuerdings  ein  sehr  hervorragender 
Mathematiker  behauptet  hat,  muß  auf  das  entschiedenste  ent- 
gegengetreten werden.  Denn  diese  Annahme  ist  sinnlos,  liegt 
außerhalb  aller  Erfahrung  und  erlaubt  gar  keine  bestimmte 
Fassung.  Will  man  der  unbequemen  Frage  nach  der  Bedeutung 
des  Trägheitsgesetzes  aus  dem  Wege  gehen,  so  kann  man  dies 
nur,  wie  erwähnt,  durch  die  Bestimmung  der  Lage  des  soge- 
nannten absoluten  Koordinatensystems  gegen  ein  empirisch  ge- 
gebenes. Man  verzichtet  so  allerdings  auf  eine  Diskussion  der 
Grundlagen  der  Mechanik,  gibt  sich  aber  dann  wenigstens 
keiner  Selbsttäuschung  hin.  Stellt  man  sich  aber  nicht  auf  diesen 
wenig  befriedigenden  Standpunkt,  so  drängt  sich  uns  von  selbst 
die  Frage  auf:  wie  kommt  es,  dalä  sich  Geister  wie  Lagrange, 
Laplace  u.  a.  mit  der  Fiktion  eines  absoluten  Raumes  befreunden 
konnten,  was  bedeutete  ihnen  dieser  an  sich  inhaltsleere  Be- 
griff? Carl  Neuroann  hat  nun  von  Neuem  auf  die  bekannte 
Stelle  in  der  M^canique  Celeste  von  Laplace  aufmerksam  ge- 
macht, in  der  von  einem  «espace  sans  bomes,  immobile  et 
penetrable  a  la  matiere**  die  Rede  ist.  Dieser  Ausspruch,  dem 
man  ähnUche  Aussprüche  anderer  berühmter  Mathematiker 
und  Physiker  an  die  Seite  stellen  könnte,  läßt  kaum  einen 
Zweifel  aufkommen  darüber,  daß  hier  der  Raum  als  eine  ob- 
jektiv gegebene  Realität,  ausgestattet  mit  irgendwelchen  be- 
stimmten Eigenschaften  mathematischer  oder  physikalischer 
Natur,  angesehen  wird.  Man  darf  hierin  nicht  etwa  den  Hin- 
weis auf  die  Vorstellungen  der  modernen  Physik  erblicken, 
welche  im  Äther  den  Vermittler  oder  Erzeuger  aller  physika- 
lischen Vorgänge  sieht.  Gelänge  es  wirklich,  wovon  wir  noch 
weit  entfernt  sind,  alle  Bewegungen  durch  Beziehungen  zu 
dem  Äther  zu  erklären,  so  wäre  allerdings  damit  jede  Schwierig- 
keit in  der  Definition  des  Trägheitsgesetzes  behoben,  zugleich 
hätte  sich  aber  das  Prinzip  der  Relativität  glänzend  bewährt. 
Die  hier  allein  in  Betracht  gezogene  heutige  Mechanik  hat 
mit  solchen  Beziehungen  nichts  zu  tun  und  der  räumlich  aus- 
gedehnte   Äther  ist  eben  nicht  der  Raum,  sondern   ein  sehr 


92  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

reales  Ding.  Der  Raum  soll  frei  sein  von  allem,  was  irgend 
wie  an  das,  was  wir  Materie  nennen,  erinnert.  Denn  erst  wenn 
von  allen  materiellen  Objekten,  von  allen  ihren  physikalischen 
Eigenschaften  abstrahiert  wird,  soll  der  Newtonsche  absolute 
Raum  übrig  bleiben.  Für  den  Naturforscher  geht  aber  bei 
diesem  Prozesse  alles  ohne  Rest  verloren  und  der  Begriff  ver- 
flüchtigt sich  zu  nichts.  Deshalb  ist  gegen  die  Konstruktion 
dieses  monströsen  Gedankendings,  Raum  genannt,  von  mancher 
Seite  schon  protestiert  worden  und  es  ist  in  der  Tat  nicht  ab- 
zusehen, wie  diesem  Protest  auf  wirksame  Weise  begegnet  werden 
könnte.  Offenbar  handelt  es  sich  hier  um  ein  Mißverständnis, 
demzufolge  man  die  Art  und  Weise,  wie  man  räumliche  Be- 
ziehungen von  Objekten  zueinander  aufstellen  kann,  ver- 
wechselt mit  Eigenschaften,  die  man  einem  objektiv  nicht  exi- 
stierenden, aber  in  dieser  Weise  angesehenen  absoluten  Raum 
andichtet.  Aus  diesem  Mißverständnis  sind  auch  zum  Teil  jene 
merkwürdigen  Interpretationen  zu  erklären,  welche  manche 
Mathematiker  den  Entwicklungen  der  sogenannten  nichteukli- 
dischen Geometrie  angedeihen  lassen,  denen  doch  eine  ganz 
andere  Bedeutung  zukommt. 

Die  Schwierigkeiten,  welche  sich  einer  Begriffsbestimmung 
des  Inertialsystems  im  Sinne  des  Prinzips  der  Relativität,  an 
dem  unter  allen  Umstünden  festgehalten  werden  muß,  entgegen- 
stellen, beruhen,  wie  Newton  ausführlich  erörtert  hat,  auf  dem 
Auftreten  von  Zentrifugalkräften  bei  Rotationen.  Die  von  ihm 
angeführten  einfachen  Beispiele  sind  auch  jetzt  noch  die  ein- 
leuchtendsten und  sie  können  deshalb  bei  Auseinandersetzungen, 
wie  die  vorliegenden,  nicht  gut  umgangen  werden.  Ehe  mit 
einigen  Worten  auf  sie  eingegangen  wird,  möge  eine  von  Carl 
Neumann  erwähnte  instruktive  Eventualität  besprochen  werden. 

Ein  flüssiger,  um  eine  Achse  rotierender  homogener  Körper 
wird  die  Gestalt  eines  EUipsoids  annehmen.  Denkt  man  sich 
nun  außer  dieser  rotierenden  Masse  alle  übrigen  Weltkörper 
des  Universums  vernichtet,  so  würden  nur  die  in  relativer  Ruhe  zu 
einander  befindlichen  Teilchen  des  Körpers  vorhanden  sein.  Da 
also  alle  vorhandenen  Teilchen  in  relativer  Ruhe  sind,  könnten 


*t^m9mm. 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.  93 

auch,  wenn  die  Rotation  etwas  rein  Relatives  wäre,  keine 
Zentrifugalkräfte  mehr  vorhanden  sein  und  mit  ihrem  Verschwin- 
den müßte  die  Abplattung  des  rotierenden  Körpers  aufhören. 
L.  Lange  ^)  bemerkt  demgegenüber,  daß  das  Trägheitsgesetz  gar 
nicht  behauptet,  da£  die  relative  Ruhe  der  Teile  eines  mate- 
riellen Komplexes  schon  das  Auftreten  von  Zentrifugalkräften 
verhindert,  sondern  nur  die  Ruhe  gegen  ein  Inertialsystem. 
Im  übrigen  ist  die  Ausführung  des  Neumannschen  Gedanken- 
experiments, um  einen  Ausdruck  von  E.  Mach^)  zu  gebrauchen, 
nur  dann  zulässig,  wenn  angenommen  wird,  daß  nur  die  Re- 
lativität der  Bewegung  gegen  beliebig  ausgewählte  Massen 
in  Frage  kommt,  was  doch  gewiß  niemand  behaupten  wird. 
Im  vorliegenden  Falle  werden  die  für  die  Definitionen  wesent- 
lichen Körper,  nämlich  die  weit  entfernten  kosmischen  Massen, 
wie  noch  gezeigt  werden  wird,  fortgelassen  und  die  unwesent- 
lichen, nämlich  die  zu  einer  flüssigen  im  Gleichgewichte  be- 
findlichen Masse  vereinten  also  in  einer  nahen  physikalischen 
Verbindung  miteinander  stehenden,  beibehalten.  Die  in  Frage 
kommenden  Definitionen  verlieren  ihre  Bedeutung  und  es  ist 
keineswegs  merkwürdig,  daß  die  Anwendung  von  nunmehr  in- 
haltsleer gewordenen  Begriflfen  zu  Widersprüchen  und  Schwierig- 
keiten führt.  Hätte  man  aber  von  vornherein  nur  einen  isolierten, 
um  eine  Achse  rotierenden  Körper  und  gar  keine  anderen  Massen, 
nach  denen  irgend  eine  Orientierung  vorgenommen  werden  könnte, 
so  würde  sich  die  Mechanik  auf  einem  solchen  Körper  ebenfalls  in 
Übereinstimmung  mitdem  Prinizpe  der  Relativität  aufbauen  lassen. 
Indessen  wäre  es  vermutlich  eine  äußerst  schwierige  Aufgabe 
gewesen,  unter  solchen  Umständen  Ordnung  in  die  Bewegungs- 
erscheinungen zu  bringen,  und  niemand  kann  wissen,  wie  sich 
hier  die  Mechanik  entwickelt  hätte.  Ein  besonders  ingeniöser 
Kopf  wäre  vielleicht  auf  den  Versuch  verfallen,  alle  Ortsver- 
änderungen auf  ein  Koordinatensystem  zu  beziehen,  dessen  eine 
Achse  mit  der  Rotationsachse  zusammenfallt,  deren  Lage  also 
etwa   durch   die   kleinste  Dimension    des   Körpers  bedingt  ist, 


I)  Abhandlung  b)  S.  123.  >)  E.  Mach.    8.  aoi. 


94  Sitzang  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

während  die  beiden  darauf  senkrechten  Achsen  im  Äquator 
mit  konstanter  Winkelgeschwindigkeit  gegen  die  im  Äquator 
gelegenen  Teile  des  Weltkörpers  sich  drehen.  So  wären  die 
ersten  Grundlagen  zu  einer  Mechanik  in  unserem  Sinne  gegeben 
gewesen,  wobei  nach  keiner  Richtung  die  Nötigung  zur  An- 
nahme irgendwelcher  «absoluter*'  Drehungen  oder  dergleichen 
aufgetreten  wäre.  Ähnliche  Überlegungen  könnte  man  an- 
stellen, wenn  nur  zwei  Körper,  die  sich  umeinander  bewegen, 
vorhanden  wären.  Doch  haben  diese  und  ähnliche  Betrachtungen 
keinen  besonderen  Wert,  denn  wie  Mach  öfters  hervorgehoben 
hat,  die  Mechanik  ist  eine  rein  empirische  Wissenschaft,  die 
sich  nur  auf  Grund  der  wirklich  gemachten  Erfahrungen  gerade 
so  entwickelt  hat,  wie  es  tatsächlich  geschehen  ist. 

Die  obenerwähnten  Beispiele  Newtons  betreffen  das  viel- 
besprochene „  Wasserglas **  und  die  zwei  etwa  durch  einen  Faden 
miteinander  verbundenen  Kugeln.  Wird  ein  Glas  mit  Wasser 
um  eine  Achse  gedreht,  so  krünmit  sich  die  Wasseroberfläche 
immer  mehr  mit  zunehmender  Drehgeschwindigkeit  und  der- 
selbe Erfolg  kann  nicht  etwa  dadurch  erreicht  werden,  daß 
man  das  Glas  ruhen  läßt,  und  die  Umgebung  in  Drehung  ver- 
setzt. Der  Faden  der  beiden  Kugeln  erhält  mit  zunehmender 
Drehgeschwindigkeit  zunehmende  Spannung  imd  man  könnte 
aus  der  mit  einem  Kraftmesser  gemessenen  Spannung  die  Größe 
der  Rotationsgeschwindigkeit,  die  sich  dann  als  eine  „absolute" 
erweisen  soll,  berechnen.  Die  Beweiskraft  dieser  Anordnungen 
für  das  Vorhandensein  einer  absoluten  Rotation  fallt  aber  in  sich 
zusammen,  wenn  es  gelingt,  ein  Inertialsjstem  aus  dem  Prinzipe 
der  Relativität  zu  definieren. 

Mach')  bezeichnet  mit  Recht  die  Anordnung  mit  dem 
Wasserglas,  wenn  dieses  ruhend  angenommen,  hingegen  die 
ganze  Umgebung,  also  auch  der  Fixsternhimmel,  rotierend  ge- 
dacht wird,  als  unausführbar  und  deshalb  nichtssagend.  Wenn 
er  aber  weiter^)  sagt:  «Niemand  kann  sagen,  wie  der  Versuch 
verlaufen    würde,    wenn    die  Gefäßwände    immer    dicker    und 


1)  Mechanik,  S.  253.  >)  Mechanik,  S.  253. 


=-:^;i. 


■    j 


iefiger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.  95 


massiger  und  zuletzt  mehrere  Meilen  dick  würden.  Es  liegt 
nur  der  eine  Versuch  vor  und,  wir  haben  denselben  mit  den 
übrigen  uns  bekannten  Tatsachen,  nicht  aber  mit  unseren  will- 
kürlichen Dichtungen  in  Einklang  zu  bringen'',  so  lassen  sich 
doch  wohl  nicht  unbegründete  Einwendungen  dagegen  erheben. 
Soll  mit  dem  Angeführten  gesagt  sein,  daß  wir  niemals  mit 
Sicherheit  über  das  hinausgehen  können,  was  beobachtet  und 
im  Sinne  einer  wissenschaftlichen  Disziplin  erklärt  worden  ist, 
indem  wir  immer  gefaM  sein  müssen,  auf  eine  Tatsache  zu 
stoßen,  die  eine  Modifikation  der  bestehenden  Theorie  nötig 
machen  könnte,  so  ist  dies  allerdings  ein  etwas  rigoroser  Stand- 
punkt, dessen  Zulässigkeit  indessen  nicht  bestritten  werden 
kann.  Hält  man  sich  aber  an  den  Wortlaut,  so  müßte  man 
eine  erhebliche  Veränderung  in  den  quantitativen  Verhält- 
nissen allein,  gegenüber  denen,  welche  bei  der  Vergleichung 
der  Theorie  mit  den  Beobachtungen  zu  Gebote  standen,  als 
eine  voUständig  neue  Situation  betrachten,  deren  Erklärbarkeit 
durch  die  Theorie  keineswegs  wahrscheinlich  sei.  Gäbe  man 
dies  zu,  dann  wären  z.  B.  sehr  viele  Resultate  der  Mechanik 
des  Himmels  sehr  schwach  begründet.  Die  auf  dem  Erdkörper 
mit  gewissen  Theorien  in  Übereinstimmung  gefundenen  Resultate 
werden  uns  z.  B.  nicht  berechtigen,  dieselbe  Theorie  auf  die 
soviel  größeren  Himmelskörper,  wie  Sonne  oder  Jupiter,  anzu- 
wenden, der  Nachweis,  die  Rotation  der  Sonne  könne  nur 
eine  kleine  Abplattung  ihrer  Oberfläche  hervorrufen,  falls  sie 
als  flüssig  angenommen  werden  darf,  wäre  hinfallig  u.  s.  f. 
Sicherlich  würde  dieser  allzu  rigorose  Standpunkt  auf  die  Ent- 
wicklung der  Mechanik  des  Himmels  nicht  günstig  einwirken 
und  ich  meine,  er  wäre  auch  in  Rücksicht  auf  die  bisherigen 
Erfahrungen,  die  wohl  ausnahmslos  nachträglich  ähnliche  Extra- 
polationen bestätigt  haben,  nicht  gerechtfertigt. 

An  die  eben  besprochene  Äußerung  Machs  knüpfen  B.  und 
J.  Friedländer*)  an.  Ohne,  wie  wir  scheint,  die  sonstigen  Klar- 
stellungen Machs  und   namentlich   auch  Langes   genügend  zu 


')  B.  u.  J.  Friedländer,  Absolute  oder  relative  Bewegung?  Berlin  1896. 


96  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  Tom  3.  Februar  1906. 

würdigen,  wollen  sie  das  Trägheitsgesetz  in  einem  anderen 
Prinzip  zusammenfassen :  alle  Massen  streben  danach,  ihren  Be- 
wegungszustand nach  Geschwindigkeit  und  Richtung  aufrecht 
zu  erhalten.  Ohne  genauere  Verfolgung  im  einzelnen,  die  die 
Verfasser  nicht  yersuchen,  sind  solche  Sätze  yiel  zu  unbestimmt 
und  es  ist  wohl  kaum  möglich,  ihre  Richtigkeit  zu  beurteilen. 
Im  besten  Falle,  nämlich  wenn  es,  was  mir  nicht  sehr  wahr- 
scheinlich scheint,  gelänge,  in  dieser  oder  ähnlicher  Weise  die 
Grundlagen  der  Mechanik  herzustellen,  käme  es  nach  den 
Vorschlägen  der  Verfasser  in  letzter  Instanz  auf  die  Einfüh- 
rung von  Kräften  hinaus,  die  von  den  relativen  Geschwindig- 
keiten abhängen  und  auch  die  Gesetze  der  Massenanziehung 
müßten  durch  dementsprechende  Zusatzglieder  vervollständigt 
werden.  Der  Sinn  der  von  den  Herren  F.  in  Angriff  genom- 
menen Experimente  kann  wohl  kaum  anders  gedeutet  werden. 
Diese  Experimente  selbst  suchen  nach  einem  Einfluß  schnell 
rotierender,  verhältnismäßig  großer  Massen  —  als  solche  wurde 
ein  großes  Fabriksschwungrad  genonmien  —  auf  eine  möglichst 
nah  aufgestellte  Drehwage.  Für  die  vorliegenden  Fragen  wäre 
der  Nachweis  solcher  Einwirkungen  —  der  bisher  nicht  ge- 
lungen ist  — ,  wie  mir  scheint,  erst  dann  von  Bedeutung,  wenn 
gezeigt  werden  könnte,  daß  diese  Einwirkungen  nicht  von 
der  Drehgeschwindigkeit  gegen  ein  Inertialsystem,  sondern  tat- 
sächlich von  der  relativen  Geschwindigkeit  gegen  die  Dreh- 
wage abhängen.  Die  Versuche  müßten  demnach  eine  Genauigkeit 
besitzen,  die  wohl  gänzlich  außerhalb  des  Bereiches  des  Er- 
reichbaren liegen  dürfte. 

2. 

Ich  habe  schon  oben  die  Meinung  ausgesprochen,  daß 
durch  die  Arbeiten  von  Mach  und  L.  Lange  die  Aufgabe,  das 
Trägheitsgesetz  aus  dem  Prinzip  der  Relativität  zu  erklären, 
im  wesentlichen  als  gelöst  zu  betrachten  ist.  Es  scheinen 
sich '  auch  andere  dieser  Auffassung  anzuschließen,  wie  u.  a. 
aus    den    ähnliche  Tendenzen    wie  Lange   verfolgenden    wert- 


ii^  ,-?-:■  %^  fgpi,' 


H.  Seeliger:   Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.  97 

vollen  Au&ätzen  von  Mac  Gregor^)  hervorgeht.  Die  wichtigen 
Resultate  L.  Langes  verdienen  aber  unter  allen  Umständen 
mehr,  als  bisher,  bekannt  zu  werden,  auch  was  ihre  mathe- 
matische Begründung  betrifft.  Anschließend  an  ein  Referat*'^) 
bald  nach  Erscheinen  der  Langeschen  ersten  Schrift  werde 
ich  im  folgenden  eine  Begründung  der  Langeschen  Sätze  geben. 
Die  Darstellung  folgt  selbstverständlich  dem  Gedankengange 
Langes,  benützt  aber  im  einzelnen  etwas  abgeänderte  Entwick- 
lungen. 

In  den  Gleichungen,  welche  die  Transformation  von  einem 
rechtwinkligen  Koordinatensystem  S  Y  Z  zu  einem  anderen 
X,  F,  Z,  vermitteln : 


1  =  4  ^  ax-\-  a^y  +  a^z 
C  =  d^-j-yx  +  y,y+  y^z\ 


(1) 


kommen  6  voneinander  unabhängige  Koeffizienten  vor.  Die 
Zeit  t  soll  zunächst  in  einer  ganz  willkürlichen  Skala  gemessen 
werden,  so  daß  sie  nichts  anderes  als  eine  vierte  Variable  be- 
deutet, durch  welche  die  Bewegungsvorgänge  mitbestimmt 
werden.  Bewegt  sich  im  System  EYZ  ein  Massenpunkt  auf 
einer  beliebigen  Kurve  mit  beliebiger  Geschwindigkeit,  so  werden 
f?/C  gegebene  Funktionen  von  i  sein.  Aus  (1)  folgt  dann 
sofort,  daß  es  unendlich  viele  Systeme  X  YZ  gibt,  in  Bezug 
auf  welche  dieser  Punkt  eine  vorgeschriebene  Kurve  mit  vor- 
geschriebener Geschwindigkeit  beschreibt.  Erst  wenn  2  Punkte 
in  beiden  Systemen  gegebene  Bahnen  mitgegebenen  Geschwindig- 
keiten beschreiben  sollen,  wäre  die  Lage  und  Bewegung  des  einen 
Systems  gegen  das  andere  im  allgemeinen  bestimmt,  da  dann 
6  Größen  6  Gleichungen  zu  genügen  haben.  Es  sollen  nun 
nur  geradlinige  Bahnen  betrachtet  werden.     Nimmt  man  zu- 


*)  Mac  Gregor,  On  the  fundamental  hypotheses  of  abstract  dynamics. 
Canada.  R.  Soc.  Trans,  vol  X,  1892,  ferner;  On  the  hypotheses  of  dynamics. 
Philos.  Meg.  5.  ser.,  vol.  86,  1893. 

3)  Vierte^jabresscbrift  der  Astr.  Gesellsch.,  Band  28. 

1906.  SiUnngsb.  d.  math.-phys.  Kl.  7 


98  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  Tom  3.  Februar  1906. 

ürnt  an,  daß  n  Punkte  im  System  X  YZ  sich  in  vorgescliriebenen 
(Jeraden 


n  =  0, 1 . . .,  n  -  1  i  (2) 


bewegen  sollen,  so  sind  also  die  Größen  A^  B,  (7,  D  gegeben, 
während  ihre  Bewegung  im  System  SYZ  ebenfalls  beliebig 
gegeben  ist,  so  daß  |  ?;  C  bekannte  Funktionen  der  Zeit  sind. 
Für  jeden  Wert  von  t  müssen  dann  3  n  Gleichungen  (1)  und 
2  n  Gleichungen  (2)  erfüllt  sein,  denen  die  6  Transformations- 
koef&zienten  und  3  n  Koordinaten  zu  genügen  haben.  Die  Er- 
füllung der  Bedingungen  ist  im  allgemeinen  nur  möglich,  wenn 

5n<3n  +  6  oder  n^3 

Man  kann  demnach  im  allgemeinen  ein  System  X  YZ  so 
bestimmen,  daß  in  ihm  3  beliebig  bewegte  Punkte  vorge- 
schriebene Gerade  beschreiben.  Für  diesen  Fall  schreiben  wir 
die  Gleichungen  der  gegebenen  Geraden  besser  in  der  Para- 
meterdarstellung 


x  =  a  -{-b  (p(t)   I    x'  =  a'  +  b'  q?' 


y  =  a^-\'b^(p(t) 
^  =  a^ -^r  b^<p (t) 


z'  =  ai  -f  b±  (p' 


X   =^a  ^Vq/ 
y'=a\  +  b:  (p"      (3) 

js"  =  a]  -j-  bi  (p" 


Gegeben  sind  also  die  Koeffizienten  a,  b. .  die  Funktionen 
S  f]C^  i'  '  ' '  i\  während  die  Funktionen  (pq^'  q>\  aßd  , .  . ,  zu 
bestimmen  sind.  Da  es  sich,  weil  die  Orthogonalitätsbedin- 
gungen  vom  2.  Grade  sind,  um  nichtlineare  Gleichungen  handelt, 
ist  die  Bestimmung  nicht  eindeutig,  sie  kann  auch  zu  imagi- 
nären Werten  führen.  Aus  den  9  Gleichungen  (1)  kann  man 
die  6  Transformationskoeffizienten  eliminieren.  Die  sich  so 
ergebenden  3  voneinander  unabhängigen  Gleichungen  erhält 
man  am  einfachsten  dadurch,  daß  man  das  von  den  drei 
Punkten  in  jedem  Zeitmoment  gebildete  Dreieck  betrachtet. 
Dasselbe  ist  erst  durch  alle  3  Seiten  gegeben  und  diese  drei 
Seiten  müssen  in  den  beiderlei  Systemen  dieselbe  Länge  haben. 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung. 


99 


Die  3  im  allgemeinen  voneinander  unabhängigen  Gleichungen 
sind  also: 


(|-iT+(^-»?T+(C-n* 


(x  .xy+(tf-yy+{e-j^y 
{x--xy-^(ff--yy+ie-2y\ 


(4) 


Führt  man  mit  (3)  die  (p^p'^p"  ein,  so  erscheinen  diese  ftir 
jedes  t  durch  3  quadratische  Gleichungen  bestimmt.  Denkt  man 
sich  die  (p(p'(p'  etwa  als  rechtwinklige  Koordinaten  eines 
Punktes,  so  muß  dieser  zugleich  auf  3  Oberflächen  2.  Gerades 
liegen*  Danach  gibt  es  höchstens  8  zusammengehörige 
Werte  q?q>'q?\     Bildet  man  nun  aus  (1)  die  Gleichungen 


(5) 


S  —  S'  =  a  {x  —  x')  +  a^(y  —  y)  +  a^  {z 
f  -  r  =  a(a:  -o:-)  +  a,(y  -  /)  +  a,  (^ 

wozu  noch  noch  hinzutritt 

I  =  a*  +  a?  +  a| 

so  ergeben  sich  für  jedes  Wertsystem  ^p^'q)'  zwei  Lösungen 
fiir  an^a^  etc.  und  ähnlich  für  ßß^ß^»  Denn  die  ersten  beiden 
Gleichungen  geben  a,  und  a,  als  lineare  Funktionen  von  a  und 
die  3.  Gleichung  ist  dann  vom  2.  Grade  in  Bezug  auf  a. 

Zu  jedem  Wertsystem  aa^a^  gehört   aber  nur  ein  Wert- 
system ßßiß^,  denn  es  ist 


m 

—  /;  = 
0  = 


ß(x^x')  +  ß,(j^^y)  +  ß,{js;-z') 
ß(x^x')  +  ß,(f,^y')  +  ß,(z-z') 

^  •  o  +  /^i  «1  +  A  «f 


und  die  ß  bestimmen  sich  also  eindeutig  aus  den  aa^a^. 

Ganz  ähnliches  kann  für  die  Bestimmung  des  y  y^  y^  und 
auch  der  d^d^.d^  ausgesagt  werden,  so  daß  es  also  höchstens 
16  Koordinatensysteme  gibt,  die  den  gestellten  Bedingungen 
entsprechen.  Natürlich  können  einige  der  Lösungen  imaginär 
werden  und  es  können  auch,  da  hier  die  Bestimmungen  für  die 
einzelnen  Zeitmomente  ausgeführt  werden,  reelle  Lösungen  mit 


100  Sitzung  der  iiiath.-ph78.  EQasse  vom  3.  Februar  1906. 

der  Zeit  imaginär  werden  und  umgekehrt.  Es  ist  wohl  kaum 
nötig,  zu  erwähnen,  daß  die  Bestimmung  der  a  aus  (5)  un- 
bestimmt wird,  wenn  die  3  Punkte  in  X  YZ in  einer  Geraden 
liegen,  welcher  Fall  also  auszuschließen  ist. 

Man  kann  also  auch  für  3  sich  selbst  überlassene  Punkte, 
die  sich  in  Bezug  auf  ein  willkürliches  Koordinatensystem  S  YZ 
irgendwie  in  bekannter  Weise  bewegen,  ein  Koordinatensystem 
XYZ  gegen  SYZ  so  festlegen,  daß  sich  diese  3  Punkte  in 
vorgeschriebenen  Geraden  bewegen  und  zwar  gibt  es  nur 
eine  relative  kleine  Zahl  solcher  Systeme. 

Der  letzte  Zusatz  setzt  noch  voraus,  daß  die  Gleichungen  (4) 
voneinander  unabhängig  sind,  was  wohl  im  allgemeinen,  aber 
nicht  in  allen  besonderen  Fällen  stattfindet.  Sind  die  Glei- 
chungen (4)  nicht  unabhängig  voneinander,  dann  gibt  es 
unendlich  viele  gesuchte  Systeme,  die  Aufgabe  ist  unbestimmt. 
Die  Unabhängigkeit  der  Gleichungen  (4)  voneinander  wird 
dadurch  ausgedrückt,  daß  man  (3)  in  (4)  einsetzt,  die  (p(p'<p' 
als  unabhängige  Variable  betrachtet  und  die  Funktionaldetermi- 
nante A  der  3  Funktionen  von  q>(p'(p\  welche  in  (4)  vorkommen, 
gleich  Null  setzt.     Man  setze  zur  Abkürzung 

Za=a-\-a^-\'a^y  Za  =a  -\-ai  +  «2,  Sah  =  ah-Y dib ^-\-  a^\eic, 

so  schreiben  sich  die  rechten  Seiten  von  (4) 

Z{a'  -  ay  -{-  2(p'  I{a'  -a)h'  -2(p  Z{a  —a)h 
—  2Ihh'(p(p''\'(p"'Zh'^  +  (p^Zh'' 

Z(a'^ay+2(p''Z{a''-a')b''—2(pZ{a-a')b' 
^2  Zb'b'q?'  (p'  +  (p"^  Zb"'  +  cp'^Zb'^ 

und  wenn  man  weiter  abkürzt: 

Ä  =Zab-^(p  Zb^    B  =Zab'  +  <p'Zb'^  \  C  ^Za-V+tp-Zb"^ 
Ai  =Za'  b-^<p'  Zbb' 


A^^Za'b  +  q>''Zbb'' 


JB,=2V6'+  (p'Zb'b"  i  C\^Za  6'+  (p  Zbb" 
B^r=.Zab'  +  <pZbb'  \C^^Za'b'+<p'Zb'b' 


"5^  ^^  -AT'  *«  ^W  ^Hr ; 


H.  Seelif^er:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         101 


so  wird 

A  -A,  B—B^      0 
J  =     .1— ^       0       C-C, 
0        B-B^C-C\ 

Offenbar  ist  A  h^O,  wenn 


= {A-A,){B-B,)(C-CO 

+  (A-A,XB-B,){C-C,) 


b'  =kb,  fej  =  i  6i,  b2  =  Je  b2 
V  =  k'b,  b[  =  k'h,  bi  =  k'b^ 

(1.  h.  wenn  die  Geraden  parallel  zueinander  sind.  Diese  Be- 
dingung ist  also  gewiü  hinreichend.  Dala  sie  aber  auch  not- 
wendig ist,  kann  man  folgendermaßen  beweisen.  Soll  J  =  0 
sein  für  alle  möglichen  Werte  der  (p  q?'  (p\  so  kann  man  par- 
tiell nach  den  einzelnen  q)  diffenzieren. 

Differenziert  man  log  J  partiell  nach  9?,  so  wird: 


Zb-" 
Ä-A. 


2bV 


2b'' 
A-A. 


Zbb' 


B-B. 


Differentiiert  man  weiter  nach  <^': 

{A-A,y  _  {C--C,f 
2h*  ZV* 

und  durch  nochmalige  Differentiation  nach  (p  ergibt  sich  sofort: 

2b*  2bh' 


Ä  —  Ä. 


C  —  C\ 


eine  Gleichung,  die  für  jedes  9?*  erfüllt  sein  muß,  woraus  man 

findet: 

2  b*  2(a-  -  a)  6"  =  2b  b'  («'  —  a)b 

2b*  2  b'*  =  (2hby 
Die  letzte  Gleichung  ausführlich  geschrieben  lautet: 
{b*  +  6?  +  6?)  (6-»  +  bl*  +  bi*)  =  (bb'+  b,b\  +  h  hl)* 
Setzt  man  nim 


b' =  kb;  b'i  =  Xb\\  hi=fth2 


102  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

so  wird 

W.Qc  —  Xf  +  h^hl(jx  —  lcf  +  h\h\(jx  —  Xf  =  0 

eine  Gleichung,  die  für  reelle  und  von  0  verschiedene  h  nur 
erfüllt  werden  kann  durch  h  =  X  =  fi. 

In  derselben  Weise  wird  sich  nachweisen  lassen,  daß  die 
Gleichung  J  =  0  die  Bedingung  nach  sich  zieht: 

womit  die  Notwendigkeit  der  obigen  Bedingung  nachgewiesen 
erscheint. 

Wenn  aber  durch  die  drei  sich  selbst  überlassenen  Punkte 
ein  Koordinatensystem  mit  beschränkter  Vieldeutigkeit  dadurch 
definiert  ist,  daß  in  ihm  die  3  Bahnkurven  gerade  Linien 
sind,  so  ist  dieses  System  noch  kein  Inertialsystem.  Als  solches 
soll  vielmehr  ein  System  gelten,  in  Bezug  auf  welches 
sich  beliebig  viele  sich  selbst  überlassene  Punkte  gerad- 
linig bewegen.  Es  wird  sich  empfehlen,  die  Definition  eines 
Inertialsystems,  wie  L.  Lange  tut,  durch  Konstruktion  eines 
recht  einfachen  Falles  zu  bewerkstelligen.  Danach  sollen  drei 
Massenpunkte  genommen  werden,  die  gleichzeitig  nach  ver- 
schiedenen Richtungen  von  einem  Punkte  ausgehen  und  sich 
selbst  überlassen  werden.  Ein  Koordinatensystem,  in  Bezug 
auf  welches  dann  die  3  Bahnkurven  gerade  Linien  sind,  ist, 
wie  leicht  zu  zeigen,  ein  Inertialsystem.  Die  Voraussetzungen 
erlauben,  die  Möglichkeit  eines  solchen  Ansatzes  natürlich 
vorausgesetzt,  anzunehmen 

rjin)  =  j5(M)  t 

^in)  ^  Sin)  l 

WO  für  n  kein,  ein  oder  2  Striche  zu  setzen  sind.  Rs  kann 
dabei  t  in  irgend  einer  Skala  angesetzt  sein.  Ebenso  wird  man 
in  (3)  alle  a  gleich  Null  setzen  dürfen.  Dann  schreibt  sich 
die  erste  Gleichung  (4) 


-:4-:K  *^^rr 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         103 

und  ganz  ähnlich  die  beiden  anderen.  Die  Auflösung  gibt 
unter  allen  umständen 

q)  =::mt;  cp'  =m  t\  (p'  =  m''t 

wobei  die  m  Konstanten  sind.  Ebenso  wird  die  Auflösung  von  (5) 
für  die  Richtungskosinusse  a  ß  y  .  . ,  konstante  Werte  ergeben, 
während  sich  die  d  d^  d^  als  lineare  Funktion  von  t  darstellen. 
Für  jeden  weiteren  sich  selbst  überlassenen  Punkt  werden 
jetzt  die  Koordinaten  ^  rj  C  als  lineare  Funktionen  von  f,  also 

anzusetzen  sein  und  daraus  folgt  dann,  wenn  man  die  soeben 
gefundene  Form  der  Transformationskoeflizienten  in  (1)  berück- 
sichtigt, daß  xyjcf  ebenfalls  lineare  Funktionen  von  t  sind. 

Auf  Grund  der  ausgeführten  Entwicklungen  erweisen  sich 
nun,  wie  von  selbst  klar  ist,  die  Aufstellungen  L.  Langes  nach 
jeder  Richtung  hin  als  zulässig  und  wohlbegründet.  Ich  führe 
sie  hier  wörtlich  an: 

Definition  I.  Inertialsystem  heißt  ein  jedes  Koordinaten- 
system von  der  Beschaffenheit,  daß  mit  Bezug  darauf  drei  vom 
selben  Raumpunkt  nach  verschiedenen  Richtungen  projizierte 
und  dann  sich  selbst  überlassene  Punkte  P  P'  P"  auf  drei  be- 
liebigen, in  einem  Punkte  zusammenlaufenden  Geraden  dahin- 
schreiten. 

Theorem  I.  Mit  Bezug  auf  ein  Inertialsystem  ist  die  Bahn 
jede^  beliebigen  vierten  sich  selbst  überlassenen  Punktes  gleich- 
falls geradlinig. 

Über  die  Bedeutung  der  4.  Variablen,  der  Zeit  t,  ist  bisher 
noch  nichts  ausgesagt  worden.  Man  kann  sich  nun  unbedenk- 
lich der  von  Carl  Neumann  gegebenen  Aussage  anschließen: 
»Zwei  materielle  Punkte,  von  denen  jeder  sich  selbst  über- 
lassen bleibt,  bewegen  sich  (in  einem  Inertialsystem)  in  solcher 
Weise,  daß  gleiche  Wegabschnitte  des  einen  immer  gleichen 
Wegabschnitten  des  anderen  entsprechen*,  und  gleichen  Weg 
abschnitten  werden  gleiche  Zunahmen  der  Variablen  t  zuge- 
ordnet, wo  t  das,  was  wir  die  Zeit  in  einer  gleichförmig  ver- 


104         Sitzung  der  matb.-phys.  Klasse  Tom  8.  Februar  1906. 

laufenden  Skala  gemessen  nennen,  ist.  Die  Einwendungen, 
die  H.  Streintz  hiergegen  erhoben  hat,  sind  nach  meiner  Meinung 
unwesentlich  und  gegenstandslos.  Dann  ergeben  sich  folgende 
Sätze,  deren  logisch  musterhafte  Fassung  man  ebenfalls  L.  Lange 
verdankt. 

Definition  II.  Inertialskala  heißt  eine  jede  Zeitskala, 
in  Bezug  auf  welche  ein  sich  selbst  überlassener  auf  ein  Inertial- 
system  bezogener  Punkt  gleichförmig  fortschreitet. 

Theorem  IL  In  Bezug  auf  eine  Inertialzeitskala  ist  jeder 
beliebige  andere  sich  selbst  überlassene  Punkt  in  seiner  Inertial- 
bahn  gleichförmig  bewegt. 

Die  Langesche  Konstruktion  des  Inertialsystems  ist  selbst- 
verständlich eine  Idealkonstruktion,  die  aber  das  logische  Be- 
dürfnis nach  jeder  Richtung  vollkommen  befriedigt  und  das 
Prinzip  der  Relativität  wahrt,  denn  tatsächlich  ist  jede  Bezug- 
nahme auf  etwas  Absolutes  gänzlich  verschwunden. 

Es  ist  von  einigen  Seiten  angewendet  worden,  dais  der  sich 
selbst  überlassene  Punkt  noch  einer  Definition  bedarf,  da  er 
doch  als  solcher,  erst  durch  die  öeradlinigkeit  seiner  Bahn  im 
Inertialsystem  erkennt  werden  kann.  Indessen  darf  nicht  über- 
sehen werden,  daß  man  zu  dem  Begriff  des  sich  selbst  über- 
lassenen  Punktes  auch  gelangen  kann,  wenn  man  den  Kraft- 
begriff zunächst  in  anderer  Weise  festlegt  und  dann  den  sich 
selbst  überlassenen  Punkt  als  einen  solchen  definiert,  der  von 
keinen  Kräften  angegriffen  wird.  Erfahrungsgemäß  sind  nun 
alle  Kraftwirkungen  in  der  Natur  an  das  Vorhandensein  von 
Massen  gebunden.  Wo  Kraftwirkungen  nachweisbar  sind,  sind 
auch  Massen  in  größeren  oder  kleineren  Entfernungen  da  und 
umgekehrt,  wo  Massen  in  der  Nähe  sind,  haben  wir  Kraft- 
wirkungen anzunehmen.  So  wird  sich  strenge  genommen  nirgends 
im  Univerum  eine  Stelle  finden,  wo  das  Ideal  eines  sich  selbst 
überlassenen  Punktes  anzutreffen  wäre.  Ahnliches  gilt  ja  in 
allen  Teilen  der  Naturwissenschaften,  wo  gewisse  Idealvorgänge 
erst  durch  mehr  oder  weniger  weit  ausgeführte  Abstraktion 
geschaffen  werden  müssen.  So  werden  wir  hier  durch  Ab- 
straktion   den  Begriff  eines   isolierten  Massenpunktes  bilden 


■«'ÄT*^^?}^ 


H.  Seeliger:  Ober  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         105 

müssen,  indem  wir  uns  einen  solchen  in  immer  größere  Ent- 
fernung von  anderen  Massen  gerückt  denken.  Das  praktisch 
unerreichbare  Ideal  wäre  erreicht,  wenn  alle  anderen  Massen  m 
in  unbegrenzt  großer  Entfernung  sich  befanden.  In  Wirklich- 
keit erfordert  auch  schon  von  Anfang  an  die  Idealkonstruktion 
Langes  die  Durchführung  einer  ähnlichen  Abstraktion.  Denn 
die  von  einem  Punkt  ausgehenden  materiellen  Punkte  werden 
sich  auch  gegenseitig  durch  die  Newtonsche  Gravitation  be- 
einflussen und  strenge  genommen  erst  dann  sich  selbst  über- 
lassene  Punkte  sein,  wenn  sie  in  ihren  Bahnen  in  überaus 
große  gegenseitige  Entfernungen  gerückt  sind.  Man  könnte 
ja  auch  die  Massen  der  Punkte  immer  kleiner  werden  lassen, 
doch  leistet  dies  Verfahren  nicht  mehr,  als  die  zuerst  gemachte 
Annahme,  da  hier  ebensowenig  ein  nicht  zu  Ende  durchführ- 
barer Prozeß  vermieden  werden  kann  wie  dort.  Erklärt  man 
die  Unzulässigkeit  dieser  Art  von  Abstraktionen,  dann  wird 
man  überhaupt  niemals  zu  befriedigenden  Definitionen  der  Grund- 
begriffe der  Mechanik  gelangen  können.  Läßt  man  aber  den 
Begriff  des  isolierten  Massenpunktes  als  zulässig  gelten,  dann 
würden  in  der  Tat  3  isolierte  Punkte,  die  nicht  in  einer 
Geraden  stehen  ein  Inertialsystem  vollständig  und  in 
der  einfachsten  Weise  definieren.  Der  Anfang  des 
Systems  kann  in  jedem  der  3  isolierten  Punkte  liegen, 
seine  Achsenrichtungen  werden  durch  die  Richtungen 
nach  den  beiden  anderen  Punkten  bestimmt. 

Diese  Idealkonstruktion  ist  nichts  anderes  als  ein  spezieller 
Fall  der  Langeschen.  Man  wird  aber  kaum  leugnen  können, 
daß  sie  mit  der  Wirklichkeit,  d.  h.  mit  den  durch  astronomische 
Beobachtungen  gewonnenen  Erfahrungen  engere  Fühlung  be- 
sitzt. Denn  man  wird  zunächst  als  Anfang  des  Inertialsystems 
nicht  einen  isolierten  Punkt  nehmen,  der  überhaupt  nicht  auf- 
findbar ist,  sondern  ein  in  mechanischer  Beziehung  äquivalentes 
Gebilde.  Ein  solches  ist  —  allerdings  wegen  der  Anziehung 
der  Sterne  nur  näherungsweise  —  der  Schwerpunkt  des  Planeten- 
systems, der  sich  gegenüber  äußerst  entfernten  Massen  gerade 
so  bewegt  wie  ein  Massenpunkt.     Dann  wird  man  zur  Orien- 


106  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

tierung  auch  ähnliche  ausgedehnte  Massensysteme  benützen 
können  und  zwar  in  beliebiger  Anzahl,  wenn  dieselben  nur 
die  Bedingung  der  Isoliertheit  erfüllen,  d.  h.  unbegrenzt  weit 
vom  Schwerpunkt  des  Sonnensystems  abstehen  und  von  ihm 
aus  gesehen  nicht  in  unmeßbar  kleiner  Entfernung  voneinander 
zu  stehen  scheinen.  Eine  solche  Idealkonstruktion  des  Inertial- 
systems,  die  also  außer  dem  Schwerpunkt  des  Planetensystems 
noch  mindestens  2  unbegrenzt  weite  Massen  erfordert,  scheint 
mir  keine  größeren  gedanklichen  Schwierigkeiten  zu  besitzen, 
als  irgend  eine  andere  und  ich  habe  keinen  Grund,  sie  als 
nicht  sehr  ansprechend  zu  bezeichnen.  Bekanntlich  gehen 
in  solchen  Fragen  die  Meinungen  auseinander  und  was  dem 
einen  besonders  ansprechend  erscheint,  ist  es  dem  anderen 
keineswegs  und  eine  Diskussion  in  dieser  Richtung  führt 
selten  zu  einer  Einigung.  Daß  das  so  definierte  System  ein 
wohl  definiertes  ist  und  auf  dem  Prinzip  der  Relativität  ruht, 
dürfte  indessen  unzweifelhaft  sein. 

Die  angestellten  Betrachtungen  leiten  direkt  zu  den  Klar- 
legungen über,  welche  die  Wissenschaft  Mach  verdankt.  Sie 
sind,  wie  schon  erwähnt,  in  seinem  Buche  über  die  Entwick- 
lung der  Mechanik  enthalten,  welches  zu  den  schönsten  Büchern 
gehört,  die  über  Mechanik  überhaupt  geschrieben  worden  sind. 
Die  fundamentale  Wichtigkeit  dieses  Werkes  in  Bezug  auf 
die  vorliegenden  Fragen  beruht  hauptsächlich  in  der  Eonsequenz, 
mit  welcher  Mach  zuerst  das  Prinzip  der  Relativität  und  den 
Grundsatz  festgehalten  hat,  demzufolge  die  Mechanik  ein  auf 
rein  empirischer  Grundlage  aufgebautes  Gebäude  ist,  was  merk- 
würdigerweise nicht  immer  genügende  Berücksichtigung  ge- 
funden hat.  Für  Mach  hat  nun  die  Orientierung  des  Inertial- 
systems  einfach  nach  dem  Fixsternhimmel  zu  erfolgen  und  die 
Zeitskala  ist  durch  die  Rotation  der  Erde  gegeben.  Zu  Newtons 
Zeit  hätte  diese  Definition  unzweifelhaft  auch  praktisch  ausge- 
reicht. Seitdem  hat  man  aber  in  den  Eigenbewegungen  der 
Fixsterne  Einflüsse  kennen  gelernt,  welche  die  Festlegung  eines 
Inertialsystems  erschweren  und  auch  die  Rotationszeit  der  Erde, 
gemessen  durch  die  übliche  Stemzeit,  ist  ein  Zeitmaß,  das  sich 


maä 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         107 

nachgewiesenermaßen  periodisch  und  säkular,  letzteres  in  einem 
nicht  genügend  festgestellten  Grade,  ändert.  Infolge  dieser 
Tatsachen  ist  eine  Orientierung  einfach  nach  dem  Fixstem- 
himmel  zu  unbestimmt  und  muß  schärfer  gefaßt  werden.  Das 
ist  Mach  auch  nicht  entgangen  und  er  ersetzt/)  von  dem  Grund- 
satze ausgehend,  daß  man  von  den  Massen  des  üniversiums 
nicht  absehen  dürfe,  die  Aussage,  daß  eine  Masse  ^  im 
Raum  sich  in  gerader  Linie  und  mit  gleicher  Geschwindigkeit 
bewege  durch  eine  andere.  Nennt  man  m,  m' . . .  die  Massen 
in  den  Entfernungen  r,  r  , .  .  vom  Punkte  //,  so  wird  die  ge- 
nannte Aussage  äquivalent  sein  mit  dem  Sinne  der  Formel 

-^f^n  =  o 

insofern  nur  „hinreichend  viele,  hinreichend  große  und  weite 
Massen'  in  Betracht  gezogen  werden.  Die  Zulässigkeit  dieses 
sinnreichen  Ansatzes  unter  gewissen  Bedingungen  muß  aner- 
kannt werden.  Denn  wenn  die  großen  und  weiten  Massen  die 
näheren  überwiegen,  deckt  sich  der  mechanische  Ansatz  mit 
den  oben  gemachten  Bemerkungen  mit  beliebiger  Annäherung, 
wenn  einzelne  Entfernungen  r  beliebig  groß  gemacht  werden. 
Indessen  möchten  doch  Einwände  zu  erheben  sein.  Der 
erste  bezieht  sich  darauf,  daß  es  nicht  in  unserem  Ermessen 
steht,  die  ausgesprochene  Bedingung  für  die  Massen  zu  er- 
füllen, da  wir  Tatsachen  nicht  verändern  können.  Daß  femer 
die  Formel  auf  die  sichtbaren  Fixsterne  angewendet  nahezu 
richtig  ist,  dürfte  feststehen;  ebenso  sicher  ist  es  aber,  daß 
sie  nicht  dem,  was  die  Bewegung  eines  sich  selbst  überlassenen 
Punktes  in  einem  Inertialsystem  ausdrücken  soll,  ganz  genau 
entsprechen  kann.  Alle  Massen  und  die  näheren  im  besonderen 
wirken  auf  /i  so  ein,  daß  sich  dieser  Punkt  tatsächlich  nicht 
gleichförmig  und  geradlinig  in  Bezug  auf  ein  Inertialsystem 
bewegt  und  ohne  nähere  Untersuchung  können  wir  nicht  ein- 
mal sagen,  ob  diese  Abweichung  nicht  sehr  merklich  ist.     Man 


M  Mechanik,  S.  248. 


108  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

muß  also  die  wirkliche  Bewegung  von  fx  unter  allen  Umständen 
durch  Abstraktion  idealisieren.  Wie  weit  man  die  Abstraktion 
treibt,  scheint  mir  von  keiner  ausschlaggebenden  Bedeutung 
zu  sein  und  man  wird  demnach  berechtigt  sein,  von  diesen  und 
jenen  Massen  zu  abstrahieren,  da  man  ganz  ohne  Ausführung 
eines  solchen  Prozesses  doch  nicht  auskommen  kann.  Hält 
man  daran  fest,  so  führt  auch  der  Machsche  Ansatz  zu  der 
Nötigung,  nur  sehr  weite  und  isolierte  Massen  zur  Orientierung 
zu  verwenden  und  dann  kommt  man  wieder  auf  denselben  Weg, 
auf  den  die  obigen  Betrachtungen  geführt  haben  und  den  ja 
auch  die  Langeschen  Festsetzungen,  in  gewissem  Sinne,  an- 
weisen. 

Die  wirkliche  Festlegung  eines  Inertialsystems  mit  Hilfe 
sehr  weiter  isolierter  Massen  ist  geknüpft  an  eine  niemals  ab- 
brechende Reihe  von  Korrekturen  von  Beobachtungen  feststell- 
barer Tatsachen  und  sie  verlangt  also  strenge  genommen  die 
Ausführung  eines  unendlichen  Prozesses,  der  natürlich  nie  zu 
Ende  geführt  werden  kann.  An  sich  wird  hiermit  allerdings 
nichts  anderes  verlangt,  was  nicht  auch  sonst  in  allen  Natur- 
wissenschaften verlangt  wird;  da  alle  Beobachtungen  ungenau 
sind,  wird  die  immer  erneute  Nötigung  zu  Korrekturen  nie- 
mals aufhören. 

Bei  der  Festlegung  eines  Inertialsystems  würde  es  also  darauf 
ankommen,  die  Entfernung  immer  weiter  entfernter  Fixsterne 
abschätzen  zu  lernen  und  dann  die  näheren  als  zur  Orientierung 
nicht  geeignet  ausscheiden  zu  lassen.  Da  tritt  nun  eine  neue 
und  wie  es  scheint  unüberwindliche  Schwierigkeit  entgegen. 
Alle  Erfahrungen  in  der  Fixstemastronomie  drängen  zu  der 
Annahme,  dafi  die  sichtbaren,  also  zunächst  der  Beobachtung 
allein  zugänglichen  Weltkörper  ein  räumlich  begrenztes  und 
zwar  nicht  einmal  so  ungeheuer  großes,  wie  man  früher  meinte, 
System  bilden,  über  dessen  Grenzen  hinaus  bisher  jede  Wahr- 
nehmung ausgeschlossen  war  und  wohl  auch  immer  bleiben 
wird.  Dadurch  ist  es  unmöglich,  den  oben  erwähnten  Ab- 
straktionsprozeß beliebig  weit  fortzusetzen  und  das  Inertial- 
system  kann  auf  diesem  Wege  nur  bis  zu  einer  gewissen  be- 


H.  Seeliger:   Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         109 

schränkten  Genauigkeit  festgelegt  werden.  Diese  Beschränkung 
bezieht  sich  natürlich  nur  auf  die  tatsächliche,  nicht  begriff- 
liche Festlegung.  So  bleibt  für  die  erstere  nur  der  bereits 
oben  erwähnte,  durchaus  gangbare,  bereits  von  Newton  an- 
gezeigte und  von  Carl  Neumann  näher  beleuchtete  Weg  übrig. 

Nicht  unnötig  dürfte  es  sein,  am  Schluß  dieser  Betrach- 
tungen noch  einmal  darauf  hinzuweisen,  daß  mit  der  festeren 
Begründung  des  Trägheitsgesetzes  einzig  und  allein  die  Ab- 
sicht verbunden  sein  kann,  den  wahren  Sinn  der  Grundlagen 
des  wissenschaftlichen  Systems,  das  wir  Mechanik  nennen,  fest- 
zustellen. Von  diesem  Standpunkt  hat  es  kein  Interesse,  zu 
untersuchen,  ob  unter  allen  Umständen  die  jetzige  Mechanik 
sich  als  das  zweckmäßigste  wissenschaftliche  System  für  die 
Erklärung  aller  denkbaren  Vorgänge  bewähren  muß.  In- 
dessen wird  uns  doch  die  fast  unabsehbare  Reihe  von  Erfah- 
rungen, die  bisher  in  dieser  Richtung  gesammelt  worden  sind, 
einigermaßen  zuversichtlich  machen  und  uns  die  Hoffnung 
offen  lassen,  es  möchten  nicht  leicht  rein  mechanische  Tat- 
sachen auftreten,  welche  die  bisher  benützten  Grundsätze  als 
hinfallig  und  unbrauchbar  oder  selbst  nur  als  unzweckmäßig 
erweisen  würden. 

3. 

Die  Aufgabe  der  tatsächlichen  Festlegung  eines  Inertial- 
systems  fallt  der  Astronomie  zu  und  diese  Festlegung  hat  gegen 
das  empirisch  hergestellte,  in  der  Astronomie  gebräuchliche 
Koordinatensystem  zu  erfolgen.  Legen  wir  die  Anfange  beider 
Systeme  in  den  Schwerpunkt  des  Planetensystems,  so  wäre  das 
nur  erlaubt,  wenn  das  Planetensystem  wirklich  isoliert  wäre. 
Selbstverständlich  ist  das  im  strengen  Sinne  des  Wortes  nicht 
der  Fall,  aber  diese  Annahme  genügt,  wenn  die  Abweichungen 
in  langen  Zeiträumen  mnerhalb  der  Genauigkeitsgrenze  der 
Beobachtungen  bleiben.  Diese  Forderung  als  strenge  erfüllt 
nachzuweisen,  ist  gegenwärtig  unmöglich  und  man  muß  sich 
mit  mehr  oder  weniger  sicheren  Abschätzungen  begnügen. 
Auf  Schwierigkeiten,    die   hierbei  auftreten,    haben   Carl  Neu- 


110  Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

mann^)  und  ich^)  hingewiesen.  Es  steht  danach,  trotz  der 
Einwände,  die  hiergegen  gemacht  worden  sind,  fest,  daß  man 
sich  entschliessen  muß,  die  universelle  und  strenge  Gültigkeit 
der  Newtonschen  Attraktionsformel  zu  leugnen,  wenngleich 
nur  so  kleine  Korrekturen  notwendig  sein  mögen,  daß  deren 
Folgen  innerhalb  des  Planetensystems  und  vielleicht  beträcht- 
lich darüber  hinaus  unbemerkbar  bleiben.  Diese  Korrekturen 
müssen  unter  allen  Umständen  in  der  Richtung  liegen,  daß  die 
Gravitationswirkung  gegenüber  der  Newtonschen  Formel  schneller 
mit  der  Entfernung  abnimmt.  Bedenkt  man  weiter,  daß  wir  mit 
einiger  Sicherheit  die  uns  umgebenden  Fixsterne  als  ein  end- 
liches und  durch  weite  Zwischenräume  von  eventuell  anderen 
vorhandenen  Systemen  getrenntes  System  ansehen  müssen,  so 
wird  vielleicht  die  Wirkung  der  Anziehungen  jener  anderen 
Systeme  vernachlässigt  werden  können.  Dann  würde  es  in 
absehbarer  Zeit  möglich  sein,  eine  obere  Grenze  für  die  Ge- 
sammtanziehung der  Fixsterne  anzugeben,  denn  es  ist  anzu- 
nehmen, daß  die  Studien  über  die  räumliche  Verteilung  der 
Sterne  zu  bestimmten  zahlenmäßigen  Resultaten  führen  werden. 
Zur  Ableitung  einer  solchen  oberen  Grenze  genügt  die  An- 
nahme des  Newtonschen  Gesetzes.  Laplace')  hat  die  Größe 
der  Anziehung  eines  Sternes  berechnet  und  danach  die  Über- 
zeugung gewonnen,  daß  in  der  Tat  unser  Sonnensystem  als 
ein  isoliertes  aufzufassen  ist.  Die  Wichtigkeit  der  Sache  wird 
es  rechtfertigen,  wenn  ich  hier  eine  kurze  Darstellung  von 
einem  etwas  anderen  Standpunkt  aus  folgen  lasse. 

Das  Sonnensystem  befindet  sich  in  dem  von  den  Fixsternen 
geschaffenen  Kraftfeld.  Ein  Punkt  mit  der  Masse  1  wird  an 
einer  Stelle,  deren  Koordinaten  in  einem  Inertialsystem,  dessen 
Anfang  etwa  im  Schwerpunkt  des  ganzen  Fixsternsystems  liegt, 


')  C.  Neumann,  Allgemeine  Untersuchungen  über  das  Newtonsche 
Prinzip  etc.     Leipzig  1896. 

^)  Münchener  Sitzungsberichte  1896  und  A.  N.  Nr.  3273. 

*)  Laplace,  Mecanique  c^Iecte,  Livre  VI,  Chapit.  XVIll   und  Con- 
naissance  des  temps  pour  Tan  1829. 


"l'S^.    >? 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         111 

(t]C  sein  mögen,    den  Kraftkomponenten  X,  F,  Z  ausgesetzt 
'sein   und  diese  verändern  sich  mit  f,  rj,  C-    Strenge  genommen 
werden  sie  auch  die  Zeit  explizite  enthalten;   diese  Abhängig- 
keit kann  aber  vorerst  sicherlich  unberücksichtigt  bleiben. 

Sind  nun  M^^onVo^^o  ^^sse  und  Inertialkoordinaten  der 
Sonne,  m,  S,  tj,  C  dieselben  Größen  für  einen  Planeten,  so 
hat  man: 


==h*2m^—i^^--\-XQ 


f-l  =  k*M.  ^S-  +  **^.  '^-P-^  +  X 


dt* 


^,' 


Die  2!  ist  auf  alle  Planeten,  2*,  auf  alle  Planeten  mit 
Ausnahme  des  betrachteten  auszudehnen.  Femer  ist  r  der 
Radiusvektor  der  Planeten,  A^  seine  Entfernung  von  einem 
anderen  Planeten,  X  0  und  X  die  Werte  von  X  an  den  Stellen 

Für  den  Schwerpunkt  SYZ  des  Planetensystems  ist: 
{M  +  2:m)  ^=  MXq  +  i:m  X 


und  für  die  relativen  Koordinaten  xyjs  des  betrachteten  Planeten 
gegen  die  Sonne  ergeben  sich  die  Gleichungen: 


df 


dX 


und  ähnliche  für  y  und  £^,  Hier  bedeutet  JR  die  gewöhnliche, 
aus  der  Anziehung  der  Planeten  hervorgehende  Störungsfunktion. 
Die  Veränderung  der  Komponenten  X  YZ  mit  den  Koordinaten 
wird  sicher  sehr  klein  sein.  Erlaubt  man  sich  in  der  betreffen- 
den Taylorschen  Reihe  die  Glieder  2.  Ordnung  fortzu- 
lassen und  nennt  man  XqYqZq  die  Werte  von  XYZ  im 
Schwerpunkt  des  Planetensystems,  so  wird 


112  Sitzung  der  matb.-pbjs.  Klasse  vom  3.  Febrnar  1906. 


dt*'"^'   d^»"-^«'    dt* 


i+..,.+™,-;='^+e4..(i-v 


(1) 


cPy 
dt 

Tt 

Hier  bedeuten  die  eingeklammerten  Werte  der  DiflFerential- 
quotienten  Werte  im  Schwerpunkt. 

Der  Schwerpunkt  des  Planetensystems  mag  sich  vielleicht 
nicht  unbeträchtlich  in  dem  vorliegenden  Koordinatensystem 
bewegen.  Nach  der  oftmals  gemachten  Annahme,  daß  er  sich  im 
Jahre  etwa  um  J  ji  Erdbahnradien  weiter  bewegt,  würde  er  sich 
in  tausend  Jahren  immerhin  um  rund  140  Neptunsweiten  ver- 
schieben, was  einer  Parallaxe  von  49*  entspricht,  die  etwa  y^^ 
der  Entfernung  der  allernächsten  Sterne  gleichkommt.  Ob 
innerhalb  solcher  Räume  und  Zeiten  die  Differentialquotienten 

(  -^  j  etc.  als  konstant  angesehen  werden  dürfen,  ist  natürlich 

zweifelhaft.  Indessen  wird  man  wohl  auch  dann  nicht  ganz 
unsichere  Abschätzungen  mit  dieser  Annahme  erhalten. 

Nennt  man  dann  noch  V  das  Potential  der  Stemanziehung, 
so  werden  also  die  Koeffizienten: 

-..  =  (?,^>-..=(^-)..-..=m 

WO  axji  =  ajix,  konstant  sein  und  die  Bewegung  eines  Planeten 
um  die  Sonne  geschieht  so,  daß  durch  die  Fixsterne  eine 
Störung  hinzutritt,  deren  Storungsfunktion 

F  =  floo^"  +  2««!  a;y  +  a„  y^  +  -  +«„^  (2) 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         113 

eine  quadratische  Form  der  Variablen  xyjs  ist.     Wirken  die 
Sterne  nach  dem  Newtonschen  Gesetz,  so  besteht  die  Gleichung  : 

«00  +  »11  +  »21  =  0 

Es  macht  nun  nicht  die  geringste  Schwierigkeit,  die  Ver- 
änderung der  Bahnelemente  eines  Planeten  infolge  der  Störungs- 
funktion F  zu  ermitteln.  In  jedem  Falle  kann  man  sich  auf 
die  Betrachtung  der  säkularen  Veränderungen  beschränken. 
Man  hat  zu  diesem  Zweck  den  säkularen  Teil  S  der  Funktion  F 
zu  bilden  und  hierzu  sind  die  säkularen  Teile  der  in  (2)  vor- 
kommenden variablen  Größea  aufzusuchen.  Ich  will  solche 
säkulare  Teile  durch  ein  vorgesetztes  S  bezeichnen. 

Mit  Benutzung  der  üblichen  Bezeichnungsweise  (a,  6,  ji, 
Q^  iy  n  =  halbe  große  Achse,  Exzentrizität,  Perihel-,  Knoten- 
länge, Neigung  und  mittlere  Bewegung)   ergibt  sich  leicht: 

S{x^)  =  ^  [1  —  sin»  ßsin» i  +  4  e»  —  5  e* sin*  Ji] 

a} 

S  (y*)  =  ^  [1  —  cos*  ü  sin*  i  -|-  4  e*  —  5  e*  cos*  ji] 

S(jg^)  =^sin*i 

a* 
S{xy)  =  -T-  [sin  2  Q  sin*  i  +  5  e*  sin  2  ti] 

a* 
S  (xjsi)  =  —  —  sin  fl  sin  i 

Ck 

a* 

fif  (y  ^)  =  -|-  ^  sin  ß  sin  i 

und  mit  diesen  Ausdrücken  nach  (2): 

-  .  |-  =  —  a*  e  [(aj,  —  a  J  sin  2  ji  +  2  a^,  cos  2  jr] 

1     3  Ä 

-  .  —  =  —  5  a*  [a^  sin*  n  +  «n  cos*  n  —  a^,  sin  2  n 
e     de  ^ 

—  "5  («00  +  «ii)] 

1906.  Sltsongtb.  d.  matb  -phys.  Kl.  8 


114  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  Tom  3.  Februar  1906. 

—  =  a*  COS  i  [( — a^  sin*  Q  —  aj,  cos*  ü  +  a^ 

-+-  a^j,  sin  2  ß)  sin  i  —  a^,  sin  fi  -f  a,2  cos  fl] 

-:— .  •  ^  v^  =  TT  •  [(a,,  —  önn)  sin  2  ß  Sin  i  +  2  tto,  cos  2  fi  sin  i 
smi    aß        2     "-^  "         *^  ^  rl       o  •     ni 

—  2  a^j  cos  ß  —  2  ttjj  sin  ßj 

Diese  Ausdrücke  hätte  man  in  die  bekannten  Formeln 
für  die  Variation  der  Konstanten  einzusetzen,  was  so  einfach 
sich  vollzieht,    daß  nicht  weiter  darauf  einzugehen   nötig  ist. 

Zur  Abschätzung  wird  die  Bemerkung  genügen,  daß  sich 
die  säkularen  Veränderungen -77 ,  ^;Tr»  ^^^^~^J^  ~li  ergeben, 

wenn  man  die  angegebenen  Differentialquotienten  mit  -j^  und 

mit  Zahlen,  die  höchstens  einige  Einheiten  betragen,  multi- 
pliziert. Berechnet  man  den  Rang  einer  Größe  dadurch,  daß 
man  sie  in  Klammern  setzt,  so  würde  die  Gleichung 

aussagen,  daß  der  absolute  Wert  von  A  gleich  ist  a  multi- 
pliziert mit  einer  Zahl,  die  höchstens  einige  Einheiten  betragen 
kann.  Auf  diese  Weise  ergibt  sich,  daß  für  jedes  der  4  Bahn- 
elemente E 

\dt)        k^  ^  ^ 

Danach  könnte  man  also,  falls  die  a^  gegeben  wären,  die 
säkularen  Veränderungen  der  Bahnelemente  leicht  abschätzen. 

Es  soll  nun  beispielsweise  eine  ganz  einseitige  Massen- 
verteilung angenommen  werden,  welche  also  voraussichtlich 
ganz  außerordentlich  übertrieben  große  a^ji  ergibt.  Nimmt  man 
nämlich  an,  daß  alle  Fixsterne  in  einer  bestimmten  Richtung  in 
der  Entfernung  g  vom  Planetensystem  in  einer  Masse  /u  ver- 
einigt wären,  dann  ergibt  sich  leicht 


^'W! 


H.  Seeliger:   Ober  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         HS 


und  demzufolge 


idE\  fa-y 


Setzt  man  fx  =  X-  10*  Sonnenmassen,  q  entsprechend  einer 

dE 
Parallaxe  O'Ol  •<>,   so  ergibt  sich   für  Neptun,  wo  —j-  nume- 
risch am  größten  wird,  im  Jahrhundert 

{di;}  =  o'' 00027.  ;i.a» 

Nach  dem,  was  wir  —  es  ist  das  allerdings  wenig  genug 
—  über  die  Massen  und  Verteilung  der  Fixsterne  wissen,  wird 
man  X  und  d  kaum  größer  als  1  annehmen  dürfen,  d  ist  sogar 
wahrscheinlich  ein  kleiner  Bruch.  Danach  darf  man  selbst 
nach  vielen  Jahrhunderten  in  den  planetarischen  Bewegungen 
um  die  Sonne  wohl  kaum  einen  bemerkbaren  Einfluß  der  An- 
ziehung der  zu  unserem  Fixsternsystem  gehörenden  Massen  er- 
warten. Ein  wenig  anders  mögen  sich  die  Verhältnisse  für 
die  Bewegung  des  Schwerpunktes  unseres  Sonnensystems  ver- 
halten.    Die  Kraftkomponenten   sind  hier  —  bei   Festhaltung 

des  herangezogenen  Beispiels  —  nur  vom  Range  ^— .    Ich 

habe  schon  bei  früherer  Gelegenheit*)  gezeigt,  daß  man  wohl 
kaum  bei  den  Fixsternen  selbst  in  langen  Zeiträumen  auf  eine 

bemerkbare  Abweichung  von  der  geradlinigen  und  gleich- 
förmigen Bewegung  rechnen  wird  dürfen,  natürlich  von  Aus- 
nahmefällen abgesehen. 

Der  Krümmungsradius  q  der  Bahn  des  Schwerpunktes 
des  Planetensystems  ist  gegeben  durch 


Q  =  — 7^ 


( 


ds\ 
dt) 


vm^ 


\dt^ 
yfo  ds  das  Bogenelement  ist. 


+  f  W+  ^^ 


_/d»sY 


')  Astronomische  Nachrichten,  Nr.  3675. 


8* 


116         SäUaiBg  der  ButtiL^Tft.  Übt  vom  S.  F«iffiiftr  1906. 


Nenst  uLkD  üso  V  di«  G-efchwiDdigkeit  and  P  die  Große 
der  e'mvirkenden  KraÜL  so  wird  d^r  Kang  tod  9  durch 

gi^gieben   sein.     Do*  Winkel  da   zwischäi    zvei   benachbarten 
Tangenten  an  die  Bahn  ist  dann 

rfa_  1  rf*_  r 

dt  ~  gdt~  g 
Also 

fda\_P 

{dJI  ~  r 

und  im  obigen  Beispiel: 

fda\  _   ejM_ 

{dtl~  r-Q^ 

Bei  Festhaltung  der  astronomischen  Einheiten  ist  k^  =  c^, 
wo  c  die  Bahngeschwindigkeit  der  Erde  ist.    Denmach  hat  man 

tda\_   c^fi 

[dil~  r-g^ 

Setzt  man,  wne  oben,  fir=z  l^  10*;  g  entsprechend  einer 
Parallachse  O'Ol  •  d  so  ist  Ja'  die  Änderung  Ton  a  im  Jahr- 
hundert in  Bogensekunden 


Ja=SV'(y\iS^ 


Für  -j^  =s'-^  1  =  6  =  1  würde  also  eine  Richtungsänderung 

in  der  Bewegung  des  Schwerpunktes  des  Sonnensystems  von 
46'  im  Jahrhundert  folgen,  eine  21ahl  die  voraussichtlich  noch 
Tiel  zu  hoch  gegriffen  ist. 


H.  Seeliger:  Über  die  so^^renannie  absolute  Bewegung.         117 

4. 

Die  Bewegungen  der  Planeten  werden  auf  ein  gewisses 
empirisches  Koordinatensystem  bezogen.  Dasselbe  hat  im  Laufe 
der  Zeit  eine  recht  solide  Festlegung  erfahren.  Das  Nähere 
ist  in  dem  soeben  erschienenen  Band  VI,  der  mathematischen 
Enzyklopädie  in  den  Artikeln  von  E.  Anding  und  F.  Cohn  so 
eingehend  auseinandergesetzt,  daß  dem  wohl  kaum  etwas  hin- 
zuzufügen wäre.  Indessen  ist  ohne  weiteres  durch  eine  ein- 
fache Betrachtung  der  Resultate  der  messenden  Astronomie  ein- 
zusehen, daß  man  von  selbst  darauf  geführt  wurde,  eine  in 
einem  Inertialsystem  feste  Ebene  z.  B.  die  Ebene  der  Erdbahn 
zu  einer  bestimmten  Epoche  als  Fundamentalebene  einzufQhren 
und  diese  gegen  die  Fixsterne  oder  vielmehr  die  Fixsterne 
gegen  jene  Ebene  mit  immer  steigender  Genauigkeit  festzu- 
legen. Könnte  man  nun  in  dieser  Ebene  eine  feste  Inertial- 
richtung  gegen  die  Fixsterne  bestimmen,  so  wäre  ein  Inertial- 
system auch  praktisch  definiert.  Das  ist  aber  nicht  mit  ge- 
nQgender  Genauigkeit  möglich,  weil  der  Durchschnittspunkt 
von  Äquator  und  Ekliptik,  welcher  nach  der  X Achse  des 
empirischen  Systems  weist,  sich  verschiebt  und  diese  Ver- 
schiebung, in  ihrem  säcularen  Teil  wenigstens,  nicht  genau  genug 
theoretisch  berechnet  werden  kann.  Hierzu  wäre  eine  genauere 
Kenntnis  der  Differenzen  der  Trägheitsmomente  des  Erdkörpers 
nötig,  die  anderseitig  nicht  beschafft  werden  kann.  So  bleibt 
eine  Unsicherheit  in  der  Bestimmung  der  erforderlichen  Inertial- 
richtung  bestehen,  die  nur  durch  Zuhülfenahme  von  gewissen 
Hypothesen  von  zum  Teil  sehr  zweifelhafter  Sicherheit  an- 
scheinend behoben  worden  ist. 

Jedenfalls  werden  tatsächlich  in  Bezug  auf  dieses  empi- 
rische System  die  Differentialgleichungen  der  Bewegung  für 
die  Planeten  aufgestellt  und  integriert  und  die  hier  auftreten- 
Konstanten  als  Bahnelemente  behandelt  und  aus  den  Beob- 
achtungen bestinunt  Da  die  Differentialgleichungen  nur  richtig 
sind,  wenn  sie  sich  auf  ein  Inertialsystem  beziehen,  so  wird, 
wenn  eine  von  der  Zeit  abhängige  Verlagerung  der  beiderlei 
Achsen  gegeneinander  vorhanden  ist,  die  Theorie  der  Plimeten- 


118  Sitzung  der  math.-ph jb.  Klasse  Tom  8.  Februar  1906. 

bewegung  unvollständig  sein.  Man  kann  nun,  um  diese  ünvoU- 
kommenheit  aufzudecken,  sich  damit  begnügen  von  den  Stö- 
rungen durch  die  Planeten  abzusehen  und  die  Keplersche  Be- 
wegung allein  zu  betrachten.  Sind  in  dem  empirischen  System 
die  Koordinaten  eines  Planeten  x' y  z\  so  wird  angenommen, 
daß  die  Bewegung  durch  die  Gleichungen: 

bestimmt  ist.  In  Wirklichkeit  gelten  aber  die  analogen 
Gleichungen  nur  für  die  Koordinaten  xyzm  einem  Inertial- 
system,  wo  also  ist: 

d^x  X       ^ 

während  die  empirischen  Koordinaten  nunmehr  Gleichungen 
von  der  Form 

d*x'         X*       ^ 

genügen  und  demnach  in  der  ausgebildeten  Planetentheorie 
die  als  störende  Kräfte  interpretierteren  Komponenten  XYZ 
vemachlä^gt  worden  sind.  Es  handelt  sich  also  um  die  Wir- 
kung dieser  störenden  Kräfte  auf  die  Planetenbahnelemente, 
die  durch  sie  verändert  ei-scheinen.  Es  ist  leicht  die  allge- 
meinen Formeln  für  eine  beliebig  gegen  ein  Inertialsystem  be- 
wegtes empirisches  System  abzuleiten.  Da  es  sich  indessen 
offenkundig  nur  um  sehr  kleine  Veränderungen  handeln  kann, 
wird  es  genügen  anzunehmen,  data  die  gegenseitigen  Neigungen 
der  gleichnamigen  Achsen  beider  Systeme  so  klein  seien,  daß 
ihre  zweiten  Potenzen,  innerhalb  des  betrachteten  Zeitraumes, 
vemachläßigt  werden  können. 

Zwischen    den    beiderlei    Koordinaten    bestehen    nun    die 
Gleichungen : 

x'  =  ax  +by  -f-  cz 

y'  =a'  x-{-b'y  '\-  c  z 

z'  =  a'x  +  Vy  -j-  c'z 


«.^i-Ä^iM?Är 


H.  Seeliger:   Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         119 

Werden  die  2.  Potenzen  der  oben  genannten  Neigungen 
fortgelassen,  so  folgt  bekanntlich  daraus  : 

b  +  a'  =  0,     c  +  a*  =  0,     c'  +  b'  =  0 

und  wenn  man  setzt  :^) 

a*  =  —  b  =  r^;     — a'  =  c=3g;     b' =  —  c  ^^p 

so  wird 

y'  =  y—p^  +r,x  (2) 

jBf'  =  a  —  qx  +  py  . 

und  mit  derselben  Genauigkeit: 

x=^  x'  +r^y'  —  qe'   \ 

y  =  y'  +P^'  -r,x'  i  (2a) 

-er  =  £f'  +  qx'  — py'  j 

Die  pqr^  sind  bekanntlich  die  Drehkomponenten  des  einen 
Koordinatensystems  um  das  andere.  Die  Qesamtdrehung  erfolgt 
um  eine  Achse  mit  den  Neigungswinkeln  a,  /?,  y  gegen  das 
System  x'  y'  z*  mit  einer  Winkeldrehung  Q  und  es  ist 

fissj/'jp^  4- g*-|- rj,     ßcosa=/?,     flcos/?  =  y,     Qto^y  =  r^ 

Sind  beide  Koordinatensysteme  rechtsdrehende  (sog.  Kork- 
zieher-) Systeme,  so  daß  also  die  a?' Achse  durch  eine  positive 
Drehung  um  die  e  Achse  um  90  Grad  in  die  y'  Achse  gebracht 
werden  kann  und  in  ähnlicher  Weise  die  y  Achse  in  die 
z  Achse  und  die  z  Achse  in  die  x  Achse,  so  bedeuten  positive 
pgr,  positive  Drehungen,  die  um  die  Achsen  des  empirischen 
Systems  x*  y' z'  ausgeführt  werden  müssen,  um  zum  Inertial- 
system  x  y  z  zu  führen.  Die  in  der  Astronomie  üblichen 
Systeme  der  Rektaszensionen  und  Deklinationen,  ebenso  wie 
der  Längen  und  Breiten  sind  solche  rechtsdrehende  Systeme. 
Die  pqr^  können  im  allgemeinen  beliebige  Funktionen  der 
Zeit   sein.     Ich   will   mich,   was   vorderhand   ausreichend   sein 


*)  Vgl.  u.  A.  H.  Weber,   Die  partiellen  Differentialgleichungen  der 
Physik.    Leipzig  1900,  1,  S.  201. 


120  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

dürfte,  mit  der  Annahme  begnügen,  daß  pqr^  sich  propor- 
tional mit  t  ändern,  so  daß  sie  für  /  =  0  selbst  verschwinden. 
Es  soll  also  gesetzt  werden 

u;,  =  m;  cos  a,       Wg=^w  cos  ß,       Wg^^w  cos  y 

wo  die  Drehkomponenten  iVx  w^  w,  um  die  3  Achsen  als  unab- 
hängig von  t  anzusehen  sind. 

Aus  den  Gleichungen  (2a)  folgt  dann: 
dx'        dx  dy     ,       dz'         ,        ,     , 

d»«'       flPa;  d}y'   ,      d}z'      „      dy'      ^      de 

-dfi  =  -dii-'^df^^-d^-^'"'-dt+^'"'>Tt 

und  aus  (1)  ergeben  sich  dann  die  Störungskomponenten 


X=  — 2«;,^+2w, 


dy  de 

di  +  ^'^'-dt 


V  o       dz  dx 

^ ^«'.^  +  2«;.-^ 

^ 2«;,^  +  2«,.^ 


(3) 


Hierin  können  nach  Belieben  die  xy z  durch  x* y  z  er- 
setzt werden.  Diesen  Störungskomponenten  entsprechend  wer- 
den die  Bahnelemente  periodische  und  säkulare  Veränderungen 
erleiden.  Zur  Ermittlung  dieser  wird  man  am  besten  die 
Kraftkomponenten  iZ,  5,  TF,  in  der  Richtung  des  Radiusvektor, 
senkrecht  darauf  in  der  Bahnebene  und  senkrecht  auf  die 
Bahnebene,  berechnen.  Es  seien  xyz  Ekliptikalkoordinaten, 
femer  sollen  die  früheren  Bezeichnungen  festgehalten  werden, 
außerdem  v  die  wahre  Anomalie,  w  =  t;-f-^  —  ß  =  t;-|-w' 
und  I?  =  a  (1  —  e*)  sein.     Man  hat  dann  bekanntlich : 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         121 


X 

—  =  cosw  cos  Q  —  sin  w  sin  Q  cos  i 

r 

-?^=:coswsinfl  +  sinMcosflcosi 


e 


=  sinusint 


dx     \  /  IL 

'iT='\/      [ — cosß(sinw  +  esincü)  +  sin/2cosi(cosu-f-^cosa>)] 

-7y  =  1/  —  [ — sinfl(sinw  +  ^sin  w)  —  cos/2cosi(cosu  +  ccosco)] 


d£f 
dt 


1/  —  [sin  i  (cos  w  +  e  cos  cw)] 


Bezeichnet  man  noch: 


Ä  =  —  sinucosi?  —  cosusin^cosi 
B  ==  —  sinM  sin  /2  +  cos w  cos Qcosi 
C  =  —  cosusini 


so  wird: 


r  r  r 

8=X'A+  Y'B  +  Z'C 

TT  =  X  sin  ß  sin  i  —  Fcos  fl  sin  i  +  Zcosi 

Die  weitere  Ausrechnung  ist  mit  Hilfe  der  Formeln  für 
die  Eeplersche  Bewegung  leicht  auszuführen.  Setzt  man  zur 
Abkürzung : 

D  =  cos a  sin  Qsini  —  cos/?  cos  fl  sin i  +  cos y  cos i 
d  =  cos  a  sin  Q  cos  i  —  cos  ß  cos  Q  cos  i  —  cos  y  sin  i 
E  =  cosa  cos Q  +  cos/?  sin  ii 

so  erhält  man: 
R ^VJ^^D 


iS  =  +  2ii7csin 


i.,\/JD 


W='^  2u?l/  — [— Jsinw-f-^costi— zl^sinft>  +  £'ccosa>] 


(4) 


122  Sitzung  der  xnath.-phy8.  Klasse  vom  8.  Februar  1905. 

Hiermit  ergeben  sich  nun  die  Differentialquotienten  der 
Bahnelemente  nach  der  Zeit.  Die  periodischen  Störungen  ent- 
stehen durch  das  Auftreten  von  Zentrifugalkräften  bei  der 
Rotation  des  empirischen  Systems  um  das  Inertialsystem,  wobei 
indessen  nicht  vergessen  werden  darf,  daß  mit  w^  multiplizierte 
Glieder  fortgelassen  worden  sind. 

Man  findet  leicht: 

da        2a»  /        .  p\ 

a  bleibt  demnach,  wenn  man  nur  die  Gli'eder  erster  Ordnung 
berücksichtigt,  völlig  konstant.  Nennt  man  E  die  exzentrische 
Anomalie,  so  wird 

-^=|/--IJBsint;  +  S(cost;  +  cosJ^  j  =  — 2wD  -  sinv 

,    .dQ         1     Txr    •  2w.. 

sm  *  -37-  =  —7=^  Wr  sm  M  =  —  X 

dt      yjj,  p  ^ 

[ — Jrsin*w  +  -Ersinvcos^w  —  Jesina>  •  r  sinu  +  Eecos  co  •  rsinw] 

di  1     Txr  2fr  ^ 

[— <4r  sin  m  cos«  +  Ercoa*u — Jesin  eo  •  r  co8U-f--£ccoso>  •  rcosw] 
d 


2wAV  1 

= rcost;(l  +  c»)  +  2^r   +etg|i 


.    ,dQ 
» •  sm  t  -,— . 
ät 


Offenbar  darf  man  zunächst  nur  darauf  rechnen,  daß  die 
säkularen  Veränderungen  eventuell  merkbar,  werden.  Um 
diese  zu  erhalten,  sei  bemerkt,  daß  man  mit  der  oben  ein- 
geführten Bezeichnung  für  säkulare  Glieder  erhält: 

8{r)  =  a  ( 1  +  ö^*)?  S(^sint;)  =  /S(rsint;cost;)  =  0 
S(rcost;)=  —  ^a«;  S{rcos^v)=ale^+  ^\;  S(rsin*t;)«=^(l-e*) 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         123 

und  hiermit 

S(rsinw)  =  —  -aesinco-  S(rsin^u)  =  5  [1  — c*+  3e*sln*cü] 

u  I  a 

3  '  a 

S{rcosu)  =  —  ^  aecosQ)  S(r cos*ii)  =  -  [1  +  2e*  —  3c^sin*ö>] 

3 
/S(rsinucosu)  =  ^  a  0*  sin  co  cos  cw. 

Daraus  folgt  sofort 

und  wenn  diese  Formeln  ausführlich  hingeschrieben  werden: 
S  (  e  -j- 1  =  e  Iw^  tg  j^  i  sin  ß  —  «<;y  tg  |  i  cos  ß  +  Wg\ 

iSfsini-,- I  =  — i(;xC0sisin/2  +  m;^ cos i  cos ß  +  u?, sin i 

S  (  -,-  1  =^  Wx  cos  Q  -\-  Wy  sin  ii . 


(5) 


Diese  Formeln  stimmen,  wie  zu  erwarten,  vollkommen  mit 
denen  des  Herrn  Anding*)  überein,  die  er  einfach  durch  die 
Transformation  der  Elemente  auf  ein  gegen  das  empirische 
bewegte  Inertialsystem  abgeleitet  hat.  Hier  erscheinen  sie  als 
spezieller  Fall  allgemeinerer  Betrachtungen.  Die  einfachste 
Anwendung  dieser  Formeln  zur  Ermittlung  von  Wx  Wy  Wt  hat 
Herr  Anding  vorgenommen.  Diese  war  ermöglicht  dadurch, 
daß  S.  Newcomb*)  die  säkularen  Veränderungen  der  Bahn- 
elemente der  vier  kleinen  Planeten,  Merkur,  Venus,  Erde,  Mars 
sowohl  theoretisch  als  auch  empirisch  abgeleitet  hat. 


^)  Enzyklopädie  der  niathem.  Wissenschaften,  Bd.  YI^. 

^  The  Elements  of  the  four  inner  Planets.  Washington  1895,  S.  109. 


124  Sitzung  der  math.-phys.  EQasse  vom  8.  Februar  1906. 

Die  Differenzen  der  so  gefundenen  zweierlei  Werte  werden 
als  mit  den  obigen  S  Werten  übereinstimmend  angenommen 
werden  können,  wenn  man  voraussetzen  darf,  daß  im  Übrigen 
die  theoretische  Berechnung  der  Störungen  vollständig  war. 
Dies  triffb  bekanntlich  fttr  das  Merkurperihel  nicht  zu  und  es 
muß  die  große  Abweichung  zwischen  dem  empirischen  und 
theoretischen  Werte  der  Säkularveränderung  dieses  Elementes 
außer  Betracht  gelassen  werden.  Tut  man  dies,  so  ergeben 
sich  folgende  Werte: 

w;a,  =  0:00±0:i5;  Wy  =  0:03  +  0:i5;  tc;,  =  7:50  +  2:30 

zugleich  mit  den  mittleren  Fehlem,   welche  mit  den  Angaben 
Herrn  Andings  fast  vollkommen  übereinstimmen. 

Wie  man  auch  die  Zuverlässigkeit  der  Newcombschen 
Zahlen,  die  sehr  vergrößert  in  das  Resultat  eingehen,  beur- 
teilen mag  —  auch  hierin  wird  man  Herrn  Anding  beistimmen 
müssen  —  sicher  ist  es,  daß  das  empirische  System  der  Astro- 
nomie sich  im  Jahrhundert  um  mehrere  Bogensekunden  um 
ein  Inertialsystem  drehen  wird.  Daß  von  den  3  Drehkom- 
ponenten nur  Wz  merkbar  ist,  ist  durch  die  Art  der  Orien- 
tierung des  empirischen  Systems  von  selbst  erklärt. 

§5. 

Es  ist  hier  der  Ort,  ein  Hilfsmittel  zur  Sprache  zu  bringen, 
auf  das  seit  Laplace  oftmals  als  auf  ein  besonders  taugliches 
zu  ähnlichen  Betrachtungen,  wie  die  vorliegenden,  hingewiesen 
worden  ist.  Nennt  man  xyjs  die  Inertialkoordinaten  einer 
der  planetarischen  Massen,  so  gelten  die  3  Flächensätze: 


/    da  dy\ 

„     f    dx  djsi\ 

^     (    dy  dx\ 


(1) 


*«Ä^ 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         125 

worin  die  c  Konstante  sind.    Nimmt  man  ein  zweites  Koordinaten- 
system (t]C  mit  demselben  Anfang  und  setzt  man 


cos  (C,  x)  = 


cos  (C,  J^)  = 


cos  (f ,  y)  = 


fc?  +  (^  +  cJ 


V(^i  +  (ii+cl' 


so  ist  die  f  17  Ebene  die  Laplacesche  unveränderliche  Ebene. 
In  Bezug  auf  sie  hat  die  Konstante  der  Flächengeschwindig- 
keiten  den   größten  Wert,   den   sie   erreichen   kann,   nämlich 

V<i  +  ^  +  ^  und  in  Bezug  auf  jede  darauf  senkrechte  Ebene 
ist  sie  =  Null.  Aus  dieser  Bedeutung  der  unveränderlichen 
Ebene  folgen  gewisse  Vorteile  für  die  analytische  Behandlung 
von  Bewegungsproblemen,  wenn  man  diese  Ebene  zu  einer 
Koordinatenebene  wählt.  Da  sie  gegen  das  Inertialsystem  fest- 
liegt, so  kann  sie,  allerdings  nur  in  beschränktem  Umfange, 
zur  Orientierung  des  empirischen  Systems  gegen  ein  Inertial- 
system benutzt  werden.  Dazu  wird  man  die  zu  (1)  analogen 
Ausdrücke  fQr  die  Koordinaten  oc'y'z'  im  empirischen  System 
zu  bilden  haben.  Mit  den  Bezeichnungen  des  letzten  Artikels 
ergibt  sich  Folgendes:  Man  setze  zur  Abkürzung: 


^•m  (y»  +  0^)  =  Ä 
Um  (x*  +  y»)  =  (7 


Zmye  =  c 
Zmex  =  c' 
ümxy  =  c" 


(2) 


m 


Zm 


Dann  wird: 

y  dt  ^  dt) 

f y -^ -«' -j^ j  =<=c,+M',--4+«;,(fc,-0-«',-(^+0 


c\  =  C^+Wg{fCf-c')-Wg{tC^+c')-^W,-C 


„    (  .dx'      .de\ 


=  c\-  C^-Wgi(tC^-hC'')-\-Wp-B'HVa(tC^-c') 


(3) 


Die  durch  (2)  definierten  Ghrö&en  sind  mit  den  Umläufen 
der  Planeten  periodisch  veränderlich.    Man  wird  auch  hier  die 


126  Sitzung  der  math.-phy8.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

periodischen  Glieder  fortlassen  können,  da  sich  voraussichtlich 
nur  die  säkularen  Glieder,  die  eben  mit  der  Zeit  beliebig  groß 
werden  können,  als  bemerkbar  erweisen  werden.  Da  bekannt- 
lich die  3  Flächensätze  nicht  unabhängig  von  einander  sind, 
viehnehr  rein  formal  aus  zweien  der  dritte  folgt,  so  kann  man 
aus  (3),  wie  von  anfang  an  klar  war,  die  3  Rotationskom- 
ponenten Wgi  Wg  Wt  nicht  getrennt  bestimmen.  Abgesehen  hier- 
von hat  die  Verwendung  der  Flächensätze  bei  der  Orientierung 
des  empirischen  Systems  noch  andere  Bedenken.  Da  die  Planeten- 
massen als  Faktoren  in  den  Summen  erscheinen,  werden  die 
großen  Planeten  den  wesentlichen  Anteil  an  den  Summen  haben. 
Tatsächlich  erhält  man  schon  eine  sehr  angenährt  richtige 
Bestimmung  der  Lage  der  unveränderlichen  Ebene,  wenn  man 
außer  Jupiter  und  Saturn  alle  andern  Planeten  außer  Acht  läßt. 
In  der  Hauptsache  werden  die  linken  Seiten  von  (2)  also  nur 
durch  die  großen  Planeten  bestimmt  und  Merkur  z.  B.  hat 
nur  einen  kaum  bemerkbaren  Einfluß.  Darin  ist  auch  be- 
gründet, warum  die  Integrale  der  Flächensätze  eine  so  wenig 
wertvolle  und  durchgreifende  Prüfung  für  die  Richtigkeit  der 
Planetentheorien  abgeben.  Da  die  Genauigkeit  in  den  von 
den  großen  Planeten  herrührenden  Gliedern  sich  nicht  in  ent- 
sprechendem Grade  erreichen  läßt,  könnte  die  Bewegung  von 
Merkur  und  Venus  total  verfehlt  berechnet  sein  und  doch  würde 
dadurch  die  Lage  der  unveränderlichen  Ebene  oder  was  das- 
selbe ist,  die  Größen  c,  c,  c^  sich  als  konstant  erweisen. 

Eine  Eigentümlichkeit  besitzen  bekanntlich  die  Integralo 
der  Flächensätze,  die  in  manchen  Fällen  von  Bedeutung  sein 
kann.  Sie  gelten  nämlich  für  allerlei  Artcfn  innerer  Kräfte. 
Die  Eonstanten  c^  c^  c^  ändern  sich  nicht,  wenn  das  Newtonsche 
Gesetz  nicht  zutreffen  oder  wenn  plötzlich  an  seine  Stelle  ein 
anderes  Gesetz  wirksam  werden  sollte,  sie  bleiben  ungeändert 
bei  Explosionen,  Zusammenstößen  etc.  Auf  diese  Weise  sind 
sie  überhaupt  keine  Kontrolle  für  die  Planetenbewegungen, 
die  für  jeden  einzelnen  Planeten  dem  Newtonschen  Gesetz  ge- 
mäß erfolgen  und  den  Beobachtungen  entsprechend  dargestellt 
werden  sollen. 


H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         127 

Die  Bedeutung  der  unveränderlichen  Ebene  scheint  dem- 
nach in  mechanischer  Beziehung  eine  sehr  geringe  zu  sein  und 
es  dürfte  sich  kaum  lohnen,  ihre  Lage  im  empirischen  System 
mit  grofier  Genauigkeit  zu  bestimmen.  Wenn  dies  aber  unter- 
nommen wird,  dann  muß  man  nicht  nur  alle  Mitglieder  des 
Sonnensystems,  also  auch  die  Trabanten,  mit  einbegreifen,  was 
auch  gewöhnlich  geschieht,  sondern  man  darf  auch  nicht  ver- 
säumen, wie  Poinsot^)  zuerst  bemerkt  hat,  die  Rotationen  der 
Sonne  und  der  Planeten  zu  berücksichtigen.  Man  überzeugt 
sich  leicht,  daß  die  Rotationsmomente  der  großen  Planeten 
von  demselben  Range  sind,  wie  der  Anteil  des  Merkur  und 
daß  die  Rotation  der  Sonne  die  Lage  der  unveränderlichen 
Ebene  durchaus  nicht  unmerklich  verändert.  Tatsächlich  sind 
aber  die  Summen  (1)  nur  konstant,  wenn  nicht  nur  alle  Massen 
im  Planetensystem,  sondern  auch  ihre  vollen  Geschwindigkeits- 
komponenten eingesetzt  werden.  Auf  diesen  Punkt  hat  Poinsot 
besonderen  Nachdruck  gelegt  und  daran  sehr  weitgehende  Aus- 
sichten geknüpft,  die  mathematisch  zwar  wohlbegründet  sind, 
sich  aber  tatsächlich  niemals  werden  realisieren  lassen.  Bildet 
man  nämlich  die  Summen  (1),  so  erscheinen  links  die  Massen 
als  Faktoren,  femer  die  Trägheitsmomente  der  Planeten  in 
Bezug  auf  zu  den  x  y  z  parallele  und  durch  den  Schwerpunkt 
eines  jeden  Planeten  gehende  Achsen,  multipliziert  mit  den 
Komponenten  der  Rotationsgeschwindigkeit.  Die  Summen  dieser 
Ausdrücke  müssen  konstant  sein  und  wenn  man  nun  zu  ver- 
schiedenen Zeitepochen  die  Koordinaten  der  Schwerpunkte  und 
ihre  Geschwindigkeiten,  ferner  die  Lagen  der  Rotationsachsen 
und  die  Rotationsgeschwindigkeiten  um  sie  bestimmt,  so  könnte 
man  hieraus  sowohl  die  Massen  als  auch  die  Trägheitsmomente 
ableiten.  Diese  Aussicht  ist  allerdings  verlockend  und  sie  wurde 
auch  von  Poinsot  mit  großer  Wärme  besprochen.  Daß  sie  aber 
trotzdem  eine  nicht  realisierbare  Utopie  ist,  auch  abgesehen 
von   der  Nichtkoinzidenz   des  empirischen  Systems   mit  einem 


^)  L.  Poinsot,  Memoire  sur  la  theorie  et  la  determination  de 
requateur  du  Systeme  solaire.  Addition  zu  den  «^^mens  de  Statique*! 
Paris  1880. 


128  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Inertialsystem,  braucht  kaum  bemerkt  zu  werden.  Die  er- 
forderliche Genauigkeit  —  eine  genügende  Variation  in  den 
Koef6zienten  selbst  vorausgesetzt  —  wird  niemals  zu  erreichen 
sein,  selbst  wenn  sich  die  praktische  Astronomie  in  ganz  un- 
geahnter Weise  entwickeln  sollte. 

§6. 

Zum  Schluß  sollen  noch  einige  Bemerkungen  über  den 
Zusammenhang  gemacht  werden,  in  dem  die  Eigenbewegungen 
der  Fixsterne  mit  den  hier  besprochenen  Fragen  stehen.  Ich 
werde  mich  indessen  auf  das  Nötigste  beschränken,  da  ich  bald 
Gelegenheit  zu  finden  hoffe,  auf  einige  der  zu  berührenden 
Punkte  näher  einzugehen. 

Wählt  man  den  Schwerpunkt  des  Sonnensystems  zum 
Anfang  eines  Koordinatensystems  f,  rj,  Ci  das  wir  nach  den 
früheren  Betrachtungen  als  ein  Inertialsystem  ansehen  können 
und  ein  empirisches  System  ^' rj' C'  n^it  demselben  Anfang, 
welches  etwa  nach  dem  Äquator  orientiert  ist,  so  ist 

f '  =  ^  cos  d  sin  a 
t]'  ^==  Q  cos  i  sin a 
C  =  ^  sin  d 

wo  a  und  d  beobachtete  Bektaszension  und  Deklination,  q  die 
Entfernung  eines  Fixsterns  bedeuten.  Durch  Differentiation 
ergeben  sich  die  viel  benutzten  Gleichungen: 


Qdd  =  —  df  sind  cos a-f-  diy' sind  cos a-j-  df'cosd 
Q cos d  •  da  =s  —  dS'  sina  +  dtj'  cos a 

dg  ^=s  —  dS' cosd  cosa  +  drj'  cosdsina  -(-  df'sind. 


(1) 


Nimmt  man  nun  ein  zweites  System  xy/s,  dessen  Achsen 
mit  den  S,  rj,  C  parallel  laufen  und  dessen  Anfang  zunächst 
unbestimmt  bleiben  mag,  so  wird: 

f  =  a;  —  a,      tj  =  y  —  b,     ^  =  i8  —  c  (2) 

wo  abc  die  Koordinaten  des  Schwerpunkts  des  Planetensystems 
oder  mit  genügender  Annäherung  die  Sonnenkoordinaten  sind. 


^-  ^r^x 


rff 

=  dx  — 

■  da- 

-dr- 

ri'  -^  dc[' 

•  ri 

df]- 

=  dy- 

dh- 

—  dp 

■  r  +  dr• 

r 

dC 

=  de- 

-dc- 

—  dq- 

■  f '  +  d/)  • 

v' 

H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         129 

Man  hat  nun  weiter,  indem  gegen  früher  nur  r  statt  r^ 
gesetzt  wird: 

Mit  Ausnahme  yielleicht  von  einzelnen  sehr  stark  bewegten 
Sternen  wird  man  rdrj',  qdC  etc.  gegenüber  den  anderen 
Gliedern,  die  durch  Differentiation  entstehen,  für  sehr  lange 
Zeiträume  vernachlässigen  können.     Dann  ergibt  sich 


(3) 


Denkt  man  sich  (3)  in  (1)  eingesetzt,  so  erhält  man 
Gleichungen,  von  denen  ein  spezieller  Fall  bei  den  so  viel- 
fach ausgeführten  Untersuchungen  über  die  Bewegung  des 
Sonnensystems  gewöhnlich  benutzt  wird.  Es  sollen  nun  nur 
solche  dx,  dy,  de  betrachtet  werden,  die  aus  einer  Rotation 
um  eine  beliebige  durch  den  Anfang  gehende  Achse  mit  be- 
liebiger Rotationsgeschwindigkeit  entstehen.  Demgemäß  soll 
gesetzt  werden 

dx  =  zw^  —  yw^ 

dy  =  xw^  —  J^!lv^ 

dz  =  yw^  — xw^ 

Dabei  sollen  die  Rotationskomponenten  w^  w^  w^  als  be- 
liebige Funktionen  des  Orts  angesehen  werden.  Dann  wäre 
der  allgemeinste  Fall,  in  dem  den  rechten  Seiten  der  letzten 
Gleichungen  noch  etwa  die  Größen  >l,  /x,  v  hinzuzufügen  wären, 
ebenso  leicht  zu  behandeln,  denn  man  hätte  im  folgenden 
nur  da,  db,  de  durch  da  —  X,  db — yu,  de  —  v  zu  ersetzen. 
Doch  soll  hier  davon  Abstand  genommen  werden.  Noch  ist 
zu  bemerken,  daß  w^  w^  w^  Rechtsdrehungen  bedeuten,  wenn 
das  Koordinatensystem  xyjs  ein  rechtsdrehendes  ist. 

Führt  man  noch  die  Polarkoordinaten  Ä  und  D  desjenigen 
Punktes  ein,  nach  welchem  die  Bewegung  des  Sonnensystems 

1906.  Sitsangsb.  d.  nuah.-phj«.  KL  9 


130         Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

im   Inertialsystem   xyz   erfolgt    und   h   die  Weglänge    dieser 
Bewegung  in  einer  sehr  kleinen  Zeit,  so  wird 

da  =  h  cos  D  cos  A 
db  =  h  cos  D  sin  Ä 
de  =  Ä  sin  D 

Setzt  man   dies   in  (3)   und   darauf  die  Werte  (3)  in  (1) 
ein,  so  ergibt  sich  folgendes.     Bezeichnet  man: 

AcosDcos-4  4-  bw^  —  cw^  =  X^ 


hcosUcosA  -f  öw^  —  cw^  =  A^  ^ 
h  cos  D  sin  Ä-^  cw^  —  a  w^  =  F^  > 
Ä  sin  Z)  -\-  aw^  —  bw^=  Zq) 


(4) 


so  findet  man  schließlich: 

gdd  =^  X^sind  cosa  -j"  I^o^^^^  ^^^^  —  ZqCOSÖ 
+  (di>  +  «;,)  ^  sin a  —  (ßq  -\-  w^)  gcosa  -^  /iq 

Q  cos d'da  =  X^sina  —  Yq  cos d  —  (dp  +  w^) g sin d  cos a  \    (I) 
—  (^9'  +  ^%)  Q  sin  d  sin  a  +  ß  cos  d  »  (dr  -\-  w^) 
dg  =  —  Xq  cos d  cos a  —  Yq  cos  d  sin a  —  Z^  sin S 

In  diesen  allgemeinen  Gleichungen  ist  durch  die  Be- 
ziehung auf  das  Inertialsystem  schon  eine  Präzessionskorrektion 
enthalten.  Das  in  der  ersten  Gleichung  hinzugefügte  Glied  jtig 
bedeutet  etwaige  Korrektionen  der  zur  Ableitung  der  Eigen- 
bewegungen in  d  benutzten  Deklinationssysteme,  während  eine 
etwaige  Verbesserung  der  Äquinoktien  als  in  dr  +  w^  enthalten 
betrachtet  werden  kann. 

Da  die  w^  w^  w^  unbekannte  Funktionen  von  a,  d  und  g 
sind,  so  erlaubt  I  gar  keinen  Schluß  auf  den  Apex  der 
Sonnenbewegung;  auch  darf  man  nicht  übersehen,  daß  die 
Fixstementfemung  g  im  allgemeinen  unbekannt  ist.  Was  man 
bisher  über  die  Eigenbewegungen  da  und  dd  in  Erfahrung 
gebracht  hat  —  in  Bezug  auf  die  spektroskopisch  bestimmten 
dg  berechtigt  die  allzu  lückenhafte  Erfahrung  kaum  zu  irgend 
einer  Aussage  — ,  zeigt,  daß  sie  für  die  einzelnen  Sterne  stark 
und  anscheinend  regellos  hin-  und  herschwanken.  Allgemeinere 
Gesetze  werden  sich  demgemäß  nur  in  Mittelwerten  für  sehr 


H.  Seeliger:  Ober  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         131 

viele  Sterne  zeigen  können  und  man  wird  nur  in  solchen  Mittel- 
werten eine  Abhängigkeit  vom  Ort  erkennen.  Die  Gleichungen  I 
sind  dann  so  zu  verstehen,  daß  die  w^  tv^  tv^  diese  den  Mittel- 
werten entsprechenden  Funktionen  bedeuten.  Man  wird  also 
für  jeden  Stern  den  Gleichungen  eine  Größe  A  hinzufügen 
müssen,  die  dem  Stern  individuell  zugehört  und  als  ein  Fehler, 
in  der  einfachsten  Annahme  von  zufälliger  Art,  zu  behandeln  ist. 

Die  weitere  Behandlung  von  /  ist  natürlich  nur  möglich, 
wenn  über  die  Funktionen  w,  zum  mindesten  was  ihre  Form 
betrifll,  Hypothesen  gemacht  werden.  Diese  Hypothesen  be- 
stimmen in  Verbindung  mit  der  Art  der  Ausgleichung,  der 
Verteilung  der  Sterne  etc.,  das  Koordinatensystem  xyjs^  In- 
folge dessen  kann  man  nicht  immer  behaupten,  daß  die  Re- 
sultate für  verschiedene  Stemklassen  z.  B.  für  solche  von  ver- 
schiedenen Helligkeiten,  sich  auf  dasselbe  Koordinatensystem 
beziehen,  in  manchen  Fällen  wird  man  eine  solche  Annahme 
sogar  als  sehr  unwahrscheinlich  erkennen.  Hierdurch  und 
noch  durch  andere  Umstände  stellen  sich  einer  einwandfreien 
Interpretation  der  Resultate  über  die  Bestimmung  des  Apex 
der  Sonnenbewegung  große,  fast  unüberwindliche  Hindernisse 
entgegen,  worauf  hier  umsoweniger  eingegangen  werden  soll, 
ab  Herr  Anding^)  darüber  sehr  eingreifende  wichtige  Unter- 
suchungen angestellt  hat. 

Gewöhnlich  wird  nun  die  Annahme  u\  ^=  w^^^w^  =^  0 
gemacht  und  außerdem  dp  =  0  gesetzt.  Dann  kann  man 
auch  dr  und  dq  als  Verbesserung  der  Präzessionskonstanten  m 
und  n  betrachten,  so  daß 

Am  =  dr;   An  =  —  dq 

Diese  beiden  Größen  stellen  bekanntlich  nur  eine  Unbe- 
kannte dar,  wenn  die  Planetenpräzession  und  die  Korrektion 
der  Äquinoktien  als  genügend  genau  bekannt  angesehen  werden 
dürfen. 


1)  E.  Anding,  Kritische  ünterrochungen  über  die  Bewegung   der 
Sonne  im  Welträume.    München  1901. 

9* 


132  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Die  auf  solche  Weise  spezialisierten  Oleichungen  I  sind 
außerordentlich  oft  und  zwar  mit  Benützung  sehr  verschieden- 
artigen Materials  numerisch  verwendet  worden.  Auch  wenn  nicht 
gerade  nach  diesen  unter  dem  Namen  der  Airyschen  Formeln 
bekannten  Vorschriften  gerechnet  worden  ist,  wurden  doch 
fast  immer  ganz  ähnliche  Annahmen  gemacht,  die  im  Wesent- 
lichen darauf  hinauslaufen,  daß  es  Koordinatensystem  ^y^e^  mit 
zu  Inertialachsen  parallelen  Achsenrichtungen  gibt,  für  welche 
sich  die  Bewegungen  dXj  dy^  dz  im  Mittel  aus  einer  größeren 
oder  kleineren  Anzahl  von  Sternen  genommen,  vollständig 
kompensieren.  Auf  das  rein  hypothetische  und  nicht  sehr 
wahrscheinliche  dieser  Annahme  wurde  nachdrücklich  von 
Anding,  Kobold,^)  Stumpe*)  und  mir  hingewiesen.  Eine  Be- 
rechtigung zu  dieser  Annahme  läßt  sich  nur  aus  dem  Erfolge 
ableiten  und  dieser  Erfolg  wird  weiter  nur  dadurch  konstatiert, 
daß  die  so  verschiedenartigen  Berechnungen  meistens  zu  nicht 
gerade  abnorm  abweichenden  Werten  für  die  Koordinaten  A 
und  D  des  Apex  geführt  haben.  Daraus  wird  man  aller- 
dings vielleicht  schließen  dürfen,  daß  die  gemachte  Annahme 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  wirklichen  Verhältnisse  dar- 
stellt. Indessen  muß  andererseits  konstatiert  werden,  daß  sich 
fast  alle  Ableitungen  nur  auf  die  im  Mittel  uns  näheren  Fix- 
sterne beziehen  und  daß  andere  Annahmen  noch  nicht  ver- 
folgt worden  sind.  Es  ist  also  nicht  zu  leugnen,  daß  sich 
demnach  fast  alle  vorliegenden  Untersuchungen  mit  großer  Ein- 
seitigkeit nach  einer  Richtung  nur  erstrecken.  Außerdem  haben 
sich  aber  auch  auf  diesem  Wege  Ergebnisse  eingestellt,  die 
bei  der  Interpretation  der  gefundenen  Zahlen  zur  Vorsicht 
mahnen.  Es  sei  hier  nur  ein  solches  vor  kurzem  gefundenes 
Ergebnis  mitgeteilt.  Die  Herren  Dyson  und  Thackeray*)  haben 
durch  Vergleichung  des  neu  reduzierten  öroombridge  Katalogs 
mit  neueren  Greenwicher  Beobachtungen  Eigenbewegungen  ab- 


^)  Astron.  Nachrichten,  No.  3284. 
')  Astron.  Nachrichten,  Nr.  3348. 
•)  Monthly  notices.    LXV. 


■  r»«=?  w^ 


Sterng^fie 

Anzahl 

A 

1     4.9 

200 

244« 

5.0     5.9 

454 

268« 

6.0—6.9 

1003 

278« 

7.0     7.9 

1239 

280« 

8.0     8.9 

811 

272« 

H.  Seeliger:  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         133 

geleitet  und  aus  ihnen  mit  den  sogenannten  Airyschen  Formeln 
den  Sonnenapex  bestimmt,  indem  sie  den  fiir  gleiche  Flächen 
am  Himmel  gebildeten  Mitteln  der  Eigenbewegungen  gleiche  Ge- 
wichte geben  und  den  innerhalb  gewisser  Größenklassen  liegen- 
den Sternen   dieselbe  Entfernung   zuerteilen.     So  ergab  sich^) 

B 

+  15« 
+  27 
+  33 
+  38Va 
+  43 

Hier  stellt  sich  mit  zunehmender  Sterngröße  eine  sehr 
deutliche  und  bedeutende  Vergrößerung  von  D  dar.  Ahnliches 
hat  übrigens  schon  Stumpe  gefunden.  Der  Umstand,  daß  der 
Qroombridge  Katalog  nur  Sterne,  deren  b  >  38®  ist,  enthält, 
wird  yielleicht  von  Einfluß  gewesen  sein,  indessen  ist  es  nicht 
wahrscheinlich,  daß  hierdurch  alles  erklärt  wird. 

Formell  nicht  sehr  verschieden  von  der  Annahme  w^j  = 
M?^  =  K?j  =  0,  aber  allgemeiner,  ist  die  Annahme,  daß  die  %v 
Konstanten  sind.  An  sich  ist  es  von  vornherein  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  in  den  Mittelwerten,  als  Rest  gewissermaßen, 
eine  Rotation  übrig  bleibt  und  man  wird  nur  über  die  even- 
tuelle Bemerkbarkeit  dieser  Rotation  verschiedener  Meinung 
sein  können.  Die  Frage,  ob  dieses  konstante  Rotationsglied 
den  Hauptteil  des  systematischen  Verlaufs  in  den  Bewegungen 
der  Fixsterne  gegen  ein  System  x  y  z  wiedergibt,  mag  hier 
unerörtert  bleiben.  Wahrscheinlich  ist  dies  nicht  der  Fall. 
Zuerst  hat  wohl  E.  Schönfeld  ^)  darauf  aufinerksam  gemacht, 
daß  es  sich  empfehlen  dürfte,  auf  eine  solche  Rotation  des 
Fixstemhimmels  Rücksicht  zu  nehmen.  Leider  hat  er  sich 
durch  einen  Fehlschluß  —  der  übrigens  seine  Formeln,  welche 


^)  Für  die  hellsten  Sterne  sind  die  a.  a.  0.  gegebenen  Zahlen  durch 
irgend  welche  Druck  oder  Schreibfehler  entstellt.  Ich  habe  die  Zahlen 
for  X  YZ  als  richtig  angewiesen. 

<)  Viertelljahrschrift  der  Astron.  Gesellschaft  XVIL   S.  355  ff. 


134  Sitzung  der  maih.-phjs.  Klasse  Tom  3.  Februar  1906. 

in  den  einfacher  gestalteten  Formeln  I  inbegriffen  sind,  nicht 
beeinträchtigt  hat  —  verleiten  lassen,  sofort  eine  Spezialisierung 
zu  empfehlen,  die  bisher,  soviel  ich  weiß,  nicht  beanstandet 
worden  ist.  Die  Vermutung,  daß  die  Bewegungen  der  Fix- 
sterne irgend  eine  Beziehung  zur  Milchstraße  zeigen  müssen, 
ist  gewiß  berechtigt,  wenn  man  auch  gegenwärtig  positive 
Angaben  in  dieser  Richtung  nicht  machen  kann.  Schönfeld 
sagt  nun  weiter:  „Die  Beziehungen  der  mittleren  Bewegungen 
(zur  Milchstraße)  können  in  mehrfacher  Weise  gedacht  werden. 
Am  nächsten  liegt  aber  die  Annahme,  daß  die  Bewegungen 
in  Ebenen  erfolgen,  deren  Neigungen  gegen  die  Milchstraße 
klein  sind  und  demgemäß  in  Richtungen,  welche  nahezu  unter 
sich  und  der  Milchstraße  selbst  parallel  sind.  Ohne  Annahme 
einer  solchen  Rotation  in  der  Ebene  der  Milchstraße,  wie 
J.  Herschel  sie  nennt,  ist  es  kaum  möglich,  das  Bestehen  der 
sichtbaren  Milchstraße  zu  erklären:  dieselbe  müßte  sich  mit 
fortschreitender  Zeit  auflösen  und  es  wäre  eigentlich  ein  Zu- 
fall, daß  wir  gerade  zu  einer  Zeit  leben,  in  der  dies  noch  nicht 
stattgefunden  hat.*  Daraus  glaubte  Schönfeld  schließen  zu 
müssen,  daß  eine  etwaige  gemeinschaftliche  Drehung  aller 
Sterne  nur  annähernd  um  eine  Achse  erfolgen  könne,  die 
senkrecht  auf  der  Ebene  der  Milchstraße  stände.  Es  ist  aber 
nicht  einzusehen,  wie  eine  solche  gemeinschaftliche  Drehung, 
die  also  als  Rest  der  Mittelwerte  der  Bewegungen  bestehen 
bleibt,  ein  Zerfallen  der  Milchstraße  erzeugen  soll.  Der  ganze 
Fixsternhimmel,  und  mit  ihm  auch  die  Milchstraße,  dreht  sich 
wie  ein  starrer  Körper  —  das  sagen  auch  die  Formeln  Schön- 
felds aus  —  es  könnten  nur  eventuell  parallaktische  Verschie- 
bungen, wenn  das  Sonnensystem  an  der  Rotation  nicht  Teil 
nimmt,  stattfinden.  In  jedem  Falle  ist  dieses  Argument  Schön- 
felds nicht  geeignet,  die  Wahl  der  Rotationsachse  irgendwie 
zu  beschränken.  Wenn  nicht  ganz  andere  Gesichtspunkte 
namhaft  gemacht  werden,  ist  jede  Wahl  gleich  wahrscheinlich 
und  zulässig.  Leider  haben  mehrere  Rechner,  welche  also  die 
Formeln  I  mit  konstanten  w^  w^  u\  anwandten,  nur  die  Schön- 
feldschen  Annahmen  benutzt  und  weiter  verfolgt. 


H.  Seeliger:   Ober  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         185 


Indessen  erlauben  die  Rechnungen  L.  Struves^),  der  die 
Ausgleichung  im  allgemeinen  Falle  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  durchgeführt  hat  ohne  neue  Rechnungen  manches  in 
dieser  Richtung  auszusagen.  Die  Arbeiten  L.  Struye  gehören 
überhaupt  zu  den  besten  auf  diesem  Gebiete,  weil  sie  die 
Grundlagen  der  Rechnung  mit  Klarheit  und  Deutlichkeit  her- 
vortreten lassen  und  auch  nicht  den  Versuch  machen,  kleine 
Widersprüche,  die  an  sich  ja  eigentlich  selbstverständlich  auf- 
treten müssen,  durch  gekünstelte  Annahmen  wegzuschaffen. 

Danach  findet  er  für  die  Bradleyschen  Sterne,  wobei  er  aller- 
dings für  die  q  gewisse  hypothetische  Werte  angenommen  hat, 
in  der  hier  benutzten  Bezeichnungs weise: 

1.  Aus  den  Rektaszensionen : 


dr  +  w^  =  —  2:725 
dj?  +  u;,  =  —  0.037 
dg  +  i(7,  =  —  1.368 

2.  aus  den  Deklinationen: 


^0  = 


—  0:493 

—  4.386 


dp  +  w^  =  +  0:408 
dq  +  w^  =  +  1.090 


cco  =  +  0:206 
yo  =  —  3.284 
/^o=  +  2.033 

Die  Übereinstinmiung  der  doppelt  bestimmten  Werte  ist 
keine  gute.  Indessen  sind,  wie  L.  Struve  in  einer  zweiten  Ab- 
handlung erwähnt,  noch  einige  Korrektionen  anzubringen.  Zu- 
erst erfordert  die  von  ihm  benutzte  Planetenpräzession  (2A,  um 
sie  mit  den  neuesten  Werten  in  Übereinstimmung  zu  bringen, 
die  Korrektion  —  0:81  und  eine  Verbesserung  des  Äquinoktiums 
im  Betrage  von  -j"  i:62,  so  daß  die  beobachteten  da  die 
Gesamtkorrektion  -|-  0:81  zu  erhalten  haben.  Dasselbe  wird 
erreicht,  wenn  man 

rfr  +  w,  =  —  2:725  +  0:81  =  —  1:92 

0  

annimmt.    Eine  Ausgleichung  der  Rektaszensionen  und  Dekli- 


*)  L.  Struve,  Bestimmung  der  Konstante  der  Pr&zession.   8t.  Peters- 
burg 1887  und  in  Astron.  Nachrichten,  Nr.  3729—30. 


136  Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  13.  Januar  1906. 

nationen  zusammen  hat  leider  L.  Struve  nicht  im  allgemeinen 
FaU  ausgeführt.  Da  es  sich  hier  nur  um  ungefähre  Ab- 
Abschätzungen handelt,  habe  ich  mich  damit  begnügt,  die 
doppelt  bestimmten  Werte  nach  Maßgabe  der  aus  den  m.  F. 
folgenden  Gewichte  überschlagsweise  zu  vereinigen.  So  er- 
gibt sich 

dp  +  w^  =  -\-  0:34 

dq  +  w^  =  '\-  0.87 

dr  -\-w^  =  —  1:92 

Diese  Rotationskomponenten  beziehen  sich  auf  das  nach 
dem  Äquator  orientierte  Koordinatensystem.  In  Bezug  auf  die 
Ekliptik,  wo  also,  wie  früher  die  a^-Achse  nach  dem  Widder- 
punkt, die  y-Achse  nach  +  90*^  Länge  und  die  -8^-Achse  nach 
Norden  zeigt,  findet  man,  wenn  e  die  Schiefe  bedeutet: 

Q^  =  w,  +  djp  =  +  0:34 

fij  =  (w'j  -f  ^Q)  cos  e  +  {w^  +  dr)  sin  c  =  +  0r04 

ßj  =  —  {w^  +  dq)  sin  c  +  (w'j  +  dr)  cos  c  =?  —  2ril 

Mehr  läßt  sich  aus  den  Eigenbewegungen  der  Bradleyschen 
Sterne  nicht  schließen,  denn  man  kann  selbstverständlich  die 
Rotation  des  Fixsternsystems  von  der  Drehung  des  Inertial- 
systems  gegen  das  empirische  nicht  trennen.  Nimmt  man  aber 
die  oben  angegebenen  Werte  für  die  Drehkomponenten  des 
Inertialsystems 

Q^  =  o:oo;    ßy  =  +  0:03;    ß,  =  +  7:50 

so    werden    die    Drehkomponenten    des    Fixsternsystems    ß',, 

fi',  =   +  0:34,  _ 

ß'^  =  +  o:oi      ^^'~    ^•^^• 

Man  wird  wohl  kaum  behaupten  können,  daß  diese  Zahlen 
den  Betrag  der  Drehung  des  Inertialsystems  Qz  =  7r50,  wie 
ihn  die  säkularen  Veränderungen  der  inneren  Planetenbahnen 
ergaben,  besonders  wahrscheinlich  macht.  Denn  es  ist,  trotz 
der  speziellen  Annahmen,  die  gemacht  worden  sind,  immerhin 


ß^.'44p^mm 


H.  Seeliger:   Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.         137 


verdächtig,  daß  eine  Drehung  des  Fixstemhimmek  hervorgeht, 
deren  Achse  sehr  nahe  senkrecht  zur  Ekliptik  steht,  die  doch 
in  keiner  Weise  eine  Beziehung  zum  Fixstemsystem  zu  haben 
scheint. 

Die  vorstehenden  Bemerkungen  sind  natürlich  nur  Ansätze 
zu  Betrachtungen,  die  zum  Teil  erst  in  der  Zukunft  werden  weiter- 
geführt werden  können.  Namentlich  wird,  wie  schon  bemerkt, 
die  Ableitung  und  Benutzung  der  Eigenbewegung  entfernter 
Sterne  von  großer  Bedeutung  werden.  Die  Konstanz  der  Dreh- 
komponenten w  ist  bisher  nichts  als  eine  ganz  willkürliche 
Annahme.  Andererseits  mögen  bei  den  Säkularveränderungen 
der  Planetenbahnen  noch  rein  mechanische  Vorgänge  vorliegen, 
deren  Einwirkung  bisher  nicht  berücksichtigt  worden  ist,  wie 
dies  ohne  Zweifel  bei  der  Bewegung  des  Merkurperihels  der 
Fall  ist.  Wir  werden  nach  alle  dem  wohl  mit  einiger  Sicher- 
heit den  Satz  aussprechen  dürfen,  daß  sich  das  im  Gebrauch 
befindliche  astronomische  empirische  Koordinaten- 
system nicht  um  mehr  als  um  einige  und  wahrschein- 
lich ganz  wenige  Bogensekunden  im  Jahrhundert  um 
ein  Inertialsystem  drehen  kann. 


139 


Die  südbayerische  Dreieckskette, 

eine  neue  Verbindang  der  altbayerisohen  Grundlinie  bei  Manchen 
mit  der  österreichischen  Triangaliernng  bei  Salzburg  und  der  Basis 

von  Oberbergheim  bei  Strassburg. 

Von  Dr.  M.  Schmidt. 

(Singtlaufen  8.  Ftibmar.) 
(Mit  Tafel  L) 

Im  Herbst  des  Jahres  1801  ist  unter  der  Oberleitung  des 
französischen  Oberst  Bonne  und  unter  Mitwirkung  französischer 
und  bayerischer  Offiziere  und  Topographen  zwischen  München 
und  Aufkirchen  bei  Erding  die  Messung  einer  Grundlinie  aus- 
geführt worden,  die  zu  den  längsten  jemals  gemessenen  Grund- 
linien gehört  und  den  Zwecken  einer  von  der  Kurfürstlichen 
Bayerischen  Regierung  angeordneten  Landestriangulierung diente. 
Durch  ein  das  ganze  Land  überspannendes  Netz  großer  Drei- 
ecke wurde  zugleich  die  Grundlage  einer  auf  22  Blätter  in 
1 :  100000  berechneten  kartographischen  Darstellung  des  Landes 
geschaffen,  die  später  durch  französische  Kartographen  bis  auf 
einige  unvollendet  gebliebene  Blätter  in  Kupferstich  ausge- 
arbeitet und  unter  dem  Titel  „Carte  de  la  Bavi^re  au  1 :  100000 
17  feuilles  en  noir  et  1  tableau  d'assemblage,  gravure  sur  cuivre* 
unter  den  Kartenwerken  des  Service  g^ographique  de  Tarra^e 
fran^aise  in  Paris  im  Jahre  1810  veröffentlicht  wurde. 

Diese  oberbayerische  Grundlinie,  deren  Messung  leider  nur 
einmal  erfolgte,  hat  neue  Wichtigkeit  und  erhöhte  Bedeutung 
bekommen,  als  im  Jahre  1807  eine  Grundsteuervermessung  in 
Bayern  in  Angriff  genommen  und  die  Landestriangulierung  bis 
an  die  erweiterten  Grenzen  des  Königreiches  und  auf  die  Rhein- 
pfalz ausgedehnt  wurde.  In  Verbindung  mit  zwei  weiteren,  im 
Jahre  1807  zwischen  Erlangen  und  Nürnberg  und  im  Jahre  1819 


140  Sitzung  der  maih.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

im  Rbeintale  bei  Speyer  gemessenen  Grundlinien  ist  die  alt- 
bayerische Basis  für  alle  seitdem  in  Bayern  für  wissenschaft- 
liche, staatswirtschaftliche  und  topographische  Zwecke  ausge- 
führte Vermessungsarbeiten  von  grundlegender  Bedeutung  ge- 
worden und  hat  dabei  den  strengsten  Genauigkeitsforderungen 
Genüge  leisten  müssen. 

Die  auf  den  Meeresspiegel  reduzierte  Länge  der  zwischen 
den  versteinten  Endpunkten  unmittelbar  gemessenen  Strecke 
der  Grundlinie  ist  in  dem  im  Jahre  1873  erschienenen  amt- 
lichen Werke  «Die  bayerische  Landesvermessung*  mit 
Berücksichtigung  aller  nötigen  Verbesserungen  auf  21 653,75  m 
und  der  durch  trigonometrische  Berechnung  daraus  abgeleitete 
Abstand  der  beiden  Turmspitzen  von  München  und  Aufkirchen 
auf  28497,10  m  festgestellt  worden. 

Am  gleichen  Orte  finden  sich  auch  Angaben  über  den  Grad 
der  Genauigkeit  der  in  Bayern  ausgeführten  Basismessungen. 
Dieselben  sind  durch  Vergleichung  je  zweier  Werte  einiger 
Hauptdreiecksseiten  gewonnen  worden,  die  aus  verschiedenen 
Grundlinien  berechnet  sind.  Die  Unterschiede  sind  gering  und 
betragen  beispielsweise  für  die  aus  der  Münchener  und  Nürn- 
berger Grundlinie  abgeleitete  Größe  der  29,7  km  langen  Seite 
St.  Johann — Hohenstein  67  nun  pro  km  und  bei  der  69,4  km 
langen  Seite  Hohenstein — Wülzburg  42  mm  pro  km. 

Einen  Vergleich  der  vor  mehr  als  100  Jahren  ausgeführten 
Messung  der  altbayerischen  Grundlinie  mit  neueren  Basis- 
messungen, bei  welchen  vollkommenere  Apparate  und  genauere 
Meßmethoden  Verwendung  fanden,  erhält  man  mittelst  einer  in 
den  Jahren  1901  bis  1904  auf  dem  48.  Breiten  parallel  in  Süd- 
bayem  hergestellten  Hauptdreieckskette.    (Tafel  I.) 

Dieselbe  schließt  sich  im  Westen  an  die  im  Jahre  1892 
von  E.  Hammer  bearbeitete  »Triangulierung  zur  Verbindung 
des  rheinischen  Netzes  mit  dem  bayerischen  Hauptdreiecks- 
netz'^  an  und  erstreckt  sich  in  östlicher  Richtung  bis  in  die 
Gegend  von  Salzburg,  woselbst  sie  mit  den  durch  das  K.  und 
K.  Militargeographische  Institut  in  Wien  gemessenen  Dreiecken 
verbunden  ist. 


M.  Schmidt:  Die  südbayerische  Dreieckskette.  141 

Durch  die  beiden,  den  südlichen  Teil  von  Oberbayem, 
Schwaben  und  Württemberg  durchziehenden  Dreiecksketten 
wird  auf  dem  kürzesten  Wege  eine  Verbindung  der  altbaye- 
rischen Grundlinie  bei  München  mit  der  von  der  K.  preußischen 
Landesaufnahme  in  der  Gegend  von  Straiaburg  bei  Oberberg- 
heim gemessenen  Basis  hergestellt. 

Die  neue  südbayerische  Dreieckskette  ist  mit  ausgiebiger 
Benützung  älterer  Hauptdreieckspunkte  der  ursprünglichen 
bayerischen  Landestriangulierung  entworfen.  Von  den  zu  An- 
fang des  XIX.  Jahrhunderts  auf  den  jetzt  wiederbenützten 
Punkten  ausgeführten  Winkelmessungen,  die  in  dem  Werke 
,.Die  bayerische  Landesvermessung''  veröffentlicht  sind,  konnten 
jedoch  nur  jene  der  Stationen  StauflFersberg,  Altomünster  und 
Aufkirchen  als  den  heutigen  Genauigkeitsforderungen  ent- 
sprechend angesehen  und  in  die  neue  Dreieckskette  über- 
nommen werden.  Die  meisten  übrigen  Winkel  sind  durch 
direkte  Messungen  neu  bestimmt  worden. 

Da  femer  von  einigen  Anschlußpunkten  der  neuen  Kette 
an  die  Nachbartriangulierungen  gute  Winkelmessungen  aus 
den  Jahren  1901  bis  1903  und  für  den  Anschluß  des  astro- 
nomischen Netzes  in  Schwaben  solche  aus  den  Jahren  1890 
bis  1894  bereits  vorlagen,  so  konnten  die  noch  weiter  erforder- 
lichen Winkelmessungen  in  der  neuen  Kette  im  Laufe  des 
Jahres  1904  auf  allen  Punkten  Erledigung  finden  bis  auf  die 
Station  Mitbach,  woselbst  die  Messungen  erst  im  Sommer  1905 
zur  Ausführung  gelangten. 

Durch  dankenswertes  Entgegenkommen  des  K.  Bayerischen 
Katasterbureaus  waren  zur  Ausführung  der  Winkelbeobach- 
tungen die  Herren  Katastergeometer  Wölfel  und  Netzsch  nebst 
den  erforderlichen  Gehilfen  der  Erdmessungskommission  zur 
Verfügung  gestellt  worden,  während  von  österreichischer  Seite 
in  den  Anschlußdreiecken  10  bis  15  die  Beobachtungen  durch 
Herrn  Hauptmann  Andres  des  K.  und  K.  Militärgeographischen 
Instituts  in  Wien  ausgeführt  wurden.  Die  erforderlichen  Meß- 
instrumente sind  aus  den  Beständen  der  K.  B.  Erdmessungs- 
kommission und  des  geodätischen  Instituts  der  K.  Technischen 


142  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Hochschule  in  München  entnommen  worden.  Insbesondere  ist 
der  verwendete  Mikroskoptheodolit  mit  23  cm  Kreisdurchmesser 
aus  der  Werkstätte  Ton  Hildebrand  in  Freiberg  Eigentum  des 
geodätischen  Instituts. 

Das  bei  den  Winkelmessungen  angewendete  Beobachtungs- 
verfahren  bestand  darin,  daß  die  einzelnen  Dreieckswinkel 
jedesmal  in  sechs  verschiedenen  Kreisständen  aus  je  8  bis 
12  Doppeleinstellungen  jeder  Richtung  bestimmt  wurden. 

Über  den  bei  den  Winkelmessungen  erreichten  Genauig- 
keitsgrad ist  folgendes  zu  bemerken. 

Der  mittlere  Winkelfehler  berechnet  sich  aus  den  Drei- 
eckswidersprüchen A  nach  der  internationalen  Formel 


-V 


""  =  "   %-n 


aus  den  in  der  Hauptkette,  sowie  für  die  Basis-  und  Azimut- 
anschlüsse und  für  den  österreichischen  Anschluß  in  Betracht 
kommenden  22  Dreiecken  zu 

m  =  ±  0:455. 

Stellt  man  dagegen  die  Dreieckswidersprüche  in  drei  nach 
der  Verschiedenheit  der  Art  der  Winkelbeobachtungen  gebildete 
Gruppen  zusammen,  so  erhält  man: 

a)  aus  den  Dreiecken  1  bis  9  der  Hauptkette  und  den 
Anschlußdreiecken  1*,  5*  und  6*,  in  welchen  14  aus  der  Landes- 
vermessung übernommene  Winkel  nach  dem  Repetitionsver- 
fahren,  die  übrigen  22  Winkel  aber  mit  Doppeleinstellungen 
in  beiden  Femrohrlagen  in  sechs  verschiedenen  Kreisständen 
beobachtet  sind:  m  =  +  0r357 

b)  für  die  sechs  österreichischen  Anschlußdreiecke  10  bis  15, 
in  welchen  die  Winkel  zur  Hälfte  von  bayerischer  Seite,  zur 
Hälfte  von  Seite  Oi^terreichs  gemessen  sind: 

^2  =  ±  0^432, 

c)  für  die  das  astronomische  Viereck  in  Schwaben  bilden- 
den vier  Dreiecke,  deren  Winkel  der  Mehrzahl  nach  aus  Azimut- 
differenzen berechnet  sind: 

Wa  =  ±  0,691. 


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M.  Schmidt:   Die  südbayeriache  Dreieckskette.  143 

Was  die  Widersprüche  in  den  Seitenanschlüssen  anlangt, 
so  findet  sich,  wenn  man  zu  dem  S.  349  der  bayerischen  Landes- 
vermessung in  bayerischen  Ruten  angegebenen  Wert  des  Log. 
Sinus  der  Basisseite  München — Aufkirchen  die  Reduktion  von 
Ruten-  auf  Metermaß  und  das  Additament  von  14,4  Einheiten 
der  siebenten  Logarithmenstelle  hinzufügt 

Log.  M  A  =  4,454  8006.7. 

Hieraus  ergibt  sich  für  den  Anschluß  an  die  österreichi- 
schen Dreiecke  bei  Salzburg  im  Dreieck  9  für  die  Seite  Hoch- 

gern-Asten      Log.  h  A  =  4.619  6316.2. 

Nach  einer  Mitteilung  des  K.  und  K.  Militärgeographischen 
Instituts  in  Wien  Tom  26.  November  1904  beträgt  der  ent- 
sprechende, österreichischerseits  bestimmte  Wert: 

Log.  H  A  =  4,619  6344.7. 

Die  AnschlußdiflFerenz  in  dieser  Seite  ist  somit  —  28,5.10~' 
bezw.  0,274  m,   d.  i.  6,6  mm  pro  km   oder   relativ  1  :  152  000. 

Für  die  Seite  Ho chgern —  Rettenstein  findet  sich  nach 
der  bayerischen  Messung  im  Dreieck  15 

Log.  H  R  =  4,693  2188.7. 

Nach  der  österreichischen  Angabe  ist 

Log.  HR  «4,693  2205.6. 

Als  Anschlußdifferenz  in  dieser  Seite  hat  man  somit 
—  16,9.10"'  bezw.  0,190  m,  d.  i.  3,8  mm  pro  km  oder  relativ 
1  :  260  000. 

Der  Anschluß  an  die  im  Jahre  1892  von  Hammer  be- 
arbeitete württembergische  Triangulierung  wird  durch  die  Drei- 
ecksseite Aenger  —  Roggenburg  vermittelt. 

Da  jedoch  die  von  Hammer  berechnete  Länge  dieser  Seite 
sich  auf  die  über  500  km  entfernte  Grundlinie  des  rheinischen 
Dreiecksnetzes  bei  Bonn  bezieht,  ist  es  offenbar  vorzuziehen, 
die  Länge  der  Seite  Aenger — Roggenburg  aus  der  mit  ihr 
nahezu  auf  dem  gleichen  Parallelkreis  gelegenen  und  nur  200  km 
entfernten   Basis  von  Oberbergheim  bei  Straßburg  herzuleiten. 


144  Sitzung  der  math.-phya.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Die  Verbindung  der  vorerwähnten  Vergleichsseite  mit  der 
zuletzt  genannten  Grundlinie  ergibt  sich  durch  Vermittelung 
der  Seite  Donon  —  Straßburg  des  rheinischen  Netzes.  Der 
Logarithmus  dieser  Seite  ist  im  „Rheinischen  Netz'  S.  127 
und  „Lotabweichungen"  Heft  II,  S.  37  aus  der  alten  Bonner 
Basis  berechnet  zu 

Log.  Do.-Str.  =  4,642  6742.5. 

In  „Hauptdreiecke**  Bd.  XI,  S.  89  findet  sich  für  diese 
Seite,  berechnet  aus  der  Oberbergheimer  Basis: 

Log.  Do.-Str.  =  4,642  6766.9. 

Zur  Keduktion  auf  das  internationale  Meter  ist  der  erste 
Logarithmus  um  -f- 38.10"",  der  letztere  um  -|- 58.10""'  zu 
verbessern. 

Man  hat  daher  die  verbesserten  Logarithmen  der  Seite 
Donon — Straßburg : 

Log.  Do.-Str.  =  4,642  6780.5  (aus  der  alten  Bonner  Basis) 
Log.  Do.-Str.  =  4,642  6824.9  (aus  der  Oberbergheimer  Basis) 

mit  der  Differenz  44,4.10  ~'. 

um  diesen  Betrag  sind  die  aus  dem  rheinischen  Netz  be- 
rechneten und  auf  das  internationale  Meter  reduzierten  Seiten- 
logarithmen  der   Hammerschen   Triangulation    zu   vergrößern. 

Man  hat  also  für  den  Logarithmus  der  Seite  Roggenburg 
—Aenger  die  Verbesserung  (+  38,0  +  44,4)  10-'  =  +  82,4.10-^ 
und  erhält 

Log.  Ae.-Rog.  (Th)  =  4,793  8256.6  (Hammers  Triang.  S.  89) 

hiezu  die  Verbesserung  =  +  82,4 

Log.  Ae.-Rog.  (Th)  =  4,793  8339.0  (verbesserter  Wert). 

Wogegen  sich  aus  der  südbayerischen  Dreieckskette  mit 
der  altbayerischen  Grundlinie  findet: 

Log.  Ae.-Rog.  (Th)  =  4,793  8332.5. 

Die  Anschlußdifferenz  beträgt  somit  —  6,5.10*"'  bezw. 
0,093  m  oder  1,5  mm  pro  km,  d.  i.  relativ  1  :  670000. 


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M.  Schmidt:   Die  südbayerische  Dreieckskette.  145 

Ein  zweiter  Vergleich  zwischen  der  alten  Bonner  Basis 
und  jener  Ton  Oberbergheim  ergibt  sich  nach  Dr.  Kühnen 
(VerhandL,  Brüssel  1892,  S.  533)  durch  die  Seite  Ballon— Donon 
(rhein.  Netz,  S.  127),  deren  Logarithmus  reduziert  auf  das  inter- 
nationale Meter  4,833  7669  ist. 

Berechnet  man  diese  Seite  aus  dem  Dreieck  Ballon-Donon- 
Bressoir  der  preußischen  Landestriangulierung  mit  den  „Haupt- 
dreiecke* XI,  S.  204  im  Jahre  1902  publizierten  Elementen, 
so  erhält  man 

Log.  Ba.-Do.  =  4,833  7711 

und  die  Differenz  -|-  42  gegen  den  aus  dem  rheinischen  Netz  be- 
rechneten Wert.  Somit  ist  für  die  Seite  Aenger— Roggenburg 
die  Verbesserung  (+  38  +  42).10-''  =+  80.10 -'  und  der 
verbesserte  Logarithmus  der  Hammerschen  Triangulierung 

Log.  Ae..Rog.  =  4,793  8336.6. 

Der  entsprechende,  aus  der  altbayerischen  Basis  berechnete 

Wert  ist 

Log.  Ae.-Rog.  =  4,793  8332,5. 

Die  logarithm.  Anschlußdifferenz  zwischen  der  südbaye- 
rischen Kette  und  der  württembergischen  Triangulierung  be- 
trägt somit,  wenn  man  dieser  die  Basis  yon  Oberbergheim  zu 
Grunde  legt,  —  4,1. 10~'  bezw.  0,059  m  oder  0,9  mm  pro  km, 
d.i.  relativ  1:1054000. 

Diese  überraschend  gute  Übereinstimmung  ist  wohl  zum 
Teil  einem  günstigen  Zufall  zuzuschreiben.  Gleichwohl  beweist 
dieselbe  im  Zusammenhalt  mit  dem  befriedigenden  Anschluß 
an  die  österreichischen  Dreiecke,  deren  Seitenlängen  bereits 
auf  das  internationale  Meter  reduziert  sind,  daß  die  zu  Beginn 
des  letzten  Jahrhunderts  ausgeführte  Abgleichung  der  in  Bayern 
verwendeten  Basisapparate  nach  dem  Pariser-Platinmeter,  dessen 
Länge  mit  der  des  internationalen  Meters  übereinstimmt,  mit 
der  größten  Genauigkeit  ausgeführt  worden  ist.  Die  aus  den 
bayerischen  Basismessungen  abgeleiteten  geodätischen  Längen 
verdienen  daher  in  metronomischer  Beziehung  volles  Vertrauen. 

1906.  SiUiuigib.  d.  in*ili.-phyB.  Kl.  10 


146  Sitzung  der  iimth.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 


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151 


über  die  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen. 

Von  Edmnnd  Landaa« 


{Bimgtlauf^  3.  Ftbruar,) 


Einleitung. 

Man    verdankt   Herrn    Nielsen    eine   Anzahl   interessanter 
Arbeiten  über  Fakultätenreihen,  d.  h.  Reihen  von  der  Form 


(1) 


fl(rr)  =  S 


=oa:(a:4-l)...(a;-|-n)' 

wo  Oq,  ttj,  rtj,  ...  komplexe  Konstanten  sind  und  x  eine  kom- 
plexe Variable  bezeichnet.*)  Herr  Nielsen  hat  seine  Unter- 
suchungen im  dritten  Teile  des  kürzlich  erschienenen  Werkes 
„Handbuch  der  Theorie  der  Gammafunktion*  *)  im  Zusammen- 
hang dargestellt. 

Die  wichtigste  Grundlage  der  Theorie  der  Fakultätenreihen 
besteht  im  folgenden 

Satz  I:  Wenn  Ü(x)  für  einen  Wert  x  =  Xq  konvergiert, 
so  konvergiert  ii(x)  für  jedes  x  =  x^,  welches  die 
Ungleichheitsbedingung 

SR  (^i)  >  5R  (^o) 

erfüllt. 


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*)  Eine  Reihe  von  der  Gestalt    Zj 


A, 


—      /     I    ,\       / — 'i — \   würde  da«- 

nelbe  bedeuten;  es  ist  jedoch  zweckmäßig,  die  Schreibweise  (1)  anzuwenden. 
»)  Leipzig  (Teubner),  190Ü,  S.  237  if. 


152  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Hierbei  handelt  es  sich  natürlich  nur  um  solche  Werte 
von  o;,  welche  von  0,  — 1,  — 2,  ...  verschieden  sind,  da  sonsi 
die  Glieder  der  Reihe  sinnlos  sind. 

Der  Satz  I  läßt  sich  offenbar  auch  folgendermaßen  aus- 
sprechen : 

Der  Konvergenzbereich  einer  Fakultätenreihe  be- 
steht aus  einer  Halbebene,  welche  links  durch  eine 
Parallele  zur  Achse  des  Imaginären  begrenzt  ist. 

Mit  anderen  Worten:  zu  jeder  Fakultätenreihe  gehört 
eine  bestimmte  reelle  Zahl  X  derart,  daß  (abgesehen  von  den 
Punkten  0,  —  1,  —  2,  .  .  .)  die  Reihe  für  yi(x)>X  kon- 
vergiert, für  SR (:r)< >l  divergiert.  Das  Verhalten  für  di(x)^=X 
bleibt  ebenso  unbestimmt  wie  das  Verhalten  einer  Potenzreihe 
auf  dem  Konvergenzkreise. 

Hierbei  sind  offenbar  die  beiden  extremen  Fälle  A  =  oo 
und  X  =  —  00  auch  möglich ,  in  welchen  der  Konvergenz- 
bereich nicht  vorhanden  bezw.  gleich  der  ganzen  a;-Ebene  ist. 

Ein  Beweis  des  wichtigen  Satzes  I  ist  zuerst  von  Herrn 
Nielsen ')  veröffentlicht  worden;  derselbe  stützt  sich  auf  gewisse 
Integraldarstellungen  der  Fakultätenreihen  und  ist  recht  kom- 
pliziert. Auch  erscheint  mir  Herrn  Nielsens  Beweisführung  nicht 
einwandfrei.*)  Ich  werde  die  vorliegende  Arbeit  damit  beginnen, 
daß  ich  einen  direkten  und  sehr  einfachen  Beweis  des  Satzes  I 
mitteilen  werde.  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  um  Herrn 
Jensens  Verdienste  in  dieser  Frage  besonders  hervorzuheben. 
Herr  Nielsen  zitiert  von  dessen  Publikationen  nur  eine  aus  dem 
Jahre  1891,*)  in  welcher  Herr  Jensen  den  Satz  I  ohne  Beweis 


^)  «Recherches  sur  les  s^ries  de  factorielles*,  Annales  scientifiques 
de  r^cole  normale  sup^rieure,  Ser.  8,  Bd.  19, 1902,  S.  416 — 429;  ,|Le8  söries 
de  factorielles  et  les  Operations  fundamentales  *,  Mathematische  Annalen, 
Bd.  59,  1904,  S.  356— 359;  »Handbuch  etc.*,  S.  239-245. 

»)  Schon  die  von  ihm  (1.  c,  S.420,  bezw.  S.  357,  bezw.  S.  241— 242) 
mit  l  und  X'  bezeichneten  Zahlen  sind  dort  so  definiert,  dafi  sie  nur 
unter  einschränkenden  Annahmen  über  die  Koeffizienten  der  gegebenen 
Fakultätenreihe  existieren. 

^)  «Grammafunktionens  Theori  i  elementsBr  Fremstilling",  Nyt  Tids- 
skrift  for  Mathematik,  Bd.  2  B,  S.  6  \ 


^.^if'  yih!nm^mmmßm 


E.Landau:  Grandlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.       153 

ausspricht.  Ich  fQge  folgende  zwei  Zitate  hinzu.  Herr  Jensen 
hat  schon  im  Jahre  1881  den  Satzl  ohne  Beweis  angegeben;*) 
er  hat  femer  in  einer  sehr  wichtigen  Arbeit*)  aus  dem  Jahre  1884 
den  Satz  I  und  verschiedene  Analoga  für  andere  Reihen  typen 
ohne  Beweis  ausgesprochen,  und  er  hat  dort  nur  flir  ein  ver- 
wandtes Problem,  nämlich  die  Frage  nach  dem  Konvergenz- 
gebiet einer  Dirichletschen  Reihe,  den  Beweis  ausgeführt.  Ich 
habe  schon  bei  einer  anderen  Gelegenheit  *)  einmal  die  Bedeu- 
tung dieser  Jensenschen  Arbeit  hervorgehoben  und  dort  dessen 
Priorität  für  den  Satz  erwähnt,  daß  das  Konvergenzgebiet  einer 
Dirichletschen  Reihe  eine  Halbebene  ist.  Dieser  Satz  war  erst 
zehn  Jahre  später  dadurch  allgemein  bekannt  geworden,  daß 
Herr  Cahen*)  ihn  unabhängig  wiederentdeckt  hat. 

Im  §  1  des  Folgenden  werde  ich  auf  direktem  Wege  außer 
dem  Satz  I  die  anderen  bekannten  Sätze  beweisen,  welche  die 
Grundlage  der  Theorie  der  Fakultätenreihen  bilden.  Im  §  2  be- 
gründe ich  einen  eigentümlichen  Zusammenhang  zwischen  einer 
Fakultätenreihe  und  einer  zugehörigen  Dirichletschen  Reihe  in 
Bezug  auf  ihre  gleichzeitige  Konvergenz.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit wird  sich  eine  Darstellung  der  Abszisse  X  der  Grenzgeraden 
einer  Fakultätenreihe  ergeben.  In  §  3  dehne  ich  jenen  Zu- 
sammenhang zweier  zugehöriger  Reihen  auf  den  analytischen 
Charakter  der  durch  sie  definierten  Funktionen  aus.  In  §  4  be- 
weise ich  einen  Satz  über  das  Verhalten  der  durch  eine  Fakul- 
tätenreihe  definierten  analytischen  Funktion  auf  der  Grenz- 
geraden. Zu  allen  im  vorangehenden  behandelten  Sätzen  be- 
weise ich  kurz  in  §  5  die  Analoga  für  Binomialkoeffizienten- 
reihen,  d.  h.  Reihen  von  der  Form 


1)  Tidsskrift  for  Mathematik,  Ser.4,  Bd.  5,  S.  lao,  Aufgabe  451. 

*)  ,0m  Raekkers  Konvei^g^ens",  ebenda,  Ser.  6,  Bd.  2,  S.  70—72. 

^)  «Über  die  zu  einem  algebraischen  Zahlkörper  gehörige  Zetafunk- 
tion  und  die  Ausdehnung  der  Tschebyscheischen  Primzahlentheorie  auf 
das  Problem  der  Verteilung  der  Primideale",  Journal  fQr  die  reine  und 
angewandte  Mathematik,  Bd.  125,  1903,  S.  65. 

^)  ,Sur  la  fonction  i  (s)  de  Riemann  et  sur  des  fonctions  analogues*, 
Annales  scientifiques  de  Täcole  normale  superieure,  Ser.  3,  Bd.  11, 1894,  S.85. 


154  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

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Herr  Nielsen,  der  auch  über  diese  Reihen  mehrere  interessante 
Untersuchungen  publiziert  hat,^)  war  hier  nicht  bis  zum  Beweise 
des  Analogons  zum  Satze  I,  also  der  Existenz  der  Konvergenz- 
halbebene, gelangt,  obgleich  ein  solcher  bereits  auf  ganz  ein- 
fachem Wege  von  Herrn  Bendixson  *)  geführt  war.  In  §  6  be- 
handle ich  kurz  zwei  allgemeinere,  schon  von  Herrn  Jensen^) 
erwähnte  Klassen  von  Reihen,  nämlich 

y> 4» 

-=0  (x  +  y,)  (x  +  y^),..  (x  +  yn) 
und 

OB 

(2)  ^An  (x  —  y,)  (x  —  y;)...(x  —  yn), 

n  =  0 

^o  7j,  y,,  ...  eine  Folge  positiver,  monoton  ins  Unendliche 
wachsender  Größen  ist,  für  welche 

OD  1 

••==1  yn 

divergiert.*)  Für  die  Reihen  (2)  hatte  bereits  Herr  Bendixson  *) 
die  von  Herrn  Jensen  ausgesprochene  Existenz  der  Konvergenz- 
halbebene, sowie  die  gleichmäßige  Konvergenz  in  der  Umgebung 
jeder  Stelle  dieser  Halbebene  bewiesen;  doch  ist  der  in  §  6 
des  Folgenden   hierfür  gegebene  Beweis  etwas  einfacher,  und 


^)  Literatur  s.  .Handbuch  etc.",  S.  124  flF.  und  225  ff. 

')  ,,Sur  une  extension  ä  Tinfini  de  la  formule  d*interpolation  de 
Gauss",  Acta  mathematica,  Bd.  9,  1887,  S.  15—20.  Herr  Nielsen  schreibt 
mir  in  einer  nachträglichen  Note  auf  S.  325  seines  Baches  irrtümlich 
diesen  Satz  zu. 

«)  1.  c.  (s.  S.  163,  Anm.  2),  S.  71—72. 

^)  Es  ist  nicht  allgemeiner,  von  einer  Folge  reeller,  monoton  ins 
Unendliche  wachsender  Größen  zu  sprechen,  für  welche  die  Über  alle 

•     X 

(mit  etwaiger  Ausnahme  von  0)  erstreckte  Summe    2j  —  divergiert. 

»)  1.  c,  S.  15—23. 


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£.  Landau:  (hundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      155 

ich  beweise  auch  neue  Sätze  über  diese  Reihen.  In  §  7  be- 
handle ich  einige  Eigenschaften  der  Integrale  von  der  Gestalt 

1 

welche  mit  den  Fakultätenreihen  eng  verwandt  sind;  diese 
Integrale  sind  schon  mehrfach  untersucht  worden,  und  Herr 
Pincherle  ^)  hat  ihrer  Theorie  eine  umfassende  Darstellung  ge- 
widmet, zu  welcher  ich  einige  Bemerkungen  und  Zusätze  mache. 

§  1. 

Herr  Dedekind^)  hat  folgenden  Konvergenzsatz  bewiesen 
und  Herr  Jensen*)  hat  ihn  wiedergefunden: 

Hilfssatz  1:  Wenn  6^,  6„  ...  und  Cq,  c^,  ...  zwei  Folgen 
komplexer  Größen  sind,  und  wenn  die  beiden  un- 
endlichen Reihen 


und 


£6. 

•1  =  0 


S  \Cn  —  Cn-hÜ 
•1=0 


konvergieren,  so  konvergiert  die  Reihe 


(3) 


£   hnCn- 


M  =  0 


Beweis:  Beide  Autoren  beweisen  diesen  Satz  mit  Hilfe 
des  Abelschen  Kunstgriffes  der  partiellen  Summation  folgender- 
maßen: 


')  ,Sur  les  fonctions  d^terminantes",  Annales  scieutifiques  de  T^cole 
normale  sup^rieure,  Ser.  3,  Bd.  22,  1905,  S.  9—68. 

*)  Vgl.  die  von  ihm  herausgegebenen  Vorlesungen  Dirichlets  über 
Zahlentheorie,  2.  Aufl.,  1871,  S.  373.  Für  reelle  Werte  der  Größen  &w,  Cn 
war  der  Satz  schon  von  du  Bois-Reymond  (,Neue  Lehrsätze  über  die 
Summen  unendlicher  Reihen",  Antrittsprogramm,  Freiburg  1870,  S.  10) 
bewiesen  worden. 

>)  1.  c.  (■.  S.  153,  Anm.  2),  S.  69. 


156  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Wenn 

t 

TtK  =  Bi,  B.x  =0 

gesetzt  wird,  so  ergibt  sich 

t  t 

Ij  6h  ^w  =    Ij    (Bn jBh-  l)  Cn 

n—Q  M=0 

t 

(4)  =    1j    Bn  {Cu  —  Cn+  i)  +  BtCt+i. 

n  =  0 

Nach  Voraussetzung  konvergiert 

OB 

S   I  Cn  — Cn^l  !, 

also  auch 

S    (^H   —   ^H  +  l), 
N  =  0 

so  daß 

lim  Ci^i 

existiert;  ferner  existiert  nach  Voraussetzung 

lim  Bi, 

so  daiä  insbesondere  fUr  alle  n 

\Bn\<B 

ist,  wo  B  eine  von  n  unabhängige  Konstante  bezeichnet.  Wegen 

I  Bn(Cn  —  ^n  +  l)  i  ^  B  (Cn  —  ^w  +  l) 

ist  also  die  Reihe 

m 
ij  Bn(Cn  —  Cn  +  l) 

konvergent;  auf  der  rechten  Seite  von  (4)  nähern  sich  also 
beide  Glieder  für  ^  =  oo  einem  Grenzwert;  damit  ist  die  Kon- 
vergenz der  Reihe  (3),  also  der  Hilfssatz  1  be^viesen. 


^'  J*^  f^ 


E.Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      157 

Herr  Dedekind*)   beweist  mit  Hilfe   der  Transformations- 
formel (4)  auch  folgenden 

Hilfssatz  2:   Es  sei  erstens 


L6h    =-\Bt\ 

N  =  0 

für    alle    ^  =  0,1,2,   ...    unterhalb   einer    endlichen 
Schranke  B  gelegen;   es  sei  zweitens 

lim  (^  =  0, 
und  es  sei  drittens  die  Reihe 


OD 


s 

N=0 


Cn Cn  +  l 


konvergent.     Dann  konvergiert  die  Reihe 


00 


(3) 


S  bn  Cn> 


M  =  0 


Beweis:    Wie  oben  ergibt  sich  wegen 

I  -Bw  (Cn  —  ^H+l)  \^B\Cn  —  Cn  +  l 

daß  das  erste  Glied  auf  der  rechten  Seite  von  (4)  sich  für 
t  =  CO  einem  Grenzwerte  nähert,  und  wegen  der  beiden  ersten 
Voraussetzungen  ist 

lim  BtCt^i  =  0, 

SO  daß  aus  (4)  die  Konvergenz  der  Reihe  (3)  folgt. 

Jeder  der  beiden  Hil&sätze  1  und  2  führt  nun  leicht  zum 

Satz  I:'^)  Wenn  eine  Fakultätenreihe 


(1) 


»  n\  ein 


^)  1.  c,  S.  371.    Für  Eeihen  mit  reellen  Gliedern  ist  der  Hüfssats  2 
auch  schon  von  du  Bois-Reymond  (1.  c,  S.  10)  bewiesen  worden. 

^  S.  S.  151 ;  0^  und  x^  sollen  weder  Null  noch  ganzzahlig  negativ  sein. 


158         Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 


für  x  =  Xf^  konvergiert  und  wenn 

ist,  so  konvergiert  die  Reihe  für  x  =  Xy 

Wenn  man  den  Beweis  auf  Grund  des  Hilfssatzes  2  führt 
■ —  was  hier  geschehen  soll  — ,  so  braucht  man  nicht  die  Kon- 
vergenz von  Q{x^  vorauszusetzen;  sondern  es  genügt,  anzu- 
nehmen, daß  für  alle  ^  =  0,  1,  2,  .  .  . 


*  n!  a« 


<B 


ist. 


Beweis:  Es  werde 


K  = 


n!  an 


_  a?o(a?o+  l)..,{x^  +  n) 


c«  = 


gesetzt.     Dann  ist  nach  Voraussetzung  für  alle  t 


S6« 

n=:0 


<B. 


Ferner  ist 


Cn  —  ^11+ 1 


(5) 


a^«(a'o+  !)•  •  •  (a?o4-»)      a;a(a;o+  1)..  .(3:,+  «  + 1) 
«1  («1  +  1)  --(«i  +  «)      a;,(a;,  +  !)...(«,  +  »  +  1) 

^0  (a^o  +  1)  • .  •  (a;,  +  n)  L  _  a;o  +  n  +  l\ 
«i(a?,  +  l)-..(a;,  +  n)V       a;,  +  n-t-iy 

go(a?o+l)--(go  +  «)      a?!  — gp 


Bekanntlich  ist  für  jedes  von  0,  —  1,  —  2,  ...  verschiedene  x 


(6) 


n! 


•.=«oa:(a:+  l)...(a:  +  n) 


n*  =  r(a;) 


eine  endliche,  von  Null  verschiedene  Zahl;  also  erhält  man,  in- 
dem man  die  Qleichung  (6)  für  x^  und  x^  ansetzt  und  dividiert. 


^**«? 


E.Landau:  Gnindlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.       159 
lim  ^o.(?o  +  1)  .  •  i(^(L±;>)  ^,,  _,,  _  f  (^,) 

n  =  <^x,  (a:^  +  1) . . .  (:r,  +  n)  r(x^y 


Ci)       lim  I  -*> ^^P-+  ^)  •  -  (^0  +  n) 


^«(»l-*o)   _ 


^(^i) 
^(^o) 


Aus  (7)  folgt  zunächst  wegen  5R  {x^  —  x^>^^  daß 

lim    Cn\  =  Q, 

ms:  00 

lim  Cn       =0 


N  =  QO 


ist,  womit   die  zweite  Voraussetzung   des  Hilfssatzes  2   erfüllt 
ist.     Femer  folgt  aus  (5)  und  (7),  daß 


lim  I  Cn  —  Ch+1  I  n^+'*(*i-^^= 


nsoB 


X, 


Xr 


ist,  also  von  einer  gewissen  Stelle  an 


\Cu—CnJ^\  |<2 


r(x,) 


hieraus  ergiebt  sich  die  Konvergenz  von 


x^—XqI  n^+«(«i-'o); 


00 


N=0 


/.  +  1    I, 


so  daß  auch  die  dritte  Voraussetzung  des  Hilfssatzes  2  erfüllt 
ist.     Derselbe  liefert  also  die  Konvergenz  von 


OB 


n!  a„ 


und  damit  den  Satz  I. 

Aus  Satz  I  folgt,  wie  schon  in  der  Einleitung  angegeben, 
die  von  Herrn  Jensen  entdeckte  Tatsache: 

Wenn  eine  Fakultätenreihe  gegeben  ist,  so  sind  nur 
folgende  drei  Fälle  möglich:^) 


')  Hierbei  ist  nur  von  den  Zahlen  die  Rede,  welche  von  0,-1,  —  2, . . . 

vefHchieden  sind. 


160  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

1.  Sie  konvergiert  überall. 

2.  Sie  konvergiert  nirgends. 

3.  Es  gibt  eine  reelle  Zahl  X,  so  daß  die  Reihe  fttr  yi(x)>l 
konvergiert,  für  SR(a;)<A  divergiert. 

Was  das  Verhalten  der  Reihe  auf  der  , Grenzgeraden*  oder 
, Konvergenzgeraden **  di(x)  =  X  betrifft,  so  gibt  es  Reihen, 
welche  dort  überall  konvergieren,  solche,  die  dort  nirgends  und 
solche,  die  weder  nirgends,  noch  überall  auf  dieser  Geraden 
konvergieren.  Beispiele  dieser  Möglichkeiten  werden  weiter 
unten  ^)  angegeben  werden. 

Hilfssatz  3:*)  Es  seien  6^,  6j,  ...  Eonstanten,  Cq,  Cj,  . . . 
Funktionen  einer  komplexen  Variabein  x,  welche  in 
einem  gewissen  Gebiete  ®  regulär  sind;  es  sei  erstens 
für  alle  ^  =  0,  1,  2  ... 


=  \Bt\<B; 


S6, 

N=l 

zweitens  konvergiere  in  ®  Cn  gleichmäßig  gegen  0; 
drittens  sei  in  ®  die  Reihe 

S  \Cn ^„4-1 

gleichmäßig  konvergent.    Dann  ist  die  Reihe 

OB 

•1=0 

gleichmäßig  in  ®  konvergent. 

Beweis:  Aus  der  Gleichung 

t  i 

(4)  £  in  Cn  =  5j  ^«  {Cn  —  C„4.  i)  +  jB<  Ct^  i 

N=0  11  =  0 


i)  S.  S.  172-173. 

')  Dieser  Hilfssatz  ist  von  Herrn  Oahen  auf  S.  79  seiner  oben  (auf 
S.  153,  Anm.  4)  zitierten  Arbeit  bewiesen  worden.  Herr  Gaben  stützt  auf 
ihn  den  Nachweis  seines  Satzes,  daß  eine  Dirichletsche  Reihe  in  ihrem 
Konvergenzbereiche  eine  analytische  Funktion  darstellt. 


E.Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      161 
folgt  wegen 

ohne  weiteres  die  Richtigkeit  der  Behauptung. 

Satz  II:  Eine  Fakultätenreihe  ist  in  einer  gewissen 
Umgebung  jeder  (von  0,  —  1,  — 2,  ...  verschiedenen) 
Stelle  im  Innern  ihrer  Konvergeuzhalbebene  gleich- 
mäßig konvergent. 

Es  genügt  oflFenbar  zu  beweisen:  wenn  Q{x)  für  x^  kon- 
vergiert, so  konvergiei-t  Q  (x)  gleichmäßig  für  alle  x  =  u  +  vi, 
welche  die  Ungleichungen  erfüllen 

^o  +  yi.^w.<a;o  +  yg,  —  7s^v<y8' 

wo  y, ,  y^y  /s  ^^^^  positive  Größen  bezeichnen  (}',<?'»),  die  so 
klein  gewählt  sind,  daß  das  obige  Rechteck  keinen  der  Punkte 
0,  —  1,  —  2,  ...  im  Innern  oder  auf  dem  Rande  enthält.  In 
der  Tat  läßt  sich  jede  (von  0,  —  1,  ...  verschiedene)  Stelle 
der  Konvergenzhalbebene  in  ein  solches  Rechteck  ®  einschließen. 

Beweis:  Es  werde 

,    ^ nl^On ^  Xq  {Xq  +  1)  . . .  (Xf,  +  n) 

''''       x,{x,+  l)..,{x,+  ny    "      X  {X  +}).::{x  +n) 

gesetzt.  Dann  handelt  es  sich  auf  Grund  des  Hilfssatzes  3  ledig- 
lich darum,  nachzuweisen,  daß  in  ®  gleichmäßig 

lim  Cn  =  0 

Lst,  und  daß  die  Reihe 


S   I  ^H Cn-{-l 

in  ®  gleichmäßig  konvergiert. 

Wenn  eine  ganze  Zahl  y  oberhalb  der  drei  Zahlen  \Xq\, 

^0  +  ^1  I  "f'  7$  ^^^  I  ^0  4"  ?'«  I  +  Xs  gewählt  wird,  so  ist  in  ® 
überall 

\x\  =  |w  +  t;il<|w|  +  |v|<y, 

ebenso 

I  ^0  l<  y- 

1906.  Sitzangtb.  d.  math.-phji.  KL  11 


162  Sitzung  der  matb.-phjs.  Klasse  vom  S.  Februar  1906. 


Es  sei  ferner  ß  so  gewählt,  daß  in  ® 


(8) 

ist.    Da  fOr 


^i 


<ß 


ist,')  erhält  man  für  v>2y  und  alle  o;  in  (S 


^0+^ 

= 

1  + 

V 

— 

'0 

+  *>! 

Uli 

r 

-^ 

X  +  V 

1     1 

X 

;^) 


«0+^ 


also  für  n>2y  und  alle  a;  in  ® 


(9) 


77 


^0  +  »' 


=  2y  +  l^  +  ^ 


<e       "  =  2/4-1 


r=  I 


Aus  (8)  und  (9)  folgt,  daß  für  alle  n  von  einer  gewissen  Stelle 
an  und  alle  x  \n  ® 


(10) 


Ck      = 


"  a:o+  V 


/7 


<  C       2      *     = 


W7 


y  =  0  ' 

ist.    Dies  liefert  zunächst,  daß  in  ®  gleichmäßig 

lim  Cn  =  0 

ist.    In  Verbindung  mit  der  Identität 


Cn 


CnJi-l  =  C, 


X  —  X, 


0 


X  -\-  n  -\-  \ 


ergibt  sich  femer  aus  (10),  daß  für  alle  n  von  einer  gewissen 
Stelle  an  und  alle  o;  in  ® 


1)  Denn   |-y+  logd  +  y)!  = 


y 


+ 


y 


+ 


+  ...= 


_     \y 


2       '       2       •       2       '     •'       2(1 
2)  ffierin  ist  |^,  |<1,  |^al<l. 


2^3        4  ^* 


<|y^ 


y  I)  " 


■V.-J;l:  .<<-{¥  #e«- IfP 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      163 


1   2y  4/ 


Cn  —  e?H+i  I  < 


W  2    - 

2 


n  ^2 


ist,  so  dala  die  Reihe 


S  \Cn  —  Cn+\ 


in  @  gleichmäßig  konvergiert.  Damit  ist  der  Satz  II  bewiesen. 
Nun  besagt  ein  bekannter  Satz  von  Weierstraü:*)  Wenn 
t\{x\  f^ipo)^  ...analytische  Funktionen  sind,  welche  in 
einem  zusammenhängenden  Gebiete  @  der  2:-Ebene 
regulär  sind,  und  wenn  die  unendliche  Reihe 


00 


S  fn  {X) 

in  einer  gewissen  Umgebung  jeder  Stelle  von  ®  gleich- 
mäßig konvergiert,  so  stellt  diese  Reihe  in  ®  eine  ana- 
lytische Funktion  f  {x)  dar;  ferner  ist  die  durch  k- 
maliges  gliedweises  Differentiieren  (Ä  =  1,  2,  . . .)  gebil- 
dete Reihe 


*)  .Zur  Funktionenlehre ",  Monatsberichte  der  Kgl.  Pr.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin,  1880,  S.  723—726;  Abhandlungen  zur  Funk- 
tionenlehre, 1886,  S.  73— 78;  Werke,  Bd.  2,  1895,  8.  205--209.  Herr 
Morera  folgerte  im  Jahre  1886  („Un  teorema  fondamentale  nella  teorica 
delle  funzioni  di  una  variabile  complessa**,  Rendiconti  del  R.  Istituto 
Lombardo,  Ser.  2,  Bd.  19,  S.  806  und  „Sulla  rappresentazione  dclle  fun- 
zioni di  una  variabile  complessa  per  mezzo  di  espressioni  analitiche 
infinite*,  Atti  della  R.  Accademia  delle  scienze  di  Torino,  Bd.  21,  S.  894 
bis  897)  diesen  Satz  aus  der  von  ihm  entdeckten  Umkehrung  des  Cauchj- 
sehen  Integralsatzes.  Herr  Painleve  führte  im  Jahre  1887  («Sur  les 
ligues  singulieres  des  fonctions  analytiques**,  Annales  de  la  facult^  des 
sciences  de  Toulouse,  Bd.  2,  S.  11  —  12)  den  Nachweis  des  Weierstraß- 
schen  Satzes  mit  Hilfe  des  Cauchjschen  Satzes.  Es  ist  jedenfalls  über- 
flQssig.  dafi  Herr  Gaben  (I.e.,  S.  65— 86)  in  der  Theorie  der  Dirichlet- 
sehen  Reihen  nach  dem  Beweise  der  gleichmäßigen  Konvergenz  in  einer 
Umgebung  jeder  Stelle  der  Eonvergenzhalbebene  noch  besonders  beweist, 
daß  die  durch  gliedweises  Differentiieren  entstehenden  Reihen  konver- 
gieren. Weierstraß,  Herr  Morera  und  Herr  Painleve  bemerken  übrigens 
auch,  daß  die  Reihe  (11)  in  einer  gewissen  Umgebung  jeder  Stelle  des 
gegebenen  Gebietes  gleichmäßig  konvergiert. 

