Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
U9»oc ni7.»«.'0
Satfiaili CoUfge Itbrars
JOHN AMORY LOWELL,
IOIbh mt laUk
■hiül be ipcDt for bookt uid one quirter
be added to thc prlncipal.
Sitzungsberichte
der
philosophisch -philologischen
nnd der
historischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu JMüincheii.
Jahrgang 1903.
Mfinchen
Verlag der K. Akademie
1904.
In KommiMioii dM 6. Franz'sehen Verlags (J. Roth).
M^
▲kademiaehe Buchdruckerei von F. Straub in Mflochen.
Inhaltsübersicht.
Seita
I. Sitzüng8l)erichte.
3. Januar: Spengel; v. Heigel, Traube 1
7. Februar: Muncker; Prutz 64
7. März: Schlagintweit, v. Bechmann, v. Amira; v. Riezler,
V. Heigel 117
Oeffentliche Sitzung am 11. März: Ansprache des Präsidenten
V. Zittel, Nekrologe (v. Maurer, Paris; v. Cornelius,
V. Oefele, Lord Acten, v. Ficker, Dümmler, Müntz),
Festrede von G. P. Knapp 241
2. Mai: Goetz, Petzet, Furtwängler, Krumbacher; Grau-
ert, Friedrich 257
13. Juni: Furtwängler, v. Christ; v. Rockinger, Riehl, Rig-
gauer 261
4. Juli: Simon, Furtwängler, Lipps; Brentano 264
7. November: Furtwängler; Pöhlmann 513
Oeffentliche Sitzung am 25. November: Ansprache des Präsidenten
V. Zittel, Statut der Samson- Stiftung, Wahlen (Crusius,
Lenel, Dilthey, Mitteis, Wolters; Doeberl, Meitzen,
Gierke, Pester, Vischer), Festrede von K. v. Amira 514
5. Dezember: Sandberger; v. Riezler, Traube . . 528
IL Abhandlungen.
K. V. Amira: Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm
\*y 1 ai. j ........... ^Lo
W. V. Christ: Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte . 381
J. Friedrich: Die sardicensischen Aktenstücke der Sammlung des
Theodosius Diaconus 321
A. Furtwängler: Der Ostg^ebel des olympischen Zeustempels
(4 III. im Text) 421
lY Inhältsüberaicht.
Seite
A. Furtwängler: Zu den Skulpturen des Asklepiostempels von
Epidauros (2 Taf.) 439
G. Goetz: Papias und seine Quellen . . 1 . . . 267
K. Th. V. Hei gel: Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsrats
Georg Ludwig v. Maurer 471
K. Krumbacher: Das mittelgriechische Pischbuch (1 Taf.) . . 345
K. Krumbacher: Die Akrostichis in der griechischen Kirchen-
poesie 551
F. Muncker: Wielands „Pervonte* 121
£. Petzet: Ueber das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel
(2 Taf.) 287
H. Prutz: Ueber des Gautier von Compiegne ,Otia de Machomete*.
Ein Beitrag zur Geschichte der Mohammedfabeln im Mittel-
alter und zur Kulturgeschichte der Kreuzzüge ... 65
R. Simon: Die Notationen des Somanätha (2 Taf.) . . . 447
A. Spengel: Zur Geschichte des Kaisers Tiberius ... 3
L. Traube: Acta Archelai. V^orbemerkung zu einer neuen Ausgabe 533
III. Protokolle der Kartellversammlang des Verbandes wissenschaft-
licher Körperschaften in München am 5. und 6. Juni 1903
' (darin S. 9 f.: Kommission zur Erörterung der Vorarbeiten
für eine kritische Ausgabe des Mahäbhärata) . . 1—13
IV. Verzeichnis der eingelaufenen Drackschriften 1*^50*
' / ,-
/ A . . C,/ " \r
/
/
Sitzungsberichte
der 1 ;.-•
philosophisch -philologlBchen
und der
historisehen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu M^ünchen,
1903. Heft L
Mflnchen
Verlag der E. Akademie
1903.
In Kommission des 6. Franz'schcn Verlags (J. Ruth).
Sitzungsberichte n^ c.
der
Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften.
^' MI
l''?"tiC.
Sitzung vom 3. Januar 1903.
Philosophisch-philologische Klasse.
Herr Spenoel hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius,
in dem die Glaubwürdigkeit einzelner Ereignisse aus der
Kegierungszeit dieses Kaisers nach den Quellen untersucht wird,
um Folgendes zu erweisen:
1. Der Befehl zur Ermordung des Agrippa Postumus kann
nicht von Tiberius ausgegangen sein.
2. Die Legionen am Rhein haben den Oermanikus nicht
zum Kaiser ausgerufen.
3. Aus dem Bericht des Tacitus über die Feldzüge des
Oermanikus in Deutschland ist manches als unhistorisch
auszuscheiden.
4. Oermanikus starb natürlichen Todes.
5. Ebenso Drusus, der Sohn des Tiberius.
6. Seianus hat keine Verschwörung angestiftet.
•M'
190a SitzgBb. d. pbil<Ni.-phUo1. n. d. faiat. Kl.
Sitzung «om 3. Januar 1903,
Historische Klasse.
Herr von Heigel erörtert in einem für die Denkschriften
bestimmten Vortrage:
Preussen und die Reichsstadt Nürnberg im
Jahre 1796
an der Hand von Wiener, Berliner und Nürnberger Archivalien
den Versuch Hardenbergs, die Reichsstadt Nürnberg in den
Besitz Preussens zu bringen und zum Mittelpunkt noch weiterer
Erwerbungen in Süddeutschland zu machen.
Herr Traube hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Nomina sacra, ein Beitrag zur christlichen
griechischen und römischen Paläographie
und spricht darin, von der Ueberlieferung des Cyprianus und
anderer früher christlicher römischer Schriftsteller ausgehend,
über die Schreibung der Nomina sacra in der griechischen und
römischen Paläographie. Er stützt damit eine Verbesserung
seiner Theorie von der Geschichte der Abkürzung.
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius.^)
Von A. Spengrel.
(Vorgetragen in der pbilos.-pliilol. Klasse am 3. Januar 1903.)
Dass die Taten und der Charakter des Tiberius von den
alten Geschichtschreibern nicht ohne Parteilichkeit dargestellt
sind, wird heutzutage wohl niemand mehr leugnen. Gar manches
H in Programmen und grösseren Schriften behandelt, manches
auch von selbst so augenscheinlich, dass es sich einem vor-
urteilslosen Blick schon bei flüchtigem Lesen nicht entziehen
kann. Aber abgesehen von einzelnen Werken hat es immer
noch den Anschein, als ob sich die Geschichtschreibung scheute,
den Justizmord, den sie einst an der Ehre dieses hochbedeutenden,
von bestem Streben erfüllten Kaisers begangen hat, einzu-
gestehen und wieder gut zu machen.
Wir sind in dem Abscheu aufgewachsen, den uns die
Schule vor dem Namen Tiberius eingeflösst hat. Und was wir
dort gelernt haben, das hat die Literatur in Prosa und Poesie
') Ich veröffentliche diese Untersuchungen so wie sie aus der
Lektüre der Schriftsteller selbständig entstanden sind, ohne mich im
einzelnen um den Nachweis zu bemühen» wo andere ähnliche Ansichten
losgesprochen haben. Nur soviel möchte ich beifugen, dass ich mich
i'ifrichtig gefreut habe mit der Abhandlung meines unvergesslichen Vaters
,Ueber das erste Buch der Annalen des Tacitus von Leonh. Spengel,
Abt. d. B. Akad. d. W. 1855*, die ich erst nach Abschluss dieser Arbeit
nieder einsah, in der Auffassung der Feldzüge des Germanikus mehrfach
^äammengetroffen zu sein.
1*
4 A. Spengel
in uns gefestigt und gesteigert. Gregorovius, dessen , Wander-
jahre in Italien* immer noch mit Genuss gelesen werden, nennt
im ersten Bande, „Capri* betitelt, Tiberius den Dämon, den
furchtbarsten Namen der Geschichte, das moralische Ungeheuer.
Tiberius, sagt er, versprach nicht, er schwor nicht, er log
nicht, er war vielmehr eine fortwährende Lüge.
Und die Poesie! Allen voran leider das meisterhafte
Gedicht Geibels „Der Tod des Tiberius*, das in weite Kreise
ein Zerrbild getragen hat und noch trägt. Es schildert die
letzten Augenblicke des greisen Herrschers; er liegt im Fieber,
verflucht das Denken und kann es doch nicht lassen. Wie
Gespenster erscheinen seiner Phantasie die drei grossen Toten:
„Dort wälzt sichs wieder schon heran
Wie Rauchgewölk und ballt sich zu Gestalten —
Sieh, von den Wunden heben sie die Falten
Und starren mich gebrochnen Auges an,
Germanikus und Drusus und Seian —
Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten?
Was saugt ihr mit dem Leichenblick, dem stieren.
An meinem Blut und dörrt mir das Gebein?
's ist wahr, ich tötet' euch; doch musst' es sein.
Wer hiess im Würfelspiel euch auch verlieren!
Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein!*
So ergreifend dieses Bild ist, ebenso unwahr ist es. Erstens
hat Tiberius den Seianus nicht gemordet, er liess ihn nur aus
schwerwiegenden Gründen verhaften. Der Senat berief aber
noch an demselben Tage eine zweite Sitzung, verurteilte ihn
ohne Befehl und Wissen des Tiberius zum Tode und vollzog
die Hinrichtung. Ferner hat Tiberius an dem Tode seines
Neffen und Adoptivsohnes Germanikus nicht den geringsten
Anteil, und den leiblichen Sohn Drusus zu ermorden, wäre
reiner Wahnsinn gewesen. Allerdings gab es ein solches Ge-
rücht, aber selbst Tacitus, der ungünstigste Beurteiler des
Tiberius, weist es ausführlich als falsch und widersinnig nach.
So zerfliessen die drei grossen Mordtaten in nichts.
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 5
Durch die nachfolgenden Erörterungen ist nicht beab-
sichtigt, eine Apologie des Tiberius zu geben, sondern es sollen
nur einzelne Ereignisse aus der Regierungszeit dieses Kaisers
nach ihrem geschichtlichen Wert untersucht und soviel als
möglich festgestellt werden. Dabei wird sich allerdings viel-
fach Gelegenheit geben, sowohl die Denkungsart des Kaisers
als die Urteile und Darstellungsweise des Tacitus beizuziehen
und zu prüfen.
Die Ermordung des Agrippa Postnmus.
Gleich nach dem Tode des Augustus wurde sein Enkel
Agrippa, der Sohn der Julia, der auf der Insel Planasia in
Verbannung lebte, ermordet. Von wem der Befehl ausge-
irangen, war schon im Altertum zweifelhaft. Die meisten neueren
Geschichtschreiber bezeichnen den Tiberius als Urheber, einige
wenige die Kaiserin-Witwe Livia oder Augustus. Dass Tiberius
der Sache Yollkommen fern stand, lässt sich meines Erachtens
bei genauer Erwägung der Umstände leicht erweisen.
Cassius Dio erzählt:
,Den Agrippa liess er sogleich von Nola aus umbringen.
Er erklärte zwar wiederholt, es sei nicht auf seinen Befehl
^^eschehen, und drohte auch dem Täter, strafte ihn aber doch
in keiner Weise, sondern liess die Leute reden, was sie wollten,
die einen, Augustus habe ihn unmittelbar vor seinem Ende
umbringen lassen, die anderen, der Centurio, der ihn bewachte,
habe ihn, weil er sich auflehnte {xaivoxofJLovvxd it), aus eigenem
Antrieb getötet, wieder andere, Livia, nicht Tiberius, habe
seine Ermordung befohlen."
Es lag sehr nahe, den Tiberius dafür verantwortlich zu
machen, weil ihn der Tod des Agrippa von einem Verwandten
befreite, der möglicherweise sein Nebenbuhler werden konnte.
Von dem Bericht des Dio wollen wir uns einstweilen nur
anmerken, dass der Kaiser wiederholt die Schuld ablehnte, und
werden diese Behauptung nur dann als unwahr bezeichnen dürfen,
wenn sie sich durch triftige Gründe als solche erweisen lässt.
6 A. Spengel
Genaueres erfahren wir durch Suetonius c. 22:
„Das Hinscheiden des Augustus machte er nicht eher
bekannt, als bis der junge (25 jährige) Agrippa ermordet war.
Diesen tötete der Kriegstribun/) der ihm zur Wache bei-
gegeben war, nachdem er das Schreiben, das den Befehl ent-
hielt (codicilli), gelesen hatte. Es ist zweifelhaft, ob Augustus
dieses Schreiben bei seinem Tode hinterliess, um den Ausbruch
von Unruhen nach seinem Ableben zu verhüten, oder Livia im
Namen des Augustus den Befehl schreiben Hess, und wenn
diese, ob mit oder ohne Wissen des Tiberius. Als der Tribun
dem Tiberius die Meldung brachte, es sei geschehen, was er
ihm befohlen habe, erwiderte dieser, er habe nichts befohlen
und der Tribun müsse vor dem Senate über seine Tat Rechen-
schaft ablegen. Er wollte nämlich nur für den Augenblick
die Missgunst ablenken; später brachte er die Sache durch
Stillschweigen in Vergessenheit.*
Das Wichtige an dieser Darstellung des Suetonius ist, dass
er dem Tiberius in der Angelegenheit überhaupt kein selb-
ständiges Handeln zuschreibt. In erster Linie wird Augustus
als Urheber genannt, dann Livia; nur dass diese im Ein-
verständnis mit Tiberius gehandelt haben könnte, wird noch
als dritte Möglichkeit angenommen. Ein eigenmächtiges Vor-
gehen des Centurio (vergl. Dio) ist ausgeschlossen. Denn der
schriftliche Befehl wird sowohl hier als bei Tacitus ausdrück-
lich bezeugt.
Sehr ausführlich und bedeutsam, wenn auch in ihren Schluss-
folgerungen nicht zu billigen ist die Schilderung des Tacitus
Annal. I, 6. Er beginnt mit den Worten:
„Die erste Untat, die in die neue Regierung fiel, war die
Ermordung des Postumus Agrippa, den, wiewohl er ahnungs-
los und unbewehrt war, der sehr beherzte Centurio mit harter
Mühe überwältigte.'*
^) Oder, was genauer gesagt wäre : der Kriegs tribun Hess ihn durch
den Centurio töten; vergl. die obige Stelle des Cassius Dio und unten
die des Tacitus. Zur Berichterstattung werden wohl Tribun und Centurio
zugleich vor Tiberius erschienen sein.
Zur Oeschichie des Kaisers Tiberius, 7
Letzterer Umstand, dass nämlich Agrippa nur mit harter
Mühe überwältigt wurde, ist wahrscheinlich eigener Zusatz des
Tacitus. Denn es ist seine Art, die Ereignisse lebhaft zu ver-
anschaulichen und die handelnden Personen zu charakterisieren.
Da Agrippa ungewöhnliche Eörperstärke besass, schien es stil-
gerecht, wenn der Genturio über den Kraftmenschen kaum Herr
zu werden vermochte. Freilich hat diese Detailausschmückung
wenig innere Wahrscheinlichkeit. Der Centurio müsste es sehr
ungeschickt angefangen haben, wenn er den Ahnungslosen und
Unbewehrten nicht mit einem wohlgezielten Schlag oder Stoss
aus dem Leben befördert hätte. Oegen einen unvorhergesehenen
Todesstoss bot die Eörperstärke keinen Schutz.
Es heisst dann bei Tacitus weiter:
«Tiberius sprach über diesen Vorfall nichts im Senate,
'^patris ius^a simulabat, quibus praescripsisset tribuno custo-
diae apposito, ne cunctaretur Agrippam morte adficere, quan-
doque ipse supremum diem explevisset.' Diese Verordnung des
Augustus hält Tacitus für unglaubhaft und sucht seine An-
sicht auf folgende Weise zu begründen:
, Allerdings hat sich Augustus über die Aufführung des
jungen Mannes offc und bitter beklagt und hat es sogar durch-
gesetzt, dass seine Verbannung durch einen Senatsbeschluss
bestätigt wurde, aber so hartherzig war er doch nicht, dass
er über ein Mitglied seiner Familie den Tod verhängte (in
nullius unquam suorum necem duravit). Auch konnte man
nicht glauben, dass er das Leben seines Enkels der Sicherheit
seines Stiefsohnes opferte.**
Aber Augustus war tatsächlich hartherzig, wenn er sich
überzeugt hatte, dass das Staatsinteresse es erforderte. So
gegen seine Tochter Julia, bezüglich deren Suetonius Oktav,
c. 65 ausdrücklich bemerkt: 'etiam de necanda deliberavit.'
Und doch handelte es sich hier um die eigene Tochter, nicht
den Enkel, um ein Weib, nicht einen Mann. Auch ist gerade
die verschiedene Behandlung, die Julia und Agrippa im Ver-
lauf ihrer Haft erfuhren, für Agrippa belastend. Während
Julia anfangs auf eine Insel verbannt, dann nach 5 Jahren
8 Ä, SpengeH
auf das Festland von Italien versetzt und ihre Haft gemildert
wurde, musste Agrippa, weil er nicht gefdgiger geworden war,
den zuerst angewiesenen Aufenthalt in Sorrent mit der ödon
Insel Planasia vertauschen, und Augustus liess durch einen
Senatsbeschluss festsetzen, dass die Haft für immer gelten solle
und der Ort nicht mehr geändert werden dürfe (Oktav, c. 65).
Gar schlimme Dinge mögen da vorgefallen sein, wenn der
Kaiser es für nötig hielt, so vorzugehen und durch Senats-
beschluss die Familienangelegenheit zu einer Staatssache zu
machen. Der 'iuvenis rudis bonarum artium et robore cor-
poris stolide ferox* (Tac. I, 3), der durch den Zwang gereizt
'in dies amentior' geworden war, wird es an Drohungen nicht
haben fehlen lassen und wird namentlich in Aussicht gestellt
haben, dass er dereinst nach dem Tode des Augustus als der
einzige unmittelbare Nachkomme desselben sein Erbrecht auf
den Thron geltend machen und seine Gegner vernichten werde.
So konnte tatsächlich die 'securitas privigni* zugleich 'secu-
ritas civitatis' sein. Hat sich doch noch zwei Jahre nach
dem Tode des Agrippa ein ihm ähnlich sehender Sklave für
Agrippa ausgegeben und in italischen Städten und selbst in
Rom Anhang gefunden, bis der Betrüger von Tiberius durch
List unschädlich gemacht wurde (Tac. H, 39).
Bei solchen Erwägungen werden wir die Urheberschaft
des Augustus nicht als unmöglich abweisen dürfen, zumal, wenn
wir annehmen, dass der Mordbefehl vielleicht nicht bedingungs-
los gegeben war und nur dann ausgeführt werden sollte, wenn
Agrippa auf die Nachricht von dem Ableben seines Grossvaters
frohlockend erklärte, dass der Thron jetzt ihm gebühre.
Hören wir, was Tacitus weiter sagt:
„Wahrscheinlicher ist, dass Tiberius und Livia, jener aus
Furcht, diese aus stiefmütterlichem Hass den verdächtigen und
verhassten jungen Mann eilig beseitigten. Als der Centurio
nach Soldatenbrauch meldete, es sei geschehen, was er befohlen
habe, antwortete er, er habe nichts befohlen und jener müsse
seine Tat vor dem Senate verantworten. Nachdem Sallustius
Crispus, der in das Geheimnis eingeweiht war — er hatte das
Zur Geschichte des Kaisers TiberitM. 9
Schreiben an den Tribun abgeschickt — dies erfahren hatte,
fürchtete er, die Schuld möchte ihm zugeschoben werden, wobei
es für ihn gleich gefahrlich wäre, ob er lüge oder die Wahr-
heit spreche, und ermahnte die Livia, dafür zu sorgen, dass
nicht die Geheimnisse des Hauses, die Ratschläge der Freunde,
die Diensie der Soldaten bekannt würden, und dass nicht
Tiberius das Ansehen des Kaisertums dadurch schädige, dass
er alles yor den Senat bringe; eine notwendige Bedingung der
Alleinherrschaft sei, dass nur einem Einzigen Rechenschaft
abgelegt werde."
Tacitus nimmt also an, dass Tiberius und Livia den Mord
veranlassten. Den Namen des Tiberius setzt er voraus, weil
er ihn für den eigentlichen Urheber hält. Aber wenn Tiberius
die Tat befohlen hätte, wäre sein Verhalten in der Sache
unbegreiflich. Vergegenwärtigen wir uns den Vorgang! Der
Centurio oder Tribun kommt vor Tiberius und meldet, der
Befehl sei vollzogen. „Welcher Befehl?** muss Tiberius ge-
fragt haben. „Dass Agrippa ermordet werde.** »Wer hat dies
befohlen?" „Ein kaiserliches Schreiben.** „Ich habe dir nichts
befohlen und du wirst dich vor dem Senate verantworten.**
Spricht so einer, der sich schuldig weiss? Er droht mit der
Verhandlung im Senate und weiss doch, dass er die Verhand-
lung nicht wagen darf, weil sie ihn vor dem ganzen Volke
hiossstellen würde! Hat Tiberius in der langen Zeit, in der
er gemeinschaftlich mit Augustus die Staatsgeschäfte führte,
so wenig gelernt, dass er seine Regierung mit einem solchen
Missgriff einleitet? Hätte er die Klage durchgeführt, und nach
dem Bericht des Tacitus muss man annehmen, dass er dazu
entschlossen war, weil erst die Bitten der Livia ihn davon
abbrachten, wie wäre sie verlaufen? Der Tribun wird ange-
klagt, den Agrippa eigenmächtig getötet zu haben. Er ver-
teidigt sich, zeigt das Schreiben vor und ist dadurch voll-
ständig entlastet. Der Kaiser stünde als Mörder da und als
Feigling dazu, weil er für seine Tat nicht einzustehen wagte.
Wäre die Bluttat von Tiberius ausgegangen, so wäre der
Verlauf der Ereignisse ein ganz anderer geworden. Entweder
10 Ä. Spengd
hätte er dem Tribunen erwidert: «Du hast recht getan, dass
du meinen Auftrag yollzogen hast" und hätte dann im Senate
gesagt: «Den Agrippa habe ich auf Befehl meines Vaters
umbringen lassen*, oder, was weit wahrscheinlicher ist, er
hätte die Sache ganz im Stillen abgemacht, einer Begegnung
mit dem Vollstrecker des Mordes in Gegenwart von Zeugen
hätte er voi^ebeugt — nichts leichter als dies — , den Agrippa
hätte ein Unglücksfall betroffen, eine Krankheit hinweggeraffb,
und ohne alles Aufsehen wäre er aus den Reihen der Lebenden
verschwunden. Aber zuerst den Mord zu befehlen, dann sich
durch den Mörder kompromittieren zu lassen, ihm öffent-
liche Bestrafung anzudrohen und sie dann doch zu unter-
lassen, das tut kein Tyrann der gewöhnlichsten Sorte, am
wenigsten ein Regent wie Tiberius, dessen Regierungshand-
lungen alle den Charakter der reifen Überlegung und Klug-
heit an sich tragen.
Nach der Schilderung des Tacitus könnte man Verdacht
gegen Sallustius schöpfen. Denn er ist es, der die Livia zur
Vermittlung bestimmt, damit die Verhandlung unterbleibt.
Sollte er wirklich den Befehl allein im Namen des Kaisers
ausgestellt haben, sei es in der Meinung, sich dadurch den
neuen Herrscher zu verpflichten oder aus Privatfeindschaft
gegen Agrippa, wozu letzterer bei seinem jähzornigen Wesen
(Tflf de doyfj ngonerei IxQ^^o Cass. Dio 55, 32) in früherer Zeit
Veranlassung gegeben haben konnte? Ganz undenkbar wäre
es nicht. So wurde z. B. Messalina, die Gemahlin des Klaudius,
als sie in Ungnade gefallen war, auf Veranlassung des Höf-
lings Narcissus umgebracht, der vorgab, dass es der Wille des
Kaisers sei (Tac. Annal. XI, 37). Dann hätte allerdings Sal-
lustius die Senatsverhandlung sehr zu fürchten gehabt.
Aber mag nun Augustus, um Unruhen nach seinem Tode
zu verhüten, diese Anordnung getroffen haben, mag Livia ihrem
Sohne dies Angebinde zur neuen Herrschaft gebracht haben,
wie z. B. nach Tac. XHI, 1 Agrippina, die Mutter des Nero, den
Junius Silanus, weil er ein Nachkomme des Augustus war,
gleich nach dem Tode des Klaudius ohne Wissen des Nero
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, 11
aus dem Wege räumte, oder mag gar Sallustius die Tat allein
auf sich genommen haben, in keinem Fall hat Tiberius darum
gewusst. Er wurde vielmehr durch die Meldung des Tribunen
peinlich überrascht und war sogleich fest entschlossen, die
Angelegenheit dem Senate zu unterbreiten, um den falschen
Verdacht von sich abzuwehren. Als ihm dann Livia ihre
Mitteilung machte, musste er notgedrungen von einer Unter-
suchung, die gegenstandslos geworden war, abstehen. Anderen
gegenüber war er vollkommen berechtigt, die Tat als 'patris
iussum* zu bezeichnen. Denn auch wenn Livia oder Sallustius
aus eigenem Antrieb gehandelt haben, ist es selbstverständlich,
(lass sie sich zu ihrer Rechtfertigung auf einen mündlichen
Auftrag des Augustus beriefen, an den er glauben musste, ob
er wollte oder nicht.
Germanikas.
Der Aufstand der Legionen am Bhein.
Nach dem Regierungsantritt des Tiberius brach bei zwei
römischen Heeren ein Aufstand aus, in Pannonien und am Rhein.
Das höchste Kommando über die Rheinarmee hatte Germanikus,
der Neffe und Adoptivsohn des Tiberius. Es wird allgemein
angenommen, dass einer der Gründe für die Empörung der
Rheinarmee war, weil die Legionen mit der Übernahme der
Regierung durch Tiberius unzufrieden waren, indem sie ihren
eigenen Feldherrn, den Germanikus, auf den Thron bringen
wollten, und dass sie diesen auch wirklich zum Kaiser ausriefen.
Wiewohl dies von Suetonius und Cassius Dio ausdrücklich
bezeugt ist, hält die Annahme doch bei genauer Prüfung
nicht stand.
Suetonius Tib. c. 25 sagt:
9 Das Heer in Germanien lehnte auch einen Kaiser ab,
den es nicht selbst gegeben, und wollte den Germanikus, der
damals an ihrer Spitze stand, mit aller Gewalt zur Über-
nahme der Herrschaft drängen, wiewohl dieser entschieden
Widerstand leistete.* Ähnlich Kai. c. 1.
12 A. Spengel
Cassius Dio 57, c. 5:
„Sie sahen, dass Germanikus auch dem kaiserlichen Hause
angehörte und weit tüchtiger war als Tiberius (noXv tov
TißeQiov xgetTTco), schmähten den Tiberius und riefen den
Qermanikus als Kaiser aus.*'
Glücklicherweise haben wir bei Tacitus eine ganz aus-
führliche, nicht weniger als 34 Kapitel umfassende Beschreibung
dieser Aufstände (I, 16 — 49), wovon 19 Kapitel (31 — 49) den
Aufstand der Rheinarmee behandeln. Daraus können wir, wenn
auch, wie meistens bei den rhetorisch geerbten Schilderungen
des Tacitus, Einzelheiten zu beanstanden sind, doch im allge-
meinen den Verlauf der Ereignisse feststellen.
Des Vergleiches halber müssen wir, ehe wir die Empörung
der Rheinarmee besprechen, zuerst die Hauptmomente des Auf-
standes in Pannonien vorführen. Die Soldaten greifen ihren
Legaten Bläsus an, treiben die Tribunen und den Lagerpräfekten
aus dem Lager und plündern deren Eigentum, den Centurio
Lucilius töten sie, die anderen Centurionen retten sich, indem
sie sich verstecken. Zwei Legionen sind nahe daran, über
einander herzufallen, weil sie sich über die Hinrichtung des
Centurio Sirpikus nicht einigen können. Die Frage, ob Tiberius
oder ein anderer Kaiser sein soll, wird nicht berührt. Sie
erkennen vielmehr den Tiberius tatsächlich als ihren recht-
mässigen Herrn an, indem sie Gesandte an ihn schicken. Sie
verlangen nur Abhilfe in Betreff der vorhandenen Missstände.
Sie fordern, dass die bisher willkürlich behandelte Dienstzeit
der Soldaten geregelt werde, dass nach 16 jährigem Dienst Ent-
lassung folge, die Ausgedienten Belohnung erhalten, die täg-
liche Löhnung auf einen Denar erhöht werde, und endlich,
dass die Veteranen nicht mehr zum ausserordentlichen Dienst
zurückbehalten werden.
Dann geht Tacitus auf die Empörung der Rheinarmee
über, c. 31: 'isdem fere diebus, isdem causis Germanicae
legiones turbatae, quanto plures, tanto violentius.' Die Gründe
sind also auch hier dieselben, die Missstände, deren Abschaffung
sie verlangen. Wenn dann beigefügt ist: 'et magna spe fore
Zur Geschickte des Kaisers Tiberius. 13
ut Germanicus Caesar imperium alterius pati nequiret daretque
se legionibus yi sua cuncta tracturis,' so ist damit nur gesagt,
wenn Qermanikus sich an die Spitze gestellt hätte und als
Gegenkaiser aufgetreten wäre, so hätte der Aufstand sehr
gefahrlich werden können. Zwar berichtet auch Tacitus von
einem solchen Anerbieten der Soldaten, während Germanikus
zur heftig erregten Versammlung spricht, aber die Art, wie er
sich ausdrückt, zeigt, dass er kein planmässiges Vorgehen des
Heeres annimmt, sondern nur von Einzelnen ausgehende ge-
legentliche Zwischenrufe. Die Stelle lautet I, 35: 'fuere etiam
qui legatam a divo Augusto pecuniam reposcerent faustis in
Germanicum ominibus et, si vellet imperium, promptos osten-
tavere.* Es ist zu beachten, dass 'fuere qui' „Einige'' dem
Sinne nach auch Subjekt zu ostentavere ist, indem der Satz
et ostentavere die Erklärung zu ''faustis ominibus' gibt, so dass
der Relativsatz durch den selbständig angefügten Hauptsatz
erweitert wird, somit gleichbedeutend mit fuere qui reposcerent
et oetentarent. Als gelegentlich hingeworfene Aeusserungen,
die als solche keine Beachtung verdienen, behandelt auch
Tacitus das Vorkommnis in der ganzen Schilderung des Auf-
standes. Die Frage der Regentschaft bleibt ganz beiseite, er
lässt die Soldaten nirgends einen Tadel gegen Tiberius oder
ein Lob des Germanikus aussprechen oder beide mit einander
vergleichen, wiewohl sich vielfach Gelegenheit dazu bot und
er sonst die Stimmung und Absichten der handelnden Personen
durch die eingefügten Reden zum Ausdruck bringt. Die Legaten
und Tribunen können sich an diesem Anerbieten nicht beteiligt
haben; ^) denn das hätte Tacitus nicht verschwiegen* Aber
auch das Verhalten der Soldaten selbst wäre ihrem Feldherrn
gegenüber ganz anders gewesen, wenn sie ihn zum Kaiser
haben wollten. Vergegenwärtigen wir uns nur die Haupt-
*) Und doch würde man dies vor allem erwarten, wenn behauptet
wird, das Heer habe den Germanikus zum Kaiser ausgerufen. So heisst
ea z. B. Hist. I, 57, als dasselbe Heer dem Vitellius die Kaiserwürde
anbietet: 'promptissimus e legatis Fabius Valens . . imperatorem Vitel-
liiim consalutavit/
14 Ä, Spengel
momente des Aufstandes! Bei dem unteren Heere bricht die
Meuterei zuerst aus, und zwar in Abwesenheit des Germanikus.
Die Soldaten greifen die Centurionen an, schlagen sie zu Boden,
werfen die einen verstümmelt, die anderen tot über den Wall
oder in den Rhein, keinem Vorgesetzten gehorchen sie mehr,
Wachen und Posten verteilen sie selbst unter sich. Sind das
Handlungen eines Heeres, das seinen Feldherm als Gegenkaiser
aufstellen will? Nun kehrt Germanikus aus Gallien, wo er
sich censui agendo aufgehalten, zurück. Er betritt das Lager,
will zu ihnen sprechen und verlangt, dass sie sich vorher nach
Manipeln ordnen sollen. Sie gehorchen nicht. Ihrem künftigen
Kaiser? So sollten sich wenigstens die Kohorten zusammen-
finden. Nur zögernd tun sie es. Als er endlich sprechen kann,
hören sie ihn schweigend oder mit leisem Murren an. Wie er
ihnen aber die Meuterei vorwirft, entblössen sie die Brust,
zeigen ihre Narben, die Striemen von den Schlägen, klagen
durcheinander schreiend über die hohen Kosten der Dienst-
befreiung, die geringe Löhnung, die harten Arbeiten. Das
wildeste Geschrei erheben die Veteranen, die 30 und mehr
Dienstjahre haben: er möge ihnen endlich Erlösung von so
angestrengtem Dienste, ein Leben in Ruhe und ohne Ent-
behrung verschaffen. — Man sieht, der Aufstand ist eben-
sowenig gegen Tiberius gerichtet als der in Pannonien; er
richtet sich gegen den langjährigen beschwerlichen Dienst, die
geringe Bezahlung, die harte Behandlung durch ihre Vor-
gesetzten, ganz wie in Pannonien.
Bei Tacitus reiht sich nun an die oben besprochene Stelle
'fuere qui . , et, si vellet imperiuni, promptos Osten tavere* die
Erzählung einer beabsichtigten Handlung des Geimanikus, die
sich, wenn das angegebene Motiv das richtige wäre, schwer
begreifen Hesse: 'tum vero, quasi scelere contaminaretur, prae-
ceps tribunali desiluit. opposuerunt abeunti arma, minitantes
ni regrederetur. at ille moriturum potius quam fidem exueret
clamitans ferrum a latere diripuit elatumque deferebat in pectus,
ni proximi prensam dextrara vi attinuissent.* — Ein Selbst-
mord, weil einige ihm zurufen, er könne selber Kaiser werden.
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, 15
wenn er wolle? Das ist unglaublich. Tacitus hat hier in
dem Bestreben, seinen Helden möglichst edelmütig zu schildern,
den Beweggrund der Tat geändert. Nicht wegen dieses Zu-
rufes wollte er sich töten, sondern, weil er trotz der eifrigsten
Bemühung den Aufstand nicht bewältigen konnte, weil die
Soldaten auf ihren Forderungen beharrten, und er sah, dass
er alle Gewalt über sie eingebüsst hatte. So hat sich mancher
römische Feldherr selbst den Tod gegeben, wenn er entweder
eine entscheidende Schlacht verloren sah oder der Empörung
des eigenen Heeres machtlos gegenüber stand.
Dass dies der Beweggrund war, geht auch aus Gassius
Dio 57, 5 hervor, der sagt:
,Als aber Germanikus, da er sie trotz langen Zuredens
nicht beschwichtigen konnte, sein Schwert zog, um sich selbst
zu töten, antworteten sie ihm mit (höhnenden) Weherufen, und
einer hob sein Schwert in die Höhe und rief ihm zu: „Nimm
dieses da! das ist schärfer !** Als er nun sah, wie weit es
schon gekommen war, wagte er nicht, sich zu töten, sowohl
aus anderen Gründen, als weil er voraussah, dass der Aufstand
damit nicht beendigt sei (oder, wie Zonaras sagt, Tva fiij ßiäX-
kov oraoidocoai)."^ Hier sind es nicht die Freunde, die ihn an
der Ausführung des Selbstmordes hindern, sondern er lässt
selbst davon ab, offenbar, weil ihn der Hohn, den er fand,
zur Besinnung brachte.
Besonders wichtig für die Frage, ob das Heer dem Ger-
manikus den Thron anbot, ist eine Stelle des Zeitgenossen
Velleius U, 125, bei der es auf die richtige Erklärung ankommt:
«Das Heer, das in Germanien stand und von Germanikus
persönb'ch befehligt wurde (praesentisque Germanici imperio
regebatur), und zugleich die Legionen in Illyrien verlangten
in einer Art von Raserei und in wilder Begierde, alles in Ver-
wirrung zu bringen, einen neuen Feldherrn, neue Zustände,
eine neue Staatsordnung (novum ducem, novum statum, novam
quaerebant rem publicam).^) Sie wagten sogar zu drohen, sie
^) Mit novus statas und nova res publica ist wohl die Neugestaltung
der militärischen Verhältnisse mit ihrer Rückwirkung auf den Staat zu
16 A. Spengd
würden dem Senate, würden dem Kaiser Gesetze vorschreiben
(daturos principi leges); die Höhe des Soldes, das Ende des
Kriegsdienstes erkühnten sie sich selbst zu bestimmen u. s. w/
Versteht man unter 'novum ducem' einen neuen Kaiser,
einen anderen als Tiberius, so hätten wir die Bestätigung, dass
sich der Aufstand auf die Thronfolge bezog. Aber dies kann
novus dux unmöglich heissen. Weder novus wäre in diesem
Fall richtig, weil Tiberius selbst die Regierung erst angetreten
hat, somit novus ist; der Sprachgebrauch würde alius verlangen;
noch kann dux vom Kaiser gesagt werden; es würde princeps
heissen, wie gleich darauf daturos principi leges. Schon die
unmittelbar vorhergehenden Worte 'exercitus Germanici imperio
regebatur' zwingen dazu unter novum ducem einen anderen
Feldherm als ihren bisherigen Feldherrn Germanikus zu ver-
stehen. Somit ist der Aufstand auch gegen die Person des
Germanikus gerichtet, das gerade Gegenteil von der Über-
tragung der Kaiserwürde. Damit stimmt auch die Schilderung
bei Tacitus insofern überein, als hier die Soldaten durchweg
feindlich gegen Germanikus auftreten.
Wir werden daher annehmen müssen, dass Suetonius und
Cassius Dio die späteren Verhältnisse, wo von den Heeren
Soldatenkaiser aufgestellt werden, irrig auf die damalige Zeit
übertrugen. Auch kann man ein so verkehrtes Urteil wie Peg-
juavixov nokv tov TißeQiov xgeiriü) ögcovieg ovxa den Legionen
in ihrer Gesamtheit nicht zutrauen. Wir dürfen uns nur un-
befangen fragen, was damals der 28 jährige Germanikus und
damals der 55 jährige Tiberius war. Ohne dem liebenswürdigen
Prinzen von seinen sonstigen Vorzügen etwas zu nehmen, muss
man doch sagen, dass er als Kronprätendent in jeder Beziehung
weit hinter Tiberius zurückstand, und wenn zwischen ihm und
Tiberius die Wahl war, kein Einsichtiger in seinem Urteil
schwanken konnte. Hinsichtlich der Kriegskunst, die an einem
verstehen. Denn an den Plan einer Wiederherstellung der Republik zu
denken, verbieten sowohl die Worte daturos principi leges aln das
Schweigen der übrigen Schriftsteller.
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, 17
Beherrscher des römischen Reiches besonders geschätzt wurde,
war äermanikus bei seinem Oheim in die Schule gegangen,
aber, wie seine späteren Kriegstaten und schon sein Auftreten
beim Soldatenaufstand bewies, verhielt er sich zu ihm wie der
Schüler, der angehende Schüler zum Meister. Sein Gemüt war
von weicherer Art, noch lange nicht genug gestählt für die
Wechselfalle des Lebens. Wer hätte sich der zarten, unge-
übten Hand eines solchen Lenkers anvertrauen wollen, wenn
er statt dessen die feste, sichere Zügelführung, den scharfen,
alle Verhältnisse beherrschenden Blick des erprobten Fürsten
haben konnte? Tiberius hatte sich durch seine kriegerischen
Erfolge in Germanien, Pannonien und Dalmatien als der erste
Feldherr seiner Zeit bewährt, hatte seine überlegene Einsicht
auch dadurch gezeigt, dass er das kostbare Soldatenmaterial
zu schonen verstand, hatte ebensoviel durch diplomatische Kunst
als durch das Schwert erreicht, war von Augustus zum Nach-
folger bestimmt, hatte sich durch lange Teilnahme an den
>itaaisgeschäften für den Beruf des Herrschers vorbereitet und,
was nicht das Geringste war, er hatte ein durchaus tadelloses
Privatleben geführt, da er, wie Tacitus VI, 51 sagt, bisher
egregius vita famaque* gelebt hatte. Diese Worte aus dem
Munde des Tacitus sind das grösste Lob, das ihm für diese
Zeit gespendet werden kann. Darum mussten ihm seine Mit-
bürger neben vollem Vertrauen auf seine Herrschergaben auch
die höchste pei'sönliche Achtung entgegenbringen, und deshalb
unng die Regierung von Augustus auf Tiberius ohne jede Störung
über als eine selbstverständliche, längst geordnete Tatsache.
Wie Augustus schon durch die Adoption des Tiberius zu er-
kennen gab, dass er ihn zum Nachfolger wünsche, so musste
Tiberius auf Veranlassung des Augustus den Germanikus adop-
tieren, wodurch ausgesprochen war, dass auch dieser Adoptiv-
sohn nicht vor dem Adoptivvater zur Herrschaft gelangen solle.
Es gehört zu den groben Missverständnissen der alten
^if'schichtschreiber, dass sie annehmen, Tiberius habe den Ger-
manikus als Nebenbuhler gefürchtet. Tdv de reg/uavixdv dfi-
y(Os Iffoßmo sagt Cassius Dio 57, 4. Die Tatsachen bezeugen,
1%3. SiUgsb. d. pliiIo8.-pbiloI. u. d. liist. C1. 2
18 A, Spengel
dass dies nicht der Fall war. Tiberius behandelte seinen
Adoptivsohn immer wie ein wohlwollender Vater, verschaffte
ihm alle möglichen äusseren Ehren, übte Nachsicht gegen seine
Misserfolge, und wie ein Vater, dem es ernst ist mit der Er-
ziehung seines Sohnes, ersparte er ihm auch einen strengen
Tadel nicht, wenn er ihn für nötig hielt. Wie aber 6er-
manikus, der allen Grund hatte, seinem Oheim dankbar zu sein,
gegen ihn weder etwas unternehmen wollte noch konnte, so
fürchtete Tiberius, dem beides wohl bekannt war, an ihm am
allerwenigsten einen Nebenbuhler. So wird denn auch in der
Unterredung, die Augustus in seiner letzten Lebenszeit mit
Tiberius über die Persönlichkeiten hatte, die nach seinem Tode
möglicherweise dem Tiberius den Thron streitig machen könnten
und die entweder wirklich befähigt wären, die Herrschaft zu
führen, oder den Willen dazu hätten, der Name des Qennanikus
unter keinen von beiden genannt (Tac. I, 13).
Betrachten wir kurz den weiteren Verlauf des Militär-
aufstandes! Die Kraft des Germanikus war gebrochen. Er ent-
schloss sich, nachzugeben, suchte aber seine Schwäche durch
eine Täuschung zu verbergen, indem er ein Schreiben abfasste,
als ob es von Tiberius käme, worin den Soldaten nach 20 jäh-
riger Dienstzeit völlige Entlassung, nach 16 Jahren Übertritt
in die Reserve gewährt und das von Augustus ausgesetzte
Legat verdoppelt wurde. Dadurch trat einstweilen Ruhe ein.
Als aber eine Gesandtschaft vom Senate kommt und sich das
Gerücht verbreitet, sie bringe den Beschluss, dass die Zuge-
ständnisse zurückgenommen werden sollten, da erbrechen sie
in der Nacht die Türe der Wohnung des Germanikus, reissen
ihn selbst aus dem Bette und zwingen ihn unter Androhung
des Todes, das vexillum auszuliefern. Den Führer der Gesandt-
schaft, Plancus, wollen sie töten, er flüchtet sich in das Lager
der 1. Legion und rettet sein Leben nur, indem er hier schutz-
flehend die Fahnen umfasst und vom Adlerträger verteidigt wird.
Den nächsten Tag verlässt Plancus das Lager unter Bedeckung
von Reiterei der Bundesgenossen.
Bei dieser Gelogonhoit können wir einen interessanten Ein-
Zur Oesehkhie des Kaisers Tiberius. 19
blick in die Werkstätte des Tacitus machen. Wir wissen näm-
lich aus Cassius Dio 57, 5, dass die Soldaten, um die Zurück-
nähme der Zugeständnisse zu verhindern, sich jetzt der
Agrippina, der Gemahlin des Germanikus, und seines
zweijährigen Sohnes Gaius bemächtigten, dass sie dann
zwar seine Gattin, weil sie hochschwanger war, auf seine
Bitten {dsti^ivri) wieder frei gaben, aber den Knaben als
Geisel behielten. Wie ganz anders lautet dies bei Tacitus!
Er bietet uns eine weit ausgesponnene, mit rhetorischem Schmuck
reichlich versehene, dramatisch gehaltene Szene. Er erzählt,
wie Germanikus von seiner Umgebung (ab omnibus) bestürmt
wird, er solle, wenn er auch sein eigenes Leben gering achte,
doch wenigstens seine Gattin und sein Kind aus dem auf-
rührerischen Lager entfernen. Aber die tapfere Enkelin des
Augustus kennt keine Furcht und will ihren Gatten nicht ver-
lassen; 'postremo uterum eins et communem filium multo cum
fletu complexus ut abiret perpulit.' Da ziehen sie hin, fahrt
Tacitus fort, die edlen Frauen, ein trauriger Zug! Die Gattin
des Feldherrn, das kleine Kind auf den Armen, als eine
Flüchtige, mit ihr die Frauen der Freunde unter Jammern,
und nicht minder traurig sind die Zurückbleibenden. Die
Soldaten kommen aus den Zelten. „Was ist das für ein
Weinen? Wie? Die vornehmen Frauen? Keine Centurionen,
keine Soldaten als Ehrenbegleitung? Und wohin ziehen sie?
Zu Auswärtigen? Zu den Trevirem?** Da kommt Scham-
gefühl und Mitleid zugleich über sie, und nichts kränkt sie
so sehr, als dass die Trevirer ihnen Schutz gewähren sollen.
Sie treten dem Zug entgegen, suchen ihn aufzuhalten, bitten
<lie Agrippina, sie möge umkehren, möge bleiben. Nun hält
Germanikus eine eindringliche Rede, deren Wirkung nicht aus-
bleibt. Sie gestehen, die Vorwürfe verdient zu haben und
bitten ihn inständig, er möge die Schuldigen strafen, den Ver-
führten verzeihen, möge Gemahlin und Sohn zurückrufen und
daa Heer gegen den Feind führen. Germanikus lehnt die
Rflckkehr der Agrippina ab mit der Entschuldigung, dass
es Winter sei und ihre Geburt bevorstehe, den Sohn aber
0*
20 A, Spengel
werde er kommen lassen; das Uebrige sollten sie selbst
besorgen. Darauf schleppen sie die Rädelsführer vor den Legaten
der 1. Legion, wo Gericht gehalten wird und die schuldig
Befundenen sofort von den Soldaten niedergehauen werden.
Auch über die Centurionen wird Gericht gehalten und alle die-
jenigen des Dienstes entlassen, die der Habsucht oder Grau-
samkeit überführt werden.
Schon dieser Auszug wird zeigen, wie hier der Teig der
Geschichte geknetet ist und trotz aller Kunst doch ein unnatür-
liches Bild zum Vorschein kommt. Denn dass die Soldaten,
diese rauhen und rohen Gesellen, deren Handwerk das Morden
ist, die ihre Centurionen erschlagen, ihren Feldherrn aus dem
Bette gezerrt und mit dem Tode bedroht haben, plötzlich von
einer empfindsamen Herzensregung erfasst und umgestimmt
werden, weil sie ein Weib mit ihrem Kinde das Lager ver-
lassen sehen — credat Judaeus Apella!