11* 


164  Sitzung  der  maih.-phy8.  Klasse  vom  8.  Februar  1906. 

(11)  tn'H^) 

in  ®  konvergent  und  =  f^^^  {x). 

Aus  diesem  Satz  folgt  in  Verbindung  mit  Satz  U  der 

Satz  III.  Eine  Fakultätenreihe  stellt  in  ihrer  Kon- 
vergenzhalbebene eine  mit  eventueller  Ausnahme 
der  Punkte  0,  — 1,  — 2,  ...  reguläre  analytische 
Funktion  dar  und  darf  dort  beliebig  oft  gliedweise 
differentiiert  werden. 

Die  in  der  Konvergenzhalbebene  gelegenen  Punkte  0,  —  1, 
—  2,  ...  sind,  wie  leicht  einzusehen  ist,  Pole  erster  Ordnung 
oder  reguläre  Stellen.  Denn,  wenn  a:  =  —  m  (w  >  0)  ein  sol- 
cher Wert  ist,  so  ist 

(12)  x{X'^\).,.{X'^m)(ü{x)^^      .     ^/!'''\    ^    \ 

=  s 


« =f+ 1  («  +  *»+  1)  (*  +  »»  +  2)  ...(«  +  n)  ' 

falls 

n  —  m  —  1  =  Ä,  X  -\-  m  ■\-\^=y,  w!  a„  =  Ä!  ft» 

gesetzt  wird,  von  neuem  eine  Fakultätenreihe 

»STöT+iTTTTöhF*)' 

stellt  also  eine  für  J/  =  1   reguläre  analytische  Funktion  dar, 
so  daß  nach  (12)  (o:  -}-  tn)  fi  (a:)  für  x^=  —  m  regulär  ist. 

In  ihrer  Konvergenzhalbebene  braucht  eine  Fakultäten- 
reihe nicht  absolut  zu  konvergieren.  Es  gilt  der  von  Herrn 
Nielsen  ^)  bereits  auf  dem  natürlichsten  Wege  bewiesene 

Satz  IV.  Das  Gebiet  der  absoluten  Konvergenz  einer 
Fakultätenreihe  ist  —  falls  die  Reihe  weder  überall 
noch  nirgends  absolut  konvergiert  —  eine  Halb- 
ebene, welche  links  durch  eine  Gerade  SR(a;)  =  /i  be- 


0  «Recherches  etc.",  S.  416;   .Handbuch  etc%  8.  238. 


E.  Landau:   Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      165 


grenzt   ist,    mit    oder    ohne    Einschluß    der    ganzen 
Geraden  9i(a:)  =  /i  selbst. 

Die  Menge  der  Punkte,  in  welchen  ü  (x)  absolut  konver- 
giert, hat  also  die  Form  di(x)>  ju  oder  SR  (x)  >  /i.^) 

Beweis:  Es  braucht  nur  gezeigt  zu  werden,  daß  aus  der 

Konvergenz  von 

w!  I  a„  I 


S 


H  =  0  1^0 


a;o  +  l|  ...  |a:o  +  n 


n!   a. 


•»  =  0  1^1 


a:^  +  1  I  . .  .  I  a?!  +  ^ 


die  Konvergenz  der  Reihe 

1 

folgt,  falls 

ist.    Dies  ist  eine  unmittelbare  Folge  der  Gleichung 


(7) 


lim 

nzzco 


^a  (a^o  +  1)  . . .  K  +  n) 


^1  (a:j  +  1) . . .  (ajj  +  n) 
und  des  bekannten  Satzes:  Wenn 


^9l(«t— JBJ))    jgg» 


rix,) 


absolut  konvergiert  und 
existiert,*)  so  konvergiert 


S6n 
»ssO 

lim  c,^ 

MS» 


5j  ^n  Cn. 

•1  =  0 


In  der  Tat  ergibt  sich  für 

n\\aJ 


K  = 


X, 


a^o  +  1  ! . . .  I  a:^  +  « 


,  Cn  = 


^o(^o  +  l)  ...(a:o  +  w) 
x^  (ajj  +  1)  . . .  {x^  +  n) 


nach  (7),  daß 


lim  c«  = 


11=0» 


r{.x,) 


für  SR  («,)  =  5»  («o) 


ist. 


0        für  SR  («,)  >  SR  («o) 


*)  Hierbei  sind  uatOrlich  die  Punkte  0,  —  1,  —  2,  ...  anazuschließen. 
*)  Es  genOgt,  dafi  aUe  |  Cn  |  <  c  sind. 


166  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Für  jede  Fakultätenreihe  gibt  es  also,  wenn  man  die  beiden 
Sätze  I  und  IV  zusammennimmt,  zwei  charakteristische  Zahlen 
X  und  ßA  derart,  daß  X<  ju  ist  und  (abgesehen  von  den  Punkten 
0,  —  1,  —  2,  . . .)  die  Reihe 

für  {R (aj)< >l  divergiert, 

für  A<SR(a?)</i  bedingt  konvergiert, 

für  SR  (x)  >  /LI  absolut  konvergiert. 

Hierbei  kann  es  sich  allerdings  ereignen,  daß  X  =  ju  ist,  also 
der  Streifen  bedingter  Konvergenz  nicht  vorhanden  ist;  ferner 
müssen  für;  die  Zahlen  X  und  /n  auch  die  extremen  Werte  —  oo 
und  +  00  zugelassen  werden. 

Es  gilt  noch  der  von  Herrn  Nielsen^)  bewiesene 

Satz  V:  Wenn  eine  Fakultätenreihe  für  a;^  konvergiert 
und  SR (iPi) >  5R  (x^)  +  1  ist,  so  ist  die  Reihe  für  a;, 
absolut  konvergent. 

Hierbei  wird  x^  von  0,  —  1, . . .  verschieden  angenommen. 
Aus  diesem  Satz  folgt,  daß  für  endliche  X,  fi  stets 

ist,  ferner,  daß  für  Jl  =  —  oo  auch  ,u  =  —  oo  ist  und  daß  für 
^  =  -|-  00  auch  A  =  -j-  00  ist. 

Beweis:  Wie  Herr  Nielsen  wohl  bemerkt  hat,  folgt  die 
Behauptung,  auch  wenn  man  an  Stelle  der  Konvergenz  von 
a(xQ)  nur  voraussetzt,  daß  für  aUe  n 


(13) 


n\a„ 


<A 


^0  (a^o  +  1)  . . .  (a^o  +  n) 
ist,  unmittelbar  aus  (7);  denn  alle  Glieder  von 


®  »!       «H 


liegen  nach  (7)  und  (13)  von  einem  gewissen  n  an  unterhalb 


^)  »Recherches  etc/,  S.  415;    »Lea  series  etc.*,  S.  358;    , Handbuch 
etc.",  S.  238. 


■^S'*»^w«ip 


R.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      167 


2A 


Herr  Nielsen  hat  nicht  entschieden,  ob  die  Differenz  ßi  —  X 
wirklich  zwischen  0  und  1  (mit  Ausschluß  der  Grenzen)  ge- 
legen sein  kann.  Auf  örund  der  Betrachtungen  von  §  2  wird 
es  leicht')  sein,  diese  Frage  —  durch  Konstruktion  eines  passen- 
den Beispiels  —  in  bejahendem  Sinne  zu  beantworten. 


(1) 


§2. 
Das  KoDTergenzgebiet  einer  Fakultätenreihe 

n!  o„ 


Üix)  =  ± 


%x(x+l).  ..(«  +  ») 


ist  nach   Satz  I  in  demselben  Sinne   eine  Halbebene   wie   das 
einer  Dirichletschen  Reihe 


(14) 


^(x)  =  S  "" 


n=l 


n' 


oder  einer  allgemeineren  Dirichletschen  Reihe 

00 

n  =  l 

(wo  y,,  y^,  ...  eine  monoton  ins  Unendliche  wachsende  Folge 
reeller  Größen  bezeichnen)  auf  Grund  des  von  Herrn  Jensen'^) 
gegebenen  Beweises. 

Wenn  man  zu  einer  gegebenen  Fakultätenreihe  (1)  die 
zugehörige  Dirichletsche  Reihe  (14)  mit  denselben  Koeffizienten 
fl»(w^l)  betrachtet,  so  gilt  der  merkwürdige 

Satz  VI:  Die  Konvergenzhalbebenen  der  beiden  Reihen 
Q(x)\ind  ^{x)  stimmen  überein,  und,  was  noch  mehr 
besagt,*)    für  jedes    (von    0,  — 1,  ...    verschiedene) 


»)  S.  S.  171,  Nr.  3. 

«)  1.  c,  S.  70. 

^)  Es  ist  nämlich  nicht  nur  die  charakteristische  Zahl  X  für  beide 
Reihen  dieselbe,  sondern  es  konvergieren  bezw.  diver^g^eren  auch  in  jedem 
I*unkt  der  Geraden  91  (j:)  =  Ä  beide  Reihen  gleichzeitig. 


168  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

a:  konvergieren  beide  Reihen  oder  divergieren  beide 
Reihen  gleichzeitig. 

Beweis:    1.  Es  sei  x  eine  (von  0,  —  1,  .  .  .  verschiedene) 
Zahl,  für  welche  W{x)  konvergiert,  und  es  werde  für  n  ^  1 

,        an  n\  n' 


n' 


x(x-\-l) . .  .(x-^n) 


gesetzt;  ich  behaupte,  daß  die  Voraussetzungen  des  Hilissatzes  1 
erfüllt  sind,  d.  h.  daß 


konvergiert.     Es  ist 


Cn  — ^»4-1  = 


t  *3L* 


Ch  +  I 


ni  n 


(n  +  1)!  (n  +  1)' 


a; (« -|-  1) ...(«  +  n)      x(x  +  1) . .  .(x-\-  n-{-  1) 


^  nln'  (^  _  <"  +  ^)  (^  +  'n)'] 

x{x  +  l).,.{x  +  n)\  x  +  n  +  1       J  ' 


n\  n^ 


Da  nach  (6) 

(15)       lim  I  c„  I  =  lim    — ;^ — ,    ^.        /     ,     \ 

-  =  00'        '         n  =  co\x(X'{-l)...{X  +  n) 

ist,  so  genügt  es,  zu  zeigen,  daß 


=  \r(x) 


00 


S 


(n+1) 


hl) 


x  +  n+  1 

konvergiert.     Dies   folgt  tatsächlich   daraus,   daß   für  alle  n, 
welche  >  1  und  >  |  a;  +  1  |  sind, 

x  +  n+l  1J.^^'^^        ^/ 


y*  \y»i 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     169 


ist,  also  für  alle  n  >  1 


(n+1) 


1  — 


0+^)' 


a;  +  w  +  1 


wo  y  eine   von  n  unabhängige  Gncöüe   bezeichnet.     Nach  dem 
Hilfssatz  1  ist  also  die  Reihe 


a 


00 


X      11=1 


konvergent. 

2.  Es  sei  Q  (x)  konvergent  und  es  werde  für  n  ^  1 


6.= 


n\an 


-  a;  (aj  +  1) . . .  (a:  +  ») 


x(x  -\-\) , ,  .(x-^  n) 


,     Cn  = 


n!  »* 


gesetzt.     Dann  ist 

-        -             1  1                  1      ,                 , 

t'»  ^n  -}- 1                t'i»  t'n  + 1 

so  daß  wegen  (15)  auch 


00 


S    |cw  —  ÖH+l 

konvergiert,  da  die  Konvergenz  von 

soeben   gezeigt   wurde.     Daher  ist   nach   dem  Hilfssatz  1   die 
Dirichletsche  Reihe 


00 


a. 


konvergent. 

Der  bewiesene  Satz  VI  scheint  bei  oberflächlicher  Betrach- 
tung schon  von  Herrn  Kluyver  ^)  ausgesprochen  zu  sein.    Wie 


^)  ,Over  de   ontwikkeling  van    eene   functie  in  eene  faculteiten- 
reeks*,  Nieuw  archief  voor  wiskunde,  Ser.  2,  Bd.  4,  1899,  S.  74. 


170  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  8.  Februar  1906. 


indessen  aus  Herrn  Kluyvers  Begründung  hervorgeht,  meint  er 
nur  den  leichter  beweisbaren 

Satz  VII:   Die  Punkte   absoluter  Konvergenz   sind  für 
die  beiden  Reihen 

und 
(14) 

dieselben. 

Beweis:    Dies  folgt  ohne  weiteres  aus 

n! 


00     n 

^i^)  =  £  -l 


(6) 


lim 


n'=.  r{x) 


=  »a:(a;+  1) . . .  (a?  +  n) 

nach  dem  auf  S.  165  angewendeten  bekannten  Konvergenzsatz. 

Für  Fakultätenreihen  wie  für  Dirichletsche  Reihen*)  hat 
man  zur  Bestimmung  der  Konvergenzhalbebene  nur  die  Grenz- 
stelle der  Konvergenz  für  reelle  x  zu  bestimmen;  da  dies  bei 
dem  einfacheren  Bau  der  Dirichletschen  Reihen  oft  für  diese 
leichter  ist,  sind  die  Sätze  VI  und  VII  von  großem  Nutzen 
für  die  Konstruktion  spezieller  Fakultätenreihen  mit  vorge- 
schriebenen Konvergenzeigenschaften. 

Folgende  Beispiele  veranschaulichen  die  schon  in  §  1^) 
für  k  und  /x  unterschiedenen  Fälle  und  zeigen,  daß  jeder  der- 
selben vorkommen  kann. 


^)  Der  Jensensche  Satz  von  der  Existenz  der  Konvergenzhalbebene 
einer  Dirichletschen  Reihe  W  {x)  folgt  natürlich  seinerseits  aus  den 
Sätzen  I  und  VI.  Aber  sein  direkter  Beweis  ist  ganz  einfach  und  be- 
ruht bloß  auf  dem  Hilfssatz  1  und  der  för  SH  (x)  >  0  gültigen  Ungleichung 


1 


«•       (n+l)* 


^  n«(«)  +  » 


oder  statt  dieser,  was  auch  ausreicht,  auf  der  Ungleichung 


n*     (n+l)*|     n«(») 
«)  S.  S.  166. 


-('+i) 


— « 


n«(«) 


n      n* 


< 


««(«)+!• 


*^  JW 


m^' 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultütenreihcn.      171 


1.    Es  ist  A  =  —  00,  /i  =  —  00  für  a»  =  :7j.    In  der  Tat 


n! 


ist  die  Reihe 


E    ' 


M  =  l 


n!  »* 


für  jedes  reelle  x  absolut  konvergent. 

2.  Es  ist  ;  endlich  und  /*  =  i  für  a«  =  1.')    In  der  Tat 
ist  die  Reihe 

für  o;  <  1    divergent,   für  x>l    absolut   konvergent,   so  daß 
/  =  1,  /*  =  1  ist. 

3.  Es  ist  X  endlich  und  >l</i<>l  +  1  liir  die  Fakultäten- 
reihe, deren  Koeffizienten  folgendermaßen  definiert  sind: 

für  ungerade  nichtquadratische  n  ist  a„  =  1, 
für  gerade  nichtquadratische  n  ist  a„  =  —  1, 
für  ungerade  quadratische  n  ist  a„  =  2, 
für  gerade  quadratische  n  ist  a„  =  0. 
In  der  Tat  ist  erstens  die  Reihe 

11111  ®  r—  1V'  +  » 


M=l 


n" 


&iTX<iO   divergent,   für  0<a;^l    bedingt  konvergent,    für 
x>l  absolut  konvergent;  zweitens  ist  die  Reihe 

111  ^    1 

4x-r  9,-r  jg^   .  _^^, 


1 1 


«  =  1 


für  j;<—  divergent,  für  ^>  v  absolut  konvergent.   Die  durch 

Addition  beider  Reihen  entstehende  Reihe 

11111121  «a« 

»^  Qx  "^  t;«       A«  ~  7»       ö«   »^  o*       irvt   '    •  *  *        ^4*» 


2'   •   3^ 


8^ 


9*       10* 


M  =  l 


ist   daher  für  x<-^  divergent,   für  -h-<^^1    bedingt   kon- 
^)  Für  Reihen  mit  positiven  Koeffizienten  ist  natürlich  stets  f*  =  X, 


172  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

vergent   und   für  x>l    absolut   konvergent,   so   daß   A  =  — , 

/i  =  1,  also  /i  =  i  +  —  ist. 

4.  Es  ist  X  endlich  und  ju^X+l  für  a^  =  (—  1)"+^ ; 
denn  für  die  Reihe  (16)  ist  A  =  0,  /i  =  1. 

5.  Es  ist  A  =  00,  /i  =  00  für  a„  =  n!  In  der  Tat  ist  die 
Reihe 

für  jedes  reelle  x  divergent. 

Folgende  Beispiele  zeigen  unter  Anwendung  des  Satzes  VI, 
daß  für  das  Verhalten  einer  Fakultätenreihe  auf  der  örenz- 
geraden  die  verschiedenen  denkbaren  Fälle  ^)  möglich  sind. 

1.  Q(x)  konvergiert  in  keinem  Punkte  der  Gh-enzgeraden 
für  a„  =K  1.     In  der  Tat  ist  bekanntlich*) 


n  =  l 


1 


i»  *.i+»' 


für  jedes  reelle  v  divergent. 

2.  Q  (x)  konvergiert  in  allen  Punkten  der  Grenzgeraden  für 

«»  =  1— V-  (»>2). 
^       log*n  ^   =   ^ 


In  der  Tat  ist  die  Reihe 


für  a;  <  1  divergent,  für  x  =  l  +vi  (absolut)  konvergent. 

3.  ü{x)  konvergiert   weder  in  allen  Punkten   der  Grenz- 
geraden noch  in  keinem  Punkte  derselben,  falls 


1)  S.  8. 160. 

')  Literatur  s.  in  meiner  Arbeit  ^über  die  zu  einem  algebraischen 
Zahlkörper  etc.",  8.  106—107. 


£.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultaienreihen.      173 

a„  =  1  für  Primzahlen, 

a«  =  0  für  zusammengesetzte  n 

ist.     In  der  Tat  ist  die  über   alle  Primzahlen  (in  wachsender 
Reihenfolge)  erstreckte  Reihe 


p 


pi+.i 


bekanntlich^)  für  v  =  0  divergent,  für  alle  anderen  reellen  v 
konvergent.  Es  gibt  natürlich  einfachere  Beispiele;  ich  wählte 
das  vorliegende,  da  es  an  sich  von  Interesse  erscheint;  zu  den 
nicht  zahlreichen,  mit  der  Verteilung  der  Primzahlen  zusammen- 
hängenden Reihen,  deren  bedingte  Konvergenz  man  beweisen 
kann,  gehört  nämlich  jetzt  z.  B.  die  Reihe 


ß(i  +  i)  = 


2! 


•N  + 


3! 


(1  +  0(2  +  0(3+0  '  (1  +  0(2  +  0(3  +  0(4  +  0 


+ 


5! 


(1  +  0. ..(6  +  0 


TC  +    .    .   .    + 


(i  +  0...(i'  +  i  +  0 


•\        I        •    •    • 


Das  folgende  Beispiel  zeigt  endlich,  daß  —  im  Gegensatz 

zu  einer  früher  von  Herrn  Nielsen*)  gemachten  Bemerkung  — 

aus   der  Konvergenz   einer   Fakultätenreihe  für  ^0=^*^0  +  ^0^ 

nicht  die  absolute  Konvergenz   in  allen  Punkten   folgt,    deren 

Abstand  von  der  Geraden  di(x)  =  UQ  „nicht  kleiner  als  1"  ist. 

Die  Dirichletsche  Reihe 

«   (  -  1)"  n 

ist  für  x=l  konvergent  und  konvergiert  trotzdem  für  x=^2 
nur  bedingt,  nicht  absolut.  Absolute  Konvergenz  ist  also  —  durch 


»}  Literatur  s.  ebenda,  S.  108—109. 

*)  .Recherches  etc.",  S.  429;  in  seiner  Arbeit  ,sur  la  multiplication 
de  deux  s^ries  de  fiictorielles*  (Rendiconti  della  R.  Accademia  dei  Lincei, 
Ser.  6,  Bd.  13i,  1904,  S.  71)  spricht  Herr  Nielsen  gleichfalls  noch  (mit 
vermeintlichem  Beweis)  den  Satz  aus:  ,Wenn  Q(x)  konvergiert,  so  kon- 
vergiert ö  (jc  4- 1)  absolut.* 


174  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

den  Satz  V  —  nur  für  yiix—x^)  >  1,  nicht  fiir  5R  (x—Xq)  ^  1 
gesichert. 

Die  durch  Satz  VI  gelieferte  Beziehung  zwischen  einer 
Fakultätenreihe  und  der  zugehörigen  Dirichletschen  Reihe  ge- 
stattet, die  Abszisse  X  der  Grenzgeraden  einer  Fakultatenreihe 
(und  damit  auch  die  Abszisse  fi  der  Grenzgeraden  ihrer  abso- 
luten Konvergenz)  in  ähnlicher  Weise  mit  Hilfe  eines  limes 
superior  in  geschlossener  Form  durch  die  Koeffizienten  aus- 
zudrücken, wie  Cauchy  und  Herr  Hadamard  es  für  Potenzreihen 
getan  haben.  Diese  Darstellung  folgt  unmittelbar  aus  dem 
von  Herrn  Cahen^)  bewiesenen  Satz: 

Wenn  die  Abszisse  k  der  Grenzgeraden  einer 
Dirichletschen  Reihe 


>  0  ist,*)  so  ist 

/1Q\                                                                ^^8 

i 

(^^)                            >l=limsup       - 

<  =  »  log  t 

Folgendes  ist  der  Cahensche  Beweis  der  wichtigen  For- 
mel (18)*)  in  unwesentlich  abgeänderter  Gestalt. 

1.  Es  ist  nachzuweisen:  wenn  x  den  Ausdruck  auf  der 
rechten  Seite  von  (18)  bezeichnet,  wenn  x  endlich  und  i  >  0 
ist,  so  ist  die  Reihe  (17)  fHrx=^x-\-d  konvergent.    Es  werde 


i)  1.  c,  S.  89  und  102. 

*)  Durch  eine  lineare  Transformation  der  Variablen  x  =  x'  —  c 
läßt  sich  dies  stets  erreichen,  falls  die  Grenzgerade  überhaupt  im  End- 
lichen gelegen  ist. 

*)  Für  die   allgemeineren    Dirichletschen   Reihen    2J  ^h*""^"*  be- 

n  =  l 

weist  Herr  Cahen  (für  X>0)  analog  die  Formel 


log 


X  =  lim  sup 


t 


<=•  Yt 


^H»^^ 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     175 


gesetzt.     Dann  ist  wegen 


lim  SUD  — , 
t=x>       logt 


X 


von  einer  gewissen  Stelle  an 


log  I  -4h  .   d 

log 


AiKf+i-, 


also  ist  w^en 


"    o.        " 


-2^  M«  ~  ^         n« 


~5/"(^'     (^  +  1)7        '^''"^ 


(a+l)* 


fiir  a:  =  X  -f-  <J 


wo  a  von  ^  und  a  unabhängig  ist;    hierin  hat  wegen  der  Kon- 
vergenz von 

1 

die  rechte  Seite  für  ^  =s  od,  a  =  od  den  Grenzwert  0,  so  daß, 
wie  behauptet,  die  Reihe  (17)  für  a:  =  x  +  <J  konvergiert. 

2.  Es  ist  zu  zeigen:  wenn  die  Reihe  (17)  für  ein  reelles 
a: >  0  konvergiert  und  d>0  ist,  so  ist  von  einer  gewissen 
Stelle  an 


logl^ 


d.h. 


J4\<t'-^\ 


176  Sitzung  der  math.-phys.  EUasse  vom  3.  Februar  1906. 


In  der  Tat  ist,  falls 


a 


£  -^=5,^_,  =  0 


gesetzt  wird, 


N=  1 

t 


n 


a. 


i 


=  £  B.in'-(n  +  1)*)  -^B,(t-\-  ly, 

n  =  l 

also,  da  \Bt\  für  alle  t  unterhalb  einer  Schranke  B  gelegen  ist, 
\At\<Bj^{(n  +  iy-n')-tB{t+iy<2B{t  +  1)^ 

also  von  einer  gewissen  Stelle  an 

I  ^  I  <  ^+^. 

Damit  erhalte  ich  also  für  Fakultätenreihen  den 

Satz  VIII:  Falls  die  Abszisse  >l  der  Konvergenz  geraden 
einer  Fakultätenreihe  >0  ist,  ist 


(18) 


log 


k  =  lim  sup 

<=00 


log^ 


falls   die  Abszisse  ju   ihrer  Grenzgeraden   absoluter 
Konvergenz  ^  0  ist,  ist 


(19) 


log    S  I  «n 

u  =  lim  sup 7^-z .  ^) 

*=«  log^ 


(Offenbar  folgt  aus  dem  vorigen  Beweise,  daß  diese  Formeln 
auch  in  den  Fällen  Jl  =  oo,  /^  =  oo  richtig  sind.) 

Beispielsweise  ist  für  die  auf  S.  171,  Nr.  3  angegebene 
Fakultätenreihe 


^)  Ohne  Benutzung  des  entsprechenden  Cahenschen  Satzes  über 
Dirichletsche  Reihen  läßt  sich  der  Satz  VlII  direkt  auf  dem  Wege  be- 
weisen, der  im  §  6  für  den  Satz  VIII*  angewendet  werden  wird. 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     177 


also 


•1  =  1  ^ 


und  a  fortiori 


lim 


log 


n=l 


Vt 


11  =  1 


=  1 


lim  -    T   -;  —  =ö"i 
«  =  00       log^  2 


log 


ferner 


A  =  lim  sup 

<=00 


N=l 


log^ 


1^ 

2' 


also 


H  =  l 


S  l«»l  =  <  +  [Kn, 


lim 

«=00 


t 

N=l 


^ 


=   1, 


ju  =  lim  sup 

<=QC 


log  S  I  ^H  I  log  2  I  «M 

n  =  l  1-  N=l 


log^ 


=  lim 

<=ao 


log^ 


=  1. 


Auf  Grund  des  Satzes  VIII  lassen  sich  leicht  Beispiele  bilden, 
in  welchen  ju  —  k  jeden  zwischen  0  und  1  gelegenen  Wert  hat. 
Ich  muß  bei  dieser  Gelegenheit  erwähnen,  daß  Herr 
Pincherle  ^)  die  Zahl  /i  auch  mit  einem  limes  superior  in  Ver- 
bindung gebracht  hat;  allerdings  ist  er  nicht  bis  zur  genauen 
Gleichung  (19)  gelangt,  sondern  er  hat  nur  die  leicht  beweis- 
baren Ungleichungen 

*</!<*+   1 

gefunden,  wo 


*)  ,Sulle  serie  di  fattoriali*,  Rendiconti  della   R.  Accademia   dei 
Lincei.  Ser.  6,  Bd.  11„   1902,  S.  UO— 141. 

1906.  SiUungsb.  d.  maib.-phya.  KL  12 


178         Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

log|a< 


k  =  lim  sup    , 

^=00       log  t 

gesetzt  ist.  Herr  Pincherle  bewies  nämlich ,  daß  Q  (x)  für 
di(x)  Kk  divergiert,  für  5K(a:)  >  A;  +  1  absolut  konvergiert; 
daraus  folgen  die  obigen  Ungleichungen  und,  wenn  l  einge- 
führt wird,  die  Ungleichungen 

k<X<iii<:k+l. 

Dagegen  begeht  Herr  Pincherle  einen  Irrtum,*)  indem  er 

meint,  die  Gleichung 

/i  =  Ä;+  1 

bewiesen  zu  haben.  Dieselbe  braucht  gar  nicht  erHillt  zu  sein, 
wie  folgendes  einfache  Beispiel  zeigt:  es  sei  a„  =  l  für  quadra- 
tische n,  Om  =  0  für  nichtquadratische  n;  dann  ist  offenbar 

k  =  lim  sup  -,    -r-  =■  0, 
<=»        log^ 

und  die  durch  den  Satz  VHI  bestimmte  Abszisse  der  Grenz- 
geraden absoluter  Konvergenz 


^ 


t 

r  H  =  i  ,.  log[K^J         1 

lim  sup i 7 —  =  lim  sup     ,-  -i  =  tt  • 

/=0D  log  t  i=»  ^     log  ^  2 


§3. 
Die  Beziehung  zwischen  einer  Fakultätenreihe  und  der 
zugehörigen  Dirichletschen  Reihe  reicht  noch  tiefer  als  bloß 
bis  zu  der  in  Satz  VI  festgestellten  Tatsache  der  gemeinsamen 
Eonvergenzhalbebene  und  der  gleichzeitigen  Konvergenz  bezw. 
Divergenz  in  allen  Randpunkten.  Es  gilt  nämlich  in  Bezug 
auf  das  analytische  Verhalten  der  durch  die  Reihen  definierten 
Funktionen  der 


0  !•  c.,  S.  143—144,  .Sulla  sviluppabilitä  di  una  funzione  in  serie 
di  fattoriali'',  ebenda,  Bd.  12s,  1903,  S.  340,  und  ,Sui  limiti  della  con- 
vergenza  di  alcune  espressioni  analitiche",  Rendiconto  delle  sessioni  della 
R.  Aeoademia  delle  scienze  deir  Istituto  di  Bologna,  Ser.  2,  Bd.  8, 
1901,  S.  13. 


E.  Landau:  Grandlagen  d^r  Theorie  der  Fakoltätenreihen.     179 


Satz  IX:  Jede  (von  0,  — 1,  ...  verschiedene)  Stelle  der 
Konvergenzgeraden  yt(x)=^X  der  Reihen 


(0 

und 
(14) 


Q  (X)  =  V  — *^^-^= 


•P(a;)  =  y;  -^- 


ist  für  beide  (in  der  Halbebene  SR(a;)>>l  durch  Q(x) 
und  W{x)  definierten)  Funktionen  regulär  oder  für 
beide  singulär. 

Es  braucht  natürlich  keinen  auf  der  Grenzgeraden  ge- 
legenen singulären  Punkt  zu  geben. 

Dem  Beweise  des  Satzes  IX  schicke  ich  folgenden  Hilfs- 
satz aus  der  Theorie  der  Gammafunktion  voraus: 

Hilfssatz  4:  Es  sei  für  jedes  komplexe  x  und  jedes 
ganzzahlige  n^l  eine  Funktion  9?  (^,  n)  durch  die 
Gleichung 


(20) 


n!  n* X  +  x'^         (p  {x,  n)  j. 

r{x)x(x+  1)  ...(a;  +  «)  ""  2n~  "^        ^~  ' 


definiert.  Wenn  ®  ein  im  Endlichen  gelegenes  Ge- 
biet der  a;-Ebene  ist,  ist  \(p{Xyn)\  für  alle  o;  in® 
und  alle  n  =  1,  2,  ...  unterhalb  einer  endlichen  (von 
X  und  n  unabhängigen)  Schranket,  gelegen. 

Erster   (direkter)   Beweis   des   Hilfssatzes  4:    Es  ist, 
falls  C  die  Eulersche  Eonstante  bezeichnet, 


1 


r{x) 


(21) 


^e^'x 


/7(l  +  -W  "^e^'a;//— ^^  '•   /7  {1+-K  ^ 


n!  n* 


r(a:)x(a;  +  l)...(a;+n) 


=  e 


(c+logH-iJv) 


^)  Die   linke  Seite   von  (20)  stellt  für  jedes  n   eine  ganze   tran- 
szendente Funktion  von  x  dar,  <p{x^n)  also  gleichfalls. 

12* 


180  Sitsung  der  math.-ph js.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 


Eine  Eonstante  c  sei  so  gewählt,  daß  für  alle  o;  in  ® 


x\<^c 


ist.     Da  für  |y|<ö 


ist,*)  so  ergibt  sich  für  v>2c  und  alle  a?  in  ® 


I  1 -| — je   v  =  e    »v2^     »-» 


also  für  n>2c  und  alle  :r  in  ® 


xr9 


00 


(22)      /7   (1  +-)e~r  =  c      '="+'  '=»+'    (|^,|<1). 

Nun  ist 
(23) 

und 
(24) 


00 


^^J'^f-^J^i-?!         (0<^.<1) 


«      1       •djßr         1 

y  =  M  +1  M 


aus  (22),  (23)  und  (24)  ergibt  sich  fOr  n  >  2  c  und  alle  a;  in  @ 


(25) 


i.,(-r^= 


-S+*»<''+'»'^i  (l^^l^l). 


Ferner  ist  bekanntlich 


j^l=.logn  +  C+l^-l\         (0<d,<l), 


v  =  l 


2n      n' 


')  Denn 

-y  +  ^y'  +  ioKO+y) 

— = 

.v'      .V*   . 

= 

2(1 

^^     <y». 

^|(|y|«  +  |y|*  + 


^Sf»^t^ 


E.  Landau:   Grundlagen  der  llieorie  der  Fakultätenreihen.     181 
also 

Aus  (21),  (25)  und  (26)  folgt  fllr  alle  n>2c  und  alle  a:  in  ® 


r(x)x(x  +  1) . . .  (a;  +  n) 
Mit  anderen  Worten,  es  ist 


=  e"-2ir'^^'^-^'"^^'^r2     (I  ^J  <  1). 


=  e        2«  n2, 


r(x) x{x  \-  \). ,  .{x  '\-  n) 


wo  !  i;  I  für  alle  n>  2c  und  alle  x  in  ®  unterhalb  einer  end- 
lichen Schranke  gelegen  ist.     Daraus  folgt 

f2f)\    ^JL^ x  +  x*      (p(x,n) 

^     '    r{x)x{x+l).,.{x^n)  2n     "^     n»    ' 

wo  I  q)  (a;,  n)  |  für  «  >  2  c  und  alle  a:  in  ®  unterhalb  einer  end- 
lichen Schranke  liegt.  Für  die  endlich  vielen  n<2c  und 
alle  o:  in  ®  liegt  das  durch  (20)  bestimmte  q)  (x,  n)  gleichfalls 
unterhalb  einer  endlichen  Schranke,  womit  der  Hilissatz  4  be- 
wiesen ist. 

Zweiter  Beweis  des  Hilfssatzes  4:  Aus  bekannten 
Eigenschaften  der  Gammafunktion  läßt  sich  der  Hilfssatz  auf 
vielfache  Arten  als  Korollar  herleiten.  Ich  gehe  z.  B.  von 
dem  Satze ^)  von  Stieltjes  aus:  »für  nicht  negative  y  =  jy  e***»  ist 

(27)     logr(y)=(y-i)logy-y  +  logV^+i^  +  -B(y), 


WO 


R(y)\<    -       ^ 


360 


y|'(cos|y 


ist".     Nach  (27)  ist  für  alle  a;  in  ®  und  alle  w>(?*) 

>)  Literatur  s.  Nielsen,  , Handbuch  etc.*,  S.  208. 
')  c  bezeichnet  eine  Zahl,  welche  größer  als  die  absoluten  Beträge 
aller  x  in  ®  ist;  alsdann  ist  sicher  x-^-n  nicht  negativ. 


1S2  Sitzung  der  math.-phys.  Kliisse  vom  3.  Februar  1906. 

log  r{x  -\-  n)=  Ix  -]-  n —^Yogix  -\-  n)  —  x  —  n-\-\ogy27i 

j 1 .  ^ 

^  I2(x  +  n)^n*' 

wo  r]^  (desgl.  in  der  Folge  i;„  i;,,  . . .)  eine  Größe  bezeichnet, 
die  für  alle  o;  in  ®  und  alle  n>  c  dem  absoluten  Betrage 
nach  unterhalb  einer  endlichen  Schranke  gelegen  ist.  Außer- 
dem ist  nach  dem  schon  von  Stirling  bewiesenen  Spezialfall 
y  =  n  der  Formel  (27) 

log  n!  =  log  n  +  log  r^n) 
folglich 


r(x)xix+  l).,.(x  +  n)         ^(x  +  n)r{x  +  n) 

-(a:+n-~^)log(:r  +  n)  +  ^  +  n-logl/2^-j^^ 
\     '  2/    ^\       nj      12n      12(a;4-n)     n* 

"^      ^  2n      ■^2n"^n»""         2n    "^n»' 

n!n*  _*±f?+''«      ^      a;+a;*  ,  9:^(0?,  n) 


r(x)x{x+l).,.ix  +  n)  2n   ^     n 


I»     ♦ 


wo  I  <p  (Xy  n)  I  für  alle  a;  in  ®  und  n  >  c,  also  auch  fUr  alle  o; 
in  ®  und  alle  n  >  1  unterhalb  einer  endlichen  Schranke  liegt. 


■*^«^w 


E.  Landau:   Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     183 

Beweis  des  Satzes  IX:  Wenn  man  die  Gleichung  (20) 
mit  ~  multipliziert  und  über  alle  n  =  1,  2,  . .'.  summiert,  so 
ergibt  sich  für  di(x)>l 


rix)      r{x)^^^x{x+\)...(x  +  n) 


a 


X  rix)  ^ 


da 


und 


"      rt 


22  ^  =  »^(^  +  1) 


n  =  l 


itir  9}  (a;)  >  >l  konvergieren,  so  ist 


Hierin  ist 


^0 


o;  +  o;'* 


!P(a;+  1) 


für  alle  Punkte  der  Halbebene  9i(ic)>A —  1,   also  gewiß  ftir 
^ix)  =  X  regulär.     Femer  ist  die  Reihe 

•  9?(a;,  n)a» 


H=l 


„«  +  2 


in  jedem  endlichen  im  Innern  der  Halbebene  SR  (a:)  >  A  —  1 
gelegenen  Gebiete  ®*)  gleichmäßig  konvergent;  denn  in  ® 
ist  nach  dem  Hilfssatz  4 


')  Es  sollen  also  alle  Punkte  von  (&  den  zwei  Bedingungen 
fl{x)>l^l  +  e      («  >  0)  und  \x\<c  genügen. 


1S4  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  Tom  8.  Februar  1906. 


i' y)  (a?,  n)  g,  I  ^    A\an\    ^   A\an 


und  die  Reihe 


»=i 


konvergiert  bekanntlich.^)  Die  Gleichung  (28)  lehrt  also,  daß 
die  für  ^{x)>  X  durch  die  Diflferenz 

definierte  analytische  Funktion  in  der  Halbebene  ^{x)>  k  —  1, 
also  insbesondere  auf  der  Geraden  9i(:c)==A  regulär  ist,  mit 
etwaigem  Ausschluß  der  Punkte  0,  —  1 ,  .  .  .,  welche  Pole  erster 
Ordnung  oder  reguläre  Punkte  sind.  Folglich  ist  jeder  Punkt 
X-\-vi  (mit  etwaigem  Ausschluß  von  A,  falls  A  =  0,  — 1,  .  .  . 
ist)  für  beide  durch  Q{x)  und  V{x)  definierten  Funktionen 
regulär  oder  für  beide  singulär,  womit  der  Satz  IX  bewiesen  ist.*) 

Die  Analogie  zwischen  beiden  Funktionen  läßt  sich  aber 
noch  weiter  verfolgen.  Beide  Beweismethoden  des  Hilfssatzes  4 
zeigen,  daß  für  jedes  ganzzahlige  positive  k  eine  Gleichung 


r{x)x{x-\-l)..,{x  +  n) 
(29) 

besteht,  wo 

F,{x)=h  ^,(3;)  =  -^+— ,  F,{x),...,  F,{x) 


')  Nach  den  Sätzen  V  und  VII  oder  nach  dem  (vgl.  Cahen,  1.  c, 
S.  92)  direkt  leicht  beweisbaren  Satze,  daß  die  Breite  des  Streifens  be- 
dingter Konvergenz  bei  einer  Dirichletschen  Reihe  <  1  ist. 

*)  Wenn  der  Punkt  X  fflr  W(x)  singulär  ist,  so  ist  er  es  auch  für  Q  (x). 


K.  liandau:   Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     185 

ganze  rationale  Funktionen  von  x  sind  und  wo  für  alle  j:  in  ® 
und  alle  n  =  1 ,  2,  . . . 

I  q}  (x,  n)\<A 
ist. 

In  der  Tat  folgt  dies  z.  B.   nach  der  ersten  Methode  aus 
der  Gleichung  (21),  wenn  man  für  v>2c 

[         x\  _*         .l'^a.L^^       (-1)*^+^.  ^|xifc+2 
setzt,  wo  I  i>  :  <I  1  ist,  und  die  Relationen  berücksichtigt 

i_l=iog„+f+f+...+?.;+Mft-      (K.K». 

wo  die  G  und  die  A  gewisse  von  n  unabhängige  Konstanten 
sind  und  l  eine  der  Zahlen  2,  3,  .  .  . ,  A;  +  2  bezeichnet.  So 
ergibt  sich  zunächst  eine  Gleichung 

/OA.  1^^ ^^ ^^^  4.       ^  ^*(^)  4.  _  'y 

^^  ^r{x)x(x\\),,\x\n)'    n     "^"""^     n*     "^«*  +  »' 

wo  Gr,(a;),  .  . .,  (xk{x)  ganze  rationale  Funktionen  sind  und  für 
alle  o;  in  ®   und   alle  n>2c 


ist;   aus  (80)  folgt  das  Bestehen  von  (29). 
Es  ist  leicht  einzusehen,  daß  in  (30) 

(31)  G.  (x)  =  -J^f)  9'.+.  (^  +  1) 

ist,  wo  <pr{x)  das  sogenannte  BemouUische  Polynom  v**"  Grades 

^Jx)  =  ar  -  ^  a^-'  +  Q  £, x^ -2  -  (^)  ^.x-*  +  ...«) 

'j  Die  Reihe  ist  so  lange  fortzusetzen,  als  der  Exponent  ^  0  ist. 


186  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

ist  (in  welchem  £,,  5j,  ...  die  BemouUischen  Zahlen  bezeich- 
nen).    In  der  Tat  ist  für  ganzzahlige  positive  x  bekanntlich 

<^,(a:)  =  v(l»'-'  +  2"-'  +  •••  +  (^-1)"-'), 
also  für  ganzzahlige  positive  x  und  n>  x 

,1  w!n*  .         »In* 

log -tT-^  ^(^  ■    IX /^  .  ^x  =  log 


r[x)x[x+  l)...(a;+n)  ®  {x-\-n)\ 

=  ^««  (n-H)(n  +  2).T:(,r+"^)  =  -  ,5/"^  i'  +  n) 

_  •  ^-,  (-i)-e-  _  X«.  (zi.ll  ^  „,  _  ^  ti)'  y-+'(^  +  i) 

^,  ^,     vn-      ~      ,   vn'    e/        ^,   W       v(v+l)   " 

Damit  ist  (31)  für  ganzzahlige  positive  x^  also  für  alle  x  be- 
wiesen. Übrigens  läßt  sich  dieser  Zusammenhang  der  semi- 
konvergenten Entwickelung  (3Q)  mit  den  BernouUischen  Funk- 
tionen auch  aus  den  bekannten  Formeln  des  Herrn  Sonin*) 
ablesen. 

Was  die  Polynome  Fk{x)  betriflft,  so  hängen  sie  eng  mit 
den  sogenannten  Stirlingschen  Polynomen  i**"  Grades  v'*(^) 
zusammen,  deren  Theorie  von  Herrn  Nielsen  sehr  übersichtlich 
im  fünften  Kapitel  seines  Handbuches  dargestellt  worden  ist. 
Wenn  die  Ausdrücke  (£»  durch  die  für  ganzzahlige  positive 
X  und  I  n  I  >  a:  gültige  Potenzreihe 


1 f,(-j.)*e:+j 

...(«  +  «)         »  =  0      *»«+!  +  »       '    '' 


n(w+l) 
definiert  sind,  so  ist 

ß5+i  =  (-l)»+'a;(a;  +  l)...(a;  +  *)v»-.(-a:-l)(*>0).') 


')  «Beinoullische  Polynome  und  ihre  Anwendungen"  (russisch), 
Warschauer  üniversit&tsnachrichten,  1838;  ^Sur  les  polyndmes  de  Ber- 
noulli*,  Journal  für  die  reine  und  angewandte  Mathematik,  Bd.  116, 
1896,  S.  137. 

*)  Es  ist  dies  die  Gleichung  (9)  auf  S.  68  des  Handbuchs,  wenn  in 
dieser  n  statt  x,  x+\  statt  yf,  k  statt  8  geschrieben  wird. 

»)  1.  c,  S.  74,  (l(i). 


JSF  «e?  Vü 


fi.  Landau :  Gmndlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      187 

Da  nun  ffir  ganzzahlige  positive  x  und  n>x 

1  nln*  nln*  n*+* 


r(z)  x(z  +l)...(x  +  n)       (j;+  «)!       n(n  +  1). . .(n  +  x) 

^|>(-iysU. 


ist,  so  ist  für  ganzzahlige  j;  >  0,  also  allgemein  die  in  (29) 
auftretende  Funktion 

F,ix)  =  —  x(x+l)...{x  +  k)tp,-i(-x-l)    (k>0). 

Für   meinen   Zweek   kommt   es   nur   darauf  an,    daß   die 
Fk(x)  in  (29)  überhaupt  ganze  rationale  Funktionen  sind.    Die 

Relation  (29)  ergibt,  wenn  man  mit  ~  multipliziert  und  über 

alle  n  =  1,  2, . . .  summiert,  für  9i(x)>  X 

+  ...  +  j;(x)!P(:.  +  ft)  +  E^^^-; 

hierin  ist  die  Reihe 

y.(p(x,n)a^ 

für  eine  gewisse  Umgebung  jeder  Stelle  der  Halbebene  9t  (:r)>  il  -  Ä; 
gleichmäßig  konvergent.  Falls  also  z.  B.  die  durch  ^(x)  defi- 
nierte   Funktion    für    91  (o?)  >  i  —  10    existiert    und    regulär 

ist,  so  lehrt  die  Gleichung  (32),  daß  die  durch  -ty~\  ^^^^^^ 

Funktion  für  9l(x)>il  —  10  existiert  und  regulär  ist.  Falk 
V(z)  eine  ganze  transzendente  Funktion  definiert,  definiert  also 
0(x)  eine  in  der  ganzen  Ebene  existierende  eindeutige  analy- 
tische Funktion,  welche  keine  anderen  singulären  Punkte  haben 
kann  als  Pole  erster  Ordnung  in  0,  — 1,  — 2,...  Ein 
Beispiel  hierfür  liefern  die  beiden  wohlbekannten  Funktionen, 
welche  den  Werten 


188  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

entsprechen  und  für  9?(x)>0  durch  die  Reihen 

Q(r\  -  f  (-1)"»! 

^  ^~»=ox(x+l)...(a;  +  n) 

definiert  sind.     In  der  Tat  ist  bekanntlich  einerseits  die  durch 

!P(x)  =  -(l-|)(l  +  2\  +  ^  +  i^  +  ---)        (9iW>l) 
definierte  Funktion 


0-2')^^^) 


eine  ganze  transzendente  Funktion,  und  andererseits  ist') 

1  ^_i  <»       1  1 


wo  der  letztere  Summenausdruck  eine  bis  auf  die  Pole  erster 
Ordnung  0,  — 1,  ...  in  der  ganzen  Ebene  reguläre  Funktion 
darstellt. 

§4. 

Auf  S.  179  ist  schon  bemerkt  worden,  daß  auf  der  Kon- 
vergenzgeraden einer  Fakultätenreihe  kein  singulärer  Punkt  der 
durch  sie  definierten  analytischen  Funktion  zu  liegen  braucht. 
Diese  Tatsache  war  bereits  von  Herrn  Pincherle*)  beachtet 
worden.    Um  so  mehr  Interesse  beansprucht  der 

Satz  X:  Wenn  alle  Koeffizienten  einer  Fakultäten- 
reihe mit  endlicher  Grenzgeraden  ^{x)  =  X  von  einer 
gewissen  Stelle  an  reell  und  ^0  sind,  so  ist  der 
Punkt  x=^X  eine  singulare  Stelle  der  Funktion. 

Erster  (direkter)  Beweis:  Ohne  Beschränkung  der  Allge- 
meinheit kann  A  >  0  angenonunen  werden ;  denn  anderenfalls 
braucht  man  statt 


1)  Vgl.  z.  B.  Nielsen,  ,, Handbuch  etc.",  S.  246. 

*)  S.  die  auf  S.  178,  Anra.  1  zuletzt  genannte  Arbeit. 


■:i^^f'um^mm 


£.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      189 


(1) 


fl(a;)  =  S 


n!  a» 


=:0^(^+  l)...(a:  +  n) 


nur  die  Fakultätenreihe 


xix+l)...(X'\'m)  (q(x)  -  S  —-—"^^-^ 

^  ^V  n=ox(x+l)...{x  +  n)J 


=  £ 


rrm+l  (j?  +  W  +  1)  .  .  .  (O?  +  n)    ' 

WO   m    eine    ganze    Zahl   >  —  1 — X    ist,    als    Funktion    von 
X  -{-  m  -\-  1  =^  y  z\x  betrachten  und  auf  die  Reihe 


nlan 


00 


=  s 


h\h 


»=m+ 1  (x  +  w  +  1) . . .  (a;  -f-  n)       *=oy  (y  +  1) . . .  (y  +  A) 

mit  der  Grenzgeraden  9i(y)  =  A  +  m-f-l>0  den  Satz  anzu- 
wenden. Auf  Grund  von  (12)  kann  man  auch  ohne  Beschrän- 
kung der  Allgemeinheit  annehmen,  daß  gleich  von  Anfang  an, 
also  für  alle  w  ^  0  die  Ungleichung 

erfüllt  Ist. 

Da  die  Reihe  (1)  nach  Satz  III  in  der  Konvergenzhalb- 
ebene beliebig  oft  gliedweise  diflPerentiiert  werden  darf,  ergibt 
sich  für  yi(x)>X 

00  /  J 

ß'(a;)  =  Sn!a„( — — rr ^r~- r 

•*=()         V      x^{x  +  l),.,(x  + n) 

1         ^ 

x(x  +  1)..  .(a;  + w)V' 


ü\x 


x{x  -\-  l)^  . ,  .{x  -\-  n) 

2 


)=£)n!a„(  -^ 


+  :7. 


1 


(«+!)... (a;+n)  '  x'*(x+iy...{x+n) 


+ 


■) 


u.  s.  f.  Man  sieht,  daß  in  fi^*^ (x)  für  reelle  x>X  die  Glieder 
das  Vorzeichen  (—  1)*  oder  0  haben,  je  nachdem  a„>  0  oder  =  0 
ist;  jedenfalls  treten  in  ( — l)\Q^''^(x)  keine  negativen  Glieder 
auf.  Wäre  nun  x  =  l  eine  reguläre  Stelle  der  Funktion,  so 
würde  die  in  der  Umgebung  von  x  =  X  -\-  l  gültige  Potenzreihe 


00 


190  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  8.  Februar  1906. 

(33)  Qix)  =  j:''    ^'^'f(x-k-lf 

einen  Eonvergenzradius  r  >  1  haben.    Es  sei  p  so  gewählt,  daß 

P>  0,    p  <kj    p<r—l 

ist ;  wegen  p<r  —  1  würde  die  Reihe  auf  der  rechten  Seite 
von  (33)  für  x  =  X  —  p  konvergieren ;  diese  Reihe 

fc  =  0  Kl 

ist  eine  Doppelreihe,  deren  Glieder  sämtlich  ^  0  sind.  Daher 
konvergiert  auch  die  durch  Vertauschung  der  Summationsfolge 
entstehende  Reihe 

(34)    i;«!a.i;tiV7^>*(^^^Si5IS«))       . 

Nun  ist  für  jedes  n,  wenn  die  rationale  Funktion  von  x 

x(x-{-\).,.(x  +  n)  ^  ^^^^ 
gesetzt  wird,  für|j:  —  X  —  l|<A-f-l 

also  speziell  für  x  =  X  — p 

1  =f:^-^-^)*/-(*)(A+i), 


so  daß  die  mit  (34)  identische  Reihe 


£j nla» 


=o{i—p)i^-p  +  l)...{l—p  +  n) 


=  Q{X  —p) 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     191 

konvergieren  würde,  gegen  die  Voraussetzung,  daß9?(a;)  =  >l 
die  Konvergenzgerade  von  Q(x)  ist. 

Zweiter  Beweis:  Der  Satz  X  ergibt  sich  unmittelbar, 
wenn  ich  meinen  kürzlich  publizierten*)  analogen  Satz  als  be- 
kannt voraussetze:  der  reelle  Punkt  der  Konvergenz- 
geraden einer  Dirichletschen  Reihe  mit  reellen,  nicht 
negativen  Koeffizienten  ist  eine  singulare  Stelle  der 
Funktion.  Wenn  dieser  Satz  mit  dem  Satz  IX  verbunden 
wird,  so  ergibt  sich  daraus  ohne  weiteres  der  zu  beweisende 
Satz ;  denn  x=^X  ist  eine  singulare  Stelle  der  durch  die  zu- 
gehörige Dirichletsche  Reihe  definierten  Funktion. 

Ich  will  noch  bemerken,  daß  im  Falle  der  Divergenz  von 
Q{1)  der  Satz  X  leichter  zu  beweisen  ist.  Wenn  alle  «n^O 
angenommen  werden  und  A>0  ist,  könnte  QQ)  nur  gegen  +  oo 
divergieren,  und  es  ist  nicht  schwer,  analog  zu  einer  bekannten 
Eigenschaft  der  Potenzreihen  zu  beweisen,  daß  alsdann  bei  An- 
näherung von  rechts 

lim  Q(x)=  +00 

ist,  also  X  keine  reguläre  Stelle  der  Funktion  sein  kann.  Aber 
die  obigen  beiden  Beweise  gelten  auch  im  Falle  der  Konver- 
genz von  Ü(X). 

Eine  letzte  Anwendung  des  Satzes  IX  will  ich  zu  dem 
Zwecke  machen,  eine  Fakultätenreihe  zu  konstruieren,  welche 
über  ihre  Orenzgerade  nicht  fortsetzbar  ist.  Hierzu  genügt 
e^  offenbar  nach  Satz  IX,  eine  Dirichletsche  Reihe  mit  dieser 
Eigenschaft  anzugeben;  aber  in  der  Literatur  habe  ich  noch 
kein  solches  Beispiel  erwähnt  gefunden.  Es  läßt  sich  analog 
der  durch  Herrn  Lerch  bekannten  nicht  fortsetzbaren  Potenzreihe 

a;  +  x»  -f  a;*  +  •••  =  £;  ic'-* 

leicht  eine  Dirichletsche  Reihe  der  verlangten  Art  bilden;  ich 
behaupte  nämlich,  daß  die  Dirichletsche  Reihe 


M  «Über  einen   Satz   von  Tschebyschef,   Mathematische  Annalen, 
Bd.  61,  1905,  S.  536. 


192  Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

1111  «1 

—  4-  —  +  -—  -I — —  H =  V 


16^  •   256*    '  ^%  (2^*)' 

über  ihre  Grenzgerade  9?  (a;)  =  0  nicht  fortsetzbar  ist.    Hierzu 

1      In 
ist  es  hinreichend,   nachzuweisen,   daß  alle  Punkte  , —  k  -^- ^ 

'  log  2  2« 

(?  ganz,  m  !^  0  ganz)  singulär  sind,  da  diese  auf  der  Grenz- 
geraden dicht  verteilt  liegen.  Und  hierfür  reicht  es  hin,  zu 
zeigen,  daß  für  jeden  solchen  Punkt  vi,  wenn  x  =  vi-^x' 
gesetzt  wird,  die  entstehende  Dirichletsche  Reihe  in  x'  (mit 
der  Konvergenzgeraden  9?(a:')  =  0)  von  einer  gewissen  Stelle 
an  positive  Koeffizienten  hat.  Dies  ist  der  Fall;  denn  das 
allgemeine  Glied  dieser  Reihe  ist 

1  p-i^2«2'^82" 


22*(»i  +  «')  (22*)*'  ' 

und  der  Exponent  von  e  ist  für  alle  k^m  -\-  1  ein  Multiplum 
von  2jii. 

§5. 
Über  Binomialkoeffizientenreihen 

„,„  =  £  „.(^-l)(^-2)...(.^j00.  ^  „.  /-  .) 

♦1=0  "•  »  =  o       \     ^*     / 

lassen  sich  durchweg  die  analogen  Eigenschaften  zu  denen  der 
Fakultätenreihen  mit  den  in  §§  1 — 4  angewandten  Mitteln  be- 
weisen. Herr  Nielsen  behandelt  die  Reihen  W{x)  auf  S.  125 
— 127  seines  Handbuches,  gelangt  jedoch  dort  nicht  zu  dem 
Satz,  welcher  dem  Satz  1  entspricht,  sondern  beweist  nur  die 
Analoga  zu  den  Sätzen  IV  und  V  über  absolute  Konvergenz. 
Tatsächlich  findet  man  genau  wie  in  den  §§  1 — 4  mit  den 
näher  anzugebenden  Abänderungen  in  den  Beweisen  die  10  Sätze, 
welche  den  Sätzen  I  bis  X  entsprechen  und  mit  V  bis  X' 
numeriert  sein  mögen. 


^)  Unter  dem  ersten  Gliede  wird  Oq  verstanden. 


«^  "  je?".  ' 


£.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     193 

Zunächst  gilt  der  bereits  1884  von  Herrn  Jensen^)  ohne 
Ausfuhrung  des  Beweises  publizierte 

Satz  I':   Wenn  W{x^  konvergiert  und  Xq  von  1,  2, . . .  ver- 
schieden ist,  so   konvergiert  W(x^)  für  9i(a;,)>9?(j:o). 

Der  Beweis  verläuft  ganz  wie  der  des  Satzes  I ;  nur  ist  hier 

j  ^^  (3:o-l)-.fa-n)  ^  ^(j:^-l)...(x,-n)^(-a?^-hl)...(-a;,-fn) 

nl  '   "     (Xo-i)...(.ro-n)     i-x^^l)...(-XQ+n) 


lim  '  Cn  ■  n*<*«-*ö)  =  lim 


zu  setzen  und  die  Oleichung 
nebst 


M  =  ao 


n:=ao 


It*  («1  -  teoi 


(35) 


^11         ^»  + 1  —  ^n 


ap. 


a:. 


—  x^+n  +  l 
zu  verwenden. 

Aus  Satz  r  folgt  die  Existenz  der  Konvergenzhalbebene 
im  Sinne  von  S.  159—160;  nur  sind  hier  die  außerhalb  der- 
selben etwa  gelegenen  Punkte  1,  2,  .  . .  den  Konvergenzpunkten 
zuzuzählen. 

Satz  ir  lautet  wie  Satz  II  und  wird  ebenso  bewiesen. 
Er  besagt,  daß  eine  Binomialkoeffizientenreihe  in  einer  gewissen 
Umgebung  jeder  Stelle  in  ihrer  Konvergenzhalbebene  gleich- 
mäßig konvergiert.  Dies  gilt  auch  von  den  in  der  Konver- 
genzhalbebene gelegenen  ganzen  positiven  Zahlen  o;  =  m,  da 
die  Reihe 


(x       \) 


J-^^^^{w(.)--£aJ^ 


—  l) . .  ,(x  —  n) 


nl 


) 


"       (x  —  m  —  l) , .  ,(x  —  w) 
=  ^an ' 7—  ■-- 


M=:m 


ni 


»)  1.  c,  S.  71—72. 

*)  Für  Xq  =  0  bezw.  iCi  =  0  ist  unter  dem  Zähler  bezw.  Nenner  der 
rechten  Seite  von  (35}  der  Wert  1  zu  verstehen. 

1906.  SitxaBgsb.  d.  maUL-phys.  KL  13 


194  Sitzung  der  math.-pbjs.  Klasse  yom  3.  Februar  1906. 

wieder  eine  Binomialkoeffizientenreihe  mit  der  Variablen  x-m=y 
und  der  Konvergenzhalbebene  SR  (y)  >  A  —  m  darstellt. 

Aus  Satz  ir  folgt  unmittelbar  der  Satz  III',  nach  welchem 
die  Reihe  W{x)  in  ihrer  Konvergenzhalbebene  eine  reguläre 
Funktion  darstellt  und  beliebig  oft  gliedweise  diflferentiiert 
werden  kann. 

Satz  IV  ergibt  sich  wie  Satz  IV;  er  besagt,  daß  das 
Gebiet  der  absoluten  Konvergenz  eine  Halbebene  (mit  oder 
ohne  Einschluß  der  Grenzgeraden)  ist. 

Die  Sätze  T,  11',  III',  IV'  sind  schon  von  Herrn  Bendixson*) 
bewiesen  worden,  da  sie  in  seinen  entsprechenden  Sätzen*)  über 
die  Reihen  von  der  Gestalt  (2)  enthalten  sind. 

Satz  V,  nach  welchem  die  Breite  des  Streifens  bedingter 
Konvergenz  -^  1  ist,  ergibt  sich  wie  Satz  V. 

Satz  Vr   lautet:    In  jedem    (von   1,  2,...    verschiedenen) 
Punkte  sind  die  Binomialkoeffizientenreihe 

Tir/  \        J^       (^  —  1)  .  .  .  (x  —  w) 
W{x)  =  S  «.. ~y- 

und  die  Dirichletsche  Reihe 


n-) = t  ^^-^ 


fir 


gleichzeitig  konvergent  oder  gleichzeitig  divergent. 

Dieser  Satz  wird   wie  Satz  VI   bewiesen,   wenn   man   im 
ersten  Teil  des  Beweises  berücksichtigt,  daiä  für 

_  (—  ly  {x  —  l),..{x  —  n)n'^ 

n! 


(36)  Cn  —  Cn^l 


1)  1.  c,  S.  19,  22,  23,  24. 
>)  S.  §  6  des  Folgenden. 


>r  -ai:;  *5. 


E.  Landau:  Grondlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     195 

ist    Denn  der  Klamnterausdruck  auf  der  rechten  Seite  von  (36) 
ist  für  n  >  2  in  die  Seihe  entwickelbar 


-1  + 


x  —  1 


1  + 


--."- ('+:-nv-) 


-'  +  (-'+'-^)('4+l:+-)(.+:-+2+-) 

—  2j»  -4-  ?^  4-  .  .  . 

n*      n 

Analog  verläuft  der  Beweis   des  zweiten  Teiles   im   Anschluß 
an  S.  169. 

Ohne  Mühe  ergibt  sich  Satz  Vif,  nach  welchem  die  Punkte 
absoluter  Konvergenz  für  W{x)  und  !P(x)  (abgesehen  von  1,2,...) 
dieselben  sind. 

Aus  Satz  Vr  folgt  ^)  der 
Satz  VIII':  Falls  die  Abszisse  A  der  Konvergenzgeraden 
von   W{x)  nicht  negativ  ist,  so  ist 


log 


k  =  lim  sup 


t  =«  log  t 

falls    die    Abszisse  /ti    der   Grenzgeraden    absoluter 
Konvergenz  >  0  ist,  so  ist 

i 

log  £  ;  an  I 

T  «  =  1 

u  =  lim  sup ^ 7 — . 

/  =  «  log  ^ 

Herr  Pincherle*)  ist  auch  hier')  der  irrtümlichen  Ansicht, 


es  sei 


Ai  =  lim  sup  -f^l-^  +  1  =Jfc  +  1, 

^zrOD  ^        log  t 


<)  Der  Satz  Ylir  l&ßt   sich  auch  direkt  durch  die    Schlüsse    be- 
weisen, welche  auf  S.  203  ff.  für  den  Satz  VIII"  angewendet  werden. 
«)  1.  c.  (s.  S.  177,   Anm.  1),   S.  419. 
«)  Vgl.  S.  178. 

13* 


196  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

und   er  nennt   die  Halbebene   9i  (:j?)  >  Ä  +  1    den    (absoluten) 
Konvergenzbereich  von  W{x). 

Ferner  gilt  der  Satz  IX',  nach  welchem  jeder  (von  1,  2, . . . 
verschiedene)  Punkt  der  Grenzgeraden  für  W{x)  und  V(x) 
beidemal  regulär  oder  beidemal  singulär  ist.  Dies  folgt  aus 
der  Relation,  welche  sich  aus  (20)  durch  Vertauschung  von  x 
mit  —  X  ergibt  und 

{—lym  1  _..x  —  x^(p,{x,n) 

-IN       /^      ^\  ^«  —  ^  ~r     ci .'  ~r       '  o. 


—  xr{—x)  {x—l),.,{x—n)n'  '      2n      '        n^ 

lautet;  denn  dies  liefert 

(x  —  l)...(x-'n)^ 1    (— 1)" 1 

n!  — X'r( — x)     n*  x  —  x^  ,  (Pi(x,n) 

^+"2;r+""v- 

1  (-l)Y        x-x^      <P,(x,n)\ 

—  xr(-x)    n'     \  2n    '^       n^     )' 

wo  |9'2(^,  w)|  in  jedem  endlichen,  die  Punkte  1,  2,  . . .  im 
Innern  und  auf  dem  Rande  nicht  enthaltenden  Gebiet  unter- 
halb einer  endlichen,  von  z  und  n  unabhängigen  Schranke  liegt. 
Für  SR  (x)  >  A  ist  also 

^(-)  =  «0  +  ^-^  ^(X)  +  ^lf_^^^  !P(X  +  1) 

was  die  Behauptung  enthält,  wenn  man  die  Überlegungen  von 
S.  183-184  anstellt.») 

Satz  X'  endlich  besagt,  daß  der  reelle  Punkt  x  =  A  auf 
der  Grenzgeraden  von  W(x)  singulär  ist,  falls  ( — l)"a„  von 
einer  gewissen  Stelle  an  >  0  ist  und  X  keine  positive  ganze 
Zahl  ist.  Dies  folgt  ohne  weiteres  aus  Satz  IX'  und  aus  der 
auf  S.  191  zitierten  Eigenschaft  der  Dirichletschen  Reihen.    Für 


*)  Wenn  der  Punkt  k  für  W{x)  regulär  ist,  so  ist  er  es  auch  für  W  (x). 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     197 

ganzzahliges  A  >  0  gilt  der  Satz  nicht,  wie  das  einfache  Bei- 
spiel der  Binomialkoeffizientenreihe 


s(-i) 

M  =  0 


..(^;^)=i-(.-i)  +  <£ 


-l)(^-2) 
2! 


mit  der  Grenzgeraden  9?  (aj)  =  1    zeigt,   welche   in  ihrer  Kon- 
vergenzhalbebene die  ganze  transzendente  Funktion  0  darstellt. 


§6. 
Es  mögen  nun  kurz  die  verallgemeinerten  Fakultätenreihen 

^^""^  ^So  (« +yi)  ■  •  •  (*"+y-) 

und  die  verallgemeinerten  Binomialkoeffizientenreihen 
6?(a;)  =  £  A  (^  — ri)  (o?  -/,).. .  (x  —  y^) 

M=:0 

behandelt  werden;  hierin  sollen  >'„  >'2»  •  •  •  positive,  monoton  ins 
Unendliche  wachsende  Größen  bezeichnen,  für  welche  die  Reihe 

CO    J_ 

divergiert.  *) 

Aus  dieser  Annahme  folgt  leicht,  daiä  nach  Annahme  einer 
positiven  Größe  d  für  alle  hinreichend  großen  n 


(37) 


ist. 


*     1  "     1 

V  =  1  /  »  V  =  1  ^^ 


Denn  für  alle  v>Vq  ist 


2 
d 


*)  Man  kann  auch  andere  lohnende  Annahmen  über  die  y^  machen. 
Herr  Jensen  hat  solche  FSlle  a.  a.  0.  (S.  72)  noch  besonders  erwähnt, 
und  Herr  Bendixson  hat  einige  derselben  (1.  c.)  behandelt. 


198  Sitzung  der  maUi.-phy».  Klasse  vom  3.  Februar  190G. 


also  für  alle  n  >  v^ 

^  r  ^  2  ^  /.  ^  2  ^,  y/ 
\    1        d    *t^    1        »^"M 

y— 1  /y     ^y—i  y»      y=si  y^ 

und  für  alle  hinreicliend  großen  n  ist  hierin 

vo-i  1        d    "t,    l 

iU       i  ^  ^    ^J         » 

SO  daß  (37)  erfüllt  ist. 

Es  gilt  nun  zunächst  der 

Satz  V:  Wenn  F(x),  bezw.  G(x),  für  x^=Xq  konvergiert 
und  9?  (j?,)  >  9i  (xj  ist,  so  konvergiert  F  (x^),  bezw. 
6f(j?,).  (Hierbei  werden  für  F(x)  die  Stellen  — y,„  für 
G  (x)  die  Stellen  y„  von  der  Betrachtung  ausge- 
schlossen.) 

Beweis:    1.  Für  F{x)  werde 
"       >o+>'i).--(^o  +  y")'     "       (^i  +  y,)...(^, +  7") 


a?j        OJ^ 


gesetzt,  80  daß 

ist.     Nach  dem  Hilfssatz  1  handelt  es  sich  lediglich  um    den 
Nachweis  der  Konvergenz  von 

00 
NSO 

also  genügt  es  a  fortiori,  die  Konvergenz  von 


zu  beweisen.    Es  ist 


••=1  y^ 


*^  ^. » 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreiben.      199 


5» 


'°«0-.7^i*)-«(-«r;-f+(d^7ö')' 


wo  I  ;/j  I*)  fllr  alle  v  unterhalb  einer  endlichen  Schranke  liegt. 
Daher  ist 


9? 


'°*('-^)=---v^"*+';5. 


Cm  1  =    A7  I  -°-i-^'  I  •■=   ^  !  1  -  ^•--,-   ^  1=  C'=  ' 


■..  ,^   A'l5  +  2''l.__ 


(38) 


=  e 


y=i 


-1  r, 


vrrl 


Nach  (37)  ist  für  alle  hinreichend  großen  n 


*•     1        1  ••     1 


also 


'c«!<c 


-|«(«.-^)Si^, 


(39)  ,«/•«,  V.  C  r=l 

und  es  reicht  fttr  unseren  Zweck  aus,  zu  beweisen,  daß  die  Beihe 


konvergiert,  oder,  falls 
gesetzt  wird,  daß  die  Reihe 


*     1 


=  /Jn 


konvergiert.     Dies  folgt  tatsächlich  aus 


')  Dae^l.  in  der  Folge  |  i^f  |  für  alle  v  und  1 17s  |  für  alle  n. 


200  Sitzung  der  inath.-phys.  Klasse  vom  8.  Februar  1906. 

(R    ^  R         \r-'ßn  ^    ßn—  ßn-\           ßn  —  ßn-l    _       1  1 

(Pu—  Pn^lje     Pn<:  ~ ^  = 

ßn  ßnPn-l  ßu-l  ßn 

2.  Wird 

bn  =  An  (Xo  —  y,)  . . .  (Xq  —  y«), 

(^0  —  >'j)  •  •  •  (^0  —  y«)      (~  ^0  +  yi)  •  •  •  (—  ^0  +  yn) 

gesetzt,   so  ist  wegen  9t(— a?o)>^( — ^1)   ^^^  Nachweis  des 
Satzes  r  für  G  (x)   analog   dem    obigen  Nachweise  für  F  (x). 

Für  die  Reihen  G{x)  hat  Herr  Bendixson*)  den  Satz  V 
und  ebenso  die  bezüglichen  Teile  der  Sätze  U*,  Iir,  IV  schon 
bew^iesen,  wenn  auch  unnötigerweise  unter  Heranziehung  der 
Weierstra&chen  ganzen  transzendenten  Funktion 


n(i——)e.= 


welche  die  y»  zu  Nullstellen  besitzt. 

Aus  Satz  r  folgt  die  Existenz  einer  Konvergenzhalbebene. 

Satz  H*.  In  einer  gewissen  Umgebung  jeder  Stelle  der 
Konvergenzhalbebene  konvergiert  F{x)  bezw.  G(x) 
gleichmäßig.*) 

Beweis:  Es  genügt  (vgl.  den  Beweis  des  Satzes  H),  für 
F{x)  zu  zeigen:  Wenn  die  Reihe  in  x^  konvergiert,  so  kon- 
vergiert sie  gleichmäßig  in  jedem  endlichen  Gebiete  (S,  welches 
der  Halbebene  $R  (a;)  ^  5R  (x^)  +  p  angehört  (wo  p  eine  positive 
Größe  bezeichnet)  und  keinen  der  Punkte  —  y»  enthält  (auch 
nicht  auf  dem  Rande).     In  der  Tat  bezeichnet  in 


SR 


'^('-:-Tf)=K-^;7:+(x-;y.p) 


97  eine  für  alle  o;  in  (9  und  alle  v  dem  absoluten  Betrage  nach 


1)  1.  c,  S.  19,  22,  23,  24. 

')  Fflr  F{x)  sind  hierbei  die  Stellen  —Yn  auszuschließen. 


£.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      201 


unterhalb  einer  endlichen  Schranke  gelegene  Oröße.  Die  For- 
meln auf  S.  199  ergeben  offenbar,  wenn  x  statt  x^  gesetzt  wird, 
daß  fUr 

und  alle  hinreichend  großen  n 


n 


\c. 


ist,    welches  o;   in  (9   auch    gewählt  sei. 
gleichmäßige  K(mvergenz  von 


Hieraus    folgt    die 


.ti  y« 


also  von 


N=:0 


X  —  X, 


0 


^  +  YnA-l 


00 


=  1:1"» 

M=0 


Cn  +  l 


in  @.     Der   Hilfssatz  3    ergibt   also   für   F{x)   —    und  ganz 
ebenso  für  G{x)  —  den  Satz  11*. 

Aus  Satz  ir  folgt  Satz  IH*,  nach  welchem  F(x)  und  G{x) 
in  ihrer  Konvergenzhalbebene  (nach  etwaigem  Ausschluß  der 
Punkte  —  }'n  für  F{x))  reguläre  analytische  Funktionen  dar- 
stellen und  beliebig  oft  gliedweise  differentiiert  werden  dürfen. 

Aus  der  in  (39)  enthaltenen  Gleichung 


lim 

n  =  00 


(^i  +  yi) . . .  (^1  +  yn) 


folgt  der  Satz  IV',   nach    welchem  für  F{x)   und  G{x)  auch 
das  Gebiet  der  absoluten  Konvergenz  eine  Halbebene  ist. 

Satz  V  hat  kein  Analogon,  nach  welchem  die  Breite  des 
Streifens  bedingter  Konvergenz  stets  unterhalb  einer  endlichen 
Schranke  gelegen  oder  auch  nur  endlich  wäre.  Vielmehr  lautet 
der  entsprechende 


202  Sitzung  der  matk-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

Satz  V:  Wenn  i  und  /x  die  Abszissen  der  Grenzge- 
raden bedingter  und  absoluter  Konvergenz  von  F  (x) 
(bezw.  G(x))  sind  und 


lim  sup     .  °       = 
<=«       „   1 


T 
»=1  "» 

endlich  ist,  so  ist 

Beweis:  Es  sei  F{x^  (bezw.  G{Xq))  konvergent  und 

5»(^,)-9e(:Po)  =  T  +  3p,  p>0. 

Dann  ist  zu  zeigen,  daß  F{x^)  (bezw.  G  (xj)  absolut  konvergiert. 
Der  Quotient  der  allgemeinen  Glieder  für  x^  und  Xq  ist 

"    (^i  +  }',)...(^i+}'h)'        '  "    ('-'Xo+yi)"'(—^o-^yny 

und  es  genügt,  die  Konvergenz  von 


MSl 

nachzuweisen.    Nach  (37)  und  (38)  ist  von  einem  gewissen  n  an 
\cn\<e  ^t^/"     ,=1'"=«  .=1'"; 


nach  der  Definition  von  r  ist  für  alle  hinreichend  großen  n 

logn 


^7 


<T+p; 


also  ist  von  einem  gewissen  n  an 


woraus  die  Behauptung  folgt. 


*)  Für  /i,  =  »*  ist  T  =  1;  wenn  r  =00  iat,  ist  der  Satz  trivial. 


*»#^ 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      203 

Es  hat  kein  erhebliches  Interesse,  die  analogen  Unter- 
suchungen zu  den  Sätzen  VI,  VI!  und  IX  auszuführen,  da  die 
zum  Vergleich  heranzuziehende  Reihe  im  allgemeinen  keine 
Dirichletsche  wäre. 

Dagegen  erscheint  es  wohl  von  Bedeutung,  daß  sich  die 
Abszissen  X  und  /^  der  Grenzgeraden  für  die  betrachteten 
Reihen  im  Sinne  des  Satzes  VIII  durch  einen  geschlossenen 
Ausdruck  darstellen  lassen. 

Es  mögen  die  Reihen  F(x)  und  G{x)  in  der  Form 


F{x)  =  o,  +  ]r; 


OnT, 


7» 


e*.  (x -t- y,) . . .  (^  +  y»)' 


»=1 


geschrieben  werden,   was  nur  eine  Änderung  der  Bezeichnung 
ist.     Dann  gilt  der 

•      Satz  Vlir:   Falls  A^O  ist,  ist  für  F{x) 


(40) 


X  =  lim  sup 


log 


t 


für  G{z) 


(41) 


log 


k  =  lim  sup 


t 

£(-l)»a. 

»=1 


falls  /i  >  0  ist,  ist  für  F{x)  und  G{x) 


(42) 


l0gX2|an 
yU  =a  lim  sup  j 


Beweis:  Es  brauchen  offenbar  nur  die  Formeln  (40)  und 

(41)  für  X  bewiesen   zu  werden ;   denn  alsdann  folgt  der  Wert 

(42)  von  fi  durch  ihre  Anwendung  auf  die  Reihen 


204 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 


welche  für  reelle  x  nur  absolut,  nicht  bedingt  konvergieren 
können,  da  ihre  Glieder  von  einer  gewissen  Stelle  an  durch- 
weg ^  0  oder  durchweg  <  0  sind. 

Es  möge  zunächst  die  Gleichung  (40)  bewiesen  werden: 

1.  Wenn 


log 


lim  sup 


Da, 


»=1 


X 


endlich  und  d  >  0  ist,  so  ist  zu  zeigen,  daü  (falls  x  -f-  '^ 
mit  keinem  —  y»  zusammenfallt)  F{x  +  d)  konvergiert.  Es 
ist  von  einer  gewissen  Stelle  an 


log 


i 

N=l 


also,  wenn 


Ei 


<x  + 


2' 


gesetzt  wird, 
(43) 
Femer  ist 


i 

£  ün  =  Äi 


Ät\<e 


(.■*i)^l 


t 

n  =  l 


1 


(■+^^')•••('+^') 


Yn 


also,  da  für  alle  hinreichend  großen  n  nach  (37) 

I       v*   1  ^  ^  v  ^ 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     205 


ist,  von  einer  gewissen  Stelle  an 

1  ^  -W-Osf 


(44)    I  /         «^d\       f,    ,   x  +  d 


('+'-^)-( 


1  + 


y» 


) 


Nun  ist 


£ 


o-yi 


•  •  •  /h 


=x.(^  +  }'i)---(^  +  y") 


=  2 


-^  —  .^^i  — 


H=e 


■H^-d-hf) 


=^   Jj  An  f r -. r- 


An-\ 


^■ 


«  +  yi.+i 


Für  alle  hinreichend  großen  q  und  o  ^  @  ist  also  nach  (43) 
und  (44) 

farf  /     .      N     / — » — \  ^2j^  *    ^  •— ^^ ^ 


a«  yj . . .  yn 


4-e  •'=^  '  e  •'=^  '  H-c  ''=^     e 


r=:l 


Die  drei  Glieder  dieses  Ausdruckes  haben  ftir  ^  =  00,  o  =  00 
den  Grenzwert  0  (ersteres  nach  den  Feststellungen  von  S.  199 
bis  200),  so  daß  die  Konvergenz  von  Fix-^S)  bewiesen  ist. 

2.  Es  ist  zu  zeigen:  wenn  a?>0  ist,  F{x)  konvergiert 
und  b  eine  beliebig  gegebene  positive  Größe  ist,  so  ist  von 
einer  gewissen  Stelle  an 

log  I  Ax 


«=1"» 


'-^<x  +  d, 


206  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

d.  h. 


Es  werde 


.= ,  («  +  y.)  •  •  •  (*  -t-  y») 


gesetzt;  dann  ist 

j  _  4- «  —  V-        «» yi  •  •  •  y»  (*  +  yi)  •  •  •  (a?  +  y«) 

".=,    ~-=.  (*  +  y.) . . .  (i;  +  y»)  y.  •  •  •  y» 


+ 


*('+F,)-('+i;> 


Da  nach  Voraussetzung 
existiert,  ist  für  alle  n 


0 

n=rao 


Ä|<JB, 

also 


^■!<4l('  +  7.)-0  +  ^)-0  +  ^,)-('+F.)l 


+  -B   1+^ 


('+^)-('+7^) 


<  2  Be  ^''»  '■^' 

also  fOr  alle  hinreichend  großen  t 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      207 


(«+^)  2 


At\<e 


M=l 


Yn 


Der  Beweis  des  Satzes  VIII'  für  die  Reihen  G  (x),  also  der 
Formel  (41)  ist  genau  derselbe,  wenn  man  im  ersten  Teile  Ton 
der  Formel 

s«.'^i^-'^-'-i(^.-^.-.)(i-;)...(i-f) 


ausgeht,  wo 


^<  =  S  (—  1)"  «' 

M  =  l 


ist,  und  im  zweiten  Teile  Ton 

A  =  S  (&  -  -B— )  7 jv^ 

('-n)-( 


wo 


«= 1  y.  •  •  •  y- 


=  0 


ist.     Da  das  Produkt 


0-^)-('-f.) 


bei  gegebenem  positiven  x  (4=  /j,  y»  •  •  •)  von  einem  gewissen  Index 
an  konstantes  Vorzeichen  besitzt  und  dem  absoluten  Betrage 
nach  abnimmt,  so  folgt  die  Behauptung  im  zweiten  Teil  mit 
unwesentlicher  Abänderung  aus 


""="(('-f)'(-^)"RPF 


+ 


Bt 


(■-;;)•■•{ 


1 


X 

y<+ 


ö 


208         Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

mit  Hilfe  der  Ungleichung 
Ai\<c+2Ii 


\      yJ'\      n+iJ 


Endlich  gilt  für  Reihen  F(x)  bezw.  G(x)  ein  den  früheren 
Sätzen  X  und  X'  entsprechender  Satz  X*,  nach  welchem  im 
Falle  a^  >  0  bezw.  ( —  1)**  a»  >  0  (für  alle  n  von  einer  gewissen 
Stelle  an)  der  reelle  Punkt  X  der  Qrenzgeraden  eine  singulare 
Stelle  der  Funktion  ist.  (Für  G  (x)  wird  hierbei  i.  von  allen  yn 
verschieden  angenommen.) 

In  der  Tat  ist  füi-  die  Reihen  F(x)  der  erste  (direkte) 
Beweis  des  Satzes  X  wörtlich  anwendbar,  und  für  die  Reihen 
G  (x)  ergibt  sich  ebenso  —  da  ohne  Beschränkung  der  Allge- 
meinheit A  <  0  angenommen  werden  kann  —  der  Beweis  aut 
Qrund  der  Tatsache,  daß  aus 

ö(^)  =  «0  +  £  (- 1)"«.^-?^^^^^-  ■^"'-^^ 


H  =  \ 


•      •       • 


yn 


durch  glied weises  DiflFerentiieren  für  G^*^  (x)  eine  Reihe  ent- 
steht, in  welcher  der  mit  ( —  1)*»  a„  multiplizierte  Ausdruck  iur 
x  =  0  (und  überhaupt  für  alle  x  zwischen  k  und  y,)  Null  ist 
oder  das  Vorzeichen  ( —  1)*  besitzt. 

§7. 

Herr  Pincherle*)   hat  in  einer  kürzlich  erschienenen  aus- 
führlichen Arbeit  die  Integrale 

(45)  ^<p(t)f''dt 

0 

behandelt,  wo  a  >  0  ist  und  9?  (t)  eine  für  0  <  ^  <  a  stetige 
reelle  oder  komplexe  Funktion  der  reellen  Variablen  t  be- 
zeichnet. Einige  der  von  ihm  bewiesenen  Eigenschaften  dieser 
Integrale  entsprechen  den  Sätzen  I,  II,  UI,  IV  über  Fakultäten- 


')  1.  c.  (s.  S.  155,  Anm.  1). 


£.  Landau :  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     209 

reihen ;  seine  Beweise  sind  —  mit  einer  nachher  anzugebenden 
Ausnahme  —  denkbarst  einfach  und  so  kurz,  daß  ich  sie  zu- 
nächst wiederholen  will,  um  alsdann  diejenigen  neuen  Eigen- 
schaften hinzuzufügen,  welche  den  Sätzen  YIII  und  X  über 
Fakultätenreihen  entsprechen. 

Durch  die  Substitution 

a 
t  =  - 

T 

geht  das  Integral 
wo  0  <  d  <  a  ist,  in 

•  

über,  wo 

eine  für  t  I^  1  stetige  Funktion  von  t  bezeichnet.  Also  ist 
die  Theorie  der  Integrale  (45)  identisch  mit  der  Theorie  der 
Integrale  „ 

und  ich  will  alle  Betrachtungen  für  diese  Schreibweise  der 
Integrale  anstellen,  auf  die  auch  Herr  Pincherle  Bezug  nimmt. 
Es  ist  ihm  nicht  entgangen,  daß  die  Funktion  (p  (t)  bezw. 
i/;(0  nicht  stetig  zu  sein  braucht.  Ich  mache  demgemäß 
folgende  allgemeinere  Annahme:  xpif)  ist  für  alle  endlichen 
reellen  ^  >  1  eindeutig  definiert,  in  jedem  endlichen  Intervalle 
t  =  {\...o))  hat  I  v^ (0  !  eine  endliche  obere  Grenze,  und  \p (t) 
ist  über  jedes  solche  Intervall  integrierbar.  Alsdann  zerfallen 
alle  komplexen  x  =  u  -\-  vi  in  zwei  Klassen : 

1.  Die  durch  das  Integral 


O} 


^xp{t)t-'  dt 
1 

190«.  Sitonngsb.  d.  muth.-phyB.  Kl.  14 


210  Sitzung  der  matli.-ph78.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

für  jedes  a)>  1  definierte  Funktion^)  von  co  besitzt  für  co  =  oo 
einen  Grenzwert. 

2.  Dies  ist  nicht  der  Fall. 

Im  ersteren  Falle  nennt  man  das  Integral 

konvergent. 

Dann  gilt  der 

Satz  F":  Wenn  ^  (Xq)  konvergiert  und  3t (iPi)  > 9i (a;^)  ist, 
so  konvergiert  ^{x^)- 

Dieser  Satz  ist  zuerst  von  Herrn  Pincherle^)  bewiesen 
worden.  Die  Herren  Phragm^n,^)  Franel*)  und  Lerch,*)  denen 
Herr  Pincherle  ^)  die  Entdeckung  des  Satzes  zuschreibt,  sprechen 
tatsächlich  nur  von  denjenigen  a?j  =  a^o  +  /^  i  wo  p  >  0  ist. 
Allerdings  ist  der  Nachweis  fQr5R(p)>0  ganz  analog.''')  Fol- 
gendes ist  für  den  Satz  I"  der  Lerch-Pincherlesche 

*)  In  der  Tat  ist  das  Produkt  zweier  integrierbarer  Funktionen 
bekanntlich  integrierbar;  wenn  tff(t)  =  tp^  (t)  -f  iy^^i^)  ist  (wo  Vi  (0  und 
VaCO  reell  sind),  so  existieren  die  beiden  eigentlichen   reellen  Integrale 

a> 

J(Vi  (0  cos  ff  log t)  +  vt  (0  sin  (o  log  t))i-**dt, 
1 

Ol 

J( -  Vi  (0  8in  (t^  log  t)  +  tpt  (l)  cos  (ü  log  f ) )  <-  «  d  ^ 
i 
«)  1.  c,  S.  14. 

■)  ,Sur le domaine  de convergence  de  Tint^grale  infinie  ri^aa:)c  -«da*, 

u 
Comptes  rendus  hebdomadaires  des  s^nces  de  Tacademie  des  seiences, 

Paris,  Bd.  182,  1901,  S.  1396. 

*)  Die  entsprechende  Mitteilung  Herrn  Francis  ist  von  Herrn  Hurwitz 
auf  S.  864—866  seiner  Arbeit  publiziert:  ,Sur  quelques  applicationa 
g^metriques  des  s^ries  de  Fourier*,  Annales  »cientifiques  de  Pecole 
normale  sup^rieure,  Ser.  3,  Bd.  19,  1902. 

^)  ,Sur  un  point  de  la  theorie  des  fonctions  g^neratrices  d'Abel', 
Acta  mathematica,  Bd.  27,  1903,  S.  345. 

«)  1.  c,  S.  13. 

')  Die  von  Herrn  Nielsen  in  seiner  Arbeit  «Elementare  Herleitung 
einiger  Formeln  aus  der  Theorie  der  Gammafunktion"  (Monatshefte  für 
Mathematik  und  Physik,  Bd.  15,  1904,  S.  316)  gegebene  Begründung  für 
die  Sätze  V"   und  11"'   des  Textes   ist  unzureichend.    Seine  auf  S.  325 


E.  Landau:  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     211 
Beweis:   Wenn 


€0 


1 
gesetzt  wird,  existiert  nach  Voraussetzung 

Um  !P(tw), 


a>=  30 


SO  daß  insbesondere  |  W((o)  \  für  alle  a>  >  1  unterhalb  einer 
endlichen  Schranke  J,  gelegen  ist.  Es  besteht  nun  die 
Qleichung 

(46)  Jtp(t)t-'idt=¥{(o)€ü-'i-^'o+{x—x^)Jw{t)t-''^-^'o-idt. 
Wegen  5R  (x^)  >  5R  (x^)  ist 


lim  !P(cü)a>-*i+'ü  =  0; 


CD^  JO 


wegen 


konvergiert  das  Integral 


»'(O  I  <  A 


OD 


1 

also  folgt  aus  (46)  die  behauptete  Konvergenz  des  Integrals 

S{x^)=Jtp(t)t-'idt 
1 

und  zugleich  die  Relation 


des  «Handbuches*  gemachte  Angabe,  Herr  Pincherle  habe  die  Kon- 
vergenz des  Integrales  für  ^(x^)^^  [Xq)  nachgewiesen,  ist  nicht  richtig; 
Herr  Pincherle  spricht  —  mit  Recht  —  nur  von  der  Konvergenz  für 
Ä  (Jt)  >  ^  W»  und  für  SR  (j?i)  =  SR  (Xq)  braucht  das  Integral  nicht  zu 
konvergieren.  Endlich  schreibt  Herr  Nielsen  a.  a.  0.  (S.  326)  irrtümlich 
mir  die  Priorität  der  Bemerkung  zu,  daß  der  Satz  I'"  auch  ohne  Yoraus- 
setzung  der  Stetigkeit  von  yf  [t)  gilt 

14* 


212  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 


OD  00 


J  V'  (0  ^"'*  dt  =  {x,—x^)S  Vit)  ^-'i+'o-i  dt 
1  1 

Aus  Satz  I"  folgt  für  das  Integral  ^{x)  die  Existenz  einer 
Konvergenzhalbebene,  deren  Abszisse  A  natürlich  auch  — co 
oder  4"  ^  sein  kann. 

Satz  11":  In  jedem  endlichen  Gebiete  ®,  welches  inner- 
halb der  Konvergenzhalbebene  liegt,  ist  das  Integral 
^{x)  gleichmäiaig  konvergent. 

Bevreis  (nach  Herrn  Pincherle):  Nach  Voraussetzung  gibt 
es  zwei  positive  Konstanten  p  und  g,   so  daß  für  alle  a:  in  @ 

yi(x)^X'\r^P.  \x\<q 
ist.     Es  sei 


o> 


^yj{t)t-'^dt  =  W(co), 


1 

Dann  folgt  wegen 

I  W{a>)\<Ä 
aus 

jV  {t)t-^dt=  !P(ö>,)  a>,-'+'o  _  ;F(ft>o)  cÜQ-^+'o 


1 


-\-{x  —  «„)  j"  !P(0  <-*+'o-i  dt 
die  Ungleichung 

0)0 


^yj(t)t-'dt 


<  —  +  —  +  (7  +  ^  +  ;>)  -1  ?  7^ , 

1  0  o\) 


deren  rechte  Seite  gegen  Null  konvergiert,  falls  cOq  und  a>,   ins 
Unendliche  rücken.    Damit  ist  der  Satz  bewiesen. 

Der  Satz  II'"  führt  zum 

Satz  Iir":  3  (a:)  stellt  in  seiner  Konvergenzhalbebene 
eine  reguläre  analytische  Funktion  von  x  dar  und 
darf  in  jener  Halbebene  beliebig  oft  unter  dem 
Integralzeichen  differentiiert  werden. 


E.Landau:  Grundlag'en  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.      213 


Um  zu  zeigen,  daß  3  (x)  eine  analytische  Funktion  von  x 
ist,  beweist  Herr  Pincherle  unnötigerweise  zuerst,  daß  das  durch 
DiiTerentiieren  unter  dem  Integralzeichen  entstehende  Integral 
für  5R  (a;)  >  A  konvergiert  und  zwar  in  einer  gewissen  Umge- 
bung jeder  Stelle  gleichmäßig;  er  wendet  dann  einen  Satz  von 
Scheefifer  ^)  an,  nach  welchem  daraus  der  analytische  Charakter 
von  3(j:)  folgt.  Jener  Nachweis  der  Konvergenz  (und  zumal 
der  gleichmäßigen  Konvergenz)  ist  jedoch  überflüssig,  da  statt 
des  Scheeflfierschen  Satzes  ein  viel  weittragenderer  Satz  von 
Herrn  de  la  Vall^e  Poussin*)  zur  Verfügung  steht;  ich  mache 
hier  zu  Herrn  Pincherles  Beweisführung  die  analoge  Bemer- 
kung wie  auf  S.  168,  Anm.  1  gegenüber  Herrn  Cahen,  und  es 
erscheint  mir  prinzipiell  wichtig,  diese  Dinge  zu  erwähnen, 
obgleich  im  vorliegenden  Fall  die  Untersuchung  des  durch 
Diflferentiieren  unter  dem  Integralzeichen  entstehenden  Inte- 
grals keine  Mühe  macht. 

Der  Satz  von  Herrn  de  la  Vallee  Poussin ')  lautet : 

Es  sei  n  eine  Zahl,  welche  unstetig  oder  stetig 
ins  Unendliche  wächst,  f(x,n)  für  jedes  in  Betracht 
kommende  n  eine  in  einem  zusammenhängenden  Ge- 
biete ®  reguläre  analytische  Funktion  von  x.  Es 
existiere  für  alle  :r  in  ®  der  Grenzwert 

lim  fix,n)  =f{x\ 

N  =  OD 

und   zwar  konvergiere  f{x,n)   für   alle  :r  in  ®   gleich- 
mäßig gegen  f(x). 


^)  ,Über  einige  bestimmte  Integrale,  betrachtet  als  Funktionen 
eines  komplexen  Parameters*,  Habilitationsschrift,  München,  1883,  S.  5-6. 

')  „Sur  les  applications  de  la  notion  de  convergence  uniforme  dans 
la  theorie  des  fonctions  d'une  variable  complexe*,  Annales  de  la  societe 
scientifique  de  Bruxelles,  Bd.  17,  Teil  2,  1893,  S.  324—325. 

*)  Herr  de  la  Vallee  Poussin  beweist  ihn  durch  Anwendung  der 
—  von  ihm  wiedergefundenen  —  Moreraschen  ümkehrung  des  Cauchy- 
schen  Satzes.  Für  den  Fall,  daß  n  alle  positiven  ganzen  Zahlen  durchläuft, 
stellen  1.  und  2.  den  auf  S.  163—164  erwähnten  Weierstraßschen  Satz  dar. 


214  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

1.  Dann   ist  f{x)   in   ®    eine   reguläre   analytische 
Funktion  von  x, 

2.  Es  ist  für  Ä  =  1,  2,  3,  . . .  in  ® 

„-.„      dx^  dx^ 

3.  Bei   gegebenem  k  konvergiert   — J^-^ — -    gegen 

/*<*)  (x)  für  jedes  innerhalb  ®  gelegene  Gebiet  ®'  gleich- 
mäßig. 

Durch    Anwendung  von    1.    und   2.  ergibt   sich   folgender 
Beweis  des  Satzes  III"':  Es  werde 

fix,n)=jy>(t)t-'dt 

1 

gesetzt,  wo  n  alle  positiven  Werte  >  1  durchläuft;  ®  sei  ein 
beliebiges,  in  der  Halbebene  {R  (a;)  >  i  gelegenes,  zusammen- 
hängendes Gebiet.  Nach  Satz  11"'  konvergiert  f{x^  n)  in  ® 
gleichmäßig  gegen  ^{x);  femer  ist  f{x^n)  bei  konstantem  n 
eine  in  ®  reguläre  analytische  Funktion  von  x;  denn^)  es  ist 
die  gliedweise  Integration  der  unendlichen  Reibe 

Über  das  Intervall  (1  . .  .  n)  erlaubt,  und  die  hierdurch  ent- 
stehende Reihe  stellt  sogar  eine  ganze  transzendente  Funktion 
von  X  dar.    Nach  1.  ist  also 

Um  f{x,  n)  ==  3  (x)  =  ftp  (t)  t-'  dt 

N  =  30  I 

in  ®,  also  überhaupt  für  5R(a:)>A  eine  reguläre  analytische 
Funktion;  nach  2.  ist  in  ®,  also  für  ^(x)>X 

^-^  =  h(t){-\ogtyt-'dt, 

womit  der  Satz  III'"  bewiesen  ist. 


*)  Man  braucht  hierzu  nicht  einmal  die  von  Herrn  de  la  Vall^e 
Poussin  aus  seinem  Satze  gezogenen  allgemeinen  Folgerungen  über  Inte- 
grale mit  einem  komplexen  Parameter. 


E.  Landau :  Grundlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     215 


Aus 

ergibt  sich  ohne  weiteres  der 

Satz  IV'":'Der  Bereich  absoluter  Konvergenz  von 

ist   eine   Halbebene  5R(a;)>/i   mit   eventuellem   Ein- 
schluß des  Randes. 

Diesen  bekannten  Sätzen  füge  ich  nun  die  Analoga  zu 
den  Sätzen  YIII  und  X  über  Fakultätenreihen  hinzu. 

Die  Bestimmung  der  Abszissen  X  und  jn  der  Grenzgeraden 
bedingter  und  unbedingter  Konvergenz  ergibt  sich  durch  den 

Satz  Vm":  Falls  ;i>0  ist,  ist 


log 


01  =  00 


(47)  X  =  lim  sup 

tu 

falls  /i^O  ist,  ist 


Q> 


^tf  (t)  d  t 


log  CO 


Ol 


(48) 


logX|v;(OM^ 


/i  =  lim  sup 


a>^» 


log  W 


Beweis:   Es   braucht   nur   die  Formel  (47)   bewiesen   zu 
werden;   denn  aus  ihr  ergibt  sich  (48)  durch  Anwendung  auf 

das  Integral  J  |  v^  (0  I  ^~*  dt 


1.  Es  werde 


log 


lim  sup 

cu  =  ao 


a> 


jtp{t)dt 


log  0) 


X 


gesetzt,    und  es  sei  x  endlich,    5>0;    dann   soll  die  Konver- 
genz von 

^{x  +  S)  =  'lxp{f)t—-^dt 
gezeigt  werden.    Wenn 


216  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  8.  Februar  1906. 


<o 


1 

gesetzt  wird,  ist 

CO  CD 

1  1 

Von  einer  gewissen  Stelle  an  ist 

I  *(co)|<co      «; 
daher  ist 

lini  4>(a>)fo-'*-^  =  0, 


Qi=aD 


und  das  Integral 

1 
ist  (sogar  absolut)  konvergent,  da  von  einer  gewissen  Stelle  an 

6 


t        ^ 


ist;  nach  (49)  existiert  also,  wie  behauptet, 


0» 


lim  J>  (0 1-"-*  rf<  =  3  (x  +  S). 


tozziOi 


2.  Es  sei  o;  >  0  und  3  (x)  konvergent,  d  >  0 ;  dann  ist  zu 
zeigen,  daß  von  einer  gewissen  Stelle  an 

I  <P(cü)|<tt>'+^ 

ist.    Falls 


€0 


1 

gesetzt  wird,  ergibt  sich 


i^%p{t)t'-'dt  =  W{(o) 


tO  €0  tu 

0(oJ)^CyJ(t)dt==^^^^(t)t-*'^dt  =  W{o))(o'—x^W{t)i''^dt, 
1  1  1 

also  wegen 


ßf^^-'^m 


E.  Landau:   GniDdlagen  der  Theorie  der  Fakultätenreihen.     217 


W{co)\<B  (für  aUe  a>^l) 

i  0(co)  i  <  JS a>*  +  Bxjf-^  dt  =  Bco'  +  B((o'  —  l)<2 Bco', 

1 

folglich  von  einer  gewissen  Stelle  an 

|4>(tü)|<a)«+^ 

womit  der  Satz  VUI"  bewiesen  ist. 

Endlich  gilt  der  —  von  mir  bereits  publizierte  *)  — 

Satz  X":   Wenn   für   alle  t  von   einer   gewissen  Stelle 
an  (f^a) 

ist  und  das  Integral 

eine  im  Endlichen  gelegene  Konvergenzgerade*) 
9{(j;)  =  i  besitzt,  so  ista:  =  A  eine  singulare  Stelle 
der  in  der  Halbebene  9t(x)>A  durch  das  Integral 
3(^)  definierten  analytischen  Funktion. 

Beweis:    Ohne    Beschränkung    der    Allgemeinheit    kann 
a  =  1  angenommen  werden,  da 

^yj{t)t-'dt 

eine  ganze  transzendente  Funktion  von  x  ist.    Nach  Satz  IIF" 
ist  nun,  mindestens  für  \  x  —  X  —  1  |  <  1, 

-  (x  —  X-  ly 


3  (^)  =  E 


kl 


3W(A  +  1) 


^    <^  (A  -^  1  —  a:)* 

*=o  '^'  1 


Jyj{t)t-^''no^tdt. 


Wäre  X  =  X    eine  reguläre  Stelle,    so   wäre   der   Konvergenz- 
radius r   dieser  Potenzreihe  >  1.     Es   sei  jp   so    gewählt,    daß 

p>0,  l  +  p<r 

*)  1.  c.  (s.  S.  191,  Anm.  1),  S.  648. 
^  Natürlich  muß  hier  fi^=  ^  sein. 


218  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Februar  1906. 

ist.     Dann   wäre   die   Potenzreihe   für  x  =  X  —  p   konvergent. 
Da  alle  Elemente  in 


k  =  0 


>  0  sind,  ist  die  Vertauschung  von  Summation  und  Integration 
erlaubt;  es  konvergiert  also  das  Integral 

jv^(0^-^-^f;^^-y~iog*^d^=Jv 

gegen  die  Voraussetzung,  daß  X  die  Abszisse  der  Grenzgeraden 
von  3  (x)  ist.  Daher  ist,  wie  behauptet,  a;  =  A  eine  singulare 
Stelle  der  Funktion. 


219 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

1.  Herr  R.  Hertwig  hält  einen  Vortrag  über:  ^Weitere 
Untersuchungen  über  die  Ursachen  der  Qeschlechts- 
bestimmung  bei  den  Fröschen.*  Derselbe  wird  ander- 
weitig zur  Veröflfentlichung  gelangen. 

Herr  Hertwiö  macht  darin  weitere  Mitteilungen  über  die 
Untersuchungen,  welche  er  über  die  Entwicklung  des  Uro- 
genitalsystems bei  Fröschen  und  Kröten  angestellt  hat,  unter 
besonderer  Berücksichtigung  der  Veränderungen,  welche  durch 
Überreife  der  Eier  hervorgerufen  werden. 

2.  Herr  L.  Burmester  referiert:  „Über  eine  Theorie  der 
geometrisch -optischen  Gestalttäusch  un  gen.* 

Diese  merkwürdigen  Öestalttäuschungen,  die  man  seit  nahe 
300  Jahren  vereinzelt  beobachtet  hat,  aber  noch  nicht  mit  Erfolg 
untersucht  wurden,  sind  dadurch  charakterisiert,  daß  an  einem 
monokular  betrachteten,  körperlichen  Gebilde  das  Fernere  näher 
und  das  Nähere  ferner  erscheint,  da£  somit  das  Vertiefte  erhaben 
und  das  Erhabene  vertieft  gesehen  wird.  Den  Beobachtungen 
zufolge  stehen  Objektgebilde  und  entsprechendes  Truggebilde 
in  involutorischer  reliefperepektiver  Beziehung.  Denn  die  Ver- 
bindungsgeraden der  entsprechenden  Objektpunkte  und  Trug- 
punkte gehen  durch  den  Gesichtspunkt,  den  Drehpunkt  des 
beobachtenden  Auges;  die  entsprechenden  Objektgeraden  und 
Truggeraden  sowie  die  entsprechenden  Objektebenen  und  Trug- 
ebenen schneiden  sich  in  einer  Neutralebene.  Ferner  gehen 
die  Truggeraden,  welche  parallelen  Objektgeraden  entsprechen, 


220  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

durch  einen  zugehörigen  Trugfluchtpunkt;  und  alle  Trugflucht- 
punkte befinden  sich  in  einer  zur  Neutralebene  parallelen 
Ebene,  die  den  Abstand  des  Gesichtspunktes  von  der  Neutral- 
ebene halbiert.  Demnach  kann  das  subjektive  Truggebilde, 
welches  einem  beobachteten  Objektgebilde  entspricht,  im  voraus 
konstruiert,  also  auch  als  körpeftliches  Gebilde  hergestellt  und 
mit  dem  wahrgenommenen  subjektiven  Truggebilde  sukzessiv 
verglichen  werden,  um  die  Theorie  zu  bestätigen.  Umgekehrt 
erscheint  infolge  der  involutorischen  Beziehung  das  körperlich 
hergestellte  Truggebilde,  wenn  es  an  die  Stelle  des  erschienenen 
subjektiven  Truggebildes  gesetzt  wird,  durch  die  Gestalttäuschung 
wieder  in  der  Gestalt  des  von  seiner  Stelle  weggenommenen 
ursprünglichen  Objektgebildes. 

Ein  wichtiges  Kennzeichen  des  erschienenen  Truggebildes 
ist,  daß  bei  ruhendem  Gesichtspunkt  "einer  Drehung  des  Objekt- 
gebildes eine  entgegengesetzte  Drehung  des  Truggebildes  mit 
gestaltlicher  Veränderung  entspricht,  daß  bei  ruhendem  Objekt- 
gebilde und  bewegtem  Gesichtspunkt  das  Truggebilde  in  selt- 
samer Bewegung  und  gestaltlicher  Veränderung  erscheint.  Diese 
Bewegungs Vorgänge  und  diese  gestaltlichen  Veränderungen  wer- 
den durch  die  Theorie  erklärt  und  durch  die  Beobachtungen 
auch  bestätigt.  Die  Gestalttäuschungen  und  die  damit  zusammen- 
hängenden mannigfaltigen  Erscheinungen  wurden  an  einigen, 
aus  weißem  Karton  hergestellten,  monokular  betrachteten  Objekt- 
gebilden demonstriert:  z.  B.  an  einem  einfachen,  schräg  ge- 
sehenen rechteckigen  Blatt,  welches  an  einem  Stab  befestigt 
ist,  an  einem  geknickten  rechteckigen  Blatt,  an  einem  Hohl- 
würfel und  Vollwürfel  sowie  an  einer  kleinen  Treppe,  die  alle 
durch  die  Gestalttäuschungen  umgestülpt  in  veränderter  Ge- 
stalt und  veränderter  Beleuchtung  erscheinen ;  femer  an  Hohl- 
formen von  Reliefs  und  Masken,  die  besonders  leicht  erhaben 
gesehen  werden. 

Die  Abhandlung  über  diese  Theorie  der  geometrisch- 
optischen Gestalttäuschungen  wird  in  der  , Zeitschrift  für  Psy- 
chologie und  Physiologie  der  Sinnesorgane"  erscheinen. 


•if-e  ^, 


Sitzung  der  math.-phjs.  Elaase  vom  3.  März  1906.  221 

3.  Herr  Alfr.  Pbingsheim  legt  eine  Arbeit  von  Herrn  Fritz 
Hartoos  vor:  , Einige  Folgerungen  aus  der  Cauchyschen 
Integralformel  bei  Funktionen  mehrerer  Veränder- 
lichen.* 

Durch  Übertragung  der  Cauchyschen  Randintegral-Dar- 
stellung auf  Funktionen  von  zwei  oder  mehreren  Veränder- 
lichen gewinnt  der  Verfasser  verschiedene  in  der  Theorie  der 
Funktionen  einer  Veränderlichen  keinerlei  Analogon  besitzende 
Theoreme,  welche  gestatten,  aus  dem  regulären  Verhalten 
solcher  Funktionen  in  gewissen  beschränkten  Bereichen  die 
Regularität  in  merklich  erweitertem  umfange  zu  erschließen 
und  bestimmte  Aussagen  über  die  eventuelle  Verteilung  singu- 
lärer  Stellen  zu  machen. 


223 


Einige  Folgeriingen  ans  der  Ganchyscheii  Integral- 
formel bei  Funktionen  mehrerer  Veränderlichen. 

Von  F.  Hartogs. 

{Singelanftn  3.  Märt,) 

Ist  eine  analytische  Funktion  f(x)  flir  alle  dem  Bereiche  B 
der  a;- Ebene  (einschl.  Begrenzung)  angehörenden  Werte  der 
komplexen  Veränderlichen  x  eindeutig  und  regulär,  so  gilt 
nach  Cauchy  für  alle  x,  welche  inneren  Punkten  dieses  Be- 
reiches entsprechen,  die  Beziehung: 


««)=iVJ/i!l«. 


das  Integral  erstreckt  über  die  (im  gehörigen  Sinne  zu  durch- 
laufende) vollständige  Begrenzung  C  des  Bereiches  B. 

Durch  zweimalige  Anwendung  dieser  Formel  erhält  man 
für  analytische  Funktionen  f{x,y)  zweier  unabhängiger  kom- 
plexer Veränderlichen  x  und  y  unter  geeigneten  Voraus- 
setzungen die  analoge  Beziehung: 


/•(-^)=(2^)7/ 


m  v) 


(I  -  x)iri-y) 


dSdt], 


bei  welcher  x  einen  inneren  Punkt  des  Bereiches  B  der  a;-Ebene, 
y  einen  solchen  des  Bereiches  B'  der  y-Ebene  bedeutet,  und  f 
die  vollständige  Begrenzung  C  des  Bereiches  B,  tj  diejenige  C 
des  Bereiches  B'  durchläuft. 

Wie  nun  eine  genauere  Untersuchung  zeigt,  ist  es,  um  die 
Gültigkeit   dieser   Formel   nachzuweisen,    gar  nicht   nötig   zu 


224  Sitzung  der  matb.-phys.  Klasse  vom  8.  März  1906. 

wissen,  daß  f{x,y)  im  vollen  Qebiete  (J?,  J?')  regulär  sei;  viel- 
mehr genügt  es  zu  diesem  Zwecke  schon,  wenn  von  f{x^y) 
nur  feststeht,  daß  es  sich  in  einem  gewissen  Teilgebiete 
desselben  regulär  verhalte.  Da  aber  andererseits  der  Ausdruck 
auf  der  rechten  Seite  der  Gleichung  —  unter  der  Voraus- 
setzung, daß  wenigstens  jeder  Punkt  (f ,  i;)  des  Integrations- 
gebietes jenem  Teilgebiete  angehöre,  —  allemal  eine  im  vollen 
Gebiete  (jB,  B')  eindeutige  und  reguläre  analytische  Funktion 
von  X  und  y  darstellt,  so  ergeben  sich  auf  diese  Weise  ganz 
unmittelbar  einige  bemerkenswerte  Sätze,  auf  welche,  wie 
es  scheint,  die  Aufmerksamkeit  bisher  noch  nicht  gelenkt 
worden  ist.^) 

Bedeutet  F  eine  irgendwie  definierte  Gesamtheit  von  Wert- 
systemen  (a;,  y),  so  sagen  wir  im  folgenden,  der  Funktions- 
zweig (oder  auch  kurz  die  Funktion)  f{x^  y)  verhalte  sich  ,im 
Gebiete  F  eindeutig  und  regulär*,  wenn  es  möglich  ist,  jedem 
Punkte  X  ==^  x\  y  =  y'  von  F  ein  so  kleines  Ereisgebiet 
\  X  —  x'  \  <,  Q,  \y  —  y'  \<q'  zuzuordnen,  daß  die  von  x  und  y 
abhängige  Größe  f{x^y) 

1.  für  jede  Stelle  (a?,  y),  welche  einem  oder  mehreren 
dieser  Ereisgebiete  angehört,  noch  eindeutig  erklärt  sei, 

2.  innerhalb  jedes  einzelnen  Ereisgebietes  mit  einer  nach 
ganzen  positiven  Potenzen  von  x  —  x'  und  y  —  y'  fortschrei- 
tenden und  daselbst  absolut  konvergierenden  Reihe  dem  Werte 
nach  übereinstimme. 

Stellt  F  speziell  eine  abgeschlossene  Punktmenge  dar, 
so  ist  es,  wie  leicht  zu  zeigen,  dann  auch  stets  möglich,  die 
Wahl  der  Größen  q  und  q'  so  zu  treffen,  daß  keine  einzige 
von  ihnen  kleiner  sei  als  eine  gewisse  feste  positive  Größe  a. 

Das  Analoge  gilt  für  den  Fall  beliebig  vieler  Veränder- 
lichen. 


^)  Die  betrefPenden  Sätze  hat  der  VerfB^ser  zum  Teil  schon  in 
seiner  Inaugural-Dissertation  (München  1903)  auf  anderem  Wege  herge- 
leitet.   (S.  daselbst  Kap.  VI.) 


Hartogs :  Folgerungen  aus  der  Cauchyschen  Integralformel.     225 

1. 

Es  sei  in  der  ar-Ebene  ein  beliebiger  Bereich  B^),  des- 
gleichen in  der  y-Ebene  ein  beliebiger  Bereich  B'  vorgelegt. 
Die  Randkurven  dieser  Bereiche  mögen  mit  C  bezw.  C  be- 
zeichnet werden,  und  es  stelle  y  =  yQ  irgend  einen  festen,  dem 
Bereiche  B'  angehörenden  Punkt  dar.  Wir  wollen  alsdann 
annehmen,  es  stehe  von  dem  Zweige  f{x^y)  einer  analytischen 
Funktion  der  beiden  unabhängigen  Veränderlichen  x  und  y 
lediglich  fest,  daß  er  sich  in  dem  ganzen  Gebiete  eindeutig 
und  regulär  verhalte,  welches  besteht 

a)  aus  allen  Stellen  (o;,  y),  für  welche  x  der  Begrenzung  (7 
des  Bereiches  B  und  y  gleichzeitig  dem  Bereiche  B'  ange- 
hört, und 

b)  aus  allen  Stellen  {x^  y^),  für  welche  x  dem  Bereiche  B 
angehört. 

Es  gibt  alsdann  zunächst,  da  B  eine  abgeschlossene  Punkt- 
nienge  darstellt,  eine  positive  Größe  Ic  derart,  daß  f{x^  y)  auch 
noch  an  allen  Stellen  (o;,  y),  für  welche  x  dem  Bereiche  B  an- 
gehört und  y  der  Bedingung  |  y  —  ?/o  *^  ^'  gß^^ig^»  eindeutig 
und  regulär  ist;  die  Gesamtheit  aller  inneren  Punkte  y  von  B\ 
für  welche  zugleich  \y  —  ?/q  |  <  Ä  gilt,  heiße  K. 


^)  Unter  einem  »Bereich  B*  der  ar-Ebene  werde  im  folgenden 
stets  eine  abgeschlossene  Punktmenge  von  der  Beschaffenheit  ver- 
standen, daß  a)  jeder  Punkt  x  derselben  entweder  selbst  ein  innerer 
Punkt  der  Menge  ist  (d.  h.  daß  alle  Punkte  eines  genügend  kleinen 
Kreises  mit  dem  Mittelpunkte  x  ebenfalls  zu  B  gehören)  oder  doch  als 
Häufungsstelle  von  inneren  Punkten  erscheint,  und  daß  b)  je  zwei  innere 
Punkte  von  B  stets  durch  eine  aus  einer  endlichen  Anzahl  geradliniger 
Stücke  zusammengesetzte  Linie  miteinander  verbunden  werden  können, 
welche  ganz  aus  inneren  Punkten  von  B  besteht.  Die  Gesamtheit  der 
Begrenzungspunkte  von  B  (also  derjenigen  Punkte  von  B,  welche 
nicht  zugleich  innere  sind)  möge  die  , Begrenzung*  oder  die  „Rand- 
kurve* C  des  Bereiches  B  heißen;  sie  stellt  ebenfalls  eine  abgeschlossene 
Punktmenge  dar.  In  der  entsprechenden  Weise  mögen  B'  und  C  in 
der  y-Kbene  erklärt  sein.  Endlich  möge  ein  „Bereich  B*  der  4-dimen- 
sionalen  xy-Mannigialtigkeit  in  Bezug  auf  die  letztere  die  analogen 
Eigenschaften  besitzen  wie  ein  Bereich  B  in  Bezug  auf  die  2-dimen- 
aicnale  ^-Mannigfaltigkeit. 

19M.  Hitzungsb.  d.  math.-pbys.  Kl  15 


226  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

Wird  nun  der  Einfachheit  halber  fürs  erste  vorausgesetzt, 
daß  die  Begrenzung  C  des  Bereiches  B  und  ebenso  diejenige  C 
des  Bereiches  B'  durch  je  eine  endliche  Anzahl  von  stetigen 
rektifizierbaren  Kurven  gebildet  werde,  so  hat  man,  solange  \j 
auf  das  Gebiet  K  beschränkt  bleibt  und  x  einen  inneren 
Punkt  des  Bereiches  B  bedeutet: 


A-) = 2^;?^^^- 


das  Integral  über  die  vollständige  Begrenzung  C  des  Bereiches  B 
erstreckt.  Des  weiteren  ist  aber,  wenn  f  irgend  einen  Punkt 
von  G  bezeichnet  und  y  seine  bisherige  Bedeutung   beibehält: 


«^•"=2^11?^^'. 


v  —  y 


das  Integral   erstreckt   über   die   Begrenzung    von  B\     Somit 
ergibt  sich: 

c       c 

Der  auf  der  rechten  Seite  dieser  Gleichung  stehende  Aus- 
druck, welcher  hiernach  im  ganzen  Innern  des  Gebietes  (2?,  K) 
mit  f{x^  y)  übereinstimmt,  stellt  aber  eine  im  Innern  des  vollen 
Gebietes  (jB,  B')  eindeutige  und  reguläre  analytische  Funktion 
von  X  und  y  dar.*)  Infolge  der  bezüglich  f{x^  y)  geltenden 
Voraussetzungen  nämlich  ist  die  Größe  unter  dem  doppelten 
Integralzeichen,  solange  x  einen  inneren  Punkt  von  B,  y  einen 
solchen  von  B'  bezeichnet,  eine  im  ganzen  Integrationsgebiete 
stetige  Funktion  der  Integrationsveränderlichen  f,  ?;,  und  daher 
besitzt  das  Doppelintegral  auch  noch  für  alle  diese  Werte  von 


*)  £in  direkter  Nachweis  hierfür  ergibt  sich  auch  aus  gewissen 
allgemeinen  Sätzen  über  Integrale  von  Funktionen,  welche  zugleich 
analytische  Funktionen  eines  oder  mehrerer  Parameter  sind.  (Vgl.  für 
den  einfuchsten  Fall  FiUzykl.  d.  math.  Wisa.  II  6  1,  Nr.  6«  p.  22  sowie 
die  Anfangsbemerkung  in  Nr.  43.) 


Hartogs:  Folgerungen  aus  der  Cauchy sehen  Integralformel.     227 

X  und  y  jedenfalls  einen  wohlbestimmten  endlichen  Wert.  Des 
weiteren  kann  aber,  wenn  x  =  x^,  y  =  y^  irgend  ein  festes  der- 

artiges  Wertepaar  bedeutet,  77 ^rV^ ^  durch    eine   nach 

ganzen  positiven  Potenzen  von  x  —  x^  und  y  —  y^  fortschreitende 
Doppelreihe  ersetzt  werden,  deren  Koeffizienten  von  x  und  y 
unabhängig  sind,  und  welche  bei  geeigneter  Beschränkung  der 
absoluten  Beträge  von  x  —  x^  und  y  —  y^  absolut,  sowie  in 
Bezug  auf  alle  in  Betracht  kommenden  Wertsysteme  f,  rj 
gleichmäßig  konvergiert.  Diese  sämtlichen  Eigenschaften 
der  Reihe  bleiben  auch  dann  noch  bestehen,  wenn  man  die- 
selbe, was  bei  passender  Anordnung  ihrer  Tenne  möglich  ist, 
als  einfach  unendliche  Reihe  auffaßt.  Durch  gliedweise 
Integration  dieser  letzteren  erhält  man  dann  in  der  Tat  die 
Entwicklung  des  Doppelintegrals  nach  positiven  ganzen  Potenzen 
von  X  —  x^  und  y  —  y,,  und  zwar  konvergiert  die  so  sich  er- 
gebende (zunächst  als  einfach  unendlich  gedachte)  Reihe  sicher- 
lich absolut,  wenn  man  noch  die  obere  Schranke  für  die  ab- 
soluten Beträge  von  x  —  tTj  und  y  —  y,  beliebig  wenig  ver- 
kleinert; die  Reihe  kann  somit,  wenn  man  will,  auch  wieder 
als  absolut  konvergente  Doppelreihe  aufgefaßt  werden. 

Hieraus  geht  aber  hervor,  daß  der  betrachtete  Ausdruck 
die  Funktion  f(x,  y)  bezw.  ihre  analytische  Fortsetzung  auch 
noch  im  Innern  des  vollen  Gebietes  {B,  B')  darstellen  muß; 
fi^iV)  verhält  sich  also  notwendig  auch  noch  in  der 
Umgebung  jedes  im  Innern  des  Gebietes  {B^B*)  ge- 
legenen Punktes  {x^y)  regulär. 

Läßt  man  jede  spezielle  Annahme  bezüglich  der  Begren- 
zung der  Bereiche  B  und  B'  fallen,  so  kann  man  in  folgender 
Weise  zum  Ziele  gelangen.  Aus  den  Voraussetzungen  folgt 
zunächst  die  Existenz  einer  positiven,  von  Null  verschiedenen 
Größe  a  von  der  Beschaffenheit,  daß,  sobald  x  =  x\  y  =^y' 
irgend  eine  der  unter  a)  oder  b)  genannten  Stellen  bedeutet, 
f{x,  y)  noch  in  jedem  Gebiete  \x  —  a?'  1  < a,  \y  — y'\<a  ein- 
deutig definiert  und  regulär  ist.  Die  a;-Ebene  werde  nun  auf 
irgend  eine  Weise  in  kongruente  Quadrate  von  der  Seitenlänge 

16* 


228  Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

^  a  eingeteilt,  und  das  von  allen  denjenigen  Quadraten,  welche 
im  Innern  oder  längs  der  Begrenzung  irgend  einen  Punkt  von 
B  enthalten,  überdeckte  Gebiet  (einschl.  Begrenzung)  mit  Ji^ 
bezeichnet.  Jeder  Punkt  von  J3  ist  alsdann  innerer  Punkt  von 
-Bj,  und  jeder  nicht  zu  B  gehörige  Punkt  von  JS,,  speziell 
also  jeder  Begrenzungspunkt  von  B^  ist  von  einem  gewissen 
Punkte  des  Bereiches  B  und  daher  auch  von  einem  gewissen 
Punkte  der  Begrenzung  C  desselben  um  weniger  als  |  a  ent- 
fernt. Auf  die  nämliche  Weise  möge  aus  dem  Bereich  B'  der 
y-Ebene  der  erweiterte  Bereich  B[  gebildet  werden.  Offenbar 
ist  es  alsdann,  ohne  daß  die  Voraussetzungen  ihre  Gültigkeit 
verlieren,  gestattet,  in  denselben  die  Bereiche  B  und  B'  durch- 
weg durch  JBi  bezw.  Bl  zu  ersetzen.  Nach  dem  oben  Bewie- 
senen verhält  sich  somit  der  betrachtete  Funktionszweig  /  (x,  y) 
im  Innern  des  Gebietes  (J5i,  -BI),  also  sicher  im  vollen  Gebiete 
(£,  B')  regulär. 

Wir  können  demnach  den  folgenden  Satz  aussprechen: 
Es  sei  C  die  Begrenzung  eines  beliebigen  Be- 
reiches B  der  a:-Ebene  und  y^^Po  irgend  ein  dem  Be- 
reiche B'  der  y-Ebene  angehöriger  Punkt.  Verhält 
sich  alsdann  der  Zweig  f{x^y)  einer  analytischen 
Funktion  von  x  und  y  in  demjenigen  Gebiete  ein- 
deutig und  regulär,  welches  aus  allen  unter  a)  und  b) 
genannten  Punkten  besteht,  so  verhält  sich  die  Fort- 
setzung') desselben  auch  noch  im  vollen  Gebiete 
(jB, -B')  eindeutig  und  regulär. 

Ein  zweiter  Beweis  für  diesen  Satz,  bei  welchem  nur  ein- 
fache Integrale  auftreten,  möge  hier  noch  angedeutet  werden. 

Es  werde  die  oben  benutzte  Einteilung  der  :c-Ebene  in 
Quadrate  von  der  Seitenlänge  J  a  wieder  aufgenommen  und 
das  von  allen  denjenigen  Quadraten,  welche  im  Innern  oder 
längs   der  Begrenzung   irgend  einen  Punkt  von  B^  aufweisen, 


^)  Dabei  handelt  es  sich  selbstredend  nur  um  solche  Fortsetzungen, 
welche  man  erhält,  ohne  daß  x  den  Bereich  B  und  y  den  Bereich  B' 
Terläßt. 


Hartogs:  FolgerungeB  aus  der  Gauchyschen  Integralfomiel.     229 

überdeckte  Grebiet  (inkl.  Begrenzung)  mit  B^  bezeichnet.  Der 
Bereich  B^  enthält  dann  den  Bereich  B^  in  seinem  Innern, 
und  jeder  nicht  zu  B  gehörige  Punkt  von  B^  ist  von  einem 
gewissen  Punkte  von  B  und  daher  auch  von  einem  gewissen 
Punkte  von  C  um  weniger  als  a  entfernt.  Der  nicht  zu  J5, 
gehörige  Teil  von  B,  möge  (einschl.  seiner  Begrenzung)  mit  8 
bezeichnet  werden.  f(x,  y)  verhält  sich  alsdann  im  Gebiete 
(S,  B')  eindeutig  und  regulär  und  es  gilt  somit: 

wobei  X  irgend  einen  inneren  Punkt  des  Gebietes  ä,  y  irgend 
einen  Punkt  von  B'  bezeichnet,  und  die  Integrale  jedesmal 
über  die  vollständige  Begrenzung  des  in  Parenthese  ange- 
gebenen Gebietes  zu  erstrecken  sind. 

Andererseits  verhält  sich  f(x,y)  im  Gebiete  (J5j,  |  y — y^  |  <a) 
eindeutig  und  regulär,  und  es  gilt  somit,  solange  \y—yo\<.o  ist. 


! 


(Bt)  ^  ~  ^ 


df  =  0 


für  jeden  nicht  zu  B^  gehörigen  Wert  von  x.  Da  aber  für 
jeden  solchen  Wert  von  x  dieses  Integral  eine  im  Bereiche  B' 
durchweg  reguläre  analytische  Funktion  von  y  darstellt,  so 
verschwindet  es  auch  für  jedes  dem  Bereiche  B'  angehörige 
y,  und  die  rechte  Seite  der  Gleichung  (1)  reduziert  sich  somit 
stets  auf  ihr  erstes  Glied.  Dieses,  welches  demnach  im  Gebiete 
(S,  B')  mit  2  7iif{x^y)  dem  Werte  nach  übereinstimmt,  stellt 
aber  eine  im  Innern  des  ganzen  Gebietes  (B2t  -ßi)»  speziell  also 
im  vollen  Gebiete  {B,  B')  eindeutige  und  reguläre  analytische 
Funktion  von  x  und  y  dar. 

2. 

Über  die  Verteilung  der  singulären  Stellen  bei  den 
analytischen  Funktionen  zweier  Veränderlichen  sagt  der  soeben 
bewiesene  Satz  folgendes  aus: 

Es  sei  G  die  Randkurve  irgend  eines  Bereiches  B 
derx-Ebene,  welcher  den  Nullpunkt  enthält.    Ist  als- 


230  Sitzung  der  inatb.-pbys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

dann  der  Punkt  x  =  0,  y  =  0  für  einen  gewissen  Zweig 
f(x^y)  einer  analytischen  Funktion  von  x  und  y  eine 
singulare  Stelle,  während  dieser  Zweig  sich  eindeutig 
und  regulär  verhält  an  jeder  Stelle  (a:,  0),  für  welche 
X  auf  (7  liegt,  so  gibt  es  eine  Zahl  l>0  derart,  daß  zu 
jedem  Punkte  y  =  yQ  des  Kreises  |y  |  <i  eine  singulare 
Stelle  (Xq,  y^)  jenes  Zweiges  existiert,  für  welche  Xq 
dem  Bereiche -B  angehört. 

Infolge  der  über  f{x,  y)  gemachten  Voraussetzungen  exi- 
stiert nämlich  jedenfalls  eine  positive  Größe  l  von  der  Be- 
schafiPenheit,  daß  f{x, y)  noch  im  Gebiete  (C,  \y[<l)  eindeutig 
und  regulär  ist.  Die  so  bestimmte  Größe  l  genügt  aber  dann 
zugleich  den  Anforderungen  des  Satzes.  Ist  nämlich  y  =  y^ 
irgend  ein  der  Bedingung  |  ^o  I  !^  ^  genügender  Wert,  und  ver- 
hielte sich  entgegen  der  Behauptung  f{x,  y)  in  der  Umgebung 
einer  jeden  Stelle  (a:,  y^  regulär,  für  welche  x  dem  Bereiche  B 
angehört,  so  müßte  nach  dem  in  Nr.  1  bewiesenen  Satze /'(a;,y) 
auch  im  vollen  Bereiche  (jB,  |  y  |  <  0  eindeutig  und  regulär  sein, 
während  ja  der  Punkt  a;  =  0,  y  =  0  für  f{x,y)  eine  singulare 
Stelle  sein  sollte. 

Durch  Spezialisierung  ergibt  sich  aus  obigem  Satze  der 
folgende : 

Ist  der  Punkt  a;  ==  0,  y  =  0  eine  singulare  Stelle  für  den 
Funktionszweig  f{x,  y),  gibt  es  jedoch  in  einer  gewissen  Nach- 
barschaft dieses  Punktes  für  f(x,y)  keine  weitere  singulare 
Stelle,  deren  y- Koordinate  Null  ist,  oder  gibt  es  wenigstens 
innerhalb  jedes  beliebig  kleinen  Kreises  um  x  ^=0  noch  Be- 
reiche jB,  welche  den  Punkt  x  =  0  enthalten,  und  deren  Rand- 
punkte mit  y  =  0  sämtlich  reguläre  Stellen  für  f{x,y)  ergeben, 
so  läßt  sich  zu  jeder  beliebig  kleinen  positiven  Zahl  k 
stets  eine  zweite  l  derart  angeben,  daß  zu  jedem 
Punkte  y  =  yQ  des  Kreises  \y\<l  mindestens  eine  sin- 
gulare Stelle  (^o'^o)  jenes  Funktionszweiges  existiert, 
welche  der  Bedingung  |a;Q|<Ä  genügt. 


Hartogs:  Folgerungen  aus  der  Cauchy sehen  Iniegralfomiel.     231 

3. 

Ist  ein  beliebiger  Bereich  B  der  rc-Ebene  sowie  ein  be- 
liebiger Bereich  B'  der  y-Ebene  vorgelegt  und  steht  von  dem 
Zweige  f{Xy  y)  einer  analytischen  Funktion  fest,  daß  er  sich  in 
demjenigen  Gebiete  eindeutig  und  regulär  verhalte,  welches  aus 
allen  Begrenzungsstellen  des  Bereiches  B  =  (J5,J5')  besteht 
(d.  h.  sowohl  aus  allen  Stellen  {x,  y\  für  welche  x  der  Rand- 
kurve von  B  und  y  dem  Bereiche  B'  als  auch  aus  allen  den- 
jenigen, für  welche  x  dem  Bereiche  B  und  y  der  Randkurve 
von  B'  angehört),  so  ist  nach  dem  in  Nr.  1  bewiesenen  Satze 
f{x^  y)  notwendig  auch  im  vollen  Bereiche  B  eindeutig  und 
regulär.  Dieser  Satz  läßt  sich  nun  auf  völlig  beliebige  Be- 
reiche B*)  der  a; y-Mannigfaltigkeit  übertragen;  doch  werden 
wir  uns  hierbei  auf  die  Betrachtung  eindeutiger  analytischer 
Funktionen  beschränken.    Der  Satz  lautet  alsdann: 

Liegt  ein  beliebiger  Bereich  B  der  a:y-Mannig- 
faltigkeit  vor  und  steht  von  der  eindeutigen  analyti- 
schen Funktion  f(x,y)  fest,  daß  sie  sich  an  jeder  Be- 
grenzungsstelle (o?,  y)  des  Bereiches  B  regulär  ver- 
halte, so  verhält  sie  sich  auch  im  vollen  Bereiche  B 
regulär. 

Beweis.  Da  die  Begrenzung  von  B  eine  abgeschlossene 
Menge  von  Punkten  {x,  y)  darstellt,  so  läßt  sich  zunächst 
wiederum  eine  positive  Größe  a  angeben,  so  beschaffen,  daß 
wenn  {x\  y')  irgend  eine  Begrenzungsstelle  von  B  bedeutet, 
/  (x,  y)  auch  noch  in  jedem  Gebiete  \x  —  a:'  |  <  a,  |  y  —  y'  |  <  a 
regulär  ist. 

Die  Gesamtheit  der  y-Koordinaten  aller  Punkte  von  B 
bildet  offenbar  einen  Bereich  B'  der  y-Ebene.  Ist  y  =  yo  ein 
Randpunkt  von  B'  (oder  auch  ein  beliebiger  Punkt  von  B\ 
welcher  von  einem  Randpunkte  um  weniger  als  a  entfernt  ist), 
so  ist  f{x,  y)  sicher  in  der  Umgebung  jeder  dem  Bereiche  B 
augehörenden  Stelle  {x^  y)  regulär,  deren  y-Koordinate  gleich 
y^  ist.    Wüßte  man,    daß   das  nämliche  auch  von  jedem  be- 


1)  Siehe  p.  225,  Fußnote  i). 


232  Sitzung  der  math.-pbys.  Kluäse  vom  8.  März  190G. 

lie bigeil  Punkte  y  =  y^  des  Bereiches -B'  gilt,  so  wäre  damit 
die  Behauptung  erwiesen.  Die  gegenteilige  Annahme  führt  aber 
in  der  Tat  auf  einen  Widerspruch.  Gäbe  es  nämlich  auch 
Punkte  y  =  yi  von  JB',  für  welche  jene  Aussage  nicht  zu- 
träfe, so  müßten  speziell  auch  zwei  Punkte  y  =  y©  ^^^  y  =  ^i 
des  Bereiches  B'  nachweisbar  sein,  von  denen  der  erste,  y^, 
jene  Bedingung  erfüllt,  der  andere,  y,,  hingegen  nicht,  und 
deren  Entfernung  voneinander  zugleich  kleiner  ist  als  ^  a.  Es 
soll  nun  der  Nachweis  geführt  werden,  daß  —  entgegen  der 
soeben  gemachten  Annahme  —  f(x^  y)  dann  auch  in  der  Um- 
gebung einer  jeden  dem  Bereiche  B  angehörenden  Stelle  regulär 
sein  muß,  deren  y-Koordinate  gleich  y,  ist. 

Ist  (a:,,  y,)  eine  beliebige  solche  Stelle,  so  untei-scheiden 
wir  drei  Fälle,  je  nachdem  der  Punkt  (o:,,  y^)  erstens  ein  Be- 
grenzungspunkt  von  B,  zweitens  ein  innerer  Punkt  von  B 
ist,  oder  drittens   dem  Bereiche  B  überhaupt  nicht  angehört. 

Im  ersten  Falle  ist  f{x,y)  im  Gebiete  \x  —  a;,  |  <  a, 
\y  —  y^  I  <  a  durchweg  regulär,  also  speziell  auch  in  der  Um- 
gebung der  Stelle  (x^^y^). 

Im  dritten  Falle  gibt  es,  da  zwar  der  Punkt  (a:„  y,)  dem 
Bereiche  B  angehört,  der  Punkt  (^p  yo)  hingegen  nicht,  auf 
der  geradlinigen  Verbindungsstrecke  der  Punkte  y^  und  y^  min- 
destens einen  Zwischenpunkt  y,  derart,  daß  (x^^y^)  ein  Be- 
grenzungspunkt von  B  ist.  Dann  verhält  sich  f{x^y)  im 
Gebiete  \x  —  a?j|<a,  |y  —  y,  |<a  durchweg  regulär,  also 
speziell  auch  in  der  Umgebung  der  Stelle  {x^^  y,). 

Im  zweiten  Falle  endlich  bedeute  X  die  Gesamtheit  aller 
Stellen  Xy  für  welche  (x,  y^)  ein  innerer  Punkt  von  B  ist ;  die 
Gesamtheit  aller  derjenigen  Punkte  von  X,  welche  mit  dem 
(gleichfalls  zu  X  gehörenden)  Punkte  x^  durch  eine  aus  einer 
endlichen  Anzahl  von  Geraden  zusammengesetzte,  aus  lauter 
Punkten  von  X  bestehende  Linie  verbunden  werden  können, 
bilden  nebst  ihreii  Häufungsstellen  alsdann  einen  Bereich  B 
der  a;-Ebene  und  zwar  von  folgender  Beschaffenheit:  Ist  x 
irgend  ein  Punkt  von  JB,  so  gehört  der  Punkt  (x,  y,,)  dem  Be- 
reiche B  an;  ist  speziell  x  ein  Punkt  der  Randkurve  C  von  -B, 


*BPE? 


Uartogs:  Folgerungen  aus  der  Cauchjecheu  Integralformel.     233 

SO  ist  der  Punkt  (x,  y^)  (da  er  nicht  innerer  Punkt  von  B  sein 
kann)  sicher  ein  Begrenzungspunkt  von  B.  Demnach  ist 
f{x,y)  in  dem  ganzen  Gebiete  regulär,  welches  besteht:  a)  aus 
allen  Stellen  (r,  y),  für  welche  x  der  Kurve  6\  y  dem  Bereiche 
.y  —  ^0  I  5t  I  "  angehört;  b)  aus  allen  Stellen  (r,  y^^  für  welche 
z  dem  Bereiche  B  angehört.  Nach  dem  Satze  von  Nr.  1  ist 
infolgedessen  f{x^  y)  auch  im  vollen  Gebiete  (B,  \y  —  ^o  i  "^  1^) 
regulär,  also  speziell  in  der  Umgebung  der  Stelle  (^j,y,). 

4. 

Der  in  Nr.  1  bewiesene  Satz  läßt  noch  nach  einer  anderen 
Richtung  hin  eine  Verallgemeinerung  zu.  Die  bei  der  Voraus- 
setzung desselben  unter  b)  definierte  Gesamtheit  von  Stellen 
(x,  y^)  kann  nämlich  ersetzt  werden  durch  eine  anderweitige 
Gesamtheit,  bei  welcher  die  t/-Eoordinate  nicht  mehr  unge- 
ändert  bleibt,  sondern  ihren  Wert  gleichzeitig  mit  x  ändert 
(ohne  jedoch  den  Bereich  B'  jemals  zu  verlassen).  Allerdings 
kann  man  sich  schon  an  den  einfachsten  Beispielen  von  Singu- 
laritäten unmittelbar  davon  überzeugen,  daß  diese  Abhängig- 
keit keineswegs  völlig  willkürlicher  Natur  sein  (etwa  Un- 
stetigkeiten  aufweisen)  darf,  sowie  ferner,  daß  die  Gestalt 
mindestens  eines  der  Bereiche  B,  B'  gewissen  Beschränkungen 
unterworfen  werden  muß.^)  Wir  werden  im  folgenden  annehmen. 


*)  Es  sei  z.  B.  f{x,y)  —  ■       --.    Wählt  man  nun  etwa  für  B  den 

x  —  y 

Bereich  \x\<2,  für  B'  den  Bereich  \y\<\  (so  daß  f{x, y)  im  Gebiete 
(0,  B*)  regulär  ist),  und  setzt  des  weiteren  y}(x)^=^0  für  jeden  von  Null 
verschiedenen ,  dem  Bereiche  B  angehörenden  Wert  rc,  dagegen  y)  (0) 
gleich  irgend  einer  von  Null  verschiedenen  Konstanten,  so  verhält  sich 
f(x,  y)  in  der  Umgebung  jeder  Stelle  (o:,  v^  W)  regulär  und  es  sind  somit 
alle  VorauKsetzungen  erfüllt;  nichtsdestoweniger  ist  f{x^y)  im  Bereiche 
(B,  B')  nicht  durchweg  regulär.  —  Wählt  man  andererseits  für  B  den 
Kreisring  1  <  |  ar  |  ^  4,  für  B'  den  Kreisring  2  <  |  x  '  <  8  und  setzt  durch- 
weg y*(t)^  —  Xy  80  sind  wiederum  alle  Voraussetzungen  erfüllt,  ohne 
daß  /"(.T,  y)  im  Gebiete  (B,  B')  durchweg  regulär  wäre.  Damit  der  Satz 
gültig  »ei,  muß  zum  mindesten  einer  der  beiden  Bereiche  B  und  B' 
einfach  zusammenhängend  sein. 


234  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

daß  die  y-Koordinate  eine  eindeutige  analytische  Funktion 
V  (x)  der  x-Koordinate  sei,  und  femer  eine  besondere  Voraus- 
setzung über  die  Gestalt  des  Bereiches  B'  hinzufügen. 

Es  sei  y  =  y^ix)  eine  im  Bereiche  B  der  x-Ebene 
eindeutige  und  reguläre  analytische  Funktion  von  x^ 
so  beschaffen,  daß,  solange  x  dem  Bereiche  B  ange- 
hört, der  Punkt  y=^tp(x)  im  Innern  des  Bereiches  B' 
der  y-Ebene  gelegen  sei.  Von  dem  Zweige /"(a:,  y)  einer 
analytischen  Funktion  von  x  und  y  stehe  fest,  daß  er 
sich  in  dem  ganzen  Gebiete  eindeutig  und  regulär 
verhalte,  welches  besteht: 

a)  aus  allen  Stellen  (x,  y),  für  welche  x  der  Be- 
grenzung C  des  Bereiches  B  und  y  gleichzeitig  dem 
Bereiche  B'  angehört,  und 

b)  aus  allen  Stellen  (x,  y),  für  welche  x  dem  Be- 
reiche^ angehört  und  gleichzeitig  y  =  tp(x)  ist. 

Der  Bereich  B'  besitze  überdies  die  Eigenschaft, 
daß  seine  Begrenzung  mit  jeder  Geraden  der  y-Ebene 
höchstens  zwei  Punkte  oder  eine  einzige  geradlinige 
Strecke  gemein  habe.  Alsdann  ist  f{x^y)  auch  im 
vollen  Bereiche  (J5,  B')  eindeutig  und  regulär. 

Beweis,  Die  positive  Größe  ß  möge  so  bestimmt  werden, 
daß,  wenn  x  =  x\  y^y'  irgend  eine  der  unter  a)  oder  b)  ge- 
nannten Stellen  bedeutet,  f{x,y)  noch  im  Bereiche  \x  —  x'\Kß, 
\y  —  y'  I  <  /S  eindeutig  und  regulär  sei.  Eine  zweite  positive 
Größe  a  sei  nicht  größer  als  /S,  werde  jedoch,  was  stets  mög- 
lich ist,  überdies  noch  so  klein  angenommen,  daß,  wenn  x  =  x' 
einen  völlig  beliebigen  Punkt  von  B  bezeichnet,  für  alle  x  des 
Gebietes  |  j;  —  x'  \<,a: 

1.  die  Funktion  tp(x)  noch  eindeutig  und  regulär  sei, 

2.  der  Punkt  y  =  yf{x)  dem  Bereiche  B'  noch  angehöre, 

3.  die  Ungleichung  \tp(x)  —  yf  (x)  \<^  ß  gelte. 

Mittels  dieser  Größe  a  mögen  alsdann  wie  in  Nr.  1  aus  B  die 
Bereiche  -Bj,  B^  und  S  konstruiert  werden. 


l^ 


iribft 


3Sf  -^w 


Hurtogs:  Folgerungen  aus  der  Cauchyschen  Integralformel.     23o 

Da  f{x,y)  alsdann  im  Gebiete  {S,B')  eindeutig  und  regulär 
ist,  so  hat  man  zunächst  ebenso  wie  in  Nr.  1  die  Beziehung: 

wobei  X  irgend   einen   inneren  Punkt  des  Gebietes  S,  y  einen 
beliebigen  Punkt  von  B'  bedeutet. 

Ist  andererseits  x  =^  x^  ein  beliebiger  Punkt  von  B^^  so 
gibt  es  jedenfalls  einen  Punkt  x  =  x^  von  B  derart,  daß 
I  X,  —  a:^  I  <  a ;  infolge  obiger  Annahmen  gehört  also  der 
Punkt  ip  (xj)  dem  Bereiche  B'  noch  an  und  es  gilt  gleichzeitig 

W  {^i)  —  W  (^o)  I  <  ¥  ^• 


Setzt  man  daher,  unter  y  irgend  einen  festen  Punkt  des  Be- 
reiches B'  verstehend, 

%  (x)  =  V  W  +  *  (y  -  V  (*)) 

und  bezeichnet  mit  D  den  Durchmesser  eines  Kreises,  welcher 
den  ganzen  Bereich  B'  umfaßt,  so  gilt  sicher  noch: 

\%ix,)~y,{x,)\<ß, 

solange  t  dem  absoluten  Betrage  nach  kleiner  bleibt  als  ^^. 

f{x,  y)  verhält  sich  nun  im  Gebiete  \x  —  x^Kß^  \y  —  yy  (Xq)  '  <,ß 
eindeutig  und  regulär,  speziell  also  in  der  Umgebung  des 
Punktes  (x„  !Pi(-c,)).  Da  überdies  yf(x)  im  Bereiche  -B,  ein- 
deutig und  regulär  ist,  so  stellt  demnach  f(x,  !F<  (a;)),  solange  nur 

1^*^9  7)'  ^^°®  ^^  Bereiche  JB,  eindeutige  und  reguläre  ana- 
lytische Funktion  von  x  dar,  und  es  gilt  somit: 

für  jeden  außerhalb  B^  gelegenen  Punkt  x, 

Ist  nun  t^  irgend  ein  der  Bedingung  0^tQ<il  genügender 
reeller  Wert,  f  irgend  ein  Punkt  der  Begrenzung  des  Be- 
reiches jBj,   so   gehört   der   Punkt  v^({)   und   daher   auch   der 


236  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

Punkt  ?Pio  (^)  d®^  Bereiche  B'  noch  an;  wird  sodann  die 
Größe  t  auf  das  Gebiet  \t  —  ^o  I  <  ^  beschränkt,  so  gilt 

\%{i)-^i,m  =  \t-t,\\y-wm<ß 

und  demnach  verhält  sich  die  Funktion  f{x^  y)  in  der  Um- 
gebung des  Punktes  (f,  ^t{S))  noch  eindeutig  und  regulär.^) 
Daraus  folgt  aber,  daß  das  zuletzt  betrachtete  Integral  — 
unter  x  nach   wie   vor  einen   außerhalb  J5,   gelegenen  Punkt 

verstanden  —  in  jedem  Gebiete  |  ^  —  ^o  I  ^  ^  (0  <  ^o  <  1)  eine 

reguläre  analytische  Funktion  von  t  darstellt.    Da  diese  Funk- 

tion    aber  für   |  ^ !  <  J^-^.  verschwindet,    so   muß  sie   auch   fiir 

alle  betrachteten  Werte  von  t  verschwinden,  speziell  also  für 
^  =  1.  Mithin  reduziert  sich  die  rechte  Seite  von  Gleichung  (1) 
auf  ihr  erstes  Glied;  dieses  aber  stellt  —  aus  genau  denselben 
Gründen  wie  in  Nr.  1  —  eine  im  vollen  Gebiete  (jB^,  J5')  ein- 
deutige und  reguläre  Funktion  von  x  und  y  dar. 


5. 

Die  sämtlichen  bisher  erwähnten  Sätze  lassen  sich  auch 
auf  den  Fall  beliebig  vieler  Veränderlichen  ausdehnen. 
Als  Grundlage  kann  dabei  der  in  Nr.  1  bewiesene  Satz  dienen, 
wenn  derselbe  zuvor  noch  auf  eine  etwas  allgemeinere  Form 
gebracht  wird.  Liegt  nämlich  eine  analytische  Funktion  der 
Veränderlichen  a?,  y,  «,  v,  u;,  .  .  vor,  so  kann  man,  wenn  man 
in  der  x^  und  in  der  y-Ebene  die  in  Nr.  1  gebrauchten  Be- 
zeichnungen beibehält,  während  die  Gebiete  6?,  G\  .  .  .  der 
«-,  v-,  .  ..  .  Ebene  lediglich  der  Beschränkung  unterliegen 
sollen,  daß  sie  abgeschlossene  Punktmengen  darstellen,^) 
jenem  Satze  die  folgende  Gestalt  geben: 


^)  f  ist  nämlich  von  einem  gewissen  Punkte  der  Randkurve  C,  und 
^f\S\  von  dem  zu  B'  gehörigen  Punkte  'jfVj(^)  um  weniger  als  ß  entfernt 

')  Q  braucht  also  nicht  notwendig  einen  li-dimenaionalen  Bereich 


Hartogs:  Folgerungen  aus  der  Cauchysohen  Jntegralformel.     237 

(A.)  Steht  von  dem  Zweige  f{x^  y,  w,  »,...)  einer  analy- 
tischen Funktion  der  Veränderlichen  x,  y,  u,  t;,  . . .  fest,  dafi 
er  sich  in  dem  ganzen  Gebiete  eindeutig  und  regulär  verhält, 
welches  besteht 

a)  aus  allen  Stellen   (ic,  y,  w,  r,  . . .),   welche   durch   das 
Symbol  (C,  B\  G,  G\  .  .  .),  sowie 

b)  aus  allen  denjenigen,  welche  durch  das  Symbol 
(5,  y^,  (t,  G\ )  bezeichnet  werden, 

so  verhält  sich   die  Fortsetzung  dieses  Zweiges  auch  noch  in 
dem  vollen  Gebiete  (jB,  B\  (t,  G\  . . .)  eindeutig  und  regulär. 

Da  nämlich  das  in  der  Voraussetzung  erwähnte  Gebiet 
eine  abgeschlossene  Menge  von  Punkten  (a:,  y,  u^  v,  .  .  .) 
darstellt,  so  ist  es  wiederum  möglich,  eine  positive  Größe  a 
so  zu  wählen,  daß,  sobald  {x\  y',  u\  v\  .  .  .)  irgend  einen 
Punkt  dieses  Gtebietes  bedeutet,  f{x,  y,  u,  v,  . . »)  auch  noch  in 
jedem  Gebiete  \x  —  a;'  |  <  a,  .  .,  |  w  —  m'  j  <  a,  ...  eindeutig 
und  regulär  sei.  Mittels  dieser  Größe  a  mögen  nun  genau  wie 
in  Nr.  1  aus  dem  Bereiche  B  der  a;-Eben6  die  Bereiche  J5j,  B^^  S, 
aus  dem  Bereiche  B'  der  y-Ebene  der  Bereich  B\  und  schließ- 
lich in  analoger  Weise  aus  den  Bereichen  6r,  G\  ...  die  Be- 
reiche 6ri,  6ri,  .  .  .  konstruiert  werden.  Denkt  man  sich  nun 
den  Größen  t<,  v,  .  .  .  bestimmte,  den  bezüglichen  Bereichen 
(ri,  G'u  .  .  .  angehörige  Werte  beigelegt,  so  besteht,  wie  in 
Xr.  1  (p.  229)  bewiesen,  jedenfalls  die  Beziehung: 

J  jr»  / (a:,  y,  u,  r,  . . .)  =  J af , 

(^)  ff  -  a; 

wobei  X  einen  inneren  Punkt  von  S,  y  einen  Punkt  von  B 
bedeutet.  Die  rechte  Seite  dieser  Gleichung  stellt  aber  eine  im 
Innern  des  vollen  Gebietes  (7?^,  J5J,  Gi,  Gi,  . . .),  also  speziell 
im  ganzen  Gebiete  (-B,  B\  G,  G\  . . .)  eindeutige  und  reguläre 
analytische  Funktion  von  x^  y,  f#,  f,  . . .  dar. 


darzustellen,  sondern  kann  z.  B.   auch  die  Gesamtheit  der  Punkte  einer 
Kurve,  eventuell  auch  blofi  einen  einzigen  Punkt  l>edeuten. 


238  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  März  190G. 

Es  mögen  nun  ar^,  x^^  , . .  x^  n  komplexe  Veränderliche 
bedeuten,  und  es  sei  0  <  /x  <  v  <  n.  Ein  «Bereich  2^**  der 
:r^-Ebene  werde  im  folgenden  stets  mit  Bg^  seine  Randkurve 
mit  6^^  bezeichnet ;  Xg  =  Xg  bedeute  durchweg  einen  festen 
Punkt  des  Bereiches  B^;  endlich  möge  Gg  eine  abgeschlossene 
Menge  von  Punkten  Xg  darstellen.  Es  gilt  alsdann  zunächst 
die  folgende  Verallgemeinerung  des  obigen  Satzes: 

(B.)  Steht  von  dem  Zweige  f{x^,  a?,,  . . .  Xm)  einer  analy- 
tischen Funktion  der  Veränderlichen  x^,  x^,  , . .  Xn  fest,  daß  er 
sich  in  dem  ganzen  Gebiete  eindeutig  und  regulär  verhalte, 
welches  besteht 

a)  aus  allen  Stellen 

b)  aus  allen  Stellen 

SO  verhält  sich  die  Portsetzung  desselben  auch  in  dem  vollen 
Gebiet  (J5„  -Bj,  . . .  JB,,  G^^i,  . . .  Gn)  eindeutig  und  regulär. 

Der  spezielle  Fall  dieses  Satzes,  welcher  der  Annahme 
^  =  1  (oder  auch  der  Annahme  r  =  /i  +  1)  entspricht,  ergibt 
sich  nämlich  ohne  weiteres  durch  mehrmalige  Anwendung  des 
vorhergehenden  Satzes  (A);  durch  wiederholte  Anwendung  des 
so  gewonnenen  speziellen  Satzes  ergibt  sich  sodann  der  Satz 
in  seiner  allgemeinen  Fassung. 

Durch  wiederholte  Anwendung  des  Satzes  (B)  kann  man  dann 
endlich  noch  folgende  weitergehende  Verallgemeinerung  gewinnen : 

(C.)  /"(äTj,  rCjj,  . . .  x^)  verhalte  sich  in  demjenigen  Gebiete 
eindeutig  und  regulär,  welches  besteht 

a^)  aus  allen  Stellen  (0|,  C,,  . . .  (7»«2»  C'h-ii  Bm), 
a^)  aus  allen  Stellen  (Cj,  (7,,  ...  (7„_2»  ^«-i»  a;2), 
aj)  aus  allen  Stellen  (Cj,  C,,  . . .  JS^-o»  ^2-i»  a;i), 

a„)  aus  allen  Stellen  (J^,,  x5,  . .  .  ^ü  -  o»  ^«-ii  ^«). 

Alsdann  verhält  sich  f(x^^  x^,  , . .  Xu)  auch  im  vollen  Gebiete 
(7?j,  jB,,  . . .  JB»)  eindeutig  und  regulär. 


Hartogs:  Folgerungen  aus  der  Caacbyschen  Integralformel.     239 

Was  den  Satz  von  Nr.  2  betriflPt,  so  können  auch  bei 
diesem  sowohl  an  Stelle  von  x,  als  auch  an  Stelle  von  y  be- 
liebig viele  Veränderliche  treten.  Der  Satz  erscheint  alsdann 
in  der  folgenden  Form,  welche  sich  unmittelbar  als  Folgerung 
aus  dem  Satze  (B.)  ergibt: 

Es  sei  Cg  (^  =  1,  2,  ...  /i)  die  Randkurve  irgend  eines 
Bereiches  B^  der  a:^-Ebene,  welcher  den  Nullpunkt  enthält.  Ist 
alsdann  der  Punkt  x^==x^  =  ,.,  =  Xn==0  eine  singulare  Stelle 
für  den  Zweig  f  (a?j,  x^^  ...  Xn)  einer  analytischen  Funktion, 
während  dieser  Zweig  sich  in  dem  ganzen  Gebiete  eindeutig 
und  regulär  verhält,  das  aus  den  Stellen  (Cj,  (7j, ...  C^*,  0,0, ...  0) 
besteht,  so  gibt  es  eine  Zahl  l>0  derart,  daß  zu  jedem  den 
Bedingungen  |  ar/^-f-i  |  </,...  |  a;J  <  Z  genügenden  Wertsystem 
•^a-fi,  x^+2»  .  . .  ^n  eine  singulare  Stelle  (a?*,  xj,  ...  xi)  jenes 
Zweiges  existiert,  für  w^elche  xt  dem  Bereiche  J5j,  . . .,  Xf^  dem 
Bereiche  Bf^  angehört. 

Der  Satz  von  Nr.  3  gilt  unverändert  für  einen  beliebigen 
Bereich  B  der  (a?j,  x^,  ,..  a:H)-Mannigfaltigkeit.  Der  Beweis  er- 
gibt sich  ohne  weiteres  aus  dem  dortigen,  indem  man  an  Stelle 
von  y  n —  1  Veränderliche  treten  läßt. 

Was  schließlich  die  Betrachtungen  von  Nr.  4  betrifft,  so 
kann  man  diesen  zunächst  den  folgenden  allgemeineren  Satz 
an  die  Seite  stellen: 

(D.)  Der  Funktionszweig  f{x,y^z,,..\  w,  v,  . .  .)  verhalte 
sich  eindeutif^  und  regulär  in  dem  ganzen  Gebiete,  welches 
besteht 

a)  aus  allen  Stellen  (C,  B\  B", . . .;  G^G\  . ,  .\ 

b)  aus  allen  Stellen  (JB,  w[^\x{^\  . . .;  Gt  ß^f  •  •)• 

Dabei  mögen  die  Bereiche  B\  B', . . .  und  die  Funktionen 
V'  (^)»  X  (^X  •  •  •  analogen  Beschränkungen  unterworfen  sein,  wie 
sie  in  Nr.  4  bezüglich  des  Bereiches  B'  und  der  Funktion  tp  {x) 
galten,  während  G,  G\ . . .  wieder  beliebige  abgeschlossene 
Mengen   von   Punkten   der  w  -,   v  -, .  . .  Ebene  bedeuten.    Als- 


240  Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  3.  März  1906. 

dann  verhält  sich  f{x^  y,  ^,  . . . ;  w,  e?, . .  .)   auch   im    vollen  Ge- 
biete (jB,  B\  B",  . .  .;  G,  G\  . .  .)  eindeutig  und  regulär. 

Der  Beweis  ergibt  sich  unmittelbar  aus  dem  in  Nr.  4  mit- 
geteilten, indem  man  an  Stelle  der  dortigen  Veränderlichen  y 
die  Veränderlichen  y^z^  . , ,  treten  läßt. 

Es  möge  nun  weiterhin  angenommen  werden,  daß  jede 
der  Größen  xp^  x^  -  -  -  überdies  noch  von  m,  r, . . .  abhängig  sei 
und  zwar  für  jedes  dem  Gebiete  G,  G\  . , .  angehörige  Wert- 
system M,  v,  . .  .  als  Funktion  von  x  betrachtet  die  bisher  ver- 
langten Eigenschaften  besitze,  ferner  aber  eine  im  Gebiete 
B,  G,  G\  ,  . .  stetige  Funktion  der  Veränderlichen  x,  m,  t\  .  .  , 
darstelle.  Auch  dann  bleibt  der  obige  Satz  (D)  noch  unver- 
ändert bestehen. 

Zum  Beweise  wähle  man  zunächst  eine  Größe  /?  >  0 
derart,  daß,  wenn  {x\  ij\js\  , , ,;  u',v\,,.)  eine  beliebige  der 
unter  a)  oder  b)^)  genannten  Stellen  bedeutet,  f(x,y,js,,.,; 
u,v, ...)  noch  in  jedem  Gebiete  \x  —  x'\<  ß, ..,;  \u — w'|</?, .. . 
eindeutig  und  regulär  sei.  Eine  zweite  Größe  a  >  0  kann  als- 
dann so  bestimmt  werden,  daß,  sobald  x  einen  Punkt  von 
B,  u,u'  zwei  der  Bedingung  \u  —  u'|<a  genügende  Punkte 
von  (t,  analog  v,v'  zwei  der  Bedingung  |  v  —  v'  <a  genügende 
Punkte  von  G\ . . .  bedeuten,  stets  die  Beziehungen  |  y}{x,u\v'. . .) 
—  tp{x,u,v,..,)\  <ß,  \x(XjU',v\,  , .)  —  x{^u,v,  . ,  .)\<  ß,,., 
stattfinden. 

Es  werde  nun  in  der  w-Ebene  eine  Einteilung  in  Qua- 
drate Q  von  der  Seitenlänge  |  a  vorgenommen  •  und  derjenige 
Teil  von  6r,  welcher  irgend  einem,  Qq,  dieser  Quadrate  (inkl. 
Begrenzung)  angehört,  mit  (r^,  irgend  ein  Punkt  von  Gq  mit  Uq 
bezeichnet.  Analog  verfahre  man  in  der  v-Ebene  u.  s.  f.  Dann 
ist  es  offenbar  gestattet,  in  den  Voraussetzungen  des  Satzes 
überall  G,  (?',...  durch  Gq,  Gq,  . . .  und  gleichzeitig  v' (^»  w»  *^»  •  •  Ot 
X  (x,  w,  v, ...),.. .  durch  tp  (x,  m^,  Vq,  .  . .),  x  (^»  w^,!?^, .  . .) zu 


*)  In  der  Zeile  b)  sind  yf  {x),  x  W» .  •  •  jetzt  durch  yf  {x,  v,  i%  . . .), 
X  {x,  t/,  <?,...),...  ersetzt  gedacht. 


L*u 


Hartogs:  Folgerungen  aus  der  Cauch jachen  Integralformel.     241 

ersetzen,  ohne  da£  dieselben  ihre  Gültigkeit  verlieren.  Nach 
dem  Satze  (D.)  ist  daher  f(x,y,JSfj...;u,v,., .)  in  dem  ganzen 
Gebiete  (J5,  B\  If^ . . .;  Öq»  G^Oi  •  •  •)  eindeutig  und  regulär  und 
somit,  da  die  Quadrate  Qo«  Q69  •  •  •  beliebig  gewählt  werden 
konnten,  auch  in  dem  ganzen  Gebiete  (J5,  B'^B', . . .;  ö,  G',.  ••)• 
Durch  wiederholte  Anwendung  dieses  Satzes  ergibt  sich 
dann  schließlich  jeder  der  beiden  folgenden: 

(D'.)  Es  sei  0  <  /i  <  n.  Der  Funktionszweig  /'(xi,  Z2,. . .,  Xn) 
verhalte  sich  eindeutig  und  regulär  in  dem  ganzen  Gebiete, 
welches  besteht 

a)  aus  allen  Stellen  (Ci,  C2, . . .  C,,,  J5^+i, . . .  Bn), 

b)  aus  allen  Stellen 

(J5i,  J52, . . .  jB^,  tpfi^i  (xi, . . .  a;^), . . .  v'n  (^1»  •  •  •  ^a*))- 

Dabei  sollen  die  Bereiche  -B|4-hi, . . .,  B„  die  erwähnte  spe- 
zielle Eigenschaft  besitzen,  die  Funktionen  xPq[x\^  .  . ,  Xf^ 
(?  =  A*  +  1»  •  •  •»  **)  aber  im  Gebiete  ^1,  ^2»  >  -  -<,  Bf^  eindeutig 
und  regulär  sein,  und  der  Punkt  Xg  =  tpg  (a?i,  . . .,  2:^),  so  lange 
das  Wertsystem  Xi, . . .,  a;^  dem  Gebiete  JSi, . ,  .,Bf^  angehört, 
im  Innern  des  Bereiches  Bq  gelegen  sein.  Alsdann  ist 
f{x\^  Xi, .  . .,  Xn)  auch  im  vollen  Gebiete  (JBi,  B2, . . .,  B^)  ein- 
deutig und  regulär. 

(D*.)  Der  Funktionszweig  f(x\,X2j».',Xn)  verhalte  sich 
eindeutig  und  regulär  in  dem  Gebiete,  welches  besteht 

ai)  aus  allen  Stellen  (Ci,  (72, . . .,  Ch_2,  C»_i,  jB»), 
a2)  aus  allen  Stellen  ((7i,  (72,  . . .,  (7^-2,  -Bh-i,  Wn\ 
as)  aus  allen  Stellen  ((7i,  C2, . . .,  -Bi»-2»  y^n-u  Wn)i 

a«)  aus  allen  Stellen  (JBi,  tp2y  -  -  -,  Wn-2,  Wn-u  Wn)» 

Dabei  sollen  die  Bereiche  JB2»  Bs,  . , ,,  Bn  die  erwähnte 
spezielle  Eigenschaft  besitzen,  die  Größen  y}ß=y}ß{x\,X'2,..,,Xg  -i) 
(o  =  2,  3,  . . .,  n)  Funktionen  von  X\,  X2, . . .,  a;^-!  darstellen, 
welche  im  Gebiete  Bi,  B2, . . .,  JB^-i  eindeutig  und  regulär  sind,*) 


*)  Doch  treten  bei  der  Aufstellung  der  in  irgend  einer  der  n  Zeilen 
1906.  Bitsongib.  d.  nwth.-phyi.  KL  16 


242 


Sitzung  der  math.-pbyg.  Klasie  vom  3.  Mär/.  1906. 


I 

* 


und  der  Punkt  a:^  =  v'i?(^ii  ^»  •  •  •»  ^e-i)»  so  lange  das  \ 
System  X],  X2n  . . .,  x^^i  dem  Gebiete  i?i,  U^  , .  ,^  Bo-\  s 
hört,  im  Innern  des  Bereiches  J5^,  gelegen  sein.  Alsdan 
f[x\^  X2, . . .,  Xn)  auch  im  vollen  Gebiete  (i^i,  //», .  .  .,  7>„) 
deutig  und  regulär. 

genannten  Gesamtheit  von  Stellen  als  Argumente  einer  clor  Funktior 
jedesmal  nur  diejenigen  Wertsysteme  -^-i, -i^o»  •• '»^o  -  i  tAtsächlicl 
welche  dem  in  der  nämlichen  Zeile aufgcführtoii  Oel»ietcder  (-i^i,  'Co»  •  •  •»  -^ 
Mannigfaltigkeit  angehören. 


I 


1*      ' 


1^ 


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^^if^W-im: 


243 


Sitzungsberichte 

der  ^ 

Königl.  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Klasse. 

Sitzung  vom  5.  Mai  1906. 

1.  Herr  Aueel  Voss  hält  einen  Vortrag:  ^Uber  Flächen, 
welche  durch  Systeme  geodätischer  Kreise  von  kon- 
stanten Radien  in  infinitesimale  Rhomben  zerlegt 
werden.* 

Er  sprach  über  diejenigen  Flächen,  welche  durch  zwei 
Scharen  von  Kurven  mit  bezüglich  konstanter  geodätischer 
Krümmung  in  infinitesimale  Rhomben  zerlegt  werden.  Je  nach- 
dem diese  beiden  Krümmungen  voneinander  verschieden,  oder 
untereinander  gleich  resp.  entgegengesetzt  gleich,  oder  endlich 
beide  gleich  Null  sind,  ergeben  sich  Flächengattungen,  die 
auch  bei  anderen  geometrischen  Untersuchungen  auftreten,  und 
deren  Eigenschaften  hier  unter  neuen  Gesichtspunkten  erscheinen. 

2.  Herr  Hermann  Ebebt  legt  eine  weitere  Arbeit  des  K.  Real- 
lehrers Dr.  Aäton  Endrös  in  Traunstein:  »Die  Seeschwan- 
kungen (Seiches)  des  Chiemsees*  vor. 

Die  Schwingungsbewegungen  dieses  Sees  sind  deshalb  von 
besonderem  Interesse,  weil  hier  erstmalig  ein  See  untersucht 
wurde,  der  keine  ausgesprochene  Längsrichtung  und  dazu  noch 

1906.  Siteangtb.  d.  iiifttb.-phys.  KL  17 


244  Sitzung  der  muth.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

viele  Buchten  und  eine  größere  Insel  besitzt.  Die  5jährigen 
Beobachtungen  mit  mehreren  selbst  registrierenden  Limnimetern 
an  19  verschiedenen  Punkten  des  Sees  haben  ergeben,  daß  die 
Schwingungen  des  Chiemsees  mit  denjenigen  einer  schwingen- 
den Platte  verglichen  werden  können,  während  diejenigen  der 
Langsseen  ähnlich  den  Schwingungen  einer  Saite  sind,  daß  also 
Schwingungen  der  Wassermasse  kreuz  und  quer  dort  anzu- 
treffen sind.  Da  aber  der  See  eine  ganz  unregelmäßige  Uniriß- 
form  hat,  also  als  eine  Platte  mit  vielen  Auszackungen  und 
sogar  Ausschnitten,  den  Inseln,  sich  darstellt,  so  geben  die  ein- 
gezeichneten Knotenlinien,  ähnlich  den  Chladnischen  Klang- 
figuren, ein  verwickeltes  Liniensystem.  Der  Chiemsee  hat  allein 
3  uninodale  Seiches  von  54  Minuten,  41  Minuten  und  36  Mi- 
nuten mittlerer  Dauer.  Außerdem  wurden  noch  14  weitere 
Schwingungen  geringerer  Periodendauer  beobachtet,  welche  als 
mehrknotige  Schwingungen  in  der  einen  oder  anderen  Richtung, 
teils  nur  südlich  teils  nur  nöidlich  der  Herreninsel  und  häufig 
in  beiden  Richtungen  schwingen.  Zugleich  konnte  der  Ein- 
fluß der  Tieferlegung  des  Seespiegels,  welche  in  die  Beob- 
achtungszeit fällt,  auch  wissenschaftlich  nutzbar  gemacht  werden, 
also  gleichsam  ein  Experiment  größten  Stiles  angestellt  werden. 
Die  Änderung  der  Schwingungsverhältnisse  sind  bedeutende, 
da  sich  die  schwingende  Platte  stark  verkleinert  und  neue 
Einschnitte  in  Gestalt  von  Landzungen  und  größere  Ausschnitte 
durch  Vergrößerung  der  Inseln  und  sogar  zwei  neue  durch 
zwei  weitere  Inseln  erhalten  hat,  so  daß  die  Dauer  der  Schwin- 
gungen sich  merklich  geändert  hat,  einzelne  Seiches  überhaupt 
nicht  mehr  auftreten,  dafür  neue  Schwingungen  anzutreffen 
sind.  Im  ganzen  haben  wohl  diese  zum  Teil  schwierigen 
Untersuchungen  am  Chiemsee  unsere  Kenntnisse  über  die  Seiches- 
bewegungen der  Seen  wesentlich  gefordert,  und  dürften  in  ihrer 
Verallgemeinerung  für  die  schwebenden  Probleme  an  anderen 
Seen  sowohl  als  auch  für  die  stehenden  Schwingungen  in  den 
Meeren,  wie  in  der  Arbeit  kurz  angedeutet  ist,  nutzbar  gemacht 
werden  können. 


pr-jr-: 


SitsuD^  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906.  245 

3.  Herr  Ferdinand  Lindemann  überreicht  eine  zweite  zu  den 
Abhandlungen  zur  Elastizitätstheorie  gehörige  Abhandlung  von 
Herrn  Professor  Artür  Kürn:  „Die  Eigenschwingungen 
eines  elastischen  Körpers  mit  ruhender  Oberfläche.* 

Nach  der  allgemeinen  Lösung  des  elastischen  Gleichge- 
wichtsproblems für  den  Fall,  daß  die  Verrückungen  an  der 
Oberfläche  gegeben  sind,  konnte  in  der  zweiten  Abhandlung 
zu  der  Frage  nach  den  Eigenschwingungen  übergegangen 
werden,  deren  ein  elastischer  Körper  bei  ruhender  Oberfläche 
fähig  ist.  Es  ergibt  sich  nur  die  Existenz  einer  unendlichen 
Zahl  solcher  Eigenschwingungen,  und  jeder  Eigenschwingung 
ist  ein  ganz  bestimmtes  Triplet  von  Funktionen  des  von  dem 
elastischen  Körper  eingenommenen  Raumes  und  eine  ganz  be- 
stimmte Zahl  zugeordnet,  aus  der  sich  sofort  die  Schwingungs- 
dauer der  betreffenden  Eigenschwingung  berechnen  läßt.  Die 
Untersuchungen  dieser  Abhandlungen  beweisen  die  Existenz 
dieser  Funktionentripel  und  den  für  die  Elastizitätstheorie 
wichtigen  Satz,  daß  jedes  beliebige  Triplet  von  Funktionen, 
die  in  dem  gegebenen  Räume  gewisse  Stetigkeitseigenschaften 
erfüllen,  nach  diesen  elastischen  Funktionentripeln  entwickelbar 
sind.  Mit  Hilfe  dieser  Entwickelungen  können  alle  Bewegungs- 
probleme der  Elastizitätstheorie  für  den  Fall,  daß  die  Ge- 
schwindigkeiten an  der  Oberfläche  des  elastischen  Körpers  ge- 
geben sind,  in  sehr  allgemeiner  Weise  gelöst  werden.  Die 
Theorie  stellt  eine  Analogie  der  sogenannten  harmonischen 
Funktionen  Poincar^s  dar,  die  Analogie,  wie  sie  gerade  in  der 
Elastizitätstheorie  gebraucht  wird. 

4.  Herr  Richard  Hertwig  legt  eine  für  die  Denkschriften 
bestimmte  Arbeit  des  Herrn  Dr.  W.  Kükenthal,  Professors  der 
Zoologie  in  Breslau:   über  „Japanische  Alcyonaceen*  vor. 

Dieselbe  behandelt  vornehmlich  das  reiche  Material,  welches 
Herr  Dr.  Doflein,  H.  Konservator  der  Staatssammlung,  auf 
seiner  Reise  nach  Japan  gesammelt  hat.  Zur  Ergänzung 
wurden    Materialien    herangezogen,    welche    teils    von    Herrn 

17* 


246  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Professor  Habeker  der  Staatssammlung  geschenkt  worden  waren 
teils  aus  den  Museen  von  Wien,  Berlin  und  Hamburg  stammten. 
Die  Untersuchungen  lieferten  eine  neue  Bestätigung  für  die 
Ansicht,  daß  die  japanische  Meeresfauna  einen  eigenartigen 
Charakter  besitzt.  Von  den  33  Arten,  welche  in  der  Arbeit 
beschrieben  werden,  sind  nicht  weniger  als  21  für  die  Wissen- 
schaft neu.  Manche  sonst  verbreitete  Familien  wie  die  Alcyo- 
niden  sind  in  Japan  kaum  vertreten,  andere  wie  die  Nidulinen 
und  die  Nephthyiden  haben  umgekehrt  gerade  hier  eine  be- 
sondere Entfaltung  erfahren.  Der  auffallend  große  Reichtum 
an  Arten  auf  einem  verhältnismäßig  eng  begrenzten  Gebiet 
erklärt  sich  aus  den  besonderen  Tiefen-  und  Strömungsver- 
hältnissen des  Meeres. 


Ä*«*?. 


247 


Über  diejenigen  Flächen,  welche  durch  zwei  Scharen 

von  Kurven  konstanter  geodätischer  Erümmung  in 

infinitesimale  Rhomben  zerlegt  werden« 

Von  A.  Voss. 

{Einffdaufm  21.  Mai.) 

Über  Eigenschaften  von  Kurvenscharen  konstanter 
geodätischer  Krümmung  auf  krummen  Flächen  habe  ich 
bereits  vor  längerer  Zeit  den  folgenden  Satz  ausgesprochen, 
der  die  Verallgemeinerung  eines  bekannten  Satzes  von  Liou- 
ville  bildet:^) 

,  Schneiden  sich  zwei  Kurvensysteme  von  den  konstanten 
geodätischen  Krümmungen  y^  und  )\  auf  einer  Fläche  überall 
unter  konstantem  Winkel,  so  ist  die  Fläche  von  negativer  kon- 
stanter Krümmung."  Nur  in  dem  ganz  speziellen  Falle,  wo 
die  Krümmungen  j'j,  y^  gleichzeitig  Null  sind,  also  die  beiden 
Kurvenscharen  in  geodätische  Linien  übergehen,  wird  die 
Krümmung  gleich  Null,  oder  die  Fläche  developpabel. 

In  der  folgenden  Note  untersuche  ich  nun  die  Form  des 
Längenelementes  derjenigen  Flächen,  welche  durch  ein 
Kurvensystem  von  den  konstanten  geodätischen  Krüm- 
mungen j'j,  y^  in  infinitesimale  Rhomben  geteilt  werden 
—   Flächen   mit   infinitesimaler   rhombischer   Teilung*)   durch 

*)  Vgl.  Über  die  Fundamentalgleichungen  der  Flächentheorie,  diese 
Sitzungflber.  Bd.  XXII,  p.  268,  1892;  desgleichen  die  Inauguraldissertation 
?on  F.  Probst,  Über  Flächen  mit  isogonalen  Systemen  von  geodätischen 
Kreisen.     Würzburg  1893. 

^  Statt  dessen  soll  auch  einfach  rhombische  Teilung  gesagt  werden. 


248  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

geodätische  Kreise  von  konstanten  Radien,  wie  man  auch  sagen 
könnte.  ^) 


0  Es  seien   hier  noch   folgende   Bemerkungen   über   infinitesimale 
Teilung  in  Rhomben  angeführt.     Aus  jedem  rhombischen  System 

d8^  =  e{du^  +  dv^)  +  2fdudv 

erhält  man  ein  Orthogonalsjstem 


m-'+(^-)-' 


wenn  man 

setzt,   vermöge  der   Diagonalkurven  der  Rhomben,     umgekehrt  erhält 
man  auch  aus  jedem  Orthogonalsjstem 

^idu\+(j,dv* 

durch  die  Substitution 

m'  =  u  + 1?,  t?'  =  M  —  V 

das  rhombische  System 

(«x-fPx)  {du*  +  dv*)  +  2dudv{e,-g,). 

Die  Auffindung  aller  Kurv ensyateme,  welche  eine  Fläche 
in  infinitesimale  Rhomben  zerlegen,  ist  daher  identisch  mit 
der  Ermittelung  aller  Orthogonalaysteme. 

Es  gehört  ferner  zu  jeder  Kurvenschar  eine  unendliche  Anzahl 
anderer  Scharen,  welche  mit  der  ersten  eine  rhombische  Teilung  be- 
wirken. 

Ist  nämlich 

ds"  =  edu*  +  2fdudv  +  gdv* 

das  Längenelement,  und  geht  dasselbe  durch  die  Substitutionen 


m 

über,  so  ist 


dH^^e,{dul+dv\)-^2du,dv,f, 


Hieraus   folgt   durch   Elimination   von  f^    und  «,   die   partielle 
Differentialgleichung 

d.  h.  man  hat  unter  Anwendung  des  Symboles  ä  für  den  ersten  Dime- 
ren tialparameter 


A.  VoB:  Ober  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     249 

Man  überzeugt  sich  leicht,  daiä  nicht  auf  jeder  Fläche 
derartige  Systeme  möglich  sind,  sondern  daß  nur  Flächen  eines 
charakteristischen  Längenelementes  solche  Systeme  zulassen, 
und  auf  die  Bestimmung  dieses  letzteren  kann  es  hier  allein 
ankommen,  da  die  geforderte  Eigenschaft  allen  zueinander  iso- 
metrisch zugeordneten  Flächen  gleichmäßig  zukommt. 


§1- 

Flächen  mit  iofinitesimal  rhombischer  Teilung  durch  Kurven, 
deren  konstante  geodätische  Krümmungen  weder  gleich  nocl^ 

entgegengesetzt  gleich  sind. 

Bezeichnet  man  das  Quadrat  des  Längenelementes  auf  der 
Fläche  mit 


1) 


d$^  =  edu^  -f"  2fdu  dv  -{-  g  dv^^ 


so  sind  bekanntlich  die  geodätischen  Krümmungen  der  Koordi- 
natenlinien u  =  const,  V  =  const  oder  gu  und  g„  gegeben 
durch') 


2) 


du  dV^/g  ^^ 

dVj  _3  _f__        ./. 


So  sind  z.  B.  alle  rhombischen  Teilungen  der  E})ene,  bei  denen  die 
eine  Schar  aus  Parallelen  resp.  aus  einem  Strahlbüschel  besteht,  abhängig 
von  den  Gleichungen 

resp.  ^\wlx-\-Wl  =  1, 

welche  letztere  durch  die  Substitution  l  v^^=  v  auf  die  obere  zurückge- 
führt wird.  Analog  kann  man  die  Teilungen  einer  Rotationsfläche,  bei 
denen  entweder  die  Parallelkreise  oder  die  Meridiane  als  Kurven  u  =  const 
gewälilt  werden,  auf  die  Gleichung 

wi  H-  vi  =  ^'m 
zurückführen. 

M  Vgl.  z.  B.  J.  Knoblauch,  Einleitung  in  die  Theorie  der  krummen 
Flächen,  Leipzig  1888,  p.  248. 


250  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

WO  A  =  eg  —  P 

gesetzt  ist. 

Soll  nun  wegen  der  rhombischen  Teilung  e  =  g  =  e^  und 
//«  =  —  Cj,  ^»  =  —  c  sein,  setzt  man  femer 

so  daß  —  der  Kosinus  des  Koordinatenwinkels  a>  ist,    so 
s 

hat  man  aus  2) 

^  — öf  =^i«V€'  — <^* 

X :r^=  c  eK«  — 9^  • 

Wird  ferner  die  Substitution 

eingeführt,  was  unter  der  Voraussetzung,  daß  die  geodätischen 
Krümmungen  der  Koordinatenlinien  weder  gleich,  noch  eut- 
gegengesetzt  gleich  sind,*)  oder 

A  =  c*  —  6"?  4=  0 

ist,  zulilssig  ist,  so  hat  man 

A  w  =  c  w,  —  c,  v, 

Aus  den  Gleichungen 

d__      d_         A.    A—     J_a-      ^ 

a_^  d         iL—     1_      .i 

9 M,  du        *  9 v  9 t;j         '9m         t;, 

folgt  nun  nach  2*) 

*)  In  Wirklichkeit  kommt  es  auf  das  Verhältnis  der  Krümmungen  c 
und  C|  an,  da  man  durch  Ähnlichkeit^transformation  von  jeder  Fläche 
zu  einer  anderen  übergehen  kann,  welcher  dasselbe  Verhältnis  c :  q  und 
derselbe  Koordinaten vrinkel  a>  zukommt. 


A.  Voß:  Über  FläcbenzerleguDg  in  infinitesimale  Rhomben.     ^51 


de  ^ 

d 
d 

^1 

dtp 

cp 

— = 

d 

< 

oder 

4) 


wo  ^p  eine  willkürliclie  Funktion  der  Argumente  w, ,  i;,  be- 
zeichnet. Führt  man,  in  dem  man  statt  der  Diiferential- 
quotienten 

dF     a*  F     dF 


der  Kürze  halber 


■*■  u%    ■*■  uu%    ■*-  % 


schreibt,  die  Werte  in  4)  in  die  Gleichungen  2*)  ein,  so  ergibt 
sich  zur  Bestimmung  von  v  die  partielle  Differentialgleichung 
zweiter  Ordnung 

A)  V'., »,  —  W^x «,  =  V'.,  V  V'J,  —  H% 

welche  von  c  und  c,  gänzlich  unabhängig  ist. 

Und  umgekehrt  gehört  zu  jeder  Lösung  der  Glei- 
chung A  vermöge  der  Substitution  3)  und  der  Glei- 
chungen 4)  das  Längenelement  einer  Fläche,  welche 
durch  die  Kurven  w  =  const,  t;  =  const  mit  den  konstanten 
geodätischen  Krümraungen  — 6*j,  — c  in  infinitesimale 
Rhomben  zerlegt  wird,  falls  nur  die  Voraussetzung 

c^  —  c?  +  0 

eingehalten  wird. 

Das  Quadrat  des  Längenelementes  der  Fläche  1)  wird  in 
Bezug  auf  die  Variabein  m,,  ?;, 

5)  {f  -  c?)» 

r(d«?  +  d  r?)  (c»  +  e  X  y>)  +  2  rf  «,  d  i\  (e  73  +  f »  x)\ 

wo  zur  Abkürzung 


252  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

_  2  C  Ct 

gesetzt  ist,    und   der  Kosinus   des  Koordinaten  winkeis  ct>*   der 
Kurven  m^  v^  steht  mit  co  in  der  Beziehung 

.  cos  CO  +  X 

cos  (O^  = 


1  -{-  X  cos  CO  ' 


Die  Kurven  M,  =  const, «;,  =const  bilden  daher  wieder 
eine  rhombische  Teilung  der  Fläche. 

Wählt  man  insbesondere  >«  =  0,  d.  h.  etwa  c,  =  0,  c=  —  1 
so  wird 

ds^  =  {du\  +  di?^  \p\i  +  2  dux  dv^  \pn\  w^ 
^dxp^-^  du\{%p\^  —  xpl^). 

Die  Fläche  hat  daher  jetzt  die  Kurven  «,  =  const  zu 
geodätischen  Linien,  während  die  Linien  v^  =  const  von  der 
geodätischen  Krümmung  +  1  sind,  woraus  man  durch  Ahnlich- 
keitstransformation  diejenigen  Flächen  erhält,  bei  denen  das 
eine  System  aus  geodätischen  Kurven,  das  andere  aus  Kurven 
von  konstanter  geodätischer  Ej-Ommung  besteht. 

Es  ist  übrigens  leicht  zu  zeigen,  daß  nicht  auf  jeder 
beliebigen  Fläche  solche  Kurvensysteme,  wie  die  hier 
betrachteten,  existieren.  Aus  der  Bonnetschen  Formel*) 
für  die  geodätische  Krümmung  g^  der  Kurven  q)  =  const 

^"•^        attj     "  s  "  i'^dv  \       s       )' 

S  =  Vgwl  —  2  />-  9^«  +  c  q)% 

folgt  nämlich,   unter   der  Voraussetzung,    daß   die  Fläche    auf 
ihre  Minimalkurven  e  =  flr  =  0  bezogen  sei 


^)  X  darf  dabei  den  Wert  i  1  nicht  annehmen. 
2)  Vgl.  z.  B.  Knoblauch,  a.  a.  0.,  p.  247. 


mrimsmm^^' 


A.  Voß:  Ober  Flächen  Zerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     253 


oder,  wenn  man  —  mit  £^*,  f  mit  1  :  A*  bezeichnet: 

(Pu 

Soll  nun  auf  einer  zweiten  Kurve  tp  =  const  die  geodätische 
Krümmung   wieder   einen  vorgeschriebenen  Wert  g^,  haben,  so 

wird  far  ^  =  C* 


6»>) 


ai 

^      ^^  du         ^  du^      dv  C    dV 


Damit  endlich  eine  rhombische  infinitesimale  Teilung  durch 
die  Kurven  (p  =  const,  tp  =  const  hervorgebracht  werde,  muß 


Wh  Wt  =  (Pn  (Pv 

sein.     Setzt  man  nämlich 

(pu  d  u  -{•  q^^^  d  V  =^  d  q) 
\pu  d  u  -^  %Pe  d  V  =  d  ip, 

so  wird,    wenn  man    mit  q   die  Funktionaldeterminante  von  q? 
und  ^f  bezeichnet, 

Q  d  u  =  yff  d  (p  —  rp^dxp 

Q  dv  =  (pu  dip  —  \pud(p 

oder 

2  f 
—  ds^=—^  Idcp^y^^^fu  +  dy)^  (ptq^n  —  d  q?  dxp  (y. <^„  +  9^* V«)]- 

Setzt  man  demgemäß 

ip^=  ßlCj    (Pn  =  /*  -3^1 

wo  /<  eine  neue  unbekannte  Funktion  ist,  so  ergibt  sich  durch 
die  Integrabilitätsbedingungen  in  Bezug   auf  (p  und  v^,   sowie 


254  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

in  Bezug  auf  ^,  eine  partielle  Differentialgleichung  zweiter 
Ordnung  für  z  und  C,  so  daß  man  mit  6*),  6^)  im  ganzen 
drei  partielle  Differentialgleichungen  tlir  z  und  C  hat,  welche 
nur  für  gewisse  Formen  von  A  oder  f  miteinander  verträglich 
sein  werden,  wie  dies  übrigens  auch  schon  aus  der  oben  an- 
gegebenen Form  des  Längenelementes   ersichtlich  sein  dürfte. 

§2. 
Beispiele  zu  §  1. 

Die  partielle  Differentialgleichung  A  des  §  1,  welche  durch 
die  Substitutionen 

«*«  =  ^1  +  <^i 

auch  auf  die  Form 

•  

oder  in  gewöhnlicher  Schreibweise  in  die  Gestalt 

gebracht  werden  kann,  scheint  einer  allgemeinen  Behandlung 
in  dem  hier  erforderlichen  Sinne  nicht  zugänglich.  Ich  be- 
schränke mich  daher  auf  die  Betrachtung  einfacher  partiku- 
lärer Lösungen  derselben. 

1.  Setzt  man 

1^  =  w,  A  -|-  V 

wo  V  eine  Funktion  von  Vj  allein  ist,  und  die  Konstante  A, 
wie  im  folgenden  geschehen  soll,  auch  gleich  1  gesetzt  werden 
kann,  so  folgt  aus  A  §  1, 

r''=V  1/F»~  1 
oder 


1  V'  ^ 

arc  cos  -^  =  r,,    r    = 


COSVj 


mithin  wird 


A.  Voß:  Über  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     255 


1 


e  =  i/>pi  = 


cosv. 


(p=  Wui=l 

und  der  Kosinus  des  Koordinaten  winkeis  ist 


cos  CO  =  cos  Vj. 


Das  Quadrat  des  Längenelementes  wird  daher  nach  §  1,  5 


{du\  +  dvi)  f-V-  +  -^^)  +2  du,  dvi  (-^  + 

\cos*t;j       cosVj/  *        \cos't;j        cos 


Ml 


oder 


aS^  =  ^T. HTT ; — X 


(c*  —  ci[)*co8*r, 
{(d  u\  -\-  d  Vi)  (1  +  X  cos  t»,)  +  2  d  M,  d  v^  {x  -\-  cos  r,)}. 

Bestimmt  man  nun  nach  der  Weingartenschen  Formel') 

3     1    fde       df 


dvYÄ 


\dv     du)\ 


A  =  e^  —  f'' 
das  Krümmungsmaß  K,  so  ergibt  sich 

1         (^  +  ci 


K=  — 


(1  —  *»)  '  (c>  —  <^» 


=  -  (c»  +  cj). 


Die  Fläche  ist  daher  von  konstanter  negativer 
Krümmung,  der  Koordinatenwinkel  aber  nicht  von 
den  Variabein  unabhängig. 

2.  Setzt  man  dagegen: 


so  ist 


oder: 


arc  cos  U'  =  w,, 


^)  Vgl.  z.  B.  Knoblauch,  a.  a.  0.,  p.  177. 


256  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

d.h. 

c  =  1,  9?  =  cos  w. 

Daher  wird 
d 5»  ==  i^Y^%  l(dui  +  dti){l  +  X cosw,)  +  2 du,  dv,(cosu,  + ;.)! 

i^C         C^) 

und  das  Krümmungsmaü  wird  jetzt  gleich  Null. 

3.  Man    kann  ferner  y^  als  Funktion  von  a  u,  -{-  ß  v,  =  ;s: 
annehmen.     Setzt  man  v'  ==  ^(/)^  so  ist^) 


(j)2  _  a»)  jp-  =  F'^  ß  \/ß^  —  a* 
oder 

/?  (a  M,  + /J  r.)  • 
Da  hier 

'  -  (a  u, -\- ß  v,y  'f~ß(au,+ßv,y 

SO  wird  —  konstant;  d.  h.  die  Fläche  ist  konstanter  nega 
tiver  Krümmung. 

4.  Setzt  man  endlich 


-K?)= 


SO  wird  die  Differentialgleichung  A 

wobei  die  Indizes  von  F  die  Differentiationen  nach  ^  angeben. 
Für  F  =  Vf  erhält  man 

af  2£rf  £r 


dz      -3?*— 1      1/^»— 1 ' 


*)  Der  Wert  a  =  i:  ß  ist  hier  nicht  zulSssi^.  Allerdings  ist  dann 
die  Funktion  F  willkürlich,  aber  cos  w  wird  gleich  +  1,  was  keinen 
Sinn  hat. 


9mm 


oder 


A.  Vofi:  Über  Flächenzerleguog  in  infinitesimale  Rhomben.     ^57 

C  =  —i/J'^ri  +  k(2^- 1) 


F  = 


vi 


— «- 1 


k  {ul  —  vi)  — Vi  ^ü\  —  i\ 


wo  Ä*  eine  willkürliche  Konstante.    Demgemäß  wird 


w. 


A;  (w'f — Vi)  —  Vi  V^«? — 


i\ 


9^=  +  -: 


V, 


Ä  (?i'i  —  rO  —  Vi  1/tf?  —  ^, 


und  zugleich  wird 

V.              uc,  +  VC 
cos  fi>  = ^  =  — 


u. 


j  uc  -\r  vc^ 

Die  Flächen  dieser  Klasse  zeichnen  sich  durch  eine  besondere 
Eigenschaft  aus,    welche  im  nächsten  §  3  nachgewiesen  wird. 


§  3. 
Die  Differentialgleichang  fdr  den  Koordinatenwinkel  (o. 

Durch  die  vorige  Betrachtung  ist  die  Bestimmung  des 
Längenelementes  auf  die  partielle  Differentialgleichung  A  des 
§  1  zurückgeführt.  Man  kann  statt  derselben  auch  eine  analoge 
Gleichung  liir  den  Winkel  to  der  Kurven  «,  v  ermitteln.  Hierzu 
würde  nur  eine  Transformation  der  genannten  Gleichung  er- 
forderlich sein,  doch  erscheint  es  angemessener,  die  ursprüng- 
lichen Variabein  w,  v  jetzt  beizubehalten.    Setzt  man 

(p  ■=,  E  cos  iO 

6  =  V>;» 


so  geh(?n  die  Gleichungen  2*)  des  §  1  über  in 


1) 


-}-  cotg  iO  ft>„ 


—  Vn  =  —V  \- 

l  sm  CO 


+ 


C,  4"  C  cos  CO 


sm  CO 


CO  (Op 


Cj  cos  CÜ  +  (? 
sm  CD 


258  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

und  man  hat  nur  die  Integrabilitätsbediugungen  für  die  Funk- 
tion Tj  zu  bilden.    Ist  nun  allgemein 

so  folgt  aus  den  Integrabilitätsbedingungeh  für  f 

2)  f  IX  -  Äu]  +  {JBn  +  B'A)^  {B[  +  BA)  =  0. 
Ist  also  nicht  gleichzeitig 

3)  ^;  -  ^„  =  0 

Bu  +  B'A  =  B',^  BA\ 

so  ist  I  völlig  bestimmt.  Unter  diesen  Umständen  ge- 
hört alöo  auch  zu  dem  Werte  o)  in  den  Gleichungen  1) 
eine  völlig  bestimmte  Form  des  Längenelementes,  d.  h. 
eine  ganz  bestimmte  Klasse  zueinander  isometrischer  Flächen. 
Sind  dagegen  die  beiden  Gleichungen  3)  erfüllt,  so  wird  f  im 
allgemeinen  noch  eine  für  das  Längenelement  wesentliche  Kon- 
stante enthalten;  d.  h.  es  existieren  dann  oo^  Flächen  mit 
rhombischer  Teilung  durch  Kurven  konstanter  geo- 
dätischer Krümmung,  ohne  daß  sich  dabei  der  von 
diesen  eingeschlossene  Winkel  cd  ändert.^) 

Man  hat  nun: 

A    =  — h  Ö)„  COtff  CO 

sm  ö> 

A    =  — h  (Ü9  COtff  CO 

sm  CO 

j.    ^1  +  C  cos  CO 

sin  CO 


C?  +  C,  cos  CO 


B' 

sm  CO 


also 


M   Dabei   ist   selbstverständlich    nicht   aus^^eschlossen ,    daß    diese 
Flächen  selbst  zueinander  isometrisch  sein  können. 


A 


A.  Vofi:  Über  Flächenzerlegung  in  iofinitesimale  Rhomben.     259 


4) 


J±u   —  -Af 


3  M  \  sin  cü  /        3 1;  \  sin  a>  / 


B„—B'A  = 


cos  f 0  ,       .  - 

CD»  -r-5 —  (C,  H"  C  COS  Ö>) 
Sin^CD       * 


•D'  -DA'  COS  Ö)    . 

JD^  ^  JdA    =  cd«  -r-5 —  (C,  COS  CD  +  c). 

sin*cD     ' 

Der  zuletzt  genannte  Fall  kann,  abgesehen  von  der 
Möglichkeit  (o  =  const,  wo  die  Fläche  wegen  der  konstanten 
Krümmung  oo'  Transformationen  in  sich  zuläßt,^)  nur  statt- 
finden, wenn 


5) 


(Ot  [c,  +  c  cos  cd]  =  CD,,  [Cj  cos  (O  -\'  c] 


und  die  ei-ste  der  Gleichungen  4)  erfüllt  ist.    Aus  dieser  letz- 
teren folgt  aber  unmittelbar 


^(logtgf)  =  ^(logtgf) 


oder 


CD 


tg--  =  2i'.<p, 


WO  Fj  resp.  (P  Funktionen  der  Argumente  w  +  v,  resp.  u 
allein  sind.    Setzt  man  nun 


—  V 


l-tg»2- 


cos  CD  = 


i  +  tg' 


CD 


SO  ergibt  sich  aus  5)  die  Funktionalgleichung  für  F  und  0 

6)  0  =  (c  —  (?,) F'  F^^  +  {c  +  (?j)  0'  F 

oder  ^' 


0» 


wo  h  eine  wiUkürliche  Konstante  bedeutet. 


»)  Hierüber  vgl.  §  8,  9,  10. 

190«.  8iinng»b.  d.  maib.-phys.  KL 


18 


260  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

Demnach  witvd,  falls  (c*  —  c?)  +  0 

A  (m  +  v) 


F»  = 


Cj  —  c 


1  _       hiu-v) 

wo  die  Integrationskonstaiiten  als  ganz  unwesentlich  von  vorn- 
herein gleich  Null  gewählt  sind.     Mithin  ergibt  sich 


und  hieraus  folgt 


UC.  -{-  VC 

cos  ö>  = —^ : 


d.  b.  gerade  der  Wert,  der  sich  bei  dem  früheren  Ansätze  in 
§  2  ergeben  hatte.  In  der  Tat  ergibt  sich  nun  nach  ent- 
sprechender Rechnung  auch  genau  die  dort  angegebene  Form 
des  Längenelementes,  welche  noch  eine  willkürliche  wesent- 
liche Konstante  k  enthält. 

Es  wird  nämlich 

V^^v^  Vc"  -  c} 

sin  0>  s= ; *- 

dv    ^\uc  -^  vcj 
V«*  —  V* 

'i  ..1  {   iij,.i  i  ■.  ... 


A.  Voß:  Über  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     261 
Setzt  man  noch 


u*  —  v^ 


so  werden  die  Differentialgleichungen  1) 


so  da& 


KW*  —  v* 

KM*  —  v* 


^9; 


oder 


^=^  +  I  /\       ^xa/-  (tidv  —  t;dM)=«0 


»y        h{u^  —  v^)  —  {cu-\-  (?,  v)  I^M*  —  v* 


wird,  wo  k  die  Integrationskonstante. 
Demgemäg  wird 

i/~z — :j  mc  +  vc, 

E  yc*  —  c?  = ^ 

Ä  (m*  —  v*)  —  (c  M  4-  (?j  v)  Kw*  —  V* 

und  wenn  man  den  Nenner  mit  w  bezeichnet,  so  daß 

u;  =  A;  (u*  —  V*)  —  (cu-Y  (?j  v)  Vu^  —  V* 
ist,  wird  das  Längenelement 

Die  Koeffizienten  desselben  sind  in  u,  t;  homogene  Funk- 
tionen vom  Grade  —  2.  Nach  einem  bekannten  Satze  von 
Bour^)  ist  aber  dasselbe  einer  zu  einer  Rotationsfläche 
isometrischen  Fläche  angehörig. 

1)  Vgl.  s.  B.  Maarice  L^yy,  Sor  le  d^veloppement  des  surfaces  dont 
relement  lineaire  est  exprimable  par  ane  fonction  homogene.  Compt. 
Rend.  87,  p.  788. 

18* 


262  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Das  Krümmungsmaß  K  kann  am  einfachsten  vermöge  der 
folgenden  Formel  berechnet  werden,  welche  nur  noch  DifPe- 
rentialquotienten  von  <o  enthält: 

sm*  0)  K==  — (c^  4-  2cc,  cos  o)  +  c^ 

e 

a>,  (c,  -|-  c  cos  a>)  +  cü^  (c  +  ^i  cos  cd) 

hat  aber  bei  beliebigem  c,  c^  keinen  einfachen  Wert.  Ist  in- 
dessen c,  (oder  auch  c)  gleich  Null,  so  ergibt  sich  eine 
Fläche  negativer  konstanter  Krümmung.  Man  sieht 
dies  am  leichtesten  aus  der  oben  gegebenen  Form  von  ds^, 
welche  in  dem  genannten  Falle  die  Gestalt 

,  ^ (du*  +  d t;*) w*  —  2vududv 

^  ""  (kiu^^ -- v^) - c vVuy^^y 

annimmt.     Setzt  man  m»  —  v*  =  t«?,  v  ==  v,  so  erhält  man 

(t  Wj  —  C  Vj)* 

und  dies  ist  dasLängenelement  einer  Fläche  von  dem  Krümmungs- 
maße 

-  (**  +  C^)' 

Man  hat  also  den  folgenden  Satz: 

Die  einzigen  Flächen,  bei  denen  Systeme  von 
Kurven  geodätischer,  durchweg  konstanter  Krüm- 
mung c,  (?|(c* —  ^4=0)  existieren,  und  bei  denen  zu  ein 
und  demselben  Koordinatenwinkel  CO  noch  oo^  Längen- 
elemente gehören,  sind  diejenigen,  bei  denen 

uc,  -}-  VC 

cos  O)  s=  —  —  . 

uc  +  vc^ 

ist.     Sie   sind   zu   Rotationsflächen   isometrisch.^)     In 


^)  Ich  unterlasse  es,  den  T  jpas  dieser  Rotationsflächen  anzugeben, 
der  in  bekannter  Weise  erhalten  werden  kann,  aber  keine  einfiskche  Ge- 
stalt anzunehmen  scheint. 


«/iT!^ 


A.  Vo6:  Über  Flächenzerle^^^ung  in  infinitesimale  Rhomben.     263 

dem  besonderen,  Falle  wo  die  eine  Kurvenschar  aus 
geodätischen  Linien  gebildet  ist,  sind  die  betreffen- 
den Flächen  von  konstanter  negativer  Krümmung. 

In  der  Gleichung  6)  ist  indessen  der  Fall  c^  =  cl,  der  in 
den  sich  daran  schließenden  Betrachtungen  ausgeschlossen  werden 
mußte,  zulässig.     Setzt  man  z.  B.  c  =  -f  c^  so  folgt 

4>  =  const  =  1,  F=  f{u  +  v), 
wo  i^eine  willkürliche  Funktion  von  u  -^  v  ist.   Man  erhält  dann 


cos  (O  = 


Integriert  man  unter  dieser  Voraussetzung  die  Gleichungen  1), 
so  wird  auch  rj  oder  e  eine  Funktion  von  u  +  v  allein  und 
man  erhält  das  Längenelement  einer  willkürlichen 
Rotationsfläche 


I  cos*  "ö  (^  *♦ 


CO 


+  dvy  +  sin^^  (du  —  dvy 


o 


bei  welcher  die  Diagonalkurven  der  Rhomben,  u  —  v  =  const, 
selbst  geodätische  Linien  (die  Meridiane  der  Rotationsfläche) 
vorstellen.  Der  Fall  c^  —  cj  4^  0  wird  indes  im  nächsten  Para- 
graph allgemein  untersucht  werden. 


Über   diejenigen   Fl&chen,   welche  in  infinitesimale  Rhomben 
durch  Kurven   gleicher  oder   entgegengesetzt  gleicher  geod&- 

tischer  Erflmmong  geteilt  werden. 

Setzt  man  den  in  den  vorigen  Untersuchungen  im  allge- 
meinen ausgeschlossenen  Fall  c^=^  (^  voraus,  so  läßt  sich  die 
Bestimmung  des  Längenelementes,  anstatt  auf  eine  par- 
tielle Differentialgleichung,  auf  eine  kubische  Irra- 
tionalität und  zwei  einfache  Quadraturen  zurück- 
führen. 

Wird  (?  =  (?j  angenommen  —  für  den  Fall  c  =  —  Cj  gelten 


264  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

ganz  dieselben  Betrachtungen,   nur   daß   an  Stelle   von  u -y- v 
u  —  V  einzusetzen  ist  — ,  so  geben  die  Gleichungen  2*)  des  §  1 


€ti  —  9?f  =  «»  —  (f 


V 


oder 

9  (g  -f  y)  ^  ^  (g  +  y) 

du  dv' 

Demnach  ist 

€  -}-  q)  =  F{u  +  v), 

wo  F  eine  willkürliche  Funktion   des  Argumentes  w  +  t;   be- 
deutet.    Setzt  man  jetzt 

w  —  v  =  v , 
so  wird  die  erste  der  Gleichungen  2*)  §  1 


wegen 

q)^F—e 

und 

%   9   ~2-^ 
du       dV       ^  du 

in 


o  U 

Übergehen.     Setzt  man  endlich 

2e  —  F==w^, 
80  daß 

F  —  ui^ 

cos  CO  =  -=—. — 5 

wird,  so  erhält  man  als  Differentialgleichung  für  a> 

d.  h.  eine  Rice a tische  Differentialgleichung,  bei  der  die  Inte- 
grationskonstante eine  willkürliche  Funktion  von  u  —  t;  «  v'  ist. 


A.  Voß:  Ober  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     265 

Die  Gleichung  1)  läüt  sich  lösen,  wenn  man  die  Funktion  F 
in  geeigneter  Form  annimmt.     Setzt  man  nämUch 

tc  =  z  VF,^) 
so  entsteht 

2)  J'g*        _  c^  i±il 

att'   "~      2     ^    • 

Denkt  man  sich  nun  s^  durch  eine  partikuläre  von  v  freie 
Lösung  der  Gleichung  2)  hestiinmt,  so  kennt  man  ein  partiku- 
läres Integral  von  1)  und  findet  so 

3)  «^  =  ^7+  -^^-^, 

WO  Uj  C/j,  Z7,  Funktionen  von  u'  allein,  V  eine  willkürliche 
Funktion  von  v  ist.  Damit  dieser  Wert  von  w  der  Gleichung  1) 
genüge,  müssen  die  Gleichungen 

a)  r  =  (j/4(l?'+  U^)VF 

b)  U[  =  c\iVF2UU, 

c)  —m=c\4:U,VF 

bestehen.  Nun  liefert  die  Gleichung  a)  bei  willkürlich  ange- 
nommenem U  eine  und  nur  eine  reelle  Wurzel  für  yF^  aus  b) 
erhält  man  dann  U^  durch  Quadratur,  und  ebenso  aus  c)  die 
Funktion  C/,. 

Das  Längenelement  wird  nun  bezogen  auf  dieVariabelnUpZ;,, 

4)  ds^=— -±^[dw;F+df?u;»]. 

Wird  also  w  als  Funktion  von  u,  allein  angenommen,  so 
ist  die  betreffende  Fläche  zu  einer  Rotationsfläche 
isometrisch. 

Umgekehrt   kann  man   aber  auch  auf  jeder  Rota- 


1  !  ] 

M  Dabei  wird  cos  ca  =  r-r — ^  aber  für  if  =  tg  -,  C08  <o  =  cos  A. 
'  1  -|-  Ä*  °  2 


266  Sitzung  der  math.-ph78.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

tionsfläche  solche  Systeme  von  Kurven  konstanter 
geodätischer  Krümmung  bestimmen,  da  ds^  noch  eine 
willkürliche  Funktion  enthält. 

Setzt  man  nämlich  das  Längenelement  in  der  Form 

5)  ds^==dU*+  gdi/i 

voraus,  so  daß  v^  =  const  geodätische  Linien  der  Fläche  sind, 
wählt  man  femer 

WO  f  eine  noch  zu  bestimmende  Funktion  von  Mj,  g  aber  eine 
gegebene  Funktion  von  f  ist,  so  kann  man  immer,  und  zwar 
im  allgemeinen  auf  oo^  verschiedene  Arten,  bewirken,  daß  die 
rechten  Seiten  der  Gleichungen  4)  und  5)  identisch  werden. 
Man  hat  dazu  nur  zu  setzen: 

{w^  +  F)w^=4g. 

Daraus  folgt  durch  Addition  und  Multiplikation 

{w^  +  F)^=4(f^  +  g) 
(w''  +  F)^Fu^=  16  f*^. 

Demnach  wird 

(w^  +  F)wVF  =  ifVg 

w^  +  F  =^  2Vf^^Tg 

vr+9 

Die  Differentialgleichung  1),  welche  man  auch  in  der  Form 

schreiben  kann,  wird  daher 

d    ,1 =  cfVg. 


A.  Voß:  Über  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     267 


Sie  liefert 


9         _ 


oder 


v'n+ 9 


^=cSV9df-\-a 


df 


9^ 


lS 


—  9 


c'iSV9df+ay 

womit  f  als  Punktion  von  Mj  mit  der  willkürlichen  wesent- 
lichen Konstanten  a  bestimmt  ist.  Hiermit  ist  zugleich  die 
Aufgabe  gelöst,  auf  einer  gegebenen  Rotationsfläche  alle  die- 
jenigen Kurvensysteme  mit  der  geodätischen  Krümmung  c  zu 
finden,  die  eine  rhombische  Teilung  bewirken,  deren  Diagonal- 
kurven die  Meridiane  sind. 

Ich  erwähne  zwei  Beispiele  allgemeinerer  Natur. 

Wählt  man  in  Gleichung  1)  F  =  P,  so  wird 

(ü  =  *tg(M,e?  — +  F), 


setzt  man  zur  Abkürzung 


k^ 


so  wird  das  Längeuelement  ausgedrückt  durch 


ds^  = 


4  cos*  o 


(dul  +  tg^adt^. 


Bestimmt  man  aus  den  Koeffizienten 

^        **  ^*^tg»o 

4  cos*  a  '     "^        4  cos*  o 


mittelst  der  Gau  fischen  Formel 


2Veg  l^uV»^    *    d 


^1 

Vge 

das  Krümmungsmafi  K,  so  erhält  man 


'II 


Veg 


268  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Man  erhält  daher  wieder  eine  Fläche  konstanter  nega- 
tiver Krümmung  — c?*,  wenn  V  eine  lineare  Funktion  von 
v,  ist,  aber  der  Koordinatenwinkel  cw  ist  nicht  konstant,  son- 
dern eine  lineare  Funktion  von  u^  und  Vj.^)  Setzt  man 
andererseits 


so  ist 


w^  = 


ß 


eine  partikuläre  Lösung  von  1),  wenn 


gewählt  wird.     Nun  wird 


2  m, 


a*  — /?» 

man  erhält  daher  wieder  eine  Fläche  konstanter  negativer 
Krümmung  mit  konstantem  Koordinatenwinkel.  Die  allge- 
meine Lösung  der  DiflFerentialgleichung  1)  führt  in  diesem 
Falle  auf  nicht  besonders  einfache  Formen. 


§5. 

Über  diejenigen  Flächen,  welche  durch  zwei  Systeme   geodä- 
tischer Linien  in  infinitesimale  Rhomben  zerlegt  werden. 

Soll  endlich  eine  rhombische  infinitesimale  Teilung 
der  Fläche  durch  zwei  Systeme  geodätischer  Kurven 
entstehen,  so  ist  in  den  Formeln  2%  des  §  1  (?  =  Cj  =  0  zu 
setzen.    Man  erhält  dann 

€h  =  (P9 

')  Es  wird  allgemein  cot  a>  =  cos  2  o. 


A.  Yoß:  Über  Flächen  Zerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     269 

oder 
mithin 

Wn  —  Wwn  =  0 

oder 

tp  =^  F(u  +  v)  —  0  (m  —  v), 

wo  2^  und  0  willkürliche  Funktionen  ihrer  Argumente  sind. 
Demgemäß  wird 

<p  =  F'  —  0\ 

wo  die  Indizes  bei  F  und  0  Differentiationen  nach  den  Argu- 
menten u  +  v,  M  —  V  andeuten.  Das  Längenelement  wird  nun- 
mehr durch  die  Formel 

d5*  =  (-F'  +  0')  l{du  +  dvyr  +  {du-  dvf0"] 

ausgedrückt.    Setzt  man 

{du  +  dv)VF  =  du^ 
(du  —  d  v)Y0'  =  d  v, 

F'  +  0'=u,  +  r,, 

wo  f/,  und  F,  Funktionen  von  u,  =  t*  +  ^»  Vj  =  u  —  v  allein 
sind,  so  entsteht 

1)  d^  =  (dtA-\-di^(:U,+r,). 

Man  hat  daher  den  folgenden  Satz:  Jede  Fläche,  welche 
durch  zwei  Scharen  geodätischer  Linien  rhombisch 
geteilt  wird,  ist  eine  Fläche  mit  dem  Liouville'schen 
Längenelement,  d.  h.  eine  Liouville'sche  Fläche. 

umgekehrt  kann  man  nun  aber  auf  jeder  Liou- 
ville'schen  Fläche  oo^  Systeme  von  Kurvenscharen  der 
genannten  Art  angeben. 

Bekanntlich  sind  durch  die  Gleichungen 

— 7=~=  +  ->^:,  —  L^-^  =  const 

bei  willkürlicher  Eonstante  c  bei  geodätischen  Linien  der 
Fläche  gegeben.    Setzt  man  nun 


270  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  Ö.  Mai  1906. 


du,  dv.  , 
-A= '       =  dv,, 

yu,  +  c    vv,-c 


so  wird 


dv^       du^-]-  dv^ 

und  damit  geht  die  Form  ds^  (1)  in 

über,  aus  der  hervorgeht,  daß  alle  diese  Systeme  geodätischer 
Kurven  rhombische  Teilungen  hervorrufen. 

Zu  den  Liouville'schen  Flächen  gehören  insbesondere  die 
Flächen  zweiten  Grades;  zu  den  Systemen  geodätischer  Linien 
der  verlangten  Art  die  Erzeugenden  derselben.  Dies  lä&t  sich 
auch  leicht  direkt  nachweisen. 

Betrachtet  man  z.  B.  das  Hyperboloid 


a»  "^  b* 

':=! 

C^ 

und  setzt 

a  ~'"    b 

so  ist 

f  = 

M  +  V 

1  +  MV 

UV  —  \ 

V  = 

l+UV 

u  —  » 

C  = 

1     1     • 

A.  Yofi:  Über  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     271 
Es  wird  demgemäß  für  l  '\'  uv  =  s 

-   ■_!— ^^     t  _  1— ^^ 

^«  —      ^^     ,  f .  —       ^^ 

2v  2  m 

1?-  =  ^,  ^.  =  y» 

_  l  +  r        _  1  +j*» 

daher  sind  die  Koeffizienten  des  Längenelementes  gegeben  durch 

^  e  =  a»  +  c*  —  2  v^a»  —  c^  —  2  6*)  +  (a»  +  c^)  v* 
^^  ==  a»  +  c*  —  2  u^a»—  c*  —  2 6*)  -H  (a»  +  c») m*; 

und  in  der  Tat  wird  die  Teilung  eine  rhombische,  wenn  man 
an  Stelle  der  Yariabeln  u,  v  die  durch  die  Gleichungen 

,      du 

^'  ~  Va»  +  c»  —  2  u»  (a*  —  c*  —  2  6»)  +  (a*  +1^ 

,     dw 

^'~Va*  +  c*— 2t;M«*  — c*-26'»)  +  (a^  ^"^ 
einfährt. 

Nun  hat  bekanntlich  das  Hyperboloid')  die  Eigenschaft, 
dag  zu  dieser  Teilung  oo^  Flächen  derselben  Art  gehören,  bei 
denen   die  Koeffizienten  6,  g  dieselben   bleiben,    während    der 


*)  Die  nämliche  Eigenschaft  besteht  übrigens  noch  für  das  Para- 
boloid 

^  "■  6«  ""  T 
wo  durch  die  Institutionen 

2x  ,        2v  2e 

a  '     *    6  c 

die  Koeffizienten  e  und  g  gleich 

gt^-b^+c^o«    a'^  +  h^  +  c^u* 
4  '  4 

werden,  und  sich   nicht  ändern,  wenn  man  a^  durch  n'  —  A,  5'  durch 
6*  +  il  ersetzt. 


272  Sitzung  der  math.-phys.  Klaase  vom  5.  Mai  1906. 

Eosimus  des  Koordinatenwinkels  variiert;  sie  entstehen  durch 
die  mit  der  Transformation  in  die  Schar  der  konfokalen  Flächen 

a'»  =  a»  +  A 

äquivalente  Deformation,  welche  die  Längenabschnitte  zwischen 
den  sich  kreuzenden  Erzeugenden  ungeändert  läßt. 

Dieselbe  Eigenschaft  aber  kommt  allen  Liouville- 
schen  Flächen  überhaupt  in  viel  allgemeinerem  Sinne 
zu:  d.h.  zu  jeder  rhombischen  Teilung  einer  Liouville- 
schen  Fläche  durch  Systeme  geodätischer  Linien  ge- 
hören 00^  andere  Liouville'sche  Flächen,  welche  die- 
selben Längenabschnitte  der  auf  ihnen  verlaufenden 
beiden  Scharen  geodätischer  Linien,  aber  einen  ver- 
schiedenen Koordinatenwinkel  dieser  Scharen  be- 
sitzen. Wie  man  sieht,  liefert  dies  eine  , Deformation'  der 
Li ouville 'sehen  Flächen,  welche  der  ganz  speziellen  Defor- 
mation der  Flächen  zweiten  Grades  völlig  analog  ist,  und  zu- 
gleich die  bekannte  Deformation  der  letzteren  als  Spezialfall 
erscheinen  läßt. 

Man  erhält  nämlich  für  tj  =  log  e  aus  den  Gleichungen  2*) 
des  §  1,  wenn  man  cos  co  =z  setzt, 

-0— -er,  =  ü 

du  dv 

2) 

— ^  —  £^  x-^  —  -er^  =  0. 
dv  du 

Die  Integrabilitätsbedingungen  für  e  sind,  wenn  man  aus 
den  Gleichungen  2)  die  Werte  von  -er,  und  0^  wieder  einträgt: 

rjuu  —  t]^  {rj,  —  zri^  —  js riu^  =  rj^w—Vu  («?«  —  2  «;.)  —  -er  rju, 

oder 

Vun  +  vl  =  »?„  +  vi- 

Ist  aber  diese  von  ^  ganz  unabhängige  Gleichung  über- 
haupt erfiillt,  so  wird 


A.  Yofi:  Über  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     273 

9e  ,  9fi 


^c=  I  —  dft;+-— dM  + 
J  du  dv 


const 


aber  bei  ungeändert  bleibendem  e  •  cos  co  noch  von  einer  Kon- 
stanten abhängig. 

Der  Satz  kann  übrigens  auch  aus  der  Form  des  Längen- 
elementes auf  den  Liouvilleschen  Flächen  ganz  direkt  geschlossen 
werden.  Für  den  allgemeineren  Fall,  wo  die  Kurven  von 
konstanter  geodätischer  Krümmung  sind,  besteht  ein  analoger 
Satz  nicht,  da  die  Integrabilitätsbedingung  hier  die  Funktion  z 
selbst  enthält. 

§6. 

Beispiele  ftlr  die  Bestimmimg  von   Karvensystemen   der  be- 
sprochenen Art  anf  Fl&chen  konstanter  Krümmung. 

Als  eine  weitere  Aufgabe  bietet  sich  nun  die  Bestim- 
mung aller  Kurvensysteme  der  gewünschten  Art  dar, 
welche  auf  einer  gegebenen  Fläche  unter  gewissen 
Umständen  möglich  sind.  Ich  muß  mich  aber  hier  größten- 
teils auf  die  einfache  Angabe  einzelner  einfacher  Fälle  be- 
schränken, welche  die  Flächen  konstanter  Krümmung  betreffen. 
Schon  auf  den  Flächen  von  der  Krümmung  Null  scheint  es 
keineswegs  einfach  wegen  der  Komplikation  der  zu  lösenden 
Funktionalgleichungen,  alle  Systeme  der  geforderten  Art,  die 
nicht  auf  bloßen  Bewegungen  beruhen,  anzugeben.  0 

1.  Setzt  man 

-V  X  =  r  cos w  +  r,  cos  v 

y  =  r  sin  M  +  rj  sin  v, 

so  hat  man  bei  konstantem  u  den  Kreis 

(x  —  r  cos  w)*  +  (y  —  r  sin  m)*  =  r, 


M  Für  dieLionville 'sehen  Flächen  ist  dagegen  die  Aufgabe,  alle 
rhombischen  Teilungen  durch  geodätische  Linien  zu  finden, 
im  §  5  gelöst.  Ein  besonderes  Interesse  haben  dabei  wieder  diejenigen 
Flächen,  die  auf  mehrfache,  d.h.  oo  vielfache  Art  sich  als  Li ouvil lö- 
sche Flächen  ansehen  lassen. 


274:  Sitiung  der  iiiath.-phy8.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

luit  dem  Kadius  r^ ,  dessen  Mittelpunkt  den  Kreis  mit  dem 
Radius  r  durchläuft;  die  Gleichungen  bilden  überhaupt  ein 
doppeltes  System  von  Translationskurven.  Daß  nun 
die  Ebene  durch  dasselbe  in  Rhomben  zerlegt  wird,  ist  selbst- 
verständlich. Transformiert  man  dies  Kreissystem  durch  stereo- 
graphische Projektion  in  geeigneter  Weise  auf  eine  Kugel,  so 
erhält  man  auf  den  Flächen  positiver  konstanter  Krüm- 
mung eine  Doppelschar  von  Kreisen  mit  konstanter  geodäti- 
scher Krümmung,  welche  die  Fläche  in  Rhomben  zerlegen. 
Dabei  ist  natürlich  der  Fall  nicht  ausgeschlossen,  daß  r  und  r^ 
von  verschiedenen  Vorzeichen  angenonmuen  werden,  was  eine 
veränderte  Lage  der  Kreise  gegeneinander  zur  Folge  hat. 

2.  Das  System  der  Kreise  mit  konstantem  Radius  a, 
deren  Mittelpunkte  einen  Kreis  mit  dem  Radius  r 
durchlaufen: 


liefert 


(x  —  r  cos  u)*  +  (y  —  r  sin  u)*  =  a* 
(x  —  r  cos  v)*  +  (y  —  r  sin  v)*  =  a\ 

^*  +  y*  —  2  r  (a:  cos  w  +  y  sin  m)  =  a*  —  r* 
^*  +  y*  —  2  r  (j;  cos  t;  +  y  sin  v)  =  a*  —  r* 


oder 


X  (cos  u  —  cos  v)  +  y  (sin  u  —  sin  v)  =  0. 
Setzt  man  nun 


wobei 


X  =  X  [sin  u  —  sin  v]  =  2  A  sin  q  cosp 
y  =  X  (cos u  —  cosv)  =  2  Xsinq sinp, 


U  -{-  V 


i  = 


2 

U  —  V 


80  wird 


a;  cos  w  -|-  y  sin  tt  =  i  sin  («  —  v) 
:c^  +  y«  =  4A^sin**^^ 


A.  Yoß:  Über  Fl&chenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     275 


oder 


jj  __  1 1  (cos  q  4-  1/a*  —  r*  +  cos*  q) 

sin  q 

Demgemäß  wird 

X  ==  cos  jp  (cos  q  +  S) 
y  =  sin  jp  (cos  g  +  S), 


cos*g 


wenn  zur  Abkürzung 

gesetzt  wird. 

Eine  einfache  Rechnung  zeigt,  daß  in  der  Tat  die  Koeffi- 
zienten e  und  g  von  cfe*  einander  gleich  sind.  Wählt  man 
insbesondere  a  =  r,  so  erhält  man  die  Doppelschar  von 
Kreisen  mit  konstantem  Radius  durch  den  Koordi- 
natenanfang, d.  h.  einen  speziellen  Fall  von  Nr.  1. 
Auch  hier  kann  man  durch  stereographische  Projektion  zu 
Flächen  konstanter  positiver  Krümmung  übergehen. 

3.  Auch  die  Kreise  von  gleichem  Radius  r,  welche 
eine  gerade,  etwa  die  a;-Achse  berühren,  bilden  eine 
solche  Doppelschar.     Setzt  man  nämlich 


x  = 


M  +  t; 


1/ 


(v_u)*— r^ 


so  ist 


y«=  — 


v 


Xu  =  V»»    ^f  =  Va 
V  —  u 


V  —  u 


-uf  —  r" 


v 


—  uY  -r^ 


so  daß  wieder  e  =  g  wird. 

4.  Vermöge  des  Prinzips  der  reziproken  Radien  gewinnt 
man  aus  dem  Spezialfälle  unter  Nr.  3  in  der  Ebene  den  Fall, 
wo  die  Doppelschar  der  Geraden,  welche  ein  und  den- 

190«.  Sitsniigsb.  d.  malth.'phjB,  KL  19 


A.  Vofi:  Über  Flftchenzerlegung  in  infinitesimale  Ehomben.     277 

Hier  wird  das  Längenelement 

d^  =  du' (1  +  v^)  +  2uv du dv  +  u"  dv", 


so  da&  man  nur 


du 
u 


=  du, 


dv 


Yi  +  i^ 


=  dv 


zu  setzen  hat. 


6.  Endlich  sei  noch  ein  System  angeführt,  bei  dem  die 
eine  Kurvenschar  geodätisch,  die  andere  aus  Kreisen  von  kon- 
stantem Radius  besteht. 

Setzt  man 

(rc-u)«  +  y»  =  c^, 

d.  h.  betrachtet  man  die  Parallelen  zur  a;-Achse  und  die 
Kreise  mit  konstantem  Radius  c,  deren  Mittelpunkt 
auf  der  rr-Achse  liegt,  so  ist  das  Längenelement 

d^  =s  du^  —  2    ^  + 


|/?  — tr*      c^  —  t^ 


und  man  hat  nur 


£  dv 


y&—i? 


=  dVj,  dw  =  dw, 


zu  setzen,  um  die  rhombische  Teilung  herbeizuführen. 


§7. 

Bestimmung  aller  geod&tischen  Eurvensysteme  mit  rhombischer 
Teilung  auf  den  developpabeln  Fl&chen. 

Die  im  vorigen  §  6  gegebenen  Beispiele  erschöpfen  für 
die  Ebene  noch  nicht  einmal  die  Fälle,  in  denen  beide  Kurven- 
scharen aus  geraden  Linien  bestehen.  Aus  dem  Liouville- 
schen  Ausdrucke  für  das  Krümmungsmaß  folgt  für  c  =  c;^  =  0 

sofort 

19* 


278  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

COnw  =0 

oder 

1)  (o=U+r, 

wo   U  und   V  Funktionen  von  w,  v  allein  sind. 
Aus  den  Gleichungen 

dVe       d  /w-  X      ^ 

— r—  (y  e  COS  Ö>)  =  0 

du  dV 


dV  du 

folgt  für  c  =  [/e: 


_I —  (Vc  cos  o))  =  0 


fi„  sin  o)  +  (ü,  +  ^«  cos  o)  =  0 
fi»  sin  o)  4"  ö>tt  +  (ü,  cos  ö)  =  0; 


also  die  Integrabilitätsbedingung 


d 
d 


(ö>f  +  ö>«  COS  a)\ d  f(Ou  +  ö)f  cos  0)\ 
sino)        /       au\         sinö)         / 


oder  nach  1) 

sin  (D^H-  F)  (F"  —  P')  =  (F'»  -  U'*)  cos (fT  +  F), 
d.h. 

2)  ^{JT+V)^yn-:-^.. 

Diese    Funktionalgleichung    ist  nun   offenbar    erfüllt   fdr 
U'sssCj  V=  +  c;  desgleichen  für  t;  =  const, 

U"      coh{U+c) 
F*"sin(£r+c) 
oder 

U'  =  CiSin(ü'4-  c\ 
also 

dU 


A.  Voß:  Über  Fl&chenzerlegUDg  in  infinitesimale  Rhomben.     279 

Um  aber  alle  Systeme  der  verlangten  Art  zu  finden,  muß 
die  Funktionalgleichung  2)  gelöst  werden.  DifiFerentiiert  man 
nun  dieselbe  nach  u  und  v,  indem  man  zunächst  tg  iU-\'  V) 
durch  f{ü'\'V)  ersetzt,  so  folgt 

^,  ^  _     2iru''     r'  -_  w"  j^.n 


2  r  v" 


F»-  U 


'% 


oder  durch  EUmination  von  f 

Dividiert  man  diese  Gleichung  durch  U'  V*,  was  zulässig 
ist,  wenn  keine  der  Funktionen  U,  V  eine  Eonstante  ist, 
(welcher  Fall  soeben  betrachtet  wurde)  so  folgt 

3)  2(r^-  u"^)  =  (r»  -  u'^  (^ + O . 

DifiFerentiiert  man  jetzt  nach  v,  so  folgt 

4)  4rr'-2rr(^+-p)-(F''-t^'')(^)==o 

und  hieraus  durch  DifiTerentiation  nach  u 

-2rv"  (^-)  +  2  v  u"  (^)  =  0. 

Mithin  ist 

fü"'\'     1      _fV"\'      1      _ 

\ü'') mr ~ KV )  T~v" ~ "' 

wo  c  eine  willkürliche  Konstante.    Durch  Integration  erhält  man 


5) 


^-  =  c/2r^  +  |. 


280  Sitzung  der  maih.-phy8.  Klasse  Tom  5.  Mai  1906. 

Setzt  mau  den  so   bestimmten   Wert  von   -jn-  in  4)  ein, 

so  folgt 

F "  [4  r'"  —  2  c  F'»  -  (a  +  /?)  F']  =  0. 

Eine   erste  Lösung   dieser  Gleichung   ist   F"  =  0.     Dann 
ist  aber   F'  =  y,  und  der  Gleichung 

kann  offenbar  nur  genügt  werden,  wenn  V  ^^r  y  genommen 
wird,  wodurch  man  auf  den  oben  bereits  genannten  Spezialfall 
zurückgeführt  wird. 

Es  muß  daher 

6*)  F"'  =  c/2  F''  +  ^-^  r 

4 

und  ebenso 

6»>)  u'"  =  c\2  ü'^  +  ^-t^  ir 

sein.  Vergleicht  man  diese  Gleichungen  mit  den  in  5)  er- 
haltenen Ausdrücken,  so  folgt 

so  daß  nun 

F'  ~  2         "^2 

TT" 

wird.    Setzt  man  diese  Werte  endlich  in  3)  ein,  so  folgt 
2  (  r"'  -  1}"")  =  (^'~^''')  [(F'"  -f  U'^)  c  +  2  a] 
und  diese  Gleichung  zerfallt  in  die  beiden  neuen 


A.  Voü:   ('b».*r   Fl;"u.'litM)z<'rlt*'ruii<r  in   intiiiit^'.-^iiiiiilc  KhoiiiluMi.      281 


'«j 


7) 


r*|-F'»^  =  fc 


j;-»_ir*4-ö''»a/2  =  Ä; 


wo  X;  eine  neue  willkürliche  Konstante   bedeutet.     Setzt  man 
jetzt  a  =  —  iß,  so  wird 


2U'dU' 


V 


=  2duU' 


U'*~—U'lß  f  Ä 


oder,  wenn  c/4  =  —  y'  genommen  wird, 


arc  sm 


•°  (>-+^"0  _ 


1/ 


Mau  hat  also: 


wo 


r"Y  +  -  =  V^sin  2iUy  +  A,), 

y 

gesetzt  ist.     Demgemäß  wird 

y  {U'^  _  V'^)  =  V'w  [sin  2  ([7y  -f  Ä,)  -  sin  2  (Ty  +  A,)] 
U'—U'=  Ym  [cQs  2  (I7y  4-  Aj)  —  cos  2  (Fy  +  A,)]. 

Hieraus  folgt 

y  F-  -  P  ==  ~  *'°*«  KÜ"  +  F)  y  +  Ä,  +  A,]. 

Zieht  man  noch  die  Konstante  y  in  die  Funktionen  TJ^  V 
hinein,  und  wählt  A^  -|>  A,  =;=  ;r/2,  so  folgt  in  der  Tat 


282  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Diese  Lösung,  welche  ?7,  V  als  elliptische  Funktionen  von 
u,  V  darstellt,  entspricht,  wie  jetzt  gezeigt  werden  soll,  dem 
folgenden  Satze: 

Die  Tangenten  jedes  Kegelschnittes  bilden  eine 
doppelte  Schar  von  geodätischen  Linien  in  der  Ebene, 
durch  welche  dieselbe  rhombisch  geteilt  wird. 

Seien  nämlich 

X  cos  M      y  sin  w       ^ 

X  cos  v      y  sin  v       ^ 
zwei  Tangenten  eines  Kegelschnittes,  insbesondere  der  Ellipse^) 


a»  ^  b^        ' 


so  wird 


—  sin  Co  —  u)  =  sin  t;  —  sin  u 
a 

^  sin  (v  —  u)  =  cos  u  —  cos  v. 
ö 

Daraus  ergibt  sich 

e  =  a:^  +  yj  =  (a*  sin^  v  +  6*  cos^  v)  P 

^  =  ^  +  yj  =  (a*  sin*  M  +  6*  cos*  u)  P, 
wo 

p  ^  1 1  —  cos  (t?  —  u)  J* 
sin*(t7 — u) 

gesetzt   ist.     Es   entsteht   also    in   der    Tat  eine   rhombische 
Teilung,  wenn  man 


1)  Fflr  die  Hyperbel  sind  natflrlich  die   trigonometrischen  Funk- 
tionen durch  hjperbolische  zu  ersetien. 


A.  Vofi:  Über  Flächen  Zerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     283 


du 


Ya^  sin'  w  +  6'  cos*  u 

dv 
Va^  sin*  V  +  b^  cos*  v 


--  =  du. 


=  du, 


setzt.    Auch  für  die  Parabel  y*  =  2  p  o?  besteht  der  Satz.    Denn 
hier  hat  man  für  den  Schnittpunkt  zweier  Tangenten 


x  = 


y  = 


UV 


2p 


Demnach  wird 


2     1         2  /^  +  <^ 


4;i 


2      » 


.,  ,    .>     /  +  t*^ 


und  man  hat  nur 

du 


Vf  +  u' 


=  dM,, 


dt; 


vw+^ 


=  d», 


zu  setzen. 

Will  man  dagegen  alle  rhombischen  Teilungen  der 
Ebene  finden,  welche  durch  zwei  Kreisscharen  von 
konstanten  Radien  c  und  c^  entstehen,   so  ist  zu  setzen 

X  —  17=  c  cos  ö,      y  —  CT,  =  csin  0 
a:  —  F  =  c,  cos  0',    y  —  V^^=c^  sin  S\ 

wo  U,  U^;    F,  F,  Funktionen   der  Argumente  u;    v  allein,    0 
und  0|  aber  von  beiden   abhängig  sein  können.     Alsdann  ist 

a?„  =  —  (?,  sin  0'  0i,     j;,  =  —  c  sin  9  0, 
y»  =  +  <?,  cos  Ö'  0;,     y,  =  +  <?  cos  ö  ö„ 

so  dais  die  Bedingung  der  rhombischen  Teilung 
wird.     Setzt  man  demgemäß 


284  Sitzung  der  inath.-pbys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

SO  sind  noch  die  Funktionalgleichungen 

U  —  F  =  c,  cos  {c  tpt)  —  c  cos  (c,  \pj) 
[/,  —  F,  =  Cj  sin  (c,  tp,)  —  c  sin  {c^  tpu) 

zu  befriedigen.  Dieselben  sind  aber  keiner  einfachen  Behand- 
lung zugänglich  und  auch  andere  Ansätze,  welche  die  Ein- 
führung trigonometrischer  Funktionen  vermeiden,  führen  zu  weit- 
läufigen Funktionalgleichungen,  die  ich  bisher  nicht  vollständig 
untersucht  habe. 

§8. 

Die  Fl&chen  konstanter  negativer  Krümmung. 

Die  Formeln  des  §  1,  2  nehmen  eine  besonders  einfache 
Gestalt  an,  wenn  cos  (o  als  konstant  vorausgesetzt  wird. 
Bezeichnet  man  die  geodätischen  Krümmungen  der  Koordi- 
natenlinien u  =  const,  V  =  const  mit  y^,  y^,  so  wird  das  Längen- 
element der  zugehörigen  Fläche*) 

,^  du^  4-  2  cos  o)  du  dv  4-  dv^ 

1)  r(?^i  +  y%  cos  o))  u  +  (yg  +  yy  cos  co)  vV 

[  sin  CO  J 

mit  dem  konstanten  negativen  Krümmungsmaß 

jgr  y?  +  2  yi  ya  cos  (o-\-y\ 

sm*  CO 

Da  K  ein  negativer  definiter  Ausdruck  ist,  der  nur 
dann  Null  wird,  wenn  y,,  y,  gleichzeitig  Null  sind,  so  ent- 
stehen nur  dann  developpable  Flächen,  wenn  beide  Kurven- 
systeme aus  geodätischen  Linien  gebildet  werden.  Zugleich 
zeigt  sich  aber,  daß  ein  solches  Kurvensystem  die  Fläche 
negativer  konstanter  Krümmung  immer  in  infinitesi- 
male Rhomben  zerlegt. 

Setzt  man 

y^  •\-  cos  ft>  ^j  =  a  sin  co 

y,  cos  CO  -|-  y,  =  6  sin  co 
*)  Vgl.  P.  Probat,  a.  a.  0.,  p.  36. 


A.  VoG:  Uljer  Flät'lu'nzerle«'un':  in   iiifinitt'.-inial»'   IMiuiiiltfii.      l'^») 


-o  "-"'r 


und 

a  u  -{-  ß  V  =  v^, 
so  wird  für 

m  =  a  ß  —  ba 

m*(df«*-+-  dv'^  -{-  2cos(o du  d v)  =  e^diil  +  2/,  du^  (^y, +^,  dv], 

wobei 

ßj  =  /?*  +  ö*  —  2  cosco  a  ß 
(/j  =  6*  4"  a*  —  2  cos  (oab 
/i  =  cos  CO  (/? a  +  6  a)  —  (ßb  +  a  a). 

Wird  nun  angenommen,  daß 

ß  =  /ji(a  —  b  cos  co) 
a^=  fji{a  cos  a>  —  6) 

ist,  so  verschwindet  der  Faktor  /", ;  es  folgt  zugleich 

a*  4"  i^  —  2a  ß  cos  a>  =  ju^  (a^  +  ^*  —  2  a  6  cos  m)  sin*  co 

m  =  /i  (a*  +  J*  —  2  a  &  cos  a>). 

Demnach  wird 

a*  +  ^*  —  2  ab  cos co 


m*  d«*  =  (/i^sin* o)  du]  -\-di^ 
Setzt  man  jetzt 


ul 


so  wird 


,  ^_  sin* (o {d i4  +  e'-^'*^d ij) 
a*  -+-  6*  —  2  a  2^  cos  CO 


Das  Krümmungsmaß  ist  nunmehr 

a*  +  6*  —  2  a&  cos  CO 


j:«  — — 


sin*  CO 


Damit  ist  das  Längenelement  auf  die  typische  Form  der 
Flächen  konstanter  negativer  Krümmung  gebracht,  bei  der  die 


286  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

geodätischen  Linien  dv^  =  0  sämtlich   durch   einen  unendlich 
fernen  Punkt  der  Fläche  gehen. 
Es  ist  aber 

v^sino)  =  — =  M(acosa>  —  b)  +  v(a  —  6coso>). 

Da  endlich 

a  cos  a>  —  6  =  —  sin  o)  y^ 

a  —  cos  o>  ft  =  sin  CO  yj, 
so  wird 

Für  den  besonderen  Fall  yi=iyj  wird  daher  die 
eine  Schar  der  Diagonalkurven  der  Rhomben  selbst 
aus  geodätischen  Linien  gebildet. 

Ist  umgekehrt  eine  Fläche  von  der  Krümmung  —  1  ge- 
geben, also 


so  setze  man 

a»  +  6*  —  2  a 

b  cos  (o        ^ 
—  1 

sin*  CO 

und 

Vi 

1 

'       smo> 

«*i 

u^^=^  au-^-bv 

v^  —  au  +  ßv, 

/ff  =  a  —  b  cos  CO, 

y^  sin  CO  =  /ff 

a  =sacosco  —  ft, 

ygSinco=  —a. 

Die  Fläche  von  der  Krümmung  —  1  ist  alsdann  auf  ein 
rhombisch  isogonales  System  mit  den  konstanten  geodätischen 
Krümmungen  ^|,  y^  bezogen. 

Ich  beweise  nun  zunächst  die  TTmkehrung  des  obigen 
Satzes: 

Ist  ein  rhombisches  System  mit  konstantem  Ko- 
ordinatenwinkel   auf   einer    Fläche    mit    konstantem 


A.  Voß:  Über  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     287 

Erümmungsmaß  vorhanden,  und  besteht  die  eine  Schar 
der  Kurven  aus  Kurven  konstanter  geodätischer 
Krümmung  y^  4=  0,  so  ist  auch  die  andere  Schar  von 
konstanter  geodätischer  Krümmung  y^  und  das  Krüm- 
mungsmaß der  Fläche  ist  negativ. 

Es   sei   denmach  e^^g  und  cos  (o  konstant,  f  =  e  cos  o)^ 
so  ist  nach  §  1,  2 

dVe      dVe 

—  y.  e  sm  (o  =  — —  cos  co, 

'*  du         ov 

2)  —  y,  sm  a>  =  —-^  cos  co  — — ^. 

^  dv  du 

Eine  partikuläre  Lösung  dieser  Gleichung  ist 

3)  f]Q  =  uy^sm(o; 

aus  der  Gleichung 

0  s=  cos  CD  -^-^- — -^ ^^ , 

dv  du 

welche  man  durch  Einführung  von  3)  in  2)  erhält,  folgt  daher 

fj  =  fJo  +  f{ucos(o  +  v\ 

wo  f  eine  willkürliche  Funktion  des  Argumentes  jg  =  u  cos  (o-^-v 
ist.    Demnach  ist 

wy,  sin  CO +  /*      wa  +  Z"' 

wenn  man  a  =:  y^  sin  (o  setzt. 

Die  geodätische  Krümmung  y,  der  anderen  Kurvenschar  ist 

dVe      dVe 

—  y-  c  sm  CO  =  -:: r —  cos  co. 

'^  dv  du 

Vermöge  der  Gleichungen 

dYi^  f  dVe^      (g-f-f  cosco) 

dv  ~       (wa-f/)»'      du  {ua  +  fy 


288  Sitzung  der  inath.-pbys.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

folgt: 

y,  =  f  sin  (o  —  y^  cos  a>. 

Aus  der  Liouyilleschen  Formel  fttr  das  Krümmungsmaß  K 
folgt  aber,  wenn  man  den  Wert  von  y^  einsetzt, 

5)  K=-y\-r-\-(ua-Yf)f; 

WO   die  Größen  f\  f  von  dem  Argumente  z  allein  abhängen. 
Differentiiert  man  nun  die  Gleichung  5)  nach  t?,  so  folgt 

-rr+(«a+r)r=o. 

Jetzt  müssen  zwei  Fälle  unterschieden  werden.  Ist  a, 
d.  h.  y^  von  Null  verschieden,  so  kann  diese  Gleichung 
nur  dann  bestehen,  wenn  f  eine  Konstante  ist,')  dann  ist 
aber  auch  y^  eine  Eonstante.  Ist  nämlich  f  nicht  konstant, 
so  ist  auch  f  nicht  Null,  dann  ist  aber  auch  f"  von  Null 
verschieden,  da  ua  4~  /^  nicht  unendlich  sein  darf.  Dann  folgt  aber 


(-^  +  /-W«a  =  0. 


Nun  ist  der  eingeklammerte  Teil  entweder  eine  Eonstante 
oder  eine  Funktion  von  e\  beides  aber  führt  auf  einen  Wider- 
spruch.    Damit  ist  der  angegebene  Satz  bewiesen. 

Ist  dagegen  a  =  0  oder  y^  =  0,  so  hat  die  Funktion  f 
nur  der  Gleichung 

K — n+fr 

zu  genügen. 

Dieselbe  gibt  durch  Differentiation  nach  e 

—f'r+fr=o. 

Diese  Gleichung  ist  wieder  erfüllt  für  f  =  const,  dann 
ist  auch  y^  =  const.     Ist   aber  f  nicht   konstant,   so  ist  auch 

/"4=  0)  ^^^  ^&i^  ^^^ 


*)  Natürlich  kann  auch  /"'  =  0  sein,  dann  ist  72  =  ^  7i  cos  a>  und 


A.  Voß:  Über  FlächenzerleguDg  in  infinitesimale  Rhomben.     289 


und  dies  liefert 


r  ^  f ' 


Wird  das  obere  Vorzeichen  gewählt,  so  wird 

K  =  ^ABc\ 

man  erhält  daher  Flächen  von  konstanter  Krümmung;  dieselbe 
kann  hier  positiv,  negativ  oder  auch  Null  sein. 

Wählt  man  dagegen  das  untere  Vorzeichen,  so  ist 

f=Asmcz-\-BQO^ce 

also  K  wesentlich  negativ. 

Eine  Fläche  konstanter  Krümmung  kann  daher 
auch  in  infinitesimale  Rhomben  durch  ein  isogonales 
Kurvensystem  zerlegt  werden,  deren  eine  Schar  von 
geodätischen  Linien  gebildet  ist,  während  die  andere 
Scharnicht  von  konstanter  geodätischer  Krümmung  ist. 

Man  kann  übrigens  aus  jedem  Systeme  u,v^  wie  es  in 
1)  zu  Grunde  gelegt  ist,  durch  lineare  Transformation 
der  Variabein  w,  v  andere  Systeme  derselben  Eigen- 
schaft herleiten. 

Nach  Bonnet's  Formel  ist  die  geodätische  Krümmung  y^^, 
welche  zu  den  Kurven  9?  =  const  gehört,  für  den  Fall  c  =  ^, 
/'=ecosa>  ausgedrückt  durch 

9   V^{(Ph  —  cos o) 9?»)   ,     3  Ve{q)^  —  cos a> 99,,) 


—  y^  e  sin  a>  = 
wobei 


du 


s 


+ 


dv 


s 


Sf=  V(p^  — 2  cos  (oq)u(pt  +  <pl 
gesetzt  ist.     Setzt  man  nun 


290  Sitzung  der  mat]i.-phy8.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

SO  werden  die  Kurven  u^  =  const,  v^  ==  const  ein  rhombisches 
System  bilden,  wenn 


ist,  und  der  Kosinus  des  Koordinatenwinkels  C0|  ist 

(dß  +  ay)  +  (ad4-  ßY)cos(o 
cos  CO,  =  —  ^        — — ~ — L— c_^y . 

Es  werden  daher  die  geodätischen  Krümmungen  /\  und  F,, 
welche  zu  den  Kurven  Wj  =  const,  Vj  =  const  gehören,  aus- 
gedrückt durch 

^  9  (a  —  ßcos(o)Ye   ,     d   (ß  —  acosa>)V^^ 

*  du  X  dv  X 

wn      .              5  (y  —  d cos co)\/ €   ,     d  (d  —  y cos co) Ye 
-r,esma>  =  - ^ +  - j . 

Unter  Berücksichtigung  der  Gleichungen 

dV~e      dVe 

—  y-  csm  ö>  = r —  cos  co 

'*  du         dv 

dVe      dVe 

—  y«csina>  =  -- — cosa> 

'  dv        du 

folgt  hieraus 

B[ierdurch  sind  auf  der  Fläche  negativer  konstanter  Krüm- 
mung 00'  lineare,  nur  durch  die  Bedingungen 

a*4"i8* — 2a/?cosa>==y*4"  ^* —  2y3cosö> 

a3-/?y4:0 

beschränkte  Transformationen  der  Variabehi  bestimmt,  welche 
wieder  isogonale  Kurvensysteme  von  rhombischer  Teilung  mit 
den  konstanten  geodätischen  Krümmungen  Fj,  F^  bilden. 
Für  den  Winkel  a>j  erhält  man  auch  die  Gleichung 

A*  sin*  a>|  =  (a  d  —  ß  y)*  sin*  a>, 


A.  Voß:  Über  Flächen  Zerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     291 

aus  welcher 

l  sin  a>|  =  +  sin  CO  (a  (5  —  ßy) 

folgt,    falls  diese  Transformationen  stetig  aus   der  identischen 

a  =  l      ß  =  0 

y=0      d=l 
hervorgehen  sollen. 

Auch  erkennt  man,    daß   die   Invariante    des   Zählers 
von  ds^  in  1)  bei  dieser  Transformation   durch  die  Gleichung 

r?-l-2r,raCosfOi  +  /l        y?+2yiy2COsa>  +  y? 

h    


sin*  ö>, 


sin*  CO 


ausgedrückt   wird,    welche   die    Unveränderlichkeit   des  Krtim- 
niungsmaües  K  aussagt. 

Setzt  man  insbesondere 

u  =ua-}'Vß 
v'  =  —  tiß  —  va 
ß  =  a  cos  CO, 


so  wird 


und 


cos  fOj  =  cos  ro,     X  =  a  sin  (o 


R  = 


n  =  — 


7i  +  Tt  ^^^  ^ 
sin  CO 

(yj  cos  0}  +  y^) 


smfo 


so  daiä  der  Kosinus  des  Koordinatenwinkels  ungeändert 
bleibt,  während  die  geodätischen  Krümmungen  sich  ändern.') 
Diese  Transformation  entspricht  daher  keineswegs  einer  Be- 
wegung der  Fläche  in  sich. 

Eine  solche  mula  dagegen  notwendig  eintreten,  wenn  auch 
rj  =  yj,  r^  =  y^  wird.  In  diesem  Falle  ergibt  sich  aus  den 
beiden    vorstehenden    Gleichungen    zwischen    y,    und    y^    die 

[Relation 

y^  (1  —  sin  (o)  =  —  y^  cos  a>. 


*)  Vgl.  §  3. 

190t.  SiUnngab.  d.  matb.-phya.  KL 


20 


292  Sitzung  der  matb.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Und  in  der  Tat,  setzt  man 

M,  =  W  -|-  V  cos  CO 


so  wird 


t?j  =  — V  —  ttcosa>, 

l^         cos  CO  J 

dul'\-  dv]+  2dUxdViCOsoD 

■"■  T~(rTsi^rT  ~y~ 

L  *      cos  a>         1   '   ' »  1  j 
sobald  y^  (1  —  sin  co)  =  —  y,  cos  o)  vorausgesetzt  wird. 


§10. 

Allgemeine  Bemerkungen  über  die  geodätische  Krümmung 

eines  Eurvensystems. 

Ich  führe  endlich  einige  Bemerkungen  über  geodätische 
Krümmungen  an,  welche  eine  nähere  Ausführung  zu  verdienen 
scheinen. 

Sind  die  Kurven  w=const,  t;  =  const  und  die  Flächen- 
normale so  orientiert,  wie  die  Achsen  a:,  y,  8  eines  Parallel- 
koordinatensystems, so  ist  das  Integral 


J  \dU         dvj 


bei  positiver  Umlaufung  eines  „Elementarflächenstückes*  Fy 
d.  h.  bei  derjenigen,  welche  denselben  Sinn  hat,  wie  die  positive 
Umlaufung  eines  den  positiven  Zuwachsen  du,  dv  entsprechen- 
den Elementarparallelogrammes  der  Koordinatenbestimmung, 
gleich 

W=-^{Pdv—Qdu). 

Es  sei  nun  nach  Bonnet's  Formel  das  Integral  der  geo- 
dätischen Krümmung  y^  der  Kurven  q)  =  const,  erstreckt  über 


A.  Voß:  Über  Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben.     293 

die  Fläche  F^  es  mag  etwa  als  totale  geodätische  Krüm- 
mung der  Kurven  (p  für  dieses  Gebiet  bezeichnet  werden  — , 
gegeben  durch 

wobei 

gesetzt  ist. 

Man  erhält  also 

1)        —fy  dF=       [^^^  —  ff^^^^-i^V'^'^f'P*)^^ 

wo  rechts  das  Integral  über  die  Berandung  von  F  in  positivem 
Umlauf  zu  erstrecken  ist.  Ist  nun  F  hinreichend  klein,  so 
werden  die  Kurven  (p  =  c  nahezu  in  derselben  Richtung  ver- 
laufen; wir  verstehen  dann  unter  der  positiven  Richtung 
von  9>  =  const  diejenige,  für  die  dv  positiv  ist.  Dann  ist 
für  einen  Punkt  des  Randes 

(pt du 

Enthält  q?  überhaupt  die  Variable  t«,  so  kann  man  immer 
voraussetzen,  daß  7?«  positiv  ist.  Unter  dieser  Voraussetzung 
ist  aber  der  Integrand  auf  der  rechten  Seite  von  1)  mit  Be- 
rücksichtigung des  Vorzeichens,  da  nur  positive  Gröüen  aus 
dem  Wurzelzeichen  8  entfernt  werden,  gleich  d  s  cos  (<^,  d  5), 
so  daß 

2»)  —§y^dF=—jcos{q>,ds)ds') 

wird.  Ist  dagegen  9^»  4=0,  so  erhält  man,  falls  jetzt  als  posi- 
tive Richtung  der  Kurven  «^  =  const  diejenige  angesehen 
wird,  wo  du  positiv  ist,  ebenso 

2^)  -SrräF=+§eosiq,,d8)ds. 


')  Der  Satz  selbst  ist  keineswegs  nea,  vgl.  z.  B.  Darboux,  Le^ons 
sur  la  theorie  generale  des  surfaces  III,  p.  142;  doch  scheint  daselbst 
keine  völlig  ausreichende  Vorzeichenbestimmnng  gegeben  zu  sein. 

20* 


294  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Ich  mache  von  den  beiden  Formeln  eine  Anwendung  auf 
diejenigen  Flächen,  welche  ein  isogonales  Kurvensystem  w  =  coiist, 
V  =  const  mit  den  konstanten  geodätischen  Krümmungen  y^,  y, 
enthalten. 

Für  das  aus  den  Kurven  u  =  const,  v  =  const  gebildete 
V^iereck  A  B  C  D  mit  dem  Inhalte  J^  welches  in  positivem 
Sinne  durchlaufen  wird,  ergibt  sich  für  9  =  m  nach  2*) 

—  y^J=—{ÄB  —  CD)-]-{BC  —  ÄD)(iosio, 
Dagegen  nach  2^)  für  q)  =^v 

—  y^J  =  {AB-CD)cos(o  +  {BC—AD), 

Endlich  hat  man  nach  Liouville's  Formel  für  das  Krüni- 
mungsmaß 

+SKdJ=  y. J^^  du  dv  -t-  r,J^'  du  dv 

^y,{CD-AE)  +  y^{BC-AD). 

Hieraus  folgt  nun 

J {yi  +  y^  cos  cü)  =  (^  jB  —  CD)  sin*  io 
J{y^  cos  a>  +  y^  =  (BC—AD)  sin*  a>, 


also 


-{KdJ=  —  ^?ÜA?!i  ^2  cos  o)  +  }^;>) 
J  J  sin*  CD 


Aus  dieser  Formel  aber  kann  man  unmittelbar  auf  die 
Konstanz  von  Abschließen,  wenn  man  e7  gegen  Null  konver- 
gieren läßt. 

Ist  andererseits  ein  Gebiet  F  eingeschlossen  von  zwei  ortho- 
gonalen Trajektorien  einer  Reihe  von  Kurven  q)  =  const,  so  daß 
ein  Viereck  A  B  C  D  entsteht,  in  dem  A  B  C  D  zwei  gegen- 
überliegende Trajektorien,  BC  und  AD  zwei  Kurven  7^  =  const 
sind,  so  ist  die  totale  geodätische  Krümmung  der  Kurven 
(p  =  const  für  F 

—  ^y,dF=BC  —  AD. 


\.  Vulj:    ÜbtT   l'liirlK'ir/.tM-li'^^'-un.Lr  in    iiilinilf.siui.ilt'  lllioinlx'ii.      2*J'> 

Insbesondere  ist  für  y,^  =  coust  =  y 

'-yJ  =  BC  —  AV 

also  die  Differenz  der  Bogenlängen  der  Kurven  q),  welche  das 
Gebiet  begrenzen,  dem  Inhalte  J  desselben  proj)Oi-tional.  In 
dem  besonderen  Falle,  wo  ^^  =  0,  ergibt  sich  der  bekannte  Satz 
von  der  Aquidistanz  der  orthogonalen  Trajektorien  einer  Serie 
geodätischer  Linien. 

Diese  Betrachtungen  können  auch  in  etwas  erweitertem 
Sinne  benutzt  werden.  Ein  Beispiel  dafür  bildet  das  Stück 
einer  Zone  einer  Rotationsfläche,  die  von  irgend  zwei  Parallel- 
kreisen und  zwei  durch  Rotation  ineinander  übergehenden 
Kurven  begrenzt  wird.  Hier  haben  die  Parallelkreise,  falls  das 
Längenelement  der  Fläche  gegeben  ist  durch 

die  geodätische  Krümmung 

_      _  1      _ 

die  totale  geodätische  Krümmung  ist  daher  gleich 

2  JT  (w,  —  tio), 

d.  h.  gleich  der  Differenz  der  beiden  Parallelkreisbögen,  welche 
das  Zonenstück  begrenzen. 

Eine  Serie  von  Kurven,  deren  geodätische  Krümmung 
überall  von  ein  und  demselben  Zeichen  ist,  kann  niemals  von 
einer  oder  mehreren  geschlossenen  orthogonalen  Trajektorien 
völlig  begrenzt  werden,  vorausgesetzt,  daß  eine  Zerlegung  des 
Gebietes  in  Elementarflächen  möglich  ist,  für  welche  die 
Formeln  2")  resp.  2**)  immer  in  derselben  Weise  anwendbar 
bleiben.  Für  geodätische  Linien  ist  dies  dagegen  sehr  wohl 
möglich,  wie  z.  B.  ringförmige,  aus  den  Umfangen  Qauß- 
scher  Kreise  gebildete  Teile  der  Fläche  zeigen. 

Umgekehrt  ist   es   nicht   möglich,    auf  einer  Fläche  etwa 


296  Sitzung  der  mat]i.-phj8.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

ein  ringförmiges  Gebiet  abzugrenzen,  das  Yon  geodätischen 
Linien  begrenzt  ist,  derartig,  daß  auch  der  Innenraum  stetig 
von  solchen  geschlossenen  Linien  erfüllt  ist  —  den  einzigen 
Fall  ausgenommen,  wo  die  Umfange  der  beiden  Begrenzungs- 
linien, wie  z.  B.  bei  einer  Zylinderiläche,  gleich  groß  sind. 
Dagegen  ist  dies,  wie  das  Beispiel  der  Parallelkreise  einer 
Rotationsfläche  zeigt,  für  Kurven,  deren  geodätische  Krümmung 
von  einerlei  Vorzeichen  ist,  sehr  wohl  möglich. 


^^ 


m^ 


297 


Die  Seeschwankungen  (Seiches)  des  Ghiemsees. 

Von  AntOH  Endrös« 

(A'«i(7«iaN/Sm  5.  Mai.) 
(Mit  Tafel  II  und  III.) 

Die  ersten  Untersuchungen  jener  periodischen  Bewegungen 
der  Wassermasse  eines  Sees,  welche  nach  einer  Genfer  Lokal- 
bezeichnung allgemein  ^.Seiches"  genannt  werden,  waren  am 
Chiemsee  in  den  Jahren  1901  bis  1903  ausgeführt  worden. 
Die  Beobachtungen  hatten  der  unregelmäßigen  Umrißform  des 
Sees  enisprechend  äußerst  komplizierte  Schwingungsverhält- 
nisse ergeben,  worüber  in  einer  Schrift  „Seeschwankungen 
(Seiches)  beobachtet  am  Chiemsee,  Traunstein  1903,  Disser- 
tation der  K.  Technischen  Hochschule  in  München "  ^)  (im 
folgenden  zitiert  mit  P.  I.)  ausführlich  berichtet  wurde.  Auf 
Anregung  von  Herrn  Professor  Dr.  Hermann  Ebert  wurden 
die  Untersuchungen   im  Frühjahr  1904   wieder  aufgenommen. 

Es  war  zunächst  erwünscht  an  weiteren  Zwischen- 
punkten Beobachtungen  mit  selbstregistrierenden  Limni- 
metern  anzustellen,  um  einzelne  Schwingungen,  besonders  die- 
jenige von  29  Min.-Dauer  im  westlichen  Teile  des  Sees,  Inselsee 
genannt,  näher  aufzuklären  (vgl.  P.  I  S.  65  ff.).  Dabei  sollte 
zugleich  der  Einfluß  der  Inseln,  welche  von  den  baye- 
rischen Seen  nur  am  Chiemsee  in  dieser  Ausdehnung  vorhanden 

0  Die  Schrift  erschien  zugleich  als  Jahresprogramm  der  K.  Real- 
schule Traunstein  1903. 


298  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

sind  —  die  Herreninsel  hat  225  ha,  die  Fraueninsel  8,9  ha 
und  die  Krautinsel  2,7  ha;  sie  machen  zusammen  2,25  ®/o  der 
Seefläche  aus  —  in  die  Untersuchung  einbezogen  werden.  Im 
Juni  1904  mußte  ferner  die  Tieferlegung  des  Chiemsee- 
spiegels  dem  Vertrage  gemäß  beendigt  sein,  wobei  alle  Wasser- 
stände des  Sees  durch  Regulierung  des  Seeabflusses,  der  Alz, 
um  60  cm  tiefergelegt  werden  sollten.^)  Dies  seit  200  Jahren 
geplante  Unternehmen,  das  den  Zwecken  der  Melioration  der 
anliegenden  Kulturländer  diente,  konnte  hiebei  auch  für  die 
Wissenschaft  nutzbar  gemacht  werden,  indem  der  Einfluß  auf 
die  Schwingungsverhältnisse  des  Sees  untersucht  und  damit 
gleichsam  ein  Experiment  größten  Stiles  angestellt  werden 
konnte.  Die  ersten  Untersuchungen  hatten  auch  neben  der 
starken  Einwirkung  der  Umrißform  des  Sees  auf  die  Schwin- 
gungsverhältnisse eine  Mitwirkung  der  unterseeischen 
Beckenunregelmäßigkeiten  ergeben.  Diese  Mitwirkung 
sollte  weiter  verfolgt  werden,  wozu  zunächst  Neulotungen 
notwendig  waren,  da  verschiedene  Umstände  darauf  hindeuteten, 
daß  die  Lotungen  an  mehreren  Stellen  nicht  dicht  genug  waren. 

So  erwähnte  E.  Bay berger,*)  dem  wir  die  erste  Aus- 
lotung des  Sees  verdanken,  selbst,  daß  die  isolierte  Tiefe  von 
43  m  südwestlich  der  Herreninsel  (vgl.  die  Tafel  II)  nicht 
notwendig  angenommen  werden  muß,  sondern  daß  die  40,  30 
und  20  m-Tiefenkurven  noch  diese  Stelle  vielleicht  umschließen. 
Um  über  die  Bodengestalt  in  diesem  Seeteile  Sicherheit  zu  er- 
halten, wurden  daher  dort  zwei  Querprofile  ausgelotet,  das  eine 
vom  Badehaus  bei  Felden  gegen  die  Südwestecke  der  Herren- 
insel und  das  zweite  von  da  gegen  den  Ufervorsprung  südlich 
Harras.     Diese  wie  die  folgenden  geloteten  Tiefen  sind  in  die 


*)  Über  das  nun  ausgeführte  Unternehmen  ist  eben  ein  amtlicher 
Bericht  ,Die  Senkung  des  Chiemseespiegels  mittels  Korrektion  des  Alz- 
ausflusses  bei  Seebnick*  vom  Vorstande  des  K.  Straßen-  und  Flußbaa- 
amtes  Herrn  Bauamtmann  G.  Mayr  veröffentlicht  worden,  aber  leider 
nicht  im  Drucke  erschienen,   welchem  obige  Angaben  entnommen  sind. 

*)  E.  Bayberger,  Der  Ghiemsee.  Mitteilungen  des  Vereins  für 
Erdkunde  zu  Leipzig  1888,  S.  30. 


A.  Endrös :  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  299 

Karte  auf  Tafel  11  eingezeichnet.  Dieselbe  enthält  als  üfer- 
linie  die  Tiefenkurve  von  —  0,36  m  H.  P.,  mit  welcher  die 
Umriälinie  des  Sees  nach  der  Tieferlegung  nahe  zusammen- 
fallen dürfte.  Die  genannte  Kurve  ist  einer  Karte  des  K.  Straßen- 
und  Flußbauamtes  Traunstein  entnommen,  welche  im  Jahre 
1880  auf  Orund  umfangreicher  Vermessungen  hergestellt  und 
mit  Tiefenkurven  von  0,5  zu  0,5  m  versehen  ist.  Die  frühere 
Uferlinie  des  Sees  ist  durch  die  punktierte  Linie  ange- 
deutet; sie  ist  dem  Katasterblatte  des  K.  B.  topographischen 
Bureaus  entnommen,  da  die  Umrißlinie  der  Baybergerschen 
Karte  sich  als  ungenau  erwiesen  hatte.  Die  Tiefenangaben 
stützen  sich  im  wesentlichen  auf  die  E.  Baybergersche  Karte 
und  beziehen  sich  sämtliche  auf  das  frühere  Mittelwasser  von 
+  0,50  m  H.  P.  Aus  den  Neulotungen  ersieht  man,  daß  die 
10  m-Tiefenkurve  viel  näher  als  früher  an  die  Irschner  Bucht 
herangeht  und  daß  die  20  und  30  m-Isobathen  hier  nicht 
enden,  sondern  die  isolierte  Tiefe  von  43  m  umschließen, 
femer  daß  nur  die  40  m- Kurve  eine  in  sich  geschlossene 
ist,  aber  eine  ungefähr  fünfmal  so  große  Fläche  einschließt 
und  sich  500  m  südlich  Harras  so  sehr  dem  Ufer  nähert, 
daß  wir  hier  ähnliche  Böschungsverhältnisse  wie  an  dem  durch 
die  Alluvionen  der  Achen  entstandenen  Achenzipfel  und  dem 
durch  den  Rotbach  erzeugten  Ufervorsprung  vor  uns  haben. 
(Wahrscheinlich  befand  sich  hier  früher  einmal  die  Mündung 
der  Prien,  von  welcher  ein  Seitenkanal,  der  Mühlbach,  etwas 
südlicher  bei  Schöllkopf  in  den  See  mündet.)  Außerdem  ist 
aus  den  Lotungen  ersichtlich,  daß  von  der  Südwestspitze  der 
Herreninsel  in  südlicher  Richtung  gegen  das  Feldner  Gasthaus 
ein  sanfter  Rücken  zieht  mit  zwei  Sätteln,  dem  südlichen  von 
36  m  größter  Tiefe  und  dem  nördlichen  von  24  m;  dazwischen 
erhebt  sich  der  Seeboden  bis  20  m.  Diese  Erhebung  setzt 
sich,  wie  ich  von  den  Fischern  erfahren  konnte,  in  Gestalt 
eines  Rückens  längs  der  Insel  gegen  Osten  fort. 

Weiterhin  wurde  das  Profil  Urfahren — Herren inselnord- 
spitze  ausgelotet,  da  die  dort  sich  befindliche  Einengung  bei 
der  Schwingungsunterteilung  einen  sehr  großen  Einfluß  ausübt. 


300  Sitzung  der  imith.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Der  Seeboden  fällt  von  Urfahren  aus  gleichmäßig  bis  zu  einer 
Tiefe  von  6,5  m  ab;  etwa  100  m  vor  der  Herreninsel  nur  ist 
eine  20  m  breite,  über  10  m  tiefe  Rinne,  welche  ich  erst  bei 
einer  Nachlotung  auffinden  konnte. 

Femer  wurden  einige  von  den  den  Fischern  wohlbekannten 
und  mit  besonderen  Namen  belegten  unterseeischen  Erhebungen 
aufgesucht,  von  welchen  der  Chiemsee  acht  haben  soll.  Eine 
Stelle  von  13  m  Wassertiefe  genannt  die  «Höhe**  wurde  schon 
von  Bayberger  südöstlich  der  Herreninsel  aufgefunden.  Da 
nördlich  davon  keine  Lotungen  voilagen,  so  hat  er  den  See- 
boden ansteigend  gegen  die  Herreninsel  angenommen.  Ein 
weiterer  Berg  erhebt  sich  vor  der  Feld  wieser  Bucht  bis  11  m 
unter  Wasser,  während  ich  näher  der  Bucht  noch  28  m  lotete. 
Eine  dritte  unter  dem  Namen  „Kaiser**  bekannte  Erhebung 
(s.  P.  I,  S.  92)  liegt  im  nordwestlichen  Teile  der  Chieminger 
Seeausbuchtung  und  erhebt  sich  als  Rücken  langsam  von  Süden 
nach  Norden  bis  5  m  unter  Wasser,  fällt  aber  gegen  Westen, 
Norden  und  Osten  ziemlich  steil  ab.  Eine  vierte  isolierte 
Bodenerhebung  hat  E.  Bayberger  zu  27  m  mitten  zwischen 
der  Fraueninsel  und  dem  Achenzipfel,  der  Halbinsel  am  Süd- 
ufer, gefunden.  Eine  fünfte  soll  sich  etwa  1  km  nordöstlich 
von  Gstadt,  am  Nordwestufer,  befinden,  da  wo  nach  Bayberger 
der  See  steil  abfällt.  Eine  sechste  Erhebung  soll  als  größeres 
Plateau  zwischen  Chieming  und  dem  Achenzipfel  liegen,  das 
von  den  Fischern  als  Grabenstädter  Berg  bezeichnet  wird. 
Endlich  reichen  zwei  weitere  Erhebungen  östlich  bezw.  nord- 
östlich der  Herreninsel  bis  wenige  Dezimeter  unter  Wasser, 
so  daß  dieselben  nach  der  Tieferlegung  bei  niedrigem  Wasser- 
stand als  Inseln  hervortreten,  während  ich  zwischen  denselben 
und  der  Herreninsel  noch  5  bezw.  4  m  gelotet  habe. 

Man  sieht  aus  den  Lotungsergebnissen,  daß  die  von 
E.  Bayberger  vorgenommenen  Lotungen,  so  genau  sie  im 
westlichen  Seeteile  sind,  sich  doch  als  unzureichend  im  süd- 
lichen Teile  und  im  Weitsee  erweisen.  Es  dürfte  sich  daher 
verlohnen,  wenn  noch  die  Veränderungen  der  Seefläche  durch 
die  Tieferleguug  veröflfentlicht  sein  werden,  eine  Neuverlotung 


A.  £ndr(V8:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemseea.  301 

Yorzuuehmen   und  die  Konstanten  des  Seebeckens  neu  zu  be- 
stimmen. 

Ein  Hauptzweck  der  weiteren  Untersuchungen  der  Seiches 
unseres  Sees  war  endlich  die  Erforschung  der  En t  stehungs- 
ursachen  dieser  Seeschwankungen,  da  sich  die  ersten  Unter- 
suchungen nur  auf  acht  Monate  erstreckt  hatten  und  gerade 
der  Chiemsee  sich  wegen  seiner  geographischen  Lage  sowohl 
als  der  raschen  Dämpfung  der  Hauptschwingung,  wodurch  der 
Zeitpunkt  und  die  Größe  der  neuerzeugten  Schwankungen 
deutlicher  als  an  anderen  Seen  herausgefunden  werden  kann, 
als  besonders  geeignetes  Objekt  erwiesen  hatte.  Über  die 
Ergebnisse  dieser  letzteren  Untersuchungen,  in  welche  noch 
Beobachtungen  am  Waginger-  und  Simssee  einbezogen  wurden, 
wird  in  einer  weiteren  Arbeit  berichtet  werden.  Im  folgenden 
seien  nur  die  Ergebnisse  über  die  Schwingungsformen  des 
Chiemsees  an  sich  mitgeteilt. 

Zuvor  möchte  ich  mich  der  angenehmen  Pflicht  entledigen 
fttr  die  mannigfache  Unterstützung,  die  ich  bei  der  Arbeit 
gefunden  habe,  wärmstens  zu  danken.  Vor  allem  waren  mir 
die  zum  Teil  kostspieligen  Untersuchungen  nur  dadurch  er- 
möglicht, daß  die  K.  B.  Akademie  der  Wissenschaften 
in  München  wiederum  die  erforderlichen  Mittel  zur  Ver- 
fügung steUte,  wofür  an  dieser  Stelle  ehrerbietigst  gedankt 
sei.  Am  See  selbst  übernahmen  bereitwilligst  die  Hilfsbeob- 
achter, welche  später  bei  den  betreffenden  Stationen  mit  Namen 
aufgeführt  sind,  die  Überwachung  und  Bedienung  der  Instru- 
mente. Außerdem  gewährte  mir  der  Besitzer  der  Chiemsee- 
dampfschiffahrt  Herr  Ludwig  Feßler  in  liebenswürdigster 
Weise  während  der  ganzen  Beobachtungszeit  freie  Fahrt,  wo- 
durch mir  die  Kontrolle  der  Apparate  sehr  erleichtert  wurde. 
Femer  überließen  mir  in  entgegenkomnienster  Weise  der  Vor- 
stand des  K.  B.  Hydrotechnischen  Bureaus  Herr  Oberbaurat 
Hensel  die  Diagramme  des  registrierenden  Alzpegels  in  See- 
bruck  und  der  Vorstand  des  K.  Straßen-  und  Flußbauamtes 
Traunstein  Herr  Bauamtmann  Mayr  sämtliche  für  die  Tiefer- 
legUDg   einschlägigen  Schriften   und   Karten.     Endlich   stellte 


302  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

mir  Herr  Professor  Dr.  W.  Halbfaß  in  Neuhaldensleben 
seinen  Lotapparat  und  seine  umfangreiche  Literatur  Über  die 
Seenkunde  bereitwilligst  zur  Verfügung  und  Herr  Professor 
Dr,  E.  Bayberger  in  Passau  übersandte  mir  freundlichst  seine 
Originalaufzeichnungen  über  die  Verlotung  des  Chiemsees.  Den 
genannten  Herrn  sei  auch  an  dieser  Stelle  nochmals  aufrichtigst 
gedankt.  Besonderen  Dank  aber  schulde  ich  wiederum  Herrn 
Professor  Dr.  Hermann  Ebert  an  der  Technischen  Hoch- 
schule  in  München  für  die  Überlassung  sämtlicher  Apparate 
wie  die  allseitige  Förderung  der  Untersuchungen. 

I.   Die  Beobachtungen. 

1.  Die  Apparate. 

Zu  den  Beobachtungen  stand  mir  zunächst  wieder  ein 
Sarasinsches  selbstregistrierendes  Limnimeter^)  zur 
Verfügung.  Instrumente  dieser  Art  hatten  an  den  verschieden- 
sten Seen  Anwendung  gefunden,  um  ein  einheitliches  Verfahren 
in  der  Beobachtungsmethode  zu  erhalten,  und  haben  im  all- 
gemeinen sich  gut  bewährt.  Auch  bei  den  Untersuchungen  in 
den  Vorjahren  wurden  dieselben  als  sehr  empfindlich  befunden 
(s.  P.  I,  S.  11).  Die  Störungen,  welche  durch  die  Verbindung 
von  Pegel-  und  Registrierapparat  mittels  einer  Gelenkstange 
entstanden,  konnten  bei  der  ständigen,  persönlichen  Überwa- 
chung rasch  behoben  werden.  Da  aber  eine  so  häufige  Kon- 
trolle des  Apparates  wie  früher  mir  jetzt  nicht  mehr  möglich 
war,  besonders  wegen  der  größeren  Ausdehnung  des  ganzen 
Beobachtungsnetzes,  weisen  die  Limnogramme  öfters  die  abge- 
schnittenen Kurvenzüge  auf,  welche  einen  Fehler  bis  4-  5  mm 
enthalten  können.  Die  gleichen  Erfahrungen  hatte  schon 
W.  Halb  faß  beim  Horster  Limnimeter  am  Madüsee*)  ge- 
macht, wie  die  mitgeteilten  Kurvenbeispiele  ersehen  lassen;  dem 

^)  Eine  eingehende  Beschreibung  durch  H.  Ebert  findet  sich  in  der 
Zeitschrift  för  Instrumentenkunde,  Bd.  XXI,  193.  J.  Springer,  Berlin  1901. 

')  W.  Halbfaß,  Stehende  Seespiegelschwankungen  (Seiches)  am 
Madüsee  in  Pommern.    Zeitschrift  für  Gewässerkunde,  6.  Bd.,  2.  H«,  1903. 


A.  Endrös:   Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  303 

geDannten  Forscher  war  eine  persönliche  Kontrolle  der  Apparate 
bei  der  weiten  Entfernung  vom  See  unmöglich.  Auch  die  japa- 
nischen Seichesforscher  berichten  von  unbefriedigenden  Er- 
gebnissen mit  den  Limnimetern,^)  wobei  die  Aufzeichnungen 
eines  solchen  Instrumentes  mit  einem  daneben  aufgestellten,  von 
ihnen  konstruierten,  das  den  Schreibstift  direkt  an  der  Schwim- 
merstange trägt,  nicht  übereinstimmten.  Die  von  E.  Sarasin 
auf  Grund  seiner  reichen  Erfahrung  auf  dem  Gebiete  der  Sei- 
chesforschung konstruierten  Apparate  waren  eben  zunächst  fUr 
eine  Aufstellung  auf  Steinmauern  oder  in  festgebauten  Bade- 
häusem  gedacht,  wo  eine  Verschiebung  von  Pegel-  und  Regi- 
strierapparat nicht  leicht  möglich  ist,  und  die  dicht  bewohnten 
Schweizer  Seen  erlaubten  auch  immer  eine  so  feste  Aufstellung 
und  sorgsame  Überwachung.  Dazu  kommt,  daß  die  Instrumente 
fast  inmier  an  größeren  Seen  verwendet  worden  waren,  wo  die 
Schwingungsamplituden  gewöhnlich  über  1  cm  betragen,  so  daß 
Fehler  von  dem  erwähnten  Betrage  nicht  so  störend  wirken. 
Bei  den  in  neuester  Zeit  untersuchten  Seen  fehlte  aber  jede 
Gelegenheit  zu  einer  derartigen  festen  Aufstellung,  weshalb  die 
Instrumente  auf  eigens  geschlagenen  Pfählen  oft  weit  in  den 
See  hinaus  —  wie  am  Madüsee  —  gestellt  und  dort  dem 
Wellengang,  Wind  und  Wetter  ausgesetzt  waren.  Daß  dabei 
jederzeit  Verschiebungen  zwischen  Pegel-  und  Registrierapparat 
eintreten  können,  ist  klar  und  unvermeidlich.  Die  Sarasinschen 
Instrumente  in  der  jetzigen  Form  sind  daher  besonders  für 
kleinere  Seen,  wo  die  Amplituden  1 — 2  mm  gewöhnlich  nicht 
übersteigen,  nicht  immer  zu  gebrauchen. 

Die  Sarasinschen  Limnimeter  lassen  sich  jedoch  durch 
einfache  Abänderungen,  wie  sie  zur  Zeit  an  den  beiden 
Instrumenten  der  K.  B.  Akademie  vorgenommen  werden,  auch 
in  den  genannten  Fällen  brauchbar  machen.  Der  getrennte 
Pegelapparat  ist  überflüssig  und  der  Schwimmer  wird  direkt 
über  die  beiden  Rollen  des  Registrierapparates  gehängt,  welche 


*)  H.  Ebert,  Über  neuere  japanische  Seenforachungen.   Zeitschrift 
füLT  instmmentenkunde,  XXIII,  Nov.  1903,   S.  345.    J.  Springer,  Berlin. 


304  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

die  Schiene  mit  dem  Schreibstift  tragen.  Der  Schwimmer  hängt 
hierbei  an  einem  Kupferbande,  das  an  der  Schiene  selbst  mittels 
Druckschrauben  festgeklenmit  werden  kann.  Da  die  eine  Rolle 
in  der  Mitte  ihres  Umfanges  gezahnt  ist,  wird  das  Band  seiner 
ganzen  Länge  nach  in  zwei  schmale  Bänder  gespalten  oder 
man  verwendet  statt  des  Doppelbandes  nach  Chrystal  *)  zwei 
Drähte,  welche  in  zwei  Riefen  über  die  Rollen  geführt  sind. 
Dadurch  ist  erreicht,  daß  man  dem  abgeänderten  Limnimeter 
jederzeit  seine  frühere  Form  wiedergeben  kann,  wenn  an  einem 
See  die  Verhältnisse  dafür  günstig  sind.  Am  anderen  Ende  des 
Bandes  hängt  ein  Gegengewicht.  Durch  diese  Anordnung  ist 
außerdem  der  Schreibstift  in  direkter  Verbindung  mit  dem 
Schwimmer  und  die  oben  besprochenen  Störungen  fallen  weg. 
Weiterhin  bietet  die  Anordnung  den  Vorteil,  daß  der  Schutz- 
zylinder unmittelbar  zwischen  den  Pfählen,  welche  den  Apparat 
tragen,  befestigt  werden  kann  und  dadurch  einen  festeren  Halt 
bekommt.  Je  nach  den  Veränderungen  des  Pegelstandes  kann 
die  Schiene  mit  dem  Schreibstift  auf  dem  Bande  nach  Locke- 
rung der  Schrauben  verschoben  werden. 

Auch  Professor  Chrystal  hat  die  Sarasinschen  Limni- 
meter für  die  Beobachtungen  an  den  schottischen  Seen  für  nicht 
immer  geeignet  befunden  und  dieselben  in  ähnlicher  Weise 
bereits  abgeändert  und  außerdem  ein  neues  Instrument 
konstruiert,  das  sich  bereits  bei  den  Untersuchungen  bewährt 
hat.*)  Bei  dem  letzteren  hängt  der  Schwimmer  mittels  eines 
Stahlbandes  über  zwei  Gleitrollen,  wie  oben  bei  der  Abänderung 
des  Sarasinschen  Limnimeters  angegeben  ist,  an  dessen  anderem 
Ende  ein  Gegenge\^4cht  sich  befindet.  An  dem  Bande  ist  nun 
nicht  direkt  der  Schreibstift  befestigt  wie  beim  Plantamour- 
schen  Limnographen,^)  wo  infolge  der  Reibung  des  Stiftes  auf 
dem  Papier  der  Stift  schiefgestellt  und  ein  störender  Fehler 
entstehen    kann,   sondern   auf  dem  Streifen   wird   ein   kleiner 


^)  Die  folgende  kurze  Beschreibung  ist  einer  gütigen   brieflichen 
Mitteilung  des  Herrn  Prof.  Dr.  Chrystal  entnommen. 

^)  E.  V.  Cholnoky,  Limnologie  des  Plattensees.   Wien  1897. 


A.  Endrös:  Die  Seeschwankungen  des  Cbiemsees.  305 

Wagen  befestigt,  der  einerseits  auf  zwei  Rädchen  mit  Ein- 
kerbungen am  Rande  über  einer  kantigen  Schiene  läuft  und 
anderseits  auf  einer  Rolle  mit  flachem  Rand  auf  einer  eben- 
solchen Schiene  gleitet.  Dieser  kleine  Wagen  trägt  den  Schreib- 
stift, der  dabei  schief  auf  dem  Papier  liegt.  Hierdurch  ist  eine 
leichte  und  fehlerfreie  Bewegung  des  Stiftes  erreicht  und  außer- 
dem ein  Hemmen  des  Streifengauges  durch  den  eindrückenden 
Stift  vermieden.  Den  gleichen  Wagen  verwendete  Chrystal 
auch  bei  den  abgeänderten  Sarasinschen  Instrumenten.  Die 
Schiene  des  ursprünglichen  Limnimeters,  welche  den  Schreib- 
stift trägt,  bleibt  dabei  weg,  dafQr  werden  die  beiden  oben- 
genannten Schienen  daneben  befestigt.  Statt  des  Stahlbandes 
benützte  Chrystal  hierbei  auch  zwei  Drähte,  wie  schon  oben 
erwähnt,  welche  in  je  zwei  in  die  Rollen  des  Sarasinschen 
Limnimeters  eingeschnittenen  Rinnen  laufen.  Mit  einem  solchen 
abgeänderten  Limnimeter  wurden  bereits  Beobachtungen  an 
Seen  angestellt  und  diese  lieferten  Kurvenzüge,  welche  alle  jene 
Einzelheiten  aufweisen,  wie  ich  sie  mit  meinem  Limnimeter 
erhalten  habe,  wovon  ich  mich  an  einem  von  Chrystal  freund- 
lichst übersandten  Original -Limnogramme  selbst  überzeugen 
konnte.  Zugleich  verwendet  Chrystal  Tintenstifte  und  dazu 
Papier  mit  feinerer  Oberfläche,  was  sich  bei  dem  schiefstehen- 
den Stifte  vollständig  bewährt  hat. 

Als  zweites  Limnimeter  benützte  ich  das  von  mir  selbst 
konstruierte  Instrument,^)  das  im  folgenden  zum  Unterschied 
vom  Sarasinschen  Limnimeter  kurz  transportables  genannt 
ist.  Dasselbe  war  zu  Beobachtungen  an  Zwischenpunkten  her- 
gestellt worden  und  hat  sich  auch  bei  den  weiteren  Beobach- 
tungen am  Chiemsee  und  besonders  bei  den  Untersuchungen 
am  Wagingersee  und  an  kleineren  Weihern  wegen  seiner  Hand- 
lichkeit und  groisen  Empfindlichkeit  als  sehr  geeignet  ervriesen. 
Dadurch  ferner,  daß  die  Aufzeichnungen  mehrerer  Tage  (bis 
zu    acht   Tagen    bei    geringer    Amplitude)    untereinander    auf 


^)  Eine  Inirze  Beschreibung  desselben  mit  Abbildung  s.  P.  I,  S.  33. 
und  Zeitschrift  für  Instrumentenkunde.  J.  Springer,  Berlin,  24.  Juni  1904 


306  Sitzung  der  math.-phy8.  Kla-sse  vom  5.  Mai  1906. 

denselben  Streifen  kommen,  sind  die  Limnogramme  sehr  tiber- 
sichtlich. Beim  langsamen  Streifengang  (pro  1**  2  cm)  fallt  auch 
die  häufige  Bedienung  weg. 

Endlich  wurde  wieder  das  Zeigerlimnimeter  *)  zu  Ab- 
lesungen des  Wasserstandes  an  korrespondierenden  Punkten 
häufig  gebraucht.  Der  verwendete  Zeiger  erlaubte  die  Able- 
sungen des  Wasserstandes  in  achtfacher  Vergrößerung  und 
zwar  wurde  gewöhnlich  von  Minute  zu  Minute  abgelesen,  wozu 
sich  auch  Hilfsbeobachter  benützen  ließen. 

2.   Die  Limnogramme. 

Die  Aufzeichnungen  der  Limnimeter  sind  am  Chiemsee 
meistens  Interferenzkurven  von  zwei  und  häufig  von  mehr  als 
zwei  Schwingungen,  wie  ich  sie  in  P.  I,  S.  12  u.  flF.  eingehen- 
der besprochen  habe.  Die  Entzifferung  solcher  Limnogramme 
verlangt  daher  immerhin  eine  Übung,  welche  man  sich  am 
besten  durch  künstliches  Entwerfen  mehrerer  einfacher  Kurven 
von  verschiedener  Dauer  und  Danebenzeichnen  von  Interferenz- 
kurven derselben  verschafiFl. 

Die  Dauer  der  einzelnen  Seiches  erhält  man  am  genauesten 
und  sichersten  an  den  Knotenlinien  der  nächsten  Oberschwin- 
gungen. Das  ist  aber  nur  an  Seen  mit  vorwiegender  Längs- 
richtung der  Fall.  Am  Chiemsee  dagegen,  wo  Schwingungen 
nach  verschiedenen  Richtungen  auftreten,  sind  auch  an  den 
genannten  Knotenlinien  die  einzelnen  Schwingungen  nicht  ge- 
nauer zu  messen.  Man  ist  daher  auf  die  Bestimmung  der 
Dauer  aus  Interferenzkurven  angewiesen.  Es  wurde  dabei 
wieder  so  verfahren,  daß  nur  längere  Seichesreihen  benützt 
wurden,  welche  in  der  zu  messenden  Schwingung  ausklangen. 
An  der  Hand  der  künstlich  hergestellten  Interferenzkurven 
konnten  außerdem  die  höchsten  und  tiefsten  Stellen  der  Einzel- 
schwingungen hinreichend  genau  herausgefunden  werden.  Dabei 
war    besonders    auf   eventuelle   Phasenänderungen    zu    achten. 


^)  Eine  Beschreibung  desselben  s.  P.  I,  S.  7  und  Dr.  A.  Petermanna 
geographische  Mitteilungen,  1904,  12.  H.,  S.  1. 


A.  Endrös:  Die  Seeschwankuogen  des  Ghiemsees.  307 

Außerdem  mußten  die  ersten  Kurvenzüge  einer  jeden  Reihe 
gewöhnlich  weggelassen  werden,  weil  sie  keine  periodischen 
Bewegungen  des  Seespiegels,  sondern  durch  denivellierende 
äußere  Ursachen  erzwungene  Bewegungen  verzeichnen.  Auf 
diese  Bewegungen,  die  Chrystal  zum  Unterschied  von  den 
Seiches,  welche  , freie*  Schwingungen  der  Wassermasse  sind, 
»erzwungene*  genannt  hat,^)  werde  ich  bei  den  Ursachen  der 
Seiches  ausführlich  zurückkommen.  Hier  sei  nur  erwähnt,  daß 
diese  Eurvenzüge  nie  symmetrische  Gestalt  haben,  wie  die  reinen 
Sinuskurven,  so  daß  die  Gefahr  einer  Verwechslung  mit  freien 
Schwingungen  nicht  leicht  möglich  ist.  Findet  man  daher  einen 
oder  mehrere  synMnetrisch  verlaufende  Kurvenzüge  von  an- 
nähernd gleicher  Dauer,  so  darf  man  darin  eine  neue  Schwin- 
gung vermuten  und  wird  sie  bei  genauer  Durchsicht  der  Limno- 
gramme  öfters  herausfinden.  Auf  diesem  Wege  habe  ich  eine 
neue  Seiche  von  54  Min.-Dauer  und  andere  seltenere  Schwin- 
gungen aus  den  früheren  Limnogrammen  nachträglich  heraus- 
gefunden. Außerdem  ist  diese  Bemerkung,  die  ich  aus  meinen 
Erfahrungen  an  sämtlichen  Seen  als  erwiesen  annehmen  darf, 
besonders  wichtig  für  die  kurzdauernden  Untersuchungen  mit 
dem  Zeigerlimnimeter,  welche  gewöhnlich  nur  wenige  Kurven- 
züge liefern.  Eine  Verwechslung  mit  dikroten  Schwingungen 
ist  ebenfalls  ausgeschlossen,  weil  bei  diesen  der  auf-  und  ab- 
steigende Ast  der  Kurvenzüge  ebenfalls  nicht  symmetrisch  ver- 
läuft. Eine  Ausnahme  nur  habe  ich  bei  den  sogenannten 
Schwebungen  beobachtet. 

Nähern  sich  nämlich  die  Periodendauern   zweier  Schwin- 
gungen, so  konmien  n  solche  längerer  Dauer  auf  n  -j-  1  solche 

kürzerer  Dauer,  wobei  n  =  -^ ^. ,   wenn    „  T**    die  längere 

Dauer  und  ,,T'*  die  Dauer  der  kürzeren  Periode  ist;  „n*  ist 
dabei  gewöhnlich  nicht  rational.  Ich  habe  diese  Kurvenzüge 
Schwebungen   genannt,    weil  dieselben  die  graphische  Dar- 


0  Chrystal,  On  the   Hydrodynamical  Theorie  of  Seiches;    Trans. 
Roy.  Sog.  Edinburgh  51.  III.  No.  25.    Im  folgenden  zitiert  mit  H.  T.  S. 

1906.  SiUangsb.  d.  math.-phys.  Kl  21 


308  Sitzung  der  math.-phys.  lüasse  ▼om  6.  Mai  1906. 

Stellungen  der  sogenannten  Schwebungen  in  der  Aku- 
stik sind.  Man  sieht  hierbei  symmetrische  Kurvenztige,  aber 
die  Amplituden  der  einzelnen  aufeinanderfolgenden  Schwingungen 
wachsen  bis  zu  einem  Maximum  (gleich  der  Summe  der  Ampli- 
tuden der  einzelnen  Schwingungen)  und  nehmen  in  der  gleichen 
Zeit  wieder  ab  bis  zu  einem  Minimum  (der  Differenz  der  Ampli- 
tuden), um  das  Spiel  zu  wiederholen.  Die  Dauer  einer  solchen 
Schwebung  ist  hierbei  n  •  T  =  (n  -f-  1)  X  T'(Min.).  Ich  habe 
schon  darauf  hingewiesen,  daß  ein  Phasen  vergleich  der  Einzel- 
schwingungen an  zwei  Stationen  sehr  erleichtert  und  auch 
ohne  ganz  genaue  Zeitmarke  möglich  ist;  laufen  nämlich  die 
Kurvenzüge  parallel,  so  haben  beide  Schwingungen  an  den 
betreffenden  Stationen  gleiche  oder  beide  entgegengesetzte 
Phase;  ist  der  Gang  der  Schwebungen  entgegengesetzt,  so  hat 
die  eine  gleiche  Phase,  die  andere  entgegengesetzte  (vgl.  P.  I, 
S.  16).  Liegen  dagegen  nur  einzelne  Kurvenzüge,  also  keine 
ganze  Schwebung  vor,  wie  es  bei  Aufnahmen  mit  dem  Zeiger- 
limnimeter  gewöhnlich  der  Fall  ist,  so  kann  ein  Vergleich  der 
Kurvenzüge  zu  ganz  falschen  Ergebnissen  führen,  worauf  ich 
später  zurückkommen  werde.  Chrystal  weist  auch  daraufhin, 
daß  die  Perioden  höheren  Nodalität,  weil  sich  dieselben  mit 
der  Knotenzahl  immer  mehr  nähern,  am  Ende  der  Längs- 
achse schwer  herauszufinden  sind.  Das  ist  auch  der  ärund 
dafür,  daß  die  Kurven  an  den  Enden  der  Hauptachse  oft  recht 
kompliziert  werden.  Denn  schon  drei  Schwingungen  von  nahe 
gleicher  Periodendauer  z.  B.  von  11,  10  und  9  Min. -Dauer 
geben  eine  sehr  komplizierte  Kurve.  Darin  hat  auch  die 
verwickelte  Form  der  Kurven  in  Seebruck,  am  Nordende  des 
Chiemsees  (s.  P.  I,  S.  26)  und  diejenige  der  Limnogramme  in 
Luzem  am  Vierwaldstättersee  seinen  Grund.  ^) 


')  Ed.  Sarasin,  Beobachtungen  über  die  Seiches  des  Vierwald- 
stättersee; übersetzt  von  Trutmann.  Mitteilung  der  Naturforscher-Ge- 
sellschaft in  Luzern  3.    1903/04. 


A.  EndrOa:  Die  Seeschwankungen  des  Cliiemsees.  309 

3.  Die  früheren  Beobachtungen. 

Nachdem  durch  Experimente  an  einem  Becken- 
modelle des  Chiemsees  und  durch  Beobachtungen  mit 
dem  Zeigerlimnimeter  erwiesen  war,  daü  Schafwaschen 
im  Aiterbach Winkel,  am  Westufer  des  Sees,  und  Seebruck, 
am  Nordufer,  die  Enden  der  Hauptschwingungsachse  sind,  war 
dort  je  ein  selbstregistrierendes  Sarasinsches  Limnimeter 
aufgestellt  worden.  In  Schafwaschen,  dem  Aufstellungsorte 
am  Westufer  (s.  Karte  auf  Tafel  II,  Station  I),  stand  das  In- 
strument vom  14.  April  1902  bis  1.  Februar  1903  und  in 
Seebruck  das  zweite  Limnimeter  vom  23.  Juni  1902  bis  15.  Fe- 
bruar 1903  (s.  Tafel  II ,  Station  II).  Um  die  komplizierten 
Schwingungsverhältnisse  aufzuklären  war  ein  drittes  Instrument 
notwendig,  das  leicht  transportiert  und  rasch  aufgestellt  werden 
konnte.  Ich  hatte  zu  diesem  Zwecke  im  Mai  1902  das  oben 
erwähnte  transportable  Limnimeter  konstruiert.  Dasselbe  war 
in  der  Zeit  vom  21.  Juli  bis  15.  November  1902  nach  und 
nach  an  8  rings  um  den  See  verteilten  Punkten  aufgestellt 
worden  und  zwar  nacheinander  1.  in  Feldwies,  am  SQdufer, 
2.  in  Felden,  am  westlichen  Ende  des  Südufers,  3.  in  Mühlen, 
nördlich  der  Herreninsel,  4.  in  Stock,  westlich  der  Herren- 
insel, 5.  in  Qstadt,  nordwestlich  der  Fraueninsel,  6.  in  Arla- 
ching,  am  Nordostufer,  7.  in  Chieming,  am  Ostufer  und  8.  in 
Hagenau,  am  Südostufer.  Die  Punkte  selbst  sind  mit  den 
laufenden  Nummern  in  die  Karte  auf  Tafel  II  eingetragen. 
Die  Ergebnisse  an  diesen  Stationen  sind  in  P.  I,  S.  17 — 47 
ausführlich  mitgeteilt.  Weil  wir  im  folgenden  wiederholt 
darauf  zurückkommen  müssen,  seien  nochmals  in  beiliegender 
Tabelle  die  an  jedem  Punkte  beobachteten  Seiches  und  für 
jede  Seiche  das  Amplitudenverhältnis  zu  einer  Vergleichsstation 
angegeben,  wobei  die  Amplitude  an  derselben  gleich  100  ge- 
setzt ist.  Das  beigefügte  Zeichen  gibt  die  gleiche  (+),  be- 
ziehungsweise entgegengesetzte  Phase  ( — )  in  bezug  auf  die 
Vergleichsstation  an.  Ist  die  betreflfende  Schwingung  an  einer 
Station  nicht  aufgefunden  worden   trotz  eines  Vergleiches  mit 

dem  gleichsteitigen.  Limnogramme  einer  anderen  Station,  so  ist 

21* 


310 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


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A.  Endrös:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  311 

die  Amplitude  0  gesetzt;  ist  sie  zweifelhaft;,  so  ist  die  Rubrik 
freigelassen.  In  der  ersten  Rubrik  stehen  die  Stationen,  in 
der  zweiten  die  Amplituden  und  Phasen  der  43  Min.-Seiche, 
in  der  dritten  die  der  37^/»  Min.-Seiche  u.  s.  w.,  in  der  letzten 
ist  die  größte  Doppelamplitude  des  Beobachtungsortes  in  Milli- 
metern angefügt. 

Auf  Grund  dieser  Ergebnisse,  wozu  noch  Beobachtungen 
an  10  weiteren  Punkten  mittelst  des  Zeigerlimnimeters  kamen, 
konnten  die  Knoten  und  Bäuche  einer  gröl^ercn  Zahl  von 
Schwingungen  zum  Teil  genau  angegeben  werden  (vgl.  P.  I, 
S.  47—57). 

4.  Die  neuen  Beobachtungen  in  Schafwaschen  (I). 

Aus  den  einleitend  schon  erwähnten  Gründen  wurden  nun 
im  Frühjahr  1904  die  Untersuchungen  wieder  aufgenommen. 
Zunächst  wurde  das  Sarasinsche  Limnimeter  in  Schafwaschen 
an  der  gleichen  Stelle  wie  in  den  Vorjahren  wieder  aufgestellt. 
In  dem  genannten  Winkel  des  Sees  hatten  sich  die  beiden 
Hauptschwingungen  des  Sees  mit  ihrer  größten  Amplitude  ge- 
zeigt und  da  mir  diesmal  nur  ein  Sarasinsches  Instrument  zur 
Verfugung  stand,  war  dieser  Punkt  der  geeignetste  um  als 
feste  Vergleichsstation  für  die  Beobachtungen  an  den  Zwischen- 
punkten zu  dienen.  Außerdem  standen  mir  in  Seebruck  die 
Aufzeichnungen  des  dortigen  registrierenden  Seepegels  zur 
Verfügung,  welche  die  Seiches,  wenn  auch  nur  in  zehnfacher 
Verkleinerung,  so  doch  deutlich  genug  anzeigten,  um  die  ein- 
zelnen Schwingungen  herausfinden  zu  können.  An  der  ge- 
nannten Stelle  stand  das  Limnimeter  vom  14.  April  bis  10.  Juli, 
von  wo  ab  die  Wassertiefe  infolge  der  raschen  Senkung  des 
Seespiegels  durch  die  Tieferlegung  so  gering  wurde,  daß  eine 
Neuaufstellung  notwendig  wurde.  Etwa  100  m  nördlicher 
wurde  dieselbe  vorgenommen,  an  einer  Stelle,  wo  die  Wasser- 
tiefe bei  0  cm  Herrenwörther  Pegel  (im  folgenden  mit  H.  P. 
abgekürzt)  immer  noch  1,5  m  betrug.  Um  keine  Unterbre- 
chung in  der  Beobachtung  eintreten  zu  lassen,  registrierte  dort 
das  transportable  Limnimeter  vom  1.  Juni  bis   10.  Juli 


312  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

ununterbrochen  den  Wasserstand.    Von  da  ab  war  das  Sara* 
sin  sehe  Instrument  in  Tätigkeit  bis  1.  Januar  1905,  wo  be^ 
ginnende  Eisbildung  weitere  Beobachtungen  verhinderte.     Bei 
dem  Tauwetter  Ende  Februar  wurden  die  Beobachtungen  wiedeX" 
aufgenommen;  dabei  war  die  ganze  Bucht  noch  unter  starke x" 
Eisdecke.     Unerwarteter  Eisgang  am  12.  März  unterbrach  diö 
Untersuchungen,    da   das  Instrument  ans  Ufer  geschoben    und. 
beschädigt  wurde.     Ende  Mai  gelang   es  wieder,    dasselbe    an 
der  gleichen  Stelle   in  Tätigkeit   zu  setzen,    bis  Ende  Juli  die 
Beobachtungen  beendigt  werden  konnten.    Die  Bedienung  hatte 
wieder   wie    in   den  Vorjahren  Herr  Gasthofbesitzer  B.  Mayer 
in  freundlichster  Weise  übernommen. 

Im  folgenden  werden  nun  die  Seiches,  welche  aus  den 
Aufzeichnungen  in  Schafwaschen  herausgefunden  wurden,  ge- 
ordnet nach  ihrer  Dauer  aufgezählt. 

1.  Die  54  Min.-Seiche.  Die  Schwingung  wurde  erst 
nachträglich  bei  der  abermaligen  Vermessung  der  Limno- 
gramme  des  Jahres  1902  als  eigene  Seiche  des  Sees  erkannt. 
Die  größte  Reihe  umfaßt  aber  nur  sechs  Schwingungen  und 
die  Amplitude^)  erreicht  nur  10  mm.  Sie  ist  dabei  auch  nur 
bei  hohem  Wasserstande  (über  80  cm  H.  P.)  zu  finden ;  da 
dieser  Wasserstand  in  der  weiteren  Beobachtungszeit  nicht 
mehr  erreicht  wurde,  ist  die  Schwingung  auch  aus  den  neuen 
Limnogrammen  nicht  mehr  herauszufinden.  Als  Mittel  aus 
den  gemessenen  Reihen  ergibt  sich  53,8  Min.  (größte  Dauer 
55,2  Min.,  kleinste  51,6  Min,),  weshalb  sie  kurz  54  Min.-Seiche 
genannt  sei. 

2.  Die  43  Min.-Seiche.  Wie  in  den  Vorjahren  ist  sie 
auch  jetzt  noch  die  eigentliche  Seiche  dieser  Station  und  wenn 
nicht  rein,  so  doch  in  dikroter  Form  fast  immer  zu  erkennen. 
Die  größte  gelegentliche  Doppelamplitude  betrug  im  Jahre  1902 
300  mm,  im  Jahre  1904  160  mm  und  1905  185  mm.  Dabei 
nimmt  aber  die  Amplitude  aufeinanderfolgender  Schwingungen 


*)  Unter  Amplitude  ist  hier  wie  im  folgenden  immer  der  Abstand 
des  tiefsten  und  höchsten  Punktes  einer  Schwingung  Terstanden. 


A.  Endrös:  Die  Seescb wankungen  des  Chiemsees.  313 

rasch  ab  und  die  Reihen  der  Seiches  sind  im  Verhältnis  zu 
anderen  Seen  kurz.  Die  Dämpfung  ist  merkwürdigerweise  bei 
hohem  Wasserstande  eine  stärkere  als  bei  niedrigem.  Die  Dauer 
der  Seiche  änderte  sich  auch  diesmal  stark  mit  dem  Pegel- 
stande und  zwar  ging  der  Wasserstand  von  30  cm  H.  P.  auf 
—  57  cm  H.  P.  während  der  Beobachtungszeit  zurück  (in- 
folge der  Tieferlegung)  und  die  Dauer  nahm  mit  dem  Pegel- 
stande vom  höchsten  Werte  von  42,10  bis  39,34  Min.  ab,  so 
daß  der  Mittelwert  dieser  Beobachtungszeit  und  zugleich 
des  neuen  Mittelwasserstandes  von  0  cm  H.  P.  40,8  Min. 
rund  41  Min.  beträgt.  Die  Seiche  sei  daher  von  jetzt  ab 
41  Min.-Seiche  genannt.  Auf  die  Veränderungen  der  Perioden- 
dauer im  einzelnen  werde  ich  später  zurückkommen. 

3.  Die  37'/i  Min.-Seiche  ist  nur  an  einigen  Inter- 
ferenzkurven der  41  Min.-Seiche  zu  erkennen.  Da  die  Dauer 
derjenigen  der  ersteren  sich  nähert,  bilden  die  beiden  gleich- 
zeitig auftretenden  Schwingungen  die  früher  mit  Schwebung 
bezeichnete  Form  einer  Interferenzkurve,  wobei  auf  sechs 
Schwingungen  von  41  Min.  sieben  solche  von  rund  36  Min. 
kommen.  Die  Dauer  hat  also  um  ungefähr  1^2  Min.  gegen 
früher  abgenommen  und  wird  daher  im  folgenden  36  Min.- 
Seiche  genannt. 

4.  Die  frühere  29  Min.-Seiche  ist  auch  diesmal  neben 
der  41  Min.-Seiche  am  häufigsten  im  Schafwaschner  Limno- 
grarame  zu  finden.  Rein  tritt  sie  nie  auf;  nur  zu  Zeiten,  wo 
die  41  Min.-Seiche  rascher  gedämpft  wird,  klingen  manche 
Reihen  in  der  29  Min.-Seiche  aus.  Zeitweise  zeigt  sich  die- 
selbe mit  aufiallend  kleiner  Amplitude.  Die  größte  überhaupt 
gemessene  Amplitude  betrug  diesmal  80  mm.  Die  Dauer  der 
Seiche  änderte  sich  von  28,99  Min.  im  Mittel  bis  28,1  Min. 
Bei  dem  jetzigen  Mittelwasser  ist  dieselbe  28,5  Min.,  weshalb 
sie  nun  28^1 2  Min.-Seiche  heißt. 

5.  Die  18.  Min.-Seiche  ist  sehr  selten  in  Schafwaschen 
zu  erkennen.  Nur  wenn  die  Amplituden  der  Hauptschwin- 
gungen klein  sind,  konnte  sie  und  auch  dann  nur  einige  Male 


314  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

deutlich  erkannt  und  ihre  Phase   und  Amplitude   mit  anderen 
Punkten  verglichen  werden. 

6.  Die  11  Min. -Seiche  ist  aus  den  neuen  Aufzeich- 
nungen nur  einmal  deutlich  herauszufinden.  (2.  Juni  bei 
+  14  cm  H.  P.) 

7.  Die  frühere  8  Min. -Seiche.  Diese  Schwingung 
zackt  die  Kurven  jetzt  häufiger  aus  und  ist  besonders  im  Mo- 
mente des  Eintrittes  einer  starken  Denivellation  immer  und 
mit  größerer  Amplitude  vorhanden.  Doch  sind  gewöhnlich 
nur  kurze  Reihen  zu  messen.  Auffällig  ist,  daß  sie  bei  nied- 
rigem Wasserstande  und  zwar  bei  —  54  cm  H.  P.  in  sehr 
langen  Reihen,  bis  89  Schwingungen  nacheinander,  und  mit 
bedeutender  Amplitude,  bis  40  mm,  auftritt.  Einmal  war  dabei 
sogar  der  ganze  Schafwaschner  Winkel  noch  unter  starker  Eis- 
decke. Die  Dauer  dieser  Seiche  hat  besonders  stark  abge- 
nommen und  zwar  in  der  ganzen  Beobachtungszeit  von  8,57  Min. 
bis  6,40  Min.,  das  sind  um  25  "/o  der  ursprünglichen  Dauer, 
worauf  ich  ebenfalls  später  noch  zurückkommen  werde.  Sie 
sei  daher  zum  Unterschied  von  der  8  Min.-Seiche  des  Weitsees 
6,4  Min.-Seiche  genannt. 

8.  Die  3,8  Min.-Seiche.  Diese  ist  nur  einmal  bei  Pegel 
—  54  cm  zu  messen  gewesen  und  ist  eine  neue  Seiche, 
welche  früher,  auch  bei  der  nochmaligen  Durchsicht  der  Limno- 
gramme,  nicht  herauszufinden  war. 

5.  Die  Beobachtungen   an  weiteren  Zwischenpunkten. 

Um  die  Amplituden  und  Phasen  der  einzelnen  Seiches 
an  den  verschiedenen  neuen  Beobachtungspunkten  miteinander 
vergleichen  zu  können,  wurden  häufig  das  Schaf  waschen  er 
Limnimeter  und  das  transportable  Limnimeter  von  mir  per- 
sönlich kontrolliert  und  mit  übereinstimmenden  Zeitmarken 
versehen.  Dabei  wurde  beim  Beobachtungsgange  um  den  See 
und  beim  Vergleich  der  Limnogramme  besonders  auf  die  häufiger 
auftretenden  Seiches  geachtet,  da  bei  den  selten  auftretenden 
Seiches  oft  wochenlange  Aufzeichnungen  hätten  mnsonst  sein 


'im^m- 


A.  Endrös:  Die  Sceschwankungen  des  Ghiemsees. 


315 


können.  Häufig  wurden  nach  der  Kontrolle  der  Apparate 
noch  gleichzeitige  Aufzeichnungen  an  korrespondieren  Punkten 
mit  dem  Zeigerlimnimeter  gemacht  und  auch  diese  beim  Ver- 
gleich der  Phasen  und  Amplituden  der  Seiches,  wie  sie  in  dem 
Ergebnisse  in  den  folgenden  Tabellen  zusammengestellt  sind, 
benützt.  In  den  Tabellen  selbst  steht  unter  „T*^  die  aus  dem 
betreffenden  Limnogramme  gemessene  Dauer  der  Seiches  in 
Minuten.  Ist  die  Rubrik  freigelassen,  so  konnte  die  Schwin- 
gung an  dieser  Stelle  wohl  beobachtet,  aber  mit  ihrer  Dauer 
nicht  gemessen  werden.  Unter  „n"  steht  die  Anzahl  der 
Schwingungen  der  längsten  dort  aufgetretenen  Reihe.  Unter 
, Auftreten*  ist  angegeben,  wie  oft  die  Schwingung  gefunden 
wurde;  unter  „a*  steht  die  größte  dort  gemessene  Amplitude 
in  Millimetern,  unter  Vergleichsstation  der  Ort,  mit  welchem 
die  Amplituden  und  Phasen  der  betreffenden  Schwingungen 
verglichen  wurden;  unter  „  F**  das  Aniplitudenverhältnis  des 
Beobachtungsortes  und  des  Vergleichspunktes  in  Prozenten, 
wobei  das  zugefügte  Zeichen  die  Phase  der  Schwingung  angibt 
und  zwar  das  „-(-"Zeichen  die  gleiche  und  das  „  —  "Zeichen 
die  entgegengesetzte  Phase.  Die  Nummern  der  Stationen  geben 
an,  in  welcher  Reihenfolge  dieselben  verwendet  wurden;  mit 
diesen  Nummern  sind  sie  auch  in  die  Karte  eingetragen  (siehe 
Tafel  II). 


316  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


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A.EndrOs:  Die  SeeacbwankuDgeo  des  Cbiemiees.  317 


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318  Sitzung  der  math.-pbjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

18.  Sieebruck  (Station  II).  Nach  den  Beobachtungen  an 
den  Zwischenpunkten  wurde  das  transportable  Limnimeter  am 
20.  Oktober  04  nach  Seebruck  gebracht  und  zuerst  etwa  100  m 
östlich  des  früheren  Beobachtungspunktes  aufgestellt.  Es  sollten 
hier  die  Dauer  und  Häufigkeit  der  Schwingungen  des  Weitsees 
nach  der  Tieferlegung  beobachtet  werden.  Aus  den  früheren 
Beobachtungen  war  erwiesen,  daß  an  diesem  Punkte  alle  Seiches 
des  Weitsees  mit  größerer  Amplitude  auftreten.  Das  Limno- 
gramm  war  wieder  meistens  sehr  kompliziert;  doch  traten  wie 
in  den  Vorjahren  auch  diesmal  sämtliche  Seiches  zeitweise  in 
einfacheren  Kurven  deutlich  genug  auf,  um  ihre  Dauer  daraus 
messen  zu  können.  Außerdem  sollten  hier  die  Seeschwankungen 
des  Sees  für  die  Untersuchung  der  Ursachen  den  Winter  über 
beobachtet  werden;  da  die  Schafwaschener  Bucht  sich  jeden 
Winter  und  frühzeitig  schon  mit  Eis  bedeckt,  der  See  in 
Seebruck,  am  Ausflusse  aber  immer  eisfrei  bleibt,  war  die 
Registrierung  des  Wasserstandes  im  Winter  nur  hier  möglich. 
Herr  Oberauer,  der  auch  den  registrierenden  Alzpegel  be- 
dient, übernahm  wieder  die  Überwachung  des  Instrumentes. 
Derselbe  nahm  auch  selbständig  zweimal  eine  Versetzung  des 
Limnimeters  vor,  nachdem  eine  solche  durch  die  Änderungen 
des  Wasserstandes  notwendig  geworden  war.  Das  Instrument 
funktionierte  hier  ununterbrochen  bis  8.  April  1905.  In  folgen- 
der Tabelle  sind  die  Beobachtungen  zusammengestellt.  Da 
keine  Vergleichsbeobachtungen  in  dieser  Zeit  vorliegen,  sind 
hier  statt  der  früheren  Rubriken  nur  die  gemessene  mittlere 
Dauer  „T*  der  betreffenden  Seiche,  die  größte  Anzahl  auf- 
einanderfolgender Schwingungen  ^n*,  die  Häufigkeit  und  die 
größte  Amplitude  ^a**  angefügt. 


A.  EndrOs:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees. 


319 


1 

Die  Beobachtungen 

in  Seebruck  in  den  Jahren  1904/OS 

>. 

1904/06 

1902/03 

Nr. 

Seiche 

I  in 
Min. 

n 

Auftreten 

• 

a 

T 

i 

n 

Auftreten 

a 

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10 

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28,5 

6 

• 

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8 

« 

9 

3 

18      , 

18,00 

33 

öfters 

30  .  18,19 

25 

öfters 

37 

4    16      , 

15,40 

60 

immer 

100 

15,8 

50 

immer 

40 

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10,75 

46 

sehrhäufig 

123 

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12 

öfter 

15 

9,49 

18 

selten 

10 

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8,34 

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sehr  häufig 

25 

8,22 

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häufig 

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8,    7      . 

7,20 

38 

häufig 

30 

,    7,01 

31 

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10 

6.7    , 

5,70 

15 

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5 

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nie 

11 

6      . 

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5,00 

12 

selten 

4 

12|   4       , 

selten 

4.12 

72 

Öfters 

15 

18 

l 

— 

nie 

3,00 

30 

häufig 

25 

Die  zum  Teil  sehr  merklichen  Änderungen  der  Schwin- 
gimgsdauer  der  Seiches  und  der  Häufigkeit  ihres  Auftretens 
infolge  der  Tieferlegung  können  wir  ei*st  nach  der  Feststellung 
der  Schwingungsachse  und  der  Schwingungsbäuche  und  Knoten 
der  einzelnen  Seiches  näher  besprechen. 


II.  Die  Schwingungsformen  des  Chiemsees. 

1.  Die  41,  36  und  54  Min.-Seiche. 

Die  Amplituden  Verhältnisse,  welche  aus  den  mittleren 
Amplituden  möglichst  deutlicher  Schwingungsreihen  an  zwei 
yerschiedenen  Stationen  gebildet  wurden  und  die  in  obigen 
Tabellen  bereits  mitgeteilt  sind,  wurden  für  die  häufiger  auf- 
tretenden Seiches  in  die  beiliegende  Karte  auf  Tafel  III  Fig.  1 
bis  5  eingetragen.  Die  Amplitude  an  einem  Ende  der  Schwin- 
gungsachse ist  dabei  =100  gesetzt.  Die  eingefügten  Zeichen 
(+  und  — )  geben  die  Schwingungsphasen  an  den  betreffenden 
Punkten  an;  dieselben  wurden  in  den  See  selbst  eingetragen 
und   zwar   so,   dafi   ihre   Dichtigkeit  ein  Bild   der  Größe  der 


320  Sitzung  der  math.-pby8.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Amplitude  gewähren  kann.  Die  (4*  und  — )  Zeichen  sind  dabei 
in  Reihen  senkrecht  zur  horizontalen  Wasserbewegung,  also 
senkrecht  zur  Schwingungsachse  angeordnet.  Die  Knotenlinien 
sind  durch  stark  ausgezogene  Linien  angedeutet.  Die  Ampli- 
tuden Verhältnisse  selbst  können  natürlich  keinen  Anspruch 
auf  Genauigkeit  machen,  da  die  Amplituden  zweier  Punkte 
nach  der  Theorie  nicht  einmal  in  ganz  regelmäßigen  Seebecken 
in  konstantem  Verhältnisse  stehen.  Doch  gibt  die  gewonnene 
Verhältniszahl  einen  guten  Anhalt,  um  auf  die  Entfernung  des 
betreffenden  Punktes  von  der  Knotenlinie  zu  schließen. 

Die  41  Min. -Seiche  ist  nach  dieser  Zusammenstellung 
auf  Taf.  III  Fig.  1  die  uninodale  Längsschwingung  des 
Chiemsees  mit  der  Schwingungsachse  Schafwaschen- 
Seebruck.  Die  Knotenlinie  geht  durch  die  Südspit^e 
der  Herreninsel  gegen  Mühlen  zu.  Die  Kommunikation 
nördlich  der  Herreninsel  nimmt  ebenfalls  an  der  Schwingung 
teil,  wie  die  Beobachtungen  an  der  Nordspitze  der  Herren- 
insel und  in  Kailbach  ergeben  haben.  Dabei  hat  Schafwaschen 
die  sechsfache  Amplitude  von  Seebruck,  wie  schon  früher  her- 
vorgehoben wurde  (s.  P.  I,  S.  48).  Das  Amplitudenverhältnis 
nähert  sich  nach  den  neuen  Ergebnissen  noch  mehr  dem  um- 
gekehrten Verhältnis  der  beiden  Seeäächen,  wie  sie  durch  die 
Knotenlinie  voneinander  getrennt  werden,  weil  der  größere 
Teil  des  Mühlener  Winkels  noch  zum  östlichen  Teile  kommt. 
Das  Verhältnis  ist  das  größte  bis  jetzt  an  Seen  beobachtete. 
Daß  die  Fraueninsel  die  Amplitude  —  5  hat,  während  das 
von  der  Knotenlinie  entferntere  Hagenau  und  Ostad  0  haben, 
läßt  vielleicht  schließen,  daß  an  den  seichten  Ufern  die  Am- 
plituden geringer  sind  als  in  der  Mitte  des  Sees;  dies  wäre 
eine  Bestätigung  der  Vermutung,  wie  sie  Chrystal  und  Mac- 
lagan-Wedderburn  auf  Ghrund  theoretischer  Betrachtungen 
ausgesprochen  haben. ') 


*)  Chrystal  and  Maclagan  Wedderbum  «Calculation  of  the  periods 
and  nodos  of  lochs  Eam  and  Treig,  from  the  bathymebric  ^ata  of  the 
acottiah  Lake-Survey.    Triui«.  of  the  Boy.  Soa  of  Edi^l»l]]:gh  4L.  Hl  1905. 


K.  Kndrös:  Die  SreschwankiniLrcii  cle>  rliit-iii-fe'-.  '»-1 

Die  3(3  Min. -Seiche  (trübere  37^/2  Miii. -Seiche)  war  bei 
den  ersten  Untersuchungen  nur  in  dem  Schaf waschener  Liinno- 
gramme  und  da  nur  in  der  Höchstzahl  von  neun  aufeinander- 
folgenden Schwingungen  beobachtet  worden.  Nun  liegen  neue 
Beobachtungen  von  dieser  Seiche  am  Ein-  und  Ausgang  des 
Rinnganges  vor.  Dort  ist  sie  häufiger  und  deutlicher  zu  er- 
kennen, weil  die  29^/»  Min.-Seiche  speziell  am  Ausgang  ganz 
fehlt  und  die  41  Min.-Seiche  kleinere  Amplituden  als  in  Schaf- 
waschen hat.  Da  die  Amplitude  der  36  Min.-Seiche  am  Rinn- 
gang kleiner  ist  als  in  Schafwaschen  und  die  Schwingung  an 
beiden  Punkten  gleiche  Phase  hat,  ist  sie  gegen  Schafwaschen 
und  nicht  gegen  Kailbach  gerichtet,  wie  früher  vermutet  (s.  P.  I, 
S.  64).  Auch  die  Beobachtung  im  Kailbachwinkel  bestätigt 
dies,  da  die  Seiche  dort  nie  aus  dem  Limnogranune  herauszu- 
finden ist,  wo  sie  doch  die  gröite  Amplitude  hätte  haben 
müssen.  Daß  sie  im  Weitsee  aus  den  Aufzeichnungen  der 
Limnimeter  nicht  herausgefunden  werden  konnte,  erklärt  sich 
aus  dem  nämlichen  Grunde,  warum  die  41  Min.-Seiche  dort 
so  lange  nicht  nachzuweisen  war;  sie  muß  eben  dort  gemäß 
dem  Verhältnisse  der  größeren  schwingenden  Flächen  eine  be- 
deutend kleinere  Amplitude  haben  als  in  Schafwaschen,  wo 
dazu  die  Amplitude  der  36  Min.-Seiche  selbst  nie  bedeutend 
war.  Eine  günstige  Beobachtung  bei  den  Vorversuchen 
im  Jahre  1901  aber  verzeichnet  in  Chieming  einen  symme- 
trischen Kurvenzug  von  genau  36  Min. -Dauer  mit  nur  1'/«  mtn 
Amplitude;  die  Beobachtung  dauerte  52  Min.,  so  daß  nur  ein 
ganzer  Kurvenzug  vorliegt.  Aus  den  früher  erwähnten  Gründen 
(S.  307)  darf  man  in  nur  einem  solchen  symmetrischen 
Kurvenzuge  eine  eigene  Schwingung  des  Sees  erblicken.  Die 
Beobachtungen  deuten  also  darauf  hin,  daß  wir  in  der  36  Min.- 
Seiche  eine  uninodale  Schwingung  Schafwaschen  — 
Südufer — Chieming  gefunden  haben,  wenn  die  Wasser^ 
masse  nur  südlich  der  Herreninsel  schwingt,  wofür  wir  weiter 
unten  an  der  Hand  der  Theorie  noch  eine  Bestätigung  finden 
werden. 

Die  54  Min.-Seiche  konnte  nur  aus  den  früheren  Limno- 


322  Sitzung  der  math.-phjB.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

grammen  herausgefunden  werden  und  da  nur  bei  hohem  Wasser- 
stande (über  80  cm  H.  P.).  Da  die  Schwingung  in  der  Zeit, 
wo  Zwischenbeobachtungen  gemacht  wurden,  nämlich  seit 
20.  Juni  1902  überhaupt  nicht  mehr  oder  nur  in  1  bis  2 
Schwingungen  von  wenigen  Millimetern  Amplitude  aufgetreten 
ist  —  es  blieb  eben  der  Wasserstand  immer  unter  80  cm  — , 
so  liegen  für  diese  Seiche  keine  Vergleichsbeobachtungen  vor 
und  es  können  solche  wohl  kaum  mehr  bescha£Ft  werden,  da 
der  See  wohl  nie  mehr  längere  Zeit  einen  so  hohen  Wasser- 
stand erreichen  dürfte.  Dennoch  glaube  ich  mit  großer  Wahr- 
scheinlichkeit inder  54Min.-SeicheeineuninodaleSchwin- 
gung  in  der  Richtung  Schafwaschen —Nordufer  der 
Herreninsel — Chieming  gefunden  zu  haben.  Als  Seiche 
längs  der  größten  Achse  haben  wir  nämlich  schon  die  41  Min.- 
Seiche  durch  direkte  Beobachtung  nachweisen  können.  Eine 
Schwingung  erhält  nach  ChrystaP)  aber  eine  verhältnismäßig 
große  Periode,  wenn  das  Becken  am  Knoten  konvex  ist.  Und 
bei  Urfahre^  erhebt  sich  der  Seeboden  bis  12  m  unter  Wasser 
und  gleichzeitig  findet  sich  hier  eine  starke  Einschnürung  des 
Sees  mit  einer  Breite  von  500  m.  Ein  Beispiel  einer  unge- 
wöhnlichen Periodenverlängerung  durch  die  ganz  gleichen  Um- 
stände habe  ich  am  Wagingersee  gefunden,  wo  die  Haupt- 
schwingung bei  einer  Seelänge  von  nur  11  km  eine  Dauer 
von  62  Min.  hat.*)  Auch  der  Umstand,  daß  die  Seiche  von 
54  Min.  nur  bei  hohem  Wasserstand  auftrat,  spricht  für  die 
Annahme.  Bei  Hochwasser  nämlich  ist  der  Querschnitt  des 
Sees  an  der  Stelle  Urfahren  —  Herreninsel  ungefähr  500  m 
breit  und  hat  dann  bei  einer  mittleren  Tiefe  von  rund  4  m 
eine  Fläche  von  rund  2000  m^  Bei  den  flachen  Ufern  nimmt 
aber  die  Breite  des  Querschnittes  mit  dem  Wasserstande  rasch 
ab;  sie  beträgt  nach  meinen  Schätzungen  bei  dem  jetzigen 
Mittelwasser  nur  noch   rund  400  m,   so   daß  der  Querschnitt 


M  Chrystal,  H.  T.  8.  zitiert  S.  807. 

*)  A.   Endrös,   Die  Seiches  des  Waginger — Tachingersees ;   diese 
Sitzungsberichte  Bd.  35.  1905,  U.  III,  S.  447. 


4^7*«? 


A.  Endrds:   Die  Seeschwankungen  des  Cbiemsees.  323 

bei  einer  mittleren  Tiefe  von  2^1%  m  nur  mehr  50  **/o  des 
vorigen,  nämlich  1000  m^  ausmacht.  Die  Periode  muü  sich 
nach  Chrystal  mit  der  Verkleinerung  des  Querschnitts  be- 
deutend yerlängem  und  die  Dämpfung  noch  stärker  werden, 
als  sie  an  sich  schon  ist.  In  der  Tat  linden  sich  nur  mehr 
1  bis  2  Kurvenzüge  vor.  Ein  weiterer  Umstand  spricht  für 
obige  Annahme,  nämlich  daß  die  Schwingung  nur  bei  plötz- 
lichem Nachlassen  des  reinen  Ostwindes  zweimal  in  Reihen 
bis  zu  sechs  Schwingungen  aufgetreten  ist.  Auf  die  Stich- 
haltigkeit dieses  Argumentes  möchte  ich  aber  erst  bei  Be- 
sprechung der  Ursachen  der  Seiches  näher  zurückkommen. 
Wir  haben  sonach  am  Chiemsee  das  merkwürdige  Er- 
gebnis, daß  der  See  drei  uninodale  Seiches  verschie- 
dener Dauer  hat,  wovon  alle  drei  ein  Ende  der  Schwin- 
gungsachse, nämlich  das  westliche,  gemeinsam  haben; 
während  das  östliche  Ende  der  einen,  der  41  Min.-Seiche,  am 
Nordende,  in  Seebruck,  sich  befindet,  schwingen  sehr  wahr- 
5u;heinlich  die  beiden  anderen  gegen  Chieming.  Dies  Ergebnis 
entspricht  ganz  der  Oberflächen-  und  Beckenform  des  Sees, 
bei  der  Chieming  als  Ende  einer  Seeachse  ebenso  in  Betracht 
kommt  wie  Seebruck ;  die  Geographen  haben  in  der  Tat  auch 
zum  größten  Teile  die  Länge  des  Sees  von  Schafwaschen  nach 
Chieming  oder  Grabenstädt  hin  gemessen,^)  obwohl  die  Ent- 
fernung Irschner  Winkel — Seebruck  etwa  500  m  länger  ist. 
Die  Teilung  des  Beckens  durch  die  Herreninsel  schafft  dazu 
zwei  Wege  für  die  sich  bei  der  Seichesbewegung  west-  und 
wieder  ostwärts  bewegenden  Wassermassen,  welche  wegen  der 
verschiedenen  Tiefe  Perioden  von  verschiedener  Dauer  bedingen. 
Schwingt  das  Wasser  überwiegend  in  dem  nördlichen  Rinn- 
sale, so  haben  wir  die  54  Min.-Seiche,  im  anderen  Falle  die 
36  Min.-Seiche.  Jedenfalls  stören  sich  die  beiden  Schwingungen 
gegenseitig,  worin  wohl  auch  ein  Grund  für  das  seltene  und 
kurze  Auftreten  der  einen  wie  der  anderen  zu  suchen  ist.  In 
der   Seichesliteratur   haben    wir   schon   ein   Beispiel    für    zwei 


*)  E.  Bayberger,  Der  Chiemsee,  S.  8  zit.  S.  298. 

I9(M.  SiUimgsb.  d.  math.-phyB.  KL  22 


324  Sitzung  der  math.-pliys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

uninodale  Längsschwingungen,  nämlich  am  Neuenburger- 
see.^)  E.  Sarasin,  der  die  größeren  Schweizer  Seen  auf  ihre 
Seiches  untersucht  hat,  wählte  eigens  diesen  See  wegen  seiner 
ausgesprochenen  Längsrichtung  und  regelmäßigen  Umrißform 
und  erwartete  dort  dementsprechend  regehnäßige  Schwingungs- 
verhältnisse zu  finden.  Die  Untersuchung  aber  ergab  ganz 
unregelmäßige  Seiches,  unter  welchen  eine  Schwingung  von 
50  Min.  und  eine  zweite  von  39,5  Min.,  aber  nur  in  Reihen 
von  höchstens  5  bis  10  Schwingungen  zu  messen  waren.  Am 
Neuenburgersee  teilt  nämlich  ein  unterseeischer  Rücken,  der 
sich  stellenweise  bis  8  Meter  unter  Wasser  erhebt,  das  Becken 
in  zwei  Rinnen,  wovon  die  westliche  in  der  Mitte  eine  größte 
Tiefe  von  153  m,  die  östliche  aber  nur  von  94  m  erreicht. 
Die  Eigenschwingungen  der  beiden  Teilbecken  müssen  des- 
halb verschiedene  Dauer  haben  und  stören  sich  auch  gegen- 
seitig, wie  Sarasin  selbst  erwähnt.  Die  39,5  Min.-Seiche  ist 
sehr  wahrscheinlich  die  uninodale  Seiche  der  westlichen  und 
die  50  Min.-Seiche  diejenige  der  östlichen  Rinne,  worauf  Forel 
ausdrücklich  aufmerksam  macht/'')  Am  Chiemsee  sind  die  Um- 
stände für  zwei  Schwingungen  verschiedener  Dauer  noch  gün- 
stiger, da  hier  der  trennende  Rücken  als  Insel  sich  noch  über 
den  Wasserspiegel  erhebt. 

2.  Die  uninodalen  Seiches  und  die  Theorie. 

Die  P»  Du  Boyssche  Methode  der  Berechnung  der 
Perioden  einknotiger  Seiches  hatte  speziell  für  den  Chiem- 
see einen  mit  der  Beobachtung  sehr  befriedigend  über- 
einstimmenden Wert  ergeben.  Die  Dauer  der  Haupt- 
schwingung war  bei  Mittelwasser  vor  der  Tieferlegung 
zu  42,68  Min.^)  beobachtet  und  zu  42,22  Min.  berechnet  worden 


^)  Ed.  Sarasin,  Les  Seiches  du  Lac  deNeuchätel;  Arch.  de  Geneve 
28.  256. 

2)  Forel,  Le  Lemau  II,  S.  158. 

^)  Bei  den  folgenden  theoretischen  Betrachtungen  sind  zunächst 
nur  die  Mittelwerte  des  früheren  WaaaerBtandes  und  die  früheren  Tiefen 
benützt. 


A.  Endrös:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  325 

(P.  I,  S.  59),  welcher  Wert  sich  mit  Benützung  der  neuen 
Lotungen  zu  43,0  Min.  erhöbt  und  der  damaligen  Beob- 
achtung also  noch  näher  kommt.  Seit  dem  hat  nun  Chrystal 
eine  neue  exakte  Theorie  der  Seiches  veröflFentlicht. ')  Die 
neue  Theorie  hat  bereits  am  Loch  Earn  und  Treig*)  sehr  be- 
friedigende Resultate  geliefert  und  zwar  nicht  nur  für  die 
uninodalen,  sondern  auch  für  die  mehrknotigen  Seiches,  bei 
welchen  die  Du  Boyssche  Theorie  vollständig  versagt  hatte. 
Auch  die  Ergebnisse  am  Waginger-Tachingersee^)  wurden  nur 
durch  die  Chrystalsche  Theorie  verständlich. 

Obwohl  nun  der  Chiemsee  schon  im  voraus  zu  einer 
exakten  Behandlung  nach  der  Chrystalschen  Theorie  nicht 
geeignet  sich  erweist,  da  er  sehr  rasche  Querschnitts- 
änderungen besitzt  und  dazu  eine  große  Breitenentwick- 
lung gegenüber  seiner  Längenausdehnung  hat,  habe 
ich  dennoch  die  Normalkurve  des  Sees  längs  der  Achse 
der  41  Min. -Seiche  gezeichnet,  welche  auf  Taf.  II  links  oben 
mitgeteilt  ist.  Dazu  wurden  18  Querschnitte  senkrecht  zum 
erwähnten  Talwege  Seebruck-Südufer-Schafwaschen  gelegt,  wie 
.sie  in  der  Karte  auf  Taf.  II  angedeutet  und  numeriert  sind. 
Dieselben  wurden  in  vergrößertem  Maßstabe  gezeichnet,  ihre 
Flächeninhalte  gemessen,  mit  der  Oberflächen  breite  multipliziert 
und  als  Ordinaten  in  die  Kurve  eingetragen,  deren  Abszissen 
die  Seeflächen  von  Seebruck  bis  zu  dem  betreffenden  Quer- 
schnitte sind.  Im  Maßstab  der  Ordinaten  ist  1  mm  =  10^  m^ 
und  dem  der  Abszissen  1  mm  =  50'  m*. 

Eine  besondere  Schwierigkeit  bei  Aufstellung  der  Normal- 
kurve bieten  an  unregelmäßigen  Seen  und  besonders  am  Chiem- 
see die  Verzweigungen  des  Talweges.  So  laufen  vom  tief- 
sten Punkte  des  Weitsees  aus  eine  Rinne  gegen  Seebruck-Ost, 
eine  zweite  gegen  Seebruck-West,  eine  dritte  gegen  Mühlen, 
eine  vierte  gegen  Qrabenstädt  und  eine  fünfte  gegen  Chieming. 

M  CliryBtal,  H.  T.  S.,  zit.  S.  307. 

')  Chrystal  and  E.  Maclagan-Wedderburn,  Calculation,  zit.  S.  320. 
^)  Endrös,    Die   Seiches   des    Waginger-Tachingersees :   diese    Zeit- 
schrift 35,  1905  H.  III,  S.  460. 

22* 


326  Sitzung  der  math.-phys.  blasse  vom  5.  Mai  1906. 

Doch  ist  für  die  41  Min.-Seiche  auf  Grund  der  zahlreichen  Be- 
obachtungen ein  Zweifel  über  die  Richtung  des  Talweges  fast 
ausgeschlossen. 

Aus  der  so  erhaltenen  Normalkurve  treten  ganz  deutlich 
die  vier  plötzlichen  Querschnittsänderungen  bei  Punkt 
9,  12,  15  und  17  hervor.  Dieselben  üben  jedenfalls  auf  die 
Dauer  der  einzelnen  Schwingungen  je  nach  der  Entfernung  der 
betreffenden  Einschnürungen  von  den  Knotenlinien  einen  be- 
deutenden Einfluß  aus.  Außerdem  verursachen  sie  sehr  wahr- 
scheinlich die  Instabilität  mancher  Schwingungen,  deren  Knoten 
in  die  Nähe  dieser  Seestellen  fallen,  ohne  mit  denselben  genau 
zusammenzufallen.  Auf  die  Dauer  der  41  Min.-Seiche  übt  wohl 
besonders  die  konvexe  Stelle  bei  Punkt  12  der  Normalkurve 
eine  verlängernde  Wirkung  aus,  da  der  Knoten  dieser  Schwin- 
gung dorthin  fallt.  Eine  exakte  Berechnung  der  Seicheskon- 
stanten, welche  auch  an  der  vorliegenden  Kurve  trotz  der  Ein- 
engungen durch  Annähern  an  Stücke  von  Parabeln  und  geraden 
Linien  nach  Chrystal  vorgenommen  werden  könnte,  kann  aber 
aus  einem  weiteren  Gründe  keine  brauchbare  Annäherung  lie- 
fern. Die  Koordinaten  des  Kurvenzuges  im  Inselsee  sind  gegen- 
über denjenigen  für  den  Weitsee  verschwindend  klein  und  ihre 
Verhältnisse  gehen  in  die  zur  Auswertung  der  Seicheskonstanten 
vorzunehmenden  Rechnungen  ein. 

Da  man  also  am  Chiemsee  auf  die  Anwendung  der  exakten 
Theorie  verzichten  muß,  ist  man  auf  Annäherungsformeln  ange- 
wiesen und  da  gerade  hier  die  P.  Du  Boyssche  Theorie  einen 
so  gut  übereinstimmenden  Wert  für  die  Dauer  der  41  Min.- 
Seiche  geliefert  hat,  möchte  ich  im  folgenden  an  der  Hand  der 
Chrystalschen  Theorie  kurz  untersuchen,  für  welche  Becken- 
formen die  genannte  Formel  brauchbare  Werte  für  die  uni- 
nodale  Schwingungsdauer  ergibt. 