Tatsache bleibt das auch von Dio überlieferte Strafgericht,
das schliesslich die Soldaten an den Empörern vollziehen. So
hat also die Nachgiebigkeit des Germanikus zuletzt noch einer
strengen Massregel Platz gemacht. Denn wenn auch die Sol-
daten die Handelnden sind, so ging doch der Befehl oder Bat
jedenfalls von Germanikus aus, wie auch Tacitus andeutet:
'cetera ipsi exsequerentur.' Suchen wir nun nach einem greif-
baren Grunde dieses Umschlages, so müssen wir uns nur fragen,
was inzwischen Bedeutsames vorgefallen ist, das diese Ände-
rung veranlassen konnte. Nur Eines, die Gesandtschaft der
Senatoren mit Aufträgen des Tiberius. Wie diese gelautet
haben mögen, ist nicht schwer zu erraten. Tiberius, der den
Aufstand in Pannonien von seinem Sohne Drusus, den er mit
Prätorianern ins Lager schickte, durch die Hinrichtung der
Hauptschreier rasch unterdrücken liess, wird auch dem Ger-
manikus durch die Gesandtschaft mitgeteilt haben, dass weder
sich selbst umzubringen noch alle Forderungen zu bewilligen
die richtige Massregel sei, sondern die Aufrührer durch die
Treugebliebenen mit Gewalt beseitigt werden müssten. Das-
selbe Verfahren schlug denn auch Germanikus bald darauf
Zur QeaMchte des Kaisera Tibenus. 21
gegen die 5. und 21. Legion ein, die in CastraVetera stationiert
waren und sich nicht unterwerfen wollten. Nachdem die Auf-
forderung, zum Gehorsam zurückzukehren, fruchtlos geblieben
war, werden die Schuldigen nach einem geheimen Befehl, den
Germanikus an den Legaten Gäcina schickt, mitten in der Nacht
in ihren Zelten auf ein gegebenes Zeichen von den treu ge-
bliebenen Soldaten niedergemacht (Tac. I, 48).
Dass Tiberius durch die Zugeständnisse des Germanikus
sehr wenig erbaut war, sagt nicht nur Tacitus (I, 52), sondern
lässt sich auch aus einer Stelle des Yelleius II, 125 schliessen,
der bekanntlich nur sagt, was im Sinne des Kaisers ist. Dabei
müssen wir die handschriftliche Überlieferung gegen die Kon-
jekturen der neueren Herausgeber wiederherstellen. Sie lautet
nämlich: quo quidem tempore ut pleraque ignave Germanicus,
it^ Dnisus . . prisca antiquaque severitate usus . . obsidentes
coercuit. Der tadelnde Ausdruck ignave, mit schwacher Nach-
giebigkeit (den man in das Gegenteil gnave oder in ignovit
geändert hat), ist ganz in der Ordnung. Denn Velleius will
dem Verfahren des Germanikus die lobenswerte Strenge des
Drusus gegenüber stellen, wie er gleich nachher jene Zuge-
ständnisse exemplo perniciosa nennt. Bezeichnend ist auch
pleraque: seine Massregeln beim Aufstand waren grössten-
teils, namentlich am Anfang, von tadelnswerter Schwäche, erst
zuletzt entwickelte er die nötige Strenge.
Übrigens würde man dem Germanikus bei Beurteilung
seines Charakters unrecht tun, wenn man nicht auch seine
persönliche Tapferkeit vor dem Feinde erwähnen wollte. Vel-
leius II, 116 sagt, dass er im dalmatinischen Kriege grosse
Beweise von Tapferkeit gegeben, und Suetonius Cal. 3 rühmt
Ton ihm 'fortitudinem egregiam' und 'hostem cominus saepe
percussit,* was sich mit dem oben besprochenen Mangel an
Energie den eigenen Soldaten gegenüber und mit der An-
wandlung von Kleinmut und Verzweiflung im Unglück, in
der er sich zweimal das Leben nehmen wollte, sehr wohl
Tereinigen lässt.
22 A, Spengel
Die Feldzüge des Germanikus in Deutschland.
Mit der Empörung der Legionen steht der erste Feldzug
nach Germanien im Zusammenhang. Die Soldaten wünschten
den Krieg, wenn auch nicht, wie Tacitus sagt, weil sie ihn
als Sühne für den Aufstand, als 'piaculum furoris' ansahen
(nee aliter posse placari commilitonum manes quam si pecto-
ribus impiis honesta vulnera accepissent I, 49); so feinfühlend
war der römische Soldat nicht, aber Krieg war die grosse Ein-
nahmsquelle für ihn, Plündern und Morden seine Lust. Auch
konnte Germanikus, der, wie Cassius Dio sagt, neue Unruhen
befürchtete, das Heer dadurch von der Vergangenheit ablenken
und mehr an sich ziehen. So unternahm er noch im Jahre 14
einen Raubzug in das Gebiet der Marsen. Die Expedition
glückte. Von 4 Kolonnen wurde das Land in einer Ausdeh-
nung von 50000 Schritten mit Feuer und Schwert verheert,
Weiber, Kinder, Greise niedergemacht. Beute gewonnen und
trotz einiger feindlichen Angriflfe beim Rückzug der Rhein
wieder glücklich erreicht (Tac. I, 50 f.). Das plötzliche Er-
scheinen im Feindesland und die Raschheit der ganzen Ope-
ration hatten den Erfolg gebracht. Obwohl damit kein eigent-
licher Sieg über die Germanen erfochten war, Hess Tiberius
dem Germanikus durch den Senat einen Triumph zuerkennen
'manente hello,' wie Tacitus I, 55 sagt. Der Kaiser wollte
damit wahrscheinlich andeuten, dass er den Krieg nun auch
wirklich beendigt wünsche. Denn wie er in jeder Beziehung
die Regierungsgrundsätze des Augustus zur Richtschnur nahm,')
hielt er sich auch streng an seinen Rat, keine weiteren Er-
oberungen zu machen: 'coercendi intra terminos imperii' (1, 11).
Wir können uns die Gedanken des Kaisers, der durch seine
eigenen Erfahrungen in Germanien die Verhältnisse am besten
beurteilen konnte, leicht vergegenwärtigen. Er wird sich ge-
^) Tiberius sagt Tac. IV, 37 von sich selbst: 'qui omnia facta die-
taqae eius (seil, divi Augusti) vice legis observem * Auch Strabo IV, 4, 2
a. Ende hebt hervor, dass sich Tiberius in der Staatsverwaltung und in
seinen Verordnungen den Augustus zum Vorbilde nahm,
Zur OescMehte des Kaisers Tiberius. 23
freut haben, dass Gennanikus nach den ersten Missgriffen in
der Behandlung des Soldatenaufstandes nun einen wirklichen
Erfolg zu verzeichnen hatte. »Aber**, wird er gedacht haben,
«wenn er sich dadurch nur nicht zu grösseren Feldzügen in
das Innere Oermaniens verleiten lässt! Ständige Eroberungen
sollen und können dort nicht gemacht werden, und nur das
Land zu durchziehen, lohnt die Verluste an Mannschaft nicht,
die auch bei der vorsichtigsten und besten Führung unver-
meidlich damit verbunden sind. Dass aber mein Neffe wirk-
fich die Fähigkeit besitzt, das Heer vor grösseren Niederlagen
zu bewahren, das wollen wir einstweilen nur hoffen.** So un-
geföhr mag er gedacht haben und für das Urteil des Tacitus
'bellica quoque Oermanici gloria angebatur' hätte er höchstens
ein Lächeln gehabt. Ihm mussten Siege, die durch grosse
Verluste erkauft wurden, als Niederlagen gelten. Denn die
Legionen zu ergänzen, war schwer. Hatte doch schon Augustus
nach der Niederlage des Varus, weil es ihm nicht gelang, die
nötige Mannschaft aufzubringen, zu dem für den Kriegsdienst
sehr wenig geeigneten städtischen Pöbel greifen müssen.
Aber den Germanikus reizte der erste Erfolg und das An-
denken an seinen Vater Drusus zu grösseren Unternehmungen.
Nachdem im Frühjahr ein plötzlicher Einfall in das Land der
Chatten gemacht, der Hauptort Mattium niedergebrannt, die
offenen Strecken verwüstet worden und die Rückkehr an den
Rhein ohne eigentlichen Kampf erfolgt war, wurde der wohl
vorbereitete Feldzug in das Land der Cherusker ausgeführt.
Vier Legionen führte Germanikus selbst zu Wasser in die Mün-
dung der Amisia, die 4 anderen unter Cäcina zogen zu Lande
und vereinigten sich dann mit den ersteren. Als man in die
Nähe des Teutoburger Waldes kam, entschloss sich Germanikus,
das Schlachtfeld des Varus zu besuchen und die seit 6 Jahren
unbestattet liegenden Gebeine der Gefallenen zu beerdigen.
Tiberius missbilligte dies, weil der Mut der Soldaten dadurch
gelähmt werden konnte und Germanikus aus religiösen Rück-
sichten als 'auguratu et vetustissimis caerimoniis praeditus'
keiner Leichenbestattung habe anwohnen dürfen (T, 62). Joden-
24 A. Spengel
falls wird er auch die Unvorsichtigkeit und Verwegenheit niiss-
billigt haben, mit der das Heer in die nämliche ungünstige
Lokalität geführt wurde, die schon einmal das Verderben her-
beigeführt hatte. Wie leicht hätte eine zweite Niederlage die
Stätte doppelt denkwürdig machen können! Denn, wie un-
sicher und gefährlich hier die Wege waren, zeigt die Bemer-
kung des Tacitus 'praemisso Caecina, ut occulta saltuum scruta-
retur pontesque et aggeres umido paludum et fallacibus campis
imponeret.' Doch die Germanen griffen hier nicht an; sie
Hessen die Römer weiter ziehen und brachen an einer anderen
Stelle aus den Wäldern hervor. Sie bringen die Reiter in
Verwirrung, die Kohorten der Bundesgenossen kommen der
Reiterei zu Hilfe, werden aber in die Flucht mit fortgerissen.
Nun rücken die Legionen vor und 'manibus aequis abscessum.'
Da unmittelbar auf dieses 'manibus aequis abscessum* folgt
'mox reducto ad Amisiam exercitu,' ist damit gesagt, dass das
römische Heer unterlag, d. h. am weiteren Vordringen ge-
hindert und zum Rückzug gezwungen wurde.
Dieser Rückzug sollte einem Teil des Heeres verhängnis-
voll werden. Germanikus befahl dem Legaten Caecina, mit
seinen 4 Legionen den Weg über die pontes longi einzuschlagen
und diese in möglichster Eile zu überschreiten. Dies war frei-
lich leichter gesagt als getan. Die pontes beschreibt Tacitus:
'angustus is trames vastas inter psiludes et quondam a L. Do-
mitio aggeratus. cetera limosa, tenacia gravi caeno aut rivis
incerta erant. circum silvae paulatim acclives, quas tum Ar-
minius impleverat.' Schon die geringe Breite des gangbaren
Weges (angustus trames) musste den Marsch ungemein ver-
zögern. Dazu stellte sich heraus, dass die pontes vielfach
schadhaft und unpassierbar geworden waren. Das war für die
Germanen ein Schlachtfeld, wie sie es nicht besser wünschen
konnten. Wohl mag da, als nun von allen Seiten die Angriffe
erfolgten, mancher Germane und auch mancher Römer ge-
sprochen oder gedacht haben, was Tacitus dem Arminius in den
Mund legt: 'en Varus eodemque iterum fato vinctae legiones!'
Die Wagen, die das schwere Gepäck fuhren, blieben stecken,
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 25
die Reihen gerieten in Verwirrung, die Soldaten gehorchten
den Führern nicht mehr, Cäcina selbst, dem das Pferd getötet
wurde, wäre verloren gewesen, wenn nicht die Beutegier der
Feinde und die Hilfe der 1. Legion ihn gerettet hätte. Wie
gross die Verluste der Römer waren, ist wie gewöhnlich nicht
angegeben, jedenfalls waren sie unter solchen Umständen sehr
beträchtlich. Dass auch die Wagenladungen und die Werk-
zeuge und andere Habe grossenteils verloren ging, deuten Be-
merkungen des Tacitus an wie 'iuvit hostium aviditas praedam
sectantium' (c. 65), ferner 'struendum vallum, petendus agger
amissa magna parte per quae egeritur humus aut exciditur
caespes, non tentoria manipulis, non fomenta sauciis.' Und
in welcher Stimmung die Soldaten waren, schildern die Worte :
'infectos caeno aut cruore cibos dividentes funestas tenebras et
tot hominum milibus unum iam reliquum diem lamentabantur.*
Schliesslich gelang es den Römern doch, durchzukommen und
den Rhein zu erreichen, während hier das Gerücht verbreitet
war, das ganze Heer sei vernichtet und die Germanen schickten
sich an, in Gallien einzufallen.
Es ist für den Laien oft schwer, taktische Massregeln in
der Kriegführung der Alten zu beurteilen, zumal die Angabe
der näheren Umstände und bestimmenden Verhältnisse bei den
Schriftstellern vielfach fehlt. Aber hier werden wir doch kaum
irren, wenn wir sagen, die 4 Legionen über die pontes longi
ziehen zu lassen, war ein strategischer Fehler des Germanikus.
Diese pontes konnten wohl im Frieden oder bei unvorher-
gesehenem Anmarsch, wenn der Weg frei war, gute Dienste
leisten, aber bei erzwungenem Rückzug, wo nach den voraus-
gegangenen Ereignissen heftige AngrifiFe zu erwarten waren
und der Feind die waldigen Höhen besetzt hielt (circum silvae
paulatim acclives, quas tum Arminius compleverat), waren die
schwersten Verluste vorauszusehen, auch wenn der Damm un-
versehrt gewesen wäre. So aber war dieser vor Dezennien
angelegte Holzweg an vielen Stellen abgefault und zerfallen
(ruptos vetustate pontes), und während nur möglichst eiliger
Durchzug die Nachteile einigermassen hätte ausgleichen können,
26 A. Spengel
sah sich das Heer bei jeder auszubessernden Stelle zum Still-
stand gezwungen. Wir können nicht glauben, dass Germanikus
von diesem Zustand unterrichtet war und trotzdem den Befehl
gab, wohl aber, dass er es an der nötigen Aufklärung fehlen
liess, wenn nicht etwa Cäcina (entgegen der Angabe des Tacitus)
von den Germanen mit Gewalt in dieses ungünstige Terrain
gedrängt wurde.
Unterdessen war Germanikus mit der anderen Hälfte des
Heeres an die Mündung der Aroisia gekommen. Um die Schiffe
bei der Meerfahrt zu entlasten und ihr Auflaufen zur Zeit der
Ebbe zu verhindern, liess er die 2. und die 14. Legion unter
Vitellius zu Lande der Küste entlang ziehen. Dieser Marsch
ging anfangs gut. Als aber ein starker Nordwind zu wehen
anfing, überschwemmte das Meer die Küste und die Soldaten
befanden sich mitten im Wasser 'modo pectore, modo ore tenus
exstantes.* Ausser Menschenleben (aliquando subtracto solo
disiecti aut obruti) gingen, wie es scheint, alle Wagenladungen
und Gerätschaften verloren. Denn als die Truppen endlich
höher gelegenes Land erreichten, befanden sie sich in kläg-
lichem Zustande: 'pernoctavere sine utensilibus, sine igni, magna
pars nudo aut mulcato corpore, haud minus miserabiles quam
quos hostis circumsidet' (I, 70).
Auch diese Verluste werden wir auf Rechnung der Ober-
leitung setzen müssen. Dem Germanikus war, wie es scheint,
nicht bekannt, wie verschieden die Verhältnisse der Nordsee
und seiner Küsten von denen des mittelländischen Meeres sind,
und er versäumte es, bei den anwohnenden, zum Teil befreun-
deten Völkerschaften die nötigen Erkundigungen einzuziehen.
Auch von diesen Legionen hatte sich das Gerücht verbreitet,
dass sie vollständig verloren seien, „und nicht eher glaubte
man an ihre Rettung, als bis man den Germanikus und sein
Heer zurückkehren sah."
Stellen wir das Ergebnis dieses Kriegsjahres mit Ein-
fügung der im Vorhergehenden nicht angeführten Nebenereig-
nisse zusammen! Verwüstungszug in das Land der Chatten.
Infolge einer Gesandtschaft des Segestes wird dieser von der
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 27
Umlagenmg beireit 'magna cum propinquorum et clientium
manu* und unter anderen Tornehmen Frauen gerät auch die
Gemahlin des Arminius, Tochter des Segestes, in die Gewalt
der Römer. Stertinius, von Oermanikus gegen die Brukterer
geschickt, findet den Adler der 21. Legion, der unter Yarus
verloren gegangen war. Die Gegend zwischen Amisia und
Lupia wird verwüstet. Besuch des Schlachtfeldes im Teuto-
burger Walde. Weiteres Vordringen durch die Germanen ge-
hindert. Ständige Eroberungen nicht gemacht. Auf dem Rück-
zug die schwersten Verluste an Material und Mannschaft. 'Ad
supplenda exercitus damna' (I, 74) werden Gallien, Spanien und
Italien beigezogen; sie liefern Waflfen und Pferde, während
Oermanikus selbst die pekuniären Verluste der Soldaten von
seinem Gelde ersetzt. Auch gab er sich alle Mühe, durch
Trost, den er den Verwundeten spendete, durch Lob für tapfere
Haltung u. dgl. dahin zu wirken '^ut cladis memoriam leniret.'
Ja clades, das ist der wahre Erfolg des Feldzuges, und hinzu-
fügen kann man: nicht zum geringsten Teil verschuldet durch
strategische Fehler des Germanikus.
Was mag Tiberius von diesen Erfolgen gehalten haben?
Tacitus sagt II, 5, die Wirren , die um diese Zeit im Orient
entstanden, kamen dem Kaiser nicht unerwünscht, um den Ger-
manikus vom Rhein abberufen zu können. Gewiss werden wir
dieses Urteil billigen, nur müssen wir die Begründung des
Tacitus 'ut ea specie Germanicum suetis legionibus abstraheret
novisque provinciis impositum dolo simul et casibus obiec-
taret* als eine hässliche Verdächtigung zurückweisen. Es ist
dies einer der vielen Fälle, wo Tacitus spätere Ereignisse oder
Urteile, die er sich über diese Ereignisse gebildet hat, grund-
los auf frühere Zeiten überträgt und als Beweggrund einer
Handlung des Kaisers hinstellt.
Es spricht für die Kühnheit des Germanikus, dass er sich
durch die schlimmen Erfahrungen des letzten Feldzugs nicht
abschrecken Hess und für das Jahr 16 den Plan fasste, noch
weiter nach Osten voi-zudringen. Wie im vorigen Jahre wurden
die kriegerischen Unternehmungen mit kleinen Streifzügen be-
28 A. Spengel
gönnen, dann, als der Bau der Flotte von 1000 Schiffen vollendet
war, das Heer durch die fossa Drusiana und die Nordsee bis
zur Mündung der Amisia befördert. Zu beachten ist, dass
Tacitus, der sonst nicht leicht etwas Ungünstiges über Ger-
manikus berichtet, hier über eine seiner Anordnungen einen
offenen Tadel ausspricht 'erratumque in eo quod non subvexit.* *)
Dieses Urteil, das Tacitus jedenfalls in seiner Quelle vorfand,
wahrscheinlich in dem Geschichtswerk des I, 69 genannten
G. Plinius Gernianicorum bellorum scriptor, zeigt, dass die
Heerführung des Germanikus schon von Seiten der alten Schrift-
steller nicht unbeanstandet blieb.
Dem Berichte über diesen Feldzug, den letzten, den Ger-
manikus in Deutschland unternahm, glaubte Tacitus einige
luraina einfügen zu müssen, Episoden, die sich wie Geschichte
ausnehmen sollen, aber deutlich den Stempel der Erfindung an
^) Die Stelle lautet im Zusammenhang: . . 'lacus inde et Oceanum
usque ad Amisiam flumen secunda navigatione pervehitur. classis Ami-
siae relicta laevo amne, erratumque in eo quod non subvexit. transpo-
suit militem dextras in terraa iturum. ita plurea dies efficiendis pontibus
absumpti.* Ich verstehe dies so: Es war ein Fehler, dass er mit der
Flotte auf dem Meere nur bis zur Mündung der Ems fuhr und nicht
weiter ostwärts an der Wesermündung landete, da doch die Weser und
Elbe sein Ziel war. Denn jetzt musste er (ausser der später nötigen
Brücke über die Weser) auch schon beim Erscheinen in Feindesland eine
Brücke über die Ems schlagen, während er Zeit und Mühe nicht aufzu-
wenden brauchte, wenn die Landung weiter östlich erfolgt wäre. Inner-
halb dieser plures dies musste sich die Kunde von seiner Ankunft bei
den Germanen verbreiten, konnten sie sich sammeln und zur Abwehr
rüsten, so dass der Einfall nicht mehr unvermutet kam. Ich erkläre
daher: Die Flotte wurde schon in Amisia verlassen und zwar wurde (wie
es in diesem Fall natürlich und richtig war) auf der linken westlichen
Seite des Flusses gelandet; es war ein Fehler, dass er nicht weiter auf
dem Meere nach Osten fuhr, da die Soldaten nach den östlichen Ländern
ziehen sollten. — Daneben möchte ich noch die Möglichkeit oflFen halten,
dass Tacitus die Worte laevo amne in seiner Quelle nicht vorfand und
sie nur aus Missverständnis beifügte, indem er meinte, die Flotte hätte
auf der rechten Seite des Flusses landen sollen. — 'Transposuit' haben
manche als Erklärung zu 'subvexit* getilgt, was sehr wahrscheinlich ist.
Sachlich bleibt übrigens der Sinn derselbe, wenn das Wort beibehalten wird.
Zur Geschichte des Kaisers IHberius, 29
sich tragen. Am schlimmsten steht es mit der Szene Armi-
nias und Flavus. Als die Römer an die Weser kamen, so
erzählt Tacitus, tritt auf dem anderen Ufer Arminius mit den
übrigen Vornehmen zum Fluss heran und fragt — nein, setzen
wir gleich den richtigen Ausdruck, der allein schon den Mass-
stab zur Beurteilung bieten kann — er schreit hinüber (denn
über einen grossen Strom kann man nur schreien), ob 6er-
manikua gekommen sei. Die Römer schreien ihm zurück, ja,
er sei da. Nun stellt Arminius die Bitte, mit seinem Bruder
Flavus, der auf Seite der Römer steht, sprechen zu dürfen.
(Vielleicht hat er auch gleich hinzugefügt, er wolle ihn be-
reden, zu ihm tiberzugehen.) Germanikus erlaubt es. (Höchst
liebenswürdig!) Flavus reitet an das Ufer, Arminius begrüsst
ihn von der anderen Seite des Flusses, und nachdem die
romischen Bogenschützen etwas zurückgetreten, beginnt die
Redeschlacht. Arminius spricht, nein, schreit herüber von
Freiheit, Vaterland, einheimischen Göttern und ermahnt seinen
Bruder, lieber Führer als Verräter seiner Landsleute zu werden,
Flavus dagegen schreit über die Grösse des römischen Reiches,
die Macht des Cäsar, die harte Bestrafung der Widerspenstigen,
die grosse Milde bei freiwilliger Unterwerfung. Die Redner
ereifern sich immer mehr, gehen zu Schmähungen über (hier
ist das Schreien am Platz), und während Flavus wutentbrannt
zum Kampfe mit Arminius auf seinem Rosse in den Strom
sprengen will und nur mit Mühe von seiner Umgebung zurück-
gehalten wird — fallt der Vorhang.
Gegen diese Erzählung sprechen folgende Gründe:
1. Die Begegnung des Arminius und Flavus ist zwecklos.
Denn keiner sagt dem anderen etwas, was er nicht schon weiss.
2. Das Hinüber- und Herüberschreien von längeren Reden
über einen breiten Fluss ist absurd. Man ruft wohl, indem
man etwa auch noch die hohlen Hände an den Mund hält,
»Iberfahren!* und dergleichen, aber nicht Rede und Gegen-
rede, nicht einen Sermon, der einen Kämpfer bestimmen soll,
die Partei, für die er die Waffen trägt und der er seit Jahren
angehört, mit der Gegenpartei zu vertauschen.
30 A, Spengel
3. Flavus, der sich bei den Römern befand, hatte keine
freie Wahl seiner Partei. Hätte er wirklich übergehen wollen,
so wäre er von den Römern niedergehauen, von den Bogen-
schützen durchbohrt worden.
Möglich, dass die Römer, die die Rhetorik gewissermassen
schon mit der Muttermilch einsogen, selbst noch an solchen
ungereimten Deklamationen Gefallen fanden, wir Deutsche aber
müssen uns dagegen verwahren, dass Arminius vor dem heiligen
Kampfe für das Vaterland solches Possenspiel getrieben habe.
Was wird Tacitus in seinen Quellen hierüber vorgefunden
haben? Gewiss nichts anderes als die Bemerkung, dass sich
Flavus, der Bruder des Arminius, beim römischen Heere befand.
Alles andere ist erfunden. Ein Lehrbuch der Geschichte darf
daher meines Erachtens diese Unterredung nicht als Tatsache
erwähnen, wie dies neben anderen auch L. Stacke, Römische
Geschichten, Oldenburg 1898, tut, der sogar den ganzen Inhalt
der Reden wie historisches Material behandelt. Man könnte
ebensogut das Gedicht „Hermann und Flavus* zur Geschichte
rechnen, zu dem der Dichter Martin Greif (Gesammelte
Werke, I, S. 237 f.) von dem Dichter Tacitus begeistert wurde.
Unmittelbar an diese Beigabe reiht Tacitus ein zweites
Intermezzo, das zu Gunsten seines Lieblings Germanikus er-
funden ist. Nachdem Germanikus die Weser überschritten
hatte, erfuhr er nach dem Bericht des Tacitus durch einen
Überläufer, dass Arminius einen Platz zur Schlacht bestimmt
habe und noch in dieser Nacht ein Sturm auf das Lager aus-
geführt werden solle. Um nun die Gesinnung der Soldaten
zu erforschen, sucht er ihre Gespräche während der Abend-
mahlzeit zu belauschen. Einen Pelz über die Schultern ge-
worfen schleicht er sich mit nur einem Begleiter an die ver-
schiedenen Zelte heran und hört ungesehen, wie die Soldaten
ihn alle loben, der eine seinen Adel, der andere seine Schön-
heit, die meisten seine Ausdauer, seine Leutseligkeit, sein in
Ernst und Scherz immer gleich bleibendes Wesen preisen, und
wie sie sagen, für alles dieses müssten sie ihm in der bevor-
stehenden Schlacht den Dank abstatten. — Die innere Unwahr-
Zur Oeschiehte des Kaisers Tiberius, 31
scheinlichkeit liegt wieder auf der Hand. Dass die Soldaten
gerade Ton Germanikus sprechen, als dieser an die Zelte tritt,
ist die bekannte Theatermache, die die Personen immer gerade
das sagen lässt, was der Dichter für seine Zwecke braucht.
Wenn die Soldaten tapfer kämpften, so taten sie das sicher
nicht wegen der Schönheit und anderer VorzUge des Germanikus,
sondern weil sie sich hier mitten im Feindesland ihrer Haut
wehren mussten. Auch wird ein Feldherr, wenn er weiss, dass
in derselben Nacht ein Sturm auf das Lager bevorsteht, nicht
bei den Zelten herumschleichen und auf die Gespräche der
Soldaten lauschen, sondern seine ganze Aufmerksamkeit der
Verteidigung des Lagers zuwenden. Die Anekdote, die wohl
in Erinnerung an Xenoph. Cyrop. 3, 1, 41*) entstanden ist,
hat einerseits den Zweck, die sachlich magere Darstellung dieses
Feldzuges etwas zu füllen und Leben und Abwechslung in die
Erzählung zu bringen, anderseits dem Leser wieder ins Ge-
dächtnis zu rufen, wie beliebt Germanikus beim Heere war.
Denn der Geschichtschreiber wird gefühlt haben, dass die Art,
wie die Soldaten mit ihrem Führer beim Aufstande umgingen,
wo man ihm zurief, er solle dieses Schwert nehmen, um sich
zu toten, das sei schärfer, wo sie ihn mitten in der Nacht aus
dem Bette zerrten und unter Todesdrohungen zwangen, die
Fahne auszuliefern, keine genügende Beweiskraft für seine Be-
liebtheit enthielt. Darum wird es hier nachgeholt und durch
ein besonderes Bild illustriert.
Der gefttrchtete nächtliche Überfall wurde, wie Tacitus
weiter berichtet, nicht ausgeführt. Die Feinde rückten wohl
an das Lager heran, als sie aber sahen, dass alle Yerteidigungs-
massregeln getroffen waren, zogen sie sich wieder zurück.
Nachdem uns Tacitus dann noch einen glückverheissenden
Traum des Germanikus als Einleitung zu dem folgenden Sieg
vorgeführt, auch den Inhalt der Reden verraten hat nicht nur
des römischen Feldherrn, sondern auch, was Arminius 'et ceteri
*) *£jrei S* fjX^ov oTxade, iXeyoy rov Kvqov 6 (aev rtg rt^v aorplav, 6 de
^v xaoTfgiaYf 6 de Ttfv jtQaÖTfjra, rJ rV rig xai to xdV.og xal t6 fieyedog.
32 A, Spengel
Germanorum principes' zu den Ihrigen sagten, scliildert er uns
die Schlacht bei Idisiaviso, in die die Legionen um so freudiger
zogen, als 12 Adler siegverkündend vor ihnen her dem Walde
zuflogen. An eine Gesellschaft von 12 Adlern zu glauben, ist
allerdings eine starke Zumutung, da dieser Vogel bekanntlich
nur einsam oder zu zweien fliegt. Aber wenn wir den Tacitus
auch auf die Naturkunde verweisen, so wird er uns entgegnen,
das sei eben das prodigium gewesen, dass der sonst einsam
fliegende Vogel sich in 12 Exemplaren zusammenfand, um den
12 Legionen den Sieg anzudeuten. So werden wir es also
gelten lassen und der Vermutung, dass die Geschichte entweder
ganz erfunden ist oder vielleicht einige Raben oder Saatkrähen
aufgescheucht dem Walde zuflogen, keinen Raum geben.
Die Schlacht, die in einer Ebene zwischen der Weser und
einer Hügelreihe stattfand, endete nach Tacitus mit einem voll-
ständigen Siege der Römer: "^magna ea victoria neque cruenta
nobis fuit. quinta ab hora diei ad noctem caesi hostes decem
milia passuum cadaveribus atque armis opplevere.'
Das Heer drückte seine Freude dadurch aus, dass es 'Tiberium
imperatorem salutavit' und ein Siegesdenkmal errichtete. Diesem
folgte noch ein zweiter Sieg. Die Errichtung des Siegesdenk-
mals erbitterte nämlich nach Tacitus die Germanen mehr als
Wunden und Verluste; sie greifen jetzt die Römer auf ihrem
weiteren Marsche mit aller Macht an '^plebes primores iuventus
sones agnien Romanum repente incursant turbant.' Schliesslich
wählen sie als Kampfplatz 'locum flumine et silvis clausum
arta intus planitie et umida.' Die Entscheidung fallt wieder
zu Gunsten der Römer aus: 'iamque sero diei subduxit ex acie
legionem faciendis castris. ceterae ad noctem cruore hostium
satiatae sunt, equites ambigue certavere.' Germanikus
spricht den Legionen seine Anerkennung aus, lässt die Waff'en
der Germanen vom Schlachtfelde sammeln und unter das Sieges-
denknial die, wie Tacitus sagt, stolze Inschrift setzen: 'debel-
latis inter Rhenum Albiraque nationibus exercitum Tiberii
Caesaris ea monimenta Marti et Jovi et Augusto sacravisse.'
Darauf wurde der Rückzug angetreten.
^ur Geschickte des iCaiaers Tiberius, oo
Waren das wirklich zwei so bedeutende Siege, wie sie
der Geschichtschreiber hinstellt? Wir werden es glauben, wenn
die darauf folgenden Ereignisse damit stimmen. Nach der
ersten Schlacht sollen die Leichen und Waffen der Cherusker
einen Raum von 10000 Schritten, das ist 4 Wegstunden, be-
deckt haben. Man sollte denken, nach einer solchen Nieder-
lage wäre die Kraft des Stammes gebrochen und suchten die
wenigen Überlebenden ihr Heil in der Flucht. Aber jetzt
setzen sie dem römischen Heere erst recht zu. Wieder erleiden
sie eine schwere Niederlage. Nun wird ihnen wohl jede Krieg-
fuhrung auf eine lange Reihe von Jahren unmöglich gemacht
sein? Vielmehr führen sie im nächsten Jahre mit Marbod einen
gewaltigen Kampf, von dem Tacitus H, 46 sagt: 'non alias
maiore mole concursum.* Da liegt denn doch der Gedanke
nahe, dass es sich mit den zwei grossen Niederlagen der
Cherusker nicht ganz so verhielt, wie uns der römische Qe-
schichtschreiber glauben machen will. Die Leichen, die nach
der ersten Schlacht das Feld in einer Ausdehnung von 4 Stunden
bedeckt haben sollen, haben wahrscheinlich zum grösseren Teil
romische Namen getragen, indem die Legionen auf ihrem
Marsch einen so langen Weg die Seiteuangriffe der Feinde
auszuhalten hatten. Ln allgemeinen suchte die Taktik der
(jermanen bei diesen Feldzügen der Römer dem marschieren-
den Heere durch wiederholte plötzliche Überfölle an geeigneter
Stelle möglichst grossen Schaden zuzufügen, mied aber stationäre
Kämpfe und Entscheidungsschlachten, so dass grossartige Ver-
luste oder gänzliche Vernichtung fast ausgeschlossen waren,
zumal sie sich auch bei vollem Gesamtangriff derart sicherten,
dass ihnen für eine ungünstige Wendung des Kampfes der
ßückzug in die Wälder oder anderweitig geschütztes Terrain
^ffen blieb. Der grosse Sieg bei Idisiaviso wird sich wohl in
der Hauptsache auf den glücklichen Durchbruch beschränkt
liaben, der den Römern schliesslich an einer vom Feinde
anfönglich gesperrten Stelle gelang. So konnte der Marsch
fortgesetzt werden, bis sie an den zweiten Kampfplatz kamen,
*o ihnen die Germanen mit Erfolg Halt geboten, so dass
IWl Sitegsb. d. phUos.-pbilol. n. d. bist KL 3
34 Ä, Sptngtl
nichts übrig blieb, als den Rückzug anzutreten. Denn die
Reiterei konnte ihre Aufgabe, den Weg für die Legionen
frei zu machen, nicht erfiillen, was der Geschichtschreiber
euphemistisch durch die Worte 'equites ambigue certavere'
andeutet. Wir müssen uns erinnern, dass auch auf dem Feld-
zug des vorhergehenden Jahres der abgeschlagene Angriff der
Reiterei und der damit in Verbindung stehende Misserfolg des
weiteren Kampfes, was in ähnlicher Weise mit 'manibus aequis
abscessum' bezeichnet war, den Rückzug zur Folge hatte. Die
Trophäe aber, die Qerraanikus vor dem Rückzug errichtete,
galt nicht einem Siege, sondern sollte für die Romer als "fxn
Zeichen, wie weit man im Feindesland vorgedrungen war, den
sichtbaren Abschluss des Feldzuges bilden. Ganz ebenso be-
richtet nämlich Cassius Dio 55, 1 von Drusus, dem Vater des
Germanikus, im Jahre 9 v. Chr. ,Er drang bis zur Elbe vor
und wollte auch über diesen Fluss setzen; da es ihm aber
misslang, errichtete er Trophäen und trat den Rück-
zug an."
Übrigens braucht kaum bemerkt zu werden, dass solche
Trophäen im Feindesland ein kurzes Dasein hatten und auf
die Kriegführung selbst keinen Einfluss übten, obwohl uns
Tacitus glauben machen will, der hartnäckige Widerstand der
Germanen sei hauptsächlich eine Folge der Errichtung der
ersten Trophäe nach der Schlacht bei Idisiaviso gewesen. W^enn
sich die Römer das Vergnügen machten, die Waffen der Ger-
manen vom Kampfplatz zu sammeln und aufzuschichten, so
werden sich die Germanen am nächsten Tage, wo die Römer
abgezogen waren, ihrerseits das Vergnügen gemacht haben,
das Denkmal verschwinden zu lassen und aus der congeries
armorum ihre eigenen Waffen zu weiterem Gebrauche dankbar
entgegenzunehmen.
Über den langen Rückzug bis zur Mündung der Ems
finden sich bei Tacitus keine Angaben. Da er es aber I, 56
als bei den Germanen üblich bezeichnet, dem abziehenden
Feinde zuzusetzen ('terga abeuntium lacessere, quod illi moris,
quotiens astu magis quam per formidinem cessit'), werden die
Zur Gesckichte des Kaisera Tiberius, 35
Römer kaum ganz unbehelligt geblieben sein.^) Während nun
ein Teil der Legionen zu Land in ihre Winterquartiere zurück-
kehrte, wählte Germanikus mit der Mehrzahl von Amisia aus
den Seeweg, auf dem ihn schweres Unglück erwartete. Ein
heftiger Sturm schien die ganze Flotte vernichten zu wollen:
'equi iumenta sarcinae, etiam arma praecipitantur, quo leva-
rentur alvei, manantes per latera et fluctu superurgente.' Ein
Teil der Schiffe ging unter, mehrere wurden auf Inseln ver-
schlagen, selbst bis nach Britannien, nur das des Germanikus
konnte bei den befreundeten Ghauken landen. Da spähte er
Tag und Nacht nach den anderen Schiffen und konnte mit
Mühe von seinen Freunden zurückgehalten werden, sich ins
Meer zu stürzen, weil er sich als den Urheber des Unglücks
anklagte. Endlich kamen die Schiffe nach und nach, soweit
sie gerettet waren, arg beschädigt, mit wenigen Rudern, viel-
fach Decken statt der Segel aufgespannt, die schwächeren im
Schlepptau der stärkeren. — In die grossen Verluste, die die
Römer durch die Ungunst der Elemente erlitten haben, wird
wohl in diesem Feldzug wie auch im vorhergehenden alles ein-
gerechnet sein, was sie durch Feindeshand verloren haben.
Um jedoch zu zeigen, dass der Mut der Römer durch diese
Unglücksfalle nicht gebrochen sei, zugleich, um den Soldaten
Gelegenheit zur Plünderung zu geben, Hess Germanikus den
Legaten Silius einen Einfall in das Chattenland machen, er
selbst überfiel die Marser und gewann durch Vermittlung ihres
Führers Mallovendus den zweiten der drei Adler, die unter
Varus verloren gegangen waren, zurück.
Die Feldzüge des Germanikus sollten eine allerdings spät
ausgeführte Rache für die Niederlage des Varus sein und hatten
insofern, namentlich auch durch die Wiedergewinnung von
zwei Legionsadlem einen gewissen idealen Wert. Eroberungen
^) Man vergleiche, was Caasius Dio 54, 33 über den Rückzug des
l^tis von der Weser berichtet, dasa ihm die Feinde überall Hinterhalt
^«irten und Schaden zufügten, und dass sie einmal in einer von Bergen
umgebenen schmalen Ebene beinahe das Heer vernichtet hätten.
3*
36 A. Spenget
wurden nicht gemacht,^) kein Oebiet dauernd behauptet. Man
wird an des Tacitus Urteil über die Züge des Paetus im Orient
erinnert Ann. XV, 8: 'longinquis itineribus percursando quae
obtineri nequibant.' Denn von einer vollständigen Nieder-
werfung der Volksstämme zwischen Rhein und Elbe — bis zur
Elbe kam er überhaupt nicht — wie der superbus titulus der
Trophäe besagte (debellatis inter Rhenum Albimque nationibus)-)
konnte keine Rede sein. Wie wenig vor allem die debellatio
der Cherusker geglückt war, ist bereits oben gezeigt worden.
Jetzt drängte Tiberius crebris epistulis (II, 26), dass 6er-
manikus zum Triumphe nach Rom zurückkehre. Tacitus teilt
den Inhalt dieser Briefe mit. Der Kaiser ist darin ebenso
anerkennend gegenüber den Erfolgen, ^) als schonend und rück-
sichtsvoll bezüglich der Misserfolge seines Neffen. Zugleich
spricht seine überlegene Einsicht aus dem Hinweis auf seine
eigenen Taten in Germanien: 'se plura consilio quam vi per-
fecisse,' sowie aus seiner Mahnung, die Germanen ihrer inneren
Zwietracht zu überlassen.
Dieses internis discordiis relinqui müssen wir aber richtig
verstehen. Wir würden sehr irren, wenn wir annehmen wollten,
Tiberius habe sich darunter ein ruhiges Zusehen und Abwarten
^) Wenn Geschichtebücher von den „Eroberungen des kriegstüch-
tigen Germanikua* reden, so beruht dies auf Irrtum.
2) Wenn Gornianikus seinen Bericht an den Kaiser in demselben
grosssprecherischen Tone abfasste wie diese Inschrift, so müsste man
auch die Fortsetzung der oben zitierten Tacitusstelle über die Züge des
Paetus auf ihn anwenden: 'reduxit exercitum coniposuitque ad Caesarem
litteras quasi confecto hello verbis magnificis, rerum vacuas.'
^) Darum nennt auch Velleius II, 1*29 den Germanikus 'domitorem
Germaniae* und sagt, der Glanz des Triumphes habe der Grösse seiner
Taten entsprochen. Dies galt nämlich für die Öffentlichkeit. Wenn
dagegen Suetonius c. 22 bemerkt: »Dem Germanikus war er so wenig
günstig gesinnt, das» er seine herrlichen Taten als überflüssig bezeichnete
und seine glorreichen Siege als dem Staate schädlich herabsetzte,* so
ist damit das Urteil ausgesprochen, das Tiberius im intimen Verkehr
und namentlich dem Germanikus selbst gegenüber nicht zurückgehalten
haben wird, dass nämlich tatsächlich nichts gewonnen, wohl aber sehr
viel Material und Mannschaft verloren worden sei.
Zur Geschichte des Kaisers Tibenus, 37
gedacht, bis die Germanen ihre Waffen gegen sich selbst kehren.
Viehnehr beginnt jetzt der zweite Teil des Feldzuges. Der
offene Kampf ist zu Ende, er hat versagt; jetzt kommt das
consilio perficere, jenes Mittel, das den geföhrlichen Feind
unschädlich macht, ohne die Legionen aufs Spiel zu setzen.
Das hat der Markomannenfürst Marb od zu seinem Unglück
erfahren. Da ich in keinem der neueren Geschichtswerke, die
ich zu Rate zog, über Marbod etwas anderes finde, als dass
er von den Seinigen verlassen wurde, zu den Römern flüchtete
(also freiwillig) und bei ihnen Aufnahme fand, bringe ich hier
die Belege bei, dass der Sturz des Marbod durch die Hinter-
list der Romer und zwar des Tiberius mit Hilfe seines Sohnes
Drasus bewerkstelligt wurde. Ann. U, 62 sagt Tacitus: 'haud
le?e decus Drusus quaesivit inliciens Germanos ad discor-
diam utque fracto iam Marboduo usque in exitium insisteretur.'
Im Jahre 20 beschloss der Senat dem Drusus einen Triumph
'ob receptum Marboduum et res priore aestate gestas (HI, 11).'
Und dass Tiberius auf das Gelingen seiner List stolz war, zeigt
II, 63: 'exstat oratio (seil. Tiberii), qua magnitudinem viri,
violentiam subiectarum ei gentium et quam propinquus Italiae
hostis, suaque in destruendo eo consilia extulit.' So preist
auch Velleius II, 129 die Tat als besonderes Verdienst des Tiberius :
'qua vi consiliorum suorum ministro et adiutore usus Druso
filio suo Maroboduum inhaerentem occupati regni finibus, pace
maiestatis eius dixerim, velut serpentem abstrusam terrae salu-
bribus consiliorum suorum medicamentis coegit egredi! quam
illum ut honorate sie secure continet!' Hieraus ist ersichtlich,
daas zum Verderben des Marbod besondere Hinterlist und Tücke
angewendet wurde. Wenn man die Angabe des Tacitus, dass
der Qote Catualda mit starker Mannschaft ins Markomannen-
i^eich einfiel, die Vornehmen bestach und durch plötzlichen
Iberfall Marbod verjagte (II, 62), mit der obigen Bemerkung
Drusus inliciens Germanos in discordiam* zusammenhält, so
ergibt sich als höchst wahrscheinlich, dass nicht nur Catualda
Ton den Römern gegen Marbod aufgestachelt wurde, sondern
*^r ganze durch Bestechung und Verrat zustande gekommene
38 Ä, Spengel
Überfall ein wohl vorbereitetes Manöver der Römer gegen den
Markomannenfürsten war, mit dem sie äusserlich in Frieden
und Freundschaft lebten. Die bei ihm anwesenden 'lixae ac
negotlatores nostris e provinciis' werden dazu beigetragen haben,
den Betrug zu erleichtern.
Daran reihte sich noch eine zweite Hinterlist. Es ist
nümlich schon an sich nicht glaublich, dass Marbod, wenn er
auch zunächst aus seinem Oebiete weichen musste, sich ganz
hilflos an Tiberius wendete und nur für seine Person Auftiahme
in Italien erbat. Vielmehr muss er noch an der Spitze einer
nicht unbedeutenden Streitmacht der Markomannen gestanden
sein^) und scheint beabsichtigt zu haben, mit den Römern,
seinen vermeintlichen Freunden, über Wiedereroberung seines
früheren Besitzes oder Anweisung eines anderen Landstriches
im Grenzgebiet der Römer für sich und sein Volk zu unter-
handeln. Nun lockten sie ihn aber 'per blanditias atque pro-
missa,* wahrscheinlich auch unter dem Vorwande, er müsse
persönlich mit dem Kaiser verhandeln, allein auf italisches
Gebiet und Hessen ihn, nachdem er in die Falle gegangen,
nicht mehr los. Dies sagt nämlich ausdrücklich Suetonius Tib.
c. 37: 'quosdam (reges infestos suspectosque), per blanditias
atque promissa extractos ad se, non remisit, ut Maro-
boduum Germanum, Rhescuporim Thracem, Archelaum Cappa-
docem, cuius etiam regnum in foniiam provinciae redegit.*
Dass Marbod nicht hilflos war, sondern eine grössere Volks-
menge hinter sich hatte, lässt sich auch aus der Angabe des
Tacitus schliessen, wonach dem Gefolge des Marbod imd dem
des CiituaUla jenseits der Donau zwischen den Flüssen Manis
und Ciisus Wohnsitze angewiesen und ihnen Vannius aus dem
Stamme der Quaden zum König gegeben wurde, 'ne quietas
provincias inuiiixti turbarent' (II, 63). Dem Tiberius kam es
darauf an, den Markoniannenfürsten, den er fürchten gelernt
hatte, von seinem Volke zu trennen. Auch Catualda, der bald
*^ Aijoh der Ton seines Briefes deutet daraufhin Tac. II, 63: scripsit
Tiberio non ut profui;us tiut ^u^>plex.
Zur Oeaehiehte des Kaisers Tiberius, 39
wieder yerjagt wurde, sollte nicht bei den Seinigen bleiben
und erhielt Ton den Römern für seine guten Dienste Aufnahme
in Forum Julium in Gallia Narbonensis.
Ein anschauliches Seitenstück, das uns zeigt, wie Tiberius
mit den auswärtigen Fürsten verfuhr, gibt die Beseitigung des
Thrakerfürsten Rheskuporis, die in dasselbe Jahr 19 fallt. Der
Statthalter Mösiens erhielt den Auftrag, Rheskuporis zu be-
wegen, die römische Festungslinie zu betreten und — es ver-
lohnt sich, das Folgende im Original zu lesen (Tac. II, 67):
'circumdata hinc regi specie honoris valida manus, tribunique
et centuriones monendo suadendo et quanto longius abscede-
batur apertiore custodia, postremo gnarum necessitatis in urbem
traxere . . Alexandriam devectus atque illic fugam temptans
aut ficto crimine interficitur.'
Zur Beseitigung des Archelaus von Kappadokien musste
sogar des Kaisers Mutter Livia durch ein Schreiben bei dem
Betrüge mithelfen Tac. II, 42. Über die Ermordung des Parther-
königs Vonones vergl. Suet. c. 49.
und Arminius? 'Dolo propinquorum cecidit' (II, 88).
Sollten die Romer dabei nicht auch mitgewirkt haben? Meiner
Überzeugung nach gewiss. Tacitus erzählt in demselben Kapitel,
in dem er den Tod des Arminius berichtet, ein Chattenfürst
habe ein Schreiben an den Senat gerichtet, worin er versprach,
den Arminius zu töten, wenn man ihm von Rom aus das Gift
dazu schicke. Er erhielt die Antwort: 'non fraude neque
occoltis sed palam et armatum populum Romanum hostes suos
ulcisci.' Ähnliche tugendsame Sprüche finden wir öfter bei den
lateinischen Schriftstellern. Die Römer hörten sie ofienbar in
der Theorie gerne, ohne darüber zu vergessen, dass sie in der
praktischen Anwendung dem Feinde gegenüber jede Nieder-
trächtigkeit für erlaubt hielten. So wird auch hier der Senat,
das heisst in diesem Fall Tiberius, trotz der unschuldvollen
Miene dem ChattenfÜrsten, der so plump den Antrag stellte,
^ ob dergleichen schon jemals vorgekommen wäre, entweder
selbst oder irgend einem anderen insgeheim die richtige Weisung
gegeben haben, wie das zu machen war, dass die Römer ganz
40 A. Spengel
aus dem Spiele blieben und es nur hiess: 'dolo propinquorum
cecidit' Nach der Tat wurde dann zur Erklärung und Be-
schönigung der Vorwand erfunden, Arminius habe nach der
Konigsherrschaft gestrebt, worunter sich die Homer in Er-
innerung an ihre eigenen reges etwas ganz anderes dachten,
als das germanische Königtum bedeutete.
Auch hier brauchen wir nicht lange nach einer Parallele
zu dem von den liömern angestifteten dolus propinquorum zu
suchen. Flavius Josephus, Jüd. Altert. 18, § 96 f. N (IV, 4)
erzählt, was Tiberius gegen den Partherkönig Artabanus, den
er für sehr gefährlich hielt, unternahm. Der Kaiser schreibt
dem Statthalter von Syrien, Vitellius, er solle zunächst mit
demselben Freundschaft schliessen. Zugleich sucht er die Fürsten
der Iberer und Albaner jueyAkaig ddaeoi XQVI^^^^^ ^um Kriege
gegen ihn zu bestimmen. Diese reizen die Skythen zum Ein-
fall in das Partherland, Artabanus verliert Armenien, sein
eigenes Land wird verwüstet, sein Sohn fallt im Kampfe und
beinahe hätte er auch selbst das Leben verloren infolge von
Bestechung seiner Verwandten und Freunde durch die
Römer: Ttojunfj xQ^f^^''^^'^ ^^^ ^^ ovyyeveTg xal (plkovg rovg
ixeivov yevo/iiev]] iuekXrjoe jukv xiivvveiv diä tcov xä dcbga eikrjq^o-
Twv. Aber er entkam glücklich und eroberte sein Reich wieder.
Darauf schloss Tiberius mit ihm Bündnis und Freundschaft.^)
Germanikus im Orient und sein Tod.
Im Jahre 18 übernahm Germanikus die ehrenvolle Mission,
die Angelegenheiten des Orients im Namen des Kaisers zu ordnen.
Der wissbegierige, feingebildete Prinz benutzte die Gelegenheit
der Reise, um die berühmten Orte des Altertums kennen zu
^) Übrigens stand Tiberius mit dieser Politik gegen die auswärtigen
Fürsten nicht allein. M. Antonius z. B. nahm den König von Armenien
Artavaades durch Hinterlist gefiingen und Hess ihn, damit seiner Würde
nichts vergehen werde, mit goldenen Ketten fesseln (Vell. II, 82). Ihrer-
seits zahlten die Orientalen dann auch mit gleicher Münze. So wurde
in demselben Armenien Gaius Caesar bei einer Unterredung mit dem
Feinde, in die er sich unvorsichtig einliess, schwer verwundet (Vell. II, 102).
Zur Oeschxchtt des Kaisers Tiberius. 41
lernen, Athen, Bjzanz, Uium u. a., ging dann nach Armenien
und entschied den Thronstreit ohne Schwertstreich. Tiberius
war über diese friedliche Beilegung der orientalischen Wirren
hocherfreut. Dagegen zog sich Germanikus entschiedenen Tadel
seines kaiserlichen Oheims zu, als er im nächsten Jahre ohne
seine besondere Erlaubnis Ägypten besuchte (II, 59). Denn
Augustus hatte verordnet, dass kein vornehmer Römer vom
Senatoren- oder Ritterstande ohne seine Genehmigung Ägypten,
die Kornkammer Roms, betreten dürfe, und Tiberius verlangte
Ton seinen Familienmitgliedeiii strenge Beachtung der Gesetze,
die für die Bürger verbindlich waren.
Schlimme Verwicklungen brachte das Verhältnis des Ger-
manikus zu dem Statthalter von Syrien Cn. Piso. War der
kaiserliche Prinz infolge seiner Generalvollmacht dem Statt-
halter übergeordnet, so lag doch die eigentliche Verwaltung
der Provinz in den Händen des Piso. Gerade ihn hatte Tiberius
an diese Stelle gesetzt, weil er erwartete, der erfahrene, be-
jahrte Eonsular, der auf eine 45 jährige Tätigkeit im Staats-
dienst zurückblicken konnte, der die Gunst des Augustus be-
sessen hatte und ihm selbst befreundet war (III, 16), werde den
Prinzen mit seinem Rate günstig beeinflussen. Wie dem Sohne
des Kaisers, Drusus, beim Militäraufstande Seianus als Berater
beigegeben worden war (rector iuveni I, 24) oder dem Gaius
Caesar in Armenien Sulpicius Quirinus (III, 48) und vorher
M. Lollius, mit dem es Zerwürfnisse gab (Suet. Tib. 13), so
wurde wahrscheinlich Piso beauftragt, in unauffälliger Weise
eine gewisse Aufsicht über den Prinzen zu führen, der zwar
nicht mehr jung genug war, einen förmlichen Berater neben
sich zu dulden, aber nach seinen Proben beim Militäraufstand
und bei den Feldzügen in Germanien in der Wahl der richtigen
Massregeln nicht immer zuverlässig schien. Dahin zu wirken,
dass bei politischen Verwicklungen unnötiges Blutvergiessen
vermieden werde, dass keine kostspieligen Feierlichkeiten beim
Empfang und während des ganzen Aufenthalts die Provinzialen
drücke und den Prinzen hochmütig mache, und Ahnliches
konnte den Inhalt der 'occulta mandata Tiberii' bilden, die im
42 A, Spengel
Interesse der Sache gegeben waren und später mit unrecht
von manchen verdächtigt wurden.
Aber Germanikus war nicht gesonnen, sich beraten zu
lassen. Schon beim Zuge nach Armenien kam es zu Zwistig-
keiten, indem Germanikus den Piso beauftragte, einen Teil
seiner Legionen nach Armenien zu führen oder durch seinen
Sohn führen zu lassen, und dieser keines von beiden tat. Die
Gründe sind uns nicht bekannt (II, 57). Als beim Gastmahle
eines arabischen Fürsten dem Germanikus und seiner Gattin
Agrippina schwere goldene Kronen und auch dem Piso und
den übrigen leichtere überreicht wurden, äusserte Piso: 'prin-
cipis Romani, non Parthi regis filio eas epulas dari, abiecitque
simul coronam et multa in luxum addidit (II, 57).' Auch der
Tadel, den Piso gegen die Athener über den Empfang des
Germanikus aussprach (II, 55), scheint sich auf zu grosse
Ehrenbezeugungen und übermässigen Prunk bezogen zu haben.
Bekanntlich war keines von beiden dem Tiberius angenehm und
nahm er oft Veranlassung, für sich und die Seinigen dergleichen
abzuweisen. Dazu kamen arge Differenzen in militärischen
Dingen, sowie anderseits Zwist der Frauen, der Gemahlin des
Piso, Plancina, die mit der Kaiserin Mutter Livia befreundet
war, und der Gattin des Germanikus, Agrippina, welch letztere
bei ihrem von Tacitus mehrmals erwähnten hochmütigen und
herrschsüchtigen Wesen wohl hauptsächlich dazu Veranlassung
gab. Die Folge war, dass Piso entweder freiwillig oder auf
direkten Befehl des Germanikus seine Provinz verliess. Schon
war er auf der Heimfahrt begriffen, als ihn die Nachricht von
dem Tode des Germanikus bewog, die Fahrt zu unterbrechen.
Obgleich nun die Legaten in Syrien und anwesende Senatoren
den Cn. Sentius zum einstweiligen Statthalter der Provinz
wählten, glaubte Piso doch sein Recht auf die Provinz geltend
machen zu können und wagte in verhängnisvoller Verblendung
den offenen Kampf. Er besetzte ein Kastell in Kilikien, dieses
wurde von den Truppen des Sentius erobert, und Piso erhielt
freien Abzug, um sich in Rom zur Verantwortung zu stellen.
Die Teilnahme an dem frühen Tode des in Jugend und
Zur Oesehiehte des Kaisers Tiberius. 43
Macht prangenden Prinzen war begreiflicherweise gross und
bei seinem offenen Zerwürfnis mit Piso konnte leicht die Ver-
mutung entstehen, er sei seinen Feinden zum Opfer gefallen.
In der Tat benutzten die Gegner des Piso bei der nun folgenden
unvermeidlichen Anklage auch diesen Umstand, Gemianikus
sei von Piso und Plancina vergiftet worden. Böse Zungen
behaupteten sogar, dass der Kaiser am Morde mitschuldig sei.
Sehen wir, wie sich die Geschichtschreiber dazu verhalten!
Suetonius Tib. 52: 'Tiberius etiam causa mortis fuisse
ei per Cn. Pisonem legatum Syriae creditur.' Ebenso im Cali-
gula c. 2 mit dem Beisatz ^ut opinio fuifc.' Obwohl an ersterer
Stelle noch beigefügt ist, die harte Behandlung, die Tiberius
später der Gattin und den Kindern des Germanikus zuteil
werden liess, habe diesen Verdacht bestärkt, ist doch zu be-
achten, dass durch die Wahl des Ausdrucks "creditur' und
opinio fuit' diese Annahme von dem rein geschichtlichen
Material geschieden ist.
Cassius Dio 57, 18 weiss nichts von einer Mitwissenschaft
des Kaisers und erzählt: „Germanikus starb in Antiochia durch
die Hinterlist des Piso und seiner Gemahlin Plancina.* Er setzt
den Kaiser in einen gewissen Gegensatz zu Piso durch die
weitere Angabe, Tiberius selbst habe den Piso dem Senate zur
Aburteilung übergeben.
Flavius Josephus Jüd. Alt. 18, § 54: ävt]Q€&rj (pagjudxcp
vjto Ueioiovog.
Ausführlich und zugleich äusserst kunstvoll, aber leider
nicht ganz ehrlich, hat Tacitus die Sacbe behandelt. Dem
Leser wird sofort klar, dass der Geschichtschreiber von dem
Vorhandensein des Verbrechens und der Mitschuld des Tiberius
überzeugt ist, was auch ganz mit der Art übereinstimmt, wie
Tacitus sonst über Tiberius urteilt. Allerdings stellt er es
nirgends als historisches Faktum hin, aber alle einschlägigen
Verhältnisse sind von diesem Standpunkt aus betrachtet. Er
läast nicht nur den Germanikus selbst an Vergiftung glauben,
sondern sorgt auch durch gelegentlich eingestreute Bemerkungen
dafür, dass man aus diesen Gedanken nicht herauskommt und
44 A, Spengel
beständig in Spannung erhalten wird. Anerkennung würde
das Zugeständnis verdienen, das er bei dem Bericht über die
gerichtliche Verhandlung macht. »Von den verschiedenen
Klagen gegen Piso habe nur der Giftmord als widerlegt
betrachtet werden können, den die Ankläger selbst
nicht mit Bestimmtheit vertraten, weil die Beschuldigung,
Piso habe in Anwesenheit so vieler Zeugen während des Mahles
die Speisen des Germanikus, der neben ihm sass, vergiftet,
allzu unwahrscheinlich war (III, 14)", wenn er nicht am Schluss
(c. 19) doch wieder von der Unsicherheit der geschichtlichen
Ereignisse mit ausdrücklicher Beziehung auf den Tod des Ger-
manikus spräche, wodurch er zeigt, dass er nach wie vor an
das Verbrechen glaubt und glauben lassen will. Wie ein
unparteiischer Richter sollte der Geschichtschreiber vor allem
keinen Beweis verschweigen, wenn er ihm auch noch so un-
erwünscht ist. Tacitus aber unterschlägt zwei der wichtigsten
Momente, erstens, dass die Krankheit eine langwierige war
(Suet. Cal. 1: diutino morbo Antiochiae obiit), was den Ge-
danken an einen Giftmord ohnehin nicht leicht aufkommen
lässt, zweitens, dass die Krankheitserscheinungen andere waren.
Plinius führt nämlich XI, § 187 bei Erwähnung des Prozesses
des Piso aus der Rede des Anklägers Vitellius eine Behauptung
an, der er die bedeutsamen Worte gegenüber stellt: 'contra
genere morbi defensus est Piso.' Es versteht sich, dass sich
die Verteidigung in dieser medizinischen Frage auf das Zeugnis
der Sachverständigen stützte, und diese konnten im gegebenen
Fall nur die Arzte sein, die den Germanikus behandelt hatten.
Wenn aber diese erklärten, die Art der Krankheit, d. h. die
Krankheitserscheinungen seien andere gewesen als bei Ver-
giftungen zu Tage treten, so war die Sache damit ein für
allemal abgetan, und so gut sich die Richter damit begnügt
hätten (veneni crimen visus est diluisse) und den Piso wenig-
stens von dieser Schuld freigesprochen hätten, wenn er nicht
der Verurteilung wegen des Bürgerkrieges durch Selbstmord
zuvorgekommen wäre, ebensogut musste sich auch der Geschicht-
schreiber damit begnügen und die unangenehme Wahrheit ein-
Zur Geschichte des Kaisers THberius. 45
gestehen. Aber freilich, das hätte die ganze so schön aus-
gearbeitete Geschichte ihres sensationellen romanhaften Charak-
ters entkleidet und der Leser hätte mit Bedauern bemerkt, dass
er Zorn und Mitleid an ein leeres Nichts verschwendet hatte.
Auch die in einem modernen Geschichtswerke vertretene
Auffassung, wenn Germanikus vielleicht auch nicht vergiftet
wurde, so habe er doch jedenfalls selbst daran geglaubt, ist
nicht haltbar. Denn sie stützt sich auf die bei Tacitus II, 71 f.
vorgeführten Reden, die Germanikus kurz vor seinem Tode an
seine Freunde und an seine Gattin gehalten haben soll, in
denen er sich als 'insidiis circumventus' und 'scelere Pisonis
et Plancinae interceptus' u. dergl. bezeichnet. Solche Reden
haben keinen historischen Wert. Sie sind, besondere Fälle
ausgenommen, Erfindungen der Geschichtschreiber, die sich in
die Lage der sprechenden Personen versetzen, und es ist aus
ihnen nur ersichtlich, wie sie nach den vom Verfasser
gegebenen Voraussetzungen gelautet haben könnten.
Keinem Römer fiel es ein, dergleichen für bare Münze zu nehmen.
Was man im allgemeinen von den Reden der alten Historiker
zu halten hat, das zeigt wohl am besten die Abhandlung des
Lukian »Wie man Geschichte schreiben muss*. Wiewohl näm-
lich Lukian in allem die Forderung der strengsten Wahrheit
verficht und sagt, die Geschichte vertrage nicht einen Gran
Lüge, nicht mehr als die Luftröhre es duldet, wenn etwas beim
Schlucken hineinkommt, der Geschichtschreiber solle ein Spiegel
sein, der die Bilder der Gegenstände so zurückgibt, wie er sie
aafgefasst hat, ohne das Geringste an ihrer Farbe oder Gestalt
zu ändern, so erlaubt er doch bei den Reden, wenn sie nur
der Person und Sache entsprechend erfunden seien, die ganze
Starke der Redekunst walten zu lassen. So sind auch hier die
Reden des Germanikus, wenn man nach Geschichte fragt, von
Anfang bis zu Ende zu streichen. Denn sie sind zwar kon-
sequent nach den Voraussetzungen des Tacitus, aber im Wider-
spruch mit den Tatsachen erfunden. Es ist ja unmöglich, dass
sich Germanikus für vergiftet hielt. So wenig heutzutage je-
mand, der z. B. an einer Lungenkrankheit oder einem typhösen
46 A. Spengel
Fieber lange Zeit damiederliegt, an Vergiftung glauben wird,
ebensowenig ist es bei Germanikus anzunehmen. Und wenn
die Arzte vor Gericht die Krankheit konstatierten, so werden
sie doch vor allem den Kranken selbst während der Behandlung
über seinen Zustand nicht im Unklaren gelassen haben.
Fassen wir also zusammen, was wir über den Tod des
Germanikus wissen! Er starb an einer langwierigen Krank-
heit; an welcher, ist nicht bekannt. Sichergestellt ist nur
eines, dass es nicht Vergiftung war, und zwar sichergestellt
durch das beste aller Zeugnisse, das 'genus morbi.'
Die Verschwörung des Seianus.
Hat es eine solche wirklich gegeben? Fast könnte es
vermessen scheinen, daran zu zweifeln, wenn man liest, was
Flavius Josephus Jüd. Alt. 18, § 181, N. (VI, 6) sagt:
„Eine gi'osse Verschwörung wurde von seinem Freunde
angestiftet, der damals die grösste Macht besass, weil er an
der Spitze der Solduten stand. Die meisten Senatoren und
Freigelassenen hielten zu ihm und das Heer wurde gewonnen.
Schon war das Vorhaben weit gediehen und Seianus hätte es
ausgeitihrt, wenn nicht Antonia klug und kühn die Schlech-
tigkeit des Seianus zu nichte gemacht hätte. Denn als sie
den Anschlag gegen Tiberius erfuhr, schrieb sie ihm alles
genau, übergab den Brief ihrem treue>ten Sklaven Pallas und
schickte ihn zu Tiberius nach Caprea. Als es dieser erfahren,
Hess er Avn Soiunus und seine Mit verschworenen hinrichten.*
Suetonius Tib. G5 gebraucht die Worte 'Seianum res
novas niolieuteur und ^'oppressa seditione Seiani.* Bei Tacitus
i^t dieser Absclmitt leider nicht erhalten. Doch bezeichnet er
VI, 47 den Satrius Socundus als coniurationis index, erwähnt
VI, 14 coniurationis crimen und ähnliches V, 8, V, 11, VI, 3.
Von BoiKutung wird vor allem sein, ob Tiberius selbst
in dvüi ScluvÜK'n an den Senat, in dem er die Verhaftung
des St'iamis anordnete, Verschwörunjx und Hochverrat als
Grund anijt^ijrben hat. Dies ist entschieden zu verneinen.
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius» 47
Da Suetonius die Sache nur kui*z erwähnt,^) ist der Bericht
des Cassius Dio zu Grunde zu legen, der den Sturz des
Seianus mit den damit unmittelbar zusammenhängenden Be-
gebenheiten der Wichtigkeit der Sache entsprechend eingehend
schildert — in der Teubnerschen Textausgabe nicht weniger
als 9 Seiten. — Trotz dieser Ausführlichkeit ist kein Wort
über eine Verschwörung gesagt. Von dem Schreiben des
Kaisers berichtet er 58, 10: „Nun wurde der Brief vorgelesen.
Er war lang und enthielt nicht zusammenhängende Vorwürfe
gegen Seianus, sondern zuerst etwas anderes, dann einen kurzen
Tadel gegen ihn, dann wieder etwas anderes und wieder eine
Bemerkung gegen ihn; am Schluss den Auftrag, zwei Sena-
toren, die vertraute Freunde von ihm waren, zu bestrafen und
ihn selbst zu verhaften {h (pQovga yeveo&ai),^'^) Unter einem
kurzen Tadel und wieder einer Bemerkung gegen ihn kann
man doch unmöglich HochveiTat verstehen. Wenn es sich um
eine Verschwörung handelt, drängen sich unwillkürlich die
Fragen auf: Mit wem hat er sich verschworen? Welchen Plan
hatten die Verschwörer? Bei welcher Gelegenheit wollten sie
ihn ausführen? u. dergl. Nichts von all dem weiss der Ge-
scfaichtschreiber zu erzählen. Er erzählt darum nichts, weil
er in seinen Quellen nichts fand, und diese enthielten nichts.
') Tib. 65: * inopinantem eriminatus est pudenda miserandaque
oratione, eum inter alia patres conscriptos precaretur, mitterent alterum
e consulibus qui se senem et solum in conspectum eorum cum aliquo
militari praesidio perduceret.'
2) Ausdrücklich fügt Cassius Dio bei, daas der Kaiser nicht seine
Hinrichtung befahl und zwar, wie er meint, weil ein Aufstand zu be-
f&rchten war. Es entspricht vielmehr der Gepflogenheit des Tiberius,
übereilte Todesurteile zu verhindern und der regelmässigen gerichtlichen
Verhandlung ihren Lauf zu lassen. Vergl. z. B. den Prozess des Piso
bei Tacitas. — Hiernach sind Wendungen wie: «Tiberius Hess den
Seianua durch den Senat zum Tode verurteilen", Pütz, Grundr. d. Geogr.
B. Gesch., I, 1897, S. 268, nicht zu billigen. — Ungesetzlich w^ar auch
die Eile, mit der das Urteil an Seianus vollstreckt wurde. Denn der
Senat hatte sich auf Veranlassung des Tiberius selbst verpflichtet, keinen
Verurteilten vor dem 10. Tage hinrichten zu lassen.
48 A, Spengel
weil nichts Tatsächliches vorlag. Daher schliesst auch Cassius
Dio seine Erzählung mit einer allgemeinen Betrachtung üher
die Unbeständigkeit des GlUckes, in der deutlich ein ge-
wisses Mitleid mit dem Gefallenen zu erkennen ist. Wäre
Hochverrat vorgelegen, so hätte er wohl eine andere Nutz-
anwendung gemacht, er hätte den Fall als Beispiel gerechter
Strafe für ein nichtswürdiges Verbrechen hingestellt.
Den nämlichen Standpunkt nimmt Juvenalis Sat. 10 ein.
Zum Beweis des Satzes, dass mancher gerade durch die Macht
und die Ehren, mit denen er überhäuft wird, infolge des
Neides zu Fall gebracht wird (Vers 56 f.), erzählt er den
Sturz des Seianus. Bezeichnend ist besonders die Stelle, wo
die Bürger zuerst die Nachricht erfahren und der eine zum
anderen sagt:
'sed quo cecidit sub crimine? quisnam
Delator? quibus indiciis, quo teste probavit?' —
'Nil horum. verbosa et grandis epistula venit
A Capreis.* — 'Bene habet, nil plus interrogo. .'
Also nil horum, er ist eben in Ungnade gefallen. Für ent-
scheidend aber halte ich folgenden Umstand. Suetonius Tib. 66
erwähnt eine Stelle aus der Selbstbiographie des Kaisers, die
dieser jedenfalls in seinen letzten Lebensjahren verfasst hat:
'Seianura se punis.se, quod comperisset furere adversus liberos
üermanici filii sui.' Somit nicht Verschwörung, nicht der Plan,
selbst Kaiser zu werden, sondern seine schonungslose Agitation
gegen die Söhne des Germanikus! Die Wahrheit dieser Be-
hauptung zu bezweifeln, ist durchaus kein Grund. Denn oflFen-
bar wollte Tiberius damit sein Vorgehen gegen den verdienten,
früher so hoch geschätzten Minister vor der Nachwelt recht-
fertigen. Diese Rechtfertigung wäre aber ungleich wirksamer
gewesen, wenn er hätte sagen können, er habe ihn darum
gestürzt, weil er eine Verschwörung gegen ihn anstiftete.
Wenn er es nicht sao^te, so ist dies ein sicherer Beweis dafür,
dass er es nicht sagen konnte, weil es der Wahrheit nicht
entsprach.
jiur QeschichU des kaUera tiJberiua. 49
Gegen das Vorhandensein einer Verschwörung spricht auch
das Verhalten der Prätorianer im entscheidenden Momente.
Da es ganz natürlich ist, dass Seianus, wenn er einen Umsturz
beabsichtigte, sich vor allem seiner Prätorianer versicherte,
wird berichtet, die Prätorianer seien von ihm bestochen worden
und seines Winkes gewärtig gewesen. Ja Tacitus weiss schon
bei der Vereinigung der Prätorianer in einem Lager im Jahre 23,
also 8 Jahre vor der Katastrophe, auf das künftige Ereignis
voizubereiten, indem er schreibt IV, 2 : 'ut perfecta sunt castra,
irrepere paulatim militares animos adeundo appellando."* Aber
das sind Hirngespinste, falsche Schlüsse, die aus der irrigen
Voraussetzung entstanden sind, dass Seianus nach der Kaiser-
würde strebte. Bei der Verhaftung und Hinrichtung desselben
rübrt kein Prätorianer eine Hand für ihn. Sie nehmen die
Mitteilung des Makro, dass Seianus nicht mehr ihr Befehls-
haber sei, ruhig hin, weil sie sich als Soldaten des Kaisers,
nicht des Seianus fühlen. Ja, sie fassen es sogar als belei-
digendes Misstrauen auf, dass bei der verhängnisvollen Senats-
sitzung ihre Wache vor der Kurie durch eine Abteilung der
Nachtwache ersetzt wurde (Cass. Dio 58, 12).
Noch ein weiterer Beweis! Im Jahre 26 speiste Tiberius
mit seinem Oefolge in der Grotte einer Villa bei Neapel.
Plötzlich fallen grosse Steine, wahrscheinlich infolge eines leichten
Erdstosses, herab und erschlagen viele Gäste und Diener. Alles
flüchtet, um sich zu retten, Seianus bleibt und deckt den alten
Kaiser mit seinem eigenen Leibe. Ist es nicht widersinnig, zu
behaupten, Seianus habe schon 3 Jahre vorher seinen Umsturz-
plan gegen den Kaiser vorbereitet und ihn trotzdem mit eigener
Lebensgefahr beschützt? Wenn er Kaiser werden wollte, so
var damals der geeignetste Zeitpunkt. Denn Drusus, der Sohn
äes Tiberius, war tot, dessen Sohn, sowie die drei Söhne des
Germanikus noch nicht in dem Alter, um die Regierung über-
nehmen zu können, so dass er sich nur mit Claudius, dem
Bruder des Germanikus, hätte abfin«len müssen, der selbst
nicht nach der Herrschaft strebte. Die wahre Gesinnung des
Seianus hat dieses unvorhergesehene Ereignis in der Grotte an
IMl Sitzgsb. d. pbU(M.-pliiloL n. d. hist. Kl. 4
50 A, Spenget
den Tag gebracht. Wer so handelte, der war kein Verräter,
er war ein treuer Diener seines Herrn und rechnete sich zur
Ehre, fUr ihn zu sterben.
Die Schuld und der Sturz des Seianus hängen mit der
ihm gestellten Aufgabe eng zusammen. Er hatte als Oberst
der Leibgarde vor allem über die Sicherheit des Kaisers zu
wachen. Es kam ihm zu, Verschwörungen aufzuspüren und
dem Kaiser anzuzeigen. Da nun innerhalb des kaiserlichen
Hauses selbst eine feindliche Strömung herrschte, die von
Agrippina ausging, ist es natürlich, dass sich seine Aufsicht
auch auf Agrippina und ihre drei Söhne, nämlich Nero, Drusus
und Oaius (Caligula) bezog. Die Sorge für die Sicherheit seiner
eigenen Stellung fiel damit zusammen. Denn, wie er sich in
einem Briefe an Tiberius beschwert, hatte er von Agrippina
heftige Anfeindungen zu dulden (Tac. IV, 39: 'firmari domum
adversum iniquas Agrippinae ofiPensiones'), was der Kaiser in
seinem Antwortschreiben (c. 40) nicht widerspricht, also an-
erkennt. Wenn nun die Darstellung des Suetonius (Tib. 55)
und Tacitus (IV, 60, 67, 70, V, 3 f.) richtig ist, wurden gegen
die Prinzen heimtückische Mittel angewendet, um sie zu trotzigen
Äusserungen und zu Schmähungen des Kaisers zu verleiten,
die dann sofort diesem hinterbracht wurden. Suetonius meint,
diese Tücke sei von Tiberius ausgegangen, was aber ganz
unwahrscheinlich ist, da dieser seinen Enkeln anfanglich auf-
richtig zugetan war und sie nach dem Tode ihres Vaters
Germanikus mit den wärmsten Worten dem Senat empfohlen
hatte. ^) Tacitus bezeichnet jedenfalls mit Recht den Seianus
wiederholt als Urheber. Es kam so weit, dass sowohl Agrip-
pina als Nero in die Verbannung geschickt wurden, in der
Nero, später auch Agrippina, starb. Auch den zweiten Enkel
^) Die Vermutung des Suetonius c. 55, dass Tiberius es darauf
abgesehen hatte, die Söhne des Germanikus zu vernichten, um seinem
Enkel Tiberius Gemellus die Thronfolge zu sichern, wird schlagend
durch den Umstand widerlegt, dass der Kaiser vor seinem Tode den
Caligula, den Sohn des Germanikus, nicht den Tiberius, zum Nachfolger
bestimmte.
Zur Geschichte des Kaisers fibertus. 51
Drusus klagte Seianus beim Kaiser an und als dieser den Drusus
nach Born zurückschickte, bewog Seianus den Cassius, im Senate
als Ankläger gegen ihn aufzutreten (Cass. Dio 58, 3). Dass
Tiberius seinen dritten Enkel Gaius im Jahre 30 zu sich nach
Capri nahm (Suet. Cal. 10), wird seinen Grund hauptsächlich
darin gehabt haben, dass er ihn gegen die Nachstellungen
des damals in Rom anwesenden Seianus schützen wollte. Bei
Tacitus VI, 3 heisst es auch, der gewesene Prätor Sextius
Paconianus sei yon Seianus vor seinem Sturze dazu ausersehen
gewesen 'cuius ope dolus Gaio Caesari pararetur.'
Wenn auch Nero und Drusus, wie es scheint, nicht ohne
Schuld waren — unter den Vorwürfen, die Tiberius dem Drusus
macht, ist auch 'infestus rei publicae animus' Tac. VI, 24 —
so sind sie doch Verbrecher, die durch das Spioniersystem
and Denunziantentum des Seianus künstlich gezüchtet wurden.
So hat dieser durch sein 'furere adversus liberos Germanici'
schweres Unglück über das Kaiserhaus gebracht, und Tiberius
sah sich gezwungen, ihn fallen zu lassen, um nicht auch noch
den Qaius, den letzten der Söhne des Germanikus, zu verlieren.
Gefehlt hat Seianus ferner dadurch, dass er sich in seiner
Eitelkeit nicht entschliessen konnte, die ausserordentlichen
Ehrungen abzuweisen. Er duldete z. B., dass ihm allenthalben
Standbilder errichtet und vor diesen Opfer dargebracht wurden,
wiewohl er das Gebot des Kaisers kannte, dass keinem Sterb-
lichen geopfert werden solle. Er liess sein Brustbild an den
hegionsadlem anbringen, jedenfalls ohne Wissen und Willen
des Kaisers; denn die syrischen Legionen erhielten von Tiberius
nach dem Tode des Seianus ein Geldgeschenk, weil sie allein
von allen Legionen dieses Bild nicht angenommen hatten.
Das Übermass der Ehren wird von den Schriftstellern überein-
stimmend hervorgehoben*) und Cassius Dio lässt 58, 3 die
Möglichkeit offen, dass Asinius Gallus, der die meisten und
grössten Ehrenbezeugungen im Senate beantragte, dieses nur
*) z. B. CassiuB Dio 68, 18: taie xe vJiegßolaTg xai raig Haivottjai xwv
"/luw' :io6g tov oXe&QOv nQoiqyayov.
4»
52 A, Spengel
zu dem Zweck tat, um ihn zu verdächtigen und zu stürzen.
Als nun seine Verhaftung ausgesprochen war, da fielen alle
die Kreaturen über ihn her, die ihm nicht verzeihen konnten,
dass sie bisher vor ihm gekrochen waren. Wie er früher
manchen Adeligen als staatsgefahrlich dem Henker zugeführt
hatte, manchen seiner Feinde gewiss nicht immer mit den ehr-
lichsten Mitteln zu Fall gebracht hatte, so kehrte man jetzt
den Stiel um und erhob gegen ihn das crimen coniurationis,
wozu sich Scheingründe leicht finden Hessen. Da man ihn
verurteilen wollte, war er verurteilt, ehe der Prozess begann.
So kam es, dass die Angelegenheit offiziell als seditio Seiani
galt, während Seianus keinen Umsturz herbeiführen wollte,
sondern sich nur in seiner Stellung zu behaupten suchte.^)
Übrigens darf man sich die Macht des Seianus nicht über-
trieben vorstellen. Es würde der Wirklichkeit nicht entsprechen,
wenn wir annehmen wollten, er habe während der Abwesen-
heit des Tiberius den Staat geleitet. Vielmehr besorgte der
Senat seine Angelegenheiten in gesetzmässiger Weise alle selbst.
Seianus hatte nur insofern Einfluss, als ein grosser Teil der
Senatoren und Beamten ihn bei wichtigen Dingen um Rat
fragte, bei der Abstimmung sich nach seinen Wünschen richtete
und bei gerichtlichen Verhandlungen verurteilte und freisprach,
wie er es wollte. Daneben fehlte es auch nicht an Gegnern.
So war von den beiden Konsuln des für Seianus verhängnis-
vollen Jahres 31 der eine, Trio, sein Freund, der andere, Regulus,
sein Gegner. Die Mehrzahl fand es allerdings am bequemsten,
mit dem Günstling des Kaisers zu halten. Aber auch nur
dem Günstling galt diese Unterwürfigkeit, nicht der Person.
') Ähnlich wurde unter Nero der Gardeoberst Burrus f&lschlich einer
Verschwörung angeklagt. Aber den Ankläger traf die Verbannung. Tac.
Ann. 13, 23. — Wie leichtfertig die Klage wegen einea Anschlage auf
das Leben des Kaisers erhoben wurde, zeigt ana besten das Beispiel des
hochbetagten Senators Lentulus, eines Mannes von sehr sanfter Gemütsart,
der angeklagt wurde, dass er dem Tiberius nach dem Leben strebe.
Lentulus lachte laut auf und Tiberius sagte: «Ich bin nicht wert, zu
leben, wenn auch Lentulus mich hasst.* Cassius Dio 57, 24. Dies war
bereits 6 Jahre vor dem Sturz des Seianus.
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius, . 53
Sobald die Sonne der kaiserlichen Gunst erblichen war, war
auch seine ganze Herrlichkeit zerstoben. Das wusste Seianus
wohl und darum üel es ihm nicht ein, nach der Kaiserwürde
zu streben. Als Kaiser hätten ihn die altadeligen Familien
nie geduldet; sie hätten sich wie ein Mann erhoben gegen
den Provinzialen , den Tusker, dessen Vater nur römischer
Ritter gewesen war. Schon als eine Tochter desselben mit
einem Sohne des Claudius verlobt wurde, empfand man es,
wie Tacitus (III, 29) sagt, als eine Befleckung des kaiserlichen
Adels, und derselbe Geschichtschreiber nennt es (IV, 27) ein
betrübendes Ereignis, dass eine Tochter des Drusus sich als
Witwe später mit Rubellius Blandus verheiratete, dessen Gross-
Tater aus Tibur stammte und von gar manchen noch gesehen
worfen war, wie er als römischer Ritter einher ging. Dass
Seianus auch auf dem Gipfel seiner Macht von den altadeligen
Familien als unebenbürtig betrachtet wurde, sieht man am
besten aus dem Lobe seines Zeitgenossen Velleius (II, 127 f.),
der ausführlich die historischen Beispiele aufzählt, wie unadelige
Männer durch eigenes Verdienst empor gekommen sind. Das
hätte er nicht getan, hätte es vor allem vermieden, länger
dabei zu verweilen, wenn er es nicht für nötig gehalten hätte,
die Wahl des Kaisers zu rechtfertigen und sich des Ministers
gegen die aristokratische Geringschätzung anzunehmen.
Auch dürfen wir nicht glauben, dass der Kaiser von seinem
Minister vollkommen abhängig wurde. ^) Tiberius gebrauchte
seine Dienste, so lange sie ihm erspriesslich schienen, handelte
aber in allen wichtigen Angelegenheiten nach eigenem Ermessen.
Ausdrücklich sagt Gassius Dio 59, 5 : Tißegiog /.ikv yäg amög
') Ganz haltlos ist die Ansicht des Tacitus, der am Schluss der
Lebensbeschreibung IV, 51 zum Teil im Widerspruch mit seiner eigenen
Darstellmij? verschiedene Zeitabschnitte annimmt, während deren der
Kaiser durch Rücksichtnahme auf die betreffenden Personen sein Ver-
dien bestimmt hätte, und zwar nicht nur einen Abschnitt bis zum
Tode des Seianus, sondern auch einen bis zum Tode des Germanikus,
<i«i Dnisus und seiner Mutter Livia. Keine dieser Persönlichkeiten hat
einen bestimmenden Einfluss auf den Kaiser ausgeübt.
54 . A. Spevijel
JE fiQxt xal vTteghatg roTg äkXoig nqog ye to aviov ßovlrjpia
iXQ^^o, ^) Eine Beeinflussung kann nur für solche Fälle ange-
nommen werden, wenn, wie in der Klage gegen die Prinzen
Nero und Drusus, die Grundlagen des Urteils ron Seianus so
vorbereitet waren, dass der Kaiser nicht umhin konnte, eine
bestimmte Entscheidung zu treflfen. Im allgemeinen war der
grosse Unterschied zwischen Seianus und den Günstlingen der
späteren Kaiser der, dass Seianus dem Tiberius, wie er oft Ton
ihm genannt wurde, socius laborum war, jene dagegen ihren
Kaisem socii voluptatum.
Die Entfernung von Rom und den Aufenthalt in Capri
soll Seianus veranlasst haben! In einer so wichtigen Sache,
die vor allem sein körperliches Wohlsein betraf, soll Tiberius
nach der Ansicht eines anderen gehandelt haben, er, der schon
durch den Ausspruch, wer 30 Jahre alt geworden sei, brauche
keinen fremden Rat, um zu wissen, was seiner Gesundheit
nützlich oder schädlich sei, die Selbständigkeit seines Urteils
in solchen Dingen an den Tag gelegt hatte. Nachdem uns
Tacitus ganz genau die Gründe angegeben hat, die Seianus
beim Kaiser vorbrachte, um ihn zu diesem Entschluss zu be-
wegen (IV, 41), sagt er selbst noch in dem nämlichen Buche
(IV, 57), es sei doch wahrscheinlicher, däss es des Kaisers
eigener Entschluss gewesen sei, weil er auch nach dem Tode
des Seianus noch 6 Jahre auf Capri verweilte. Verschiedene
andere Ursachen bringt der Geschichtschreiber dann vor, die
die Entfernung von Rom veranlasst haben könnten, indem er
den nahe liegenden Gründen absichtlich aus dem Wege geht.
Tiberius, der im 67. Lebensjahre stand, und in seiner Familie
von schweren Unglücksfällen betroffen worden war, auch sonst
manche trübe Lebenserfahrungen gemacht hatte, sehnte sich
nach Ruhe; zwar sollte es keine untätige Ruhe sein, aber so,
*) Auch in der Kriegführung pflegte er durchaus selbständig zu
handeln und Suetonius c. 18 erwähnt es als eine besondere Ausnahme,
dass er bei einem Feldzug nach Germanien einen Eriegsrat berief:
'semper alias sui arbitrii contentusque se uno tunc praeter consuetudinem
cum pluribus de ratione belli communieavit.'
Zur Geschichte des Kaisers Tiberius. 55
dass er sich auf die wichtigen Geschäfte beschränken konnte,
fem von den vielen lästigen Verpflichtungen des Hoflebens,
fern auch von der Speichelleckerei, die ihm beim Austritt aus
dem Senate oft in griechischer Sprache die Worte auf die
Lippen lockte: '0 homines ad servitutem paratos!' (III, 65).
Dazu der Umgang mit wenigen ausgezeichneten Männern, die
ihn begleiteten, die Schönheit der Natur auf dem reizenden
Capri, mitten in der nervenstärkenden Meeresluft, hier konnte
Geist und Körper noch gesunden!
An dem Tage, an dem er 12 Jahre vorher im Senate nach
längerem Zögern die Regierung zu übernehmen erklärte, 'mise-
ram et onerosam servitutem,* wie er sie nannte, fügte er die
Worte bei: 'dum veniam ad id tempus, quo vobis aequum
possit videri dare vos aliquam senectuti meae requiem'
(Säet. 24). Dass diese Zeit jetzt gekommen war, dass er ali-
quam senectuti requiem jetzt bedurfte, konnte nur er fühlen;
was Seianus dazu dachte, war gleichgültig.
Der Tod des Drusus, des Sohnes des Tiberius.
Die Zeit krankte am Yergiftungswahn. Augustus starb
im hohen Greisenalter, nachdem er immer mit seiner Gattin
Liria im besten Einvernehmen gelebt hatte, 'et quidam scelus
uioris suspectabant' (Tac. I, 5), eine der unsinnigsten Aus-
geburten der Phantasie. Sein Enkel Gaius, Sohn der Julia,
wurde in Armenien schwer verwundet und starb auf der Rück-
reise 'morbo' Vell. II, 102, wohl an den Folgen dieser Ver-
wundung, was den Tacitus nicht hindert, sowohl von ihm als
von seinem Bruder Lucius zu bemerken: 'mors fato propera
Tel novercae Liviae dolus abstulit' (c. 3). Für Tiberius, der
wie Augustus im hohen Greisenalter natürlichen Todes stirbt,
stehen bei Suetonius drei gewaltsame Todesarten zur Auswahl,
darunter eine der Vergiftung. ^) Und erst Germanikus! Welch
*) Nor der Bericht des Seneca (bei Suet. Tib. c. 73), dass beim Tode
<1^ Kaisers niemand zugegen war und man ihn neben seinem Bette tot
^^gen £EUid, hat Anspruch auf Glaubwürdigkeit ; das Übrige sind Fabeln.
56 A. Spengel
grossartiger Yergiftungsskandal ! All dies erweist sich als hin-
fällig.^) Wird es vielleicht bei Drusus ebenso sein? Hören wir
die Nachrichten der Überlieferung!
Acht Jahre nach dem Tode des Drusus, unmittelbar nach
dem Sturze des Seianus, machte die frühere Gemahlin des
letzteren, Apicata, als sie sah, dass die Kinder, die sie dem
Seianus geboren hatte, tot auf der Gemonischen Treppe lagen,
dem Tiberius, ehe sie sich selbst entleibte, die schriftliche Mit-
teilung, sein Sohn Drusus sei nicht natürlichen Todes gestorben,
sondern von seiner Gemahlin Livilla und Seianus vergiftet
worden. Das Gift habe ihm der Verschnittene Lygdus gereicht
und der Arzt Eudemus bereitet. Beide legten dann auf der
Folter das Geständnis ab (Tac. IV, 8 und 11). Aus Cassius Dio
kommt dazu, dass Tiberius Livilla und die anderen Schuldigen
töten Hess. „Doch habe ich auch gehört', fügt Dio bei, «dass
Tiberius die Livilla ihrer Mutter Antonia zu lieb verschonte
und Antonia später aus eigenem Antrieb ihre Tochter den
Hungertod sterben Hess.*
Schon bei dieser letzteren Variante beginnen die Zweifel.
Bei Suetonius Claud. c. 3 ist nämlich überliefert: 'Soror (seil.
Claudii) Livilla quum audisset quandoque imperaturum (seil.
Claudium), tam iniquam et tam indignam sortem popuH Romani
palam et clare detestata est.* Da Claudius bei Lebzeiten des
Tiberius Gemellus, des Sohnes des Drusus, keine Aussicht auf
den Kaiserthron hatte, sollte man denken, dass diese Äusserung
der Livilla erst nach dem Tode dieses Prinzen, also unter der
Tacitiia hat die für seinen Tiberius passende Erzählung mit Unter-
drückung aller übrijjen Nachrichten anj^enomnien und dramatisch auf-
geputzt.
*) Ein Sohn des Claudius, mit Namen Drusus, erstickte in sehr
jusrondlichera Alter, indem er eine Birne, die er spielend in die Luft
warf, mit offenem Munde auffing. Da er wenige Tage vorher mit einer
Tochter des Seianus verlobt worden war und dies dem Seianus zur
höchsten Ehre gereichte, 8ollte man es für unmöglich halten, dass jemand
auf den Oedaiiken kam, Seianus habe den jungen Mann umgebracht.
Und doch wunle es von manchen behauptet, 'Quo magis miror,' s»^
Suetonius Claud. 27. 'fuisse qui traderent fraude a Seiano necatnm/
Zur Geschichte des Kaisers Tiberitis, 57
Kegierung des Caligula gemacbt worden sei. Ist dies der Fall,
so hat Livilla unter Caligula noch gelebt, ist von Kaiser
Tiberius nicht hingerichtet worden und kann auch nicht von
ihrer Mutter Antonia mit dem Hungertode bestraft worden sein.
Denn welchen Sinn hätte es gehabt, sechs Jahre nach Ent-
deckung des Verbrechens, vierzehn Jahre nach seiner Aus-
fuhrung sie nachti*äglich noch Hungers sterben zu lassen? Man
müsste sich bei obiger Stelle des Suetonius mit der Erklärung
helfen, dass jemand früher einmal bei Lebzeiten des Kaisers
Tiberius vor dem Jahre 31 zu Livilla sagte, Claudius könne,
wenn auch jetzt keine Aussicht sei, doch noch einmal auf den
Thron kommen, und sie daraufhin jene Ausseruni? machte.
Freilich, die ganze Fassung der WorL spricht meh" für den
Ernstfall als fOr eine femliegende Eventualität. Dass Livilla
nach dem Sturz des Seianus wirklich bestraft wurde, muss man
aus Tac. VI, 2 schliessen: 'at Romae principio anni (das Jahr 32),
quasi recens cognitis Livillae flagitiis ac non pridem etiam
punitis, atroces sententiae dicebantur in effigies quoque ac
memoriam eins.' Entweder muss das Todesurteil über sie ver-
hängt worden sein oder, wie es bei anderen weiblichen Mit-
gliedern des Kaiserhauses der Fall gewesen war, die Verbannung.
Letztere konnte, wenn sich der Zorn gegen die Anhänger des
Seianus gelegt hatte oder ihre Schuld an dem Tode des Drusus
nicht mehr geglaubt wurde, später aufgehoben worden sein,
so dass sie unter Caligula wieder in Rom gelebt haben konnte.
Zwei Jahre nach dem Tode des Drusus wünschte sich Seianus
mit dessen Witwe Livilla zu verheiraten, nachdem er sich von
seiner früheren Gattin Apicata getrennt hatte. Der Plan kam
nicht zur Ausführung, weil Tiberius ihn widerriet. Nach dem
Sturz des Seianus wäre dies der Livilla auch ohne weitere
Anklage als Verbrechen angerechnet worden, da fast alle, die
mit Seianus irgendwie in Freundschaft gestanden waren, sein
Schicksal teilen mussten. Wenn sie aber auch wegen Gatten-
mord verurteilt wurde, so bleibt ihre Schuld trotzdem zweifelhaft.