P.  Du  Boys  gelangte,  wie  Chrystal  durch  seine  neue  Theorie 
uns  lehrt,  durch  ungenaue  Anwendung  der  Theorie  fort- 
schreitender Wellen,    sogenannter    „ Einzelwellen *,  auf    die 

i   dl 
stehenden  Wellen  zu  der  Formel:  T=  2  f  — r — ,  wobei  T  die 


A.  Endrös:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees. 


327 


Dauer  der  uninodalen  Seiche  eines  Becken  von  der  Länge  l  und 
der  veränderlichen  Tiefe  h  bedeutet.  Die  Integration  ist  dabei 
längs  der  Linie  der  größten  Tiefe  vorzunehmen.  Die  Unzu- 
länglichkeit dieser  Formel  ist  besonders  deutlich  ersichtlich  bei 
der  Anwendung  derselben  auf  vier  verschiedene  Chrystalsche 
Seentypen,  nämlich  auf  einen  See  mit  symmetrisch  paraboli- 
schem Längsschnitt  und  einen  solchen  mit  halb  parabolischen, 
von  denen  also  ersterer  seine  größte  Tiefe  in  der  Mitte  und 
letzterer  an  einem  Ende  der  Längsachse  hat,  ferner  auf  einen 
See,  dessen  Längsschnitt  aus  zwei  symmetrisch  gegen  die  tiefste 
Stelle  geneigten  Geraden  besteht  und  einen  derartigen,  dessen 
Längsschnitt  eine  einzige,  gegen  die  am  Seende  befindliche  größte 
Tiefe  geneigte,  gerade  Linie  ist.  Die  vier  Seen  sollen  sämt- 
liche die  gleiche  Länge  „2'^  und  dieselbe  Maximaltiefe  ^h*^  be- 
sitzen und  außerdem  konstante  Breite  und  überall  rechteckigen 
Querschnitt  haben.  Die  Gleichung  zwischen  der  veränderlichen 
Tiefe  h  und  der  Länge  x  hat  bei  den  beiden  erstgenannten,  den 
parabolischen  Schnitten,  die  Form: 


-K-5) 


und  bei  den  geradlinigen  die  Form: 


'  a 


l 


wobei  a  bei  den  symmetrischen  Seen  =  --,  der  halben  See- 
länge, und  bei  den  asymmetrischen  =  l,  der  ganzen  Seelänge 
ist.    Die  Integration  ergibt  fQr  beide  parabolischen  Kurven: 


T  = 


71 


l 


Wh 


und  für  beide  geradlinigen: 


T  = 


Vgh 


=  1,27 


n  l 

Vgh 


328 


Sitzung  der  matb.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


Der  Übersicht  halber  stelle  ich  in  folgender  Tabelle  die 
nach  Du  Boys  berechnete  Dauer  mit  der  von  Chrystal  nach 
seiner  exakten  Theorie  berechneten  zusammen  und  füge  in  der 
letzten  Rubrik  die  Abweichung  der  Du  Boysschen  Dauer  in 
Prozenten   md  Td^  an: 


Form  des  Längsschnittes  i  T  nach  Du  Boys     2'  nach  Cbrysial 


d  Tu  in  0/0 


1.  Parabolisch 

2.  Halbparabolisch 

3.  Symmetrisch  gerad- 

linig 

4.  Geradlinig 


1,00-^ 

Vyh 

1,00    , 
1,27     , 

1.27     , 


0,70- 


jzl 


\9h 


0,82 
0,83 


1,05    , 


+  43 

+  22 
+  65 

+  21 


Aus  der  Tabelle  ersieht  man  zunächst  deutlich,  daß  die 
uninodale  Schwingungsdauer  für  alle  vier  Seentypen  nach 
P.  Du  Boys  zu  groß  wird  und  zwar  bei  symmetrischen 
Seen  viel  mehr  als  bei  asymmetrischen.  Ferner  soll  nach 
P.  Du  Boys  ein  symmetrisch  parabolischer  See  dieselbe  Dauer 
haben  wie  ein  halb  parabolischer  und  ein  symmetrisch  gerad- 
liniger die  gleiche  wie  ein  geradliniger.  Die  P.  Du  Boyssche 
Formel  nimmt  eben  keine  Rücksicht  auf  die  Lage  des 
Knotens  in  Bezug  auf  die  größte  Tiefe.  Chrystal  macht 
uns  die  Schwingungsverhältnisse  verständlich  durch  das  Beispiel 
einer  vertikal  gespannten  schwingenden  Saite,  wobei  nur  die 
Längs-  und  Querbewegungen  zu  vertauschen  sind.  Wie  näm- 
lich eine  Saite  mit  der  geringsten  Dichtigkeit  in  der  Mitte  eine 
kleinere  Schwingungsdauer  besitzen  muß  als  eine  gleichlange, 
deren  geringste  Dichtigkeit  am  Ende  ist,  so  muß  ein  See  mit 
der  größten  Tiefe  in  der  Mitte  auch  eine  kleinere  uninodale 
Schwingungsdauer  haben  als  ein  solcher,  der  seine  größte  Tiefe 
am  Ende  hat.  Die  beiden  Schwingungsvorgänge  stimmen  wegen 
der  Analogie  der  ihnen  zugrunde  liegenden  Diflferential^ei- 
chungen  vollständig  überein. 

Aus  obigen  Betrachtungen  lernen  wir  den  Grund  kennen, 
warum    die    P.   Du  Boyssche   Formel   gerade   für   die    Haupt- 


A.  EndrÖH:  Die  Seeschwankungen  des  Cbiemsees.  329 

Schwingung  des  Cbiemsees  eine  so  gute  Annäherung  ergibt. 
Der  Chierasee,  der  ein  vollständig  konkaver  See  ist,  hat  näm- 
lich eine  zu  große  Schwingungsdauer  im  Verhältnis  zu  seiner 
Lange  und  Tiefe,  weil  der  Knoten  nicht  an  die  tiefste  Stelle 
des  Sees  fällt,  sondern  im  seichten  Inselsee  liegt  und  dazu  noch 
mit  einer  plötzlichen  Beckeneinengung  zusammenfallt.  Letztere 
bewirkt  ebenso  wie  die  geringe  Tiefe  eine  Verlängerung  der 
Periode,  wie  ich  besonders  am  Waginger-Tachingersee  gefun- 
den habe.^)  Zum  Vergleiche  möchte  ich  hier  die  Abweichungen 
der  nach  P.  Du  Boys  berechneten  Dauer  von  der  beobach- 
teten für  eine  Anzahl  von  Seen  anfügen.  Dieselbe  beträgt  am 
Chiemsee  -\-  1%*,*)  am  Vierwaldstättersee  +  2^/o*,  am  Genfer- 
see  ebenfalls  +  2<>/o,^)  am  Loch  Treig  +  12^/o,*)  am  Madtisee 
+  17<>/o*,  am  Starnbergersee  +  18  ^/o*,  am  Loch  Eam  +  22 «/o,*) 
am  Bodensee  +  23°/^*,  am  Wagingersee  +  3l®/o*  der  beob- 
achteten Dauer.  Wie  für  den  Chiemsee,  so  gibt  also  auch  für 
den  Genfer-  und  Vierwaldstättersee  die  P.  Du  Boyssche  Formel 
sehr  angenäherte  Werte  für  die  Periodendauer  der  uninodalen 
Seiches.  Li  allen  drei  Seen  ist  eben  der  Knoten  gegen  das 
seichtere  Ende  des  Sees  hin  verschoben  und  iUllt  dazu  an  eine 
plötzliche,  starke  Einschnürung  des  Beckens.  Die  Dauer  wird 
durch  beide  Umstände  so  verlängert,  daß  sie  der  sonst  bedeu- 
tend zu  großen  Dauer  nach  P.  Du  Boys  sich  nähert.  Die 
Dauer  nach  Du  Boys  weicht  aber  um  so  mehr  ab,  je  näher 
der  Knoten  der  tiefsten  Stelle  des  Sees  zu  liegen  kommt,  wie 
beim  Loch  Eam,  beim  Bodensee  und  Wagingersee.  Somit  ist 
auch  durch  die  Ergebnisse  an  den  bereits  untersuchten  Seen 
bestätigt,  daß  die  P.  Du  Boyssche  Formel  in  konkaven, 
stark  asymetrischen  Seen  eine  gute  erste  Annäherung 
für  die  Periode  der  uninodalen  Seiche  eines  Sees  ergibt, 
daß  aber  dieselbe  um  so  stärker  abweicht,  je  näher  der 
Knoten  der  tiefsten  Stelle  eines  Sees  liegt. 

')  A.  Endrös,  Die  Seiches  des  Waginger-Tachingersees,  zit.  S.  322. 
*)  Die  mit  *  bezeichneten  Zahlenangaben  habe  ich  selbst  berechnet. 
«)  Forel,  La  Libman  IT  S.  124, 
*)  Chrystal  und  Maclagan-Wedderbum,  Calculation,  zit.  8.  320. 


330  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1905. 

Da  die  Beckenverhältnisse  für  die  36  Min. -Seiche  des 
Chiemsees  in  der  Richtung  Schafwaschen-Südufer-Chieming  ganz 
ähnliche  wie  bei  der  41  Min.-Seiche  sind,  dürfen  wir  auch  zur 
Berechnung  dieser  Schwingungsdauer  die  P.  Du  Boyssche 
Formel  benützen.  Die  Berechnung  ergibt  in  der  genannten 
Richtung  38,2  Min.,  also  einen  Wert,  der  mit  dem  bei  früherem 
Mittelwasser  beobachteten  von  37VaMin.  auf  +3%  überein- 
stimmt. Wir  dürfen  daher  in  dieser  guten  Übereinstimmung 
eine  Bestätigung  unserer  Deutung  der  Beobachtungsergebnisse 
erblicken. 

Wenden  wir  zur  Berechnung  der  Dauer  der  54  Min.- 
Seiche  die  Du  Boyssche  Theorie  an,  so  erhalten  wir  in  der 
Richtung  Chieming-Urfahren-Schafwaschen  36,1  Min.  Die  Dauer 
bleibt  also  bedeutend  unter  dem  beobachteten  Werte  und 
zwar  um  33 ^/o.  Das  Gleiche  konnte  ich  bei  der  Hauptseiche 
des  Waginger-Tachingersees  konstatieren,  wo  die  berechnete 
Dauer  von  36  Min.  um  44®/o  unter  der  beobachteten  von  62  Min. 
zurückbleibt.  Ich  habe  schon  oben  S.  322  auf  die  ganz  ähn- 
lichen Beckenverhältnisse  längs  der  Schwingungsachsen  der 
beiden  Seiches  hingewiesen.  Der  Knoten  beider  Schwingungen 
fallt  nämlich  mit  einer  seichten  und  stark  eingeengten  Seestelle 
zusammen,  so  daß  die  Seen  in  der  Mitte  konvex  sind,  wodurch 
nach  der  Chrystalschen  Theorie  die  betreffende  Periodendauer 
stark  verlängert  wird.  Die  genannte  Theorie  gibt  nämlich 
für   einen  See   mit   konvexem   parabolischen  Längsschnitt   für 

T^  0,61  — TT^rr,    wobei  h   die   kleinste  Tiefe   am   Scheitel   der 

Vgh' 

71  l 

Parabel  ist,  und  nach  P.  Du  Boys  erhält  man  0,26-^:==:i,  also 

vgh 

eine  Dauer,  welche  um  55®/o  unter  der  nach  der  exakten 
Theorie  berechneten  zurückbleibt.  Wir  sehen  sonach,  daß  auch 
theoretisch  die  Schwingung  in  der  angenommenen  Richtung 
möglich  ist. 

Die  Lage  der  Knoten  der  uninodalen  Seiches  kann 
mit  Vorteil  nach  der  Du  Boysschen  Theorie  berechnet 
werden.      Am   Wagingersee  konnte  ich   wiederholt   auf  das 


MP«EmK 


A.  Endrös:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees. 


331 


übereinstimmende  Ergebnis  von  Berechnung  und  Beobachtung 
hinweisen.  Auch  der  Knoten  der  41  Min. -Seiche  am  Ghiem- 
see  tallt  nach  Berechnung  sehr  nahe  mit  dem  beobach- 
teten Knoten  südöstlich  der  Herreninsel  zusammen. 
Der  Knoten  der  36  Min.-Seiche  fallt  nach  Berechnung  P/akm 
westlicher  und  derjenige  der  54  Min.-Seiche  in  den  Mühlener 
Winkel.  Die  beiden  letzten  Knoten  konnten  aus  den  schon 
angegebenen  Gründen  nicht  beobachtet  werden. 

3.  Die  Änderungen  der  Dauer  der  uninodalen  Seiches. 

Die  Dauer  der  41  Min.-Seiche  änderte  sich  am  Chiemsee 
stark  mit  dem  Pegelstande.  Da  der  Unterschied  zwischen 
dem  höchsten  und  tiefsten  Stande  166  cm  beträgt,  dürfte  es 
von  Interesse  sein  die  früheren  Beobachtungen  mit  den  neuen 
zusammenzustellen,  was  in  folgender  Tabelle  geschehen  ist. 
In  der  ersten  Rubrik  steht  die  Zeit,  in  welcher  die  betreffenden 
Messungen  gemacht  wurden;  in  der  zweiten  der  Pegelstand  in 
cm  H.  P.;  in  der  dritten  die  Mittelwerte  der  Dauer  in  Min., 
in  der  vierten  abweichende  Mittelwerte  in  der  beigefügten  Zeit 
bezw.  bei  dem  angegebenen  Pegelstande  (vgl.  P.  I.,  S.  62). 

Die  Dauer  der  41  Min.-Seiche  und  der  Pegelstand. 


Beobach  ta  ngszeit 


2. 4.-4.  7. 1902 


3.5.- 
7.7.- 
1.9.- 

9.11. 

28.4.- 

25. 6.- 
9.5.- 

29. 8. 

19. 6. 

25.9. 

10. 7.- 
14. 12.- 


-22.  5. 1902 

25.  8. 1902 

6.11.1902 

11.1.1903 

-9.  5. 1904 

-8.  6. 1904  , 

24.  5. 1904| 

-26. 9. 1904  j 

10.  7. 1904^ 

4. 12. 1904/ 

-26. 8. 1904) 

12.8.1905/ 


Abweichende  Mittelwerte 


109  bis  86       '  43,90 


86  .  68 

43,34 

68  ,  50 

42,83 

50  ,  30 

43,13 

30  .  10 

42,15 

+  10  ,  - 

10 

41,38 

-10  .  - 

30 

41,00 

zwischen  3.  4.  und  2.  5.  44,06 
zwischen  24.  5.  und  4.  7.  43,75 


bei  Pegel  40  bis  30 :  43,56 
bei  Pegel  22  bis  19 :  40,65 


-30   . 


;  bei  Pegel 


40  bis  -  50 :  89,84 
50  bis  —  57 :  40,07 


332  Sitzung  der  roath.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1905. 

Die  Dauer  der  Hauptseiche  des  Chiemsees  hat  also 
von  44,05  Min.  bis  39,34  Min.,  das  ist  um  11  ^/o  des  Mittel- 
wertes abgenommen,  als  der  Pegelstand  von  109  cm  bis 
—  57  cm  H.  P.  zurückging.  Die  Dauer  bei  Mittelwasser  vor 
der  Tieferlegung  war  42,68  Min.  und  ist  jetzt  41,00  Min.  Die 
Abnahme  der  Dauer  bei  Abnahme  der  Tiefe  ist,  wie  früher 
schon  hervorgehoben  wurde,  auf  die  starke  Abnahme  der 
Achsenlänge  in  der  Schafwaschener  Bucht  zurückzuführen. 
Das  Ufer  läuft  dort  sehr  flach  aus,  so  daß  beim  Rückgang 
des  Wasserstandes  von  Pegel  109  bis  68  cm  die  Achsenläuge 
um  rund  100  m  sich  verkürzte,  das  ist  um  die  Breite  des 
früheren  Überschwemmungsgebietes.  Von  Pegel  68  bis  un- 
gefähr Pegel  —  30  wurde  die  eigentliche  Uferzone,  die  mit 
Schilf  bewachsen  und  ungefähr  40  m  breit  ist,  trockengelegt. 
Die  ganze  Verkürzung  der  Länge  der  Achse  beträgt  also  rund 
150  m,  das  ist  aber  nur  0,8  ®/o  der  ganzen  Achse.  Die  Ver- 
kürzung der  Dauer  beträgt  aber  1 1  °/o,  soll  jedoch  der  Theorie 
nach  unter  0,8%  bleiben,  da  die  Abnahme  der  Tiefe  um 
166  cm,  das  sind  rund  2^/o  der  größten  Tiefe,  die  Dauer  der 
Theorie  nach  verlängern  muß  {l  steht  linear  im  Zähler,  h  in 
der  ^  Potenz  im  Nenner).  Es  kann  daher  nur  die  Seicht- 
heit dieses  freigewordenen  Uferstreifens  die  Dauer 
so  beeinflussen.  Wir  dürfen  daher  aus  dieser  Beobachtung 
am  Chiemsee  schließen,  daß  seichte  Ufer  auch  von  geringer 
Breite  die  Periodendauer  der  Seiches  verhältnismäßig  stark  ver- 
längern. W.  Halbfaß  hat  die  gleiche  Erscheinung  am  Madüsee 
beobachtet,  wo  sich  die  uninodale  Seiche  von  35,5  Min.  bei 
einer  Zunahme  des  Wasserstandes  um  rund  60  cm  auf  36,4 
verlängerte,  das  ist  um  2,5  ^/o.  Die  Ufer  an  den  Enden  des 
Sees  sind  dort  ebenfalls  sehr  flach,  so  daß  die  Achse  um  un- 
gefähr 400  m  länger  wird,  worin  auch  Halbfaß  die  Ursache 
hiefür  erblickt  (S.  81). 

Einzelne  scheinbare  Abweichungen  sind  am  Cliiemsee 
zu  verzeichnen.  Während  z.  B.  die  Dauer  bis  zum  Pegelstand 
50  cm  auf  42,83  Min.  abgenommen  hat,  nahm  dieselbe  zwischen 
Pegel  40  und  30  cm   deutlich  bis  zum  Werte  43,56  Min.  zu, 


Mpfa^«*t 


A.  EndrJVs:  Die  Seesch wankungen  des  Chienuees.  333 

welche  Beobachtung  mit  derjenigen  in  den  Vorjahren  über- 
einstimmt. Der  Grund  ist  nur  der,  daü  bei  Pegel  50  cm  das 
eigentliche  Seebecken,  dessen  Begrenzung  eine  rund  20  cm 
hohe  Grasböschung  bildet,  gerade  ausgefüllt  war  und  da£  also 
die  Achse  sich  bis  30  cm  Pegel  nicht  änderte,  sondern  nur 
die  Tiefe  und  daher  die  Dauer  zunehmen  mußte  (s.  P.  I,  S.  62). 
Das  Gleiche  wiederholte  sich  bei  Pegel  —  40  und  —  50  cm. 
Nach  der  Zone  des  Schilfes  fallt  nämlich  das  Ufer  senkrecht 
auf  eine  Tiefe  von  60  cm   ab  und  das  Wasser   war  bei  Pegel 

—  50  bis  zu  dieser  Stelle  zurückgegangen  und  die  Dauer, 
welche  auf  39,34  Min.  im  Mittel  zurückgegangen  war,  nahm 
von  Pegel  — 50  bis  — 57  bis  40,07  Min.  wieder  zu.  In  der 
Veränderung  der  Dauer  spiegelt  sich  die  Terassen- 
form  des  Ufers  wieder.  Die  früher  unter  Eis  gemessene 
Dauer   endlich   stimmt   mit    den  Werten   bei    Pegel  —  30  bis 

—  40  cm  überein,  beidesmal  beträgt  sie  rund  41  Min.  Die 
frühere  Annahme  (s.  P.  I,  S.  64),  daß  das  an  das  Ufer  und 
das  Schilf  angefrorene  Eis  die  Seichesbewegungen 
nicht  mitmachen  kann,  also  die  Achse  um  die  Breite  der 
Schilfzone   verkürzt    wird,    findet    dadurch    seine   Bestätigung. 

Auch  die  36  Min. -Sei che  hat  gegen  früher  an  Dauer 
abgenommen;  da  aber  die  Messungen  früher  und  jetzt  nicht 
genau  sind,  kann  die  Abnahme  nicht  besprochen,  ja  ihrem 
ungefähren  Betrage  nach  nicht  einmal  angegeben  werden. 
Die  54  Min. -Seiche  trat  nur  bei  hohem  Wasserstande  in 
meßbaren  Reihen  auf. 

4.   Die  28V»  Min.-Seiche. 

In  anliegender  Kartenskizze  Taf.  III  Fig.  2  seien  wieder 
wie  l>ei  der  41  Min.-Seiche  die  Amplituden  und  Phasen  der 
19  Beobachtungspunkte  eingetragen. 

Die  28'/2  Min.-Seiche  ist  also  nach  den  Beobach- 
tungen die  binodale  Seiche  mit  der  Schwingungsachse 
Schafwaschen — Chieming.  Die  eine  Knotenlinie  ver- 
läuft ostlich  der  Fraueninsel  in  fast  nord-südlicher 
Richtung,  die  zweite,  westliche,  liegt  am  Eingang  in 


334  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vcun  5.  Mai  1906. 

die  Schafwaschener  Bucht  DermittlereSchwingungs- 
bauch  liegt  vor  Harras.  Die  frühere  Deutung  findet  also 
durch  die  neuen  Beobachtungen  ihre  Bestätigung.  Die  Wasser- 
bewegung verzweigt  sich  hier,  so  daß  die  Kommunikationen 
nördlich  und  südlich  der  Herreninsel  an  der  Schwin- 
gung teilnehmen  und  der  mittlere  Schwingungsbauch  scheint 
da  zu  liegen,  wo  die  Bewegungen  südlich  und  nördlich  der 
Herreninsel  sich  trefiFen.  Die  28 ^/a  Min.-Seiche  ist  also  eine 
uninodale  Seiche  Chieming — Harras,  deren  Dauer  sich  wahr- 
scheinlich wenig  ändern  würde,  falls  die  Schafwaschener  Bucht 
abgesperrt  wäre.  Die  P.  Du  Boyssche  Formel  gibt  für  Chie- 
ming—Südufer — Harras  rund  23  Min.,  für  Chieming — Nord- 
ufer— Harras  24  Min.  Die  Dauer  ist  demnach  nach  Du  Boys 
zu  kurz;  jedenfalls  wirkt  die  Einengung  des  Beckens  durch 
die  drei  Inseln  nahe  der  östlichen  Knotenlinie  verlängernd  auf 
die  Dauer.  Die  Einengung  bei  Urfahren  dagegen  wirkt  nicht 
besonders  ein,  weil  dieselbe  femer  dem  Knoten  liegt. 

Die  28Va  Min.-Seiche  ist  ferner  uninodale  Schwin- 
gung Harras-Schafwaschen,  deren  Knoten  durch  die 
neuen  Beobachtungen  sehr  genau  an  den  Eingang  in  die 
Schafwaschener  Bucht,  also  an  eine  starke  Beckenein- 
schnürung fällt.  Die  P.  Du  Boyssche  Regel  ergibt  für  diese 
Strecke  von  4,8  km  Länge  rund  15,7  Minuten,  bleibt  also  um 
54  ^/o  hinter  der  beobachteten  Dauer  zurück.  Die  Schwingung 
stimmt  hierin  mit  der  54  Min.-Seiche  unseres  Sees  und  mit 
der  62  Min.-Seiche  des  Wagin ger-Tachingersees  überein.  Die 
Achsenlänge  der  westlichen  Schwingung  beträgt  also 
nur  4,8  km  gegen  diejenige  der  östlichen  von  13  km. 

Die  28^1  Min.-Seiche  ist  sonach  die  binodale  Schwin- 
gung zu  der  36  Min.-Seiche.  Das  Verhältnis  der  Dauer 
der  uninodalen  und  binodalen  Seiche  erhält  hier  den 
ungewöhnlich  großen  Wert  von  1:0,77  (37,5:28,99). 
Am  Wagingersee,  wo  das  Verhältnis  1  : 0,70  beträgt,  habe  ich 
auf  die  vollständige  Unzulänglichkeit  der  P.  Du  Boysschen  Theorie 
und  die  Übereinstimmung  des  Ergebnisses  mit  der  Chrystal- 
schen  Theorie  hingewiesen,   öanz  dasselbe,  was  vom  Waginger- 


A.  EndrOs:   Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees. 


335 


See  bei  der  11,78  Min.-Seiche  gesagt  wurde,  gilt  auch  vom 
Chiemsee  bei  der  28^3  Min.-Seiche.  Da  am  Wagingersee  die 
starke  Einschnürung  bei  Uom  mit  dem  nördlichen  Knoten  der 
1 1,8  Min.-Seiche  zusammenfallt,  wurde  die  Dauer  derselben  so 
verlängert  und,  da  der  westliche  Knoten  der  28^»  Min.- 
Seiche  an  den  Rinngang  und  auch  der  östliche  Knoten  an  die 
Beckeneinengung  durch  die  drei  Inseln  fällt,  wird  die  Dauer 
der  binodalen  Seiche  des  Chiemsees  noch  stärker  ver- 
längert. 

Sehr  lehrreich  ist  die  Zusammenstellung  der  Peri- 
odenverhältnisse von  Grund-  und  erster  Oberschwin- 
gung der  schon  oben  erwähnten  Seen,  geordnet  nach  der 
Qrölse  dieser  Periodenverhältnisse. 

Unter  T,  steht  hier  die  Dauer  der  uninodalen,  unter  T, 
diejenige  der  binodalen  Seiche  in  Min.  und  unter  V  das  Ver- 
hältnis in  %  der  uninodalen  Periode. 


See 


Vi 


in  0/0 


Chiemsee 
Wagingersee 
Stambergersee 

Cliiemsee,  Schafwaschncr  Bucht 
See  mit  parabolischem  Längs- 
schnitt 
Madüsee 
Loch  Treig 
Loch  Earn 
Vierwal  dstattersec 
Tachingersee 
Cienfersee 


37,5 
16,80 
25,0 
6,4 
100 

35,5 
9,18 
14,5 
44,25 
12,6 
73 


28,99 

11,78 

15,8 

3.8 

58 

20,3 
5,15 
8,10 

24,25 
6,25 
85,5 


77 
70 
63 
59 
58 

57 
56 
56 
55 
49 
48 


Der  Chiemsee,  Wagingersee  und  Stambergersee 
haben  der  Reihenfolge  nach  die  weitaus  größten  Verhältnisse. 
Die  anormale  Verlängerung  der  Dauer  der  binodalen  Seiches 
bei  den  beiden  ersten  Seen  ist  verursacht  durch  das  Zu- 
sammenfallen einer  bezw.  beider  Knotenlinien  mit  star- 
ken  Beckeneinschnürungen,   wie   ich   es  oben   und   beim 


386  Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Wagingersee  eingehend  besprochen  habe.  Das  gleiche  scheint 
auch  am  Starnbergersee  der  Fall  zu  sein,  wo  die  südliche 
Knotenlinie  wahrscheinlich  mit  der  Einschnürung  bei  Unter- 
zaismering  zusammenfallt,  wie  auch  H.  Ebert  schon  seinerzeit 
das  damals  einzig  dastehende,  stark  abweichende  Verhältnis  (64) 
begründet  hatte.^)  Die  dortige  Einengung  ist  aber  nicht  so 
stark  wie  am  Wagingersee,  so  daß  auch  das  Verhältnis  unter 
dem  am  Wagingersee  zurückbleibt.  Beide  letztgenannten  Seen 
haben  also  ganz  ähnliche  Beckenform  für  die  uninodale  und 
binodale  Schwingungsunterteilung.  Einen  großen  Gegensatz 
bilden  aber  hier  der  Chiemsee  und  Genfersee;  während  die 
Beckenform  für  die  uninodalen  Seiches  die  ganz  gleiche  ist 
(vgl.  S.  329),  ist  dieselbe  für  die  binodale  Unterteilung  so  ver- 
schieden, daß  der  Chiemsee  an  den  Anfang  der  Tabelle  und 
der  Genfersee  an  den  Schluß  kommt.  Während  wir  nämlich 
am  Chiemsee  auch  an  den  Knoten  der  binodalen  Seiche  starke 
Einschnürungen  haben,  liegen  die  Knoten  derselben  am  L^mau 
weder  an  Einengungen  des  Beckens  noch  an  besonders  seichten 
Stellen,  so  daß  die  binodale  Seiche  mit  sonst  normaler  Dauer 
unter  der  Hälfte  der  anormal  großen  Dauer  der  uninodalen 
Seiche  zurückbleibt.  Die  Periodenverhältnisse  bei  den 
übrigen  Seen  nähern  sich  zum  Teil  sehr  demjenigen  von 
Chrystal  für  rein  parabolische,  konkave  Seen  berech- 
neten Werte  von  58,  was  mit  ihrer  regelmäßigen  Gestalt  auch 
im  Einklang  steht.  Wir  sehen  aus  den  aufgezählten  Beispielen 
daß  auch  so  verschiedene  Verhältnisse  der  Periodendauem 
von  Grund-  und  erster  Oberschwingung,  wie  sie  U albfaß  in 
letzter  Zeit  übersichtlich  zusammengestellt  hat,*)  vollkommen 
im  Einklänge  mit  der  neuen  Chrystalschen  Theorie 
stehen. 

Auch   die  Dauer   der  28Va  Min. -Seiche   nimmt   nach 
den  neuen  Untersuchungen  mit  dem  Pegelstande  ab  (größter 


»)  H.  Ebert;  diese  Berichte  30,  1900  H.  III,  S.  456. 
')  W.  Halbfaß,    Seiches    oder    stehende    Seeapiegelschwankungen. 
Natnrw.  Wochenschrift  von  H.  Potoni^.     Berlin  23.  Oktober  1904. 


A.  Kndrös:  Die  Seeachwankungen  des  Chiemsees.  337 

Wert  29,00,  kleinster  28,10).  Die  Abnahme  beträgt  aber  nur 
3^0  und  führt  wegen  dieses  geringen  Betrages  nicht  zu  näheren 
Erörterungen.  Jedenfalls  kompensiert  die  Zunahme  der  Dauer 
durch  die  Querschnittsverkleinerung  am  Kinngang  zum  Teil  die 
Abnahme  derselben  infolge  der  Achsen  Verkürzung  an  dem 
seichten  Schafwaschener  Ende.  Zu  erwähnen  ist  noch,  daß 
diese  Seiche  bei  mittlerem  und  niedrigem  Wasserstande  mit 
auffallend  kleiner  Amplitude  und  selten  auftritt,,  was  wahr- 
scheinlich in  Knotenverschiebungen  infolge  der  Veränderung  des 
Wasserstandes  seinen  Grund  hat. 

5.  Die  18  Min. -Seiche  und  15Va  Min-Seiche. 

Bei  der  18  Min.-Seiche  haben  sich,  wie  schon  einleitend 
erwähnt,  einzelne  Änderungen  gegenüber  den  früheren  Annah- 
men ergeben.  Der  Grund  war  hauptsächlich  die  Interferenz- 
kurve der  Schwebung,  an  welcher  man  bei  kurzen  Beobach- 
tungen die  eine  mit  der  anderen  verwechseln  kann.  Die  neuen 
Ergebnisse  sind  wieder  wie  bei  den  vorausgehenden  Seiches  in 
Fig.  3  auf  Taf.  III  eingetragen. 

Die  18  Min.-Seiche  ist  darnach  die  binodale  Seiche 
Seebruck-Kailbach  mit  der  ersten  Knotenlinie  etwas 
nördlich  Chieming  und  der  zweiten  etwas  südlich  Stock. 
Infolge  der  Kommunikation  nördlich  der  Herreninsel  erfolgt  die 
Schwingung  auch  auf  diesem  Wege  und  wird  dadurch  gleich- 
zeitig Querseiche  Mühlen-W^eitsee.  Endlich  ist  die  Seiche 
infolge  der  weiteren  Beckenunregelmäßigkeit,  der  Einengung 
am  Rinngange,  trinodale  Seiche  Seebruck-Schafwaschen 
mit  dem  dritten  Knoten  am  Rinngang.  Die  Schaff 
waschener  Bucht  schwingt  aber  nur  -zeitweise  in  dem 
Takte  der  18  Min.-Seiche  mit,  während  im  benachbarten  Kail- 
bach  die  Schwingung  immer  und  mit  größerer  Amplitude  auf- 
tritt. Diese  Schwingung  zeigt  so  recht,  welche  kom- 
plizierten Schwingungsverhältnisse  in  einem  so  un- 
regelmäßigen Seebecken  möglich  sind. 

Von  Osternach  bis  Schafwaschen  fallt  also  eine  ganze  uni- 
nodale  Seiche   von  18  Minuten.    Es  ist  an  der  langen   Dauer 


'^38  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

eben  wieder  die  Einengung  am  Rinngang  schuld,  welche  mit 
dem  Knoten  zusammenfallt.  Das  Verhältnis  der  uninodalen 
Seiche  Seebruck-Schafwaschen  zur  binodalen  ist  1  : 0,43,  also 
wieder  verhältnismäßig  groß  (bei  parabolischen  Seen  ist  das- 
selbe nach  Chrystal  1:0,41)^),  ebenfalls  nur  verursacht  durch 
das  Zusammenfallen  des   dritten  Knotens  mit  dem  Rinngange. 

Für  die  IS'/a  Min.-Seiche  stellt  die  Ergebnisse  Fig.  4 
auf  Taf.  ni  dar.  Darnach  ist  diese  Schwingung  die  binodale 
Seiche  in  der  Richtung  Seebruck  —  Harras  mit  dem 
ersten  Knoten  an  dem  Ufervorsprung  nördlich  Chie- 
ming,  bei  Schützing  und  dem  zweiten  Knoten  an  der 
Südostspitze  der  Herreninsel,  dem  Knoten  der  41  Min.- 
Seiche,  unterbrochen  durch  die  Herreninsel,  gegen  den 
Rinngang  hin.  Auch  hier  erfolgt  die  schwingende  Bewe- 
gung des  Wassers  südlich  und  nördlich  um  die  Herren- 
insel herum.  Der  mittlere  Schwingungsbauch  fallt  in  die 
Höhe  der  Spitze  des  Achenzipfels,  der  westliche  vor  Harras. 
Da  Mühlen  eine  so  große  Amplitude  hat,  fallt  sehr  wahr- 
scheinlich zwischen  Mühlen  —  Harras  eine  weitere  uninodale 
Seiche,  so  daß  wir  die  15^/,  Min.-Seiche  die  dreiknotige 
Seiche  Seebruck  —  Harras  —  Mühlen  nennen  können.  Zu  be- 
achten ist,  daß  die  Schafwaschener-  und  Kailbacher- 
Bucht  hiebei  nicht  mitschwingen,  weil  die  horizontale 
Wasserbewegung  bei  dieser  Seiche  quer  zu  den  Buchten  er- 
folgt. Ein  Beispiel  hiefür  haben  wir  schon  in  der  Seiche- 
literatur; am  Yierwaldstättersee  teilt  sich  die  Querschwin- 
gung von  rund  18  Min.  Dauer  in  der  Richtung  Küssnacht — 
Sandsstadt  ebenfalls  dem  Hauptbecken  nicht  mit,  weil  die 
horizontale  Wasserbewegung  quer  zur  Hauptachse  erfolgt. 

Um  die  Theorie  auch  auf  ein  so  kompliziertes  Becken  an- 
zuwenden, habe  ich  die  Dauer  der  IS^/a  Min.-Seiche  aus 
der  Normalkurve  berechnet.  Dieselbe  läßt  sich  bis  zum 
Knoten  dieser  Schwingung  bei  Stöttham  (von  Punkt  0  bis  3) 
angenähert  als  gerade  Linie  darstellen.    Die  Dauer  muß  daher 


0  Chrystal,  H.  T.  8.  Seite  623. 


A.  EndrJVs :  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  339 

2nl 
nach  Chrystal  T  = -7:=^  sein,  wobei  für  l  die  doppelte 

^  2,4051/(7*  ^^ 

Seefläche  von  Seebruck  bis  zum  Knoten  und  h  die  Ordinate 
a  der  Normalkurve  zu  setzen  ist;  es  ergeben  sich  10,5  Min. 
In  gleicher  Weise  kann  die  Dauer  der  18  Min.-Seiche 
aus  der  Normalkurve  bestimmt  werden.  Die  Schwingung  ist 
nämlich  die  uninodale  Seiche  Seebruck — Herreninsel  Südost, 
also  die  uninodale  Seiche  des  Hauptzweiges  der  Normalkurve 
von  Punkt  0  bis  12.  Der  Knoten  fallt  außerdem  fast  genau 
in  die  Mitte  dieses  Kurvenzuges.  Wir  können  daher  diesen 
Zweig  angenähert  als  Parabel  betrachten,   deren  Scheitelpunkt 

Ttl 

im   Knoten   ist.     Für  die     Dauer  T  =  —. ,    wobei    l   die 

V2jh 

Fläche  bis  zum  Knoten  der  41  Min.-Seiche  =  200  »5*  100  qm 

und  Ä  die  Ordinate  der  Kurve  in  der  Mitte  =  90  •  5^  •  10^  m' 

gesetzt  ist,  erh,ält  man  15,4  Min.    Beide  berechneten  Werte 

bleiben  also  bedeutend  unter  den  beobachteten  Dauern 

und  zwar  der  für  die  15*/a  Min.-Seiche  um  32**/o  und  der  Wert 

für  die  18  Min.-Seiche  um  15%.     Die  Annäherung  der  Kurve 

einerseits  an  eine  Gerade  andererseits  an  eine  Parabel  sind  wohl 

beidesmal  nicht  genau,   aber  die  Abweichungen    sind  nicht  so 

groß  um  diese  bedeutenden  Beträge,  um  welche  die  berechnete 

Dauer   hinter   der   beobachteten   zurückbleibt,    verständlich  zu 

machen.     Jedenfalls  sind  die  besonderen  Verhältnisse  des  Sees 

wie  die  große  Breite,  die  flachen  Ufer  u.  a.  die  Ursachen  der 

geringen  Übereinstimmung. 

6.  Die  Seiches  kürzerer  Dauer. 

Die  8  Min.-Seiche  (vgl.  Taf.  HI  Fig.  5)  ist  die  nächste 
Oberschwingung  zu  der  \h^\%  Min.-Seiche,  also  die 
vierknotige  Seiche  Seebruck  —  Harras;  die  erste  Knoten- 
linie befindet  sich  bei  Arlaching,  die  zweite  geht  südlich  Chie- 
ming  gegen  (Jstadt,  die  vierte  läuft  von  Felden  unterbrochen 
durch  die  Insel  gegen  Stock.  Beobachtungen  zwischen  dem 
Schwingungsbauche  bei  Feld  wies  und  dem  westlichen  bei  Harras 
fehlen.      Die   dritte   Knotenlinie   läuft    zwischen   Mühlen    und 

1906.  SiUnngsb.  d.  nuttlL-phyB.  KL  23 


340  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Gstadt  östlich    der  Herreninsel  vorbei  gegen  Süden.     Von  be- 
sonderem Interesse    ist  die  Schwingung   noch  deshalb,  weil 
sie  bei  höherem  Wasserstande   auch   in  Schafwaschen 
aufgetreten  ist  und  mit  Seebruck  gleiche  Phase  hatte.    Die 
Eigenschwingung  des  Schaf waschener  Winkels  betrug  näm- 
lich bei  höherem  Wasserstande,  zwischen  60  und  30  cm  H.  P., 
ungefähr  8,10  Min.  und  die  Bucht  machte  dann  die  Schwin- 
gungen in  gleichem  Takte  mit.    Die  8  Min. -Seiche  war  auf 
diese  Weise  zeitweilig   die   sechsknotige   Seiche    See- 
bruck—  Schafwaschen,  wobei  die  beiden  Kommunikationen 
südlich  und  nördlich  der  Herreninsel  an  der  Schwingung 
teilnahmen.    Diese  Schwingung  pflanzte  sich  im  Gegensatze 
zur    15^4  Min. -Seiche    wohl    nur    deshalb    in    den    Winkel 
hinein   fort,    weil  ein  Schwingungsbauch  an   den   Ein- 
gang fällt,  während  bei  der  15^/a  Min.-Seiche  ein  Knoten  in 
der  Nähe  des  Einganges  liegt   und  die  Wasserbewegung  quer 
zum    Eingang    der    Bucht    stattfindet.      Auch    bei    niedrigem 
Wasserstande  wurde  in  Rinngang  Süd  und  Nord  die  8,2  Min.- 
Seiche  noch  beobachtet,  aber  in  Schafwaschen  ist  diese  Seiche 
nie  mehr  verzeichnet. 

Die  Eigenschwingung  der  Schafwaschener  Bucht 
hat  sich  mit  dem  Wasserstande  stark  geändert.  Bei 
Pegel  109—80  umfaßte  sie  :  8,57  Min.,  von  Pegel  60  bis  30  cm 
:  8,10  Min.,  von  da  ab  tritt  die  Schwingung  sehr  selten  auf. 
Bei  Pegel  -f-  15  ist  eine  Reihe  mit  7,15  Min.  Dauer  zu  messen, 
eine  weitere  bei  Pegel  —  17  mit  6,67  Min.  Erst  bei  Pegel 
—  54  tritt  die  Seiche  wieder  häufig  und  in  sehr  langen  Reihen 
auf.  Die  Dauer  hat  dabei  den  geringsten  Betrag  von  6,40  Min. 
erreicht.  Die  starke  Abnahme  um  2,17  Min.,  das  sind  34  ^/o 
der  nunmehrigen  Dauer,  erklärt  sich  eben  aus  der  Verkür- 
zung der  Achse  im  Schafwaschener  Winkel  und  zwar 
um  dea  sehr  seichten  Ufenand.  Der  Vorgang  kann  aber 
nicht  in  der  gleichen  Weise  wie  bei  der  41  Min.-Seiche  ver- 
folgt werden,  weil  die  Schwingung  oft  gar  nicht  zu  messen 
war.  Daß  sich  auch  später  noch  der  Schwingungsbauch  vor 
der  Bucht  in   dieselbe   hinein    verlagerte,    sieht   man  aus  den 


A.  EndrÖB:  Die  Seeach wankungen  des  Ghiemaees.  341 

Limninieterbeobachtungen  am  ßinngang  sowohl  als  besonders 
aus  Messungen  von  Seichesströmungen  am  Rinngang, 
bei  welchen  eine  deutliche  Periode  von  8,2  Min.  zu  erkennen 
ist,  worüber  ich  in  einer  eigenen  Schrift  Näheres  mitteilen 
werde.  Da  die  Bucht  eben  nicht  mehr  abgestimmt  ist, 
schwingt  sie  nicht  mehr  mit  und  die  Bewegungen  können  nur 
mehr  erzwungene  Schwingungen  sein,  wie  ich  sie  am  Waginger- 
Tachingersee  beobachtet  habe.  Die  Amplitude  derselben  ist 
aber,  wie  auch  die  der  17  Min. -Seiche  im  Tachingersee,  nur 
klein,  so  da&  sie  aus  dem  unruhig  verlaufenden  Schaf  waschen  er 
Limnogramme  nicht  zu  erkennen  ist. 

Eine  Seiche  von  4  Min.  wurde  in  Seebruck,  Feldwies 
und  Felden  mit  fast  genau  gleicher  Dauer  gemessen.  Obwohl 
ein  Phasenvergleich  wegen  der  kurzen  Periode  und  der  ge- 
ringen Zahl  aufeinanderfolgender  Schwingungen  nicht  möglich 
war,  so  glaube  ich  dennoch  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  in 
ihr  die  weitere  Oberschwingung  von  der  15^»  Min.-Seiche 
suchen  zu  dürfen,  also  die  achtknotige  Schwingung  Seebruck — 
Harras,  da  die  Schwingung  gerade  am  Ende  der  Achse  der 
15Vt  Min.-Seiche,  nämlich  in  Seebruck,  in  deren  mittleren 
Schwingungsbauche  in  Feldwies  und  deren  westlichen  Bauche 
bei  Felden  gefunden  wurde. 

Die  nur  einmal  bei  sehr  niedrigem  Wasserstande  gemessene 
Seiche  von  3,8  Min.  ist  sehr  wahrscheinlich  die  binodale 
Seiche  der  Schafwaschener  Bucht.  Es  wurde  sonst 
nirgends  eine  Schwingung  von  solcher  Dauer  gemessen.  Das 
Verhältnis  der  Perioden  ist  6,4 :  3,8  =  1  :  0,59  und  entspricht 
ganz  der  konkaven  Beschaffenheit  des  Schafwaschener  Winkels. 

Die  10,7  Min.-Seiche  wurde  bei  den  neuen  Beobach- 
tungen nur  einmal  in  Osternach  und  einmal  in  Schafwaschen 
gemessen  und  beide  Male  bei  einem  Pegelstande  von  rund 
-|-  15  cm  H.  P.  Da  sie  besonders  in  Seebruck  nie  mehr 
auftrat,  liegen  keine  weiteren  Vergleichsbeobachtungen  vor. 
Eine  Durchsicht  der  früheren  Beobachtungen  ergab  in  Gstadt 
eine  Verwechslung  der  11  mit  der  12^/^  Min.-Seiche,  so  daß 
also  Gstadt  die  Amplitude  0  hat.     Außerdem  hat  die  Seiche 

23* 


342  Sitzung  der  matb.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

am  ganzen  Ostufer  gleiche  Phase.  Ich  halte  sie  daher 
für  eine  Oberschwingung  der  28^2  Min. -Seiche  und 
zwar  für  die  trinodale  Seiche  Chieming — Harras.  Die 
besondere  Eigentümlichkeit  hiebei  ist,  daß  der  östliche 
Schwingungsbauch  infolge  Verzweigung  der  Richtung  in 
zwei  solche  zerfällt  und  zwar  erstreckt  sich  der  eine  gegen 
Seebruck  und  der  zweite  gegen  Hagenau.  Die  östliche 
Enotenlinie  muß  hiebei  vom  Achenzipfel  gegen  Nordosten 
ausbiegend  nach  dem  Nordwestufer,  ungefähr  1,5  km  vor  See- 
bruck, verlaufen.  Für  den  Inselsee  liegen  zu  wenig  Vergleichs- 
beobachtungen vor.  Nur  einmal  wurde  die  Schwingung  früher 
in  einer  langen  Reihe  und  größerer  Amplitude  in  Schafwaschen 
beobachtet  (s.  P.  I,  Taf.  11  Fig.  11),  dabei  hatte  sie  überein- 
stimmend mit  Seebruck  entgegengesetzte  Phase.  Sie  mußte 
dann,  wie  schon  früher  (P.  I,  S.  53)  betont,  vierknotige 
Seiche  Seebruck  —  Schafwaschen  gewesen  sein.  Auch  bei 
dieser  Seiche  machte  also  die  Bucht  die  Schwingungsbewegung 
nur  zeitweise  mit. 

Für  die  7  Min.-Seiche  liegen  nur  einzelne  Reihen  in 
Harras  und  an  der  Fraueninsel  vor.  Sie  konnte  früher  als 
dreiknotige  Seiche  Seebruck — Hagenau  festgelegt  werden.  Nach 
den  neuen  Beobachtungen  scheint  sie  auch  zeitweise  gegen 
Westen  sich  fortzusetzen. 

Die  12V»  Min.-Seiche  konnte  bei  den  neuen  Untw- 
suchungen  nur  vereinzelt  aus  dem  Kailbacher  Limnogramme 
gefunden  werden,  aber  mit  einer  gegen  früher  sehr  kleinen 
Amplitude.  Sie  ist,  wie  schon  früher  (P.  I,  S.  55)  angegeben 
werden  konnte,  sehr  wahrscheinlich  eine  Schwingung  Feld- 
wies—  Kailbach  und  zwar  eine  binodale. 

Die  übrigen  Schwingungen,  das  sind  die  9'/»Min. -Seiche, 
die  6,5  und  5,5  und  5  Min.-Seiche,  sind  Schwingungen  des 
Weitsees,  können  aber  auch  auf  Grund  der  neuen  Beobach- 
tungen nach  Zahl  und  Lage  der  Knoten  nicht  näher  festge- 
legt werden. 


A.  Endrös:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  343 

7.    Die  Einwirkung  der  Tieferlegung  auf  die  Seiches. 

Dadurch  daß  der  Eintritt  der  Seespiegelsenkung  des 
Sees  in  die  Beobachtungszeit  fallt,  war,  wie  schon  einleitend 
erwähnt,  Gelegenheit  gegeben  die  Einwirkung  derselben  auf 
die  Schwingungen  des  Sees  zu  untersuchen,  also  ein  Experi- 
ment im  Großen  anzustellen.  Es  dürfte  angebracht  sein  diese 
Einwirkungen  hier  näher  zu  besprechen. 

Die  Tieferlegung  selbst  bestand  darin,  daß  durch  Aus- 
baggern und  Regulieren  des  Seeabflußes,  der  Alz,  alle  Wasser- 
stände um  rund  70  cm  erniedrigt  wurden  (in  Wirklichkeit 
beträgt  die  Senkung  bei  Hochwasser  60  cm  und  bei  Niedrig- 
wasser 80  cm).  Die  Seetiefen  sind  also  durchweg  um  diesen 
Betrag  geringer  geworden.  Durch  die  große  Sommerdürre  des 
Jahres  1904  trat  außerdem  ein  ungewöhnlich  tiefer  Wasser- 
stand ein,  der  bis  —  59  cm  H.  P.  zurückging.  Bei  der  Flach- 
heit der  Ufer  änderte  sich  daher  die  Seefläche  bedeutend. 
Die  Änderungen  sind  deutlich  aus  der  Karte  auf  Taf.  II  zu 
ersehen,  in  welche  die  neue  üferlinie  bereits  eingezeichnet  und 
die  frühere  Umrißlinie  durch  die  punktierte  Linie  angedeutet 
ist.  Bei  —  60  cm  wurde  einmal  die  Feldwieser-Bucht  voll- 
ständig und  die  Hagenauer-Bucht  zum  großen  Teile  trocken 
gelegt.  Weiterhin  wurden  die  Einengungen  bei  Urfahren  und 
am  Uinngang  bedeutend  verstärkt;  erstere  hatte,  wie  schon  er- 
wähnt, bei  Hochwasser  von  100  cm  H.  P.  eine  Querschnitts- 
fläche von  rund  2000  qm  und  bei  —  60  cm  H.  P.  nur  mehr 
rund  1000  qm,  letztere  eine  solche  von  2000  qm  und  dem 
seichtem  Wasserstande  nur  1200  qm.  Außerdem  wurden  zwei 
kleine  Inseln  östlich  der  Herreninsel  und  mehrere  größere 
Landzungen  frei,  so  an  der  Nordostspitze  der  Herreninsel 
und  Krautinsel  ein  Ufervorsprung  von  400  m  Länge,  bei  See- 
bruck  ein  solcher  von  rund  300  m;  eine  neue  Halbinsel  er- 
streckt sich  bei  Harras  und  eine  weitere  etwas  südlich  Harras 
200  m  weit  in  den  See  hinein  und  nördlich  Stock  zwei  kleinere 
von  150  bezw.  120  m  Länge.  Femer  wurde  rings  um  den 
See  und  um  die  Herreninsel  ein  50  bis  100  m  breiter  Rand 


344  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

trocken    gelegt.     Endlich  ist  jetzt   der  Ausfluß  bei  Seebruck 
etwa  200  m  weiter  in  den  See  hinein  verlegt. 

Wie  man  sieht,  sind  die  Veränderungen  immerhin  be- 
deutende, so  daß  eine  Einwirkung  auf  die  Schwingungen 
schon  im  voraus  zu  erwarten  war.  Dieselbe  bestand  nun  ein- 
mal in  einer  Veränderung  der  Dauer  aller  Schwingungen. 
Um  dieselbe  überblicken  zu  können,  sind  die  Mittelwerte  der 
Dauer  bei  dem  früheren  und  jetzigen  Mittelwasserstande  in  der 
Tabelle  S.  319  zusammengestellt.  Darnach  hat  die  Dauer 
bei  den  Schwingungen  von  41,  36,  28V7,  18,  lb%  12V-2 
und  6,4  Min.  abgenommen  und  bei  denjenigen  von  9'/i, 
8  und  7  Min.'  zugenommen.  Die  Abnahme  der  Dauer 
habe  ich  bei  der  41  Min.-Seiche  eingehend  besprochen;  sie  ist 
durch  die  Verkürzung  der  Achse  um  einen  seichten  Uferstreifen 
verursacht.  Die  gleiche  Ursache  triflft  wohl  auch  bei  den 
übrigen  Schwingungen  zu.  In  der  Verlängerung  der  Dauer 
bei  den  anderen  Seiches  dagegen  kommt  die  Tiefenverringerung 
mehr  zum  Ausdruck,  weil  das  eine  Ende  der  Achse  in  Seebruck 
nicht  verkürzt  wird  und  auch  das  andere  Ende  wahrscheinlich 
nicht  auf  seichtes  Ufer  ausläuft.  Weiterhin  treten  mehrere 
Seiches  bei  tiefem  Wasserstande  gar  nicht  mehr  auf, 
wie  besonders  die  10,7  Min.-Seiche,  welche  früher  eine  ständige 
Schwingung  des  Weitsees  war,  ebenso  die  5  und  3  Min.-Seiche 
und  die  schon  erwähnte  54  Min.-Seiche.  Andere  Seiches  treten 
dagegen  neu  auf,  wie  die  von  6,5  und  5,7  Min.-Dauer.  Wieder 
andere  sind  viel  seltener  zu  erkennen,  wie  die  28*/»  Min.- 
Seiche  und  die  4  Min.-Seiche  und  endlich  mehrere  viel  häu- 
figer wie  die  36  Min.-Seiche  und  6,4  Min.-Seiche  in  Schaf- 
waschen und  die  9V»  und  8  Min.-Seiche  in  Seebruck.  Wenn 
sich  auch  die  Ursache  der  Veränderungen  bei  den  einzelnen 
Seiches  nicht  angeben  läßt,  so  verstehen  wir  doch  die  Ein- 
wirkung im  allgemeinen.  Durch  Trockenlegung  der  seichten 
Ufer  wird  die  Dauer  so  verändert,  daß  auch  die  Lage  der 
Knotenlinien  stark  verschoben  wird  und  dadurch  bei  der  Becken- 
unregelmäßigkeit eine  stärkere  Dämpfung  oder  eine  bessere 
Abstimmung  des  Seeteiles  auf  die  einzelne  Schwingung  erfolgt. 


A.  Endrös:    Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  345 

Oder  es  wird  die  Einengung  an  bastimmten  Punkten  so  stark, 
daß  die  eine  oder  andere  Seiche  von  der  betreffenden  Dauer 
nicht  mehr  stabil  ist.  Lehrreich  sind  hiefÜr  die  Untersuchungen 
am  Waginger-Tachingersee,  wo  keine  binodale  Seiche  des 
ganzen  Beckens  wegen  der  Lage  der  starken  Einschnürung 
möglich  ist  und  wegen  der  Einschnürung  bei  Hörn  die  bino- 
dale Schwingung  des  Wagingersees  instabil  ist.  Auch  die  Ein- 
engung bei  Rappers wjl  am  Zürichersee  ist  nach  Sarasin 
wohl  die  Ursache  dafür,  daü  die  uninodalen  und  biuodalen 
Seiches  sich  so  schlecht  entwickeln.  Diese  Ergebnisse 
machen  es  verständlich,  warum  in  unregelmäßigen 
Seebecken  nicht  alle  Seiches  jeder  Knotenzahl  auf- 
treten. 

Zusammenstellung  der  Hauptergebnisse. 

Der  Chiemsee  stellt  in  der  Seichesforschung  in  gewisser 
Beziehung  ein  vollständiges  Novura  dar.  Während  bisher  vor- 
wiegend Seen  mit  ausgesprochener  Längsrichtung  untersucht 
wurden,  liegt  hier  zum  erstenmal  die  Untersuchung  eines  See- 
beckens vor,  dessen  Breitenausdehnungen  von  fast  derselben 
Größenordnung  wie  seine  Längsdimensionen  sind.  Man  kann, 
um  ein  akustisches  Analogon  heranzuziehen,  die  Schwingungen 
der  bisher  untersuchten  Seen  mit  ausgesprochenem  Längstal- 
wege mit  denjenigen  von  Saiten  mit  variabler  Dichte  Verteilung 
vergleichen;  der  Chiemsee  mit  seinen  vielen  Schwingungsrich- 
tungen entspricht  dagegen  einer  Chladnischen  Klangplatte  von 
sehr  unregelmäßiger  Umgrenzung,  einer  Platte,  aus  der  sogar 
durch  die  Inseln  Teile  ausgespart  sind.  Es  kann  nicht  wunder 
nehmen,  daß  bei  einem  derartig  komplizierten,  aber  immer 
noch  schwingungsföhigen  Gebilde  überaus  mannigfache  Einzel- 
formen des  Schwingungsbildes  zutage  treten  mußten,  deren 
Charakteristika  nach  dem  Vorausgehenden  im  wesentlichen  aus 
folgendem  bestehen: 

1.  Am  Chiemsee  konnten  17  Schwingungen  verschiedener 
Dauer,  wobei  die  unter  3  Min.  Periodendauer  noch  nicht  mit- 
gerechnet sind,  gefunden  und  die  Lage  der  Knoten  und  Bäuche 


346  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

der  häufiger  auftretenden  Seiches  auf  Grund  von  Beobachtungen 
an  19  verschiedenen  Seestellen  mittels  selbstregistrierender  Limni- 
meter  und  12  weiteren  Punkten  mittels  des  Zeigerlimnimeters 
zum  Teil  ganz  genau  festgelegt  werden. 

2.  Die  Hauptschwingung  des  Chiemsees  von  41  Min.  mitt- 
lerer Dauer  schwingt  in  der  Richtung  Schafwaschen — Seebruck 
mit  der  Knotenlinie  durch  die  Südostspitze  der  Herreninsel  gegen 
Urfahren,  also  unterbrochen  durch  die  Insel.  Die  Schwingungs- 
achse ist  dabei  fast  halbkreisförmig.  Die  Amplituden  sind  im 
Westen  6  mal  so  groß  als  im  Osten. 

3.  Der  Chiemsee  hat  zwei  weitere  uninodale  Seiches,  welche 
nur  selten  auftreten  und  zwar  eine  solche  von  rund  54  Min. 
Dauer,  mit  der  Schwingungsrichtung  Schafwaschen— Nordufer 
der  Herreninsel —  Chieming  und  eine  weitere  von  ungefähr 
36  Min.,  welche  ebenfalls  von  Schafwaschen  nach  Chieming 
schwingt,  aber  längs  der  südlichen,  tieferen  Rinne. 

4.  Die  Anwendung  der  P.  Du  Boysschen  Berechnungs- 
methode ergibt  für  die  Dauer  der  41-  und  36  Min.-Seiche  sehr 
befriedigende  Werte,  versagt  aber  bei  der  Berechnung  der 
54  Min.-Seiche  vollständig.  Ein  Vergleich  mit  den  uninodalen 
Seiches  in  anderen  bereits  untersuchten  Seen  liefert  das  Er- 
gebnis, daß  die  Dauer  nach  der  P.  Du  Boysschen  Interpolations- 
formel in  symmetrisch  konkaven  Seen  zu  groß  erhalten  wird, 
wie  auch  die  Ghrystalsche  Theorie  lehrt,  daß  aber  in  konkaven, 
asymmetrischen  Seen,  wo  der  Knoten  gegen  die  tiefste  Stelle 
stark  verlagert  ist,  die  Annäherung  eine  gute  wird,  wie  am 
Grenfersee  und  bei  der  41-  und  36  Min.-Seiche  des  Chiemsees. 
Fällt  aber  der  Knoten  einer  Schwingung  an  eine  konvexe  Stelle 
mit  starker  Beckeneinschnürung,  so  wird  die  Dauer  nach  der 
Formel  viel  zu  klein,  wie  bei  der  54  Min.-Seiche  des  Chiemsees 
und  der  62  Min.-Seiche  des  Waginger— Tachingersees.  Die 
Anwendung  der  exakten  Chrystalschen  Theorie  aber  ist  am 
Chiemsee  wegen  der  plötzlichen,  starken  Querschnittsänderungen 
sowohl  als  besonders  wegen  der  geringen  Längenausdehnung 
gegenüber  derjenigen  in  der  Breite  nicht  mit  Erfolg  möglich. 


A.  Endrös :  Die  Seeschwankungen  den  Chiemsees.  347 

5.  Eine  28^/t  Min.-Seiche  ist  binodale  Schwingung  zu  der 
36  Min.-Seiche  in  der  Richtung  Ostufer— Schaf  waschen,  wobei 
die  Wassermasse  sowohl  südlich  wie  nördlich  der  Herreninsel 
beteiligt  ist.  Die  östliche  Enotenlinie  läuft  von  Feldwies  öst- 
Uch  der  Fraueninsel  vorbei,  die  westliche  befindet  sich  genau 
am  Eingang  in  die  Schafwaschener  Bucht.  Der  mittlere 
Schwingungsbauch  fallt  vor  Harras.  Das  anormale  Verhältnis 
?on  Grund-  und  erster  Oberschwingung,  1  : 0,77,  erklärt  sich 
übereinstimmend  mit  den  Ergebnissen  an  anderen  Seen  durch 
das  Zusammenfallen  der  Knotenlinien  mit  starken  Becken- 
einschnürungen. 

6.  Eine  weitere  Seiche  von  18  Min.  ist  zweiknotig  in  der 
stark  abgebogenen  Richtung  Seebruck  Südufer—  Eailbach  und 
zugleich  auch  uninodale  Querseiche  Mühlen— Weitsee.  Zeit- 
weise schwingt  auch  die  Schafwaschener  Bucht  mit,  wobei  am 
inneren  Ende  des  Rinngangs  ein  weiterer  Knoten  entsteht,  so 
daß  diese  Schwingung  zeitweise  dreiknotige  Seiche  der  Richtung 
Seebruck— Schafwaschen  ist. 

7.  In  einer  Seiche  von  15*/»  Min.  Dauer  konnte  die  binodale 
Schwingung  Seebruck — Harras  erkannt  werden,  wobei  die 
1.  Knotenlinie  südlich  Arlaching  liegt,  und  die  2.  südöstlich 
der  Herreninsel,  zusammenfallend  mit  dem  Knoten  der  Haupt- 
schwingung und  unterbrochen  durch  die  Insel,  gegen  Osternach 
läuft.  Insofern  kann  sie  auch  als  dreiknotige  Seiche  Seebruck— 
Südufer— Mühlen  bezeichnet  werden.  Auch  die  nächste  Ober- 
schwingung zur  15*/a  Min.-Seiche  von  8  Min.  Dauer  wurde 
beobachtet,  welche  also  vierknotige  Seiche  Seebruck— Harras  ist. 
Bei  höherem  Wasserstande,  wo  die  Schafwaschener  Bucht  eine 
Eigenschwingung  gleicher  Dauer  hatte,  setzte  sich  die  schwin- 
gende Bewegung  auch  in  diese  Bucht  hinein  fort  als  sechs- 
knotige Seiche  Seebruck— Schaf  waschen.  Endlich  ist  die  4,2  Min.- 
Seiche  sehr  wahrscheinlich  die  nächste  Oberschwingung  zur 
8  Min.-Seiche,  welche  sich  aber  nicht  in  den  Schafwaschener 
Winkel  fortsetzte,  so  da&  sie  als  achtknotige  Seiche  Seebruck— 
Harras  gelten  kann. 


348  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

8.  Eine  Schwingung  von  10,7  Min.  mittlerer  Dauer  ist 
dreiknotige  Seiche  Weitsee  -  Insekee ;  dabei  zerföllt  der  öst- 
liche Schwingungsbauch  in  zwei  getrennte  Bäuche,  einen  nord- 
östlichen bei  Seebruck  und  einen  südöstlichen  bei  Hagenau. 
Auch  diese  Seiche  teilt  sich  zeitweise  der  Schafwaschener  Bucht 
mit  und  istdann  vierknotige  Schwingung  Weitsee— Schafwaschen. 
Diese  Seiche  ist  mit  derjenigen  von  28*/»  Min.  und  von  18  Min. 
so  recht  ein  Beispiel  dafür,  welch  komplizierte  Schwingungs- 
unterteilungen in  einem  so  unregelmäßigen  Becken  möglich  sind. 

9.  Eine  Seiche  von  12*/»  Min.  tritt  nur  im  Inselsee  und 
außerdem  noch  in  Feldwies  auf  und  ist  sehr  wahrscheinlich 
die  zweiknotige  Seiche  Feld  wies— Kailbach,  eine  weitere  von 
7,1  Min.  ist  schon  früher  als  trinodale  Schwingung  Seebruck— 
Hagenau  nachgewiesen  worden  imd  setzt  sich  nach  den  neuen 
Beobachtungen  auch  in  den  Inselsee  fort.  Weitere  Seiches  von 
9,5  Min.,  6,5  Min.,  5,7  Min.,  5,0  Min.  und  3  Min.  treten  nur 
an  einzelnen  Punkten  des  Weitsees  und  da  nicht  so  häufig 
auf,  daß  ihre  Knoten  und  Bäuche  mit  Sicherheit  aufgefunden 
werden  konnten. 

10.  Die  Schafwaschener  Bucht  endlich  hat  eine  uninodale 
Eigenschwingung  von  8,57  Min.,  welche  mit  dem  Wasserstande 
bis  6,4  Min.  abnahm,  wo  dann  die  Bucht  für  diese  Periode 
gleichsam  sehr  gut  abgestimmt  war.  Auch  die  binodale  Seiche 
der  6,4  Min.-Schwingung  konnte  mit  einer  Dauer  von  3,8  Min. 
gemessen  werden. 

11.  Einen  bedeutenderen  Einfluß  auf  die  Schwingungs- 
unterteilung übt  nur  die  Herreninsel,  die  größte  der  drei  Inseln 
aus.  Einmal  teilt  sie  den  Inselsee  in  zwei  Kanäle,  welche  in- 
folge ihrer  Tiefen-  und  Querschnittsunterschiede  Eigenschwin- 
gungen verschiedener  Dauer  bedingen.  Bei  der  Mehrzahl  der 
Schwingungen  erfolgen  die  Schwingungsbewegungen  südlich 
und  nördlich  der  Herreninsel,  so  daß  die  Knotenlinien  durch 
die  Insel  in  zwei  Teile  zerlegt  werden.  Femer  wird  durch 
die  zweite  Kommunikation  die  merkwürdige  Erscheinung  er- 
möglicht,  daß   eine  Schwingung,   nämlich  die   18  Min.-Seiche, 


A.  Endröe:  Die  Seeschwankungen  des  Chiemsees.  349 

zugleich  Längs-  und  Querseiche  sein  kann.  Die  Beobachtung 
auf  den  Inseln,  also  mitten  im  See,  ergab  eine  etwas  gro&ere 
Amplitude,  als  die  korrespondierenden  Punkte  am  Ufer  haben, 
und  ermöglichten  außerdem  die  endgültige  Festlegung  der 
Knoten  mehrerer  Schwingungen. 

12.  Die  Seichesuntersuchungen  an  einem  See  von  so  kom- 
plizierter Beckengestalt  und  Ümrifiform  haben  ergeben,  daß 
Seichesbewegungen  nach  den  verschiedensten  Richtungen  mög- 
lich sind,  daß  femer  jede  Bucht  Ende  einer  Schwingungs- 
richtung sein  kann,  daß  weiterhin  die  Schwingungsrichtungen 
sich  verzweigen  können.  Wichtig  ist  endlich  das  Ergebnis, 
daß  mehrknotige  Seiches  nur  einen  Teil  des  Sees  einnehmen 
können  und  daß  nur  zeitweise  auch  andere  Seeteile  im  näm- 
lichen Rhythmus  mitschwingen.  Eine  Bucht  schwingt  nicht 
merklich  mit,  wenn  die  Schwingungsachse  quer  zu  derselben 
verläuft 

13.  Der  jeweilige  Wasserstand  des  Sees  und  dessen  Ver- 
änderungen üben  auf  die  Dauer  der  Schwingungen  einen  zum 
Teil  bedeutenden  Einfluß  aus.  indem  die  Dauer  deijenigen 
Seiches,  welche  gegen  seichte,  flache  Ufer  schwingen,  bei  Ab- 
nahme des  Wasserstandes  ebenfalls  abnimmt,  bei  anderen  zu- 
nimmt. Besonders  stark  änderte  sich  die  Dauer  der  Haupt- 
schwingung, welche  von  44.05  Min.  bis  39.-^  Min.,  also  um 
11*/»  der  mittleren  Dauer  abnahm,  als  der  Wasserstand  nach 
und  nach  von  109  cm  bis  —  57  cm  H.  P.  zurückging.  Eben 
diese  starke  Veränderung  der  Dauer  läßt  schließen,  daß  flache 
Ufer  auf  die  Dauer  der  Seiches  auch  in  sonst  konkaven  Becken 
einen  merklichen  Einfluß  ausüben.  Endlich  bewirken  die  Ver- 
änderungen des  Wasserstandes,  daß  einige  Seiches  zu  Zeiten 
selten  und  mit  kleiner  Amplitude  auftreten  und  rasch  gedampft 
werden,  andere  sich  überhaupt  nicht  mehr  zeigen.  Durch  dieses 
Elrgebnis  wird  verständlich,  warum  in  den  einzelnen  Seen  nicht 
alle  Seiches  jeder  Xodalität  angetroffen  werden.  Die  eben  ge- 
nannten Beobachtungen  wurden  nur  dadurch  ermöglicht,  daß 
die  Tieferlegung  des  Chiemseespiegels  in  die  Beobachtungsieit 


350  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

fiel  und  hiedurch  die  Differenz  des  höchsten  und  tiefsten  Wasser- 
standes den  hohen  Betrag  von  1,66  m  erreichte. 

Gleichzeitig  mit  den  Untersuchungen  der  Schwingungs- 
formen des  Chiemsees,  deren  Ergebnisse  in  vorliegender  Schrift 
mitgeteilt  sind,  wurden  umfangreiche  Beobachtungen  über  die 
Ursachen  der  Seiches  angestellt  und  zugleich  andere  mit  den 
Seiches  in  Zusammenhang  stehende  Probleme  geophysikalischer 
Natur  in  dieselben  einbezogen,  worüber  ich  später  zu  berichten 
gedenke. 

Traunstein,  April  1906. 


IffI  JE' 


351 


Abhandlungen  zur  Elastizitätstheorie. 

IL 

Die  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers 

mit  ruhender  Oberfläche. 

Von  A.  Korn. 

{KingMaufen  5.  Mai.) 


Nachdem    wir   in   der  ersten  Abhandlung  gezeigt  haben, 
daß  das  elastische  Gleichgewichtsproblem: 


1) 


Jw+k^^^  -Z, 
de 


in  dem  elastischen  Körper  t 


\        dx       dy       dz) 


I  w  —  0, 

2) 

V  =  0,  an  der  Oberfläche  eo, 

für 

t€  =  0, 

3) 

l</^<-ha) 

bei    gewissen    Stetigkeitsvoraussetzungen    über    die   gegebenen 

Funktionen 

X,  F,  Z  von  X,  y,  z 

stets   ein    und   nur   ein  System   von    Lösungen   m,  t^,  w  zuläfat, 


352  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

wollen    wir  jetzt    die    Existenz    einer    abzählbar    unendlichen 
Menge  von  Funktionentripeln: 

beweisen,  welche  den  DifiPerentialgleichungen : 

^  u.  +  ^^-^  +  »-l  u.  =  0, 


4) 


genügen  und  an  der  Oberfläche  verschwinden.  Dabei  sind  die  X'^\ 

5)  ^,<A<\<'- 

Konstanten,  welche  wir  als  die  den  elastischen  Funktionen- 
tripeln C/x  F^  W^K  zugehörigen  Zahlen  bezeichnen  wollen. 

Zur  Bestimmung  der  Eigenschwingungen  eine^  elastischen 
Körpers  bei  ruhender  Oberfläche  haben  wir  Funktionen  WW- 
zu  bestimmen,  welche  in  r  den  Differentialgleichungen  genügen: 

6)^  zfF+^T— =0*'  ^TTi"»   (*»  ^'^  Konstanten  des  Mediums), 

a  y  dt 

3©  9*  TT 

de  dt^ 

und  an  der  Grenze  verschwinden.  Jedem  elastischen  Funk- 
tionentripel  (7«  V^  W^  ist  nun  eine  elastische  Eigenschwingung 
bei  ruhender  Oberfläche  zugeordnet: 


7) 


U  ^=  Utt  cos 


r=n 


cos 


W  =  *W»,  cos 


(  -,  -}-  i  J  2  71,  {d  beliebige  Konstante), 


'^fsrnm- 


A.  Korn:   Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.       353 

und  die   betreflPende  Schwingungsdauer   bestimmt  sich  aus  der 

dem    elastischen  Fuuktionentripel  zugeordneten  Zahl  k^  durch 
die  folgende  Relation: 

8)  y-.  =  ^. 

Z  71  O 

Die  Theorie  der  elastischen  Funktionentripel  läßt  übrigens 
nicht  bloß  diese  eine  Anwendung  zu,  sondern  die  Verwendbar- 
keit derselben  ist  dieselbe,  wie  die  der  Theorie  der  Poincar^- 
schen  harmonischen  Funktionen. 

Es  läßt  sich  zeigen,  wie  wir  sehen  werden,  daß  sich  jedes 
Funktionentripel  u,  r,  w  von  gewissen  Stetigkeitseigenschaften 
nach  den  elastischen  Funktion entripeln  entwickeln  läßt: 

9)  '    t;  =  S"  Cx  ^K»  (^1  ^2  .  .  .  Konstanten). 

Nach  dem  Beweise  dieser  Entwicklungen  kann  man  das  System 
von  Diiferentialgleichungen : 


10) 


Av  4-  k —  =  o' — — , 
Aw  A-  K —  =  o* — -r, 


das  System  von  Differentialgleichungen: 


11) 


Av  4-  k  —  =z  u-    , 
^     dy       ^  dt' 

Aw  4-  k       ==  u     , 

^    dz      ^  dt 


und    auch    das    noch    allgemeinere    System    von    Differential- 
gleichungen : 


3Ö4 


Sitznng  der  inath.-phya.  Eliase  rom  6.  Mai  1906. 


12) 


99  a^tf  du 

'     ay         af»  ^  ^  a^ 

J  ir  +  AT  -—  =  O*  —-5-  +  il  — r 


in  sehr  allgemeiner  Weise  bei  gegebenen  Anfangs-  und  Grenz- 
bedingungen ini^rieren. 

§  1. 

Ich  stelle  der  Untersuchung  den  folgenden  Hil£3satz  voran : 
Hilfssatz.     Es  seien 

ujvjwj    0  =  0,  1,2  .  .  .1?) 

p  +  1  Funktionentripel,  die  mit  ihren  ersten  Ablei- 
tungen in  T  eindeutig  und  stetig  sind,  an  der  Grenze 
verschwinden,  und  von  denen  sonst  nichts  voraus- 
gesetzt werde,  als  daß  die  UjVjWj  derart  linear  unab- 
hängig sind,  dafs  keine  Relationen  von  der  Form  statt- 
finden können: 


0 

0 


im  ganzen  Innenraum, 


wo  die  ßj  reelle  Eonstanten  sind,   die  der  Gleichung: 

genügen.    Man  kann  dann  stets  die  p -{- 1  reellen  Eon- 
stanten: 

so  berechnen,  daß 

13)  «5  +  «?  +  "-  +  «p=^ 

und  die  Funktionentripel: 


«0«l  '"^p 


A.  Kom:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.         <^<>»^ 


14) 


0 


p 


0 

p 


die  Ungleichung  erfüllen: 

J(u»  +  t;»  +  M;»)dT 
15) 


0} 


wo  a  eine  endliche,  lediglich  von  der  Gestalt  der  Fläche 
abhängende,  von  den  Funktionen  UjVjWj  gänzlich  unab- 
hängige Länge  vorstellt,  und  wo: 


16) 


du  dv         dW 

o  =  -\ J , 


17) 


dW 
du 

^  =  37- 


dv_ 
ä7' 


gesetzt  ist. 

Es  ist  in  der  Tat: 


dx' 

du 


18) 


äy 
9y. 


aiD 


)i 


.     Jae     /au     ato\|  ,      p«     /a»     auMl  , 
+  iay  -  iä;^ - äi j)  +  ** \V. -\Vx-  Vy)\\ ^'^ 

=  —  ^  \uAu'\'  vAv  '\-  wAw]dr^ 

1906.  Sitonngsb.  d.  math.-pb78.  Kl  24 


356  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

und  wir  wissen  nach  dem  Beweise  eines  Poincareschen  Satzes,*' 
dafd  bei  genügend  groüem  p  die  Konstanten  aj  so  bestinmil 
werden  können,  daß: 

J-<.^/[(-^"-G")'-(li')>" 


19) 


s^-<mm'-m-(^yh 


I  I 

Wir  haben  in  dem  bekannten  Beweise  des  Poincar^chen 
Satzes  das  Gebiet  t  nur  in  eine  Anzahl  <  ^  Teilgebiete  tj  zu  zer- 
legen, und  die  Konstanten  aj  so  zu  berechnen,  daß  für  jedes 
Teilgebiet: 

20)  Jwdr  =Jv(It  =jwdt  =  0, 

'i  V  V 

dann  ergibt  jener  Beweis  auch  unmittelbar  die  obigen  Formeln. 

§2. 

Wir  stellen  uns  jetzt  das  folgende  Problem: 
Gegeben  sind  drei  (abteilungs weise)  eindeutige  und  stetige 
Funktionen  der  Stelle  des  Innenraums  /j  f^  /"j,  von  denen  wir 
voraussetzen,  daß  in  den  Teilgebieten,  in  denen  Stetigkeit  vor- 
handen ist,  für  zwei  Punkte  1  und  2  in  genügend  kleiner  Ent- 
fernung r„: 

21)  ab8.[|/;.|.-/,i.]<^,<,^  =  l,2,3,  ^^^^^    »^  ^^^^^^  ^^^^^ 

Es  sollen  drei  mit  ihren  ersten  Ableitungen  eindeutige  und 
stetige  Funktionen  U  V  W  der  Stelle  des  Innenraumes  so  ge- 
funden werden,  daß: 

*)  H.  Poincare,  Rendiconti  del  Circ.  Mat.  di  Palermo,  1894;  A.  Korn, 
Abh.  zur  Potential theorie  4  (Berlin,  Ferd.  Döramlers  Verlag  1902). 


A.  Korn:  Kigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.         oüi 


22) 


d  X 


/iV  +k 


AW+k 


9y 

"de 


+  X*V /,, 


+  A»Tr  =-/:, 


Ä    und  P  gegebene  Zahlen  ( —  1  <  Ä  <  ex),    und    daß  an   der 
Fläche  (o: 

23)  F  =  0, 

W=0. 

Wir  bilden  successive,  entsprechend  den  Untersuchungen 
meiner  ersten  Abhandlung  zur  Elastizitätstheorie,')  die  mit  ihren 
ersten  Ableitungen  in  r  eindeutigen  und  stetigen  Funktionen: 

so,  daß: 

^^0  +  *!*'  =  -/;, 


24) 


Jm,-|-  «yj  =  —  «-1, 


J  «;    +  Ä 


90 


t^-i 


■^«v  +  *  37  =  —  «v-i. 


j-1,2,... 


in  T, 


*)  Wir  könnten  auch  ebenao  leicht  das  allgemeinere  Problem  be- 
handeln, in  dem  statt  Uj  q>^  U  steht,  .  .  .  und  9?*  eine  überall  von  null 
verschiedene,  positive  Funktion  der  Stelle  des  Innenraumes  ist,  die  nur 
einer  ähnlichen  Bedingung  21)  wie  die  fj  genügt. 

2)  Diese  Ber.  B.  36,  S.  37. 

24» 


358 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


während  an  a>  stets: 

«,=  0,  ] 

25)  ■    »y  =  0, 

Können  wir  zeigen,  daß: 


i  =  0,1,2... 


lim  (i^y  uj^O 


und  daß  die  Iteihen: 


0 


00 


0 


OD 


S,(A»yu;y 

0 

mit  ihren  ersten  Ableitungen  eindeutige  und  stetige  Funktionen 
der  Stelle  des  Innenraumes  vorstellen,  dann  werden  diese  Reihen 
die  Lösungen  der  gestellten  Aufgabe  repräsentieren.  Bevor  wir 
zu  diesen  Konvergenzbetrachtungen  übergehen,  wollen  wir  einige 
Eigenschaften  der  aufeinander  folgenden  Funktionen  Uj  Vj  w'j 
kennen  lernen. 

§3. 

Wir  wollen  voraussetzen,  es  bestehen  zwischen  den  p  -{- 1 
Funktionentripeln 

«i  «V  ^J         U  =  0,  1,  . . .  p) 
die  Relationen: 

0 


26) 


u 


ljßiU>j  =  0, 


A.  Korn:  Digenschwingungun  eiues  elastiachen  Körpui'«.         •-'•JÜ 


WO  die  ßj  reelle,  den  Qleichungen: 


27) 


/^  +  /^  + 


+  /Pp=l 


genügende  Konstanten  vorstellen,  und  wo  p  eine  endliche 
!Zahl  ist.  Wir  wollen  zusehen,  zu  welchen  Konsequenzen  dies 
für  die  drei  Funktionen  f^  f^  f^  führen  muß.  Wir  werden  zu- 
nächst zeigen,  daß  man  aus  26)  stets  drei  Relationen  von  der 
Form 


28) 


p-1 

S/^i  i;y==0, 

0 

P-i 

S/y^-tt^,  =  0 

0 


ableiten  kann,  wo  die  y^-  (^'  =  0,  1,  . .  .p — 1)  reelle,  den  Glei- 
chungen : 


29) 


yl  +  7\^ 1-  yj-i  =  1 


genügende  Konstanten  vorstellen,  in  folgenden  drei  Fällen: 
1.  Wenn  die  Gleichung: 


30) 


ß^c^  +  ß^afi-^^  ...  +  ^p  =  0 


eine  komplexe  Wurzel: 

x^  +  ix^        (^1  +  0) 
besitzt: 

2.  wenn    diese  Gleichung   eine   reelle,    negative  Wurzel 
besitzt ; 

3.  wenn  diese  Gleichung  eine  positive  Doppelwurzel  hat. 
In  der  Tat  berechnen  wir  die  j?  +  2  Konstanten 


70  71 


yp-i  X  a 


so,  daß: 


'MO 


Sitzung  der  matb.-pbys.  Klasse  vom  ö.  Mai  1SKM>. 


31) 


a^O, 


32  a) 


^70  =  ßo^ 

^y%  =  /'«  +  «^^1» 

0  =  ßp  +  axyp-u 

^0  +  ^'^  +  •  •  •  yl^i  =  1' 

wiis   auf  jp  Weisen    möglich    ist,    entsprechend    den  p  Wurzeln 
der  Gleichung  30),  so  folgt  aus  26): 

H +  yp-i  Wp), 

^0 ^0  +  ^1  ^1  -\ H  yp-i  ^P-i  =  ^iro  ^1  +  Yi ^t 

+ 1-  yp-1  vp). 

H h  yp-1  t^p) 

oder: 

'  9 

H h  yp-i  öp)  =  —  a;(yoWi  +  ^i  w»  H h  yp-i  Wp), 

ooux  )   ^(^'o^»  +^»^«  +"•  ^-yp-it^p)  +*jj-(^oöi  +  >',<^« 

32b)  ^  ^y 

H h  yp^i öp)  =  —  ^O'o t^i  +  ^1  ff  H h  yp-1  vp% 

^(yo^i  +  yi^^-i +  yp-i  ^p)  +  *  ^  (/o  ^'i  +  Yi  ^% 

H +  yp-\  ^p)  =  —^{y^^h  +  yi tv^  -f 1-  Yp-i  ^pI 

Hat  die  Gleichung  30)  eine  komplexe  Wurzel 

fl?i  +  ix^  (x^  +  0), 

und  setzen  wir: 

yo^i+Yi^i'\ h  Yp-i  Up  =  X+iS, 

33)              yo^i+Yi^t  +  '"  +  Yp-i  ^P  =  Y+  in, 
Yo^i  +  Yi^^i-] \-yp-\t^p  =  ^+  iZ, 

so  folgt,  wenn  wir  die  Gleichung  32  b)  bezw.  mit 


A.  Korn:  Eigunschwingungen  eine«  elastischen  Körpen.         361 


X-iS,       Y—iH,      Z—iZ 
multiplizieren,  addieren  und  über  den  Innenraum  integrieren: 

a(X-i=-)a(X+i=-)  dJX—iE)d{X-\-iS) 


34) 


J  [  dx 


dX 


ay 


3y 


,  diX-i3)diX+iS)   ,  diY-iH)d(Y-\-iir) 


dz 


Ss 


dX 


dX 


djY—ilf)  djY+JH)      d(Y-iH)  djY-j-iH) 
dy  dy  de  dg 

d{Z—iZ)d(Z-{-iZ)   ,  d(Z—iZ)d{Z+iZ) 

3y 


+ 


dx 


dX 


+ 


9y 


3(Z-iZ)a(Z+_iZ)   p 


-^l..(r+i//)  +  ^^(Z+iZ)|{3^(x-ir) 


ay 


=  -(x,+  i«,)X(X»+  r»+  Z»+  ^»+  i/»+  Z*)dr, 


somit,  falls  x,  :^  0,  da  die  linke  Seite  reell  ist: 

S{X*+  r»  +  Z» +£•»+//» 4- Z»)»dT  =  0, 

x=r=z=r  =  .ff=z  =  o, 

oder: 

35)^  yo«i  +  yi«*  + hyF-i«P  =  0;      J-o», +  y,v, 


I  -f H  '/p-i fp  =  0;      yoW'i  +  ^1  »<'«  H H  yp-i  «^p  =  0 


und  hieraus  durch  die  Operationen 


de 


'^  +  *ai'    ^^*a-^'    ^  +  *fj 


die  Gleichungen: 


36) 


+  y,-x  «v-i  =  0;     y«  "o  +  yi  "i 


In hyp-i«>-i=0:  yo«'o+yi«'iH hyp-i«'j.-i  = 


0. 


\ 


362  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

Hat  die  Gleichung  30)  eine  reelle,  negative  Wurzel 

so  folgt  aus  34): 

-j[®+('f)"+(v?)'+(i-i)+af)+(^D' 


-'/( 


1 


dx   '    9y   '   de 

t 

und  hieraus  wieder:    35)  und  36),    da  links  eine  Summe  von 
lauter  negativen  Gliedern  steht. 

Hat  schließlich  die  Gleichung  30  b)  eine  positive  Doppel- 
wurzel 


37) 


X  ~~-  X , 


so  können  wir  die  p  Eonstanten 

so  bestimmen,  daß  sie  zusammen  mit  x  die  Gleichungen  erfüllen 


38) 


bdp-2  =  Yp^2  +  ftdp-sS, 
0  =  yp_i  +6dp-2*, 


6  +  0 


t2 


2 


^0  +  ^1  +  •  '  •  +  ^p-2  =  1, 

und  wir  können  die  Gleichungen  32  a)  in  der  Form  schreiben 

F—2xF^  +  x'^F^  =  0, 
39)  {G-2xG,+i^G^  =  0, 


A.  Korn :  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.        363 


40) 


Ft  =  ^0^*% -r  \t*»  + 

G^  =  ^0  »0  +  ^1  fi   + 
^1  =  ^0  »I  +  ^I  «t  + 

G'«  =  ^0  »»  +  ^i  f ,  + 

■ff  ==  ^0  «»0  +  ''j  Wi + 
-ff,  =  ^0«'!  +  ^!«'«  + 

Es  folgt  aus  39)  und  40): 

JF+h^J^+  ^  +  ^Jp\  +  2xF-ö?F,  =  0, 


+  dp-2Mp-l, 

+  ^p_2  Wp ; 

+  ^p-2Vp-2, 
+  ip-2  Vp-1 , 

+  <5p-2t;p; 
+  dp_iM;p_2, 

+  dp_2Wp-l, 

-}-  (Jp_2u;p. 


dX\dX 


a^ 


Diese  Gleichungen  multiplizieren  wir  bezw.  mit 
{-F,),      (-G,),      (-£,), 
addieren  und  integrieren  über  den  Innenraum,  dann  ergibt  sich : 

J*  {F*  +  (?2  +  IT«  —  2«  {FF^  +  GG,  -f  HH,) 

und  hieraus: 

F—xF^  =  0, 

41)  G  —  xG,  =  0, 

H—xH^  =0, 

das  sind  Gleichungen  von  der  Form: 

^0^*0  +  ^1  «*i  H h  Yp-i  **P-i  =  0, 

yo^'o  +  ^1  <^i  H H  yp  1  ^?'\  =  0, 

yoW'o  +  Yi^i  H h  yp-iw'p-i  ==  0. 

Wir   sind    damit    zu    dem    Resultate    gelangt,    daü    man 
Gleichungen  von  der  Form: 


;{6l 


Sitzung  der  niath.-phys.  Klasse  vom  &.  Mai  lUOti. 


'  +  ßp 

Up 

0, 

+  ßp 

h 

= 

0, 

'  +  ßr 

Wp 

=- 

0 

-f   Ym 

Um 

0, 

+    Ym 

Vm 

— 

0, 

+  Ym 

Wfn 

— = 

0 

ßo^o+ß^v,  +• 
stets  auf  (jleichungen : 

^2)  IyoVo  +Yi^i  +" 

^0  M^o  +  ^1  «^1  +  •• 
reduzieren  kann,  in  denen  die 

YoYi    "    '  Ym 

reelle,  der  Relation: 

•43)  y?  +  y?  +  •  •  •  +  >t  =  1 

genügende  Konstanten  vorstellen   und  so  beschaffen  sind,   daü 
die  Gleichung: 

44)  Yo^  +  Y\ ^'""^  H \-Ym  =  0 

m  positive,  einfache  Wurzeln  besitzt. 

Bezeichnen  wir  mit  x^x^  .  ,  .  x,n  diese  m  Wurzeln,  so  ist, 
da  eine  Doppelwurzel  nicht  existiert,  die  Determinante: 

1   1  ...   1 


»1^1  Xa    ...    •vfn 

x-x^  .  .  .  ^^ 


/wOH — 1  ^W* — 1 


•    •    •   •«'_. 


-l 


+  0, 


und  wir  können  somit  mit  Hilfe  der  Gleichungen: 

„o=?7, +  Ü-2  H +  ü„,...') 

«1  =  X-'  Ui  -\-  x-'Ui+  •■■  +  a;->  U„„  . . . 
45)  \     u-z  =  a:,-«  Ui  +  x^*  U2 -\ +  x-''U,,... 


^)  Je  zwei  analoge  Gleichungen,  in  denen  überall  a  durch  v  bezw.  ir 
und  U  durch  V  bezw.  W  zu  ersetzen  ist. 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elatttiuchen  Körpers.        365 

die  Funktionen 

U^U^  . .  .  Um  linear  durch  die   w^  w,  ...  Um- 1 , 

'^\    '^i    •   •   •      '9n  Jl  9  f»  ^Q  V^    ,  .   ,      V^  -l  j 

definieren.     Aus  45)   und  42)   folgt  nun,   dsL  x^  x^  , . ,  x,n   die 
Gleichung  44)  erfüllen,  auch: 

Um  =  a;,-"*  Ui  +  xi/'^U.-i h  a;-"*  C^,h,  . . .  ,*) 

so  daß  wir  die 

Uj  V,  Wj         0*  =  1,  2  . . .  ^0 

anstatt   durch  die  Gleichungen  45)  auch   durch  die  folgenden 
Gleichungen  definieren  können: 

46)    uj  =  x-^U^-\-x^^U2+'"+x-JU^,...')   0'  =  li2...m). 


47) 


Nun  folgt  aus  46)  und  24): 


-i- 


-i^ 


+  x-i{AU„  +* 


dx  )'•-• 


0  =  1.2...  m), 


und  da  wir  die  Oleichungen  45)  auch  so  schreiben  können: 
48)  ttj_,=a;r«-')tr,+a;,-«-')ü,+-a;-'i-')tr„,...  0  =  1,2. ..m) 

auch: 


49) 


0 


+  *^'-+^ 


+  a:-0-»jjtr.  +  Ä:^^^«  +  ^,f7,}  +  .   • 
+  a:-0-»  jj  £r„  +  i^  +  z«  tr.j,... 


j  =  1,2...  m. 


Das  sind  dreimal  m  lineare   und   homogene  Gleichungen 
für  die  m  Größen: 


')  Je  zwei  analoge  Gleichungen,  in  denen  überall  u  durch  v  bezw.  to 
und  (/  durch  V  bezw.  IK  zu  ersetzen  ist. 


366 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


^Uj  +  k^^  +  xjUj, 
bezw.    AVj+k^^  +xjVj, 


i  =  1,  2  ...  fw, 


es  folgt  somit,    da  die  Determinante  dieser  Gleichungen  4=  0 
ist,  einzeln: 


50) 


j'  =  1,  2  . . .  w. 


Die  erste  Oleichung  45)  lehrt  uns  somit:  Es  ist  bei  unserer 
Voraussetzung : 

51)  »0=  F,  +   F,+  ...  +  F«, 

wo  die  C^  Fy  W^  linear  durch  die  Wy  vy  m;^  ausdrückbare  Funk- 
tionen des  Innenraumes  von  w  sind,  welche  in  demselben  den 
Differentialgleichungen  genügen : 


AUj+k 


^^i  +  *^ *i^^         >  =  1,  2...m. 

dWj+k^^-XjWj, 
Dabei  sind  die  Xj  positive  Zahlen,  welche  der  Gleichung: 

genügen. 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  eliiistischen  Körpers.        367 


Wir  sprechen  das  Resultat  folgendermaßen  aus: 

I.  Bestehen  zwischen  den  successive  durch  die 
Gleichungen  24)  und  25)  definierten  Funktionen  UjVjWj 
Relationen  von  der  Form: 


+  ßpUp  =  0, 
+  ßpVp  =  0, 
+  ßpWp  =  0, 


v?o    p    eine    endliche    Zahl,    ßo  ß\  *  -  -  ßp    reelle,    der 
Gleichung: 

^  +  /j?  +  ---+^  =  i 

genügende  Eonstanten  vorstellen,  so  kann  man  ^^o^o^^o 
in  der  Form  darstellen: 


u^  = 


v^  = 


w^  = 


wo  die  UjVjWj  linear  durch  die  UjVjWj  resp.  ausdrück- 
hare,  mit  ihren  ersten  Ableitungen  eindeutige  und 
stetige  Funktionen  der  Stelle  des  Innenraumes  von  co 
sind,   die  in   demselben   den   Differentialgleichungen: 


dWj  +  k 


d9j 


de 


xjWj 


j  ==  l,  2  .  .  .  m 


und  an  der  Oberfläche  den  Bedingungen: 


Vi 
Wj 


=  0, 
=  0, 
=  0,1 


j  =  l,  2  .  .  .  tn 


;{68 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


genügen;  dabei   sind   die   Xj  positive  Wurzeln    der 
Gleichung: 

/S,a5P  +  /?,a;''-'  +  .--  +  /?p  =  0. 
Die  Funktionen  fif^f^  sind  in  der  Form  darstellbar: 
f^  =  —  X^U^  —  «,  ü, X„U„, 

52)        \ft  =  -^,yi  -^,v^ «»J^«. 

Die  letzte  Behauptung  folgt  unmittelbar  aus  51)  und  50). 
Setzen  wir  bei  der  Voraussetzung  des  Satzes  I 

U=a^U^  +  a,  t/,   -\ \- OmUm, 

53)  •    r=  a,  F,  +  a, F,  +  •  • .  +  a„ F„„ 

>F  =  a,  TF,  +  a,TF,  +  . .  •  +  a„.TF,„, 

so  genOgen  diese  Funktionen  den  DüFerentialgleichungen : 

30 


54) 


wenn 
55) 


Xi 


aj  = 


X^ 


Xi 


bei  der  Voraussetzung: 


X^    +    Xy 


Die  Lösungen  53)  unseres  Hauptproblems  haben  somit, 
als  Funktionen  von  X^  betrachtet,  einfache  Pole  an  den  Stellen : 

X^  =  Xj  (j  =  l,  2  ,  ,  .  w). 

Fragen  wir,  kann  es  noch  ein  anderes  Lösungssystem 
[/•'  j/'  ^r*  jgj.  Aufgabe  geben,  so  bemerken  wir,  daß  in  dem 
Falle  der  Existenz  eines  zweiten  Lösungssystems  U'  V  W: 


Ä.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.        369 


56) 


A{U'  — 


A{V'  — 


dX 
dy 


A{W—W)-\-k 


d(9  —  0) 
de 


=  -X*{U'-U), 


=  _x»(F'— F), 


=  —P(W'—W) 


sein  müßte;  nur  um  solche  Funktionen  V — U,  V —  V,  W'~  W, 
die  im  Innenraume  den  Gleichungen  56)  genügen  und  an  der 
Oberfläche  verschwinden,  können  sich  UVW  und  U' V  W 
unterscheiden. 

Wir  betrachten  jetzt  den  Fall,  daß  sich  zwischen  den 
successiven  Funktionen  UjVjWj  keine  Relationen  von  der  Form: 

ßo^o  +  A«*i  -t l-ßpUp  =  0. 

ßo^o+ßi^x  -V-'-VßpVp  =0, 
ßt^^Q  -^  ßx^i-\ h  ßpt^p  =  0 

herleiten  lassen,  wo^  eine  endliche  Zahl  ist  und ßoßi-'-ßp  reelle, 
der  Gleichung 

genügende  Konstanten  vorstellen. 

Wir  bilden  an  Stelle  der  Keihen  iij  Vj  tvj  die  Reihen,  welche 
entstehen,  wenn  man  anstatt  von  den  Funktionen  /, /i/i  von 
den  Funktionen: 


4-  QpWp-] 


«o/s  +  «i  «<^o  +  «a ^^1  +  • 
ausgeht,  wo  die 

/^  +  1  reelle  Konstanten  sein  sollen,  die  der  Gleichung: 


«H«?+ 


+  «f,  =  1 


genügen,   und  über   die   wir   uns   noch  weitere  Bestimmungen 
vorbehalten. 


370 


Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


Wir   bilden   also   successive   die   Funktionentripel  ^jXjQjj 
welche  in  t  den  DüFerentialgleichungen  genügen: 


57) 


d^ 


4  1  ^^3 

djii  +  k—^ 

'  dX 


=  -  Jly-i 


dOj 


=  -  Qj-i » 


j  =  l,2... 


<^J 


dx     dy     de' 


und  an  der  Fläche  (o  den  Grenzbedingungen 


'^J 

= 

0,  ) 

Xi 

= 

0, 

^QJ 

^sz 

0,1 

i  =  0,  1,  2  . . 


58) 


Wir  wollen   zeigen,  daß  wir  bei  genügend  großem  p  die 
Konstanten 


a^a^  ,  .  ,  Op 


so  wählen  können,  daß 


59) 


.     ^  !  l  Ä  endliche  Eonstante, 

^^S  \  L  echter  Bruch, 


wenn   A*  eine    beliebige   positive,   festgegebene  Zahl   vorstellt, 
so  daß  die  Reihen: 


60) 


^  =  ^0  +  i*  ^1  -|-  ^*  ^1  + 
X  =  Xo  +  ^^Xi  +  ^^X%  + 


A.  Kom:  Eigen9chwin<^nnt((*n  eines  elastischen  K(>rpers.  'W  1 

mit  ihren  ersten  Ableitungen  eindeutige  und  stetige  Funktionen 
der  Stelle  des  Innenraumes  von  co  vorstellen,  die  in  demselben 
den  Differentialgleichungen: 

da 


61) 


^^  +  *  ^^  =  —  K /i  +  «1  «*o  + h  op  Wp-O» 


dX 

do 


^X+  ^:rz  =  —(%f%  +  ^i  ^0  H h  op  vp-i)» 


dX 

do 


^^  +  *  ^^  =  —  («o/i  +  «1  ^0  H h  «P w^P-i) 


djs 


und  an  der  Fläche  (o  den  Orenzbedingungen : 


62) 


genügen. 

Wir    betrachten 
Quotienten: 


zum    Beweise    dieser    Behauptung    den 


jfK  +  Xl  +  Ql)  dr 
J(i_,  +  Xl-,  +  ei_,)  dx  ' 

der  nach  57):^) 


{m  eine  endliche  Zahl), 


1)  Es  ist  nach  67): 


J-(4.i+;rLi+^Li)^' 


^^'mV 


do^\2 


=  /[K  +  *^)+('^'-  +  *-aT)'+('^-  +  *^)'H 


UDd: 


,%+>"'-+(fe-^)*+(fe-te)*+(->t-'^)> 


■omit: 

190lw  Sitnugab.  d.  iiiatb.-pbyB.  KL 


^z«,+t9~) +(^e«+* 


(• 


m^- 


25 


372  Sitzung  der  maih.-phy8.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

S«  +  ^«  +  el)  dx 


L/[<-')"^Ht-Y;)M1?-'*-)M'*--t)']'". 


und 


a* 


wenn  wir  a^j  a,  . . .  Op  in  geeigneter  Weise  wählen ,   nach  der^ 
Hilfssatz  auf  S.  354,  da 

^m  =  «0  ***•-»   +  Oj  Mm  +   •  •  •  +  «p  Wm+p-l  , 
Xm  =  «0  ^»»-1  +  «1   ^m  +   •  •  •  +  «p  t;,»+p_i, 
Qm  =  «0  *<'"»-l   +  «1  W^m  +  •  •  •  +  öp  ^m+p-\  • 

Das  Resultat: 

XK  +  ^^l  +  g^d.  ,„,,  Konst. 

i 

gilt   somit  für  jedes  bestimmte,    endliche  w,    bei  beliebigem/) 
und  geeignet  gewählten  a^a^  . , ,  Qp. 
Bedenken  wir  jetzt,  daß: 

i 

0  Für  m  =  1  soll 

;C^_2  ^  ao/i  +  «i  «»o  H h  «p  <^p-i» 

^m-2  ^^J"  «o/s  +  «l«"oH l-ötpW'p-l 

stehen. 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.         373 


SO  folgt: 


i 

<  SK  +  Xl  +  Ql)  dr  S«-i  +  Xl-,  +  Q%-,)  dr, 


oder: 


64) 


f  JK-.  +  Xl-^  +  e2.-i)  dr  S«  +  xl  +  ei)  dr 

_-  endl.  Eonst. 

Infolge  dieses  Schlusses  von  m  auf  m  —  1   ist  allgemein 
für  jedes  bestimmte,  endliche  m  bei  geeignet  gewählten  a^  a^  api 

XK  +  4  +  eS)dr 


65) 


<V. 


i'{(«o/i+«i«o+ •+«i'Vi)*+(ao/»+ai«o+ •+«pVi)'+(ao/«+a.«'o+- +«p«'p-0*}<^T 
S{"\+X'\+Q\)dr  _S("i+xl+Ql)dT  _     S«  +  xl  +  el)dr 

'j(<+j^et)dr^*'M+xf+^)d'r^"'  <  jK_',+zi:'.+7i:,)rfT 

i  i  i 

-endl.  Konst. 

Man  kann  dieses  Resultat  aber  auch  für  unendlich 
wachsende  m  beweisen,  nach  der  bekannten,  von  Poincart^ 
gefundenen  Schlußweise:  Man  betrachte  die  für  ein  beliebiges 
endliches  m  unseren  Voraussetzungen  genügenden 

Uy       u^       •  •  •  "p        / 

als  Koordinaten  von  Punkten  der  Eugelfläche: 
66)  «2  +  aj  -h  . . .  +  a«  =  1 

in  einem  jp  +  1  dimensionalen  Räume,  dann  wird  für  die 


^)  Ich  fQge  die  Indices  (m)  zur  genaueren  Bezeichnung  hinzu. 

26* 


67) 


374  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

**0         1      •  •  •  "p 

eines  gewissen  Gebietes  d«,  der  Eugelfläche  die  Bedingung  6^^ 
erfüllt  sein.  Wir  können  in  gleicher  Weise,  bei  geeignet  g^  — 
wählten 

u  1  •  •  •  **p 

erreichen,  daß: 

JK  +  ;t?  +  eS)dT 


j'{(s/i+«i"o+  +«p«P-i)*+ (aoA+ai»o+"+«J'Vi)*+(ao/«+«i«'o+  +«^«'f 


<•"< 


endl.  Konst. 


3' 


wo  die  endliche  Konstante  rechts  von  m  und  p  ganz  unab- 
hängig ist.    Die  Punkte 

«(m+l)  «(«+1)  ^  ^  ^  a(m+l), 

welche  der  Bedingung  67)  genügen,  werden  einem  Gebiete  dnt-\.i 
der  Eugelfläche  66)  angehören,  welches  ganz  in  dem  Gebiete  ($«• 
enthalten  ist,  da  die  Bedingungen  65)  eine  Folge  von  67)  sind; 
in  dieser  Weise  fortgehend  sieht  man,  daß  das  entsprechende 
Gebiet  dm-^2  ganz  in  dem  Gebiete  <$m4.i,  <$m4^  ganz  in  dem 
Gebiete  ^m4-2  enthalten  ist,  und  so  fort;  daraus  folgt,  daß  ein 
Wertsystem: 


Qq  €L*    m  ,  ,  OLp 


existiert,  für  welches  die  Ungleichungen  67)  auch  bei  unend- 
lich wachsendem  m  erfüllt  sind,  und  es  ergibt  sich: 

68)  jinj  +  x'j+Qj)dr<B-LlJ, 

wenn  wir 

^^.  j.         endl.  Konst. 

09)  Itp  =  - 


8 


i/f 


A.  Koni:   Kigeiisch\viii«^uiigen  eines  eliistischen   Köiper.s.  « u  ».) 

setzen  und  unter  B  eine  endliche  Konstante  verstehen,  die  von 
j  ganz  unabhängig  ist. 

Wir  folgern  aus  68)  auch 

J-PJ  dr  ^  endl.  Konst.  jLJ^ 

T 

(man  vgl.  die  letzte  Formel  Anm.  S.  371),  wenn  man  unter 
Fj  eine  der  vier  Funktionen 

^^a^a^a^    ae/_a^-    93_9ey    Ixj_^^j 

^        dx  '^  dy'^  djsi'    dy       djsi'     dz        dx'    dx       d'y 

versteht ;  denken  wir  uns  um  einen  Punkt  {x  y  z)  innerhalb  co 
eine  Kugel  vom  Radius  12,  der  nur  klein  genug  gewählt  ist, 
daß  die  Kugel  ganz  in  dem  Gebiete  r  liegt,  so  ist: 

wo  die  Integi'ale  rechts  über  die  Kugel  bezw.  Kugelfläche  zu 
erstrecken  sind,  somit: 

-"  iJ»  i  F>  I  <  endl.  Zahl  •  VCF^drR* 

O  %ß       J 

R 

+  Jendl.Zahl2PV^iJ.JJi<;^dTdü, 


also: 


0 

-<  (endl.  Zahl  •  jßi  +  endl.  Zahl  •  B^)  L/', 


Li 


Fj  I  <  endl.  Konst.  -^ 

r* 


wenn  r  die  kleinste  Entfernung  des  Punktes  {x  y  z)  von  (o  ist. 
Ferner  ist  wegen  der  Formeln: 

""^--U  fxi  ^^T  +  4^  ä^J  ""^  r—4^  rzi  '>  7'  •  •  • 
in  dem  Punkte  (x  y  z): 


376  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

U 


abs.  Max.  {n^  Xj  Qj)  <t  abs.  May.  Fj  -|-  endl.  Konst. 


rr' 


somit,  wenn  wir  mit  Cj  den  absolut  größten  Wert  von  ^jXjQj^M 
in  {x  y  z)  bezeichnen : 

Cj  <  endl.  Konst.  -^ . 

r* 

Andererseits  ist   nach  den  Untersuchungen   meiner  ersten 
Abhandlung  zur  Elastizitätstheorie: 

abs.  I  öy  |i  <^  endl.  Konst.  Cj^\  ri2 ,  (vgl.  diese  Ber.  36,  S.  80,  1906), 

somit 

Li 
Cj  <  endl.  Konst.  Cy-i  r^  -f-  endl.  Konst.  -j , 

r* 

wobei  man  fQr  r  eine  beliebig  kleine  Länge  einsetzen  kann, 
hieraus  in  bekannter  Weise,  daß  Cj,  somit  auch 

70)  abs.  Max.  (jij  xj  Qj  A  ^j  2>,  XjI^iQj)<^'  U^ 

wo  A  eine  endliche,  von  j  unabhängige  Konstante,  Lp  eine 
Zahl  vorstellt,  die  durch  Vergrößerung  von  p  beliebig  klein 
gemacht  werden  kann. 

Ist  nun  X*  eine  beliebige,  positive,  fest  gegebene  Zahl,  so 
können  wir  dadurch,  daß  wir 

r  =^ 

machen  {L  irgend  ein  echter  Bruch),  erreichen,  daß 

71)  abs.Max.  lX^^7ij,X^^xj.^^JQj,X^W,jZj,X^Waj.X^W,Qj]  <ALj 
wird,  und  es  wird  dann  tatsächlich  in  den  Reihen: 

In  =  71q  +  P  jij  +  A*jr,  H , 
X  =  Xo  +  ^^Xx+^^X,  +  '". 
Q  =  ^0  +  ^*^1  +  ^*^t  H 

ein  mit  seinen  ersten  Ableitungen  in  t  eindeutiges  und  stetiges 
Funktionentripel  gegeben,  das  im  Jnnenraume  den  Differential- 
gleichungen: 


73) 


A.  Korn:  fügenschwinguiigen  eines  elastischen  Körpers.        377 
^^  +  *  ^  =  —  («o/i  +  «1  "o  +  a, Wi  H h  «pW^-O, 

■Je  +  *  g^  =  —  («o/s  +  «i««o+  «»«'i  H h  «p««?-!) 


und  an  der  Oberfläche  a»  den  Grenzbedingungen: 
74)  j  Z  =  0, 

[e  =  o 

genügt. 

§5. 
Wir  definieren  jetzt  die  p-\-  \  Funktiouentripel 

uü"ü"...m\  vrr'...v»'\  w w w . . . w^^^-) 

durch  die  dreimal  p  -\-  \  linearen  Gleichungen : 

U—X'U'  =»0.  ••• 

U'  —  )?U"  =M,,... 


75) 


man  kann  dann  zeigen,  daß  für  den  Fall  des  Nichtverschwindens 
der  Determinante  dieser  Gleichungen: 


76) 


D  = 


a 


0        ^1 

1  —x^ 

0      1 


a. 


0 


V  .. 


0      0        0     . 
=  (-  Xy  a,  +  (-  Xy-^  a,  + 


Op 

0 
0 

1  —  A» 

•  —  X^  Op-x  +  n», 


*)  Die  Zeichen  (j)  sollen  hier  als  Indizes  stehen. 
')  Je  zwei  analoge  Gleichungen,  die  dadurch  entstehen,  daß  man 
für  U  bezw.  VW,  tii  a  bezw.  xe>  ftr  ««  bezw.  v w  schreibt. 


378 


Sitzung  der  inath.-phy8.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


die  Funktionen  UVW mit  ihren  ersten  Ableitungen  eindeutig 
und  stetige  Funktionen  der  Stelle  des  Innenraumes  von  m  dai 
st«llen,  die  den  Differentialgleichungen: 

99 


77) 


und  den  Grenzbedingungen: 


78) 


0, 
0, 
0 


genttgen.    Wir  schreiben  hierzu  die  an   zweiter  bis  p  ■{■  1* 
Stelle  stehenden  Gleichungen  75)  in  der  Form: 

79)     f7W-i)  _  X"  mfi  —  tt^i  =  0,  .  . .     0"  =  1,1)  2  ...  p) 
und  folgern  hieraus  durch  die  Operationen 


AiT,^^  A.l.^^  A.l.^^ 

dx  dy  de 


daß: 


80) 


d  ©0-1) 


-K^'^+'^) 


9  a; 

+  «^.i»)  =  0, 


JFW 


3y  V  3y  / 


AW^i-\)j^-k 


+  »i-j  =  0, 


--K^'--+'^) 


i  =  i,2 


»)  Im  Falle  j  =  1  steht  ^^^"'^  F^^"*^  TF^'"*^  für  V  VW. 
^)  Im  Falle  i  =  1  steht  u^g  ^/-2  •fy-«  ^*^  A  A  /•• 


A.  Korn:  fiigenschwingangeii  eines  elastischen  Körpers.        379 


Während  nun  die  an  erster  Stelle  stehenden  Gleich- 
ungen 75)  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  73)  die  Rela- 
tionen liefern: 


«oW 


81») 


+*4?-+^*t;  +/■, 


dX 


■I 


+  aAAU'    +i-||-  +  Pr    +«j 


+ 


a,  \a  U" 


+  Ä 


dß" 

dX 


+ 


+  a,{jtAW  +  A?3^'  + 


x»  uw  +  „,_,|  =  0, 


V>lgen,  wenn  man  die  Gleichungen  79)  mit  X'  multipliziert  und 
^ezvr.  zu  80)  addiert,  die  folgenden  Gleichungen,  die  wir  für 
1    =  \,2  .  .  . p  explicite  hinschreiben: 


^^+*4?  +  'l'^  +  /'. 


Slb)  . 


dx 


dß' 


=  0,  .  . 


— i*  Li  u" 


äir  +  ^  +  pir-^-u. 


A»  U"  +  tt.)  = 


0,  . 


3  Ö(P-') 


9x 


X*  M  tTü»  +  k  ^'  +  A»  Ü"W)  +  up_,]  =  0,  .  .  . 


Die  Gleichungen  81  a)  und  81  b)  bilden  zusammen  ein  System 
von  dreimal  p-{-  1  linearen,  homogenen  Gleichungen  in  Bezug 
auf  die  dreimal  p  +  1  Größen : 


380 


Sitzung  der  matb.-phys.  Klaase  vom  5.  Mai  1906. 


.tu+k^-^k'ü+f,,   dir  +  k^  +  i^u'+u,, 


dx 


d&' 


dx 


o  X  o  X 

o  X  o  y 

dy  dy 

als  dZ 

Ist  ihre  Determinante  D  (76)  +  0,  so  müssen  sie  einze 
verschwinden;  im  Besonderen  genügen  also  UV  W Heu  DiflFere 
tialgleichungen  77). 

Nach  den  Detinitionsgleichungen  75)  sind  17  F  W  in  d 
Form  darstellbar: 


82) 


t7  = 


D' 


wenn 


W=- 


88) 


P  = 


«  = 


JJ  = 


71 

«I 

s 

.   .   .  «,,_! 

itf 

«0 

;» 

0 

.  .  .     0 

0 

«I 

1  • 

-A* . 

..  .     0 

0 

M,_l 

0 

0 

. . .    1  ■ 

-X* 

Z 

«1 

«. 

.  .  .  af-i 

op 

«0 

A»  0 

.  .  .    0 

0 

»1 

1    - 

-A» 

.  .  .    ü 

0 

»p-1 

0 

0 

...    0 

;i» 

e 

«1 

«1 

.  . .  ap_i 

«p 

Wo 

—  A» 

0 

...     0 

0 

JC, 

1 

X* 

.  .  .     0 

0 

«"»-I 

0 

0     , 

...     1 

-X* 

A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.        381 

Die  Formeln  82)    stellen    in   jedem   Falle    die   Lösungen 

unseres  Hauptproblems  dar,  falls  nicht  A*  gerade  eine  Wurzel 

der  Gleichung 

D  =  0 

ist;  dieser  Ausnahmefall  bedarf  einer  besonderen  Diskussion. 


§6. 

Wir  haben  i}  bisher  als  eine  bestimmte,  festgegebene 
positive  Zahl  betrachtet,  wir  wollen  jetzt  A*  als  eine  beliebige, 
positive  Zahl  unterhalb  dieser  festen  Zahl  auffassen.  Die 
Punktionen  n^Qt  somit  auch  PQR  sind  in  allen  diesen  Fällen 
^it  ihren  ersten  Ableitungen  (nach  xyjsi)  eindeutige  und  stetige 
Funktionen  der  Stelle  des  Innenraumes  von  co;  dagegen  wachsen 
^ie  Lösungen  UV  W  unseres  Hauptproblems  ins  Unendliche, 
"v^enn  sich  P  einer  Wurzel  der  Gleichung 

D  =  0 

unendlich  nähert  und  nicht  etwa  gleichzeitig  auch  P  bezw.  Q  R 
zu  Null  konvergieren. 
Die  Wurzeln 

Af^l...^         (<i^ 
der  Gleichung: 

D  =  0 

werden  somit  Pole  der  Funktionen  U  VW  in  Bezug  auf  die 
Variable  A*  sein,  falls  dieselben  nicht  Nullstellen  für  F  bezw. 
Q  R  sind. 

Unsere   wesentliche   Aufgabe   wird   daher  jetzt   sein,   das 
Verhalten  der  Funktionen  P^ü  an  den  Stellen 

Es  folgt  aus  83): 
J  TT      a. 


zu  untersuchen. 


zlP= 


a. 


Jm.      1     —V 


dup-i    0     f,0 


0      0 

0  0 

1  —  A» 


\ 


382 


und: 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


^'<c//m 


+PP 


-(a/,+a,ttj-l-aoM,+  --Hi,f4p.i)  «j  a,-.ap.ia, 
-/i+^X  -i»0,.  0  0 


oder: 


-Mp_2  +  PUp_| 


0    0..  1-A»1 


84) 


9a;\9a; 


+  ?^  +  ?;l)  +  >i'^  =  -AA 


^«  +  *if^  + 


3y 

3« 


9e 
3R 


dy\3x       dy 


+  |f)+i»«  =  -^,A 


^j2+,i,(^  +  ^+3« 


)+^'iJ  = 


Bezeichnen  wir  die  Werte  von  PQR  für 

i*  =  i.j      (j=\,2...p) 
mit  PjQ  JR^  so  folgt: 

-  I  ^-^  -4-  —^  -4- 

9B 


f»D- 


85) 


APj-\-k 


dy\^  X         dy         dz  J  ^  ^ 


dy 


dBi+Je 


(il+^+'* 


a^erVaa;        dy        de 

Definition.  Wir  bezeichnen  als  elastische  Funk- 
tionentripel  des  Innenraumes  von  (o  3  mit  ihren  ersten 
Ableitungen  eindeutige  und  stetige  Funktionen  der 
Stelle  des  Innenraumes  UjVjWj^  welche  in  demselben 
den  Differentialgleichungen  genügen: 


86«) 


2 


t 


^Wj  +  h^  +  l]Wj  =  0, 


de 


^^T 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.        383 
den  Grenzbedingungen: 

86")  i  ^^^=0, 

und  der  Beziehung: 

86«)  J(?^+F;  +  TFj)dT  =  l; 

i 

ij  bezeichnen  wir  als  die  dem  elastischen  Funktionen- 
iripel   UjVjWj  zugehörige  Zahl. 

Wir  können  nach  dieser  Definition  das  Resultat  85)  auch 
so  aussprechen: 

Die  Werte,  welche  PQR  tHr 

A    ^=2  A\j    A2j  ...  Ap 

annehmen,  sind  entweder  identisch  Null  oder  elastische  Funk- 
tionentripel  des  Innenraumes  von  tu,  multipliziert  mit  von  Null 
verschiedenen  Konstanten. 

Die   Wurzeln  Ay,   denen    elastische    Funktionentripel   ent- 
sprechen, können  nicht  Doppelwurzeln  der  Gleichung 

sein.     Für  eine  solche  Doppelwurzel  wäre: 

dD 


dP 


=  0, 


somit  nach  84). 

;«p-     AP     h  ^  (^Pj,^Qj.^^i\ 


di*  '^    dx\9xdi}  '^dy  dX*  '^  dg  dl" 


<]        ^^  dX' 


R.. 


Multipliziert  man  diese  Gleichungen  bezw.  miteinander, 
addiert  und  integriert  ttber  den  Innenraum,  so  folgt  mit  Rück- 
sicht auf  die  Relation: 


384  Sitzung  der  maih.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


+  •  •  •   dt 


daß: 


JW^''+'r.(5f+lf+il)]+-]=«' 


oder: 


^  \dz       dxj  ^\dx       dy  )  J 


2 


also: 


P,=  (?^  =  Ä^  =  0. 

womit  die  Behauptung  erwiesen  ist,  daß  einer  Doppelwurzel  Ij 
kein  elastisches  Funktionentripel  üjVjWj  entspricht. 

a 

Es   ist  femer  leicht  zu  ersehen,  daß  die  Wurzeln  Xj  der 
Gleichung 

denen  identisch  verschwindende  PjQjRj  entsprechen,  nicht  Pole 
für  die  Lösungen  UVW  unseres  Hauptproblems  sein  können, 

da  in  diesem  Falle,  wenn  das  betreffende  kj  eine  m  fache  Wurzel 

der  Gleichung 

2)  =  0 

ist  (m  =  1,  2,  .  .  .  p): 

^~dX*      (dl*f^""^{dX*r-'~'{dX'y'^ 

d«p  drQ  d-'R 


7T_(<ijr     r-^^^     w-Wr 

(dA*)-  (di")"  (<ii*)" 

""•^  (di^'   (dl^ii'  {dWr  *"  ^  ^  eindeutig  und 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers. 


385 


stetig  sind.^)    Wir  können  das  Resultat  in  folgender  Weise  zu- 
sammenfassen : 

U.    Bestehen   zwischen   den    successive   durch   die 
Gleichungen  24)  und  25)  definierten  Funktionen 

Uj  Vj  wj        0  ==  0,  1,  2  . . .) 

keine  Relationen  von  der  Form: 

ß6^6  +  ßi^i  +  '"  -i'ßpWp  =  0, 
vio p  eine  endliche  Zahl,  ß^ß^  -"  ßp  reelle,  der  Gleichung: 

ß'o  +  ßl+'-  +  ßl=l 

genügende  Eonstanten   vorstellen,    so   kann   man   für 
ein  beliebiges 


A*< 


i«.' 


j.         endl.  Konst. 


m* 


wenn  m  eine  beliebig  große,  fest  gegebene  Zahl  vor- 
stellt, ein  Lösungssystem  unseres  Hauptproblems  in 
der  folgenden  Form  angeben: 

X  (A2,  a?,  y,  z) 


87) 


y  ^ r  (r,  X,  y,  z) 

a^-A?)(f-Ai)...a^-4)' 
(i»-.i?)u^-Ai)...a'-4r 


0*)<w<w, 


*)  Dies  ist  ohne  weiteres  klar  für  m  =  1 ;  für  w  =  2  folgt  aus  84) 
und  jTj  =  0,  da  nun  das  betreffende  ^i  eine  Doppelwurzel  der  Gleichung 
D  =  0  ist:  ^p 

^^  ^  •.        TT  1^^ 

-TT«  =^  0 ,  ...    somit :    U  =    ^  ..    .... 

ond  so  fort,  für  m  =  3,  4  . . . 

*)  Für  den  Fall  n  =  0  soll  die  rechte  Seite  einfach  ftlr  X(X^,x,y,t\ 
Y  (2«,  X,  y,  r),  Z  (2«,  a:,  y,  z)  stehen. 


386  SÜKang  der  matlL-phys.  Klasse  Tom  6.  Mai  1906. 

wo  X\  Xl  .  .  .  il^  bestimmte,    von  einander  verschiedene 
positive  Zahlen    (^t— )    sind,    XYZ  für  jeden  Wert 


von  X^i 


ein  mir  ihren  ersten  Ableitungen  in  t  eindeutiges 
und  stetiges  Funktionentripel  darstellen  und  abge- 
sehen von  einem  konstanten  Faktor  für 

in  ein  elastisches  Funktionentripel  des  Innenraumes 

von  (o  mit  zugehöriger  Zahl  Xj  übergehen. 

Die  kurze  auf  den  Satz  I  folgende  Betrachtung  (S.  367) 
zeigt  uns,  daß  der  FaU: 

ßo^o -^  ßi^i  +  -  '  +  ß,^  =  0, 
ß,%+ßx^i  +---  +  /f,t;,  =0, 

{p  endlich)  keinen  Ausnahmefall  des  vorstehenden  Satzes 
darstellt : 

Zusatz  1  zu  n.    Der  Satz  11  gilt  in  gleicher  Weise, 
auch  wenn  zwischen  den  successiven  Funktionen: 

w/  tv  Wj        0"  =  0,  1,  2  . . .) 

Relationen  von  der  Form: 

/'oW'o  +  ßi^i-\ 1-  ßp^p  =  0 

{p  endlich)  bestehen. 

Zusatz  2  zu  n.    Für  irgend  ein  von 

X\  X%  . . ,  Xn 

verschiedenes  A*  kann  sich  eine  andere  Lösung  TTV'W* 
unseres  Hauptproblems  von  der  Lösung  87)  nur  um 
Funktionen 

v'—u,  r—V,  W—W 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.        387 

unterscheiden,  die  selbst  ein  elastisches  Funktionen- 
tripel  für  den  Innenraum  von  co  mit  dem  betreffenden 
X'  als  zugehöriger  Zahl  bilden. 

Dies  folgt  genau  in  derselben  Weise,  wie  in  dem  Spezial- 
fälle S.  369.  Die  Frage  nach  der  Existenz  der  Lösungen  unseres 
Hauptproblems  wird  durch  den  Satz  II  vollständig  beantwortet, 
wir  wollen  uns  nun  besonders  mit  den  Polen  dieser  Lösungen 
und  den  elastischen  Funktionentripeln  beschäftigen,  welche 
diesen  Polen  entsprechen. 

§7. 

ni*).  Die  einemelastischenFunktionentripel  U^VjWj 

zugehörige  Zahl  Ij  ist  eine  reelle,  positive,  von  null 
verschiedene  Zahl. 

Der  Beweis  von  III*)  liegt  in  der  Betrachtung  S.  359 — 362. 

IIP).  Jedes  elastische  Funktionentripel  UjVjWj 
entspricht  der  Ungleichung: 

abs.  Max.  (  U^  Vj  Wj)        <  a  •  X], 

wo  a  eine  endliche,  lediglich  von  der  Gestalt  der 
Fläche  ü)  abhängende  Konstante  vorstellt. 

Zum  Beweise  dieses  Satzes  braucht  man  eine  Verallgemeine- 
rung der  Formeln  137)  meiner  ersten  Abhandlung  zur  Elasti- 
zitätstheorie (diese  Ber.  36,  S.  80,  1906);  man  kann  nämlich 
ohne  Schwierigkeit  auch  aus  den  Formeln  103),  105)  und  136) 
folgern,^)  daß  auch  in  dem  Falle 

dx  ^  dy  ^  da  ^ 

die  Formeln  136)  bestehen.  Bedenkt  man,  daß  wegen  der 
Definitionsgleichungen : 


^)  In  einer  Abhandlang  ,Sur  les  ^quations  de  Telasticit^*,  die  dem- 
nächst in  den  Ann.  de  L'Ec.  Norm,  erscheinen  wird«  werde  ich  übrigens 
etwas  ausführlicher  auf  diese  Verallgemeinerong  eingehen. 

190«.  Sitsongsb.  d.  maib.-pbjt.  Kl  26 


388 


Sitzung  der  math.-phys.  Klane  vom  5.  Mai  1906. 


^Uj  +  k^-  =  -l^Uj,...: 


J 9y  dr  <  endl.  Konst.  A|,    JUj  dt  ^  endl.  Konst.  Ij,  ... 

T  T 

und  setzt  man: 

so  folgt  leicht  wegen  der  Formeln: 


somit  die  Behauptung,  wenn  man  r  =  -^  X    einer    genügend 


C;  <  endl.  Konst.  —  +  endl.  Eonst.  t  •  4  Cy.       x  ..       v 

Vt  Länge), 

1 

kleinen,  endlichen  Konstanten  setzt. 
III«)  Setzt  man: 

88«)  f,  =  Vj, 

[f,  =  w>. 

WO  UjVjWj  ein  elastisches  Funktionentripel  des  Innen- 
raumes von  (o^Xj  die  zugehörige  Zahl  vorstellt,  so  ist: 

u  =  «0  4-  A*  Wj  +  A*  Wj  + 


a»  <  Aj). 


88'')      ]   V  EE^  tJjj  -f-  A*  V,  +  A*  Vj  -f   •  •  •  = 

w;  zz  m;^  -f  Jl*  m;^  +  A*  m;*  -j-  •  • 
Denn  es  ist  in  diesem  Falle: 


^i 

^^1 

Wj 

X^  —  X 


2» 


**0 jJ2  ♦ 


i 


^«  1«   »     •    •    ' 


und  so  fort. 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers. 


389 


Diese  Überlegung  beweist  zugleich  den  Zusatz: 
Zusatz  zu  IIP).    Setzt  man: 


89«) 


fx  =  «1  ?^i  +  ««  U,  + 
U  =  «1  »"i  +  ««  Vt  + 


+  «p  Up, 


«p  Vp, 


+   OpWp, 


wo  a,  ag  .  .  .  ap  Konstanten,  UjVj  Wj  (;  =  1,  2,  .  .  .|))  i?  ela- 
stische Funktionentripel  des  Innenraumes  von  o>  mit 


2  02 


den   zugehörigen   Zahlen  Ai  Jlj  .  .  .  A^  vorstellen,  so  ist: 


89»>) 


w  =  Wo  +  ^*  Wj  +  A*  Wg  -f 


V 


%  +   ^^  ^l    +  ^*   ^2    + 


«ü  ^  m;^  +  A*  m;,  +  A*  w^  + 


2ji    ,2  ,2» 

,     Ay  —  Xy 

1      Xy  —  Ay 

2jy  ,2     ,2» 

1      Ay  —  Aj 


solange  /    kleiner  als  die  kleinste  der  Zahlen  AI  Ai . . .  Ap 
und  p  eine  endliche  Zahl  ist. 

IIP).  Es  existiert  für  jede  stetig  gekrümmte,  ge- 
schlossene Fläche  o)  und  für  jeden  Wert  von  Ä;>  —  1 
eine  endliche,  positive  Zahl  m  von  solcher  Beschaffen- 
heit, daß,  falls  p  eine  beliebige  endliche  positive 
ganze  Zahl  >  m  vorstellt,  die  Zahl  der  überhaupt 
möglichen,  linear  unabhängigen  elastischen  Funk- 
tionentripel des  Innenraumes  von  co  mit  zugehörigen 
Zahlen 


.2:^     1 


j   endl.  Eonst. 


Vf 


</>  sein  muß. 

Man  kann  nach  unseren  früheren  Resultaten  bei  genügend 
großem  p  die  Konstanten  a^a^  ,  .  ,  ap  so  wählen,  daß: 

2,2,2,  ,2  1 

Oo  -f-  Ol  -f-  «2  +  •  •  •  "r  Qp  **  -l 

und  die  Reihen  89^)  fUr  ein  beliebiges 

26* 


390  Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


konvergent  sind.     Wären  nun  alle 
SO  würden  die  Gleichungen: 


^     OjVj        des  vorangehenden 

"  ~  y  if^T'        Zusatzes  zu  IIP) 

diesem  Resultate  widersprechen,  es  muß  somit  wenigstens  eines 

der  A* 

'  1 

sein,  wenn  UjVjWjp  linear  unabhängige  elastische  Funktionen- 
tripel  des  Innenraumes  von  a>  vorstellen. 

Wir  können  diesem  Satze  sofort  die  folgenden  Zusätze 
hinzufügen: 

Zusatz  1  zu  UI**).  Die  Anzahl  der  elastischen 
Funktionentripel,  die  von  einander  linear  unabhängig 
sind  und  zugehörige  Zahlen 

besitzen,  wo  m  eine  endliche  Zahl  vorstellt,  ist  endlich. 

Zusatz  2   zu   III^).       Die    Anzahl     der    möglichen, 

linear  unabhängigen  elastischen  Funktionentripel  mit 

derselben  zugehörigen,  endlichen  Zahl  Xj  ist  endlich, 
m*).     Sind   UiViWi   und  UkVnWk  irgend  zwei   ela- 
stische Funktionentripel    mit   den   von   einander   ver- 
schiedenen zugehörigen  Zahlen  i^  und  ^j^,  so  ist: 

90)  S(ü,TJ,  +  VtVu  +  W,W,:)dx^O,    (iJ  +  AD. 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.        391 


Wir  multiplizieren  zum  Beweise  die  Relationen: 


AUi-i-  k 


dX 


2 


-ÜUu 


de 


2 


X'i  Vi, 


xlw> 


bezw.  mit  lJi,Vi,Wk,  addieren  und  integrieren  über  den  Innen- 
raum, dann  folgt: 

^hUiÜH^ViV^^WiWH)dT 


-  x^(ü,[7»+  ViV,+  WiW^)  dz; 

i 

es  folgt  somit  die  Gleichung  90),  sobald 

Zusatz  zu  nie.).  Können  wir  drei  Funktionen  f\f^t^ 
der  Stelle  des  Innenraumes,  die  an  der  Oberfläche  co 
verschwinden,  in  der  Form  darstellen: 


91) 


V'- 

1/  = 


(7,  f7,  +  (7,  CT,  4- 
C,  F,  +  ü,  F,  ^ 


WO  U^VjWj  (j  =  1,  2  .  .  .)  elastische  Funktionentripel 
mit  von  einander  verschiedenen  Zahlen  )\i\...  vor- 
stellen, SO  müssen  die  Konstanten  Cj  die  Werte  haben: 

92)         G^  =  Sif^üi-^UVi■^f,W,)dx,     C;'=l,2...). 


392 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 


Wir  haben  zum  Beweise  nur  die  Ponneln  91)  bezw.  uiit 
UiViWi  zu  multiplizieren,  zu  addieren  und  über  den  Innen- 
raum  zu  integrieren,  schlielalich  die  Formeln 

X  ( U^U,  +  VtV,  +  WtW,)  dz  =  0,    (i:^  k) 

zu  beachten. 

Die  Frage,  unter  welchen  Bedingungen  wir  vorgelegte 
Punktionentripel  fxf^f^  nach  elastischen  Funktionentripeln  ent- 
wickeln  können,    soll  uns  in   dem  folgenden  Paragraphen  be- 


schäftigen. 


§8. 


Die  Untersuchung,   welche   uns   zu  dem  Satze  IF.  führte, 

n 

hat  uns  gelehrt,  daß  jedem  Pole  Xj  der  Lösungen  unsers  Haupt- 
problems : 

ü=V=W=0,     an  (ü 

(für  0  <  A-*  <  y-  ,    wo  2?   eine   endliche ,    im    übrigen    beliebig 

Lp 

große  positive  Zahl  vorstellt),  ein  elastisches  Funktionentripel 

üj  Vj  Wj  entspricht,  und  daß  die  Anzalil  dieser  Pole  höchstens 

=  2?  ist. 

Wir  definieren   nun   die   Funktionen   RpSpTp    durch  die 
Gleichungen : 

Rp  ^  f^  —  Cj  C/j  —  6*2  L'j  —  •  •  •  —  Op  Up, 

93)         s^  =  f,  —  c\  F^,  —  c;  r, c,  v^ 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  KOrpers.        393 

wo: 

94)  C-,  =  J* (/",  f^i  4-  /,  yj  +  /,  Wj)  dt,  ü  ==  1,  2  . . »,  (y<n<p), 

i 

entsprechend  den  n  Polen  von   UVW  im  Intervalle 

während 

95)  C/)  =-0,     0'  =  w  f  1,  n  +  2,  .  .  .  1?) 

sein  soll,  und  wir  wollen  jetzt  von  den  Funktionen  /*,  f^  f^  vor- 
aussetzen, daß  sie  an  der  Oberfläche  co  verschwinden  und  in  t 
eindeutig  und  stetig  sind  mit  ihren  ersten  Ableitungen,  während 
ihre  zweiten  Ableitungen  endlich  und  integrabel  vorausgesetzt 
werden  sollen. 

Es  gilt  dann  gleiches   auch  für  die  Funktionen  RpSpTp.^) 

Wir  werden  von  dem  Ausdruck 

S(Rl  +  ^i  +  Tl)dr 

i 

zunächst  nachweisen,  daß  er  durch  Vergrößerung  von  p  unter 
jeden   beliebigen   Kleinheitsgrad   herabgedrückt  werden   kann. 


')  Mit  der  Festsetzung,  daß  auch 

2)  Der  Beweis,  daß  die  zweiten  Ableitungen  von  Uj  Vj  Wj  stetig 
sind,  folgt  daraus,  daß  man  in  dem  in  der  ersten  Abhandlung  zur 
Ebistizitätstheorie  behandelten  allgemeinen  Gleicbgewichtsprobleme  die 
Stetigkeit  der  zweiten  Ableitungen  von  u  v  w  stets  beweisen  kann,  falls 
A/j/s  von  der  Art  stetig  sind: 

abs.    fj  l  <  endl.  Konst.  /|2, . . .,  0  <  A  <  1. 

Eine  ausführliche  Behandlung  dieser  Dinge  wird  in  meiner  dem- 
nächst in  den  Ann.  de  l'Kc.  Norm,  erscheinenden  Arbeit:  Sur  les  c^qua- 
tions  de  l'elasticite  gegeben.  Für  den  Beweis  der  Stetigkeit  der  zweiten 
Ableitungen  von  uvw  ist  allerdings  noch  die  Bedingung  hinzuzufügen, 
daß  die  ersten  Ableitungen  der  Richtungskosinusse  der  inneren  Normalen 
cos  (vo;),  cos  {vy)i  cos  (ve)  auch  von  der  Art  stetig  sind: 

19  -  2 

1  <  endl.  Konst.  »12, . . .,  0  <  A  <  1. 


394  Sitzung  der  math.-phjs.  ELlaise  vom  5.  Mai  1906. 


Wir  betrachten  zu  diesem  Zwecke  die  Lösungen  uvw  des 
folgenden  Problems: 


PI 


Jw  +  *|^+  A»w  =  —  Ä 
Av  +  kl^  +  X^v  =  —  Sp, 

96)  {  9y 

/Iw  +  k—  +  X^tv  =  —  Tp. 

dz  *^ 

M  =  v  =  w  =  0,     an  cü, 

welche  wir  analog  der  zu  dem  Satze  11.  führenden  Unter- 
suchung zu  finden  imstande  sind,  und  wir  wollen  zunächst 
zeigen,  daß  die  früheren  Werte 


A     — —  A| ,    A2,   •  •   •  A| 


nicht  Pole  des  Funktionentripels  uvw  sein  können. 

Multiplizieren  wir  die  erste  Gleichung  96)  mit  £/},  die 
zweite  mit  F},  die  dritte  mit  Tf^-,  addieren  und  integrieren 
über  den  Innenraum,  so  folgt  mit  Rücksicht  auf 


J[f/,(j« 


und 


daß: 


97) 


+*^-:)+F,(..+*?-j)+H',(..+i|-»)]. 

i 

S{R,Uj+S,Vj+T,Wj)dr  =  0, 

I 

(^'  -  -iMC«  Uj-\-vVj+wW,)dr  =  0, 

I 

0  =  1,2..»»). 


.2 


Ist  Xi  das  kleinste  Xj,  so  ist,  wenn  wir  UjVjtvj  (;  =  0, 1, 2, . .) 
durch  die  Gleichungen  definieren: 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  KOrpers.       395 


98) 


99) 


9a? 


—  -Rp, 


JWq  -\-  k 


de 


=  — Sp^ 


T  • 


zJ  Wj  +  * 


ady___ 


9a; 
9d, 


Wj-i , 


**i  =  Vi  =  «!;  =  0,  an  co,     (j  =  0,  1,  2  . . .), 


m  T, 


U  =   W^  -}-  A*  Wj  +  ^*  Mj  +   •  •  •  =    U 


<;  =  i;^  +  >l*  v,  -f  A*  v,  -f-  •  •  •  =  ^  — 


1       Aj   —  A 
1       A.J  —  A. 


C'W 


r  ^}-x' 


Nun  ist  nach  Satz  II: 


100) 


YiUi 


f^=Tf^,+  fr, 


x^,-x' 


r=^-,+  r, 


w^ 


A,\  A 


WO  T'j  eine  Konstante, 
auch  für  lim  {}\  —  X^)  = 
aus  99): 


ü'  V'  W    Größen    darstellen,    die 
0   endlich    bleiben;    es    folgt    somit 


396 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 


8      Ay  —  /. 


"11 


AI    A 


V  "^  C'Vz 


w  =  (y,  -  C.) 


w 


3      ^i  —  ^ 

•     CjWj 


2' 


8 


A?  -  X 


2' 


oder 

(A?-A0ti  =  (7,-C0  U,  +  8u 

101)  .  (A?  -  A^)  t;  =  (y,  -  (70  F,  +  e,, 

wo  £i  €2  £3  durch  Verkleinerung  von  (X\  —  l^)  unter  jeden  be- 
liebigen Kleinheitsgrad  herabgedrückt  werden  können. 

Es  folgt  hieraus  mit  Benützung  von  97)  —  diese  Glei- 
chung gilt,  wie  nahe  wir  auch  k^  an  XI  heranrücken  l&ssen  — 
durch  Übergang  zur  Grenze  lim  (Xl  —  A^)  =  0: 


und 


102) 


2       Aj  A 

2       Ay  A 


2» 


2       ^j  —  ^ 

WO   f/'  y'  W    endlich   bleiben,    wie   nahe   wir   auch  X'   an  /? 
heranrücken  lassen. 

Die  Stelle  A^  =  AJ  ist  somit  kein  Pol  für  die  Lösungen 
uvw^  dieselben  können  überhaupt  keinen  Pol  ^ A?  haben.  Die 
Reihe  99)  konvergieren  hiemach  nicht  blos  für  alle  Werte 
von  A^,  die  kleiner  als  AJ  sind,  sondern  für  alle  A^,  die  kleiner 
sind,  als  das  nächstgrößere  A-^;  wir  können  nun  in  analoger 
Weise  weiterschließen  und  finden,  daß  die  Reihen  99)  für  alle  A', 

deren  Wert  <^:-  ist,  konvergiert;  wir  können  aus  dieser  Kon- 

vergenz  schließen,  es  ist: 


»., 


A.  Korn:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  KOrpers.        397 


103) 


J'K  +  fS  +  «^)dt 


es  bestehen  nämlicli  nach  einer  früheren  Betrachtung  die  Un- 
gleichungen: 

J"(M^  +  vi  +  M-^)  i  T         J-(„J +»«+«^)  dx         XK+fJ+U^  dx 


< 


wäre  nun: 


<•••; 


J*K  +  fS  +  «?)d^ 

j{:^-\-sl-^T';)dx 


>Ll 


so  würde  hieraus  folgen: 

1 
und  das   würde  der  Konvergenz  der  Reihen  99)  für  A*  =  y.- 

widersprechen.  Wir  haben  damit  tatsachlich  die  Ungleichung  103) 
bewiesen. 

Es  ist  nun  andererseits: 

X(i^,  +  s;+r^)dT 


wo: 


_aÄ, 


104)     r,=^^'  +  i^?+?^^7. 


aT„    aSo        aJJo    ar, 


a  y      dz\ 


'P  C7X»p VJ.p 

^^     dz       dx' 


Qp 


^dSp     dB, 


somit: 
105) 


dx        dy  ' 


<V^J[(i+*)^P+^P+;cp+^arfiJ[(i+Ä)ö!!+ 


398  Sitzung  der  maih.-pfays.  Klasse  vom  6.  Mai  1906. 

oder,  da: 


^l/J"(t4+»^J)A/(i^iS^I*)(iz, 

•  i 

^LpSil^-^Sl+I^dr,  nach  103), 


so  folgt  aus  105): 

106)  SiRl+  ^P+  Jt}dr^US[{l  +k)rl  +  4  +  xl+  Q^dT. 

i  * 

Es  ist  nun  weiter  nach  93): 

107)  X[(l  +^)4  +  4-\'Xp  +  Qp\d^ 


i 

wo: 


108)  rJJl^'fi^'A  nJ-I^-'-I^,  X  =  ^^,  ^='/*-'^'- 
^        dx    dy    d0         dy     ^z    ^    dz    dx    ^    dx    dy 

Diese  stets  positive  Größe  107)  nimmt  nach  der  soeben 
abgeleiteten  Ungleichung  mit  wachsendem  p  fortdauernd  ab, 
so  daß,  wie  groß  auch  p  sein  möge: 

S[(l+k)Tl  +  4  +  xl-{-Ql]dr 

109)  ' 

^  J*[(l  +  Ä)  r»  +  «»  +  ;k*  +  e*]  d  T, 

i 

somit  folgt  nach  106): 

110)  X(ii;  +  S?+2^)dT^/^J[(14-i)T»  +  ^»  +  ;c'+^»]dT. 

•  i 

Diese  Formel    beweist  die  Behauptung,  daß  das  Integral: 

duixh  Vergrößerung  von  p  unter  jeden  beliebigen  Kleinheits- 
grad herabgedrückt  werden  kann. 

Wir  wollen   nun   aber   auch  zeigen,    daß   die  Funktionen 


A.Eom:  Eigenschwingungen  eines  elastischen  Körpers.        399 


RpSpTp  durch   Vergrößerung   von  p  unter  jeden    beliebigen 
Kleinheitsgrad  herabgedrückt  werden  können. 
Es  ist: 


111) 


S[(l  +  Jc)rl  +  4  +  xl  +  Ql]dr 


< 


y  j-(4t5;H.29*j[(^ii,+»g)V  {äs,^f^\  ("  v*?>)'].'.. 


und  da: 


112) 


/[( 


JRp  +  k 


^)  +  -] 


=J[(j/-,  +  i?iy+ ..  .]rfr-;J  (A-M 4c;>o 


eine  mit  wachsendem  p  stets  abnehmende  Ch*öße,  also: 


113) 


JI( 


^«p+*^i  + 


S)'+ ■■•]'"</[('"'■ +''B)+ ■■■]'" 


ist,  so  folgt  aus  111)  und  106): 

114)        Sk^  +  k)tl  +  4  +  xl  +  Ql]ät  <  endl.  Konst.  Lp. 
Wir  bemerken  weiter,  daß  nach  112)  die  Reihe: 

^1  ^1  T"  ^2  ^2  "f"  '  *  ' 

konvergiert,  und  daß,  wenn  wir  mit  F  eine  der  vier  Größen: 

dy  d» 

/-  (C,  tr,  +  (7,  J7,  +. .  +  (7,  IT«)  -  A  (C,  W,+C,  Tr,+ . .  +C7h  F.), 
4  (<^'.  ^.  + '^-',  »"« +  •  •  +  C»  r„)  -  ^(C,  ü-,  +  (7,  ?7. + ■ .  +  0.  f^.) 


400  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  5.  Mai  1906. 

bezeichnen: 

Jzl  P»  d  T  ^  endl.  Konst.  aJ; 

da  nun,   wenn  wir  mit  F  eine  der  vier  Größen  tp^tpXpQp  be- 
zeichnen, (man  vgl.  die  analoge  Untersuchung  auf  S.  375): 

F I  <  §ndL  Konst.  1/  -j  +  ©ndl.  Konst.  l/r  Ap  -|-  endl.  Konst., 

wo  r  eine  beliebig   kleine  Länge   sein  kann,   so  ergiebt  sich, 
wenn  wir: 

r  =  endl.  Konst.  y- 
setzen : 

115)  abs.  Max.  i'^p^pXpQp)  <  ©ndl.  Konst.  --7=- 

r  Lp 

Es  bestehen  nun  die  Formeln: 


1 


1A^    p  -         1     ^    r    ^^   .      1     d    C     dr         1     d    C     dz 


Sei  (x  y  e)  irgend  ein  Punkt  in  t,  wir  konstruieren  wieder 
um  denselben,  ähnlich  wie  S.  375,  eine  Kugel  mit  dem  Radius  r, 
bezeichnen  das  Gebiet,  das  t  und  diese  Kugel  gemein  hsiben, 
mit  Tj,  dann  ist: 


117*)    { 


Kp  I  ^  endl.  Konst.  abs.  Max.  ijpQpXv)  J  ~i"» 


'1 


< , — ,  mit  Rücksicht  auf  115), 


wenn  wir  durch  Hinzufügung  des  Index  r,  andeuten,  daß  in 
116)  die  Integrale  rechts  nur  über  Tj  erstreckt  werden  sollen, 
femer: 


117  ) 


!l2^--^^|^endl.Konst.l/"  J  ^^  .  J(r;  + ^J  + ;C.')dr, 


<  endl.  Konst.!/ ^^  mit  Rücksicht  auf  114). 


A.  Korn:  JSgenschwing^ngen  eines  elastischen  KOrpero.        401 


Somit  folgt: 
118)  ! Bp 


r  +  c. 


s 


VH- 


WO  (?,  und  (?j  endliche  Konstanten  sind. 
Setzen  wir  daher: 

119)  x^VTp 
so  ergiebt  sich: 

120)  |jBp!^(?*/Z;,  ... 

wo  c  eine  endliche  Eonstante  vorstellt. 

Wir  erhalten  das  Resultat: 

IV.  Jedes  Tripel  von  Punktionen  fif^f^,  die  an  (o 
verschwinden,  in  t  mit  ihren  ersten  Ableitungen  ein- 
deutig und  stetig  sind,  und  für  welche  die  Ausdrücke: 

d 


Af.  +  Jc 


\dx 


i'.  +  i4  +  3/. 


dz 
3/, 


+ 
dy       de 


^/•»H-fc 


+  ?A  + 


)' 


endlich  und  integrabel  sind,  kann  in  Reihen  ent- 
wickelt werden,  die  nach  den  elastischen  Funktionen- 
tripeln   Uj  Vj  Wj  fortschreiten: 

Dabei  sind  die  Eonstanten  dieser  Entwicklungen: 


402 


Sitzang  der  math.-phjs.  Elftsse  Tom  5.  Mai  1906. 


Berichtigungen  zu  der  Abhandlung: 

Untersuchungen  zur  allgemeinen  Theorie  der  Potentiale 
von  Flächen  und  Räumen.    (Diese  Ber.  B.  81,  S.  3.) 

S.  6,  Zeile  8  von  unten  lies : 

,  größer  als  echter  Bruch  x  r|,'  statt  «kleiner  als  ru* 
Anm.  ')  ist  fortzulassen. 

S.  9,  Zeile  16  von  oben  lies: 

,endl.  Eonst  abs.  Max.  E  •  r^^  statt  .2  abs.  Max.  if  •  ria*. 


Berichtigung  zu  der  Abhandlung  1.    (Diese  Ber.  B.  81,  S.  37.) 

S.  58,  in  Formel  36)  lies:  r\l  statt  r^^ 

S.  56,  Zeile  12  und  18  von  unten  lies:   .die'   statt   «deren  erste  Ablei- 
tungen*; 


in  Formel  45  lies: 


■Sil 


statt 


dsj 


dh 


Zeile  9  von  unten  ist:   „h  eine  beliebige  tangentiale  Richtung*, 
zu  streichen. 


4u:; 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  9.  Juni  1906. 

1.  Herr  Joh.  Rückebt  teilt  die  Resultate  einer  mit  Herrn 
Professor  Dr.  Siegfried  Mollieb  ausgeführten  Untersuchung: 
,Über  die  Entwicklung^  des  Blutes  bei  Wirbeltieren* 
mit.     Dieselben  werden  anderweit  veröffentlicht. 

Das  Blut  ursprünglich  entodermaler  Herkunft  entsteht  bei 
den  gnathostomen  Wirbeltieren  aus  dem  ventralen  Mesoblast, 
der  seinerseits  bei  den  einzelnen  Wirbeltierklassen  mehr  oder 
weniger  innige  genetische  Beziehung  zum  Entoblast  besitzt. 

2.  Herr  C.  v.  Voit  legt  eine  von  dem  korrespondierenden 
Mitgliede  Jakob  Loboth  in  Freiburg  i.  Br.  eingesandte  Abhand- 
lung: ,Über  die  Extreme  einer  Funktion  von  zwei  oder 
drei  veränderlichen  Größen*  vor. 

In  dieser  Arbeit  wird  gezeigt,  daß  man  den  Weiherstraß- 
sehen  sogenannten  Vorbereitungssatz  benutzen  kann,  um  die 
Untersuchung  des  Extremums  einer  Funktion  auf  die  Frage 
zurückzuführen,  ob  eine  algebraische  Gleichung  nur  komplexe 
Wurzeln  hat.  Sind  die  Bedingungen  dafür  bekannt,  so  läßt 
sich  bei  zwei  Variabein  die  Untersuchung  leicht  erledigen;  bei 
mehr  Veränderlichen  sind,  abgesehen  vom  einfachsten  Falle, 
größere  Rechnungen  oder  Reihenentwicklungen  nötig. 


I90Ö.  Sitsiingab.  d.  math.-pliys  Kl.  27 


405 


Über  die  Extreme  einer  Fanktion  von  zwei  oder 

drei  veränderlichen  Grössen. 

Von  J.  Lttroih. 

{KingtkiHftu  9.  Jim  f.) 

§1- 

Es  sei  B(x,i/)  eine  Pofcenzreihe  der  zwei  reellen  Ver- 
änderlichen X  und  y,  die  für  (x  =  0,  y  =  0)  verschwindet. 
Die  Veränderlichen  seien  durch  einen  Punkt  in  einer  Ebene 
dargestellt,  um  zu  untersuchen,  ob  dem  Ursprung  0  ein 
Maximum  oder  Minimum  von  B  (x,  y)  entspricht,  kann  man 
den  folgenden  Weg  einschlagen. 

Es  seien  (:r,  y)2p  die  Glieder  niedrigster  Dimension  in  22. 
Man  kann  immer  annehmen,  daß  sie  eine  der  Veränderlichen, 
etwa  y,  in  der  2|?^"  Potenz  enthalten,  denn  wenn  dies  nicht 
an  sich  der  Fall  ist,  kann  man  es  immer  durch  eine  passende 
lineare  Transformation  der  Veränderlichen  erreichen. 

Nach  dem  Weierstraßschen  , Vorbereitungssatze***)  kann 

man 

R{x,y)=^Cf{x,y).F(x,i,)  1) 

setzen,  wo  C  eine  Konstante,  F{x^y)  eine  Potenzreihe  nach 
X  und  y  ist,  die  für  a:  =  0,  y  =  0  sich  auf  Eins  reduziert, 
und  f{x^  y)  eine  ganze  rationale  Funktion  von  y  bezeichnet, 
die  in  Bezug  auf  y  vom  Grade  2p  ist,  und  deren  Koeffizienten 
Potenzreihen  nach  x  sind,  die  für  a;  =  0  verschwinden.  Dabei 
hat  y  P   den  Koeffizienten  Eins.     Soll    nun   im  Punkte  0   ein 


*)  Weierstraß'  Werke,  Bd.  2,  S.  135.    Stickelberger,  Math.  Annalen 
Bd.  SO,  S.  401. 

27* 


406  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  9.  Juni  1906. 

Extremum  von  R  stattfinden,    so  muß  es  möglich   sein  um  0 
ein  (Quadrat  Q  so  abzugrenzen,    daß    in    ihm  72    nur   in  dem 
Punkte  0   und   sonst   nicht  verschwindet.     Wenn  man  Q  ge- 
hörig klein  macht,  sind    die    in  ihm    liegenden  Nullen  von  R 
mit  denen  von  f(Xy  y)  identisch.     Also  darf  in  Q  kein  von  0 
verschiedener  Nullpunkt  von  f  liegen.    Wie  Weierstraß  ge- 
zeigt  hat,    werden    aber   alle   Nullpunkte   von    iZ    in    einem 
passenden  kleinen  Bereich  erhalten,  indem  man  die  Gleichung 
f=0  nach  y  auflöst,   wobei   man  x   auf  ein  gewisses  Gebiet, 
I  a;  I  <  (5,   beschränkt.      Soll   also   in  0   ein  Extremum    von  R 
eintreten,   so   muß   ein    Gebiet   von  a?,  |  a:  |  <  (5,   existieren,  für 
welches   die  Gleichung  f  (x,  y)  =  0   nur   komplexe  Wurzeln  y 
liefert,  den  Punkt  x  =  0  ausgenommen. 

Ist  umgekehrt  diese  Bedingung  erfüllt  so  gibt  es  ein 
Gebiet  um  0,  in  dem  f(x^  y)  überall  positiv  ist,  R  also  als 
Zeichen  von  C  hat  und  nur  für  0  selbst  verschwindet.  Dann 
liefert  der  Punkt  0  sicher  ein  Extremum  von  R.  Ein  un- 
eigentliches Extremum  findet  statt,  wenn  für  eine  oder  mehrere 
den  Punkt  0  enthaltende  Kurven  R  verschwindet,  ohne  daß 
beim  Durchschreiten  dieser  Koirven  ein  Zeichen  Wechsel  eintritt. 
Dies  verlangt,  daß  die  Gleichung  f{x^  y)  =  0  für  y  reelle 
Werte  ergiebt,  ohne  daß  in  deren  Nähe  f  verschiedene  Zeichen 
hätte.  Die  entsprechenden  Wurzeln  besitzen  dann  eine  gerade 
Vielfachheit.  Dies  erfordert,  daß  die  Diskriminante  von  /  (x,  y) 
gebildet  nach  y,  identisch  Null,  und  daß  f{x,y)  von  der  Form 
ff  (^t  yy '  Mp^i  y)  sei,  wo  h  nur  komplexe  Wurzeln  hat. 

Die  Bedingungen  dafür,  daß  /*(a:,  y)  =  0  nur  komplexe 
Wurzeln  hat,  können  sich  in  der  Form  darstellen 

S,(a:)>0,     S,(rp)>0,...,  2) 

wo  die  S  Potenzreihen  nach  x  sind,  die  für  a:  =  0  verschwinden. 
Es  ist  aber  auch  möglich  —  und  dies  tritt  z.  B.  schon  ein, 
wenn  f{x,y)  vom  vierten  Grade  ist  —  daß  jene  Bedingungen 
nur  die  alternative  Form  haben: 

wenn  S,  (x)  >  0  ist,  muß  S,  (a:)  >  0  .  . .  3) 

wenn  aber  S^  (x)  <  0  ist,  muß  S,  (a?)  >  0  . . .  sein. 


99  rr' 


J.  Lüroth:   Über  die  Extreme  einer  Funktion. 


407 


Aus  den  Exponenten  der  niedrigsten  Potenzen  von  x  in 
den  Reihen  S  und  den  Zeichen  von  deren  Koeffizienten  ist 
leicht  zu  entscheiden,  ob  es  für  '  a:  |  einen  Bereich  gibt,  der 
die  Bedingungen  2)  oder  3)  erfüllt. 

Als  ein  Beispiel  betrachte  ich  die  Reihe 

R{x,yi)  =  ff*  -{■  ax^y  -{-  x^  -{-bx^y  -\-  cx'^y'^ 
+  dx^y^  +  {x,y\y*+  •  •  • 

Durch  unbestimmte  Koeffizienten  findet  man  C'=  1, 

f(^y  y)  =  y*  4-  y*  {dx^  H )  +  yM^^''  +  •  •  0 

-^  y{ax^  -\-hx^  -\-  -'•)-{■  x^  -{■  •  •  • 

Schafft   man   in  f(x^y)  das  Glied   mit  y^  fort  indem  man 

y  =  z  —  -{dx^'\ )      . 

setzt,  so  erhält  man 

^  +  z^{cx'^  -{-  '  .  ^)-\-  ziax^  +  hx^^ )  +  A-^+  •  •  • 

Die  Bedingungen,  daß  eine  Gleichung  vierten  Grades 

;^-f  r^»-f-5ir +  ^  =  0  4) 

lauter  komplexe  Wurzeln   habe,    sind  nun:    die  Diskriminante 

16  rU  —  i  r3  5»  +  144  r  5»  ^  —  128  r^  t^  +  256  /^  —  27  s* 
nmü  >  0,  und  entweder 


r*  —  4  ^  <  0  oder  r*  —  4  ^  >  0  und  r  >  0 


sem. 


Die  Diskriminante  wird  hier  256  (x}^  +  •  •  )»  also  für  ge- 
hörig kleine  x  positiv. 

Die  Funktion  r^  —  it  wird  ==  —  4  a?®  +  •  •  •  folglich  <  0. 
Somit  sind  die  Bedingungen  komplexer  Wurzeln  für  gehörig 
kleine  x  erfüllt   und  daher  gibt   es   ein   Gebiet,    in   dem    die 


408  Sitzung  der  luath.-pbjs.  Klasse  vom  9.  Juni  1906. 

gegebene  Reihe  R  stets  positiv  ist,  so  daß  dem  Wertsystem 
(2;  =  0,  y  =  0)  ein  Minimum  entspricht  und  zwar  ein  eigent- 
liches, weil  die  Diskriminante  nicht  identisch  Null  ist. 

§2. 

Bei  Funktionen    von    drei  Veränderlichen   lassen  sich  die 
ersten  Betrachtungen  des  vorigen  Paragraphen  ebenfalls  durcb- 
fübren.     An    die   Stelle   der  Ungleichungen  2)  oder  3)    treten 
dann  änliche,    in  denen  statt  der  Iteihen  nach  x,  solche  nach 
zwei  Veränderlichen,    etwa  x  und  y,    vorkommen.     Wenn    die 
Bedingungen  für  komplexe  Wurzeln  sich  stets  in  die  Form  2) 
bringen   lieüen,   so   könnte  man    nach    dem    in  §  1   gegebenen 
Verfahren  untersuchen,  ob  es  einen  Bereich  gibt,  in  dem  diese 
Ungleichungen  erfüllt  sind.     Schwieriger  ist  die  Entscheidung 
im    Falle  3)    der   alternativen    Bedingungen,    falls    es    Gebiete 
gibt,  für  die  S,  >  0    und    andere    in   denen  S,  <  0  ist.      Setzt 
man  nach  dem  Vorbereitungssatze 

S,  (x,  y)  =  C,'  /;  {x,  y)  F,  {x,  y) 
S,  {x,  y)  =  C, .  /;  {x,  y)  F^  (x,  y), 

wo  die  C^f^F  analoge  Bedeutung  haben  wie  in  §  1,  so  wird 
man  zu  untersuchen  haben,  ob  f^  (x,  y)  =  0  als  Gleichung  fiir  y 
reelle  oder  komplexe  Wurzeln  hat,  und  ferner  ob  aus  C,/',(^,f/)>0 
stets  auch  C,  /j  {x,  y)>  0  folge. 

Gesetzt  es  seien  die  Bedingungen  aufzustellen,  dala  aus 
F(w)>0  folge  G  (w)  >  0,  wenn  F(w)  und  G  (w)  ganze  Funk- 
tionen von  w  sind.  Man  zerlege  F  {w)  =  0  (tcY  f  {tv),  G  (tv) 
=  W{wy^g{w)  wo  die  Funktionen  f  und  g  nur  einfache  Nullen 
haben.  Ist  f(w)  constant  oder  hat  es  nur  komplexe  Null- 
stellen, so  muß  g  (w)  stets  >  0  sein,  darf  also  nur  komplexe 
Nullen  haben.  Hat  f(w)  =  0  reelle  Wurzeln,  so  mu|j  ent- 
weder g  (w)  stets  >  0  sein ,  darf  also  nur  komplexe  Nullen 
haben.  Oder  es  ist  notwendig  und  hinreichend,  daß  für  alle 
reellen  Nullen  von  f(w)  die  Funktion  g{ui)>0  sei,  und  für 
alle  reellen  Nullen  von  g(w)  die  Funktion  f{w)  negativ   aus- 


J.  Lüroth:   Über  die  Extreme  einer  Funktion. 


409 


falle.  Unter  Umstäüden  folgt  die  eine  Aussage  aus  der  anderen. 
Stellt  man  sich  die  beiden  Gleichungen  auf,  von  denen  die 
eine  die  Werte  von  f  für  alle  —  reelle  und  komplexe  — 
Nullen  von  </,  und  die  andere  die  Werte  von  g  in  den  Null- 
punkten von  f  zu  Wurzeln  hat,  so  sind  deren  Koeffizienten 
rational  durch  die  Koeffizienten  von  F  und  G  ausdrückbar. 
Die  eine  von  ihnen  darf  dann  keine  positiven,  die  andere  keine 
negativen  Wurzeln  haben,  was  sich  mit  Sturmschen  Reihen, 
vieUeicht  schon  mit  der  Descartes'schen  Zeichen regel,  ent- 
scheiden läßt. 

Wendet  man  diese  Methode  auf  den  vorhin  erörterten 
Fall  an,  so  kommt  man  wieder  auf  die  Betrachtung  von 
Potenzreihen  nach  x  zurück.  Hier  dürfte  es  indessen  bequemer 
sein  für  die  Wurzeln  von  f^  {x^  y)  =  0  und  f^  (x,  y)  =  0  in  be- 
kannter Weise  Reihenentwicklungen  aufzustellen  und  mit  deren 
Hilfe  die  Entscheidung  nach  den  oben  gegebenen  Kriterien  zu 
treffen. 

Als  Beispiel  diene  die  Reihe 
^  +  ^M3y^ - X^  +  (X, y\  +  ...)  +  y^  +  x'  +  (X, y),  +  •  .  • 

die  schon  die  Form  der  Funktion  f  hat. 

In  den  Bezeiclmungen  von  4)  ist  s  =  0,  daher  die  Dis- 
kriminante  =  16  (r*  —  4  tj^  •  t.  Damit  die  Gleichung  für  js 
vier  komplexe  Wurzeln  habe,  muß  also  ^  >  0,  und  entweder 
r*  —  4  ^  <  0  oder  r*  —  4  ^  >  0  und  r  >  0  sein.     Setzt  man 


(^,y)6=^o^*  +  ^i^y  + 


d,y' 


so  wird 


Mit  y  =  jy  —  j(d, a?*  H )  folgt 

/■,  («.  y)  =  n*  +  V*  id,x^  +  -'-)  +  V  id,  X*  + 

■j-a;*  +  d^x^  H-  •  •  • 


410  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  9.  Juni  1906. 

Schreibt  man  dies 

fx  (^»  y)  =  ^*  +  n  »?*  +  «1  »7  +  ^1» 

so  wird  die  Diskriminante  256 x^^  H jf\  —  it^  ^  —  4ar*H 

Also  sind  fUr  gehörig  kleine  x  die  Bedingungen  komplexer 
Wurzeln  erfüllt,  /  ist  für  kleine  x  und  y  positiv  und  ver- 
schwindet nur  für  a:  =  y  =  0.  Die  Kombination  r*  —  4  ^  er- 
gibt sich 

Setzt  man  diese  Reihe  S^  (x  y)  und  bestimmt  dazu  f^  {x,  y), 
so  wird  6'j,  ==  5, 

fA^.y)=-y'  +  y'  (-f^«^*  +  •••)  +  ^^(-5  ^'  +  •  •  ) 
+  y  f  —  5  rf,  a:*  H j  -  5  ^  H 

Mit  y  =  t]  —  ^d^x^  -\-  '  '  '  folgt 

fi  (*.  y)  =  »?*  +  V*  (—  5  »*  H j 

Da  die  Diskriminante 

=  _(l64;.|+128  4:.-^  +  256|;)a^^+-.- 

ist,  so  hat  f^  {x,  y)  =  0  zwei  reelle  und  zwei  komplexe  Wurzeln 
und  folglich  kann  f^  —  4  ^  =  S,  (a;,  y)  positiv  oder  negativ  sein. 
Somit  liegt  der  Fall  3)  vor  und  wir  haben  noch  r  =  S^  {x^  y) 
zu  betrachten.     Hier  findet  sich  C^  =  3  und 

/i('2^»y)  =  y'  +  y(«,^'  +  •  •-•)-3^  +  •  •  • 

wobei  {x,y\  =  eQX^  -\-  3  e,  a:' y  +  '  •  "  gesetzt  ist.  Es  muß 
nun,  wenn  die  Gleichung  f{x,  y,  £r)  =  0  nur  komplexe  Wurzeln 
haben  soll,  da  die  Diskriminante  >  0  ist,  aus  r*  —  4  ^  >  0  auch 


»^ 


J.  Läroth:  Cber  die  Extreme  einer  Funktion. 


411 


r>0  oder  aus/; (x.y)>0/"(x, y)>0  folgen.  Da/;(x,y)  =  0 
nur  zwei  reelle  Wurzeln  jf  hat,  so  genOgt  es  hiezu,  daß  die 
Nullen  ¥on  (^(x^y)  die  Funktion  /s(Jr.  jf)<0  machen.  Jene 
Nullen  haben  die  Entwickelung 


und  y  = =  + 

^  Vi 


Tragt    man    in  /^  (j?,  jf)    ein,    so    erhält    man    beidemale 
-  •     Alles   zusammengenommen  folgt  also,   daß   es 


9      ^ 


für  die  x,  y  einen  Bereich  gibt,  in  dem  die  Gleichung  fix^jf^  jer)=0 
nur  komplexe  Wurzeln  hat  und  somit  stets  >  0  bleibt  Aber 
die  Diskriminante  kann  auch  Null  werden.  Dies  tritt  ein  fftr 
t  =  0  und  r*  —  4^=0,  also  für  die  Kurven  f^  (x,  y)  =  0  und 
/*j(a;,y)=0.  Die  erstere  hat,  wie  oben  bewiesen,  außer  (x==y=0) 
keinen  reellen  Punkt  in  der  Nähe  des  Ursprungs.  Die  zweite 
^eht  aber  mit  zwei  reellen  Asten  durch  den  Ursprung,  und 
für  sie  wird 


t  

also  =  0,  wenn  ^*  +  ö  =  0  ist.    Für  die  reellen  Wurzeln  von 

U  (^»  y)  =  0  ergibt  sich 


y-±V'- 


3  +  1/24 


x  + 


r  =  ^(3l/24  +  4)ar*H 

^=-^(3/24+4)^;^  +  ...; 

also  werden,  für  kleine  x^  auch  wenn  die  Deskriminante  Null 
ist,  die  Wurzeln  von  f(x,j/^z)=0  imaginär,  folglich  wird 
diese  Funktion  in  der  Nähe  des  Ursprungs  überhaupt  nicht 
Null  und  bleibt  beständig  >  0.  Sie  hat  demnach  im  Ursprung 
ein  eigentliches  Minimum. 


+  1^  SiUung  der  iimth.-phys.  Kla*we  vom  9.  Juni  190(5. 

§3. 

Wenn  man  die  Bedingungen  für  komplexe  Wurzeln  stets 
durch  eine  Reihe  von  Ungleichungen  darstellen  könnte,  ohue 
Alternative,  könnte  man  das  geschilderte  Verfahren  auf  Funk- 
tionen von  beliebig  vielen  Variabein  ausdehnen.  Sicher  geht 
dies  an,  wenn  die  Glieder  niedrigster  Dimension  in  allen  vor- 
kommenden Reihen  von  der  zweiten  Dimension  sind. 