I Denn die Tat ist, wie man sie auch betrachten mag, unbe-
greiflich. 'Hanc (Seianus) ad coniugii spem, consortium regni
I
58 A. Spengel
et necem mariti impulit* sagt Tacitus IV, 3. Also die Ehe
mit Seianus war ihr Ziel und durch diese die Herrschaft, die
gebietende Stellung. Letztere besass sie bereits. Als die
Gattin des Prinzen, der im besten Einrernehmen mit seinem
Vater stand, bereits dreimal das Konsulat bekleidet hatte, zum
Mitregenten und Nachfolger bestimmt war, nahm sie die viel-
beneidete erste Stelle unter allen Frauen des römischen Reiches
ein. Und was tauschte sie dagegen ein? Den tief darunter
stehenden Rang der Gattin des praefectus praetorio. Eine
solche Stellung konnte sie sich allenfalls spater, als sie Witwe
geworden war, gefallen lassen, um einen kleinen Ersatz für
den Verlust des Höchsten zu finden, aber nicht anstreben durch
die Ermordung ihres Gatten. Auf die Kaiserwürde konnte sich
Seianus keine Hoffnung machen und er war klug genug, es
nicht zu tun. Das hat er bewiesen, wie wir gesehen haben,
indem er in der Grotte bei Neapel das gefährdete Leben des
Kaisers mit dem eigenen Leibe schützte. Also das Streben
nach Herrschaft müssen wir von den Beweggründen zur Mordtat
ausschliessen. Es bleibt noch 'coniugii spes.' Vielleicht schien
ihr die neue Ehe und die Lösung der vorhandenen an sich des
Verbrechens wert, wenn sie auch ihren Rang dabei einbüsste?
Dies Hesse sich namentlich dann begreifen, wenn ihre Ehe mit
Drusus eine unglückliche, lieblose war. Als im Senate der
Antrag gestellt wurde, dass die Statthalter ihre Frauen nicht
mehr in die Provinzen mitnehmen sollten, sprach Drusus dagegen
und sagte: 'se quoque in lUyricum profectum et, si ita con-
duceret, ad alias gentes iturum haud semper aequo animo, si
ab uxore carissima et tot communium liberorum parente
divelleretur' (Tac. lU, 34). Gewiss ein Zeichen von ein-
trächtigem Zusammenleben! Oder suchte sie einen jüngeren
Gatten einzutauschen? Drusus starb in der Blüte der Jugend
mit 33 Jahren, Seianus war wenigstens um 10, wahrscheinlich
mehr Jahre älter. Den 33 jährigen Prinzen ermordet sie, um
dem zwischen 40 und 50 stehenden Gardeoberst die Hand zu
reichen? So ist die Mordtat in jeder Beziehung psychologisch
unerklärlich.
Zur Geschichte des Kaisers Tiherius, 59
Acht Jahre blieb das Verbrechen verborgen. Das ist noch
nicht so befremdend als die Sorglosigkeit und Einfalt des Ver-
brechers, der die zwei Sklaven, die einzigen Mitwisser seiner
Tat, in diesem Zeitraum nicht längst von der Erde verschwinden
Hess oder wenigstens weit vom Schauplatz entfernte. Wie leicht
konnte irgend ein Verdacht entstehen, konnte sich einer von
ihnen in der Trunkenheit verraten und ihm den sicheren Tod
bringen !
Diese Gründe lassen vermuten, dass Apicata die Anklage
aus Rachsucht erfunden hat, um einerseits ihren treulosen
Gemahl blosszustellen, anderseits und hauptsächlich, um ihre
verhasste Nebenbuhlerin zu vernichten. Warum sollte in einer
Zeit, in der falsche Anklage und erlogene Zeugschaft geschäfts-
massig betrieben wurden,^) nicht auch ein Weib dieselben
Waffen geführt haben? Sie hat dann nichts anderes getan,
als diejenigen Angeklagten oder Verurteilten, die, ehe sie sich
töteten, durch schriftliche oder mündliche Schmähungen gegen
den Kaiser oder andere wirkliche oder vermeintliche Urheber
ihres Unglücks ihre Rache befriedigten (z. B. Tac. VI, 38,
Suei c. 66).
Von dem Geständnis der beiden Sklaven werden wir dann
dasselbe annehmen, was Tacitus bei anderen Gelegenheiten sagt,
dass auf der Folter erzwungene Aussagen kein sicheres Zeugnis
für die Wahrheit sind. *) Wir werden uns erinnern, dass auch
in unseren Ländern früher eine barbarische Justiz den Ange-
klagten alle möglichen Geständnisse erpresste, die der Henker
wollte, wenn sie auch noch so sehr der Wahrheit und selbst
dem gesunden Menschenverstand widersprachen.
Tacitus IV, 10 f. und Cassius Dio 57, 22 erwähnen daneben
noch ein anderes Gerücht, dass nämlich Tiberius selbst den
Drusus vergiftet habe. Man traut seinen Augen kaum, wenn
*) Vergl. z. B. Tac. VI, 48 : Laeliua Balbua truci eloquentia, promptua
adTersua inaontes.
*) So Hessen sich z. B., als Nero seiner Gattin Oktavia eine Lieb-
»chaft mit einem Sklaven andichten lieas, mehrere Sklavinnen durch die
Folter unwahi'e Zugeständnisse erzwingen. Tac. Hiat. XIV, 60,
60 A, Spengel
man es liest. Drusus, der sich bei der Unterdrückung des
Militäraufstandes in Pannonien, bei der Beseitigung des Marbod
und ebenso bei der Verwaltung der Staatsämter die Zufrieden-
heit und das Vertrauen seines kaiserlichen Vaters in yoUem
Masse erworben hatte, der dem ruhebedürftigen Greise die Last
der Regierung abnehmen sollte, auf dessen Leben damals zu-
nächst die Hoffnung auf ungestörte Fortsetzung des Kaisertums
in der Julisch-Claudischen Familie beruhte, von seinem Vater
vergiftet! So albern das Gerücht ist — sowohl Tacitus aLs
Cassius Dio weisen es mit Entschiedenheit zurück, letzterer
mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass Drusus von seinem
Vater aufrichtig geliebt wurde ^) — so zeigt es doch, da es
sich bis auf die Zeit des Tacitus, wie dieser bemerkt, erhalten
hat, dass das Verbrechen der Li via und des Seianus nicht
allgemein oder nicht mehr geglaubt wurde.
Flavius Josephus, Jüd. Alt. 18, § 206 (IV, 8), der erzählt,
dass Tiberius vor seinem Tode die Seinigen zu sich kommen
liess, gebraucht die Worte: fjaav S^ avxco naideg yvi^oioi fiiv
ovxhr Agovoog yag di] 6 /lovog avrcß ysyovcog Irvyxovev le&vedk.
Er hätte gewiss statt hvyxcivev redveojg einen anderen Aus-
druck gewählt, der das nichtswürdige Verbrechen andeutete,
wenn er es gekannt oder geglaubt kätte.
Nach Suetonius Tib. 62 war Tiberius bis zur Anzeige der
Apicata der Ansicht, sein Sohn sei 'morbo et intemperantia'
gestorben. Bei Regenten und ihrer Familie darf man immer
annehmen, dass die bekannt gegebene Krankheit auf der Diagnose
der behandelnden Arzte beruht. Da Drusus bereits andert-
halb Jahre vorher schwer krank und dem Tode nahe war
— ein römischer Ritter hatte bereits ein Gedicht auf seinen
Tod in Bereitschaft (Tac. III, 49) — erlitt er wahrscheinlich
einen Rückfall in dieselbe Krankheit, wobei er sich durch
'intemperantia,' durch arge Diätfehler, den Tod zuzog.
*) Flavius Jo8ephii8, Jüd. Altert. 18, § 146 (VI, 1) sagt, dass Tiberius
nach dem Tode seines Sohnes den Freunden desselben verbot, vor ihm
zu erscheinen, damit nicht ihr Anblick seinen Schmerz erneuere.
Zur GesekicfUe des Kaisers Tiberius, 61
Noch ein Wort über die Lektüre des Tacitus in der
Schule! Wiewohl die alten Geschichtschreiber im allgemeinen
den Kaiser Tiberius ungünstiger beurteilen, als er verdient, so
ist dies doch in ganz besonderem Grade bei Tacitus der Fall,
der die Gelegenheit zum Tadeln sozusagen mit den Haaren
herbeizieht und in seinem Urteil nicht immer unsere Billigung
finden kann. Femer ist gerade die erste Hälfte der Annalen,
die am häufigsten in der Schule gelesen wird, am wenigsten
streng historisch gehalten. Wo dem Autor die Ereignisse zu
trocken, die Bilder zu kahl scheinen, greift er selbst zum
Pinsel und hilft nach. Soll nun der Lehrer darauf keine Bück-
sicht nehmen und nur das Verständnis des Textes anstreben?
Dann würde sich der Schüler manches Unrichtige einprägen,
manches schiefe Urteil zu eigen machen. Oder soll überall
Halt gemacht werden, wo sich ein Anstoss ergibt? Lbjrall
wohl nicht. Aber an Stellen, die zur Kritik herausfordern,
auch Kritik zu üben oder den Schüler darauf hinzuleiten, dass
er sie selbst übt, dürfte sehr zu empfehlen sein. Denn ge-
sundes unparteiisches Urteil braucht der Mann in jeder Lage
des Lebens und schon in der Schule auf Beispiele aufmerksam
zu werden, dass selbst hochbegabte Männer, wenn sie sich von
Torgefassten Meinungen nicht fern halten und alles vom Partei-
standpunkt aus betrachten, in ihren Urteilen fehlgreifen, kann
manchem ein Gewinn fttr das Leben werden.
Ich wähle einige Stellen heraus, an denen meines Erachtens
eine Erörterung wohl angebracht ist.
1. Zu den wichtigsten Bestandteilen eines geordneten Staats-
wesens gehört eine unparteiische Rechtspflege. Das antike
Gerichtswesen hielt sich an den Grundsatz, dass neben der
Gerechtigkeit der Sache auch die Fürsprache anderer, also
Protektion, auf das Urteil Einfluss haben dürfe. Um solche
Fälschung der richterlichen Urteile zu verhindern, nahm Tiberius
oft an den Gerichtsverhandlungen auf dem Forum teil. Seine
Anwesenheit hatte gute Wirkung. Denn Tacitus sagt I, 75
'multaque eo coram adversus ambitum et potentium preces
constituta.' Aber die Anerkennung des Geschichtschreibers
62 A, Spengel
bleibt aus. Vielmehr lautet sein Urteil, wiewohl dies im Interesse
der Wahrheit geschah, sei doch die freie Entschliessung der
Richter dadurch beeinträchtigt worden. — Man sieht, der Kaiser
urteilt einsichtsvoll und selbständig, er vertritt den modernen
Standpunkt, der Blick des Tacitus ist beschränkt und durch
das Herkommen getrübt.
2. Im Jahre 15 trat der Tiberfluss aus seinen Ufern und
richtete grossen Schaden an. Daraufhin beantragte Apinius
Gallus im Senate, man solle die Sibyllinischen Bücher einsehen
lassen. In diesen hofifte man nämlich zu finden, durch welche
Opfer und Zeremonien der Zorn der Götter abgewendet und
einer Wiederholung des Unglücks vorgebeugt werden könne.
Tiberius hielt dies nicht für angezeigt, weshalb ihm Tacitus I, 76
vorwirft, dass er Göttliches und Menschliches in gleicher Weise
verachtete. Und was tat der Kaiser in seiner Gottlosigkeit?
Er erteilte dem Ateius Capito und L. Arruntius den Auftrag,
statt dessen eine Korrektur des Flussufers vorzunehmen. Während
also dem Tacitus, der nach Ann. XI, 11 im Jahre 88 selbst
dem Kollegium der 15 Männer angehörte, dem die Einsicht der
Sibyllinischen Bücher übertragen war, die Angelegenheit in
das Kapitel „Religiöse Sühnungen '^ zu fallen schien, registrierte
sie Tiberius unter der Rubrik „ Flussbauamt '^. Auf wessen Seite
werden wir treten?
3. Tiberius pflegte in der Öffentlichkeit langsam und ge-
messen zu sprechen, gewissermassen mit dem Worte ringend
'compositus et velut eluctantium verborum* (Tac. IV, 31). Daran
tat er recht. Er wusste, dass die Worte eines Herrschers
bedeutsam sind und dass bei flüchtiger Rede leicht ein und
das andere Wort mit unterläuft, das der Redner später gerne
nicht gesagt hätte und nun doch nicht mehr zurücknehmen
kann. Darum ist auch alles, was von seinen Reden erhalten
ist, ebenso trefl^end im Ausdruck wie in den Gedanken. *) Nur
in dem einen Fall pflegte er freier und rascher zu sprechen,
*) Ein eh reiui 09 Urteil über Tiberius als Redner fallt auch Tacitus
Ann. XllI, 3.
Zur Oeschichte des Kaisers Tiberius. 63
wenn er verteidigte: 'solutius promptiusque eloquebatur quo-
tiens subveniret.' Wir sind dem Tacitus dankbar, dass er diese
Worte beifügte. Er hätte es yielleicht nicht getan, wenn er
ihre Bedeutung erkannt hätte. Sie widerlegen nämlich seine
wiederholte Behauptung, dass Tiberius von Natur aus grau-
sam gewesen sei. Wenn jemand nur in dem einen Fall, dass
er einem Unschuldigen helfen kann, die gewohnte Vorsicht
vergisst und warm wird, so dass ihm die Worte mächtig aus
dem Herzen und dem Munde quellen, so werden wir seine
Naturanlage nicht als grausam bezeichnen, sondern als
edelmütig und gutherzig, mögen die Geschichtschreiber sagen,
was sie wollen.
Dies sind einige der Stellen, an denen man in der Schule
meines Erachtens nicht ohne aufklärende Bemerkung vorüber-
gehen sollte, und ich meine, wenn anderseits auch die unleug-
baren grossen Vorzüge der Geschichtschreibung des Tacitus
dargelegt werden, wenn darauf hingewiesen wird, dass die
Anforderungen, die an ein Geschichtswerk gestellt werden,
nicht fiberall und zu allen Zeiten die gleichen sind, wenn ferner
gezeigt wird, wie Tacitus zu solchen Urteilen kam und teil-
weise kommen musste, so wird sein Ansehen nicht besonders
Schaden leiden. Wenn aber auch, — amicus Tacitus, magis
amica ventas.
64
Sitzung vom 7. Pebraar 1903.
Pbilosophisch-philologiBche KlaBBe.
Herr Muncker hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Wielands Pervonte.
Gleich Beinen Zeitgenossen sonst ohne Sinn für das richtige
Yolksmärchen hat Wieland nnr einmal im ^ Pervonte^ ein solches
nach dem in Deutschland damals fast unbekannten ^Pentameron'^ von
Basile neu gedichtet. Eingehende Yergleichung seines ^PerTonte*
mit dem Texte Basiles und dem einer französischen Nacherzählung
in der ^Biblioth^que universelle des romans*^ zeigt, dass Wieland
höchst wahrscheinlich nur die letztere benützte und die ursprüng-
liche Fassung des Märchens in neapolitanischer Mundart überhaupt
nicht kannte. Den letzten Teil seiner Dichtung yerfasste er viel
später ohne fremde Vorlage, doch mit Verwertung verschiedener
Märchenmotive, in moralisierender Tendenz; auf die endgültige
Ausgestaltung gewann Herder bedeutsamen Einfluss.
Historische Klasse.
Herr Prutz hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Über desGautier vonCompiegne „Otia de Machomete*.
Ein Beitrag zur Geschichte der Mohammedfabeln im Mittel-
alter und zur Kulturgeschichte der Kreuzzüge.
Als Verfasser des in einer Pariser Handschrift erhaltenen, bis-
her unedierten Gedichtes wird der auch durch andere literarische
Arbeiten bekannte Gautier von Compi^gne nachgewiesen. Was er
darin von Mohammeds Anfängen erzählt, geht zurück auf die Mit-
teilungen eines ehemaligen Genossen im Kloster Marmoutier za
Tours namens Garnier, welcher als Abt des letzteren im Jahre 1155
gestorben ist. Derselbe verdankte seine Kenntnis den Erzählungen
des Paganus, der 1119 und 1125 als Abt von ]^tampes in der Erz-
diözese Sens urkundlich vorkommt und längere Zeit einen jungen
bekehrten Sarazenen als Zögling bei sich gehabt hat. Daraus
erklärt sich die verhältnismässige Unbefangenheit des Gedichtes,
welches dann dem 1258 entstandenen „Roman de Mahomet^ des
Alexandre du Pont als Vorlage gedient hat.
65
»»
über des Gantier von Gompiögne „Otia de HachoIIlete'^
Ein Beitrag zur Geschichte der Mohammedfabeln im Mittelalter
und zur Kulturgeschichte der Kreuzzüge.
Von H. Fratz.
(Vorgetragen in der historischen Klasse am 7. Februar 1903.)
Wenn die hohe Klasse, als sie mich durch die Berufung
zur Teilnahme an ihren Arbeiten den ordentlichen Mitgliedern
'lieser als Hüterin der höchsten wissenschaftlichen Interessen
Stellten und um ihre Pflege hochverdienten Genossenschaft
zugesellte und mir so eine Ehre zuerkannte, in welcher ein
der Wissenschaft geweihtes Leben den schönsten Lohn findet,
^ich dabei namentlich hat leiten lassen von einer wohlwollenden
Würdigung dessen, was ich in nahezu vier Jahrzehnten histo-
rischer Studien, die sich unter dem Einfluss wechselnder äusserer
Verhältnisse auf sehr verschiedene Gebiete erstreckten, für die
deutsche Geschichte und für die Geschichte der Kreuzzüge etwa
)?eleistet habe: so darf ich aus diesem Umstände wohl den
Antrieb dazu entnehmen, was mir an Kraft zur Förderung der
historischen Wissenschaft noch geblieben ist, auch in diesem
Kreise Torzugs weise dem Anbau jener beiden Gebiete dienstbar
zu machen. Ich gebe demselben um so lieber nach, als ich
nur bewusst bin, mich, indem ich das tue, in einer Richtung
zu bewegen, welche in unseren Tagen nicht die herrschende ist.
Wird sich doch niemand darüber täuschen können, dass die
^j«ichichte des Mittelalters zur Zeit nicht blos in den weiteren
Kreisen der Gebildeten wenig Teilnahme und Verständnis findet,
1«4 Sifczgsb. d. philoB.-philol. a. d. hiist. KI. 5
66 //. Prutx
sondern auch bei den Fachgenossen sich nicht mehr entfernt
der Gunst erfreut, welche ihr ehemals in so reichem Masse
beschieden gewesen ist.
Gewiss liegen die Ursachen dieses Wandels, welchen die
Richtung des geschichtlichen Interesses bei uns erfahren hat,
nicht in dem historischen Stoff. Denn man wird nicht be-
haupten können, dass dieser auch nur fUr die am häufigsten
behandelten Abschnitte des Mittelalters erschöpft sei. Überall
wird er da auch heute noch durch neue Funde bereichert,
welche das bisher gewonnene Bild der Vergangenheit teils
wesentlich umgestalten, teils im einzelnen berichtigen, teils
ergänzen, teils in ein anderes Licht rücken. Bezeichnender-
weise macht sich dabei im Gegensatz zu der zeitweilig viel-
leicht allzustark betonten und gelegentlich mit übertriebener
Schärfe geübten Kritik nicht selten eine sozusagen konservative
Neigung geltend, welche in einem eigentümlichen Kreislauf
der Entwickelung früher als unhaltbar aufgegebene oder doch
stark angefochtene Anschauungen als die historisch besser be-
gründeten wieder in ihr Recht einsetzt. Anderseits ist ja zu
einer erschöpfenden Durchdringung der so vielgestaltigen Ver-
hältnisse des späteren Mittelalters, obgleich sie vielfach un-
mittelbar auf die Probleme hinführen, an deren Lösung die
neuere Zeit und selbst noch die Gegenwart arbeitet, doch
immer erst nur ein Anfang, wenn auch ein viel versprechender,
gemacht worden.
Entscheidender für das Schwinden des Interesses am Mittel-
alter dürfte die Anziehungskraft geworden sein, welche die
grossen Ereignisse des letzten Menschenalters auf alle Kreise
des deutschen Volkes ausüben mussten: unter ihrem Eindruck
erschienen auch die sie vorbereitenden und anbahnenden Epochen
eingehender Erforschung und ausführlicher Darstellung ganz
besonders wert. Andererseits aber wird man die unverkenn-
bare Vorliebe, mit der sich die jüngeren Generationen unserer
Historiker der neueren Geschichte zuwenden, zu einem Teile
doch auch darauf zurückführen dürfen, dass die Quellen für
diese besonders reich fiiessen und verhältnissmässig leicht neue
tlber des Qauixer von Oompiigne Otia de Machomeie, 67
Ergebnisse gewinnen lassen. Zudem liegen diese Stoffe der
leicht beweglichen Betrachtungsweise des modernen Menschen,
bei dem sich unausgesetzt der Einfluss der verschiedenartigsten
und selbst ihm scheinbar ganz fremder Verhältnisse unruhig
reflektiert, im allgemeinen näher als die Probleme der mittel-
alterlichen Entwickelung, zumal wir für diese nur eine sehr
unvollständige oder zum mindesten sehr ungleiche Überlieferung
besitzen, bei deren ursprünglicher Gestaltung obenein ganz
andere Gesichtspunkte massgebend gewesen sind, als unter ähn-
lichen Umstanden heute irgend geltend gemacht werden würden.
Will man diese dennoch darauf anwenden oder gar als die
allein berechtigten zur Anerkennung bringen, so führt das leicht
zu einer Art Ton Vergewaltigung des in dieser Hinsicht doch
eigentlich meist unergiebigen Quellenmaterials oder verleitet
zu dem Versuche, die dem modernen Denken geläufigen Kate-
gorieen der historischen Betrachtungsweise auf das Mittelalter
anzuwenden, obgleich sie diesem selbst fremd waren. Von
diesem Fehler wird man, so glücklich ihr einzelnes gelungen
sein mag, doch die so zuversichtlich aufstrebende wirtschafts-
geschichtliche Richtung ebenso wenig freisprechen können wie
diejenige, welche sich anspruchsvoll als die sozialpsychologische
bezeichnet und das eigentliche historische Problem erst recht
erfasst und richtig formuliert haben will. Von einem solchen
^ erfahren kann die historische Methode, wie sie Ranke ent-
wickelte und seine Nachfolger in strenger Schule zur höchsten
Leistangsfahigkeit ausbildeten, schliesslich nur nachteilig be-
einflusst werden. Gern würde ich mich des Irrtums überführt
sehen, wenn ich beobachtet zu haben glaube, dass ein Rück-
gang in der Übung der historischen Methode, die sich der
Grenzen ihres Könnens allezeit bewusst bleiben und daher auch
den Mut haben wird, ihr Nichtwissenkönnen offen einzugestehen,
bei uns nicht blos bereits begonnen hat, sondern gelegentlich
»U schon bedenklich weit gediehen zu Tage tritt. Zu einem
Teile dürfte diese Erscheinung — trifft sie, wie ich fürchte,
w — der Änderung zuzuschreiben sein, die in dem Betrieb
4«T hirtorischen Studien während des letzten Vierteljahrhunderts
5*
68 H. PrutM
insofern eingetreten ist, als unsere angehenden Historiker sel-
tener, als das sonst üblich war, die eigene Forschung in dem
Gebiete des Mittelalters beginnen, wo die Natur des Stoffes
und die Art seiner Überlieferung zu möglichst nüchterner
Prüfung, peinlicher Genauigkeit auch im Nebensächlichen and
vorsichtiger Selbstbeherrschung in der Kombination mahnen.
Die Zeit, so scheint es, ist fürs Erste demnach vorbei, wo
die deutsche Geschichtschreibung wegen der Strenge ihrer kri-
tischen Methode als massgebendes Beispiel und nicht leicht
erreichbares Vorbild für die der übrigen Kulturvölker gelten
durfte. Wenn sie sich gerade im Gebiet des Mittelalters seit
längerer Zeit namentlich von der französischen Geschieht-
Schreibung in manchen Stücken überholt sieht, so darf dabei
freilich nicht ausser acht gelassen werden, dass der moderne
Franzose der mittelalterlichen Geschichte seines Volkes doch
wesentlich anders gegenüber steht als der Deutsche der ent-
sprechenden Epoche der seinen. Bringt er ihr doch ein viel
unmittelbareres Interesse entgegen, weil er für sie ein in der
Sphäre lebhaften nationalen Gefühls wurzelndes leichteres Ver-
ständnis besitzt. Während man bei uns, nicht unbeeinflusst
durch die politischen Kontroversen der Gegenwart, heftig dar-
über gestritten hat, ob dem Kaisertum der Sachsen, Salier und
Staufer um die nationale Entwickelung Deutschlands ein Ver-
dienst zuzuerkennen sei oder ob es als Träger der Idee einer
Universalherrschaft, die an nationale Grenzen nicht gebunden
sein sollte, im Gegenteil nicht vielmehr nachteilig darauf ein-
gewirkt habe und für die spätere politische Zerrüttung Deutsch-
lands verantwortlich gemacht werden müsse, sah und sieht der
Franzose in dem französischen Königtum des Mittelalters be-
reits die Verkörperung seines Volkstums: in seiner an Wechsel-
fallen so reichen Geschichte verfolgt er mit lebhafter Teilnahme
die vielfach behinderte und oft schwer bedrohte Entwickelung
seines eigenen Volkes, die trotz aller Wechselfalle und lebens-
gefährlichen Krisen frühzeitig zur Bildung einer festgeschlos-
senen und sich ihrer Einheit mit Stolz bewussten Nation ge-
führt hat. Der Deutsche dagegen steht heutigen Tages der
über des GaiUier von Compihgne Otia de Machomete, 69
grossen Zeit der mittelalterlichen Kaiser gewissermassen fremd
gegenüber und entbehrt für sie jener gemütlichen Teilnahme,
ohne die ein volles Verständnis dafür nicht zu gewinnen ist.
Im Gegensatz dazu sieht das französische Volk in den Taten
und Leiden seiner nationalen Könige im Mittelalter auch heute
noch ein Stück nationaler Heroenzeit, an dessen fesselnder
Farbenpracht es sich freut, unbeirrt durch kirchliche und
politische Gegensatze späteren Ursprungs.
Ganz besonders gilt dies nun von der Geschichte der Kreuz-
zflge, so fremdartig die geistigen und sittlichen Kräfte, die sich
darin vornehmlich betätigten, den modernen Menschen anmuten
mögen. Durch die hervorragende Rolle, zu der sie vrährend
der zwei Jahrhunderte, welche die grosse Bewegung dauerte,
und dann auch noch während ihres Nachspiels im 14. Jahr-
hundert und bis hinein in das 15. berufen waren, haben die
Franzosen für die allgemeine Entwickelung der abendländischen
Kultur eine ähnlich zentrale Stellung erlangt, wie für die poli-
tische das römisch-deutsche Kaisertum während seiner Blüte
eingenommen hat. Denn an dem Austausch zwischen Morgen-
und Abendland, den die Kreuzzüge herbeiführten und der für
die Entwickelung der Kultur neue Grundlagen und neue Formen
schuf, haben die Franzosen weitaus den grössten Anteil gehabt.
Von den vielen ritterlichen Fahrten, aus denen die Kreuzzüge
<ich zusammensetzen, erscheinen die meisten geradezu als fran-
zösische Unternehmungen. Dem französischen Adel und den
ungeheuren Opfern, die er, wenn auch immer in der Hoffnung
auf endlichen reich lohnenden Gewinn, Generationen hindurch
jenseits des Meeres brachte, war es zu danken, wenn das nie
lebenskräftige christliche Königreich im heiligen Lande seine
taglich bedrohte Existenz wider Erwarten so lange fristete.
In viel höherem Masse als die seefahrenden Italiener, für die
immer nur merkantile Interessen massgebend waren, sind die
Franzosen die Träger des Einflusses geworden, den die fort-
^hreitende Bekanntschaft mit dem Morgenlande, seinen Pro-
dukten, Gebräuchen und Einrichtungen auf die Völker des
bestens ausgeübt hat und der doch schliesslich dafür ent-
70 H. Prutz
scheidend geworden ist, dass bei ihnen die engen Schranken
der kirchlich gebundenen Kultur durchbrochen und fQr eine
ganz neue, unendlich mannigfaltige und erstaunlich fruchtbare
neue Kultur Licht und Luft gewonnen wurden — ein Vor-
gang, der auch darin seinen Ausdruck fand, dass das Fran-
zösische damals als eine Art von Weltsprache das bevorzugte
Organ wurde für die Vermittelung des internationalen Verkehrs
in den Kolonien jenseits des Meeres. Diese Tatsachen erklären
vollauf die unverkennbare Vorliebe, welche wir in Frankreich
nicht blos in dem romantisch denkenden Zeitalter der Restau-
ration, sondern auch heute noch für die Geschichte der Kreuz-
zQge herrschend finden. Trotz aller Wandelungen, die im
Denken und Fühlen vor sich gegangen sind, betrachtet man
dieselben auch heute noch gewissermassen von dem Standpunkte
der Gesta Dei per Francos, besonders seitdem Frankreich durch
sein entschlossenes Eingreifen zur Rettung der durch die Mas-
sakres von 1862 mit dem Untergänge bedrohten syrischen
Christen von Neuem die Rolle einer Schutzmacht des christ-
lichen Glaubens im Osten übernommen hatte. Auch fUr die
Erforschung der Denkmäler aus dem Zeitalter der Kreuzzüge
hat die damalige französische Expedition nach der syrischen
Küste reichen Gewinn ergeben. Das alles macht es begreif-
lich, dass gerade die Geschichte der Kreuzzüge in Frankreich
alle Zeit besonders gepflegt worden ist und von Michaud und
Beugnot bis herab auf Mas Latrie und Riant hochverdiente
und opferfreudige Bearbeiter gefunden hat.
Doch ist gerade da wieder eine gewisse Einseitigkeit nicht
zu verkennen. Weil man in Frankreich die Kreuzzüge auch
heute noch als einen integrierenden Bestandteil der französischen
Geschichte betrachtet und wie ein Stück nationalen Heldentums
im Herzen trägt, wird man dort ihrem sozusagen internationalen
Charakter weniger gerecht als anderwärts, obgleich doch ge-
rade er der grossen Bewegung der abendländischen Völker ihr
eigentümliches Gepräge gibt und ihre welthistorische Bedeu-
tung begründet. Nach dieser Seite hatte schon im Anfang
des 19. Jahrhunderts Heeren ergänzend eingegriffen, indem er
über des Gautier von Compibgne Otia de Machomete. 71
die Folgen der Ereuzzüge fUr Europa zu entwickeln versuchte.^)
Dass er, und wer sich weiterhin mit diesem grossen kultur-
geschichtlichen Problem beschäftigte, über allgemeine Betrach«
tungen, welche der sicheren Begründung in der Fülle be-
glaubigter Einzeltatsachen entbehrten, nicht hinaus kam, war
unTermeidlich zu einer Zeit, wo die Spezialforschung von den
dafür in Betracht kommenden verschiedenen Gebieten kaum eines
recht in Angriff genommen hatte. Erst im Laufe der folgen-
den Jahrzehnte sind die Voraussetzungen allmählich geschaffen
worden, ohne die kulturhistorische Arbeiten der Art immer
sozusagen in der Luft schweben werden. Denn nur durch eine
Zusammenfassung der kritisch gesichteten Ergebnisse, welche
zunächst unabhängig von einander neben der eigentlichen
Geschichtsforschung die Sprachforschung, namentlich die roma-
oische, dann das Studium des Schauplatzes der Ereignisse und
besonders der Denkmäler, weiterhin aber auch die Tergleichende
Rechtswissenschaft und die Erforschung der Literatur und der
Sagen und endlich namentlich die fortschreitende Erschliessung
der morgenländischen Quellen zu Tage gefordert haben, wird
man unter steter Berücksichtigung der allgemeinen geschicht-
lichen Verhältnisse und der wechselnden geistigen Strömungen
Ton den hierher gehörigen Vorgängen ein einigermassen ein-
heitliches und wahrheitsgetreues Bild gewinnen können.
Seit ich in meiner „Kulturgeschichte der Kreuzzüge*
(BerHn 1883) die eben skizzierte Aufgabe nach dem damaligen
Stand unserer Kenntnis zu lösen versucht habe, sind die Be-
dingungen für das völlig befriedigende Gelingen eines solchen
Intemehmens einerseits bessere, andererseits weniger günstige
geworden. Das Letztere ist namentlich insofern der Fall, als
eine planmässige Erforschung und vollständige Inventarisierung
der im Osten erhaltenen Denkmäler der „fränkischen" Misch-
kultur, wozu die Franzosen einen vielversprechenden Anfang
gemacht hatten,*) nicht durchgeführt worden ist — eine Unter-
*) Versuch einer Entwickelung der Folgen der Kreuzzüge für
EöTopa. 1807.
') E. G. Rey, £tade sur les monuments de l'architecture inilitaire
72 H, Prutz
lassung, die bedauerlich ist, weil die fortschreitende Zerstörung
der betreflFenden Bauwerke, die nicht blos von den Umwohnern,
sondern auch von den türkischen Behörden häufig einfach als
Steinbrüche benutzt werden, ein Nachholen des Versäumten
inzwischen fast unmöglich gemacht hat. Günstiger geworden
sind sie insofern, als sowohl die abend- wie die morgenlän-
dischen Quellen heute in beträchtlich grösserer Zahl und in
wesentlich brauchbarerer Gestalt vorliegen, das urkundliche
Material sehr bedeutend vermehrt worden ist und die bessere
Einsicht in die Entwicklung des Kunstgewerbes und der Technik
eine Reihe von neuen und sehr fruchtbaren Gesichtspunkten
für die Beurteilung gewisser kulturhistorischer Vorgänge er-
geben hat. Am schwierigsten bleibt die zu lösende Aufgabe
auch heute noch überall da, wo es sich um ausschliesslich
geistige Beziehungen handelt und der Versuch gewagt werden
muss, aus den Ergebnissen, die uns späterhin hie und da ent-
gegentreten, auf den Verlauf und die Natur des Prozesses zu
schliessen, der sie hervorgebracht hat. Einen bescheidenen
Beitrag zur Lösung einer der hierher gehörigen Fragen ver-
suche ich im Nachfolgenden zu geben.
Vollzog sich der Tauschverkehr zwischen Ost und West,
der den Boden bereitet hat für die grossartigen kulturgeschicht-
lichen Wirkungen der Kreuzzüge, in der Hauptsache und am
unmittelbarsten natürlich in den Kreuzfahrerstaaten selbst und
den ihnen nächstbenachbarten mohammedanischen Gebieten, so
ist es doch auch vereinzelt vorgekommen, dass Träger der
morgenländischen Kultur infolge der über ihre Heimat herein-
gebrochenen Ereignisse nach dem Westen verschlagen wurden
und, dort heimisch geworden, für einen kleinen Kreis die viel-
fach angestaunten Vertreter der Wunderwelt von jenseits des
Meeres blieben. Den Spuren solcher Vorgänge begegnen wir
gelegentlich in Sage und Dichtung. Die kulturgeschichtliclien
Wirkungen freilich, die davon ausgingen, blieben naturgeraäss
des Croises en Syrie. Paris 1871 und de Vogä(^, Les figlisee de la Terre
Sainte. Paris 1857.
über des Gautier va^i Compihgne Otia de Machomete, 73
sunächst auf eiuen sehr engen Ereis beschränkt und können
nicht entfernt mit denen verglichen werden, welche die zahl-
reichen Mohammedaner ausübten, die wir im Dienste der nor-
mannischen und staufischen Könige von Sizilien finden und
um derentwillen noch die Anjous von Neapel Gesetze und Er-
lasse auch arabisch veröflFentlichten. Ganz vereinzelt aber sind
die Fälle, wo von der Anwesenheit eines solchen versprengten
Orientalen im Westen später sogar noch gewisse geistige Spuren
Zeugnis ablegen. Von einem solchen will ich berichten, zumal
die genauere zeitliche und örtliche Feststellung, die dabei mög-
lich ist, auch noch nach anderen Seiten hin Anknüpfungen
ergibt und bisher vereinzelt liegende Stücke der Überlieferung
als zusammengehörig zu erweisen erlaubt.
Da.ss die Kreuzzüge nicht hervorgerufen wurden durch den
religiösen Gegensatz zwischen Christentum und Islam, der die
Bekenner beider mit einer Art von Naturnotwendigkeit zum
Kampfe wider einander getrieben hätte, darf heute wohl als
allgemein zugestanden gelten. Die Unhaltbarkeit einer solchen
Annahme erweist namentlich auch die Entwickelung, die das
Verhältnis der beiden Religionen während des 200 jährigen
Kampfes erfahren hat. War anfangs die Möglichkeit gütlicher
Verständigung und friedlichen Nebeneinanders gegeben, wie
sie bisher sowohl in christlichen wie in mohammedanischen
Staaten vielfach bestanden hatte, so schwand sie allmählich
vollkommen durch die Entfesselung eines religiösen Fanatismus,
wie er ursprünglich nur in vereinzelten Fällen sich offenbart
hatte, und durch die Anhäufung eines tötlichen Hasses, wie
sie ein Menschen alter hindurch von beiden Seiten mit steigender
Grausamkeit geführter Vernichtungskampf zur Folge haben
musste: erst durch die Kreuzzüge sind Christen und Moham-
medaner unversöhnliche Gegner geworden. Dem entspricht
namentlich auch die Entwickelung des Bildes, welches sich
die Ersteren von dem Stifter des Islam machten, und die Art,
wie sie den Inhalt seiner Lehre geflissentlich entstellten, indem
sie sich durch absichtliche, möglichst schmähliche Erdich-
tangen immer weiter von dem Wenigen entfernten, was ihnen
74 if. PruU
ganz schattenhaft von der historischen Wahrheit bekannt ge-
worden war.
Bereits der älteste christliche Bericht über Mohammed und
seine Religionsstiftung, der des Byzantiners Theophanes (gest.
817/18), welcher in der Bearbeitung des römischen Bibliothe-
kars Anastasius (gest. ca. 886) mit dessen Kirchengeschichte ^)
durch die ganze mittelalterliche Literatur Verbreitung gefunden
hat, ist voll grober Missverständnisse und tendenziöser Ent-
stellungen und enthält dem Keime nach bereits fast all die
Züge, welche späterhin für die Mohammedfabeln des christ-
lichen Mittelalters charakteristisch geworden sind. Planmässig
ausgesponnen erscheint dieses gehässige Lügengewebe dann zu-
erst bezeichnenderweise zu Beginn des 12. Jahrhunderts in der
Kreuzzugsgeschichte des Guibert von Nogent, welcher aus-
gesprochenermassen bestrebt war, den Hass der Christen gegen
die Mohammedaner möglichst zu entflammen, um neue Scharen
zum Zuge nach dem Osten zu veranlassen. Da kann es denn
freilich kaum Wunder nehmen, wenn wir ziemlich um dieselbe
Zeit selbst einen Mann von der gelehrten Bildung Hildeberts,
des Bischofs von Le Mans und 1125—1133 Erzbischofs von
Tours, die Zierde der französischen Kirche, eine an klassischen
Reminiszenzen reiche Geschichte des Propheten in tadellosen
Distichen abfassen sehen, in welcher ohne jede Ahnung von
dem geschichtlichen Verlaufe die unsinnigsten Lügen zusammen-
phantasiert werden, um Mohammed nicht blos als Zauberer
und Betrüger, sondern sogar als Räuber und Mörder darzu-
stellen, und derselbe auch ein dem entsprechendes Ende findet,
indem er von Schweinen gefressen wird. Dem gegenüber muss
es auf den ersten Blick einigermassen befremden, wenn wir
in eben dem Kreise, dessen geistliches Oberhaupt und geistiger
Mittelpunkt Hildebert gewesen war, nur wenig später eine
ähnliche Arbeit entstehen sehen, welche sich zwar nicht frei
hält von den zur Verunehrung des Propheten in Umlauf ge-
1) Anastasü Hist. ecclesiastica ex Theophane II, 511 ff. (Corpus hist.
Byzant. ed. Bonn.)
über des Oautier von Compiegne Otia de Machomete. 75
setzten LügenmärclieD, auf der anderen Seite aber sofort eigen-
tümlich gekennzeichnet wird und auf einen besonderen Ursprung
hinweist durch das ungewöhnlich günstige Bild, das sie im
übrigen von dem Menschen Mohammed und seiner Stellung
zu seinen Volksgenossen entwirft.
Im Jahre 1831 veröffentlichten Reinaud und Michel den
«Roman de Mahomet*^/) die Dichtung des Jongleurs Alexandre
du Pont, welche dieser nach einem Vermerk am Schluss*) im
Jahre 1258 auf dem «Berge bei Laon* verfasst hat. Als Vor-
Iji^e benutzte er dabei, wie er im Eingang ausführlich be-
richtet, ein lateinisches Gedicht, welches ein Mönch Gautier
auf Grund der Mitteilungen des Abtes Gravier — es ist zweifel-
los Qranier oder Garnier zu lesen — angefertigt hatte. Des
Letzteren Kenntnis von Mohammed ging darnach zurück auf
die Erzählungen eines Geistlichen der Kirche von Sens in
Burgund, der sarazenischer Abkunft gewesen und als Moham-
medaner geboren sein soll.^) Diese von Alexandre du Pont
benutzte Vorlage ist, wie schon ein oberflächlicher Vergleich
zeigt, erhalten in der Handschrift der Pariser Nationalbibliothek
Fonds latin N. 11332. Alexandre du Pont folgt ihr nicht blos
genau in der Anordnung des Stoffes, sondern schliesst sich ihr
vielfach fast wörtlich an, so dass sein Werk zu einem grossen
Teile nur als eine Übersetzung des älteren lateinischen Ge-
dichtes erscheint. Wo er davon abweicht, geschieht das wohl
im Hinblick auf die anders gearteten Ansprüche seines Publi-
kums: er führt dies und jenes weiter aus oder fügt Zutaten
hinzu, welche dadurch interessieren sollen, dass sie den Gegen-
stand zu seiner Umgebung in Laon in lokale Beziehungen setzt.
So meint er die ebenfalls aus seiner Vorlage übernommene
angebliche aussergewöhnliche geometrische Begabung Moham-
^) Roman de Mahomet et Livre de la Loi au Sarrazin. Publies par
Reinaud et Michel. Paris 1831.
«) S. 84.
•) S. 1: Uns clers avoecques j. chanoigne,
Ki Sarrasins avoit est^,
Mais prise avoit crestiente.
76 H. Prutz
meds, der bei ihm ebenfalls als ein Mann von hoher Bildung
und vertraut mit den sieben freien Künsten dargestellt wird,
anschaulicher zu machen durch die Bemerkung, derselbe würde
die Entfernung von Montaigu nach le Sauvoire (Salvatorium),
einem seit 1246 auf befestigter Höhe bei Laon gelegenen
Frauenkloster, ^) auf den ersten Blick richtig geschätzt haben
und als ausgezeichneter Arithmetiker im stände gewesen sein,
alsbald zu sagen, wie viel Steine in einem Turm oder einer
Mauer verbaut seien. Auch greift er, während seine Vorlage
in solchen Fällen gern die ihrem Verfasser von der Kloster-
schule her geläufigen klassischen Reminiszenzen verwertet, bei
der Schilderung von Festlichkeiten u. s. w. für die Ausmalung
des Einzelnen zu dem, was da in seiner Zeit und in seiner
Heimat üblich war. Wenn er aber gleich im Eingang aus
dem Gewährsmann, dem Abt Gravier oder vielmehr Garnier
die in dem Werke Gautiers benutzten Angaben über Moham-
med verdankt, einen als Heide geborenen, d. h. ursprünglich
sich zum Islam bekennenden Mann macht, welcher in der Taufe
Dieu-donn(^ genannt, nachmals Geistlicher geworden und zum
Kanonikus in Sens aufgestiegen sein soll, so ist ihm da ein
Irrtum begegnet, indem er, mit dem Lateinischen offenbar nicht
allzu vertraut, seine Vorlage missverstand und den Namen
Paganus als Heide deutete.*^)
Die Handschrift, welche das von Alexandre du Pont be-
arbeitete lateinische Gedicht enthält, zählt 28 auf beiden Seiten
beschriebene Blätter und gehört dem 13. Jahrhundert an. Die
Fehler, die sich in ihr finden — Schreibfehler (V. 48, 138,
*) Labbe, Bibl. nova manuscr. I, 135 und Galiia Christ. IX, 640, E.
*) S. 1: II fu clera quant il fut paiens,
Et clera apries fu crestiens.
A 8on signour conta la guile
Ki ä .j. abe de la vile,
Lequel on apieloit Gravier,
Le conta, et chil ä Gautier,
Ki moignes estoit de s'abbie.
Li moignes lues en versifie,
J. livret en latin en fist.
über des Gautier van CompUgne OHa de Machomete, 77
149, 168, 540, 782, 892, 955, 1034), irrige Wiederholungen
und die Auslassung eines Pentameters (V. 190) — kenn-
zeichnen sie als Abschrift. Obgleich sie bereits von den Be-
arbeitern der Histoire littäraire de la France^) gekannt war
und ihr Inhalt als Werk eines Mönches Wautier besprochen
wurde unter Mitteilung der Verse 1 — 6 und 11 — 26, hat sie
bisher doch keine weitere Beachtung gefunden. Einen Titel
trägt sie nicht: dass er Waltheri Otia de Machomete gelautet
hat, beweist gleich der Eingang des Gedichts:
Quisquis nosse cupis patriam Machometis et acta,
Otia Waltheri de Machomete lege.
Das Missverständnis, welches dem französischen Bearbeiter in
Betreff der Herkunft des von Walther, französisch Gautier,
bearbeiteten Stoffes begegnet ist, erklären die Verse 5 und 6
und 11—19:
5 Nam si vera mihi dixit Warnerius abbas,
Me quoque vera loqui de Machomete puta.
11 Abbas jam dictus monachus monacho mihi dixit,
Immo testatus est mihi multociens,
Quod quidam, cui nomen erat Paganus, honestus
Clericus et Seuonum magnus in ecclesia,
Secum detinuit aliquanto tempore quendara,
Qui Machomis patriam gestaque dixit ei,
Qui de progenie gentili natus et altus
Christi baptismum ceperat atque fidem.
Ergo se puerum didicisse legend o professus,
Quicquid scripture de Machomete sonant.
Walther verdankte also seine Kenntnis von Mohammeds An-
fingen den Mitteilungen eines Abtes Warnerius oder Garnerius,
französisch Garnier oder Granier, der, ehe er Abt wurde, mit
ihm als Mönch demselben Kloster angehörte. Was er ihm
erzählte, beruhte auf den Mitteilungen des Paganus, eines
sehrenwerten Geistlichen^, der in der Erzdiözese Sens eine
M Band XII, S. 516.
78 Ä Prutt
hervorragende Stellung einnahm und einen zum Christentum
übergetretenen Mohammedaner, der fttglich doch nur mit einem
heimkehrenden Kreuzfahrer nach Frankreich gekommen sein
konnte, längere Zeit als Zögling bei sich gehabt hatte. Durch
ein glückliches Zusammentreffen können wir nun die drei hier
genannten Persönlichkeiten nach Zeit und Ort ihres Lebens
und Wirkens genau bestimmen und erhalten dadurch auch über
die Herkunft der Otia de Machomete sicheren Aufschluss.
In dem der Kirche von Sens als hochangesehene Persön-
lichkeit angehörigen Paganus haben wir ohne Zweifel den
gleichnamigen Abt des Marienklosters zu Etampes^) zu sehen,
dem Papst Calixtus IL auf Fürbitte König Ludwigs VI. von
Frankreich am 4. Dezember 1119 in Sens för sein Kloster das
Recht bewilligte, dass ohne Zustimmung der Mönche dessen
Pfarrkinder, Kitterbürtige und andere, von niemand sollten be-
graben werden dürfen,*) und der 1125 in einer Verleihung
desselben Königs an die Kirche von S. Victor als Zeuge vor-
kommt.^) Sind wir auch über das Wesen jenes Marienklosters
— es wird auch als monasterium im Sinn von Münster be-
zeichnet und ist als wirklich mit Mönchen besetzt nicht sicher
nachweisbar*) — nicht ganz im Klaren, so wissen wir doch,
dass seine Vorsteher, vielleicht als Laienäbte, im Range sehr
hoch standen. Nach dem Tode des Paganus, dessen Zeitpunkt
nicht bekannt ist, haben nacheinander zwei Söhne König Lud-
wigs VL, Heinrich (1146) und Philipp (1155),^) diese Würde
bekleidet.
In ganz ähnlicher Weise wie im Eingang der Otia de
Machomete finden wir ferner einen Mönch Walther, Qalterius
oder Gautier und einen Abt Warnerius oder Garnier anderwärts
mit einander verbunden. Von dem Traktate „De miraculis
beatae Virginis Mariae**^) haben bereits die Bearbeiter der
») Gallia chrisliana XII, 128.
2) Jaffe-Löwenfeld, Reg. pontif. N. 6790.
'•*) Gallia Christ, a. a. 0.
*) Ebend. 5) Ebend.
^) Labbe, Bibliotheca nova manuscr. I, 650 — 66.
Vber des Gautier von Compihgne Otia de Maehomete. 79
Histoire Uttäraire de la France') nachgewiesen, dass er nicht,
wie die Handschrift will, von einem Cluniacenser Qautier her-
rOhrt, sondern von öautier von Gompiegne (öauterus Compen-
diensis), einem Insassen des Klosters Marmoutier (Maius mona-
sterium) zu Tours, der später dem von dort aus gegründeten
Kloster des heiligen Martin im Tal (en Yalläe) zu Chartres als
erster Prior vorstand. Denn der Traktat ist von dem Autor,
der nach 1141 ~ (diesem Jahre gehört eine der von ihm
erzählten Wundergeschichten an) — in Chartres schrieb, einem
Mönche des heiligen Yenantius in Tours gewidmet. Auch sollen
mit Ausnahme des letzten, das dem heiligen Martin zuge-
schrieben wird, die berichteten Wunder alle in Chartres vor-
gekommen sein nach mündlicher Mitteilung des Bischofs Geof-
froi II. von Chartres (24. Januar 1116 — 24. Januar 1149), bei
dem sich Gautier in einer Urkunde vom Jahre 1131 als Zeuge
findet. Von demselben Gautier von Compiegne gab es auch
eine Geschichte von Marmoutier, von der bisher nur ein Frag-
ment bekannt geworden ist.^) In diesem findet sich ausser-
dem eine Erzählung von einer Vision des Grafen Fulco von
Anjou, die derselbe vor seinem Aufbruch nach dem heiligen
Lande in Marmoutier gehabt haben soll. Sie kehrt wörtlich
wieder in den Gestis consulum Andegavensium,^) deren Autor
in der Widmung an König Heinrich 11. von England Gautier
von Compiegne ausdrücklich unter seinen Quellen nennt. ^)
Demnach wird man annehmen dürfen, dass der Abt Garnerius
und der Mönch Gautier, welche in dem Traktate des Letzteren
über die Wunder der heiligen Jungfrau zu Chartres als ver-
banden erscheinen, identisch sind mit den gleichnamigen und
in gleicher Stellung befindlichen Personen, die im Eingang der
Otia de Maehomete erwähnt werden. Dieses Gedicht ist dem-
nach ein Werk des Gautier von Compiegne, der vor 1131
Mönch in Marmoutier war. Einer seiner Genossen daselbst
») XII, 491, 92.
«) AA. SS. 0. S. Ben. IX, 392-402.
3) d'Acbery, Spicileg. X, 606.
«) Ebend. 399.
80 K Prute
war Garnerius oder Garnier, der dann erst als Prior zwei
Tochterklöstern von Marmoutier vorstand*) und 1137 als Abt an
die Spitze des Mutterklosters zurückkehrte. Auch er erscheint
als eine bedeutende Persönlichkeit: dem am 31. Dezember 1137
von ihm gehaltenen Kapitel wohnten drei aus derselben Ge-
nossenschaft hervorgegangene Bischöfe, Geoffroi IL von Chartres,
Donoald von St. Malo und Evenus von Vannes bei.*) Femer
erscheint er mehrfach als Vermittler und Schiedsrichter in
Streitigkeiten geistlicher Stifter. Er starb am 23. Mai 1155.
Daraus ergibt sich, dass Qautier von Compiegne die Otia de
Machomete jedenfalls nach der Erhebung seines Freundes zum
Abt von Marmoutier, also nach 1137 geschrieben hat, während
er den darin verarbeiteten Stoff, den ihm jener auf Grund der
Erzählungen des Paganus von Etampes übermittelte, bereits
vor 1131, wo er schon in Chartres heimisch ist, erhalten haben
muss. Seine Übermittelung kann also spätestens im dritten
Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts stattgefunden haben. Dazu
stimmt es, dass in den der erhaltenen Abschrift des Gedichtes
angehängten Versen, die offenbar aus der von dem Kopisten
benutzten Vorlage mit übernommen sind, wohl der Eroberung
Jerusalems durch die Kreuzfahrer, aber keines späteren Ereig-
nisses und namentlich nicht des zweiten Kreuzzuges gedacht
wird. Wir werden demnach des Paganus Bericht ungefähr um
das Jahr 1115 ansetzen dürfen. Er gibt also eine ältere Fas-
sung der Mohammedfabel als die übrigen während der Kreuz-
züge in Umlauf gekommenen Werke ähnlicher Art und erhält
dadurch für die Kenntnis der Entwickelung der hierher ge-
hörigen mittelalterlichen Vorstellungen eine besondere Bedeutung.
Für den Versuch, in ähnlicher Weise, wie es mit den drei
in den Otia de Machomete genannten geistlichen Personen
möglich war, auch den Zögling des Abtes von Etampes, ver-
mutlich den Sprössling eines vornehmen arabischen Hauses in
Palästina, ausfindig zu machen, fehlt jeder Anhalt. Doch darf
^) Prior Raraeruci et Spanionis.
2) Gall. Christ. XIV, 218, 19.
ijber des Gautier wm Oompihgne Otia de Maehomeie, 81
wohl, freilich ohne dass bestimmte Folgerungen daraus gezogen
werden sollen, darauf hingewiesen werden, dass in dem Sprengel
TOD Troyes, also innerhalb der Erzdiözese Sens, noch um das
Jahr 1300 eine Familie mit dem Beinamen Sarrazin urkund-
lich vorkommt. ^) Wie dieser Name zu deuten sein wird, dürfte
sich aus der Parallele dazu ergeben, dass in Palästina in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Familie den Namen
Baptizatus führt, welcher dem Orte, wo sie begütert ist und
nach dem sie sich nennt, vorangesetzt wird.^)
Wenden wir uns schliesslich zu dem Werke des Gautier
von Compiegne oder Marmoutier selbst, so kann dasselbe zu-
nächst in formaler Hinsicht als ein neuer Beweis gelten für
die gute klassische Schulung, die in den Kreisen der franzö-
sischen Geistlichkeit damals herrschte. Ist es auch nicht frei
Ton sprachlichen Härten und metrischen Verstössen, so zeigt
es doch ansprechende Gewandtheit und Rundung des Ausdrucks.
Mehr noch fesselt den Leser die frische Lebendigkeit der Dar-
stellung, welche durch die häufige Auflösung der Erzählung
in Wechselreden der beteiligten Personen stellenweise etwas
geradezu Dramatisches bekommt, hier und da auch eines
gewissen anmutenden Humors nicht entbehrt. Vornehmlich
aber wird diese Bearbeitung der Mohammedfabel, die mit dem
schwülstigen und schmähsüchtigen Gedicht Hildeberts von Le
Mans und dem gehässigen Lügengewebe des Guibert von
Xogent derselben Zeit angehört, vorteilhaft gekennzeichnet
durch das Fehlen jedes fanatischen Zuges und den Verzicht
auf die Entfesselung des christlichen Glaubenshasses. Gibt
natürlich auch Gautier auf des Warnerius und des Paganus
Autorität hin, da des Letzteren Zögling nach Lage der Dinge
Schriften über den Propheten doch wohl kaum gelesen haben
*) La Lore, Inventaire des cartulaires du diocese de Troyes II, 327:
'jaülemin, Sohn des Herbert de Pougy, escuyer, verkauft ein Grundstück
ui Jean dit Sarrazin am 20. August 1299, und Jean Sarrazin de Chamagnil
am 23. November 1308.
*) Delaville Le Roulx, Cartulaire de TOrdre de St. Jean I, no. 537
pag. 366): 1178 Willelmus Baptizatus de Blancaguarda.
190SL Sitzgsb. d. pbno£.-pbilol. u. d. hist Kl. 0
82 H, Prutz
dürfte,^) nur das wieder, was in mündlicher Überlieferung
damals bei den Christen des Abendlandes über Mohammed
umlief, und teilt er infolge dessen die da eingebürgerten
falschen Vorstellungen, die zum Teil bereits auf Theophanes
und seinen Bearbeiter Anastasius zurückgingen, so fasst er
doch den Stifter des Islam, dessen unheilvollste Tat er in der
Einführung der Vielweiberei sieht, mehr von einem sozusagen
unbefangen menschlichen Standpunkte aus auf und steht nicht
an, seine guten Eigenschaften und die verdienstlichen Seiten
seines Wirkens hervorzuheben. Ihm ist Mohammed nicht ein
dem Bösen oder seinen Werkzeugen verbundener Betrüger, nicht
ein von den Juden verhetzter oder von einem Apostaten ange-
stifteter Todfeind des Christentums, der von Anfang an nur
auf dessen Vernichtung und den Umsturz der bisher geltenden
Weltordnung ausgegangen sein soll, sondern er wird bei ihm
zu seiner Keligionsstiftung zunächst zwar veranlasst durch das
Bemühen, sein ei)ileptisches Leiden vor der entsetzten Gattin
zu beschönigen, dann aber weiterhin dabei geleitet durch die
Einsicht, das christliche Glaubensgesetz stelle an den unvoll-
kommenen Menschen unerfüllbare Anforderungen. Daher wird
seiner Lehre denn auch ein gewisses moralisches Verdienst und
eine unter Umständen gute Einwirkung auf ihre Bekenner
nicht abgesprochen. Freilich denkt sich Gautier den Propheten
ebenfalls als im Christentum geboren, ja er rühmt ihm trotz
seiner Unfreiheit eine hohe Bildung nach.'^) Jedenfalls schlägt
er, indem er von den in der umlaufenden Mohammedfabel
gebotenen Motiven die einen unbenutzt lässt und die anderen
eigenartig verwertet, einen ganz anderen, unbefangeneren und
duldsameren Ton an, als er sich sonst bei irgend einem der
Bearbeiter dieses Stoffes damals und während der nächsten
Menschenalter findet. Man niuss schon bis zu dem Prediger-
mönche Wilhelm von Tripolis gehen, welcher 1273 eine Dar-
stellung des Islam schrieb, um den Gegenstand wieder mit
einiger Sachkenntnis und namentlich mit einer gewissen Vor-
1) V. 17. 2) V. 23, 24.
über des Gatttier von Compihgne Otia de Machomete. 8ä
Urteilslosigkeit behandelt zu finden, welche ohne Vertrautheit
mit Land und Leuten unmöglich ist. Auch in dem Berichte,
den Gautier von diesen Dingen gibt, möchte man noch einen
leisen Nachklang spüren von dem nicht ganz geschwundenen
Respekt, den des Paganus Zögling und Gewährsmann sich
selbst als Christ vor dem Glauben bewahrt hatte, in dem er
geboren war.
Obgleich Geistlicher, lässt Gautier doch von einem solchen
in seiner Dichtung überhaupt wenig erkennen. Frei von dem
seinem Stande sonst eigenen Eifer, der sich gerade in der
Behandlung solcher Stoffe besonders kräftig und selbstgefällig
zu betätigen liebte, vermeidet er, von den poetischen Zügen
seines Stoffes gefesselt, fast ganz das übliche theologische Bei-
werk: selbst biblische Anklänge finden sich bei ihm nur ganz
vereinzelt. Auch bringt er über manche Dinge eigenartige
Anschauungen vor, wie z. B. Vers 359 ff. über die Erbsünde
und die dadurch in die Welt gekommene Unfreiheit. Vers 843, 4
heisst es geradezu:
Principio nuUus servili conditioni
Subditus est: omnis tunc homo liber erat
— ein Satz, der, obgleich einem Araber in den Mund gelegt,
doch auch eine weitere Deutung zuliess, zumal Gautier nachher
den Propheten sagen lässt, erst durch den von Noah über
Cham ausgesprochenen Fluch sei nicht blos dessen Geschlecht
zur Unfreiheit verurteilt worden, sondern überhaupt die Herr-
schaft eines Menschen über den anderen eingeführt:
Ex hoc cepit homo causas homini dominandi,
Ex hoc servile sumpsit habere caput (V. 367, 8).
Mit einem Wortspiel, das in der doppelten Bedeutung von
fidelis beruht, heisst es dann V. 378: Liber erit merito quis-
quis fidelis homo, d. h. jeder Gläubige oder auch jeder treue
Diener soll der Freiheit teilhaftig werden.
Unwillkürlich erinnern derartige Ausdrücke und die sich
in ihnen möglicherweise offenbarenden Anschauungen, wie sie
G*
84 n. Prutz
hier im Zusammenhange einer doch immerhin noch stark phan-
tastischen Dichtung vorkommen, daran, dass nicht ganz zwei Jahr-
hunderte später das französische Königtum im Fortgang einer
von ihm gelegentlich begünstigten, dann aber selbständig weiter
entwickelten sozialen Bewegung in der französischen Bauern-
schaft, die es sich, sie aufzuhalten unfähig, wenigstens ander-
weitig nutzbar machen wollte, selbst den Satz verkündigen
Hess, alle Menschen seien frei geboren und es widerstreite dem
Naturrechte, dass einer dem andern gehören, einer des andern
Herr sein solle.
Im Nachfolgenden bringe ich nunmehr des Qautier von
Compiegne Otia de Machomete nach der Pariser Handschrift
Fonds lat. 11332 zum Abdruck, indem ich die als solche
erkennbaren leichteren Irrtümer des Abschreibers berichtige,
grössere Versehen aber, zu deren Verbesserung die Vergleichung
einer zweiten Handschrift nötig wäre, bei dem Mangel an einer
solchen unverändert wiedergebe.
[Otia Waltheri de Machomete.]
Quisquis nosse cupis patriam Machometis et acta,
Otia Waltberi de Machomete lege.
Sic tarnen otia sunt, ut et negotia credas:
Ne spernas, quotiens otia fronte legis.
5 Nam si vera mihi dixit Warnerius abbas,
Me quoque vera loqui de Machomete puta.
Si tarnen addidero vel dempsero, sicut et ille
Addidit aut dempsit forsan, ut esse solet:
Spinam devita, botrum decerpere cura.
10 Botrus enim reficit, vulnera spina facit.
Abbas iara dictus mouachus monacho mihi dixit,
Immo testatus est mihi multociens,
Quod quidam, cui nomen erat Paganus, honestus
Clericus et Senonum raagnus in ecclesia,
15 Secum detiuuit aliquanto tempore quendam.
Ober des Gautier von Campügne OHa de Machomete. 85
Qui Machomis patriam gestaque dixit ei,
Qui de progenie gentili natus et altus
Christi baptismum ceperat atque fidem,
Ergo se puerum didicisse legendo professus,
Quicquid scripturae de Machomete sonant. 20
Dixit eum genitum genitoribus ex Ydumeis
Et Christi doctum legibus atque fide.
Rhetor, arithmeticus, dialecticus et geometer,
Musicus, astrologus grammaticusque fuit.
Qui licet ut liber excelleret artibus istis, 25
Ex servis servus ortus et altus erat.
Servus erat domini cuiusdam nobilis atque
Castellis, opibus divitis et populo.
Qui licet omnibus hiis et pluribus esset habundans,
More tarnen gentis illius et patrie 30
Merces mutandas, species quoque pro speciebus
Longe per servos mittere suetus erat.
Sed magis arbitrio Machometis queque fiebant:
Utilior reliquis plusque fidelis erat.
Ulis temporibus et in illis partibus unus 35
Vir fuit egregius nominis et meriti,
Conversans solus inter montana rogansque
Pro se, pro populo nocte dieque Deum,
More prophetarura gnarus praenosse futura,
Totus mente polo, carne retentus horao. 40 fol. 2.
Yicinis igitur de partibus atque remotis
Multi gaudebant eins adire locum,
Consilio cuius, prece, dogmate quisque refectus
Regrediebatur letior ad propria.
Sic etiam Machomes devotus venit ad illum, 45
Recte vivendi discere dogma volens.
Quo viso sanctus admoto lumine mentis
Intus possessum demone novit eum
Et cruce se signans: „Possessio demonis, inquit,
,Vis immundicie, fraudis amice, fuge! 50
,Quid luci tenebre vel que conventio Christi
86 H. Prutz
„Ad Belial?^) Tecum portio nuUa mihi!*
His Macbomes motus et scrutans intima cordis
Et manuum, talem se reperire nequit.
55 Unde satis humilis supplexque requirit ab illo,
Quare tarn gravi ter corripuisset eum.
Sanctus ei: ^Vere possessio denionis es tu:
„Lex Sacra, sacra fides te tribulante ruet.
„Coniugium solves, corrumpes virgiiiitatem
Go „Judicioque tue castus adulter erit
„Et lex legitimum dampnabit, iniquus aroicum
„Justicie, pietas inipietate cadet.
„Tu facies, mentis ut circumcisio *'*) non sit,
„Ut redeat carnis, ut sacra cesset aqua,
65 „ütque loquar brevius, Adam veterem^) renovabis
„Atque novas leges ad nihilum rediges."
Tunc Macbomes constanter ait se malle cremari
Quam per se leges ad nihilum redigi.
Tunc vir ille celi nihilominus increpat illum
70 Eque sua facie iam procul ire iubet.
Abscedens Macbomes et sancti dicta revolvens
Innumeras animo fertque refertque vices.
Nam de se sancto quam se sibi credere cepit,
Et sicut mentem, sie variat faciem,
75 Jamque satis posset advertere quilibet, illum
Non propra iuris esse, sed alterius.
Deraon enim ducebat eum, quocunque volebat,
Permissoque Dei prospera cuncta dabat.
Qui proprium tunc ad dominum de more reversus
80 Exequitur solitum sedulus obsequium.
fol. 3 Conservos ad se vocat: adsunt. Imperat ille:
Illius imperiis accelerando favent.
Serica cum Tiriis et murice pallia tincta,
Plurima preterea, que preciosa putant,
1) 2. Korinth. 6, 75.
2) Vgl. circumciaio cordis Rom. 2, 29.
3) Vgl. vetus homo noster Rom. 6, 6.
Ober des Gawtier von Gompiegne Otia de Machomete, 87
De domini sumunt thesauris atque camelos 85
Ex ipsis honerant. Sic iter arripiunt.
Ethiopas igitur, Persas Indosque petentes
Merces inutandas mercibus instituunt.
Non sie ad votum Machometis cesserat umquam
Nee tantum domino proderat ante suo. 90
Nam rediens commissa sibi duplicata reportat,
Quedam multo magis quam triplicata refert.
0, divinorum scrutator iudiciorum
Quis queat esse? Malis plus sua vota favent.
Sed si credamus rationi christicolarum, 95
Quam Sacra lex firmat, quam tenet alma fides:
Retribuit Deus ista malis propter bona quedam,
Qua, quamquam mali, parva licet faciunt.
Econtra nemo tarn sancte vivit ad unum,
Quin aliquando manu, mente vel ore cadat. 100
Hie igitur premitur, ut et hie deponat amuream,
Quam de peecato eontrahit exul bomo.
Sic Job, sie Maehomes, bonus hie, malus ille, fecerunt:
Nunc habet hie requiem, sustinet ille erucem.
Taliter Antiochus, Maehabei taliter: hü nunc 105
Felices gaudent, nunc miser ille dolet.
Pressuras sancti sie omnes pene tulerunt,
Ut dolor iste brevis gaudia plena daret.
Jam non turberis, Domino si iudice iustis
His mala proveniunt vel bona sepe malis. 110
Divitis esse memor, quem Lazarus ille rogubat,
Cuius lingebat uleera lingua canum:
Dives inhumanus modo tormentatur in igne,
Nunc Abrahe gaudet Lazarus in gremio.
Sic Nero, sie Deeius, Daeianus, Maximianus 115
Presserunt Christi tempore membra suo,
Et Caput ipsorum, Christum loquor, in cruce misit
Gens, cui promissus et eui missus erat.
Ille resurrexit, aseendit, regnat et illue
Membra trahit seeum iugiter ipsa sua. 120
88 H. PruU
fol. 4 Sic antichristos vermis, que non morietur,*)
Rodet et inferni flamma Yorabit eos.
Talibus exemplis stes firmus, cum mala iustis
Vel bona non iustis sepe venire vides.
125 Nam quod de Domino testatur lectio sacra,
ludicium iustis exeret hie patiens.
Quod quia tangendum visum fuit utile, noster
Est intermissus ad medium Macfaomes.
His intermissis redeuntes ad Macbometem
130 Texere propositum iam satagemus opus.
Tempus adest, quo mortuus est dominus Machometis
Et sine prole mähet uxor et absque viro.
Sed sicut domino Machomes fuit ante fidelis,
Sic etiam domine subditur imperio.
135 Servit ei, dat consilium, procurat agendum:
Plus solito domine multiplicantur opes.
Postquam post domini decessum transiit annus,
Disponit iuveni nubere iam domina,^)
Secretoque vocaus Machometem tempore dixit:
140 „Sum iuvenis, sexu femina, res fragilis,
„Possideo servos, ancillas, predia, villas,
„Sunt castella mihi, sunt etiam proceres.
,Suni viduata viro, natis et utroque parente:
,Ignoro prorsus, qualiter ista geram.
145 »Ergo tu, qui consilio callere probaris,
„Premeditare mihi, que facienda probes.
„Utile consilium, rogo, provideas et honestum:
„Numquam laude carent hec duo iuncta simul.
„Sit persona decens, sapiens et strenua sitque,
150 »Non minuat nostrum nobilitate genus.
„Deuique ut^) sit talis, ut esse per omnia dignum
„lUum me nemo iure negare queat".
*) Vgl. Jesaias 66, 24 et vermis eorum non morietur.
') Ms. domine.
3) Ms. ubi. .
über des Gautier von Cmnpi^ne Otia de Machaniete. 89
Respondet Machomes: «Operam dabo nocte dieque.
^Forsitan inyeniam, qui deceat dominam.
,Sed quia tIx talis in multis invenietur, 155
,Quod queris, longi temporis esse reor.
,Non diffido tarnen: nam si Deus ista futura
«Providit, non est, cur remanere queanf*.
His dictis Machomes discedens pervigil instat,
Si quo forte modo ducere posset eam. 160 fol. 5
Transierant vix octo dies, cum subdolus ille
Veracem simulans premeditatus adest.
Yultum dimittit, oculos gravat, afficit ora,
Mentitur facie religionis opus.
Pallidus apparet, ut quilibet hunc hereroitam 165
Aut anachoretam iudicet aut monachum.
Talern se simulat, ut dicere vera putetur,
Cum dominam fallit falsa loquendo suam
Rhetoricosque suis yerbis miscendo colores
Cum domina tamquam TuUius alter agit: 170
gSi iuyeni nubas, quem nobilis ordo parentum,
.Quem decus atque decor strenuitasque levet,
,Depopulator erit rerum fortasse tuarum,
«Yastabit villas, predia destituet,
«Omnia consumet yivendo luxuriöse: 175
»Que modo dives eras, ad breve pauper eris,
«Quodque puto gravius, te spemens fiet adulter,
,Unde timens capiti non eris ausa loqui.
„Quare consilium domine me iudice non est
«Nobilis et iuvenis quaerere coniugium. 180
aSed iam de senibus tecum, puto, mente revolvas:
„Ille yel ille senex est bonus et sapiens.
«Congruit ille mihi, bene me reget et sapienter
„Omnia disponet: nubere quero seni.
,Sed non hoc queres, quia non sibi convenienter 185
«lunguntur iuvenis femina virque senex.
^Illa calore viget, nitida cute, corpore reeta:
, Pallidus, incurvus, sordidus ille tremit.
90 U. Prule
^lUa iuventutis amplexus factaque querit:
190 ^)
„nie dolet, tussit, emungitur, execrat ille;
ffSanior et iuyenis pene nihil patitur:
„Auditus, gustus, olfatus, visio, tactus,
„Integritas mentis in sene deficiunt.
195 „Sed nisi turbatur casu natura, iuyentus
„Sensibus bis sanis leta vigere solet.
„Cum sibi dissimiles ita sint iuvenesque senesque,
„Cum sene quo pacto copula stat iuvenis?
„Non igitur iuveni, qualem prediximus ante,
200 i,Nec cuiquam vetulo conveniat domina.
„Ut vulgare loquar: presurao docere Minervam,
fol. 6 «Non presumo tarnen, actito iussa mihi,
^Et solet hoc multis contingere, res alienas
„Multociens melius quam proprias agere,
205 „Et quod non fallat haec in me regula, nosti.
„Namque tuis semper postposui propria.
„Dum tibi vir vixit, me nemo fidelior illi.
„Nemo tibi vidue me fuit utilior,
„Cumque tibi maneam tam commodus atque fidelis,
210 „Cur dubites nostro credere consilio?
„Quodque loquar, doraine non mentem, non gravet aures,
„Cum cupiam tibi plus quam mihi proficere.*
lUa refert: „Constat, Machomes, te vera locutum,
„Et debere tibi credere me fateor.
215 „Die igitur quodconque placet, quodconque videtur
„Consilium: credo, credere non nequeam.*
Tunc Machomes solito factus securior, illi
Jam reserare parans abdita cordis ait:
„Que modo sunt domine dominique fuisse probantur,
220 „Ancille, servi, predia, prata, domus,
„Villarum reditus, terrarum commoda, cuncta
„A puero semper nota fuere mihi.
') Es fehlt im Ms. ein Pentameter.
über des Gautier von Compibgne Otia de Mackomete. 91
«NuIIus de servis domine sie omnia novit,
«Nullus in tantum commodus esse potest,
,Et nisi servili sub conditione teuerer, 225
,,Nobilium nulli nuberet utilius''.
Talibus auditis ut prudens atque modesta
Responsum tali temperat illa modo:
«Consiliuro, quod das, nee prorsus dico probanduiu,
,Nec prorsus dico, quod reprobare velim. 230
,Nani quod de iuvenum dixisti nobilitate,
,üt patet in factis, nemo negare potest.
,Yix etenim videas cum nobilitate iuventam,
„Quin sit contemptrix, prodiga, vana, loquax.
«Sic etiam constat, te vera fuisse locutum, 235
«Quod senis et iuvenis copula non deceat,
«Et bene monstrasti disconvenientia, quare
«Jungi non debeant: id placet idque probo.
«Sed quod me dicis tibi nubere, convenienter
«Nulla mihi ratio persu ädere potest. 240
«Si domine servus iungatur, nemo tacebit:
«Ridendi causas omnibus ipsa dabo. fol. 7
«Clamabunt omnes, simul omnes improperabunt
«Et dicent omnes, femina virque simul:
«Que solet esse super, nunc subiacet, et dominari 245
«Que solet, ancille nunc gerit officium.
.,Quod magis timeo, quantum magis pudibundum,
«Dicent me quondam succubuisse tibi.
«Quod si vel leviter submurmuret unus ad unum,
«Id quoque si sciero, me puto malle mori. 25ü
«Est etiam procerum mihi copia, qui mihi debent
«Certis temporibus reddere servicia,
«Quos pudeat servire mihi, si nupsero servo.
«Sic bonos et nostre sie minuentur opes.
«Quin etiam servi conservum despicientes 255
«Nee tua curabunt nee mea iussa sequi.
«Sic et, quae spondes ex te mihi, commoda perdam,
«Queque putas per te damna cavere, feram,*^
92 U, PruU
Cautus ad hoc Machomes aurem patienter habebat,
260 Cordis in arcano singula verba locans,
Oreque corapresso modicum silet, ut videatur
Responsura magni ponderis esse suum.
Inde levans oculos, sed et oris claustra resolvens:
^Crede mihi, dixit, non nisi vera loquar.
265 ,,Si libertati me te donare placebit,
„Que metuis, poterunt nulla nocere tibi.
„Nobilis aut servus tibi vel mihi nemo resistet,
„Aut timor hos subdet aut sociabit amor,
„Atque tuam nemo presumet ledere famam.
270 „Sic benedicetur nomen ubique tuum,
,,Divitiae crescent, augmentabuntur honores
„Et procerum subito maior erit numerus,
„Multiplicabuntur reditus, augebitur omne,
„Quod minus esse solet, yillula, vicus, ager,
275 „Et quod promitto, si non erit, excute dentes
„Aut fodias oculos aut mihi tolle capuf
Tarn magnis igitur promissis illa ligata,
Si proceres laudent, nubere spondet ei.
Tunc Machomes gaudens festinus exit ab illa,
280 Ad proceres abit, munera magna parat.
Hunc trahit in partem, secreto postulat illum,
fol. 8 Hunc sibi promissis allicit, hunc precibus:
Aurum proraitit, argentum, pallia, vestes,
Quicquid amat mundus, quicquid habere potest.
285 Rem tarnen occultat, nisi qui firmaverit ante,
Quod ferat ex toto corde iuvamen ei.
Postquam per partes Machomes sie quemque ligavit,
Ut nuUi retro cedere iam liceat,
Consilio prudens omnes conduxit in unum,
290 Et quo res tendat, omnibus innotuit,
Scilicet ut liber fiat laudantibus illis
Et per eos domine possit habere thorum.
Jamque manumisso sibi reddere non gravet illos,
Antea que domino debita reddiderant,
über de8 Gautier von Compikgne Otia de Machomete, 93
0 cecum Tirus, quo turget iniqua cupido, 295
Quo semel imbutus se quoque nescit homo!
Hos ita cecavit nunimi species, rubor auri,
Quod faciunt, dominam duceret ille suam.
Cuius erant domini, fiunt ob munera servi,
Libera supponunt colla manusque iugo. 300
Ad dominam properant et quod Machometis ab ore
Audierant, illi persuadere student.
,Si dominus noster, dicunt, tuus ille maritus
«Nobilis et sapiens, non moreretur adhuc,
«Non tibi ricinus presumeret uUus obesse, 305
«Externos etiam subderet ille tibi,
,Omnia curaret, disponeret omnia, nulla
„Morderet mentem soUicitudo tuani.
„Sed quia mortuus est et te sine prole reliquit
yAtque remanserunt multa gerenda tibi, 310
»Est opus, ut nubas, quia non potes absque marito
,Pondera curarum femina ferre diu.
«Sed vivente yiro constat, quod casta fuisti,
«Post obitum cuius hec quoque fama man et.
,TJnde timebamus, ne forte tibi statuisses 315
«Sic semper vitam ducere velle tuam.
,Hac igitur causa convenimus, ut verearis
«Tot vel tantorum spemere consilium.
«Nube viro, quia si de te non venerit heres,
«Qui teneat terram te moriente tuam, 320
«Omnia, qua tua sunt, miserabiliter rapientur
«Particulamque yolet quisque tenere suani. fol. 9
«Immo si fuerit quis fortior, omnia tollet,
«Si quis ei contradixerit, ense cadet,
«Et nos aut penis aut morte peribimus omnes, 325
«Si non ut servi subiiciemur ei.
«Que mala iure tibi vertentur ad impietatem,
«Si nos contempnens nubere nolueris.''
Illa refert: «Etsi non nubere proposuissem,
«Propositum pietas vinceret et ratio, 330
/
94 n. Prutz
„Sei constat mecum me nil proponere magnum,
nQuod non ex vestro pendeat arbitrio.
„Ergo personam mihi querite convenientem,
„Que mihif que vobis utilis esse queat.
335 „Si tarnen ille mihi fuerit minus utilis, opto
„Consilium vestrum non minus omne sequi.*
Hoc verbum statim rapuere loquentis ab ore,
Quod procerum placitum spondeat illa sequi.
Tunc quidam fortasse senex, cui credere dignum
340 Monstrabat gravitas canaque cesaries,
Antiquos annos memorans et gesta priorum,
Alloquiis dominam talibus aggreditur:
Principio nullus servili conditioni
ffSubditus est: oninis tunc homo über erat.
345 „Sed quia primus homo peccavit transgrediendo,
„Pene peccati subditur omnis homo.
^Inde recens natus si vivat nocte vel una,
„Primi peccati sorde nee ille caret,
„Et nisi mundetur sacri baptismatis unda,
350 „Semper ei celi ianua clausa manet.
„Huc quoque mandati transgresio contulit illa,
„Quod peccare, mori nemo carere potest.
„Qui nisi peccasset, potuisset utroque carere
„Et modo sub neutro posteritas gemeret.
355 „Sed sub utroque gemit et Cham contraxit ab illo,
„Quod legitur . . . non tacuisse patrem.
„Sed quia fortasse domine non venit ad aures,
„Non reor indignum, si referatur ei.
„Cum gen US humanum Dens ob peccata sub undis
360 „Delesset solis octo superstitibus,
„Obdormisse Noe legitur, detecta pudenda
fol. 10 „Cuius erant. Videt Cham sine veste patrem.
„Detulit ad fratres. Fratres doluere, pudorem
„Patris texerunt. Nota fuere patri.
365 „Qui contristatus Cham subposuit maledicto
„Et servum semper fratribus instituit.
über des Gautier van Compihgne Otia de Machomete. 95
,Ex hoc cepit homo causas homini dominandi,
,Ez hoc servile sumpsit habere caput.
,Sed quia peccavit Cham et Chanaan modo servit,
,Quod sequitur, Japhet, Sem quoque über erit. 370
,Nam si quis peccat, peccati seiTus habetur,
,Eque Deo natus crimina cuncta fugit.
«Non peccando Dei iam filius es^se docetur
,Nec servus dici iure nee esse potest.
„Hoc Jesus dicit et apostolus ille Johannes. . 375
^Uuic evangelio non mihi quero iidem.
«Hos quoniam constat testes non posse refelli,
,Liber erit merito quisquis fidelis homo.
«Est autem domine servorum copia multa,
«Inter quos unus omnibus est melior, 380
,Qui bonus et sapiens, qui strenuus atque fidelis,
«Qui validus membris, qui specie nitidus.
^Digno rex posset vel princeps quilibet esse,
,Si non ex servis eius origo foret".
Tunc velut ignorans, quod de Machomete loquantur, 385
Callida responsum dissimulando dedit.
„Quem mihi laudatis, ignoro, sed exhibeatur
,Et fiat über: sim sua sitque mens''
Presentant proceres Machometem. Suscipit illa.
De servo liber protinus efficitur. 390
Tractatur de coniugio, consentit uterque
Et modico lapso tempore conveniunt.
Grandia prandia, fercula, vasa, ministros^)
,^) cytharas, cimbala, sistra, liras,
Pallia, cortinaa, aurum, lapides preciosos, 395
Omamenta domus quis numerare potest?
Auceps, venator non deficit: ardea, cignus,
Grux, pavo, mergus adest, ursus, aper, caprea.
FestiTos egere dies, dum festa fuere.
Sed dolor infestat festa repente gravis. 400
M Unvollständiger Vers.
') Unleserlich.
96 Ä Pruii
Nam Machomes morbo, qui dicitur esse caducus,
fol. 11 Arreptus domine corruit ante pedes.
Membra voluptat humi, decurrunt ore salive:
Jam quasi defunctum flet domus et domina
405 Peneque deficiens, immo confecta dolore,
Quod spes, que fuerat de Machomete, perit.
Ad thalamum properat et claudens ostia post se,
Ut dare solamen nemo yaleret ei,
Ingeminat luctus, yestes a pectore scindit,
410 Abrumpit crines, unguibus ora secat.
Interea Macbomes animo äatuque resumpto
Tristicie causas querit et audit eas
Et doroinam querit: thalamos intrare docetur.
Precipit, ut veniat: hostia clausa vetant.
415 Tunc per se Machomes accedit et ostia pulsat,
Que pulsata diu vix reserantur ei.
Ingressus dominam solari temptat, at illa
NuUum solamen ex ratione capit.
Blandiri Machomes domine molitur, at illa
420 Pro blandimentis evomit opprobria.
Commendat Machomes illius nobilitatem:
Uli de servis exprobrat illa genus.
At Machomes, quamquam sibi sit patiencia falsa,
Parte tarnen domine sustinet opprobria,
425 Scilicet ut longo tandem saciata furore,
Vel sie suscipiat, que rationis erunt.
Res ita provenit: domine deferbuit ira,
Unde fit in Machomem iam minus ipsa gravis.
Letatur Machomes: supplex accedit ad illam
430 Atque salutantem taliter alloquitur.
„Si servum velles audire tuum pacienter —
„Nam Machomes domine non nisi servus erit
„Si velles, inquit, mihi credere, protinus oranis
„Ira dolorque tuo cederet ex animo/
435 „Sic, inquit, patiar, tantum si vera loquaris,
„Si me non temptes fallere more tuo.*"
über des Gautier von Compihgne Otia de Maehomete. 97
Respondit: «Nisi vera loquar, si fallere queram,
^Linguam fallacem gutture yelle suo.''
Post posite prebens assensum conditioni
Annuit ore, manu. Protinus ille refert: 440
,Quod me spexisti nuper tormenta tulisse,
«NuUa fuit morbi passio, crede mihi. fol. 12
,De celo virtus in me descendit et illam
^Immensam fragilis ferre nequivit homo.
«Propterea cecidi spumans et membra yoluptans, 445
»Non quia passio me leserat uUa mali.
«Sed nunc mandatis prebe celestibus aurem,
«Que mihi de celo nuncius explicuit.
,Sicut enim Gabriel archangelus ille Marie
^Adventus Christi nuncius ante fuit, 450
«Sic Ventura Deus reserat mihi nunc per eundem
,Et pietate prius et pietate modo.
»Naturalis enim primos transgressio legis
,Infecit patres et genus omne suum.
,Postea scripta Dei digito Moysi data lex est, 455
»Quam mandante Deo detulit ad populum.
,Promisit populus domini se iussa teuere,
«Sed cito desiluit transgrediendo viam.
,His igitur causis moriendi lege tenemur,
«Exilium patimur tartareasque cruces. 460
sSed Deus has hominum penas miserando recepit
«Naturam nostram virgine matre satus,
,In cunis positus intra presepe locatus,
,Contectus pannis vilibus et modicis,
.Esuriens panis, siciens fons, dives egenus, 4G5
»Preter peccatum cuncta gerens hominis,
„Ex infante puer, set ex puero iuvenescens,
»Denique vir factus discipulos habuit.
«Vitandum vitium, virtutem dixit amandam,
«Respuit erectos suscipiens humiles. 470
,Coniugio docuit preferri virginitatem,
,De qua preceptum non tarnen ipse dedit
19Q3. Sitzgsb. d. phfloa.-pb{Io1. n. d. bist. Kl. 7
98 K Pruie
„Goniugium castum mandavit, ut unus cum una
.GoDsociarentur federe legitimo.
475 „Nam reliquo quocunque modo se quisque fedaret,
„Turpis eum dixit criminis esse reum.
, Omnibus impendi sincerum iussit amorem,
^Omnibus ut cupiat, quod sibi quisque cupit.
„Hunc circoncidi carnem vetuit genitalem,
480 „Usque modo dicens: Ista figura fuit.
„Re presente figura yacet: baptismatis unda
fol. 13 lyTsti succedat: hec stet et iila cadat.
»Agnus, Ovis, vitulus et cetera signa recedant:
9 Quo sol resplendet, non habet umbra locum.
485 ^Jam Phariseorum procul absint tradiciones.
»Lex vetus impletur lege vigente nova
»Talia dum mandat, constant homo et Deus idem,
»Servit Judeus et Phariseus ad hec:
»Insidiantur ei, verborum retia tendunt,
490 „Se verbo verbum fallere posse putant.
»Quod quia non possunt, intendunt crimina falsa:
»Sed nisi cum voluit, fraus nihil illa fuit.
»Nam contra Dominum non est sapiencia, non est
»Consilium, virtus, sermo vel ingenium.
495 »Ergo cum voluit, tentus fuit, aspera lenis
»Sustinuit, clavos, verbera, probra, crucem.
»In cruce defunctus, terre mandatus adivit
»Tartara, confregit, cum spoliis rediit,
»Discipulis Visus est quadraginta diebus,
500 »Thome palpandum prebuit ipse latus
»Corporeumque cibum sumpsit cernentibus illis,
»Ut monstraretur vivere vera caro.
ȟenique iussit eos totum transire per orbera
»Et veram populis insinuare fidem,
505 »Ut credant, ut agant, ut sacro fönte laventur
»Et salvi fiant: sin alias, pereant.
»Uis dictis benedicit eis celoque receptus
»Promissoque patris munere firmat eos.
über des Gautier von Compiegne Otia de Machomete, 99
, Spiritus inter eos in unguis venit et igni,
«Ut per verba fluant, quos sacer urit amor. 510
«Ergo muniti Unguis et amore calentes
„Securi Christi nomen ubique ferunt.
,ünde flagella, cruces, ignes, gladios paciuntur,
,Sed penis illos yincere nemo potest,
«Quin sibi magnarum yirtutum munere reges 515
9 Et populos Christi supposuere iugo.
,0 nova res! Morum mutatio tanta fiebat,
«üt qui maior erat, gaudeat esse minor,
,Qui fuerat quondam nutritus deliciose,
«Cum modico modicam pane requirit aquam, 520
«Qui prius ornari preciosa veste solebat,
«Nunc vili sacco rigida membra tegit. fol. 14
«Hie cibus, hie vestis, ita strinxerat ille pudenda,
«Quod vix inter eos quis nisi castus erat.
«Virginis hec Votum sibi fecerat, ille maritus 525
«Servabat facti federa coniugii.
«Tantam cbristicole tenuerunt religionem,
«Dum data lex noviter, dum novus ordo fuit.
«Sed quod habere solet noviter novus ordo statutus,
«Ut primo vigeat, inde tependo ruat: 530
«Sic quoque religio decrevit christicolarum,
«Ut que summa fuit, postea corruerit.
«Invidie surgunt, sibi quisque requirit honorem
«Et f rater fratrem ledere non metuit.
«Ebrius efficitur, qui sobrius esse solebat, 535
«Et parcus venter solvitur ingluvie.
«Fedantur mentes et corpora commaculantur,
«Virgo ruit vicio, castus adulterio,
,Nemo fidem Christo nee fidum servat amorem,
«Nemo castum se, ruit omnis homo,^) 540
«Et quem iam Christus cruce, sanguine, morte redemit,
«Ut redimat rursus, non morietur item.
^) So im Ms.
100 m Prutz
,Sed tarnen ex ipsa, qua preditus est, pietate
,,Gonsilium statuit, ne penitus pereant.
545 «Legis onus minuet, tollet baptLsma decemque
»Uxores unus dulcere vir poterit.
,,Scibere mandavit Deus hoc me per Gabrielem,
, Cetera iussurus tempore queque suo.
„His mihi de causis Gabriele superveniente,
550 «Sicut vidistif concido, spumo, tremo.
,,Qui simul abscedit, ego mox virtute resumpta
,,Gratulor archani conscius angelici.
«Tu quoque congaude, quia femina sola mereris
„Divinum mecum noscere consilium.*
555 His Machomes dominam se decepisse putabat,
Ut quicquid dicat, credere non dubitet.
Sed nihil illa putans verbis fallacius istis
Conviciis illum talibus aggreditur:
«Mendax, plene dolo, te sustinui pacienter,
560 „Expectando diu te mihi vera loqui.
„Sed quia nunc video non nisi falsa locutum
fol. 15 „Contra promissum, quo mihi vinctus eras,
„Me vix abstineo, quin excutiam tibi dentes,
„Quin oculos fodiam, quin caput ense cadat.'
5G5 liespondit Machomes: „üt credas, profero testem,
„De cuius dictis sit dubitare nefas.
„Nos omnes scimus, quod in certo monte propinquo
„Est quidam magni nominis et meriti,
„A quo si quisquaro, que sunt Ventura, requirat,
570 „Quicquid respondit, indubitanter erit.
„Non prece, non precio nuUove timore moveri
„A vero poterit: firma columpna manet.
„Hie tibi, que dixi, si denegat, omnia membra
„Per minimas partes, annuo, tolle mihi.*
575 Illa rapit verbum, sanctum commendat et: „Illum
„Cras, inquit, dicta conditione petam."
Laudat et hoc Machomes et eum de nocte requireus
Cuucta refert et post talia comniemorat:
über des Gauiier von Compihgne Otia de Maehomete. 101
,Praeteriere, puto, iam tres aut quatuor anni,
«Ex quo sancta domus hec mihi nota fuit. 580
,Tunc mihi dizisti, quod me faciente peribunt
9 Lex nova, sacra fides, coniugium, lavacrum.
gHis adiunzisti quam plurima more prophete,
vAntequam veniant, notificata tibi,
,Et si previdit per me Deus ista fiitura, 585
,üt predizisti, res ita perveniet.
,Sic igitur Christi destructa lege fideque
9 In baratri penas corruet omnis homo.
,Nam nisi quis fuerit baptismi fönte renatus,
,Ad Christi regnum nuUum habebit iter. 590
„Attamen hec aliter fieri fortasse valerent,
«Si nostris velles credere consiliis:
«Christicolis aliis destructis, tu superesses
«Et templum tecum discipulique tui
«Et miserante Deo modico de semine posset 595
«Christicolarum surgere magna seges/
Sanctus ad hec: «Jura te non evertere templum
«Quodque mihi parcas discipulisque meis,
«Et faciam quecunque Yoles, tantummodo non sint
«Adversus Domini iussa sacramque fidem/ 600
Et Machomes: «Christo contraria multa videntur,
«Que dispensantur, sepe licet fieri. *^ fol. 16
Sanctus ait: «Sic est. Die, quod placet: impleo. Tantum
«Servetur semen christicole populi.^
Juravit Machomes et subdidit: «Est mihi coniunz 605
Ezcellens forma, divitiis, genere.
Qua nubente mihi venerunt prospera cuncta,
Sed cito turbavit gaudia nostra dolor.
Improvisus enim morbus mihi contigit et nie
Seminecem stravit ante pedes domine. 610
lila repentino casu turbata simulque
Tota domus flentes unguibus ora secant.
«Sic iacui similis defuncto pene per horam
«Et rursus sumpto flamine convalui,
102 H, PrutB
615 „Et satagens mestos solari dissumulabam,
«Affirmans passum me nihil esse mali,
,Sed secreta Deus mittit mihi per Gabrielem,
«Guius virtutem ferre nequiret homo.
„His iUa non dante fidem, te nomino testem:
620 «Laudat et idcirco cras tua tecta petet.
„Hec tibi confiteor, hec antea dicere veni
i^Quam veniat, ne tu dicta negare queas.
„Hec et in occulto teneas, cum venerit illa,
„Que si testaris, tuque tuique vivent,
625 „Et, quod iam dixi, sie christicole perimentur,
„Ut iam non valeat surgere vestra fides.*
Tunc sanctus Christi plus quam sua commoda pensans
Dicere promittit, que Machomes monuit.
Regrediens Machomes aurore prevenit ortum,
630 Ne quis eum videat et referat domine.
Jamque die facto montem petit illa prophete,
Nescia, quod Machomes nocte fuisset ibi.
Omnia narrat ei. Querit, cur veniat. lUe
Que fuerat doctus a Machomete refert.
685 Illa redit gaudens tanto nupsisse marito,
Qui mundi mutat iura iubente Deo.
Jam yeniam poscit, iam se peccasse fratetur,
Quod iussis eius improba restiterit.
Jam veneratur eum, iam prorsus subditur eius
640 Imperiis, cum se non reputet dominam.
Letatur Machomes ita se vicisse prophetam,
fol. 17 Ut per eum dominam sie sibi subdiderit,
Et dixit „Nosti, tibi me non falsa locutum,
„Certam me fecit ille futura videns.