Gegenüber  den  Methoden  von  Scheeffer,  Stolz  und  Dant- 
scher*) hat  die  obige  den  Vorteil,  daß  sie  theoretisch  über- 
sichtlicher ist  und  in  jedem  Fall  die  Entscheidung  liefert.  Ein 
Nachteil  ist,  wenigstens  zur  Zeit,  daü  die  notwendigen  und 
hinreichenden  Bedingungen  für  lauter  komplexe  Wurzeln  einer 
Gleichung  nur  für  Gleichungen  der  niedrigsten  Grade  bekannt 
sind  und  für  Gleichungen  höherer  Grade  erst  durch  die  Sturm- 
schen  Reihen  gebildet  werden  müssen.  Femer  ist  bei  Funk- 
tionen von  mehr  als  drei  Veränderlichen  die  Anwendung  von 
Reihenentwicklungen  nicht  stets  möglich  und  damit  unter 
Umständen  die  Entscheidung  nach  der  im  §  2  entwickelten 
Methode  mühsam. 


M  Zitate  findet  man  in  der  Enzykl.  d.  Math.     Hd.  2,  Teil  1,  S.  83. 


V 


413 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  7.  Juli  IDOG. 

1.  Herr  Paul  Gkoth  hält  einen  Vortrag:  »Über  dieKry- 
stallstruktur  des  Amnioniumjodides  und  seiner  Alkyl- 
derivate.*  Die  Abhandlung  wird  in  der  Zeitschrift  für  Kry- 
stallographie  und  Mineralogie  veröflFentlicht  werden. 

Auf  Grund  der  neueren  Anschauungen  über  die  Krystall- 
struktur  wurde  an  Modellen  erläutert,  wie  sich  von  der  kubischen 
Krystallstruktur  des  Ammoniumjod ides  die  tetragonale  Struktur 
des  Tetramethyl-  und  des  Tetraäthylammoniumjodides  ableiten 
läiit,  und  aus  diesen  sich  die  Struktur  und  somit  auch  die 
Krystallform  und  die  Volumenverhältnisse  des  intramediären 
Dimethyldiäthylammoniumjodides  in  einer  mit  der  Erfahrung 
übereinstimmenden  Weise  ergeben. 

2.  Herr  Alfred  Pringsheim  spricht  „Über  das  Additions- 
Theorem  der  elliptischen  Funktionen.** 

Auf  gemeinsamer,  überaus  einfacher  Grundlage  werden  die 
Additions-Theoreme  sowohl  der  Weierstraü'schen  Pe-Funktion 
als  auch  der  Jacobi'schen  Funktionen  hergeleitet,  ohne  daß 
von  deren  Darstellung  durch  Sigma-  bezw.  Theta-Quotienten 
Gebrauch  gemacht  wird. 

3.  Herr  August  Rothpletz  legt  eine  Fortsetzung  zu  den 
wissenschaftlichen  Ergebnissen  der  MpRZBACHER'schen  Tian-Schan- 
Expedition  vor;  nämlich  „HI.  Die  Gesteine  des  Profiles 
durch  das  südliche  Musart -Tal  im  zentralen  Tian- 
Schan"  von  P.  A.  Kleinschmidt  und  P.  H.  Limbrock,  S.  V.  D. 
Die  Abhandlung  ist  für  die  Denkschriften  bestimmt. 


415 


Üb 


er 

das  Additions-Theorem  der  elliptischen  Funktionen. 

Von  Alfred  Pringsheim. 

iSimg§laufen  7.  Juli.) 

Die  im  folgenden  mitgeteilte  Methode  zur  Herleitung  des 
Additions-Theorems  der  elliptischen  Funktionen  dürfte  zwar 
kaum  danach  angetan  sein,  auf  prinzipielle  Neuheit  irgend- 
welchen Anspruch  zu  erheben.  Immerhin  ist  sie  wohl,  wie 
ich  glaube,  in  der  hier  angegebenen  Weise  bisher  nicht  durch- 
geführt worden,  scheint  mir  aber  andererseits  einer  solchen 
Durchführung  nicht  unwert,  da  sie  auf  gemeinsamer,  überaus 
einfacher  Grundlage  ganz  direkt  und  ohne  jeden  Kunstgriff 
nicht  nur  die  verschiedenen  Formen  des  Additions-Theorems 
für  das  Weierstraßsche  p  w,  sondern  auch  die  Additions- 
Theoreme  für  die  Jacobischen  Funktionen  snu,  cnu,  dnu 
liefert.  Dabei  wird  von  der  Darstellung  der  Funktionen  pu 
bzw.  snu  durch  Sigma-  bzw.  Theta-Quotienten  keinerlei  Ge- 
brauch gemacht.  Als  Beweismittel  dienen  vielmehr  lediglich 
die  bekannten  Liouvilleschen  Sätze  über  Anzahl  und  Summe 
der  Nullstellen  bzw.  Pole  einer  doppelt-periodischen  Funktion 
und  die  Differentialgleichung  für  p  u  bzw.  sn  u. 


§1. 

Additions-Theorem    für    gewisse   doppelt-periodische 

Funktionen  zweiter  Ordnung. 

Es  sei  (p{ti)  eine  eindeutige  doppelt-periodische  Funktion, 
welche  im  ersten  Perioden-Parallelogramm  nur  für  w  =  0  und 
zwar  von  der  zweiten  Ordnung  unendlich  wird.    Es  ist  dann 


4rl6  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  7.  Juli  1906. 

also  (p(u)  eine  doppelt-periodische  Funktion  zweiter  Ordnung 
und  zwar  allemal  eine  gerade  Funktion').  Denn,  da  die 
Summe  der  im  ersten  Perioden-Parallelogramm  gelegenen  Pole 
den  Wert  0  hat,  so  wird: 

q)(v)  =  cp  (u),  wenn :  u  -^  v  =  0, 

d.  h.  man  hat  in  der  Tat: 

(p(—u)^(p  (u). 

Es  seien  femer  Wj,  u^  zwei  beliebige  Zahlen  von  der  Be- 
schaflFenheit,  daß  9^  ("^1)1  9^  (Wg)  nicht  unendlich  und  von 
einander  verschieden,  d.  h.  man  habe,  wenn  die  Perioden 
von  q.^(u)  mit  2  a>,  2  a>'  bezeichnet  werden: 

(1)  u,$0         u,^0 

(2)  Wg  ^  —  u^  '  (mod.  2  o),  2  ci>'). 

(3)  Wg  ^  Mj 

Setzt  man  sodann: 

so  besteht  die  Identität: 

(5)  (p(u,)  —  Q  .  (p(u,)  =  cp'  (u^)  —  Q'(f^  K), 
und,  wenn  noch  gesetzt  wird: 

(6)  ^;<«.>-«-^(«.)l  =  B,  ako:  ij  =  f  W^'K)-?'(««)?'K), 

Vw-e'-pC«,)/  v' (",)  -  v' («,) 

so  folgt  zunächst,  daß  der  Ausdruck 

die   beiden   nach   den   Moduln  2co,  2a>'   inkongruenten    Null- 
stellen u  =  Wj  und  M  =  u,   und   folglich,    da   er  eine  doppelt- 


0  In  der  Tat  folgt  ja  aus   der  Vorraussetzung,  daß  die  fragliche 
Funktion  von  der  Form 

sein  muß,  wovon  aber  im  Texte  kein  Gebrauch  gemacht  wird. 


»^ 


A.  Pringftheim:  Additions-Theorem  elliptischer  Funktionen.     417 

periodische  Funktion  dritter  Ordnung  mit  dem  dreifachen  Pole 
M  =  0  darstellt,  noch  die  durch  die  Gleichung: 

(7)  ti,  +  II,  +  1I3  =  0 

definierte  Nullstelle  u  =  u^  besitzen  muß.     Da  hiernach: 

(8)  <f'{u)-Q'(p(u)-B  =  0    för  u  =  tt,,  ti,,  u,, 

so  ergibt  sich  fürs  erste,  daß  allemal  die  Relation  besteht: 

r'K)    (p{n,)    1 

(9)  ff'iu,)    ^>K)    1   =0, 

9^'K)     9^K)    1 

wenn  u^jU^jU^  irgend  drei  durch  die  Gleichung  (7)  verbundene, 
lediglich  den  Beschraukungen  (1)  —  (3)  genügende  Zahlen 
bedeuten.  Sie  bleibt  überdies  auch  noch  giltig,  wenn  man 
die  Beschrankung  (3)  fallen  läßt,  da  im  Falle  M,=t<,  (mod  2ci),  2co') 
die  Determinante  (9)  wegen  Gleichheit  zweier  Zeilen  identisch 
verschwindet. 

Aus  Gleichung  (8)  folgt  nun  weiter,  daß  für  t«  =  tt,,t«^,  u^i 

9  («)'  =  (Q-<p  («)  -H  Rf 

also: 

(10)  tp'  00*  —  Q^'(p(uy'-2QR'(p  (u)—R'  =  0. 

Andererseits  muß  99  (u)  als  eindeutige  doppelt-periodische 
Funktion  zweiter  Ordnung  mit  zweifachem  Pol  einer  Diffe- 
rentialgleichung von  folgender  Form  genügen:*) 

(11)  99'  (uy  -=a^'(p {uf  +  a, .  9? (m)*  +  a»  •  9^  (w)  +  a. 

Durch  Einsetzen  dieser  für  jeden  Wert  von  u  giltigen 
Darstellung  von  (p  (m)*  in  die  Gleichung  (10)  ergibt  sich,  daß 
die  in  Bezug  auf  (p  (u)  kubische  Gleichung 


^)  Zur  Herleitung  dieses  Resultates  ist  es  keineswegs  erforderlich, 
den  Weg  über  die  Begehung  (p  (m)  =  ä»  p  u  -^-B  oder  irgend  eine  andere 
spezielle  Darstellungsforra  für  9?  (ti)  zu  nehmen.  Es  genügt  dazu,  außer 
den  Liou vi] leschen  Sätzen  über  Anzahl  und  Summe  der  Nullen  bzw. 
Pole  noch  denjenigen  heranzuziehen,  welcher  die  Konstanz  einer  doppelt- 
periodischen  Funktion  ohne  Pole  besagt. 


418  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  7.  Juli  1906. 

(12)  o„ '<p(uy- (<?»- a,y<p («)»-(2 QB- «,) •  9,(tt)_(iJ»_c^=0 
die  Wurzeln  <p(u^),  <p(Ug),  <piu^)  besitzt.  Daraus  folgt  aber,*)  daß: 

(I)  9'(«,)  +  9'K)+9'K)=^-(2'-J, 

(H)    9>  («,) .  <p  («,)  +  (,,  (H,)  +  q>  («,))  •  9^ («,)  =  -  I  •  (^  ü  +  J, 

(IIl)  9'(«.)-«p(«,)-9'(«,)  =  ^-i2»-J. 

Man  gewinnt  also  auf  diese  Weise  drei  verschiedene 
Formeln  zur  Darstellung  von  (p  (Wj),  d.  h.  von  (p  (Wj  -f-  u^),  als 
rationale  Funktion  von  (p{u^%(p(u^),q^'(u^\q?  (u^\  somit  drei 
verschiedene  Formen  für  das  Additions-Theoreni  der  Funk- 
tion cp  {u). 

Schließlich  kann  man  noch  mit  Hilfe  einer  einfachen 
Stetigkeits-Betrachtung  die  ursprünglich  eingeführte,  lediglich 
durch  die  für  Q  und  B  gewählte  Form  geforderte,  nach  Lage 
der  Sache  offenbar  aber  unnötige  Beschränkung  u^  \-  w,  (siehe 
GL  (2))  beseitigen.  Hierzu  hat  man  Q  und  R  nur  in  die 
Form  zu  setzen: 


^  ^        T'Cw,)'  •  (p'  {u^y  —  (p  (u^y  •//  (wi)' 


^  (tt,)  •  q>'  K)  +  9^  (w,)  •  (f'  (Wi)  ' 

*)  Man  bemerke,  daß  93(mi)»  ^'(''a)!  tM  s*^^«  ^He  möglichen 
Wurzeln  der  kubischen  Gl.  (12)  darstellen.  Denn  auf  Grund  der  Voraus- 
setzung (2)  und  (3)  hat  man  stets  fp{u2)^T{^i)'    Zugleich  ist  aber  auch 

ti« 
9^(^t)^~Ti^i)  und  <p{<pyt)^9^(*i2)t  außer  wenn  tifZ: — 2ui  oder  ii«  =  — x 

(mod  2  CO,  2  a)')»  in  welchen  Spezialfällen  dann  <p(vt)  =  <pM  bzw.  9>(m^ 
=  9(1/2)  als  Doppel  Wurzel  auftritt. 


A.  Pringsheim :  Additions-Theorem  elliptischer  f^unktionen.     419 

§2. 
Additions-Theorem  der  Funktion  pu. 

Die  Funktion  ^m  besitzt  oflFeubar  genau  den  Charakter 
(p  (u).  Man  findet  also  zunächst,  indem  man  in  Gl.  (9)  (p  (u) 
=  pu  setzt: 

pu,   pu^   1 

0  (wenn  u^  +  u^  ~{-  u^  =  0  bzw.  :in  0), 


(15) 


p  u^  p  u^  1 


eine  Relation,  welche  sonst  gewöhnlich  als  Folgerung  aus 
dem  Additions-Theorem  der  Funktion  pu  hergeleitet  wird^) 
und  einer  bekannten  geometrischen  Deutung  (geradlinige  Lage 
dreier  Punkte  der  Kurve  dritter  Ordnung:  x=^pu,  y  ^=  p  ti) 
fähig  ist. 

Da  die  Gl.  (11)  hier  die  Form  annimmt: 

(16)  ()P'«*)'  =  4jp'm  — r7,pw— ^s, 
so  daß  also: 

(17)  %  =  4,     rt,  =  0,     a,  =  -  0^,     «8  =  —  9v 

80  liefert  die  Gleichung  (I),  weim  man  noch  pu^  durch 
P  (w,  -l-  ttj)  ersetzt,  das  Additions-Theorem  in  der  bekannten 
Form: 

,18)  »>.',  +  p-^  +  K",  +  ..)=l(;;:;-^>;)'. 

welche  mit  Benützung  von  Gl.  (13)  in  die  folgende,  auch 
im  Falle  u^'~u^  brauchbare  übergeht: 

(19)  ^«.+p«.,-p(«.+„,)=^(^-^-^i,-i^,-^«^  y*y 

Die  andere  bekannte  Form  des  Additions-Theorems  resul- 
tiert sowohl  aus  61.  (II),  als  aus  Gl.  (III).  Man  findet  z.  B. 
aus  61.(111): 

^)  S.  z.  B.  H.  Burkhardt,  Elliptische  Funktionen,  p.  62. 

190«.  SiUangsb.  d.  miith.-pbys.  Kl  28 


420  Sitzung  der  math.-phys.  Klaiae  vom  7.  Juli  1906. 


wo: 


/  / 


sodaij  sich  ergibt: 

(20)  ß  (m,  4-  u,)  =  -^^ =-if; r; 

§3. 
Die  Additions-Theoreme  der  Funktionen  snu^cnu^dnu. 

Aus  den  Beziehungen 
sn{n  +  2^=  — snu  sn(u  -f-  2iK')=^snu 

sn(2mÄ:+  2wii:')  =  0  (w  =  0,  ±1,  ±2,...) 

erkennt  man,  daß  sit^u  die  Perioden  2  K^  2iK'  und  somit  im 
ersten  Perioden-Parallelogramm  die  einzige  Nullstelle  w=0 
und  zwar  als  zweifache  Nullstelle  besitzt.  Es  ist  somit  sn~*  u 
wiedemm  eine  Funktion  vom  Charakter  (p  (w)  *)  (wenn  noch  ge- 
setzt wird:  o)  =  JST,  (d  =  i  K'),  Aus  Gl.  (9)  folgt  dann  durch 
die  Substitution  von  (p{ü)'=sn~^n,  also:  9p'(?i)=  —  2sn~^U'Snu^ 

wenn  man  die  betreffende  Gleichung  noch  mit  —  —  sn^  u 
multipliziert: 

sn  n^  snu^  sn^?/, 


(21) 


Sn  Mj  5«  Wjj  SW^Wj 


=  0  (wenn  Wj  +  «*,+  **s~  ^  ^^w*  -^  ^)^ 


*)  Dies  würde  natürlich  auch  unmittelbar  aus  der  Formel: 

;-T.) 

folgen,  von  welcher  ich  aber  absichtlich  keinen  Gebrauch  machen  will. 


8  n-*  U  = fP  (  —  —    : 


A.  PriqgBhaB: 


elliptincher  Funktioiien.     ^^1 


eine  Relation,  wekhe  in  analogem  Zusammenhange,  wie  die 
GL  (15)  auftritt,  wenn  man  die  Theorie  der  Kuiren  drilter 
Ordnung  mit  homogenen  statt  mit  rechtwinkeligen  Koordinaten 
behandelt ') 

Aus  der  Differentialgleichung: 

(5 n  hY  =  (1  -  511»  m)  .1  —  t»  sn^  h) 

folgt  sodaun  durch  Multiplikation  mit  ( — 25H"^m)*=4j?>»  ^n: 

( —  2  s  n'  i#  •  s  n'  Mi*  =  4  5  »--  m  (s  w"-  ii  —  1)  (s  w~*  m  — ¥\ 

sodaß  also  die  Differential-Gleichung  filr  q^.  \Uj  =^  s n~' h  fol- 
gendermaßen kutet: 

(22)         9)'(tt)»  =  49:(i4)»  — 4(l+iP)9  (M)*+4Jp9-(«). 

Man  übersieht  unmittelbar,  daß  die  einfachste  Form  des 
Additions-Theorems  hier  durch  Anwendung  der  Formel  (IIH 
resultieren  muß.     Man  findet  (wegen  flj  ^  0)  auf  diese  Weise: 

1  / —  2sn~-u^  -sn'^fi,  - sn  u^  +  2 sn~^ u^- sn'^n^- sn  mA- 

4  \  5n~*fij  —  s«--M,  / 

(snu^  •  sn  u^—  snu^  •  5«'  mA- 
und  daher: 

(23)     .«««, = ( g;*'-"*-^"'"'    .  V 

•       \5WMj-5nfij — snu^'SnuJ 
Daraus  folgt,  wegen  snu^=^ — 5n(w,  +  m,),  zunächst: 


(24) 


«n(t«j  -j-  w,)  =  € 


sn'w,  —  sn'w, 


5nMj-5w'Mj  — 5tlMj-5n  tl/ 


')  S.  Clebsch-Lindemann,  Yorlesun^n  über  Geometrie  I  (187CK 
p.  605,  Gl.  (8).    (Es  muß  dort  übrigens  p.  604,  Gl.  (5j  statt: 


heißen: 


QX^=  sin^  am  u 


ß  ar|  =  fc*  sin'  tim  •»). 


oo* 


28 


422  Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  7.  Juli  1906. 

wo  «  =  ±  1.  Da  aber  Gl.  (23)  und  somit  Gl.  (24)  infolge  der 
Stetigkeit  von  snu  bei  m  ==  0  auch  noch  für  den  ursprünglich 
ausgeschlossenen  Fall  w,  =  0  gilt,  so  folgt,  wegen  sn  0  =  \: 

snUi.       ,  ,    , 

snu.=€'  *-,  also  £  =  4- I, 

'  snu^ 

und  somit  schließlich: 

(25)  5  w  (m,  +  w  J  = *  -  — — . 

^  ^  *         *        snu^^  sn  u^  —  snu^  •  sn  u^ 

Um  auch  diese  Formel  zu  einer  für  den  bisher  ebenfalls 
ausgeschlossenen  Fall  u^  '=f=e  Mj  brauchbaren  umzugestalten,  hat 
man  wieder  nur  Zähler  und  Nenner  der  rechten  Seite  mit 
einem  passenden  Faktor,  nämlich  (snu^-sn  u^-]-  snu^-sn  u^) 
zu  multiplizieren  und  zu  beachten,  daia: 

5n\  -sn*u^  —  sn*u^'8n^u^ 

=  5w*«,  «cw'w,  -(1  —k'^sn^n^  — sn'w,-  cn'Wj  •  (1  —  Ä*sn'«,) 

=  {sn*H^  —sn*u^)  •  (l  — k^sn^v^  -  sn'Wg), 

sodaß  sich  schließlich  das  fragliche  Additions-Theorem  in  der 
zumeist  üblichen  Form  ergibt: 

,^^.  ,       .      .       snu.'  cnu^'  dnu^A-  snu^'  cniL-dnu, 

(26)  sn(w,  +  w,)  = ^ * Tj^ \ ' ' 

Will  man  hieraus  lediglich  mit  Hilfe  der  Beziehungen: 

^^  ^  \  dn'  (m,  -f-  ?g  =  l-k's  n\ti,  +  w,) 

auch  noch  die  entsprechenden  Formeln  für  cn{n^-\-u^), dn(u^^-u^) 
herleiten,  so  läßt  sich  die  erforderliche  Rechnung  etwa  in 
folgender  Weise  ziemlich  einfach  durchführen. 

Es  werde  gesetzt: 

(28)  1  -k'sn'u,'Sn'n^  =  K 

Die  Substitution  von  1  =  cn^u^  -\-  s«'Wj  =  cnUi^  -\-  sn^u^ 
liefert  alsdann  liir  N  die  beiden  Ausdrücke: 


A.  Pringsheim:  Additions-Theorem  elliptischer  Funktionen.     423 

und  somit  für  IP  dem  symmetrischen  Ausdruck: 

(29)  N'  =  (cn' Wj  +  5n*«j    dn^u^  (cn^u^  +  snru^ •  rfn'ti,). 

Ebenso  ergibt  sich  aus  dem  Ausdrucke  für  N  durch  Sub- 
stitution von  1  =  dn'tt,  +  k^sn^u^  =  dn^  u^  +  T^sn^u^: 

(30)  i\r  =  (dn^Mj  +  Vsn'u,  •  cn' Wg)  (dn' w,  +  V sn^u^- cuUi,). 

Durch  Einführung  von  (29)  bzw.  (30)  in  die  rechte  Seite 
der  mit  IP  multiplizierten  Beziehungen  (27)  findet  man  dann 
aber  ohne  weiteres: 

[DP  cn^{u^'\-u^-{cnu^' cnu^- snu^'dnu^'Snu^' dnu^^ 
|^-dn*(Mj  +  Mj)=(dnWj-dwMj-i--5wWj-(;nM,-5WM,-cww2)' 

und,  da  sich  das  Vorzeichen  der  Quadratwurzeln  wieder  un- 
mittelbar durch  Substitution  von  w^  =  0  bestimmen  läßt,  so 
erhält  man  auf  diese  Weise  in  der  Tat  die  bekannten  Formeln 
für  c  n  (Mj  +  u^^  d  »  (Mj  -|-  u^. 


Öfifentliche  Sitzung 

zur  Feier  des  147.  Stiftungstages 
am  14.  März  1906. 

Die  Sitzung  eröffnete  der  Präsident  der  Akademie,  Oeheiinrat 
Dr.  Karl  Theodor  v.  Hei  gel,  mit  folgender  Ansprache: 

Wir  haben  im  Frühling  des  vorigen  Jahres  dem  volks- 
tümlichsten Dichter  der  Deutschen  unsere  Huldigung  darge- 
bracht; wir  haben  in  der  Novembersitzung  aus  Anlaia  des  be- 
vorstehenden Zentenariums  die  Schöpfer  des  modernen  Staates 
Bayern  dankbar  gefeiert;  nun  wandeln  wir  auch  den  heutigen 
Stiftungstag  in  einen  Festtag,  indem  wir  das  Bild  eines  Kollegen 
unter  den  Laren  unseres  Hauses  aufstellen  und  seinem  Ge- 
dächtnis Kranze  flechten.  Da  möchte  der  femer  Stehende  wohl 
den  Eindruck  gewinnen,  daß  wir  uns  zu  Heroenkult  und  Fest- 
gepränge allzu  willig  «vom  Kalender  kommandieren*  ließen. 
Doch  der  Vorwurf  wäre  nicht  berechtigt,  denn  es  gilt  heute 
nicht  so  fast  ein  längst  verehrtes  Ehrenmal  zu  schmücken,  jils 
ein  altes  Unrecht  zu  sühnen.  Handelt  es  sich  doch  um  einen 
Forscher,  der  in  zielbewußter,  rastloser  Arbeit  seine  ganze 
Kraft  aufgezehrt,  sein  Leben  lang  aber  Enttäuschung  und 
Zurücksetzung  geerntet  hat!  Sollte  da  nicht  der  Nachwelt  die 
Verpflichtung  obliegen,  durch  einen  ehrerbietigen  Gruß  der 
Treue  den  Dank  zu  erstatten,  den  die  Zeitgenossen  kurzsichtig 
versagt  haben? 

Freilich,  wenn  die  Bewertung  eines  Gelehrten  davon  ab- 
hinge, ob  sein  Name  in  aller  Welt  Mund  oder  doch  in  weiten 
Kreisen  der  Gebildeten  bekannt  sei,  dürfte  unser  Johann  Kaspar 


426  öffentliche  Sitzunf»  vom  14.  März  1906. 

Zeüss  kaum  zu  den  Großen  gezählt  werden.  Wie  wenige  wissen 
oder  wußten  bis  vor  kurzem  etwas  von  der  Grammatica  celtica 
und  ihrem  Verfasser!  Da  aber  der  Gradmesser  der  Bedeutung 
eines  Gelehrten  nur  darin  zu  suchen  ist,  welchen  Fortschritt, 
welche  Förderung  ihm  die  Wissenschaft  zu  danken  hat,  da 
nicht  in  der  Celebrität,  sondern  in  der  Autorität  das  maßgebende 
Moment  zii  erblicken  ist,  darf  der  Maurersohn  aus  dem  fränki- 
schen Dörfchen  Vogtendorf  im  auserlesensten  Kreis  berühmter 
Bayern   des  19.  Jahrhunderts  einen  Ehrenplatz  beanspruchen. 

Es  ist  nicht  meine  Aufgabe,  auf  die  Werke  und  Tage  des 
Gefeierten  näher  einzugehen.  Von  einem  berufeneren  Redner 
wird  Ihnen  dargelegt  werden,  wie  sich  diese  geistige  Kraft  ent- 
wickelt, wie  Zeuß  auf  den  Gebieten  der  Sprachkunde,  der  Ethno- 
logie und  der  Geschichtswissenschaft  als  Entdecker  in  die  Nähe 
und  Weite  für  alle  Zeiten  gewirkt  hat. 

Nur  mit  ein  paar  Worten  möchte  ich  Zeugnis  ablegen, 
daß  auch  mir  das  Herz  aufging,  als  ich  aus  Anlaß  der  bevor- 
stehenden Jahrhundertfeier  mich  eingehender  mit  unserem  ge- 
lehrten Landsmann  beschäftigte.  Welch  harmonisches,  reines, 
gerade  in  seiner  rührenden  Bescheidenheit  bedeutendes  Lebens- 
bild! Welche  Hingebung  an  den  Forscherberuf !  Welche  Arbeits- 
kraft! Und  ebenso  in  den  Schriften:  welche  Schlichtheit,  welche 
Größe!  Einzelheiten  mögen  veraltet  sein,  als  Ganzes  sind  die 
hier  niedergelegten  Lösungen  wichtiger  Probleme  unerreicht 
und  unerschüttert. 

Doch  unter  wie  trüben  Verhältnissen  mußten  diese  Werke 
geschaffen  werden!  Eine  Passionsgeschichte  rollt  sich  vor  uns 
auf.  Auch  Zeuß  mußte,  wie  unzählige  andere,  die  Erfahrung 
machen,  daß  der  Dienst  der  Wissenschaft  mit  Entbehrung 
verknüpft  ist  und  die  Sehnsucht  nach  Wahrheit  eine  treue 
Geiahrtin  nötig  hat,  die  Geduld.  Er  brauchte  ja  nicht  gerade 
Not  zu  leiden,  doch  aus  ärmlichen  Verhältnissen  konnte  er 
sich  niemals  emporringen,  und  peinliche  Enttäuschungen  be- 
gleiteten seine  Erdentage  mit  unbarmherziger  Treue.  Die  für 
Zeitgenossen  und  Nachwelt  so  fruchtbringende  Arbeit  brachte 
ihm  keinen  Lohn.    Die  Aufnahme  in  unsere  Akademie  —  er 


K.  Th.  V.  Hei^l:  Ansprache.  •^27 

war  von  1842 — 1847  korrespondierendes  Mitglied  der  philo- 
sophisch-philologischen, von  1847 — 1856  ordentliches,  später 
wieder  korrespondierendes  Mitglied  der  historischen  Klasse  — 
war  fast  die  einzige  Auszeichnung,  die  ihm  zuteil  wurde.  In 
der  Gelehrten  weit  Deutschlands,  der  Urheimat  der  Sprach- 
wissenschaft, wurden  zwar  die  bahnbrechenden  Schriften  selbst- 
verständlich mit  Hochachtung  aufgenommen,  aber  man  küm- 
merte sich  nicht  um  den  Verfasser.  »Auch  im  Gelehrtenberuf*, 
sagt  Ernst  Curtius,  «wird  das  Glück  immer  als  das  größte 
Verdienst  anerkannt;  nach  dem,  was  man  durch  stille,  ent- 
sagungsvolle Arbeit  zu  stände  bringt,  fragen  nur  wenige  I'* 

Wenn  es  sich  um  Anstellung  handelte,  wurde  zwar  seine 
«scientifische  Bildung'  von  den  maßgebenden  Persönlichkeiten 
gnädig  anerkannt,  doch  die  Türen  blieben  ihm  verschlossen. 
Von  der  Universität  Würzburg  wird  er  abgelehnt,  weil  eine 
Professur  für  deutsche  Philologie  nicht  notwendig  sei,  —  von 
Erlangen  bleibt  er  ausgeschlossen,  weil  die  philosophische 
Fakultät  den  Bewerber  nicht  genügend  kenne,  —  in  Berlin 
findet  er  angeblich  aus  konfessionellen  Gründen  keine  Aufnahme. 
Vom  Archivdienst,  für  welchen  er  wie  geschaffen  gewesen  wäre, 
wurde  er  von  Hormayr  mit  spöttischen  Witzen  zurückgewiesen. 
Endlich  verlieh  das  Ministerium  Maurer-Zenetti  dem  Vierzig- 
jährigen in  München  eine  Professur  für  allgemeine  Weltge- 
schichte, doch  nun  vermochte  sich  der  schüchterne,  für  den 
Katheder  ohnehin  wenig  geeignete  Mann  in  den  neuen  Wir- 
kungskreis nicht  mehr  zu  finden.  Es  war  schon  nicht  mehr 
zweifelhaft,  daß  er  einer  in  seiner  Familie  erblichen,  tückischen 
Krankheit  zum  Opfer  fallen  werde;  der  Arme  mußte  seinen 
Benediktinerfleiß  mit  immer  häufigeren  Blutopfem  bezahlen. 
Es  war  ihm  nicht  mehr  möglich,  sich  im  weiten  Hörsaal  ver- 
ständlich zu  machen;  die  Zuhörerschaft  lichtete  sich  immer 
auffalliger;  er  wurde  im  Kollegium  als  Drohne  angesehen  und 
vermutlich  auch  als  solche  behandelt.  Welche  Pein  für  eine 
feinfühlige  Natur!  Es  begreift  sich,  daß  er  eine  Versetzung  an 
das  Bamberger  Lyzeimi  mit  erheblich  vermindertem  Gehalt  als 
erlösende  Wohltat  empfand.    Einsam  verlebte  er  in  der  Main- 


428  öfFentliclie  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

Stadt  seine  letzten  Lebensjahre,  doch  sie  entbehrten  nicht  der 
Sonnenstrahlen  des  Glückes.  Ersatz  für  Familienfreuden  und 
heiteren  Lebensgenuß  bot  ihm  die  Arbeit,  dieser  glückselige 
Fluch,  womit  Gott  das  Menschengeschlecht  in  Wahrheit  ge- 
segnet hat.  Die  Arbeit  gab  ihm  einen  Frieden,  den  Frau  Welt 
nicht  zu  geben  vermag.  Die  menschliche  Sprache  war  für  ihn 
das  Buch  des  Lebens,  und  die  Erforschung  ihrer  Gesetze  ge- 
währte ihm  Anregung,  Befriedigung,  Erhebung.  Sein  Umgang 
beschränkte  sich  nur  noch  auf  irische  Mönche  der  Merowinger- 
und  Karolingerzeit,  deren  Glossen  ihm  den  StoiF  zu  der  seit 
langem  in  Angriff  genommenen  keltischen  Grammatik  boten. 
Während  die  Forscher  auf  anderen  Gebieten,  wie  der  Land- 
mann bei  günstigem  Erdreich,  nur  den  Samen  in  die  Krume 
zu  streuen  brauchen,  mußte  Zeuß  erst  eine  Wildnis  urbar 
machen  durch  Beseitigung  der  Auswüchse  einer  Keltomanie, 
die  das  Wissen  über  die  keltische  Völkerfamilie  nicht  bereichert, 
nur  verwirrt  hatte.  Gott  ließ  ihn  die  Freude  erleben,  daß  dichte 
Saat,  wogend  im  Felde,  den  Samen  zurückgab;  er  konnte  noch 
die  keltische  Grammatik  vollenden,  das  monumentale  Werk,  dem 
nur  die  deutsche  Grammatik  von  Jakob  Grimm  und  die  Gram- 
matik der  romanischen  Sprachen  von  Diez  ebenbürtig  zur  Seite 
stehen.  Kaum  war  das  Tagewerk  vollbracht,  so  erlosch  das  nur 
der  Wissenschaft  geweihte  Leben. 

Auf  eine  Persönlichkeit,  die  sich  auf  ganz  anderem  Gebiete 
Ruhm  und  Ehre  erkämpfte,  auf  Prinz  Eugen,  den  edlen  Ritter, 
hat  der  Dichter  Jean  Baptiste  Rousseau  das  Wort  geprägt:  ,Nie 
war  in  andrem  Manne  so  viel  Einfachheit  mit  so  viel  Größe 
vereinigt!*  Dieses  Wort  darf  auch  auf  Sinnesart  und  wissen- 
«jchaflliche  Taten  unseres  Zeuß  angewendet  werden. 

Ein  Name  ohne  Makel!    Eine  Erinnerung  ohne  Schatten! 


l* 


K.  Th.  V.  Heigel:  Mitteilungen.  429 


Im  Jahre  1903  hat  die  Akademie  zur  Bewerbung  um  einen 
Preis  aus  dem  Zographosfonds  folgende  Preisaufgabe  aus- 
geschrieben: 

,Die  meteorologischen  Theorien  des  griechi- 
schen Altertums  auf  Grund  der  literarischen  und 
monumentalen  Überlieferung*. 

Hiefiir  sind  zwei  Bewerbungen  eingelaufen. 

Die  erste  mit  dem  Motto:  Alvog  ßaodevei  ror  AP  l^eXtiXaxiog 
ist  eine  hochbedeutsame  wissenschaftliche  Leistung,  welche  sich 
durch  gründliche  Sachkenntnis,  scharfsinnige  Kombination  und 
umsichtiges  urteil  auszeichnet.  Sie  bietet  neues  Material  und 
neue  Gesichtspunkte.  Gleich  im  ersten  Abschnitt,  welcher  „über 
meteorologische  Instrumente*  betitelt  ist,  wird  ein  bei  Anti- 
kjthera  im  Meere  gefundenes  Bronzeinstrument  als  eine  Art 
Planetarium  erkannt.  Femer  wird  unter  anderem  ein  Fragment 
des  Meteorologen  Arrian  über  Ebbe  und  Flut  aus  dem  Lateini- 
schen des  Priscianus  Lydus  in  das  Griechische  zurückübersetzt 
und  in  der  Hauptsache  auf  Poseidonios  zurückgeführt.  Über- 
haupt werden  verschiedene  Quellenschriften  der  antiken  Meteoro- 
logie in  ihrem  gegenseitigen  Verhältnis  untersucht  und  wird 
vor  allem  die  Bedeutung  des  Poseidonios  für  die  meteorologische 
Forschung  in  ihrem  vollen  umfange  festgestellt. 

Leider  ist  der  Verfasser  infolge  äui^rer  Hemmnisse  nicht 
über  diese  Vorarbeiten  hinaus  zur  Hauptsache,  zu  einer  syste- 
matischen Feststellung  der  meteorologischen  Theorien  gekom- 
men. Deshalb  kann  ihm  der  Preis  nicht  zuerkannt  und  nur 
der  lebhafte  Wunsch  ausgesprochen  werden,  der  Verfasser  möge 
seine  vielversprechenden  Forschungen  fortführen  und  bald  in 
der  Lage  sein,  deren  Ergebnisse  zu  veröffentlichen. 

Die  zweite  Bearbeitung  mit  dem  Motto:  t6xe  fäQ  olofxe&a 
yivdfoxeiy  ?xa<nov  xxX,  besteht  aus  zwei  Teilen.  Der  Verfasser, 
welcher  Meteorologie  im  Sinne  der  Alten  auffaßt,  so  daß  auch 
Fragen  der  Geophysik  und  Astronomie  diesem  Gebiete  zufallen, 
geht  von  der  Ansicht  aus,  daß  nach  der  Auffassung  der  griechi- 


430  ÖffeuUicbe  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

sehen  Philosophen  alle  meteoren  Erscheinungen  aus  der  Wirksam- 
keit der  vier  Elemente  hervorgehen,  und  gibt  deshalb  im  ersten 
Teile  eine  ausführliche  Darlegung,  wie  sich  die  Vorstellungen 
von  den  vier  Elementen  bei  den  griechischen  Philosophen  und 
Naturforschern  gebildet  und  entwickelt  haben.  Wenn  in  dieser 
Darlegung  auch  die  eine  oder  andere  Aufstellung  nicht  ein- 
wandfrei erscheint,  so  ist  damit  doch  eine  breite  Unterlage  für 
den  zweiten,  den  systematischen  Teil  gewonnen,  in  welchem 
eine  umfassende  Darstellung  der  alten  Meteorologie  geboten 
wird,  die  den  inneren  Zusammenhang  der  Theorien  verfolgt 
und  deren  Haltbarkeit  teilweise  an  den  Ergebnissen  modemer 
Forschung  prüft.  Hiernach  trägt  die  Akademie  kein  Bedenken, 
der  mit  umfassender  Gelehrsamkeit  abgefa&ten,  nahezu  druck- 
fertigen  Abhandlung  den  Preis  zuzuerkennen. 

Als  Verfasser  ergibt  sich  Geheimer  Regierungsrat,  Pro- 
fessor Dr.  Otto  Gilbert,  Bibliotheksdirektor  a.  D.  in  Halle  a/S. 

Aus  dem  Thereianos-Fonds  konnten  folgende  Unter- 
stützungen gewährt  werden: 

1.  1500  M.  für  das  von  Adolf  Furtwängler  und  Reich- 
hold herausgegebene  Werk  über  „Griechische  Vasenmalerei*, 

2.  1500  M.  für  die  von  Karl  Krumbacher  herausgege- 
bene „Byzantinische  Zeitschrift*, 

3.  1000  M.  an  Professor  Spyridion  Lampros  in  Athen 
für  eine  wissenschaftliche  Reise  nach  Italien  zu  Forschungen 
über  die  Geschichte  des  Despotats  des  Peloponnes  unter  den 
Paläologen, 

4.  1100  M.  für  Dr.  Paul  Marc  in  München  zu  einer 
wissenschaftlichen  Reise  auf  dem  Athos  zum  Zwecke  von  Hand- 
schriftenstudien, 

5.  600  M.  für  Dr.  Ludwig  Curtius  in  München  zu 
archäologischen  Untersuchungen  im  westlichen  Kleinasieu. 

Endlich  wurde  dem  Ephoros  Georgios  Sotiriades  in 
Athen  für  seine  wertvollen  Untersuchungen  über  die  Topo- 
graphie und  die  älteste  Kulturgeschichte  von  Böotien  und 
Phokis  ein  Preis  von  800  M.  zuerkannt. 


K.  Th.  V.  Heigel:  Mitteilungen.  431 

Im  Anschluß  an  die  Mitteilung  über  den  Thesaurus 
linguae  Latinae  vom  November  1904  ist  jetzt  mitzuteilen, 
daß  der  Reservefonds  für  den  Thesaurus,  eine  Stiftung  Qeheim- 
rats  von  Wölflflin,  gegenwärtig  18,500  M.  beträgt.  Es  mag 
noch  hervorgehoben  werden,  daß  der  bayerische  Staat  zu  diesem 
großen  Unternehmen,  von  dem  Ostern  1906  der  zweite,  gleich- 
falls über  1000  Seiten  starke  Foliant  erscheinen  wird,  jährlich 
5000  M.  und  außerdem  2500  M.  zum  Gehalt  des  ersten  Sekre- 
tärs, Professor  Dr.  Hey,  beiträgt  und  daß  die  philosophisch- 
philologische  Klasse  in  den  letzten  Jahren  etwa  500  M.  für 
einen  vom  Thesaurus  nur  mit  1200  M.  honorierten  bayerischen 
Assistenten  beigesteuert  hat. 

Generalredaktor  Professor  Vollmer  ist  infolge  Übernahme 
eines  Ordinariats  an  unserer  Universität  von  der  Leitung  des 
Thesaurus  zurückgetreten  und  als  Mitglied  der  Kommission 
kooptiert  worden.  Als  sein  Nachfolger  wurde  Dr.  Eugen 
Lommatzsch,  Privatdozent  in  Freiburg  i.  Br.,  berufen.  Der 
zweite  Redaktor,  Professor  Ihm,  tritt  aus,  um  einem  Rufe 
nach  Halle  Folge  zu  leisten ;  nach  Ablehnung  der  Stelle  durch 
Professor  Hey  wurde  Privatdozent  Dr.  Berthold  Mauren- 
brecher von  Halle  berufen. 

Die  Zinsen  der  Savigny-Stiftung  standen  dieses  Jjihr 
unserer  Akademie  zur  Verfügung. 

Auf  Vorschlag  der  Kommission  der  Savigny-Stiftung  be- 
schloß unsere  Akademie,  sie  in  folgender  Weise  zu  verwenden : 

1.  600  M.  an  das  Kuratorium  der  Savigny-Stiftung  zur 
Unterstützung  ,des  Honorarfonds  der  Savigny-Zeitschrift  für 
Uechtsgeschichte, 

2.  4400  M.  an  den  Reichsarchivassessor  Dr.  Hermann 
Knapp  als  Beitrag  zu  den  Druckkosten  seines  zweibändigen 
Werkes  über  die  Zentordnungen  des  Hochstifls  Würzburg. 

Aus  den  Zinsen  der  Münchener  Bürger-  und  Cramer- 
Klett-Stiftung  wurden  bewilligt: 


432  öffentliche  Sitmng  vom  U.  M&rz  1906. 

1.  500  M.  für  Professor  Dr.  Oskar  Schultze  in  Würz- 
burg zur  Untersuchung  der  feineren  Struktur  des  elektrischen 
Organs  der  Fische, 

2.  1500  M.  für  den  Studierenden  Hans  Prandtl  in  Mün- 
chen zur  Untersuchung  der  Sagittawürmer  in  der  Bucht  von 
Messina, 

3.  2500  M.  für  den  Kustos  des  Botanischen  Museums  in 
München,  Dr.  Hermann  Roii,  zur  Erforschung  bestimmter 
Wechselbeziehungen  zwischen  Tier-  und  Pflanzenwelt  der  Tropen 
des  mittleren  Amerika, 

4.  500  M.  für  den  Assistenten  der  anatomischen  Anstalt 
zu  München,  Dr.  Albert  Hasselwander,  zu  einer  Forschungs- 
reise nach  Dalmatien. 

Endlich  ist  noch  der  Ehrung  eines  Mitglieds  unserer 
Akademie  Erwähnung  zu  tun. 

Auf  Wunsch  unseres  Kollegen  Professor  Königs  ist  die 
von  ihm  begründete  Stiftung  »zur  Förderung  chemischer  For- 
schungen* aus  Anlaß  des  70.  Geburtstags  Adolf  von  Baeyers 
umgewandelt  worden  in  eine  Adolf  von  Baeyer -Jubi- 
läumsstiftung. 

Zugleich  ist  das  Kapital  durch  eine  neue  Spende  des  Stif- 
ters auf  50,000  M.  erhöht  worden. 

Möge  der  gefeierte  Name,  den  die  Stiftung  nunmehr  trägt, 
für  alle  Forschungen,  die  in  Zukunft  aus  diesem  Fonds  Unter- 
stützung finden  werden,  ein  glückliches  Omen  sein! 


C.  Voit:  Nekrologe.  433 


Der  Sekretär  der  mathematisch -physikalischen  Klasse, 
Herr  C.  v.  Voit,  teilt  mit,  daß  die  mathematisch-physikalische 
Klasse  in  dem  vergangenen  Jahre  sieben  Mitglieder  durch  den 
Tod  verloren  hat: 

Das  ordentliche  Mitglied: 
Dr.  Carl  v.  Orff,  Generalmajor  a.  D.,  gestorben  den  27.  Sep- 
tember 1905. 

Die  auswärtigen  Mitglieder: 

Dr.  Otto  Wilhelm  v.  Struve,  Direktor  der  russischen  Stern- 
warte in  Pulkowa,  gestorben  am  14.  April  1905; 

Dr.  Albert  v.  Kölliker,  Professor  der  Anatomie  an  der  Uni- 
versität zu  Würzburg,   gestorben  am  2.  November  1905. 

Die  korrespondierenden  Mitglieder: 

Dr.  Georg  Meißner,  Professor  der  Physiologie  an  der  Uni- 
versität zu  Göttingen,  gestorben  am  30.  März  1905; 

Dl'.  Walther  Flemming,  Professor  der  Anatomie  an  der  Uni- 
versität zu  Kiel,  gestorben  am  4.  August  1905; 

Dr.  Ferdinand  Frhr.  V.  Richthof en,  Professor  der  Geographie 
an  der  Universität  zu  Berlin,  gestorben  am  6.  Oktober  1905; 

Dr.  Otto  Stolz,  Professor  der  Mathematik  an  der  Universität 
zu  Innsbruck,  gestorben  am  23.  November  1905. 


Carl  V.  Orif.*) 

Am  27.  September  1905  ist  das  ordentliche  Mitglied  der 
mathematisch -physikalischen  Klasse,  der  Generalmajor  a.  D. 
Dr.  Carl  v.  Orff  im  Alter  von  77  Jahren  verschieden.  Ein 
ungemein  reiches  Leben  liegt  hiermit  abgeschlossen  vor  uns, 
denn  der  Verstorbene  war  nicht  nur  ein  hervorragender 
Offizier,   sondern    auch   ein   bedeutender  Gelehrter,    der  durch 


*)  Siehe  den  Nekrolog  von  Professor  Dr.  Karl  Oertel,  AUg.  Zeitung, 
Beilage  vom  1.  Oktober  1905,  Nr.  227.  und  Vierteljahrschrifb  der  astron. 
Ges.  1906,  41.  Jahrg.,  1.  Heft,  S.  3. 


4:34  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

seine  wissenschaftliche  Tätigkeit  die  theoretische  und  praktische 
Geodäsie  wesentlich  gefordert  hat. 

Er  wurde  in  München  als  der  Sohn  eines  Kriegsrates  am 
23.  September  1828  geboren  und  erhielt  seine  erste  Erziehung 
im  K.  Kadettenkorps,  da  die  Tradition  der  Familie  ihn  für  die 
militärische  Laufbahn  bestimmt  hatte.  Schon  hier  erregte  er 
durch  sein  Talent  und  seinen  Fleiä  die  Aufmerksamkeit  seiner 
Lehrer,  insbesondere  durch  seine  Befähigung  und  sein<e  Kennt- 
nisse in  der  Mathematik.  Darum  wurde  er  als  23jähriger 
Leutnant  zur  mathematischen  Sektion  des  topographischen 
Bureaus  kommandiert,  wodurch  er  in  die  Bahn  gelenkt  wurde, 
auf  welcher  er  so  Ausgezeichnetes  leisten  sollte.  In  dieser 
Stellung  machte  er  unter  der  Leitung  des  verdienten  Direktors 
des  topographischen  Bureaus  Friedrich  Weiiä  zunächst  um- 
fassende Terrainaufnahmen  in  der  westlichen  Pfalz  und  dann 
Zenithdistanzmessungen  in  weiteren  Gebieten  Bayerns.  Ein 
längerer  zur  Ausbildung  benutzter  Urlaub  führte  ihn  nach  Paris, 
woselbst  er  unter  anderen  den  berühmten  Mathematiker  Gauchy, 
an  welchen  er  empfohlen  war,  näher  kennen  lernte.  Als 
Hauptmann  im  topographischen  Bureau  des  Generalquartier- 
meisterstabes machte  er  den  Feldzug  des  Jahres  1866  mit,  in 
dem  er  Leiter  der  Feldtelegraphenabteilung  war. 

Orff  hörte  nicht  auf,  gröi^tenteils  durch  Selbststudium,  an 
der  Vervollkommnung  seiner  Kenntnisse  imd  Erfahrungen 
eifrigst  zu  arbeiten.  In  diesem  Bestreben  verbrachte  er  nach 
Beendigung  des  Feldzugs  seine  ürlaubszeit  an  der  Sternwarte 
zu  Bogenhausen  zu,  die  damals  unter  der  Leitung  unseres  ver- 
storbenen Mitgliedes,  des  berühmten  Astronomen  Johann  Lamont 
stand,  der  sich  insbesondere  durch  seine  erdmagnetischen  Unter- 
suchungen große  Verdienste  erworben  hat.  Die  Bekanntschaft 
und  spätere  innige  Freundschaft  mit  diesem  hervorragenden 
Gelehrten  war  von  großem  Einfluß  auf  Orffs  Entwicklung;  die 
Anregung  zu  seinen  wertvollen  astronomisch -geodätischen 
Studien  und  Beobachtungen  verdankt  er  seinem  Lehrer  Lamont. 

Mittlerweile  war  Orff  (1867)  zum  Dozenten  für  reine  und 
angewandte   höhere   Mathematik   an    der   damals   gegründeten 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Carl  v.  Orff.  435 

Kriegsakademie  ernannt  worden,  welches  ihm  sehr  zusagende 
Amt  er  als  äußerst  beliebter  Lehrer  33  Jahre  lang  ausübte. 
Im  Jahre  1868  erfolgte  seine  Beförderung  zum  Major  und  zum 
Direktor  des  topographischen  Bureaus  an  Stelle  des  verstorbenen 
Obersten  Weiß.  Als  solcher  hat  er  sich  durch  seinen  uner- 
müdlichen Pflichteifer  und  durch  das  volle  Verständnis  der 
wichtigen  Aufgabe  sehr  verdient  gemacht;  es  ist  ihm  durch 
seine  wissenschaftlichen  und  praktischen  Kenntnisse  gelungen, 
das  seiner  Leitung  unterstellte  Listitut  während  22  Jahren 
ganz  auf  der  Höhe  der  schnell  fortschreitenden  Zeit  zu  er- 
halten. Namentlich  verdankt  man  ihm  die  Neubearbeitung 
und  Herausgabe  der  50  000 -teiligen  Blätter  des  topographischen 
Atlas  von  Bayern  sowie  der  250  000 -teiligen  Blätter  der  Karte 
von  Süd  Westdeutschland  (der  Generalquartiermeisterstabskarte); 
als  eine  praktische  Leistung,  an  welcher  Orff  den  rühmlichsten 
Anteil  hat,  darf  die  bekannte  prompte  Ausrüstung  der  bayerischen 
und  teilweise  auch  der  preußischen  Armee  mit  Kriegskarten 
während  des  Feldzuges  1870/71  bezeichnet  werden.  Es  fiel 
ihm  dann  auch  die  umfangreiche  Aufgabe  zu,  die  Bearbeitung 
des  auf  Bayern  treffenden  Anteils  der  100 000 -teiligen  Karte 
des  Deutschen  ßeiches  in  die  Wege  zu  leiten  und  zu  über- 
wachen. Seine  Verdienste  in  dieser  Stellung  wurden  im  In- 
lande  und  im  Auslande  voll  anerkannt  und  gewürdigt.  Nach- 
dem er  im  topographischen  Bureau  bis  zum  Generalmajor  vor- 
gerückt war  und  44  Jahre  in  der  Armee  gedient  hatte,  erbat 
er  sich  im  Jahre  1890  wegen  geschwächter  Sehkraft  die  Pen- 
sionierung. 

Die  meisten  hätten  sich  wohl  an  dieser  Tätigkeit  genügen 
lassen,  aber  dem  regen  Geiste  und  dem  rastlosen  Forschungs- 
drange Orffs  genügte  die  Direktion  des  topographischen  Bureaus 
für  sich  allein  auf  die  Dauer  nicht.  Er  sehnte  sich  nach  rein 
wissenschaftlicher  Arbeit,  weshalb  er  auch  noch  zehn  Jahre, 
wie  vorher  erwähnt,  die  Stelle  als  Dozent  der  Mathematik  an 
der  Kriegsakademie  beibehielt. 

Da  trat  am  Ende  der  sechziger  Jahre  eine  große  Aufgabe 
an  ihn  heran,   seine  Beteiligung   an   der  bayerischen  Landes- 

1906.  SitBiittcsb.  d.  iiuih.-ph7S.  KL  29 


436  ÖfiPentliche  Sitzung  vom  li.  März  1906. 

Vermessung.  Nach  der  in  Frankreich  während  der  französischen 
Revolution  zur  Ermittlung  der  Gestalt  der  Erde  durchgeführten 
großen  Gradmessung  fanden  nach  dem  wiederhergestellten 
Frieden  in  vielen  Staaten  ähnliche  Gradmessungen  und  Landes- 
vermessungen statt;  so  begann  auch  in  Bayern,  nachdem  schon 
1801  von  französischen  Offizieren  Vorarbeiten  für  ein  Haupt- 
dreiecksnetz gemacht  worden  waren,  eine  Landesvermessung  mit 
einer  von  dem  Astronomen  Soldner  unter  Mithilfe  von  Schiegg 
nach  wissenschaftlichen  Prinzipien  und  mit  den  zur  Zeit  besten 
von  Reichenbach  und  Fraunhofer  gebauten  geodätischen  und 
astronomischen  Instrumenten  ausgeführten  Triangulation.  Es 
hatte  sich  dabei  seit  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  ein  außer- 
ordentlich umfangreiches  Beobachtungsmaterial  angehäuft,  das 
noch  der  Verwertung  harrte.  Orff  übernahm,  nachdem  Bauern- 
feind die  Bearbeitung  niedergelegt  hatte,  freiwillig  die  Aufgabe. 
Es  waren  enorme  Schwierigkeiten  zu  überwältigen,  denn  es 
war  über  die  von  Soldner  erdachte  der  Landesvermessung  zu 
Grunde  liegende  genaue  Projektionsmethode  noch  gar  nichts 
veröffentlicht,  so  daü  Orff  sich  das  gesammte  Material  im  Archiv 
des  E.  Katasterbureaus  erst  mühsam  zusammensuchen  mußte. 
Nur  der  beharrlichsten  Ausdauer  und  aufopferungsvollen  Hin- 
gebung sowie  der  sichersten  Sachkenntnis  konnte  es  gelingen 
die  gewaltige  Aufgabe  zu  bewältigen.  Schon  im  Juni  1873 
war  die  Bearbeitung  des  von  dem  K.  B.  Eatasterbureau 
herausgegebenen  großen  Werkes:  „Die  bayerische  Landesver- 
messung in  ihrer  wissenschaftlichen  Grundlage **  in  einem 
100  Druckbogen  umfassenden  Quartband  vollendet.  Es  ist 
die  größte  Leistung  Orffs.  Das  durchaus  selbständige,  den  Geo- 
däten innerhalb  und  außerhalb  Bayerns  unentbehrlich  gewordene 
und  allgemein  anerkannte  Werk  nimmt  einen  hohen  wissen- 
schaftlichen Rang  ein  sowohl  durch  die  äußerst  sorgfaltige 
mustergiitige  Verarbeitung  des  Ungeheuern  Zahlenmaterials  als 
auch  durch  die  vollendete  Verwendung  der  theoretischen  Vor- 
schriften. 

Nach  Abschluß   desselben   folgten   die   astronomisch -geo- 
dätischen Ortsbestimmungen  Orffs  an  der  hiesigen  Sternwarte. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Carl  v.  Orff.  437 

Er  machte  zunächst  eine  Bestimmung  der  geographischen  Breite 
der  K.  Sternwarte  bei  München  nach  Talcotts  Methode  und 
im  ersten  Vertikal,  welche  1877  in  den  Annalen  der  K.  Stern- 
warte veröflFentlicht  wurde.  Dann  folgten  weitere  Breitebestim- 
mungen in  Bayern  im  Auftrage  der  K.  B.  Kommission  für  die 
europäische  Gradmassung,  deren  Vorsitzender  damals  Lamont 
war.  Der  preußische  General  v.  Baeyer,  der  Vater  unseres 
verehrten  Kollegen,  hatte  nämlich  eine  einheitliche  mittel- 
europäische Gradmessung  zwischen  dem  französischen  und  russi- 
schen Meridian  angeregt,  zu  deren  Durchführung  sich  alle  von 
dem  bezeichneten  Meridian  berührten  Staaten,  zu  denen  auch 
Bayern  gehört,  anschlössen  und  die  ,  europäische  Gradmessungs- 
Konunission*  bildeten.  Nach  dem  Beitritt  der  Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika,  von  Japan  und  Großbritannien  wurde 
sie  zur  Kommission  der  „internationalen  Erdmessung"  erweitert; 
der  bayerischen  Kommission  für  die  europäische  und  interna- 
tionale Erdmessung,  welche  die  auf  Bayern  treflFenden  Erd- 
messungsarbeiten  nach  den  Beschlüssen  der  allgemeinen  Kon- 
ferenzen zu  betätigen  hatte,  gehörten  außer  Lamont  noch 
Bauemfeind,  Seidel  und  Seeliger  an  und  nach  Bauernfeind^s 
Tod  (1894)  Orff  für  die  geodätischen  Fragen.  Auch  an  diesen 
Problemen  beteiligte  sich  Orff  mit  gewohnter  Hingebung  durch 
ganz  auf  der  Höhe  der  Wissenschaft  stehende  astronomisch- 
geodätische Arbeiten. 

Die  vorher  erwähnten  Beobachtungen  zu  den  Breitebe- 
stimmungen in  Bayern  fanden  in  Nürnberg,  Mittenwald,  Holz- 
kirchen, Ingolstadt  und  der  Wülzburg  statt  und  wurden  (1880) 
als  astronomisch-geodätische  Ortsbestimmungen  in  Bayern  von 
der  K.  B.  Kommission  für  die  europäische  Gradmessung  heraus- 
gegeben. 

Daran  schlössen  sich  die  1874  begonnenen,  der  europä- 
ischen Gradmessung  dienenden  ausgedehnten  „  telegraphischen 
Längenbestimmungen  für  die  K.  Sternwarte  zu  Bogenhausen* 
an,  welche  in  zwei  Teilen  (1888  und  1893)  von  der  K.  B. 
Kommission  für  die  internationale  Erdmessung  herausgegeben 
wurden  und  in  den  Denkschriften  unserer  Akademie  erschienen 

29* 


438  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

sind.  Diese  Arbeiten  sollten  die  exakte  telegraphische  Be- 
stimmung des  astronomischen  Längenunterschiedes  möglichst 
vieler  Orte  gegen  die  Münchener  Sternwarte  liefern,  dann  die 
astronomischen  Koordinaten  einer  gröiseren  Anzahl  von  Punkten 
innerhalb  Bayerns  und  die  in  diesen  Punkten  herrschenden 
Lotabweichungen  ermitteln,  und  vor  allem  die  genaue  Orien- 
tierung des  bayerischen  Uauptdreiecksnetzes  auf  dem  Erd- 
sphüroid  ergeben.  Dabei  wurden  zunächst  die  Längenunter- 
schiede bestimmt  zwischen  Bogenhausen  einerseits  und  Wien, 
dem  PfUnder  und  Prag  anderseits,  wodurch  der  Anschluß  an 
die  von  dem  Astronomen  v.  Oppolzer  in  Wien  geleitete  öster- 
reichische Gradmessung  hergestellt  war;  dann  folgte  eine  gleich- 
zeitige Längenbestimmung  innerhalb  des  Viereckes  Bogenhausen, 
Wien,  Padua  und  Mailand;  femer  eine  Bestimmung  zwischen 
den  Sternwarten  Bogenhausen,  Wien  und  Strasburg,  sowie 
eine  solche  zwischen  Bogenhausen,  Wien  und  Greenwich  und 
endlich  die  mit  Professor  Plantamour  gemachte  zwischen  Bogen- 
hausen und  Genf. 

Von  Bedeutung  war  auch  seine  ungemein  sorgfaltige  »Be- 
stimmung der  Länge  des  einfachen  Sekundenpendels  auf  der 
Sternwarte  zu  Bogenhausen''  mit  dem  ihm  von  Professor 
V.  Oppolzer  in  Wien  tiberlassenen  Ueversionspendel  (1883). 

Zuletzt  trat  noch  eine  wichtige  Aufgabe  an  Orfif  heran, 
nämlich  die  Messung  der  Größe  der  Schwerkraft  der  Erde 
mit  dem  Pendelapparat  das  österreichischen  Obersten  v.  Sterneck. 
Man  hat  dieselbe  an  verschiedenen  Orten  der  Erde  ermittelt 
aus  der  Schwingungsdauer  eines  Pendels  oder  aus  der  Länge 
des  Sekundenpendels  und  erfahren,  da£i  zwischen  den  geodä- 
tischen und  astronomischen  Längen-  und  Breitenmessungen  Ab- 
weichungen sich  finden.  Man  hat  dieselben  aus  besonderen 
Lage-  und  Dichtigkeitverhältnissen  der  die  Erdkruste  bilden- 
den Mineralmaisen  zu  erklären  gesucht.  Aus  diesem  Grunde 
haben  insbesondere  die  Geologen  großes  Interesse  an  der  Frage 
genommen.  OrfP  hat  daher  umfassende  Pendelbeobachtungen 
ausgeführt;  es  gelang  ihm  bald  die  Schwierigkeiten,  welche 
sich  dabei    einer    genauen  Zeitbestimmung  entgegenstellen,   in 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Otto  Struve.  439 

einfachster  Weise  zu  überwinden  und  für  Bayern  fast  ab- 
schließende Resultate  zu  erhalten,  die  er  in  einer  in  den 
Sitzungsberichten  der  Akademie  (1897)  erschienenen  Abhand- 
lung: ,, Bemerkungen  über  die  Beziehungen  zwischen  Schwere- 
messungen und  geologischen  Untersuchungen  und  Bericht  über 
die  in  Bayern  begonnenen  Pendelmessungen"  niederlegte.  Bis 
kurz  vor  seinem  Tode  hat  Orff  die  Erdmessungsarbeiten  in 
Bayern  geleitet. 

In  einer  in  der  Festsitzung  der  Akademie  vom  15.  No- 
vember  1893  gehaltenen  Rede:  ,,Uber  die  Hilfsmittel,  Methoden 
und  Resultate  der  internationalen  Erdmessung*  resümierte  'er 
die  Fortschritte  dieser  Wissenschaft,  die  seiner  Arbeit  so  viel 
verdankt. 

Die  philosophische  Fakultät  unserer  Universität  ernannte 
ihn  (1883)  in  Würdigung  seiner  Verdienste  um  die  Wissen- 
schaft zum  Ehrendoktor  der  Philosophie. 

Wir  haben  ihn  nicht  nur  wegen  seiner  selbstlosen  Hin- 
gebung für  die  Wissenschaft  verehrt,  sondern  auch  wegen 
seines  reinen  und  edlen  Charakters  geliebt;  von  wahrer  Be- 
scheidenheit und  Humanität  war  er  stets  voll  Freundlichkeit 
und  Liebenswürdigkeit  gegen  Alle. 

So  ist  sein  Lebenswerk  ein  gesegnetes  für  .die  Wissen- 
schaft gewesen;  der  Name  »Orff*  wird  in  der  Geschichte  der 
Geodäsie  immer  in  Ehren  genannt  werden. 

Otto  Struve.^) 

Am  14.  April  1905  ist  der  berühmte  Astronom  Otto  v. 
Struve,  Direktor  der  Sternwarte  in  Pulkowa,  im  Alter  von 
86  Jahren  gestorben.  Er  gehörte  unserer  Akademie  seit  dem 
Jahre  1866  als  auswärtiges  Mitglied  und  als  Nachfolger  seines 
Vaters  Wilhelm  Struve  an.  Die  Struves  sind  eine  Astronomen- 
familie; der  Vater  Wilhelm  Struve  hatte  sich  als  Leiter  der 
berühmten  Sternwarte  in  Pulkowa  die  größten  Verdienste  er- 


*)  Siehe  den  Nekrolog  von  M.  Nyr^n,  in  der  Vierteljahrschrift  der 
ABtronom.  Gresellschaft  40,  S.  286. 


440  ('m'entliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

worben;  der  Sohn  Otto  Struve  setzte  das  Werk  des  Vaters 
in  rülimlichor  Weise  fort,  indem  er  auf  verschiedenen  Gebieten 
der  Astronomie,  insbesondere  durch  seine  ausgedehnten  Mes- 
sungen der  Dojjpelsterne,  hervorragende  Erfolge  erzielt  hat; 
auch  zwei  Söhne  Ottos  sind  bekannte  Astronomen. 

Otto  Struve  wurde  am  7.  Mai  1819  in  Dorpat  geboren, 
wo  sein  Vater,  dessen  Eltern  aus  Altona  eingewandert  waren, 
Professor  an  der  Universität  und  Direktor  der  Sternwarte  war; 
in  derselben  befand  sich  der  groüe  von  Fraunhofer  herge- 
stellte, in  der  öffentlichen  Sitzung  unserer  Akademie  vom 
10:  Juli  1824  beschriebene  Refraktor  von  9  Zoll  Öffnung. 
Nach  Absolvierung  des  Gymnasiums  in  Dorpat  besuchte  er  die 
damals  in  hoher  Blüte  stehende  Universität  daselbst.  In  der 
Sternwarte  aufgewachsen  war  er  früh  entschlossen  sich  der 
Astronomie  zu  widmen,  so  daß  er  bald  seinem  Vater  behilflich 
sein  konnte  und  schon  im  Alter  von  18  Jahren  vor  Abschluß 
der  Universitätsstudien  als  Assistent  an  der  Sternwarte  ange- 
stellt wurde. 

Nachdem  unter  dem  Kaiser  Nikolaus  I.  das  große  astro- 
nomische Zentralinstitut  in  Pulkowa  auf  einem  Bergrücken 
bei  St.  Petersburg  in  den  Jahren  1833—1839  entstanden  war, 
wurde  W.  Struve  zum  Direktor  der  glänzend  ausgerüsteten, 
besonders  für  Stellar-Astronomie  bestimmten  Anstalt  bestellt. 
Neben  anderen  vollendeten  Instrumenten  war  daselbst  der  von 
den  Nachfolgern  Fraunhofers,  Georg  Merz  und  Mahler  ver- 
fertigte 14  zöllige  Refraktor,  das  mächtigste  optische  Instrument 
der  damaligen  Zeit,  aufgestellt.  Später  ergab  sich  das  Bedürfnis 
nach  einem  noch  größeren  Fernrohr,  das  1884  als  ein  30  Zöller 
von  Clark  fertig  gestellt  wurde.  Otto  Struve  wurde  zugleich  neben 
anderen  jungen  Gelehrten  als  Gehilfe  des  Direktors  eingesetzt 
und  nahm  von  da  an  hervorragenden  Anteil  an  den  Arbeiten 
des  Observatoriums  durch  vielfache  Beobachtungen  und  Unter- 
suchungen. Das  Jahr  1841  brachte  ihm  den  Titel  eines  Ma- 
gisters  der  Astronomie  an  der  Universität  zu  St.  Petersburg. 

Als  vom  Jahre  1845  an  bei  der  ausgebreiteten  astronomi- 
schen und  geodätischen  Tätigkeit  seines  Vaters   diesem    nicht 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Otto  Struve.  441 

mehr  die  Zeit  blieb,  sich  der  Verwaltung  der  Sternwarte  zu 
widmen,  fielen  diese  zeitraubenden  Arbeiten  dem  Sohne  zu,  der 
sich  deshalb  noch  in  jungen  Jahren,  ehe  er  das  30.  Lebens- 
jahr erreicht  hatte,  nicht  so  wie  er  gewünscht  hätte,  den 
eigenen  Forschungen  hingeben  konnte.  Er  erhielt  dann  das 
Amt  eines  zweiten  Astronomen,  1858  das  eines  Verwalters 
der  Sternwarte  und  im  Jahre  1862  nach  dem  Rücktritt  seines 
Vaters  das  des  Direktors.  Im  Jahre  1889  beging  er  das 
50jährige  Jubiläum  der  Sternwarte  und  trat  dann  im  Alter 
von  70  Jahren  von  der  Stelle,  die  er  während  28  Jahren 
ruhmvoll  bekleidet  hatte,  zurück  und  lebte  seitdem  größten- 
teils bei  nahen  Verwandten  in  Karlsruhe. 

Aus  Mangel  an  Arbeitskräften  war  es  längere  Zeit  nicht 
möglich  gewesen  die  vielenr  mit  den  Instrumenten  gewonnenen 
Beobachtungen  zu  bearbeiten;  erst  vom  Jahre  1857  an  konnten 
die  dazu  nötigen  Keduktionen  in  Angriff  genommen  werden. 
Es  wurden  zuerst  mit  größtem  Fleiße  die  Konstanten  zur  Be- 
rechnung der  Beobachtungen  ermittelt:  Die  Refraktion,  die 
Aberration,  die  Nutation,  die  Präzession.  Die  letztere  Auf- 
gabe fiel  dem  jungen  Otto  Struve  zu,  der  seine  diesbezüglichen 
Beobachtungen  in  einer  wichtigen  Abhandlung:  „Bestimmung 
der  Konstante  der  Präzession  mit  Berücksichtigung  der  eigenen 
Bewegung  des  Sonnensystems",  welche  Bewegung  man  früher 
nicht  mit  in  Rechnung  gezogen  hatte,  (1841)  veröffentlichte. 
Über  ein  halbes  Jahrhundert  sind  diese  in  Pulkowa  bestimmten 
Konstanten  allgemein  in  Gebrauch  gewesen  und  haben  viel 
dazu  beigetragen,  die  astronomischen  Beobachtungen  auf  ein 
gemeinschaftliches  System  zurückzuführen. 

Aus  allen  diesen  großen  Arbeiten  entstanden  die  „Obser- 
vations**  durch  Otto  Struve  und  seine  Mitarbeiter,  denen  er 
das  gemeinsame  Ziel  gab  und  zu  denen  spätere  berühmte  Namen 
der  Astronomie  zählten.  Sie  enthalten  die  Kataloge  der  Rektas- 
zension,  der  Deklination  der  Hauptsterne,  der  Beobachtungen 
im  ersten  Vertikal  am  Vertikalkreis  und  am  Meridiankreis  mit 
dem  Passageinstrument. 

Die  Haupttätigkeit  Otto  Struves  war  die  mit  dem  großen 


142  (")mMitliehe  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

Refraktor,  insbesondere  das  Aufsuchen  neuer  Doppelsteme  und 
möglichst  scharfer  Mikrometermessungen  derselben.  Diese  durch 
40  Jahre  fortgesetzten  Messungen,  welche  im  9.  und  10.  Band 
der  Observations  enthalten  sind,  bieten  ein  ungemein  reiches  und 
wichtiges  Quellenmaterial  für  alle  Zeiten;  sie  sind  die  reifste 
Frucht  der  Lebensarbeit  Struves.  Außerdem  stammen  von  ihm 
noch  viele  Monographien  über  einzelne  Resultate  seiner  Be- 
obachtungen über  Doppelsterne,  Kometen,  Nebelflecke,  Stem- 
parullaxen,  Planetentrabanten,  die  Saturnringe. 

Bei  den  Bestimmungen  der  Doppelsterne  bemerkte  man 
auffallige  Unterschiede  in  den  Messungen  der  gleichen  Er- 
scheinung bei  den  verschiedenen  Beobachtungen,  die  man  bis 
dahin  zumeist  den  angewandten  Beobachtungsmethoden  und 
nicht  den  Beobachtern  zuschrieb.  *  Struve  erkannte  die  auch 
für  die  Physiologie  wichtige  Tatsache,  daß  diese  Unterschiede 
vor  allem  von  der  Verschiedenheit  der  Beobachter,  von  deren 
persönlichen  Messungsfehlern,  herrühren.  Er  machte  zur  Er- 
mittlung der  Größe  derselben  Beobachtungen  an  künstlichen 
Doppelsternen  mittelst  einer  höchst  ingeniösen  Methode.  In 
einer  2,5  km  entfernten  schwarzen  Tafel  waren  in  verschie- 
denen Entfernungen  und  Richtungen  vom  Zentrum  kreisrunde 
Löcher  von  verschiedenem  Durchmesser  angebracht;  alle  Löcher 
waren  durch  schwarze  Stöpsel  geschlossen  bis  auf  zwei,  welche 
gerade  gemessen  werden  sollten.  Da  die  Entfernung  der  Tafel 
von  dem  Refraktor  bekannt  war,  sowie  die  Enttemung  und 
Richtung  der  einzelnen  Löcher,  so  konnte  man  die  gemessenen 
Zahlen  auf  ihre  Richtigkeit  prüfen.  Es  ergaben  sich  in  der 
Tat  nicht  unbedeutende  systematische  Fehler  in  den  Distanzen 
und  den  Positionswinkeln.  Mit  Hilfe  der  aus  allen  diesen 
Messungen  abgeleiteten  empirischen  Formeln  wurden  dann  die 
unmittelbaren  Beobachtungsergebnisse  korrigiert. 

Außerdem  war  Otto  Struve  bei  einer  Reihe  wichtiger 
wissenschaftlicher  Unternehmungen  beteiligt.  Er  war  es,  der 
die  Durchführung  der  großen  russischen  Meridianbogenmessung 
und  die  Verbindung  derselben  mit  den  übrigen  europäischen 
Gradmessungen   ermöglichte.    Der  Vater  W.  Struve  wünschte 


PI»': 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Otto  Stnive.  443 

nämlich  seiner  russisch-skandinavischen  Breitegradmessung  eine 
Längengradmessung  auf  dem  47.  Parallel  zwischen  Brest  und 
Astrachan  hinzuzufügen.  Da  er  dabei  jedoch  auf  Schwierig- 
keiten bei  den  westeuropäischen  Staaten  stieß,  schlug  Otto 
Struve  (1860)  vor  den  Bogen  auf  dem  52.  Parallel  auf  der 
weiten  69°  umfassenden  Strecke  zwischen  Arsk  in  Sibirien  und 
Valencia  auf  Island  zu  messen,  welch  großartige  Arbeit  unter 
Beteiligung  aller  davon  berührten  Staaten  zustande  kam.  Auch 
wirkte  er  (1843)  bei  der  Bestimmung  des  Längenunterschiedes 
Pulkowa — Green  wich  mit.  Die  geodätisch-topographische  Auf- 
nahme des  russischen  Reiches  hat  er  eifrig  gefördert. 

Er  beteiligte  sich  ferner  an  zwei  Expeditionen  zur  Be- 
obachtung totaler  Sonnenfinsternisse,  1851  an  der  nach  Polen 
und  1860  an  der  nach  Spanien.  Bei  den  Vorbereitungen  zur 
Beobachtung  des  Venusdurchgangs  1874  war  er  entscheidend 
tätig.  Er  regte  ferner  die  neue  Reduktion  der  astronomischen 
Messungen  Bradley's,  deren  Wert  für  die  Wissenschaft  durch 
BessePs  fundamenta  astronomica  festgestellt  worden  ist,  durch 
Auwers  an. 

Seine  Revision  und  Herausgabe  des  zweiten  Katalogs  von 
Weiße,  enthaltend  die  Sterne  der  Bessel'schen  Zonen  zwischen 
-}-  15°  und  -\-  45°  Deklination  brachte  der  praktischen  Astro- 
nomie großen  Nutzen.  Ebenso  nützlich  war  die  mit  Schiaparelli 
gemachte  Bearbeitung  und  Herausgabe  der  von  Baron  Deinbowski 
Unterlassenen  Doppelsternmessungen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  seine  Schrift  über  das  Ver- 
hältnis Keplers  zu  Wallenstein  auf  Grund  der  in  der  Pulkowaer 
Bibliothek  befindlichen  Manuskripte  Keplers. 

Li  der  alten  Schule  wurde  in  Pulkowa  nur  die  messende 
Astronomie  betrieben;  Struve  verschloß  sich  aber  dem  Neuen 
nicht.  Als  sich  die  Bedeutung  der  Astrophysik  erwies,  erwarb 
er  alsbald  die  zu  solchen  Untersuchungen  notwendigen  In- 
strumente und  setzte  die  SchafiPiing  der  Stelle  eines  Astro- 
physikers bei  der  Sternwarte  durchs  Und  als  die  Verwendbar- 
keit der  Photographie  für  astronomische  Zwecke  dargetan 
wurde,  nahm   er  lebhaftes  Interesse  an  der  photographischen 


444  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

Aufnahme  des  Himmels  und  war  Vorsitzender  des  internatio- 
nalen Kongresses  hiefür  in  Paris.  In  dieser  Weise  wußte  er 
den  alten  Glanz  der  Pulkowaer  Sternwarte  zu  erhalten. 

Struve  gehörte  zu  den  Begründern  der  so  fruchtbar  wir- 
kenden astronomischen  Gesellschaft.  Er  war  leider  ohne  Er- 
folg bestrebt  die  Kalenderreform  und  den  Übergang  vom  Juli- 
anischen zum  Gregorianischen  Kalender  in  Rußland  durchzu- 
setzen. 

Ein  besonderes  inniges  Verhältnis  bestand  zwischen  ihm 
und  seinen  zahlreichen  Schülern  und  Mitarbeitern,  die  ihn  wie 
einen  Patriarchen  liebten.  Überall  hat  er  sich  durch  seine 
edlen  Charaktereigenschaften  Freunde  und  Verehrer  erworben. 
Er  war,  trotzdem  er  gut  deutsch  geblieben  ist,  ein  treuer  An- 
hänger Rußlands,  insbesondere  liebte  er  seine  engere  Heimat, 
die  baltischen  Provinzen,  und  es  war  für  ihn  ein  schwerer 
Schlag,  als  Dorpat,  in  dem  er  die  Verkörperung  aller  guten 
Eigenschaften  einer  deutschen  Universität  erblickte  und  in  der 
so  viele  hervorragende  Deutsche  gewirkt  hatten,  den  Namen 
Jurjew  erhielt. 

Albert  EOlUker.^) 

Am  2.  November  1905  starb  in  Würzburg  der  Anatom 
Albert  KöUiker  im  89.  Lebensjahre,  der  Senior  der  Würz- 
burger Universität,  eine  der  größten  Zierden  der  Alma  Julia 
und  der  letzte  jener  Männer,  die  den  Ruhm  ihrer  medizinischen 
Fakultät  begründet  haben.  Er  hat  als  einer  der  Tätigsten 
mitgearbeitet  an  der  Vermehrung  der  Kenntnisse  in  der  mikro- 
skopischen Anatomie  und  in  der  Entwicklungsgeschichte  des 
Menschen  und  der  Tiere,  aus  denen  die  heutigen  Lehren  in 
diesen  Wissenschaften  hervorgingen.    Mit  seinem  Tode  ist  ein 

1)  Siehe  die  Nachrufe  von:  W.  Waldeyer,  Anatomischer  Anzeiger 
1906,  Bd.  28  Nr.  21,  S.  539. 

J.  Sobotta,  Münchener  mediz.  Wochenschr.  1905,  Nr.  51. 
0.  Schnitze,  mediz.  Klinik  1905,  Nr.  50. 
0.  Taschenberg,  Leopoldina  1906,  Heft  42,  Nr.  6,  S.  75. 
A.  Kölliker,  Erinnemngen  ans  meinen  Leben  1899. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Albert  Kölliker.  445 

Gelehrtenleben  vollendet,  welches  wohl  eines  der  köstlichsten 
genannt  werden  darf;  alles,  die  äußeren  Bedingungen  sowie 
die  körperlichen  und  geistigen  Veranlagungen,  und  die  Gunst 
des  Geschickes  waren  vereint,  um  ein  harmonisches  Dasein  zu 
bilden:  Gesundheit  an  Leib  und  Seele,  unermüdliche  Arbeits- 
kraft und  Schaffensfreude  bis  ins  höchste  Alter  hatten  es  er- 
möglicht, daß  er  ein  erschöpfendes  Wissen  und  Können  in 
allen  anatomischen  Wissenschaften  sich  aneignen  konnte  und 
durch  äußerst  fruchtbare  Arbeit  ein  zuverläßiger  all  verehrter 
Führer  der  Anatomen  seiner  Zeit  wurde;  und  dann  kam  nach 
diesem  gesegneten  Leben  ein  sanftes  Ende  ohne  Empfindung 
der  Schwächen  des  Alters.  So  steht  er  vor  uns,  der  uns  allen 
Lehrer  und  Vorbild  in  Fleiß  und  Ausdauer  war. 

Albert  Kölliker  wurde  am  6.  Juli  1817  als  Sohn  eines 
angesehenen  Kaufmanns  in  Zürich  geboren;  die  Mutter  war 
eine  Frau  von  hervorragender  geistiger  Begabung  und  feiner 
Bildung,  die  ihren  zwei  Söhnen  eine  vortreffliche  Erziehung 
zuteil  werden  ließ;  von  ihr  hatte  der  ältere  Sohn  Albert  die 
Schönheit  des  Körpers,  die  große  Sprachenkenntnis  und  die 
vornehme  Erscheinung  mit  den  Formen  des  Umganges  des 
Weltmanns.  Er  hatte  auch  das  große  Glück,  daß  die  äußeren 
Lebensverhältnisse  ihm  keine  Beschränkung  auferlegten  und 
ihm  in  Anschaffung  von  Büchern  und  Instrumenten,  sowie  in 
Unternehmung  von  weiten  Reisen  freie  Hand  gegeben  war. 

Er  entschloß  sich  bald  zum  Studium  der  Medizin,  zu 
welchem  ihn  die  früh  aufgetretene  Neigung  zu  den  sogenannten 
beschreibenden  Naturwissenschaften  geführt.  Die  letztere  war 
wohl  wie  bei  so  vielen  seiner  Landsleute  genährt  durch  die 
Schönheiten  der  Natur  seines  Vaterlandes,  dem  er  immer  als 
treuer  Sohn  in  Liebe  anhing.  Schon  als  Knabe  sammelte  er 
eifrig  Schmetterlinge  und  im  Gymnasium  Pflanzen;  an  der 
Universität  zu  Zürich,  an  die  er  1836  übergetreten  war,  be- 
trieb er  daher  besonders  die  Naturwissenschaften ;  für  die  prak- 
tische Medizin  hatte  er  von  Anfang  an  ein  geringeres  Interesse 
und  Verständnis.  Er  fand  dort  vortreffliche  Lehrer,  den  Phy- 
siker Mousson,  den  Chemiker  Löwig,   den  Mineralogen  Julius 


446  Öfl'entliche  Sitzung,'  vom   14.  März  1906. 

Fröbel,  den  Anatomen  Friedrich  Arnold,  den  Geologen  Escher 
von  der  Lindt,  den  Botaniker  Oswald  Heer  und  den  früher 
unserer  Akademie  angehörenden  Zoologen  und  Naturphilosophen 
Lorenz  Oken.  Besondere  Anregung  erhielt  er  durch  von  der 
Lindt  und  Oken,  vor  allem  aber  durch  den  geistvollen  Heer, 
der  in  ihm  das  lebhafteste  Interesse  für  die  heimische  Flora 
erweckte.  Mit  ihm  und  mit  seinem  Freunde,  dem  späteren 
berühmten  Botaniker  Karl  Nägeli  durchforschte  er  die  Flora 
seines  Heimatkantons  und  legte  ein  umfangreiches  Herbarium 
an;  die  Frucht  dieser  Beschäftigung  war  die  erste  Schrift  des 
zwanzigjährigen  Studenten,  ein  „Verzeichnis  der  phanerogami- 
schen  Gewächse  des  Kantons  Zürich,  1839",  das  nicht  nur 
eine  Aufzählung  der  Arten  und  Fundorte  war,  sondern  auch 
auf  klimatische  und  Bodenverhältnisse  Rücksicht  nahm.  Es 
ist  sehr  zu  beklagen,  daß  unsere  Mediziner  dieses  vorzügliche 
Mittel  an  Naturobjekten  beobachten  zu  lernen  wegen  Über- 
bürdung mit  als  wichtiger  angesehenen  Fächern  nur  wenig 
mehr  benützen. 

Nach  einem  in  Bonn  zugebrachten  Semester  begab  er  sich 
mit  seinem  Freunde  Nägeli  für  drei  Semester  nach  Berlin 
(1839).  Er  bezeichnete  diesen  Aufenthalt  als  einen  Wende- 
punkt in  seinem  Leben,  der  seinen  Studien  von  nun  an  die 
Richtung  gab.  Durch  Johannes  Müller,  Jacob  Henle  und 
Robert  Remak  empfing  er  vollständig  neue  Eindrücke.  Der 
mit  seinem  umfassenden  Geist  noch  immer  fortwirkende  Johannes 
Müller  zeigte  ihm  den  Zusammenhang  der  Formen  der  Tiere 
und  führte  ihn  in  die  vergleichende  Anatomie  besonders  der 
wirbellosen  Tiere  ein.  Bei  Jacob  Henle  lernte  er  die  Lehren 
von  C.  Th.  Schwann,  der  kurz  vorher  (1839)  durch  die  Ent- 
deckung der  Zellen  als  Grundlage  aller  Gewebe  des  Tier- 
körpers eine  neue  Ära  der  anatomischen  Disziplin  eröfPhet 
hatte,  kennen  und  durfte  er  in  dessen  Demonstrationen  zum 
erstenmale  mit  dem  Mikroskop  Blutkörperchen,  Epithelien, 
Samenfaden  etc.  sehen.  Von  dem  talentvollen  Robert  Remak 
erhielt  er  in  Vorlesungen  und  in  Demonstrationen  über  die 
Entwicklung   des  Hühnchens   die  ersten  Anregungen  auf  dem 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Albert  Kölliker.  447 

Gebiete  der  Entwicklungsgeschichte,  die  durch  die  Forschungen 
von  Döllinger,  Karl  Ernst  v.  Baer  und  Theodor  BischofP  mächtig 
gefördert  worden  war.  Man  kann  sich  denken,  wie  dies  alles 
auf  den  jungen  Kölliker  wirkte;  er  sah  ein  großes  Arbeits- 
feld vor  sich,  das  zu  bebauen  er  fest  entschlossen  war. 

In  seinem  9.  Semester  schaffte  er  sich  in  Berlin  zu  diesem 
Zweck  ein  Mikroskop  von  Schick  an,  mit  dem  er  halbe  Nächte 
lang  arbeitete.  So  entstand  (1841),  seine  erste  mikroskopische 
Arbeit:  „Untersuchungen  über  die  Geschlechts  Verhältnisse  der 
wirbellosen  Tiere  und  über  die  Bedeutung  der  Samenfäden*, 
mit  welcher  er  sich  in  Zürich  den  Grad  eines  Doktors  der 
Philosophie  erwarb;  ein  Jahr  später  wurde  er  in  Heidelberg 
zum  Doktor  der  Medizin  promoviert  unter  Vorlage  einer  ver- 
gleichend-embryologischen Untersuchung  an  Fliegenlarven:  „Be- 
obachtungen über  die  erste  Entwicklung  der  Insekten**. 

Von  Berlin  aus  machte  Kölliker  mit  Nägeli  seine  erste 
wissenschaftliche  Reise  nach  Föhr  und  Helgoland  zum  Studium 
der  Fauna  und  Flora  des  Meeres,  von  wo  sie  ein  reiches 
Material  zurückbrachten.  Auf  der  Heimreise  nach  Zürich 
suchten  die  beiden  den  Botaniker  Schieiden  in  Jena  auf,  um 
den  Entdecker   der  Zellen   in  den  Pflanzen  kennen  zu  lernen. 

Unterdessen  war  Henle  (1841)  als  Professor  der  Ana- 
tomie nach  Zürich  berufen  worden;  derselbe  nahm  den  ihm 
schon  bekannten  jungen  Kölliker,  dessen  Wert  er  erkannt 
hatte,  als  Hilfsassistent  auf;  ein  Jahr  darauf  wurde  er  Pro- 
sektor bei  dem  Manne,  den  er  als  den  hervorragendsten  Ana- 
tomen seiner  Zeit  pries  und  später  seinen  Freund  nennen  durfte, 
von  dem  er  in  der  Gewebelehre  die  größte  Förderung  empfing. 

Durch  seine  Studien  war  Kölliker  bald  auf  die  Bedeutung 
der  Beobachtung  der  niederen  Tiere  des  Meeres  für  die  ver- 
gleichende Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  geführt  worden ; 
er  ging  daher  in  richtiger  Einsicht  auf  ein  halbes  Jahr  mit 
Nägeli  nach  Neapel  und  Messina.  Es  waren  zwar  schon  vor 
ihnen  solche  Reisen  an  die  Meeresküste  von  Tiedemann,  Stannius, 
Joh.  Müller  und  Anderen  gemacht  worden,  aber  sie  wurden 
doch  erst  von  da  an  für  einen  wissenschaftlichen  Biologen  als 


448  öffentliche  Sitzung  vom  14.  Mä^rz  1906. 

notwendiges  Rüstzeug  angesehen.  Kölliker  war  begeistert  von 
der  Manigfaltigkeit  der  Formen  und  bereicherte  mit  größter 
Energie  und  reinstem  Genüsse  seine  Kenntnisse  der  Seetiere, 
deren  Erlangung  damals  noch  mit  großen  Schwierigkeiten  ver- 
bunden war.  Insbesondere  interessierten  ihn  die  Tintenfische; 
die  Hauptfrucht  seiner  Arbeiten  war  außer  zahlreichen  kleineren 
VeröflFentlichungen  die  Entwicklungsgeschichte  der  Oephalo- 
poden:  es  war  sein  erstes  größeres,  wahrhaft  grundlegendes 
Werk,  die  erste  umfassende  Darstellung  einer  ununterbrochenen 
Reihe  von  Entwicklungsstadien  eines  wirbellosen  Tieres;  ich 
stehe  nicht  an  dieses  Werk  als  eine  seiner  bedeutendsten  Taten 
zu  bezeichnen. 

Nach  der  Rückkunft  von  seiner  Reise  habilitierte  sich 
Kölliker  (1843)  in  Zürich  mit  einem  Probevortrag  als  Privat- 
dozent, aber  schon  ein  Jahr  darauf  wurde  er,  nachdem  Henle 
nach  Heidelberg  gegangen  war,  zum  außerordentlichen  Professor 
der  Physiologie  und  vergleichenden  Anatomie  ernannt.  Da 
kam,  als  er  eben  30  Jahre  alt  war  (1847),  durch  Rineckers 
Einfluß  der  ehrenvolle  Ruf  nach  Würzburg  als  ordentlicher 
Professor  der  Physiologie,  vergleichenden  und  mikroskopischen 
Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte;  im  Jahre  1849  erhielt 
er  noch  die  Professur  der  deskriptiven  Anatomie  mit  den 
Präparierübungen  dazu,  so  daß  er  längere  Zeit  14-16  Stunden 
in  der  Woche  Vorlesungen  hielt.  Der  Würzburger  Universität 
hätte  kein  größeres  Glück  widerfahren  können,  aber  auch 
Kölliker  bekam  die  Gelegenheit  eine  Lehr-  und  Forscher- 
tätigkeit ohne  Gleichen  zu  entwickeln.  Er  hat  zum  damaligen 
Aufblühen  der  medizinischen  Fakultät  neben  Virchow  das 
Meiste  beigetragen.  Es  entfaltete  sich  dadurch  in  Würzburg 
ein  außerordentliches  wissenschaftliches  Leben  unter  den  Lehrern 
und  Studierenden.  In  den  Instituten  sammelten  sich  streb- 
same Schüler,  die  ihre  ersten  wissenschaftlichen  Arbeiten 
machten  und  mit  Stolz  auf  die  Entdeckungen  ihrer  Lehrer 
blickten.  Die  Universität  Würzburg  war  ihm  dadurch  so  lieb 
geworden,  daß  er  verschiedene  Berufungen,  nach  Breslau,  Bonn 
und  auch  nach  München,  ablehnte.    Er  hatte  auch  das  Glück, 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Albert  Kölliker.  449 

talentvolle  junge  Forscher  zu  finden,  die  ihn  in  seineni  Amte  unter- 
stützten ;  es  war  namentlich  der  unvergeßliche,  frühverstorbene 
Heinrich  Müller,  der  durch  seine  anatomischen  und  physiologischen 
Arbeiten  über  die  Netzhaut  berühmt  geworden  war;  dann  der 
noch  lebende  vortreffliche  vergleichende  Histologe  Franz  Leydig 
und  der  spätere  große  Anatom  Carl  Gegenbaur.  Mit  Leydig 
wurde  der  erste,  in  später  Abendstunde  abgehaltene  mikrosko- 
pische Kursus  in  Deutschland  eingerichtet,  Spezialvorlesungen 
über  vergleichende  Gewebelehre  und  vergleichende  Entwicklungs- 
geschichte gehalten,  für  welche  sich  immer  ein  Kreis  wissens- 
durstiger Zuhörer  fand;  heutzutage,  mit  dem  einzigen  Streben 
bei  den  Meisten  die  Prüfung  mit  Not  zu  bestehen,  ist  dies 
leider  ganz  anders  geworden.  Ich  erinnere  mich  mit  den  Ge- 
fühlen des  tiefsten  Dankes  an  die  schöne  Zeit,  in  der  ich  bei 
ihm  als  junger  Mediziner  1851/52  die  Vorlesungen  über  Ana- 
tomie, Gewebelehre,  Physiologie,  Entwicklungsgeschichte,  ver- 
gleichende Anatomie  und  vergleichende  Entwicklungsgeschichte 
hören  durfte  und  in  der  Handhabung  des  Mikroskops  unter- 
richtet wurde  zu  einer  Zeit,  wo  uns  an  der  Münchener  Uni- 
versität noch  keine  Gelegenheit  gegeben  war  die  feineren  Formen 
mit  dem  Mikroskop  zu  beobachten  oder  Entwicklungsgeschichte 
zu  lernen.  Durch  seine  Vorlesung  wurde,  obwohl  sie  keine 
Experimente  und  Apparate  brachte,  zuerst  die  Lust  zur  Phy- 
siologie in  mir  erweckt. 

Nach  dem  Tode  von  Heinrich  Müller  (1864)  gab  er  die 
Physiologie  ab  und  behielt  die  Leitung  des  anatomischen  und 
des  zootomischen  Instituts  mit  den  Vorlesungen  bei.  Erst  1897 
an  seinem  80,  Geburtstag,  den  er  noch  in  voller  geistiger  Kraft 
und  Schaffensdrang  feierte,  und  nach  50jähriger  Wirksamkeit 
als  Professor  in  Würzburg  überließ  er  die  Professur  für  Ana- 
tomie seinem  langjährigen  Schüler  Philipp  Stöhr,  las  aber  noch 
über  vergleichende  Anatomie,  Mikroskopie  und  Entwicklungs- 
geschichte; vom  85.  Lebensjahre  ab  prüfte  er  noch  im  Doktor- 
examen und  war  regelmäßig  mit  mikroskopischen  Allheiten  im 
anatomischen  Institut  bis  wenige  Tage  vor  seinem  Tode  be- 
schäftigt,  so   daß  er  64  Jahre  lang  im  Dienste   der  Wissen- 


450  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

scbafk  verbrachte.  Seine  letzte  einige  Tage  nach  seinem  Tode 
erschienene  Arbeit  handelte  über  die  Entwicklung  der  Elemente 
des  Nervensystems.  Er  genoß  die  Freude,  da&  viele  der  von 
ihm  aufgestellten  Lehren  sich  Bahn  brachen  und  von  Einfluß 
auf  die  weitere  Entwicklung  der  morphologischen  Wissen- 
schaften waren.  Auch  im  hohen  Alter  verschloß  er  sich  dem 
Neuen  nicht,  sondern  machte  sich  dasselbe  schnell  zu  eigen, 
so  daß  er  immer  einer  der  Modernsten  blieb. 

Die  größten  wissenschaftlichen  Erfolge  KöUikers  liegen 
auf  dem  Gebiete  der  mikroskopischen  Anatomie  und  der  Ent- 
wicklungsgeschichte. Man  muß  bedenken,  welche  gewaltigen 
Fortschritte  in  beiden  Disziplinen  in  den  60  Jahren  seit  dem 
Eingreifen  Köllikers  gemacht  worden  sind;  zu  keiner  Zeit  war 
die  Umwandlung  derselben  größer  als  in  dieser,  hervorgerufen 
durch  die  Ausbildung  der  Schwannschen  Zellenlehre.  Er  hat 
die  Fortschritte  alle  mitgemacht  und  tätig  dabei  mitgewirkt; 
keine  Zeit  war  aber  auch  günstiger  für  einen  jungen  Forscher, 
wo  jedes  Bemühen  reiche  Früchte  trug. 

Sein  Hauptverdienst  besteht  in  der  ungemein  umfassenden 
und  äußerst  sorgfaltigen  Detailarbeit,  der  Ermittlung  einer 
Fülle  neuer  Beobachtungstatsachen,  die  nötig  waren  um  zu 
allgemeinen  Schlußfolgerungen  und  Fragen  zu  gelangen;  er 
hat  dadurch  den  größten  Nutzen  geschajQTen,  wenn  er  auch 
keine  neuen  Probleme  aufstellte  und  seiner  Wissenschaft  keine 
ganz  neuen  Wege  erschloß.  Jede  auftauchende  Beobachtung 
griff  er  alsbald  voll  Eifer  auf,  prüfte  dieselbe  nach  und  ver- 
folgte sie  weiter;  durch  seine  reichen  Erfahrungen  wirkte  er 
bei  wichtigen  Fragen  von  allgemeiner  Bedeutung  klärend  und 
scharf  kritisierend  und  trug  so  zur  Lösung  derselben  bei. 

Die  Bedeutung  Köllikers  kann  nicht  schöner  und  wahrer 
geschildert  werden  als  dies  in  der  ihm  von  der  physikal. 
mediz.  Gesellschaft  in  Würzburg  zum  80.  Geburtstag  gewid- 
meten Adresse  durch  Boveri  geschehen.  Es  heißt  darin:  «Mit 
einer  unvergleichlichen  Allseitigkeit  und  seltenem  Scharfblick 
begabt,  haben  Sie  überall  sofort  die  Fruchtbarkeit  und  Trag- 
weite eines  neuen  Gedankens,  einer  neuen  Beobachtung,  einer 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Albert  Kölliker.  451 

neuen  Methode  erkannt;  mit  immer  gleichbleibender  Jugend- 
lichkeit haben  Sie  stets  in  das  Neue  sich  hineingelebt,  um  als- 
bald allen  Arbeitsgenossen  voran  zu  schreiten.  An  jeder  großen 
wissenschaftlichen  Bewegung  baben  Sie  führend  Teil  ge- 
nommen.' 

Es  gibt  kaum  einen  Körperteil  oder  ein  Gewebe  der 
höheren  und  niederen  Tiere,  woran  sich  nicht  eine  wichtige 
mikroskopisch-anatomische  Entdeckung  KöUikers  knüpft.  Es 
sei  nur  erinnert  an  den  ersten  Nachweis  der  Bildung  der 
Samenfaden,  an  den  Nachweis  des  zahlreichen  Vorkommens 
der  glatten  Muskelfasern  und  ibre  erste  isolierte  Darstellung, 
an  die  Untersuchung  der  Vorgänge  bei  der  Bildung  und  der 
Resorption  der  Knochen,  an  die  Studien  über  den  Nerven- 
faserverlauf  in  dem  zentralen  Nervensystem,  dann  an  die 
wichtige  Arbeit:  „Die  Selbständigkeit  und  Abhängigkeit  des 
sympathischen  Nervensystems  durch  anatomische  Untersu- 
chungen bewiesen ''.  Bei  seinen  vergleichend -anatomischen 
Untersuchungen  finden  sich  genaue  Angaben  über  die  feineren 
Formen  vieler  Gruppen,  namentlich  der  wirbellosen  Tiere;  er 
wurde  dadurch  zu  einem  der  Begründer  der  wissenschaftlichen 
Zoologie. 

Auch  bei  seinen  entwicklungsgeschichtlichen  Arbeiten  waren 
es  weniger  morphogenetische  Fragen,  die  ihn  beschäftigten, 
sondern  wiederum  außerordentlich  sorgfaltige  mikroskopisch- 
anatomische Befunde.  Er  war,  wie  vorher  schon  erwähnt 
wurde,  der  Erste,  der  die  Entwicklungsgeschichte  eines 
wirbellosen  Tieres,  der  Cephalopoden ,  eingehend  verfolgte, 
nachdem  vor  ihm  fast  nur  an  Wirbeltieren  von  Pander,  Baer, 
Remak,  Rathke  und  Bischoff  Beobachtungen  gemacht  worden 
waren. 

In  der  ersten  Zeit  hat  er  auch  physiologischen  Vorgängen 
seine  Aufmerksamkeit  geschenkt.  In  der  Arbeit  über  die 
Bildung  der  Samenfaden  wurde  dargetan,  daß  die  Bewegungen 
derselben  vitaler  Natur  sind  und  daß  zur  Ruhe  gekommene 
Fäden  durch  kaustische  Alkalien  wieder  zu  lebhaften  Bewe- 
gungen angeregt  werden.     Mit   dem  Chemiker  Loewig   tat  er 

1906.  SiUuDgsb.  d.  matb.-phyB.  Kl.  30 


452  Öffentliche  Sitzung  vom  U.  März  1906. 

das  Vorkommen  der  Cellulose  im  Mantel  der  Tunikaten  dar. 
Er  zeigte,  daß  durch  Eintrocknung  unerregbar  gewordene 
Nervenfasern  durch  Wasser  wieder  erregbar  werden,  was  aller- 
dings durch  Eckhardt  in  anderer  Weise  gedeutet  worden  ist. 
Den  Mechanismus  der  Erektion  erklärte  er  zuerst  durch  Er- 
schlaffung der  glatten  Muskeln  der  corpora  cavernosa  des  Penis. 
Er  studierte  die  Wirkung  verschiedener  Gifte  (des  Curare. 
Strychnin,  Morphium,  Coniin)  auf  die  Muskeln,  das  Nerven- 
system und  die  Herzbewegungen;  er  machte  ferner  Beobach- 
tungen über  die  Resorption  der  Fette,  über  Gallensekretion 
und  über  das  elektromotorische  Verhalten  des  schlagenden 
Froschherzens. 

Durch  seine  mikroskopischen  Beobachtungen  erlangte 
EöUiker  einen  guten  Anteil  an  der  Ausbildung  der  Zellenlehre 
und  namentlich  auch  an  der  Beantwortung  der  Frage  nach 
der  Herkunft  der  Zellen.  Schieiden  und  Schwann  glaubten 
noch,  daß  die  Zellen  aus  unorganisiertem  Material  entstanden; 
KöUiker  waren  schon  früh  Zweifel  an  dieser  »Cytoblastenlehre* 
gekonmien,  und  er  ließ  die  Gewebszellen  aus  den  Furchungs- 
kugeln  des  Eies  entstehen;  später  sprach  er  sich,  wie  auch 
Remak  und  Leydig,  bestimmt  dahin  aus,  daß  es  keine  freie 
Zellenbildung  gäbe,  sondern  alle  Elementargebilde  aus  der  Ei- 
zelle durch  Teilung  hervorgehen  und  zwar  bevor  Virchow,  auf 
pathologische  Beobachtungen  gestützt,  seine  geflügelten  Worte 
„omnis  cellula  e  cellula*^  aussprach.  Er  gab  dabei  eine  genaue 
Darstellung  des  wichtigen  Furchungsprozesses  am  Ei  und  be- 
teiligte sich  auch  an  der  näheren  Untersuchung  der  Form  und 
Bedeutung  des  Zellkerns,  woraus  sich  später,  namentlich  durch 
W.  Flemmings  Beobachtungen,  die  neue  Lehre  von  den  merk- 
würdigen Wandlungen  des  Zellkerns  entwickelte. 

Das  lebhafteste  Interesse  nahm  Kölliker  an  der  durch 
Gamillo  Golgi  1894  eingeführten  eigentümlichen  Färbungs- 
methode, durch  welche  sich  die  histologischen  Elemente  des 
Nervensystems  in  großer  Klarheit  darstellen  lassen;  er  war 
wiederum  einer  der  Ersten,  der  die  Wichtigkeit  des  neuen 
Hilfsmittels    erkannte    und    dasselbe    anwendete.      Daran    an- 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Albert  Kölliker.  453 

schließend,  war  es  die  aus  den  Untersuchungen  mit  der  Golgi- 
sehen  Methode  hervorgegangene  Neuronenlehre  von  Ramön 
7  Cajal,  die  er  mit  jugendlicher  Begeisterung  erfaßte  und 
durch  unermüdliche  Untersuchung  des  zentralen  Nervensystems 
zu  stützen  suchte.  Es  handelt  sich  dabei  um  die  prinzipiell 
wichtige  Frage,  ob  die  Leitung  der  Erregung  im  Nerven  durch 
Kontinuität  oder  durch  Kontakt  sich  vollziehe;  Kölliker  ent- 
schied sich  noch  in  seiner  letzten  Untersuchung,  entsprechend 
der  Neuronenlehre,  für  die  Übertragung  durch  Kontakt,  während 
Eduard  Pflüger  in  neuester  Zeit  auf  das  Entschiedenste  gegen 
die  Neuronentheorie  auftrat  und  sie  für  unbegründet  und  den 
Erfahrungen  der  Physiologie  widersprechend  hält. 

Er  nahm  ferner  mit  Waldeyer  Stellung  gegen  die  His'sche 
Parablastenlehre  und  beteiligte  sich  dadurch  an  der  Lösung 
der  schwierigen  Frage  nach  der  Quelle  des  Blutes  und  des 
Bindegewebes;  er  sucht  sie  in  dem  mittleren  Keimblatt,  welches 
aus  dem  Zellenmaterial  des  Primitivstreifens  abstammt,  das  im 
Wesentlichen  aus  dem  Ektoblasten  hervorgeht. 

Der  berühmte  Botaniker  Jul.  Sachs  hatte  die  Teile  der 
Pflanzenzelle  nach  ihrer  Dignität  geschieden  und  das  vom  Kern 
beherrschte  Protoplasma,  also  den  mit  Leben  ausgestatteten 
Teil  der  Zelle,  die  tätige  Energide  derselben  genannt.  Kölliker 
^iiF  diese  für  die  pflanzlichen  Zellen  aufgestellte  Energiden- 
lehre  auf  und  dehnte  sie  auf  die  tierischen  Gewebe  aus.  Unser 
Kollege  KupjQTer  hat  diese  Vorstellungen  für  die  tierische  Zelle 
in  seiner  Rektoratsrede  noch  schärfer  durchgeführt. 

Auf  Grund  der  Beobachtungen  von  Oskar  Hertwig  trat 
Kölliker  für  die  hohe  Bedeutung  der  Kernsubstanzen  für  die 
Vererbung  ein. 

Er  lieferte  auch  wertvolle  Beiträge  zu  der  viel  diskutierten 
Deszendenzlehre;  er  war  wie  die  meisten  Naturforscher  gegen 
die  einseitige  Darwin'sche  Selektionstheorie,  die  Theorie  der 
natürlichen  Zuchtwahl,  zur  Erklärung  der  Entstehung  und 
Umwandlung  der  Arten,  er  war  geneigt  die  Umwandlung  im 
Wesentlichen  auf  innere,  in  der  Organisation  begründete  Ur- 
sachen zurückzuführen. 

80* 


1 

454  öflfentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

Eölliker  erwarb  sich  außerdem  ein  großes  Verdienst  durch 
seine  ausgezeichneten  Lehrbüclier  der  mikroskopischen  Anatomie, 
in  welchen  die  feinere  Struktur  aller  Teile  des  tierischen  Orga- 
nismus geschildert  wird.  Ei)  war  seinen  Werken  die  Allge- 
meine Anatomie  von  J.  Hea}e  1841  und  das  Handbuch  der 
allgemeinen  und  speziellen  Gewebelehre  von  J.  Gerlach  1848 
vorausgegangen.  Zuerst  kam  1850  und  1852  die  große  mikro- 
skopische Anatomie  oder  Gewebelehre  des  Menschen  in  zwei 
Bänden,  aber  nur  die  spezielle  Gewebelehre,  während  der  in 
Aussicht  genommene  allgemeine  Teil  ausblieb;  das  Bnch 
enthält  die  gründliche  nnjt  vollständige  Darstellung  alles  da- 
maligen Wissens  der  Hisrologie.  Es  folgte  dann  1852  die 
erste  Auflage  des  Handbuches  der  Gewebelehre  des  Menschen, 
von  dem  1867  die  fünfte  Auflage  erschien.  Durch  die  großen 
Fortschritte  in  der  Erkenntnis  des  mikroskopischen  Baues  des 
Körpers  war  die  „Gewebelehre*  allmählich  veraltet;  der  Sieben- 
zigjährige  begann  die  sechste  Auflage  derselben,  welche  ein 
völlig  neues  großes  Werk  wurde,  das  in  drei  Bänden  erschien ; 
in  dem  zweiten  sind  seine  umfassenden  Untersuchungen  des 
feineren  Baues  des  Zentral-NeiTensystems  mittelst  d^r  Golgi- 
schen  Imprägnationsmethode  enthalten;  den  dritten  Band  über- 
gab er  V.  V.  Ebner  in  Wien  zur  Vollendung. 

Nicht  minder  wichtig  ist  seine  Entwicklungsgeschichte 
des  Menschen  und  der  höheren  Tiere,  welche  1861  in  erster 
Auflage  erschien;  für  die  zweite  Auflage  von  1879  hatte  er 
alles  auf  Durchschnitten  nochmals  nachuntersucht  und-  geprüft. 
Das  Buch  ist  eine  Fundgrube  für  die  späteren  Forscher*  über  die 
Entwicklung  des  Hühnchens  und  Kaninchens  und  für  die  Or- 
ganentwicklung der  Säugetiere.  In  abgekürzter  Fo^m  hat  er 
dasselbe  für  weniger  Geübte  als  Grundriß  1880  und  1884  in 
zweiter  Auflage  bearbeitet.  < 

Diese  ausgezeichneten  Lehr-  und  Handbücher,  welche  die 
Ergebnisse  seiner  eigenen  Untersuchungen  weithin  bekannt 
machten,  werden  noch  für  lange  Zeit  unentbehrliche  Ratgeber 
für  den  Forscher  sein.  Das  in  ihnen  zuerst  eingeführte  System 
der  Gewebelehre  ist  überall  angenommen  worden. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Albert  KöUiker.  455 

Als  er  schon  die  Achtzig  überschritten  hatte,  schrieb  er 
1899  seine  Selbstbiographie  „Erinnerungen  aus  meinem  Leben* 
mit  einer  eingehenden  Analyse  seiner  Arbeiten. 

Durch  die  mit  Siebold  1848  unternommene  Gründung  der 
Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie  trug  er  viel  dazu  bei 
die  Zoologie  aus  einer  blos  beschreibenden  Wissenschaft  zu 
einer  erklärenden  zu  erheben. 

Mit  Kiwisch  und  Virchow  gründete  er  1849  die  angesehene 
physikalisch-medizinische  Gesellschaft  in  Würzburg,  an  deren 
Gedeihen  und  Wirksamkeit  er  wesentlich  beteiligt  war.  Neun- 
mal fährte  er  den  Vorsitz  in  derselben. 

Er  war  auch  eines  der  tätigsten  Mitglieder  der  durch  die 
Initiative  von  Julius  Kollmann  im  Jahre  1886  begründeten  so 
ungemein  nützlichen  anatomischen  Gesellschaft. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  dem  verdienten  Mann  viele 
Ehrungen  dargebracht  wurden.  An  seinem  70.  Geburtstag 
feierten  ihn  die  medizinische  Fakultät,  die  physikalisch-medi- 
zinische Gesellschaft  und  fünftindzwanzig  Schüler  durch  Fest- 
schriften; bei  seinem  50jährigen  Doktorjubiläum  erhielt  er  acht 
Festschriften  von  der  Universität  und  dem  eidgenössischen 
Polytechnikum  in  Zürich  mit  dreizehn  Abhandlungen,  von  der 
Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie,  dem  anatomischen 
Institut  in  Würzburg  und  seinen  Schülern  Merkel,  Bonnet, 
Gegenbaur,  His  und  Waldeyer. 

Es  mag  noch  bemerkt  werden,  daß  Kölliker  großen  Wert 
auf  die  Pflege  und  Ausbildung  des  Körpers  durch  Leibesübungen 
aller  Art  legte.  Durch  vielfache  Reisen  suchte  er  die  ange- 
sehensten Fachgenossen  kennen  zu  lernen  und  seine  Kennt- 
nisse zu  bereichem.  Er  war  von  feiner  universeller  Bildung, 
eine  vornehme  ehrwürdige,  sympathisch  berührende  Persönlich- 
keit, freundlich  entgegenkommend,  namentlich  auch  der  Jugend 
gegenüber;  die  größten  Ehrungen  änderten  nichts  an  seinem 
schlichten  leutseligen  Wesen. 

Schon  im  Jahre  1849,  zwei  Jahre  nach  seiner  Berufung 
nach  Würzburg,  wurde  er  in  unsere  Akademie  auf  Vorschlag 
von  Philipp  v.  Walther  aufgenommen,   der   den   damals  noch 


456  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

jungen  Gelehrten  als  genauen  Beobachter  und  verdienstvollen 
Arbeiter  in  der  vergleichenden  Anatomie  pries;  es  war  die 
erste  Auszeichnung,  die  er  durch  eine  Akademie  erhielt.  In 
diese  Zeit  und  wohl  auch  von  derselben  Seite  fiel  die  Anfrage, 
ob  er  nicht  nach  München  kommen  wolle. 

Der  Name  KöUiker  wird  in  der  Geschichte  der  anato- 
mischen Wissenschaft   stets   mit   hoher  Ehre  genannt  werden. 

Georg  Meissner.^) 

Unsere  Akademie  beklagt  das  in  Göttingen  erfolgte  Ab- 
leben des  Professors  der  Physiologie  Georg  Meißner,  der  juu 
30.  März  1905  im  Alter  von  76  Jahren  gestorben  ist.  Er 
war  einer  der  wenigen  noch  lebenden  Biologen,  welche  das 
von  Johannes  Müller  uns  hinterlassene  große  Erbe  angetreten 
und  weiter  entwickelt  haben.  Vom  reichsten  Wissen  und 
Können  hat  er  noch  einen  großen  Teil  des  weiten  Gebietes 
der  biologischen  Wissenschaft  übersehen  und  dasselbe  mit 
wertvollen  Gaben  bereichert:  er  war  als  fein  beobachtender 
Morphologe  in  der  Zoologie  der  niederen  Tiere,  der  Histologie 
und  der  Embryologie  tätig  und  ebenso  als  experimentierender 
Physiologe  in  der  Lehre  von  den  Sinnesempfindungen,  von 
den  physikalischen  und  chemischen  Vorgängen  im  Muskel,  von 
der  Verdauung  des  Eiweißes  im  Darmkanal  und  den  Verände- 
rungen vieler  Stoffe  im  Stoffwechsel.  Er  ist  also  kein  ein- 
seitiger Physiologe  wie  so  viele  der  heutigen  Zeit  gewesen, 
denn  er  verstand  es  noch,  zur  Erforschung  der  physiologischen 
Vorgänge  alle  Hilfsmittel,  das  Mikroskop,  die  physikalischen 
und  chemischen  Methoden  sowie  das  Experiment  am  Tier  an- 
zuwenden. Als  in  die  Wissenschaft  eingreifender  Forscher 
war   er   den  Jüngeren   kaum   mehr  bekannt;    denn  schon  seit 


*)  Siehe:  Prof.  H.  Boruttau,  Archiv  für  die  ges.  Physiologie  1905, 
Bd.  110,  S.  361  und  die  medizinische  Woche  1905,  Nr.  18.  —  Otto  Weiss. 
Münchener  mediz.  Wochenschrift  1906,  Nr.  25,  S.  1206.  —  M.  Verwom, 
Nachrichten  von  der  K.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen,  geschäftl.  Mitteil. 
1905,  Heft  1,  S.  46. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Georg  Meißner.  457 

35  Jahren  hat  er  keine  Arbeiten  mehr  veröffentlicht,  obwohl 
er  bis  zu  seinem  Ende  wissenschaftlich  sich  beschäfkigte;  durch 
einige  in  unwürdiger  und  beklagenswerter  Form  geführte  ver- 
letzende Angriffe  gegen  mehrere  seiner  wertvollen  Arbeiten, 
die  er  mit  Aufbieten  seiner  ganzen  bedeutenden  Kraft  durch- 
geführt hatte,  warder  mit  einem  äußerst  lebhaften  Temperament 
Begabte  gekränkt  und  verbittert,  so  daß  er  zu  dem  Entschluß 
kam  sich  solchen  Urteilen  nicht  mehr  auszusetzen.  Man  kann 
dies  bedauern,  da  vieles  Wichtige  in  seinen  Aufzeichnungen 
verschlossen  blieb,  aber  man  kann  es  verstehen;  es  ließe  sich 
vielleicht  gegen  seinen  Standpunkt  geltend  machen,  daü  wir 
auf  der  Erde  die  Pflicht  haben,  nach  unseren  Fähigkeiten  an 
dem  Ausbau  der  Wissenschaft  ohne  Rücksicht  auf  unsere  Person 
mitzuarbeiten. 

Meißner  wurde  am  19.  November  1829  als  Sohn  eines 
Obergerichtsrates  zu  Hannover  geboren  und  studierte  an  der 
ehrwürdigen,  der  wissenschaftlichen  Tätigkeit  so  günstigen 
Göttinger  Universität  von  1849  —  1853  Medizin  und  Natur- 
wissenschafken. Er  hatte  dabei  als  Lehrer  Männer  wie  Friedrich 
Wöhler,  Wilhelm  Weber  und  Rudolf  Wagner;  vor  allem  wirkte 
letzterer  auf  ihn  ein.  Dieser  geistvolle,  ungemein  anregende 
Physiologe,  der  in  der  Zoologie,  der  vergleichenden  Anatomie 
und  Embryologie  umfassende  Kenntnisse  besaß,  gab  ihm  zuerst 
den  weiten  Ausblick  auf  die  ganze  Biologie,  besonders  in  der 
vergleichend-anatomischen  Richtung.  Man  hatte  damals  er- 
kannt, welche  große  Bedeutung  das  Studium  der  einfachen 
niederen  Seetiere  für  die  Beurteilung  der  Lebenserscheinungen 
besitzt;  auf  einer  zu  diesem  Zwecke  1851  unternommenen 
Reise  an  die  Meeresküste  von  Triest  durfte  Meißner  noch  ak 
Student  seinen  Lehrer  begleiten,  was  seine  frühe  Reife  dartut. 

Unter  Wagners  Leitung  arbeitete  er  sodann  im  physio- 
logischen Institut,  und  es  glückte  ihm  1853,  bis  dahin  unbe- 
kannte Sinnesorgane  in  der  äußeren  Haut,  die  Tastkörperchen, 
zu  entdecken;  dieser  schwierige  Nachweis  bezeugt,  wie  scharf 
Meißner  damals  schon  beobachtete.  Die  Widmung  seiner  als 
Doktordissertation  erschienenen  Schrift  an  RudolfWagner :  ,  Durch 


458  OfiFentliche  Sitzung  vom  U.  März  1906. 

Sie  erhielt  Sinn  und  Bedeutung,  was  dem  Schüler  der  Zufall 
entdeckte**  beweist  die  Bescheidenheit  und  Selbsterkenntnis  des 
jungen  Forschers,  die  heutzutage  wohl  nur  selten  Nachahmung 
finden  dürfte.  Er  ging  dann  (1853)  nach  Berlin  zu  Johannes 
Müller,  der  die  ganze  Biologie  seiner  Zeit  umfa&te  und  von  dem 
er,  wie  alle  seine  Schüler,  den  nachhaltigsten  Eindruck  erhielt; 
wie  kaum  bei  einem  anderen,  wächst  seine  Bedeutung  immer  mehr. 

Von  da  wanderte  Meißner  nach  München,  wohin  ihn  der 
Ruhm  des  vergleichenden  Anatomen  Karl  Theodor  v.  Siebold, 
der  eben  mit  seinen  Arbeiten  über  die  Parthenogenesis  be- 
schäftigt war,  gelockt  hatte;  hier  machte  er  vergleichend- 
anatomische und  embryologische  Untersuchungen  an  niederen 
Tieren,  insbesondere  an  gewissen  Fadenwürmern. 

Durch  diese  Arbeiten  wurde  die  Aufmerksamkeit  auf  den 
begabten  und  vielversprechenden  jungen  Gelehrten  gelenkt,  so 
daß  der  erst  26  Jahre  alte  (1855)  einen  Ruf  als  ordentlicher 
Professor  der  Anatomie  und  Physiologie  nach  Basel  erhielt, 
wo  er  mit  dem  eigenartigen  hervorragenden  Chemiker  Schön- 
bein zusammentraf,  dessen  Forschungen  über  das  Ozon  Meißners 
spätere  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  veranlaßt  haben. 
Aber  schon  nach  zwei  Jahren  folgte  er  einem  Rufe  als  Pro- 
fessor der  Physiologie  und  Zoologie  an  die  Universität  Freiburg 
im  Breisgau  als  Nachfolger  von  Alexander  Ecker  und  als  sein 
einstiger  Lehrer  Rudolf  Wagner  wegen  Kränklichkeit  das  Lehr- 
fach der  Physiologie  in  Göttingen  aufgab,  wurde  mit  glück- 
lichem GriflF  Meißner  (1860)  an  seine  Stelle  gewählt;  erwirkte 
daselbst  über  40  Jahre  als  um  die  Wissenschaft  höchst  ver- 
dienter Forscher  und  als  pflichterfüllter  beliebter  Lehrer,  der 
in  äußerst  lebendigem  anschaulichem  Vortrag  den  Studierenden 
das  richtige  Verständnis  über  das  Zustandekommen  der  Lebens- 
erscheinungen beizubringen  und  sie  zu  naturwissenschaftlichem 
Denken  anzuleiten  wußte. 

Zu  Ende  der  neunziger  Jahre  mußte  er  wegen  Kränklich- 
keit seine  wissenschaftliche  Tätigkeit  mehr  und  mehr  ein- 
schränken, er  hielt  aber  noch  seine  Vorlesungen,  bis  er  im 
Jahre  1901    die  Enthebung  von  dieser  Verpflichtung  erhielt. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Georg  Meißner.  459 

Überblicken  wir  nun  die  hauptsächlichsten  Leistungen 
Mei&ners  in  annähernd  chronologischer  Folge. 

Seine  ersten  Arbeiten  bezogen  sich,  wie  schon  erwähnt,  auf 
die  feinere  Anatomie  der  äuiaeren  Haut,  insbesondere  auf  die 
genaue  Beschreibung  der  von  ihm  aufgefundenen  und  nach  ihm 
benannten  Tastkörperchen.  Man  kannte  bis  dahin  die  Endi- 
gungen der  sensiblen  Nerven  in  der  äußeren  Haut  nicht,  nur 
die  dem  Muskelgefühl  dienenden  Yater-Pacinischen  Körperchen 
im  Unterhautzellgewebe.  Und  nun  zeigten  sich  in  den  Papillen 
der  Lederhaut  der  Innenfläche  der  Hand  und  der  Fußsohle, 
also  der  mit  dem  feinsten  Tastgefühle  versehenen  Teile,  besondere 
Endorgane,  eine  Klasse  neuer  Sinnesorgane.  Er  schrieb  ihnen 
den  Tastsinn,  d.  i.  die  Berührungsempiindung  zu,  und  nicht  die 
Temperatur-  und  die  absolute  Druckempfindlichkeit,  welche 
an  allen  Stellen  der  Haut  zustande  kommen  können;  auch 
versuchte  er  später  eine  Theorie  ihrer  Erregung,  die  er  durch 
Ungleichheiten  des  auf  ihnen  lastenden  Druckes  entstehen  ließ, 
und  prüfte  dieselbe  durch  Experimente. 

Von  Bedeutung  sind  seine  auf  neue  Versuche  gestützten 
Erörterungen  (1854  und  1859)  über  die  komplizierten  Be- 
wegungen des  Augapfels,  die  durch  physiologische  für  die 
Orientierung  im  Räume  wichtige  Anordnungen  beschränkt  sind. 
Wie  Donders  und  Listing  gezeigt  haben,  ist  mit  jeder  Lage  der 
Gesichtslinie  zum  Kopfe  eine  ganz  bestimmte  Augenstellung 
verbunden  und  jedem  Erhebungs-  und  Seitenwendungswinkel 
entspricht  ein  bestimmter  Raddrehungswinkel.  Indem  Meißner 
die  Neigung  der  Doppelbilder  eines  vertikalen  Stabes  bei  den 
verschiedenen  Augenstellungen  imtersuchte  oder  auch  die  Lagen- 
veränderungen betrachteter  Objekte  bestimmte,  wenn  sie  in 
jeder  Augenstellung  im  blinden  Fleck  verschwinden,  konnte  er 
die  von  Donders  und  Listing  aufgestellten  Gesetze  bestätigen. 
Bei  der  so  viel  erörterten  Frage  nach  den  Punkten  des 
Raumes,  welche  mit  beiden  Augen  einfach  gesehen  werden, 
waren  bekanntlich  durch  Johannes  Müller  die  Punkte  einer 
durch  den  fixierten  Punkt  und  die  Knotenpunkte  der  beiden 
Augen  gezogenen  Kreislinie  erkannt  worden;  alle  Punkte  dieses 


460  Öitentliche  Sitzung?  vom  14.  März  1906. 

sogenannten  Horopterkreises  entwerfen  ihr  Bild  auf  unter 
gleichen  Länge-  und  Breitegraden  liegenden  Netzhautstellen 
oder  auf  die  identischen  Netzhautstellen;  dies  war  aber  nur 
der  auf  eine  horizontale  Ebene  beschränkte  Horopter  und 
nicht  die  Horopterfläche.  Meißner  unternahm  es  durch  feine 
Versuche,  die  Form  der  Horopterfläche  zu  bestimmen  und  zeigte, 
daß  der  Horopter  verschieden  ist,  abhängig  von  der  Richtung 
der  Gesichtslinien  und  der  dieser.  Richtung  entsprechenden 
Orientierung  beider  Augen. 

Von  Wichtigkeit  war  ferner  die  Auffindung  (1857)  von 
Nerven  und  nervösen  Zentralorganen  in  der  Subraukosa  des 
Darmes,  des  nach  ihm  benannten  Meißnerschen  Plexus;  er 
hat  ihn  uns  hier  im  physiologischen  Institut  gleich  nach  seiner 
Entdeckung  an  frischen  Holzessigpräparaten  mit  den  damaligen 
einfachen  Mitteln  mit  großer  Gewandtheit  gezeigt. 

Seine  vorher  erwähnten,  zum  Teil  bei  Siebold  ausgeführten 
vergleichend-anatomischen,  embryologischen  und  physiologischen 
Untersuchungen  an  Fadenwürmern  (an  Ascaris  mystax,  an 
Mermis  albicans  und  an  Gordius)  führten  ihn  zu  der  damals  viel 
umstrittenen  Frage  nach  dem  Eindringen  der  Samenfaden  in  das  Ei 
bei  der  Befruchtung.  Er  war  einer  der  ersten  (1856),  der  die  von 
Keber  am  Ei  der  Flußmuschel  gefundene  Mikropyle,  mit  Samen- 
fäden bedeckt,  beim  Seeigel  wahrnahm  und  das  von  M.  Barry 
bei  den  Kaninchen  und  von  Newport  bei  den  Fröschen  behauptete 
Vorkommen  von  Samenfäden  innerhalb  der  Eihülle  bestätigte. 

In  die  Jahre  1858  — 1862  fallen  seine  gnmdlegenden 
chemischen  Untersuchungen  über  die  Veränderungen  des  Ei- 
weißes bei  der  Verdauung.  C.  G.  Lehmann  hatte  das  von  ihm 
bei  der  Magenverdauung  aus  Eiweiß  erhaltene,  in  Wasser  lösliche 
Endprodukt  Pepton  genannt;  Meißner  zeigte,  daß  es  mancherlei 
Übergangsstufen  gibt,  die  er  als  Para-,  Meta-  und  Dyspepton 
bezeichnete;  das  Parapepton  ist  das  beim  Neutralisieren  der 
sauren  Lösung  ausfallende,  nicht  in  Pepton  übergehende  Produkt; 
das  Metapepton  fällt  bei  der  Syntonin-  und  Kaseinverdauung 
aus  der  neutralen  Lösung  durch  0,1  prozentige  Säure  heraus; 
das  Dyspepton  ist  durch  längere  Einwirkung  der  Säure  unlös- 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Georg  Meißner.  -i^l 

lieh  gewordenes  Parapepton.  Das  schließlich  erhaltene  Pepton 
ist  nach  ihm  ein  Qemisch  von  mehreren  Peptonen,  und  er 
unterscheidet  ein  durch  konzentrierte  Salpetersäure  sowie  durch 
schwache  Essigsäure  und  Ferrocyankalium  ausfallendes  a.  Pepton, 
ein  durch  Salpetersäure  nicht,  aber  durch  starke  Essigsäure 
und  Ferrocyankalium  ausfallendes  b.  Pepton  und  ein  weder 
durch  Salpetersäure  noch  durch  Essigsäure  und  Ferrocyankalium 
ausfallendes  c.  Pepton.  Man  hat  seitdem  in  der  Erkenntnis 
dieser  Produkte  Fortschritte  gemacht,  und  man  würde  jetzt 
das  a.  und  b.  Pepton  als  Albumosen,  das  c.  Pepton  als  eigent- 
liches Pepton  und  den  unverdaulichen  Rückstand  des  Dys- 
peptons  als  Nuklein  bezeichnen.  Meißner  hat  jedoch  die 
Orundtatsachen  festgestellt  und  es  ist  ein  großes  Unrecht,  seine 
Verdienste  in  dieser  Richtung  zu  unterschätzen,  denn  es  ist 
schwieriger,  eine  neue  Bahn  zu  brechen  als  auf  einer  solchen 
weiter  zu  wandeln.  Auch  an  der  Feststellung  der  Wirkung 
des  Pankreassaftes  auf  Eiweiß  war  Meißner  beteiligt;  nachdem 
Corvisart  erkannt  hatte,  daß  der  Bauchspeichel  für  sich  allein 
aus  Eiweiß  die  nämlichen  löslichen  Peptone  wie  der  Magen- 
saft macht,  hielten  viele  diese  Umwandlung  für  die  Folge  einer 
Fäulnis  durch  niedere  Organismen;  Meißner  bestätigte  als  einer 
der  ersten  Corvisarts  Angaben,  aber  er  meinte  noch,  nur  das 
schwach  sauere  Sekret  habe  ohne  Fäulnis  verdauende  Wir- 
kung. Durch  langes  Kochen  von  Eiweiß  mit  Wasser  bekam 
er  StoflFe  wie  bei  der  Magen-  und  Pankreasverdauung.  Die 
Verdauung  war  ihm  eine  Umprägung  der  aus  den  verschiedenen 
EiweißstoflFen  der  Nahrung  im  Darm  entstandenen  Peptons 
zu  dem  spezifischen  Bluteiweiß  des  betreflFenden  Tieres;  er  ist 
in  diesem  Gedanken  seiner  Zeit  vorausgeeilt,  nur  ging  er  nicht 
so  weit,  wie  es  jetzt  von  manchem  geschieht,  welche  das 
Eiweißmolekül  im  Darm  zersplittern  lassen,  um  es  dann  wieder 
aus  den  Trümmern  aufzubauen. 

Es  ist  Meißner  in  einer  ungemein  feinen  Untersuchung 
gelungen  in  dem  Muskelfleisch  kleine  Mengen  eines  echten 
reduzierenden  und  gärungsfahigen  Zuckers,  den  Fleischzucker, 
aufzufinden.    Nebenbei  sei  bemerkt,  daß  er  mit  seinem  Schüler 


462  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

Ritter,  ebenso  wie  der  Engländer  Pavy  gegen  Claude  Bemard, 
während  des  Lebens  keinen  Übergang  des  Glykogens  der  Leber 
in  Traubenzucker  annahm,  da  sie  in  der  ganz  frischen  Leber 
keinen  Zucker  nachzuweisen  vermochten ;  die  letztere  Tatsache 
ist  vollständig  richtig,  aber  nicht  die  Schlußfolgerung,  denn 
während*  des  Lebens  wird  der  entstandene  Zucker  alsbald  durch 
das  Blut  weggeschwemmt. 

Ein  ganz  anderes  Gebiet  betreten  die  elektrophysiologischen 
Untersuchungen  Meißners.  Zu  diesen  hat  er  sich  eines  neuen 
Meßinstrumentes  bedient;  er  führte  nämlich  mit  dem  geschickten 
Göttinger  Mechaniker  Meyerstein  die  nach  dem  Prinzip  von 
Wilhelm  Weber  gebaute  Spiegelbussole  ein,  bei  der  zur  Eliminie- 
rung des  Erdmagnetismus  die  Annäherung  von  zwei  Magneten  und 
zur  Dämpfung  der  Magnetschwingungen  das  Induktionsverfahren 
von  Gauss  verwendet  wurde;  dieselbe  tibertraf  an  Empfindlich- 
keit die  älteren  Apparate.  Zunächst  prüfte  er  mittelst  Elektro- 
skop  und  Kondensator  das  elektrische  Verhalten  der  Ober- 
fläche des  menschlichen  Köpers;  er  suchte  die  Ursache  dafür 
unter  der  Haut,  vor  allem  in  den  Muskeln.  Dann  ging  er 
an  die  Prüfung  der  elektrischen  Erscheinungen  des  zusammen- 
gedrückten und  gedehnten  Muskels  im  Vergleich  mit  denen 
bei  der  Muskelkontraktion,  die  durch  Du  Bois  Reymonds 
Untersuchungen  über  tierische  Elektrizität  auf  die  Wirkung 
während  des  Lebens  präformierter  elektromotorischer  Moleküle 
zurückgeführt  worden  waren.  Meißner  fand  nun,  daß  der 
Wadenmuskel  des  Frosches  bei  der  Kompression  in  der  Längs- 
richtung eine  Verminderung  des  ruhenden  Muskelstromes,  bei 
der  Dehnung  eine  Verstärkung  desselben  zeigt,  und  er  war 
daher  geneigt,  die  sogenannte  negative  Schwankung  bei  dem 
Tetanus  des  Muskels  nicht  von  der  Erregung  des  Muskels, 
sondern  von  der  Formveränderung  desselben  abzuleiten.  Du 
Bois  Reymond,  der  dieses  Gebiet  als  seine  Domäne  betrachtete 
und  keinen  Widerspruch  ertrug,  übte  an  Meißners  Angaben  eine 
ungemein  gereizte  und  ungerechte  Kritik;  es  muß  dagegen 
betont  werden,  daß  die  interessanten  Beobachtungen  von 
Meißner  nicht  widerlegt  worden  sind. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Georg  Meißner.  463 

Man  hat  vielfacli  trophische  Nerven  im  Körper  ange- 
nommen, welche  der  Ernährung  der  Teile  vorstehen  sollen, 
namentlich  war  es  die  nach  der  Durchschneidung  des  sensiblen 
Nervus  trigeminus  oder  seines  Augenastes  am  Auge  des 
Kaninchens  eintretende  Augenentzündung,  welche  zu  einer 
solchen  Annahme  führte.  Man  meinte  andererseits,  es  handle 
sich  dabei  um  die  Folgen  äußerer  Schädlichkeiten  an  dem  un- 
empfindlich gewordenen  Auge  und  in  der  Tat  trat  die  Ent- 
zündung nicht  ein,  als  Meißner  mit  Büttner  das  Auge  durch 
eine  Kapsel  vor  solchen  Läsionen  schützte.  Der  erste  Beob- 
achter der  Erscheinung,  der  Niederländer  Snellen,  hielt  die 
Empfindungslosigkeit  für  die  Ursache  der  Entzündung,  Schifi 
dagegen  die  Lähmung  der  Gefaßnerven  und  die  Ausdehnung  der 
Blutgefäße,  während  Meißner  längere  Zeit  die  Lähmung  für 
die  Ernährung  der  Gewebe  nötiger  Nerven  annahm.  Er  hat 
mancherlei  Beobachtungen  als  Beweise  für  seine  Anschauung 
beigebracht,  namentlich  daß  bei  Erhaltung  eines  Teiles  der 
Nervenfasern  im  Augenaste  die  Entzündung  trotz  völh'ger 
Empfindungslosigkeit  ausblieb.  Neuere  Beobachtungen  haben 
jedoch  die  Existenz  besonderer  trophischer  Nerven  widerlegt. 

Es  folgten  nun  die  in  der  zweiten  Hälfte  der  sechziger 
Jahre  mit  Hilfe  chemischer  Methoden  gemachten  umfassenden 
Arbeiten  Meißners  über  das  Entstehen  einer  Anzahl  von  Zer- 
setzungsprodukten im  Körper  beim  Stoffwechsel;  ich  halte 
dieselben  für  seine  bedeutendsten  und  reifsten  Leistungen. 
Er  hat  durch  dieselben  gezeigt,  was  eigentlich  physiologische 
Chemie  ist  (worüber  man  heutzutage  den  merkwürdigsten  Vor- 
stellungen begegnet),  nämlich  die  Anwendung  der  Chemie  zur 

• 

Untersuchung  und  Erklärung  der  Lebensvorgänge,  nicht  die 
chemische  Untersuchung  der  Konstitntion  isolierter  chemischer 
Verbindungen,  wenn  sie  auch  im  Organismus  vorkommen,  und 
ihrer  Zersetzungsprodukte  im  chemischen  Laboratorium,  welche 
der  reinen  Chemie  zu  gehören,  wie  die  klassischen  chemischen 
Arbeiten  von  Emil  Fischer  über  die  Harnsäure,  die  Zacker- 
arten und  das  Eiweiß  dartun,  die  für  die  Entwicklung  der 
Physiologie  allerdings  von  größter  Bedeutong  sind.     Meißners 


464  öflfentliche  Sitzung  vom  14.  M&rz  1906. 

hierher  gehörige  Untersuchungen  beginnen  mit  dem  mit  F.  JoUy 
geführten  Nachweis  der  Bernsteinsäure  im  Harn  mit  Fleisch 
und  viel  Fett  gefütterten  Hunden;  dieselbe  geht  offenbar  aas  dem 
Fett  hervor,  da  sie  zunimmt  mit  der  Menge  des  gereichten 
Fettes.  Beim  Kaninchen  trat  viel  Bernsteinsäure  im  Harn 
auf  nach  reichlicher  Fütterung  mit  Mohrrüben,  welche  äpfel- 
sauren Kalk  enthalten,  oder  beim  Kaninchen,  Hund  und  Menschen 
nach  Darreichung  von  äpfelsaurem  Kalk  sowie  auch  nach  Auf- 
nahme von  viel  Spargeln.  Es  fand  sich  im  Hundeham  bei 
Fütterung  mit  Fleisch  stets  etwas  Harnsäure  vor,  bei  vege- 
tabilisclier  Nahrung  nur  Spuren;  bei  eigentlichen  Pflanzen- 
fressern war  sie  entgegen  den  gewöhnlichen  Angaben  stets 
vorhanden. 

Im  Jahre  1828  hatte  der  Chemiker  F.  Wöhler  die  denk- 
würdige Entdeckung  gemacht,  daß  nach  Darreichung  von 
Benzoesäure  im  Harn  Hippursäure  erscheint,  deren  Zerlegung 
in  Benzoesäure  und  Olykokoll  1845  Dessaignes  gelang.  Es 
war  dieses  Entstehen  der  im  Harn  der  pflanzenfressenden 
Säugetiere  vorkommenden,  komplizierter  gebauten  Hippursäure 
aus  zwei  einfacheren  Verbindungen  das  erste  Beispiel  einer 
Synthese  im  Tierkörper.  Meißner  suchte  nun  (1866)  mit  seinem 
Schüler  Shepard  nach  dem  Ort  dieser  Synthese  und  der  Her- 
kunft der  Benzoesäure,  des  aromatischen  Komplexes  der  Hippur- 
säure des  Harns  der  Pflanzenfresser.  Nach  Ausschaltung  der 
Nieren  fand  sich  im  Blut  keine  Hippursäure  vor,  woraus  sie 
schlössen,  daß  die  Synthese  der  Hippursäure  in  der  Niere 
stattfindet  und  nicht,  wie  Kühne  und  Hallwachs  glaubten, 
in  der  Leber.  Das  Giykokoll  der  Hippursäure  wird  nach  ihnen 
bei  den  Zei-setzungen  im  Körper  gebildet,  die  Benzoesäure 
stammt  dagegen  aus  der  Kutikularsubstanz  der  verzehrten  ober- 
irdischen Pflanzenteile;  denn  wenn  die  Kaninchen  die  Schalen 
von  Äpfeln  und  fleischigen  Blättern  oder  die  Hülsen  von 
Cerealien  und  Leguminosen  erhielten,  schieden  sie  reichlich 
Hippursäure  aus,  aber  keine  nach  Verabreichung  der  inneren 
abgeschälten  Teile. 

Als   die   Bildungsstätte  des  Harnstoffes  betrachtete  man 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Georg  Meißner.  465 

lange  Zeit  die  verschiedenen  Organe  und  nicht  die  Nieren,  da 
hervorragende  Chemiker  nach  Entfernung  der  Nieren  eine  An- 
häufung von  Harnstoff  im  Blut  gefunden  hatten;  später  (1865) 
behauptete  namentlich  Zalesky,  der  bei  Hoppe-Sejler  arbeitete, 
dalä  nach  Unterbindung  der  Harnleiter  sich  im  Blute  Harn- 
stoffanhäufe, aber  nicht  nach  Ausschneidung  der  Nieren,  woraus 
er  schloß,  daß  in  der  Niere  der  Harnstoff  entstehe.  Meißner 
trat  alsbald  dieser  Anschauung  entgegen,  da  er  bei  Kaninchen 
nach  Exstirpation  der  Niere  die  gleiche  Harnstoffansammlung 
im  Blute  beobachtete  wie  nach  Unterbindung  der  Uretheren. 
Ich  habe  um  dieselbe  Zeit  bei  Kaninchen  und  Hunden  nach 
Entfernung  der  Nieren  beträchtliche  Ansammlungen  von  Harnstoff 
im  Blut  und  allen  Organen  gefunden  und  dadurch  ebenfalls 
bewiesen,  daß  der  Harnstoff  nicht  erst  in  der  Niere  etwa  aus 
Kreatin  gebildet  wird.  Die  Untersuchungen  Meüaners  über 
die  Ausscheidung  von  Kreatin  und  Kreatinin  ergaben  im 
wesentlichen  die  auch  von  mir  erhaltenen  Resultate. 

Meißner  machte  bei  dieser  Gelegenheit  auch  Versuche  über 
die  Ursache  der  urämischen  Erscheinungen,  indem  er  Tieren  nach 
Unterbindung  der  Harnleiter  verschiedene  Zersetzungsprodukte 
wie  Kreatin,  Kreatinin,  bernsteinsaures  Natron  und  Harnstoff 
in  die  Venen  einspritzte;  nur  größere  Mengen  des  letzteren 
beschleunigten  den  Tod.  Ich  habe  dargetan,  daß  der  Harn- 
stoff an  und  für  sich  nicht  giftig  ist,  sondern  nur  seine  Nicht- 
ausscheidung  aus  dem  Körper  schädlich  wirkt. 

Da  er  in  der  Leber  beim  Säugetier  stets  viel  Harnstoff, 
beim  Vogel  viel  Harnsäure  fand,  so  vermutete  er,  daß  der 
Harnstoff  in  der  Leber  der  Säugetiere,  die  Harnsäure  in  der 
Leber  der  Vögel  direkt  aus  der  Zersetzung  von  Eiweiß  und 
zwar  aus  dem  in  diesem  Organ  zerfallenen  Eiweiß  der  Blut- 
körperchen hervorgeht;  wir  wissen  jetzt,  daß  der  Harnstoff 
und  die  Harnsäure  allerdings  in  der  Leber  entstehen,  aber 
nicht  direkt  aus  Eiweiß,  sondern  aus  von  anderen  Organen 
zugeführten  stickstoffhaltigen  Zersetzungsprodukten,  den  Vor- 
stufen des  Harnstoffes  und  der  Harnsäure. 

Nachdem   ich   nachgewiesen   hatte,    daß  bei   der  Muskel- 


4^66  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

arbeit  direkt  nicht  mehr  Eiweiü  zerfallt,  wohl  aber  mehr  stick- 
stofffreie Stoffe  zu  Grunde  gehen,  war  die  Frage  entstanden, 
ob  auch  die  stickstofffreien  Stoffe  als  Quellen  der  Muskel- 
arbeit dienen  können;  Meißner  sprach  schon  im  Jahre  1868 
aus,  daß  außer  dem  stickstofffreien  Material  der  Nahrung  auch 
das  Eiweiß  oder  wenigstens  die  aus  ihm  abgespaltenen  stick- 
stofffreien Stoffe  die  Energie  für  die  Muskelarbeit  liefern.  Wir 
wissen  jetzt  mit  Sicherheit,  daß  beide  Klassen  von  Stoffen  sich 
bei  der  Entstehung  der  Muskelkraft  beteiligen. 

Durch  seinen  Umgang  mit  Schönbein  in  Basel  war  Meißner 
auf  das  Ozon  und  sein  merkwürdiges  Verhalten  zum  Organismus, 
besonders  zu  dem  Blute,  aufmerksam  geworden;  dadurch  kam 
er  zu  seinen  umfangreichen,  Schönbein  gewidmeten  Unter- 
suchungen über  den  elektrisierten  oder  ozonisierten  Sauer- 
stoff. Es  wurde  dabei  das  vollständig  trockene  Ozon  zunächst 
in  einer  konzentrierten  Jodkaliumlösung  absorbiert;  sowie  man 
es  nun  durch  Wasser  gehen  ließ,  so  traten  dichte  Nebel  auf 
von  dem  Antozon  Schönbeins  oder  dem  Atmizon  nach  Meißner; 
letzterer  hielt  das  Ozon  für  negativ  elektrisch  geladenen,  das 
Antozon  für  positiv  elektrisch  geladenen  Sauerstoff,  welche  bei 
der  Elektrisierung  immer  zusammen  auftreten,  während  andere 
die  Nebel  für  bei  der  Ozonzerstörung  entstandenes  Wasserstoff- 
superoxyd ansahen.  Bei  weiteren  Untersuchungen  meinte  er, 
daß  das  Ozon  nicht  eine,  wie  man  glaubte,  durch  eine  andere 
Atomzahl  im  Molekül  bedingte  allotropische  Modifikation  sei, 
sondern  daß  eine  Veränderung  des  Molekularbewegimgszustandes 
vorliege.  Es  war  eine  fein  durchdachte,  mit  äußerster  Sorg- 
falt ausgeführte  experimentelle  Untersuchung. 

Eine  große  Anzahl  von  Arbeiten  ging  von .  seinen  zahl- 
reichen Schülern  auf  seine  Anregung  und  unter  seiner  Leitung 
aus  seinem  Laboratorium  hervor. 

Eines  wesentlichen  Verdienstes  Meißners  muß  noch  Er- 
wähnung getan  werden,  nämlich  des  mit  dem  Anatomen  Jakob 
Henle  für  die  Jahre  1856  — 1871  herausgegebenen  Jahres- 
berichtes über  die  Fortschritte  der  Anatomie,  Entwicklungs- 
geschichte und  Physiologie,  der  in  rein  sachlicher  Weise  und 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Georg  Meißner.  467 

doch  streng  kritisch  die  Resultate  der  Forschung  brachte;  ich 
war  ihm  für  seine  Berichte  über  die  Stoffwechselversuche  der 
hiesigen  Schule  dankbar,  da  er  ihnen  volles  Verständnis  zu 
einer  Zeit  entgegenbrachte,  in  der  sie  von  anderen  Seiten  kaum 
Beachtung  fanden. 

Das  größte  Interesse  zeigte  er  für  die  die  Lebensvorgänge 
nahe  berührenden  hygienischen  Arbeiten  Pettenkofers;  indem 
er  die  Bedeutung  hygienischer  Kenntnisse  für  den  Mediziner 
und  Arzt  richtig  schätzte,  hielt  er  vom  Jahre  1874  an  eine 
Vorlesung  über  öffentliche  Gesundheitspflege,  die  erste  der  Art 
an  einer  norddeutschen  Universität.  Er  führte  auch  Unter- 
suchungen des  Brunnenwassers  von  Göttingen  aus  und  wirkte 
mit,  den  Gesundheitszustand  der  Stadt  zu  verbessern. 

Meißner  war,  wie  gesagt,  noch  nach  dem  Jahre  1872,  in 
dem  er  seine  Publikationen  abbrach,  bis  zuletzt  mit  wissen- 
schaftlichen Arbeiten  beschäftigt.  Sein  Assistent  Boruttau 
berichtet  über  Arbeiten  zur  Widerlegung  der  Urzeugung  und 
zum  Beweis  der  Notwendigkeit  von  Mikroorganismen  für 
Gärung  und  Fäulnis,  wobei  es  ihm  gelang,  frische  tierische 
Organe  in  Wasser  ohne  irgend  einen  desinfizierenden  Zusatz 
nur  durch  Abhalten  der  Keime  mittelst  gebogener  Glasröhren 
und  Watteverschluß  jahrelang  unverändert  aufzubewahren. 
Dann  über  Untersuchungen  der  anatomischen  Beziehungen 
zwischen  Ohrlabyrinth  und  Kleinhirn  der  Vögel.  Femer  über 
die  Analyse  der  Vokalklänge  der  menschlichen  Stimme  und 
der  Klänge  vieler  Musikinstrumente  vermittelst  der  phonauto- 
graphischen  Methode,  wozu  er  als  feiner  Kenner  der  Musik, 
der  jahrelang  in  der  Karwoche  hierher  kam,  um  an  klassischer 
Kirchenmusik  sich  zu  erquicken,  besonders  geeignet  war.  Dann 
über  rein  mathematische  Studien  über  das  Newtonsche  Fallgesetz. 

So  zeigt  sich  uns  Meißner  als  einer  der  scharfsinnigsten 
und  verdientesten  Physiologen  seiner  Zeit,  der  unverlöschliche 
Spuren  seiner  Wirksamkeit  hinterläßt.  Erfüllt  von  dem  Drang 
nach  Erkenntnis  war  er  von  unbestechlicher  Wahrheitsliebe 
und  Gewissenhaftigkeit;  streng  gegen  sich  und  andere  war  der 
etwas    verschlossen     erscheinende    Mann     doch    von     wahrer 

1906  SiUnngab.  d.  math.-phys.  Kl.  31 


468  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

Herzensgüte  und  tiefem  Gemüt,  wie  mir  ein  rührender  Brief 
zeigte,  den  ich  nach  dem  Tode  seiner  Frau,  einer  Tochter  unseres 
unvergeßlichen  Kollegen  Kobell,  erhielt.  Wenn  ich  in  die  Ver- 
gangenheit blicke,  wo  wir  vor  50  Jahren  in  die  Wissenschaft 
eingetreten  sind,  so  erinnere  ich  mich  an  die  reine  Freude, 
die  ich  an  den  Fortschritten  unserer  Wissenschaft  hatte,  an 
denen  mein  edler  Freund  einen  so  großen  Anteil  besaß. 

Walther  Flemming.^) 

Das  korrespondierende  Mitglied  der  Akademie  Walther 
Flemming,  Professor  der  Anatomie  an  der  Universität  zu  Kiel, 
ist  am  4.  August  1905  im  Alter  von  62  Jahren  aus  dem 
Leben  geschieden.  Er  war  ein  hervorragender  Histologe,  der 
durch  seine  Beobachtungen  mit  dem  Mikroskop  die  Kenntnis 
des  feineren  Baues  der  Zelle  in  vorher  nicht  geahnter  Weise 
vertieft  und  durch  die  Aufhellung  dieses  Gebildes,  aus  dem 
alles  Organisierte  hervorgeht  und  an  welches  das  Leben  ge- 
knüpft ist,  Zoologie  wie  Botanik,  Entwicklungsgeschichte  wie 
pathologische  Anatomie  in  gleichem  Grade  gefördert  hat. 

Er  wurde  am  21.  April  1843  in  Schwerin  geboren  als 
Sohn  des  verdienten  Psychiaters  und  Leiters  der  Irrenanstalt 
Sachsenberg  Karl  Friedrich  Flemming.  Der  Sohn  Walther 
Flemming  zeigte  frühzeitig  eine  besondere  Neigung  für  die 
schöne  Literatur  sowie  ein  Talent  für  Dichtung  und  Sprache, 
so  daß  er  anfangs  sich  der  Philologie  widmen  wollte;  er  wandte 
sich  aber  dann  der  Medizin  zu,  die  er  an  den  Universitäten 
zu  Göttingen,  Tübingen,  Berlin  und  Rostock  studierte.  Bald 
begann  er  sich  mit  mikroskopischen  Untersuchungen  zu  be- 
schäftigen, zuerst  unter  der  Leitung  von  F.  E.  Schulze,  da- 
maligen Prosektors  bei  dem  Anatomen  Henke  in  Rostock,  deren 
erste  Frucht  (1868)  seine  Doktordissertation  über  den  Ziliar- 
muskel  der  Haussäugetiere  war.   Nachdem  er  bei  dem  Zoologen 


^)  Siehe  die  Nekrologe  von  Friedrich  Meves  in  der  Münchener 
Medizinischen  Wochenschrift  1906,  Nr.  46,  S.  2232.  —  Und  von  Dr.  F.  Graf 
y.  Spee  im  Anatomischen  Anzeiger  1906,  Bd.  28,  S.  41. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Walther  Plemming.  469 

Semper  in  Würzburg  und  bei  dem  Physiologen  W.  Kühne  in 
Amsterdam  kurze  Zeit  Assistent  gewesen,  wurde  er  Prosektor 
am  Anatomischen  Institut  in  Rostock  und  habilitierte  sich  (1871) 
daselbst  als  Privatdozent  der  Anatomie  und  Entwicklungsge- 
schichte mit  einer  Arbeit  über  Bindesubstanz  und  Gefafiwandung 
bei  Mollusken.  1872  ging  er  mit  Henke  nach  Prag,  woselbst 
er  im  folgenden  Jahre  die  Ernennung  zum  außerordentlichen 
Professor  mit  dem  Lebrauftrag  für  Histologie  und  Entwick- 
lungsgeschichte erhielt;  dorten  schon  sammelte  sich  um  ihn 
eine  Anzahl  von  talentvollen  Schülern,  die  zum  Teil  ihre  ersten 
Arbeiten  unter  seiner  Leitung  machten.  Im  Jahre  1876  folgte 
er  dem  Rufe  als  Nachfolger  unseres  verstorbenen  Kollegen 
C.  Kupffer  als  ordentlicher  Professor  der  Anatomie  nach  Kiel, 
wo  er  26  Jahre  lang  als  Zellforscher  und  Lehrer  überaus 
tätig  war. 

Flemming  ist  seiner  Arbeitsrichtung  nach  ausschließlich 
Histologe,  aber  als  solcher  bahnbrechend  gewesen  und  zwar 
vorzüglich  auf  einem  Gebiete,  der  bis  an  die  Grenze  des  Sicht- 
baren gehenden  feinsten  Struktur  der  Zelle,  das  zu  den 
schwierigsten  Objekten  der  mikroskopischen  Forschung  gehört. 
Er  war  einer  der  größten  Meister  in  der  Kunst  der  mikro- 
skopischen Beobachtung,  ebenso  scharf  blickend  als  Beob- 
achter, wie  vorsichtig  und  gewissenhaft  in  seinen  Generali- 
sationen. 

Ein  Meister  auch  in  der  Technik,  rastlos  an  stetiger  Ver- 
vollkommnung seiner  Methoden  arbeitend,  hat  er  am  lebenden 
Objekt  sowie  an  dem  mit  Reagentien  und  mit  den  Hilfsmitteln 
der  Färbung  behandelten  die  zartesten  Strukturen  enthüllt. 

Dadurch  hatte  er  sich  in  kurzer  Zeit  zu  einem  der  be- 
rühmtesten Histologen  aufgeschwungen. 

Nach  seiner  Doktordissertation  folgten  zoologisch -histo- 
logische Arbeiten,  Beobachtungen  über  Sinnesepithelien  und 
Bindegewebe  bei  Mollusken  und  die  auch  für  die  Physiologie 
wichtigen  Aufschlüsse  über  Bildung  und  Rückbildung  der 
Fettzelle  im  Bindegewebe;  nach  Toldt  soll  das  Fettgewebe 
ein  besonderes  Organ  sein,  welches  nicht  aus  dem  Bindegewebe 

31» 


470  Öffentliche  Sitzung  vom  U.  M&rz  1906. 

hervorgeht,  Flemming  suchte  dagegen  nachzuweisen,  da£  die 
Fettzellen  sich  aus  den  gewöhnlichen  Bindegewebszellen  bilden 
und  das  Fett  als  Produkt  der  Stoffwechselvorgänge  in  der  Zelle 
entsteht. 

Beobachtungen  über  die  ersten  Entwicklungserscheinungen 
am  Ei  der  Teichmuschel  und  der  Najaden  führten  ihn  auf 
sein  eigentliches  Forschergebiet,  zu  dem  Studium  des  Baues 
und  der  Lebenserscheinungen  der  Zelle,  das  ihn  von  nun  an 
während  seines  ganzen  Lebens  beschäftigen  sollte.  Mit  der 
größten  Ausdauer  untersuchte  er  den  Leib  der  Zellen  und  ins- 
besondere ihres  Kerns  in  der  Absicht  aus  der  genauen  Kenntnis 
der  Form  auch  die  Erscheinungen  ihres  Lebens,  eine  Zellular- 
physiologie, zu  entwickeln.  Seine  zahlreichen  grundlegenden 
Arbeiten  hierüber  hat  er  1882  in  seinem  Hauptwerke:  » Zell- 
substanz, Kern  und  Zellteilung'  zusammengefaßt;  dasselbe 
bildete  die  Grundlage  für  alle  weitere  Zellforschung,  die  wohl 
manche  neue  Tatsachen  zufügte,  aber  keine  Liiümer  nachwies. 

Bis  zu  Flemmings  Eingreifen  glaubte  man,  die  Zellsub- 
stanz oder  das  Protoplasma  wäre  eine  gleichmäßige  feinkörnige 
Masse,  von  einer  Struktur  derselben  war  kaum  und  nur  in 
einzelnen  Fällen  etwas  bekannt.  Es  waren  allerdings  schon 
von  einigen,  z.  B.  von  unserem  Kollegen  G.  Kupffer,  Faden- 
strukturen in  der  Zellsubstanz  beschrieben  worden;  aber  erst 
Flemming  hat  die  verschiedenen  Zellen  daraufhin  eingehend 
geprüft  und  überall  im  Inhalt  derselben  ein  eigentümliches 
Fadenwerk  vorgefunden,  eine  Filarmasse  und  eine  Interfilar- 
masse;  er  hielt  es  für  wahrscheinlich,  daß  es  sich  dabei  um 
ein  feines  Gerüst  handelt. 

Noch  merkwürdigere  Strukturen  und  Vorgänge  erkannte 
er  am  Zellkern,  den  man  lange  für  ein  homogenes  Gebilde 
oder  für  ein  mit  Flüssigkeit  gefülltes  Bläschen  gehalten  hatte. 
Es  waren  wohl  schon  hie  und  da  in  den  Kernen  strangförmige 
Bildungen  gesehen  worden;  Flemming  gelang  es  jedoch  (1875) 
eine  gerüstförmige  Struktur  an  der  frischen  Eizelle  von  Muscheln 
mit  Sicherheit  zu  erkennen  und  dann  sich  zu  überzeugen,  daß 
dieses    Gerüstwerk    im  lebenden   Kern    ein    allgemeines   Vor- 


C  Voit:  Xelcrolog  Mf  Wklther  Flemming.  471 

kommen  ist;  seine  Beobachtungen  lieferten  die  Grundl^e  zu 
dem  heutigen  Wissen  Ton  dem  Bau  des  Zellkerns. 

Von  grö&ter  Bedeutuog  sind  die  von  ihm  an  lebenden 
Objekten  beobachteten  Veränderungen  bei  der  Teilung  der 
Zellen  und  Zellkerne,  der  Mitose.  Bei  der  ausschlieälich  durch 
Teilung  stattfindenden  Vermehrung  der  Zellen  zeigen  sich  die 
ersten  Pbänomear  bekanntlich  am  Kern;  nach  der  alten  Lehre 
TOD  Hemak  soll  sich  dabei  der  Kern  nach  Verdoppelung  des 
Nukleolus  in  zwei  Hälften  durchschoQren :  Fleouniug  war  einer 
der  ersten,  der  dabei  an  sich  furchenden  lebenden  Eizellen 
wirbelloser  Tiere  viel  kompliziertere  Vorgänge  fand.  In  seinen 
berühmten  Beiträgen  zur  Kenntnis  der  Zelle  und  ihrer  Lebens- 
erscheinungen (lt<7ä)  wurde  von  ihm  der  ganze  merkwürdige 
Verlauf  der  Kernteilung  Schritt  fOr  Schritt  verfolgt  und  fest- 
gestellt. da&  der  Kern  dabei  nicht  zu  Grande  gebt,  wie  es 
anfangs  schien,  sondern  auf  Umwegen  durch  sogenannte  in- 
direkte Mitose  sich  teilt.  Diese  Erkenntnisse  legten  den  Grund 
zu  einer  ueuen  Epoche  in  der  Zellenlehre,  besonders  in  der 
Struktur  und  der  biologischen  Bedeutung  des  Kerns. 

Die  gleiche  mitotische  indirekte  Zellteilung  und  ZeUver- 
mehrung  wies  er  dann  auch  nach  bei  der  Regeneration  fertiger 
Gewebe,  z.  B.  an  den  Lymphzellen  in  den  Keimzentren  der 
Ljmphknötchen  sowie  bei  den  Epithelzellen  und  bei  den 
Sanienfuden.  wobei  das  Chromatin  der  Hodenzelle  zum  Spermin- 
kopf,  die  achromatische  Substanz  des  Kerns  tu  dessen  Halle 
und  der  Zellleib  zum  Sperminschwanz  wird. 

Noch  eine  besonders  wichtige,  im  Jahre  1891  gemachte 
Untersuchung  muß  erwähnt  werden,  nämlich  die  der  zellulären 
Zentren  in  Gewebs-  und  Wanderzellen.  Flemming  hatte  1875 
im  Zentrum  der  Radiensysteme  bei  der  Teilung  des  Eies  von 
Anodoota  besondere  körperliche  Gebilde  gesehen,  welche  dann 
auch  andere  an  sich  furchenden  Eiern  beobachteten  und  Pol- 
körperchen nannten,  die  in  der  Zellsnbstanz  erst  nach  Beginn 
der  Teilung  auftreten  sollen.  Nach  van  Beneden  und  Boveri 
finden  sich  die  Polkörperchen  oder  Zentrosomeu  schon  vorher 
und  sind  allgemeine  und  diuiemde  Teile  der  Zelle;  im  Innem 


472  Otfentlicbe  SitzuDf?  vom  14.  März  1906. 

• 

der  Zentrosomen  wurde  noch  ein  winziges  Zentralkom,  der 
Zentriol,  erkannt.  Flemming  fand  nun  im  Zentrum  der 
Strahlung  in  yerschiedenen  Gewebszellen  neben  den  völlig 
ruhenden  Kernen  kleinste  Doppelkömchen,  die  aber  nicht,  wie 
man  meinen  könnte,  Zentrosamen  sind,  sondern  den  Zentriolen 
entsprechen;  die  Zentriolen  sind  demnach  allgemeine  und  per- 
manente Zellorgane  und  nicht  die  Zentrosomen. 

Sehr  yerdienstvoU  sind  ferner  seine  in  den  Jahren  1892 
bis  1898  in  den  Merkel- Bonnetschen  Ergebnissen  yeröffent- 
lichten  Berichte  über  die  neuen  Arbeiten  über  die  Morphologie 
der  Zellen,  die  nur  er  mit  solcher  Sachkenntnis  und  Kritik 
schreiben  konnte. 

Es  wären  ja  noch  viele  wichtige  Arbeiten  Flemmings  auf- 
zuzählen, z.  B.  die  zur  Kenntnis  des  Ovarialeies,  die  er  Karl 
Kupffer  zum  70.  Geburtstag  gewidmet  hat.  Er  hatte  anfangs 
wohl  manche  Gegner,  aber  später  schlössen  sich  viele  Mit- 
arbeiter an  ihn  an,  die  auf  der  von  ihm  geschaffenen  Grund- 
lage weiter  bauten.  Zahlreiche  junge  Anatomen  kamen  nach 
Kiel,  um  bei  dem  bewährten  Meister  sich  in  der  histologischen 
Forschung  auszubilden. 

Ein  im  Jahre  1892  auftretendes  schweres  Nervenleiden 
beeinträchtigte  seine  gewohnte  Tätigkeit,  ohne  jedoch  seinen 
Verstand  und  sein  Gedächtnis  zu  alterieren,  so  daß  er  1901 
um  Enthebung  von  seinem  Amte  nachsuchen  mußte. 

Alle,  welche  ihm  näher  traten,  verehrten  den  edlen  Mann 
von  unabhängiger  Gesinnung  und  wahrer  Herzensgüte. 

Ferdinand  Frhr.  v.  Richthofen.  ^) 

Durch  das  am  6.  Oktober  1905  erfolgte  Ableben  des  ordent- 
lichen Professora  für  Geographie  an  der  Universität  zu  Berlin 
Ferdinand  v.  Richthofen  hat  die  geographische  Wissenschaft 
ihren  bedeutendsten  Vertreter  verloren.     Aus  regster  Tätigkeit 

*)  Siebe  den  Nekrolog  von  Dr.  E.  Frhr.  Stromer  v.  Reicbenbach, 
Beilage  zur  Allgem.  Ztg.  1905,  Nr.  238,  und  .Gec^htnisfeier  fOr  Ferd. 
Frhr.  v.  Richthof^%  Beilage  zur  Allgem.  Ztg.  1906,  Nr.  252. 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  F.  v.  Richthofen.  473 

wurde  er  im  Alter  Ton  72  Jahren  abberufen.  Er  ist  von  der 
Geologie,  in  der  er  zuTor  Bedeutendes  geleistet  und  seinen 
Sinn  für  Katurforscbung  ausgebildet  hatte,  zur  Geographie 
geführt  worden. 

Am  5.  Mai  1833  zu  Karlsruhe,  einem  kleinen  Orte  Schlesiens 
geboren,  studierte  er  an  den  Universitäten  zu  Breslau  und 
Berlin  Geologie,  zu  der  er  schon  früh  besondere  Neigung 
gefallt  hatte;  mit  einer  geschätzten  Dissertation  «de  Melaphyro** 
trat  er  1856  zuerst  vor  die  Öffentlichkeit.  Nach  einer  geolo- 
gischen Studienreise  durch  Dalmatien  und  die  benachbarten 
Teile  der  Balkanhalbinsel  begab  er  sich  nach  Wien,  um  an 
den  praktischen  Aufnahmsarbeiten  der  geologischen  Reichs- 
anstalt Teil  zu  nehmen.  An  diesem  berühmten,  damals  unter 
der  Leitung  von  Ferdinand  v.  Hochstetter  stehenden  Institut 
fand  er  wie  so  viele  junge  Geologen  die  beste  Ausbildung. 
Gleichsam  als  Probeaufgabe  übernahm  der  junge  Pl-aktikant 
im  Sommer  1856  die  geologische  Durchforschung  eines  der 
wichtigsten,  zugleich  aber  auch  schwierigsten  Gebiete  in  den 
südtiroler  Alpen,  nämlich  die  Umgebung  der  berühmten  Fund- 
stätte von  Versteinerungen  in  St.  Cassian  und  des  höchst  interes- 
santen Fassatals  mit  dem  glänzendsten  Erfolge,  so  daß  schon 
diese  erste  größere  geologische  Publikation  als  Grundlage  für 
die  geologische  Auffassung  der  gesamten  südlichen  Ealkalpen 
gelten  kann;  sie  zeichnet  sich  durch  scharfe  und  kritische 
Beobachtung  der  so  verwickelten  Gebirgsverhältnisse,  durch 
klare  und  übersichtliche  Darstellung  sowie  durch  geistreiche 
Versuche  aus,  die  außergewöhnlichen  Erscheinungen  alpiner 
Gesteinsbildungen  naturgemäß  zu  erklären;  für  die  viel  um- 
strittene Theorie  der  Dolomitbildung,  welche  in  Südtirol  durch 
die  plötzlich  zu  enormer  Mächtigkeit  anschwellende  Ausbildung 
noch  besondere  Wichtigkeit  erlangt,  fand  er  eine  neue  Er- 
klärung in  der  Annahme  ihrer  Entstehung  aus  umgewandelten 
Korallenriffen.  In  den  folgenden  Jahren  beteiligte  sich  Bicht- 
hofen  an  den  Arbeiten  der  geologischen  Reichsanstalt  in  ver- 
schiedenen Gegenden  Österreichs  und  gewann  überall,  wo  er 
mit  seinem  eminenten  Fleiß  und  acharfem  Blick  seine  For- 


474  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

schungen  vornahm,  neue  Erfolge.  Sorgsam  in  der  Einzel- 
beobachtung ließ  er  gleichwohl  nie  unversucht,  einen  höheren 
wissenschaftlichen  Standpunkt  zu  gewinnen,  indem  er  im  Über- 
blick über  das  Ganze  allgemeine  Gesetze  ableitete  und  auf 
diese  Weise  die  geologische  Wissenschaft  wesentlich  förderte. 
So  wuäte  er  namentlich  mit  vielem  Glück  aus  den  Ergebnissen 
seiner  Forschungen  in  den  vulkanischen  Gebieten  Ungarns  eine 
tiefere  Gliederung  der  bis  dahin  fast  zusammenhangslos  be- 
trachteten trachytischen  Gebilde  zu  gewinnen.  In  den  tiroler 
Kalkalpen,  wo  er  gleichzeitig  mit  der  bayerischen  geogno- 
stischen  Aufnahme  beschäftigt  war,  trugen  seine  Arbeiten  nicht 
wenig  dazu  bei,  diese  Teile  des  Hochgebirges  in  beiden  Länder- 
gebieten in  einheitlichem  Sinne  zur  geologischen  Darstellung 
zu  bringen. 