645 „Nunc igitur quid agas te doctam convenit esse,
„Quando superveniet angelus ille mihi.
„Sicut iam dixi, virtutem ferre nequibo,
^Sed tremulus, spumans protinus ipse cadam.
„Tu vero statim me veste tegas preciosa,
650 „Donec item redeat angelus ad superos.
über des Gautier von Compihgne OUa de Machomete, 103
,Si quis enim yideat me talem, nescius alti
«Consilii morbo me cecidisse putet/
lila refert: .Pro posse geram, quecunque iubebis.
„Intendent in te mens, manus, os, oculi.
,Gontrastare tibi presumet nemo meorum 655
,Nam tua sunt melius quam ea, que mea sunt/
Hie simulat Machomes vultum solito graviorem
Et velut e celo venerit, alta sonat.
Sic risum vitat et verba moventia risum,
üt stupeat, quisquis antea nosset eum. 660
Sub terra Machomes cameram fieri sibi fecit,
In quam preter eum nuUus haberet iter,
Quam Machomem coniunx ideo fecisse putabat,
Ut Domino posset vivere liberius.
Sed yitulum iuvenem Machomes absconderat intus, 665
Cuius erat potus Bachus et esca Ceres.
Qui sie doctus erat studio Machometis, ut eins
Se genibus flexis stemeret ante pedes.
Et persistebat in terra sicut adorans,
Donec surgendi signa daret Machomes. 670
Contigit, ut fierent illinc sollemnia quedam,
Atque convenit patria tota fere.
Per se magnates, per se plebs et muliebris
A maribus sexus dissociatus erat.
Femineus sexus in yerbis semper habundat: 675
Dixeris archanum, yix reticere potest.
Sic uxor Machomis conyentu dixit in illo,
Que celanda sibi crediderat Machomes.
Namque sui dum queque yiri laudes memoraret,
Omnibus ipsa suum preposuit Machomem, 680
Dicens: „In yestris quicquid laudabile constat,
„Longe precellit in Machomete meo. fol. 18
„Quin etiam noya si qua Dens proponit agenda,
„Angelus illa meo nunciat ante yiro,
„Et quia coniugii nos castus amor facit unum, 685
104 H, PrutM
n
,Nulla putat Machomes non retegenda mihi.
,Unde fidem mihi facitis secreta tenere,
«Que vobis dicam, mira futura loquar/
AffirmaDt omnes se nuUa prodere causa,
690 Donec eis Maohomes ipsave precipiat.
TuDc quicquid Machomes secretum dixerat illi,
Ipsa revelat eis ordine queque suo.
Omnes mirantur, omnes hanc esse beatam
Dicunt, quod tanto sit sociata viro.
696 Finito festo redeunt ad propria quique
Atque domi referunt dicta vel acta foris,
Cumque referretur quorundam plurima virtus,
Yirtutis Machomis mentio maior erat.
Nee tamen uUus adhuc procerum secreta sciebat,
700 Que dominabus erant tradita de Machome.
Que licet illarum fidei mandata fuisent,
Una nocte tamen non tacuere viris,
Scilicet archanis Machomem celestibus uti
Et Ventura prius noscere quam veniant,
705 Quod lex a Christo data dura nimis moderanda
Per Machomem Domino precipiente foret,
Multaque preterea, que supra diximus atque
Sunt retegenda suo tempore sive loco.
Mirantur proceres super his secumque revolvunt,
710 Quidnam portenti talia significent.
Hü dubitant fieri tot tantaque per Machometem,
Hi dubitare putant de Machomete nefas.
Nam dum respiciunt virtutes anteriores,
Coguntur per eas his quoque ferre fidem.
715 Ne vero quisquam remaneret pendulus ultra,
De se dicturus ille vocatus adest.
Excipiens illum summo conventus honore
Äuget et in primo dat residere loco.
Tunc Machomes causam conventus querit et unus,
720 Quem commendabat lingua, genus, probitas,
Cignea canicies — quis enim presumeret alter
über des GauHer von Comjpiegne OHa de Machomete, 105
Aut scire aut tanto reddere verba viro? — fol. 19
Hie igitur talis ac tantus supplice voce,
Vultu demisso sie reverenter ait:
,0 patrie custos, o spes et gloria nostra! 725
«Nos omnes servos noveris esse tuos,
,Nec servos, durum qui te dominum patiamur,
«Sed quos more patris corripiendo foves.
.Propterea quotiens audivimus grandia de te,
,Quisque velut proprio gaudet honore tuo. 730
«Que yero de te miranda modo referuntur,
„ExtoUunt celi nomen ad alta tuum.
,Nam si consiliis celestibus partieiparis
«Et Deus arbitrio tractat agenda tuo,
„Angelus aut deus es humano corpore tectus: 735
,Jam tibi diyinus exhibeatur honor,
,Jam tibi donentur thumiamata, tura crementur,
,üt te pacatum mundus habere queat.*^
Respondit Machomes: «Ne me iactare viderer,
«Propositum fuerat ista silere mihi. 740
vSed que vult fieri per me divina potestas,
«Per me non fieri criminis esse reor.
«Ergo locus certus et terminus instituatur,
,In quo conveniant cum populo proccres,
«üt referamus eis, que sit divina voluntas, 745
«Qualiter infirmis parcere provideat.
yLonginquas igitur percurrat epistola partes
„Nuncia conventus temporis atque loci/
Dictum laudatur, edictum mittitur. Omnes
Tam Machomis nomen quam nova fama movet. 750
Conventu facto Machomis facundia captat
Aures et mentes gestibus, ore, manu.
Inde satis miror, si vel fuit unus in illis,
Qui Machomis verbis noUet habere ßdem.
Dixit, que supra iam me dixisse recorder,^) 755
^) V, 455 ff.
106 H, Pruts
Propter quod breviter sunt memoranda mihi:
Quod Moyses redeat Christo cedente vetusque
Ritus agatur item, lege cadente nova;
Quod sacramentum cesset baptismatis et quod
760 Circumcidendi mos iterum redeat;
Quod licite denas uxores ducere posit
fol. 20 Unus et una decem possit habere viros.
Hec postquam dixit Machomes et cetera, que se
Dicere dicebat precipiente Deo:
765 „Ascendamus, ait, montem, quem cemitis illic:
9 Fortassis nobis celica verba sonant.
,Sic etenim quondam Moyses de monte refertur
„In tabulis legem dante tulisse Deo.*
Ilec pretendebat Machomes verissima, verum
770 Sub specie veri decipiebat eos.
Nam prius occulte montem conscenderat ipsum.
In quo mel multum lacque recondiderat.
Montis enim culmen qua nescio foderat arte,
XJt tecto liquidum quid retinere queat.
775 Mel igitur Machomes foyeae commiserat uni,
Altera lac tenuit, dum Machomes voluit.
Sic quoque cespitibus fovearum texerat ora,
Ui nuUus fosse posset habere notam.
Preterea taurus, quem me meminisse recordor,
760 Cuius erat potus Bachus et esca Ceres/)
Haud procul a foveis lactis mellisque latebat,
Leges confectas a Machomete ferens.
Huc igitur postquam Machomes, proceres populusque
Venerunt, Machomes quemque silere iubot.
785 Quo facto quasi consilium domini manifestat,
Quid de mutandis legibus instituat.
Sed cum nonnuUos super his dubitare yideret,
Inimo perpaucos his exhibere fidem,
Sic ait: „A domino devote signa petamus,
») V. 661 ff.
über des GattHer txm Compiegne Otia de Machomete, 107
Que yaleant servos certificare suos/ 790
Tirnc genibus fiezis stementes corpora terre
Ex desiderio cordis ad astra volant,
Cumque rogata diu pietas divina fuisset,
Surgens surgendum significat Machomes.
Post hec assumptis secum senioribus, illuc 795
Ducit eos, quo mel lacque recondiderat.
Erectis igitur oculis manibusque refertur
Ad dominum tales exhibuisse preces:
,0 pater omnipotens, qui verbo cuncta creasti
»Quique creata regis cuncta, manens stabilis, 800
9 Qui de te genitum fecisti sumere carnem,
«Qui mundo yitam mortuus ipse dedit, fol. 21
«Quique noye legis per eum mandata dedisti,
,Que si quis serret, vivere semper habet!
«Sed quia iam senuit mundus, yix illa teuere 805
«Quis yalet, unde prope iam perit omnis homo.
,Si placet ergo tibi legis moUire rigorem,
,Quod te facturum me docuit Gabriel,
«Digneris preter solitum mundo dare signum,
„Per quod noscat in hac te sibi parte pium/ 810
Sic prece finita Machomes inquirere cepit
Nunc hunc, nunc illum dissimulando locum,
Post tamquam casu fossas diyertit ad illas,
Mel ubi lacque prius ipse recondiderat.
Porro cespitibus nunc hinc, nunc inde remotis, 815
Altera fossarum mel dedit, altera lac.
Quo magis indicio pietas diyina placeret,
Dulcia mel superat, lacte quid altius est?
Attamen ut dubius Machomes probat ore saporem,
Post illum gustant, ordine quisque sua. 820
Tunc extoUentes yoces et corda manusque
Grates diyinis laudibus accumulant,
Et Machomes lacrimis ficta pietate profusis
Atque diu tenso pectore sie loquitur:
,Ecce yidetis, ait, quanta dulcedine mundus 825
108 H. PnUz
„Et mundi leges conditor orbis agat.
„Melle figuratur, quod legis amara recedant,
„Laote, quod ut genitos nos alet ipse sugs.*"
His dictis rursus ita flesse refertur, ut omnes
830 Illius ezemplum moverit ad lacrimas.
Tunc ait: „Oremus, ut sicut montis in alto
„Chnstum discipulis iura dedisse liquet
„Et sicut legem Moyses in monte recepit,
„Que fertur digito scripta fuisse Dei,
835 „Sic quoque nos scripto dignetur certificare,
„Qua genus humanuni vivere lege velit/
Quo facto Machomes tanto clamore replevit
Aera, quod celos contremuisse putes.
Tunc taurus, quem nutrierat, quod iam memoravi^
840 Qui iuxta gracili fune ligatus erat,
Exilit ad vocem Machometis, vincula rumpit
fol. 22 Et domini pedibus stratus adorat eum.
Hie igitur leges cornu gestabat utroque
Fictas et scriptas arte manu Machomis.
845 Quo viso Machomes cepit simulare stuporem,
Acsi non alio tempore nosset eum.
Tunc propius plebs et proceres accedere iussi
SoUerte yitulum scriptaque perspiciunt.
Inveniunt illic ea, que confixerat ille
850 Astutus Machomes mente, dolo, manibus,
Ut sacramentum baptismi destituatur,
Circunicidendi lege levante caput,
Ut Christi carnis et sanguinis occidat usus
Et redeant aries, hircus, ovis, vitulus,
855 Ut ducat denas uxores masculus unus,
Ut pereant casti federa coniugii.
Plurima^^preterea Machomes scripsisse refertur,
Que mihi certa minus*duco tacenda magis,
Multaque multociens^non est replicare necesse,
8G0 Que scio sepe suis me meminisse locis.
Verum quis poterit exponere suf&cienter,
über des Oautier von Gompügne OHa de Machomete. 109
Quas laudes dederint plebs proceresque DeoP
Virtutes etiam Machometis ad astra leyabanty
Quod sibi par hominum nuUus in orbe foret,
Et satis atque super tauri mirando decorem, 8G5
De celo missum quisque putabat eum.
Hinc quae detulerat legis mandata probantes
Obsequium spondent nutibus ore, manu.
Exactis igitur solenniter octo diebus
Letus et admirans ad sua quisque redit. 870
Taurus cum solo solus Machomete remansit,
At Macbomes illum clausit, ut ante iuit,
Et pascebat eum, dum yixit, ut ante solebat,
Se tarnen ezeepto nemo videbat eum,
Cumque rogaretur Macbomes, quo taurus abisset, 875
Per quem de celo lex nova missa foret,
Ad superos illum Macbomes dicebat abisse,
Unde petisse prius una docebat eum.
Credebant quicquid Machometis ab ore sonabat,
Ac si celestis numinis ille foret. 880
Credebant igitur, quia taurus ad astra regressus
Yirtutum numero consociatus erat. fol. 23
Credebant Machomem terris ideo superesse,
üt presit mundo, cum Deus astra regat.
His ita transactis modico post tempore, cum iam 885
Gens sua tuta satis sub Machomete foret,
Insurrexerunt in eos gens effera Perse,
Omnia vastantes igne, fame, gladio.
Namque querebantur Idumeos fraude teuere
Juris Persarum predia, castra, domos, 890
Que nisi restituant, possessa minantur eorum
Subiicienda modis omnibus exicio.
Talibus auditis turbatur gens Idumea,
Et contra Persas bella movere parant.
Attamen inter eos qui consilio meliores 895
Esse videbantur, corde vel ore graves,
fol. 24
110 H. PnUz
Ante requireadum persuadent a Machomete,
Quam contra Persas tale quid suscipiant.
Qui respondit eos non posse resistere Persis,
900 Cedendum potius, quod sibi iure petunt.
Tunc quidam iuvenes ingenti corde, lacertis
Foiiibus, instructi spicula dirigere,
Muniri clipeis, etiam fugiendo sagittis
Hostes Partorum more ferire suos,
905 Sic aiunt Macbomi: ,Si sie dimittimus ista,
„Que repetunt Perse, tollere cuncta valent.
„Nam velut infirmos nos et pavidos reputantes
„A modicis tendent ad potiora man um,
,,Nostraque libertas periet: sie nostra manebunt
910 «Kegis Persarum subdita coUa iugo.
„Sed Deus avertat, ut vi vi sie pereamus
„Et nostre gentis vivat ad opprobrium.
«Nam cur portamus pharetras? Cur tela tenemus?
»Cur clipeis tegimur? Spicula cur gerimus,
915 „Si sie uxores, si sie sine sanguine terras,
,,Si sie servitio pignora nostra damus?
,,Per gladios veniant! Sit eis transire per hastas!
„Mors gentem nostram vincere sola potest.
„Si vinci tarnen est, ubi non animus superatur,
920 „Sed caro sola iacet, dum caput ense cadit.**
Omnes collaudant dictum Machomemque precantur,
üt contra Persas dux sit et auctor eis.
Opponit Machomes etatis tempora longa,
Vires consuraptas corpore iam vetulo:
925 Se bello modicum vel nuUum ferre iuvamen
Quin magis ut senior ipse iuvandus erit.
Preterea celi dicebat abesse favorem,
Quo sine nil vires, nil valet ars hominum.
Ilas propter causas dixit se bella cavere,
930 Ne, quibus esse velit utilis, bis noceat.
Ad quod dum victi tamquam ratione silerent,
Sic Machomi quendam verba dedisse ferunt:
L'ber des Oautier von Compiegne Otia de Machamete. 111
,Quod dominus noster Machomes excusat inire
yPrelia, ne iuvenes impediat senior!
«Dicimus contra iuvenum minus acta valere, 935
,Si non consilium dirigit iUa senum.
,Unum necesse reor, ut sis quoque corpore presens,
sUt gens nostra tuum currat ad arbitrium.
^Preterea scimus te tot non esse dierum,
«Quin bene, si sit opus, arma movere queas. 940
«Scimus et audacem, melior te nemo fuisse
«Creditur: hec semper fama tui maneat.
^Quodque negas celum nobis ad bella movere,
„Ut culpam nostri criminis esse reor.
,Sed constat quoniam, Dens est summe pietatis, 945
«Parcens peccanti, si bene peniteat.
,Sic de flente Petro, sie de latrone beato,
«Sic de Matheo pagina sancta docet.
«Hi peccaverunt graviter» sed poenituerunt,
«ünde Dei pietas cuncta remisit eis. 950
«Sic et nos culpas nostras punire parati
«Omnia spondemus, quae facienda doces:
^Camem torraentis quantislibet afßciemus
«Extensis sursum mentibus et manibus.
9 Sic Niniyitarum non deprecamur ad instar, 955
«Placanda nobis si qua sit ira Dei
«Si magis hircorum, taurorum vel vitulorum
«Yictima delectat, sacrificemus et hec.
«Quod cum fecerimus, qua te ratione retardes
«A servis dominus, a genitis genitor? 9G0
«Si placet, uxores, infantes, tota supellex
«Sit commissa tibi! Cum pueris sedeas: fol. 25
«Des modo consilium, nos prelia sustineamus!
«Nos feriant faostes, nos feriamus eos!
«Si superemus eos, laus sit tua; si superemur, 9(>5
«Stulticie nostre deputet omnis homo.'*
Hoc laudant omnes: Machomes plorasse refertur,
Quod sie quisque suum tendit ad meritum.
112 H. PruiM
Attamen assensum faciens, se spondet iturum,
970 Sicque datur pugne terminus atque locus.
Dicitur hoc Persis: verum nihilominus ipsi
Insistunt, rapiunt, excutiunt, perimunt.
Terminus advenit: locus insinuatur. Adesse
Perse non metuunt. Hostis uterque mit.
975 Pugnant, oppugnant telis, mucronibus, hastis:
Sed socios Macfaomis bella premunt gravius.
Porro cernentes Idumei se superari
A Persis hello viribus et numero,
Dimittunt Machomen loculos aurumque ferentem,
980 Que natis reddat coniugibusque suis,
Ne si forte patres perimantur sive mariti,
Paupertas matres opprimat et pueros.
Dumque sedit Machomes, quorundam templa deorum
Temporis antiqui cemit et intrat ea,
985 In quibus argentum, loculos aurumque reponens,
Que sibi servanda gens sua tradiderat,
Exiit accludens et signans hostia post se
Et sie ad dominas tendit et ad pueros,
Tendit et ad reliquum vulgus, quod inutile hello
990 Dimissum fuerat haud procul in casulis.
Eius enim gentis mos dicitur iste fuisse,
Et fortassis adhuc istud idem faciunt,
üt si quando procul vadant ad bella gerenda,
Ducant et portent mobile quicquid hahent.
995 Ergo dum Machomes et vulgus inutile hello
Stat procul, eventum nosse rei cupiens,
Astute Machomes cunctis hlanditur, ut etas,
Ut genus, ut sensus huius et huius erant,
üicens: ,0 comites, vestri mihi cura relicta
1000 „Et iuyenum pietas debilitasque senum,
„Et fragilis sexus monet et movet intima cordis,
„Usibus ut vestris commoda provideam.
fol. 26 „Scitis, quod nostris ad bellum volentibus ire
„Adversus Persas, ut facerent, vetui.
über des GatUier von Compiegne Otia de Machomete. 113
„Quod non fecissem, ai noo divimtus illud 1005
gPrescisseiQ vetitum preeipiente Deo,
,Et quaniam Yetitum divinum preterierunt»
«Omnes, ut tinyso, destruet ira Pei.
,Sed Yoa insontes quid peoe promenüstisy
^Infans^ mater, aau9, TÜrga, p«eUa, seaez? 1010
,Ergo Deus Yobis paroat Yestreque puelle
,Et pueri talami federe conYeQiant
»Taliter, ut dena3 sibi oopulet unus et una,
,Si libeat, denos eopulet ipsa sibi.
,Nec tarnen iUe Deo mandante putetur adulter» 1015
,Nec putetur ob hoo criminis iU% rea.
gCultor euim terre si multos seminat agros^
^Messibus e xaultis horrea multa repjet»
,Sic et ager quoniam multis Yersatur aratris,
«Si fuerat sterilis, fertilia effioitur. 1020
«Sic geminet multos multis e matribus ille,
«lila Yel ex uuo semioe eouoipiet.
,Xam si de tot erit natura £rigidus unus,
«Alter erit calidus et sobolem faeiet,
ffSicque Yolente Deo sine fructu nuUa manebit 1095
«Nee sterilis metuet arboris ulla ix)gum/
Dum sie sermonem Machomes pretendit ad omnes,
Nuncius unus adest solua et ipse malus:
Omnibus oooisis se olamat ab hostibus unum
Esse resenratum tanta referre mala, 1030
Exoritur luctus, damor tentoria replet.
Plorant, ad celos tollitur usque sonus.
Vir, matrona sonat, pater, infana, sponsa, marite,
Flet genitor genitum, aervula flet dominum.
Tunc Machomes inquit: «Deua hoc preYiderat esse: 1035
Non aliter decuit! Pareite iam laorimis!
qQuin magis oremus omnes domini pietatem,
«IJt nos et nostros cunctaque nostra regat,
«Et quibus abstraxit solacia tanta virorum«
«Vobis Yel loeulos reddere sustineat«* ^040
t^ Sftzgsb. d. pbfloc-philol. n. d. hist. Kl. B
114 H. Pruie
His dictis precedit eos ad templa deorum,
fol. 27 In quibus ipse prius abdiderat loculos.
Tunc velut ignorans girabat, denique tamquam
Munere divino repperit introitum.
1045 Ingrediens reperit loculos, et signa quibusque
In loculis monstrant, singula cuius erant.
Femina queque sui cognoscit signa mariti
Et recipit, iuris quod potest esse sui.
Inde maritantur iuxta legem Machometis
1050 Et vivunt omnes eius ad arbitrium.
Plurima pax illis viguit Machomete vigente,
Pacatis cunctis faostibus arte sua.
Unde deum Machomem putabant atque per illas
Partes illius nomen erat celebre.
1055 Transactis igitur in tanta pace diebus,
Qui spacium yite Machomis extiterant,
Mortuus est Machomes et premia digna recepit
Infemi penas, ut tenet alma fides.
At sua gens credens, quod Spiritus eius ad astra
1060 Transisset, metuit subdere corpus humo.
Instituens igitur operis mirabilis archam,
Intus eum posuit melius quam potuit.
Nam sicut fertur, ita vas pendere videtur,
Inter quod Machomis merabra sepulta iacent,
1065 Ut sine supposito videatur in aere pendens,
Sed nee idem rapiat uUa cathena super.
Ergo si queras ab eis, qua non cadat arte,
Fallentis Machomis viribus hoc reputant.
Sed vas revera circumdatur undique feri'O
1070 Quadrateque domus sistitur in medio
Et lapis et adamas per partes quatuor edis
Mensura distans inde vel inde pari,
Qui vi nature feretrum sibi sie trahit eque,
XJt vas ex nuUa cadere parte queat.
1075 Sic igitur Machomem divo venerantur honore
über des GatUier von Compiegne Otia de Machomete. 115
Et yenerabuntur, dum Deus ista sinat.
Urbs, ubi dicuntur Machometis membra sepulta,
Non sine portento Mecha vocata fiiit.
Nam Macbomes immundicie tocius amator
Mechiam docuit, mechus et ipse fuit. 1080
Sic ob preteritos actus vel signa futura
Multis imponi nomina sepe solent. fol. 28
Sic est dicta Babel, quod eam qui constituebant,
Dum per eam yellent scandere summa poli,
His Deus indignans linguas confundit eorum, 1085
Ut linguam nemo nosceret alterius.
Sic reor Egiptus tenebre sonat ob tenebrata
Et ducis et populi corda, futura docens.
Plenius hoc dieit Moyses: ego tedia vito,
Tu Moysen, si vis cetera nosse, lege.^) 1090
1) In dem Ms. folgt, als ob sie noch zu dem Gedichte Gautiers
gehörte, diese Reihe von Versen:
Litera nona datur, partim si prima rimatar,
Ostendit numerum, sapiens quo reperit unum.
Altera virgineum designat nomine fructum:
Tot fuerant anni per tempora pene peracti,
Ex quo conceptum verhum fuit et caro factum, 1005
Jerusalem cum capta fuit sub preside Christo.
Idus adhuc Julii renovantur signa triumphi,
Post bis quingentos et centum circiter annos,
£x quo virgineus de neumate floruit alvus:
Anno centeno Julii quinto duodeno 1100
Jerusalem nostris cesserunt menia Francis. 1101
Inhalt.
Seite
Sitzung der phüosophisdh^üologischen und der historieeken Klasse
vom 3, Januar 1903 .... 1
A. Spengel: Zur Geschichte des Kaisers Tiberius ... 3
Sitzung der phüosophischrphilologischen und der historischen Klasse
vom 7. Februar 1903 .... 64
H. Prutz: Über des Gautier von Compiegne «Otia de Machomete* 65
Die Abhandlungen sind auch in Separatabzügen hergestellt imd
erscheinen einzeln unter den Publikationen des akademischen Verlags
in Kommission der Franz'schen Yerlagshandlung (J. Roth).
Akademische Bacbdruckerei von F. BtrAub in HUnebeo.
^^'^llk.liS'-io
• I
1 -
SitÄungsherichte
der
philosophisch- philologischen
und der
historischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu Jid!üiichen.
1903. Heft IL
Mttnehen
Verlag der E. Akademie
1903.
In KommiMiOD dep G. Franz'scben Verlage (J. Roth).
^ -
• '/.''>^
■/
Sitzungsberichte
der
Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften,
Sitzung vom 7. März 1903.
Philosophisch-philologische Klasse.
Der Klassensekretär legt vor eine Abhandlung des kor-
respondierenden Mitgliedes Dr. E. Schlagintweit in Zweibrücken :
Die Lebensbeschreibung von Padma Sambhava
dem Begründer des Lamaismus. IL Teil. Leben
und Wirken in Indien. Aus dem Tibetischen übersetzt.
Dieselbe wird als Fortsetzung des 1899 veröflPentlichten
I- Teils in den Denkschriften erscheinen.
Herr von Bechmann hält einen Vortrag:
Das geschichtliche Verhältnis der condictio fur-
tiva zu den Eigentumsklagen des römischen
Rechtes.
Der Vortrag, welcher das Verhältnis sowohl nach der
irozessualen als nach der materialen Seite sowie in chrono-
• gischer Beziehung erörterte und zur Vergleichung auch die
•^10 rerum amotarum heranzog, ist ein Bruchstück aus umfassen-
deren Studien über die Geschichte der römischen Eigentums-
^en und zu selbständiger Veröffenthchung nicht bestimmt.
^«tt. Slticsb. d. phücc-philol. a. d. hiat. KI. 0
118 Süeung vom 7. März 1903.
Herr von Axira hält einen fUr die Sitzungsbericht
bestimmten Vortrag:
Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs
Willehalm.
In verschiedenen Pergamentblättern zu Heidelberg um!
München werden Überbleibsel einer zerstörten Handschrift vom
Willehalm des Wolfram von Eschenbach nachgewiesen, dk
genau so wie die grossen Bilderhandschriften des Sachsen-
spiegels den Text in Parallelkolumnen mit einer ununter-
brochenen Reihe kolorierter Federzeichnungen, etwa 1380 an
der Zahl, begleitete. Sie wurde um 1250 in Ostmitteldeutsch-
land gefertigt und stellt sich sonach als das Mittelglied zwischen
den Werken der älteren Buchillustration und der Illustration
des Sachsenspiegels dar.
Historische Kla.8Be.
Herr von Riezleä hält einen für die Denkschriften be-
stimmten Vortrag:
Kriegstagebücher aus dem ligistischen Haupt-
quartier 1620.
Herzog Maximilian I. von Bayern betraute seinen Sekretär
Mandl während des österreichisch -böhmischen Feldzugs von
1620 mit der Führung eines genauen Tagebuchs. Nach Mandls
Erkrankung von einem oder zweien Beamten des Hauptquartiers
fortgesetzt, wurden diese Aufzeichnungen die Grundlage des
offiziellen bayerischen Berichtes über den Feldzug, der unter
dem Titel: Böhemisch Journal in München im Druck erschien.
Es verlohnt sich aber, auch die Abweichungen der ursprüng-
lichen Rezension kennen zu lernen, die, unter den ersten Ein-
drücken im Feldlager selbst entstanden, noch nicht gleich dem
Journal durch politische Rücksichten beeinflusst ist. Ausser
diesen Varianten gedenkt der Vortragende drei weitere, bisher
unbekannte Tagebücher aus demselben Feldzuge und dem ligi-
Sitzung vom 7. März 1903. 119
stiscilen Hauptquartier zu veröffentlichen und zu erläutern,
verfasst von Maximilians Beichtvater Buslidius, seinem Hof-
prediger Drexel, beide S. J., und von einem Karmeliter aus
Siena, Pietro von der Muttergottes, dem Begleiter des bekannten
R Dominikus. Der Vortragende hebt einiges hervor, was sich
aus diesen neuen Quellen für Maximilians Charakterbild und
für die Rolle des P. Dominikus ergibt. Weitere Ausbeute
bezieht sich auf die Stärke des ligistischen Heeres und seines
Trosses, die ausserordentliche Sterblichkeit, die eine Lager-
seoche. das sogenannte „ungarische Fieber", verursachte, das
&af diesem Feldzuge zum erstenmale organisierte Feldspital,
las Verpflegungswesen , endlich die Plünderungen , die trotz
Miiimilians und Tillys strenger Abwehr auch seitens des
ligbtiscben Heeres einen grossen Umfang annahmen.
Herr von Heiqel macht Mitteilungen über:
Handschriftliche Memoiren aus dem Nachlass
des bayerischen Staatsrats Oeorg Ludwig
von Maurer.
Die eigenhändigen Aufzeichnungen zerfallen in drei Teile,
t^er erste bezieht sich auf die Geschichte der Bildung der
jnechischen Regentschaft im Jahre 1832 und die Geschichte
iiirer Auflösung im Jahre 1834; der zweite erzählt von Maurers
N^üdung nach Griechenland, 1854 beabsichtigt, 1858 ausge-
füllt zur Feststellung der Thronfolge des Prinzen Adalbert von
ßayern; der dritte Teil berichtet über das Ende der bayerischen
l^ynastie in Griechenland 1862 und seine Ursachen.
Das Manuskript wird später der Egl. Hof- und Staats-
»ikliothek in München überlassen werden. Der Vortrag — mit
iöTxen Auszügen aus den Memoiren — wird in den Sitzungs-
^■^richten erscheinen.
9'
121
Wielands „Pervonte".
Von Franz Mancker.
(Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 7. Februar 1903.)
Unter den kleineren Erzählungen in Versen, die Wieland
ZOT Zeit seiner vollen künstlerischen Reife im ersten Jahrzehnt
seines Lebens in Weimar verfasste, nimmt „Pervonte" einen
eigenartigen Platz ein. Während die vorausgehenden Dichtungen
t-fils morgenländischen Märchen, teils mittelalterlichen Ritter-
geschichten der französischen Literatur nachgebildet sind, wandte
sich Wieland mit , Pervonte*, dem unmittelbaren Vorläufer seines
Meisterwerks, des ,Oberon*, wieder zur italienischen Poesie, von
Äer er schon oft fruchtbarste Anregung empfangen hatte, und
trug zugleich hier zum ersten und einzigen Male während seiner
ganzen, reichen dichterischen Tätigkeit seinen Lesern ein richtiges
Volksmärchen vor.
Der Stoff seiner neuen Geschichte, die zuerst unvollendet,
^e sie im März und zu Anfang Aprils 1778 entstanden war,^)
in drei aufeinander folgenden Heften des „Teutschen Merkur"
'"m November 1778 bis zum Januar 1779 unter der Überschrift
»Die Wünsche oder Pervonte* erschien, stammte aus dem
»Pentamerone" des Neapolitaners Giambattista Basile, eines
211 seiner Zeit nicht unberühmten Dichters aus dem Kreise
^) Vgl. Wielands Briefe an Merck vom 12. April und vom Oktober
l'^Sund vom 22. Februar 1779 (Briefe an Johann Heinrich Merck, heraus-
^ben von Karl Wagner, Darmstadt 1835, S. U7 und 156; Briefe an
^ TOD Merck, Darmatadt 1838, S. 130).
122 Frang Muneker
Marinis, der von 1608 an bis in sein Todesjahr 1632 allerlei
lyrische und epische Versuche veröfiFentlichte, meist Gelegenheits-
dichtungen im schlimmsten Modegeschmack voll künstlicher
Spielereien und Tüfteleien, ohne eigenartige Bedeutung oder
künstlerischen Wert, die längst der verdienten Vergessenheit
anheim fielen. Wirklich lebendig erhielten sich von seinen
literarischen Erzeugnissen nur die derber und possenhafter ge-
arteten, die er neben den anscheinend wichtigeren, in der gemein-
italienischen Schriftsprache verfassten Leistungen als nächster
Nachfolger seines Freundes Cortese, des Neubegründers der
neapolitanischen Dialektdichtung, unter dem Namen Gian Alesio
Abbattutis in der Mundart seiner Heimat geschrieben hatte.
Unter ihnen aber steht weitaus am höchsten die Sammlung
von fünfzig Märchen, die nach Basiles Tod ein sonst unbe-
kannter Herausgeber Salvatore Scarano in den Jahren 1634
bis 1636 zu Neapel nach und nach erscheinen liess, ,Lo Cunto
de li Cunti overo Lo trattenemiento de' Peccerille", in eine
Rahmenerzählung nach dem Muster des auch sonst mannigfach
nachgebildeten Boccaccio eingefasst, in fünf „jomate'^, jede zu
zehn Geschichten, eingeteilt und schon vom ersten Herausgeber
(wenn auch nicht auf dem Titelblatte) mit dem bequemen und
daher auch später beibehaltenen Namen ,Pentamerone" be-
zeichnet. Es war nicht der erste Versuch in Italien, alte
Märchen, die vorher nur mündlich im Volke erzählt worden
waren, in der Literatur auch für die gebildeten Leser festzu-
halten; aber es war die reichhaltigste und urwüchsigste, in
ihren Stoffen wie in der Vortragsweise echteste und treueste
Sammlung von Volksmärchen, die — nach dem massgebenden
Urteil der Brüder Grimm — nicht nur Italien, sondern auf
manches Jahrhundert hinaus überhaupt irgend ein europäisches
Land hervorgebracht hat.
In der Heimat hochberühmt, oft gedruckt, in andere Mund-
arten wie in die gemeinitalienische Sprache übersetzt, von
Pompeo Samelli in neapolitanischen Dialektgeschichten, aber
auch von Lorenzo Lippi in seinem „Malmantile riacquistato",
von Gozzi stellenweise in den dramatischen Märchen „L- Amore
Widanda „Pervonte", 123
dclle tre melarance'^ und »II Corvo* nachgeahmt,^) wirkte der
«PenUmerone'* doch bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts
nur wenig über die Grenzen Italiens hinaus. In Deutschland ins-
besondere scheint vor Wieland kein Schriftsteller aus diesen
Kirclien Anregung zu eignem dichterischem Schaffen gewonnen
zu haben. Auch in den nächsten Jahren, nachdem er von
Penrontes wunderbaren Schicksalen berichtet hatte, traf der ihm
persönlich nahe stehende und künstlerisch durch ihn mannig-
fach bestimmte weimarische Märchenerzähler Musäus nur ver-
tinzelt einmal mit Basile im Inhalt einer Geschichte zusammen;
fe 3ücher der Chronica der drei Schwestern* im ersten Teil
seiner „Volksmärchen der Deutschen* (1782) wiederholen in
der Hauptsache die dritte Erzählung des vierten Tags aus dem
»Pentamerone*.*) Doch bleibt es trotz aller Ähnlichkeit noch
^ fraglich, ob Musäus unmittelbar aus dem Märchen Basiles
jfhöpfte. Bekannter wurde in Deutschland der „Cunto de li
iQDti' erst im Zeitalter der ausgehenden Romantik. Clemens
Brentano, der das Buch als eine besondere, seinen Freunden
noch ganz ft'emde Seltenheit besass, begann schon um Weih-
nachten 1805 mehrere Geschichten daraus frei nachzudichten,
>chob ihre Veröffentlichung dann aber immer weiter hinaus
nnd änderte noch nach Jahrzehnten mancherlei an seiner Arbeit,
Ü£ in der Hauptsache erst 1846, mehrere Jahre nach seinem
Tode, den deutschen Lesern mitgeteilt wurde.') Inzwischen
iiatten, durch ihn zuerst über Basile unterrichtet, die Brüder
firimm 1812 im ersten und wieder 1822 im dritten Bande der
^) Vgl. die inhaltsreiche Einleitung von Benedetto Groce zu seinem
Nf'jdruck des „Cunto de li Cunti", Neapel 1891, in der „Biblioteca
^ipioletana di Storia e Letteratura", Nr. II, Bd. 1.
*) Vgl. Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen, 2. Aufl., Bd. III,
^^9 (Berlin 1822); auch Richard Andrae, Studien zu den Volksmärchen
'^^ Deutschen von J. K. A. Musäus (Marburg 1897), S. 13, und Erich
ß'äcb, Die Märchen de« Musäus, im Archiv für das Studium der neueren
^^hen und Literaturen, Bd. CVIII, 8. 283 ff. (1902).
') Vgl. die gründliche, aber im Urteil gegen Basile nicht immer
treckte Untersuchung von H. Gardauns, Die Märchen Clemens Brentanos,
^•l» 1895 (dritte Vereinsschrift der Görresgesellschaft für 1895).
124 Frans Muncker
„Einder- und Hausmärchen^ mit nachdrücklichem Lob auf die
neapolitanische Sammlung hingewiesen und zugleich einen guten
Auszug aus allen Märchen derselben gegeben.^) und nun be-
mühte sich um ihre Einbürgerung bei uns neben andern Über-
setzern und Bearbeitern^) besondei*s auch Julius Mosen durch
seine dichterisch freieren Nacherzählungen von mehreren dieser
Geschichten im „Gesellschafter" (seit 1827),') bis endlich Felix
Liebrecht 1846 den ganzen „Pentamerone'^ mit ausserordent-
lichem stilistischem Geschick treu im Inhalt wie im Ton ins
Deutsche übertrug.
Aber nicht nur für Basile, sondern überhaupt für das
Volksmärchen zeigte die deutsche Literatur des achtzehnten
Jahrhunderts recht wenig Liebe und Verständnis. So wollte denn
auch Wieland von ihm im allgemeinen nichts wissen, so leb-
haft ihn auch jederzeit kunstvoll ausgestaltete Feenmärchen
anzogen, in denen das geistreiche Spiel einer zügellos kühnen
Phantasie schliesslich einem moralischen oder satirischen Zwecke
diente, so mannigfach er auch solche Feenmärchen, die ihm
meist aus der französischen Literatur zukamen, letzten Endes
aber ofb in das Morgenland zurückwiesen, in seinen verschieden-
sten Dichtungen bald genauer, bald freier nachbildete.*) „Ammen-
märchen, im Ammenton erzählt," wollte er, wie er 1786 in der
Vorrede zu „Dschinnistan" erklärte, nur durch mündliche Über-
lieferung fortgepflanzt, aber nicht durch den Druck literarisch
festgehalten wissen. Mochte sich daher auch vereinzelt das
eine oder andere Mal ein wirkliches VolksmärchenmotiV in
seinen Dichtungen einstellen, so stammte es doch nicht un-
mittelbar aus einem echten Volksmärchen, sondern aus jenen
1) Bd. I, S. XVII f.; Bd. III, S. 276-371.
2) Die wichtigsten von ihnen nennt Liebrecht im zweiten Bande
seiner Übersetzung, S. 336 f.
^) Vgl. Philipp Henss, Beiträge zur Kenntnis von Julius Mosen s
Jugendentwicklung, München 1903, S. 46 ff.
*) Vgl. darüber besonders K. Otto Mayer, Die Feenmärchen bei
Wieland, in Bernhard Seufferts Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte,
Bd. V (Weimar 1892).
Wielanda „Pervante*', 125
kunstvollen Feengeschichten orientalischen oder französischen
Ursprungs. Einer einheimischen yolkstümlichen Überlieferung
Terdankte er nur einmal den gesamten Stoff einer Erzählung
in Versen, bei dem Gedicht «Sizt und Elärchen oder der Mönch
und die Nonne auf dem Mädelstein '^v das er zuerst im März
und April 1775 im ,pTeutschen Merkur^, dann noch einige
Haie mit unwesentlichen Veränderungen in seinen poetischen
Werken yeröffentlichte. Aber das war nicht sowohl ein Volks-
märchen als vielmehr eine an einer bestimmten Örtlichkeit haf-
tende volkstümliche Sage. Dagegen lag dem «Pervonte^ in der
Tat ein echtes Volksmärchen zu Grunde aus der bunten Gruppe
jener Geschichten von einem dummen Burschen, dem unver-
mutet ein grosses Glück zuteil wird,^) ein bei verschiedenen
Völkern verbreitetes Märchen, dessen eigentümliche Ausge-
staltung, wie sie Wieland für seine Nachdichtung verwertete,
aus der italienischen Literatur stammte.
Mit wenigen Worten deutete Wieland selbst im „Teutschen
Merkur* (November 1778, S. 99) auf die Herkunft seines „Per-
Yonte* hin: »Wer gern aus der Quelle schöpft, kann das
Original dieses Gedichts, welches eigentlich ein uraltes Neapo-
litanisches Ammen-Mährchen ist, finden in dem Pentamerone del
Cavalier Giovan Battista Basile, overo, lo Cunto delli Cunti,
trattenemiento de li Peccerille, di Gian Alesio Abbatutis. Napoli
1674. (conf. Biblioth. Univ. des Romans. Juin. et Septembre.
1777.)* Damach sollte man wohl meinen, Wieland habe sich
aus Basile selbst den Stoff seiner Geschichte geholt. Das wäre
an sich schon auffallend; denn vor dem „Pervonte* hat Wieland
niemals den Inhalt einer grösseren Dichtung im ganzen un-
mittelbar aus dem Italienischen genommen, sondern hielt sich
immer zuerst an deutsche und englische, dann vornehmlich an
antike und französische Vorlagen. Auch nachher wurde das
nicht anders. Zwar berief er sich 1783 bei «Clelia und Sini-
^) Fügten 68 doch auch die Brüder Grimm unter der Aufschrift
-Hans Dumm" ihren deutschen „Kinder- und Hauamärchen" ein (Bd. I,
5- 250 ff., Nr. 54 der ersten Ausgabe von 1812).
126 Frwus Mundier
bald'' nur auf Gaviceo als seinen Oewährsmann fttr den wunder-
baren Traum, auf dem sich diese Novelle zum guten Teile
aufbaut; aber, wie schon verschiedene sprachliche Anmerkungen
zu derselben Dichtung vermuten lassen, hatte er Giacopo Cavieeos
1508 erschienenen Roman „II Peregrino*, aus dem er den Stoff zu
der ironisch-satirischen Legende gewann, nur in der verkürzten
französischen Bearbeitung im zehnten Bande der „M^langes
tirds d'une grande bibliotheque^ (Paris 1780) benutzt.
Desto fleissiger spielte er dafür in seinen Werken auf
einzelne Charaktere und Begebenheiten der italienischen Literatur
an, zitierte Verse und Gedanken italienischer Dichter, bildete
gewisse Motive von ihnen nach, suchte sich den Ton und Stil
ihrer Poesie anzueignen. Fast bis auf die Anfange seiner
literarischen Entwicklung reicht dieses Bestreben zurück.
Während das Schulheft aus dem Sommer 1748, das uns von
dem damals noch nicht fünfzehnjährigen Zögling des Klosters
Bergen erhalten ist, noch keine Spur von Kenntnissen in der
italienischen Dichtung zeigt, weist das im Anfang des Jahres
1751 ausgearbeitete Erstlingswerk der Wielandischen Muse,
das Lehrgedicht „Die Natur der Dinge*, schon einige Male
deutlich auf Ariosts und Tassos grosse Epen hin. An den
Abschied Rinalds von Armida im sechzehnten Gesänge des « Be-
freiten Jerusalem" und die Verwandlung des Wunderreichs der
Zauberin nach der Flucht des Geliebten (ebenda Stanze 69 f.)
erinnern die Verse im zweiten Buche des Lehrgedichts, die das
Erwachen des Menschen, den die Wollust in ihren Bann ge-
zogen hatte, aus seinem Wahne schildern:*)
„Wo lauter Anmuth war, sieht er erstarrte Klippen
Und gelben Sand gehäuft; Armidens süsse Lippen,
Und was er kaum genoss, ist mit dem leichten Schwärm
Der Liebesgötter fort; er sieht vom dürren Arm
Des Ekels, von der Reu begleitet, sich umfangen."
*) S. 46 f. des eraten Druckes (Halle 1752), in den späteren Aus-
gaben nur wenig verändert.
Wieland8 „Pervawte". 127
Im dritten Buch aber (S. 61 der ersten Ausgabe) nennt
der junge Dichter „Ariostens Mond* neben « Piatons Staat*',
um das Reich des unwirklichen zu bezeichnen. Beim späteren
Abdruck der , Natur der Dinge* im ersten Band seiner , Poe-
tischen Schriften* 1762 und wieder 1770 fügte Wieland hier
eine erläuternde Anmerkung über die phantastische Erdichtung
des .eben so anmuthigen als abentheurlichen Italiänischen
Poeten* bei und mehrte auch noch durch eine weitere An-
merkung zum zweiten Buch die Anspielungen auf Tassos
Rinald.^) Jene älteren, bereits aus dem Jahr 1751 stammenden
Anspielungen setzen freilich noch keine Vertrautheit mit dem
italienischen Text der Dichtungen voraus, denen sie galten:
Wieland mochte sich an deutsche Übertragungen halten, deren
ja seit Dietrich von denl Werders Versuchen einige vorlagen
— das ^Befreite Jerusalem* hatte erst 1744 wieder Johann
Friedrich Kopp (in paarweise gereimten Alexandrinern) über-
setzt — ; ja den kurzen Hinweis auf Ariost konnte er am Ende
auch aus zweiter Hand haben und brauchte dazu den „Rasenden
Roland* nicht einmal in deutscher Nachbildung gelesen zu haben.
Auch in den wenige Monate nach dem Lehrgedicht ver-
fassten , Moralischen Briefen* verwertete Wieland seine Lektüre
Tassos. Wieder spielte er auf den sechzehnten Gesang des
italienischen Epos an, auf den er diesmal in der Anmerkung
ausdrücklich verwies, und wieder zwingen uns seine Verse
durch nichts zu der Annahme, dass er die „Gerusalemme* da-
mals schon italienisch gelesen haben müsse. In dem später
Tollig gestrichenen neunten Briefe der ersten Ausgabe von 1752
(S. 118) versicherte er der schwesterlich mit reinster Liebe ge-
liebten Freundin Doris, dass die Vereinigung mit ihr ihm auch
eine Wüste zum Paradiese machen würde:
«Mich darf das Schicksal nicht in Paradiese setzen.
Mit dir soll mich der Sand Numidiens ergötzen.
Ich darf der Insel nicht worein mit Zauberkraft
Den Reitz der gantzen Welt Armid herbey geschaft,
^) 1762: Bd. I, S. 72; 1770: Bd. I, S. 101.
128 Franä Muneker
Wo jugendlich die Flur in stetem Morgen lachet,
Ein zauberischer West die Blumen ewig machet,
Wo ein nectarscher Duft aus allen Krautern raucht,
Und alles lebt und fühlt und matte Wollust haucht/
Im elften Brief aber (der in den späteren Ausgaben als
zehnter gezählt ist) nahm der achtzehnjährige Dichter, um die
entsetzliche Angst des Gottesleugners yor dem Tode zu malen,
seine Zuflucht gar schon zu Dante :^)
„In welchen Schauem starrt sein nie erschüttert Hertz,
Wenn sich der Tod ihm naht? Wie marternd ist sein Schmertz?
Mein Geist erliegt bestürtzt den jammervollen Bildern,
Ihr Schatten schrekt ihn schon; sie mag ein Dantes schildern!'
Die erst 1770 beseitigte Anmerkung zu dem Namen des
damals in Deutschland noch sehr wenig bekannten Florentiners
„Ein berühmter Italiänischer Dichter des 14. Jahrhunderts, der
in einem Epischen Gedichte Himmel, Fegefeuer und Hölle ge-
schildert hat* bewe^^t in ihrer Dürftigkeit, Farblosigkeit und
verkehrten Reihenfolge bei der Nennung der drei Teile der
„Divina Commedia" nahezu sicher, dass Wieland das ewige
Gedicht damals nur vom Hörensagen oder etwa aus einer kurzen
Angabe darüber in einem Gelehrtenlexikon oder einer Zeitschrift
kannte.^)
Derartige Anspielungen, in diesen ersten Versuchen Wie-
lands noch selten und besonders in den grösseren Jugend-
dichtungen, in denen er sich als unmittelbaren Nacheiferer
Klopstocks verriet, fast gar nicht anzutreffen, mehrten sich
nach einigen Jahren, als er auch in der Erlernung der italie-
nischen Sprache weit genug fortgeschritten war, um Ariost
und Tasso und ihre Landsgenossen im Original zu lesen. Wie
wir aus dem kurzen Abriss seiner Lebensgeschichte schliessen
*) S. 149 der Ausgabe von 1752; in den .»Poetischen Schriften" von
1762 Bd. II. S. 98; 1770 Bd. II, S. 91, stets mit unverändertem Wortlaut.
*) Vgl. Emil Sulgor-Gebing, Dante in der deutschen Literatur:
Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte, Neue Folge, Bd. VllI,
S. 475 ff. und Bd. IX, S. 453 ff.
Wielands „Perwmte". 129
dürfen, den er am 28. Dezember 1787 für den Schweizer Ästhe-
tiker Leonhard Meister niederschrieb, war das schon in Zürich
der Fall ; bei Bodmer, dem reich belesenen Kenner ausländi-
schen Schrifttums, war auch er, wie mit der französischen und
englischen, so mit der italienischen Literatur „sehr bekannt'
geworden. Das zeigten sogleich italienische Verse über oder
unter einigen Oden, die er bereits im ersten Jahre seines
Züricher Aufenthaltes im engsten Anschluss an Klopstockische
Vorbilder seiner Sehnsucht nach der fernen Geliebten widmete.
Nicht minder gaben davon die Neubearbeitungen der grösseren
Jugendwerke fÖr die Sammlung der „Poetischen Schriften«
Ton 1762 und wieder von 1770 Zeugnis. Die Anspielungen
auf italienische Literatur wurden in den Jugenddichtungen
selbst wie in gelegentlichen Anmerkungen zu ihnen etwas
zaUreicher; hie und da stellte sich jetzt sogar ein italienisches
Zitat als' Motto ein (so z. B. seit 1762 hinter dem „Lobgesang
auf die Liebe* drei Verse über die Allmacht der Liebe).
Seit dem Entwurf des unvollendeten „Cyrus** (1759) be-
mühte sich Wieland auch, wie er in den Vorberichten zu diesem
Heldengedichte selbst und zu der eng damit verbundenen dialo-
gischen Geschichte „Araspes und Panthea** (1760) bekannte,
Grandeigenschaften der Hauptcharaktere aus den Epen Ariosts
und Tassos auf den Helden seiner Phantasie zu übertragen
und überhaupt die künstlerischen Vorzüge dieser italienischen
Dichter in dem eignen Werke zu vereinigen. Cyrus sollte die
Tugenden des kühnen Achill, des klugen Odysseus, des weisen
Gottfried von Bouillon, des hochherzigen Leonidas in seinem
Wesen verbunden zeigen, sollte grösser imd besser erscheinen
als Achill, Aeneas, König Artus und der rasende Roland; der
Dichter wünschte in diesem Epos, je nachdem es sein Gegen-
stand oder seine künstlerische Absicht forderte, sich bald der
feinfaltigen Grösse und der wilden Schönheit Homers und Ariosts,
Wd des blühenden Kolorits und des sanften Feuers Virgils
und Tassos, bald wieder der Mischung von Stärke und Lieblich-
keit bei Thomson und der nervichten Schönheit Qlovers zu
^«meigtem.
130 ^yanM Muncker
Ein neues, gründlicheres Studium italienisclier Dichtungen
begann Wieland in Biberach, als er in seiner eigpien Poesie
Bahnen einschlug, die ihn in Nachbargebiete des romantischen,
ungebunden aus Phantasie und scherzhafter Laune entsprunge-
nen Epos der Hochrenaissance führten. Am 4. Mai 1764 erbat
er sich von Oessner neben einer guten Ausgabe des Petrarcii
auch 9 eine artige kleine Edition vom Ariost^, den er dem
Freund als einen der angenehmsten Dichter rühmte. Vier
Jahre später bekannte er in der Vorrede zum ^Idris', dass
Ariost um seiner eigentümlichen Schönheit willen schon lange
sein gewöhnliches Taschenbuch sei. In dem Ton eines leicht
und übermütig hervorsprudelnden Geplauders, den kein früherer
Epiker so meisterhaft wie Ariost anzuschlagen wusste, verfasste
Wieland zunächst, doch ohne unmittelbare Anlehnung an den
Sänger des „Orlando furioso*, die «Komischen Erzählungen'
und andere Dichtungen verwandten Charakters. Bald bildete
er auch, wenn schon mit allerhand Freiheiten, den Ariostischen
Strophenbau der ottave rime in seinem „Idris" nach. Ja, er
wollte geradezu, wie er am 3. Dezember 1767 an Zimmermann
schrieb, mit diesem Werke einen Versuch machen, „ob man
in unserer Sprache nicht auch Ariost seyn könne, wenn man
wolle'', freilich nur „in Absicht der Laune, des Stjls, der
Lebhaftigkeit und der Versification*', nicht auch, was die aben-
teuerliche Verwicklung und Ausdehnung der Handlung durch
zahllose Gesänge betreffe. Aber selbst nach dieser Seite hin
lockte ihn Ariosts Muster schon im „Idris" und noch mehr
einige Jahre später im „Neuen Amadis'^ zur Nachfolge: auch
Wieland erprobte sich gern als Meister in der Kunst, zahl-
reiche Fäden der Handlung in der mannigfaltigsten Weise
durcheinander zu schlingen und untereinander zu verknüpfen
und als Erzähler mit grösster Leichtigkeit und zugleich mit
drastischer Wirkung von einem Abenteuer seiner Geschichte
auf das andere überzuspringen, die Schicksale des einen Helden
im spannendsten Augenblick durch die Taten und Erfahrungen
anderer Helden und Heldinnen humoristisch zu unterbrechen.
Die Handlung selbst in ihrem hauptsächlichen Gange wies
Wtdands „Pervonte'', 131
zwar mehr auf französische Feenmärchen als auf das roman*
tische Epos der Italiener zurück; einzelne Nebenmotive aber,
wie z. B. gelegentlich einmal die Ausmalung eines Kampfes
oder Liebesabenteuers, stammten doch aus der Nachahmung
des .Rasenden Roland", und so spielte denn Wieland auch im
Text wie in den Anmerkungen des «Idris* und des , Neuen
Ämadis* mehrfach in aller Kürze auf Personen und Vorgänge
aus den Dichtungen Ariosts, Tassos, Marinis oder anderer
Italiener an. Mit manchen unter diesen Dichtern gab er sich
freilich nur flüchtig ab; so bekannte er z. B. ausdrücklich
1771 in der Vorrede zu seinem ,Amadis*, dass er von dem
gleichnamigen Epos des Bernardo Tasso auch nicht einmal
den zehnten Teil zu durchlesen vermocht habe. Dass ihm
aber andere, durch eigenartigen Reiz lebhafter anziehende
Dichtungen der italienischen Literatur in jenen Jahren genauer
vertraut wurden, zeigen auch seine Briefe, in denen sich von
da an die Anklänge an derartige Lektüre mehren und nament-
lich seit etwa 1767 die Einflechtung italienischer Worte in
seine ohnedies schon buntfarbig genug aus französischer, deut-
scher, lateinischer und englischer Sprache zusammengewobene
Bede häufiger wird.
Auch als Wieland nach dem , Neuen Amadis" die Ario-
stische Laune und Erzählungstechnik in seinen Dichtungen
wieder weniger nachbildete, blieb er sich doch in der Liebe
zu den italienischen Meistern, deren Epen ihn entzückt hatten,
getreu und las diese und verwandte Werke bei Gelegenheit
noch öfter im Wortlaut der Originale. So hätte ihm denn auch
höchst wahrscheinlich das Verständnis des «Pentamerone*
im italienischen Gewände keine Schwierigkeit bereitet, wenig-
stens nicht, wenn ihm die — freilich sehr schlecht geratene —
Bearbeitung dieser Märchensammlung in gemeinitalienischer
Sprache von 1754 oder 1769 in die Hand gefallen wäre. Aber
CT selbst führte in der oben erwähnten Anmerkung im »Teut-
acben Merkur' ausdrücklich eine Ausgabe des ursprünglichen,
mundarthchen Textes an, die wegen ihrer sprachlichen Korrek-
turen philologisch merkwürdige, auch wegen ihrer massgebenden
132 Frang Muncker
Bedeutung für die folgenden Drucke geschichtlich wichtige,
Yon Pompeo Sarnelli besorgte Ausgabe von 1674, die erste,
die den Namen .11 Pentamerone* schon auf dem Titelblatte
trug. Dass nun aber Wieland imstande gewesen wäre, die
Märchen Basiles im neapolitanischen Dialekt ohne Beihilfe
einer Übersetzung zu lesen, und namentlich, dass bei einer
derartigen, mit allerlei Schwierigkeiten verbundenen Lektüre
diese Märchen ihm einen so mächtigen künstlerischen Eindruck
hätten machen können, dass er sich dadurch zu eigner dichte-
rischer Tätigkeit getrieben fühlte, ist an sich schon im höchsten
Grade unwahrscheinlich.
Zwar, dass Wieland sich von den füni^ig Geschichten
Basiles gerade nur die von Peruonto zur Nachbildung ausge-
sucht hat, dürfte auch in einem solchen Falle nicht befremden.
Denn die übrigen Erzählungen des Neapolitaners passten in
der Tat fast alle nicht für den gesellschaftlich und künstlerisch
gerade in den letzten Jahren strenger geläuterten Geschmack
des Weimarer Dichters. Die meisten waren zu urwüchsig derb,
ihre Grundmotive oft von einer plumpen Unanständigkeit, mit
der selbst die nichts weniger als schüchterne Kunst Wielands
kaum etwas anzufangen gewusst hätte. In andern wieder war
die märchenhafte Erfindung so kindlich naiv, so verstandes-
widrig wunderbar, dass der aufgeklärte Dichter des achtzehnten
Jahrhunderts, der in seinen tollsten Feenmärchen stets eine
philosophische Wahrheit oder sittliche Lehre zu veranschau-
lichen trachtete, keinen nutzbaren Sinn in ihnen zu entdecken
vermochte und darum auch keinen Sinn für sie hatte. Schon
auffallender könnte es aber scheinen, dass Wieland in seinen
Briefen oder sonstigen Schriften nie etwas von einer unmittel-
baren Bekanntschaft mit dem „Cunto de li Cunti*, besonders
wenn sich diese auf die ganze Märchensammlung erstreckt
haben sollte, verraten hätte, dass er vornehmlich 1805 in der
Einleitung zum „Hexameron von Rosenhain*, wo doch die
ähnliche Benennung seines Buchs einen Hinweis auf Basiles
Werk nahe legen musste, zwar den „Decamerone* des Boccaccio
und den ,Heptameron" der Königin von Navarra, nicht aber
Wielands „Pervante''. 133
den «Pentamerone* erwähnte: hätte er ihn einst mühsam und
vollständig im Original gelesen, so würde er damals wohl nicht
vergessen haben, ihn mit anzuführen.
Aber schon 1778 im »Teutschen Merkur* nannte Wieland
neben der italienischen Ausgabe der Märchen Basiles, freilich
nur nebenher und nicht eigentlich als Quelle seiner Dichtung,
den franzosischen Auszug daraus in der vom Grafen Tressan
herausgegebenen gBibliotheque universelle des romans*'
Tom Juni und September 1777. Das reichhaltige, vielfach von
Wieland benutzte französische Sammelwerk brachte zunächst
im Juni 1777 einige kurze, nicht eben tief gründende Be-
merkungen über Basile sowie über den literarischen Wert und
ib schwierige Verständnis seines »Pentamerone*, der auch
nicht eine vernünftige, tragische oder interessante Novelle,
miem nur tolle Ammenmärchen enthalte, an denen höchstens
kleine Kinder Spass finden könnten. Daran schloss sich eine
^ie, im einzelnen mehrfach verändernde und selbständig aus-
<$chn)ückende Nacherzählung der die neapolitanischen Märchen
als Einleitung und Schluss umrahmenden Geschichte. Im Sep-
tember darauf bot die .Bibliotheque* ihren Lesern ausführliche
Bearbeitungen der Märchen von Peruonto (Tag 1, Geschichte 3),
^oa Sapia Liccarda und der Puppe aus Zuckerteig (Tag 3,
^^escbichte 4) und von Bosella (Tag 3, Geschichte 9), um dann
ausdrücklich auf weitere Mitteilungen aus den lustigen und
narrischen Einfallen der süditalienischen Sammlung zu ver-
öcbten. Von diesen Nacherzählungen gab die des , Peruonto*
(S. 162— 180 der »Bibliotheque*) den Inhalt des neapolitanischen
ilärchens noch verhältnismässig am getreuesten wieder, obwohl
3«b der französische Bearbeiter auch hier manche Abweichungen
^om Original erlaubte. Überall aber, wo er dies tat, finden
^irnemlich dieselben Abweichungen auch bei Wieland. Es steht
^ber ausser allem Zweifel, dass der deutsche Dichter den fran-
zösischen Auszug aus dem „Pentamerone" als Vorlage für seine
Arbeit benutzte. Fraglich könnte nur sein, ob er daneben auch
aoch gelegentlich einen Blick in den italienischen Grundtext tat.
Wt wenig spricht für eine solche Annahme, viel dagegen.
l«tt. Stttpb. d. pUloSL-phUol. Q. d. hist Kl. 1 0
134 Frang Muneker
Den Titel der neapolitanischen Märchensammlung zunächst
schrieb Wieland wortgetreu^) aus der ^Bibliotheque" (Juni 1777,
S. 207) ab, die sich gleichfalls nur auf die Ausgabe von 1674
berufen hatte. Auch der Doppeltitel der deutschen Dichtung
wies auf den französischen Auszug zurück, wo die Geschichte
„Pervonte, ou les Dons des F^es* tiberschrieben war. Nur aus
dem Französischen ferner lassen sich die gegen das Italienische
mannigfach veränderten Namensformen der Hauptpersonen
bei Wieland erklären. Aus Basiles »Peruonto* hatte schon
der französische Bearbeiter „Pervonte* gemacht; genau so
nannte Wieland den Helden seines Märchens. Dessen Partnerin
in der drollig-wunderbaren Geschichte, die Königstochter, hiess
im Italienischen VastoUa. Der Franzose hatte den Namen im
Grunde unangetastet gelassen, aber in einer Kleinigkeit, die
überdies für die französische Aussprache gleichgültig Trar,
anders geschrieben: ,Vastole". Aus dieser Form bildete nun
Wieland mit veränderter Betonung, so dass der Hauptton jetzt
auf die erste Silbe fiel, ^Vastola**. Peruontos Mutter, im Grund-
text Ceccarella geheissen (wohl nach einer Figur aus der alten
neapolitanischen Posse), blieb ebenso wie der schon im Ita-
lienischen unbenannte König im Französischen namenlos; dem-
gemäss wusste auch Wieland die beiden nicht zu benennen
und machte sich über diesen Mangel gleich zu Anfang seiner
Dichtung im Übermut seiner Laune selbst lustig. Im italienischen
Märchen wohnt Peruontos Mutter zu Casoria, einem kleinen,
etwa zwei Stunden von Neapel entfernten Orte; der König
residiert natürlich zu Neapel selbst. Der französische Bearbeiter
machte die wackere Mutter des Tölpels in einem Häuschen auf
dem Lande, nicht weit von der Stadt Salem, heimisch; den
königlichen Palast verlegte er dem entsprechend nach Salem
und machte aus dem Herrscher selbst einen ,Prince de Salerne%
*) Nur schrieb er ^lo Cunto delli Cunti*, während die .Biblio-
thociue* im Juni ,de li cunte" zitierte. Im September (S. 162) ab^r
brachte sie dafür ^delle Cunte*. Daraus konnte Wieland leicht seine
Lesart gewinnen, wenn er, was nicht unwahrscheinlich wäre, da« e in
den Maskulinformen für einen blossen Druckfehler hielt.
dem er doch auch wieder oft genug den königlichen Titel gab,
und Ton dessen Keich er an manchen Stellen sprach, wie wenn
es sich um das Königreich Neapel handle. Gleich ihm be-
richiete Wieland nur von einem König von Salern, doch ohne
sich auch jene unbestimmten Hinweise auf Neapel anzueignen,
und dachte sich Fervonte in der nächsten Umgegend Salems
wohnhaft; der Name Casoria begegnet bei ihm so wenig wie
bei dem Franzosen.
Ebenso wie die Namen ist die Charakteristik der Per-
sonen in Wielands Dichtung fast durchweg von der fran-
xosischen Darstellung abhängig. Basile hatte, wie es sich fiir
den Erzähler eines richtigen Volksmärchens gebührt, nur mit
wenigen kräftigen Strichen seine Figuren gezeichnet. Beinahe
ganz ohne charakterisierende Züge Hess er Peruontos Mutter:
sie war ihm nur «na magna femmena de Casoria" und im
Hinblick auf ihren tölpelhaften, faulen Sohn eine „scura
mamma*, eine »sfortunata*. Der französische Bearbeiter wusste
schon viel mehr von ihr zu berichten. Er machte sie zu einer
kniYen Frau, die von ihrem kleinen Vermögen in einem Häuschen
anf dem Lande lebt; sie ist keine grosse Dame, hat aber, was
i^ie mit ihrem Sohn und einer Dienerin zum Leben braucht,
^d wäre bei ihren bescheidenen Ansprüchen glücklich und
^frieden, wenn ihr dieser Sohn nicht so schweren Kummer
^eniTsaehte. Wieland fand mit Recht diese Schilderung etwas
ni vornehm; er eignete sich aus ihr hauptsächlich den ersten
Satz an ,elle n'^toit point grande dame" und malte demnach
iübsch die kleinen Verhältnisse der »guten Frau* aus,
»die manchen Winter schon
im Wittibstande sich und ihrem Sohn das Leben
mit Spinnen fristete — ein braves flinckes Weib,
das früh und spat sich Müh zu geben
gewohnt ist, keinen Zeitvertreib
als ihres Haspels Knarren kennet,
und sehr zufrieden ist, wenn auf dem kleinen Hcerd
ein wenig dürres Reiss zur Mittagssuppe brennet,
10*
1 36 Fram Muncktr
wirthschaftlicli dann den Rest zusammenkehrt
und in den Ofen trägt, der in der engen Hütte
dem scharfen Frost nur sparsam wehrt.* ^)
Die Dienerin, die der Franzose ganz unnötiger Weise dem
kleinen Haushalt beigesellt hatte, verabschiedete Wieland mit
gutem Grunde wieder. Sicherlich kam auch seine Auffassung
der Vorstellung näher, die Basile sich von der wackem Frau
zu Casoria gemacht hatte; aber diese Auffassung ergab sieh
für den deutschen Dichter ohne weiteres aus der Geschichte
selber, aus der Arbeit etwa, zu der Pervonte von der Mutter
in den Wald geschickt wird, aus den bescheidenen Wünschen,
die er nachher beim Besuch des Volksfestes in Salem yerfolgt:
eine Bekanntschaft mit dem italienischen Text ist daraus in
keiner Weise zu schliessen. Dass die Sorge um den blöden,
zu nichts zu brauchenden Sohn die .einzige Plage'' der Mutter
war, hob Wieland übrigens auch wieder im Einklang mit dem
französischen Bearbeiter hervor.
Enger schloss er sich an ihn in der Schilderung dieses
Sohnes selber an. Kurz genug hatte Basile ihn bezeichnet
als ,lo chiü scuro cuorpo, lo chiü granne sarchiopio, e lo
chiü soUenne sarchiapone, c^avesse crejato la natura ... che
no era buono pe no quaglio de cane*. Des weiteren malte
der Italiener die Trägheit, Kohheit und Dummheit Peruontos
nicht in ruhiger Schilderung aus, sondern zeigte sie vielmehr
in der bewegten Handlung selbst. Auf eine genauere Be-
schreibung der Hässlichkeit seines Helden wollte er zwar nicht
verzichten; sehr geschickt vei*schob er diese aber auf eine
spätere Gelegenheit, wenn der König den missgestaltet'en
Burschen zum ersten Mal erblickt und voll Entsetzen in ihm
den Vater seiner Enkel erkennt. Da zählt uns der Dichter
alles der Reihe nach auf, wodurch schon die blosse Erscheinung
Peruontos Ekel erregen muss: „otra che aveva lo capo de
velluto, Tuocchie de cefescola, lo naso de pappagallo, la vocca
de cernia, era scauzo e vrenzoluso, che, senza leggere lo Fio-
ravante, potive pigliarete na vista de li secrete.* Auch der
1) Teutacher Merkur, November 1778, S. 103.
Wielands „Pervonte", 137
franzosische Bearbeiter hielt sich bei den abstossenden Gemüts-
und Geisteseigenschaften des Märchenhelden nicht lange auf,
desto mehr jedoch bei seiner äusseren Missgestalt ; aber auch
diese schilderte er schon am Anfang der Geschichte, gleich
bei der ersten Erwähnung Pervontes. Wieland folgte ihm darin.
Die Aufgabe selbst, um die es sich dabei handelte, war für
ihn weder neu noch schwer; hatte er doch seit dem Gemälde
der Donna Mergelina im «Don Sylvio" (Buch U, Kapitel 2)
schon manche Probe von seiner Kunst gegeben, körperliche
Hässlichkeit drastisch zu beschreiben. So hielt er sich denn
auch jetzt im einzelnen nicht allzu streng an das Bild, das
m nächster Vorgänger von dem widerlichen Ausseren des
Barschen entworfen und selbst völlig frei gegenüber der Zeich-
Dimg des Italieners ausgeführt hatte. Um Augen, Lippen und
Zähne kümmerte er sich weniger als der Franzose; auch die
Ungleichheit der Schultern und Beine ersetzte er durch andere
rnscfaönheiten derselben Körperteile. Immerhin blieb mehr
als ein Zug von Hässlichkeit, den er unmittelbar der ^Biblio-
theque' verdankte. Hier hatte es von Pervonte geheissen: ,11
aToit le teint fort noir et les cheveux tres-roux, un oeil petit
^t verd, Fautre plus grand et bleu; son nez etoit gros, ses
Inres 4toient tres-^paisses, et deux longues dents jaunes comme
ieui d^enses de sanglier, sortoient de sa bouche, d^ailleurs
nial gamie: il avoit une ^paule plus haute que Tautre, et la
.smbe plus courte du cöt^ oppos^." Wieland stellt uns den
Jungen Kerl* vor, wie er sich im Kopf kratzt,
•im dicksten Kopf, den je der weite Sund
von einem Ochsenmaul in zwoo Halbkugeln trennte,
mit rothem Haar garniert, das borstenweise stund,
und um die schmale Stirne rund
wie angezündte Stoppeln brennte,
die Ohren ellenlang, die Nase kurz und dick
wie Hals und Leib, die Schultern breit, die Beine
wie Pfosten — kurz, der Kruditäten eine
des alten Mütterchens . . ."^)
^) Teutscher Merkur, November 1778, S. 102 f.
138 Frang Muncker
Aber auch die Dummheit und die gegen alles gleichgültige
Trägheit Pervontes, der wie ein Tier nur den Trieb nach
Nahrung in sich ftühlt, schilderte Wieland mit ausführlicheren
Worten. Dabei klang namentlich ein Satz seines französischen
Vorgängers in seiner Darstellung nach: «Ignorant en toui,
b^te jusqu'ä ne rien comprendre: si c'est ^tre bon garjon que
de n' avoir aucune volonte ä sei, et de ne former aucune espece
de desirs, il avoit cette qualite.* Nur umständlicher spracli
Wieland ungefähr den gleichen Gedanken aus und yerbramte
ihn überdies mit ironischen Einfallen und Anspielungen, auf
die weder Basile noch der Verfasser des französischen Auszugs
gekommen wären:
„Da war auch keine Spur von Neugier noch Verstand;
nichts gieng in seinen Kopf, nichts gieng ihm von der
Hand . . .
... im TJebrigen ein gutes Vieh,
den nie der Kitzel stach, nach wann, warum, und wie,
bey irgend einem Ding zu fragen,
und den, ist nur sein Wanst, womit es sey, gefüllt,
nichts weiter in der Welt bekümmert;
das wahre Seitenstück zum Bild
des Wdsen beym Horae, dem's mächtig gleichviel gilt
wozu die Oötter wohl diess schöne Rund gezimmert,
dem Sonne, Mond und Stern stets unbewundert schimmert,
kurz, der fein warm und dicht in — Dummheit eingehüllt,
nichts liebt noch hasst, nichts billigt und nichts schilt/ ^)
Noch freier verfuhr Wieland mit seiner Vorlage in def
Charakteristik der fürstlichen Personen. Das Wesen des Königs
hatte ßasile überhaupt nirgends mit besondem Worten ange-
deutet, sondern liess es nur aus seinen Reden und Handlungen
erkennen; ganz ebenso der Franzose. Wieland dagegen zeich-
nete mit manchem Wortaufwand den König als einen ausser-
ordentlich schönen Mann, der jedoch allmählich zu altern be-
ginnt. Von seinen Charaktereigenschaften erfahren wir zu-
') Ebenda S. 104.
Wielands „Pervante". 139
nächst auch im deutschen Gedichte nichts; nur hören wir,
dass er sich eben nicht sehr beeilt, seine Tochter, die in ihrer
Schönheit ihm täuschend ähnlich ist, zu vermählen. In Wie-
laads Vorlagen stand kein Wort von dieser Ähnlichkeit; ja
Basile erwähnt nicht einmal die Schönheit VastoUas ausdrück-
lich: sie versteht sich für ihn wohl von selber. Er erzählt
ans nur, dass die Prinzessin „pe naturale malenconia*^ noch
niemals gelacht hatte, bevor sie Peruonto erblickte. Diesen
angeborenen Trübsinn verwandelte schon der französische Be-
arbeiter in masslosen Stolz, dem er nun auch verschiedene
rühmlichere Eigenschaften entgegenzustellen sich verpflichtet
fühlte. So schilderte er die Fürsten tochter als , belle, char-
cante, qui avoit de Tesprit et des talens, mais de la hauteur,
de la fiert^, et d^daignoit tous les amans qui se pr^entoient
tn foule pour lui faire la cour.* Wieland entwarf das näm-
liche Charakterbild von seiner Vastola; nur malte er sowohl
die Schwärme ihrer Anbeter wie auch neben der Schönheit
der Prinzessin, des „Abgotts von Salem", die Koketterie der
stets «Eiskalten*' und ^ Kieselharten** gegen ihre Werber breiter
aus, ihr «Zauberlächeln'', das die Freier „zum Nichtermüden
trischt*, zugleich aber ihren Trotz und ihre Verachtung, wo-
mit sie die eben Ermutigten wieder von sich stösst und jeder
Hoffnung beraubt. Dazu fügte er etwas später, bei der Er-
zählung nämlich, wie Vastola zum ersten Male den Pervonte
sieht, noch einen weiteren Charakterzug, mürrische Launen-
liäftigkeit, die ihr den Gegenstand des allgemeinen Spasses
nur zum Verdruss und Ekel gereichen lässt.
Nicht so bedeutsam wie die Charakteristik der wichtigeren
Personen bildete Wieland die überlieferte Handlung des
Xärcbens um, auch hierin seinem französischen Vorgänger
«blich. Nur breiter machte zuerst dieser und dann noch ein-
ßial der deutsche Dichter alles, Einzelheiten schoben sie beide
'^m. auch die Anordnung der Teile der Geschichte, die Reihen-
tolge der erzählten Vorgänge änderten sie hie und da ein wenig.
Basile hatte seinem Märchen einige kurze moralische Be-
^rkungen vorausgeschickt, wonach es zeigen sollte, wie keine
140 Frone Muneker
gute Tat in der Welt unbelohnt bleibt. In der «Bibliotheque"
war diese Erörterung gestrichen worden ; der Bearbeiter begann
hier sofort mit dem ,11 y avoit une fois*. Wieland, der ge-
rade den kürzeren epischen Gedichten aus dem ersten Weimarer
Jahrzehnt eine philosophierende oder moralisierende Betrach-
tung vorauszusetzen liebte, deutete in dreissig einleitenden
Versen so ziemlich auf dasselbe «Nil admirari'^ des Horaz,
auf das er einige Seiten später bei der Charakterzeichnung
Pervontes wieder anspielte,^) um den Gedanken des alten Lehr-
meisters in der Lebenskunst ganz ähnlich fortzuspinnen wie
dort: Wie der Weise, zufrieden mit den Gaben des Geschicks,
in seiner Weisheit nichts wünscht, so wünscht auch der
Dümmste nichts, aus Dummheit; so gleicht sich in der Welt
alles gegenseitig aus, und darum mögen Weise und Narren
in brüderlicher Liebe nebeneinander als Kinder Einer Mutter
friedlich leben. Mit unbedingt zwingender Gewalt ergibt sich
diese Lehre nicht aus dem folgenden Märchen ; es wäre darum
doppelt befremdlich, dass Wieland sie, ohne auch nur mit einer
Silbe der Moral Basiles zu gedenken, an deren Stelle gesetzt
hätte, wenn er eben diese Moral in dem neapolitanischen Druck
gelesen haben sollte.
Die eigentliche Geschichte beginnt im Italienischen wie
im Französischen mit der Schilderung Peruontos und seiner
Mutter; Wieland schiebt die Charakteristik des Köni^ und
seiner Tochter voraus und springt dann ziemlich unvermittelt
zu der Beschreibung des bäuerlichen Paares über. An sich
bedeutete diese Umstellung keinen Vorzug des deutschen Dich-
ters; bei der Umständlichkeit aber, womit er seine Figuren
auszumalen pflegte, konnte er sich nicht wohl anders helfen.
Er vermied es so, seine Erzählung gerade da, wo die Hand-
lung ohne grossen Schaden unmöglich stillstehen durfte, durch
die Schilderung des Fürsten und der Prinzessin ungebührlich
lang zu unterbrechen. Für seine sehr viel kürzer charakterisie-
renden Vorgänger bestand diese Gefahr überhaupt nicht.
^) Vgl. oben S. 138.
Widands „Pervante''. 141
Eine unwesentlichere Verschiebung in den ersten Vor-
gängen der Geschichte selbst hatte schon der französische Be-
arbeiter Yorgenommen, dem Wieland hier getreulich folgte.
WieBasile erzählte er den Auftrag der Mutter an ihren müssigen
SohOf aus dem Walde Holz für die Küche zu holen, und dessen
Vollzug durch Penronte. Das im Italienischen anschaulich und
breit dargestellte langsame Einhertrödeln des faulen Schlingels
beachtete er zunächst nicht, liess ihn nach zwei Worten im
Wald angekommen sein, sein Reisigbündel zusammenlesen
mi nun erst ,en niaisant et en dandinanf sich auf den
Heimweg machen. Wieland fühlte hier, wie sonst öfters, die
Last und die Pflicht, den Vorgang in seine einzelnen Teile zu
zergliedern, so dass wir Schritt vor Schritt die Handlung sich
eotwickeln sehen, gleich als ob er die Abschnitte des «Laokoon*^,
welche dieses Verfahren bei Homer rühmen, neuerdings gelesen
Iiatte, vielleicht aber auch nur in unbewusster Ausübung der
einst den Fabeln La Fontaines und ähnlichen Mustern abge-
lernten Technik. So hatte er schon vorher Pervontes Mutter
sagen lassen: ,Nimm deinen Hut, lauff in den Wald!*^ Nun
erzahlte er Zug für Zug, wie der Bursche sich aufrafft, in den
Wald .schlendert'', hier zuerst stehen bleibt und nach den
Bäumen herumgafft, dann ans Werk geht, in die Hände spuckt,
unter den Bäumen herumkriecht und sein Bündel dürres Holz
sammelt, sich vergebens nach Hause getragen wünscht und
endlich sich das Bündel auflädt und den Heimweg antritt.
Wenn sich Wieland bei dieser epischen Ausführlichkeit seines
Vortrags auch in gewissem Sinne der Darstellung des italieni-
^hen Textes näherte, so bedurfte er dazu doch keineswegs
einer unmittelbaren Kenntnis dieses Textes. Gegen eine solche
Annahme scheint es vielmehr zu sprechen, dass er gleich dem
französischen Bearbeiter Pervonte erst nach getaner Arbeit
4ie Feen erblicken liess, wie er aus dem Wald wieder auf das
*reie Feld heraustritt. Bei Basile begegnet er den drei mit
Wunderkraft begabten Wesen bereits auf dem Wege zum Wald.
Hier sind es aber Jünglinge, Söhne einer Fee, die da mitten
31 der heissesten Sonne schlafen. Nur die der neapolitanischen
^ (
142 Frane Muneker
Mundart eigene Bildung des männlichen Plurals auf e (.tre
guagnune", ,ste poverielle*, «chille giovane* und in einigen
Ausgaben auch »figlie de na fata" u. s. w.) führte den fran-
zösischen Bearbeiter irre, so dass er die Schlafenden für Mäd-
chen nahm. Wieland schloss sich um so unbedenklicher an
ihn an, als ihm Feen zweifellos geläufiger waren als zauber-
kräftige Söhne von Feen.
Auch die Art, wie Pervonte die der Sonnenglut ange-
setzten Frauen, deren Schönheit ihn rührt, durch ein Laub-
dach schützt und endlich erweckt, nahm er in der Hauptsache
aus dem Französischen, das hier durch manche kleine Züge
die italienische Vorlage erweitert hatte. Schon in der »Biblio-
theque* breitet der mitleidige Bursche über die drei Laub-
dächer, die er hier errichtet, seine Schürze, seinen Rock und
sein Schnupftuch. Bei Wieland nimmt er zum selben Zwecke
sein Wamms und Halstuch. Dann lacht er herzlich über seinen
guten Einfall und «yahnt aus vollem Rachen
so laut als eine Eselin,
bis unsre Nymfen dran erwachen."
Sein Gelächter, hatte es im Französischen geheissen, „etoit
eclatant, et ressembloit beaucoup au braiement d'un äne". Im
Italienischen fehlte das Lachen überhaupt und somit auch der
drastische Vergleich. Die drei Jünglinge erwachen hier von
selbst, sehen, wie gefällig sich ihnen der Bauembursche er-
wiesen hat, und sagen ihm ohne weitere Zwischenreden sogleich,
dass ihm alles zuteil werden solle, was er wünsche. Im Fran-
zösischen fragen ihn die Feen zuerst, ob sie ihm für die liebens-
würdige Aufmerksamkeit verpflichtet seien, und Pervonte ant-
wortet auf diese Frage wie hernach auf die Mitteilung der
Dankbaren, dass sie ihm ein Geschenk machen wollen, mit
Reden, die trotz der Unbeholfenheit und Plumpheit des Aus-
drucks zu viel Zartgefühl verraten, auch zu verständig und
besonders zu wortreich sind, als dass wir sie dem Tölpel zu-
trauen sollten. Viel richtiger schweigt er bei Wieland mit
gesenktem Blick und schmunzelt bloss und dreht den Hut.
In den Reden der Feen klingt übrigens auch hier mehrfach
Widcmds „PenotUe", 143
das Französische nach. Ebenso in den Versen, in denen beim
Vetschwinden der drei Wunderfrauen Pervonte, der von allem
oiclits begriffen hat, sein Befremden ausspricht, dass sie ihn
trotz aller guten Worte nicht mit klingender Münze belohnt
lütten; auch davon steht bei Basile nichts.
Wieder genau nach dem Französischen auch in jenen
die Handlung Schritt vor Schritt uns vorführenden Einzel-
zQgen, über die der italienische Verfasser achtlos hinwegge-
gangen war, erzählt Wieland den Ausruf des heimkehrenden
Perronte, dass das Reisigbündel, das er tragen soll, lieber ihn
tragen möchte, die augenblickliche Erfüllung dieses Wunsches
und den Ritt des bald von einer johlenden Menge begleiteten
Barschen auf dem Bündel am königlichen Schlosse zu Salem
vorbei. Vor dem Schlosse macht das Bündel, wie Basile in
l^ungenster Kürze sagt, Volten und Kurbetten zum Er-
staunen (,fece rote e crovette da stordire*). Der französische
Bearbeiter hatte es schon auf dem Wege zum Schloss die ver-
schiedenartigsten Sprünge machen lassen («le fagot . . . se met
ägambader, ä pirouetter, et ä caracoUer"), die Wieland gar nicht
alle nachbilden konnte. Vor den Fenstern des Fürsten aber
machen in der «Bibliotheque* Pervonte und das Bündel gleich-
falls absichtlich Halt und zeigen alle ihre Künste: «le cavalier
et le fagot m6me jugerent ä propros de s'arr^ter quelque
temps dans cet endroit, et d' y faire tous leurs exercices."
Diese Übertreibung, die überdies für den gedankenlosen, auch
jetzt den Zusammenhang der Dinge noch nicht begreifenden
Pervonte in keiner Weise passte, liess Wieland mit Fug und
Recht beiseite. Ebensowenig eignete er sich die ungeschickte
Zutat des Franzosen an, dass vom Schloss aus die Prinzessin
in Gesellschaft ihres Vaters dem lächerlichen Schauspiele zu-
sah. Nur ihre Damen befinden sich bei ihr, im Deutschen
^e un Italienischen, das aber durch diese Übereinstimmung
«ieder nicht als notwendige Vorlage Wielands zu erweisen ist:
sein eigner künstlerischer Sinn konnte ihm schon sagen, dass
<ler König vor dem Volksfest Pervonte nicht zu Gesicht be-
kommen darf.
144 Frans Muneker
Bei Basile lacht die trübsinnige Fürstentocliter beim
Anblick des seltsam springenden Bündels mit seinem Beiter
zum ersten Mal in ihrem Leben laut auf, und der Bursche,
ärgerlich über diese Verhöhnung, ruft ihr alsbald zu: ,0 Va-
stoUa, ya, che puozze deventare prena de sto fusto!" Der fran-
zösische Bearbeiter führt die Szene weiter aus: die Königs-
tochter lacht zuerst tüchtig, dann ruft sie laut, dass Pervonte
es hören muss: «Assuräment le cheval n^est pas beau; mais
le cavalier est encore plus vilain, plus mausade, et plus ridi-
cule.* Nun erst, durch diese Worte gereizt, schreit der
Bursche ihr seinen groben Wunsch zurück, auch wieder um-
ständlicher und im einzelnen genauer bestimmt als im Italie-
nischen: ,Ah, ah, Mameselle la Princesse, vous ne me trouvez
donc pas ä votre gr^? Eh bien, je souhaite que vous soyez
grosse de moi de deux enfans, afin de Yoir, apres cela, comment
vous me trouverez/ Wieland hält sich durchaus, manchmal
fast wörtlich, an den Franzosen, erweitert und verstärkt ihn
aber überall und strebt nach genauerer Begründung des Ein-
zelnen. Die Prinzessin ist gerade schlechter Laune und lacht
deshalb überhaupt nicht über Pervonte, der ja so, wie ihn
Wieland zeichnet, ein herzhaftes Lachen nicht leicht übel
nehmen würde; sondern
Sie rümpft die Nase, wirft sich in die Brust,
und ruft: „Seht doch den Bärenhäuter,
„den Vogelschreck! — Sein Pferd ist freylich schlecht,
„und doch ists noch zu schön für einen solchen Knecht.)
„Das missgeschafne Thier!"
Pervontens lange Ohren,
wiewohl sein Witz so dick war als sein Fell,
verlohren
kein Wort von diesem Lobe — „So? Mamsell
Princessin, ruft er, bin ich nicht nach ihrem Schnabel?
Gut! War' ich auch der grosse Bei zu Babel,
so wünsch ich, dass sie auf der Stell
mit Zwillingen, versteht sie, schwanger gienge,
und das von mir!
Wielanäs „Pervanie*'. 145
Dann wollten wir doch sehn, eh sie von Thür zu Thür
mit ihren Krabben betteln gienge,
ob sie dem missgeschafnen Thier
mit Freuden nicht sich an den Gürtel hiengel^^)
Nach diesem Zomesausbruch reitet er stracks nach Hause.
Iber seine Ankunft daselbst berichtet Basile nur, dass die
Mutter vor den nachfolgenden Gassenjungen schleunigst die
Türe zusperrt. Ob sie auch ihren Sohn über seinen seltsamen
Ritt befragt, wird uns nicht verraten ; das Märchen kehrt sofort
zum Schicksal der Prinzessin zurück. Erst der französische
Bearbeiter, und in engem Anschluss an ihn Wieland, erzählt
Ton den Fragen der erstaunten Mutter, von Pervontes ver-
worrenen Antworten, aus denen niemand klug wird, und von
meinem ferneren müssigen Leben, während man das ganze
Abenteuer allmählich vergisst: ohne Zweck und Plan, lebt der
trage Tölpel auch ohne Wunsch weiter, so dass er Jahre lang
nicht dazu kommt, die — unbewusst ihm eigene — Feengabe
zu erproben.
Etwas rascher ging die „Bibliotheque" über die im Italieni-
schen mit naiver Derbheit geschilderte wunderbare Schwanger-
schaft und schliessliche Niederkunft der Prinzessin hinweg:
nur betonte sie, dass Vastole beständig ihre Unschuld ver-
sichert und in diesem Gefühle gerade jetzt doppelt spröde
gegen alle Bewerber ist. Wieland folgte seinem französischen
Vorgänger hier in allem und jedem; doch malte er selbständig
in grösster Breite das Gerede am Hofe und in der Stadt über
den unerklärlichen Vorgang aus. Den Zorn des Königs, der
•Tor Gift und Galle gelber als eine Quitte wird*, deutete er
dagegen ebenso wie der Franzose nur mit wenigen Worten
»n. während sich bei Basile der Wütende in langen Reden
^oll der spitzfindigsten Wortspiele ergeht, den Tod seiner
Tochter schon vor ihrer Entbindung und ebenso unmittelbar
^mach verlangt und sich nur durch die gleichfalls wort- und
'Ortspielreichen Vorstellungen seiner Räte bestimmen lässt zu
*) TeatBcher Merkur, November 1778, S. 109 f.
146 t)ran$ Muncker
warten, bis er mit der Verführten auch ihren jetzt noch un-
entdeckten Verführer bestrafen kann. So wachsen die Kinder
der Prinzessin inzwischen unbehelligt heran. Basile bezeichnete
sie ausdrücklich als „dui mascolune, comme a dui pomme
d^oro^; der Franzose machte daraus „deux petites fiUes'*, und so
erzählte auch Wieland von zwei , holden Töchterchen*, über
deren — im Französischen als selbstverständlich nicht besonders
erwähnte — Schönheit er ein paar allgemeine Worte beifügte.
Auf das erneute Drängen des Königs nach sieben Jahren
schlägt im Italienischen ein Ratgeber vor, ein grosses Festmahl
zu veranstalten, zu dem ^ogne tetolato e gentelommo de sta
cetate* oder, wie es hernach heisst, „tutte le perzune de ciappa
e de cunto^ zu erscheinen haben; aber die herbeigeholten
Zwillinge verraten zu keinem der Anwesenden die geringste
Zuneigung. Aus dem einfachen Ratgeber machte der fran-
zösische Bearbeiter ^un sage Ministre du Roi'^, Wieland, der
nur bis zum sechsten Jahre der beiden Kinder wartete, einen
Seneschall, den er ironisch als «Mann von grossem Kopf*
bezeichnete. Die ausführliche direkte Rede des Ratgebers bei
Basile hatte der Franzose in einen kurzen Satz zusammen-
gedrängt und sich dazu der Form der oratio obliqua bedient.
Wieland griff wieder auf die direkte Rede zurück, legte aber
seinem Seneschall Worte in den Mund, die nicht die geringste
Ähnlichkeit mit dem Italienischen aufweisen. Die Gesamtheit
des Adels, die der Franzose ungefähr ebenso wie Basile aus-
gedrückt hatte („toute la Noblesse'^, «tous les grands Seig-
neurs du Royaurae, jeunes et vieux"), umschrieb er eigen-
artig: „vom Hübnerstopfer an bis zu den ^) Herrn mit Stäben,
was königlich sich schreibt. Erst die späteren Ausgaben
seiner Dichtung (seit 1785) brachten dafür: „Vom kleinsten
Junker an bis zu den Herrn mit Stäben, Was Ahnen hat*.
Nun lässt bei Basile der König auf den Vorschlag seiner
Räte sogleich ein zweites Gastmahl, an einer langen langen
Tafel, für die niedrigen Leute und alles Gesindel der Stadt
1) Im „Merkur" (Dezember 1778, S. 190) steht verdruckt: dem.
Wieländs ,,Perv<mte'', 147
geben (das im Italienischen weitläufig aufgezählt wird), um
hier Tielleicht den Vater der Zwillinge zu entdecken, „perche
la femmena s'attacca sempre a lo peo*'. Zu diesem Gastmahl
begibt sich auf Zureden seiner Mutter auch Peruonto, und
hum erscheint er, so laufen die beiden Kinder auf ihn zu und
Qberbäufen ihn mit Liebkosungen. Der französische Bearbeiter
setzte an die Stelle eines regelrechten Gastmahls „une cocagne'
für das Volk von Salem und schilderte nach Berichten solcher,
die Süditalien bereist hatten, einzelne Einrichtungen eines der-
artigen Volksfestes, besonders die „Pyramide**, die man dabei
dem Pöbel zur Plünderung überlässt, einen auf offnem Platze
iioch aufgerichteten, mit allerlei Esswaren umsteckten Mastbaum.
Wieland folgte wieder dem Franzosen, schob aber vor der
- genau nach seiner Vorlage, nur etwas breiter geschilderten —
.Cöcagne", deren Namen er sogar beibehielt, noch einen zweiten,
erfolglosen Versuch, einen Ball für die Bürger von Salem,
selbständig ein und leitete sowohl zu diesem zweiten wie dann
zu dem dritten Versuche durch lebhafte Reden zwischen dem
König und seinem Seneschall hinüber.
Zu dem Volksfest treibt in der „Bibliotheque" die Mutter
itn Pervonte: ,Vas-y ... tu m'en rapporteras du moins un
cervelas*. Fast die nämlichen Worte spricht sie bei Wieland:
,. . . geh, du auch; du wirst doch eine Wurst
zum wenigsten von diesem Spass erhaschen;
lauf was du kannst!''
Die letzte Ermahnung, die den bei der Trägheit Pervontes
nicht recht wahrscheinlichen Erfolg hat, dass der „Rothkopf
beuchend angelauffen" kommt, stammt aus der kurzen, auch
^oU nicht so buchstäblich zu nehmenden Bemerkung des fran-
zösischen Bearbeiters „et le ben6t y court". Wie im Italie-
nischen und Französischen, eilen auch bei Wieland die Kinder
.mit offnen Armen* (»les bras ouverts") auf Pervonte zu. Das
Jnder »Bibliotbeque* nur ganz allgemein angedeutete Erstaunen
i» Hofes und den Zorn des Fürsten drückte aber Wieland
j*hr glücklich mit humoristischer Wirkung durch ein kurzes
148 Frans Muneker
Gespräch zwischen dem über den Erfolg seines Vorschlags
erfreuten Seneschall und dem wütenden König aus. Damit
näherte er sich wieder der Darstellungsweise Basiles, der hier
gleichfalls zur direkten Rede gegriffen hatte. Auch aus der
im Italienischen hier erst eingefügten Schilderung der äusser-
lichen Hässlichkeit des Burschen, die Wieland gleich dem
Franzosen ja schon viel früher gebracht hatte, scheint doch
noch ein Zug hier in das deutsche Gedicht herüberzuwirken
und zwar ohne Vermittlung der französischen Nacherzählung.
Barfuss und zerlumpt (^scauzo e vrenzoluso*') kommt Basiles
Peruonto zu dem Gastmahl; und Wieland beschreibt ihn
„. . . . so schmutzig als er da
in seiner Jacke steht, mit ungekämmten Haar
und ohne Schuh*.