Eine  Wendung  in  der  wissenschaftlichen  Tätigkeit  Richt- 
hofens  brachten  hierauf  seine  großen  Reisen  hervor,  die  ihn 
der  Geographie  zuführten.  Er  wurde  nämlich  im  Jahre  1860 
aufgefordert,  die  preußische  außerordentliche  Gesandtschaft  des 
Grafen  zu  Eulenburg,  die  mit  den  ostasiatischen  Reichen  Japan, 
China  und  Siam  Handelsverträge  abschließen  sollte,  als  Geologe 
mit  dem  Range  eines  Legationssekretäi-s  zu  begleiten.  Zahl- 
reiche wichtige  Reiseberichte,  welche  bereits  während  der 
Expedition  erschienen,  z.  B.  über  den  Gebirgsbau  an  der  Nord- 
küste von  Formosa,  Bemerkungen  über  Ceylon,  die  Nummu- 
liten-Formation  in  Japan  und  auf  den  Philippinen  legen  Zeugnis 
ab  von  seiner  unermüdlichen  und  erfolgreichen  Tätigkeit.  Als 
die  Expedition  von  Siam  heimwärts  ging,  blieb  Richthofen 
zurück,  um  allein  und  selbständig  weitere  Aufgaben  zu  lösen ; 
er  wandte  sich  nach  Hongkong,  Schanghai,  besuchte  Formosa, 
die  Philippinen,  Celebes,  Java  und  wollte  von  Bangkok  zum 
Ganges  vordringen,  um  über  Kaschmir  durch  China  zum  Tian- 
Schan  zu  kommen,  was  ihm  aber  erst  vier  Jahre  später  gelang. 
Er  begab  sich  daher  nach  Kalifornien  und  die  Sierra  Nevada, 
die  er  durchforschte.  Die  Ergebnisse  dieser  ausgedehnten 
Reisen  wurden  in  zahlreichen  wichtigen  Publikationen  nieder- 
gelegt, so  die  über  das  Alter  der  Gold  führenden  Gänge  und 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  F.  von  Richthofen.  475 

der  von  ihnen  durchsetzten  Gesteine,  über  die  Metallproduktion 
Kaliforniens  und  insbesondere  die  Principles  of  the  natural 
System  of  Tolcanit  rocks,  in  welcher  Abhandlung  er  eine 
generelle  Klassifikation  aller  auf  der  Erde  auftretenden  vul- 
kanischen Gesteine  mit  dem  ihm  eigentümlichen  Schar&inn 
und  auf  Grund  seiner  ausgedehnten  Erfahrungen  aufstellt,  auch 
die  Gesetze  der  gegenseitigen  Beziehungen  zwischen  Massen- 
Eruptionen  und  vulkanischer  Tätigkeit  einer  gründlichen  Er- 
örterung unterzieht  und  endlich  die  Beziehung  der  Vertei- 
lung vulkanischer  Gesteine  zur  Gestaltung  der  Erdoberfläche 
klar  legt. 

Von  da  zog  er  nun  1868  nach  Schanghai,  um  während 
vier  Jahren  sich  der  umfassenden  Erforschung  Japans  und 
Chinas  zu  widmen,  die  er  in  den  verschiedensten  Richtungen 
durchzog ;  von  den  18  Provinzen  Chinas  lernte  er  dabei  13  kennen. 
Seine  Forschungen  in  China  lieferten  ihm  nach  der  im  Jahre  1872 
erfolgten  Rückkehr  nach  Europa  das  reichste  Material  zu  der 
bis  jetzt  eingehendsten  und  gründlichsten  Schilderung  der  da- 
mals noch  wenig  bekannten  geographisch-geologischen  Verhält- 
nisse dieses  ausgedehnten  Landes.  Mit  diesem  großartigen 
Reisewerk  über  China,  der  Frucht  Jahre  langer  Arbeit,  welches 
nach  allen  Beziehungen  den  bedeutendsten  auf  diesem  Gebiete 
erschienenen  Publikationen  ebenbürtig  zur  Seite  gestellt  zu 
werden  verdient,  hat  sich  Richthofen  einen  Ehrenplatz  unter 
den  hervorragendsten  Geologen  und  Forschern  auf  geographi- 
schem Gebiete  gesichert;  es  enthält  die  Grundzüge  des  geolo- 
gischen Aufbaus  Ostasiens  und  ist  bahnbrechend  für  die  wissen- 
schaftliche Erschließung  des  fernen  Ostens  gewesen.  Außerdem 
waren  von  Wichtigkeit  seine  Briefe  über  China  an  die  ihn 
unterstützende  Handelskammer  in  Schanghai  mit  gründlichen 
Schilderungen  der  politischen,  sozialen  und  wirtschaftlichen 
Verhältnisse  Chinas;  dann  die  Schrift:  Aufgaben  und  Methoden 
der  heutigen  Geographie,  die  Anleitung  zur  praktischen  geo- 
graphischen Arbeit  und  der  im  Jahre  1886  erschienene  „Führer 
für  Forschungsreisende*,  worin  er  die  Prinzipien  seiner  For- 
schung darlegte. 


476  öffentliche  Sitzung  vom  14.  März  1906. 

Nach  Abschluß  seiner  großen  Reise  erhielt  er  1875  einen 
Ruf  als  ordentlicher  Professor  der  Geologie  an  die  Universität 
Bonn  mit  der  Zusage,  die  Stelle  erst  nach  Vollendung  des 
ersten  Teils  seines  Reisewerkes  (1879)  antreten  zu  dürfen;  1883 
erfolgte  die  Berufung  als  Professor  der  Geographie  nach  Leipzig 
und  1886  die  nach  Berlin  in  gleicher  Eigenschaft. 

Wie  er  vom  Geologen  zum  Geographen  sich  allmählich 
entwickelte,  beschrieb  er  in  seiner  vor  der  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Berlin  im  Jahre  1899  gehaltenen  Antritts- 
rede mit  folgenden  Worten :  «Mein  Studium  war  die  Geologie. 
Ihre  praktische  Anwendung  auf  den  Gebirgsbau  heimischer  und 
fremder  Länder  stellte  ich  mir  früh  als  Ziel  der  Forschung. 
Das  Streben,  die  Gesamtheit  der  Erscheinungen  zu  erfassen, 
welche  dem  Wesen  und  den  natürlichen  Veränderungen  von 
mir  untersuchten  Erdräumen  zugrunde  liegen,  führte  mich  zur 
physischen  Geographie,  inbesondere  zu  deren  wichtigstem  Zweig, 
der  Geomorphologie.*  Er  setzte  dabei  die  geologischen,  phy- 
sischen, historischen,  wirtschaftlichen  und  kulturellen  Probleme 
stets  zu  einander  in  Beziehung  und  zog  aus  seinen  wissen- 
schaftlichen Untersuchungen  die  praktischen  Folgerungen. 

So  ist  er  zum  angesehendsten  Geographen  seiner  Zeit  und 
zum  Richtung  gebenden  Führer  in  seiner  Wissenschaft  geworden. 
Es  gingen  außerdem  von  ihm  noch  andere  wichtige  Anregungen 
hervor.  So  war  er  der  Gründer  und  erste  Direktor  des  In- 
stituts für  Meereskunde  in  Berlin,  in  dem  die  deutsche  Meeres- 
forschung sich  konzentrierte.  Das  geographische  Institut  der 
Universität  erhob  er  auf  die  Höhe  einer  Musteranstalt.  Mehr 
als  30  Jahre  war  er  der  eifrigste  Förderer  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde  und  17  Jahre  lang  ihr  erster  Präsident,  der  er  den 
Geist  ernster  wissenschaftlicher  Forschung  einzupflanzen  wufite. 
Auf  dem  Geographentage  in  München  1884  beantragte  er 
die  Schaffung  eines  Repertoriums,  das  dann  als  «Bibliotheca 
geographica*  von  der  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde  ver- 
wirklicht wurde. 

Er  war  auch  ein  ungemein  eifriger  und  beliebter  Lehrer, 
der  eine  große  Anzahl  von  Schülern  um  sich  versammelte,  die 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Otto  Stolz.  477 

er  für  die  Wissenschaft  zu  begeistern  wußte.  In  seiner  viel 
besuchten  Vorlesung  der  vergleichenden  Übersicht  der  Kon- 
tingente gab  er  aus  dem  reichen  Schatze  seines  Wissens  ein 
anschauliches  Bild  von  dem  Zusammenhang  des  geologischen 
Aufbaues  der  Gestalt  der  Erdoberfläche,  den  klimatischen 
Verhältnissen,  der  Flora  und  Fduna  und  der  wirtschaftlichen 
Entwicklung  der  Bewohner.  Von  besonderer  Bedeutung  war 
das  GoUoquium  für  Vorgerücktere,  einem  Seminar  für  ältere 
Studierende  und  junge  Gelehrte  aller  möglichen  Wissensgebiete, 
in  dem  er  sein  Bestes  gab  und  seine  Schule  erzog.  Ein  edler 
Mensch  von  schlichter  sittlicher  Gröläe  und  unabhängigem  Cha- 
rakter ist  mit  ihm  dahingegangen. 


Otto  Stolz. 

Am  23.  November  1905  starb  in  Innsbruck  der  Professor 
der  Mathematik  an  der  Universität  daselbst  Dr.  Otto  Stolz  im 
Alter  vom  63  Jahren.  Er  wurde  am  2.  Juli  1842  zu  Hall  in 
Tirol  als  der  Sohn  des  Direktors  der  Landesirrenanstalt  ge- 
boren und  studierte  in  Innsbruck  und  Wien  Mathematik  und 
Astronomie.  Nachdem  er  1864  promoviert  hatte,  habilitierte 
er  sich  1867  an  der  Wiener  Universität  als  Privatdozent  ftlr 
Mathematik  und  wurde  zugleich  als  Assistent  an  der  Wiener 
Sternwarte  angestellt  Im  Jahre  1869  verließ  er  diese  Stellung, 
um  mit  Hilfe  eines  Reisestipendiums  bei  Kummer,  Weierstraß 
und  Eronecker  in  Berlin,  sodann  bei  Clebsch  in  Göttingen 
seine  Studien  fortzusetzen.  1871  nahm  er  seine  Lehrtätigkeit 
in  Wien  wieder  auf,  wurde  aber  schon  im  folgenden  Jahre 
nach  Innsbruck  berufen,  wo  ein  zweiter  Lehrstuhl  für  Mathe- 
matik errichtet  worden  war;  1876  erhielt  er  die  ordentb'che 
Professur  daselbst.  Trotz  mehrfacher  verlockender  Rufe  nach 
Wien  ist  er  doch  seiner  Landesuniversität  treu  geblieben.  Er 
war  wirkliches  Mitglied  der  Kaiserl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Wien  und  seit  1900  korrespondierendes  Mitglied 
unserer  Akademie. 


478  öffentliche  Sitzung  vom  14.  Mara  1906. 

Als  Schüler  von  Clebsch  wandte  er  sich  zunächst  der 
analytischen  Oeometrie  zu.  Seine  erste  größere  Arbeit  auf 
diesem  Gebiete:  ,Über  die  geometrische  Bedeutung  der  kom- 
plexen Elemente  in  der  Geometrie*  (1871)  löste  in  überaus 
glücklicher  Weise  das  Problem,  gewisse  rein  geometrische  Er- 
gebnisse der  Staudtschen  Forschungen  dem  Gebiete  der  ana- 
lytischen Geometrie  einzuverleiben.  Es  folgten  eine  Reihe 
weiterer  analytisch-geometrischer  Arbeiten,  die  wie  die  eben- 
genannte während  der  siebenziger  Jahre  in  den  Mathematischen 
Annalen  erschienen  sind  und  sich  auf  singulare  Punkte,  As- 
symptoten  und  Schnittpunkte  algebraischer  Kurven  beziehen. 
Eine  tiefere  kritische  Untersuchung  gewisser  Grundlagen  der 
Geometrie,  wie  sie  in  seiner  Abhandlung:  „Über  die  Geometrie 
der  Alten,  insbesondere  über  ein  Axiom  des  Archimedes*  (1883) 
zutage  tritt,  sodann  wohl  auch  seine  I^ehrtätigkeit  und  die  in 
der  Berliner  Studienzeit  empfangenen  Anregungen  führten  ihn 
allmählich  ganz  jener  Richtung  zu,  welche  man  wohl  allge- 
mein als  die  Weierstraßsche  zu  bezeichnen  pflegt  und  deren 
Endziel  in  der  strengen  arithmetischen  Begründung  und  lücken- 
losen Ausgestaltung  der  Funktionenlehre  besteht.  Die  Mathe- 
matischen Annalen  der  letzten  zwanzig  Jahre  und  die  Sitzungs- 
berichte der  Wiener  Akademie  enthalten  eine  ansehnliche  Zahl 
Stolzscher  Arbeiten  über  Gegenstände  des  ebenbezeichneten 
Gebietes:  Grenzwerte,  Punktmengen,  Doppelreihen,  gleich- 
mäßige Konvergenz,  unendlich  kleine  Gröisen,  Maxima  und 
Minima,  bestimmte  Integrale  u.  a. 

Ohne  hier  auf  Einzelheiten  einzugehen,  sei  nur  hervor- 
gehoben, daß  der  für  die  Theorie  der  ein-  und  mehrfachen 
Integrale  fundamentale  Begriff  des  Inhalts  einer  Punktmenge 
zuerst  von  Stolz  formuliert  worden  ist  (1884).  Die  Resultate 
seiner  eigenen  Forschungen  und  die  Früchte  einer  ungewöhn- 
lich ausgedehnten  Literaturkenntnis  faßte  er  in  zwei  größeren 
Werken  zusammen:  Den  zweibändigen  »Vorlesungen  über  all- 
gemeine Arithmetik*  (1885—1886)  und  den  „Grundzügen  der 
Differential-  und  Integralrechnung*  (3  Bände,  1893  —  1899); 
ihnen  folgte   die  .Theoretische  Arithmetik*;    dieselben   haben 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Otto  Stolz.  479 

nicht  wenig  dazu  beigetragen,  die  schärferen  Methoden  der 
neueren  Analysis  und  deren  schwierige  Untersuchungsgebiete 
weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen,  und  sind  jedem  Fach- 
mann zu  unentbehrlichen  Handbüchern  geworden.  In  unseren 
Sitzungsberichten  vom  7.  Januar  1905  erschien  noch  eine  Ab- 
handlung von  ihm:  , Beweis  eines  Satzes  über  das  Vorhanden- 
sein des  komplexen  Integrals/ 

Stolz  hatte  auch  das  Bestreben,  die  Lehren  der  Wissen- 
schaft dem  Volke  zugänglich  zu  machen;  dahin  gehört  sein 
vortreffliches  Buch  „Die  Sonne*  sowie  seine  Rede  über  „Größen 
und  Zahlen*,  in  welche  er  einige  Wesensbegriffe  der  Mathe- 
matik mit  philosophischen  Betrachtungen  in  geistvoller  Weise 
entwickelt. 

Er  war  ein  ausgezeichneter  Lehrer,  zu  dessen  Schülern 
viele  Studierende  der  Theologie  gehörten. 

Seine  Freunde,  zu  denen  ich  mich  zu  zählen  das  Olück 
hatte,  haben  ihn  als  echte  Tiroler  Natur,  begeistert  für  die 
Schönheiten  seines  Vaterlandes,  trotz  seines  großen  Wissens 
als  einfachen  und  biederen  Mann  von  zuverlässigem  Charakter 
und  großer  Liebenswürdigkeit  gekannt. 


Generalmajor  Karl  v.  Popp. 

In  dem  am  22.  Oktober  1905  im  81.  Lebensjahre  in 
München  verstorbenen  Generalmajor  a.  D.  Karl  von  Popp  verlor 
die  Akademie  einen  um  die  Erforschung  der  Urgeschichte 
Bayerns  höchst  verdienten  Mitarbeiter.  Popp  war  nicht  nur 
ein  hervorragender  tapferer  Offizier,  er  war  auch  ein  Gelehrter, 
der  sich  mit  großer  Ausdauer  und  Sachkenntnis  der  Erfor- 
schung des  Limes  und  seiner  fortifikatörischen  Anlagen  und 
Straßen  widmete.  Als  Militär,  anfangs  dem  Topographischen 
Bureau  des  Generalquartiermeisterstabes  zu  gleicher  Zeit  mit 
unserem  Mitgliede  v.  Orff  zugeteilt,  interessierte  er  sich  schon 
früh  lebhaft  für  diese  Koste  der  altrömischen  Befestigungen  in 
Deutschland   und  er  hatte  durch   deren  genaue  Untersuchung 


480  öffentliche  Sitzung  vom  14-  M&rz  1906. 

die  Kenntnisse  über  dieselben  sehr  gefördert.  Da  war  es  selbst- 
verständlich, daä  die  Akademische  Kommission  für  Erforschung 
der  Urgeschichte  Bayerns  sich  1890  als  technischen  Beirat  den 
Mann  erwählte,  welcher  der  erfahrenste  für  ihre  römischen 
Untersuchungen  war.  In  der  Festrede  am  141.  Stifkungstage 
der  Akademie  im  Jahre  1900  hat  Herr  Johannes  Ranke  die 
höchst  ersprießlichen  Leistungen  Popps  für  die  Kommission 
nach  den  Berichten  des  damaligen  Vorsitzenden  der  Kommission 
Heinrich  v.  Brunn  geschildert.  Popp  wird  darin  als  eine  für 
seine  Aufgabe  in  seltener  Weise  qualifizierte  Persönlichkeit 
bezeichnet:  „Gewöhnt  im  Gelände  überall  persönlich  zu  unter- 
suchen, Terrainstudien  und  Aufnahmen  in  technisch  und  künst- 
lerisch vollendeter  Weise  selbst  auszuführen,  vollkommen  ver- 
traut mit  jeder  Einzelheit  der  vorliegenden  Aufgaben,  seit 
lange  überall  in  Stadt  und  Land  bekannt  und  verehrt  als 
Förderer  der  urgeschichtlichen  topographischen  Untersuchungen.* 
Er  übernahm  die  Beaufsichtigung  und  Leitung  sowie  die  selbst- 
ständige Untersuchung  der  römischen  Altertumsreste;  als  solcher 
nahm  er  von  neuem  den  Limes  mit  seinen  fortifikatorischen 
Anlagen  topographisch  auf,  wodurch  mehrere  ältere  Annahmen 
berichtigt  werden  konnten.  Außerdem  wurden  von  ihm  die 
römischen  Fundplätze  und  Straßen  im  Lande  besucht,  genau 
untersucht  und  kartographisch  festgelegt.  Er  hatte  ferner  die 
Angaben  der  Mitarbeiter  über  neu  gemachte  Romerfunde  zu 
prüfen  und  ihre  Untersuchungen  zu  überwachen.  Auch  die 
vorrömischen  und  mittelalterlichen  Befestigungen  nahm  er 
unter  seinen  Schutz.  Unausgesetzt  war  der  liebenswürdige 
Mann  bereit,  seine  Mitarbeiter  durch  Rat  und  Tat  zu  unter- 
stützen, neue  Mitglieder  der  Sache  zu  gewinnen  und  die 
historischen  Vereine  und  Altertumsgesellschaffcen  zur  Tätigkeit 
anzuregen.  In  dieser*  Weise  hat  er  die  urgeschichtlich-archäo- 
logische Landesaufnahmen  neu  belebt.  Er  war  auch  der  Vor- 
sitzende der  Kartenkonunission,  welche  genaue  topographische 
Aufnahmen  der  urgeschichtlichen  Bodenaltertümer  machte  und 
sie  in  die  Katasterblätter  eintrug,  um  für  spätere  Zeiten  ihren 
Ort  festzustellen.     Als   die  Erforschung    des  römischen  Limes 


C.  Voit :  Nekrolog  auf  Karl  v.  Popp. 


481 


auf  das  Deutsche  Reich  überging,  wurde  Popp  stimmftthrendes 
Mitglied  der  Reichslimes-Eoinmission  und  ihres  engeren  Aus- 
schusses. 

Die  Akademie  verlieh  Popp  im  Jahre  1899  an  seinem 
80.  Gebiirtstage  für  seine  vielseitige  und  ergebnisreiche  Tätig- 
keit bei  der  Kommission  die  goldene  Medaille  ,,Bene  Merenti*^ 
als  höchste  Auszeichnung.  Wir  werden  des  verdienstvollen 
treuen  Mitarbeiters  stets  in  Dankbarkeit  und  Hochachtung 
gedenken. 


482  Berichtigungen, 


Berichtigungen. 

1.  Zu  der  Abhandlmg  JübBr  äh  Grundlagen  dar  Thaaria  dar  FakuHHanraMiaiiP* 

van  Edmund  Landau. 

Auf  S.  156,  Z.    6  v.u.  lies:   \Cn  —  ^»-|-i|   statt  (c„  —  ^w-hi)» 

1  -L  — 

Auf  S.  169,  Z.  10  V.  o.  lies:  -r-,  «? 7  statt  n'+'*<*i-*o>. 

Auf  S.  161,  Z.  12—14  V.  0.  lies: 

^ö  y,,  ^2,  y^y  y^   vier  reelle  Größen   bezeichnen   (0  <  y,  <  y- 
y^Ky^y  die  so  gewählt  sind,  daß  etc. 

Auf  S.  161,  Z.  6—6  V.  u.  lies: 

Wenn  eine  ganze  Zahl  y  oberhalb  der  fünf  Zahlen  |  x^\^ 

m^o)  +  Yi\  +  \Y,l  \^{^o)  +  Y,\+\nl  |9eK)  +  y.l +  1x4-1 

und  I  yiix^)  +  y»  I  +  I  ^4  I  gewählt  wird,  so  etc. 


2.  Zu  dar  Abhandlung  „EInIga  Falgerungan  aus  dar  Cauchyschan  latagraWanaat 
bal  Funktianen  mahrarar  Varändarllchan''  van  F.  Hartaga. 

S.  224  Z.  10  y.  o.  ist  hinter  , welche*'  einzuschalten:  (abgesehen 
von  dem  einfachsten,  die  Unmöglichkeit  isolierter  singii-» 
lärer  Stellen  betreifenden  Falle) 


Gollenshausen. 


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483 


Sitzungsberichte 

der 

KönigL  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Klasse. 

Sitzung  vom  3.  November  1906.  , 

1.  Herr  Sebastun  Finster  walder  legt  eine  Abhandlung  von 
Herrn  Moritz  y.  Rohr,  wissenschaftlichen  Mitarbeiter  der  Firma 
Zeiß  in  Jena,  vor  über:  „Die  beim  beidäugigen  Sehen 
durch  optische  Instrumente  möglichen  Formen  der 
Raumanschauung.^ 

Der  Charakter  der  natürlichen  Perspektive  mit  einem  Auge 
besteht  darin,  daß  das  Projektionszentrum  vom  Objekt  aus 
gesehen  gegen  den  Beobachter  zu  liegt  und  nahe  Dinge  größer 
erscheinen  als  gleich  große  fenie.  Beim  einäugigen  Sehen  durch 
optische  Instrumente  können  aber  auch  alle  gleich  großen 
Gegenstände  in  gleicher  Größe  erscheinen,  ja  sogar  die  fernen 
größer  als  die  nahen.  In  solchen  Fällen  kann  man  um  einen 
konvexen  Körper  herumsehen  und  z.  B.  von  einem  Würfel 
5  Flächen  von  einem  Punkt  aus  überblicken.  Beim  beidäugigen 
Sehen  hängt  die  zustande  kommende  Raumanschauung  außerdem 
von  der  Art  und  Weise  ab,  wie  durch  das  optische  Instrument 
die  beiden  Augen  in  den  Objektraum  hinausprojiziert  werden, 
ob  ihre  gegenseitige  Stellung  dabei  ungeändert  bleibt,  ob  sie 

1906.  SiUangsb.  d.  math.-phys.  Kl.  32 


Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  November  1906.        ^85 

3.  Herr  Hebm.  Ebbrt  berichtet  über  Versuche,  welche  er 
in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Dr.  Max  Edelmann  im  Laufe  des 
verflossenen  Jahres  über  ,,Pulsationen  von  kurzer  Dauer 
in  der  erdmagnetischen  Feldkraft"  angestellt  hat. 

Schon  früher  waren  regelmäßige  Schwingungen  bei  Ge- 
legenheit erdmagnetischer  Störungen  beobachtet  worden,  welche 
in  den  Feinregistrierungen  oft  sehr  entfernter  Stationen  in  auf- 
fallender Übereinstimmung  hervortraten  und  Eschenhagen 
glaubte  (1896)  in  solchen  Pulsationen  von  ca.  30  Sekunden 
Periodendauer  die  ,,  erdmagnetischen  Elementar  wellen*  gefunden 
zu  haben.  Indessen  wurden  bald  Anzeichen  dafür  erhalten,  daß 
in  den  erdmagnetischen  Elementen  regelmäßige  Schwankungen 
von  noch  viel  kürzerer  Dauer  vorkommen.  Um  diese  zu  ver- 
folgen wurde  auf  störungsfreiem  Terrain  im  Walde  (zwischen 
Icking  und  Wolfratshausen)  ein  vieladriges  Kabel  zu  einer 
größeren  Schleife  ausgelegt  und  mit  einem  empfindlichen  Edel- 
m  a  n  n  sehen  Saitengalvanometer  verbunden,  dessen  überaus 
dünner  Metallfaden  jeder  Schwankung  der  elektrischen  Kraft 
genau  folgt,  welche  durch  das  Ein-  oder  Austreten  von  erd- 
magnetischen Kraftlinien  in  oder  außer  der  Leiterschleife  ge- 
weckt wird;  die  interessanten  Schwingungsbilder,  die  sich 
hierbei  auch  an  störungsfreien  Tagen  ergaben,  konnten  auf 
rotierenden  Filmstreifen  auch  photographisch  fixiert  werden; 
einige  derselben  wurden  in  der  Sitzung  vorgelegt. 

4.  Herr  H.  v.  Seelioer  legt  eine  Arbeit  des  Herrn  Dr. 
J.  B.  Messerschmitt,  Observators  des  erdmagnetischen  Obser- 
vatoriums bei  der  Sternwarte:  „Magnetische  Ortsbestim- 
mungen in  Bayern*  (2.  Mitteilung)  vor. 

Ein  über  das  ganze  Land  ziemlich  gleichmäßig  verteiltes 
Netz  von  Stationen  wurde  für  die  magnetische  Landesaufnahme 
durchbeobachtet.  Die  Ergebnisse  lassen  im  Zusammenhang  mit 
den  vor  50  Jahren  von  Lamont  angestellten  Messungen  die 
seither  stattgefundenen  Änderungen  der  magnetischen  Elemente 
genau  ermitteln.    Weiterhin  konnten  die  wichtigsten  magneti- 

32* 


486        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

sehen  Störungsgebiete  festgestellt  und  ein  Zusammenhang  mit 
den  Anomalien  der  Schwerkraft  und  mit  den  geologischen  Ver- 
hältnissen festgestellt  werden. 

5.  Herr  Alfred  Pringsheim  legt  eine  Note  des  Herrn  Dr. 
Georg  Faber  in  Karlsruhe  vor:  ^Über  Potenzreihen  mit 
unendlich  vielen  verschwindenden  Koeffizienten,* 

Der  Verfasser  gibt  ein  sehr  einfaches  Beispiel  für  die  von 
Herrn  E.  Fabry  bemerkte  Tatsache,  daß  gewisse  Potenzreihen 
mit  unendlich  vielen,  unbegrenzt  sich  erweiternden  Lücken  nur 
eine  einzige  singulare  Stelle  auf  dem  Konvergenzkreise  besitzen. 


487 


Die  beim  beidäugigen  Sehen  durch  optische  Instru- 
mente möglichen  Formen  der  Raumanschauung. 

Von  Moritz  t«  Rohr. 

(Binff^uftn  ,8,  November.) 
(Mit  Tafel  IV.) 

Wenn  man  die  Formen  der  Raumanschauung,  die  durch 
die  verschiedenen  binokularen  Instrumente  vermittelt  werden, 
systematisch  ordnen  will,  so  stößt  man  bei  der  Pseudoskopie 
auf  eine  gewisse  Schwierigkeit.  Diese  Erscheinung  ist  nicht 
nur  auf  eine  gewissermaßen  zufallige  Art  entdeckt  worden, 
sondern  sie  wird  auch  heute  noch  in  einer  recht  indirekten, 
an  den  Einzelheiten  der  pseudomorphen  Instrumente  haftenden 
Weise  der  Orthoskopie  gegenübergestellt. 

Die  Betrachtung  der  Strahlenbegrenzung  schien  hier  ein 
einfaches  Einteilungsprinzip  an  die  Hand  zu  geben,  und  die 
eingehende  Behandlung  der  verschiedenen  Fälle  lieferte  auch 
eine  Erweiterung  der  Erkenntnis  für  die  beim  einäugigen  Sehen 
auftretenden  Möglichkeiten. 

Wenn  man  mit  freien  Augen  ein  Objekt  betrachtet,  so 
sind  stets  zwei  Bedingungen  ohne  weiteres  erfüllt,  und  zwar 
ist  ihre  Erfüllung  so  selbstverständlich,  daß  ihr  Bestehen  bei 
der  Behandlung  des  Sehvorganges  meistens  übersehen  wird. 
Einmal  liegt  im  Sinne  der  Lichtbewegung  das  Objekt  in  Bezug 
auf  jedes  Einzelauge  vom,  und  dann  ist  die  Lage  der  beiden 
Augen  zueinander  stets  so,  daß  ihre  Medial-  oder  Nasenseiten 
einander  zu-,  ihre  Lateral-  oder  Schläfenseiten  voneinander 
abgewandt   sind.     Beide   Bedingungen    sollen   in    der   neben- 


488        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

stehenden  Figur  1  als  erfüllt  kenntlich  gemacht  sein.     Die  erste 
von   ihnen   ist  die  Bedingung   des  einäugigen,    die    zweite    die 

des  beidäugigen  natürlichen  Se- 
hens.   Es  ist  auch  ganz  unmög- 
0<^     lieh,    sich    beim   Gebrauch    der 
r     unbewaffneten  Augen   den  Ob- 
0  jekten  gegenüber  von  der  Ein- 

Fig.  1.   Die  Betrachtung  do^  Ob-    Haltung  dieser  Bedingungen  frei 
jekts  0  mit  unbewaffneten  Augen,     zu  machen. 

Der  Charakter  der  natürlichen  Perspektive. 

Die  soel>en  erwähnte  Lage  des  Einzelauges  zum  Objekt 
hat  zur  Folge,  daß  sich  das  Projektionszentrum  jenes  flächen- 
haften Bildes,  das  allein  dem  Auge  zugänglich  ist,  im  Beob- 
achter oder  zwischen  Objekt  und  Beobachter  befindet;  dabei 
ist  es  für  den  Charakter  der  Perspektive  gleichgültig,  ob  sie 
durch  die  Mitte  der  Augenpupille  oder  —  im  freien,  direkten 
Sehen  —  durch  den  Augendrehungspunkt  bestimmt  wird.  Ja, 
es  ändert  sich  der  perspektivische  Charakter  —  die  geringere 
Größe  weiter  entfernter  Gegenstände  —  nicht,  wenn  die  Strahlen- 
begrenzung durch  ein*  enges  Loch  zwischen  dem  Objekt  und 
dem  Auge  vorgenommen  wird,  während  die  Beobachtung  bei 
ruhig  gehaltenem  Auge  dufch  die  weit  geöfinete  Pupille,  oder 
bei  bewegtem  Kopfe  und  entsprechend  bewegtem  Auge  als  eine 
reine  Schlüssellochbeobachtung  zustande  kommt. 

Das  Gemeinsame  für  alle  diese  Fälle  soll  dadurch  hervor- 
gehoben werden,  daß  man  überall  da,  wo  es  sich  um  die  ge- 
wöhnliche Perspektive  handelt,  dieselbe  Bezeichnung  für  den 
Strahlengang  anwendet.  Da  in  diesen  Fällen  stets  das  Zentrum 
der  Projektion  vom  Objekt  aus  gerechnet  in  der  Richtung  auf 
den  Beobachter  zu  liegt,  so  sei  der  Strahlengang  als  ein  ento- 
zentrischer  (von  ivzog  =  diesseits)  eingeführt. 

Dieser  Charakter  der  natürlichen  Perspektive,  daß  vom 
Objekt  aus  gesehen  das  Zentrum  nach  dem  Beobachter  zu  in 
endlicher  Entfernung  liegt,  und  daß  daher  ein  näheres  Objekt 


M.  V.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauang.  489 

dem  Beobachter  unter  einem  größeren  Gesichtswinkel  erscheint 
als  ein  gleichgroßes  ferneres,  ist  unumgänglich  nötig,  wenn 
die  Erscheinungsformen  der  Umgebung  auf  Grund  der  Erfah- 
rung schnell  und  zutreffend  gedeutet  werden  sollen.  Man  geht 
kaum  zu  weit,  wenn  man  der  natürlichen  Perspektive  für  die 
Raumvorstellung  eine  noch  größere  Bedeutung  beilegt  als  sogar 
dem  Sehen  mit  beiden  Augen. 

Die  Aufhebung  der  natürlichen  Perspektive. 

Die  optischen  Instrumente  bieten  die  Möglichkeit,  sich 
von  den  verschiedenen  soeben  aufgezählten  Beschränkungen 
frei  zu  machen,  sei  es,  daß  das  sie  verlassende  Licht  nur  ge- 
brochen oder  nur  gespiegelt  oder  gebrochen  und  gespiegelt 
wurde.  Bei  der  Unvollständigkeit,  mit  der  die  Wirkung  solcher 
optischen  Vorkehrungen  betrachtet  zu  werden  pflegt,  erscheint 
es  zweckmäßig,  hier  einen  kurzen  Exkurs  einzuschalten,  wobei 
auf  die  ausführlicheren  Darstellungen  verwiesen  sei,  die  sich 
an  anderen  Stellen^)  finden. 

Die  Wirkung  eines  optischen  Instruments  auf  einer  Schirm- 
fläche (meistens  einer  Schirmebene)  beschränkt  sich  stets  auf 
die  Abbildung  eines  flächenhaften  Objektgebildes  oder  meistens 
der  Einstellungsebene.  Alle  nicht  in  dieser  Einstellungsebene 
liegenden  Objektpunkte  werden  von  der  Eintrittspupille  des 
Instruments  durch  Büschel  endlicher  Öffnung  in  sie  hinein- 
projiziert,  so  daß  sie  in  ihr  unscharf,  d.  h.  als  Zerstreuungs- 
kreise,  erscheinen.     Für  die  Perspektive   kommt  es  allein  auf 


^)  Die  Bilderzeugung  in  optischen.  Instrumenten  vom  Standpunkte  der 
geometrischen  Optik.  Bearbeitet  von  den  wissenschaftlichen  Mitarbeitern 
an  der  optischen  Werkstätte  von  Karl  Zeiß  P.  Culmann,  S.  Czapski, 
A.  König,  F.  Löwe,  M.  von  Rohr,  H.  Siedentopf,  E.  Wandersieb. 
Herausgegeben  von  M.  von  Rohr.  8®.  XX,  587  Seiten  mit  133  Textfig. 
Berlin,  J.  Springer,  1904,  S.  466-607. 

Grundzüge  der  Theorie  der  optischen  Instrumente  nach  Abbe.  Von 
S .  C  z  a p  s  k  i.  2.  Aufl.  Unter  Mitwirkung  des  Verfassers  und  mit  Beiträgen 
von  M.  von  Rohr.  Herausgegeben  von  0.  Eppenstein.  (Sonderabdruck 
aus  A.  Winkelmanns  Handbuch  der  Physik,  Bd.  6.)  Leipzig,  J.  A.  Barth, 
1904.   gr.  80.   XVI,  479  Seiten  mit  176  Textfig.,  S.  248—261. 


490 


Sitzung  der  math.-phjR.  Klasse  vom  3.  November  1906. 


die  Mittelpunkte  dieser  Zerstreuungskreise  an,  und  zwar  werden 
diese  durch  alle  die  Strahlen  bestimmt,  die  von  der  Mitte  der 
Eintrittspupille  ausgehen.  Die  so  auf  der  Einstellungsebene 
entstehende  Darstellung,  das  objektseitige  Abbild,  wird  dem 
Auge  dargeboten  —  unter  Umständen  unter  verändertem  Ge- 
sichtswinkel und  in  abweichendem  Maßstabe  — ,  doch  kann 
stets  die  Wirkung  des  optischen  Instruments  für  das  unbe- 
grenzt akkommodierende  Auge  in  theoretischer  Strenge  durch 
das  objektseitige  Abbild  ersetzt  werden,  wenn  man  die  Ge- 
sichtswinkel w'  kennt,  die  durch  das  Instrument  auf  der  Bild- 
seite hervorgebracht  werden. 

Je  nach  der  Größe  der  Augenpupille  im  Verhältnis  zu 
der  Austrittspupille  des  Instruments  sind  auch  bei  den  opti- 
schen Instrumenten  die  beiden  schon  für  das  unbewaffnete 
Auge  wichtigen  Fälle  möglich,  nämlich  der  des  unbehinderten 
Sehens,  wo  der  Augendrehungspunkt  die  Perspektive  bestimmt, 
und  der  der  Schlüssellochbeobachtung,  wo  die  Pupille  des  In- 
struments für  die  Perspektive  bestimmend  ist. 

Eine  Abweichung  von  der  bisher  allein  betrachteten  ento- 
zentrischen  Perspektive  ergab  sich,  als  Systeme  konstruiert 
wurden,  bei  denen  die  Eintrittspupille  im  Unendlichen  lag, 
oder  mit  anderen  Worten,  die  nach  der  Objektseite  telezen- 
trisch  gemacht  worden  waren.  Es  scheint,  daß  eine  solche 
Regulierung  des  Strahlenganges  (wobei  die  Abbiendung  in  der 
hinteren  Brennebene  des  den  Objekten  zugekehrten  Sjstemteils 
vorgenommen  wird)  bewußt  zuerst  von  E.  Abbe  eingeführt 
worden  ist.  Jedenfalls  hat  er  zuerst  ganz  allgemein  die  Folgen 
angegeben,  die  ein  solcher  Strahlengang  für  die  Maßverhält- 
nisse hat,  unter  denen  körperliche  Objekte  einem  durch  ein 
solches  System  schauenden  Auge  erscheinen.  Da  das  Projek- 
tionszentrum der  Objekte  im  Unendlichen  liegt,  so  muß  sich 
auf  der  Einstellungsebene  eine  Parallelprojektion  einstellen, 
eine  Erscheinungsform,  die  E.  Abbe^)  im  Falle  des  zusammen- 


^)  Ueber  mikrometrische  Messnng  mittelst  optischer  Bilder.  Sitzber. 
Jen.  Ges.  Med.  Natur w.  1878,  11 — 17,  S.  14.  Siehe  auch  in:  Gesammelte 
Abhandlungen  von  Ernst  Abbe.   Bd.  I.   G.  Fischer,  Jena  1904,  S.  168. 


M.  V.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauung.  491 

gesetzten  Mikroskops  sehr  deutlich  beschrieben  hat.  Und  in 
der  Tat  finden  sich  bei  diesem  Instrument  die  Bedingungen 
für  den  telezentrischen  Strahlengang  sehr  häufig  verwirklicht. 
Herr  S.  Finsterwalder  hat  den  Verfasser  darauf  hingewiesen, 
daß  man  sich  des  telezentrischen  Strahlen  ganges  mit  Vorteil 
bedienen  könne,  um  mit  Hilfe  der  Photographie  exakte  Grund- 
und  Aufrisse  von  kleinen  Gegenständen  herzustellen.  Die  Kor- 
rektionsbedingungen, die  in  diesem  Falle  an  die  optischen 
Systeme  zu  stellen  sind,  lassen  sich  ohne  Schwierigkeit  erfüllen. 
Man  kann  nun  noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und  sich 
bemühen,  die  Eintrittspupille  vor  die  Objekte  zu  legen,  so  daß 
gerade  die  vom  Beobachter  weiter  entfernten  Objekte  unter 
größeren  Gesichtswinkeln  erscheinen.  Ein  solcher  Versuch 
erscheint  zunächst  aussichtslos,  weil  er  im  Widerspruch  zu 
der  Erkenntnis  zu  stehen  scheint,  daß  alle  durch  optische 
Mittel  realisierbaren  Abbildungen  rechtläufig  ^)  sind.  Da  nun 
das  normale  Auge  hinter  den  Bildern  liegen  muß,  wenn  es  sie 
wahrnehmen  soll,  so  müßte  auch  die  Eintrittspupille  des  Sy- 
stems hinter  den  Objekten  liegen.  Dieser  Schluß  ist  ganz 
bündig,  wenn  Bilder  und  Auge  nicht  durch  die  Unstetigkeits- 
ebene  des  Bildrauras  getrennt  sind.  Ist  das  aber  der  Fall,  so 
kann  infolge  der  gegenseitigen  Durchdringung  des  Objekt-  und 
des  Bildraums  die  gewünschte  Lage  des  Projektionszentrums 
herbeigeführt  werden.  Das  Ergebnis  zeigt  sich  in  der  Figur  2. 
Es  handelt  sich  dabei  um  ein  kleines  Hausmodell  von  40  mm 
Länge,  7  mm  Breite,  10  mm  Seitenwand-  und  15  mm  First- 
höhe. (In  der  Figur  3  ist  es  in  gewohnter  Weise  aufgenommen 
dargestellt.)  Es  war  hinter  einer  Linse  von  8  cm  Brennweite 
und  dem  zweckmäßigerweise  besonders  großen  Offnungs- 
verhältnis  von  1  :  1  aufgestellt  und  durch  sie  hindurch  mit 
einem  photographischen  Objektiv  aufgenommen  worden,  dessen 
Eintrittspupille  um  mehr   als   8  cm   von  der  Vorderfläche  der 


*)  Unter  „Rechtläufigkeit"  ist  dabei  diejenic^e  Eigentümlichkeit  der 
Abbildung  zu  verstehen,  nach  welcher  die  Bildpunkte  im  Sinne  der 
Lichtrichtung  dieselbe  (nicht  die  entgegengesetzte)  Reihenfolge  einnehmen 
wie  die  zogebörigen  Objektpunkte. 


4:92        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

Linse  entfernt  war.    Da  die  hinteren  Teile  des  Modells  größer 
erscheinen  als  die  vorderen,   so  gestattet   dieser  Strahlengang, 


rx 


-JJ 


Fig.  2.   Das  Hausmodell  in 
unnatürlicher  Perspektive. 


Fig.  3.    Das  Hausmodell  io 
natürlicher  Perspektive. 


mit  einem  Auge  »um  das  Objekt  herumzusehen",  wie  Herr 
S.  Finsterwalder  das  Auffallende  dieser  Darstellungsart  kurz 
bezeichnet. 

Geht  man  nun  auf  den  Abbildungsvorgang  etwas  näher 
ein,  so  mag  dazu  die  rein  schematische,  einen  Meridianschnitt 
darstellende   Figur  4   dienen.     Die    Linse   L   mit   den   Brenn- 


T  0'  0  ((q, 


V 


F' 


■-^. 


r 


Fig.  4.   Eine  schematische  Dai-stellung  des  hyperzentrischen  Strahlen- 
ganges durch  die  Wiedergabe  des  Meridianschnitts. 

P  Objektauge,  F*  Auge  im  Bildraum.    Die  auf  den' Objektraum 
bezüglichen  Graden  sind  ^ausgezogen,  die  den  Bildraum 

betreffenden  gestrichelt. 

punkten  F  und  F'  sei  vor  dem  als  Objekt  dienenden  Würfel- 
skelett 0  0^0^0  aufgestellt.     Das  beobachtende  Auge  befinde 


M.  V.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauung.  493 

sich  in  dem  Acbsenpunkte  P*  und  werde  durch  die  Linse  reell 
und  umgekehrt  in  dem  Objektauge  P,  also  anscheinend 
vor  dem  Objekt  abgebildet.  Es  sei  ferner  angenommen,  daß 
auf  die  dem  Beobachter  zugekehrte,  durch  0^  gehende  Würfel- 
fläche akkommodiert  werde.  Alsdann  ist  die  Konstruktion  des 
objektseitigen  Abbildes  einfach:  von  P  aus  werden  alle  Punkte 
des  Würfelskeletts  in  die  durch  Oj  gehende  Einstellungsebene 
projiziert,  und  man  sieht  ohne  weiteres,  daß  die  durch  0 
gehende  Würfelfläche  0  0  in  der  Einstellungsebene  größer  wird 
{Ojfi}  als  die  durch  0^  gehende,  näherliegende  0^0^,  Es  ist 
außerdem  des  leichteren  Verständnisses  wegen  das  Bildrelief 
des  Würfelskeletts  gezeichnet  worden,  so  daß  man  auch  ein- 
sieht, wie  dieser  Effekt  im  Bildraume  zustande  kommt.  Der 
scheinbare  Widerspruch  mit  dem  Gesetz  der  rechtläufigen  Ab- 
bildung löst  sich  durch  die  Betrachtung  der  Lichtrichtung: 
Die  auf  P  treffenden  Strahlen  von  Punkten  des  Würfelskeletts 
gelangen,  da  eine  Lichtrichtung  von  links  nach  rechts  voraus- 
gesetzt ist,  erst  dann  nach  P,  wenn  sie  das  Unendliche  passiert 
haben  und  zwar  in  einer,  mit  der  anfänglichen  übereinstimmen- 
den Richtung.  P  liegt  also  wirklich  für  diese  Betrachtung 
hinter  0  0,.  Da  das  Objektauge  P  zwar  umgekehrt  ist,  aber 
auch  abwärts  gerichtete  Gesichtswinkel  w  erhält,  so  wird  im 
Bildraume  das  Bildrelief  aufrecht  wahrgenommen.  Die  un- 
natürliche Perspektive  aber  bleibt  bestehen,  und  man  kann  sich 
nicht  überreden,  daß  sie  einem  Würfelskelett  angehören  könne. 
Man  faßt  das  Gebilde  stets  in  einer  ganz  bestimmten  Weise 
verzerrt  auf,  weil  eine  solche  Erscheinungsform  des  Würfel- 
skeletts jeder  Erfahrung  widerspricht.  Sie  mag,  den  vorigen 
Namen  entsprechend,  hyperzentrisch  heißen. 

Schon  oben  war  darauf  hingedeutet  worden,  daß  diese 
Erscheinungen  am  deutlichsten  auftreten,  wenn  das  Offiiungs- 
verhältnis  des  abbildenden  Systems  besonders  groß  ist,  und  man 
sieht  auch  leicht  ein,  daß  dafür  große  Winkel  w  vorzüglich 
günstig  sind.  Systeme  mit  solchen  Eigenschaften  finden  sich 
namentlich  in  Hohlspiegeln,  die  sich  ja  auch  hinsichtlich  der 
Aufhebung  der  sphärischen  und  chromatischen  Abweichungen 


494        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

vor   gleicli   einfachen',    rein   dioptrischen   Konstruktionen    aus- 
zeichnen. 

Es  muß  sich  daher  diese  Erscheinung  häufig,  namentlich 
beim  Experimentieren  mit  Hohlspiegeln  geradezu  aufgedrängt 
haben;  sie  scheint  aber  nicht  weiter  beachtet  worden  zu  sein, 
oder  man  hat  sie  einfach  auf  die  Abweichungen  der  Systeme 
abgeschoben.  Jedenfalls  wurde  kein  Anhaltspunkt  dafür  ge- 
funden, daß  man  bisher  versucht  habe,  sie  aus  der  veränderten 
Strahlenbegrenzung  zu  erklären,  ähnlich  wie  das  E.  Abbe  für 
die  entsprechenden  Verhältnisse  beim  telezentrischen  Strahlen- 
gange getan  hat. 

Die  Tiefenwahrnehmung  beim  beidäugigen  Sehen. 

Durch  die  gleichzeitige  Verwendung  beider  Augen  beim 
Sehen  ist  die  Möglichkeit  einer  Tiefenwahmehmung  gegeben. 
Man  sieht  das  aus  der  nachfolgenden  schematischen  Figur  5 


Fig.  5.   Der  Strahlenverlauf  von  den  Fußpunkten  in  der 
Medianebene  befindlicher  Objekte. 

am  einfachsten,  bei  der  die  Annahme  gemacht  worden  ist,  daß 
die  beiden  verschieden  entfernten  Punkte  Oj,  0,  in  dem  Schnitt 
der  Horizontal-  und  der  Medianebene  liegen.  Hierbei  erkennt 
man  leicht,  daß  die  nach  dem  ferneren  Punkte  gerichteten 
Strahlen  in  dem  vor  den  Augen  liegenden  Gebiet  mehr  schlafen-, 
die  nach  dem  näheren  mehr  nasenwärts  verlaufen.  Die  Be- 
trachtung dieses  ganz  einfachen  Falles  mag  hier  genügen :  die 
allgemeineren  Fälle  würden  sich  ohne  Schwierigkeit  durch  die 
Einführung  der  Helmholtzischen  stereoskopischen  oder  der 
ihnen  entsprechenden  angularen  Differenzen  erledigen  lassen. 
Die  Tiefenwahrnehmung  ist  auf  diese  Weise  nicht  nur  körper- 


M.  V.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauung.  495 

liehen  Objekten  gegenüber  möglich,  sie  findet  auch  dem  von 
einem  beliebigen  optischen  System  gelieferten  Bildrelief  gegen- 
über statt  und  führt  zu  einem  richtigen  (d.  h.  mit  dem  durch 
die  Betrachtung  der  Objekte  selbst  gewonnenen  Resultat  über- 
einstimmenden) Ergebnis,  weil  alle  optischen  Systeme,  wie 
schon  bemerkt,  rechtläufig  sind,  also  die  Richtung  der  Tiefen- 
ausdehnung der  Objekte  nicht  verändern.  E.  Abbe*)  scheint 
zuerst  auf  diese  allgemeine  Eigenschaft  des  Bildreliefs  optischer 
Instrumente '  hingewiesen  zu  haben,  um  daraus  einen  Schluü 
auf  die  beidäugige  Tiefenwahrnehmung  am  Bildrelief  zu  ziehen. 
Versucht  man  aber  auch  in  diesem  Falle  die  Betrachtung 
auf  die  Vorgänge  im  Objektraume  zu  stützen,  so  muß  man 
die  beiden  Augen  durch  das  optische  System  nach  der  Objekt- 
seite zu  abbilden.  Macht  man  hierflir  die  vereinfachende  (und 
bei  einfachen  optischen  Systemen  —  z.  B.  einer  Graphoskop- 
linse  oder  einem  Hohlspiegel  —  in  der  Regel  zutreffende)  An- 
nahme eines  reellen  Bildreliefs,  so  liegen  die  Objektaugen  sicher 
hinter  den  Objekten.  Da  ein  einheitlich  wirkendes  optisches 
System  keine  Veränderung  der  natürlichen  Lage  der  beiden 
Augen  hervorbringen  kann,  so  bleibt  unter  diesen  Umständen, 
d.  h.  bei  der  Abbildung  durch  ein  einheitlich  wirkendes  opti- 
sches System,  die  Bedingung  des  beidäugigen  natürlichen  Sehens 
oder,  wie  hier  gesagt  werden  soll,  die  orthopische*)  Augen- 
stellung erhalten.  Strahlen  von  näher  gelegenen  Objektpunkten 
verlaufen  auch  im  Objektraume  mehr  nasenwärts,  von  ferneren 
mehr  schläfenwärts.  Zu  den  Einzelheiten  der  Abbildung  kann 
man  noch  folgendes  bemerken:  Wird  die  Qesichtsfläche  '^p  als 
Ganzes  bei  jener  Abbildung  durch  das  optische  System  einfach 
umgekehrt  ^|^  oder  umgekehrt  und  spiegelverkehrt,  so  zeigt 
sich  das  bei  der  Betrachtung  darin,  daß  das  Objekt  zwar  in 
seiner  Tiefenanordnung  ungeändert  bleibt,   aber  sonst  einfach 


^)  On  the  conditions  of  orthoscopic  and  pseudoscopic  effects  in  the 
binocular  microscope.  Journ.  Roy.  Micr.  Soc.  1881  (2),  Bd.  1,  203—211, 
S.  207.  Siehe  auch  die  Übersetzung  in  den  auf  S.  490  zitierten  gesam- 
melten Abhandlungen  auf  S.  319. 

^)  Nach  Analogie  von  xvxlcjy;  und  kyklopisch  gebildet. 


496        Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

umgekehrt  oder  umgekehrt  und  spiegelverkehrt  wird.  Es  ist 
das  eine  notwendige  Folge  der  Änderung,  die  der  Sinn  der 
objektseitigen  Gesichtswinkel  w  durch  das  optische  System  für 
jedes  Einzelauge  erleidet. 

Man  kann  also  auch  nach  der  hier  durchgeführten  Be- 
trachtungsweise, bei  der  die  Vorgänge  im  Objektraume  berück- 
sichtigt werden,  keine  Änderung  der  Tiefenanordnung  erwarten, 
wenn  es  sich  um  die  Abbildung  durch  ein  einheitlich  wirkendes 
optisches  System  handelt. 

Die  Aufhebung  der  natürlichen  Augenstellung. 

Schon  sehr  früh  —  gegen  das  Ende  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts —  hatte  ein  unter  dem  Klostemamen  Ch^rubin 
D' Orleans  bekannt  gewordener  Kapuzinermönch  ein  binoku- 
lares Instrument  hergestellt,  wodurch  für  die  Objektaugen  die 
natürliche  Stellung  aufgehoben  wurde.  Er  richtete  nämlich 
zwei  gewöhnliche  bild umkehrende  Mikroskope  auf  einen  und 
denselben  Objektpunkt  und  wählte  die  Neigung  der  Rohre  so, 
daß  das  rechte  Okular  von  dem  rechten  und  das  linke  Okular 
von  dem  linken  Auge  benutzt  werden  konnte.   Man  sieht  leicht 

ein,  daß  bei  der  Abbildung  der  beiden 
Augen  des  Beobachters  in  den  Objekt- 
raum ein  jedes  für  sich  umgekehrt  wurde, 
so  daß  sich  nach  dem  hier  gebrauchten 
Schema  der  in  der  Figur  6  dargestellte 
Fall  ergab.    Die  Vermutung  liegt  nahe, 

Fig.  6.   Die  Stellung  der    ^laü    mit    einer    solchen    Änderung    der 

ganz  schematisch  ge-  .  .         •• 

zeichneten  Objektaugen    natürlichen    Augenstellung    eme    Ande- 

im  Ch^rubinschen         ^ung  der  Tiefenanordnung  im  Bildraume 
Doppelmikroskop.  ,       ,  .  i        •  i  i 

verbunden  sein  müsse,  und  so  ist  es  auch 

tatsächlich.  Konstruiert  man  jenes  einfache  Schema  in  der 
Figur  7  wieder,  so  sieht  man,  daß  für  jedes  der  beiden  Objekt- 
augen die  Strahlen  von  dem  ferneren  Punkte  mehr  nasen-, 
die  von  dem  näheren  mehr  schläfenwärts  verlaufen.  Zeichnet 
man  nunmehr  die  Figur  8  für  den  Bildraum,  wo  die  Augen 
natürlich   die   orthopische   Stellung  haben   müssen    und    sucht 


4^' 


M.  V.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauung.  497 


dort  die  entsprechenden  Strahlen  auf,  so  müssen  die  vorher 
mehr  schläfenwärts  liegenden  Strahlen  auch  hier  wieder  mehr 
schläfenwärts  liegen,  da  jedes  einzelne  optische  System  seine 
Meridianebene  —  abgesehen   von   der   hier   nicht   in  Betracht 


Fig.  7.   Der  Strahlenverlauf  von  den  Fuß- 
punkten in  der  Medianebene  befind- 
licher Objekte  bei  chiastopiacher  Stel- 
lung der  schematisch  gezeichneten 
Objektaugen. 


<?' 


Fig.  8.    Der  der  Figur  7 
entsprechende  Strahlen- 
gang im  Bildraume. 


kommenden  Nachbarschaft  der  objektseitigen  Brennebene  — 
zusammenhängend  abbildet.  Die  ausgezogenen  und  die  ge- 
strichelten Strahlen  definieren  also  im  Bildraume,  wie  man 
auf  der  Figur  8  sieht,  zwei  Punkte  0,',  0/  in  umgekehrter 
Tiefenfolge. 

Man  erhält  auf  diese  Weise  die  Verwirklichung  einer  rück- 
läufigen Abbildung,  die  bei  einheitlich  wirkenden  optischen 
Systemen  ausgeschlossen  war.  Sie  kommt  in  binokularen  In- 
strumenten zustande,  wenn  durch  die  Wirkung  der  getrennten 
Systeme  die  Gesichtsfläche  ^[^  nicht  zusammenhängend,  sondern 
unstetig  l^^^l  abgebildet  wird. 

Bei  dieser  großen  Wichtigkeit  der  Augenstellung  für  die 
durch  das  beidäugige  Sehen  vermittelte  Anschauung  der  Tiefen- 
gliederung sei  die  unnatürliche  (gekreuzte)  Stellung  als  chia- 
stopische  bezeichnet.  Wird  sie  im  Objektraum  hervorgerufen, 
ohne  daß  sie  von  einer  Änderung  der  Perspektive  begleitet 
wird,  so  erhält  man  eine  Umkehrung  der  Abstände,  die  aber 
nur  bei  beidäugiger  Beobachtung  zwingend  ist;  bei  einäugiger 
Betrachtung  kann  die  Täuschung  verschwinden  oder  überhaupt 
nicht  zustande  kommen. 

Während  diese  Änderung  des  Baumbildes,  die  bei  dem 
Doppelmikroskop  von  Ch^rubin  d'  Orleans  zweifellos  vorhan* 


498        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  Novembre  1906. 

den  war,  zu  jener  Zeit  unbemerkt  blieb,  erregte  sie  die  Auf- 
merksamkeit Ch.  Wheatstones,  der  sie  1852  zuerst  unter 
dem  Namen  der  Pseudoskopie  beschrieb.  Er  gab  damals 
mehrere  Möglichkeiten  der  Verwirklichung  an,  und  zwar  be- 
stand der  ihm  besonders  geeignet  erscheinende  Apparat  aus 
zwei  Amicischen  Reflexionsprismen,  die,  wie  man  aus  der 
Figur  9  sieht,  die  chiastopische  Augenstellung  im  Objektraume 


Fig.  9.   Ein  schematischer  Horizontalschnitt  durch  das 
Wheatstonesche  Pseudoskop. 

Die  Objektaugen  sind  punktiert,  um  ihre  mangelhafte 

Abbildung  anzudeuten. 

herbeiführten.  Durch  die  Punktierung  der  ganz  schematisch 
gezeichneten  Objektaugen  soll  angedeutet  werden,  daß  sie  in- 
folge der  Abbildung  durch  starke  Brechungen  in  Prismen  von 
beträchtlicher  Dicke  mit  ziemlichem  Astigmatismus  behaftet 
sind.  Bei  den  Versuchen  schadet  dieser  Bildfehler  übrigens 
nicht  wesentlich,  aber  das  Gesichtsfeld  des  Instruments  ist  nur 
gering,  und  nicht  jedem  Beobachter  gelingen  die  damit  anzu- 
stellenden Versuche.  Am  besten  eignen  sich  dafür  Skelette 
einfacher  stereometrischer  Körper,  weil  hier  keine  Schatten 
das  Zustandekommen  des  pseudoskopischen  Eindrucks  hindern, 
und  weil  sich  die  Inversion  eines  stereometrischen  Skeletts  eben 
so  leicht  vorstellen  läät  wie  das  Skelett  selbst. 

Die  von  Ch.  Wheatstone  gegebene  Erklärung  des  pseudo- 
skopischen Raumbildes  war  vollständig  zutreffend^  beruhte  aber 


M.  V.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauun^.  499 

auf  der  Betrachtung  des  Bildraums,  und  so  kam  es,  daß  damals 
der  allgemeinere  Grund  der  Pseudoskopie  nicht  bemerkt  wurde. 

In  den  50er  und  60  er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts 
beschäftigten  sich  tüchtige  Mikroskopiker  namentlich  englischer 
Zunge  mit  der  Konstruktion  eines  stereoskopischen  Mikroskops, 
und  sie  sahen,  da  nun  einmal  das  Interesse  auf  die  pseudo- 
skopische  Wahrnehmung  gerichtet  war,  wie  leicht  man  zu 
einem  solchen,  hier  meistens  unerwünschten  Eindruck  kommen 
könne.  Wenn  es  ihren  scharfsinnigen  Bemühungen  auch  ge- 
lang, durch  eine  zweckmäßige  Verfügung  über  die  Konstruk- 
tionselemente den  gewünschten  stereoskopischen  Eindruck  zu 
sichern,  so  haben  sie  doch  an  der  Klärung  des  allgemeinen 
Sachverhalts  nicht  gearbeitet. 

Dies  geschah  erst  durch  E.  Abbe,  der,  ohne  eingehende 
Kenntnis  dieser  Entwicklung  des  Binokularmikroskops  in  Eng- 
land, 1880  ein  stereoskopisches  Okular  baute,  um  das  Qebiet 
der  stereoskopischen  Mikroskopie  auch  auf  dem  Kontinent  aus- 
zudehnen. Er  entwickelte  als  erster  eine  zusammenfassende 
Theorie,  wenn  auch  nicht  aller  stereoskopischen  Mikroskope, 
so  doch  aller  derer,  die  mit  einem  einfachen  Objektiv  aus- 
gerüstet waren,  und  die  auch  zu  jener  Zeit  allein  in  Betracht 
kamen.  Zu  gleicher  Zeit  gab  er  auch  ein  überraschend  ein- 
faches Merkmal  an,^)  wonach  man  bei  einem  jeden  dieser  In- 
strumente die  orthoskopische  oder  die  pseudoskopische  Wirkung 
sofort  voraussagen  konnte.  Diese  Abbesche  Regel  lautet  in 
ihrer  einfachsten  Form:  „Die  einzige  notwendige  Bedingung 
für  die  orthoskopische  Wirkung  in  irgend  einem  binokularen 
Apparat  ist,  daß  die  betreffenden  Halbkreise  entsprechend  dem 
Schema  0  dargestellt  werden  können,  und  für  die  pseudosko- 
pische Wirkung,  daß  sie  dem  Schema  P  entsprechend  liegen." 
Dabei  beziehen  sich  die  in  den  Figuren  10  und  11  wieder- 
gegebenen  Abbeschen  Zeichnungen   auf  die  Austrittspupillen, 

^)  Beschreibung  eines  neuen  stereoskopischen  Oculars  nebst  allge- 
meinen Bemerkungen  über  die  Bedingungen  mikro-stereoskopischer  Beob- 
achtung. Carls  Rep.  1881,  17.  197—224,  S.  208.  (In  den  ges.  Abh.  S.  265 
und  On  the  conditions  etc.  S.  203/204  und  in  der  Übers.  314.) 

190«.  BÜKungsb.  d.  iiMih.-ph7t.  Kl.  33 


500        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 


die  bei  allen  Binokularmikroskopen  halbkreisförmig  sind,  wo 
die  Eintrittspupille  des  Objektivs  geometrisch  in  eine  rechte 
und  eine  linke  Hälfte  geteilt  und  je  einem  der  beiden  Augen 
zugeordnet  wird.  Man  sieht  leicht  ein,  daß  die  Abbesche 
Regel  in  allen  von  ihm  behandelten  Fällen  mit  der  hier  ge- 
gebenen Formulierung  übereinstimmt;  denn  schreibt  mau  dar- 
unter die  hier  benutzten  Symbole,  wie  das  in  den  Figuren  12 
und  13  geschehen  ist,  und  beachtet  man,  daü  die  beiden  Aus- 


Fig.  10. 


Fig.  11. 


Fig.  12. 


Fig.  13. 


Fig.  10  und  11.    E.  Abbes  bildseitiges  Eriterinm  für  die  orthoskopische 
und  die  pseudoskopische  Wirkung  der  binokularen  Mikroskope  mit 

gemeinsamem  Objektiv. 

Fig.  12  und  13.    Die  Zurückföhrung  des  Abbeschen  Kriteriums  auf  die 
orthopische  und  die  chiastopische  Stellung  der  Objektaugen. 

trittspupillen  zusammen  im  Objektraume  die  vollständige  kreis- 
förmige Eintrittspupille  des  Instruments  ergeben  müssen,  so 
wird  man  nur  in  dem  einen  Falle  (der  Figur  12)  auf  die 
orthopische  Augenstellung  im  Objektraume  geführt,  im  anderen 
(der  Figur  13)  muß  sich  die  chiastopische  ergeben.  Es  ist  zu 
bedauern,  daß  £.  Abbe  filr  den  allgemeinen  Fall  die  Lösung 
entgangen  ist.  Er  hat  sich  offenbar  durch  die  unbestreitbare 
Eleganz  seines  Satzes  in  den  besonderen  von  ihm  behandelten 
Fällen  verleiten  lassen,  von  seinem  so  folgenreichen  Prinzip 
abzugehen,  die  Betrachtung  auf  die  Vorgänge  im  Objektraume 
aufzubauen,  und  so  ist  er  darum  gekommen,  eine  Theorie  der 
gesamten  binokularen  Instrumente  zu  geben. 

Wenn  sich  vorher  allgemein  hatte  nachweisen  lassen,  daß 
eine  pseudoskopische  Wahrnehmung  durch  einheitlich  wirkende 
optische  Instrumente  nicht  verwirklicht  werden  kann,  so  hat 
sich  nunmehr  gezeigt,,  daß  nicht  immer  das  Vorhandensein 
zweier  völlig  getrennter  Instrumente    für    die    beiden   Augen 


M.  V.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauung.  501 

nötig  ist;  es  genügt  auch,  hinter  einem  gemeinsamen  Objektivteil 
eine  Diskontinuitätsstelle  einzuführen,  so  daß  die  eine  Hälfte 
der  Eintrittspupille  nur  dem  rechten,  die  andere  nur  dem  linken 
Auge  zugeordnet  ist. 

Eine  Mittelstellung  zwischen  den  beiden  im  vorhergehenden 
behandelten  Möglichkeiten  nimmt  der  Fall  ein,  daß  beide  Augen 
im  Objektraume  zusammenfallen,  oder  wie  man  es  auch  nennen 
kann,  der  Fall  der  synopischen  Augenstellung.  Er  wurde 
anscheinend  zuerst  beobachtet,  als  man  in  den  50  er  Jahren 
des  vorigen  Jahrhunderts  identische  Bilder  im  Stereoskop  be- 
trachtete. Hatte  man  hier  unbewußt  stets  an  der  entozen- 
trischen  Perspektive  festgehalten,  so  machten  englische  Mikro- 
skopiker  in  der  Mitte  der  60  er  Jahre  einen  wichtigen  Fort- 
schritt darüber  hinaus.  Bei  der  besten  der  damals  vorge- 
schlagenen Einrichtungen  —  sie  stammte  von  F.  H.  Wenham 
her  —  wurde  mit  Hilfe  einer  sowohl  durchlässigen  als  auch 
spiegelnden  Schicht  jeder  einzelne  Strahl  in  zwei  Teile  ge- 
spalten, um  je  einem  der  beiden  Augen  zugeführt  zu  werden. 
Es  erhielt  dann  jedes  Auge  ein  (abgesehen  von  den  Helligkeits- 
unterschieden) identisches  Bild,  und  zwar  bei  starken  Mikro- 
skopobjektiven ein  Bild  in  telezentrischer  Perspektive.  Eine 
solche  Beobachtung  im  zweiäugigen  (indifferenten)  Sehen  bietet 
doch  noch  einen  Vorteil  für  den  Beobachter,  insofern  als  die 
Beobachtung  mit  beiden  Augen  bequemer  und  angenehmer  ist 
als  die  mit  einem  Einzelauge.  Für  makroskopische  Objekte 
mit  entozentrischer  Perspektive  hat  man  den  Vorzug  der  syno- 
pischen Augenstellung  schon  in  den  50er  Jahren  gekannt;  hier 
kommt  noch  hinzu,  daß  es  sich  bei  Landschaftsaufnahmen  um 
angenähert  bekannte  Gegenstände  in  weiter  Entfernung  handelt, 
bei  denen  die  Verschiedenheit  eigentlich  stereoskopischer  Halb- 
bilder keine  große  Rolle  spielt.  In  solchen  Fällen  läßt  die 
gewohnte  und  bequeme  Beobachtung  mit  beiden  Augen  um  so 
leichter  die  auf  der  Erfahrung  beruhende  Tiefendeutung  als 
Ersatz  für  die  Tiefenwahmehmung  eintreten. 

Eine  Verbindung  der  verschiedenen  Bedingungen  des  ein- 
äugigen und  des  beidäugigen  Sehens  miteinander  ist  aber  ganz 

83* 


502        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 


allgemein  möglieb,  da  sie  voneinander  ganz  unabhängig  sind. 
Es  sei  bier  ein  Scbema  mitgeteilt,  das  eine  Yollständige  L  ber- 
sicbt  über  die  überhaupt  möglichen  Bedingungen  des  Sehens 
mit  beiden  Augen  liefert,  da  es  mit  einem  Eingänge  für  die 
drei  monokularen  und  einem  solchen  für  die  drei  binokularen 
Bedingungen  versehen  ist.  Es  ist  dabei  für  die  verschiedenen 
Formen  der  Erscheinung  auch  die  Zeit  angegeben  worden,  zu 
der  sie  zuerst  bemerkt  worden  sind.    (Siehe  S.  503.) 

Handelt  es  sich  jetzt  darum,  alle  diese  neun  möglichen 
Formen  des  beidäugigen  Sehens  wirklich  zu  veranschaulichen, 
so  empfiehlt  sich  vornehmlich  die  auf  Taf.  IV  gewählte  Dar- 
stellung mit  Hilfe  von  Stereogrammen.  Ein  Stereoskop  ist 
dabei  nicht  notwendig.  Alle  Beobachter,  die  ihren  Augen- 
achsen eine  nahezu  parallele  Richtung  geben  können,  werden 
ohne  weiteres  den  beabsichtigten  Eindruck  erhalten.  Alle,  die 
diese  Fähigkeit  nicht  haben,  werden  zweckmäßig  nach  dem 
besonders  für  Kurzsichtige  geeigneten  Plane  verfahren,  wie  er 
in  Figur  14  nach  der  mündlichen  Angabe  von  Herrn  A.  Köhler 
dargestellt   worden   ist.     Eine   Scheibe   gewöhnlichen  Fenster- 


Stere^yamm- 


-Ebene 


Fig.  14.    Die  Köhlersche  Methode  zur  Erleichterung  der  Betrachtung 
von  Stereogrammen  mit  parallel  gerichteten  Augenachsen. 


H.  V.  Rohr:  HOgUche  Formen  der  RaiimAnschniiunK,  ^03 


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504        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

glases  wird  unter  etwa  45  Graden  Neigung  so  über  das  Stereo- 
gramni  gehalten,  daß  ein  entfernter  Gegenstand  an  den  unbe- 
legten Flächen  gespiegelt  wird  und  unter  der  Ebene  des  Stereo- 
gramms erscheint.  Fixiert  man  dieses  meistens  sehr  licht- 
schwache Spiegelbild,  richtet  indessen  seine  Aufmerksamkeit 
auf  die  beiden  Halbbilder,  auf  die  auch  akkommodiert  werden 
muß,  so  verschmelzen  diese  ziemlich  leicht  zu  einem  Raumbilde. 
Vor  die  Besprechung  der  neun  Stereogramme  wird  zweck- 
mäßig eine  kurze  Erläuterung  der  Verhältnisse  eingeschoben, 
wie  sie  bei  den  gebräuchlichen  Doppelkameras   mit  parallelen 


Fig.  15.    Ein  schematischer  Hoiizontalschnitt  durch  eine  Doppelkaniera 

mit  parallelen  Achsen. 

Die  Objektive  sind  im  allgemeinen  Falle  als  unsymmetrische  Konstruk- 
tionen vorausgesetzt. 

Achsen  herrschen.  Stellt  die  Figur  15  eine  solche  Einrichtung 
im  Horizontalschnitt  dar,  so  ist  es  bei  verzeichnungsfreien  Ob- 
jektiven klar,  daß  jedes  Halbbild  i,  R  für  die  Mitte  der  dazu- 
gehörigen Eintrittspupille  P/,  Pr  zu  den  aufgenommenen  Ob- 
jekten perspektivisch  ist.  (Um  die  photographischen  Kopien 
des  Doppelnegativs  in  diese  Lage  zu  bringen,  müssen  sie  zer- 
schnitten werden,   wenn  sie  mit  dem   gewöhnlichen  Kontakt- 


M.  y.  Rohr:  Mögliche  Formen  der  Raumanschauung.  505 


druckverfabren  hergestellt  worden  sind.)  Aus  der  Entstehung 
der  Halbbilder  ist  klar,  daß  —  mit  E.  Abbe  zu  reden  — 
L  eine  durchaus  links-,  R  eine  durchaus  rechtsäugige  Per- 
spektive ist.  Diese  ein-  für  allemal  festgelegte  Beziehung 
kann  man  in  einer  einfachen  Weise  dadurch  andeuten,  dajä 
man  wie  in  der  Figur  16  um  die  Eintrittspupille  das  entspre- 
chende Augenzeichen  beschreibt.  Man  sieht  dann  ohne  weiteres 
ein,  daß  sich  in  der  Figur  17  bei  einer  Vertauschung  der  beiden 
Halbbilder  ein  pseudoskopisches  Raumbild  ergeben  muß.  Denn 
auf  Grund  derselben  Überlegungen,  die  bei  der  Einführung 
der  chiastopischen  Augenstellung  gemacht  worden  waren  (es 
handelte  sich  darum,  daß  die  Strahlenpaare  mehr  nasen-  oder 
mehr  schläfenwärts  verliefen),  läßt  sich  auch  der  hier  ange- 
nommene Fall  erledigen.  Es  entspricht  dem  unendlich  fernen 
und  einem  reellen,  vor  dem  Beobachter  liegenden  Punkte  des 
orthomorphen  Raumbildes  der  unendlich  ferne  und  ein  vir- 
tueller, hinter  dem  Beobachter  gelegener  Punkt  des  pseudo- 
morphen  Raumbildes,  und  —  was  von  besonderer  Wichtigkeit 


Fig.  16. 


Fig.  17. 


Fig.  18. 


R 


H 


n 


Fig.  16.    Die  Beziehung  der  Augen  zu  richtig  montierten  Halbbildern. 
Das  Äquivalent  zur  orthopischen  Stellung  der  Objektaugen. 

Fig.  17.    Die  Beziehung  der  Augen  zu  gekreuzt  montierten  Halbbildern. 
Das  Äquivalent  zur  chiastopischen  Stellung  der  Objektaugen. 

Fig.  18.    Die  Beziehung  der  Augen  zu  identischen  Halbbildern. 
Das  Äquivalent  zur  synopischen  Stellung  der  Objektaugen. 


506        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

ist  —  die  Reihenfolge  der  Punkte  ist  im  ersten  Falle  der 
Lichtrichtung  gleich,  im  zweiten  ihr  entgegengesetzt. 

Setzt  man  schließlich  in  der  Figur  18  beiden  Augen  das 
gleiche  Halbbild  vor,  so  erhält  man  die  synopische  Augen- 
stellung, und  zwar  wurde  in  den  hier  dargestellten  Fällen  die 
von  dem   rechten  Objektiv  gelieferte  Abbildskopie  verdoppelt. 

Dementsprechend  sind  also  nur  drei  stereoskopische  Auf- 
nahmen gemacht  worden,  nämlich  Ii,  II i  und  Uli.  Alle  mit 
2  bezeichneten  Bildpaare  sind  durch  Verdoppelung  des  rechten 
Halbbildes,  alle  mit  3  bezeichneten  durch  Yertauschung  der 
beiden  Halbbilder  gegeneinander  hergestellt  worden. 

Das  Objekt  war  in  allen  Fällen  das  gleiche  Skelett  einer 
geraden  Säule  von  quadratischer  Grundfläche,  deren  Länge 
39  mm  betrug  bei  20  mm  Höhe  und  Breite;  ihre  Vorderfläche 
wurde  durch  eine  der  oberen  Kante  aufgesetzte  Perle  kenntlich 
gemacht.  Es  war  schon  oben  darauf  hingewiesen  worden,  dalä 
namentlich  pseudomorphe  Raumbilder  am  sichersten  mit  solchen 
auf  die  umrisse  beschränkten  Objekten  gelingen.  Bei  den 
ersten  sechs  Darstellungen  findet  sich  nur  das  Säulenskelett 
vor,  bei  den  letzten  drei  ist  auch  die  ziemlich  tiefe  Fassung  der 
Linsenkombination  sichtbar,  die  den  hyperzentrischen  Strahlen- 
gang hervorbrachte.  Bei  dem  Stereogramm  IHs  ist  die  Rück- 
läufigkeit der  Abbildung  sehr  deutlich  zu  erkennen.  Man  sieht 
sehr  gut  in  der  Richtung  auf  den  Beobachter  zu  zuhinterst 
den  äußersten  Rand  der  Linsen fassung,  dann  ihren  inneren 
Rand  und  schließlich  das  in  sich  invertierte  Säulenskelett.  Aus 
diesem  Raumbilde  wird  auch  klar,  daß  man  zweckmäßig  den 
hyperzentrischen  Strahlengang  wählen  wird,  wenn  es  sich 
darum  handelt,  durch  optische  Mittel  aus  einer  vorliegenden 
Hohlform  ein  Urteil  über  den  danach  anzufertigenden  Abguß  zu 
erhalten.  Denn  nur  in  diesem  Falle  wird  die  Perspektive  mit 
der  einigermaßen  übereinstinunen,  die  man  bei  der  Betrachtung 
des  Abgusses  erhalten  würde.  Der  Verfasser  verdankt  einem 
seiner  Kollegen  den  Hinweis  auf  diesen  Umstand. 

Für  die  Anfertigung  der  photographischen  Aufnahmen  ist 
er  Herrn  R.  Schüttauf  verpflichtet. 


507 


über  einen  neuen  Flammenkollektor  und  dessen 
Prüfung  im  elektrischen  Felde. 

Von  Dr.  C.  W.  Lutz. 

{Eingelau/tn  S.  Notemier.) 
(Mit  Tafel  V  und  VI.) 

Durch  die  Munifizenz  der  K.  B.  Akademie  der  Wissen- 
schafken zu  München  wurde  dem  hiesigen  Erdmagnetischen 
Observatorium  die  Anschaffung  eines  Benndorfschen  selbst- 
registrierenden Elektrometers  zur  Aufzeichnung  des  luftelektri- 
schen Potentialgefälles')  ermöglicht. 

Bekanntlich  liefert  dieser  Apparat  nur  relative  Werte  des 
elektrischen  Spannungsgefälles,  welche  durch  eine  gleichzeitige 
Messung  im  freien  flachen  Terrain  auf  die  Ebene  zu  reduzieren 
sind.  Diese  Bestimmung  des  , Reduktionsfaktors"  geschieht 
gewöhnlich  mit  Hilfe  eines  Wasser-  oder  Flammenkollektors, 
der  auf  einem  Hartgummistabe  wohl  isoliert  aufgestellt  und 
durch  einen  mehrere  Meter  langen  dünnen  Leitungsdraht  mit 
einem  Aluminiumblattelektroskop  verbunden  wird.  Da  der 
Meßbereich  eines  solchen  transportablen  Elektroskopes  ein  eng 
begrenzter  ist  (von  ca.  50  bis  250  Volt),  so  wird  der  Abstand 
des  Kollektors  vom  Erdboden,  also  die  Länge  der  Hartgummi- 
stütze entsprechend  dem  eben  herrschenden  PotentialgeföUe 
gewählt,  so  daß  ein  gut  ablesbarer  Ausschlag  der  Elektroskop- 
blättchen  entsteht.  Eine  solche  Messungsanordnung  ist  nur 
dann  einwandsfrei,  wenn  der  Verlauf  des  Potentialgradienten 
in  der  Nähe  der  Erdoberfläche  ein  linearer  ist,  und  das  scheint 

»)  H.  Benndorf,  Wiener  Akademieberichte  111,  IIa,  487,  1902. 


508        SitzuDg  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

auch  nach  den  Messungen  von  F.  Exner^)  bis  hinauf  zu 
ca.  50  m  der  Fall  zu  sein.  Dieser  einfache  Zusammenhang 
zwischen  Potential  und  Abstand  von  der  Erdoberfläche  zeigt 
sich  nach  Exner*)  besonders  deutlich  an  klaren  Tagen  des 
Januars  bei  Temperaturen  unter  0®  und  fest  gefrorener  Schnee- 
decke. Bei  anderen  Wetterlagen  scheint  aber  doch  eine  Ände- 
rung des  Potentialgefalles  mit  der  Höhe  vorhanden  zu  sein. 
So  fand  z.B.  A.  Gockel*)  wiederholt  eine  starke  Abnahme 
des  Potentialgradienten  mit  der  Höhe.  Auch  ich  fand  in  der 
wärmeren  Jahreszeit  gelegentlich  der  Bestimmung  des  oben 
erwähnten  Reduktionsfaktors  verschiedene  Zahlen  je  nach  dem 
Abstand  des  Kollektors  über  dem  Erdboden ;  und  zwar  ergaben 
sich  stets  bei  größeren  Abständen  kleinere  Werte  des  Potential- 
gefalles (in  Volt/m),  also  eine  nicht  zu  verkennende  Ab- 
nahme des  Gradienten  mit  zunehmender  Höhe.  Hier 
sei  gleich  bemerkt,  daß  bei  diesen  Messungen  der  noch  näher 
zu  erörternde  Umstand  berücksichtigt  wurde,  daß  der  Aus- 
gleichsort der  Spannungen  bei  Flammenkollektoren  immer  höher 
liegt  als  der  obere  Rand  des  Schutzzylinders. 

Stellt  man  sich  auf  den  Boden  der  Ebertschen  Theorie,*) 
so  ist  dieses  verschiedene  Verhalten  des  Potentialgefalles  im 
Winter  und  Sommer  wohl  verständlich.  Nach  Ebert  kommt 
das  elektrische  Erdfeld  durch  das  Herausdringen  der  im  Erd- 
boden enthaltenen,  stark  ionisierten  Luft  zustande.  Auf  dem 
Wege  durch  die  Erdkapillaren  gibt  die  ionenreiche  Bodenluft 
vorwiegend  —  Ladungen  ab,  tritt  also  mit  einem  Überschusse 
von  -+•  Ionen  aus  dem  Erdboden  heraus.  Die  freie  +  Ladung 
der  unteren  Luftschichten  bedingt  das  positive,  nach  oben  hin 
abnehmende  Potentialgefalle.  Eine  Unterbrechung  des  Tran- 
spirationsprozesses durch  Zufrieren  der  Erdkapillaren  im  Winter 
muß  das  von  Exner  beobachtete  Verhalten  des  Potential- 
gradienten zur  Folge  haben. 


1)  F.  Exner,  Wiener  Akademieberichte  93,  IIa,  258,  1886. 
«)  Ebenda,  S.  260. 

»)  A.  Gockel,  Meteoroloj^ische  Zeitschrift  23,  54,  1906. 
«)  H.  Ebert,  Physikalische  Zeitschrift  5,  135,  1904. 


C.  W.  Lutz:  Über  einen  neuen  Flammenkollektor.  509 

dV      . 

Daß   das  Potentialgefälle    ^7    nicht   konstant   ist,    bringt 

allerdings  in  die  erwähnte  Reduktionsmessung  eine  Schwierig- 
keit hinein;  aber  an  sich  ist  dieses  Verhalten  des  Gradienten 
von  großem  Interesse,  da  es  eine  Hindeutung  auf  die  in  der 
Luft  enthaltene  freie  Elektrizitätsmenge  enthält.  Dies  genauer 
zu  studieren,  sind  Messungen  im  Gange,  über  welche  später 
berichtet  wird;  hier  soll  zuerst  die  Kollektorfrage  behandelt 
werden.  Da  bei  allen  luftelektrischen  Stationen  eine  solche 
„Reduktion  auf  die  Ebene*  wiederholt  durchgeführt  werden 
muß,  so  ist  die  Wahl  eines  geeigneten  Kollektors  für  die  Feld- 
beobachtungen auch  bei  den  fortlaufend  registrierenden  In- 
strumenten von  großer  Bedeutung.  Unter  allen  Kollektortypen 
am  brauchbarsten  für  diesen  Zweck  dürfte  der  Flammenkollektor 
sein.  Infolge  seiner  leichten  Transportfähigkeit,  des  geringen 
Gewichtes,  der  raschen  Einstellung  und  Brauchbarkeit  bei  jeder 
Temperatur  und  Tageszeit  eignet  sich  gerade  dieser  Kollektor 
am  besten  für  Reise-  und  Feldbeobachtungen  (Radiokollektoren 
sind  zu  vermeiden,  wenn  noch  anderweitige  luftelektrische  Be- 
stimmungen, wie  Leitfähigkeit  und  lonendichte  gemacht  werden 
sollen).  Leider  stehen  diesen  Vorzügen  zwei  ganz  erhebliche 
Nachteile  gegenüber.  Die  Angaben  eines  Flammenkollektors 
werden  nämlich  vom  Winde  beeinflußt,  und  der  Hauptnachteil 
der  üblichen  Konstruktionen  ist  der,  daß  sie  schon  bei  geringen 
Windgeschwindigkeiten  verlöschen.  Der  letztere  Übelstand  machte 
Beobachtungen  auf  dem  weiten,  allseits  dem  Winde  ausgesetzten 
ebenen  Terrain  im  Osten  des  Observatoriums,  das  sich  für  luft- 
elektrische Messungen  sonst  vorzüglich  eignet,  schon  bei  einer 
Windstärke  2  (der  10  teiligen  Skala)  unmöglich. 

Gelänge  es,  den  Flammenkollektor  von  den  erwähnten 
Mängeln  frei  zu  machen,  so  wäre  er  sicher  für  die  so  wichtigen 
Feldbeobachtungen  der  brauchbarste  Apparat. 

Diese  Erwägungen  veranlaßten  mich,  den  Flammenkollektor 
so  umzuändern,  daß  er  sicher  im  Winde  brennt,  leicht  trans- 
portabel, reinlich  und  sparsam  im  Betrieb,  also  mehrere  Stunden 


510        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

ununterbrochen  zu  gebraueben  ist.  Durch  eine  Prüfung*)  im 
künstlichen  elektrischen  Felde  wurde  dann  die  Lage  des  Aus- 
gleichspunktes, der  Einfluß  der  Luftbewegung  auf  denselben, 
sowie  die  Ladezeit  des  neuen  Kollektors  untersucht,  um  ihm 
auch  in  dieser  Hinsicht  die  beste  Form  zu  geben. 

Nach  mehreren  Fehlversuchen  gelang  es  mir,  eine  Kon- 
struktion zu  finden,  die  allen  erwähnten  Anforderungen  ge- 
nügt. Der  Apparat  ist  in  Figur  1  im  Längsschnitt  dar- 
gestellt. Im  Innern  eines  Messingrohres  R  steckt  eine  kurze 
dicke  Kerze  K^  die  durch  eine  Feder  F  beständig  nach  oben 
gedrückt  wird,  am  Hin  ausgeschoben  werden  aber  durch  den 
schmalen  Rand  r  verhindert  wird.  In  dem  Maiae  nun,  in  dem 
die  Kerze  oben  abbrennt,  wird  sie  durch  die  Feder  nachgedrückt, 
so  daß  die  Flamme  stets  an  der  gleichen  Stelle  brennt.  Unten 
ist  das  Rohr  R  durch  die  Platte  P  verschlossen  (Bajonett- 
verschluß), welche  zum  Einführen  einer  neuen  Kerze  abge- 
nommen werden  kann.  Das  Auswechseln  der  Kerze  nimmt 
nur  wenig  Zeit  in  Anspruch.  Mittels  des  Halses  H  kann  der 
ganze  Apparat  auf  einen  isolierenden  Stab  aufgesteckt  werden. 
Die  Mutter  m  dient  zum  Einklemmen  des  nach  dem  Elektro- 
skope  fuhrenden  Verbindungsdrahtes. 

Soweit  würde  der  Apparat  bereits  einen  vollständigen 
Flammenkollektor  darstellen,  dessen  freibrennende  Kerzen- 
flamme aber  bei  geringstem  Winde  ausgelöscht  werden  würde. 
Um  das  zu  verhindern,  ist  folgende  Einrichtung  getroffen: 


^)  Untersuchungen  über  verschiedene  Kollektoren  wurden  bisher 
ausgeführt  von: 

H.  Pellat,  Comptes  Rendus  100,  735,  1886. 

K.  V.  Wesendonk,  Naturwissenschaftliche  Rundschau  15,  233,  1900. 

F.  Henning,  Annalen  der  Physik,  4.  Folge  7,  893,  1902. 

V.  Conrad.  Wiener  Akademieberichte  111,  IIa,  333,  1902. 

F.  Linke,  Physikalische  Zeitschrift  4,  661,  1903. 

H.  Benndorf  und  V.  Conrad,  Boltzmann -Festschrift,  Leipzig 
1904,  691. 

EL  Benndorf.  Wiener  Akademieberichte  115,  IIa.  425,  1906. 

Auf  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen,  soweit  sie  auf  die  vor- 
liegende Arbeit  Bezug  haben,  komme  ich  noch  an  geeigneter  Stelle  zurück. 


C.  W.  Lutz:  Über  einen  neuen  Flammenkollektor. 


511 


I 


sdifv. 


Längs  des  Rohres  II  ist  mit  leichter  Reibung  das  kurze 
Rohrstück  8  und  der  damit  festverbundene  Teller  mit  Rand  T 
verschiebbar.  Auf  diesem  steht  in  drei  eingedrehten  Füßchen 
/", /'j/'j  ausVulkan  it  (Wärme- 
schutzmittel) der  oben  ko- 
nische Glaszylinder  (r,  der  j^  . 
seinerseits  von  einem  zylin-  '  »  /!> 
drischen  Metallnetz  K  um- 
geben ist.  Oben  trägt 
dieses  Netz  einen  um  das 
Scharnier  seh  aufklapp- 
baren konischen  Deckel  D 
aus  dünnem  Metallblech. 
Ein  kleiner  Schnäpper  sch'p 
hält  den  Deckel  D  zu. 
Der  Glaszylinder  G  sitzt 
nicht  dicht  auf  dem  Teller 
T  auf,  sondern  wird  durch 
die  drei  Füßchen  f  etwas 
darüber  gehalten,  so  daß 
zwischen  beiden  ein  schma- 
ler ringförmiger  Spalt  ofiFen 
bleibt,  durch  den  dieFrisch- 
luft  zuströmen  kann.  Der 
wulstformige,  unten  ofiFene 
Ring  TF'schützt  die  Flamme 
vor  zu  heftigen,  durch  den 
Spalt  eindringenden  Wind- 
stößen. Beim  Transporte 
wird  der  Teller  T  und  mit 
ihm  der  darauf  befestigte 
ganze  obere  Teil  des  Kol- 
lektors (Glaszylinder  und 
Netzgehäuse)  bis  zum  Auf- 
sitzen auf  die  Platte  P  herabgeschoben.  In  derselben  Stellung 
wird  die  Kerze  nach  Aufklappen  des  Deckels  D  angezündet. 


MaCse  in  mm 


512        Sitzung  der  inath.-phys.  Klasse  vom  8.  November  1906. 

Durch  die  beschriebene  Einrichtung  des  Kollektors  ist 
erreicht,  daß  ein  horizontal  ankommender  Windstoß  mehrmals 
seine  Richtung  ändern  muß,  um  senkrecht  auf  die  Flamme  zu 
treffen.  Dem  dürfte  es  wohl  in  erster  Linie  zuzuschreiben  sein, 
daß  die  Kerze  selbst  durch  stürmische  Winde  nicht  verlöscht 
wird,  wovon  ich  mich  wiederholt  überzeugte.  Die  obere  Ein- 
ziehung des  Glaszylinders  und  die  entsprechende  Form  des 
Deckels  begünstigt  den  raschen  Abzug  der  ionisierten  Ver- 
brennungsgase, was  die  Wirksamkeit  des  Kollektors  erhöht^) 
(vergleiche  Tab.  5).  Der  Glaszylinder,  das  Metallnetz,  sowie 
die  Vulkanitfüßchen  verhindern  eine  stärkere  Erwärmung  des 
Metallrohres,  in  welchem  die  Kerze  steckt.  Dadurch  wird 
erreicht,  daß  die  Kerze,  selbst  im  geheizten  Zimmer,  ununter- 
brochen bis  zu  Ende  brennt.  Bei  den  von  mir  verwendeten 
Kerzen,  die  ich  eigens  zu  diesem  Zwecke  anfertigen  ließ,  be- 
trägt die  Brenndauer  (im  Kollektor)  ca.  6  Stunden. 

Bei  Verwendung  von  einfachen  Metallzylindern,  wie  dies 
bei  meinen  ersten  Versuchen  geschah,  erhitzte  sich  das  Rohr  22, 
trotz  eines  zwischengeschalteten  Vulkanitringes  nach  einiger  Zeit 
so  stark,  daß  die  Kerze  herausschmolz.  Auch  eine  völlige 
Ausfütterung  der  Metallzylinder  mit  Asbest  half  nicht. 

Den  oben  beschriebenen  Kollektor  nnterzog  ich  nun  einer 
eingehenden  Prüfung  im  künstlichen  elektrischen  Felde,  in 
welchem  ich  zur  Vergleichung  auch  einige  andere  Kollektor- 
typen untersuchte. 

Prfifting  des  Flammenkollektors  im  kOnsiliciien 

elektrischen  Felde. 

Zunächst  mußte  festgestellt  werden,  in  welcher  Weise  der 
Kollektor  selbst  die  Niveauflächen  eines  homogenen  elektrischen 
Feldes  deformiert  und  wo  jene  besondere  Niveaufläche  (Aus- 
gleichsniveaufläche, Bezugsniveaufläche)  liegt,  deren  Potential 
der  Kollektor  schließlich  annimmt.  Gewöhnlich  wird  nämlich 
bei  Messungen  des  atmosphärischen  Potentialgefalles  die  Stö- 


1)  F.  Linke,  1.  c,  S.  663  and  S.  664. 


C.W.Lutz:  Über  einen  Deuon  Flammenkoltektor. 


513 


rang  des  Erdfeldes  durch  den  Kollektor  selbst  vüllig  vernach- 
lässigt, d.  h.  man  nimmt  an,  da§  ein  Flammenkollektor  das 
Potential  der  Niveauääche  annimmt,  die  durch  seinen  oberen 
Zylinderrand  hindurchgeht  und  dag  die  Lage  dieser  Niveau- 
äSche  auch  im  ungestörten  Felde,  also  bei  Abwesenheit  des 
Kollektors,  dieselbe  bleibt. 

Femer  wurde  die  Zeit  (Ladezeit)  bestimmt,  die  der  neue 
Flammenkollektor  zu  seiner  völligen  Aufladung  benötigt  und 
endlich  wurde  der  Eiuäuä  der  Luftbewegung  auf  seine  Wir- 
kungsweise untersucht. 

Das  künstliche  elektrische  Feld')  wurde  in  folgender 
Weise  hergestellt  (Fig.  2); 


Ein  Zinkdrahtnetz  (200  cm  lang  und  100  cm  breit)  Z  von 
1  cm  Maschenweite  wurde  über  einen  festen  Holzrahmen  Jeben 
ausgespannt,   der  mit  den  beiden  Schmalseiten  auf  zwei  Holz- 


')  Eine   Einrichtnng   ganz   ähnlicher   Art  bat   F.  I 
8.  898)  getroffen. 


r  0-  c, 


514        Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  yom  8.  November  1906. 

bocken  J5,  J5,  horizontal  auflag,  von  diesen  durch  je  ein  Paar 
Paraffinklötze  K^.  ,K^  isoliert.   Das  ganze  Netz  wurde  mit  Hilfe 
einer  Hochspannungsbatterie  -4,    deren   negativer  Pol   geerdet 
war,  auf  die  stets  gleiche  Spannung  von  -f-  210  Volt  aufgeladen. 
Diese  Spannung  wurde  durch  ein  Elektroskop  E^  unter  fort- 
währender Kontrolle  gehalten.    50  cm  unter  dem  Netze  Z  lag 
auf  einem  Tische  eine  ebene  Zinkblechplatte  P,   die  dauernd 
geerdet   wurde.     Zwischen   dem    +    geladenen   Netz    und   der 
hiezu   parallelen   geerdeten   Blechplatte    bestand   demnach    ein 
elektrisches   Feld,    dessen  Niveauflächeu,    wie  Messungen   mit 
einem  Wasser-   und   einem  Flammenkollektor  in   übereinstim- 
mender Weise  zeigten,  bis  nahe  an  die  Ränder  heran  horizontal 
verliefen.     Nur  in  der  Nähe  der  beiden  Holzblöcke  J5j  -B,,  an 
den  Schmalseiten  des  Feldes,  ergaben  sich  zu  kleine  Potential- 
werte, was  von  vornherein  zu  erwarten  war,  denn  hier  werden 
ja  die  Niveauflächen  auf-  und   um   die  Böcke  herumgebogen. 
Der  Verlauf  des  Potentiales  in  vertikaler  Richtung  wurde 
mit  Hilfe  eines  Wassertropfkollektors  G,  ü  (Fig.  2)  untersucht. 
Das  Oefaß  des  Kollektors  war,  um  Störungen  des  elektrischen 
Feldes   möglichst   zu   vermeiden,    außerhalb   des  Feldes   ange- 
ordnet.    Vom  Wassergefaß   G   aus   führte   eine  175  cm   lange 
horizontal   gehaltene  Metallröhre  R  in   das  Feld   hinein.     (In 
der  Figur  ist  der  Kollektor  halb  zur  Seite  gedreht  gezeichnet.) 
Das    vordere   Ende   des   Rohres    war    ausziehbar    eingerichtet, 
außerdem  ließ  sich  der  ganze  Kollektor  um  seinen  isolierenden 
Hartgummifuß  F  drehen   und  mit  der  aus  der  Figur  2  leicht 
erkennbaren  Aufzugvorrichtung  V  in  vertikaler  Richtung  ver- 
schieben.    Damit  war  erreicht,   daß   sich  die  Auflösungsstelle 
des  Wasserstrahles  an  jede  beliebige  Stelle  des  Feldes  verlegen 
ließ,  wodurch  ein  Abtasten  der  Niveauflächen  ermöglicht  wurde. 
Zunächst   wurde  festgestellt,   daß  der  Verlauf  des  Poten- 
tiales   in    vertikaler    Richtung    beim    ungestörten    künstlichen 
Felde  ein  linearer  ist.    Die  Messung  wurde  in  der  Weise  aus- 
geführt,   daß   nacheinander   die   Auflösungsstelle   des  Wasser- 
strahles an  verschiedene  in  ungefähr  gleichen  Abständen   auf- 
einanderfolgende Punkte  ein  und  derselben  Vertikalen  (Mittel- 


V 


C.  W.  LuU:lÜber  einen  i 


1  Flamnienkollektor. 


linie  des  Feldes)  gebracht  und  für  jeden  dieser  Funkte  das 
Potential  und  der  Abstand  vom  Orundbleclie  gemessen  wurde. 
Ersteres  geschah  mit  üilfe  eines  mit  dem  Kollektor  leitend 
verbundenen  Elektroskopes  £,  (Fig.  2),  letztere  Messung  durch 
einen  vertikal  auf  einer  Fuüplatte  stehenden  Malistab,  der 
nur  zum  Zwecke  dieser  Abmessung  ftlr  kurze  Zeit  ins  Feld 
gebracht  wurde.  Die  so  erhaltenen  Werte  (Tabelle  1)  wurden 
zur  Zeichnung  der  Figur  3  verwendet.    Zur  Messung  der  niederen 


p 

n 

^ 

^ 

^ 

^ 

^ 

y 

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■ 

, 

^ 

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j 

_ 

\A 

__ 

„ 

__ 

__ 

_ 

Potentialwerte  20,  33  und  54  Volt  verwendete  ich  ein  empfind- 
liches kleines  Aluminiumblattelektroskop ,  das  zwar  bei  diesen 
Spannungen  deutliche  Ausschläge  zeigte,  doch  dOrften  trotzdem 
diese  Werte  etwas  unsicherer  als  die  Übrigen  sein. 


Tabelle  I. 

(Za  Figur  3.) 


Abstand  vom  ^eerdeteD 
Bleche  in  cm  (Ordinatea)  ,,5,0 
Spannung  in  Volt 
(Äbazisfen) 


9,6  13,9  18.8 
U    76 


Auf  Grund  dieser  Messungen  darf  das  künstliche  elektrische 
Feld  bis  auf  die  Kandpartien   als  homogen  angesehen  werden. 

ISOt.  aitnDnb.  d.  niUi.-phTS.  Kl.  34 


516        Sitzung  der  math.-pfajs.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

In  dieses  homogene  Feld  wurde  der  oben  beschriebene 
Flammenkollektor  gestellt  und  der  nunmehrige  Verlauf  der 
zehn  Niveauflächen  vom  Potentiale  20,  33,  54  etc.  Volt  be- 
stimmt. Der  brennende  Kollektor  stand  bei  diesen  Messungen 
in  der  Mitte  des  Feldes  auf  einer  kurzen  Hartgummisfiule,  die 
in  eine  kleine  Holzplatte  eingelassen  war  (Tafel  V).  Zuerst 
wurde  das  Potential  bestimmt,  das  der  Kollektor  bei  dieser 
Aufstellung  im  Felde  annahm.  Das  hiezu  verwendete  Aluminium- 
blattelektroskop  war  1,5  m  außerhalb  des  Feldes  aufgestellt 
und  durch  einen  dünnen  horizontal  geführten  Leitungsdraht 
mit  dem  Kollektor  verbunden.  Dem  Verlaufe  der  Niveaufläche 
vom  Potential  des  Kollektors  wurde  in  der  folgenden  Unter- 
suchung besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt. 

Die  Lage  der  deformierten  Niveauflächen  wurde  in  folgen- 
der Weise  ermittelt.  Zunächst  wurden  für  eine  in  der  Längs- 
mittelebene des  Feldes  gelegene  Vertikale  im  Abstände  von 
40  cm  von  der  Feldmitte  der  Reihe  nach  die  Lagen  der  Punkte 
vom  Potential  20,  33,  54  etc.  Volt  bestimmt.  Es  geschah  dies 
mit  Hilfe  des  S.  514  beschriebenen  Wasserkollektors,  dessen 
Ausflußöffnung  entsprechend  orientiert  und  der  nun  allmählich 
so  lange  aufwärts  bewegt  wurde,  bis  das  mit  dem  Tropfgefaß 
verbundene  Elektroskop  (JBj  Fig.  2)  den  verlangten  Potentialwert 
anzeigte.  Die  einzelnen  Potential  werte  konnten  auf  diese  Weise 
mit  genügender  Genauigkeit  festgelegt  werden,  da  schon  eine 
Vertikalverschiebung  des  Wasserkollektors  von  nur  2  mm  eine 
wahrnehmbare  Änderung  des  Elektroskopausscblages  hervorrief. 
Zu  jedem  Potential  werte  wurde  mit  dem  oben  erwähnten  Maiä- 
stab  der  zugehörige  Abstand  vom  Grundblech  auf  Millimeter 
genau  abgemessen. 

In  der  gleichen  Weise  wurden  für  weitere  vier  Vertikalen 
derselben  Mittelebene  die  zu  den  Potentialen  von  20,  33  etc. 
Volt  gehörigen  Abstände  bestimmt.  Die  so  ermittelten  Punkte 
gehören  alle  den  Schnittlinien  der  deformierten  Niveauflächen 
mit  der  vertikalen  Längssymmetrieebene  des  Feldes  an,  und  es 
kann  nun  leicht  ein  Längsschnitt  durch  das  deformierte  Feld 
gezeichnet  werden  (Tafel  V). 


C.  W.  Lutz:  Über  einen  neuen  Flammenkollektor.  517 

Da  ich  mich  durch  Messungen  an  yerschiedenen  Seiten 
des  Kollektors  überzeugte,  daß  der  Verlauf  der  Niveauflächen 
zum  Flammenkollektor,  wie  vorauszusehen,  völlig  symmetrisch 
ist,  so  beschränkte  ich  mich  in  der  Folge  auf  die  Bestimmung 
von  Punkten  in  der  linken  Hälfte  der  senkrechten  Mittelebene 
des  Feldes. 

Der  obenerwähnte  horizontale  Zuleitungsdraht  vom  Flam- 
menkollektor zum  Hilfselektroskop,  der  stets  senkrecht  zu  den 
Längsseiten  aus  dem  Felde  herausgeführt  wurde,  wird  zwar  das 
Feld  in  seiner  Umgebung  etwas  deformieren,  doch  reicht  diese 
Deformation  nicht  bis  zu  unserer  Schnittebene,  wovon  ich  mich 
durch  direkte  Messungen  mit  und  ohne  Verbindungsdraht  ver- 
gewisserte. Späterhin  habe  ich  das  Potential  des  Flammenkol- 
lektors nur  zu  Beginn  und  am  Ende  einer  jeden  Messung  be- 
stimmt und  den  Zuleitungsdraht  während  des  Versuches  ganz 
fortgelassen,  da  das  EoUektorpotential  sich  nie  merklich  än- 
derte, so  lange  die  Flamme  nicht  rußte. 

Tafel  VI  stellt  den  Verlauf  der  Niveauflächen  dar  einmal, 
wenn  der  Kollektor  brennt  (blaue  Kurven)  und  einmal,  wenn 
er  nicht  brennt  (rote  Kurven).  Bei  beiden  Messungen  stand 
der  Flammenkollektor  auf  einem  in  ein  Metallrohr  eingebauten 
Hartgummistab,  der  mit  Natrium  getrocknet  werden  konnte. 
Letztere  Vorrichtung  war  notwendig,  weil  bei  nichtbrennendem 
Kollektor  nur  dann  ein  richtiger  Verlauf  der  Niveauflächen  er- 
halten wird,  wenn  die  Stütze  vorzüglich  isoliert.  Natürlich  wird 
durch  diese,  quer  zu  den  Niveauflächen  langgestreckte  metal- 
lische Hülle  eine  sehr  starke  Felddeformation  herbeigeführt, 
welche  man  bei  den  Messungen  im  Terrain  und  bei  brennen- 
dem Kollektor  unbedingt  vermeiden  würde.  Auch  muis  bei 
diesem  Versuche  der  Kollektor  vor  jeder  Messungsreihe  sorg- 
faltig geerdet  werden,  unter  gleichzeitiger  Ableitung  des  Zink- 
drahtnetzes Z  Fig.  2.  Von  einer  Umladung  des  stets  auf 
+  210  Volt  geladenen  Netzes  wurde  abgesehen,  da  frühere 
Untersuchungen^)  zeigten,   daß  auch  bei  umgekehrtem  Rich- 


1)  K.  V.  Weeendonk,  1.  c,  S.  234.    F.  Henning,  1.  c,  S.  901. 

34* 


518        Sitzuog  der  math.-phjs.  Klasse  Tom  3.  November  1906. 


tungssinn  der  Kraftlinien  des  elektriscben  Feldes  der  Aus- 
gleichsort stets  über  dem  Kollektorrand  liegt.  Die  zu  den 
Tafeln  Y  und  VI  gehörigen,  durch  direkte  Messung  gewonnenen 
Werte  sind  in  nachstehenden  Tabellen  2  bis  4  zusammen- 
gestellt. 


Tabelle  2. 

(Zu 

Tafel  1.) 

Volt 

Ordinaten  fem) 

20 

— 

4,3, 

1 
4,1!    4,7'    5,0 

33       ■    — 

6,5 

6,6,    8,5 1    9.6 

54           — 

1 

8,5 

9,4    12.4 ;  13,9 

75           — 

1 , 

10,6 

13,1    17,2  \  18,8 

97           - 

12,5' 

16,9    22,1    23,6 

118          - 

14,6' 

21,6  >  26,9  i  28,5 

140          — 

20,2 1 

28.8   82,2   33,8 

168      !  31,9 

36,0 

37,8   39,3,40,0 

186       .  43,3 

43,5 

43,8   44,5,45,0 

199        47,2 

;47,3 

47,4  1  47,9 

48,0 

Abszisse  .    ^ 

5 

10      25 

40 

(ciuj      . 

! 

Tabelle  3. 

Tabelle  4. 

(Zu  Tafel  2,  blaue  Kurven.) 

(Zu  Tafel  2,  rote  Kurven.) 

Volt             Ordinalen  (cm) 

Volt 
20 

Ordinaten  (cm) 

20         -      2,6i    3,2,    4,6    4,6 

-      3,9.    4,6j    5,6'    5,7 

33         —      3,6-    5,4    8,8     9,2 

33        —      5,9;    8,3 j    9,6  10.  l 

54    '    -      4,6|    7,2]  12,0  13.8 

54         -  ,    9,6j  13,3i  13,9  14,2 

75        —      5,9  10,3  16,7l  18,6 

75         -  i  20,4  19,9;  19,3  19,2 

97         —  !    7,1' 14,3;  21.4  23,4 

97       37,3!  32^6'  26,2'  24,5  24,4 

118        —     9,41  19,1  26,4;  28,4 

118      88,4  35,9  32,o|  29,4  29.2 

140     .    —    14,2  25,7  32,2  33,8 

140      40,2,  38,6;  36,5|  34,5  34,3 

165         -  '  24,2  34,7.  38,6  39,0 

165      43,0i  42,3.  41,4^  39,8  39,6 

186       37,6'  41,3;  42,9'  44,5  44,7 

186       46,6  46,3.  45,6,  45.3  45,2 

199       46,0  46,6  47,0:  47,7  47,9 

( 

199      48,7'  48.5'  48,4;  48,4  48,1 

1         1 

Abs.«««',   „       , 

V           U     1     0 

1 

10  i  25      40 

Abszisse     0    '    5    !  10  !  25  '  40 

(cm)     , 

11                 1 

■ 

(cm) 

1 

1         1 

1         1         .         ■ 
<         ■         . 

C.  W.  Lotz:  Über  einen  neuen  Flammenkollektor.  519 

Die  Tafeln  V  und  VI  geben  ein  anschauliches  Bild  davon, 
in  welcher  Weise  die  Niveauflächen  des  homogenen  Feldes  (punk- 
tiert eingezeichnet)  durch  den  Kollektor  deformiert  werden. 

Bei  nicht  brennendem  Kollektor  (Tafel  VI  rote  Kurven) 
findet  eine  Verteilung  der  Elektrizität  durch  Influenz  statt. 
Dementsprechend  ergeben  sich  zwei  Partien  von  Niveauflächen, 
die  beide  durch  eine  horizontale,  nicht  deformierte  Niveaufläche, 
der  auch  die  Oberfläche  des  Kollektors  angehört,  voneinander 
geschieden  sind.  Die  Lage  dieser  nicht  deformierten  Niveau- 
fläche (neutralen  Fläche)  wurde  durch  graphische  Interpolation 
bestimmt. 

Ganz  anders  dagegen  wird  das  Bild  bei  brennendem  Flam- 
menkollektor (Tafel  V  und  VI  blaue  Kurven). 

Nach  eingetretenem  Spannungsausgleich  hat  der  Kollektor 
das  Potential  einer  Niveaufläche,  angenommen,  die  im  unge- 
störten Felde  ca.  9  cm  über  seinem  oberen  Rande  liegt.  Diese 
, Ausgleichsniveaufläche"  wird  am  Orte  des  Kollektors  herab- 
gebogen und  umschließt  ihn  in  einer  sackförmigen  Ausbiegung, 
wobei  der  untere  Teil  von  der  leitenden  Oberfläche  des  Kollek- 
tors selbst  gebildet  wird.  Die  darunter  liegenden  Niveauflächen 
werden  herabgedrängt  und  gehen  unter  dem  Kollektor  durch 
die  isolierende  Stütze  hindurch,  doch  erstreckt  sich  diese  De- 
formation nicht  sehr  weit.  Schon  in  einer  Tiefe  unter  dem 
Kollektor,  die  ungefähr  der  halben  Längserstreckung  gleich- 
kommt, werden  die  Niveauflächen  wieder  eben.  Das  gleiche 
gilt  für  die  Niveauflächen  oberhalb  des  Kollektors.  Seitwärts 
vom  Kollektor  sind  die  Niveauflächen  bis  zu  einer  Entfernung 
hin. deformiert,  die  ungefähr  der  doppelten  Länge  desselben 
entspricht  (Tafel  V).  Je  länger  der  Kollektor,  desto  weiter 
reicht  die  Störung,  wie  eine  Vergleich ung  der  beiden  Tafeln 
V  und  VI  lehrt.  Hieraus  dürfte  sich  die  Forderung  ergeben, 
den  Kollektor  möglichst  klein  zu  bauen  und  die  iso- 
lierende Hartgummistütze  blank,  also  ohne  Schutz- 
hülse,  zu  verwenden. 

Zum  Vergleiche  wurden  noch  einige  andere  Arten  von 
Flammenkollektoren  unter  den  gleichen  Bedingungen  im  selben 


520        Sitzung  der  math.-pliys.  Klasse  Tom  8.  November  1906. 

elektrischen  Felde  geprüft.  Die  Kollektoren  waren  dabei  in 
der  Mitte  des  Feldes  auf  dem  in  Tafel  V  gezeichneten  ein- 
fachen Hartgummistab  aufgestellt.  Da  durch  die  vorhergehen- 
den  Messungen  ein  übersichtliches  Bild  der  Feldstörung  durch 
einen  FlanimenkoUektor  gewonnen  wurde,  so  konnten  die  fol- 
genden Untersuchungen  wesentlich  vereinfacht  werden.  Ich  be- 
stimmte lediglich  das  konstante  Potential,  auf  welches  sich  der 
jeweilige  FlammenkoUektor  auflud  nach  der  S.  516  angegebenen 
Weise.  Mit  Hilfe  dieses  Wertes  kann  leicht  angegeben  werden 
(aus  Fig.  3),  wie  hoch  über  dem  Kollektorrand  (und  der  Flara- 
menspitze)  die  „Ausgleichsniveaufläche*  im  ungestörten  Felde 
liegt.  Diese  Werte  sind  für  verschiedene  Kollektortypen  in 
Tabelle  5  zusammengestellt. 

Anschließend  an  diese  Messung  wurde  für  jeden  Kollektor 
die  Ladezeit  bestimmt.  Theoretisch  *)  braucht  ein  Kollektor  un- 
endlich lange  Zeit,  um  sich  völlig  aufzuladen,  praktisch  ist  dies 
aber  geschehen,  wenn  das  zu  diesen  Messungen  fast  ausnahms- 
los verwendete  Aluminiumblattelektroskop  eine  konstante  Ein- 
stellung erreicht  hat.  Ich  bestimmte  die  Ladezeit  in  folgender 
Weise.  Der  Kollektor  wurde  innerhalb  des  künstlichen  Feldes 
in  Betrieb  gesetzt  und  nun  gewartet,  bis  sich  das  Elektroskop 
auf  einen  konstanten  Wert  eingestellt  hatte,  hierauf  geerdet 
und  mit  Hilfe  einer  Stoppuhr  die  kürzeste  Zeit  gemessen,  die 
zur  Wiederaufladung  des  Elektroskopes  auf  den  gleichen  Wert 
nötig  war.  Auch  die  Ladezeiten  in  sec.  sind  in  nachstehender 
Tabelle  5  für  verschiedene  Flammenkollektoren  angegeben. 

Zu  diesen  Zahlen  möchte  ich  noch  bemerken,  daß  das  Po- 
tential der  freibrennenden  Flammen  bestandig  schwankt.  Selbst 
wenn  die  Flamme  auch  ganz  ruhig  zu  brennen  scheint,  ändern 
sich  doch  fortwährend  die  Angaben  des  Elektroskopes.  Beson- 
ders bei  der  leicht  flackernden  Gasflamme  ist  eine  sichere  Ein- 
stellung des  Elektroskopes  gar  nicht  zu  erzielen.^) 


1)  F.  Linke,  Physikalische  Zeitschrift  4,  662,  1903. 
*)  Dieser  Übelstand  veranlaßte  z.  B.  K.  v.  Wesen donk  (1.  c)  seine 
Messungen  nicht  fortzusetzen. 


G.  W.  Lutz:  Über  einen  neuen  Flammenkollektor. 


521 


Tabelle  5. 


Bezeichnung  des  Kollektors 


Abstand  der 
Ausgleichs- 
niveaufläche 
vom  Kollek- 
torrand 

cm 


Abstand  der 
Ausgleiohs- 
niveaufläche 
von  der  Flam- 
menspitze 

cm 


Ladezeit 


sec. 


Flammenkollektor  mit  Netz- 
gehäuse 
(Mittel  aller  Messungen) 

Kkter-Geitel-Flammenkollektor : ') 

a)  bei  kleiner  Flamme 

b)  bei  rußender      , 

Kerzenflammenkollektor  nach 
Exner: 

a)  Metallzjlinder  10    cm  hoch 

b)  ,  15,5    ,      , 

Freibrennende  Flammen: 

a)  Kerzenflamme       8    cm  hoch 

b)  Petroleumflamme  2,5    ,      , 

c)  Grasflamme  7,5    ,      „ 

d)  ,  3,1    .      , 


8,6 


15,6 


7,2 
7.3 


12,0 


8,2 
6.7 


15,2 
19,2 


15,8 

16,2 

12.4 

3,0 


27 


38 
28 


36 
55 


38 

35 

6 

7 


In  Übereinstimmung  mit  allen  früheren  Messungen*)  er- 
gibt sich  aus  der  Tabelle  5,  daß  die  Flammenkollektoren  aus- 
nahmslos zu  hohe  Potentialwerte  angeben,  d.  h.  sie  nehmen 
keineswegs  das  Potential  einer  durch  die  Flammenspitze  oder 
den  Kollektorrand  gehenden  Niveaufläche  an,  sondern  das  einer 


^)  Von  der  Firma  Günther  und  Tegetmejer  in  Braunschweig. 

*)  K.  V.  Wesendonk,  1.  c,  S.  235.  F.  Henning,  1.  c,  S.  898,  899 
und  S.  903.    F.  Linke,  1.  c,  S.  663  und  664. 

Besonders  möchte  ich  auf  die  Arbeit  des  Herrn  H.  Benndorf 
hinweisen,  der  auf  rechnerischem  Wege  zu  genau  denselben  Resultaten 
kommt  (1.  e.,  S.  453).  Diese  Arbeit  kam  mir  erst  nach  Abschluß  der  Tor- 
steheaden  Untenochungen  zur  Hand. 


522        Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  8.  November  1906. 

mehrere  Zentimeter  höher  gelegenen  Fläche.  Nimmt  man  bei 
Potentialmessungen  im  Freien  als  Ort  des  beobachteten  Poten- 
tialwertes den  oberen  Kollektorrand,  so  fallt  die  zugehörige 
Höhe  zu  klein  aus,  die  Werte  des  Potentialgefalles  (in  Volt/m) 
werden  infolgedessen  zu  groß.  Bei  einem  Abstand  des  Kol- 
lektorrändes  von  1  m  bzw.  0,5  m  vom  Erdboden  erhält  man 
dadurch  Fehler  von  ca.  lO^/o  bzw.  20  ^/o. 

Die  Ladezeit  ist  für  Kollektoren  mit  rasch  aufsteigenden 
Verbrennungsgasen  (Kollektor  mit  Netzgehäuse  und  rußender 
Elster-Geitelscher  Kollektor)  am  kürzesten  (Tabelle  5).  Jede 
Behinderung  des  freien  Abzuges  der  Verbrennungsgase,  sei  es 
durch  lange  Zylinder,  sei  es  durch  aufgesetzte  Kamine,  oder 
gar  durch  kleine  über  der  Kollektoröffnung  angebrachte  Dächer, 
vergrößert  die  Ladezeit  ganz  erheblich,  wovon  ich  mich  durch 
mehrfache  Versuche  überzeugte.  Femer  ergibt  sich  aus  der 
Tabelle  5,  daß  bei  freibrennender  Flamme  die  Ausgleichsniveau- 
fläche etwas  höher  über  der  Flammenspitze  liegt,  als  bei  An- 
wendung von  Zylindern.  Nur  durch  Zylinder,  die  die  Flammen- 
spitze beträchtlich  überragen,  wird  dieselbe  gehoben.  Der  gleiche 
Fall  tritt  ein,  wenn  auf  den  Kollektor  (mit  Netzgehäuse)  noch 
ein  mehrere  Zentimeter  hoher  Kamin  aufgesetzt  wird,  umge- 
kehrt läßt  sich  durch  Aufsetzen  eines  Daches  über  der  Kol- 
lektoröffnung die  Ausgleichsniveaufläche  bis  zum  Kollektorrande 
herabdrücken,  was  aber,  wie  die  folgenden  Untersuchungen  zeigen, 
ohne  praktische  Bedeutung  ist. 

Durch  diese  Untersuchungen  sollte  nämlich  festgestellt 
werden,  inwieweit  die  Luftbewegung  die  Angaben  eines 
Flammenkollektors  beeinflußt.  Zu  diesem  Zwecke  wurde 
außerhalb  des  Feldes  ein  elektrischer  Ventilator  aufgestellt, 
durch  den  ein  kräftiger  Luftstrom  quer  durch  das  Feld  ge- 
trieben werden  konnte.  Die  Geschwindigkeit  des  Ventilator- 
flügels konnte  in  Stufen  verändert  werden  und  so  Windgeschwin- 
digkeiten von  im  Mittel  1,  2  und  4  m/sec.  erzeugt  werden  (ge- 
messen durch  ein  Anemometer,  das  in  verschiedener  Höhe  in 
der  Mittellinie  des  Feldes  aufgestellt  wurde).  Eine  Deformation 
des  Feldes  durch  den  etwa  50  cm  von  einer  Längsseite  aufge- 


C.W.Lutz:  Über 


1  neaen  Flammenkollektor. 


stellten  Ventilator  trat  nicht  ein,  wovon  ich  mich  mit  Hilfe  des 
Wasserkollektors  Überzeugte.  Der  Einfluß  des  Windes  (4  m/sec.) 
auf  die  Angaben  dieses  Kollektors  war  unmerklich,  trotzdem 
der  Wasserstrahl  durch  den  kräftigen  Luftstrom  stark  aus  seiner 
ursprünglichen  Richtung  herau^edrängt  wurde. 

Die  Ergebnisse  der  Uessuag  sind  in  folgender  Tabelle  6 
zusammen  mit  den  Werten  ohne  Ventilation  (aus  der  Tabelle  5) 
dargestellt  und  zwar  fUhre  ich  hier  der  Kürze  halber  nur  die 
Mittelwerte  aus  vielen  Einzelmessungen  an. 

Tabelle  6. 
Einrua  des  Windea  auf  Flammenkollektoren. 


Name  des 

Wind- 

geschwin- 

Abi  fand  des 
Kollektov- 
rande»  vom 
Bodenbleehe 
in  cm 

Höhe  der 
Äusgleichs- 
niveau flache 

AuBgleichs- 
niveauflüthe 

Lade- 
zeit 

EoUekton 

dJRkeit 
in  m/aec. 

über  dem  Kol- 

lektocmnd 

in  ein 

Resunken 

insec. 

Flummeii' 

0 

30,6 

8.G 

.    — — 

27 

kotlektor  mit 

l 

30,1 

B,5 

3,1 

39 

Netigeh&use 

4 

30.1 

-0.8 

«.4 

86 

Flammen- 

0 

27.9 

7.2 

— 

88 

kollektor 

i        1 

27.6 

5,5 

1.7 

66 

ElBter-Geitel 

1        •' 

24,9 

fl 

3,1 

60 

Flammen- 

1 

kollektor  mit 

1        ^ 

30,9 

8,2 

— 

36 

10  cm  hohem 

1         4 

30,9 

1,4 

3,8 

67 

Zylinder 

1 

FUmmen- 

1 

kollektor  mit 

0 

36,3 

6.7 

— 

65 

15,5cm  hohem 

4 

36,3 

1.5 

6.2 

217 

ZyUnder 

1 

Bei  allen  Flammenkollektoren  zeigt  sich  zunächst,  daß 
schon  ganz  schwacher  Wind  (1  m/sec.)  die  Ausgleichsniveau- 
fläche um  einige  Zentimeter  herabdrUckt   Der  Kollektor  nimmt 


524        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

dementsprechend  ein  kleineres  Potential  an.  Bei  größer  werden- 
der Windgeschwindigkeit  rückt  auch  die  Ausgleichsniyeaufläche 
tiefer  und  erreicht  schließlich  bei  ca.  4  m/sec.  den  Eollektor- 
rand.  Eine  weitere  Steigerung  der  Windgeschwindigkeit  ist 
praktisch  bedeutungslos,  da  schon  bei  4  m/sec.  die  Blättchen 
des  Elektroskopes  zu  flattern  beginnen. 

Der  Elster- Geitelsche  Kollektor  fängt  schon  bei  einer 
Windgeschwindigkeit  von  1  m/sec.  stark  zu  rußen  und  zu 
flackern  an;  eine  Steigerung  derselben  auf  2  m/sec.  führt  nach 
kurzer  Zeit  das  Erlöschen  des  Flämmchens  herbei,  so  daß  bei 
dieser  Geschwindigkeit  nur  mit  Mühe  Ablesungen  erhalten 
werden  können.  Bei  noch  größerer  Windstärke  erlischt  die 
Flamme  sofort. 

Femer  zeigt  sich  (Tabelle  6),  daß  sich  bei  Wind  jeder 
Flammenkollektor  langsamer  aufladet  und  zwar  um  so  lang- 
samer, je  größer  die  Windgeschwindigkeit  ist.  Bei  dem  Kerzen- 
kollektor mit  15,5  cm  langem  Metallzylinder  wächst  die  Lade- 
zeit auf  mehrere  Minuten  an.  Auch  aus  diesem  Grunde  wäre 
ein  solcher  Flammenkollektor  nicht  zu  empfehlen. 

Durch  besondere,  am  Kollektor  angebrachte  Armierungen, 
wie  Kamine,  kleine  Dächer,  Platten  über  der  Offiiung,  Wind- 
schirme etc.  suchte  ich  den  erwähnten  Einfluß  des  Windes  zu 
beseitigen.  Abgesehen  davon,  daß  jede  Behinderung  des  freien 
Abzuges  der  Verbrennungsgase  die  Ladezeit  eines  Flammen- 
kollektors bedeutend  vergrößert,  drückt  der  Wind,  trotz  der 
besonderen  Vorrichtungen,  die  Ausgleichsniveaufläche  herab,  oft 
noch  weit  in  den  Zylinder  des  Kollektors  hinein. 

Die  ungleichmäßige  innere  Struktur  des  im  Freien  wehen- 
den Windes  muß,  unseren  Untersuchungen  zufolge,  die  Aus- 
gleichsniveaufläche eines  Flammenkollektors  bei  Messungen  in 
der  freien  Atmosphäre  in  beständigem  Schwanken  erhalten. 
Demzufolge  werden  bald  größere  bald  kleinere  nicht  reelle 
Schwankungen  des  Potentialgefälles  zu  beobachten  sein, 
wovon  man  sich  bei  Potentialmessungen  im  Freien  leicht  über- 
zeugen kann. 


C.  W.  Lutz:  t3l)er  einen  neuen  Flammenkollektor.  525 


Eine  Vermeidung  dieser  Fehlerquelle  dürfte  allein 
durch  die  gleichzeitige  Verwendung  zweier,  völlig 
übereinstimmend  gebauter  Flammenkollektoren  mög- 
lich sein.  Ein  Kollektor  wird  dann  in  geringer  Entfernung 
über  dem  Erdboden  aufgestellt  und  mit  dem  nunmehr  zu  iso- 
lierenden Gehäuse  des  Elektroskopes  verbunden,  der  andere  1  m 
darüber,  mit  dem  Blättchen  träger  in  leitender  Verbindung.  Eine 
Anordnung  dieser  Art  ist  auch  deshalb  zu  empfehlen,  weil 
wohl  nur  in  wenigen  Fällen  der  Beobachtungsplatz  vollkommen 
eben,  und  so  der  Abstand  des  Ausgleichsortes  von  der  Erdober- 
fläche genau  angebbar  ist. 

Die  vorstehenden  Untersuchungen  wurden  zum  größten 
Teile  im  Physikalischen  Institut  der  Technischen  Hochschule 
ausgeführt.  Herr  Professor  Dr.  H.  Ebert  hat  mir  in  freund- 
lichster Weise  die  hiezu  nötigen  Apparate  zur  Verfügung  ge- 
stellt und  meine  Arbeit  durch  manchen  wertvollen  Rat  geför- 
dert. Hiefür,  sowie  für  die  wirksame  Unterstützung,  die  Herr 
Professor  Ebert  überhaupt  den  luftelektrischen  Beobachtungen 
am  Erdmagnetischen  Observatorium  seit  ihrer  Einführung  zu- 
teil werden  läßt,  möchte  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinen  ver- 
bindlichsten Dank  aussprechen. 


527 


Über  Palsationen  von  geringer  Periodendaner 
in  der  erdmagnetischen  Feldkraft 

Von  H.  Ebert. 

(SingilaM/tn  8.  JVoftfin5«r.) 

1.  Schon  seit  längerer  Zeit  erregen  jene  auffallend  regel- 
mäßigen Schwingungen  von  kurzer  Periodendauer  in  der  Inten- 
sität der  erdmagnetischen  Kraft  allgemeinere  Aufmerksamkeit, 
welche  namentlich  zu  Zeiten  von  magnetischen  Störungen  in 
den  die  Feldkraft  in  ihrem  zeitlichen  Verlaufe  darstellenden 
Kurven  in  Form  kurzer  Wellen  zur  Erscheinung  kommen  (»erd- 
magnetische Wellen*).  Bekannt  ist  das  von  Friedrich  Kohl- 
rausch vom  20.  November  1882  mitgeteilte  Beispiel,*)  bei  dem 
durch  zweisekundliche  Ablesungen  an  dem  von  ihm  konstru- 
ierten Ablenkungs-Intensitätsvariometer  für  die  Horizontalkom- 
ponente (Schwingungsdauer  der  Nadel  1,7  sec,  Dämpfungs- 
verhältnis 2,0)  solche  Schwingungen  von  rund  12  sec.  Perioden- 
dauer und  i  y  (ly  =  0,00001  C.G.S.  Einheiten)  Amplitude 
erhalten  wurden.  Bei  den  gewöhnlichen  Registrierverfahren 
mit  langsamem  Streifengang  müssen  derartige  kurzdauernde 
Schwankungen  der  erdmagnetischen  Feldkraft  verloren  gehen; 
sie  können  sich  höchstens  in  einer  Verbreiterung  und  un- 
scharfen Zeichnung  der  Kurven  kundgeben. 

Es  war  daher  ein  wesentliches  Verdienst  von  M.  Eschen- 
hagen, daß  er  zum  Studium  gerade  derartiger  kleiner  Varia- 
tionen  des  Erdmagnetismus   die   sog.  «Feinregistrierung''   ein- 

*)  Fr.  Kohlrausch,  Wied.  Ann.  60,  336,  1897. 


528        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

führte,^  bei  welcher  durch  rascheren  Streifengang  (1  mm  gleich 
15  sec,  statt  wie  sonst  üblich,  180  sec.)  eine  bei  weitem  mehr 
ins  einzelne  gehende  Auflösung  des  zeitlichen  Ablaufes  der  Er- 
scheinungen ermöglicht  wurde.  Gleichzeitig  erhöhte  er  die 
Empfindlichkeit  des  Variationsinstrumentes;  sein  Unifilarmag- 
netometer,  bei  welchem  ein  kleiner  magnetisierter  Stahlspiegel 
durch  einen  tordierten  Quarzfaden,  an  dem  er  hängt,  in  senk- 
rechter Stellung  zum  magnetischen  Meridian  erhalten  wird,  gab 
bei  8,5  sec.  Schwingungsdauer  und  einem  Dämpfiingsverhältnis 
von  etwa  4  eine  Empfindlichkeit  von  1  mm  gleich  0,3  y.  In 
dem  von  ihm  a.  a.  0.  mitgeteilten  Kurvenbeispiele  kann  man 
199  Pulsationen  zählen,  welche  auf  eine  (ganze)  Schwingungs- 
dauer von  32,2  sec.  bei  einer  mittleren  Amplitude  von  1,4  y 
führen.  Eschenhagen  glaubte  in  diesen  Wellen  von  kon- 
stanter Periode  , gewissermaßen  die  einfachsten  Elementar- 
bewegungen des  Erdmagnetismus '^  erblicken  zu  dürfen,  da 
(bei  seinem  Instrumente)  keine  weiteren  Details  durch  fort- 
gesetzte Auflösung  zu  erkennen  waren.  Auf  Grund  eines  um- 
fangreicheren Materiales  an  solchen  Feinregistrierungen  (etwa 
sechzig),  kommt  er  zu  dem  folgenden  Schlüsse:^)  «Alle  gesam- 
melten Ergebnisse  beweisen,  daß  man  durch  eine  solche  Fein- 
registrierung bei  gleichzeitiger  guter  Dämpfung  der  Magnet- 
nadel und  hoher  Empfindlichkeit  gegenüber  den  Intensitäts- 
änderungen in  der  Tat  bis  zur  letzten  Auflösung  der 
kleinsten  Schwankungen  des  Erdmagnetismus,  also  zu 
einer  Darstellung  der  „Elementarwellen''  kommt,  so 
daß  eine  weitere  Verfeinerung  jener  Hilfsmittel  keinen  Erfolg 
mehr  verspricht." 

Bemerkenswert  ist,  daß  jene  kurzdauernden  Wellen  vor- 
zugsweise am  Tage,  zwischen  morgens  und  abends  6  Uhr, 
also  zu  einer  Zeit,  in  der  die  Sonne  über  dem  Horizonte 
der  Beobachtungsorte   zur   betreffenden  Jahreazeit  stand,   auf- 


»)  M.  Eachenhagen,  Sitzungsber.  d.  Berliner  Akad.  Nr.  XXXIX, 
965,  1896. 

2)  M.  Eschenhagen,  Sitzungsber.  der  Berliner  Akad.  Nr.  XXXII, 
678,  1897. 


H.  Ebert:  Über  Pulsationen  von  geringer  Periodendauer.        529 

traten,  sehr  selten  nachts,  während  in  den  Nachtstunden  häufig 
längere,  schon  an  den  gewöhnlichen  Registrierungen  erkennbare 
Wellen  erschienen.^)  Interessant  vor  allem  sind  die  von  Eschen- 
hagen entdeckten  „Wellengruppen",  die  eine  Analogie  zu  den 
Schwebungen  der  Töne  darstellen;  eine  Wellenbewegung  von 
34  sec.  Periodendauer  trat  mit  einer  solchen  von  43  sec.  in 
Interferenz  und  erzeugte  die  für  das  Schwingungszahlen  Ver- 
hältnis 5  zu  4  charakteristische  Schwebungskurve ;  dabei  betrug 
die  Amplitude  der  beiden  miteinander  interferierenden  Schwin- 
gungen etwa  0,6  y. 

Solche  erdmagnetische  Schwingungen  können  ein  weites 
Verbreitungsgebiet  besitzen.  Schon  1895  wurden  bei  Gelegen- 
heit von  Terminbeobachtungen  Wellen  von  40  bis  50  sec.  Dauer 
bemerkt,  welche  (innerhalb  der  Grenze  der  Beobachtungsfehler 
von  1  bis  2  sec.)  in  Potsdam  und  in  Wilhelmshaven  gleich- 
zeitig auftraten.  Weiteres  hierher  gehöriges  Material  wurde 
von  Kr.  Birkeland  bei  Gelegenheit  der  Norwegischen  Expe- 
dition zum  Studium  der  Polarlichter  1899  —  1900  gesammelt.*) 
Es  zeigten  sich  bemerkenswerte  Übereinstimmungen  zwischen 
gleichzeitig  zu  Haidde  bei  ßossekop  im  nördlichen  Norwegen 
und  in  Potsdam  vorgenommenen  Feinregistrierungen,  also  an 
zwei  Stationen,  welche  um  ca.  2000  km  voneinander  entfernt 
sind,  ein  Zeichen  dafür,  daß  derartige  Pulsationen  ungeheure 
Gebiete  des  erdmagnetischen  Kraftfeldes  mit  gleichem  Rhythmus 
durchzucken  können.  Birkeland  hat  auch  die  Häufigkeit  des 
Auftretens  solcher  Pulsationen  als  Funktion  ihrer  Periodendauer 
dargestellt;  hierbei  zeigt  sich,  daß  eine  Häufung  der  Erschei- 
nungen auftritt  für  bestimmte  Dauern,  welche  nach  dem  da- 
mals vorliegenden  Materiale  bei  etwa  32  und  8  sec.  gelegen 
ist.  Hier  haben  wir  also  bereits  Schwingungen  von  wesentlich 
kürzerer  Dauer  als  die  Eschenhagenschen  Elementarwellen. 

Es  drängt  sich  daher  die  Frage  auf:  Kommen  nicht  viel- 
leicht Pulsationen  von  noch  kürzerer  Periode  in  den  erdmag- 


1)  Vgl.  auch  Th.  Arendt,  Das  Wetter,  Heft  11  und  12,  1896. 
^)  Kr.   Birkeland,   Videnskabsselsk.  Skrifter.    Akad.  Christiania. 
I.  Math.-naturw.  Kl.  Nr.  1,  1901,  S.  3  ff. 


530        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  8.  November  1905. 

netischen  Elementen  vor?  Sind  die  in  den  Feinregistrierungen 
aufgezeichneten  kleinen  Wellen  wirklich  die  letzten  Bestand- 
teile der  großen  erdmagnetischen  Feldschwankungen,  kann  man 
in  der  beschriebenen  Weise  überhaupt  die  erdmagnetischen  Er- 
scheinungen in  ihre  letzten  Elemente  auflösen?  Eine  einfache 
Überlegung  zeigt,  daß  dies  stets  daran  scheitern  muß,  daß  wir 
nicht  imstande  sind,  die  Schwingungsdauer  der  magneto- 
metrischen Apparate  unter  eine  gewisse  Grenze  herabzudrücken, 
wenn  wir  nicht  an  Empfindlichkeit  erheblich  einbüßen  wollen ; 
die  Magnetsysteme  sind  viel  zu  träge,  um  Variationen  von 
wenigen  Sekunden  Periode  folgen  zu  können,  ohne  das  Bild 
des  zeitlichen  Ablaufes  dieser  Variationen  bis  zur  völligen  Un- 
kenntlichkeit zu  verwischen;  hier  muß  ein  ganz  anderes  Prinzip 
herangezogen  werden. 

Eschenhagen  hat  schon  selbst  1886,  zurückgreifend  auf 
einen  Vorschlag  von  Werner  Siemens  aus  dem  Jahre  1882, 
auf  die  Induktionswirkung  in  einer  ausgedehnten  Leiter- 
schleife bei  Variation  der  von  dieser  umfaßten  Kraftlinien- 
zahl hingewiesen.^)  Siemens  hatte  der  Deutschen  Polarexpe- 
dition'') vom  Jahre  1882 — 1883  ein  12  km  langes,  leichtes, 
durch  eine  Guttaperchahülle  isoliertes,  einadriges  Kabel  mit- 
gegeben, welches  auf  dem  Eise  des  Kingua-Fjordes,  der  Deut- 
schen Beobachtungsstation,  während  des  internationalen  Polar- 
jahres derart  ausgelegt  wurde,  daß  es  eine  Fläche  von  rund 
8  qkm  umspannte.  Seine  Enden  waren  an  ein  astatisches 
Spiegelgalvanometer  von  Siemens  und  Halske  angeschlossen, 
und  die  in  ihm  auftretenden  Stromstöße  wurden  mit  den  Varia- 
tionen der  Vertikalintensität,  wie  sie  eine  Lloydsche  Wage  auf- 
zeichnete, verglichen.  Es  zeigte  sich,  daß  die  im  Kabel  beob- 
achteten  Ströme   in   der  Tat   durchaus   dem  Wechsel   in   der 


^)  M.  Eschenhagen,  Sitzungsber.  der  Berliner  Akad.  Nr.  XXXII, 
1897,  S.  686  und  Verhandl.  Phys.  Ges..  I.  Jahrg.,  Nr.  9,  8.  151,  1899. 

')  Die  internationale  Polarforschung  1882 — 1883.  Die  Beobachtungs- 
Ergebnisse  der  Deutschen  Stationen,  Band  I,  Kingua-Fjord  u.  s.  w.  Die 
Erdstrom-Beobachtungen,  bearbeitet  von  W.  Giese,  8.  411,  Berlin  1886; 
Tgl.  auch  M.  Eschenhagen,  ebenda  S.  697. 


H.  Ebert:  Über  Pulsationen  von  geringer  Periodendaner.       531 

Intensität  der  Vertikalkomponente  folgen,  so  da&  kein  Zweifel 
bestehen  konnte,  daü  wirklich  die  in  der  Leiterschleife  durch 
die  Feldvariation  geweckte  In duktions Wirkung  ein  Mittel  dar- 
bietet, jene  Variationen  zu  studieren.  Ja  die  Empfindlichkeit 
des  Kabelapparates  erwies  sich  fttr  die  kleinsten  beobachteten 
Schwankungen  der  Vertikalintensität  bei  diesen  Versuchen  etwa 
hundertmal  so  groß  als  die  der  Lloydschen  Wage,  seither  des 
einzigen  Instrumentes,  welches  sich  für  die  Registrierung  der 
Vertikalkomponente  dauernd  als  brauch  bar  erwiesen  hat.  W.G  i  e  s  e, 
welcher,  wie  oben  angegeben,  diese  Beobachtungen  der  Deut- 
schen Station  bearbeitete,  hebt  hervor,  dag  das  Kabel  eigent- 
lich nie  frei  war  von  den  elektomagnetischen  Impulsen  und 
daß  die  ganze  Anordnung  für  die  hohen  Breiten  eigentlich  zu 
empfindlich  war.  Eschenhagen  schlug  daher  vor,  statt  der 
großen  und  sehr  ausgedehnten  ebenen  Leitei*schleife  minder 
ausgedehnte  Drahtspulen  zu  verwenden,  welche  den  Vorteil 
bieten  würden,  daß  man  je  nach  ihrer  Orientierung  beliebige 
Komponenten  des  Erdmagnetismus,  eventuell  auch  dessen  Total- 
intensität untersuchen  könnte;  ob  sich  empfehlen  würde,  eine 
Verdichtung  der  erdmagnetischen  Kraftlinien  durch  Ausfüllen 
des  Spuleninneren  mit  weichem  Eisen  herbeizuführen,  sei  erst 
durch  besondere  Versuche  festzustellen.  Zu  diesen  ist  Eschen- 
hagen selbst  nicht  mehr  gekommen. 

Ich  hatte  1897/98  in  Kiel  zunächst  zum  Studium  der  Natur 
der  durch  den  elektrischen  Trambahnbetrieb  bedingten  Störungen 
der  einzelnen  erdmagnetischen  Komponenten  derartige  eisen-^ 
erfüllte  flache  Spulen  von  großer  Gesamtwindungsfläche,  welche 
an  ein  empfindliches,  in  Juliusscher  Aufhängung  montiertes 
Du  Bois-Rubenssches  Galvanometer  angeschlossen  waren,  mit 
großem  Erfolge  benutzt  (es  sind  dies  die  Versuche,  auf  welche 
M.  Eschenhagen,  Verhandl.  der  Phys.  Ges.,  I.  Jahrg.,  Nr.  9, 
S.  151  unten,  1899  hinweist).  Zu  Zeiten,  als  der  Trambahn- 
verkehr ruhte,  blieben  aber  noch  schwache  Stromstöße  von 
außerordentlicher  Variabilität  zurück,  welche  augenscheinlich 
mit  zeitlichen  Variationen  in  den  einzelnen  erdmagnetischen 
Komponenten    selbst   zusammenhingen.     Schon    hierbei    zeigte 

19(M.  Sttaungsb.  d.  math.-phys.  KL  85 


532        SitzQDg  der  math.-phjs.  Klasse  vom  3.  Norember  1906. 

sich  aber,  daß  die  Eisenerfüllung  beim  Studium  der  rasch  sich 
Tollziehenden  Schwankungen  ungünstig  wirkte;  daduit^,  difi 
man  einen  dichteren  KrafUinienstrom  durch  das  Spuleninnere 
leitet,  gewinnt  man  zwar  an  Feldin tensitat,  aber  das  Eisen 
folgt  selbst  bei  den  hier  vorkommenden  schwachen  magneti- 
schen Belastungen  den  zeitlichen  Änderungen  zu  trage  und 
verwischt  dieselben,  sogar  wenn  man  sehr  weit  unterteiltes 
Eisen  und  namentlich  in  der  Kraftlinienrichtung  selbst  nur  kurz 
bemessene  Drähte  aus  weichstem  Eisen  wählt.  Da  die  Induk- 
tionswirkung der  zeitlichen  Anderungsgeschwindigkeit  der  be- 
trefiPenden  Feldkomponente  proportional  ist,  wurde  daher  der 
weiche  Eisenkern  bald  wieder  verlassen  und  auf  die  ausgedehn- 
tere Leiterschleife  zurückgegriffen. 

Unterdessen  sind  in  Kiel  auf  Veranlassung  des  Herrn 
Professor  Leonh.  Weber  von  Herrn  Herm.  Andreesen*)  Ver- 
suche angestellt  worden,  bei  denen  ein  Kabel  96 mal  um  das 
magnetische  Observatorium  herumgelegt  wurde,  so  daß  eine 
Gesamtwindungsfläche  von  7200  qm  erzielt  wurde.  Die  Kabel- 
enden wurden  an  ein  Drehspulen galvanometer  nach  D^prez- 
d'Arsonval  von  Siemens  und  Halske  von  2,5  bis  3  Minuten 
Schwingungsdauer  angeschlossen.  Die  erhaltenen  Registrier- 
kurven zeigen  außer  sehr  unregelmäßigen  Zacken  gelegentlich 
nachts  kleinere  Zacken  von  kurzer  Dauer,  welche  Andreesen 
geneigt  ist,  ebenfalls  vagabundierenden  Strömen  zuzuschreiben, 
wie  jene  großen  Zacken,  welche  einen  unverkennbaren  Zu- 
sammenhang mit  dem  Trambahnbetriebe  aufwiesen.  Nur  ein- 
mal im  September  1904  zeigten  sich  nachts  ganz  feine  regel- 
mäßige Wellenzüge  von  ca.  30  sec.  Periodendauer,  welche  also 
den  von  Elschenhagen  gefundenen  Wellen  entsprechen  würden. 

2.  Hatten  die  bisherigen  Versuche  gezeigt,  daß  das  Induk- 
tionsprinzip in  der  Tat  imstande  ist,  ein  Vertikal-Intensitäts- 
Variometer  des  Erdmagnetismus  von  hoher  Empfindlichkeit  zu 
liefern,  so  mußte  doch  seither  auch  auf  diesem  Wege  der  Ver- 
such als  aussichtslos  erscheinen,  wesentlich  weiter  in  die  Einzel- 


ij  H.  Andreesen,  Inaag.-Diss.,  Kiel  1905,  S.  32  ff. 


II.  Filtert:   Ühin'  Piilsaiioiicn   v.)ii  ir,.i-)'nnr,.i-   I'.>ii<)<ltMi(];nioi-.         .)•>)» 

heiten  des  zeitlichen  Verlaufes  der  rascheren  erd magnetischen 
Pulsationen  vorzudringen.  An  Stelle  der  beweglichen  Systeme 
der  Magnetometer  traten  jetzt  diejenigen  der  Galvanometer;  da 
man  die  Schwingungsdauer  und  die  Trägheitsmomente  der- 
selben nicht  unter  eine  gewisse  Grenze  bringen  kann,  so  ver- 
mögen sie  ebensowenig  den  kürzeren  Wellen  zu  folgen,  wie 
die  direkt  auf  die  Variationen  der  erdmagnetischen  Kraft  rea- 
gierenden Apparate.  Dazu  gesellt  sich  bei  den  Galvanometern 
mit  -  beweglichen  Magneten  und  feststehenden  stromführenden 
Teilen  noch  der  Nachteil,  daß  die  Orientierung  ihrer  beweg- 
lichen Teile  selbst  wieder  von  den  Variationen  der  erdmagneti- 
schen Kraft  abhängig  ist.  Bei  den  Spulengalvanometern,  bei 
denen  dieser  Nachteil  wegfallen  würde,  stört  der  Umstand,  daß 
sie,  durch  das  Kabel  geschlossen,  außerordentlich  stark  ge- 
dämpft und  daher  sehr  träge  sind,  wenn  man  nicht  durch 
Vorlegen  großer  Ballastwiderstände  die  Empfindlichkeit  stark 
herabsetzen  will. 

Hier  konnte  nun  ein  wesentlicher  Fortschritt  erzielt 
werden  durch  Heranziehung  des  zuerst  von  Ader  angegebenen, 
dann  von  Herrn  Einthoven  und  später  von  Herrn  M.  Edel- 
mann jun.  so  überaus  verfeinerten  und  vervollkommneten 
Saitengalvanometers. ^)  Bei  diesem  wird  ein  möglichst 
dünner  versilberter  Quarzfaden  oder  ein  feiner  Metalldraht  in 
einem  starken  konstanten  Hilfsmagnetfelde  senkrecht  zu  dessen 
Kraftlinien  längs  der  schneidenartig  gestalteten  Polschuhe 
desselben  ausgespannt;  geht  ein  Strom  durch  den  Faden,  die 
»Saite*,  so  wird  diese  mit  einer  der  Stromstärke,  der  Stärke 
des  Hilfefeldes  und  der  Länge  der  Saite  proportionalen  Kraft 
quer  zu  den  Kraftlinien  abgelenkt;  die  Ablenkung  wird  durch 
ein  Mikroskop  hindurch  verfolgt  oder  durch  geeignete  optische 


1)  Vgl.  bezüglich  der  Ad  ersehen  Anordnung:  L^aute,  Compt. 
rend.  124,  1440,  1897,  oder  La  Natura,  2,  116,  1897,  L'ßclairage  elec- 
triqae  1897,  295,  Elektrotechn.  Zeitschrift  1897,  561. 

W.Einthoven,  Ann.  der  Phys.  (4).  12,  1059,  1903;  14,  182,  1904; 
16,  20,  1905. 

M.  Edelmann  jun.,  Physikal.  Zeitschrift,  7,  Nr.  4,  115,  1906. 

S5* 


534        Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

Systeme  auf  einem  bewegten  lichtempfindlichen  Filmstreifen 
abgebildet.  Hier  hat  man  ein  System  von  verschwindend  kleiner 
Masse,  welches  im  Stande  ist  den  raschesten  Wechseln  der 
Stromintensität  fast  momentan  zu  folgen,  eine  Anordnung,  welche 
mit  dem  Vorzug  vollkommener  Unempfindlichkeit  gegen  äußere 
magnetische  Störungen  denjenigen  der  höchsten  Stromempfind- 
lichkeit verbindet. 

Mit  einem  solchen  Saitengalvanometer  habe  ich  meine 
längere  Zeit  unterbrochenen  Versuche  über  die  Wirkungen 
rascher  erdmagnetischen  Pulsationen  auf  grö&ere  Leiterschleifen 
im  Sommer  vergangenen  Jahres  wieder  aufgenommen,  wobei 
mich  Herr  Dr.  Max  Edelmann  jun.  in  München  auf  das 
wirksamste  unterstützte,  wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle 
meinen  wärmsten  Dank  aussprechen  möchte. 

Um  bei  der  Wahl  des  Beobachtungsortes  nicht  an  Strom- 
quellen gebunden  zu  sein,  wurde  bei  der  Konstruktion  der 
Saitengalvanometer  von  der  Verwendung  der  Elektromagnete 
abgesehen  und  zu  derjenigen  kräftiger  Dauermagnete  überge- 
gangen; dadurch  wurde  zwar  etwas  an  Empfindlichkeit  preis- 
gegeben, doch  gelang  es  dem  Edelmannschen  Institute  daftlr 
sehr  handliche  Saiten galvanometer  herzustellen.*) 

Das  zu  den  Versuchen  verwendete  Galvanometer  enthielt 
einen  Faden  von  120  Ohm  Widerstand  und  gab  1  mm  Aus- 
schlag bei  einem  Strome  von  10 -'  Ampere;  die  mikroskopische 
Vergrößerung  war  nur  eine  50  fache;  Ströme  von  10 ~®  Ampere 
waren  aber  noch  bequem  und  sicher  zu  messen.  Um  in  den 
Photogrammen  die  Zeitmarken  mit  zu  erhalten,  ließen  wir  vor 
dem  Spalte  der  Itegistriertrommel  das  Pendel  eines  Metronoms 
so  schwingen,  daß  es  bei  jeder  ganzen  Schwingung  einmal 
etwas  von  der  Seite  her  über  den  Spalt  sich  hinbewegte;  am 
Rande   des  Kegistrierstreifens   entstanden  dann  kleine  Zacken, 


>)  Vgl.  bezüglich  der  Beschreibung  derselben  sowie  der  pboto- 
graphischen  Registrierapparate  die  obengenannte  Arbeit  von  M.  Edel- 
mann. 


H.  Ebert:  Über  Pulsationen  von  geringer  Periodendauer.       535 

an  denen  die  Zeitbestimmung  mit  großer  Sicherheit  vorge- 
nommen werden  konnte. 

Die  Leiterschleife  wurde  hergestellt  mittels  eines  von  der 
Firma  Feiten  und  Guillaume  bezogenen  Kabels  von  15  von- 
einander isolierten  Kupferadern  von  je  0,8  mm  Durchmesser, 
d.  i.  0,5  qmm  Querschnitt  und  0,03463  Ohm  Widerstand  pro 
Ader  und  pro  laufenden  Meter.  Das  Kabel  war  210  m  lang, 
seine  15  Adern  wurden  hintereinander  geschaltet,  so  daß  eine 
Gesamtdrahtlänge  von  3150  m  und  beim  Auslegen  längs  einer 
Kreisfläche  eine  Gesamtwindungsfläche  von  52640  qm  zur  Ver- 
fügung stand  bei  einem  Gesamtwiderstand  von  109  Ohm.  Es 
ist  klar,  daß  wenn  man  ein  derartiges  Kabel  im  Freien  aus- 
legt, Störungen  thermo-,  vielleicht  auch  hydroelektrischer  Natur 
nicht  ausbleiben  können.  Den  hierdurch  bedingten  Kabel- 
strömen legen  sich  freilich  die  gesuchten  Induktionsströme  ein- 
fach über,  ohne  durch  diese  beeinflußt  zu  werden,  indessen  be- 
dingen diese  Ströme  ein  fortwährendes  Herausgehen  des  Galvano- 
meterfadens aus  der  Kuhelage  und  eventuell  auch  aus  dem 
Gesichtsfelde.  Dieser  Übelstand  wurde  dadurch  behoben,  daß 
in  einem  Nebenschluß  zum  Kabel  durch  eine  dauernd  hier 
eingeschaltete  elektromotorische  Kraft  (ein  Trockenelement  mit 
regulierbarem  großen  Yorschaltwiderstand)  eine  geeignete  Kom- 
pensation hergestellt  wurde;  außerdem  empfahl  es  sich  noch 
einen  zweiten  Nebenschluß  anzuordnen,  durch  welchen  die 
Empfindlichkeit  des  Galvanometers  geeignet  abgestuft  werden 
konnte.  Das  Kabel  blieb  während  des  Nichtgebrauches  immer 
in  sich  kurz  geschlossen  und  an  Erde  gelegt,  so  daß  eventuelle 
statische  Ladungen  sich  sofort  ausgleichen  mußten.  Außerdem 
verblieb  bei  den  Messungen  selbst  ein  Ende  des  Meßfadens 
sowie  das  ganze  Gestell  des  Apparates  mit  dem  Magnetsystem 
dauernd  an  Erde. 

Das  Kabel  mußte  vollkommen  fest  auf  dem  Boden  verlegt 
werden;  denn  wenn  irgend  ein  Teil  desselben,  —  bei  der  großen 
Empfindlichkeit  der  Anordnung,  selbst  ein  relativ  kurzer,  — 
sich  bewegt,  etwa  vom  Winde  in  Pendelschwingungen  versetzt 
wird,   so   schneidet   er  die  Kraftlinien  des  Erdfeldes  und  ruft 


536        Sitzung  der  raath.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

Induktionsströme  hervor,  welche  genau  dem  Rhythmas  der 
Bewegungen  folgen.^)  Außerdem  war  das  Kabel  nach  Möglich- 
keit vor  direkten  elektrostatischen  Beeinflu&ungen ,  etwa  von 
Seiten  des  elektrischen  Feldes  der  Atmosphäre  zu  schützen. 
Hätte  unser  Kabel  einen  Bleimantel  besessen,  so  hätten  wir 
es  in  die  Erde  eingegraben,  wodurch  die  genannten  Störungs- 
quellen  am  sichersten  eliminiert  worden  wären.  Bei  der  im 
nächsten  Frühjahr  geplanten  Fortsetzung  der  Versuche  ge- 
denken wir  in  der  Tat  ein  umbleites,  vieladriges  (natürlich 
nicht  eisenbandagiertes)  Telephonkabel  zu  verwenden,  welches 
weit  entfernt  von  jedem  größeren  Verkehrs-  oder  Industrie- 
zentrum in  die  Erde  so  verlegt  ist,  daß  es  einen  bestimmten 
Flächenraum  (vgl.  weiter  unten)  umspannt.  Den  seither  an- 
gestellten Versuchen  möchten  wir  nur  die  Bedeutung  von  Vor- 
versuchen beimessen,  welche  zunächst  die  Brauchbarkeit  der 
neuen  Anordnung  erproben  sollten. 

3.  Die  ersten  Versuche  wurden  auf  dem  in  der  Nymphen- 
burger  Vorstadt  Münchens  gelegenen  Grundstücke  des  Herrn 
Prof.  Dr.  M.  Th.  Edelmann  sen.  ausgeführt.  Hier  hatten 
wir  während  des  Tages  und  abends  reichlich  Gelegenheit  die 
Störungen  zu  studieren,  welche  durch  den  Trambahnverkehr, 
vorübergehende  Wagen  und  die  elektrische  Straßenbeleuchtung 
hervorgerufen  werden.  Dieselben  bestehen  durchweg  in  plötz- 
lich auftretenden  Zuckungen  von  sehr  unregelmäßiger  und  ver- 
schiedenartiger Gestalt,  die  aber  rasch  abklingen. 

Daneben  zeigten  sich  aber  stets  längere  Ketten  überaus 
regelmäßiger    Wellen    von    Periodendauem    weniger    Zehntel 


')  Hierauf  ließe  sich  eine  bemerkenswerte  Anwendung  der  ganzen 
Anordnung  gründen.  Da  erdmaguetische  Kraftlinien  überall  in  genügen- 
der Zahl  zur  Verfügung  stehen,  so  braucht  man  nur  mit  einem  bewegten 
Teile  eines  Systems,  etwa  eines  Pegelapparates  oder  Flutmessers,  dessen 
Bewegungen  fernregistriert  werden  sollen,  einen  die  Kraftlinien  schnei- 
denden Leiterteil  zu  verbinden,  der  durch  eine  Doppelleitung  an  ein 
solches  hochempfindliches  Saitengalvanometer  angeschlossen  ist.  Bei 
vielen  Gelegenheiten  überzeugten  wir  uns  davon,  wie  treu  die  inducie- 
rende  Bewegung  durch  den  Stromverlauf  nachgeahmt  wird. 


H.  Ebert:  Über  Pulsationen  von  geringer  Periodendauer.       537 

Sekunden.  Diese  waren  es,  welche  auch  nachts  in  der  Zeit 
zwischen  1  und  5  ühr,  in  der  der  Trambahnverkehr  ruht,  und 
auch  morgens  zwischen  4  und  5  Uhr,  in  der  auch  der  Licht- 
betrieb im  Sommer  abgestellt  wurde,  andauerten.  Natürlich 
wurde  sofort  an  entfernte  elektrische  Betriebe  gedacht,  welche 
die  ganze  Nacht  hindurch  unterhalten  blieben.  Nach  einge- 
zogenen Erkundigungen  kam  hier  vor  allem  die  nächste,  aber 
immer  noch  1130  m  weit  entfernte  Unterstation  der  städtischen 
Elektrizitätswerke  in  Betracht. 

Die  großen  zwölfpoHgen  Gleichstromdynamos,  welche  das 
Beleuchtungsnetz  speisen,  machen  165  Touren  pro  Minute,  die 
Dauer  einer  ganzen  Umdrehung  der  Armatur  beträgt  also 
0,363  sec.  Die  Zeit,  welche  verstreicht,  bis  ein  Wickelungs- 
element von  einem  Feldmagneten  bis  vor  den  nächsten  tritt, 
beträgt  nur  den  zwölften  Teil  hiervon  oder  0,030  sec.  Weder 
die  eine  noch  die  andere  Periode  trat  in  den  Kurven  hervor. 

Der  zum  Betriebe  dieser  Dynamos  verwendete  dreiphasige 
Wechselstrom  hat  die  gewöhnlich  angewendeten  100  Perioden 
per  See;  es  konnten  Pulsationen  von  l/aoo  sec.  Dauer  erwartet 
werden,  aber  auch  diese  waren  nicht  zu  bemerken. 

Somit  konnte  bereits  bei  diesen  Versuchen  vermutet  werden, 
daß  diese  Wellen  dem  Erdmagnetismus  selbst  angehörten. 

Immerhin  wird  man  derartigen  Beobachtungen,  welche  in 
der  Nähe  eines  großen  Verkehrszentrums  angestellt  worden 
sind,  nicht  unberechtigtes  Mißtrauen  entgegenbringen.  Wir 
verlegten  daher  den  Beobachtungsort  weit  außerhalb  der  Stadt 
auf  das  25  km  südlich  von  München  zwischen  Icking  und 
Wolfratshausen  in  der  Villenkolonie  „Schiederlohe*  gelegene 
Waldgrundstück  des  Herrn  Prof.  Dr.  M.  Th.  Edelmann. 
Unterhalb  desselben  führt  zwar  in  tiefem  Einschnitte  die  Isartal- 
bahn  vorüber,  deren  Züge  jedesmal  beim  Vorüberfahren  sich 
durch  ganz  charakteristische  Stromzuckungen  in  der  Leiter- 
schleife kennzeichneten;  da  aber  diese  Momente  der  Störungen 
durch  die  vorüberfahrenden  Eisenmassen  genau  feststellbar,  da 
sie  außerdem  nicht  zu  häufig  waren,  konnten  sie  leicht  aus 
den  Beobachtungen  eliminiert  werden.    Die  nächste  elektrische 


538        Sitzung  der  raath.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

Zentrale,  das  Drehstromwerk  in  Weidach,  liegt  2,2  km  ent- 
fernt, eine  ihren  Maschinen  entsprechende  Schwingungsperiode 
konnte  nicht  konstatiert  werden.  Man  könnte  noch  an  eine  direkte 
Induktionswirkung  von  seiten  der  unten  im  Eisenbahneinschnitte 
vorüberföhrenden  Telegraphenleitungen  auf  die  von  uns  aus- 
gelegte Leiterschleife  denken.  Aber  abgesehen  davon,  dafi 
die  nächste  Stelle  der  Schleife  ca.  70  m  vom  nächsten  Tele- 
graphendrahte entfernt  lag,  breitete  sich  zwischen  diesem  und 
der  Schleife  der  ganze  Erdhang  aus,  so  daß  vom  Orte  des 
Kabels  die  Leitungen  nirgends  sichtbar  waren;  es  war  also 
genügender  Erdschutz  vorhanden.  Die  Schleife  wurde  im  Walde 
ausgelegt,  das  Kabel  durch  Holzpflöcke  im  tiefen  Grase  be- 
festigt; dadurch  waren  die  oben  angedeuteten  Fehlerquellen 
beseitigt. 

Auch  hier  auf  diesem  völlig  geschützten  Terrain  zeigten 
sich  nun  die  kurz  dauernden  Pulsationen  vollkommen  deutlich 
ausgeprägt  und  in  großer  Fülle,  sowohl  tags  als  auch  nachts. 
Indessen  besteht  ein  sehr  charakteristischer  Unterschied,  der 
an  denjenigen  erinnert,  welcher  schon  von  Eschenhagen  be- 
züglich der  langen  erdmagnetischen  Wellen  konstatiert  worden 
war  (vgl.  oben  S.  529).  Am  Tage  sind  die  Pulsationen  heftig, 
stürmisch,  wechselnd  und  unruhig;  während  der  Nacht  treten 
dafür  ruhige  Schwingungen,  von  kleinerer  aber  gleichförmiger 
Amplitude  auf.  Die  Kurven  weisen  teils  ziemlich  reine  Sinus- 
linien auf,  teils  mehrere  miteinander  interferierende  Wellen- 
systeme. Die  meteorologischen  Elemente  scheinen  keinen  direkten 
Einfluß  zu  haben,  wenigstens  konnten  wir  keinen  merklichen 
Unterschied  in  den  Kabelströmen  bemerken  bei  Wind  oder 
bei  Windstille,  bei  Sonnenschein  oder  bei  bedecktem  Himmel, 
bei  hoher  oder  niedriger  Temperatur,  bei  Regen  oder  nieder- 
schlagsfreiem Wetter,  selbst  ein  heranziehendes  Gewitter  änderte 
nichts  Wesentliches  an  dem  allgemeinen  Erscheinungsbilde. 
Offenbar  umfaßt  die  Ursache  der  „erdmagnetischen  Pulsationen* 
weite  Gebiete,  so  daß  der  lokale  Witterungscharakter  an  einem 
bestimmten  Orte  irrelevant  ist. 

Was   die  Empfindlichkeit  unserer  Anordnung   betriSl,    so 


H.  Ebert:  Über  Pulsationen  von  geringer  Periodendauer.       o39 

berechnet  sich  dieselbe  wie  folgt:  In  Schiederlohe  hatten  wir 
mit  dem  Kabel  eine  nahezu  rechteckige  Fläche  von  53,2  bzw. 
54,0  m  Länge  und  33,1  bzw.  37,8  m  Breite,  also  rund  1900  qm 
oder  1,9  •  10^  cm*  Fläche  umlegt,  die  übrigen  32  m  waren  als 
Hin-  und  llückleitung  zu  dem  in  der  Villa  des  genannten 
Grundstückes  aufgestellten  Galvanometer  dicht  nebeneinander 
gelegt.  Da  die  15  Adern  wiederum  in  Serie  geschaltet  waren,  so 
betrug  die  gesamte  Windungsfläche  28500  qm  oder  2,8  •  10*  cm*. 
Bei  einer  Vertikal  in  tensi  tat  von  0,41  C.  G.  S.  Einheiten,  wie 
sie  im  Mittel  am  Beobachtungsorte  herrschte,  würde  die  Ände- 
rung um  1  y  dieser  Komponente  d.  i.  um  den  41000  sten  Teil 
ihres  mittleren  Betrages  in  einer  Sekunde  einer  induzierten 
elektromotorischen  Kraft  von  2,8  «10"^  Volt  entsprechen.  Der 
Widerstand  des  gesammten  Leiterkreises  betrug  229  Ohm;  bei 
voller  Empfindlichkeit  entsprach,  wie  oben  angegeben,  ein 
Millimeter  10 ~'  Ampere;  der  genannte  Liduktionsstoß  brachte 
also  mehr  als  einen  Skalenteil  Ausschlag  hervor,  der  mit  dem 
Mikroskope  genau  gemessen  werden  konnte.  Ein  Zehntel  der 
genannten  Feldvariation  konnte  noch  deutlich  bemerkt  werden. 
Da  der  Faden  auch  sehr  kurz  dauernden  Stromstößen  voll- 
kommen getreu  folgt,  so  steigert  sich  die  Empfindlichkeit  in 
dem  Maße,  als  sich  der  zeitliche  Ablauf  der  Feldstärkeände- 
rung beschleunigt.  Hierin  liegt  ein  wesentlicher  Vorteil  gegen- 
über den  älteren  Methoden,  die  schon  weit  oberhalb  der  ge- 
nannten Empfindlichkeitsgrenze  versagen. 

4.  Von  besonderem  Interesse  sind  naturgemäß  die  bei  den 
Beobachtungen  sich  ergebenden  Periodendauern.  Außer 
Pulsationen  von  der  Dauer,  wie  sie  schon  früher  beobachtet 
worden  waren,  also  von  der  Periodenlänge  von  mehreren  Se- 
kunden, konnten  wir  auch  sehr  viel  kürzere  magnetische  Wellen 
konstatieren,  ja  bei  Schnelllauf  der  Registriertrommel  gelang 
es,  noch  länger  andauernde  und  sehr  regelmäßige  Pulsationen 
nachzuweisen,  deren  Periodendauer  nur  0,025  sec.  betrugen. 
Damit  ist  gezeigt,  daß  man  selbst  bei  den  , Feinregistrierungen ** 
noch  lange  nicht  an  den  letzten  ^Elementen'  der  erdmagneti- 
schen  Störungen   angelangt   war,    wie  vermutet   wurde    (vgl. 


540        Sitzung  der  iiuith.-phTB.  Klaaw  rom  S.  Norember  1906. 

oben  S.  528),  sondern  dafi  diese  bei  weiterer  Auflösong  noch 
eine  Fülle  von  feineren  Einzelheiten  zu  offenbaren  vermögen. 
Angesichts  so  rascher  Pulsationen  könnte  die  Vermutung  ge- 
äußert werden,  daß  man  hier  Tielleicht  eine  elektromagnetische 
Eigenschwingung  des  in  sich  geschlossenen  Leiterkreises  selbst 
vor  sich  habe.  Das  Kabel  besitzt  ja  eine  gewisse  Selbstinduktion 
L  und  eine  nicht  unerhebliche  Kapazität  C  (die  entsprechenden 
Gröiien  für  das  Galvanometer  sind  daneben  zu  Temachlassigen). 
Nun  ist  bekanntlich  die  Schwingungsdauer  eines  solchen  Leiter- 
kreises: 

2 n  |/Z"(cm).C(cm) 


3 .  10»" 


Die  Selbstinduktion  einer  Ader  gegenüber  allen  anderen 
Adern  und  gegenüber  dem  Erdboden  wurde  für  ein  2  m  langes 
Stück  rund  gleich  0.00001  Henry  gefunden:  für  eine  ganze 
Ader  beträgt  sie  somit  0.00105  Henry  und  die  Induktanz  des 
ganzen  Kabels  L  war  angenähert  gleich  0.01575  Henry  (Erd- 
quadrant) oder  1,6-10'  elektromagnetische  Einheiten  (cm). 

Die  Kapazität  einer  Ader  gegen  die  anderen  betrug  5,7  Mikro- 
farad pro  km,  des  ganzen  Kabels  also  rund  18  Mikrofarad  oder 
1,8«  10"'*  elektromagnetische  Einheiten  oder  1,6-10'  elektro- 
statische Einheiten  (cm).  Setzt  man  diese  Werte  ein.  so  erhält  man 
eine  Schwingungsdauer  für  die  Eigenschwingung  t  =  0,003  sec. 
also  eine  Größe,  die  noch  unterhalb  des  Schwellenwertes  des  Auf- 
lösungsvermögens  der  verwendeten  Registrierung  gelegen  ist. 

Es  ist  natürlich  kaum  daran  zu  denken,  alle  diese  Einzel- 
schwingungen fortlaufend  zu  registrieren:  dazu  würde  man 
ja  außerordentliche  Längen  der  Registrierstreifen  benötigen. 
Aber  1>ereit8  die  vorliegenden,  wenn  auch  gerade  nach  dieser 
Seite  hin  noch  unzureichenden  Aufzeichnungen  scheinen  darauf 
hinzudeuten,  daß  die  Feriodenlängen  der  auftretenden  Wellen 
nicht  beliebig  verteilt  sind,  sondern  daß  gewisse  Perioden- 
dauern häufiger  wiederkehren. 

Es  liegt  die  Frage  nahe:  Dürfen  wir  nicht  gewisse  Perioden- 
dauem  in  diesen  kurzen  erdmagnetischen  Pulsationen  schon 
von  vornherein  vermuten  und  nach  ihnen  suchen? 


H,  Ebert:  Über  Puhationen  von  geringer  Periodendauer.       541 

Bei  der  Erzeugung  elektrischer  Wellen  von  kleiner  Länge 
verwendet  man  bekanntlich  häufig,  z.  B.  bei  der  Demonstration 
der  Hertzschen  Versuche  nach  Righi,  Kugeln,  welche  aus 
dem  elektrischen  Gleichgewicht  —  etwa  durch  eine  Funken- 
eutladung  —  herausgebracht,  elektrische  Eigenschwingungen 
ausführen  und  dadurch  zur  Entstehung  elektromagnetischer 
Wellen  Veranlassung  geben;  die  Längen  dieser  Eigen  wellen 
sind  von  der  Größenordnung  des  Kugelumfanges.  Die  Theorie 
solcher  «Kugeloscillatoren^  wurde  zuerst  eingehender  von 
J.  J.  T  h  o  m  s  o  n  ^)  behandelt.  Neuerdings  wurde  die  Thomsonsche 
Theorie  von  A.  Lampa^)  für  den  Fall  erweitert,  daß  die  Um- 
gebung der  Kugel  eine  von  der  Einheit  verschiedene  Dielektri- 
zitätskonstante besitzt. 

Übereinstimmend  ergibt  sich,  daß  die  Eigenschwingung 
einer  von  Luft  umgebenen  Kugel  die  Periodendauer: 

vVt 

hat,  wie  a  der  Kugelradius  in  cm,  V  die  Lichtgeschwindigkeit 
r=3.10'0cm/sec.  ist. 

Die  Erde  stellt  eine  im  Weltenraume  frei  schwebende,  von 
Luft  allseitig  umgebene  Kugel  aus  gutleitendem  Materiale  an  ihrer 
Oberfläche  dar.  Denkt  man  sich  das  elektrische  Gleichgewicht 
auf  ihr  durch  irgend  einen  irdischen  oder  außerirdischen  Prozeß 
gestört,  so  wird  sie  in  den  Gleichgewichtszustand  nur  durch 
eine  Reihe  von  Eigenschwingungen  hindurch  gelangen  können. 
Die  Periode  dieser  Schwingungen  berechnet  sich  nach  der  mit- 
geteilten Formel  zu  0,15  oder  1/6  bis  1/7  sec. 

Die  Wellenlänge  dieser  Eigenschwingung  ist  in  Luft  gleich 
46130  km,  d.  h.  gleich  dem  1,155  fachen  des  Erdumfanges,  sie 
ist  also  nicht  mit  einer  der  in  der  drahtlosen  Telegraphie  ver- 
wendeten Wellenlängen  zu  verwechseln. 


0  J*  J.  Thomson,  Recent  researches  in  Electricity  and  Magnetism. 
Oxford  1893,  8.  360  ff. 

^)  A.  Lampa,  Wiener  Sitzungsber.  111,  Abt.  II  a,  S.  87,  1908. 


o42        SitzQOg  der  math.-phjs.  Klaase  rom  3.  NoTember  1906u 

Es  wäre  verfrüht,  wollte  man  behaupten,  dafi  gerade  eine 
kurzdauernde  Schwingung  dieser  Periode  in  den  BeobachioDgen 
besonders  häufig  auftritt;  um  dies  außer  Zweifel  zu  setzen, 
mtliiten  die  Beobachtungen  auf  einen  viel  größeren  Zeitraum 
ausgedehnt  und  namentlich  an  anderen  Orten  unter  anderen 
Bedingungen  und  mit  anderen  Hilfsmitteln  verifiziert  werden. 
Sollte  sich  indessen  die  Vermutung  bestätigen,  so  wäre  sofort 
ein  anderer  Weg  angedeutet,  auf  welchem  vermutlich  sich 
wesentliche  neue  Einblicke  in  das  Wesen  der  erdmagnetischen 
Störungen  eröffiien  würden.  E&  liegt  nicht  außerhalb  der  Mög> 
lichkeit  einen  Schwingungskreis  von  0,15  sec.  Eigenschwingungs- 
periode herzustellen.  Würde  man  von  dem  benutzten  Kabel  eine 
Länge  von  9,5  km  verwenden,  so  würde  dasselbe  7,25  •  10*  cm 
Selbstinduktion  und  etwa  ebensoviele  cm  Kapazität  besitzen: 
man  würde  dann  nur  noch  einen  kleinen  Luftkondensator  an 
irgend  einer  Stelle  einzuschalten  haben,  um  eine  Periode  von 
der  genannten  Größenordnung  genau  einregulieren  zu  können; 
das  Saiten galvanometer  würde  man  an  der  dieser  Zusatzkapazität 
im  Leiterkreise  genau  diametral  gegenüberliegenden  Stelle  ein- 
schalten, so  daß  zwischen  jedem  Saitenende  und  dem  nächsten 
Kondensatorbelege  auf  beiden  Seiten  die  gleiche  Leiterstrecke 
enthalten  ist;  die  Kapazität  selbst  wäre  geeignet  einzuregulieren. 
Das  Kabel  würde,  falls  kreisförmig  ausgelegt,  einen  Flächen- 
raum von  ca.  720  Hektar  umfassen. 

Man  würde  an  dem  Kondensator  einen  Schwingungsbauch 
der  Spannung  erhalten,  das  Saitengalvanometer  wäre  an  dem 
Spannungsknoten  und  dem  Schwingungsbauche  der  Strömung 
eingeschaltet;  vermutlich  wird  man  die  Amplitude  der  Schwin- 
gung durch  beide,  Spannung  und  Strömung,  messen  können. 
Eine  solche  mit  der  genannten  Selbstinduktion  und  Kapazität 
ausgerüstete  Leiterschleife  würde  alsdann  einen  auf  die  elek- 
tromagnetische Grundschwingung  des  Erdkörpers  ab- 
gestimmten Resonator  darstellen.  Derselbe  würde  vermut- 
lich leicht  «ansprechen'',  so  oft  jene  regionalen  erdmagnetischen 
Störungen  einsetzen,  auf  deren  Vorhandensein  schon  ältere 
Beobachtungen    hingewiesen    haben   (vgl.  oben  S.  529).     Als- 


H.  Ebert:  Über  Pulsationen  von  gerin^j^er  Periodendauer.        543 

dann  müssen  sich  an  der  Stelle,  wo  die  Kapazität  eingeschaltet 
ist,  erhebliche  Spannungsschwankungen  einstellen ;  bekanntlich 
wächst  ja  die  Amplitude  derselben  außerordentlich  rasch,  wenn 
sich  die  Eigenperiode  des  Resonators  der  Periode  der  Schwin- 
gungen, auf  welche  der  Resonator  ansprechen  soll,  nähert.*) 
Man  brauchte  alsdann  also  nicht  mehr  die  einzelnen  Schwin- 
gungen selbst  zu  registrieren,  sondern  nur  das  Anwachsen  und 
Abnehmen  der  Resonatorerregung. 

Derartige  Versuche  würden  sich  namentlich  in  höheren 
Breiten  sehr  empfehlen,  in  denen  die  „magnetische  Unruhe" 
durchweg  eine  sehr  große  ist  (vgl.  oben  S.  531).  Hier  brauchte 
man  nur  ein  relativ  unempfindliches  Saitengalvanometer  oder 
man  könnte  wahrscheinlich  die  an  der  Kapazität  auftretenden 
Spannungsschwankungen  elektronietrisch  direkt  messen.  Vor 
allem  wäre  es  gewiß  außerordentlich  lohnend,  wenn  der  S.  530 
erwähnte  Siemenssche  Versuch  im  hohen  Norden  von  Nord- 
Amerika,  in  der  Nähe  des  magnetischen  Nordpoles  mit  einer 
großen  Kabelschleife  wiederholt  werden  würde,  deren  Eigen- 
schwingungsperiode in  bestimmter  Weise  abgestimmt 
werden  könnte. 


*)  Vgl.  z.  B.  die  am   einfachen   quadratischen  Draht-ReBonator  an- 
gestellten Messungen  von  V.  Bjerknes,  Ann.  d.  Phys.  (3),  44,  74,  1891. 


545 


Magnetische  Ortsbestimmungen  in  Bayern. 

2.  Mitteilung. 
Von  J.  B.  Messersclmiitt. 

(Mit  T*fel  YIL) 

Die  magnetische  Landesaufnahme  konnte  bereits  soweit 
gefördert  werden,  daß  nunmehr  im  rechtsrheinischen  Bayern 
an  mehr  als  40  Orten  alle  erdmagnetischen  Elemente  (Dekli- 
nation, Inklination  und  Horizontal-Intensität)  neu  bestimmt 
sind,  wozu  noch  fast  ebensoviele  andere  Punkte  kommen,  an 
denen  infolge  äußerer  Umstände,  insbesondere  der  Ungunst  der 
Witterung,  nur  ein  oder  zwei  Elemente  erhalten  wurden.  Alle 
diese  Messungen  sind  ziemlich  gleichmäßig  über  das  ganze 
Oebiet  verteilt.  Die  gegenseitige  Entfernung  der  Stationen, 
an  welchen  alle  Elemente  beobachtet  sind,  beträgt  durchschnitt- 
lich etwa  40  km,  entspricht  also  einem  magnetischen  Netze 
erster  Ordnung.  Man  kann  daher  daraus  bereits  den  allge- 
meinen Verlauf  der  magnetischen  Kurven  sicher  ableiten  und 
gestützt  darauf  die  weitere  Detailarbeit,  nämlich  die  Unter- 
suchung von  gestörten  Gebieten,  vornehmen. 

Meine  ersten  magnetischen  Ortsbestimmungen  in  Bayern 
vom  Jahre  1903^)  wurden  mit  einem  von  dem  Württembergi- 
schen Statistischen  Landesamt  entlehnten  magnetischen  Theo- 


^)  Messerschmitt,    Magnetische    Ortsbestimmungen    in    Bayern. 
Diese  Berichte  Bd.  XXXV,  Heft  1,  8.  69—83,  1906. 


546        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

doliten  von  L.  Tesdorpf  ausgeführt.  Im  Jahre  1904  ist  dann 
bei  derselben  Firma  ein  neuer  Reisetheodolit  bestellt  worden, 
der  aber  wegen  Krankheit  des  Verfertigers  erst  im  Juni  1905, 
kurz  vor  dem  plötzlichen  Ableben  dieses  geschickten  Mechanikers 
zur  Ablieferung  gelangte. 

Dieses  Instrument  (Nr.  2679)  weist  gegenüber  dem  älteren, 
zuerst  verwendeten  (Tesdorpf  Nr.  1769)  mehrfache  Verbesse- 
rungen auf,  die  schon  großenteils  bei  anderen  Reiseapparaten, 
welche  Tesdorpf  für  die  Südpolarexpeditionen  und  für  andere 
Institute  geliefert  hat,  angebracht  sind.  Einige  weitere  Ände- 
rungen, welche  mir  nach  den  Erfahrungen  im  Jahre  1903 
wünschenswert  erschienen,  sind  an  unserem  Theodoliten  eben- 
falls berücksichtigt  worden,  so  daß  derselbe  in  seiner  jetzigen 
Form  sowohl  recht  zweckentsprechend  eingerichtet,  als  auch 
bei  der  Arbeit  sehr  handlich  ist.  Er  kann  mit  allem  Zubehör 
in  einem  tragbaren  Kasten  verpackt  und  im  Felde  verhältnis- 
mäßig leicht  transportiert  werden. 

Er  besteht  aus  einem  theodolitartigen  Unterbau,  dessen 
Horizontalkreis  völlig  verdeckt  ist  und  einen  Durchmesser 
von  12  cm  hat.  Der  Kreis  ist  in  20'  direkt  geteilt  und  wird 
durch  zwei  Schätzmikroskope  auf  je  0.'2  abgelesen,  so  daß  die 
Summe  der  beiden  Mikroskopablesungen  O'.l  gibt.  Die  Teilung 
ist  vorzüglich  und  kann  für  die  vorliegenden  Zwecke  als  fehler- 
frei angenommen  werden.  Das  Femrohr  ist  am  Rande  des 
Kreises  so  angebracht,  daß  die  verschiedenen  Hilfeapparate 
zentrisch  aufgesetzt  werden  können.  Dabei  zeigt  die  Visierachse 
genau  nach  dem  Mittelpunkt  des  Kreises.  Das  Objektiv  hat 
20  mm  freie  ÖflFiiung  und  140  mm  Brennweite.  Das  Okular 
vergrößert  neunmal.  Das  Fadenkreuz  besteht  aus  vier  verti- 
kalen und  einem  horizontalen  Faden  und  wird  von  oben  durch 
einen  kleinen  Ausschnitt  im  Femrohr  und  durch  einen  darüber 
nach  allen  Seiten  verstellbaren  Spiegel  mit  Blende  beleuchtet. 
Ein  kleines  gleichseitig  rechtwinkliges  Prisma,  das  hinter  der 
Fadenplatte  eingesetzt  ist,  dient  zur  Reflexion  des  Fadenkreuzes 
von  dem  Magnetspiegel,  indem  so  der  Magnet  stets  durch 
AutokoUimation  eingestellt  werden  kann. 


J.  B.  Messerschmitt:  Magneüsche  Ortsbestimmungen.  54^ 

Für  die  erste  Einstellung  des  Instrumentes  ist  an  dem 
Dreifuß  eine  Dosenlibelle  angebracht;  zur  genaueren  Nivel- 
lierung der  Fernrohrachse  dient  jedoch  eine  Reiterlibelle,  deren 
Teilwerte  16r3  betragen. 

Zu  dem  Reisetheodoliten  gehören  zwei  Deklinatorien,  zwei 
Deflektoren,  zwei  Ablenkungsmagnete  mit  Ablenkungsschienen 
und  einem  Schwingungskasten,  ein  Inklinationsgehäuse  mit 
zwei  Inklinationsnadeln  und  zwei  Streichmagneten,  ein  astro- 
nomischer Aufsatz,  ein  eisenfreies  Stativ  und  noch  einige  andere 
kleinere  Hilfsmittel.  Sämtliche  Teile  des  Instrumentes  sind 
eisenfrei.  Zum  Schutze  gegen  Sonne  und  Regen  dient  ein 
großer  eisenfreier  Schirm. 

Das  eine  Deklinatorium  mit  Fadensuspension  besitzt  zwei 
Röhrenmagnete  von  35  mm  Länge,  12  mm  äußerem  Durch- 
messer und  20  g  Gewicht.  Bei  dem  anderen  schwingt  die 
Magnetnadel  auf  der  Pinne.  Dieser  Magnet  besteht  aus  vier 
übereinander  getrennt  gelagerten  Stahllamellen,  welche  an  dem 
einen  Ende  einen  kleinen  Spiegel  tragen,  in  dem  sich  das  im 
Fernrohr  befindliche  Fadenkreuz  spiegelt.  Der  Magnet  hat  ein 
fein  geschliflenes  Doppelhütchen  aus  Saphir  in  einer  Metall- 
hülse, welche  sich  in  einem  zweiten  Zylinder  auf-  und  ab- 
bewegen kann.  Es  kann  also  die  EoUimation  durch  Umlegen 
des  Magneten  eliminiert  werden.  Um  dies  zu  ermöglichen  wird 
die  Pinne  versenkt,  worauf  der  Magnet  durch  zwei  Zungenarme 
gefaßt  und  mit  dem  sie  tragenden  Rahmen  im  Deklinations- 
gehäuse um  180^  gedreht  wird.  Im  Felde  wird  nur  dieses 
Magnetsystem  bei  den  Beobachtungen  verwendet. 

Bei  den  Deklinationsbestimmungen  habe  ich  gewöhn- 
lich das  Azimut  einer  Mire  durch  astronomische  Messungen 
bestimmt.  Ist  die  Sonne  nicht  zu  hoch  über  dem  Horizont, 
so  kann  das  mit  dem  Untersatz  fest  verbundene  Fernrohr  direkt 
zu  den  Einstellungen  der  Sonne  benutzt  werden.  Bei  größeren 
Höhen  muß  entweder  der  Sonnenspiegel  oder  noch  besser  der 
astronomische  Aufsatz  verwendet  werden.  Dieser  besitzt  einen 
Höhenkreis  von  10  cm  Teilungsdurchmesser.    Der  Kreis  ist  in 

1906.  Siiximgsb.  d.  math.-phjB.  KL  36 


548        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

halbe  Grade  geteilt  und  kann  durch  zwei  Nonien  auf  1'  abge- 
lesen werden.  Das  Femrohr  hat  ein  Objektiv  von  20  mm 
Öffnung.  Die  Okularvergröierung  ist  18  fach;  außerd^n  ist 
für  Zenitbeobachtungen  ein  Prismenokular  beigegeben.  Die 
Sonnengläser  können  auf  die  Okularblenden  beider  Femrohre 
aufgesteckt  werden.  Eine  Nivellierlibelle  (14"  Teilwert),  eine 
Stützlibelle  (24"  Teilwert),  eine  Alhidadenlibelle  am  Höhenkreis 
(31")  und  eine  Aufsatzlibelle  (27")  vervollständigen  den  astro- 
nomischen Aufsatz.  Für  die  Fadenbeleuchtung  bei  Nacht  wird 
entweder  ein  Ring  vor  das  Objektiv  gesteckt  oder  es  kann 
durch  die  durchbohrte  Fernrohrachse  Licht  auf  einen  zentrisch 
einzuschraubenden  Metallspiegel  von  1,5  mm  Durchmesser  mit 
0,5  mm  starkem  Schaft  geworfen  werden.  Durch  Drehung 
dieses  kleinen  Spiegels  läßt  sich  die  Beleuchtung  im  Okular 
bequem  verändern. 

Bei  den  Azimutmessungen  wurde  das  bereits  früher  (1.  c, 
S.  74)  angewandte  Verfahren  eingehalten,  das  sich  gut  bewährt 
hat.  Es  wurde  daher  der  Stand  des  Taschenchronometer  Kittel 
(Nr.  230)  mit  Halbsekundenschlag  im  Felde  so  oft  als  möglich 
mit  Hilfe  der  täglichen  telegraphischen  Zeitsignale  der  Post- 
und  Telegraphenämter  ermittelt.  Die  Uhr  hat  auch  im  Jahre 
1905  ihren  vorzüglichen  Gang  beibehalten,  so  daß  man  stets 
der  Zeit  auf  ±  0?25  sicher  sein  konnte,  eine  Oenauigkeit,  die 
für  die  Azimutmessungen  zu  Deklinationsbestimmungen  völlig 
ausreicht. 

Die   Richtung    des    astronomischen  Meridians    wurde    aus 

Sonnenbeohachtungen  ermittelt,  indem  jeweilen  der  rechte  und 

linke  .Sonnenrand    eingestellt    wurde,     um    allfallige   Irrtümer 

beim  Beobachten  leichter   erkennen    zu  können,   sind  die   ein- 

zelneiTEinstellungen  gesondert  berechnet  worden  und  zwar  nach 

der  Formel: 

tff  t  •  cos  M 

^  sm  {(p  —  M) 

wenn  ig  M=  cos  t  'ig  d  ist. 

Die  Beobachtungen  mit  dem  astronomischen  Aufsatz  sind 
bequemer,   als   mit   dem   am  Untersatz   befindlichen  Fernrohr, 


J.  B.  Messersclimitt :  Magnetische  Ortsbestimmungen.  549 

insbesondere  wegen  der  stärkeren  Vergrößerung  und  der  Ver- 
wendung eines  Okularprismas.  Die  Genauigkeit  ist  jedoch  in 
beiden  Fällen  nahe  gleich,  wie  sich  aus  direkten  Versuchen 
ergab,  indem  bei  den  Azimutmessungen  an  mehreren  Stationen 
sowohl  der  astronomische  Aufsatz,  als  auch  das  feste  Femrohr 
mit  und  ohne  Sonnenspiegel  (schwarzem  Glasspiegel)  verwendet 
wurde.  Aus  der  inneren  Übereinstimmung  eines  Satzes  von 
acht  Einstellungen  folgt  der  mittlere  Fehler  eines  Azimutes  zu 
±  0.15;  um  etwa  den  gleichen  Betrag  weichen  die  mit  den 
verschiedenen  Fernrohren   erhaltenen  Azimute  voneinander  ab. 

Die  Einstellungen  der  Magnetnadel  durch  AutokoUimation 
können  auf  '^  0'.3  sicher  geschehen,  so  daß  man  unter  Berück- 
sichtigung aller  in  Betracht  kommenden  Fehlerquellen  annehmen 
darf,  daß  die  vorliegenden  Deklinationsbestimmungen  auf  min- 
destens r  genau  sind. 

Zur  Bestimmung  der  Horizontalintensität  dienen  zwei 
Ablenkungsmagnete  und  zwei  Deflektoren.  Im  Felde  wurde 
dieses  Element  fast  ausschließlich  aus  Ablenkungsbeobachtungen 
berechnet.  Die  Temperaturkoeffizienten  der  vier  Magnete  sind 
aus  zwei  größeren  Reihen  im  Oktober  und  November  1905  am 
erdmagnetischen  Observatorium  in  München  ermittelt  worden. 
Hiebei  lagen  die  Temperaturen  zwischen  0°  und  33^  C.  Die 
Temperaturkoeffizienten  sind  für  1^  C. 

für  den  Ablenkungsmagneten  Nr.  I    (23):  25,7  y 

,       ,  .  Nr.  II  (35):  26,1  y 

,       „  Deflektor  1:  27,3  y 

n       r,  .         2:  26,0  y. 

Die  Änderung  erfolgt  innerhalb  des  Messungsbereiches 
genau  linear. 

Da  die  Magnete  offenbar  noch  ziemlich  jung  waren,  nahm 
ihr  Moment  in  der  ersten  Zeit  noch  merklich  ab.  Besser  hielt 
sich  das  Moment  der  beiden  Deflektoren.  Der  log  c  des  Ab- 
lenkungsmagneten Nr.  I  zeigte  vom  30.  August  auf  den  1.  Sep- 
tember einen  plötzlichen  Sprung  (von  9,11820  auf  9,11100), 
dessen  Ursache  nicht  aufgeklärt  werden  konnte.    Da  übrigens 

36* 


J.  B.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen.  551 

hat  12  cm  Durchmesser  und  ist  in  20'  geteilt;  es  können  also 
noch  2'  abgeschätzt  werden.  Die  Summe  der  Ablesungen  an 
beiden  Nadelenden  gibt  also  direkt  Bogenminuten.  Die  In- 
klinationsnadeln von  11,5  cm  Länge  ruhen  mit  ihren  25  mm 
langen  gehärteten  Stahlachsen,  die  an  den  Enden  Zapfen  von 
0,4  mm  Durchmesser  haben,  auf  plangeschliffenen  Karneol- 
schneiden. Ihr  Gewicht  beträgt  5  Qramm.  An  der  Rückseite 
des  Magnaliumgehäuses  ist  eine  Arretierungsvorrichtung  ange- 
bracht, mit  welcher  die  Hebung  und  Senkung  der  Achsen  der 
Nadeln  auf  und  von  der  Schneide  ab  sicher  und  langsam  erfolgt. 

Die  Genauigkeit  der  Inklinationsmessungen  kann  auf  ±  V 
angenommen  werden.  Dabei  sind  bei  den  Messungen  jedesmal 
die  Nadeln  sowohl  in  beiden  Lagen  beobachtet,  als  auch  je- 
weilen  ummagnetisiert  worden.  Der  Unterschied  zwischen  den 
beiden  Nadeln  beträgt  — 2'. 5;  ihr  Mittel  entspricht  dem  in 
München  verwendeten  System. 


Die  Beobachtungen  im  Feld  sind  nach  den  Registrierungen 
in  München  auf  den  Anfang  des  Jahres  1905  reduziert.  Bei 
den  Inklinationen  sind  aber  noch  die  Angaben  des  Potsdamer 
Observatoriums  beigezogen  worden,  da  die  Variationen  der 
Vertikalintensität  durch  den  Einfluß  des  elektrischen  Trambahn- 
betriebs in  München  nicht  genügend  sicher  erhalten  werden. 
Die  betreffenden  Angaben  verdanke  ich  der  gütigen  Mitteilung 
des  Vorstandes  jenes  Observatoriums,  Herrn  Prof.  Ad.  Schmidt. 

Die  magnetischen  Elemente  in  München,  gültig  für  den 
Anfang  des  Jahres,  sind  aus  den  Mittelwerten  der  Monate 
Dezember  des  vorhergehenden  Jahres  und  dem  Januar  des 
folgenden  Jahres  abgeleitet  worden.  Sie  sind  in  der  nach- 
folgenden Tabelle  I  zusammengestellt. 

Aus  den  direkt  beobachteten  Werten  der  Deklination  (D), 
der  Horizontalintensität  (H)  und  der  Inklination  (J)  sind  die 
rechtwinkligen  Komponenten 


5^2        Sitzung  der  inath.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 


Tabelle  I. 

N.  Br.  48^  8/8.    Länge  11«  36/5  ö.  v.  Greenw.    Höhe  =  530  m. 


1 

München  j!       1> 

H 



0.20  672 

J 
63023.'2 

X 

|0.20  220 
,        250 

Y 

Z 

;       F 

1899.0     10ö36.'8W 

—0.03  789 

0.41 056 

0.45  922 

1900.0           30.2 

595 

20.0 

780 

41011 

890 

1901.0   '        25.8 

629 

18.1 

288 

735 

41019 

914 

1902.0    '       21.2 

643 

15.1 

1        307 

710 

40  957 

865 

1903.0            16.9 

652 

11.8 

320 

686 

40  878 

798 

1904.0    1        10.1 

648 

10.9 

319 

644 

40  834 

755 

1905.0    1          7.3 

653 

10.5 

331 

630 

40  841 

767 

1906.0             2.0 

1 

651 

10.3 

385 

598!    40832          757 

'               1 

1850.0    l|l5®53.9 

1 

0.19  523J640  59.5 

k).  18  776 

1 

-0.05  348  0.42  826:0.46  181 

Theorie  ' 

1885.0    110  20.5 

■ 

0.20  096 

64^  5.7 

0.19  704 

1 

-0.03  952 

0.41  380  0.46  001 

1 

Nordkomponente :  X  =  JET  •  cos  D 

Westkomponente:  Y  =  -ff  •  sin  D 

Vertikalkomponente:      Z  =  H'  tg   J 

abgeleitet  worden,  woraus  dann  die  Totalintensität: 

F=  H'  secJ=  Z'  cosec  J 
folgt. 

Zum  Vergleich   sind   noch  die   von  Lamont   für  1850,0, 

der  Epoche  seiner  magnetischen  Ortsbestimmungen,  bestimmten 

Werte  angeführt.    (Lamont,   «Magnetische  Ortsbestimmungen 

in  Bayern*,  Band  I,  Seite  24  und  135,  München  1854.)    Aus 

der  Differenz  der  Werte  für  1900  und  1850  folgt  die  mittlere 

jährliche  Variation    der    magnetischen   Elemente    in    München 

innerhalb  des  letzten  halben  Jahrhunderts  für: 


D 

6:47 

H 

;  +  21.44  y 

J: 

1.99 

X: 

+  29.48  y 

T 

:  +  31.36  y 

Z: 

36.30  y 

F: 

;—    5.82  y. 

J.B.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen. 


553 


Vergleicht  man  damit  die  seit  der  Einrichtung  des  neuen 
Observatoriums  direkt  beobachteten  Variationen,  so  erhält  man 
im  Mittel  von  1899  bis  1906: 

B\—   4:97 

H\-\-  11.3  y 
J\—    1.8 

X:+  16.4  y 

Y\  +  27.3  y 

Z:  — 32.0  y 

F:  -  23.6  y, 

also  beträchtlich  kleinere  Werte.  Im  einzelnen  sind  die  Unter- 
schiede nach  der  obigen  Zusammenstellung  in  Tabelle  I  noch 
beträchtlicher. 

In  Deklination  ist  die  jährliche  Abnahme  der  westlichen 
Deklination  im  mittleren  Europa  jetzt  nur  noch  4'  bis  5'  gegen 
6^5  früher;  die  Zunahme  der  Horizontalintensität  beträgt  nur 
11  y  gegen  21  y.  Noch  auffälliger  ist  die  Änderung  in  den 
einzelnen  Jahren,  insbesondere  bei  der  Horizontalintensität  und 
bei  der  Inklination,  welch  beide  Elemente  in  den  letzten  Jahren 
fast  konstant  geblieben  sind,  wie  die  nachstehende  Zusanmien- 
stellung  ergibt: 


Jahr 

Var.  D 

Var.  H 

Var.  J 

1899—1900 

—  6/6 

+  23y 

-3/2 

1900—1901 

—  4.4 

+  34y 

—  1.9 

1901—1902 

—  4.6 

+  14y 

—  3.0 

1902—1903 

4.3 

+   9y 

—  3.3 

1903—1904 

—  6.8 

-    9y 

—  0.9 

1904—1905 

—  2.8 

-hlOy 

—  0.4 

1905—1906 

—  5.3 

-    2y 

—  0.2 

Dementsprechend  sind  auch  die  Variationen  der  Kom- 
ponenten und  der  Totalkraft  gegen  den  Durchschnitt  des  letzten 
halben  Jahrhunderts  stark  geändert.  Es  rühren  diese  Unter- 
schiede teils  von  der  jetzt  herrschenden  stärkeren  magnetischen 


i>i)\        Sitzung  der  matb.-phys.  Klasse  vom  8.  NoTember  1906. 

Unruhe  her,  teiln  aber  sind  sie  auch  säkularer  Natur.  Aach 
die  anderen  benachbarten  Observatorien  zeigen  den  nämlichen 
Cliarakter  in  den  Variationen,  wie  man  aus  den  fiir  die  Jahres- 
initt<*  ^ültigun  Angaben  von  Potdam  und  Pola  erkennen  kann. 

Pot  Hdain.    lireite  52»  22/9.    Länge  Id^  ^19  ö.  v.  6.   Höhe  86  m. 


.iHhr 


/; 


1899     9«riO.'7 
HWK)  r>ß.3 


1901 
1902 
1908 
1904 


52.1 
48.0 
43.8 
39.4 


4.4 

4.2 

"4.1 

4.2 

-4.4 


// 


0.18  818  ,  ^^ 

844+^^ 
®^>27 

^^>+12 

876+; 
880^ 


X       — r 


66025/8     ^  ,    0.18 531  0.03  27l!o.43  1330.47 ffit 

— 1.'.4 


26.2 
22.8' 
20.8 
20.0 


3.4 

2.0 

—0.8 


19.6 


—0.4 


561; 

582 
598 
605 
612 


252* 

233 

212 

190j 

167j 


206 
128 
090 
063 
065 


074 
OH 

m 
oa 


f'ola.    Breite  44^  r>2ri.   Länge  13^  50.8  0.  v.  6.   H5he  83  m. 


Jahr 


JJ 


1899  ,  90  29.'9 


lOüO 
1901 
1902 
KK)3 
1904 


25.3 
20.1 
15.1 
10.7 
6.0 


-86 

-5.2 

-5.0 

-1.4 

4.7 


// 


0.22  168 

202+^^ 


-Y 


r 


I 


230 
233 
225 
221 


H-28 

+  3 

-  8 

-f  6 


600  _ 

15.9 

13.2 

10.6 

9.9 

7.9 


—2.7 
-2.6 
-0.7 
-2.0 


I 
0.21  836  0.03  626t      — 

902         634  0.38  87 1^0.44  765 
606'        848,        759 


936 
948 
941! 
951  j 


575 
545 
516 


784 
753 
709 


705 
674 


I 


1 


Für  die  Deklinationsänderungen  in  Deutschland  kann  man 
auch  die  Messungen  der  magneti.schen  Observatorien  von  Berg- 
werken beiziehen.  So  wird  dieses  Element  in  Bochum  am 
Observatorium  der  Westfälischen  Bergwerkschaftskasse  (Vorstand 
Markscheider  Lenz)^)  und  in  Hermsdorf  bei  Waidenburg  (Reg.- 
Bez.  Breslau)  am  magnetischen  Observatorium  der  Nieder- 
schlesischen  Steinkohlen -Bergbau -Hilfskasse  (Vorstand  Mark- 
scheider Floisclier)  aus  Registrierungen  abgeleitet.  Letztere 
Werte  verdanke  ich  der  gefalligen  direkten  Mitteilung  des  Herrn 
Fleischer.    Hieran  sollen  noch  die  aus  dreimal  täglichen  Beob- 


*)  Die  jährlichen  Beobachtungen  sind  in  der  Zeitschrift  »Glückanr 
veröffentlicht. 


J.  B.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen. 


555 


achtungen  abgeleitete  Deklination  von  Prag  angeschlossen  werden, 
da  dieser  Ort  die  München  am  nächsten  gelegene  magnetische 
Station  ist.     Die  Lage  der  drei  magnetischen  Warten  ist: 

Bochum:  Breite  51«  29'  28:2.  Länge  7«  13'  52:5  ö.  v.  G. 
115  m  Meereshöhe. 

Herrasdorf:  Breite  50«  45' 38:5.  Länge  16M 3' 55:5  ö.  v.G. 
515  m  Meereshöhe. 

Prag:  Breite  50"  5'  18:5.  Länge  14«  25'  21 :5  ö.  v.  G. 
202  m  Meereshöhe. 

Die  Deklination,  gültig  für  die  Jahresmitte,  und  ihre 
Variation  beträgt: 


] 

Jahr 

Bochum 

Hermsdorf 

Pra^ 

1901  i 

1902 

1903 

1904 

1905 

12»  42.'8  W 
39.4 
35.7 
31.4 
27.2 

-3.'4 

—  3.7 

—  4.3 

—  4.2 

8»  13/6  W 

8.9 

4.0 

7  59.3 

55.0 

-4.7 

—  4.9 

—  4.7 

—  4.3 

90  117 

8  57.6 

53.6 

48.7 

43.3 

-4/1 

—  4.0 

—  4.9 

—  5.4 

Die  Ergebnisse  der  Beobachtungen  des  Jahres  1905  zur 
magnetischen  Landesaufnahme  sind  in  der  Tabelle  II  zusammen- 
gestellt. Sie  enthält  zunächst  die  geographischen  Koordinaten 
und  Meereshöhen  der  Beobachtungspunkte.  Diese  sind  den 
Karten  des  topographischen  Atlasses  von  Bayern  (Maßstab 
1:50000)  entnommen  worden.  Das  betreffende  Blatt  ist  in 
der  letzten  Kolumne  angeführt.  Die  Längen  sind  in  den  Karten 
von  der  alten  Sternwarte  in  München  aus  gezählt.  Zur  Um- 
wandlung in  Längen  östlich  von  Greenwich  ist  die  Länge  des 
Nullpunktes  zu  IP  36'  12"  angenommen  worden.  Die  neue 
im  Jahre  1816  von  Soldner  erbaute  Sternwarte  liegt  20"  öst- 
licher und  r  12"  nördlicher  als  die  alte  Sternwarte,^)  deren 
Ort  also  jetzt  auf  dem  Terrain  des  Ostbahnhofes  zu  suchen  ist. 
Was  nun  die  Genauigkeit  anbelangt,  mit  der  man  die  Lage  des 


^)  Geogr.  Breite  also   48^^  T  33"   vgl.  K.  Then,  Die   Bayerischen 
Kartenwerke  in  ihren  mathematischen  Grundlagen.   München  1905. 


556       Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  8.  November  1906. 


Nr. 


Ort 


Breite 


Länge 


I 


1 

2 

3: 

4 

5 

6 

7 

8 

9' 
10 
11 
12!* 
13 
14 
15' 
16 
17 
18, 
19 
20 
21 
22 
23- 
24 
25,: 
26 
27' 
28 
29 
30' 
311, 
32 
33  ' 
34 
35 
36 
37 
38  i 
39 

4o;; 
41,: 

42 


Nessel  wanp^ 

Kochel 

Waltenhofen 

Penzberg 

Memmingen 

Grafing 

München 

Haspelmoor 

Wal  pertski  rchen 

Senden 

Neufahm  b.  Freis. 

Günzburg 

Pfaffenhofen  a.  I. 

Altdorf  (Landsbut) 

Straubing 

Wasserzell 

Pfünz 

Solnhofen 

Dinkelsbühl 

Cham 

Neumarkt  i.  0. 

Ansbach 

Schwabach 

Schwandorf 

Burgfambach 

üflFenheim 

Neustadt  a.  Aisch 

Kleinheubach 

Neustadt  a.  W. 

Forchheim 

Kitzingen 

WOrzburg 

Bayreuth 

Aschaffenburg 

liOhr 

Obern  dorf 

Wunsiedel 

« 
Lichtenfels 

Hof 

Neustadt  a.  S. 
Koburg 


47037' 29" 
47  39  37 
47  39  55 
47  44  47 


47  47 

48  2 


16 

86 

8  47 


'  48 
48  13  29 
48  15  55 

48  19  28 
;48  19  33 
ii48  27  42 
;;48  32  2 
|t48  33  37 
'48  52  19 
;.48  52  34 
;<48  53  15 
,  48  53  28 
!  49  4  18 
I  49  13  27 
',49  16  16 
;  49  18  35 
'49  19  25 
149  19  31 
:'49  29  37 
|U9  32  50 
ii49  34  47 

49  43  16 
49  43  26 

49  43  42 
i4<.)  44  0 
i;49  46  25 
l|49  56  59 
,j49  58  27 

50  0  33 
:;50  2  16 

50  1  55 
,50  2  28 
n50  8  34 
50  18  21 
50  21  - 
50  17  — 


!! 


19^30' 28" 
11  21  54 

10  18  81 

11  22  24 

10  10  30 

11  56  25 
11  36  32 
11  6  14 
11  58  82 

10  3  24 

11  39  41 

10  17  31 

11  31  58 

12  7  33 
12  34  24 
11  9  25 

11  15  52 
10  59  58 

10  20  36 

12  39  43 

11  28  29 

10  34  43 

11  1  42 

12  6  7 
10  55  41 
10  13  27 
10  85  48 

9  12  13 

12  10  29 

3 

9 


52 
5 


57  30 
37  9 


11 

10 

9 

11 

9  10  50 

9  84  37 

10  12  36 

12  0  1 

0  46 

4  5 

53  26 

16  — 


12 
11 
11 
10 


10  68  — 


Meeres- 
höhe 


D 


880m 

602 

730 

600 

600 

550 

530 

543 

490 

490 

460 

460 

450 

410 

330 

390 

890 

450 

450 

380 

440 

450 

340 

360 

315 

350 

290 

140 

420 

270 

210 

250 

860 

200 

200 

220 

540 

600 

280 

580 

250 


10^14.2 
11  56.6 

10  12.5 

11  20.5 

10    7.8 
10    4.2 


10  20.1 
9  58.0 
9  44.0 

10  80.1 
10  32.7 
10  45.4 


10.20  738 

W  0.20  750 

'0.20  698 

0.20  717, 

:oj>o  520! 

,0.20  600 
1O.2O  658 
;0.20  510. 
I0.2O  512! 
,0.20  3981 
0.20  527 
0.20  358' 
0.20  4211 
1O.2O  413 
0.20  272' 
0.20  254' 
i0.20  229| 
0.20  2131 
0.20  076 


10  21.9 

10  43.8 

10  33.2 

9  57.1 

10  58.8 

11  82.3 
10  5.2 

10  31.0 

11  5.3 
11  2.5 


11 
10 
10 
10 
10 
10 
10 
10 
'10 


29.4 

58.9 

58.2 

3.0 

8.0 

40.6 

7.8 

57.5 

88.5 


I' 


—        ,0.20  070 


1O.2OO66 
0.20  023| 
0.20  0501 
0.20  108, 
0.19  909, 
0.19881. 
i0.19  891| 
i0.l9  675! 
|0. 19  9731 
;0.l9  866i 
0.19  8161 
0.19  784 
0.19  782 
0.19  570 
0.19  624 
;0.19  658 
0.19  770 
10.19  908 
0.19  650i 
'0.19  729 
,0.19  624 
10.19  624 


1)  Beobachtungsort  der  Inklination  48»  23'  60"  N.  B.  1 1»  44'  18"  ö.  v.  G. 

2)  ,  ,  «  48<>81'50"N.B.  12»   9'12"ö.v.G. 
»)               ,                  ,             ,          490  27' 52"  N.B.  11«   r    3"ö.v.G. 


J.  B.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen. 


557 


Tabelle  II. 


J 

X 

Y 

Z 

F 

Tia.mont 

Top. 
Atlas 

89  W 

62«  52.1 

0.20  420 

—  0.03  688 

0.40  494 

0.45  501 

I  111 

91  W 

62  52.4 

0.20  250 

0.04  283 

0.40  402 

0.45  396 

89  W 

— 

0.20  389 

0.03  672 

— 

— 

91  W 

63  16.4 

0.20119 

0.04  035 

0.40  752 

0.45  625 

I  129 

80 

63  13.3 

0.40  820 

0.45  723 

78  W 

68  10.5 

0.20  331 

0.03  630 

0.40  841 

0.45  767 

I  135 

77  0 

63  25.2 

— 

0.40  993 

0.45  838 

76  0 

0.20  196 

0.03  587 

— 

— 

71  W 

68  28.6 

— 

— 

0.41  810 

0.46  727 

— 

67 

63  32.6 1) 

0.41  247 

0.46  072 

179 

70  0 

63  38.7 

0.41  075 

0.45  843 

188 

60  W 

63  34.6 

0.20  090 

0.03  658 

0.41  096 

0.45  890 

I  151 

62  W 

63  33.0  2) 

0.20  103 

0.03  533 

0.41014 

0.45  811 

I  114  II  94 

63  W 

63  47.1 

0.19  979 

0.03  431 

0.41  170 

0.45  881 

I  177  II  168 

56  W 

63  5(\6 

0.41  241 

0.45  946 

— 

58  0 

63  53.8 

0.19  438 

0.03  687 

0.41  287 

0.45  976 

— 

53  0 

63  54.8 

0.19  420 

0.03  699 

0.41  285 

0.45  968 

53  W 

64  8.7 

0.19  723 

0.03  742 

0.41  428 

0.46  036 

II  50 

45  W 

I  68  II  43 

43  W 

64   7.5 

0.19  739 

0.03  610 

0.41  372 

0.45  982 

I  137  11  117 

41  W 

64  16.9 

0.19  674 

0.03  795 

0.40  625 

0.46  142 

146 

89  0 

64  11.2 

0.19  710 

0.03  672 

0.40  506 

0.46  043 

II  157 

40W 

64   3.6 

0.19  795 

0.03  531 

0.41  337 

0.45  961 

I  169 

42  W 

64  20.1') 

— 

— 

0.41  402 

0.46  021 

34  W 

64  26.8 

0.19  517 

0.03  787 

0.41  582 

0.46  089 

I  183  II  174 

33  W 

64  34.0 

— 

0.41  827 

0.46  316 

— 

33  0 

64  53.3 

0.19  277 

0.03  935 

0.41  980 

0.46  362 

— 

25  W 

64  33.6 

0.19  665 

0.03  498 

0.41  988 

0.46  497 

II  120 

30  0 

64  23.7 

0.19  532 

0.03  626 

0.41  455 

0.45  961 

II  58 

28  0 

64  38.6 

0.19  445 

0.03  811 

0.41  814 

0.46  271 

26  0 

64  40.8  <) 

0.19  418 

0.03  789 

0.41  829 

0.46  272 

I  196  II  183 

26  0 

64  43.9 

0.41909 

0.46  343 

I  57  II  34 

21  W 

64  58.0  J^) 

0.19  177 

0.03  906 

0.41  968 

0.46  307 

149 

17  W 

,64  54.5 

0.19  265 

0.03  738 

0.41  908 

0.46  276 

— 

17  0 

64  53.0 

0.19  299 

0.03  741 

0.41  934 

0.46  313 

12  W 

64  50.0 

0.19  477 

0.03  450 

0.42  077 

0  46  491 

II  185 

15  W 

64  88.6 

0.19  598 

0.03  503 

0.42  009 

0.46  487 

— 

22  W 

64  55.2«) 

0.19  310 

0.03  640 

0.41  951 

0.46  324 

I  121 

13  0 

64  55.1 

0.19  422 

0.03  467 

0.42  152 

0.46  540 

— 

8 

65  22.5 

0.19  266 

0.03  730 

0.42  813 

0.47  097 

I  120 

5  W 

64  57.5 

0.19  286 

0.03  618 

0.42  015 

0.46  376 

■~~~ 

♦)  Beobachtungsort  der  Inklination  49«  47'  4"  N.B.  9«  55'  15"  ö.  v.  G. 
(Käppele).  ^)  Im  Jahre  1904  wurde  in  49«  58'  22"  N.  B.  9«  8'  16"  ö.  v.  (J. 
110  m  Höhe  J"  (1905.0)  =  65«  0.'6  gefunden.  «)  Im  Jahre  1904  wurde  in 
50«  8'  40  "  N.  B.  11«  3'  47"  ö.  v.  G.  265  m  Höhe  /  (1905.0)  =  64«  54,9  gefunden. 


558        8itxuiif(  der  matfa.-phjs.  Klane  vom  3.  NoTember 

jitweili^en  Beobnchtungspunktes  in  die  Karten  eintragen  kann, 
so  m5ge  folgende  Betrachtung  dienen.  In  Bayern  entspricht 
1"  Breitimdiffercnz  30.9  m  Länge,  während  für  1"  Längen- 
dilFerf^nz  die  Werte  zwischen  20.9  ni  (bei  47^»^  Breite)  und 
19.7  m  (in  50 V%"  Breite)  liegen,  d.  h.  es  entspricht  auf  den 
tofiogrnphi.Rchon  Karten  1"  gleich  0.6  mm  in  Breite  und  0.4  mm 
ifi  fillngo.  Dio  Kintrugung  des  Beobachtungsortes  in  die  Karten 
geAchnli  moini  im  Felde  selbst,  überdies  wurde  von  jeder  Station 
f^in  klfiiior  Sitiiationsplan  angefertigt,  wobei  die  Station  mög- 
lichst niif  benach))arte  größere  Objekte  bezogen  wurde.  Man 
darf  dahf*r  annehmen,  daü  die  so  abgeleiteten  Koordinaten  unter 
Berücksichtigung  aller  Fehlerquellen,  wie  Verzeichnung  durch 
die  Projektion,  Schwinden  des  Papiers  u.  dgL  auf  2"  genau 
sind,  was  ftlr  magnetische  Zwecke  vollauf  genügt,  da  ja  die 
normale  Änderting  der  magnetischen  Elemente  innerhalb  eines 
Umkreises  von  einem  Kilometer  kleiner  als  die  angestrebte 
Genauigkeit  ist.  Es  ist  daher  das  spätere  Wiederauffinden  der 
magnetischen  Stationen  auch  o^ne  ZuhUlfenahme  der  ange- 
fertigten (Jroipiis  mit  Hülfe  der  topographischen  Karten  jeder- 
zeit auf  wenige  Meter  möglich. 

Die  vorletzte  Kolumne  der  Tabelle  II  gibt  für  diejenigen 
Punkte,  an  welchen  bereits  früher  Lamont  beobachtet  hat, 
den  Band  und  <lie  Seitenzahl  von  Lamonts  Magnetischen  Orts- 
bestimmungen in  Bayern.  Die  übrigen  Spalten  enthalten  ge- 
mäß ihren  Überschriften  die  verschiedenen  bestimmten  mag- 
netischen Elemente. 

In  der  Tabelle  sind  noch  die  Punkte  Neustadt  a.  S.  und 
Koburg  nach  den  Beobachtungen  von  Prof.  Edler  aufge- 
nommen, welche  er  1903  im  Auftrage  des  magnetischen  Ob- 
servatoriums in  Potsdam  ausführte.^)  Gleichzeitig  mit  diesem 
Herrn  habe  ich  im  gleichen  Jahre  in  Königsberg  i.  F.  beob- 
achtet, wobei  die  gegenseitige  Entfernung  der  beiden  Instrumente 
etwa  100  m  betrug.     Auf  190L0  bezogen  erhielten  wir: 


*)  Die  Station  Schwandorf  ist  aus  der  ersten  Mitteilung  wiederholt, 
weil  dort  die  Werte  durch  Druckfehler  entstellt  sind. 


J.  B.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestiinmungen.  559 

D  U  J 

Edler  (Theodolit  Hechelmann)  1P2'     0.19630  T    65<>  2' 

Messerschraitt  (Theodolit  Tesdorpf)     UM'     0.19619  T    65   0 

Üntei^schied^      —2'        +  11  y         +¥' 

Die  Reduktion  der  beiderseitigen  Messungen  fand  völlig 
unabhängig  von  einander  statt;  auch  benutzte  Prof.  Edler  die 
Variationen  der  Registrierungen  von  Potsdam,  während  ich  die 
von  München  verwendete.  Es  war  dies  übrigens  die  erste 
Station,  welche  ich  mit  dem  Württemberger  Instrumente  be- 
suchte. Die  Differenz  der  beiderseitigen  Messungen  liegt  noch 
innerhalb  der  Genauigkeitsgrenzen,  es  dürfen  daher  die  Mes- 
sungen in  Bayern  und  Preußen  wohl  aufeinander  bezogen  werden. 
Zur  größeren  Sicherheit  soll  aber  noch  eine  direkte  Vergleichung 
des  neuen  Reiseinstrumentes  mit  den  Potsdamer  Instrumenten 
später  vorgenommen  werden. 

Bildet  man  die  Unterschiede  der  auf  den  Stationen  er- 
haltenen Beobachtungen  gegen  die  Basisstation  München,  so 
erhält  man  die  Werte  der  Tabelle  III,  worin  die  Differenzen 
der  Deklination  {^D\  der  Horizontalintensität  {^H)  und  der 
Inklination  {AJ)  im  Sinne  „Feldbeobachtung  minus  münchner 
Beobachtung"  genommen  sind.  Zum  Vergleich  sind  die  von 
Lamont  für  1850  gefundenen  Unterschiede  beigefügt,  welche 
seinen  „Magnetischen  Ortsbestimmungen  in  Bayern*  München 
1854  und  1856,  entnommen  sind.  Überdies  ist  jeweilen  die 
Differenz  der  beiden  Resultate  in  der  dritten  Kolumne  einge- 
tragen. Dabei  ist  freilich  zu  berücksichtigen,  daß  die  Beob- 
achtungsorte nicht  immer  identisch  sind,  da  eben  häufig  die 
alten  Orte  wegen  den  seither  eingetretenen  örtlichen  Änderungen 
nicht  mehr  benutzt  werden  können.  Im  allgemeinen  ist  aber 
auch  die  Entfernung  der  gleichnamigen  Punkte  nicht  sehr  groß, 
so  daß  unter  normalen  Verhältnissen  eine  Vergleichung  unbe- 
denklich gestattet  ist.  In  Störungsgebieten  freilich  gilt  dies 
nicht  mehr.  Da  übrigens  Lamont  bei  seinen  Stationen  die 
genauen  Soldnerschen  Koordinaten  angegeben  hat,  lassen  sie 
sich  da  mit  Hülfe  der  Katasterpläne  bis  auf  wenige  Zentimeter 
genau  wieder  auffinden. 


560        SitEQHg:  der  inatb.-phyB.  Klanse  rom  9.  November  1906. 


Neaselwang 

Eocbel 

WaltenhofeD 

Penzberg 

Memmin  Iren 

Urafing 

München 

Hsispelmoor 

Walpertskirchen 

Senden 

Neufahrn  b.  Frei«. 

Günzburgr 

Pfatfenhofen  a.  1. 

Altdarf  (Landshnt) 
h'\  Straubing 
B  '  Wa«8erzell 
7,   PfOnz 
gl,  Solnhofen 
Dl:  Dinkehbübl 
a|<  Cham 

1 ''  Neumarkt  i.  0. 
2<|  AoBbach 

5  '<  Scbwabacb 
1  'I  Scbwandorf 

El  j!  Burgfarnbach 

6  USenbeim 

7 1|  Neustadt  a.  Aiscb 

s|[  Kleinheubaoh 

9 1  Neustadt  a.  W. 

I)||  Forchfaeim 

I  ,|  Eitiingeii 

2i'  Würzburg 

3l{  Bayreuth 

41  Aschaffenbuiv 

5  ]  Lohr 

6i|  Oberodorf 

11,  WuDaiedel 


39:!  Lichtenfels 


'  Neustadt  a 
,  Soborg 


- 

[+27) 

-      +    80 

[+116]>[-  S6),+  56, 

'-1-6.9 

+  3.0'+  3.9+    97 

+  184 

-  87    +    3 

1+37.4 
+  6.2 

[+351  1  ^  21  +     46 

(+90]  1-  4614-451 

l+0|,    lo;      +     Ü4 

+120]  1-  5fa]]+  34, 

+53.0 

+40.li+l2.4'-   133 

—  23 

-110  —  20 

[-121]     -    u-     63 

[+60l|[-lI3]|-Ji3| 

1  z 

+  u 

—   '—  143 

[-  70] 

-  73  1+  17' 

—  3.1 

-  9 

[+  6]  -  141 

-  101 

-131 

-  4I| 

+15 

-    ,  -  255 

-170] 

-  86 

+    &, 

[0] 

-    '-  126 

1-  90) 

—  36 

+  64 

- 

+38.2 

-    r-  296 

—213 

-69 

+     7.| 

j+12.8 

+  7.4 

+  5.4 1-  232 

-180 

—  62 

+  38, 

'-  S.3 

[+  21 1-  240 

-135 

-105 

-  1^! 

— 2a.7 

-23.6 

+  ae'i-  373 

-246 

-128 

-  sä\ 

_ 

1+18 

-    |,-  399 

[-8501 

(-  49  ;+  41:1 

+22.8 

+  14 

+  9   ■-  424 

-3451 

-  79    +  111 

I+2Ö.* 

+22 

+  3   ;-  440 

[-9601 

—  80   +  1«*! 

1-38.1 

+43.9 

—  6.8—  577 

-488 

-  89 

-*■  'i 

- 

-23.2 

-     il-  579 

-378 

-201 

-110 

+  14.6 

+12.2 

+  2.4^  687 

-460 

-127 

-37 

(-36.6 

[+«1 

1-  31;;-  630 

-560 

-  80 

+  io!l 

+25.1* 

+  2G.4 

—  0.6'  -  60S 

-621 

—  82 

+   e'l 

-10.2 

-  6.2 

-   4.01-  644 

— 4BI 

-  93 

-   sl 

1+30] 

-     ,;—  705 

[-570] 

-136 

-   4Ö| 

+Bl.ft 

-I-&J.3 

-  0.8  -  772 

-666 

—  107 

-  1T| 

>3öll    —     1,-  742 

—645 

-  97 

-    7'i 

+66.0 

[+8ti(,[-  1]|-  078 

-890 

—  88 

+   a,| 

-  2.1 

-  2.4*+  0.3  -  C80 

-Ö72 

—108 

-  18 

+23.7 

+28.8'-  6.1',-  787 

-679 

-109 

-19 

+6B.Ü 

(+59J[-   1]!!-  837 

[-760] 

[-   77] 

-H  »3 

I+6&.2 

+63.6  -  8.4';--  869 

—806 

-  64 

+  26 

+23.7;    ■  -     K-  871 

-749 

-122 

-3» 

1+82.6 

+94.7.-12.1-1083 

-978 

-110 

-  20, 

1+51.6 

1+78]  [    26.1  '-1029 

[-980] 

[-  991 

-     *■■ 

+50.9 

+66.9  -  6.9,'-  999 

[-880] 

-119 

-29 

—  4.3 

-  0.7,-  3.6||-  683 

-787 

-  96 

-     ^\ 

+  0.7 

[-   111+  21-  831 
+359  —  3.*i— 1003 

[-780] 

[-  61] 

+  S9'I 

+-33.Ö 

-860 

-149 

—  69' 

—  2.b 

(  t-  ü]  I-  8j'i-  924 

-920 

-     4 

+  86,' 

+  50,2 

+59.1,-  8.9(— 1029 

-961 

—  68 

+  24l 

+31.2 

[t-8Sl 

[—  4]  -1029 

(-902] 

-127) 

—  37i! 
Ü 

J.  6.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen. 


561 


Tabelle  III. 


J  J 

ld05 

1905 

1850 

Diff. 

Diff. 
-7.Ö 

A  X 

A  Y 

AZ 

AF 

I! 


—  18.4 

—  18.1 


+ 


5.9 

2.8 


+    14.7 


+ 
+ 

4- 
+ 

+ 
+ 
+ 


18.1 
22.1 
28.2 
24.1 
22.5 
36.6 
40.1 
43.3 
44.3 
58.2 

57.0 
66.4 
60.7 
53.1 
69.6 
76.3 
83.5 


+  102.8 


+ 

83.1 

+ 

73.2 

+ 

88.1 

+ 

90.3 

+ 

93.4 

-h  107.5 
-+-  104.0 
4-  102.5 
+  99.5 
-H  88.1 
-I-  104.7 
+  104.6 
-h  132.0 
+ 107.0 


[- 
[- 

+ 

[- 


14] 
18.4 

6] 
18] 
3.2 

7] 


[-h      7] 
[0] 


[4- 

-h 

+ 
+ 
[+ 
[+ 
[+ 

4- 

+ 

+ 

[+ 
+ 
[+ 


20] 

9.3 

23.6 

19.2 

12.6 

23.2 

36] 

36] 

36] 

'18.4 

40.0 

51.0 

60.2 

55.9 

46.3 

60] 

66.5 

59] 

[+  131] 
+  66.2 

[-h   70] 
[-h  80] 

-h  81.5 
4-  72.2 
+103.9 
[^  99] 
[^  93] 
■+-  87.8 
[-h  82] 
+  89.7 
[-h  96] 
[+110] 
(4-    97) 


+   0.0 
1-121 

+    2.7 

[+_10] 

l+_8] 

[-    2] 
+  12,8 
+    4.6 
+   4.9 
+   9.9 
+  13.4 
[+   41 
[r    7] 
[+   8] 
+    9.8 

[+    6] 
[+    6] 
+    4.8 
+    6.8 
[+10] 
[+10] 
[+24] 
[-28] 
+  16.9 
[+    3] 
[+    8] 
+   8.8 
+  21.2 
+    3.6 
[-    5] 
[+    9] 
+  11.7 
[+    6] 
+  15.0 
[+10] 
[+22] 
[-f  10] 


-  7  [  +   89 

-  19  i  -   81 

-1+58 

-  5  I  —  212 

+  3  !l   - 


0 


+ 


+ 
+ 


9 
5 
3 
3 
2 
6 

—  4 

0 

+  1 
-|-_2 

—  1 

—  1 

—  3 

—  1 
+  3 
+  2 
+  6 
-35 

+  9 

—  5 

0 

+  1 
+  U 

—  4 

—  12 
--  2 
--  4 

—  1 
+  8 
+  2 
+  4 
+  3 


—  135 


—  241 

—  228 

—  352 

—  893 

—  911 

—  608 

—  592 

—  691 

—  621 

—  525 

—  814 

—  1054 

—  666 

—  799 

—  886 

—  913 

—  1154 

—  1066 

—  1032 

—  854 

—  733 

—  1021 

—  909 

—  1065 

—  1045 


-  43 


+  58  —  347 

+  653  —  439 
+  42 

405  —  89 
19 

+  152 

+  969 

+  406 

+  234 

+  255 

+  173 

+  329 

+  400 

+  57  +  446 

+  09  +  444 

+  112  +  587 


+  28 

-  97 

—  200 


—  20 
+  269 
+  42 
+  155 


+ 


+ 

-   + 
+  157.  ± 

+ 


+  305 

—  132 

—  4 
+  181 
+  159 

--276 
--108 
--111 

—  180 

—  127 
+  10 

—  163 
+  100 
+  12 


531 
216 
335 
496 
651 
741 
986 


+  1139 
+  1147 
+  614 
+  973 
-f  988 
+  1068 
+  1127 
+  1067 
+  1093 
+  1236 
+  1168 
+  1110 
--1311 
--1972 
--1174 


—  266 

—  371 

—  142 

—  44 

+^61 

+  960 
+  305 
+  76 
+  123 
+  44 
+  114 
-f  179 
+  209 
+  201 
+  269 

+  215 
+  375 
+  275 
+  194 
+  254 
+  322 
+  549 
+  695 
+  730 
-h  196 
+  504 
+  505 
+  576 
+  540 
+  509 
+  546 
+  724 
+  720 
-h  567 
-h  773 
+1330 
+  609 


562        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  toiu  3.  November  1906. 

Die  vier  letzten  Reihen  der  Tabelle  III  enthalten  noch  die 
entsprechenden  Differenzen  der  Komponenten  und  der  Total- 
intensität gegen  den  Basispunkt  München. 

Für  diejenigen  Orte,  an  welchen  Lamont  nicht  beob- 
achtet hat,  sind  die  Yergleichswerte  seinem  Atlas  (Magnetische 
Karten  von  Deutschland  und  Bayern.  München  1854)  ent- 
nommen worden.  Die  so  erhaltenen  Zahlen  sind  durch  Ein- 
klammern kenntlich  gemacht. 

Die  Differenzen  zwischen  den  neuen  und  alten  Messungen 
enthalten,  abgesehen  von  den  eigentlichen  Unsicherheiten  der 
Beobachtungen  selbst,  die  konstanten  Fehler  der  Keiseinstru- 
mente  der  absoluten  Messungen  und  der  Unterschiede  in  den 
Säkularvariationen  zwischen  der  Basisstation  (München)  und 
den  Feldstationen. 

Betrachtet  man  zunächst  die  Deklinationsdifferenzen,  so 
erkennt  man  sogleich  einen  Gang  in  der  Größe  und  im  Vor- 
zeichen derselben.  Dieser  Gang  hängt  von  der  Entfernung 
der  Station  von  der  Basisstation  und  von  der  Himmelsrichtung 
ab,  er  kann  daher  als  Funktion  der  geographischen  Koordinaten 
dargestellt  werden.     Schon  eine  einfache  lineare  Funktion  von 

der  Form 

Diff  =  a  .  (5.  -  B„d  +  h{U-L^) 

gibt  ein  gutes  Resultat.  In  dieser  Formel  sind  J5,  und  J5«,  die 
Breiten  der  Station  bzw.  von  München  und  Lg  und  L^  die 
entsprechenden  Längen ;  a  und  h  sind  zwei  noch  zu  bestinunende 
Konstanten.  Würde  man  dieser  Formel  noch  ein  konstantes 
Glied  anfügen,  so  würde  dieses  die  Summe  der  allfallig  vor- 
handenen Instrumentalkorrektionen  darstellen.  Man  erkennt 
aber  auch  ohne  eigentliche  Rechnung,  daß  dieselben  recht  klein 
sind  und  noch  innerhalb  der  B^obachtungsgenauigkeit  liegen 
müssen,  so  daß  also  die  Unterschiede  ganz  von  der  Verschieden- 
heit der  Säkularvariationen  zwischen  der  Station  und  München 
herrühren.  Sie  können  daher  zum  Verschwinden  gebracht 
werden,  wenn  man  die  betreffenden  jährlichen  Änderungen  der 
Abnahme  in  der  westlichen  Deklination  berücksichtigt.  Um 
einen  Überschlag  über  die  zu  erwartenden  Größen   zu  haben, 


M 


'"^   c 


J.  B.  Mesaerschiuitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen. 

habe  ich  aus  obiger  Formel  die  a  und  b  berechnet,  indem  ich 
20  möglichst  ungestörte  und  gleichmäßig  über  das  ganze 
Gebiet  verteilte  Stationen  berücksichtigte.  Die  betreflfenden 
Werte  sind: 

DiflF.  =  4.105  AIi+  9.636  AL 

worin  die  zIJS,  Breitendifferenzen,  und  AL,  Längendifferenzen 
gegen  München,  in  Graden  ausgedrückt  sind.  Mit  diesem  Aus- 
druck sind  die  folgenden  das  Messungsgebiet  umspannenden 
Werte  berechnet,  welche  also  die  Differenzen  der  Säkularvaria- 
tionen der  Deklination  gegenüber  der  in  München  beobachteten 
Säkularvariationen  vorstellen.  Das  negative  Zeichen  bedeutet, 
daß  die  jährliche  Abnahme  der  westlichen  Deklination  größer, 
das  positive,  daß  sie  kleiner  als  in  München  ist.  —  Man  würde 
noch  eine  bessere  Übereinstimmung  erhalten,  wenn  man  noch 
die  quadratischen  Glieder  einführen  würde;  für  den  zunächst 
vorliegenden  Zweck  genügen  die  so  erhaltenen  Zahlen. 


20 

-  10 

00 

+  1« 

+  20   . 

—  0.'200 

—  0.'025 

+  0/150 

+  0/324 

+  10   : 

—  0.276 

—  0.100 

+  0.075 

+  0.249 

0 

—  0.851 

—  0.175 

0.000 

+  0.175 

-10 

—  0.425 

-  0.249 

—  0.074 

+  0.100 

Beispiels\\:eise  genügt  es,  die  Säkular  Variation  in  Unter- 
franken um  0!1  bis  0'.2  größer  anzunehmen,  als  in  München, 
damit  die  vorhandenen  Unterschiede  verschwinden.  Es  hat  also 
das  System  der  Isogonen  außer  einer  Parallelverschiebung  gleich- 
zeitig eine  Drehung  erlitten,  ein  Resultat,  das  auch  mit  anderen 
Erfahrungen  übereinstimmt.  Im  Durchschnitt  sind  die  Unter- 
schiede in  den  Säkularvariationen,  wie  nicht  anders  zu  erwarten, 
recht  gering,  da  eben  das  untersuchte  Gebiet  räumlich  noch 
recht  klein,  ist.  Einige  Abweichungen  aber,  die  die  Unsicher- 
heit der  Messungen  überschreiten,  dürften  wohl  daher  rühren, 
daß  die  Säkularvariationen  in  Störungsgebieten  etwas  anderen 

1906.  BitcuDgsb.  d.  math.-phyi.  KL  37 


564        Sitxang  der  math.-phys.  Klasse  Tom  8.  November  1906. 

Oeseta^n  folgen  als  in  ungestörten  und  in  Bayern  nehmen  gerade 
diese  Qebiete  eine  bedeutende  Ausdehnung  ein. 

Zunächst  ist  das  Kiesgebiet  zu  nennen,  das  ja  in  jüngster 
Zeit  eingebend  magnetisch  untersucht  worden  ist.  Nach  deo 
hier  vorliegenden  Messungen  und  denjenigen  von  Lamont  dehnt 
sich  aber  dieses  Störungsgebiet  noch  weiter  nach  Osten  aus  und 
zwar  umfafit  es  das  ganze  Juragebiet.  Besonders  drängen  sich 
in  der  Gegend  bei  Ingolstadt  die  Isogonen  recht  eng  zusammen, 
was  mau  auf  Tafel  YII  deutlich  sehen  kann.  Ein  weiteres 
bemerkenswertes  Störuugsgebiet  hat  schon  Lamont  näher 
studiert;  es  ist  dies  der  Bayerische  Wald  und  insbesondere  die 
Umgebung  von  Passau.  Aber  auch  die  anderen  Gebirge,  wie 
die  Alpen,  der  Spessart  und  die  Rhön  sind  magnetisch  gestört 
In  der  Bhön  besonders  ist  es  der  Basalt,  der  die  normale  Ver- 
teilung im  Erdmagnetismus  stark  beeinflußt.  Wie  weit  dieser 
Einfluß  gehen  kann,  hat  Böhmländer  für  den  Wachtküppel 
in  der  Rhön  gezeigt.^) 

Aber  schon  aus  den  magnetischen  Ortsbestimmungen 
Lamonts  und  den  daraus  konstruierten  Karten  der  magneti- 
schen Elemente  kann  man  die  Störungsgebiete  erkennen.  Die 
Lamontschen  Karten  enthalten  die  „wahren  isomagnetischen 
Linien,*  bei  welchen  sich  also  die  Zeichnung  möglichst  den 
Beobachtungen  anschmiegt.  Leitet  man  daraus  mittlere  Werte, 
die  sogenannten  „terrestrischen  isomagnetischen  Linien,*  was 
am  einfachsten  graphisch  geschieht,  ab,  so  geben  die  Unter- 
schiede zwischen  beiden  Systemen  einen  Aufschluß  über  die 
vorhandenen  Lokulablenkungen.  Auf  diese  Weise  habe  ich  die 
in  der  nachstehenden  Tabelle  enthaltenen  DeklinationsdifTerenzen 
im  Sinne  »wahrer  minus  terrestrischer  Wert*  aus  den  Lamont- 
schen Beobachtungen  abgeleitet: 


')  K.  G.  Böhmländer,  Verlauf  der  Isogonen  auf  dem  Wachtküppel. 
Dissertation.   München  1899. 


J.  B.  Messpnulimilt:  Mugnetm'lio  (IrtabestiraiiiuiiifPii. 
StürUDKen  in  Deklination. 


0  26?5  27?Ü  27^  28?0  2e?5' 29?0- 29?ö|  30?0  30?5.3 

i       i       :       .       :       1       I       ! 

I     I  I     . 

:+'!+'  i        ' 

i+11+7-,+  1  +1  +1-I+61+6',    (!■ 


2|    0    |-t 


I 


;+I|-l,+  5  -(-2 

0 

;  0  +i!+4    0  ,-1-3;  0' 

l+li+3     0   1-41-3+2: 

.+  !■    0    !+3-l  +2I+4I-  2 

1  —  8,    0    ■    0    1    0         3+5  —  8 

|-3   -ii+i+i]+3  +7+6 

-3     0    J+2I4-I   +1+1+8 

'— 1     0+2     0 

4+4+9 

1-2   -1  1    0    i— 5 

ti   -4+10 

i+4i-2i— a:-»!— a  — ( 


In  dieser  Tabelle  ist  das  untersuchte  Oebiet  in  kleine 
Trapeze  von  15'  Breitendifferenz  und  30'  Längendifferenz  ein- 
geteilt und  für  die  Schnittpunkte  die  Unterschiede  der  beiden 
Deklinationssysteme  eingetragen.  Man  erkennt  sofort  die  syste- 
matische Verteilung  in  den  Vorzeichen,  so  daß  die  einzelnen 
Störungsgebiete  deutlich  hervortreten. 


Die  Tergleichung  der  neuen  Beobachtungen  der  Hori- 
zontalintensität mit  den  Laniontscheu  ergibt  nun  zunächst 
einen  konstanten  Unterschied,  der  im  Mittel  aus  sämtlichen 
Beobachtungen  —  90}' (Einheiten  der  fUnften  Dezimalstelle  in  £) 
beträgt.  Die  Beobachtungen  des  Jahres  1903  (siehe  diese  Be- 
richte Bd.  35,  1905,  Seite  82)  ergaben  fast  genau  den  gleichen 
Betrag,  nämlich  —  87.  Die  Differenz  stellt  die  Summe  der 
lustrumentalkorrektionen  der  beiderseitigen  Messungen  dar. 
Der  größere  Teil  davon  muß  den  Lamontscben  Messungen 
zugeteilt  werden ,  da  der  nämliche  Unterschied  auch  aus  den 
Vergleich ungen  mit  den  von  Edler  ausgeführten  Messungen, 
die  von  Potsdam   aus  bearbeitet  wurden  (z.  B.  Neustadt  a.  S. 

87* 


566        Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  Tom  3.  November  1906. 

und  Koburg),  folgt.  Auch  die  in  Württemberg  angestellten 
Beobachtungen  geben  das  nämliche  Resultat.  Ein  kleinerer 
Teil  des  Unterschiedes  ist  dem  neuen  Instrumente  zuzuschreiben, 
da  ja  bekanntlich  alle  magnetischen  Messungen  mit  gewissen 
konstanten,  den  Instrumenten  eigentCimlichen  Fehlem  behaftet 
sind.  Es  wurde  daher  auch  auf  der  letzten  Konferenz  der  Inter- 
nationalen Magnetischen  Vereinigung  in  Innsbruck  eine  syste- 
matische Durchführung  von  V ergleich ungen  zwischen  den  Nor- 
malinstrumenten der  verschiedenen  Obserratorien  beschlossen.^) 

Fügt  man  allen  Differenzen  der  A  H  (1905—1850)  die 
Eonstante  90  hinzu,  so  erkennt  man  wiederum  einen  syste- 
matischen Gang  in  den  übrigbleibenden  Zahlen,  der  von  dem 
unterschiede  der  säkularen  Variationen  zwischen  den  Feld- 
stationen und  München  herrührt.  Es  genügt  anzunehmen,  daß 
beispielsweise  die  jährliche  Zunahme  der  Horizontalintensität  in 
der  Gegend  des  Bodensees  um  1  y  jährlich  größer  und  in  Franken 
etwa  1  y  kleiner  als  in  München  ist,  um  die  vorhandenen  Unter- 
schiede zu  verringern.  Es  hat  also  ebenso  wie  bei  der  Dekli- 
nation das  System  der  Isodynamen  der  Horizontalintensität  außer 
einer  Verschiebung  eine  geringe  Drehung  erlitten.  Die  mathe- 
matische  Darstellung  dieser  Änderung  als  Funktion  der  geo- 
graphischen Koordinaten  soll  jedoch  erst  später,  wenn  die 
neuen  Messungen  weiter  vorgeschritten  sind,  vorgenommen 
werden,  weil  dann  auch  die  Orte  mit  größeren  Störungen 
besser  eliminiert  werden  können. 

Die  magnetischen  Störungsgebiete  treten  im  Verlauf  der 
Isodynamen  der  Horizontalintensität  noch  deutlicher  hervor 
als  bei  den  Isogonen.  Insbesondere  im  mittleren  Teile  des  Jura 
finden  starke  Abweichungen  von  der  normalen  Verteilung  statt. 
Die  Beobachtungen  in  PfUnz,  Eichstätt,  Solnhofen  liefern  alle 
eine  viel  zu  kleine  Horizontalintensität.  Bei  Ingolstadt  hat 
bereits  Lamont  eine  solche  Anomalie  gefunden.    Diese  Beob- 

^)  Messerschmitt,  Bericht  über  die  internationale  Konferenz  fOr 
Erdmagnetismus  und  Luftelektrizität  zu  Innsbruck  1905.  Terrestrial 
Magnetism.,  10.  Jahrgang  1905,  S.  195. 


J.  B.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen.  567 


achtung  hat  später  C.  Orff*)  auf  Lamonts  Veranlassung  ge- 
legentlich astronomisch -geodätischer  Messungen  mit  dem  La- 
montschen  Reisetheodoliten  kontrolliert  und  bestätigt  gefunden. 
Der  Standpunkt  Lamonts  lag  etwa  1  km  westlicher  als  der- 
jenige von  Orff  und  zwar  beobachtete  in  Soldnerschen  Koor- 
dinaten (bayer.  Ruten)  ausgedrückt: 

X 
Lamont  +24172, 
Orff        +  24 154, 

Es  kann  also  die  gefundene  Anomalie  nicht  auf  ein  Ver- 
sehen oder  begrenzt  lokale  Ursache  zurückgeführt  werden.  Die 
gefundenen  Differenzen  der  magnetischen  Elemente  gegen 
München  sind: 


Y 

+  3850 
+  3492. 


Lamont  1850 


OrflF  1874/75 


AD 
AH 
AJ 


+  6.'0 
—  431y 
+  39/0 


+ 16.'3 
—  452y 
+  49/0 


Um  einen  sicheren  Anhaltspunkt  über  die  Störungs- 
gebiete zu  haben,  wurden  für  die  Horizontalintensität  in 
der  gleichen  Weise  wie  fiir  die  Deklination  die  Unterschiede 
zwischen  den  wahren  und  den  terrestrischen  isomagnetischen 
Linie  ermittelt,  welche  in  der  beistehenden  Tabelle  enthalten 
sind.  Die  bereits  angeführten  Störungsgebiete  treten  hier  noch 
deutlicher  wie  bei  der  Deklination  hervor  und  bildet  daher 
diese  Zusammenstellung  einen  guten  Anhalt  über  die  weiterhin 
vorzunehmenden  Untersuchungen.    (Vgl.  auch  Tafel  VII.) 


*)  C.  von  Orff,  Astronomisch-geodätische  Ortsbestimmungen  in 
Bayern.  München  1880,  Anhang.  Magnetische  Messungen  zu  Ingolstadt 
und  auf  der  Wülzburg  (Seite  143-164).  Für  Wülzbuig  findet  Orff; 
AD  =  +  25/3 ;  J  ff  =  —  430 y  und  AJ  =  +  56/1,  welche  Werte  gut  mit 
den  Lamontschen  Karten  harmonieren. 


568        Sitjiung  der  math.-phys.  Klasse  vom  3.  November  ld06. 


Störungen  der  Horizontalintensität  in  Einheiten 

der  fünften  Dezimale. 


\ 


Länge 

ö.  ▼.  ii     «  1 

Ferro!  25?0 


25?5 


26?0l26?5!27?0,27?o|28?0 


Breite 

ÖO*»  30' 

15 

0 

49    45 

30 

15 

0 

48    45 

30 

15 

0 

45 

30 


28?ö 


29?0  29?5 


._  .j 1 . 


30?0  80?5:$Ö 


+20'H-  30'f— 10' 
-j-30|+  20|  -20 
4-30  +  50  ,+20 
+60! +100, +30 


—  5-50 
1-20 


-40'' -50' 

0  !+io!       1 

+15i+20      0'  I-35''— 20',  — 15'i 
+10|-M0'+10i     0    !     0     -20 


+15  j+35  i+40  1     0 
+10 +30  1+20  i— 10 
-15i-10 


—40  -40 
20  -20 


+40!     0 


48 
47 


-2O1— 10,— 10  — 40  -i 
-50|-30|-2o'-30!-i 
i+201— 10!— 20— 10,-20  U40    I 
,  1  !+2o!-10'     0    |— 10  !— 40-50 - 

1+40+20'     0    I     0    I     0    i— 25■-70- 
'+lo!— lo'+lo|     0    •+10,-10-40 
+20 1+15 1+10'     0    |-10j     0    I     0    +40: 

I       '  •     i       ;       I       ' 


Die  Inklination  wurde  von  mir  mit  einem  Nadelinklinato- 
rium  gemessen,  während  Lamont  sie  aus  der  Induktionswirkung 
des  Erdmagnetismus  auf  weiche  Eisenstäbe  ableitete.  Wie  nun 
Lamont  schon  selbst  fand,  traten  namentlich  in  den  späteren 
Jahren  bei  seinen  Eisenstäben  Anomalien  auf,  die  die  Inklina- 
tionsmessungen in  nicht  sicher  kontrollierbarer  Weise  beein- 
flußten (Bd.  II,  Seite  22).  Betrachtet  man  jedoch  die  Unterschiede 
der  neuen  und  der  alten  Inklinationsmessungen  in  Tabelle  IIL 
wobei  übrigens  meist  Stationen  aus  der  ersten  Zeit  von  Lamonts 
Beobachtungen  in  Frage  kommen,  so  findet  eine  recht  befriedi- 
gende Übereinstimmung  statt.  Zunächst  erhält  man,  ähnlich 
wie  bei  der  Horizontalintensität,  einen  konstanten  Unterschied, 
der   im  Mittel   +  7!5   beträgt.^)     Bei   den    1903   beobachteten 

M  Dieser  Unterschied  bildet  nichts  Auff&lliges,  indem  selbst  he\ 
neueren  Instrumenten  noch  Differenzen  von  derselben  Größenordnung 
vorkommen.  So  fand  z.  B.  van  Rijke vorsei  (Comparaison  of  the  in- 
struments  for  absolute  magnetic  measurements.  Royal.  Meteorol.  Inst,  of 
the  Xetheriands,  1897,  98  und  99)  noch  Unterschiede  in  den  Inklinations- 


J.  B.  Measerschmitt:  HagnetiBche  Ortabettiimnuiif;(ra.  <>d9 

Inklinationen  (1.  Mitteilung,  Seite  83)  beträgt  diese  Differenz 
-f-  9!5,  was  eine  befriedigende  Übereinstimmung  genannt  werden 
darf.  Es  ist  also  die  Keduktionskonstante  zwischen  beiden  Reihen 
8',  um  welchen  Betrag  die  Lamontschen  Inklinationen  gegen- 
über den  meinigen  zu  klein  sind.  Bringt  man  diese  konstante 
Reduktion  an  sämtliche  Differenzen  an,  so  erhält  man  wieder 
die  Unterschiede  in  den  jährlichen  Variationen  der  Inklination 
zwischen  dem  Basispunkt  München  und  den  Feldstationen.  Auch 
hier  ist,  wenn  auch  weniger  sicher  als  bei  den  anderen  Elementen, 
eine  Verdrehung  der  Isoklinen  angedeutet,  ein  Beweis  dafür, 
daß  die  Lamontschen  Beobachtungen  besser  sind,  als  nach  den 
bemerkten  Anomalien  der  weichen  Eisenstäbe  zu  befQrchten  war. 


.         LänKel 

1    1    1       1    :    1 

XoUVj|2B?0 

Breite  \|l 

M?5 

26fO 

36?6 

27?0|a7f6  26?0  28?6 

29?0 

39?5'30?0 

80?B 

31W 



600  90' 

■hl' 

+-1- 

15 

—  8 

-B 

0 

+  2 

-2 

-B 

-9 

-7 

-6 

-y 

-1 

49  «       —  r 

H-a 

+* 

-B 

—  7 

-.7 

—  7 

—  7 

_3 

0 

30        H-B 

—  1 

-|-2| 

— « 

-« 

-7 

0 

-l 

-a* 

IB          -6 

-3 

3 

-7 

-6 

-4 

—  1 

-3 

—  1 

0      — e 

+  3 

+  6 

-5 

-7 

0 

•1-1 

-2 

—  2 

-  2' 

48    45 

-4 

-3 

0 

-t-1 

+  1 

0 

-10 

30 

1-8 

-1 

0 

-f-1 

0 

-I 

-11 

IB 

|— 1 

0 

+1 

-f-a 

+  3 

-hl 

-  3 

0 

-t-2.      0 

+  1 

+  1 

+  1 

+  1 

■i-e 

-hl 

47    45 

+i.+  i 

0 

u 

0 

+  * 

-h» 

-h  3 

30 

+  1 

+  1 

0 

-1 

^' 

~' 

-1-3 

H-B 

bestimmnnffen  zwitcben  den  abBo1at«n  He«nn)reii  Tenchiedener  Obser- 
vatoiieo,  die  bia  8'  ging'en.  In  Potidaiii  betrtlgt  der  Unterschied  aviichen 
dem  Erdinduktor  und  dem  Bambergschen  Inklinatorium  7.'B.  —  Bei  den 
anderen  Elementen  aind  diu  Unterschiede  nach  BijkeToriel  kleiner, 
doch  gehen  sie  bei  der  Deklination  noch  bi*  1'  and  bei  der  Horiiontail- 
inteniit&t  bit  20  r.  Einmal  warde  sogar  für  WitbelmshaTen  49}-  ge- 
funden. 


•>/0        Sitzung  der  nuith.-phys.  Klasse  vom  3.  November  1906. 

Ich  habe  daher  auch  ftir  dieses  Element  die  Unterschiede 
zH'ischen  den  wahren  und  terrestrischen  Isoklinen  gebildet  und 
in  der  beistehenden  Tabelle  vereinigt.  Diese  Zusammenstellung 
lä&t  die  gleichen  Anomalien  wie  die  beiden  imderen  Elemente 
erkennen. 


Die  im  Yorstehenden  aus  den  Beobachtungen  selbst  abge- 
leiteten Normalwerte,  die  sog.  terrestrischen  isomagnetischen 
Linien,  sind  zwar  fQr  die  Untersuchung  der  lokalen  Storungs- 
gebiete  sehr  brauchbar,  haben  aber  natürlich  nur  beschrankte 
Gültigkeit,  da  sie  nicht  unabhängig  «von  den  regionalen  Stö- 
rungen sind.  Es  erscheint  daher  angebracht,  die  gewonnenen 
Messungsergebnisse  auch  mit  den  Elementen  zu  vergleichen, 
die  nach  der  Theorie  aus  einem  großen,  die  ganze  Erde  um- 
spannenden Materiale  abgeleitet  sind. 

Oauß  hat  zuerst  aus  den  damals  bekannten  Messungen 
(las  erd magnetische  Potential  abgeleitet.  Die  seither  erweiterten 
und  verbesserten  Beobachtungen  haben  denn  auch  mehrfach 
Veranlassung  gegeben,  diese  Rechnung  zu  wiederholen.  Von 
diesen  wählte  ich  das  von  Ad.  Schmidt  berechnete  System, 
das  sich  auf  das  Jahr  1885,0  bezieht.^)  Dabei  beschrankte  ich 
mich  auf  die  Vergleichung  der  drei  rechtwinkligen  Koordinaten 
X,  Y  und  Z.  Zur  Erleichterung  der  Rechnung  habe  ich  für 
das  ganze  Gebiet  zwischen  47**  und  51®  nördlicher  Breite  und 
9^  bis  14®  östlicher  Länge  von  Green  wich  besondere  Tabellen 
berechnet,  in  welchen  das  Intervall  in  Länge  und  Breite  von 
10'  zu  10'  fortschreitet,  so  da&  daraus  rasch  durch  einfaches 
Interpolieren  die  theoretischen  Werte  entnommen  werden  können. 
Die  so  erhaltenen  Werte  sind  in  der  Tabelle  IV  zusammen- 


')  Schmidt  Adolf,  Mitteilangen  über  eine  neue  Berechnung  des 
erdmagnetischen  Potentials.  Abhandlungen  der  Bayer.  Akad.  d.  Wiss.. 
math.-phvB.  KI„  XIX.  Bd.,  I.  Abt.,  1895.  —  Derselbe,  Der  magnetische 
Zustand  der  Erde  zur  Epoche  1885,0.  Aus  dem  Archiv  der  deutschen 
Seewarte,  XXI.  Jahrgang,  Nr.  2,  1898.  —  Derselbe,  Über  die  Darstellung 
der  Ergebnisse  erdmagnetischer  Beobachtungen  im  Acschhiß  an  die 
Theorie.   Ann.  der  Hvdrog^.  u.  Marit.  Meteorologie,  XXVI,  Januar  1898. 


J.  6.  Messerschmitt:  Häretische  Ortsbestimmangen.  &71 

gestellt,  welche  neben  den  berechneten  (R)  die  aus  den  Beob- 
achtungen (B)  abgeleiteten  Komponenten  nebst  deren  Unter- 
schieden im  Sinne  ^»Beobachtung  minus  Rechnung*  enthält. 
Zugleich  ist  diese  Tabelle  an  der  nördlichen  und  westlichen 
Grenze  von  Bayern  durch  einige  benachbarte  Messungen  in 
Preußen  und  Württemberg  ergänzt.  Bei  diesen  DiflFerenzen  ist 
zunächst  zu  beachten,  daß  sich  die  theoretischen  Elemente  auf 
die  Epoche  1885,0  beziehen,  während  die  von  mir  beobachteten 
Werte  auf  die  mittlere  Beobachtungszeit,  nämlich  1905,0, 
reduziert  sind.  Der  Unterschied  der  Epochen  entspricht  jedoch 
in  unserem  Falle,  wie  bereits  gezeigt  wurde,  wegen  der  ge- 
ringen Ausdehnung  des  untersuchten  Gebietes,  näherungsweise 
einer  Konstanten.  Eis  ist  daher  der  Unterschied  für  den  vor- 
liegenden Zweck  ohne  Bedeutung;  wollte  man  jedoch  die 
beiderseitigen  Systeme  aufeinander  reduzieren,  so  müßte  znerst 
eine  eingehende  Untersuchung  der  säkularen  Variationen  voran- 
gehen, welche  zu  ermitteln  ja  auch  eine  der  Aufgaben  ist,  die 
unsere  magnetische  Landesaufnahme  losen  soll. 

Würde  der  Verlauf  der  magnetischen  ^Elemente  genau  der 
Theorie  entsprechen,  so  müßten,  bis  auf  kleine  Reste,  die  von 
der  Verschiedenheit  der  säkularen  Variationen  herrühren,  samt- 
liche Differenzen  {B  —  E)  eines  jeden  Elementes  innerhalb  der 
Unsicherheit  der  Beobachtungen  übereinstimmen.  Wie  die 
Tabelle  jedoch  lehrt,  ist  dies  nicht  der  Fall,  sondern  es  finden 
noch  ziemlich  große  Unterschiede  statt,  die  sich  teilweise  in 
Gruppen  vereinigen  lassen.  Diese  Unterschiede  zeigen  eben, 
wie  es  auch  bei  anderen  geophysikalischen  Elementen  der  Fall 
ist,  an,  daß  einesteils  die  Theorie  noch  zu  vervollkommnen  ist, 
andererseits  aber  neben  den  lokalen  auch  regionale  Stömngs- 
gebiete  vorhanden  sind. 


572        Sitzung  der  matb.-phja.  Klasse  ▼om  8.  November  1906. 


• 

Länge 

Ort 

Breite 

östl 

.  von 

Xb 

-^Ä 

1 

Greenw.   ' 

Lindau 

47«  34.'0 

1 
90  40.'3 

1 

1 

!   0.20  341 

0.19  797 

Berchtesgaden 

47 

87.4 

13 

0.1    1 

1   0.20  579 

0.20  100 

Oberdorf 

47 

88.0 

9 

35.9    < 

!   0.20  295 

0.19  789 

Kochel 

47 

39.6 

11 

21.9  ; 

i   0.20  420 

0.19  878   1 

Waltenbofen 

47 

39.9 

10 

18.5    ; 

:   0.20  250 

0.19  740 

Gro&holzlente 

47 

40.6 

10 

6.8    i 

1 

,   0.20  303 

0.19  839 

Riedhansen 

47 

41.1 

11 

12.0 

0.20  423 

0.19  846 

Reichenball 

47 

43.3 

12 

52.4 

1   0.20  517 

f 

0.20  041 

Penzberg 

47 

44.8 

11 

22.4 

!   0.20  389 

0.19  846 

Tölz 

'    47 

1 

46.2 

11 

34.5 

0.20  423 

0.19  858 

Memmingen 

47 

47.3 

10 

10.5    ; 

i   0.20  119 

0.19  671 

Reicbenbofen 

47 

51.2 

10 

0.2    i 

0.20  233 

0.19  621 

Traunstein 

47 

52.4 

12 

37.8 

0.20  426 

0.19  946 

Landsberg 

48 

3.0 

10 

53.4  ; 

0.20  239 

1 

0.19  653 

Reinstetten 

48 

6.0 

9 

58.6 

0.20  121 

0.19  515 

München 

48 

8.8 

11 

36.5 

0.20  831 

0.19  704 

Walpertskirchen 

1    48 

15.9 

11 

58.5 

0.20  196 

0.19  700 

Göggingen 

48 

20.3 

9 

57.5 

0.20  031 
!   0.20  068 

0.19  414 

Olbeck 

48 

30.0 

10 

4.0 

0.19  361 

Pfaffenbofen 

48 

32.0 

11 

82.0 

0.20  090 

0.19  584 

Sontheim 

•    48 

32.6 

10 

18.1 

0.19  971 

0.19  874 

Landshut 

i;    48 

33.6 

12 

7.5    1 

1 

0.20  103 

0.19  595 

Dillingen 

;:    48 

34.7 

10 

29.1    . 

j 

1   0.19  983 

1 

0.19  384 

Herbrechtingen 

'    48 

1 

38.1 

10 

10.8    , 

1 

0.19  919 

0.19  321    1 

Schwenningen 

■■    48 

39.4 

10 

38.3 

0.19  950 

0.19  370 

Schnaitheim 

"■    48 

42.7 

10 

10.4 

0.19  769 

0.19  289    ' 

Donauwörth 

48 

1 

43.1 

10 

47.5 

0.19  989 

0.19  365 

Sohaching 

'    48 

1 

50.4 

12 

56.9 

0.20  009 

0.19  580 

Nördlingen 

'     48 

50.9 

10 

28.9 

0.19  786 

0.19  273 

Straubing 

:     48 

52.3 

12 

34.4 

0.19  979 

0.19  522 

PfQnz 

48 

53.2 

11 

15.9    1 

0.19  438 

0.19  853    1 

Solnhofen 

48 

53.5 

10 

59.9    ' 

■ 

0.19  420 

0.19  819 

Geislingen 

48 

56.3 

10 

26.2 

0.19  794 

1 

0.19  230 

Rindelbach 

48 

69.7 

10 

10.7 

1   0.19  744 

1 

0.19  172 

Regensburg 

49 

0.3 

12 

5.7 

1 

1   0.19  920 

0.19  407 

J.  R.  Mesaersohmitt:  Magaetische  Ortsbestimraungen.  578 

Tabelle  IV. 


Yg 

Y^ 

^'B 

Zh      i-Sß-X« 

^B-^R 

2|,-^ü 

—  0.03  9U 

—  0.04  362 

0.40  646 

0.41  289.  +644 

+  438 

—  648 

—  0.03  402 

—  0.03  722 

40  698 

41  194  ;  +  479 

+  320 

—  4M 

-0.03  979 

-0,04  363 

40  59S 

41  330 

+  506 

+  384 

-732 

-  0.03  688 

-  0.04  038 

40  402 

41  273 

+  542 

+  360 

—  871 

-  0.04  283 

-0.04  228 

— 

41  324 

+  510 

—  55 

— 

-  0.03  899 

—  0.04  264 

40  536 

41  333 

+  464 

+  365 

-797 

—  0.«3  710 

—  0.04  060 

40  655 

41  343 

+  577 

+  350 

—  688 

-  0.03  132 

-0.03  739 

40  705 

41  256 

+  476 

+  307 

-BBI 

—  0.03  672 

—  0.04  022 

— 

41  323 

+  513 

+  350 

— 

—  0.03  609 

-  0.03  983  j 

40  702 

41  330 

+  565 

+  374 

-638 

—  0.04  035 

-  0.04  246  j 

40  752 

41  396 

+  448 

+  210 

-04« 

-  0.03  889 

—  0.04  378 

40  725 

41  440 

+  612 

+  484 

—  716 

-Oitö  698 

-  0.03  776  1 

40  719 

41  352 

+  480 

+  178 

—  688 

—  0.03  788 

-  0.04  093  ; 

40  788 

41  516 

+  586 

+  305 

-728 

-  0.03  878 

-0,04  276 

40  816 

41  583 

+  606 

+  396 

—  746 

-0.03  630 

-  0.03  952  ! 

40  841 

41  546 

+  627 

+  322 

-706 

-0.03  B87 

-  0.03  886  j 

— 

41  600 

+  496 

+  299 

— 

-  0.03  874 

-  0.0*  261 

40  957 

41  717 

+  617 

+  377 

-760 

-  0.03  905 

—  0.04  220  1 

41  136 

41  803 

+  707 

+  316 

-667 

-  0.03  668 

—  0.03  941  1 

41  002 

41  766 

+  556 

+  283 

-7M 

—  0.03  820 

—  0,04  173  ! 

41  002 

41  817 

+  597 

+  353 

-816 

—  0.03  633 

-  0,03  832 

41  014 

41  762 

+  508 

+  299 

—  748 

—  0.0S  782 

-0.04  136 

41  049 

41  832 

+  599 

+  354 

—  783 

—  0.03  890 

-  0  04  192 

41  265 

41  878 

+  598 

+  302 

—  608 

—  0.03  769 

—  0.04  103 

41  094 

41  767 

+  580 

+  334 

-678 

-  0.03  796 

—  0.04  188 

41  154 

41  913 

+  480 

+  392 

—  76» 

-0.03  722 

—  0,03  996 

41  144 

41  895 

+  574 

+  274 

-751 

—  0.03  734 

—  0.03  650 

41  086 

41  893 

+  429 

—  84 

-807 

—  0.03  753 

—  0.04  121 

41  338 

41  984 

+  513 

+  368 

-646 

—  0.03  431 

-0.03  719 

41  170 

41  922 

+  457 

+  288 

—  762 

-  0.03  687 

-  0.03  969 

41  287 

41  972 

+  85 

+  283 

—  686 

-  0.03  699 

-0,04  011 

41  285 

41  984  1  -h  101 

+  312 

-69» 

-  0.03  769 

-  0,04  124 

41  220 

42  030  !|  +  564 

+  365 

-810 

-0,03  796 

-0,04  170 

41  300 

42  070  +  672 

+  374 

-770 

—  0.03  604 

—  0,03  803 

41  276 

42  010 

+  513 

+  299 

—  732 

574        SitziiDg  der  math.-phys.  Klasse  Tom  3.  November  1906. 


Ort 


Breite 


Länf^e 
östl.  von 
Greenw. 


X 


Zwiesel 

1    49« 

1.'3 

130  13/2 

DinkelsbOhl 

1    49 

4.3 

10 

20.6 

Crailsheim 

>    49 

8.2 

10 

6.0 

Neumarkt  i.  0. 

:  49 

16.3 

11 

28.5 

Ansbach 

49 

18.6 

10 

34.7 

Schwabach 

1    49 

19.4 

11 

1.7 

Schwandorf 

49 

1 

19.5 

12 

6.1 

Leuzendorf 

I    49 

20.3 

10 

5.7 

Frauenthal 

49 

30.5 

10 

5.6 

Uffenheim 

>    49 

32.8 

10 

13.4 

Kleinheubach 

>    49 

43.3 

9 

12.2 

Neustadt  a.  W. 

49 

43.4 

12 

10.5 

Forchheim 

1    49 

43.7 

11 

3.9 

Kitzingen 

'    49 

44.0 

10 

9.1 

Würzburg 

49 

46.4 

9 

57.5 

Bamberg 

49 

53.2 

10 

61.7 

Aschaffenburg 

1    49 

58.4 

9 

10.8 

Lohr 

1    60 

0.6 

9 

34.6 

Obemdorf  b.  Schweinf. 

'    50 

2.3 

10 

12.6 

Wunsiedel 

!    ^ 

1.9 

12 

0.0 

« 

i    50 

2.5 

12 

0.8 

Königsberg  i.  F. 

;    50 

4.9 

10 

32.6 

Lichtenfeli 

!    50 

8.6 

11 

4.1 

Koburg 

.    50 

17 

10 

58 

Hof 

50 

18.3 

11 

53.4 

Neustadt  a.  S. 

50 

21 

10 

15 

B 


X 


H 


0.20  084 
0.19  723 
0.19  704 
0.19  739 
0.19  671 
0.19  710 
0.19  806 
0.19  622 
0.19  553 
0.19  517 
0.19  277 
0.19  666 
0.19  532 
0.19  445 
0.19  418 
0.19  439 
0.19  177 
0.19  265 
0.19  299 
0.19  477 
0.19  598 
0.19  297 
0.19  310 
0.19  286 
0.19  422 
0.19  266 


0.19  636 
0.19  162 
0.19  105 
0.19  222 
0.19  094 
0.19  144 
0.19  250 
0.18  998 
0.18  954 
0.18  955 
0.18  756 
0.19  122 
0.18  -986 
0.18  870 
0.18  831 
0.18  896 
0.18  778 
0.18  687 
0.18  762 
0.18  969 
0.18  975 
0.18  780 
0.18  818 
0.18  749 
0.18  852 
0.18  702 


J.  B.  MeKsersuhmitt:  Magnetische  ÜrtsbeBtimmungeD.  575 

Tabell«  IV  (FortaetEunft). 


-  O.OS  344 

-0.03  686 

■  —0.03  742 

-0.03  942 

-  0.03  795 

—  0.04  176 

—  0.03  610 

—  0.03  904 

,  —  OXB  725 

-  0.03  862 

;  —  a03  672 

-  0.03  987 

-  0.03  475 

-0.03  780 

!  —  0.08  794 

-  0.04  166 

■  —  0.03  815 

—  0.04  164 

;  —  0.03  787 

-  0.03  936 

'  -  0.03  935 

—  0.04  312 

1  -  0.03  498 

—  0.03  741 

,  —  0.03  626 

-  0.03  965 

'  —  0.03  811 

-  0.03  938 

—  0.03  789 

-0.04  165 

■  —  0.03  610 

-0»8  985 

1  —  0.03  906 

—  0.04  302 

:  -  0.03  736 

—  O.Ol  223 

1  —  0.03  741 

-0.04  101 

!  -0.08  460 

-0.03  753 

1  -  Ö.03  503 

-0.03  765 

1  —0.03  666 

—  0.04  033 

:  —0.03  640 

-  0.03  929 

I  —0.03  618 

-  0.03  941 

—  0.03  467 

-  0,03  762 

1  —0.03  730 

-  0.04  074 

Hg 

^, 

X„~K^ 

0.41  277 

0.41  987  1'  +  538 

41  428 

42  lOÖ  1  +  561 

41  309 

42  149 

+  899 

41  372 

42  174 

+  517  1 

40  626 

42  223 

+  680 

40  606 

42  216 

+  566 

41  300 

42  186 

+  666 

41  416 

42  267 

+  624 

41  617 

42  848 

+  699 

-11  582 

42  364 

+  662 

41  980 

42  493 

+  622 

4t  988 

42  393 

+  543 

41  456 

42  432 

+  546 

41  B14 

42  468 

+  675 

41  829 

42  492 

+  587 

41  852 

42  621 

+  643 

41  908 

42  626 

+  399 

41  908 

42  629 

+  578 

41  934 

42  621 

+  637 

42  077 

42  664 

+  508 

42  009 

42  668 

+  623 

41  868 

42  632 

+  617 

41  »51 

42  649 

+  492 

42  015 

42  724 

+  587 

42  162 

42  622 

+  670 

42  813 

42  768 

+  664 

+  242  ' 
+  200 


+  316 
+  306 


+  243  ,  —   405 


+  329 

_ 

977 

+  127 

— 

649 

+  376 

— 

663 

+  376 

— 

669 

+  896 

— 

667 

+  486 

— 

731 

+  360 

— 

687 

+  803 

— 

467 

+  292 

— 

66» 

+  869 

— 

764 

+  28» 

- 

696 

+  323 

— 

709 

+  196 

— 

470 

+  344 

+ 

26 

»>'6        Sitzuiijf  der  imith.-phys.  Klasse  vum  3.  Noveml>cr  1900. 

Die  vorstehonden  Betrachtungen  lassen  also  zunächst  er- 
kennen, da£  der  neue  magnetische  Reisetheodolit  den  Anforde- 
rungen, welche  man  an  solche  Instrumente  stellen  muB,  Yöllig 
Genüge  leistet,  so  iaik  damit  die  Deklination  und  Inklination 
auf  mindestens  ±  V  und  die  Horizontalintensität  auf  ±10  y 
erhalten  werden  kann,  eine  Genauigkeit,  die  auch  durchgehend 
erreicht  worden  ist. 

Für  die  Aufnahmen  im  Feld  dienten  die  Registrierungen  des 
Münchener  Observatoriums  als  Ausgangspunkt.  Die  Zusammen- 
stellung der  fiir  München  gültigen  Elemente  in  den  letzten 
Jahren  zeigt,  daß  die  Abnahme  der  westlichen  Deklination 
jetzt  durchschnittlich  nicht  ganz  5'  beträgt,  also  kleiner  ge- 
worden ist  als  die  Variation  im  Mittel  aus  dem  letzten  halben 
Jahrhundert.  Die  Variation  der  Horizontalintensität  hat  sich 
noch  mehr  geändert,  indem  sie  in  den  letzten  Jahren  fast  ganz 
verschwunden  ist,  während  noch  vor  wenigen  Jahren  eine 
beträchtliche  Zunahme  vorhanden  war.  Auch  die  Inklination 
nimmt  jetzt  nur  sehr  wenig  ab.  Ein  Vergleich  dieses  Ver- 
haltens der  magnetischen  Elemente  in  München  mit  demjenigen 
an  den  benachbarten  Observatorien,  insbesondere  von  Pola  und 
Potsdam,  bestätigen  dieses  Resultat.  Diese  Änderungen  in  den 
jährlichen  Variationen  rühren  zum  Teil  daher,  daß  der  Erd- 
magnetismus, parallel  der  Sonnenfleckentätigkeit,  sich  jetzt  in 
einer  Periode  größerer  Unruhe  befindet,  zu  welchen  Zeiten 
beispielsweise  für  die  Horizontalintensität  die  Tendenz  zur  Ab- 
nahme besteht.  Zum  anderen  Teil  beruht  aber  auch  die  Ab- 
nahme der  Variationen  in  Vorgängen  säkularer  Natur. 

Die  neuen  Messungen  sind  über  das  ganze  Königreich 
ziemlich  gleichmäßig  verteilt.  Die  mittlere  Entfernung  der  ein- 
zelnen Punkte  beträgt  40  km,  genügt  also  vollständig,  um  den 
normalen  Verlauf  der  magnetischen  Elemente  ableiten  zu  können. 
In  einigen  Gegenden  sind  sogar  die  Stationen  schon  etwas  dichter 
genommen  worden,  um  über  die  daselbst  vermuteten  Störungen 
einigen  Anhalt  zu  bekommen.  Dagegen  wurden  die  beiden  großen 
Störungsgebiete  im  Ries  und  im  Bayerischen  Wald  nahe  ganz 
gemieden,  da  das  erstere  Gebiet  bereits  neuerdings  eingehend 


J.  B.  Messerschmitt :  Magnetische  Ortsbestimmungen.  577 

studiert,    letzteres   aber,    soweit   es  nötig,  im  Zusammenhang 
untersucht  werden  soll. 

Um  die  bayerischen  Messungen  mit  denjenigen  der  benach- 
barten Staaten  sicher  vergleichbar  zu  machen,  sind  bereits  mit 
den  preußischen  Beobachtern  Anschluämessungen  ausgefiihrt 
worden;  einige  weitere  Anschlüsse  sind  noch  in  Aussicht  ge- 
nommen. 

Von  ganz  besonderer  Bedeutung  werden  die  neuen  Mes- 
sungen durch  einen  Vergleich  mit  den  vor  50  Jahren  durch 
Lamont  ausgeführten  magnetischen  Ortsbestimmungen.  Da 
das  Netz  von  Lamont  etwa  nochmal  so  dicht  war  als  das 
neue,  so  können  daraus  allein  bereits  manche  wichtige  Schlüsse 
gezogen  werden,  wenn  es  sich  herausstellt,  daß  diese  Messungen 
den  entsprechenden  Grad  der  Genauigkeit  erreichen.  In  der 
Tat  bestätigen  nun  die  Vergleichungen  der  beiderseitigen  Mes- 
sungen die  groüe  Genauigkeit,  welche  bereits  Lamont  bei 
seinen  Beobachtungen  erhalten  hat.  Bei  der  Horizontalintensität 
und  der  Inklination  lassen  sich  zunächst  konstante  Unterschiede 
zwischen  dem  neuen  und  alten  System  ableiten,  die  hauptsäch- 
lich die  Instrumentalkorrektionen  des  Lamohtschen  Reisetheo- 
doliten darstellen  und  nichts  Auffälliges  bieten;  wegen  der 
Sicherheit  aber,  mit  der  sie  aus  den  Vergleichungen  bestimmt 
werden  können,  das  beste  Zeugnis  für  die  Güte  der  Beobach- 
tungen selbst  liefern.  Die  Deklinationsvergleichung  gibt  keinen 
Unterschied,  so  daß  also  innerhalb  des  Genauigkeitsgrades  beider 
Reihen  die  Deklinationssysteme  gleich  sind. 

Obwohl  nun  das  untersuchte  Gebiet  eine  verhältnismäßig 
kleine  Fläche  der  Erde  umspannt,  erkennt  man  doch  nach 
Berücksichtigung  der  konstanten  Abweichungen  deutlich,  daß 
alle  magnetischen  Linien  in  den  letzten  50  Jahren  nicht  nur 
eine  Parallelveischiebung  sondern  auch  eine  kleine  Drehung 
erlitten  haben.  Man  kann  daher  die  Verschiedenheit  der  säku- 
laren Variationen  bereits  recht  genau  berechnen. 

Bekanntlich  hat  Lamont  die  Inklination  aus  dem  in 
weiches  Eisen  induzierten  Magnetismus  abgeleitet.  Er  fand 
dabei  in  den  späteren  Jahren  Anomalien,   indem  offenbar  das 


^78        Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  3.  November  190G. 

von  ihm  benutzte  weiche  Eisen  mit  der  Zeit  unkontrollierbare 
Änderungen  erlitten  hatte.  Es  dürfte  diese  wohl  hauptsächlich 
auf  Strukturänderungen  zurückzuführen  sein.  Bei  anderen 
weichen  Eisen  trat  hingegen  diese  Veränderung  nicht  ein,  wie 
eine  Vergleichung  von  Beobachtungen  von  Theodoliten,  die 
Lamont  an  andere  Institute  und  Gelehrte  geliefert  hat,  dartut. 
In  den  ersten  Jahren  der  Lamontschen  Messungsreihe  besteht 
diese  Unsicherheit  jedoch  noch  nicht  und  es  verdienen,  wie 
eben  der  Vergleich  mit  den  neuen  Beobachtungen  lehrt,  diese 
Inklinationsmessungen  volles  Vertrauen.  Die  Beobachtungen 
der  späteren  Jahre  können  dagegen  nur  zum  Teil,  nach  ein- 
gehender Diskussion  und  Vergleichung  mit  Neumessungen, 
weitere  Verwendung  finden. 

Aus  den  Beobachtungen  von  Lamont  wurde  nun  der 
mittlere  Verlauf  des  Erdmagnetismus,  die  sogenannten  ter- 
restrisch isomagnetischen  Linien,  abgeleitet  und  mit  dem  wahren 
verglichen.  Ebenso  fand  ein  Vergleich  der  neuen  Beobachtungen 
mit  den  aus  der  Theorie  folgenden  Werten  statt.  Beide  Wege 
ergeben  einen  Überblick  über  die  in  Bayern  vorkommenden 
magnetischen  Störungsgebiete,  die  aus  der  beiliegenden  Karte 
noch  deutlicher  zu  erkennen  sind. 

Es  ist  vor  allem  das  Gebirge,  welches  den  Verlauf  der 
magnetischen  Linien  beeinäu&t.  Die  Störungen  machen  sich 
daselbst  besonders  dadurch  geltend,  daß  eine  Verminderung 
der  normalen  Horizontalintensität  gefunden  wird. 

Im  Süden  erscheinen  die  Alpen  als  wichtigstes  Störungs- 
gebiet, das  besonders  in  dem  östlichen  Teile  von  der  Linie 
Tölz-Holzkirchen  bis  zur  Salzach  deutlich  hervortritt.  Die 
bayerische  Hochebene  gibt  mehr  normale  Werte  bis  in  die 
Nähe  der  Donau,  wo  durch  das  Zusammenstoßen  der  ver- 
schiedenen Gebirgssysteme  große  geologische  Störungen  auf- 
treten,  die  sich  auch  im  Erdmagnetismus  bemerklich  machen. 

Das  vulkanische  Riesgebiet  zeigt  ganz  besondere  magne- 
tische Verhältnisse,  die  durch  die  basaltischen  Lakkolithe  ihre 
Erklärung  finden.  Dieses  Störungsgebiet  setzt  sich  aber  längs 
dem  ganzen  Jura  fort.   Hier  hebt  sich  noch  das  Gebiet  in  der 


J.  B.  Messerschmitt:  Magnetische  Ortsbestimmungen.  r)70 

Gegend  von  Ingolstadt  vor  allem  heraus,  wo  sich  die  Iso- 
dynamen  der  Horizontalintensität  und  die  Isogonen  besonders 
eng  aufeinander  drängen,  ein  Verhalten,  das  noch  wichtiger 
wird,  weil  in  dieser  Gegend  auch  die  Intensität  der  Schwere 
starke  Abweichungen  erkennen  läßt.  Es  ist  klar,  daß  die 
geologischen  Verhältnisse  dieses  Gebietes,  die  freilich  zum  Teil 
nicht  offen  daliegen,  eine  Erklärung  geben  können. 

Die  Störungen  im  Bayerischen  Wald  dagegen  sind  leichter 
aus  den  sichtbaren  Gebirgsmassen  zu  erklären,  aber  auch  hier 
erstreckt  sich  die  Wirkung  noch  weiter  südlich  über  das  rechte 
Ufer  der  Donau  hinaus. 

Auch  die  Gegend  von  Amberg  und  Neumarkt  in  der  Ober- 
pfalz zeigt  eine  zu  geringe  Intensität  des  Magnetismus,  besonders 
dort,  wo  der  Jura  sich  an  den  Bayerischen  Wald  anschließt, 
ein  Verhalten,  das  auch  die  Schweremessungen  erkennen  lassen. 

Das  Fichtelgebirge  tritt  magnetisch  weniger  hervor,  da- 
gegen kommen  die  vulkanischen  Durchbräche  in  der  Rhön 
besonders  in  Betracht.  Manche  Kuppen  zeigen  so  starke  mag- 
netische Störungen,  daß  Aufnahmen,  die  ein  ganz  enges  Netz 
bilden,  die  Lage  der  Störungsmassen  recht  genau  zu  bestimmen 
erlauben. 

Im  Spessart  erleidet  besonders  die  Deklination  ganz  außer- 
gewöhnliche Ablenkungen  und  zwar  in  dem  Sinne,  daß  die 
Mißweisung  kleiner  als  ihr  normaler  Wert  ist.  Diese  Anomalie 
setzt  sich  noch  weit  außerhalb  Bayern  fort  und  erstreckt  sich 
bis  an  den  Rhein. 

Die  vorliegenden  Beobachtungen  lassen  also  genau  erkennen, 
wo  die  Detailuntersuchungen  einzusetzen  haben,  die  dann  im 
Verein  mit  anderen  geophysikalischen  Messungen,  insbesondere 
der  Richtung  und  Intensität  der  Schwerkraft  und  den  geologi- 
schen Verhältnissen,  manche  wichtige  Frage  klären  und  ihrer 
Lösung  näher  bringen  können  und  damit  allgemeinere  Bedeutung 
gewinnen. 


1906.  Sitzangsb.  d.  mjitli.-phyB.  KL  38 


über  Potenzreihen  mit  unendlich  vielen 
verschwindenden  Koeffizienten. 

Von  Q.  Ftber  in  Karlsruhe. 

Überwiegen  in  einer  Potenzreihe  mit  endlichem  Konvergenz- 
mdius  die  Koeffizienten  vom  Werte  Null  in  genügend  starkem 
Maße  Über  die  Übrigen,  so  läßt  sich  unter  geeigneten  ein- 
fachen Zusatzbedingungen  nachweisen,  dag  der  Konvergenzkreis 
eine  natürliche  Grenze  der  betreffenden  Funktion  ist.  Herr 
Fabry  hat  diese  Fragen  zuerst  auf  das  gründlichste  unter- 
sucht;*) einen  Teil  seiner  Sfitze  habe  ich  dann  einfacher  be- 
wiesen.*) 

Wenn  man  mit  n(i-)  die  Anzahl  der  nicht  verschwinden- 
den Koeffizienten  bezeichnet,  die  zu  Potenzen  mit  Exponenten 

0   eine  hinreichende  Be- 


»(-). 


<  V  gehören,  so  ist  z.  B.  lim 

dingung  fUr  die  Nichtfortsetzbarkeit  der  Reihe.  Andrerseits  ist, 
wie  Herr  Fabry*)  ausdrücklich  hervorhebt,  das  Vorhandensein 
unendlich  vieler  und  schließlich  beliebig  viele  aufeinanderfolgende 
Koeffizienten  umfassender  Lücken  in  der  Eoeffizientenreibe  für 
sich  allein  nicht  hinreichend  dafür,  daß  der  Konvergenzradius 

sich   als   natürliche   Grenze   ergibt;   ja   es    kann  lim— ^  — >  0 


')  Ann.  BC.  noi-m.  (3)  13  (1896)  und  acta  math.  22  (1899). 
*}  HdDchener  Berichte  34  (1904)- 

■)  Acta  math.  22  (1899),  p.  87  n.  Joum.  de  Math.  (6)  4  (1898),  p.  349. 
88* 


582        Sitzung  der  niath.-phy».  Rlasae  vom  3.  November  1906. 
n(v) 


und  lim  — --  beliebig  klein  (aber  >  0)  sein,  ohne  daß  auf  dem 

K  =  00       ^ 

Konvergenzkreise    mehr   als   eine    einzige   singulare    Stelle  zu 
liegen  braucht. 

Es  ist  vielleicht  nicht  überflüssig,  diese  von  Herrn  Fabry 
konstatierte  interessante  Möglichkeit  durch  Konstruktion  ein- 
facherer Beispiele  als  derjenigen  des  Herrn  Fabry  aufs  neue 
darzutun. 


Ifly 


Wenn  liraVTä«^!  =  1  ist,  konvergiert  die  Reihe 


V  ^  CO 


in  dem  Gebiete,  in  welchem  ||a;|-|a?+l|<l  ist,  d.  i.  im 
Innern  einer  Lemniskate  (ohne  Doppelpunkt)  mit  den  Brenn- 
punkten 0  und  —  1.  Vom  Kreise  \x\  =  1  liegt  der  eine  Punkt 
x=l  auf  dieser  Lemniskate,  alle  übrigen  aber  innerhalb 
derselben;  denn  für  diese  übrigen  Punkte  des  Einheitskreises 
ist  l\x'^-^  x\  <  l(ix'^\-\-  \x'')  mit  Ausschluß  des  Gleichheits- 
zeichens, also  <  1. 

Wählt  man  nun 

(2)  iny^i  >  2wy 

und  ordnet  man  (1)  nach  Potenzen  von  x: 

(3)  t^b^A 

Ü 

so  werden  sämtliche  (/„  deren  Indices  zwischen  2  m,  und  m,^i 
liegen,  gleich  Null;  es  lassen  sich  also  auf  diese  Weise  in  der 
Koef&zientenreihe  6^,  6p  b^ . .  ,  beliebig  viele  und  beliebig  große 
Lücken  herstellen.  Trotzdem  hat  die  Reihe  (3),  da  sie  ja  die 
gleiche  Funktion  wie  (1)  darstellt,  auf  dem  Einheitskreise  keine 
singulare  Stelle  als  höchstens  die  Stelle  x  =^  1;  diese  ist  aber 
sicher  singulär;  denn  auf  Grund  der  Voraussetzung  (2)  und 
des  eingangs  erwähnten  Fabryschen  Satzes  ist  die  Lemniskate 
\x(X'\'l)\  =  2  natürliche  Grenze  der  Funktion  (1).  Will  man 
von  jenem  Satze  keinen  Gebrauch  machen,  so  wähle  man  die 


G.  Faber:  Über  Potenzreihen.  583 

ttm^  reell,  dann  werden  es  auch  die  ba  und  es  wird,  wie  leicht 

i" 

zu  sehen,   lim  1^|6/«|  =  1,  woraus  ebenfalls  folgt,  daß  der  Punkt 

o;  =  1  ein  singulärer  für  (3)  ist. 

Wählt  man  die  m^  so,  daß  lim  —  --  =  oo  wird,  so  ergibt 

sich  für  die  Reihe  (3):  lim  ^*-^  =  0  (speziell:  lim^^  =  0), 

dagegen    wird    im    allgemeinen    lim  ==  J    werden,    da  ja 

zwischen   fi  =  my  und  /n  =  2my  sämtliche  Koeffizienten  vor- 

fi(2  tu  ^ 
banden  sein  können   und  dann  lim  — ^r — *^-  =  X  ist;  man  kann 

2  Wv  * 

aber    den   obem  Limes   beliebig  verkleinem,    wenn   man   statt 

von  (1)  von   der  im   übrigen   genau  dasselbe  leistenden  Reihe 

S^öm^l -^ )      ausgeht,    wo  l  eine  beliebige  natürliche 

Zahl  ist;  es  ergibt  sich  dann,  wenn  wieder  lim— ^ —  =  oo  an- 

T'wy 


genommen  wird,  lim^^^  =  0,  li^"^'^^  =  -^     (speziell: 


=  »    Imy  „  =  00    (i  +  l)Wv 


V=  » 


In  den  so  konstruierten  Beispielen  ist  die  einzige  auf  dem 
Konvergenzkreise  gelegene  singulare  Stelle  keine  isolierte  Sin- 
gularität der  betreffenden  Funktion,  und  es  scheint  in  der  Tat 

(obwohl  hieftir  ein  Beweis  nicht  vorliegt)  lim  — ^  immer  >  0 

r  =  jo 

zu   sein,   sobald  auf  dem   Konvergenzkreis  nur  eine  endliche 
Anzahl  isolierter  Singularitäten  auftritt. 


585 


öffentliche  Sitzung 

zu  Ehren   Seiner  Königlichen  Hoheit  des 

Prinz-Regenten 

am  17.  November  1906. 


Der  Präsident  der  Akademie,  Herr  K.  Th.  v.  Hei  gel, 
eröffnete  die  Festsitzung  mit  der  folgenden  Ansprache: 

XJnauslöschbar  wird  sich  jedem  Teilnehmer  an  den  soeben 
verrauschten  Kaiserfesten  das  rührende  und  erhebende  Bild 
eingeprägt  haben :  neben  der  kraftvollen  Persönlichkeit  des 
Reichsoberhaupts  unser  Regent,  alt,  doch  nicht  gealtert,  un- 
gebeugt von  der  Last  seiner  Jahre,  ein  Ehrfurcht  gebietendes 
Beispiel  von  Pflichttreue.  Der  französische  Akademiker  Fon- 
tenelle  sagte  einmal:  „Wenn  ich  vor  einen  Vornehmen  treten 
muß,  verbeuge  ich  mich,  doch  mein  Geist  macht  den  Bückling 
nicht  mit!"  Doch  auch  dem  selbstbewußten  Dichter  würde, 
wenn  er  vor  unseren  Regenten  getreten  wäre,  jede  Ehren- 
bezeugung von  Herzen  gekommen  sein,  denn  diesen  Fürsten 
zeichnen  nicht  bloß  Rang  und  Würde  aus,  sondern  auch  echte 
Menschlichkeit  und  Bürgertugend. 

Längst  ist  der  Beweis  erbracht,  daß  er  der  Wissenschaft 
treue  Fürsorge  und  jede  mögliche  Förderung  angedeihen  läßt. 
Auch  im  ablaufenden  Jahre  hat  sich  unsere  Akademie  mancher 
Beweise  der  Gunst  der  K.  Staatsregierung  zu  erfreuen  gehabt. 
Vor  allem  verdient  unseren  Dank  die  Einräumung  des  Nord- 
flügels des  Wilhelminums.  Freilich  mußte  die  westliche  Hälfte 
des  ersten  Stockwerkes  zunächst  dem  Ludwigsgymnasium  dn- 


586  Oifentliche  Sitzung  vom  17.  November  1906. 

geräumt  werden,  und  ein  Teil  davon  wird  nach  Errichtung  des 
neuen  Gymnasiums  dem  Staatsarchiv  überlassen  werden  müssen. 
Immerhin  bedeutet  es  einen  Fortschritt,  da&  die  östliche  Hälfte 
des  ersten  Stockwerkes  vom  Münzkabinett  und  das  zweite  Stock- 
werk vom  zoologischen  Institut  bezogen  werden  können;  die 
erforderliche  Adaptierung  wird  in  wenigen  Monaten  durch- 
geführt sein.  Wenn  in  absehbarer  2feit  auch  noch  andere, 
gegenwärtig  zu  fremden  Zwecken  verwendete  Räume  im  Erd- 
geschoß und  im  dritten  Stockwerk  an  die  wissenschaftlichen 
Sammlungen  des  Staates  abgegeben  werden,  ist  dem  empfind- 
lichsten Mißstand  im  Wilhelminum  abgeholfen.  Denn  nur  wenn 
die  Sammlungen  in  genügend  geräumigen  und  hellen  Räumen 
in  übei*sichtlicher  Ordnung  aufgestellt  sind,  vermögen  sie  ihren 
Doppelzweck  zu  erfüllen :  für  den  Unterricht  in  den  Instituten 
das  erforderliche  Material  und  auch  den  breitesten  Yolksmassen 
Anregung  und  Belehrung  zu  bieten. 

Zu  wärmstem  Danke  sind  wir  der  K.  Staatsregierung  und 
den  beiden  Kammern  verpflichtet  für  Erhöhung  des  Etats  der 
Kommission  für  Erforschung  der  Urgeschichte  Bayerns,  sowie 
der  zoologischen  Sammlung.  Mit  reicheren  Mitteln  ausgestattet, 
wird  die  genannte  Kommission  in  Stand  gesetzt  sein,  die  Aus- 
grabungsarbeiten systematischer  vornehmen  zu  lassen  und  in 
Wahrheit  der  Mittelpunkt  der  prähistorischen  Studien  in  Bayern 
zu  werden.  Der  zoologischen  Sammlung  aber  ist  durch  die 
Aufbesserung  ihres  Etats  die  Möglichkeit  gegeben,  empfind- 
liche Lücken  ihrer  Bestände  auszufüllen  und  die  wertvollen 
Erwerbungen  der  letzten  Jahre  durch  zweckentsprechende  Ver- 
arbeitung und  Aufstellung  fruchtbar  zu  machen. 

Noch  einem  dringenden  Bedürfnis  aber  ist  in  nächster 
Zeit  abzuhelfen:  es  gilt,  einen  unseres  Staates  und  unserer 
hohen  Schulen  würdigen  neuen  botanischen  Garten  zu 
schaffen. 

Nahezu  ein  Jahrhundert  ist  verflossen,  seit  die  Haupt- 
und  Residenzstadt  München  ihren  ersten  botanischen  Garten 
erhalten  hat. 


K.  Th.  V.  Heigel:  Ansprache.  587 

Während  Berlin  schon  im  17.  Jahrhundert  einen  »Apotheker- 
garten* und  seit  1718  einen  „Garten  der  Sozietät  der  Wissen- 
schaften'* hatte,  die  Eaiserstadt  Wien  sich  einer  weltberühmten 
PAanzeuschule  erfreute  und  sogar  kleine  Universitätsstädte,  wie 
Altdorf,  ihre  Lehrgärten  besaßen,  fehlte  es  in  München  noch 
um  die  Wende  des  18.  Jahrhunderts  an  einem  solchen  Institut. 
Erst  1807  erhoben  zwei  Akademiker,  der  große  Anatom  und 
Physiker  Sömmering  und  Medizinalrat  Güthe,  ihre  Stimmen  für 
Ausfüllung  der  empfindlichen  Lücke  in  den  trefflichen  wissen- 
schaftlichen Anstalten  der  kurbajerischen  Akademie.  Sömmering 
motivierte  seinen  Antrag  galanter  Weise  u.  a.  auch  damit,  daß 
Botanik,  von  Alters  her  scientia  amabilis,  die  liebenswürdige 
Wissenschaft,  genannt,  in  jüngster  Zeit  ein  Lieblingsstudium 
der  Damen  geworden  sei.  Die  Akademie  schloß  sich  dem  An- 
trage an,  und  der  gütige  Max  Joseph  ging  auf  die  Wünsche 
der  Gelehrten  ein;  er  schenkte  zur  Anlage  eines  botanischen 
Gartens  eine  Wiese  von  6Va  Tagwerken  längs  dem  Herzogs- 
garten und  dem  Löwenwirtshause  vor  dem  Earlstor;  andere 
Grundstücke  im  Umfang  von  8  Tagwerken  wurden  dazu  gekauft. 
Hier  wurde  sodann  in  den  nächsten  Jahren  ein  anfanglich  nur 
die  Heimatsflora  umfassender  Garten  von  Hofgartenintendant 
V.  Sckell  und  Professor  v.  Schrank,  bisher  Konservator  des 
botanischen  Universitätsgartens  in  Landshut,  angelegt,  also  von 
Männern,  die  mit  den  einschlägigen  Gesetzen  der  Natur,  der 
Wissenschaft  und  der  Kunst  wohl  vertraut  waren. 

Das  neue  Unternehmen  fand  jedoch  viele  Gegner.  Im 
Publikum  waren  schlimme  Gerüchte  verbreitet  über  Beschaffen- 
heit und  Tauglichkeit  des  gewählten  Platzes.  Auch  die  alte 
Eifersucht  zwischen  Universität  und  Akademie  spielte  herein« 
Die  Landshuter  Professoren  meinten,  es  wäre  besser,  das  Geld, 
statt  es  im  Münchener  Kalkboden  nutzlos  zu  vergraben,  zur 
Erweiterung  des  herrlichen  Universitätsgartens  auf  dem  Hof- 
berg zu  verwenden.  Allein  Schrank,  Güthe  und  Sckell,  1811 
von  der  Regierung  zu  gründlicher  Untersuchung  der  Frage 
aufgefordert,  vertraten  einstimmig  und  entschieden  die  Auf- 
fassung, daß  gegen  den  gewählten  Platz  in  München  schwer- 


588  öffentliche  Sitzung  vom  17.  November  1906. 

wiegende  Bedenken  nicht  zu  erheben  seien.  Er  sei  gesichert 
gegen  die  im  Isartal  jährlich  wiederkehrenden  Überschwem- 
mungen, habe  die  richtige  Lage  gegen  den  Sonnenlauf  und 
genügenden  Schutz  gegen  rauhe  Bergwinde  durch  die  nicht 
allzu  hohen  Oebäude  des  Herzog-KIemens-Palastes ;  dagegeo 
sei  genügend  Vorsorge  getroffen,  daß  dem  (harten  nicht  durch 
bürgerliche  Gebäude  Licht  und  Luft  und  die  nicht  minder 
nötige  Ruhe  entzogen  würden.  Der  Boden,  vorwiegend  Kalk- 
erde mit  Alaunerde  und  Eisenoxjd,  sei  zwar  für  den  Anbao 
zarterer  Pflanzen  zur  Zeit  noch  nicht  sehr  geeignet,  könne 
aber  von  einem  wissenschaftlich  gebildeten  Kultivateur  nach 
Wunsch  verbessert  werden.  Leichter  könne  die  Universität 
eines  botanischen  Gartens  entbehren,  da  die  für  den  Unterricht 
notwendigen  Pflanzen  auch  auf  dem  Handelswege  erhältlich 
seien,  als  eine  Akademie,  welche  das  botanische  Studium  als 
reine  Wissenschaft  betrachte  und  betreibe.  Auch  in  Paris 
sei  der  Jardin  des  plantes  nicht  mit  der  uralten  Universität, 
sondern  mit  dem  weit  jüngeren  Institut  des  sciences  et  des 
arts  verbunden.  Der  Akademie  des  ersten  Staates  im  kon- 
föderierten Deutschland  dürfe  ein  so  wichtiges  Attribut  nicht 
länger  fehlen. 

Diese  Gründe  schlugen  durch;  die  Arbeiten  für  die  ge- 
plante Schöpfung  durften  fortgesetzt  werden. 

Es  wäre  hier  nicht  am  Platze  und  kann  nicht  meine  Auf- 
gabe sein,  eingehend  zu  schildern,  was  in  der  Folge  für  innere 
Einrichtung  des  Gartens,  Verbesserung  des  Bodens,  Bau  der 
Gewächshäuser,  Ansiedlung  der  Pflanzen  geleistet  wurde.  Dem 
praktischen  Sinn,  dem  rastlosen  Eifer  und  der  wissenschaft- 
lichen Erfahrung  der  Gründer  und  ihrer  Nachfolger  war  es  zu 
danken,  daß  sich  der  Münchener  Garten  zu  einem  der  reichsten 
und  bestgeordneten  in  Deutschland  entwickelte.  Pflanzen  sind 
organische  Wesen,  die  einer  Verständnis-  und  liebevollen  War- 
tung bedürftig  sind.  Es  kam  unserem  Garten  zugute,  dafi 
seine  Pfleger  nicht  bloü  ausgezeichnete  Floristen  waren,  sondern 
auch  ein  Herz  für  die  lebende  Pflanze  hatten.  Am  nächsten, 
so   meine    ich   als  I^aie,    muß  doch   auch   dem  Botaniker   das- 


K.  Th.  V.  Heigel:  Ansprache.  589 

jenige  liegen,  was  noch  lebt.  Dekorativer  Wirkung  darf 
selbstverständlich  in  einem  botanischen  Garten  nicht  die  Be- 
deutung eingeräumt  werden,  wie  in  einem  Ziergarten,  doch 
schon  der  Name  Sckell  bürgte  dafür,  daß  auch  auf  anmutige 
Formen  und  Umrisse,  auf  harmonische  Übergänge  der  Baum- 
arten, auf  Abstufung  der  Parbentöne  von  Blumen  und  Strauch- 
werk jede  mögliche  Rücksicht  genommen  wurde.  Nicht  minder 
wurde  auf  Einbürgerung  seltener  Arten  aus  allen  Teilen  der 
alten  und  neuen  Welt,  insbesondere  unter  der  Leitung  des  be- 
rühmten Erforschers  der  brasilianischen  Flora,  Karl  von  Martins, 
rege  Sorgfalt  verwendet. 

Einen  schweren  Schlag  erlitt  jedoch  der  Garten  im  Jahre  1854 
durch  den  Beschluß  der  Regierung,  den  zur  Aufnahme  der 
Industrieausstellung  bestimmten  Glaspalast  in  den  botanischen 
Garten  zu  verlegen  und  mitten  durch  eine  öffentliche  Strafie 
zu  ziehen.  Es  soll  anfanglich  geplant  gewesen  sein,  den  Glas- 
palast selbst  nach  Beendigung  der  Ausstellung  als  Gewächs- 
haus zu  benützen;  der  Gedanke  konnte  aber  natürlich  nicht 
verwirklicht  werden,  denn  wie  hätten  so  ungeheuere  Räume 
erwärmt  werden  sollen?  Martins  verglich  seinen  geliebten 
Garten  nach  der  Katastrophe  des  Jahres  1854  mit  einem 
Menschenkörper,  in  welchem  alle  Sehnen  entzwei  geschnitten 
seien.  Die  Besorgnis  war  nicht  unbegründet,  aber  übertrieben. 
Dem  erhöhten  Eifer  der  Beamten  und  Bediensteten  gelang  es, 
die  Umwandlung  des  Gartens  so  glücklich  durchzuführen,  dafi 
er  nach  wie  vor  zu  wissenschaftlichen  Untersuchungen  reiches 
Material  lieferte,  den  Künstlern  zu  mannigfaltigen  Studien- 
zwecken diente  und  zahlreiche  Gäste  zu  harmloser  Natur- 
beobachtung anregte. 

In  dieser  Gestalt  ist  er  unser  aller  Liebling  gewesen,  und 
es  läßt  sich  wohl  verstehen,  daß  der  verehrte  Kollege  Radlkofer, 
der  hier  sein  Leben  lang  „die  Arbeit  und  das  Wirken  der 
Pflanzen*  liebevoll  beobachtet  hat,  die  tröstliche  Oase  nicht 
aufgegeben  wissen  will. 

Und  doch  muß  ernstlich  die  Schöpfung  eines  neuen 
botanischen  Gartens  ins  Auge  gefaßt  werden !    Gerade  der  zart- 


590  öffentliche  Sitzung  vom  17.  November  1906. 

fühlende  Freund  der  Pflanzenwelt  darf  sich  dieser  Forderung 
nicht  länger  verschließen.  Wenn  Sckell  für  verbürgt  erachtete, 
daß  der  Garten  niemals  durch  Umbauung  geschädigt  werden 
könnte,  so  ist  dieser  Erwartung  nicht  entsprochen  worden;  er 
ist  beute  auf  allen  Seiten  von  teilweise  sehr  hohen  Gebäuden 
—  es  sei  nur  an  den  Justizpalast,  die  Töchterschule  u.  s.  w. 
erinnert  —  eng  umschlossen,  so  daß  ihm  nicht  mehr  soviel 
Luft  und  Licht  vergönnt  ist,  als  zum  Fortkommen  empfind- 
licher Pflanzenarten  notwendig  wäre.  Noch  schädlicher  —  ich 
bediene  mich  der  Worte  des  sachkundigsten  Gewährsmannes, 
unseres  Kollegen  Goebel  selbst  —  wirkt  die  Rauchentwicklung, 
die  hauptsächlich  infolge  der  beständigen  Erweiterung  des 
nahen  Bahnhofes  unerträglich  geworden  ist  und  Hunderten 
von  Pflanzen  einen  frühen  Tod  bringt.  Die  Gewächshäuser 
sind,  obwohl  auf  ihre  Reinigung  jährlich  große  Summen  ver- 
wendet werden,  fast  beständig  mit  einer  Rußschichte  bedeckt, 
die  den  Warmhauspflanzen  das  unentbehrliche  Sonnenlicht  ent- 
zieht oder  doch  verkümmert.  Nadelholz  kann  überhaupt  nicht 
am  Leben  erhalten  werden,  so  daß  den  Schülern  und  dem 
Publikum  die  Gelegenheit  benommen  ist,  sich  mit  den  gewöhn- 
lichsten Arten  unserer  Waldflora  vertraut  zu  machen.  Die 
Verhältnisse  des  Gartens  sind  überhaupt  zu  eng,  zu  kleinlich 
geworden;  für  die  dringend  wünschenswerte  Ausbreitung  des 
Alpinums,  der  biologischen  Gruppen  u.  s.  w.  ist  kein  Raum 
mehr  geboten.  Die  Gewächshäuser  sind  vor  nahezu  50  Jahren 
gebaut  worden  ;  seither  sind  in  Bezug  auf  Konstruktion,  Heizung, 
Verglasung  u.  s.  w.  namhafte  Fortschritte  gemacht  worden.  Um 
einer  größeren  Anzahl  Studierender  mikroskopische  Forschung 
zu  ermöglichen,  wurde  1891  das  pflanzenphysiologische  Institut 
errichtet;  es  reicht  zur  Zeit  für  Unterrichtszwecke  gerade  noch 
aus.  Dagegen  können  die  Räume  für  die  Sammlungen  nicht 
mehr  genügen.  Der  riesig  gesteigerte  Weltverkehr,  die  Er- 
schließung unbekannter  Regionen  in  der  alten  und  neuen  Welt 
haben  auch  für  die  Botanik  eine  Fülle  neuer  Schätze  und  damit 
eine  Fülle  neuer  Aufgaben  gebracht.  Unsere  Herbarien  können 
aber    neue   Bestände   schlechterdings    nicht   mehr  au&ehmen. 


K.  Th.  V.  Heigel:  Ansprache.  591 

Und  gänzlich  fehlt  es  an  Platz  für  ein  wirkliches  botanisches 
Museum,  das  den  Studierenden  und  dem  Publikum  die  Kenntnis 
aller  pflanzlichen  Rohstoffe  fiir  Medizin,  Pharmazie,  Industrie 
und  Handel  yermitteln  könnte. 

Allen  diesen  Übelständen  kann  nur  durch  Schöpfung  eines 
neuen  Gartens  abgeholfen  werden ;  deshalb  hat  sich  das  General- 
konservatorium  in  voller  Übereinstimmung  mit  dem  Konser- 
vatorium des  botanischen  Gartens  und  des  pflanzenphysiologischen 
Instituts  schon  vor  drei  Jahren  für  möglichst  baldige  Ver- 
legung ausgesprochen,  und  von  der  K.  Staatsregierung  wird 
die  Angelegenheit  mit  ernster  Sorgfalt  behandelt. 

Freilich  ist  ausgeschlossen,  daß  sich  wieder  ein  Platz  findet, 
der  allen  Besuchern  so  leicht  zugänglich  wäre,  wie  der  jetzige. 
Die  Studierenden  werden  nicht  mehr  so  rasch  und  bequem  in 
die  botanischen  Lehrgebäude  gelangen ;  auch  den  Beamten  und 
Lehrern  wird  ihre  Tätigkeit  erheblich  erschwert  werden.  Und 
große  Summen,  darüber  darf  man  sich  nicht  täuschen,  werden, 
wenn  man  schon  aus  hygienischen  Gründen  den  sogenannten 
kleinen  Garten  nicht  der  Privatspekulation  überlassen  will,  auf- 
gebracht werden  müssen.  Der  botanische  Garten  in  Dahlem 
bei  Berlin  bat  mehrere  Millionen  gekostet.  Minderwertiges  darf 
auch  in  München  nicht  geschaffen  werden. 

Doch  diese  Gründe  gegen  die  Verlegung  des  alten  Gartens 
werden  durch  die  wichtigeren  Vorteile  einer  neuen  Schöpfung 
aufgewogen. 

Daß  der  botanische  Unterricht  der  studierenden  Jugend 
auch  an  einem  von  der  Universität,  ja  sogar  von  der  Univer- 
sitätsstadt weit  entfernten  Platze  erteilt  werden  kann,  ist  eine 
bereits  erwiesene  Tatsache ;  der  Garten  in  Dahlem  ist  viel  weiter 
von  Berlin  entfernt,  als  z.  B.  Nymphenburg  von  München.  Und 
der  erste  Zweck  eines  botanischen  Gartens,  der  mächtig  fort- 
schreitenden Wissenschaft  einen  der  Entwicklung  förderlichen 
Boden  zu  unterbreiten,  kann  eben  nur  durch  Anlage  eines 
geräumigeren,  mit  allen  Errungenschaften  der  Wissenschaft 
und  der  Technik  ausgestatteten  Pflanzengartens  erfüllt  werden. 


592  öffentliche  Sitzung  vom  17.  November  1906. 

Glücklicherweise  fallen  in  dieser  Frage  die  Interessen  der 
Wissenschaft  und  der  Kunst,  des  Staates  und  der  Stadt 
zusammen. 

Die  Künstlerschaft  Münchens  wird  ihre  Ausstel- 
lungen nicht  mehr  lange  in  dem  baufälligen  Glas- 
palast abhalten  können;  die  Errichtung  eines  neuen 
Ausstellungsgebäudes  ist  unabweisbares  Bedürfnis. 

Der  Staat  Bayern  und  die  Stadt  München  haben,  was 
mühelos  nachzuweisen  wäre,  ebenso  ein  wirtschaftliches  wie 
ein  geistiges  Interesse  an  Erfüllung  berechtigter  Wünsche  der 
Vertreter  von  Kunst  und  Wissenschaft.  Welche  Schwierig- 
keiten auch  immer  dem  großen  Unternehmen  sich  entgegen- 
stellen mögen :  wenn  alle  beteiligten  Faktoren  einmütig,  eifrig 
und  opferwillig  zusammenwirken,  ist  eine  würdige  Lösung 
der  Aufgabe  mit  Sicherheit  zu  erhoffen.  Möge  der  holde 
Genius  der  scientia  amabilis  zu  fröhlichem  Gelingen  seinen 
Segen  spenden! 


Aus   den  Zinsen   der  Adolf  v.  Baeyer-Jubiläums- 
Stiftung  wurden  bewilligt: 

1.  dem  Privatdozenten  für  Chemie  Dr.  Heinrich  Wieland 
in  München   zur  Beschaffung  von  Chemikalien  300  M. ; 

2.  dem  Professor  Dr.  Karl  Hofmann  in  München  zur 
Beschaffung  radioaktiver  Schwermetalle  300  M. ; 

3.  dem  Privatdozenten  Dr.  Julius  Sand  in  München  zur 
Beschaffung  von  Apparaten  für  physikalisch-chemische 
Messungen  200  M. 


C.  V.  Voit:  Wahlen.  593 

Hierauf  verkündigte  der  Klassensekretär,  Herr  C.  v.  Voit, 
die  Wahlen  der  mathematisch-physikalischen  Klasse.  Es  wurden 
gewählt  und  von  Seiner  Königlichen  Hoheit  dem  Prinz- 
Regenten  bestätigt: 

zum  außerordentlichen  Mitgliede: 

Dr.  Karl  Hofmann,   außerordentlicher  Professor  für  anorga- 
nische Chemie  an  der  hiesigen  Universität; 

zu  korrespondierenden  Mitgliedern: 

1.  Dr.  Wilhelm  Fiedler,  Professor  für  darstellende  und 
synthetische  Geometrie  an  der  eidgenössischen  technischen 
Hochschule  in  Zürich; 

2.  Dr.  August  Froriep,  ordentlicher  Professor  der  Ana- 
tomie an  der  Universität  in  Tübingen; 

3.  Dr.  Karl  Rabl,  ordentlicher  Professor  der  Anatomie  an 
der  Universität  in  Leipzig; 

4.  Dr.  Ernst  Stahl,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität 
in  Jena; 

5.  Dr.  Hermann  Carl  Vogel,  Geheimer  Regierungsrat, 
Professor  und  Direktor  des  astrophysikalischen  Labora- 
toriums in  Potsdam; 

6.  Dr.  Veit  Brecher  Wittrock,  Professor  der  Botanik  an 
der  Universität  und  Direktor  des  botanischen  Gartens  in 
Stockholm. 


594 


Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

Herr  Hugo  v.  Seeliger  hält  einen  Vortrag  über:  «Das 
Zodiakallicht  und  die  empirischen  Glieder  in  der  Be- 
wegung des  inneren  Planeten.* 

Nur  in  ganz  wenigen  Fällen  reicht  das  Newtonsche  An- 
ziehungsgesetz  scheinbar  nicht  aus,  die  beobachteten  Bewegungen 
im  Planetensystem  vollständig  zu  erklären.  Die  größte  dieser 
Anomalien  ist  eine  von  Leverrier  entdeckte  Bewegung  des 
Perihels  der  Merkurbahn  von  etwa  40  Sekunden  im  Jahrhundert, 
welche  die  Theorie  nicht  ergibt,  die  aber  durch  die  Beobach- 
tungen zweifellos  festgestellt  ist.  Der  Vortragende  erblickt  den 
Grund  des  Widerspruchs  zwischen  Theorie  und  Beobachtung 
darin,  daß  bisher  die  Einwirkung  fein  verstreuter  Materie  inner- 
halb des  Planetensystems  auf  die  Planeten  nicht  genügend 
berücksichtigt  worden  ist.  Diese  fein  verstreute  Materie  bietet 
den  Anblick  des  Zodiakallichts  dar.  Bei  nahe  liegenden 
Annahmen  über  die  Flächen  gleicher  Dichtigkeit  in  dem  Gebilde 
des  Zodiakallichts  gelingt  es  in  der  Tat  alle  bisher  bemerkten 
Widersprüche  zu  beseitigen.  Die  Dichtigkeit  der  Massenver- 
teilung kann  dabei  äußerst  gering  sein.  Selbst  im  Maximum 
braucht  nur  in  jedem  Kubikkilometer  sich  eine  Masse  vorzu- 
finden, gleich  der  eines  Würfels  Wasser,  dessen  Seitenlänge 
kaum  Vs  Meter  beträgt. 


595 


Das  Zodiakallicht  und  die  empirischen  Glieder  in  der 

Bewegung  der  innem  Planeten. 

Von  H«  Seeligrer. 

{Singilaufm  1.  D«B4mb0r.) 

Nur  in  ganz  wenigen  Fällen  ist  es  bisher  der  Astronomie 
nicht  gelungen,  die  beobachteten  Bewegungen,  der  erlangten 
Genauigkeit  entsprechend,  als  reine  Folge  der  Newtonschen 
Gravitation  darzustellen.  Beschränkt  man  sich  auf  die  Be- 
wegungen der  großen  Planeten,  so  ist  insbesondere  in  einem 
Fall  eine  allerdings  erhebliche  Differenz  zwischen  Theorie  und 
Beobachtung  hervorgetreten.  Auf  ihn  bezieht  sich  die  viel- 
besprochene Entdeckung  Leverriers,  der  vor  mehr  als40  Jahren 
fand,  daß  die  Perihellänge  der  Merkurbahn  sich  im  Jahrhundert 
um  rund  40"  schneller  vorwärts  bewegt,  als  die  allein  auf  die 
gegenseitige  Anziehung  der  Planeten  gegründete  Theorie  ergibt. 
Diese  Leverriersche  Entdeckung  ist  von  vielen  Seiten  nachge- 
prüft worden.  Stets  ergab  sich  eine  Bestätigung  auch  in 
quantitativer  Beziehung,  so  daß  man  das  tatsächliche  Vorhanden- 
sein dieser  Anomalie  als  absolut  feststehend  bezeichnen  muß. 
Die  eingehendsten  Nachforschungen  in  dieser  Richtung  ver- 
dankt man  S.  Newcomb,  der  über  Leverrier  hinausgehend, 
bei  allen  vier  inneren  Planeten  und  zwar  in  allen  Bahnelementen 
nach  etwaigen  anderen  empirischen  Gliedern  suchte,  indem  er 
die  Säkularveränderungen  der  Bahnelemente  einerseits  empirisch 
bestimmte,  andererseits  nach  der  Newtonschen  Theorie  berech- 
nete.    Die  so  gefundenen  Differenzen  in  den  hundertjährigen 

1906.  Sitxungsb.  d.  mAUi.-phya.  Kl.  39 


596        Sitzung  der  iDath.-pbys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

Veränderungen   im  Sinne  Beobachtung— Theorie,   nebst  ihren 
wahrscheinlichen  Fehlem  sind  folgende:^) 

Merkur  Venus  Erde  Man 

4^  =  — 0:88±0:50     +0:21±0:31     +0:02  ±0:10     +O:292:0/2 

e  -3T  =  +  8.48  ±  0.43     —  0.05  ±  0.25     +  0.10  ±  0.13     +  0.75  r  O.c 
dt 

-J-  =  +  0.38  ±0.80     +  0.38  ±0.33  -  —  O.Ol  x  O.i 

dt 

sin  i  ^y  =  +  0.61  ±  0.52     +  0.60  ±0.17  -  +  0.03  ±  0.2 

Die  angeführten  wahrscheinlichen  Fehler  mögen  viel- 
leicht nicht  die  ganze  Unsicherheit  der  Resultate  angeben. 
Immerhin  wird  man  doch  zugeben  müssen,  daß  einige  dieser 
Glieder  nicht  ohne  weiteres  als  nicht  reell  angesehen  werden 
dürfen.  In  jedem  Falle  werden  solche  Annahmen,  welche  etwa 
zur  Erklärung  der  Bewegung  des  Merkurperihels  gemacht 
werden,  den  Vorzug  verdienen,  welche  auch  die  anderen  Newcomb- 
schen  Glieder  ihren  Fehlem  entsprechend  miterklären.  Nur 
das  Glied  in  der  Exzentrizität  der  Merkurbahn  und  ebenso  der 
anderen  Planetenbahnen  muß  zunächst  unberücksichtigt  bleiben, 
da  zu  seiner  Erklärung  andere  Annahmen,  als  bis  jetzt  gebraucht 
worden  sind,  nötig  wiiren.  Newcomb  selbst  ist  der  Meinung, 
daiä  bei  Merkur  der  wahrscheinliche  Fehler  zu  klein  heraus- 
gekommen ist  und  dieses  Glied,  zunächst  wenigstens,  als  nicht 
reell  angesehen  werden  darf. 

2. 

Die  Zahl  der  Hypothesen,  welche  zur  Erklärung  der  Be- 
wegung des  Merkurpei  ihels  aufgestellt  worden  sind,  ist  nicht 
klein.  Sie  sind  zum  Teil  von  Newcomb  a.  a.  0.  erwähnt  und 
in  einer  Weise  kritisiert  worden,  der  man  in  den  meisten  Punkten 
beistimmen   wird  können.     Lange  Zeit   wurde,   namentlich  im 


*)  S.  Newcomb,    the   Elements   of  tbe   four    inner   Planets    etc. 
Washington  1895,  S.  108. 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht.  597 

Anschluß  an  Leverrier  selbst,  die  Annahme  intram^kurieller 
Planeten  in  kleiner  oder  größerer  Zahl  od^  selbst  in  Tolle 
Planetenringe  aufgelöst,  beyorzugt.  Die  formale  Seite  der  Frage 
vmrde  öfters,  so  von  Newcomb  und  Bauscbinger,^)  unter- 
sucht. In  dieser  Beziehung  genügt  die  erwähnte  Annalime  den 
zu  stellenden  Anforderungen  ziemlich  beiriedigend,  wenn  man 
sie  in  Verbindung  mit  einer  säkularen  Drehung  des  empirischen, 
in  der  Astronomie  gebrauchten  Koordinatensystems  zur  An- 
wendung bringt.  Sie  rechnet  aber,  abgesehen  vielleicht  noch 
von  anderen  Bedenken,  mit  Verhältnissen,  wenigstens  wenn 
man  den  allerdings  negativen  Aussagen  der  Beobachtung  ent- 
sprechend die  Anzahl  der  einzelnen  Massen  des  Ringes  groß 
annimmt,  welche  sich  zunächst  weder  erweisen  noch  wider- 
legen lassen,  und  die  also  zu  deijenigen  Klasse  von  Hypothesen 
gerechnet  werden  muß,  die  man  als  unnötige  bezeichnen 
kann.  Vorausgesetzt  natürlich,  daß  man  eine  mehr  ansprechende 
Annahme  machen  kann. 

Nicht  so  gut  entspricht  in  formaler  Beziehung  die  An- 
nahme ungleicher  Hauptträgheitsmomente  des  Sonnenkörpers, 
die  ebenfalls  vielfach,  besonders  eingehend  von  P.  Harzer^)  unter- 
sucht worden  ist,  da  der  Sonnenäquator  seiner  Lage  nach  zi^n- 
lich  sicher  bekannt  ist  und  man  doch  wohl  annehmen  muß« 
daß  die  Hauptachsen  im  Äquator  und  in  der  Rotationsachse 
liegen.  Aber  dieser  Annahme  wird  durch  die  Beobachtungen 
an  der  Sonne  entschieden  widersprochen,  denen  zufolge  die  in 
verschiedenen  Richtungen  gemessenen  Durchmesser  sich  kaum  um 
mehr  als  etwa  On  voneinander  unterscheiden  können.  Dagegen 
erfordert  die  obige  Annahme,  daß  der  äquatoriale  Sonnendurch- 
messer um  etwas  mehr  als  1"  größer  als  der  polare  sein  muß. 
Dieses  Resultat  läßt  sich  streng  aus  gewissen  Voraussetzungen 
mit  wenigen  Worten  ableiten,  weshalb  ich  kurz  darauf  eingehe, 
obwohl  ja  die  Frage  durch  die  Rechnungen  des  Herrn  Harzer 


1)  J.  Baaschinger,  Untenuchangen  Ober  die  Bewegung  des  Pla- 
neten Merkur.   München  1884. 

')  Panl  Harzer,  Über  die  Bewegung  des  Merkurperibels.  Astron. 
Nachr.  Nr.  3080  (1891). 

39* 


598        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

als  erledigt  betrachtet  werden  darf.  Sind  G  und  A  die  beiden 
Hauptträgheitsmomente  der  Sonne  in  Bezug  auf  die  Drehachse 
und  in  Bezug  eine  im  Äquator  gelegene  Achse,  wobei  das  dritte 
Trägheitsmoment  dem  ^gleich  angenommen  wird,  Jf  die  Sonnen- 
masse, n,  a,  71  die  mittlere  Bewegung,  mittlere  Entfernung  Ton 
der  Sonne  und  Länge  des  Perihels  eines  Planeten,  so  ist  für 
hinreichend  kleine  Exzentrizitäten  und  Neigungen  bekanntlich 
die  säkulare  Veränderung  von  n  gegeben  durch: 


dt  ~^^  '   a^M' 

Die  Abplattung  e  der  Sonnenoberfläche  -  ist  andererseits 
nach  einem  vielgebrauchten  Satze  der  Himmelsmechanik  ge- 
geben durch: 

g  —  1  0  4-  8  9.I1A 

wo  R  der  Sonnenradius  und  4>  das  Verhältnis  der  Zentrifugal- 
kraft zur  Anziehung  im  Äquator  ist.  Diese  Formel  setzt  nichts 
über  die  Dichtigkeitszunahme  in  der  Richtung  zum  Zentrum 
des  Sonnenkörpers  voraus,  nur  wird  angenommen,  daß  sich  das 
Innere  der  rotierenden  flüssigen  Masse  im  Gleichgewicht  befindet. 
Daraus  folgt  aber  für  die  Abplattung  des  Sonnenkörpers: 


c=  I  $4- 


fay  1^    dji 
\r)'  n  '  dt' 


Soll  demnach  die  Bewegung  des  Merkurperihels  durch  eine 
Verschiedenheit  der  Trägheitsmomente  der  Sonne  erklärt  werden, 

d  TZ 

so  muß  -TT  =  40"   im   Jahrhundert    gesetzt    werden    und    da 

*  =  0.000020  ist,  folgt  €  =  0.000525.  Danach  muß  der 
äquatoriale  Sonnendurchmesser  (a)  KOI  größer  sein  als  der 
polare  {ß\  was  mit  den  Angaben  des  Herrn  Harzer  gut  stimmt. 
Die  Messungen  an  der  Sonne  geben  sicherlich  kaum  a  —  ß  ^Q1\. 
Wird  die  Sonne  als  homogen  betrachtet,  so  gibt  bekannt- 
lich die  Gleichgewichtstheorie  a  —  )8  =  0r05.  Nimmt  man 
andererseits  das  andere  Extrem  an,    nämlich,    daß  die  Masse 


H.  Seeliger:  Das  ZodiakalUcht.  599 

unendlich  zusammendrückbar  ist,  daß  also  die  ganze  übrige 
Sonnenmasse  gegenüber  der  in  der  Nahe  des  Zentrums  befind- 
lichen zu  vernachlässigen  ist,  so  ergibt  sich  leicht  a—-  ß  =  0r02. 
Nach  diesen  Daten  dürfte  es  jedenfalls  aussichtslos  sein,  die 
Merkurperihelbewegung  durch  ungleiche  Verteilung  der  Masse 
der  Sonne  in  ihrem  Innern  zu  erklären ,  selbst  wenn  man  von 
den  Bedingungen  des  Gleichgewichts  absieht. 

Von  physikalischer  Seite  beeinflußt,  hat  man  bald  nach 
der  Leyerrierschen  Entdeckung  und  seit  jener  Zeit  in  den  ver- 
schiedensten Formen  durch  mehr  oder  weniger  ansprechende 
Überlegungen  eine  Modifikation  des  Newtonschen  Fernwirkungs- 
gesetzes  zu  finden  gesucht,  welche  die  Anomalie  in  der  Be- 
wegung des  Merkurperihels  zu  erklären  imstande  wäre.  Der 
Erfolg  ist  in  formaler  Beziehung  im  ganzen  ausgeblieben,  d.  h. 
es  gelang  in  den  meisten  Fällen  nicht,  den  festgestellten  Betrag 
dieser  Bewegung  herzuleiten.  Überdies  hat  man  hierbei  von 
vornherein  darauf  verzichtet  oder  verzichten  müssen,  die  an- 
deren Newcombschen  empirischen  Glieder  zu  erklären.  Das 
letztere  dürfte  allerdings,  in  erster  Annäherung,  vielleicht  als 
zulässig  angesehen  werden  können.  Wie  dem  auch  sein  möge,  als 
besonders  geeignet  wurde  in  letzter  Zeit  eine  Modifikation  des 
Newtonschen  Gesetzes  betrachtet,  derzufolge  der  Exponent  2 
der  reziproken  Entfernung  durch  einen  um  eine  sehr  kleine 
Größe  vermehrten  2  -|-  >l  zu  ersetzen  wäre.  Schon  in  Newtons 
Prinzipien  ist  der  Satz  abgeleitet,  daß  hierdurch  eine  säkulare 
Bewegung  des  Perihels  in  positivem  Sinne  entsteht  und  die 
Mathematiker  Green  und  Carl  Neumann^)  haben  sich  dieses 
Gesetzes  angenommen  und  es  im  Gebiete  der  Elektrizität  ver- 
wertet. Der  Verwendung  eines  solchen  Gesetzes  in  der  Astronomie 
stehen  indessen  ernstliche  Bedenken  entgegen.  Bleibt  man  auf 
dem  Boden  der  Femwirkungstheorie,  so  wird  ein  solches  aUer- 
dings  akzeptabel  sein,  da  es  in  der  Tat  bei  passender  Wahl  von 
l  die  Bewegung  des  Merkurperihels  in  gewünschtem  Betrage 

^)  Carl  Neu  mann,  Allgemeine  Untersuchungen  über  das  Newtonsche 
Prinzip  der  Ferhwirkungen.    Leipzig  1896. 


600         Sitzung  der  math.-pbys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

ergibt  ohne  bei  den  anderen  Planeten  Beträge  für  ähnliche 
Glieder  zu  erfordern,  die  den  Beobachtimgen  widersprechen. 
Dagegen  stellen  sich  Bedenken  allgemeinerer  Art  ein.  Ich 
habe  zu  wiederholten  Malen  ^)  darauf  aufmerksam  gemacht,  dafi 
das  Newtonsche  Gesetz  kein  strenger  und  unbedingt  geltender 
Ausdruck  für  die  im  Weltall  herrschenden  Anziehungen  sein 
kann,  indem  man  auf  lästige,  wenn  nicht  imüberwindliche 
Schwierigkeiten  stößt,  wenn  man  dieses  Gesetz  auf  beliebig 
große,  mit  Masse  erfüllte  Bäume  anwendet.  Letzteres  muß  aber 
erlaubt  sein,  da  das  Newtonsche  Gesetz  ein  üniversalgesetz, 
d.  h.  unter  allen  umständen  genau  gültig  sein  soll.  Diese 
Bedenken  sind,  wie  ich  glaube,  durch  die  dagegen  erhobenen 
Einwände,  nur  gewichtiger  geworden.  Nach  meiner  Meinung 
mü&te  demnach,  wenn  man  an  eine  solche  rein  formale  Modi- 
fikation des  Ausdrucks  für  die  Newtonsche  Femwirkung 
denken  will,  diesen  Bedenken  Rechnung  getragen  werden.  Das 
Greensche  Gesetz  ist  aber,  wie  ich  nachgewiesen  habe,  nicht 
geeignet,  dies  zu  leisten. 

Verläßt  man  aber  den  Boden  der  Fern  Wirkungstheorie,  so 
wird  man  kaum  erwarten  dürfen,  durch  irgendwelche  physi- 
kalische Überlegungen  oder  Annahmen  zu  einem  ähnlich  ein- 
fachen Gesetze  zu  gelangen,  wie  das  Greensche.  Ich  kann  mich 
deshalb  nicht  der  Meinung  anschließen,  wonach  durch  die  An- 
nahme dieses  Gesetzes  eine  brauchbare  oder  befriedigende  Er- 
klärung der  Bewegung  des  Merkurperihels  angebahnt  sein  soll. 

3. 

Die  theoretische  Astronomie  hat  die  Bewegungen  im  Planeten- 
system mit  Berücksichtigung  aller  Torhandenen  Massen  zu  er- 
klären und  in  dieser  Beziehung  alles  zu  versuchen,  ehe  sie  zu 
einer  Modifikation  ihrer  Grundlagen  oder  zur  Annahme  unsicht- 
barer Massen  oder  dergleichen  greift.  Zu  diesen  jedenfalls  vor- 
handenen,  weil  sichtbaren  Massen   gehören   aber   die  Massen, 


^)  Ülxjr  das  Newtonsche  Gravitationsgeeetz.    Afftron.  Na^^hrichten 
Nr.  3273  und  Sitzungd>>erichte  der  Münehener  Akademie,  1896. 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallioht.  601 

welche  das  Zodikallicht  erzeugen  oder  kurz  gesagt  das  Zo- 
diakallicbt. 

Ich  hatte  bei  yerschiedenen  Gelegenheiten^)  Veranlassung, 
mich  der  Ansicht  anzuschließen,  nach  der  die  Erscheinung  des 
2k)diakallichts  auf  fein  zerstreute  Materie  zurückzuführen  ist, 
die  um  die  Sonne  herumgelagert  ist  und  nachweisbar  über  die 
£rdbahn  hinausreicht.  Über  die  Dichtigkeitsverteilung  in  dieser 
Masse  läßt  sich  zur  Zeit  Genaueres  nicht  aussagen ;  aber  nichts 
spricht  dagegen,  daß  die  Flächen  gleicher  Dichtigkeit  scheiben- 
förmige Rotationsflächen  sind  und  die  Dichtigkeit  mit  der  Ent- 
fernung von  der  Sonne  abnimmt.  Früher  nahm  man  den  Äquator 
dieser  Flächen  als  nahezu  in  der  Ekliptik  liegend  an,  neuere 
Beobachter  dagegen  sind  geneigt,  ihn  mit  größerer  Annäherung 
mit  dem  Sonnenäquator  zusammenfallen  zu  lassen.  Damit  soll 
nicht  gesagt  sein,  daß  alle  Flächen  gleicher  Dichtigkeit  genau 
dieselbe  Rotationsachse  haben,  denn  wie  sich  die  der  Sonne 
nächsten  Teile  des  Zodiakallichts  in  dieser  Richtung  verhalten, 
wird  sich  wohl  schwerlich  feststellen  lassen,  ist  jedenfalls  bisher 
völlig  unaufgeklärt  geblieben,  da  man  die  Erscheinung  des  Zodia- 
kailichtes  sicher  nicht  bis  zu  kleineren  Winkelabständen  von  der 
Sonne,  als  20  oder  30  Grad,  verfolgen  kann.  Zudem  kann  die 
Massendichtigkeit  aus  der  beobachteten  Lichtverteilung  keines- 
wegs hypothesenfrei  abgeleitet  werden,  denn  die  letztere  ist 
nicht  nur  von  der  Dichtigkeit  der  Massenverteilung  sondern 
auch  von  dem  Volumen  der  einzelnen  Teilchen,  welche  das 
Zodiakallicht  bilden,  abhängig.  Je  größer  die  Anzahl  der 
Teilchen  ist,  in  welche  dieselbe  Masse  zerteilt  ist,  desto  größer 
ist  unter  sonst  gleichen  Umständen  die  Flächenhelligkeit  des 
zurückgeworfenen  Sonnenlichts. 

Man  hat  demnach  eigentlich  kein  anderes  Mittel  zur  Be- 
stimmung der  Massendichtigkeit  im  Zodiakallicht,  als  das  Studium 
der  von  ihm  ausgehenden  Anziehungskräfte.     Daß  solche  vor- 


^)  U.  A.  a)  Ober  allgemeine  Probleme  der  Mechanik  des  Himmels. 
Verlag  der  Münchener  Akademie,  1892. 

b)  Über  kosroiache  Staubmassen  und  das  Zodiakallicht.  Sitzungs- 
berichte der  Münchener  Akademie,  1901. 


()02         Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

banden  sein  und  die  Bewegungen  der  Planeten  beeinflussen 
müssen,  ist  selbstverständlich  zweifellos  und  nur  über  die  Größe 
dieser  Einwirkung  können  die  Meinungen  auseinandergehen. 

Mit  einiger  Sicherheit  darf  behauptet  werden,  daü  sich 
die  Masse  des  Zodiakallichts  symmetrisch  um  eine  Ebene 
gruppiert,  von  der  wir  allerdings  nicht  wissen,  ob  sie  der  Eklip- 
tik oder  dem  Sonnenäquator  näher  liegt.  Es  ist  femer  ziem- 
lich sicher,  daü  in  der  Erscheinung  des  Zodiakallichts  die 
Jahreszeit  so  gut  wie  keine  Rolle  spielt.  Man  wird  danach 
die  Dichtigkeit  q  als  Funktion  nur  von  der  Entfernung  von  der 
Sonne  {q)  und  des  Winkelabstandes  d^  von  dem  Pole  der  Sym- 
metrieebene ansehen  dürfen.  Es  kann  also  q  als  eine  Kugel- 
funktionsreihe: 

0» 

2  =  nS  ^^  P-  (cos  d) 
0 

angenommen  werden,  in  der  die  Koeffizienten  Ä^  Funktionen 
von  Q  sind.  Wegen  der  erwähnten  Symmetrie  wird  ferner  w 
eine  gerade  ganze  Zahl  sein.  Nimmt  man  nun  an,  daß  die 
genannte  Reihenentwicklung  für  q  so  aufgestellt  werden  kann, 
daß  sie  für  alle  innerhalb  einer  Kugel  vom  Radius  r^  liegen- 
den Punkte  gilt,  wo  also  r^  die  Maiimalausdehnung  des  Zodiakal- 
lichts ist,  dann  läßt  sich  die  Störungsfunktion  Q^  welche  bei 
der  Bewegung  des  inneren  Planeten  in  Betracht  zu  ziehen  ist. 
sehr  einfach  darstellen.    Denn  es  ist  zunächst: 

Ü  =  k''  Jsin  § d »fg* qdg  •  J-J, 

0  0  0 

wo  A  die  Entfernung  des  Planeten  (r  #,  <f^)  und  eines  Massen- 
teilchens {q  #  (p)  ist  und  k  die  Oaußsche  Konstante  bedeutet. 
Ist  noch  y  der  Winkel  zwischen  q  und  r,  so  hat  man: 

1  "     o»' 

1  "     /•• 

i   =  'S  -74.7  -P*  (cos  jO  •  •  •  ^  >  ^• 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht.  603 

Setzt  man  dies  und  die  Reihe  für  q  in  den  Ausdruck  für  Q 
ein,  so  ergibt  die  Anwendung  sehr  bekannter  Sätze  aus  der 
Theorie  der  Kugelfunktionen: 

r  ri 

ü  r 

Die  weitere  Entwicklung  hängt  von  der  Form  ab,  welche 
die  An  als  Funktionen  von  q  haben.  Man  könnte  gegebenenfalls 
sich  die  -4„  stets  als  Potenzreihen,  welche  nach  ganzen  positiven 
und  negativen  Potenzen  von  q  fortschreiten  (da  die  Umgebung  des 
Punktes  ^  =  0  ausgeschlossen  erscheint),  denken,  und  da  man  nur 
den  säkularen  Teil  von  Q  brauchen  wird,  wären  die  säkularen 
Teile  von: 

r«  P~  (cos  d) ,     log  r .  P"  (cos  t?) , 

wo  m  positive  oder  negative  ganze  Zahlen  bedeuten,  zu  ent- 
wickeln. Das  ist  leicht  in  der  gewöhnlichen  Weise  durch 
Rechenentwicklungen  und  in  mathematisch  annehmbarerer  Form 
durch  Einführung  von  Funktionen,  die  den  Kugelfunktionen 
verwandt  sind,  auszuführen.  Doch  hätte  die  Mitteilung  der 
betreflFenden  Formeln  für  die  vorliegenden  Fragen  keine  Be- 
deutung, denn  es  ist  gegenwärtig  unmöglich  die  Entwicklung 
von  q  etwa  anderswoher  zu  nehmen  und  andererseits  ist  die 
Einwirkung  des  Zodiakallichts  auf  die  Bewegung  der  Planeten 
so  klein  und  dergestalt,  daß  eine  Bestimmung  der  wirksamen 
Koeffizienten  durch  diese  Störungen  nicht  wohl  auszuführen  wäre. 
Man  wird  vielmehr  nur  zu  einem  befriedigenden  Ziele  gelangen, 
wenn  man  von  vornherein  über  die  Gestalt  der  Flächen  gewisse 
Annahmen  macht,  die  man  natürlich,  dem  Gesagten  zufolge, 
als  mehr  oder  weniger  plausibel  ansehen  mag.  Hält  man  daran 
fest,  daß  die  genannten  Flächen  ähnlich  plattgedrückten  Scheiben 
aussehen  müssen,  dann  kann  man  die  näheren  Bestimmungs- 
stücke innerhalb  gewisser  Grenzen  variieren,  ohne  einen  schlech- 
teren Anschluß  an  die  Beobacbtungsdaten  befürchten  zu  müssen. 
Man  wird  deshalb  die  spezielleren  Daten  so  wählen  können, 
daß  die  auszuführende  Rechnung  verhältnismäßig  einfach  wird. 


604         Sitzung  der  math.-phys.  Klaise  vom  1.  Dezember  1906. 

Da  bietet  sich  nun  zunächst  die  Annahme  dar,  dafi  man  das 
Zodiakallicht  aus  lauter  Schichten,  welche  zwischen  zwei  um- 
drehungsellipsoiden  mit  großen  Abplattungen  liegen,  bestehen 
läßt.  Man  kann  jedenfalls  eine,  vielleicht  auch  mehrere 
ste  ti  ge  Dichtigkeitsänderungen  von  Schicht  zu  Schicht  so  wählen, 
daß  da3  Potential  der  ganzen  Masse  auf  innere  Punkte  durch 
weitere  Entwicklung  auch  für  die  numerische  Rechnung  brauch- 
bar zum  Ausdrucke  gebracht  wird.  Indessen  wird  man  in  ge- 
wissem Sinne  allgemeiner  und  zweckmäßiger  so  veifahren,  daß 
man  eine  endliche  Zahl  beliebiger  homogener  Ellipsoide 
mit  gleichem  Mittelpunkt  in  der  Sonne  übereinanderlegt  und 
die  Dichtigkeit  dieser  Ellipsoide  ebenso  wie  ihre  Lage  und 
Größenverhältnisse  so  wählt,  wie  den  darzustellenden  Anomalien 
in  den  Bewegungen  der  inneren  Planeten  angemessen  ist.  Die 
einzelnen  Ellipsoide  müssen  so  gelegt  werden,  daß  ihre  Ober- 
flächen von  keiner  Planetenbahn  geschnitten  werden.  Diesen 
Weg  habe  ich  vor  13  Jahren  beschritten,  mußte  damals  aber 
den  Abschluß  meiner  Rechnungen  aufgeben,  da  die  Newcomb- 
schen  Zahlen  noch  nicht  vorlagen,  somit  irgendwelche  Hand- 
habe zu  einer  Prüfung  nicht  vorhanden  war. 

4. 

Man  muß  also  die  säkularen  Störungen,  denn  diese  kommen 
allein  in  Betracht,  in  angemessener  Form  berechnen,  welche 
ein  homogenes  Rotationsellipsoid  auf  innere  und  äußere  plane- 
tarisch bewegte  Punkte  ausübt.  Zu  diesem  Zwecke  ist  der 
säkulare  Teil  des  Potentiales  eines  homogenen  aber  beliebig 
stark  abgeplatteten  Ellipsoides  abzuleiten.  Bei  dieser  Rech- 
nung kann  man  von  den  Potentialen  Va  und  Vi  eines  abge- 
platteten Rotationsellipsoids  mit  den  Axen  a,  a  und  b  und  der 
homogenen  Dichtigkeit  q  auf  äußere  und  innere  Punkte  in  der 
integrierten  Form  ausgehen.  Viel  einfacher  ist  es  aber,  wenn 
man  zuerst  die  Ausdrücke  unter  dem  Integral  entwickelt  und 
dann  erst  die  Integration  ausführt,  wobei  nur  bekannte  Formeln 
anzuwenden  sind.  Beide  Methoden  geben  selbstverständlich 
übereinstimmende  Resultate. 


H.  Sceliger:  Das  Zodiakallieht. 


605 


Ist  noch  k  die  QauSsche  Konstante  und  setzt  man: 


so  ist  bekanntlich  für  äußere  Punkte: 

""-J  V  -  «*  +  o  -  WT'c)    (a'4 


da 


+  0}    (o*  4- o)  V'&M- o ' 


wo  A,  bestimmt  ist  durch  die  Gleichung: 


a^  +  y* 


+  M 


e^ 


=  1. 


Für  innere   Punkte  ergibt  sich  X2,,   wenn   in  £?•  2,  ==  0 
gesetzt  wird.     Setzt  man  hierin  noch: 

r^  =B  j:« -}-  y« -|-  ^«, 


so  wird  also: 

"•=/(' -».-4 


^>(a»— 6«) 


+  o       (a«  +  o)  (6»  H-  a)}  (««  -|.  o)(V^6»+  o) 


))  («' 


e^o 


(1) 


und: 


»^  ^»  •  (g*  —  V)      _ 

«»  +7;  "*"  (a»  +  1,)  (6«  +  A,)  -  ^  • 


(2) 


Fttr  innere  Punkte  ist  dagegen  das  zugehörige  Potential: 


Die  Berechnung  der  säkularen  Störungen,  welche  die 
inneren  Planeten  durch  diese  Potenttale  erleiden,  kaiin  nun 
dadurch  ausgeführt  werden,  daß  man  die  in  den  bekannten 
Ausdrücken  für  diese  Störungen  vorkommenden  Differential- 
quotienten von  Q  nach  den  Elementen  bildet  und  dann  die 
Integrale  in  Bezug  auf  den  ganzen  Umkreis  der  mittleren 
Anomalie  auf  mechanischem  Wege  ermittelt.  In  einem  gege- 
benen speziellen  Falle  wäre  dieses  Verfahren  rechnerisch  viel- 
leicht  das    einfachere.     Will    man    aber   wiederholt   ähnliche 


606         Sitzung  der  math.-pbys.  I^lasse  vom  1.  Dezember  1906. 

Rechnungen  mit  abgeänderten  Daten  ausführen,  dann  ist  es 
angemessen,  die  Unbequemlichkeit  einer  allgemeinen  analyti- 
schen Entwicklung  nicht  zu  scheuen. 

Im  vorliegenden  Falle,  wo  es  sich  um  die  inneren  Planeten 
handelte  dürfen  nun  die  Bahnexzentrizitäten  und  die  Bahn- 
neigungen gegen  die  Ekliptik  oder  andere  gegen  sie  nicht 
beträchtlich  geneigte  Ebenen  als  kleine  Größen  betrachtet 
werden,  nach  deren  Potenzen  brauchbare  Entwicklungen  von 
Q  fortschreiten  werden.  Für  die  Planeten  Venus,  Erde  und 
Mars  wird  man  dann,  da  es  sich  doch  nur  um  mäisig  genaue 
Entwicklungen  handelt,  bei  den  Gliedern  zweiter  Ordnung 
stehen  bleiben  können.  Es  ist  leicht  einzusehen,  daß  die  End- 
resultate kaum  wesentlich  sich  ändern  werden,  wenn  man 
sCuch  in  Bezug  auf  die  Merkurbahn  dieselbe  Einschränkung 
der  Entwicklung  gelten  läßt  und  ich  habe  vorläufige  Rech- 
nungen tatsächlich  so  ausgeführt  Jetzt  soll  die  Entwicklung 
auf  breiterer  Grundlage  ausgeführt  werden  und  zwar  so,  daß 
auch  für  Merkur  die  größten  Glieder  bis  auf  3  bis  4  Stellen 
genau  herauskommen. 

Im  folgenden  wird  die  sogenannte  EUiptizität  /: 

X^  =  ^-'-  (3) 

eingeführt.  Damit  bestimmt  sich  der  hier  in  Frage  kommende 
Wert  von  X^  nach  (2): 

Bezeichnet  man  mit  a,  die  mittlere  Entfernung  des  in 
Betracht  zu  ziehenden  Planeten   und  setzt  man: 

so  wird  u  eine  kleine  Größe  sein  und  es  soll  also  das  Potential  ü 
nach  Potenzen  und  Produkten  von  u  und  ;9^  =  ^  entwickelt 
werden. 

Bezeichnet  man  die  Werte  der  Differentialquotienten  für 
u  =  0  und  sf  =•  Q  durch  Hinzufügung  des  Index  0,  so   wird: 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht. 


607 


ö  =  ßo+ 


+ 


Q.'-m^ 


z" 


[ea»'H.K,^a-a-jp 


Q\ 


H-ICa—li^I-'-'G-^j,"" 


+ 


+ 


(4) 


Bei  der  Differentiation  des  Integrals  für  Qa  kann  man  die 
Grenze  Aj  konstant  halten,  weil  für  a  :=  ^,  der  Ausdruck  unter 
dem  Integral  nach  (2)  verschwindet,  wodurch  die  weitere  Aus- 
rechnung wesentlich  vereinfacht  wird.    Das  Glied: 


fio=I-a?II, 


wo: 


I 


0>  00 


kann  man  ganz  fortlassen,  da  es  nur  vom  Bahnelement  a^  ab- 
hängt und  Differentialquotienten  nach  a^  im  folgenden  nicht 
vorkommen.    Es  tritt  noch  das  Integral: 


ni 


00 

Jdo 


)i 


auf.    Hier  ist  AJ  der  Wert  von  ^  für  u  =  -s^  =  0,  also: 

{kiy  +  ¥  =  al-  a'  +  b'  =  al  —  l'b'. 

Am    einfachsten   für   die   numerische   Rechnung   scheinen 
sich  die  Formeln  zu  gestalten,  wenn  man: 


SI.S 


r  = 


X*h 


IM 


a\  -  i^b 


(5) 


608        Sitzung  der  umth.-phys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

einführt,  woraus  u.  a.  folgt: 

1  4-f* 

«1=^0  • ^5 — . 

Die  oben  erwähI]te^  Integrale  I,  II  und  III  sind  bekannt- 
lich leicht  ausführbar  und  man  findet: 


,        2 


^^'   "==«Ä"4*^8^-ITf^] 


(^a^^i^)m=-^.rctgS-i^,.^±^ 


Ich  habe  im  folgenden  noch  die  Bezeichnung  benutzt: 

(6) 


8>(^)=-3ai«tgf-:i^-i-=j'-       1 


y,(A)-3(arctgA-j-A_j. 


Die  Berechnung  des  Differentialquotienten  in  (4)  bietet 
nun  höchstens  einige  Umständlichkeiten,  aber  keine  Schwierig- 
keiten dar.  Eb  wird  genügen,  ihre  Werte  in  der  definitiven 
Form  anzuführen. 

KdQ'Jo  A6a;L2^2*J 

(^\ S    r^LS    .   189  81  15  ^1 

\de')~      ^ba'^l  8    ■'"    8    *"''8*"'"8*J 

/'»•^•^  _  .      f    [3465     693         891         165         105^] 
Für  die  Differentialquotienten  nach  C  findet  man: 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht. 


60d 


V  3  C'7.~ 


dC'dQ 


>l6a;  [2  ^2^J 

1*     [63   ,   27  . 
r+  2  ^ 


•+yf] 


=  + 


'\'!r  +  '!r] 


Iba^'l 


4 
693 


_^  891  ^,^495 


8 


8 


r  + 


105 

8 


■J 


In  Rücksicht  auf  die  im  Folgenden  auftretenden  Yerhfiltnisse, 
denen  zufolge  bei  Merkur  zwar  u  beträchtlich,  dagegen  aber  C 
sehr  klein  und  bei  den  übrigen  inneren  Planeten,  wo  f  merkbarer 
als  u  ist,  reichen  die  angegebenen  Werte  zu  einer  für  die  vor- 
liegenden Zwecke  genügend  sicheren  Berechnung  der  sakulfiren 
Störungen  sicherlich  aus.  Es  sind  nunmehr  die  s&kularen 
Teile  der  Potenzen  und  Produkte  von  u  und  C  zu  berechnen. 
Ich  bezeichne  diese  durch  ein  vorgesetztes  S.  Am  einfachsten 
gewinnt  man  in  den  vorliegenden  Fällen  den  säkularen  Teil 
einer  Funktion  f  von  u  und  C  durch  Ausführung  des  Integrals: 

Sfiu,  C)==~  ff(u,  0-(l-e  cos  E)  dE, 

worin  selbstverständlich: 

M  =  r*  —  a?  und  C 
durch  die  exzentrische  Anomalie  E  auszudrücken  sind. 


610        Sitzung  der  math.-phya.  Kloaae  vom  1.  Dezembre  1906. 
Auf  diesem  Wege  findet  man: 

1.-271^-5  ^(«')  =  «K2V"  +  äV-) 

Bei  der  Entwicklung  der  säkularen  Teile  von  Größen, 
welche  mit  Potenzen  von  js''  behaftet  sind,  soll  bis  zu  Gliedern 
6.  Ordnung  gegangen  werden,  wobei  indessen  Glieder  von  der 
Ordnung  js*  ^  und  z^  und  kleinere  als  unmerklich  fortzulassen 
sind.    Man  kann  nun  weiter  e  in  die  Form  bringen: 

^  =  5,  r  sin  v  +  C^i  ^  cos  v, 

wo  V  die  wahre  Anomalie  bedeutet.  Man  kaijn  dann  sofort  z 
als  Funktion'  der  exzentrischen  Anomalie  darstellen  und  die 
obigen  Integrale  fUr  f(uC)  =^  ti"*  ^  entwickeln.  Bis  zum  an- 
gegebenen Genauigkeitsgrad  findet  sich  dann: 

S  (^«)  =  a\  ^  [^  I  4-  C«  ^  _  ^B\  I  +  e'  Cr  ■  I] 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht.  611 

Bei  der  Zusammenfassung  des  Resultats  für  Qa  nach 
Formel  (4)  empfiehlt  sich  folgende  Schreibweise.  Es  sei  Qq 
die  mittlere  Dichtigkeit  der  Sonnenkugel,  g  ihr  Radius,  Wj  die 
mittlere  Bewegung  des  Planeten  und  /i  =  i'  die  Anziehungs- 
konstante, c  eine  passend  zu  wählende  ganze  Zahl  derart,  daß 
nicht  zu  große  und  nicht  zu  kleine  Werte  für  die  Koeffizienten 
hervorgehen.     Ich  setze  dann: 


^  =  |.«.L+J!,o. 

4    a«       P 


■=  ftO' 


Ä.= 


)5-10 


—  e 


(7) 


Dann  ergibt  sich  für  die  in  den  Störungsformeln  für  die 


a,  n. 


Elemente  vorkommende  Größe  — — -  Va  folgender  Ausdruck,  wo- 
bei, wie  schon  erwähnt,  die  Glieder,  welche  nur  das  Element 
Aj  enthalten,  der  Einfachheit  wegen  fortgelassen  worden  sind: 


+  A,n, 


^ 


1+r 


{:X 


'+l^'hik+ 


11      m^ 

16^  "^192^ 


-^^(24 +  108^+1151«+ 35  10 
—  -g^  (24  -f  180  I'  +  335  r  +  175  A. 


(8) 


190«.  Sitsungslf.  d.  mAih.-pliT».  KL 


40 


612        Sitzung  der  math.-phjs.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

Für  innere  Punkte  stellt  sich  die  Endformel  völlig  streng 
in  sehr  viel  einfacherer  Gestalt  dar.     Man  findet  sofort: 


a.  n 


(9) 


Um  alles  beisammen  zu  haben  sind  nun  noch  die  Großen 
B^  und  (7|  und  ihre  DifTerentialquotienten  nach  den  Elementen: 
Länge  des  Perihels  tt,  Länge  des  aufsteigenden  Knoten  ii^ 
Neigung  der  Bahnebene  i  zu  berechnen,  welche  Elemente  sich 
in  üblicher  Weise  auf  die  Ekliptik  und  den  Widderpunkt  be- 
ziehen. Da  sich  z  auf  die  Aquatorebene  des  EUipsoids  be- 
zieht, ist: 

z  =  r  sin  i,  sin  (v  -f-  ji  —  Q  —  d)  =  B^r  sin  r  +  6\  r  cos  t\ 

Hierbei  bedeutet  i,  die  Neigung  der  Ebene  der  Planeten- 
bahn gegen  den  Äquator  des  EUipsoids,  d  ist  die  Winkel- 
distanz des  aufsteigenden  Knotens  der  Planetenbahn  auf  der 
Aquatorebene  von  dem  aufsteigenden  Knoten  derselben  Bahn- 
ebene  auf  der  Ekliptik  in  demselben  Sinne  wie  Ji  und  Q  ge- 
zählt. Nennt  man  noch  J  die  Neigung  des  Äquators  und  0 
die  Länge  seines  aufsteigenden  Knotens  in  Bezug  auf  die  Ekliptik, 
so  sind  die  drei  Winkel  in  dem  von  den  drei  in  Frage  kom- 
menden Kreisen  gebildeten  sphärischen  Dreieck:  ij,  J  und 
180° — i  und  die  den  zwei  ersten  Winkeln  gegenüberliegenden 
Seiten  und  ü  —  0  und  d.     Man  hat  demnach : 

sin  L  sin  d  =  sin  c7sin  (Q  —  0)  \ 

.    .  ...  1     (10) 

sin  i,  cos  d  =  cos  c7sin  i  —  sin  c7cos  i  cos  (ß  —  0)  } 

und  damit  ergibt  sich  sofort: 

J?,  =  sin  i|  cos  (ji  —  ii  —  d);    C\  =  sin  t,  sin  (ji  —  fi  —  S),  (11) 

Die  zweite  Formel  (10)  wird  für  kleine  Werte  von  J—% 
und  Q  —  0^   wie   solche   in  der  Tat  bei  Merkur  vorkommen, 

praktisch  unbrauchbar.     Sie  ist  dann  durch: 

.     Q—  0 

sin  ij  cos  (5  =  sin  (i  —  e7)  +  2  sin  J  cos  i  sin  *  —  ;r — 

zu  ersetzen. 


'H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht. 


613 


Aus  (11)  ergibt  sich  nun  sehr  einfach: 

—  .*  =  cos  tj  cos  {n  —  U) ;    -■—  =  cos  tj  sin  (n  - 
und,  was  auch  zur  Kontrolle  benutzt  werden  kann: 


Q) 


a  (Bl  +  CT) 


di 


=  2  sin  i,  cos  i,  cos  d. 


dB 


Ferner  ergibt  eine  einfache  Rechnung: 
J  =  +  (7, 4"  sin  «T^sin  {n  —  <P)  —  2  sin*  ^  i  sin  t,  sin  S  cos  (« — Q) 


dÜ 


'4  =  -^- 


5j  —  sin  J'cos(7i  —  0)  —  2  sin^  l  i  sin  i^  sin  <5  sin  (n  —  Ü). 


Als  Kontrollformel  wird  man  die  sehr  einfache  Relation 
zu  verwenden  haben: 

9  (-BJ  +  C?)       o   •    •         .     .    .     .     « 
^ =  2  sm  t,  cos  tj  sm  »  •  sin  d. 

Nunmehr  sind  alle  im  Folgenden  benutzten  Formeln  ab- 
geleitet. 

Es  sei  gleich  bemerkt,  da&  für  die  innem  Planeten  folgende 
Daten  benutzt  worden  sind,  wobei  das  Jahrhundert  als  Zeit- 
einheit angesetzt  ist: 

ü 


st 


log<j 


Merkur  7?003       7ö?896     47?147     9.3131 


log  (f]\ 

14.4912 


Venus  3.394  130.164  75.780  7.8320   14.8984 


Erde  —        101.219         — 


8.2241      15.1095 


Mars       1.850     334.218     48.786     8.9699      15.3841. 

Die  in  Frage  kommenden  Säkularänderungen  der  Planeten- 
bahnelemente ergeben  sich   aus  den   bekannten  Gleichungen: 


40' 


614        Sitzung  der  math.-phja.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 
dt  e         d  ji     \    /i     J 


d 
^  dt 


"  =  +  i/T=T« .  I  sf«'^'n+  -^-^tg^i  ^.s(^-^ 


.  dii      ,       1       a  c'/'«i».'^\ 

sin  t  •    , .-  =  i — ;  —  --   •  - ;  '5  I  -  — ' —  ) 


dt         '   |/i 


(2» 
dl 


^  Y\ ß^dn    \    jLL    J    yi ^3  sin*  dU   \    fi    J 


5. 

Will  man  nun  die  angegebenen  Formeln  zur  Darstellung 
der  empirischen  Glieder  in  den  säkularen  Bewegungen  der 
Bahnelemente  der  inneren  Planeten  benutzen,  so  hat  man,  den 
früheren  Bemerkungen  gemäis,  eine  Anzahl  konzentrischer 
EUipsoide,  die  mit  1,  2,  3  etc.  bezeichnet  werden  mögen,  pas- 
send zu  wählen.  Unbekannt  sind  zunächst  die  Dichtigkeiten 
innerhalb  der  einzelnen  EUipsoide  Qi^  Q^,  Q^  etc.,  ebenso  die 
Elliptizitäten  X^  X^  X^  etc.,  die  Neigungen  e/,  J^ . .,  die  Enoten- 
längen  0,  (ß,  etc.  ihrer  Äquatorebenen.  Selbstverständlich  wird 
man  die  Zahl  der  Unbekannten  möglichst  klein  wählen,  denn 
eine  durch  eine  genügend  große  Anzahl  von  Unbekannten  er- 
zwungene Darstellung  der  empirisch  gegebenen  Daten  hätte 
keine  Bedeutung.  Sind  die  einzelnen  q  bekannt,  so  mufi  die 
Gesamtdichtigkeit  innerhalb  des  ersten  Ellipsoids  q^-\-  q^+Q^-i-" 
angenommen  werden.  Zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Ellip- 
soid  herrscht  die  Dichtigkeit  q^-\-  q^-l-  "<,  zwischen  dem  zweiten 
und  dritten  qs-\-  q^+  "  u.  s.  f.  Zu  bemerken  ist  noch,  daß 
die  Massen  innerhalb  der  Sonnenkugel  eigentlich  nicht  in  Be- 
tracht gezogen  werden  sollten.  Indessen  tritt,  wenn  hierauf 
nicht  Rücksicht  genommen  wird,  nur  eine  Vergrößerung  der 
Sonnenmasse  ein,  was  natürlich  umsomehr  gleichgültig  ist,  als 
sich  die  einzelnen  q  gegenüber  der  Sonnendichtigkeit  ^^  ver- 
schwindend klein  ergeben. 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht.  615 

Ursprünglich   hatte   ich   fünf  Ellipsoide   mit   den   großen 
Halbachsen: 

a,  =  0.10,     0.17,     0.24,     0.60,     1.20 

angenommen.  Die  Rechnung  ergibt  aber,  daß  die  Koeffizienten, 
welche  die  den  drei  ersten  Ellipsoiden  entsprechenden  Beiträge 
zu  den  säkularen  Veränderungen  bestimmen,  so  nahe  propor- 
tional verlaufen,  daß  gar  nicht  daran  gedacht  werden 
kann,  die  einzelnen  ?,  g'^  ^3  zu  bestimmen.  Es  ist  demnach 
so  gut  wie  ganz  gleichgültig,  wie  die  Dichtigkeit  der 
Massenverteilung  in  der  Nähe  der  Sonne  bis  zu  etwa 
*/3  der  Merkurentfernung  verläuft.  Man  wird  deshalb 
in  jedem  Falle  mit  der  Annahme  nur  eines  EUipsoides,  das 
zwischen  Sonne  und  Merkurbahn  liegt,  auskommen  müssen  und 
es  ist  dabei  ziemlich  gleichgültig,  wie  groß  man  das  zuge- 
hörige a  wählt.  Ich  habe  im  Folgenden  nur  das  EUipsoid  3 
beibehalten.  Ebenso  zeigt  der  Verlauf  der  Koeffizienten,  daß 
das  EUipsoid  4  keinen  nennenswerten  Beitrag  zur  Darstellung 
der  empirischen  Glieder  liefern  kann  und  es  fast  ganz  gleich- 
gültig ist,  ob  man  dieses  beibehält  oder  nicht.  Ich  habe  es 
schließlich  fortgelassen,  so  daß  nur  die  beiden  Ellipsoide  3  und  5 
übrig  bleiben.  Jedenfalls  ergibt  sich  aus  dem  Gesagten,  daß 
die  Massen  Verteilung  im  Zodiakallicht  nur  in  ganz  allge- 
meinen Umrissen  bestimmbar  ist,  was  in  jedem  Falle  nicht 
zu  Ungunsten  der  ganzen  Hypothese  zu  sprechen  scheint.  — 
Was  die  ElHptizitäten  l  betrifit,  so  zeigt  sich  ebenfalls, 
daß  dieselben  innerhalb  weiter  Grenzen  willkürlich  angenommen 
werden  dürfen,  ohne  eine  wesentliche  Änderung  in  der  Dar- 
stellung der  empirischen  Glieder  zu  veranlassen;  nicht  einmal 
die  Werte  der  Unbekannten  ändern  sich  sehr  merklich.  Da 
zunächst  über  die  Dichtigkeitsflächen  im  Zodiakallicht  nichts 
näheres  angegeben  werden  kann  und  nur  die  Annahme,  daß 
die  Abplattungen  sehr  beträchtlich  sind,  einige  Sicherheit  hat, 
ist  man  tatsächlich  zu  diesen  willkürlichen  Annahmen  ge- 
zwungen. Wichtig  ist  es,  daß  eine  solche  Willkür  keine  große 
Bedeutung  hat.  Ich  habe  nun  für  das  EUipsoid  3  A  =  10,  für 
das  EUipsoid  5  dagegen  A  =  5  gewählt.     Auf  diese  Weise  ist 


616         Sitzung  der  math.-phys.  Klaase  vom  1.  Dezember  1906. 

erreicht,  daß  die  Erdbahn  ganz  innerhalb  des  EUipsoids  5 
liegt,  was  bei  der  Aufstellung  der  Formeln  angenommen  wor- 
den ist. 

Die  Lage  der  Aquatorebenen  der  EUipsoide  ist,  wie  von 
vornherein  zu  erwarten,  nicht  so  unbestimmt,  wie  die  anderen 
Daten.  Es  zeigt  sich,  daß  die  Lage  des  EUipsoids  3  in  ziemlich 
bestimmter  Weise  angenommen  werden  muß,  dagegen  die  von 
5,  wegen  des  geringen  Einflusses  der  hieraus  hervorgehenden 
Störungen,  ziemlich  gleichgültig  ist.  Wichtig  und  nötig  ist 
zu  einer  befriedigenden  Darstellung  der  empirisch  gefundenen 
Newcombschen  Glieder  die  Einführung  einer  Drehung  des  in 
der  Astronomie  üblichen  Koordinatensystems  gegen  ein  im 
Sinne  der  Mechanik  sogenanntes  absolutes  oder  besser  gesagt, 
gegen  ein  Inertialsystem  im  Sinne  der  Untersuchungen  Herrn 
E.  Andings*)  und  meiner  eigenen.^) 

Ich  hatte  mich  bei  einer  provisorischen  Rechnung,  deren 
Resultate  ich  in  der  Versammlung  der  Astronomischen  Gesell- 
schaft in  Jena^)  vortrug,  damit  begnügt,  die  Störungsfunktion 
Va  bis  auf  Glieder  zweiter  Ordnung  inklusive  in  Bezug  auf 
Neigung  und  Exzentrizitäten  zu  benutzen,  ein  Verfahren,  dessen 
Zulässigkeit  wohl  von  Anfang  an  überblickt  werden  kann,  das 
durch  die  folgenden  Mitteilungen  aber  unzweifelhaft  bestätigt 
wird.  Einen  detaillierten  Nachweis  über  diese  Rechnungen  zu 
geben,  hätte  kein  Interesse  mehr,  da  sie  jetzt  nur  noch  als 
orientierende  Grundlage  für  das  Folgende  benutzt  worden  sind. 
Ich  begnüge  mich  deshalb  hier  nur  die  damals  erhaltenen  Re- 
sultate anzugeben. 

Es  gelang  eine  durchaus  befriedigende  Darstellung  durch  die 
Einführung  von  fünfU nbekannten,  nämlich:  Neigung  Jund Knoten 
0  des  Äquators  des  EUipsoids  3  in  Bezug  auf  die  Ekliptik, 
die  zwei  Dichtigkeiten  q^  und  q^  und  schließlich  der  Rotations- 

*)  E.  An  ding,  Enzyklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften, 
Band  Via,  1906. 

*)  Über  die  sogenannte  absolute  Bewegung.  Sitzungsberichte  der 
Manchener  Akademie,  1906. 

^)  Vierte^jahrBSührift  der  Astron.  Gesellschaft,  Jahi-gang  41. 


H.  Seeliger:  Da«  Zodiakallicht.  617 

komponente  r,  welche  sich  auf  die  Orientierung  des  empiri- 
schen Koordinatensystems  der  Astronomie  bezieht  und  die 
hundertjährige  Drehung  dieses  Systems  um  eine  auf  der  Ekli- 
ptik senkrechten  Achse  bedeutet.  Es  ist  von  vornherein  nach 
der  Art,  wie  sich  die  Orientierung  des  astronomischen  Koordi- 
natensystems mit  der  Zeit  entwickelt  hat,  recht  wenig  wahr- 
scheinlich, daß  die  beiden  anderen  Rotationskomponenten  p 
und  q  außer  r  einen  nennenswerten  Betrag  haben  könnten. 
Deshalb  wurden  die  p  und  q  gar  nicht  eingeführt,  weil  sonst 
die  Zahl  der  Unbekannten  größer  als  wünschenswert  geworden 
wäre.  So  handelte  es  sich  um  die  Bestimmung  von  fünf  Un- 
bekannten aus  zehn  Bedingungsgleichungen  und  das  Über- 
wiegen der  letzteren  ist  durchaus  genügend.  Bei  der  Beur- 
teilung dieses  Überschusses  ist  es  bekanntlich  ganz  gleich- 
gültig, ob  die  darzustellenden  empirischen  Glieder  groß  oder 
klein  sind.  Eine  säkulare  Veränderung  der  Exzentrizitäten 
wird  erst  durch  die  höheren  Potenzen  von  Exzentrizität  und 
Neigung,  als  in  Betracht  gezogen  worden  sind,  erzeugt  und 
man  muß  sich  auf  die  obige  Bemerkung  beziehen,  daß  diese 
ebenfalls  von  Newcomb  abgeleiteten  Veränderungen  zunächst 
wenigstens  unberücksichtigt  bleiben  können. 

Für  die  fünf  genannten  Unbekannten  nebst  ihren  mittleren 
Fehlern  ergab  sich  nun: 

J  =  6?95  ±  0?97     0  =  40?03  ±  7?3 
^  =  (2.52  ±  0.15)  10-^>     ^  =  (2.60  ±  2.19)  10-^« 

r  =  5:693  ±i:68. 

Hierbei  wurde  angenommen,  daß  der  Äquator  des  Ellip- 
soids  5  mit  dem  Sonnenäquator  zusammenfallt. 

Für  die  Rechnung  mit  den  im  Vorigen  gegebenen  ge- 
naueren Formeln  habe  ich  nun  für  J  und  (P,  sowie  für  die 
Lage  des  EUipsoids  5  dieselben  Annahmen  gemacht,  die  eben 
erwähnt  worden  sind,  da  schon  so  ein  guter  Anschluß  an  die 
empirischen  Daten  in  Aussicht  stand.  Als  zu  bestimmende 
Unbekannte  wurde  statt  q^  und  q^  eingeführt: 


618        Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 

Für  das  Ellipsoid  3,  d.h.  a  =  0.24,  ergibt  sich,  nun: 

I  log  ^f'l^) 

Merkur  0.7889  8.7692^—10 

Venus     0.3498  7.2360«  — 10 

Erde       0.2459  6.5196h— 10 

Mars       0.1587  5.5894„— 10. 

Femer  ist: 

log  W{10)  =  1.1955n,     log  !P,  (10)  =  0.6145. 

Für  das  Ellipsoid  5  habe  ich  aus  äußeren  Gründen,  weil 
die  früheren  Rechnungen  beim  Mars  mit  einem  Näherungswert 
für  f  ausgeführt  worden  waren  und  ich  wegen  der  Kontrolle 
denselben  Wert  ftlr  f  benutzen  wollte,  angenommen  a  =  1.2235 
(früher  1.20).     Hiermit  ergibt  sich  für  Mars: 

1  =  1.2773;     log  »^(1)  =  9.5057» 
und: 

log  !^(5)  =  0.7833«;     log  W^  {X)  ==  0.5494. 

Mit  diesen  Daten  kann  nun  an  die  Ausrechnung  der  im 
Artikel  4  gegebenen  Formeln  geschritten  werden.  Diese  Aus- 
rechnung ist  nicht  ganz  einfach.  Ich  hoffe  indessen  mich  durch 
wiederholte  Kontrollen  und  wo  solche  nur  auf  diesem  Wege 
zu  erhalten  waren,  durch  doppelte  Rechnung  vor  Rechenfehlem 
geschützt  zu  haben,  so  daß  ich  die  Sicherheit  des  Endergeb- 
nisses einigermaßen  verbürgen  kann.  Die  Mitteilung  der  Einzel- 
heiten der  Rechnung  wäre  danach  wohl  überflüssig  und  ich 
führe  nur  das  Endresultat  an.  Zunächst  ist  zu  bemerken,  daß 
auch  jetzt  die  Säkularstörungen  in  den  Exzentrizitäten  voll- 
ständig unmerklich  sind.  Das  Weitere  kann  in  die  zehn  Be- 
dingungsgleichungen für  die  drei  Unbekannten  ß^y  ß^^  r  zu- 
sammengefaßt werden,  wobei  die  in  Klammem  gesetzten  Zahlen 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicbt. 


619 


Logarithmen  bedeuten  und  der  Strich  über  der  Kennziffer  eine 
Verminderung  um  10  andeutet: 


[  Merkur  [0.6505  ]  /?,  +  [0.3538» 
dn  I  Venus     [7.9629  ]  [9.2878,, 

dTjErde       [7.8418]  [9.8834„ 

[Mars       [7.9369  ]  [9.8403 


du 
dt 

dt 
"dl 


Merkur  [8.4728,] 
Venus  [8.7263  ] 
Mars       [7.9285  ] 

Merkur  [9.5404  ] 
Venus  [8.9815  ] 
Mars       [7.2369  ] 


[9.5147, 
[0.4791 
[9.7993 

[0.0809« 

[9.2588 

[9.6137» 


ß,  +  [9.3131]  r 
[7.8338] 
[8.2240] 
[8.9699] 

[9.0861] 
[8.7723] 
[8.5091] 


+  8:48  3 

—  0.05  4 
+  0.10  7 
+  0.75  3 

+  0.61  2 

+  0.60  6 

+  0.30  5 

+  0.38  1 

+  0.38  3 

—  O.Ol  5. 


Die  Gewichte  g  sind  den  von  Newcomb  angegebenen 
wahrscheinlichen  Fehlern  entsprechend  auf  ganze  Quadrat- 
zahlen abgerundet  worden. 

Von  einer  weiteren  Verbesserung  der  Größen  J  und  ^ 
habe  ich  abgesehen,  denn  es  ergibt  sich,  daü  man  eine  fast 
genau  gleiche  Darstellung  wie  frUher  erhält,  wenn  man  /?, 
der  Perihelbewegung  des  Merkurs  und  ß^  dem  Glied  im  Venus- 
knoten entsprechend  annimmt: 

log  ß^  =  0.2207 ,     log  ß^  =  8.7084 . 

Es  ist  nun  weiter  nicht  möglich  die  Quadratsumme  der 
übrigbleibenden  Fehler  merkbar,  d.  h.  die  Genauigkeit  der  vier- 
stelligen Rechnung  wesentlich  übersteigend,  zu  verkleinern  und 
man  könnte  also  mit  dem  erhaltenen  Resultat  sich  begnügen. 
Indessen  schien  es  mir  wünschenswert  die  mittleren  Fehler  der 
Unbekannten  zu  ermitteln.  Aus  diesem  Grunde  wurde  eine 
Ausgleichung  der  zehn  Bedingungsgleichungen  mit  drei  Unbe- 
kannten ausgeführt.  Diese  ergab  die  folgenden  Werte  nebst 
ihren  mittleren  Fehlern: 

/?,  =  1.654  ±  0.077 ;    ß^  =  0.0477  ±  0.0263 

r  =  5:85  ±  1:22 


620         Sitzung  der  math.-phys.  Klasse  vom  1.  Dezember  1906. 


und  nunmehr  ergibt  sich  folgende  Dai-stellung,  wobei  ich  der 
Übersichtlichkeit  wegen  die  einzelnen,  von  ß^^  ß^  und  r  her- 
rührenden Glieder  anführe  und  ihrer  Summe  die  Newcorabschen 
Daten  gegenüberstelle: 


^'d^'IErde 


ßt  /?Q  r       Rechnung     Newcomb  N—R 

(Merkur  +7:396  -0.108  +1.203  +8:49  +8:48±0:43  -OrOl  -0:01 
Venus     +0.015   -0.009  +0.040  +0.05  -0.05    0.25   -0.10  -0.10 
+0.012  -0.037  +0.098   +0.07  +0.10    0.13  +0.03  +O.01 
Mars       +0.014  +0.033  +0.546  +0.59  +0.75    0.35  +0.16  +0.19 


.    .dÜ 
sm  t  ~^- 
dt 


Merkur  -0.049  -0.016  +0.713  +0.65  +0.61    0.52   -0.04  -O.Ol 
Venus     +0.088  h  0.144  +0.346  +0.58  +0.60    0.17   +0.02     0 
Mars       +0.014  +0.030  +0.189  +0.23  +0.03    0.22  -0.20  -0.18 


di 


dt 


fMerkur  +0.574  -0.057 
Venus  +0.159  +0.009 
Mars       +0.003  -0.020 


—  +0.52  +0.38    0.80  -0.14  -0.11 

—  +0.17  +0.38.  0.33  +0.21  +0.18 

—  -0.02  -O.Ol    0.20  +0.01     0 


In  der  letzten  Rubrik  steht  noch  die  Darstellung,  wie  sie 
die  provisorische  Rechnung  geliefert  hat.  Ein  irgendwelcher 
in  Betracht  zu  ziehender  Unterschied  ist  nicht  vorhanden  und 
der  Umstand,  daß  die  frühere  Darstellung  ein  wenig  besser  ist, 
hat  keine  Bedeutung,  weil  er  sofort  verschwinden  würde,  wenn 
eine  Neubestimniung  von  i  und  0  unternommen  würde,  was 
natürlich  gegenwärtig  ein  ganz  unnötiges  Unternehmen  wäre. 

Aus  den  obigen  Zahlen  ß^  und  ß^  ergibt  sich  noch: 


^  =  2.18X10 


-H;    ^•'^=0.31X10-'* 


Die  Gesamtmasse  der  ganzen  Massenverteilung  ist  hiernach 
gleich  3.1  xlO""^  Sonnenmassen. 

Die  Dichtigkeit  der  Massen  Verteilung  ist  also  selbst  in  den 
der  Sonne  am  nächsten  liegenden  Partien  ganz  außerordentlich 
klein.  Sie  entspricht  der  Massenverteilung,  die  man  erhält, 
wenn  man  einen  Würfel  Wasser  von  weniger  als  ^/a  Meter 
Seitenlänge  in  einem  Raum  von  1  Kubikkilometer  verteilt. 


H.  Seeliger:  Das  Zodiakallicht.  621 

Was  die  Darstellung  der  Newcombschen  empirischen  Glieder 
betrifft,  so  ist  dieselbe  geradezu  überraschend  gut.  Sämtliche 
Glieder  werden  innerhalb  ihres  wahrscheinlichen  Fehlers  durch 
die   Rechnung   dargestellt   und   mit  Ausnahme   des  Gliedes   in 

sin  i-^T  bei  Mars  weit  innerhalb  des  wahrscheinlichen  Fehlers. 
dt 

Bedenkt  man  nun  weiter,  daß  diese  Darstellung  gleich  beim 
ersten  Versuche  gelungen  ist,  so  wird  man  den  erreichten  Erfolg 
wohl  kaum  nur  einem  glücklichen  Zufall  zuschreiben.  Die 
Sache  liegt  eben  so,  daß  die  gemachten  allgemeinen  Annahmen 
einen  weiten  Spielraum  für  die  speziellen  Zahlenangaben,  die 
zu  Grunde  gelegt  wurden,  gestatten.  Da  eine  Einwirkung  der 
das  Zodiakallicht  bildenden  Massen  auf  die  Bewegung  der 
inneren  Planeten  unter  allen  Umständen  stattfinden  muß  und 
man,  wie  schon  oben  erwähnt,  nur  über  die  Größe  und  Art 
dieses  Einflusses  im  Zweifel  sein  kann,  da  weiter  in  der  durch- 
geführten Rechnung  nirgends  Zahlen  auftreten,  die  nach  irgend 
einer  Richtung  Bedenken  erregen  können,  so  ist  mit  einiger 
Sicherheit  anzunehmen,  daß  die  empirischen  Glieder 
in  der  Bewegung  der  inneren  Planeten  tatsächlich  auf 
die  Massen  des  Zodiakallichts  zurückzuführen  sind. 

Wesentlich  für  die  gewonnene  Darstellung  ist  die  Lage 
des  innersten  Ellipsoides,  die  durch  J  und  0  bestimmt  ist, 
während  das  Charakteristische  in  der  Dichtigkeitsverteilung  die 
schnelle  Abnahme  der  Massendichtigkeit  ist,  die  bereits  in  den 
Gegenden,  wo  sich  die  Merkurbahn  befindet,  eingetreten  ist. 
Als  ebenso  wesentlich  für  die  Darstellung  der  empirischen  Glieder, 
mit  Ausnahme  des  die  Perihelbewegung  des  Merkur  bestimmen- 
den, hat  sich  die  Einführung  der  Rotationsgröße  r  bewährt. 
Es  war  dies  übrigens  von  vornherein  zu  erwarten.  Was  dieses 
r  betrifft,  wonach  also  eine  säkulare  Drehung  des  empirischen 
Koordinatensystems  der  Astronomie  um  das  der  Mechanik  zu 
Grunde  liegende  im  Betrag  von  5r8  ±  V,2  im  Jahrhundert 
stattfindet,  so  ist  nicht  uninteressant,  daß  sich  sein  Betrag 
gegen  die  früheren  Darstellungen  mit  Ausschluß  der  Perihel- 
bewegung und  ohne  Rücksicht  auf  die  Einwirkungen  der  Massen 


622         Sitzung  der  math.-ph js.  Klasse  vom  1.  Dezember  ld06. 

des  Zodiakallichts  nicht  unwesentlich  verkleinert  hat.  Ich  hahe 
a.  a.  0.  darauf  hingewiesen,  daß  eine  Verkleinerung  des  früher 
gefundenen  Wertes  r  =  7'5  angemessen  zu  sein  scheint.  Eine 
solche  Verkleinerung  ist  jetzt  schon  eingetreten;  es  wäre  aber 
vielleicht  möglich  diese  Verkleinerung  noch  weiter  zu  treiben 
durch  abgeänderte  Anfangsdaten,  die  ja  doch  mehr  oder  weniger 
willkürlich  waren,  was  eben  als  ein  günstiges  Zeichen  für  die 
Zulässigkeit  der  Grundlagen  dieser  Arbeit  angesehen  werden  darf. 
Die  empirischen  Glieder  in  den  Exzentrizitäten  konnten 
nicht  in  gleichem  Maße,  wie  die  übrigen,  dargestellt  werden. 
VtToUte  man  dieses  erreichen,  so  müiäte  wohl  eine  andere  und 
voraussichtlich  weniger  einfache  Anordnung  der  Massen  des 
Zodiakallichts,  wie  hier  angenommen  worden,  in  Betracht  ge- 
zogen werden.  Daß  namentlich  in  der  Nähe  der  Planeten  so 
einfache  Verhältnisse  gar  nicht  bestehen  können,  dürfte  inso- 
weit feststehen,  als  das  Zodiakallicht  als  eine  Massenanhäufung 
von  stabiler  Dichtigkeitsverteilung  angesehen  wird.  Damit 
werden  indessen  Fragen  berührt,  zu  deren  Behandlung  bisher 
noch  kein  Versuch  gemacht  worden  ist. 


tri 


Namen  -Register. 


Bunue«ter  Ludwig   219. 

Ebert  Hermann   627. 
EndrOB  Anton   297. 

Faber  Qeorg  661. 
Fiedler  Wilhelm  (Wahl)   693. 
Flemming  Walther  (Nekrolog)    468. 
Froriep  August  (Wahl)    593. 

V.  flroth  Paul    413. 

HartogB  Fritz   223. 
T.  Heigel  Karl  Theodor  42Ö.  585. 
Hartwig  Richard  219. 
Hoftnann  Karl  (Wahl)    593. 

Kleinechmidt  A.   413. 
V.  KOlliker  Albert  (Nekrolog)    441- 
Kom  Arthur   3.  37.  351. 
KOkeothal  W.   245. 

Landau  Edmund    161. 
Limbrock  H.    413. 
Larotb  Jakob   -105. 
Lutz  C.  W.   607. 

Meißner  Georg  (Nekrolog)   466. 
Mesaerscbmitt  Johann  Baptist   546. 
Hollier  Siegfried   403. 

V.  Orff  Carl  (Nekrolog)   433. 

T.  Popp  Karl  (Nekrolog)  479. 
Pringaheim  Alfred    415. 


624  Namen -Register. 

Babl  Karl  (Wahl)   593. 

Ranke  Karl  Ernst   82. 

V.  Richthofen  Ferdinand  (Nekrolog)   472. 

V.  Rohr  Moritz   487. 

Rückert  Johannes   408. 

Schmidt  Max    139. 
y.  Seeliger  Hugo   85.  595. 
Stahl  Ernst  (Wahl)   593. 
Stolz  Otto  (Nekrolog)    477. 
Struve  Otto  (Nekrolog)   439. 

Vogel  Hermann  Cari  (Wahl)   593. 
V.  Voit  Cari    433-479. 
Voß  Aurel    247. 

Weinschenk  Ernst   2. 

Wittrock  Veit  Brecher  (Wahl)   593. 


625 


Sach- Register. 


Ailditionstheorem  elliptischer  Funktionen    415. 

Alcyonaceen,  japanische    245. 

Ammoniumjod id,  KriHtalLstruktur   413. 

Anspniche  des  Präsidenten    426.  585. 

Anthropologische  Beobachtungen  aus  Zentralbrasilien    82. 

Bewegung,  absolute    85. 

Blut,  Entwicklung  bei  Wirbeltieren    403. 

Dreieckskette,  südbayerische    139. 

Druckschriften,  eingelaufene  im  Jahre  1906    1*  -39*. 

Eigenschwingungen  eines  elastischen  Ktirpers    351. 
Extreme  einer  Funktion    405. 

Fakultätsreihen,  Theorie    151. 

Flächenzerlegung  in  infinitesimale  Rhomben    247. 

Flammen kollektor,  neuer   507. 

Geschleohtsbestimmung  bei  Fröschen    219. 
GestültstäuHchungen,  geometrisch -optische    219. 
Gleichgewichtsproblem,  elastisches    37. 

Integralformel,  Cauchysche    223. 

Magnetische  Ortsbestimmungen  in  Bayern    545. 

Nekrologe   433—479. 


r 


Potentiale  von  Flltchen  und  RAnmc^n    3. 

Fotensreihen  mit  uoeniUich  vielen  Koefüzienten   561. 

PnlnUonen  von  geringer  Perioden  da  uer  iD  der  luagnetiecheit  FcldkiaA  W.  ■ 

Baomanschauuiig,  ini^Kli>''iQ  Formi'ii  Iji'i  buiilriugi)p'in  Sclieii   487. 

Säiiefer,  kristuUininchpr   2. 
Beewhwan klingen  de»  ChieinKi'es    l'Si. 

Tiui-Schan,  Prolil  dunh  ilo«  Büdliclu;  Mii:.iirt-'l'ul    413. 

Wahlen    693. 

Zodialcallicht   &9A. 


eiektrischen  Feld« 


-^ 


ta^ 


m 


5  Cm 

'endefi  Flämmenkolleh 


i 


iktrischen  Feldes 


r. 


Verzeichnis  der  im  Jahre  1906  eingelaufenen  Drucicschriften. 


Die  yerabrlicbeii  Geaellscluiften  und  Institute,  mit  welchen  unsere  Akademie  in 
Tsuschverkehr  steht,  werden  gebeten,  nachstehendes  Verzeichnis  sugleieh  als  Empflings- 
besULtigung  xu  betrachten. 

Das  Format  ist,  wenn  nicht  anders  angegeben,  80. 


Von  folgenden  GeseUsohaften  and  Instituten: 

Oeschichtsverein  in  Aachen: 
Zeitechrift.    Bd.  27.    1905. 

Historisdie  Gesellschaft  des  Kantons  Aanjau  in  Äarau: 
Argovia.   Bd.  31.    1905. 

Societe  d'Emulation  in  Äbbeville: 

Biületin  trimestriel  1903/05.    190G,  No.  1  et  2.    1903—06. 

Memoires.    Tome  21.    1906. 

Memoires.    4«  Serie,  tome  5,  partie  1  et  Table  generale  1707 — 1904.    1904. 

lioyal  Society  of  South- Australia  in  Adelaide: 

Menioirs.   Vol.  I,  part  3.    1905.    4". 
Transactions  and  Proceedings.    Vol.  XXIX.    1905. 

Observatory  in  Adelaide: 
Meteorological  Observations  of  the  years  1902/04.    1905—06.   fol. 

Südslavische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Agram: 

Ljetopis.    1905.    1906. 

Rad.    Bd.  161—164.    1905-06. 

Zbornik.    Bd.  X,  2;  XI,  1.    1905-06. 

2ivota  Biskupa.    Strossmayora  1.    1906. 

Codex  diplomaticus  regni  Croatiae.   Vol.  III.    1905.   gr.  8®. 

Rjecnik  Svezak  25,  2.    1905.    4«. 

Tl.  Kroat.-slavon.'dalmatinisches  Landesarchiv  in  Agram: 
Vjestnik.   Bd.  VIII,  Heft  1  -4.    1906.    4«. 

Kroatische  Ardiäologische  Gesellschaft  in  Agram: 
Vjesnik.   N.  Serie,  Bd.  VIII.    1906.   40. 

1 


^*  VerMeichni$  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Faeulti  de  droit  et  des  lettres  in  Aix: 
Annales.   Tome  1,  No.  4;  tome  2,  No.  1,  2.   Paris  1905—06. 

NatmrforscKende  Gesellschaft  des  Osterlandes  in  ÄUenbutg: 
Mitteilungen  aus  dem  Osterlande.   N.  F.,  Bd.  12.    1906. 

Sociile  des  Antiquaires  de  Picardie  in  Ämiens: 
Album  arch^ologique.   Fase.  14.    1905.   fol. 

Documents  in^dits  concemant  la  Province.    Tome  40,  fasc.  2.    1905.  4®. 
Bulletin.   Annee  1905,  trimestre  1—3.    1905—06. 

K,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam: 

Verhandelingen.  Afd.  Natuurkunde,  I.  Sectie,  Deel  IX,  No.  2,  8 ;  II.  Sectie, 

Deel  Xli,  No.  3,  4.    1»06.   4<>. 
Verhandelinffen.   Afd.  Letterkunde,  Deel  VI,  No.  2-5;  Deel  VllI,  No.  1,  2. 

1906.   40. 
Zittingsverslagen.   Afd.  Natuurkunde,  Teil  XIV.    1906. 
Verslagen  en  Mededeelingen.   Afd.  Letterkunde,  Deel  VII.    1906. 
Jaarboek  voor  1905.    1906. 
Prgvers:  Licinus  tonsor.    1906. 

Historischer  Verein  in  Ansbach: 
53.  Jahresbericht.    1906. 

Stadt  Antwerpen: 
Päedologisch  Jaarboek.  Jahx^.  VI,  afi.  1.   1906. 

Acadimie  des  sciences  in  Arras: 

M^moires.   2«  S^rie,  tome  35.    1905. 

Congr^s  des  Soci^tes  savantes  tenu  k  Arras  les  7 — 10  Juillet  1904.    1905. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Aschaffenburg: 
Mitteilungen  V.   Herausgegeben  1906. 

Redaktion  der  Zeitschrift  „Athena"  in  Athen: 
Athena.   Tome  18,  Heft  1.   1906. 

Ecole  frangaise  in  Athen: 
Bulletin  de  Correspondance  hell^nique.   30«  ann^e,  No.  1 — 4.   Paris  1906. 

Congres  international  d'archiologie  in  Athen: 
Comptes  rendus.    1^^  session.    1905. 

Historischer  Verein  für  Schwaben  und  Neuburg  in  Augsburg: 

Die   Herrschaftsgebiete    im   heutigen   Regierungsbezirk   Schwaben   und 
Neuburg  nach  dem  Stand  von  1801.    Historische  Karte.    1906. 

Johns  Hopkins  ünicersity  in  Baltimore: 

Studies  in  historical  and  political  Science.   Series  XXIII,   No.  11 — 12; 

Series  XXIV,  No.  1,  2.    1905—06. 
The  Johns  Hopkins  Universitj  Circulars.    1905,  No.  9;  1906,  No.  1-3. 

1905-06. 
American   Journal    of   Mathematics.    Vol.  27,   No.  4;    vol.  28,    No.  1. 

1905-06.   40. 
The  American  Journal  of  Philology.   Vol.  26,  No.  8,  4.    1906. 
American  Chemical  Journal.  Vol.  34,  No.  3—6;  vol.  35,  No.  1—4.   1905—06. 
Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital.   Vol.  17,  No.  178-189.    1906.   4<>. 
The  Johns  Hopkins  Hospital  Reports.   Vol.  XI,  No.  12.   1903-04.   4<>. 


Verzetchnia  der  eingelaufenen  Druckschriften.  3* 

Peabody  InetUute  in  BaHtimore: 

Second   Catalogue   of  the   Library.    Part  VII   S  — T;   part  VIII  V  — Z. 

1904-05.    40. 
39th  annual  Report,  June  1.    1906. 

Maryland  OeologiccU  Survey  in  Baititnore: 
Maryland  Geological  Survey.    Vol.  5.    1906. 

K,  Bibliothek  in  Bamberg: 

Katalog    der    Handschriften.      Bd.  I,    Abt.  I,    Lief.  5;    Bd.  I,    Abt.  II, 
Lief.  4,  5.    1906. 

Historischer  Verein  in  Bamberg: 
64.  Jahresbericht  für  das  Jahr  1905.    1906. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Basel: 
Verhandlungen.    Bd.  18,  Heft  2,  3.    1906. 

Historisdi-antiquaiische  Gesellschaft  in  Basel: 

Basler  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Altertumskunde.    Bd.  V,  Heft  2 ; 
Bd.  VI,  Heft  1.    1906. 

Universität  in  Basel: 

Jahresverzeichnis  der  Schweizerischen  Universitäten  1904—05.    1905. 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4<>  u.  8^. 

Societi  des  sciences  in  Bastia: 
Bulletin.    Annee  24,  trimestre  1,  4.    1905-06. 

Bataviaasch  Genootschap  van  Künsten  en  Wetenschappen  in  Batavia: 

Tijdschrift.    Deel  48,  afl.  2-6.    1905-06. 

Verhandelingen.    Deel  55,  stuk  2;  Deel  56,  stuk  2—4.    1905—06.    49, 
Notulen.    Deel  43.  afl.  1—4;  Deel  44.  afl.  1.    1905-06. 
Die  Orchideen  von  Ambon  von  J.  J.  Smith.    1905.    49. 
De  Java-Oorlog  von  1825—30.    Deel  IV.    1905.   gr.  8«. 
Rapporten  van  de  Commissie  in  Nederlandsch-Indie  voor  oudheidkundig 
onderzoek  1904.    1906.    4^. 

B,  Observatory  in  Batavia: 

Observations.   Vol.  27.    1904-06.   fol. 

Regen waarnemingen  in  Nederlandsch-Indie.   26.  Jahrg.  1904.    1905.    4fi, 

K.  Natuurkundige  Vereeniging  in  Nederlandsch-Indie  zu  Batavia: 
Natuurkundig  Tydschrift.   Deel  LXV.   Weltevreden  1905. 

Historischer  Verein  in  Bayreuth: 
Archiv  für  Geschichte.   Bd.  23,  Heft  1.    1906. 

K,  Serbische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Belgrad: 

Glas.    Vol.  70,  71.    1906. 

Spomenik.    Vol.  42,  43.    1906.    4«. 

Godisnjak.    Vol.  19  (1905).    1906. 

Etnografski  Zbomik.    Atlas  VL    1905.    4«. 

Pripowetka  o  dewojci  bez  ruku.    1906. 

Srpski  Dijalektol  Zbomik  kniga  I.    1905. 

L'Activit^  de  l'Acad^mie  Royale  Serbe  en  1905.    1906. 

J.  Cvgi6,  Osnove  za  geograph  i  geolog.   Tom.  I,  IL    1906.   4^. 

Sperliö,  Omladina.   1906. 

1* 


4^^  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Museum  in  Bergen  (Norwegen): 
G.  0.  Sars,  An  Account  of  the  Cruatacea  of  Norway.    Vol.  V,  parts  11—14. 

1906.   4®. 
Aarbog.    1906,  Heft  3;  1906,  Heft  1.  2. 
Aarsberetning  for  1905.    1906. 
A.  Appellöf,  Meeresfauna  von  Bergen.   Heft  2,  3.    1906. 

University  of  California  in  Berkeley: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1904/05  in  4^  u.  S^. 

Lick  Observaiory  in  Berkeley: 
Bulletin.    No.  99,  100.    1906.    49. 

K.  Preyß.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 

Corpus  inscriptionum  latinarum.    Vol.  13,  pars  3,  fasc.  2.    1906.    fol. 
Acta  Borussica.    Die  Behördenorganisation,  Bd.  VIII.    1906. 
Abhandlungen  aus  dem  Jahre  1905.    4^. 
Sitzungsberichte.    1905,  Nr.  39-53;  1906,  Nr.  1-38.    gr.  &^. 
Politische  Korrespondenz  Friedrichs  des  Großen.    Bd.  31.    1906. 

K.  Preufi.  Geologisüie  Landesanstalt  in  Berlin: 

Abhandlungen.    N.  F.,  Heft  41,  45,  47,  49.    1905-06.    4». 
H.   Potoniä,    Abbildungen    und    Beschreibungen    fossiler    Pflanzenreste. 
Lief.  III.    1905.   4P. 

Zentralbureau  der  internationalen  Erdmessung  in  Berlin: 
Veröffentlichungen.    N.  F.,  Nr.  12,  13.    1906.   4^. 

Deutsche  Chemische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Berichte.    38.  Jahrg.,  Nr.  18;  39.  Jahrg.,  Nr.  1  —  16,  17.    1905—06. 

Deutsche  Geologische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zeitschrift.   Bd.  57,  Heft  3,  4  (1905);  Bd.  58,  Heft  1  (1906). 

Medizinische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Verhandlungen.   Bd.  36.    1906. 

Deutsche  Physikalische  Gesellschaft  in  Berlin: 

Die  Fortschritte  der  Physik  im  Jahre  1905.    3  Bde.    Braunschweig  1906. 
Verhandlungen.     Jahrg.  6,    Nr.  24,    1904;    Jahrg.  7,    Nr.  1—24,    1905; 
Jahrg.  8,  Nr.  1—23.    Braunschweig  1906. 

Physiologische  Gesellschaft  in  Berlin: 

Zenti-alblatt  für  Physiologie.    1905,  Bd.  XIX,  Nr.  21—26;   1906,  Bd.  XX, 

Nr.  1—19. 
Verhandlungen.   Jahrg.  1905-06,  Nr.  1  —  13. 
Bibliographia  physiologica.    3.  Serie,  1905,  Bd.  1,  Nr.  3;  Bd.  2,  Nr.  2. 

K.  Technische  Hochschule  in  Berlin: 
Wissenschaftliche  Arbeiten  auf  schiffbautechnischen  Gebieten  von  Rektor 
Flamm.    1906.    4». 

Kaiserlich  Deutsches  Archäologisches  Institut  in  Berlin: 
Jahrbuch.   Bd.  XX,  Heft  4;  Bd.  XXI,  Heft  1-3.    1906.   40. 

Institut  für  Gärungsgewerbe  in  Berlin: 
Verhandlungen  der  34.  Plenarversammlung  des  deutschen  Landwirtschafts- 
rates 1906. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druekachriften,  b* 

Kolonial' Abteilung  des  auatoärtigen  Amte  in  Berlin: 

Bericht  Qber  die  Grenzvermessun^  zwischen  Deutsch-Südwestafrika  und 
Britisch-Betchuanaland.    1905.    fol. 

K,  Preufi,  Meteorologischea  Institut  in  Berlin: 

Deutsches  meteorologisches  Jahrbuch  fiir  1904  und  1905.  Heft  1:  Preußen 
und  benachbarte  Staaten.    Jahrg.  1905,  1906.    49. 

P>gebni8se  der  meteorologischen  Beobachtungen  in  Potsdam  im  Jahre  1902. 
1905.    4«. 

Ergebnisse  der  magnetischen  Beobachtungen  in  Potsdam  im  Jahre  1901. 
1905.    40. 

Ergebnisse  der  Niederschlagsbeobachtungen  im  Jahre  1902  von  G.  Hell- 
mann.   1905.    4<>. 

Die  Niederschläge  in  den  norddeutschen  Stromgebieten  von  G.  Hell- 
mann.   3  Voll.    1906.    gr.  8^ 

Ergebnisse  der  Beobachtungen  an  den  Stationen  11.  und  III.  Ordnung  im 
Jahre  1900.    1906.    40. 

Redaktion  des  „Jahrbuch  über  die  Fortschritte  der  Mathematik'^  in  Berlin 
Jahrbuch.    Bd.  34,  Heft  3;  Bd.  35,  Heft  1,  2.    1906. 

Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  preufl,  Staaten 

in  Berlin: 

Gartenflora.   Jahrg.  1906,  Nr.  1—24. 

Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  in  Berlin: 

Forschungen  zur  Brandenburgischen  und  Preußischen  Geschichte.  Bd.  XIX, 
1.  und  2.  Hälfte.    Leipzig  1906. 

Zeitschrift  für  Instrumentenkunde  in  Berlin: 
Zeitschrift.    26.  Jahrg.,  Nr.  1—12.    1906.    49. 

Schweizerische  Naturforschende  Gesellschaft  in  Bern: 
Verhandlungen  in  Luzem  10.— 13.  September  1905.   Luzem  1906. 

Schweizerische  Geodätische  Kommission  in  Bern: 

Bericht  der  Abteilung  für  Landestopographie  über  die  Arbeiten  1893 — 1903. 
Zürich  1905.    4*. 

R.  Accademia  delle  Scienze  delV  Istituto  di  Bologna: 

Memorie.   Serie  VI,  tomo  2.    1905.   4^. 
Rendiconto.   N.  Serie,  vol.  9  (1904-05).    1905. 

R.  Deputazione  di  storia  patria  per  le  Provincie  di  Romagna 

in  Bologna: 

Atti  e  Memorie.    Serie  III,  vol.  23,  fasc.  4—6;  vol.  24,  fasc.  1—3.    1905—06. 

Osservatorio  astronomico  e  meteorologico  in  Bologna: 
Osservazioni  meteorologiche  delV  annata  1904.    1905.    4®. 

Niederrheinische  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  in  Bonn: 
Sitzungsberichte.    1905,  2.  Hälfte;   1906,  1.  Hälfte. 

Universität  in  Bonn: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4^  u.  8^. 


6*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Verein  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande  in  Bonn: 
Bonner  Jahrbücher.   Heft  113.    1906.    i^. 

Naturhistorischer  Verein  der  preußischen  Rheinlande  in  Bonn: 
Verhandlungen.    62.  Jahrg.  1905,  2.  Hälfte ;  63.  Jahrg.  1906,  1.  Hälfte. 

Sociite  d€s  sciences  physiques  et  naturelles  in  Bordeaux: 

Proces-verbaux  1904/05.    1905. 

Observations  meteorologiques  1904/05.    1905. 

Table  g^n^rale  des  matieres  1850-1900.    1905. 

SociStS  de  glographie  commerciiüe  in  Bordeaux: 
Bulletin.    1906,  No.  1—6,  9-22. 

American  Academy  of  Arts  and  Sciences  in  Boston: 

Proceedings.   Vol.  41,  No.  14—35;  vol.  42,  No.  1  -12.    1906. 
Memoire.   Vol.  XIII,  No.  3.    1906.   4P, 

Massachusetts  General  Hospital  in  Boston: 
Publications.   Vol.  1,  No.  2.    1906. 

Boston  Society  of  natural  History  in  Boston: 

Proceedings.    Vol.  32,  No.  3-12;  vol.  33,  No.  1,  2.    1905—06. 
Occasional  Papers.   VII  Fauna  of  New  England.    No.  4—7.    1905—06. 

Oeschichtsverein  in  Braunschweig: 

Braunschweigisches  Magazin.   Jahrg.  1905.    4®. 
Jahrbuch.    4.  Jahrg.    Wolfenbüttel  1905. 

Verein  für  Naturwissenschaft  in  Braunschweig: 
14.  Jahresbericht  über  die  Jahre  1903/04  und  1904/05.    1906. 

Meteorologisches  Observatorium  in  Bremen: 

Deutsches  Meteorologisches  Jahrbuch   1905.    Freie  Hansastadt  Bremen. 
1906.   4«. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Bremen: 
Abhandlungen.    Bd.  XVIII,  Heft  2.    1906. 

Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur  in  Breslau: 
83.  Jahresbericht  im  Jahre  1905.    1906. 

Deutscher  Verein  für  die  Geschichte  Mährens  und  Schlesiens  in  Brunn: 
Zeitschrift.   X.  Jahrg.,  Heft  1—4.    1906. 

Naturforschender  Verein  in  Brunn: 

Verhandlungen  der  meteorologischen  Kommission  im  Jahre  1903.    1905. 
Verhandlungen.   Bd.  43,  1904.    1905. 

Mährisches  Landesmuseum  in  Brunn: 

Casopis.    Bd.  VI,  1,  2.    1906. 
Zeitschrift.   Bd.  VI,  1,  2.    1906. 

Acadimie  RoyaJe  de  mSdecine  in  Brüssel: 

M^moires  couronnes    CoUection  in  8^  tom.  18,  fasc.  10;  tom.  19,  fasc.  1.  1906. 
Bulletin.   IV«  Serie,  tome  19,  No.  9,  10;  tome  20,  No.  1-8.    1906. 


VerMtkhnis  der  eingelaufenen  Druekeehriften.  7* 

AcadSmie  Boyale  des  scienees  in  Brüssel: 

La  Chronique  de  Saint-Hubert  publiee  par  Karl  Hanquet.    1906. 
Recueil  de  Documenta  rel.  k  Thistoire  de  Vlndustrie  drapiere  au  Flandre. 

1906.   40. 
Biographie  nationale.    Tome  XVIII,  fSEisc.  2.    1905. 
Annuaire  1906. 
Bulletin,   a)  Glaase  des  lettres  1905,  No.  9—12;  1906,  No.  1—8. 

b)  Classe  des  sciences  1906,  No.  9—12;  1907,  No.  1—8. 
M^moires.    Classe  des  lettres.    Collection  in  8®,  tome  I,  fasc.  6. 
Cartulaire  de  l'Abbaye  du  Val-Benoit  publie  par  J.  Cuvelier.    1906.    4®. 
Biographie  nationale.   Tome  18,  fasc.  2. 
Inventaire  analjtiqne  des  chartes  de  la  coll^ale  de  Saint-Pierre  ä  Li^e 

par  Ed.  Poncelet.    1906. 
Inventaire   de  la   ,Librairie*   de  Philippe   le   Bon  (1420)  par  Georges 

Doutrepout.    1906. 

Bibliothique  Boyale  in  Brüssel: 
Catalogue  des  manuscrits.   Tome  IV,  V.    1904 — 05. 

Ohservatoire  Bayale  in  Brüssel: 

Annales.   N.  S^rie.   Physique  du  globe.    Tome  3,  fasc.  1.    1906.   4®. 

Resultats  du  Voyage  de  S.  Y.  Belgica  au  1897—99.  Rapports  scientifiques. 
Zoologie  13  fasc.  —  Botanique  3  fasc.  —  Meteorologie  3  fasc.  — 
Hydrographie  1  fasc.  avec  cartes,  publ.  par  G.  Lecointe,  Directeur 
scientifique.    Anvers  1903 — 06.    4**. 

SociHS  des  Böllandistes  in  Brüssel: 
Analecta  Bollandiana.    Tome  26,  fasc.  1—4.    1906. 

SocUU  entomologique  de  Belgique  in  Brüssel: 

Annales.   Tome  49.    1905. 

Memoires.   XII,  XIII,  partie  1  und  2.    1906. 

SocUti  giologique  de  Belgique  in  Brüssel: 
Bulletin.    Tome  XIX,  fosc.  3—5;  tome  XX,  fasc.  1,  2.    1906. 

K,  Ungarische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Budapest: 
Die  im  Jahre  1905/06  erschienenen  Schriften  der  Akademie  in  49  und  8®. 

K,  Ungarische  Geologische  Anstalt  in  Budapest: 

Mitteilungen.   Bd.  XIV,  Heft  4  u.  5;  Bd.  XV,  Heft  2.    1905-06. 
Földtani  Közlöny.    Bd.  35,  Heft  8—12;  Bd.  36,  Heft  1-5.    1905—06.    4«. 
Jahresbericht  für  1903  und  1904.    1905—06.   40. 

Erläuterungen   zur   agrogeologischen    Karte.     Sektionsblatt   ^  .    y^ti  * 

1905.   40. 
A  Magyar  Kir.  földtani  int^zet  evkönyve.   Bd.  XIV,  5.    1905. 

Statistisches  Bureau  der  Haupt-  und  Besidenzstadt  Budapest: 

Publikationen.   Vol.  XXXI V  u.  XXXVI.    1905-06.   4«. 
Statistisches  Jahrbuch.    VII.  Jahrg.  1904.    1906.   4<>. 

K.  Ungarische  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  in  Budapest: 

Term^zettudomdnyi  Könivkiadö-vdllarat.   No.  LXXV,  LXXVI.    1905. 
Otto  Hei  man,  Recensio  critica  of  the  doctrine  of  Bird-migration.    1905.   4^. 
Nuricsän  Jözsef,  Utmutatö  a  chemiai  Eiserletezösben.    1906. 


8*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Museo  nacioncU  in  Buenos  Aires: 
Annales.    Series  III,  tome  5.    1905.    49. 

Botanischer  Garten  in  Buitenzorg  (Java): 
Bulletin  de  l'Infltitut  botanique.    No.  19,  22.    1904-05.    4. 

Departement  de  VagricuHnre  in  Buitenzorg  flava): 

Bulletin.   No.  1,  2.    1906.    4». 

Verals^  1905.    1906.    40. 

Tweede  Verslaj?  van  de  Selectie-Proeven  met  de  Natal-Indigoplant,  door 

G.  Wilbrink.    1906. 
Mededeelingen.   No.  2.    1906.   4. 

Äcademia  Romana  in  Bukarest: 

Analele.    Parte  a  administrativa.    Serie  II,  tome  27,  1904—05.    1905.   4^. 
,  Memoriile  sectiunii  literare.  Serie  II,  tome  27,  1904—05.  1905.  4®. 

„       gtiin^ifice.  Ser.II,tom.27,  1904—05.    1905.  4«. 
istorice.  Serie  II,  tome  27,  1904-05.  1905.  4» 
Bibliografia  Roman easca.    Tome  2,  fasc.  1.    1905.   4^. 
Discursuri  de  receptiune.    XXVII.    1905.    4®. 
Istoria  romana  de  Titus  Livius.    Tome  3,  fasc.  1.    1904. 
Finatele  Romaniei  1831-1905  de  Th.  C.  Aslan.    1905. 


Basme  Aromäne  de  Per  Papaha^i.    1905. 
L'activit^  de  TAcad^mie  Roumame  de  18 


1884  k  1905.    1905. 

SociHS  lAnnienne  de  Normandie  in  Gaen: 
Bulletin.    5«  Serie,  vol.  8,  annee  1904.    1905. 

Institut  Jßgyptien  in  Cairo: 
Bulletin.   IV«  S^rie,  No.  5,  fasc.  3—6;  No.  6,  fasc.  1,  2.    1904—05. 

Meteorological  Department  of  the  Ghvernment  of  India  in  Calcutta: 

Memoirs.    Vol.  XX,  part  1.    1906.    4. 

Monthly  Weather  Review.   May-Dec.  1905,  Jan.-April  1906.   1905-06.  fol. 

India  Weather  Review.    Annual  Summary  1904.    1906.    fol. 

Rainfall  Data  of  India  for  1903  and  for  1904.    1906.    fol. 

Report  on  the  Administration  in  1905—1906.    1906.    fol. 

Department  of  Agriculture  in  Calcutta: 
Memoirs.   Vol.  1,  No.  1-4.    1906.   4». 

Royal  Äsiatic  Society  of  Bengali  in  Calcutta: 

Bibliotheca  Indica.   New  Series,  No.  1128— 1138,  1140,  1141,  1144—1148. 

1905— fi6. 
Memoirs.   Vol.  I,  No.  1—9.    1905—06.   4P. 
Journal  and  Proceedings.   Vol.  I,  No.  5 — 10  and  Extra  Number;   vol.  II, 

No.  1—5.    1905. 

Office  of  Superintendent  of  Chvernment  Printing  in  Calcutta: 

Annual  Report  of  the  Imperial  Department  of  Agriculture  for  the  year 

1904/05.    1906.   40. 
Memorandum  of  the  Age  Tables  and  Rates  of  Mortality  of  the  Indian 

Census  of  1901.    1905.   fol. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  9* 

GecHogicdl  Survey  of  India  in  CcUcutta : 

Records.    Vol.  XXXII,   part  4;    vol.  XXXIII,   partl— 4;    vol.  XXXIV, 

part  1,  2.    1905-06.    49. 
Paläontologica  Indica.    Serie  XV,  vol.  V;  Meinoir  No.  1.    1906.    fol. 

Board  of  scientific  advice  for  India  in  Cälcutta: 
Annual  Report  for  the  year  1904/05.    1906.   49. 

Museum  of  comporative  Zoology  at  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass.: 

Bulletin.    Vol.  43,  No.  4;  vol.  46,  No.  12—14;  vol.  48,  No.  2,  3;  vol.  49, 

Nr.  3,  4;  vol.  50,  No.  1—5.    1906. 
Memoirs.    Vol.  30,  No.  3;  vol.  33.    1906.    4^. 

Astronomicdl  Ohservatory  of  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass.: 

60*J>  annual  Report  1904/05.    1905. 

Annais.    Vol.  39,  part  2;  vol.  53,  No.  10;  vol.  58,  part  2;  vol.  60,  part  1,  2. 

Edw.  C.  Pickerinj?,  Oration  on  the  Aimes  of  an  Astronomer.    1906. 

An  international  Southern  Telescope.    By  Edw.  C.  Pickering.    1906. 

Circular.    No.  105—118. 

Telegraphic  Cipher  Code.    1906. 

Harvard  Unioersity  in  Cambridge,  Mass.: 
Harvard  Oriental  Series.   Vol.  VII,  VIII.    1905.   40. 

Observatory  in  Cambridge: 
Annual  Report  for  1905/06.    1906.   4«. 

Phüosophical  Society  in  Cambridge: 

Proceedings.    Vol.  13,  part  4—6.    1906. 
Transactions.   Vol.  22,  No.  7—10.    4«. 

Geological  Commission  in  Capetown: 
Map.   Sheet  I.    1906. 

British  South  Äfrica  Company  in  Capetown: 

Geological  Survey  of  South  Africa.    Vol.  III.    1906.    fol. 
Report  for  1905.    1906.    4«. 

Accademia  Oioenia  di  scieme  n<Uuräli  in  Catania: 

Atti.   Serie  IV,  vol.  18.    1905.    4®. 

Bollettino  menaile.   Nuova  Serie,  fasc.  87—91.    1906. 

Societä  di  storia  patria  per  la  Sicilia  Orientale  in  Catania: 
Archivio.    Anno  II,  fasc.  3,  1905;  anno  111,  fasc.  1 — 3.    1906. 

Physikalisch-technische  Beichsanstalt  in  Charlottenburg: 

Die  Tätigkeit  der  physikalisch- technischen  Reichsanstalt  im  Jahre  1905. 
Berlin  1906.    4«. 

K.  Sächsisches  Meteorologisches  Institut  in  Chemnite: 

Dekaden-Monatsberichte  1904.   Jahrg.  VII.    1905.    fol. 
Deutsches  Meteorologisches  Jahrbuch  für  1901.    1905.   49. 
Paul  Schreiber,  Studien  über  Erdbodenwärme.    1905.   4<>. 

John  Crerar  Library  in  Chicago: 
11.  annual  Report  for  the  year  1905.    1906. 


lO*"  Vereeiehnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Field  Columbian  Museum  in  Chicago: 
Publications.    No.  102,  104,  106—114,  116.    1906-06. 

Üniversüy  in  Chicago: 

The  Decennial  Publications.    G.  B.  Foster,  The  Pinality  of  the  Christian 
religion.    1906. 

Videtiskabsselskabet  in  Christiania: 

Forhandlinger.   Aar  1905.    1906. 

Skrifter.    1905, 1.  math.-naturwiss.  Elasse;  II.  histor.-filos.  Klasse.  1906.  4*. 

The  Nortoegian  North  Polar  Expedition  in  Christiania: 
Scientific  Results.  Vol.  5.    1906.    4». 

Historisch-antiquarische  Gesellschaft  für  Qraubünden  in  Chur: 
XXXV.  Jahresbericht.   Jahrg.  1905.    1906. 

Naturforschende  Gesellschaft  für  Ghraübünden  in  Chur: 
Jahresbericht.    N.  F.,  Bd.  48,  Jahrg.  1906—06.    1906. 

Lloyd  Library  in  CineinntUi: 

Mycological  Notes.    No.  19—23. 

Index  of  the  Mycological  Writings  of  C.  G.  Lloyd.   Vol.  I.    1898—1905. 

C.  G.  Lloyd,  The  Tylostomeae.    1906. 

University  of  Cindnnati: 

Record.   Series  I,  vol.  2,  No.  4-16;  Series  II,  vol.  2.  No.  2.    1905-06. 
University  Studies.    Series  II,  vol.  1,  No.  4;  vol.  2,  No.  1.    1905. 

University  of  Missouri  in  Columbia: 
Bulletin  of  Laws  Observatory.   No.  7.    1905.    4*>. 

SociHi  storica  in  Como: 

Periodico.   No.  61-64  und  2  Hefte.   Indici  1904.   gr.  ^. 

VoL  1—17.    1906.   40. 
Raccolta.   Vol.  1-5.    1906.   40. 

Äcademia  nacional  de  ciencias  in  Cordoba  (Bepublik  Argentinien): 
Boletfn.   Tome  18,  centr.  1,  2.   Buenos  Aires  1905. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Dansig: 
Schriften.   N.  F.,  Bd.  11,  Heft  4.    1906. 

Westpreufiiseher  Geschiehtsverein  in  Dansig: 

Quellen   und  Darstellungen  zur  Geschichte  Westpreußens.   Nr.  6.    1906. 
Mitteilungen.   5.  Jahrg.  1906,  Nr.  1—4. 

K,  Gouvernement  von  Deutseh-Ostafrika  in  Dar-es-Scdttm: 

Berichte  über  Land-  und  Forstwirtschaft  in  Deutsch-Ostafnka.    Bd.  2, 
Heft  7  u.  8;  Bd.  3,  Heft  1.   Heidelberg  1906. 

Historischer  Verein  für  das  Großhersogtum  Hessen  in  Darmstadt: 

Archiv  fQr  hessische  Geschichte.    N.  F.,  Bd.  IV,  Heft  2   u.  Ergänzungs- 
band II,  4;  in,  1.    1906. 
Quartalblätter.   Bd.  III,  Nr.  17-20;  Bd.  IV,  Nr.  1,  2.    1905-06. 


Verzeiehfiis  der  eingelaufenen  Drueksehriften.  H* 

Commigsion  ghdisique  nierlandaise  in  Delß: 

Determination  de  longitude  et  d'azimut  dans  les  Pays-Bas.    1904.   4®. 
Determination  de  la  longitude  de  la  latitude  et  d'un  azimut  h  Ubags- 
berg  en  1893.    1905.    4®. 

Colorado  Scientific  Society  in  Denver,  Colorado: 
Proceedings.   Vol.  VIII,  p.  71—182.    1906. 

Verein  für  Änhaltische  Geschichte  in  Dessau: 
Mitteilungen.   Bd.  X,  Heft  3.    1906. 

Umon  giographique  du  Nord  de  la  France  in  Douai: 
Bulletin.    Tome  31,  trimestre  1,  2.    1906. 

K,  Sächsicher  Ältertumsverein  in  Dresden: 
Neues  Archiv  fQr  sächsische  Geschichte.   Bd.  XXVII.    1906. 

K.  Sächsisches  Meteorologisches  Institut  in  Dresden: 

Deutsches  Meteorolog.  Jahrbuch  für  1902.    Königreich  Sachsen.    1906.  4®. 
Dekaden-Monatsberichte.   Jahrg.  VIII,  1905.    1906.   fol. 

Verein  für  Erdkunde  in  Dresden: 
Mitteilungen.    1906,  Heft  2;  1906,  Heft  1,  2. 

Royal  Irish  Academy  in  Dublin: 

Proceedings.  Vol.  XXVI,  Section  A,  part  1 ;  Section  B,  part  1—6;  Section  C, 

part  5—9.    1906. 
Transactions.  Vol.  XXXIII,  Section  A,  part  1 ;  Section  B,  part  1,2;  Section  G, 

part  1—4.    1906.    4®. 

Royal  Society  in  Dublin: 

The  economic  Proceedings.   Vol.  I,  part  7,  8.    1906. 

The  scientiüc  Proceedings.   Vol.  XI,  No.  6-12.    1906. 

The  scientific  Transactions.    Series  II,  vol.  IX,  part  2,  3.    1906.    4**. 

Pollichia  in  Dürkheim: 
Festschrift  zum  80.  Geburtstage  des  Geheimrats  Georg  von  Neumayer.  1906. 

American  Chemical  Society  in  Easton,  Pa,: 
The  Journal.   Vol.  28,  No.  1—12. 

Royal  Society  in  Edinburgh: 

Proceedings.    Vol.  24;   vol.  25,  part  1,  2;  vol.  26,  part  1—5.    1903-06. 
Transactions.  Vol.  40,  part  3,  4;  vol.  41,  part  1,  2;  vol.  43.   1903-05.  4<>. 

Oeologieal  Society  in  Edinburgh: 
Transactions.   Vol.  8,  part  3.    1906. 

Seottish  Microscopical  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.   Vol.  4,  No.  2,  3.    1906. 

Royal  Physical  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.    Vol.  16,  No.  4—7.    1906. 

Verein  für  Geschichte  der  Grafschaft  Mansfeld  in  Eideben: 
Mansfelder  Blatter.    20.  Jahxg.  1906. 


12*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Natur  forschende  Gesellschaft  in  Emden: 
89.  Jahresbericht  für  1903/04.    1905. 

K,  Universitätsbihliothelc  in  Erlangen: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4«  u.  8^ 

Reale  Accademia  dei  Georgofili  in  Florenz: 
Atti.    Serie  V,  vol.  2,  disp.  3,  4;  vol.  3,  disp.  1—3.    1905—06. 

Biblioteca  Nazionale  Centrale  in  Florenz: 
Indici  del  Bollettino  della  Pubblieazioni  italiane  per  il  e  1905.    1905. 

Societä  Asiatica  Italiana  in  Florenz: 
Giornale.    Vol.  18.    1905. 

Senckenhergische  Naturforschende  Gesellschaft  in  Frankfurt  a,  M.: 

Abhandlungen.    Bd.  30,  Heft  1,  2.    1906.    4». 
Bericht.    1906. 

Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  in  Frankfurt  a.  M,: 
Geschichte  der  Musik  in  Frankfurt  a.  M.    Von  Carolina  Valentin.    1906. 

Physikalischer  Verein  in  Frankfurt  a.  M,: 
Jahresbericht  für  1904/05.    1906. 

Naturwisssenschaftlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  0.: 
Helios.    Bd.  23.    Berlin  1906. 

BreisgaU'Verein  Schau-ins-Land  in  Freiburg  i.  Br,: 

,Schau-ins-Land.*    32.  Jahrlauf  1905;   33.  Jahrlauf  1906,  I.  u.  II.  Halb- 
band,   fol. 

Kirchengeschichtlicher  Verein  in  Freiburg  i.  Br.: 

Freiburger  Diözesan-Archiv.   N.  F.,  Bd.  VIT.    1906. 

Universität  in  Freiburg  i.  Br.: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4<>  u.  8^ 

Observatoire  in  Genf: 

L'eclipse  totale  de  soleil  du  30.  Aoöt  1905. 
Resume  m^teorologique  de  l'annt^e  1904.    1905. 

Sociiti  d^histoire  et  d*archSologie  in  Genf: 

Memoires  et  Documents.    II®  Serie,  iome  9  et  10.    1900. 
Memoires  et  Documents.    Särie  in  4^,  tome  3.    1906.    4^. 

Universität  in  Genf: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4<>  u.  8^. 

SociHi  de  physique  et  d'histoire  naturelle  in  Genf: 
Memoires.    Vol.  35,  fasc.  2.    1906.    4<>. 

Societä  Ligure  di  storia  patria  in  Genua: 
Giornale  storico.    Anno  VIT,  fasc.  1  —  12.   La  Spezia  1904. 

Oberhessische  Gesellschcrft  für  Natur-  und  Heükunde  in  Gießen: 
Bericht.   N.  F.    Medizinische  Abteilung,  Bd.  1.    1906. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  IS* 

Universität  in  Gießen: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4«  u.  8<>. 

Oberhessischer  Geschichtsverein  in  Gießen: 
Mitteilungen.    N.  F.,  Bd.  14.    1906. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Görlitz: 
Abhandlungen.    Bd.  XXV,  Heft  1.    1906. 

Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Görlitz: 

Neues  Lausitzisches  Magazin.    Bd.  81  u.  82.    1905  —  06. 

Codex  diplomaticus  Lusatiae  superioris.    TU.  Bd.,  1.  u.  2.  Heft.    1906. 

Fritz  Rauda,  Die  mittelalterliche  Baukunst  Bautzens.    1905.    4^. 

Felix  Möschler,  Gutsherrlich-bäuerliche  Verhältnisse  in  der  Oberlausitz.  1906. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 

Göttingische  Gelehrte  Anzeigen.    1905,  Nr.  12;    1906,  Nr.  1—11.    Berlin. 

gr.  80. 
Abhandlungen.   N.  F.    a)  Philol.-hist.  Klasse.   Bd.  VI,  Nr.  4. 

b)  Math.-phys.  Klasse.  Bd.  IV,  Nr.  5.  Berl.  1906.  4^. 
Nachrichten,   a)  Philol.-hist.  Klasse.    1905,  Heft  4  Beiheft;  1906,  Heft  1—3. 

b)  Math.-phys.  Klasse.    1905,    Heft  4,   5;    1906,   Heft  1—4. 
Berlin.    4^. 

c)  Geschäftliche  Mitteilungen.    1905,  Heft  2;  1906,  Heft  1. 
Berlin.    49. 

Karl  Friedrich  Gauß-Werke.    Bd.  VII.    1906.    49, 

Göttinger  Vereinigung  zur  Förderung  der  angewandten  Physik 

in  Göttingen: 

Die  physikalischen  Institute  der  Universität  Göttingen.   Leipzig  1906.    4^. 

Scientific  Laboratories  of  Denison  üniversity  in  Granvüle,  Ohio: 
Bulletin.   Vol.  XIII,  p.  35—130.    1905—06. 

Historischer  Vei'ein  für  Steiermark  in  Graz: 

Steirische  Zeitschrift.    1.  Jahrg.,  Heft  1—4, 1903;  3.  Jahrg.,  Heft  1—4,  1905. 
Urkundenbuch  des  Herzogtums  Steiermark.    Bd.  III.    1903. 
Beiträge  zur  Erforschung  steirischer  Geschichte.  33.  u.  34.  Jahrg.  1904—05. 
Beiträge  zur  Kunde  steiermärkischer  Geschichtsquellen.    32.  Jahrg.    1903. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Steiermark  in  Graz: 
Mitteilungen.    Jahrg.  1905,  Heft  42.    1906. 

Rügisch-Pommerscher  Geschichtsverein  in  Greifswald: 
Pommersche  Jahrbücher.    Bd.  7.    1906. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Neu- Vorpommern  in  Greifswald: 
Mitteilungen.    37.  Jahrg.  1905.    Berlin  1906. 

K,  Instituut  voor  de  Tadl-,  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch- 

Indie  im  Haag: 

Bijdragen.    VII.  Reeks,  Deel  5,  afl.  1—4.    1906. 

Departement  van  Kolonien  im  Haag: 

Description   geologique  de  l'lle  d'Ambon   par  R.  D.  M.  Verbeck.    Text 
und  Atlas,    l^tavia  1905.   (Atlas  in  foL) 


14'*'  Verseiehnis  der  eingelaufenen  Druekeehriften, 

Musee  Teyler  in  Haarlem: 
Arcliives.    Serie  II,  vol.  10,  partie  1  u.  2.    1905—06.   49. 

Teylers  tweede  Genootachap  in  Haarlem: 
Verhandelingen.    N.  Reeks,  Deel  VI  u.  VII.    1905—06. 

SociM  Hdlandaise  des  Sciences  in  Haarlem: 

Archives  Neerlandaises  des  sciences  exactes.  S<^r.  II,  tome  11,  livr.  1 — 5.  1906. 
Natuurkundige Verhandelingen.  3®  Verzameling,  l)eelVl,2<^«8tuk.  1906.  49. 

Nova  Scütian  Institute  of  Science  in  Halifax: 
The  Proceedings  and  Transactions.   Vol.  XI,  part  1  u.  2.    1901,  1906. 

Historisüier  Verein  für  Württembergisch-Franken  in  Schwäbisch- Hall: 
Württembergisch-Franken.    N.  F.,  IX.    1906. 

K.  Leopoldinisdi-Karolinische  Deutsche  Akademie  der  Naturforseher 

in  Halle: 

Leopoldina.    Heft  41,  Nr.  12,  1906;  Heft  42,  Nr.  1—10,  1906. 
Nova  Acte.    Bd.  82—84.    1904-05.   4«. 
Katelog  der  Bibliothek.   Bd.  3,  Lief.  1.    1905. 

Deutsdie  Morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 

Zeitechrift.    Bd.  59,  Heft  4;  Bd.  60,  Heft  1—8.    Leipzig  1905—06. 
Abhandlungen  für  die  Kunde  des  Morgenlandes.  Bd.  XII,  Nr.  2.  Leipzig  1906. 

Universität  Halle: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4^  u.  8®. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Sachsen  und  Thüringen  in  Halle: 
Zeitschrift  für  Naturwissenschaften.    78.  Bd.,  Heft  1—3.    Stuttgart  1906. 

Thüringisch-Säc/isischer  Verein  für  Erforschung  des  vaterländisd^en 

Altertums  in  Halle: 

Neue  Mitteilungen.   Bd.  22,  Heft  8.    1906. 

Mathematische  Gesellschaft  in  Hamburg: 
Mitteilungen.   Bd.  IV,  Heft  6.   Leipzig  1906. 

DeiUsche  Seewarte  in  Hamburg: 
27.  u.  28.  Jahresbericht  för  1904  u.  1905.    1905—06.    gr.  S^. 

Sternwarte  in  Hamburg: 
Mitteilungen.   Nr.  8,  10.    1905. 

Verein  für  hamburgische  Geschichte  in  Hamburg: 
Mitteilungen.   25.  Jahrg.  1905.    1906. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Hamburg: 
Verhandlungen.   III.  Folge,  Bd.  13.    1906. 

Historischer  Verein  für  Niedersachsen  in  Hannover: 
Zeitechrift.   Jahrg.  1905,  Heft  3,  4;  Jahrg.  1906,  Heft  1—4. 

Großherzogliche  Sternwarte  in  Heidelberg: 
Mitteilungen.   Nr.  VU— IX.  Leipzig  1906. 


Vereeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  \h* 

Universität  Heidelherg: 

Theodor  Curtius,  Robert  Bunsen  als  Lehrer  in  Heidelberg.    1906.   4^. 

Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4»  u.  8®. 

Aus  alter  u.  neuer  Zeit  der  Heidelberger  Bibliothek.  Rede  von  J.  Wille.  1906. 

Historisch-philosophischer  Verein  in  Heidelherg: 
Neue  Heidelberger  Jahrbücher.   Jahrg.  XIV,  Heft  2.    1906. 

Naturhiiftorisch'medizinischer  Verein  in  Heidelberg: 
Verhandlungen.   N.  F.,  Bd.  VIIT,  Heft  2.    1905.   gr.  8<>. 

lieichslimeskommission  in  Heidelherg: 

Der  obergermanisch -rätische  Limes  des  Römerreiches.  Lief.  26  u.  27. 
1906.   40. 

Astronomisches  Institut  in  Heidelherg: 

Bestimmung  der  Längendifferenz  der  Großherzoglichen  Sternwarte  bei 
Heidelberg  und  der  Universitäts-Sternwarte  in  Straßburg  i.  E.  Karls- 
ruhe 1906.   4P. 

Commission  gSologique  de  Fintdande  in  Helsingfors: 
Bulletin.   No.  16.    1905. 

Finnlänäisclie  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Helsingfors: 
Acta.   Vol.  32.    1906.   4^. 
öfversigt  47.    1905. 
Bidrag  tili  kännedom  af  Finnlands  Natur  och  Folk.    Heft  63.    1905. 

Institut  metiorologique  cefüral  in  Helsingfors: 
Observations  m^t^orologiques  1895/96.    1906.   fol. 

Societas  pro  Fauna  et  Flora  Fennica  in  Helsingfors: 

Acta.    Vol.  6  (1889),  21-23,  25,  27,  28.    1902—06. 
Meddelanden.    Vol.  28,  29,  31,  32.    1902-06. 

Sodete  de  giographie  de  Finhlande  in  Helsingfors: 
Fennia.   VoL  19—22.    1903—05. 

Universität  Helsingfors: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4^  u.  B9. 

Verein  für  siehenbärgische  Landeskunde  in  Hermannstadt: 
Archiv.   N.  F.,  Bd.  XXXIH,  1-4.    1905-06. 

Siehenhürgischer  Verein  für  Naturwissenschaften  in  Her  mannst  adt: 
Verhandlungen  und  Mitteilungen.    Bd.  54,  Jahrg.  1904.    1906. 

Verein  für  Sadisen-Mevningische  GeschicfUe  in  Hildburghausen: 
Schriften.   Heft  52.    1906.   gr.  QP. 

Ungarischer  Karpathen- Verein  in  Iglö: 
Jahrbuch.    33.  Jahrg.  1906. 

Historischer  Verein  in  Ingolstadt: 
SammelbUtt.   Heft  29.    1905. 

Naturunssensdhaftlich-mediiinischer  Verein  in  Innsbruck: 

Berichte.   29.  Jahrg.  1908/04  u.  1904/05.   1906. 


16*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Journal  of  Physical  Chemistry  in  Ithaca,  N.  Y, : 
The  Journal.    Vol.  10,  No.  1—8.    1906.   gr.  8®. 

Imperial  CentrcU  Ägriculturai  Experiment  Station  in  Japan: 
Bulletin.   Vol.  I,  No.  1.    Nishigahara,  Tokio  1906. 

Universite  de  Jassyi 
Annales  scientifiques.   Tome  111,  fusc.  4;  tome  IV,  fasc.  1.    1906. 

Medusinisch-fiatuncissenschaftliche  Gesellschaft  in  Jena: 
Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.    Bd.  41,  Heft  1—4.    1906. 

Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  in  Jena: 
Zeitschrift.   N.  F.,  Bd.  XVI.  2;  XVII,  1.    1906. 

Gelehrte  Estnische  Gesellsdiaft  in  Jurjew  (Dorpat): 
Sitzungsberichte  1905.    1906. 

NaiurforscJiende  Gesellschaft  bei  der  Universität  Jurjew  (Dorpat): 

Archiv  für  Naturkunde.    Serie  II,  Bd.  XIII,  1.    1905. 

Sitzungsberichte.    Bd.  XIV,  1,  2;  XV,  1  u.  Register  zu  Bd.  3—14.    1905-06. 

Schriften.    Bd.  XVI  u.  XVII.    1905-06.    4». 

Universität  Jurjew  (Dorpat): 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4<>  u.  8<^. 

Badische  Historische  Kommission  in  Karlsruhe: 

Oberrheinische  Städterechte.    I.  Abt.,  Heft  7.    1906. 

Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Oberrheins.    N.  F.,   Bd.  XXI,    1—4. 

Heidelberg  1906. 
Neujahrsblätter  1906.    Heidelberg. 

Zentralbureau  für  Meteorologie  und  Hydrographie  in  Karlsruhe: 

Ergebnisse  der  Untersuchung  der  Hochwasserverhältnisse  im  deutschen 

Rheingebiete.    Berlin  1905.   4^. 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1905.    1906.    fol. 

Großlierzoglich  Techniscl^e  Hochschule  in  Karlsruhe: 

Schriften  aus  dem  Jahre  1906. 

Naturwissenschaf Uidier  Verein  in  Karlsnüie: 

Verhandlungen.   Bd.  19,  1905-06.    1906. 

Societe  physico-mathematique  in  Kasan: 
Bulletin.   U.  S^rie,  tome  15,  No.  2.    1906. 

Universität  Kasan: 
UUchenia  Sapiski.   Bd.  73,  No.  1-10.    1906. 

Verein  für  hessische  Geschichte  und  Landeskunde  in  Kassel: 
Zeitschrift.   N.  F.,  Bd.  29.    1905. 

Verein  für  Naturkunde  in  Kassel: 
Abhandlungen  und  Bericht  L.    1906. 

Universiti  Impiriale  in  Kharkow: 
Annales.    1905,  Heft  2;  1906,  Heft  1,  2.    1906. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Drucksehriften,  IT* 

Gesellschaft  für  schleswig-holsteinische  Geschichte  in  Kiel: 
Zeitschrift.   Bd.  36.    1906. 

Kommission  zur  toissenschaftl.  Untersuchung  der  deutsehen  Meere  in  Kiel: 

Wissenschaftliche  Meeresuntersuchungen.    N.  F.,  Bd.  7  (Abteilung  Helgo- 
land, Heft  2);  Bd.  9  (Abteilung  Kiel).   Kiel  u.  Leipzig  1906.   4«. 

K.  Universität  in  Kiel: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4^  u.  8®. 

Universität  in  Kiew: 
Iswestija.   Bd.  45,  Nr.  11;  Bd.  46,  Nr.  1—8.    1905—06. 

GeschicMsverein  für  Kärnten  in  Klagenfurt: 

Jahresbericht  für  1904.    1905. 
Carinthia  I.   95.  Jahrg.,  Nr.  1—6.    1905. 

Naturhistorisches  Landesmuseum  in  Klagenfurt: 
Carinthia  II.    95.  Jahrg.  1905,  Nr.  5,  6;  96.  Jahrg.  1906,  Nr.  1—4. 

Siebenbürgisches  Museum  in  Klausenburg: 

Sitzungsberichte.    I.  Med.  Abteilung,  Bd.  26,  Heft  2,  3;  Bd.  27,  Heft  1—8. 

II.  Naturw.  Abteilung,  Bd.  27,  Nr.  1-3.    1905—06. 
Erdelyi  Müzeum.    Bd.  XXIII,  No.  1-4.    1906.    4^. 
Az  Erdelyi  Müzeum  Egyesület  .  .  .  Eml^kkönyve.    1906.    4^ 

Regierung  des  Kongostaates: 

Annales  du  Musde  du  Congo.   Botanique,  vol.  I,  fasc.  3;  Zoologie,  S^rie  V, 

tome  I,  fasc.  1.    Bruxelles  1906.   fol. 
Notices  sur  les  plantes  utiles  de  la  Flore  du  Congo.    Vol.  2,  &sc.  1. 

Bruxelles  1906. 

Physikaiisch'ökanomische  Gesellschaft  in  Königsberg: 
Schriften.    46.  Jahig.  1905.    1906. 

Universität  in  Königsberg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4»  u.  8^. 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 

Dansk  Ordbog,  udgiven  under  Videnskabernes  Selskabs  Bestjrelse.  Ottende 

TomeV— Z.    1905.   4». 
0 versigt.    1905,  No.  6;  1906,  No.  1—6. 
Mömoires.    1.  Section  des  Lettres,  6«  Serie,  tome  5,  No.  3;  2.  Section  des 

Sciences,   7«  Serie,   tome  I,    No.  5,  6,   tome  II,   No.  5,  6,   tome  III, 

No.  1.   1906.   40. 

Conseü  ])ermanent  international  pour  Vexploration  de  la  mer 

in  Kopenhagen: 

Rapports  et  Proces-verbaux.    Vol.  IV— VI.    1905—06.   4<>. 
Bulletin  trimestriel.   Ann6e  1904—05.  No.  4;  1905-06,  No.  1—3. 
Publications  de  circonstance.    No.  28— 34  u.  13  c.    1905—06. 
Bulletin  statistique  des  pdches  maritimes.   Vol.  I.    1906.   4^. 

Gesellschaß  für  nordische  Altertumskunde  in  Kopenhagen: 

Aarböger.    II.  Raekke,  Bd.  20.    1905. 
Memoires.    Nouv.  Särie  1904/06.    1905-06. 

2 


18*  Vergeichnis  der  eingelaufenen  Druckschrißen, 

Genealogisk  Institut  in  Kopenhagen: 
Max  Grohshennig,  Legatfamilien  Aagaard.    1905. 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 

Anzeiger.   (Bulletin  international)  1.  Classe  de  philolofjpe,  1906,  No.  1— 10. 
2.  Classe  des  sciences  mathematiques,  1905,  No.  8—10;  1906,  No.  1-3. 
Rocznik.    Rok  1904/05.    1905. 

Monuinenta  niedii  aevi  historica.    Tome  17.    1905.    4®. 
Bibliografia  historyi  Polskiej.    Bd.  III,  zesc.  3.    1906. 
Sprawozdanie  komisyi  fizyograficzny.   Tome  39  mit  Tafeln.    1906.   8®u.fol. 
Atlas  geologiczny  Galicji.    Zeszyt  17,  Karte  u.  Text.    1906.    8^  u.  fol. 
Katalog  rekopisöw.    Akad.  Um.  1906. 

,        literatury.    Tome  5,  Heft  1-4.    1906. 
Zapatowicz,  Conspectus  florae  Galiciae.    Tome  1.    1906. 
Rozprawy  filolog.    Serie  II,  tome  26,  28;  histor.,  Serie  11,  tome  23.   1906. 

„  mathem.    Tome  44,  A.  B.  Spis  rzeczy.    1904—05. 

üscie  solne.    1906. 

Jan  Czubek,  Pisma  polityczne.    1906. 
Materyaly  jezyk.    Tome  3,  zeszyt  1  i  2.    1905. 
y,         antropol.  archeolog.   Tome  8.    1906. 
Wybrane  pisma  Lukiana.    Tome  1.    1906. 
Karlowicz,  Slownik  gwar.    Tome  4.    1906. 

Imperial  üniversity  in  Kyoto: 
The  Kyoto  Imperial  üniversity  Calendar  1906—06. 

Historischer  Verein  in  Landshut: 
Verhandlungen.   Bd.  42.    1906. 

SocUti  Vaudoise  des  sciences  naturelles  in  Lausanne: 
Bulletin.    5«  S^rie,  tome  41,  No.  154;  vol.  42,  No.  155.    1905-06. 

Societi  d'histoire  de  la  Suisse  romande  in  Latuanne: 
Memoires  et  Documents.   11®  Serie,  tome  7.    1906. 

Maatschappij  ra»  Nederlandsche  Letterkunde  in  Leiden: 
Tijdschrift.    N.  Serie,  Deel  XXIII,  8,  4;  Deal  XXIV,  1-3.    1904-05. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipzig: 

Abhandlungen    der   philol.-hist.  Klasse.    Bd.  XXIV,  4-6;    Bd.  XXV,  1. 

1906.    4». 
Abhandlungen  der  math.-phys.  Klasse.    Bd.  XXIX,  5—8.    1906.    4^. 
Berichte  der  philol.-hist.  Klasse.    Bd.  57.  1905,   Nr.  5,  6;    Bd.  68,   1906, 

Nr.  1,  2. 
Berichte  der  math.-phys.  Klasse.    Bd.  57,    1905,   Nr.  6,  6;   Bd.  68,   1906, 

Nr.  1-5. 

Fürstlich  JahIonowski*8che  Gesellschaft  in  Leipzig: 
Jahresbericht.    1905  u.  1906. 

Verein  für  Erdkunde  in  Leipzig: 
Mitteilungen  1906.    1906. 
Katalog  der  Bibliothek.    Heft  II  der  Mitteilungen.    1905. 

Cuerpo  de  ingenieros  de  minas  del  Peru  in  Lima: 
Boletin.    Nr.  26  -  35,  37-39,  40,  42,  48.    1905    06. 
Segunda  Memoria  del  Director  del  cuerpo.    1906. 


Vergeicknia  der  eingelaufenen  Druckeduriften.  19* 

üniversity  of  Nebraska  in  Lincoln: 
Bulletin  of  the  agricultural  Experiment  Station.   Nr.  76—80,  84.    1905. 

AeronaiUitfehes  Observatorium  bei  Lindenberg: 
Ergebniuse  der  Arbeiten  im  Jahre  1905.    I.  Bd.   Braunschweig  1906.   4P. 

Museum  Frandsco-Carolinum  in  Lim: 
64.  Jahresbericht.    1906. 

Sociedade  de  geographia  in  Lissabon: 
Boletim.    1905,  No.  11,  12;  1906,  No.  1—10. 

Liter  arg  and  philosophical  Society  in  Liverpool: 
Proceedingg.    4Q^^  Session,  No.  68,  1904—05.    1906. 

UnioersitS  Catholique  in  Loewen: 
Publications  academiques  de  Tannäe  1904/05. 

Zeitschrift  ^La  Cellule*  in  Loewen: 
La  Cellule.   Tome  XXII,  fasc.  2.    1905.   4«. 

Boy  dl  Institution  of  Oreat  Britain  in  London: 
Proceedings.    Vol.  17,  part  8;  vol.  18,  part  1.    1906. 

The  English  Histoncal  Beview  in  London: 
Hißtorical  Review.   Vol.  XXI,  No.  81—84.   1906. 

Boyal  Society  in  London: 

Report  on  the  Perl  Oyster  Fisheriea  of  the  Gulf  of  Manaar.   Part  III,  IV. 

1905.  40. 
Year-Book.    1906. 

Proceedings.    Series  A,  vol.  77,  No.  A  615—520;  vol.  78,  No.  A  521—525, 

1906;  Series  B,  vol.  77,  No.  B  616—621;  vol.  78,  No.  B  622  -527,  1906. 

Philosophical  Transactions.    Series  A,   vol.  205,  206;   Series  B,  vol.  198. 

1906.  40. 

Reports  of  the  Commission  for  the  investigation  of  Mediterranean  Fever. 

Part  IV.    1906. 
Reports  to  the  Evolution  Committee.   Report  III.    1906. 

B,  Astronomical  Society  in  London: 

Monthly  Notices.    Vol.  66,  No.  2—9.    1905-06. 
Memoirs.    Vol.  56.    1906.    4^. 

Chemical  Society  in  London: 

Journal  1905.   Supplementary  number   cont.  Indexes,  No.  619—630  (Ja- 

nuary — December).    1906. 
Proceedings.    Vol.  21,  No.  301,  302;  vol.  22,  No.  303-317.    1905—06. 

Geological  Society  in  London: 

The  quarterly  Journal.    Vol.  61,  part  1—4;  vol.  62,  part  1—4.    1906-06. 

List.    Nov.  15^1»  1905. 

Geological  Literature  for  the  year  ended  Dec.  31"^  1904.    1906. 

Linnean  Society  in  London: 
Proceedings.    118^^  Session  1906/06.    1906. 
The  Journal,  a)  Botany,  vol. 37,  No.  260-262;  b)  Zoology,  voL  29,  No.  193, 

194.    1906. 
List  of  the  Linnean  Society  1906/07.    1906. 

2» 


20*  Veräeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Medical  and  chirurgical  Society  in  London: 
Medico-chinirgical  Transactions.   Vol.  88,  89.    1905—06. 

B,  Micro8copieal  Society  in  London: 
Journal.    1906,  part  1—6. 

Zoological  Society  in  Lotidon: 

Proceedings.    1905,  vol.  II,  part  1,  2.    1906. 
Transactions.    Vol.  XVII,  part  3-5.    1904-05.    4». 

Zeitschrift  „Natur e"  in  London: 
Nature.   No.  1888—1940.   4«. 

Secretary  of  State  for  India  in  Council  in  London : 
G.  A.  Grierson,  The  Pisäca  Languages  of  North-Western  India.    1906. 

India  Office  in  London: 

42  Bände  und  einige  Faszikel  sprachlichen,  geographischen  und  tech- 
nologischen Inhalts  Über  Ostindien. 

Agra,  a  Gazetteer.   Vol.  8.   Allahabad  1905. 

Madras  District  Gazetteers.  Guntür,  vol.  2;  Gödävari,  vol.  2.  Appendix 
for  Kistna  District.   Madras  1906. 

District  Gazetteers  of  the  provinces  of  Agra  and  Oudh.  Vol.  42—44. 
Allahabad  19i»5. 

Technical  Art  Series.  Plates  I  -XIII.  Illustrations  of  Indian  Industrial 
Art.    Calcutta  1905.   fol. 

Museums- Verein  für  das  Fürstentum  Lüneburg  in  Lüneburg: 
Lüneburger  Museunisblätter.    Heft  8.    1906- 

SociitS  gSologique  de  Belgique  in  Lüttich: 
Annales.   TomeSO,  livr.  3;  tome  32,  livr.  4;  tome  33,  livr.  1-3.  1902-06. 

Sodete  Eoyale  des  Sciences  in  Lüttich: 
Memoires.   III®  Särie,  tome  6.    Bruxelles  1906. 

Universität  in  Lund: 

Acta  Universitatis  Lundensis.    Tome  XL,   1904,  in  2  Teilen. 
Acta.    Nova  Series  II,  Afdelninger  I,  1905.    1905-06.    4^. 
Sveriges    offentliga    Bibliotek.    Accessions -Katalog   18 — 19,     1908-04, 
2  Teile.    Stockholm  1905—06. 

Institut  Qrand  Ducal  in  Luxemburg: 

Archives  trimestrielles  de  la  section  des  seien ces  naturelles.  Faso.  1,  2. 
Janvier -Juin  1906.    4<^. 

Section  historique  de  VInstitiU  Grand-Ducal  in  Luxemburg: 
Publications.    Vol.  50.    1905. 

Historischer  Verein  der  fünf  Orte  in  Luzern: 
Der  Geschichtsftreund.    Bd.  61.   Stans  1906. 

üniversiti  in  Lyon: 
Annales.   Nouv.  Serie  I,  No.  14-16;  Nouv.  Serie  II,  No.  15.  1905-06. 

Wisconsin  Geological  and  Natural  History  Survey  in  Madison: 
Bulletin.   No.  14,  with  an  Atlas.    1906. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  21* 

Government  Museum  in  Madras: 
Bulletin.   Vol.  V,  No.  2.    1906. 

Kodaikanal  and  Madras  Ohservatories  in  Madras: 

Annual  Report  for  1905.    1906.    fol. 
Bulletin.   No.  IV-VII.    1906.   40. 

B,  Äcademia  de  ciencias  exactas  in  Madrid: 

Revista.    Tomo  3,  No.  3—6;  tomo  4,  No.  1—6.    1905-06. 
Memorias.   Tomo  23  u.  24.    1905-06.   49- 
Anuario.    1906. 

R.  Äcademia  de  la  historia  in  Madrid: 
Boletin.    Tomo  48,  cuad.  1-6;  Tomo  49,  cuad.  1—6.    1906. 

Museum  für  Natur-  und  Heimatkunde  in  Magdeburg: 
Abhandlungen  und  Berichte.    Bd  1,  Heft  2,  3.    1906. 

B.  Istituto  Lombardo  di  scieme  in  Mailand: 

Rendiconti.    Serie  II,  vol.  38,  fasc.  17—20;  vol.  39,  fasc.  1—16.    1906. 
Memorie.   Classe  di  scienze  matematiche.   Vol.  XX,  fasc.  7,  8.    1906.    4^. 
Atti  della  fondazione  Cagnola.   Vol.  20.    1906. 

Comitato  per  le  onoranze  a  Francesco  Brioschi  in  Mailand: 

Opere  matematiche  di  Francesco  Brioschi.   Tomo  4.    1906.   4®. 

Societä  Italiana  di  scienze  naturali  in  Mailand: 

Elenco  dei  soci  e  Indice  generale.    1906. 

Museo  mineralogico  Borromeo.    1906. 

Atti.    Vol.  44,  fasc.  3,  4;  vol.  45,  fasc.  1,  2.    1906. 

Societä  Storica  Lomharda  in  Mailand: 

Archivio   Storico  Lombardo.   Serie  IV,  anno  82,  fasc.  8;   anno  33,  fasc. 
9—11.    1905-06. 

Altertumsverein  in  Mainz: 
Mainzer  Zeitschrift.   Jahrg.  I.    1906.   4^. 

Liter ary  and  phHosophicdl  Society  in  Manchester: 
Memoirs  and  Proceedings.   Vol.  50,  part  1—3.    1905—06. 

Philippine  Weather  Bureau  in  Manüa: 

Bulletin  for  July— December  1905.   1905-06.   49. 
Annual  Report  for  the  year  1903.   Part  I— III.    1905.   4^. 

Ethnologiccd  Survey  for  the  Phüippine  Islands  in  Manila: 
Publications.   Vol.  II,  parts  2,  3;  vol.  IV,  part  1.    1905. 

Altertumsverein  in  Mannheim: 
Mannheimer  GeschichtsblÄtter.    1906,  Nr.  2—11,  VII.  Jahrg.   4^. 

Verein  für  Naturkunde  in  Mannheim: 

71.  u.  72.  Jahresbericht  für  1904/05.    1906. 

Schwäbischer  Schiller- Verein  in  Marbaeh: 

X.  Rechenschaftsbericht  für  das  Jahr  1905/06.    1906. 
Das  Schiller-Museum  in  Marbaeh.   Stuttgart  1906. 


22*  Veneichnia  der  eingelaufenen  Drtuikschriften, 

Universität  in  Marburg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4®  u.  8^. 

Abbaye  de  Maredsous: 
Revue  Ben^dictine.    Ann^e  23,  No.  2— 4.    1906. 

Faculte  des  sciences  in  Marseille: 
Annales.   Tome  XV.   Paris  1904.   4<>. 

Hennebergischer  attertumsforschender  Verein  in  Meiningen: 
Neue  Beiträge  zur  Geschichte  deut-schen  Altertums.   Lief.  20.    1906.   4*. 

Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen  in  Meißen: 
Mitteilungen.    Heft  25.    1906. 

Royal  Society  of  Victoria  in  Melbourne: 
Proceedings.   New  Series,  vol.  18,  part  2;  vol.  19,  part  1.    1906. 

Äccademia  Peloritana  in  Messina: 
Atti.    Vol.  XX,  fasc.  2;  vol.  XX I,  fasc.  1.    1906. 
Resoconti.   April -Giugno  1906.    1906. 

Gesellschaft  für  lothringische  Geschichte  in  Mets: 
Jahrbuch.   XVII.  Jahrg.,  1.  u.  2.  Hälfte,  1905.    1906.   4^. 

Instituto  geolögico  in  Mexico: 

Parergones.    Tomo  I,  No.  9,  10.    1905—06. 
Boletfn.   No.  21.    1905.   4P, 

Observatorio  nieteorolögieo-magnitico  central  in  Mexico: 
Boletfn  mensual.    Octubre  u.  Noviembre  1902,  Junio  1904.    iP. 

Sociedad  cientifica  „Antonio  Alzate**  in  Mexico: 

Memorias  y  revista.    Tomo  21,  No.  9— 12;  tomo  22,  No.  1—8;   tomo  2S, 
No.  1—4.    1904-05. 

Regia  Äccademia  di  scienze  lettere  ed  arti  in  Modena: 
Memorie.    Serie  III,  vol.  6.    1905.    4^. 

MusSe  ocianographique  in  Monaco: 
Bulletin.   No.  56—86.    1905  -  06. 

Observatoire  mitiorologique  du  Mont  Blanc: 
Annales.    Tome  VI.    Paris  1906.    4*. 

Bureau  de  Dipöt,  Distribution  et  d* behänge  de  Publications  in  Montevideo: 
Anuario  estadistico  de  la  Repüblica  0.  del  Uruguay.  Tomo  II.  1906.  4®. 

Museo  nacional  in  Monier ideo: 

Annales.  Seriell,  entrega 2 und Seciön historico-filosöfica,  tomo II,  entregal. 
1905.   40. 

Öffentliches  Museum  in  Moskau: 
Ottschet.   Jahrg.  1905.    1906. 

Lazarevsches  Institut  für  Orientalist^  Sprachen  in  Moskau: 
Trudy.    Heft  13,  14.    1905. 

Societe  Impiriale  des  Naturalistes  in  Moskau: 
Bulletin.   Annee  1905,  No.  1-3.    1906. 


Vereeiehnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  ^S* 

Maihemcftische  Geselhchaft  in  Moskau: 
Matematitscheskij  Sbornik.    Bd.  XXV,  3.    1905. 

Lick  Observatory  in  Mount  Hamilton,  California: 
Bulletin.    No.  88—97  u.  99—103.    1906. 

Statistisches  Amt  der  Stadt  München: 
Münchener  Jahresübersichten  für  1905.    Teil  I  u.  II.    4®. 
Die  Erhebung  der  Wohnverhältnisse  in  München  1904-  07.  I.-III.Teil.  4<>. 
Erf^ebnisse  der  Wohnungszählung  vom  1.  Dezember  1905.    4®. 
Die  Bevölkerung  Münchens  1905.    1906.   4^. 

Deutsche  Gesellschaft  für  Anthropologie  in  Berlin  und  München: 
Korrespondenzblatt.  87.  Jahrg.  1906,  Nr.  1 -4,6  — 12.  Braunschweig  1906.  4^. 

Hydrotechnisches  Bureau  in  München: 

Verzeichnis  der   Flächeninhalte  der  Bach-  und  Flußgebiete.   Heft  VII, 

Teil  1.    1906.    4«. 
Jahrbuch.    1905,  Heft  4,  5;  1906,  Heft  1  u.  2.   fol. 

Generaldirektion  der  K.  B,  Posten  und  Telegraphen  in  München: 
Verzeichnis  der  erscheinenden  Zeitungen  für  1907.    I.  Abt.    1906.   fol. 

K.  Ludwigs- Kreisrealschüle  in  München: 

Geschichte  der  E.  Ludwigs-Kreisrealschule  in  München  v.  6.  Widenbauer. 
1906. 

K  Bayer,  Technische  Hochschule  in  München: 

Darstellungen  aus  der  Geschichte  der  Tecknik,  der  Industrie  und  Land- 
wirtschaft in  Bayern.    1906.   4P, 
Schriften  aus  dem  Jahre  1903 — 06. 

Metropolitan- Kapitel  München-Freising  in  München: 

Schematismus  der  Geistlichkeit  für  das  Jahr  1906. 

Amtsblatt  der  Erzdiözese  München  und  Freising.    1906,  Nr.  1—31. 

K.  Oberbergamt  in  München: 
Geognostische  Jahreshefte.    XVII.  Jahrg.  1904.    1906.   4®. 

Universität  in  München: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4®  u.  8®. 

Ärztlicher  Verein  in  München: 
Sitzungsberichte.   Bd.  XV.    1905. 

Historischer  Verein  in  München: 
Altbayerische  Monatsschrift.   Jahrg.  6,  Nr.  3—5.    1906.   4^. 

Verein  für  Luftschiffahrt  in  München: 
16.  Jahresbericht  für  1905. 

Ornithologische  Gesellschaft  in  München: 
Verhandlungen.    1904,  Bd.  V.    1905. 

Verlag  der  Hochschul-Kachrichlen  in  Mündien: 

Hochflchul-Nachrichten.   Nr.  184—195.    1906. 

Verein  für  GeschidUe  und  Altertumskunde  Westfalens  in  Münster: 

ZeiUchrift.   Bd.  63,  Abt.  2  und  Register  sa  Bd.  1—50.    1905. 


2i*  Verzeiehnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Äeadimie  de  Stanislaa  in  Nancy: 
Memoires.    6®  S^rie,  tome  2.    1905. 

Sociiti  des  Sciences  in  Nancy: 
Bulletin.   Serie  III,  tome  6,  fasc.  4.    1906. 

Reale  Accademia  di  scienze  moräli  et  pölitiche  in  Neapel: 

Atti.    Vol.  36,  37.    1906. 
Rendiconto.    Anno  44.    1905. 

Accademia  delle  scieme  fisiche  e  matematiche  in  Neapel: 
Rendiconto.  Serie  3,  vol.  11,  fasc.  8— 12;  vol.  12,  fasc.  1-8.   1905—06.  4« 

Zoologische  Station  in  Neapel: 
Mitteilungen.    Bd.  17,  Heft  4.   Berlin  1906. 

Historischer  Verein  in  Neuburg  a,  D.: 
Neuburger  Kollektaneen-Blatt.    68.  Jahrg.  1904.    1906. 

Sociiti  des  sciences  naturelles  in  Neuehatel: 
Bulletin.    Tome  31,  annee  1902—03;  tome  32,  ann^e  1903-04. 

Institute  of  Engineers  in  New-Castle  (upon-Tyne): 

Transactions.    Vol.  55,  part  5,  6;  vol.  56,  part  1—3.    1906. 

Annual  Report  for  the  year  1904/05  und  1905/06.    1905—06. 

Report  of  the  Committee  upon  mechanical  Coalcutting.    Part  2.    1905. 

The  American  Journal  of  Science  in  New-Haveu: 
Journal.    4.  Series,  No.  121— 126,  128-132.    1906. 

AHronomicdl  Observatory  of  the  Tale  ifniversity  in  New-Haven: 
Transactions.   Vol.  2,  part  1. 

American  Oriental  Society  in  New-Haven: 
Journal.    Vol.  26,  second  half;  vol.  27,  first  half.    1906. 

Americafi  Jewish  Historicdl  Society  in  New -York: 
Publicutions.    No.  13,  14.    1905  -06. 

American  Museum  of  Natural  History  in  New -York: 

International  Congress  of  Americanists.    13*^  Session,  held  in  New -York 

in  1902.    1905. 
Journal.    Vol.  VI,  No.  1—4.    1906. 
Annual  Report  for  the  year  1905.    1906. 
Bulletin.    Vol.  XVII,  part  4;  vol.  XXI.    1905. 
Memoirs.    Vol.  IV,  5;  vol.  V,  3;  VIII,  1;  IX,  1—3;  X,  1;  XI,  1;  XIV,  1. 

1906.    40. 
Aboriginal  Myths  of  Titicaca  (Bolivia).   By  Adolph  F.  Bandelier.    1906. 

American  Geographical  Society  in  New -York: 
Bulletin.   Vol.  38,  No.  1-11.    1906. 

Nederlandsche  botanische  Vereeniging  in  Nijmegen: 
Recueil  des  travaux  botaniques  Neerlandais.    Vol.  II,  livr.  3—4.    1906. 

Archaeological  Institut  of  America  in  Norwood,  Mass.: 
American  Journal  of  Archaeology.   Vol.  10,  No.  1 — 3.    1906. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  25'*' 

Naturhistorische  Gesellschaft  in  Nürtiberg: 

Abhandlungen.    XV.  Bd.,  3.  Heft.    1906. 
Jahresbericht  für  1904.    1905. 

Germanisches  Nationdlmuseum  in  Nürnberg: 
Anzeiger.   Jahrg.  1905  in  4  Heften.    1905.    4^. 

Stadtm agistrat  Nürnberg : 
Katalog  der  historischen  Ausstellung  der  Stadt  Nürnberg.    1906. 

Neurussische  naturwissensclhaftliche  Gesellschaft  in  Odessa: 
Sapiski.    Bd.  28,  29.    1905—06. 

Verein  für  Geschichte  und  Landeskunde  in  Osnabrück: 
Mitteilungen.    30.  Bd.  und  Beiheft  zum  30.  Bd.,  1905.    1906. 

Department  of  the  Interior  in  Ottawa: 
Mounted  Police  Polar  Expedition  Maps.    1906. 

Geological  Survey  of  Canada  in  Ottawa: 

Palaeozoic  Fossils.    Vol.  HI,  part  IV.    1906. 

Annual  Report.    New  Series,  vol.  XIV,  1901  mit  Maps;  vol.  XV  (1902—03) 
mit  Maps.    1905-06. 

Boycd  Society  of  Canada  in  Ottawa: 
Proceedings  and  Transactions.    II.  Seris,  vol.  11.    1906. 

Radcliffe  Observatory  in  Oxford: 
Catalogue  of  Stars  for  1900.    1906.   4<^. 

Äccademia  scientifica  Veneto-Trentino-Istriana  in  Padova: 
Atti.   N.  Serie,  anno  II,  fasc.  1,  2.    1905. 

B.  Äccademia  di  scienze  in  Padua: 
Atti  e  Memorie.   Nuova  Serie,  anno  364,  1904—06;  n.  Serie,  vol.  21.   1905. 

Bedaction  der  Zeitschrift  „Rivista  di  storica  antica^  in  Padua: 

Rivista.    N.  Serie,  anno  10,  fasc.  2—4.    1906. 

Reale  Äccademia  di  scienze,  lettere  e  belle  arti  in  Palermo: 
Bullettino.   Anni  1899—1902.    1906.    4^. 

Gircolo  matemcUico  in  Palermo: 
Annuario  1905. 

Rendiconti.    Tomo  XXI,  fasc.  1 — 3;  tomo  XXI,  fasc.  1,  2.    1906. 
Supplemento  ai  Rendiconti.    No.  1.    1906.    4^. 

CoUegio  degli  Ingegneri  in  Palermo: 
Atti.    1905,  Luglio — Dicembre;  1906,  Gennaio — Giugno.   4^. 

Äcadimie  de  midecine  in  Paris: 
Bulletin.    1906,  No.  1—44. 

Äcadimie  des  Sciences  in  Paris: 

Oeuvres  d' Augustin  Cauchy.    S^rie  II,  tome  1.    1905.    4**. 
Comptes  rendus.    Tome  142,  No.  1—26;  tome  143,  No.  1—27. 


26'*'  Verzei^nis  der  eingelaufenen  Druckeckrißen, 

Moniteur  Scientifique  in  Paris: 
Moniteur.   Livr.  769—780  (Jan vier -D^cembre  1906).    40. 

Musie  Ouimet  in  Paris: 

Annales.   Bibliothfeque  d'ötudes,  tome  18  u.  20.    1905—06. 
Revue  de  Thistoire  des  religions.    Tome  51,  No.  3;  tome  52,  No.  1— S; 
tome  53,  No.  1.    1905-06. 

Musium  d*Mstoire  naturelle  in  Paris: 

Bulletin.    Annäe  1904,  No.  2—4;  ann^e  1905,  No.  Ü;  ann^e  1906.  No.  1-3. 
Nouvelles  Arcliives.    S(5rie  IV,  tome  VII,  1,  2.    1905.    4^. 

SociiU  d^anthropölogie  in  Paris: 
Bulletins.    V«  S^rie,  tome  6,  fasc.  8—6.    1905. 

SociiU  des  etudes  historiques  in  Paris: 
Revue.    72«  annee,  Janvier— Aoüt  1906. 

SociHS  de  gdographie  in  Paris: 
La  Geographie.   XII.  annee  1905,  No.  3— 6;  XIII.  annee  1906,  No.  1—4.  49. 

Sociiti  mathimatique  de  France  in  Paris: 
Bulletin.    Tome  34,  fasc.  1—3.    1906. 

Western  Äustrdlia  Geological  Survey  in  Perth: 
Bulletin.    No.  21,  22.    1906. 

AcadSmie  Impiriale  des  sdences  in  St.  Petersburg: 

Comptes  rendus  de  la  commission  sismique.    Tome  II,  livr.  2.    1906.    4®. 
Memoires.   a)  Classe  historico-pbiloloj^fique,  S^rie  VIII,  tome  VII.  No.  3—7; 

b)    Classe  pbysico-mathemat..    Serie  VIII,    tome  XVI,    No.  11,    12, 

tome  XVII,  No.  1—6.    1905.    4^. 
Annuaire   du   Mus^e   zoologique.     1905,    No.  1,2,    1906;    Beilage    zum 

Annuaire,  Bd.  11,  1906. 

Kaiserl,  Bibliothek  in  St,  Petersburg: 

Ottscbet  1900/01.    1905. 

Gallerie  Peters  des  Großen  in  der  E.  öffentlichen  Bibliothek.    1903.   4^. 

ComitS  giologique  in  St.  Petersburg: 

Bulletins.    XXIII>  No.  7—10.    1904. 

Memoires.    Nouv.  S^rie,  livr.  3,  18-20.    1905.    4^ 

Kaiserl.  Botanisd^r  Garten  in  St,  Petersburg: 

Acta  horti   Petropolitani.   Tome  24,   fasc.  8;   tome  25,  f&se.  1;  tome  26, 
fasc.  1.    1905—06.    4». 

Kaiserl,  Bt^ssische  Archäologische  Gesellschaft  in  St.  Petersburg: 

Sapiski.   Bd.  16,  No.  2-4.    1905-06.   4» 

Orientalische  Abteilung,  Bd.  17,  No.  1—3.    1906.   4^. 

Russische  und  slavische  Abteilung,  Bd.  VII,  1.    1905.    4^. 

Klassische  Abteilung,  Bd.  II,  1,  2.    1904—06.    4^. 
Materialien  zur  Geschichte  der  russischen  geistlichen  Mission  in  Peking. 
1905.    40. 


VerMeiehnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  27 

Kaiserl,  Mineralogische  Gesellschaft  in  8t,  Petersburg: 

Materialien.   Bd.  XXIII.  Lief.  1.    1906. 
Verhandlungen.   U.  Serie,  Bd.  43,  Lief.  1,  2.    1906. 

Physikalutch'Chemische  Gesellschaft  an  der  Kaiserl.  Universität 

St,  Petersburg: 

Schurnal.   Bd.  87,  Heft  8,  9;  Bd.  88,  Heft  1.    1905—06. 

Physikalischss  ZentraUObservatorium  Nicolas  in  St.  Petersburg: 

Publications.    Serie  II,  vol.  III,  vol.  XIV,  vol.  XVII,  No.  II.    1905.    fol. 
Annales.    Annee  1903,  partie  i,  II,  fiajc.  1,  2.    1905.   4<>. 

Kaiserl,  Universität  in  St.  Petersburg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  49  u.  S^. 

Äcademy  of  naturai  Sciences  in  Philadelphia: 

Journal.    Second  Series,  vol.  XIII,  part  2.    1905.   4®. 
Proceedings.   Vol.  57,  part  3;  vol.  58,  part  1.    1906. 

Historical  Society  of  Pennsylvania  in  Philadelphia: 
The  Pennsylvania  Magazine  of  History.   Vol.  XXX,  No.  117—119.    1906. 

American  Phüosophical  Society  in  Philadelphia: 

Proceedings.    Vol  44,  No.  181;  vol.  45,  No.  182.    1906. 
Transactions.   New  Series,  vol.  XXI,  part  2,  3.    1906.   4®. 

R.  Scuola  normale  superiore  di  Pisa: 
Annali.    Filosofia  e  filologia.    Vol.  19,  20.    1906-07. 

Societä  Toscana  di  scienee  naturali  in  Pisa: 

Atti.   Processi  verbali,  vol.  14,  No.  9,  10;  vol.  15,  No.  1—5.    1905—06.   49, 
Atti.    Memorie,  vol.  XXI.    1905.    gr.  8®. 

Societä  Italiana  di  fisiea  in  Pisa: 

II  nuovo  Cimento.   Serie  V,  tomo  10,  Ottobre — Dicembre  1905,  tomo  1 1, 
Genajo— Giugno  1906,  tomo  12,  Luglio— Settembre  1906. 

Ältertumsverein  in  Plauen: 
Mitteilungen.    17.  Jahresschrift  1905—06.    1906. 

Historische  Gesell sdiaft  in  Posen: 

Zeitschrift.    20.  Jahg.,  1.  u.  2.  Halbband.    1905. 
Historische  Monatsblatter.   Jahrg.  VI,  1905,  Nr.  1 — 12. 

K.  Geodätisches  Institut  in  Potsdam: 

Veröifentlichung.    N.  F.,  Nr.  25—29.   Berlin  1906.   4» 

F.  R.  Helmert,  Die  Größe  der  Erde.    1.  Mitteilung.   Berlin  1906.   4^. 

Ästrophysikalisches  Observatorium  in  Potsdam: 
Publikationen.    Bd.  XV,  3-6;  Bd.  XVI;  Bd.  XVHI,  1.    1905    06.   4». 

Landesarchiv  in  Prag: 
Archiv  Ceskj^.    Bd.  XXII.    1905.    4«. 


28**°  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur 

in  Prag: 
Mitteilung.    Nr.  XVI.    1905. 
Rechenschaftsbericht  für  das  Jahr  1905.    1906. 

K,  Böhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Prag: 

Catalogus  codicum  manuscriptorum  latinorum  qui  in  bibliotheca  publica 
et  universitatis  Pragensis  asservantur,  auctore  Jos.  Truhldr.  Pars  IL 
1906.   gr.  8^. 

Jahresbericht  für  das  Jahr  1905.    1906. 

Sitzungsberichte  1905.    a)  Klasse  für  Philosophie. 

b)  Math.-naturw.  Klasse,  1905,  und  Generalregister 
zu  1884-1904.    1905. 

St.  Kostlivy,  Untersuchungen  über  die  klimatischen  Verhältnisse  von  Beirut. 
1905. 

Vaclav  Müller,  Svobodnfci.    1905. 

Mathematisch-physikalische  Gesellschaft  in  Prag: 
Casopis.    Band  XXXV,  No.  1—3.    1905—06. 

Lese-  und  Eedehdlle  der  deutschen  Studetiten  in  Prag: 
57.  Bericht  über  das  Jahr  1905.    1906. 

K.  Böhmisches  Museum  in  Prag: 

Bericht  für  das  Jahr  1905.  1906. 
Casopis.  Bd.  80,  Heft  1-4.  1906. 
Pamatky.  Bd.  XXI,  Heft  5-8,  Inhaltsverzeichnis  zu  Bd. 21;  Bd.  XXII.  Heft 

1,  2.    1905-06.    40. 
Starozitnosti  zem^  öeske.   Del  II,  svazek  3.    1905.   4^. 

K.  K.  Sternwarte  in  Prag: 

Magnetische  und  meteorologische  Beobachtungen.  Jahrg.  1905.  66.  Jahrg. 
1906.    fol. 

Deutsche  Karl  Ferdinands- Universität  in  Prag: 
Die  feierliche  Installation  des  Rektors  für  das  Jahr  1905/06.    1906. 

Verein  böhmischer  Mathematiker  in  Prag: 
Öasopis.    Tome  35,   No.  4,  5.    1906. 

Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  in  Prag: 
Mitteilungen.    44.  Jahrg.,  Nr.  1—4.    1905-06. 

Deutscher  naturvcissenschaftlich-medisinischer  Verein  für  Böhmen  „Ijotos" 

in  Prag: 

Sitzungsberichte.   Jahrg.  1905,  N.  F.,  Bd.  25.    1905. 

Verein  für  Natur-  und  Heilkunde  in  Preßburg: 
Verhandlungen.   Bd.  25,  26.    1905-06. 

Meteorological  Department  of  Transvaal  in  Pretoria: 
Annual  Reports  for  the  year  ended  30.  June  1905.    1906.   fol. 

Historischer  Verein  in  Regensburg: 
Verhandlungen.    Bd.  57.    1905. 


Vereeiehnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  29* 

Naturtoisaenschaftlicher  Verein  in  Regensburg: 
Berichte.    10.  Heft,  1903  u.  1904  und  Beilage  dazu.    1906. 

Naturforscher- Verein  in  Riga: 
Korrespondenzblatt.   Nr.  48.    1905. 

Bibliothhque  nationale  in  Rio  de  Janeiro: 

Annaes  da  Bibliotheca  nacional  do  Rio  de  Janeiro.  Vol.  26,  1904.  1905.  4^. 

A  Bibliotheca  Nacional  em  1893.    Relatorio.    1905. 

A  Conferencia  Intemacional  de  Copenhague  sobre  a  Tuberculose.   Paris 

1904.  40. 

J.  P.  Calogeras,  As  minas  do  Brasil  e  sua  legisla9äo  II,  III.    1905. 
Brazil  at  the  Louisiana  Purchase  Exposition.   St.  Louis  1904. 

Museu  nacional  in  Rio  de  Janeiro: 
Archivos.    Vol.  XII.    1903.    4» 

Observatorio  in  Rio  de  Janeiro: 

Annuario.    1906,  anno  32. 

Boletim  mensal.   Jan.-Däcembro  de  1905.    4®. 

Geoloyical  Society  of  America  in  Rochester: 
Bulletin.    Vol.  16.    1905. 

Reale  Accadeniia  dei  Lincei  in  Rom: 
Annuario.    1906. 

Memorie.    Classe  di  scienze  fisiche.    Serie  V,  vol.  6,  fasc.  1,  2.    1906.    4P. 
Atti.    Serie   V.    Notizie    degli  scavi   di   antichitä».    Vol.  2,    fasc.  8 — 12. 

1905.  40. 

Atti.  Serie  V,  Rendiconti.  Classe  di  scienze  fisiche.  Vol.  14,  semestre  2, 
fasc.  12  e  Indice;  vol.  XV,  semestre  1,  fasc.  1-12;  vol.  XV,  semestre  2, 
fasc.  1—10.    1905-06.    4». 

Rendiconti.  Classe  di  scienze  morali.  Serie  V,  vol.  14,  fasc.  7—12;  vol.  15, 
fasc.  1—4.    1905-06. 

Atti.    Rendiconto  deir  adunanza  solenne  del  3  Giugno.   1906.   4^. 

Biblioteca  Apostolica  Valicana  in  Rom: 
Studi  e  Testi  16.    Initia  patrum.   Vol.  I.    190Ü. 

R.  Comitato  geologico  d*Italia  in  Rom: 
BoUettino.    Anno  1905,  No.  3,  4;   anno  1906,  No.  1,  2. 

Accademia  Pontificia  d«'  Nuoci  Lincei  in  Rom: 
Atti.    Anno  LVIII  (1904-05),  Sessione  I-VlI.    1905.    49, 

KaiserL  Deutsches  Archäologisches  Institut  (röm,  Abt.)  in  Rom: 
Mitteilungen.    Bd.  XX,  Nr.  3,  4;  Bd.  XXI,  Nr.  1,  2.    1906. 

R,  Minist ero  della  Istruzione  pubbJica  in  Rom: 
Le  opere  di  Galileo  Galilei.   Vol.  17,  18.    1906.   4«. 

R.  Ufficio  centrede  meteorologico  itcUiano  in  Rom: 
Annali.    Serie  II,  vol.  XVI,  parte  2  e  3.    1906.   fol. 

R,  Societä  Romana  di  storia  patria  in  Rom: 
Archivio.    Vol.  28,  fasc.  3,  4;  vol.  29,  f&sc.  1,  2.    1905—06. 


30*  VerieMnU  der  eingelaufenen  Druektthriften. 

Unicereität  Rostock: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905  06  in  4^  u.  ^. 

R,  Aecademia  di  seienze  degti  Agiafi  in  Rorereto: 
Atti.   Serie  III,  vol.  XI,  fasc.  3,  4;  vol.  XII,  fasc.  1,  2,    1905-06. 

]^!cole  fran^aise  (T Extreme-Orient  in  Saigon: 
Bulletin.   Tome  5,  No.  3,  4.   Hanoi  1905.   4^. 

E$$ex  Imstüute  in  Salem: 

J.  H.  Sean,  The  physical  Geographj,  Geologj  etc.  of  Kssex  Countv,  Mass. 
1905.   4^ 

Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde  in  Salzburg: 
Mitteilungen.    46.  Vereinsjahr.    1906. 

Naturwissenschaftliche  Gesellschaß  in  St.  Gallen: 
Jahrbuch  1904  und  1905. 

Äcademy  of  science  in  St.  Louis: 

Trdnsactions.    Vol.  XIV,   No.  7,  8  und  Register  zu  Vol.  1—14;    vol.  XV, 
No.  1-5.    1904-05. 

Instituto  y  Observaiorio  de  marina  de  San  Fernando  (Cadiz): 
Annales.   Seccion  2\  &fio  1904  und  1905.    1905.    fol. 

Bosnisch- Her segovinische  Landesregierung  in  Sarajevo: 

Ergebnisse  der  meteorologischen  Beobachtungen   im  Jahre  1901.    Wien 
1905.    fol. 

ünicersitäl  in  Sassari  CSardinien): 

Studi  Sassaresi.   Anno  IV,   sez.  I,  fasc.  2;   sez.  II,  i&sc  1.   Supplemento 
No.  2-5.    1905-06. 

Verein  für  mecklenburgische  Geschichte  in  Schwerin: 
Jahrbücher  und  Jahresberichte.    71.  Jahrg.    1906. 

Nord- China  Braneh  of  the  R,  ÄsicUic  Society  in  Shanghai: 
Journal.    Vol.  37.    1906. 

R.  Aecademia  dei  funocritici  in  Siena: 
Atti.    Serie  IV,  vol.  17,  fasc.  5—10;  vol.  18,  fesc.  1-5.    1905—06. 

Universität  in  Sophia: 
Annuaire  I,  1904-05.    1905. 

K.  K.  Archäologisches  Museum  in  Spalato: 

Bullettino    di  Archeologia.    Anno  28,   No.  9—12;    anno  29,    No.  1—7. 
1905-06. 

K.  Vitterhets  Historie  och  Antiquüets  Akademie  in  Stockholm: 

Oscar  Almgren,  ,Kung  Björns  Hög".  1905.  A^. 

Antiqvarisk  Tidskrift.    Bd.  9,  No.  4;  Bd,  11,  No.  6;  Bd.  13,  Xo.  4;  Bd.  15, 
No.  3;  Bd.  17.  No.  4,  5;  Bd.  18,  No.  1.    1905. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  31* 

K,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Stockholm: 

Arsbok.    Ar  1905.    öpsala  1905. 

Meteorologiska  Jakttagelser  i  Sveri^e.    Bd.  46,  47.    üpsala  1905-06.  4®. 

Handlingar.    N.  F.,   Bd.  39,  No.  6;  Bd.  40,  No.  1,  5;   Bd.  41,  No.  1-3,  5. 

1904-06. 
Arkiv  för  Zoologi.    Bd.  2,  Heft  4;  Bd.  3,  Heft  1,  2.    1906. 
Arkiv  för  Kemi.    Bd.  II,  2,  3.    1906. 

Arkiv  för  Botanik.    Bd.  V,  1—4;  Bd.  VI,  1,  2.    1905-06. 
Arkiv  fbr  Matematik.    Bd.  II,  3,  4;  Bd.  III,  1.    1905-06. 
Les  prix  Nobel  en  1903.    1906. 
Nobelinstitut  Meddelanden.    Bd.  I,  2—5.    1906. 

Oeologiska  Förening  in  Stockholm: 
Förhandiingar.    Bd.  27,  Heft  7;  Bd.  28,  Heft  1-6.    1905-06. 

Institut  Royal  gSologique  in  Stockholm: 
Sveriges  geologiska  Undersökning.    12  Hefte  mit  Karten.    1906. 

Commission  Boyale  Suidoise  pour  la  mesure  d'un  arc  de  miridien  au 

Spitzberg  in  Stockholm: 

Mesure  d'un  arc  de  mdridien  au  Spitzberg.  S  II  B,  SV,  S  VII  A,  S  VIII  A, 
S  VIII  B,  S  VIII  BS  S  VIII B^  S  Vlll  B^,  S  VIII B*,  S  VIII B*,  S  VIII  C, 
SX.    1904-05.   4». 

Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaften  in  Straßburg: 
Monatsbericht.    Bd.  40,  Nr.  1-7.    1906. 

Kaiserl,  Universität  Straßburg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4<>  u.  8^. 

Württembergische  Kommission  für  Landesgeschichte  in  Stuttgart: 
Vierteljahreshefte  für  Landesgeschichte.  N.  F.,  XV.  Jahrg.  1906,  Heft  1—4. 

K.  Württemberg.  Statistisches  Landesamt  in  Stuttgart: 

Württembergische  Jahrbücher  für  Statistik.  Jahrg.  1905,  Heft  1,  2.  1905.  4®. 
Statistisches  Handbuch  für  das  Königreich  Württemberg.    Jahrg.  1904  u. 
1905.    1906.   gr.  8®. 

DepaHment  of  Mines  and  Agriculture  of  Netc^South-  Wales  in  Sydney ; 

Annual  Report  for  the  year  1905.    1906.    fol. 

Mineral  Resources.   No.  11.    1906. 

Records  of  the  Geological  Survey.  Vol.  8,  part2.  Mit  einer  Karte.  1905.  4P. 

Palaeontology.   No.  5.    1906.    4^. 

Linnean  Society  of  Netc-South- Wales  in  Sydney: 

Proceedings.  Vol.  30,  part  3,  part  4  and  Supplement;  vol.  31,  part  1,  2. 
1905—06. 

Observatorio  astronömico  nacional  in  Tacubaya: 
Anuario.   Ano  de  1906,  ano  XXVI. 

National  Physical  Labor atory  in  Teddington: 
Report  for  the  year  1905.    1906.   4®. 

Earthquake  Investigation  Committee  in  Tokyo: 
F.  Oman,  Note  on  the  San  Francisco  Earthquake  of  April  18.  1906.   4^. 


32*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  in  Tokyo: 
Mitteilungen.    Bd.  10,  Heft  3.    1906. 

Kaiserl,  Universität  Tokyo  (Japan): 
Calendar  1905/06. 
The  Journal  of  the  College  of  Science.   Vol.  20,  article  8—12;   vol.  21, 

article  1.    1905—06.    4». 
Mitteilungen  aus  der  medizinischen  Fakultät.    Bd.  VI,  No.  4.    1905.   4^ 
The  Bulletin  of  the  College  of  Agriculture.    Vol.  VII.  No.  1,  2.    1906.  4^ 

Universum  in  Toulouse: 

L'oeuvre  antialcoolique  par  Doumergue.    1906. 
Bulletin  de  la  Station  de  pisciculture.    No.  2     1905. 
Annales  du  Midi.    No.  68,  69.    1905—06. 

Annales  de  la  facult^  des  sciences.  II®  Serie,  tome  VII,  fasc.  3,  4;  tome  VIII, 
fasc.  1.    1905-06.   4». 

Biblioteca  e  Museo  cowunale  in  Trient: 
Archivio  Trentino.    Anno  XX,   fasc.  2;    anno  XXI,  fasc  1—8.    1905 — 06. 

Kaiser  Franz  Joseph-Museum  für  Kunst  und  Gewerbe  in  Troppau: 
Jahresbericht  fär  die  Jahre   1904  und  1905.    1906. 

Tufts  College  Mass.: 
Studies.   Vol.  2,  No.  1.    1905. 

B.  Accademia  delle  scienze  in  Turin: 

Osservazioni  meteorologische.   Anno  1905.    1906. 

Atti.    Vol.  41,  disp.  1—15  und  Indici  generali  zu  Vol.  31—40.    1905—06. 

Memorie.    Serie  II,  tomo  55.    1905.    4®. 

R.  Accademia  d'agricoltura  in  Turin: 
Annali.   Vol.  48,  1905.    1906. 

Humanisk,  Vetenskaps  Samfund  in  Upsala: 
Skrifter.   Bd.  IX.    1906.* 

Meteorolog.  Observatorium  der  Universität  Upsala: 
Bulletin  mensuel.   Vol.  37.    1905-06.   fol. 

K.  Universität  in  Upsoda: 

Results  of  the  Swedish  Zoological  Expedition  to  Egypt  1901,  part  II.    1905. 

Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  4»  u.  8®. 

Botaniska  Studier  tillägnade  F.  R.  Kjellman  den  4.  Nov.  1906.  1906.  gr.  8*^. 

Historisch  Genootschap  in  Utrecht: 
Bijdragen  en  Mededeelingen.    Bd.  XXVI  (1905).    Amsterdam  1905. 

Provinddl  Utrechtsch  Genootschap  in  Utrecht: 

Naamlijst  en  Registers. 
AanteeKeningen.    5.  Juni  1906. 
Verslag.   6.  Juni  1906. 

Institut  Royal  MHiorologique  des  Pays-Bas  in  Utrecht: 

Annuaire  1904.    1906.   4^. 

Mededeelingen  en  Verhandelingen  I  a,  b,  II — IV.    1906. 


Vefßeu^mis  der  eingelaufenen  Druekedtriften.  33* 

Äieneo  Veneto  in  Venedigs 
Atti.    Vol.  27,  No.  1,  2;  vol.  28,  No.  1,  2.    1904-05. 

i2.  Istituto  Veneto  di  acieme  in  Venedig: 

Atti.   Vol.  63,  No.  1—10;  vol.  64.  Ko.  1—10.    1904— OB. 
Memorie.   Vol.  XXVII,  No.  8—5.    1904—05.   4^. 

Mathematiech-physikalieche  Gesellschaft  in  Warschau: 
Prace.    Tomo  17.    1906. 

National  Äcadetny  of  Sciences  in  Washington: 
Memoirs.   Vol.  IX.    1905.   4P. 

Bureau  of  American  Ethnology  in  Washington: 

Bulletin.   No.  28,  29,  Haida  Texts  32.   1904—06. 
23<^  annual  Report.    1904.    4^*. 

Commissioner  of  Edueation  in  Washingion: 
Report  for  the  jear  ending  Jone  80,  1904.   Vol.  1.    1906. 

U.  S.  Department  of  Agrieultwre  in  Washington: 
Yearbook  1905.    1906. 

Smithsonian  InstituHon  in  Washington: 

Smithsonian  Goniribntions  to  knowledge.    Vol.  34. 
Carl  Barus,  A  continuous  Record  of  Atmospheric  Nurleation  1905.    4®. 
Annual  Report  for  the  year  ending  June  30,  1904.    1905. 
Miscellaneous  Collections.   No.  1685.    1905. 

Contributions  from   the  U.  S.  National  Herbarium.   Vol.  10,  pari  1,  2; 
vol.  11.    1906. 

ü,  8.  Natiofud-Museum  in  Washington: 

Annual  Report  for  the  year  1904.    1906. 
Proceedings.    Vol.  28— 80.    1905—06. 
Bulletin.    No.  54.  55.    1905. 

U.  S.  Naval  Observtttory  in  Washingion: 
PubUcations.   H.  Serie«,  vol.  IV,  part  I— IV.    1906.   40. 

Philosophieäl  Society  in  Washington: 
Bulletin.   Vol.  XIV,  p.  317—336,  839—450.    1906. 

U.  S.  Coast  and  Geodetic  Sureey  in  Washingion: 
Annual  Report  for  the  year  1905.   4^. 

United  States  Qeologieai  Sureep  in  Wasikington: 

Bulletins.    No.  247.  251,  256,  263,  265.   266,  Ö68,   274-278.  290—282. 

288,  291.    1905-06. 
Monograph.   No.  XXXU.  Atlas.  Yellowstone  National  Park  XLV,  XLVII, 

XLIX,  45,  47,  49.  XLVIU.  2  parts.    1904—06.   4». 
Annual  Report  XXVI,  1904—05.    1905.   4*. 

Professional  Paper.   No.  34,  36-88,  40—44,  48,  50.    1904—05.   4^. 
Mineral  Resources.  1904.    1905. 
Water-Supply  Paper.   No.  I2S,  12Ö,   127,  12^—181.  138-158,   l63,  165 

bis  171,  176,  178.    1905—06. 

8 


34*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Harzverein  für  Geschichte  in  Wernigerode: 

Zeitschrift.    38.  Jahrg.,  2.  Heft,  1905;  89.  Jahrg.,  1.  u.  2.  Heft,  1906,  und 
Register  zu  Jahi^.  25—30,  Bd.  II.    1906. 

Kaiserl,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien: 

Sitzungsberichte.    Philos.-hist.  Klasse,  Bd.  150,  151,  153  und  Register  zu 

141-160.    1905. 
Mathem.-naturwissenschaftl .  Klasse. 

Abt.  I,  Bd.  114,  Heft  6-10;  Bd.  115,  Heft  1—5. 
,    IIa,  Bd.  114,  Heft  8-10;  Bd.  115,  Heft  1—5. 
.    üb,     .     114,      .     7-10;     .     115,      ,      1-6. 
,  III,  Bd.  114,  Heft  5—10;  Bd.  115,  Heft  1—5. 
Denkschriften.    Philos.-hist.  Klasse,  Bd.  51,  52.    1906.    4». 

Mathem.-naturwissenschaftl.  Klasse,  Bd.  78.    1906.    4^. 
Anzeiger  der  mathem.-naturwissenschaftl.  Klasse.    1906,  Nr.  I — XXVII. 
Archiv  für  österreichische  Geschichte.    Bd.  94,  1.  Hälfte.    1906. 
Fontes  rerum  Austriacarum.    II.  Abt.,  Bd.  58  u.  II.  Abt.,  Bd.  59.    1906. 
Almanach.    Jahrg.  1906,  Bd.  56,  Heft  1  u.  2.    1906.    4». 
Mitteilungen  der  Erdbebenkommission.   N.  F.,  Heft  30.    1906. 

K,  K,  Geologische  Eeichsanstalt  in  Wien: 

Verhandlungen.    1905,  Nr.  13—18;  1906,  No.  1—10.    40. 
Abhandlungen.    Bd.  XX,  Heft  2.    1906.   fol. 

K.  K,  Zentralanstalt  für  Meteorologie  in  Wien: 
Jahrbücher.    Bd.  49,  I  u.  IL    1906.    40. 

K.  JT.  Gesellschaft  der  Ärzte  in  Wien: 
Wiener  klinische  Wochenschrift.    1906,  Nr.  1-52.   4^. 

Zoologisch-botanische  Gesellschaft  in  Wien: 

Verhandlungen.    Bd.  65,  Heft  9,  10;  Bd.  56,  Heft  1—7.    1905-06. 
Abhandlungen.   Bd.  III,  Heft  3,  4.    1906.    4^. 

Comiti  für  die  Lieben-Feier  in  Wien: 

Festschrift  Adolf  Lieben  zum  60  jährigen  Doktorjubiläum  und  zum  70.  Ge- 
burtstage gewidmet.    Leipzig  1906. 

Österr.  Kommission  für  die  internationale  Erdmessung  in  Wien: 
Verhandlungen.   Protokoll  über  die  am  29.  Dez.  1904  abgehaltene  Sitzung. 

K,  K,  Naturhistorisches  Hofmuseum  in  Wien: 
Annalen.   Bd.  XX,  Nr.  1—8.    19ü5.   4P. 

Geologisches  und  paläontologisches  Intiitut  der  Universität  Wien: 

Beiträge  zur  Paläontologie  und  Geologie  Österreich-Ungarns.   Bd.  XIX, 
Heft  2  u.  3.    1906.   4^. 

K,  K,  Universität  in  Wien: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1906. 

Verein  zur  Verbreitung  natuncissenschaftlicher  Kenntnisse  in  Wien: 
Schriften.    Bd.  46,  Jahrg.  1905/06.    1906. 

Verein  für  Nassauische  Altertumskunde  etc.  in  Wiesbaden: 
Annalen.  85.  Bd.,  1905.    1906.   40. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  35* 

Nassauischer  Verein  für  Naturkunde  in  Wiesbaden: 
Jahrbücher.   Jahrg.  59.    1906. 

Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  in  Wikrzburg: 

Verhandlungen.    N.  F.,  Bd.  38,  Nr.  2—12.    1906—06. 
Sitzung8berichte.    1905,  Nr.  3—9. 

Historischer  Verein  von  Unterfranken  in  Würzburg: 

Archiv.    Bd.  47.    1905. 
Jahresbericht  für  1904.    1905. 

Polytechnisches  Zentralbureau  in  Würzburg: 
Festgabe  zur  Jahrhundertfeier.    1906.   4^. 

Schweizerische  Meteorologische  ZentraJanstalt  in  Zürich: 
Annalen  1904.    41.  Jahrg.    1906.    4^. 

Allgemeine  geschichtsforschende  Gesellschaft  der  Schweiz  in  Zürich: 
Jahrbuch  für  Schweizerische  Geschichte.    81.  Bd.    1906. 

Antiquarische  Gesellschaft  in  Zürich: 
Mitteilungen.   Bd.  26,  Heft  4.    1906.   40. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Zürich: 

Neujahrsblatt  auf  das  Jahr  1906.    1906.    4®. 

Vierteljahrsschrift.    Jahrg.  50,  Heft  3,  4;  Jahrg.  51,  Heft  1.    1906-06.    4«. 

Schweizerisches  Landesmtueum  in  Zürichs 

Anzeiger   für   Schweizerische   Altertumskunde.    N.  F.,    Bd.  VII,    Nr.  4; 

Bd.  VIII,  Nr.  1,  2.    1906.    40. 
14.  Jahresbericht  1905.    1906. 

Sternwarte  in  Zürich: 
Astronomische  Mitteilungen.   Nr.  97.    1906. 

Universität  in  Zürich: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1905/06  in  49  u.  8®. 


N'€uMra0: 

Jahrbuch  über  die  Fortschritte  der  Mathematik  und  Physik  in  Berlin: 
Jahrbuch.    Bd.  35,  Heft  2. 

American  Academy  of  Arts  and  Sciences  in  Boston: 
Proceedings.  Vol.  41,  No.  14,  15.    1905. 

Australasian  Association  for  the  advancement  of  science  in  Dunedin : 
Report  of  the  10*»»  Meeting  held  at  Dunedin  1904. 


36*  V^TMeidinis  der  eingelaufenen  Druckeehriften. 


Von  folgenden  Privatpersonen: 

Prinee  Albert  I,  von  Monaco: 
Resultats  des  Campagnes  scientifiques.   Fase.  32.    1906.   fol. 

V,  Ävramoff  in  Sofia: 
Description  Resumäe  des  Monnaies  de  la  collection  de  Avrainoff.    1906. 

Concetto  Barreca  in  Syrakus: 

Le  Catacombe  di  S.  Giovanni  in  Siracnsa.    1906. 

Sopra  un  giudizio  del  Prof.  Paolo  Orsi  a  proponto  delle  Gatacoinbe  di 
S.  Giovanni.    1906. 

Verlagsbuchhandlung  Johann  Ämbrosius  Barih  in  Leipzig: 

Beiblätter  zu  den  Annalen  der  Physik.   1906,  Nr.  1-23  u.  Bd.  30.  Heft  13. 
Journal  für  praktische  Chemie.    K  F.,  Bd.  71,  Heft  5—7;  Bd.  72,  Heft  6, 
11,  12;  Bd.  78,  Heft  1—9;  Bd.  74,  Heft  1-4,  10.    1905-06. 

Buchhandlung  Bählaue  Nachfolger  in  Weimar: 

Die  Gesetze  der  Angelsachsen.  Herausgegeben  im  Auftrage  der  Sayigny- 
Stiftung  von  F.  Liebermann.    Bd.  II,  1.  Hälfte.   Halle  1906.   40. 

Zeitschrift  der  Savigny-Stiftung  für  Rechtsgeschichte.  27.  Bd.  der  romanist. 
und  der  germanist.  Abteilung.   Weimar  1906. 

Ludung  Curiius  in  Athen: 
Samiaca  I.  (Sep.-Abdr.)   1906. 

H,  Diele  in  Berlin: 
Die  Handschriften  der  antiken  Ärzte.   Berlin  1906.   4®. 

Frone  Do f lein  in  München: 
Ostasienfahrt.   Leipzig  1906. 

Erich  von  Jh-ygaleki  in  München: 
Ferdinand  Freiherr  von  Richthofen.   Leipsig  1906. 

Leopold  Engel  in  Blaseicite  bei  Dresden: 
Geschichte  des  lUuminaten-Ordens.   Berlin  1906 

Joh.  Et.  Engl  in  Salzburg: 
Hyrtla  Mozart-Scbädel.   I.  Die  geschichtliche  Sohildemng.    1906. 

Artur  J,  Evans  in  Oxford: 

The  Palace  of  Enossos.   Athen  1904-^05.   4^ 

B,  Fick  in  Prag: 

Betrachtungen  über  die  Chromosomen,  ihre  Individualität,  Reduktion  und 
Vererbang.    1905. 

Einü  Fischer  in  Berlin: 

Untersuchungen  über  Aminosäuren.    1906. 

Verlagsbuchhandlung  von  Chistav  Fischer  in  Jena: 

Naturwissenschaftliche  Wochenschrift.    1906,  Nr.  1 — 52. 
Zoologische  Forschungsreisen  in  Australien  von  R.  Semon.  Bd.  IV,  Lief.  4  = 
Lief.  26.    1905.   fol. 


Vereeiehnis  der  eingelaufenen  Drueksehriften.  37* 

Henri  Fisi^ier  in  Paris: 

3  opuscules  d*^ouard  Piette,   et  nn  n^crologe  d*£d.  Piette  par  Henri 
Fischer.    1906. 

Hermann  Fischer  in  Tübingen: 
Schwäbisches  Wörterbuch.    Lief.  13— X6.    1906.   4P. 

B.  Forrer  in  Strafiburg  t.  E. 

Die  Schwerter  und  Dolche  in  ihrer  Formenentwicklnng.   Leipzig  1905.   fol. 
Keltische  Numismatik  der  Rhein-  und  Donaulande.    (5.  Fortsetzung.) 

Henri  OaidoM  in  Paris: 
Pour  le  centenaire  de  (Caspar  Zeuss.    1906. 

Mmt  7f#  jr.  B.  Ändri  Qodin  in  Quise  (Aisne): 

Le  Devoir.    Tome  29,  Decembre  1905;  tome  30,  Janvier-D^cembre  1906. 
Documents  pour  une  biographie  complete  de  Jean-Baptiste-Andr^  Godin. 
Vol.  I.    1897—1901. 

Luden  Grcmx  in  Paris: 

Proportionnalite  direct  entre  le  point  cryoscopique  d*une  eau  min^nJe 
et  la  composition  de  cette  eau.    1906.   4^. 

S,  Qundelfinger  in  Darmstadt  \ 

0.  Hesse,  Vorlesungen  aus  der  analytischen  Geometrie.    4.  Aufl.,  reTidiert 
und  ergänzt.    Leipzig  1906. 

Ernst  Haeckel  in  Jena: 

Prinzipien  der  generellen  Morphologie  der  Organismen.   Berlin  1906. 

B.  Hagen  in  Frankfurt: 

Kopf-  und  Gesichtstjpen  ostasiatischer  und  melonesischer  Völker.  Stuttgart 
1906.    fol. 

Hermine  Hartlehen  in  Berlin: 
Ghampollion.    Sein  Leben  und  sein  Werk.    2  Bde.    1906. 

F,  B.  Helmert  in  Potsdam: 
Generalleutnant  Dr.  Oskar  Schreiber.   Leipzig  1905. 

Hermann  von  Ihering  in  8äo  Pmuiö: 

The  Anthropology  of  the  State  of  S.  Paulo,  Brazil.    1906. 

Wilhelm  Knapp  in  Halle: 
Chemische  Zeitschrift.    1906,  Nr.  1,  2,  4—18. 

A.  Köllikers  Belikten  in  Würzburg: 
Die  Entwicklung  der  Elemente  des  Nervensystems.    Leipzig  1905. 

P.  KokowBoff  in  Petersburg: 
Nouveaux  fragments  Syropalert.    1906.    fol. 

Karl  Krumbacher  in  üfüftcA^n: 
Byzantinische  Zeitschrift.    Bd.  XV,  Heft  1 — 4.   Leipzig  1906. 

J.  V,  Kuli  in  Mün^^en: 
Repertorium  zur  Münzkunde  Bayerns.    8.  FortsetBang.    1S06. 


88*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Henry  Charles  Lea  in  Philadelphia: 
A.  History  of  the  Inquisition  of  Spain.   Vol.  I  u.  11.   New- York  1906. 

Joseph  Levy  in  Grussenheim  {Oberelsaß): 
Geschichte  des  Dorfs  Zimmerbaeh.   Rixhenn  1906. 

F.  und  L.  Lindemann  in  München: 

Henri  Poincar^,  Wissenschaft  und  Hypothese.    Leipzijs^  1906. 
Vorlesungen  über  Geometrie.   Bd.  I,  Teil  1,  Lief.  1.   Leipzig  1906. 

C,  G.  lAoyd  in  Cincinnati: 
Mycological  Notes.   No.  19,  20.    1906. 

Wühelm  Lndowici  in  JocJcgrim: 
Stempel-Bilder  römischer  Töpfer.    1899.   4^. 

Basüe  Modestov  in  Born: 
Introduction  ä  l'Histoire  Romaine.    Paris  1907.    4*^. 

Ernesto  Monaci  in  Rom: 
Archivio  paleografico  italiano.   Fase.  21— 23.    1905—06.   fol. 

Gabriel  Monod  in  Versailles: 

Revue  historique.  Tome  90,  No.  II,  Mars,  Avril  1906;  tonie  91,  No.  I,  II, 
Mai-Aoüt  1906;  tome  92,  No.  1,  11,  Sept.— Dec.  1906.   Paris. 

W,  MorieVsche  Buchdruck  er  ei  und  Vtrlagshandlung  in  Badolfzell: 

,Vom  Bodensee*.  Vergangenheit  und  Gegenwart  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung von  Reichenau,  Mainau,  WoUmatingen  und  Konstanz. 
Von  B.  Bauer.    1906. 

Eugen  Oberhummer  in  Wien: 

Wolfgang  Lazius,  Karten  der  österreichischen  Lande,  herausgegeben  von 
E.  Oberhummer  und  Franz  R.  von  Wieser.   Innsbruck  1906.    fol. 

Michele  Rajna  in  Bologna: 
Sülle  condizioni  deir  osservatorio  della  R.  Universitär  di  Bologna.    1906. 

S,  Riefler  in  München: 

Zeitübertragung  durch  das  Telephon. 
Elektrische  Femeinstellung  von  Uhren. 

H,  Rosenbusch  in  Heidelberg: 
Studien  im  Gneisgebirge  des  Schwarzwaldes.    1906. 

Heinrich  Rudolf  in  Coblens: 
Erdmagnetismus  und  Luftelektrizität.    1906. 

Giovanni  Scardovelli  in  Sermide: 
L' Ultimo  Conquistatore.    1906. 

Verlag  von  Seitz  dt  Schauer  in  München: 
Deutsche  Praxis.    1906,  Nr.  1—24. 

Stephan  Kekule  von  Stradonüz  in  Berlin: 
Ahnentafel-Atlas.    1898—1904.   quer  fol. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  39* 

Philipp  Straßer  in  Sdleburg: 
Fürst  Otto  von  Bismarck,  t  31.  Juli  1898.    1906.   fol. 

Julius  Tafel  in  Würeburg: 
22  Separat-Abdrflcke  aus  dem  Gebiete  der  Chemie. 

Verlagsbuchhandlung  B,  G,  Teubner  in  Leipzig: 

Thesaurus  linguae  Latinae.  Vol.  2,  fasc. 8— 10;  vol. 4,  fasc.  1.  1905—06.  fol. 
Enzyklopädie    der    mathematischen  Wissenschaften.   Bd.  II,  1,  Heft  6; 

Bd.  111,  2,  Heft  3;   Bd.  IV,  2,  Heft  3;   Bd.  V,  1,  Heft  3;   Bd.  VI,  1. 

Heft   1,  und  französische  Ausgabe,   tome  I,    vol.  3,  fasc.  1;  vol.  4, 

fasc.  1.    1906. 
Archiv  der  Mathematik  und  Physik.  III.  Reihe,  Bd.  10,  Heft  2—4;  Bd.  11, 

Heft  1,  2.    1906. 

A,  Thieullen  in  Paris: 
Les  pr^jug^  et  les  faits  en  industrie  prehistorique.  1906.   fol. 

J,  F,  Thoene  in  Cöln: 
Läßt  sich  unsere  Zeitrechnung  vereinfachen?    1906. 

Heinrich  Welehofer  in  Bohrbach: 
Das  Büchlein  vom  Höchsten.   Stuttgart  1906. 

Vinzenz  Wiefiner  in  Freiwaldau: 
Die  Leitung  der  mechanischen  Energie.   Dresden  1906. 

Ludwig  Wüser  in  Heidelberg: 
Die  Burgunder  im  Wonnegau.   Worms  1906. 

J,  Cook  Wüson  in  Oxford: 
On  the  Tra versing  of  Geometrical  Figures.    1905. 

Veit  Brecher  Wütrock  in  Bergen: 

Acta  Horti  Bergiani.   Vol.  I,  II,  III,  1.   Stockholm  1891-1903.   4P. 
Catalogus  illustratus  Iconothecae  botanicae.  Pars  II.  Stockholm  1905.  4®. 

Ed.  V.  Wölfflin  in  München: 
Archiv  für  lateinische  Lexikographie.   Bd.  XIV,  4.   Leipzig  1906. 

Firma  Karl  Zeiß  in  Jena: 
Gesammelte  Abhandlungen  von  Ernst  Abbe.   Bd.  3.    1906. 


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