Doch beschränkt sich auch hier die Ähnlichkeit auf einen ein-
zigen, nebensächlichen Zug, auf den der deutsche Dichter sehr
leicht von selbst ohne jede fremde Anregung kommen konnte.
Die Worte aber, die er dem König in den Mund legte, unter-
scheiden sich so sehr von den italienischen, dass man auch
hier kaum auf eine unmittelbare Benutzung des neapolitanischen
Textes wird schliessen dürfen.
Ein weiterer, gleichfalls selbständig ausmalender Zug Wie-
lands ist es, dass der erzürnte Fürst, sobald die arme, sich
keiner Schuld bewusste Vastola anfangen will, sich zu ver-
teidigen, „ihr Arm und Bein zu brechen" droht. Die Strafe,
zu der er die Prinzessin samt dem Burschen und den beiden
Kindern verurteilt, dass sie zusammen in ein Fass gesteckt und
ins Meer geworfen werden sollen, und der sofortige Vollzug
dieser Strafe wird im Italienischen, Französischen und Deutschen
ziemlich gleichmässig dargestellt. Nur fallen bei Basile die
Räte, bei dem Franzosen und bei Wieland, der sich auch hier
wieder der direkten Rede bedient, der König selbst in seiner
Leidenschaft den Spruch, und bei ihnen steht auch schon das
Fass bereit von dem Volksfest her, wo man es, mit Wein
gefüllt — Wieland nimmt an, mit „ziemlich saurem Wein* —
WuHanda „Pervonte". 149
dem Pöbel preisgeben woUte. Dagegen fiel schon in der
.Bibliotheque' die Bemerkung Basiles weg, dass einige jam-
mernde Hofdamen der Prinzessin in das Fass noch ein kleines
Fi^Iein voll Rosinen und getrockneten Feigen werfen, damit
ihiv unglückliche Herrin wenigstens für eine kurze Zeit zu
leben habe. Der Satz fehlte demgemäss auch bei Wieland.
Im Zusammenhange damit entwickelte sich denn auch die
nächste Szene formal verschieden im neapolitanischen Märchen
und in seinen beiden Bearbeitungen. In jenem fragt die ver-
zweiflungsvoll weinende YastoUa, die vorläufig an kein Wunder
denkt, nach dem eben Erlebten aber an der Vaterschaft Peruon-
t')s nicht mehr zweifelt, diesen in der naiv -unanständigsten
^^eise, wie er es angestellt habe, sie in diese entsetzliche Lage
K bringen. Der Tölpel antwortet auf diese wie auf jede
folgende Frage und Bitte regelmässig: „Si vuoie che te lo
<üco, tu dämme passe e fico'', und als seine Esslust befriedigt
i< erzählt er die ganze Geschichte. Der französische Bearbeiter
des achtzehnten Jahrhunderts konnte die urwüchsigen Derb-
leiten des Italienischen seinen Lesern unmöglich zumuten. So
hielt er die Frage nach dem Wie, auf die sein Pervonte keine
Antwort weiss, ganz allgemein, doch so, dass sie zugleich
ien vollen Unglauben zeigte, mit dem die Königstochter
ä:e Losung des langjährigen , Rätsels aufnimmt, und Hess un-
fliittelbar darauf die Versicherung der Prinzessin folgen, dass
sie den mit ihr verurteilten Burschen überhaupt noch nie ge-
lben habe, wofern er nicht etwa jener Geselle sei, der vor
^twa acht Jahren auf dem Reisigbündel am königlichen Schlosse
Y^jrbeiritt. „Eh! mais vraiment c'etoit moi-mßme**, erwidert
'ia Pervonte, ,a telles enseignes que vous me trouvates vilain,
^^- que, piqu^ de cela, je souhaitai que vous fussiez grosse de
W de deux enfans tout d'un coup. Oh Dame! Tout ce que
]^ i^uhaitois dans ce temps-lä, arrivoit sans faute; parce que
jüTois rendu service ä trois Fees qui m'avoient dit que je
^avois qu'ä desirer.* Das in seiner regelmässigen Wiederkehr
^r das echte Volksmärchen so bezeichnende gereimte Sprücli-
>in mit dem Verlangen nach Rosinen und Feigen konnte bei
l'«a. 3itigBb. d. phUot.-phi]ol. n. d. bist Kl. 1 1
150 Fron» iiunelur
einer derartigen lebhafteren Gestaltung des GeBprächs keine
Stelle mehr finden; darum strich der Bearbeiter das ganze Motiv.
Wieland folgte hier durchweg in freier Weise der ,Biblio-
theque". Hatte diese das Entsetzen und die VerzweifloDg der
Prinzessin eben auch nur genannt, so malte er die fürchterliche
Lage der mit Pervonte zusammengesperrten, dem Tode preis-
gegebenen Fürstentochter mit kräftigen Stricheln genauer aus
und legte dabei den Nachdruck besonders auf das Widerliche
und Schmachvolle der Situation fClr die spröde, stolze Yastola.
So zeugen denn auch ihre Reden von einem Ekel und einer
Verachtung ihres Schicksalsgenossen, die im Französiseheu
nicht wahrzunehmen sind. Mit Abscheu und unbedingtem Un-
glauben weist sie den Gedanken an seine Vaterschaft zurück.
Breiter und derber als in der ganz abgeblassten Darstellung
der „Bibliotheque*, zugleich jedoch noch lebendiger und natür-
licher in Rede und Gegenrede gegliedert, entwickelt sich hier
ihr Gespräch mit dem plumpen Burschen. Auf ihren Ausruf
„Ich, die dich nie in meinem Leben sah!' unterbricht sie dieser:
,Was das betrift Frau Donna Vastola,
da möchtet ihr die Wahrheit ziemlich sparen.*
Und nun entspinnt sich zwanglos mit dramatischer Munterkeit
der Dialog:
Ach! nun besinn ich michs — an deinen rothen Haaren
und an dem weitgespaltnen Maul —
Bist du vielleicht der Schuft, der auf dem Steckengaul
hey unserm ScMoss vor siAen Jahren
vorbeyyeritten ham?
„Ey freylich, bin ich der!
Ich weiss es noch als wärs von gestern her;
besinne mich gar wohl, wie ihr das Naschen rümpftet,
und wie ein Sperling auf mich schimpftet,
und hiesst mich Vogelschreck und Zeidelbär,
und was vors Maul euch kam — Es kroch mir übern Magen,
das läugn^ ich nicht; und, mit Respect zu sagen,
da wünscht^ ich euch, ihr möchtet straks von mir
WUüandM „Pervonte''. 151
mit Zwillingen ein wenig schwanger gehen:
Ihr solltet, dacht ich, Spass verstehen;
Wie ihr Ernst draus gemacht und zu den Püppchen hier
gekommen seyd, da möcht ihr selber sehen.
Ich, wie ihr wisst, weiss weder Gicks noch Gacks
davon. Das weiss ich nur: ich hatt^ es Ton den Feen
dass damals, was ich wünschte, stracks
geschehen musste.*
Wie? das hattest du von Feen?
.Nieht anders! Meine Keuterey
auf einem Bündel Reis bey euerm Schloss vorbey
kam bloss daher. '^)
Daran schliesst sich dann im Deutschen wie im Fran-
»«schen ganz von selbst, und zwar mit beinahe wörtlicher
Uereinstimmung, die Frage, ob Pervonte diese Feengabe noch
inimer habe, und seine Antwort, dass er dies nicht wisse, da
& bei seiner Mutter immer genug zu essen, also nichts zu
wünschen gehabt habe. Im Italienischen fehlt auch diese Er-
wägung; VastoUa hat hier kaum vernommen, wie vor acht
lahren alles vor sich ging, so bittet sie den noch eben Ge-
scbmahten mit den freundlichsten Worten — sie nennt ihn
.Frate mio* und ,Bello giovane mio** — , dass er das Fass
in ein schönes SchiflF und, als es Abend wird, das SchifiF in
^ herrliches Schloss, endlich sich selbst in einen schönen,
Unen jungen Mann verwandelt wünsche. Und Peruonto ver-
engt jedes Mal seine Handvoll Feigen und Rosinen; dann
sj'richt er den Wunsch aus, der sich alsbald erfüllt. Die über-
^'Mihende Vollkommenheit dieser Erfüllung, das geschäftige
Tmben auf dem Schifife, die prächtige Einrichtung des Pa-
1^, die nunmehrige Schönheit Peruontos, schildert Basile
2iit wenigen, aber bezeichnenden und durchaus genügenden
Strichen.
Der französische Bearbeiter wandte schon beträchtlich
c^ehr Worte auf, obgleich bei ihm Pervonte ohne jede Gegen-
') Teutscher Merkur, Janaar 1779, S. 5 f.
11*
152 Dräne Muncker
forderung sogleich den Bitten der Prinzessin Gehör schenkt.
Zuerst wünscht er hier nur Lebensrettung überhaupt, worauf
das Fass flott und sicher auf den Wogen dahinschwimmt,
dann erst ein schönes, mit allem Nötigen bequem ausgestattetes
Schiff, hernach in einem anmutigen, aber unbewohnten Tal
am Ufer ein prächtiges Schloss mit Park, Obstgarten, Weide-
plätzen, allerlei Tieren, dazu Diener, Dienerinnen und sonstiges
Gefolge. Die beiden letztem Wünsche spricht ihm die Prin-
zessin Wort für Wort vor. Im Schlosse setzen sich die Ge-
retteten zu Tisch, begeben sich dann, müde von den Auf-
regungen des Tages, bald zur Ruhe, und erst beim nächsten
Mittagsmahl wünscht sich Pervonte der Prinzessin zuliebe
persönliche Schönheit.
Obgleich fast doppelt so umfangreich wie das Italienische,
verhält sich doch die Erzählung in der „Bibliotheque* zu
Wielands Darstellung dieser nämlichen Vorgänge wie eine
knapp andeutende Skizze zur breitesten Ausführung. „Mon
eher Pervonte*, hatte auch im Französischen die Prinzessin
sogleich begonnen, als sie von der Feengabe hört, die ihr sonst
nur Abscheu erweckender Geföhrte besitzt. Wieland lässt sie
zuerst noch grob auf seine Dummheit schimpfen, die ihn die
ganzen Jahre her nie zu einem Wunsch hat kommen lassen;
dann sucht sie ihn — nicht ohne Ironie — zum Wünschen
zu bewegen. Und nun weigert sich der durch ihre Schmähungen
gekränkte Pervonte und gibt ihren Bitten erst nach, als sie
ihm „einen derben Schmatz* gewährt, dessen Widerlichkeit
für die stolze Vastola Wieland nachdrücklich hervorhebt. Also
auch hier lässt sich der Tölpel seine Bereitwilligkeit zu wün-
schen durch eine Gegengabe abkaufen wie bei Basile, im Gegen-
satze zur französischen Fassung. Doch scheint auch dieses
Motiv nicht aus dem italienischen Texte zu stammen: der Ver-
fiisser der „Komischen Erzählungen* und der folgenden, geistig
verwandten Dichtungen brauchte keinen fremden Lehrmeister,
um zu schildern, wie eine spröde Schöne sich in der Not gegen
den, der sie retten kann, nachgiebig erweist.
Die beiden ersten Wünsche der französischen Bearbeitung
Wi^ands „PervofUe". 153
drängte Wieland in einen zusammen : sein Pervonte muss sich
sogleich «die schönste kleine Barke* wünschen, wohl versehen
mit allem Nötigen und bemannt mit rüstigen Matrosen. Auch
liier kehrte der deutsche Dichter doch wohl unbewusst zu der
Fassung des italienischen Originals zurück. Sie ergab sich
üun ganz natürlich von selber: wenn die Prinzessin die £r-
liorung ihrer Bitte so teuer, durch einen Euss, bei dem wider-
lichen Gesellen erkaufen muss, kann sie sich auch nicht mit
der Kleinigkeit begnügen, zu wünschen, dass sie in dem Fasse
nicht ertrinken möchten, sondern darf sogleich mehr, ein
^hunes Schiff, begehren. In der Ausmalung des «Feenwerks^,
üas auf den kaum ausgesprochnen Wunsch erscheint, verfuhr
Wieland ganz selbständig, mit behaglichster Breite und mit
Aufwand aller möglichen Anspielungen auf geschichtliche Vor-
güige und philosophische Lehrsätze. Wenn die Matrosen bei
üim «belebten Bildern gleich* unermüdlich ihre Arbeit «nach
dem Takt in tiefster Stille'' tun, so ist dies das gerade Gegen-
teil von der lärmenden Geschäftigkeit der Schiffsleute bei
Ba.vile, die freilich auch dem süditalienischen Yolkscharakter
hesser entsprach: hätte Wieland den neapolitanischen Text
g'-bnnt, so hätte er wohl auch das Leben auf der Barke
soehr im Einklänge mit ihm geschildert. Sicherlich unab-
^gig von Basile, bei dem auch nach der Verwandlung des
Uvses in ein Schiff und in einen Palast die getrockneten
feigen und Rosinen ihre Rolle weiter spielten, obgleich sie
ioch nur in dem sonst an Vorräten leeren Fass eine Bedeutung
hatten, kam Wieland auf den Einfall, dass Pervonte sich
^cptsachlich an die .Mundprovisionen" hält, die natürlich
•- dem wohl ausgerüsteten Schiffe nicht fehlen und ihm, der
ja in der deutschen Erzählung bisher nichts zu essen be-
■^"inmen hat, erwünschter als alles andre sind. Die Frage,
^* verschieden das Wunder auf ihn und auf Vastola wirken
^lle, musste den Dichter naturgemäss auf diesen Charakterzug
"•^ines plumpen Helden biingen.
Auch im folgenden führte Wieland den Gegensatz zwischen
• ▼as Pervonte und die Prinzessin empfinden und wünschen,
154 Frans Muneker
wirksam fort. Im wörtlichen Anschluss an den französischen
Text schilderte er zunächst, wie die Barke ein Vorgebirge
.dubliert" (»eile doubla ensuite heureusement un petit cap*^)
und »vor Abend noch am schönsten Ufer* anlangt. Noch
bevor aber Yastola hier ihren neuen Wunsch formulieren kann,
fällt ihr Pervonte, dem der Sinn nur nach Essen steht, mit
dem drolligen Ausdruck seiner Begierde ins Wort. Ärgerlich
unterbricht sie ihn und spricht ihm ihr Verlangen nach dem
9 schönsten Schloss*, dessen Einrichtung und Umgebung sie
nach allen Einzelheiten beschreibt, so langatmig vor, dass Per-
Yonte in der Tat mit einem gewissen Recht ihr Einhalt gebietet:
»He! ists noch nicht vorbey?
die Feen können's ja nicht all im Eopf behalten:
Ihr wollt auch gar zuviel auf einmal!*
unmittelbar an die Erfüllung dieses Wunsches schliesst
sich auch bei Wieland das Abendessen in dem durch seine
Herrlichkeit immer neues Staunen erregenden Schlosse an.
Aber statt, wie im Französischen, müde die Ruhe zu suchen,
bringt im deutschen Gedichte Pervonte schon beim Nachtisch
durch seine plumpe Zärtlichkeit Yastola zur Einsicht, dass
ihr, wie die Dinge einmal liegen, nur die Vermählung mit
ihm übrig bleibt, und so bestimmt sie ihn auch sogleich dazu,
sich Schönheit zu wünschen. Bei Basile hatte das Eine Wort
„Narciso* die Schönheit des Verwandelten ausgedrückt. Schon
im Französischen aber hatte es geheissen, die Erfüllung dieses
letzten Begehrens habe Pervontes eigne Wünsche übertroffen,
sich aber vollkommen im Einklang mit denen der Prinzessin
gehalten. So veränderte denn Wieland schon das Wort Per-
vontes ,Je veux bien fetre beau* in den Ausruf: „Lasst, vom
Ballen zum Schopf, mich seyn wie ihr mich haben möcht!''
Zugleich entwickelte er sorgfaltig die Gedanken Vastolas, die
den hässlichen Burschen zwar zu einem Adonis umgeschaffen,
aber mit der Muskelkraft eines Milon von Eroton ausgestattet
sehen möchte, und schilderte mit lebendigen Zügen, wie sie
alsbald errötend sich in ihren geheimsten Wünschen von den
Wiaandi „Ferwmte*'. 155
Feen ertappt und Pervonte in ,ein Ideal, yoUkommem in der
Mitten vom Herkules und rom Antinous'* verwandelt erblickt.
Mit der Schönheit des Jünglings sind bei Basile alle
Wunsche der Königstochter befriedigt: vor Freude ausser sich
scbüesst sie den Verwandelten in ihre Arme. Auch der fran-
ztlsische Bearbeiter berichtete, wie verliebt sich nunmehr die
Prinzessin gegen den erweist, den sie vorher als verächtliches
Scheusal behandelt hat. Ausdrücklich fügte er aber noch
hinzu: «Elle ne se presaa pas de lui faire desirer de Tesprit".
Wohl aber beeilt sie sich, von einem durch Feenkunst in das
Schloss geführten Priester sich mit Pervonte rechtmässig trauen
zu lassen. Erst nach einigen Tagen weist sie ihren Gatten
u. sich auch Verstand zu wünschen, aber genau so viel davon,
ak er brauche, um glücklich zu werden und seine Frau glück-
lich zu machen, und kaum ist auch dieser Wunsch erfüllt,
so erklärt ihr Pervonte, dass sie nun zufrieden sein und die
Feen künftig nicht mehr beunruhigen wollen. Und so leben
sie, mit sich selbst und der Erziehung ihrer Kinder beschäf-
tigt, glücklich und wunschlos in ihrem Schlosse weiter.
Auch Wieland machte sich den Zusatz der aBibliotheque*
^ohl zu Nutze. Nur die kirchliche Trauung, die zu dem ganzen
^.liarakter des Märchens wenig passte und nur wie eine äusser-
liche Formalität erschien, liess er mit Recht beiseite. Aus-
führlich schilderte er die Verliebtheit der Prinzessin in ihren
verwandelten Geföhrten, über dessen Schönheit sie volle acht
Tage lang seine angebome Dummheit ganz und gar vergisst.
Efst wie der einförmige Oenuss sie zu langweilen beginnt,
^•ittet sie ihren Freund, sich auch Verstand von den Feen zu
wünschen. Aber erst nach längerem Widerstreben, durch das
gerade die Albernheit Pervontes noch einmal hell beleuchtet
^, entschliesst er sich, ihre Bitte zu erfüllen; er ruft:
„Nun wohlan,
so gebt mir dann Verstand, ihr lieben Feen,
und zwar vom guten! Denn es heisst,
es sey nicht alles Gold, was gleisst.** ^)
*) Teutscher Merkur, Januar 1779, 8. 18.
156 Fron» Muneker
Wie sehr ihn auch diesmal die Feen erhören, beweist er gleich
seinem französischen Vorbilde sofort durch den Entschluss,
nun keine neuen Gaben von seinen Wohltäterinnen mehr zu
erpressen:
yLass durch Oenuss uns nun verdienen, was wir haben!
uns lieben, Yastola, und alles um uns her
mit unserm Glück erfreuen und beleben,
sey unser Loos! Was könnten wir noch mehr
uns wünschen, oder was die Feen mehr uns geben?*
Mit diesen Versen bricht Wielands »Pervonte* im ,Teut-
schen Merkur* 1779 ab, und stünden darunter nicht ausdrück-
lich die Worte .Die Fortsetzung künftig", die wenigstens die
Absicht des Dichters bekunden, sein Märchen noch weiter zu
führen,^) so könnte die Rede des glücklichen und zufriedenen
Titelhelden recht gut als Schluss des Ganzen gelten. Jedenfalls
war für den dichterischen Eindruck der Ausgang des Märchens
entbehrlich, wie ihn Basile und breiter, aber sonst nichts weniger
als glücklich der französische Bearbeiter erzählte, die Einkehr
des in der Nachbarschaft jagenden Königs im Schlosse seiner
Tochter, seine Begegnung zuerst nur mit seinen Enkelchen,
dann mit ihren Eltern und endlich die fröhliche Versöhnung
aller. So fehlte denn auch beim Wiederabdruck des ,Per-
vonte* im fünften Bande von Wielands , Auserlesenen Ge-
dichten* 1785 (und wohl ebenso in der mir nicht zugänglichen
neuen Auflage von 1791) jede Andeutung einer beabsichtigten
Fortsetzung: die Verse, in die 1779 die Dichtung nur vor-
läuiig ausgeklungen war, erschienen jetzt als der volle, end-
gültige Abschluss des Ganzen.
^) Vgl. auch Wielands Brief an Merck vom 22. Februar 1779
(Briefe an Merck, Darmstadt 1835, S. 156f.): ^Fervonte ist, soweit er
fertig ist, im März und den ersten 8 Tagen des Aprilfl 1778 gemacht
worden. Die hernach plötzlich eingetretene Kälte unterbrach die Voll-
endung, und seit dieser Zeit ist es mir unmöglich gewesen, das Ding
fertig zu machen. Denn das Denouement fehlt noch, wiewohl es rur
Noth auch da, wo ichs abgebrochen habe, aufhören könnte.*
Widohds ,^ervonte", 157
Der Hinweis auf die italiemsche Quelle lautete übrigens
iu diesem spätem Abdruck noch bestimmter als früher im
deutschen Merkur": «Das Sujet ist aus dem Pentamerone
oder CufUo ddli Cunti di Gian Alesio Abbatutis genommen,
woroQ sich in der Biblioth. ünivers. des Romans vom Jun.
nni Septemb. 1777 ein Auszug befindet/ Dass trotzdem Wieland
aller Wahrscheinlichkeit nach nur diesen französischen Auszug,
jedoch nicht den italienischen Orundtext zur Vorlage hatte,
lässt sich nun aber auch noch durch gewisse Unterschiede
zwischen seiner Dichtung und dem neapolitanischen Märchen
in der stilistischen Form beweisen.
Bei aller Treue gegen den alten Inhalt der Märchen und
gegen die derbe Ausdrucksweise der untersten Klasse unter
den Einwohnern Neapels war doch Basile kein volkstümlicher
Erzähler im strengsten Sinn, der nur die einfache, unver-
künstelte Sprache des Volkes redete. Vielmehr verrät seine
Darstellung mit ihren vielen Anspielungen auf Geschichte
und Literatur schliesslich immer den gelehrt gebildeten Schrift-
steller. Besonders aber weist sie eine bestimmte stilistische
Manier auf, die Basile der italienischen Kunstliteratur seiner
Zeit abgelernt und für den drastisch-witzigen Vortrag seiner
Märchen in eigner Weise ausgebildet hatte. Gleich allen
Schülern Marinis hebte auch er Antithesen und Wortspiele,
überhaupt eine bildhche, künstliche, uneigentliche Ausdrucks-
weise. Prächtige Beispiele dafür bieten in unserm Märchen
vor allem die Reden des erzürnten Königs: die Gesuchtheit
der Einfalle und Redewendungen verschwindet hier stellen^
weise fast völlig hinter der urwüchsigen Derbheit und un-
mittelbaren Wirksamkeit des muntern Witzes. So, wenn der
^onig, nachdem er in einigen recht gezwungenen Bildern
^inen Räten den Zustand VastoUas angedeutet, auch in die
ärgerliche Klage ausbricht: »Giä sapite, ca pe carrecareme la
fronte, s'ha fatto carrecare lo ventre", oder wenn er bei dem
abschreckenden Anblick Peruontos wütend seiner Tochter zu-
nift: ,Ah, nfamma, cecata fauza, che metamorfose so eheste?
ifttentare vacca pe no puorco, azzö ch'io tomasse piecoro?*
158 Frang Muneker
An solchen Stellen müsste Wieland seine helle Freude
gehabt haben; wären sie ihm bekannt geworden, so hätte er
sie sich für seine Nachbildung gewiss nicht entgehen lassen.
Denn während der nüchterne, wenig naire franzosische Be-
arbeiter derartige Spuren eines kräftigen, wenn auch nicht
eben sehr feinen Witzes erbarmungslos beseitigte, liebte Wie-
land sie ebenso sehr, wie er andrerseits die Freude Basiles an
gelehrten Anspielungen teilte, die der Franzose gleichfalls
samt und sonders unterdrückte. Wob doch Wieland deren
noch ungleich mehr als der italienische Erzähler in seine
Dichtung ein, von der Schilderung der Schönheit Vastolas an
gleich am Anfang der Geschichte bis zu den verschiednen
Wünschen Pervontes, mit deren wunderbarer Erfüllung sie
schliesst, Anspielungen auf antike Sage und Geschichte, Lite-
ratur und Kunst, auf alte und neue Philosophie, ja selbst auf
abgelegene geographische Namen (z. B. auf die Marianeninsel
Tinian), Anspielungen, die hauptsächlich zur sinnlichen Ver-
deutlichung und zum rednerischen Schmucke dienen sollten,
mit denen Wieland aber auch bisweilen ironische oder humo-
ristische Absichten verfolgte. Doch gerade die Anspielungen,
die sich bei Basile finden, sucht man bei Wieland vergebens,
und ebenso wenig triifft man bei ihm die für den Italiener
bezeichnenden Derbheiten und volkstümlich -niedrigen Wen-
dungen an, soweit sich nicht etwa ein schwacher Rest davon
in die französische Bearbeitung hinüber gerettet hatte. Auch
jene derb -witzigen Wortspiele und Antithesen, die ja im
Deutschen leicht genug nachzubilden gewesen wären, begegnen
uns nicht bei Wieland; an die bildlich-uneigentliche Ausdrucks-
weise Basiles erinnert bei ihm so gut wie nichts.
Dagegen traf er unbewusst mit glücklichem Takte den
von dem Italiener angeschlagenen und von dem Franzosen fast
durchweg verfehlten humoristischen Ton. Er brauchte ja nur
im grossen und ganzen wieder die Sprache zu reden, die er
erst vor wenigen Monaten mit grosser Geläufigkeit im , Schach
Lolo* und viel früher schon nicht ganz so fliessend in ein-
zelnen Abschnitten seines „Urteils des Paris* und anderer
WMamäs „Pirwnte*'. 159
Gedichte, desgleichen hie und da in den komischen Kapiteln
seiner Prosaromane gesprochen hatte. So würzte er denn auch
jetzt seinen dichterischen Vortrag überall mit derbem, yolks-
tümlichem Witz, wählte gern niedrige und plumpe Ausdrücke,
gelegentlich sogar mundartliche oder yeraltete, nur noch land*
schaftlich hie und da im Gebrauch erhaltene Worte und
Formen,^) sparte auch charakteristische Schimpfwörter, Wen-
dungen des Unmuts, des Zorns, der Geringschätzung nicht,
trug bei Schilderungen die Farben etwas dick auf und gab
den Reden seiner Personen mit Vorliebe etwas Polterndes,
Dummdreistes oder Hochfahrendes. Ja selbst, wo eine gut-
mQtige Regung Perrontes Seele beschleicht, wie beim Anblick
der schlafenden Feen, drückt er sein Gefühl äusserlich plump aus:
,^s ist Schade doch für diese Dirnen da,
so in der Sonne, wie die Kälber,
zu liegen, unbeschirmt !'^)
Um aber seine Hässlichkeit und Trägheit zu beschreiben, ver-
wendet Wieland gleich im Anfang des Märchens neben allerlei
karikaturenhaften Zügen auch mehrere zweifelhafte Ehren-
namen wie 9 Lümmel", »Faultier", »gutes Vieh* und dergleichen,
und diese Liste erfahrt im weiteren Verlauf der Geschichte,
so oft von dem Titelhelden die Rede ist, eine ganz beträcht-
liche Vermehrung.
Wo etwa schon der französische Bearbeiter einen derberen
Ausdruck braucht, vergröbert ihn Wieland oder malt den
Sinn anschaulicher, wirksamer, nur freilich mit nichts weniger
als zarten Farben, aus. »On s^apperfoit que son ventre grossit",
heisst es in der »Bibliotheque* von der Prinzessin, nachdem
Pervonte im Arger ihr Zwillinge gewünscht hat. Stellenweise
mit wörtlichem Anschluss an diesen Ausdruck und doch breiter,
deutlicher und derber schreibt Wieland:
1) Teutscher Merkur 1778, Bd. IV, S. 110 mein Laur, flacken; 1779,
Bd. I, S. 7 bis 80 gut, S. 10 durchniatem, lüstern (als Zeitwort), u. s. w.
*) Teutscher Merkur, November 1778, S. 106.
160 FranM Muneker
,Fünf Monden waren kaum
Yorbey, so muss bereits der Kammerschneider
der schönen Vastola ganz ingeheim mehr Raum
für Ihrer Hoheit Weichen machen . . .
. . . Bej allem dem schwillt ihr der jungferliche Bauch/ ^)
Nach der Geburt der Kinder berichtet der Franzose farblos
genug: ,Le Prince est dans la plus grande colere". Viel an-
schaulicher nnd volkstümlich-lebendiger schildert Wieland die
hilflose Wut des Fürsten:
«... und dass der Grosspapa vor Gift und Galle gelber
als eine Quitte wird, und sich nicht trösten kann,
von einem ungenannten Mann
so grob vexiert zu seyn — versteht sich von sich selber.*^)
Ahnliche Beispiele bietet der Druck der Dichtung im „Teut-
schen Merkur" nahezu auf jeder Seite dar, und die späteren
Ausgaben haben gerade in dieser Beziehung nichts Wesent-
liches geändert, wenn auch etwa in ihnen der eine oder andere
mundartliche Ausdruck einem hochdeutschen den Platz räumen
musste.
Sonst aber wies die Dichtung schon 1785 eine im ein-
zelnen sorgfaltig durchgefeilte und umgebildete Gestalt auf.
Zunächst wurde die lange und nicht sehr geschickt philosophie-
rende Einleitung gestrichen, so dass nunmehr das Ganze richtig
mit dem üblichen ,Es war einmal" begann. Auch auf den
unmittelbar folgenden Seiten kürzte Wieland viel, besonders
bei der Charakteristik des Königs von Salem. Was ihm nun
ein blosses Spiel nichtigen Witzes und leeres Geplauder schien,
fiel weg; inhaltlich und künstlerisch war dabei nichts verloren.
So gründlich übrigens wie auf den ersten zwei bis drei Seiten
ging er im weitern Verlauf der Dichtung nicht mehr mit
seinen Änderungen und Strichen vor. Noch immer feilte er
fleissig und fast ausnahmslos mit Einsicht und Geschmack;
M Teutscher Merkur, Dezember 1778, S. 193.
2) Ebenda S. 195.
Widandf „Perwmte". 161
aber seine Verbesserungen bezogen sich von nun an meistens
nur auf einzelne Worte und Formen. Änderungen, die eine,
wenn auch nur kleine, Wörtergruppe, einen ganzen Vers und
dergleichen betrafen, wurden, je weiter die Dichtung vorrückte,
desto seltener.
Wieland ersetzte 1785 mehrfach landschaftliche und ver-
altete Wort- und Flexionsformen durch die gemeinüblichen
hochdeutschen Formen. Statt den Mehrheitsbildungen „Daume*,
.Stangen* schrieb er ^ Daumen*, .Stangen'; «Pflaum* ver-
tauschte er mit »Flaum*, , gelüstig* mit »lüstern*, »zwo* mit
jZwei*, »so hättens wohl* mit »so hätten sie* u. s. w. ; für
.mein Laur* setzte er, wohl hauptsächlich, weil er das Wort
doch nicht in seiner eigentlichen Bedeutung gebraucht hatte,
das viel weniger sagende »mein Krauskopf*. Überflüssige
Worte, besonders Eigenschaftsworte, die nicht viel bedeuteten,
doch auch sonst kleine, entbehrliche Flickwörter, strich er
öfters, nicht immer. Auch aus Pervontes ungefüger Anrede
an die Prinzessin »Frau Donna Vastola* (Merkur 1779, I, 5)
musste das mittlere Wort entfallen. Von etwas grösseren
Satzgliedern wurde nur eines vollständig getilgt, bei dem
Garten, den Vastola sich rings um ihr Schloss wünscht, die
Worte »noch schöner als der beste im Homer* (ebenda I, 11);
ganz unmöglich wäre es übrigens nicht, dass dieser Vers 1785
nur übersehen worden wäre. Auch von den reichlich in den
Text eingestreuten Fremdwörtern beseitigte Wieland nach und
nach wenigstens die, die unverändert in ihrer fremdsprachUchen
Gestalt geblieben waren. Nur selten konnte er sie einfach
wegstreichen^) oder bequem mit deutschen Worten vertau-
schen;^) meistens musste er den ganzen Satz anders wenden.
Hatte es von dem Lächeln, mit dem Vastola am Hof ihres
1) So im Merkur 1779, I, 8 ,Che gusto!"
^ So z. B. ebenda I, 13, wo er aus der , präsumtiven Braut" ohne
^dc Mühe eine , künftige* machte, oder I, 10. wo er ,to be or not
tf) be* vortrefflich dem Sinn der Stelle gemäss mit dem Wort „die
Möglichkeit* übersetzte.
162 Fram Muneker
Vaters zahllose Verelirer an sieh kettefc, früher geheissen
(Merkur 1778, IV, 101):
«Doch immer war in dieses Zauberlächeln,
in diesen Blick, der sie zum Nichtermüden frischt,
ein Trotz, der freylich ihr gar schön Hess, eingemischt,
mit zwey, drey Gran Verachtung, quantum satis,
versetzt, womit sie euch ganz sachte von sich stiess,
und, jemab anders ihr als gratis
zu dienen, wenig Hofnung liess*
so wurde nun die ganze weitschweifige Beschreibung in vier
Verse zusammengezogen (Auserlesene Gedichte, Bd. V, S. 216):
.doch immer war darein ich weiss nicht was gemischt,
das ihm die krafb, die anmuth, kurz, was lächeln
zum lächeln macht, auf einmal wieder nahm,
so dass den Herren nicht viel davon zu gute kam.*
Namentlich strebte Wieland 1785 nach grösserer Präg-
nanz des Ausdrucks; viele Änderungen, die sich nur auf ein
Wort oder auf ein paar Silben erstreckten, dienten dem
Zwecke, die oder jene Kleinigkeit bezeichnender auszumalen.
Pervontes Stirne biess nun nicht mehr , schmal'' (Merkur 1778,
IV, 102), sondern „ platt *'; das Reisig, das der Bursche seiner
Mutter holen soll, lag jetzt nicht bloss „schon abgebrochen'
(ebenda IV, 105) im Wald, sondern »vom Sturm gebrochen*;
bei dem Volksfest sollte, statt »an Zierlichkeit und Pracht'
(ebenda IV, 198), nunmehr »an Überfiuss und Pracht' nichts
fehlen; bei der letzten Bitte Pervontes an die Feen, ihm Ver-
stand zu geben
»und zwar vom guten! Denn es heisst,
es sey nicht alles Gold, was gleisst*
wurde nun ausdrücklich hervorgehoben:
»Ihr seht, beym ersten wort, erhörten ihn die Feen,*
während früher viel allgemeiner dafür nur gesagt war, dass
sie ihn »auch diesesmal*" erhörten. Durch das ganze Gedicht
WiOandi „Pervonte". 163
hindun^h begegnen immer wieder Verbesserungen dieser Art.
Auch dem Wohllaut zuliebe, um die rasche Wiederkehr des
nämlichen Wortes zu yermeiden, änderte Wieland hie und da.
Das Reisigbündel trug 1778 (IV, 108) seinen Reiter «so
schnell als einen kaum der schnellste Klepper tragen konnte'^ ;
1785 wurde, um mehr Wechsel in den Ausdruck zu bringen,
das ei^ , schnell'^ mit «hurtig' vertauscht.
Auch Ton den derben Worten und Wendungen des ersten
Druckes mussten 1785 einige weichen. Aus der höhnenden
Rede der Prinzessin Ober den auf dem Reisigbündel reitenden
Penronte, die überhaupt etwas verändert wurde, strich Wieland
die Schimpf Worte , Vogelschreck " und «das missgesqhaffne Tier*'
und setzte dafür die zahmeren Ausdrücke «Wechselbalg'' und
»Unhold*. Die gleiche Milderung des Wortlauts musste dann
natürlich auch in der Antwort des gekränkten Burschen durch-
geführt werden. So schwoll denn auch hernach der verwünschten
Prinzessin nicht mehr «der jungferliche Bauch* (vgl. oben
S. 160), sondern bloss «zusehends ihr Gontour^. Wenn da-
gegen Pervonte die mit ihm dem Tode preisgegebene Vastola
an jenes erste Zusammentreffen erinnert, wari^ er ihr 1785
derber als 1779 vor, dass sie damals auf ihn «wie ein Rohr-
spatz', nicht bloss «wie ein Sperling", geschimpft habe.
Ein paar Male feilte Wieland prosaische Redewendungen
recht glücklich weg. Der schlecht gelaunten Prinzessin macht
1778 sder Gegenstand der allgemeinen Lust* Verdruss und
Ekel; 1785 verdriesst sie «die allgemeine Lust* selber. Als
Pervonte nach ihrem Wunsch Schönheit von den Feen erhält,
erscheint er ihr 1779 als «ein Ideal, vollkommen in der Mitten
Tom Herkules und vom Änünom*. Viel kunstreicher und edler
leisst es dafür 1785:
«ein Ideal, worin Antinous
und Hercules so um den Vorzug stritten,
dass jeder siegt und keiner weichen muss.*
Wie hier, so wandte auch sonst noch ein und das andere
Mal Wieland 1785 geringfügige Zusätze auf, um eine Rede
164 JFVafMr Muncker
oder Handlung lebhafter auszumalen. Verlegen schmunzelt
Pervonte 1778 vor den erwachten Feen und ,, dreht den Hut*;
nun lässt er viel anschaulicher .den abgegrifnen hut im
kreis um seinen daumen treiben*'. Der Seneschall, dessen Rat
den König zur Veranstaltung des Volksfests bestimmt, tragt
1778, nachdem er sich zu Anfange seiner Rede öfters unter-
brochen hat, die Hauptsache ziemlich fliessend vor (IV, 196):
,es sey so ein — Instinchts von Doctoren
„genannt, den Kindern angebohren'' . . .
Viel besser wird 1785 das Zögernde, Stammelnde, aber zu-
gleich mit falscher Gelehrsamkeit Prahlende seiner Rede, wie
in den vorausgehenden Versen, so auch hier gemalt:
,es sey — wie hiessen's doch auf griechisch die Doctoren
so ein — so ein — insünct den kindern angebohren".
Einen etwas grösseren Zusatz brachte 1785 nur die das
Gedicht beschliessende Rede Pervontes, in die vor den letzten
fünf Zeilen die lehrhaften Verse neu eingeschoben wurden:
„Nichts ist nunmehr uns noth als die begnügsamkeit;
allein mit dieser muss der meusch sich selbst begaben*.
Verhältnismässig viele Änderungen erfolgten endlich aus
metrischen Gründen. Wieland hatte den „Pervonte* wie seine
meisten kürzeren Erzählungen in sogenannten vers irreguliers
geschrieben, in Jamben von verschiedener Länge und will-
kürlicher Reimstellung. Er war dabei über die sonst meistens
üblichen Freiheiten noch um einen Schritt hinausgegangen
und hatte nicht nur zwei- bis sechsfüssige Verse bunt mit-
einander wechseln lassen, sondern zweimal sogar einen Ein-
füssler eingeschmuggelt (Merkur 1778, IV, 98 und 109), gern
auch denselben Reim über drei und mehr Verse erstreckt,
während nur äusserst selten eine Zeile reimlos geblieben war.
Jetzt ging er augenscheinlich darauf aus, die grosse Anzahl
der kurzen Jamben zu beschränken, namentlich die häufige
Wiederkehr solcher kurzer Verse unmittelbar hintereinander
zu beseitigen. Die beiden Einfüssler und mit ganz ausser-
Wielanda „Pervonte**. 165
ordentlich wenigen Ausnahmen auch die zahlreichen Zwei-
und Dreifüssler wurden entfernt, die Vierfüssler oft um zwei
oder vier Silben vergrössert und, wo sie blieben, wenigstens
mehrfach durch längere Jamben unterbrochen, so dass ein
bunterer Wechsel von verschieden langen Versen eintrat und,
wo dieser Wechsel nicht völlig durchzuführen war, doch lieber
längere als kürzere Verse, namentlich Fünf- und Sechsfüssler
(auch die letzteren gegen die erste Ausgabe sichtlich vermehrt),
nebeneinander standen. Ein Beispiel unter vielen! Nachdem
Pervonte Schönheit erlangt hat, war im „Merkur" (1779, I, 15)
die Schilderung von Vastolas dankbarer Freude über das Feen-
geschenk mit den vier Versen eingeleitet worden:
»Wir wollens nur gestehn,
(bedungen, dass ihr guter Nähme
nicht drunter leiden soll) die liebe Dame
schien in der Dankbarkeit beynah zu weit zu gehn/
Bei der verschiedenen Länge der vier Zeilen war von seiten
des Wohllautes an ihnen schwerlich etwas auszusetzen; dass
die Jamben in regelmässigem Fortschritt von Vers zu Vers
um je einen Fuss zunahmen, dürfte auch ein empfindliches
Ohr kaum verletzen. Aber Wieland wollte 1785 die Drei-
fiissler, wo es nur irgend anging, ausmerzen und überhaupt
die Verse breiter, voller gestalten und änderte daher ohne
Rücksicht selbst darauf, dass seine Jamben jetzt an Länge
gleichförmiger wurden:
„Wir wollen 's nur geradezu gestehn
(bedungen, dass ihr guter nähme
nicht drunter leiden soll) die liebe junge Dame
schien in der dankbarkeit beynah zu weit zu gehn/
Zugleich mit den kurzen Versen suchte Wieland nun aber
auch die allzu häufige Wiederkehr des gleichen Reimes zu be-
^bränken. Manchmal ging das sehr leicht Hand in Hand
und machte sich wie von selbst: die Zeilen brauchten bloss
^usserlich anders abgeteilt zu werden, ohne dass auch nur
1908. Sitsgsb. d. pbiloa.-phUoI. u. d. bist El. 12
166 Prang Muneker
ein Wort Terändert werden musste, Hatte er 1779 (I, 11)
geschrieben:
. Begnüge dich
mir nachzubeten'',
so schrieb er die vier Worte 1785 einfach in Einer Zeile und
hatte damit zwei Verse kürzester Art und von vier gleich-
klingenden Reimen wenigstens einen weggeschafft. In andern
Fällen musste er freilich auf ein neues Reim wort sinneD.
Dann und wann fielen aber beim Entfernen der kurzen Verse
auch Reime weg, die keineswegs über mehr als zwei Zeilen
sich erstreckten und nichts weniger als Gleichförmigkeit des
Klangs bewirkt hatten; so, als 1785 von den folgenden Versen
des ersten Drucks (Merkur 1778, IV, 105) der zweite und
dritte und wieder der fUnfte und sechste in je Eine Zeile zu-
sammengezogen wurden:
„ .... so wenig Lieb* und Lust
er auch zur Arbeit hat, — so raft
er doch am Ende
sich auf, und schlendert in den Wald;
steht da und gaft,
als ob er gar besonders fände ..."
Wurde auf solche Weise die Dichtung 1785 um mehrere
Reime ärmer, so tilgte Wieland andrerseits damals doch auch
die wenigen Verse, die in der ersten Fassung ohne Reim ge-
blieben waren. Nur eine reimlose Zeile ^) blieb, vielleicht bloss
durch ein Versehen, unverändert, und wohl durch weiteres
Versehen schlichen sich nun neuerdings zwei solche Verse
ohne Reim ein, der eine gleich zu Anfang in die Charakte-
ristik Vastolas,'^) der andere in die Schilderung von Pervontes
Rückkehr zu seiner Mutter.^)
^) Merkur 1779, I, 17 »Izt endlich merckt die Dame, wo es fehlt'.
2) Auserlesene Gedichte, V, 216 .stand ihnen frey; mit unter
wurden sie*.
*) Ebenda V, 226 „auf seinem bündel reis in ihre hütte ein*.
Wielands „Pervonte'*, 167
Als Wieland 1796 den sPervonte' in den achtzehnten
Band seiner «Sämmtlichen Werke" aufnahm,^) stattete er weder
die» drei Verse nachträglich mit Reimen aus noch brachte
er jetzt überhaupt an Vers und Reim nennenswerte Verbesse-
raogen an. Nur sehr selten wurde durch Ausfall oder Ein-
Ogung eines Versfusses die Länge einer Zeile verändert. Er-
wähnung verdient fast nur, dass in dem einzigen Falle, wo
Wieland auch 1785 noch zwei besonders kurze Verse hinter-
einander hatte stehen lassen, er nunmehr wenigstens einem
Ton ihnen eine grössere Länge gab. Als Perron te keuchend
zum Volksfest nach Salem gelaufen kommt, hatte es 1785
genau wie 1778 geheissen (Auserlesene Gedichte, V, 235):
.Kaum werden sein, so schmuzig als er da
in seiner jacke steht, mit ungekämmtem här
und ohne schuh,
die kinderchen gewahr,
so laufen sie zu aller weit erstaunen
mit ofnen armen auf ihn zu."
Bei der letzten Ausgestaltung seines Werks wiederholte der
Dichter im vierten Vers die Anfangs worte des Satzes „Kaum
werden sein die Kinderchen gewahr* und erweiterte so den
•IreifÜssigen Vers zu einem Fünffiissler von tadelloser Länge.
Die Änderungen, die der Text des „Pervonte** in dieser
Ausgabe letzter Hand erfuhr, waren überhaupt spärlich und
beschränkten sich durchweg auf Kleinigkeiten. Dann und wann
wurde ein entbehrliches Wort gestrichen, einmal freilich auch
ein Adjektivum eingefügt, das gleichfalls als entbehrlich gelten
^änn, um so mehr, als genau an derselben Stelle die Ausgabe
T^m 1785 ein früher hier bereits stehendes Eigenschaftswort
getilgt hatte. Für die Barke nämlich, in die sich die alte
Tonne verwandeln soll, wünschte sich Vastola im „Merkur"
1779 (I, 8) , zwanzig junge starke Matrosen", 1785 (V, 244)
Dw „zwanzig starke Matrosen", 1796 (Bd. XVIII, S. 153)
M In wie weit die neue Auflage der auaerleaenen Gedichte von
l^^l Textänderungen enthielt, muss ich dahin gestellt sein lassen, da
nur diese Ausgabe nicht vorliegt.
12*
168 Franz Muncker
wieder „zwanzig tüchtige starke Matrosen*'. Sonst beseitigte
Wieland nunmehr einige Fremdwörter sowie etliche ältere oder
mundartliche Formen, die 1785 noch Gnade vor seinen Augen
gefunden hatten. So wurde z. B. einmal (Auserlesene Gedichte,
V, 243) «aut aut' einfach gestrichen, ein andermal (ebenda
V, 229) , vexiert* durch „gefoppt" ersetzt, wieder an einer
andern Stelle (V, 219) das Wort „ Apathie ** durch eine andere
Wendung des Satzes vermieden. Aus „ Wittibstand • wurde
„Wittwenstand**, „früh und spat'' in „früh und spät', , Rei-
sich t** in „Reisig", „bis so gfut" in „sey so gut" verwandelt.
Wieder mussten auch ein paar volkstümlich-niedrige Ausdrücke
weichen (z. B. V, 240 „Ich . . . weiss weder giks noch gaks
davon"); auch „spie" jetzt Pervonte bei der Arbeit im Walde
nicht mehr in die Hände, sondern durfte nur noch darein
„spucken". Hie und da wurde der Ausdruck prägnanter, be-
deutender, so wenn Y, 214 das nichtssagende „allenfalls" in
dem Satze
„Was mancher allenfalls vor seinem Spiegel dachte
gieng zoUfrey durch"
in das sinnreichere „in geheim" verbessert oder kaum vierzig
Verse später von der stolzen Sprödigkeit der Prinzessin gesagt
wurde, keiner ihrer höfischen Bewerber sei schön genug ge-
wesen, um als Gemahl „zur Rechten" (statt nur „zur Seite")
ihr zu stehn. Weniger glücklich freilich berief sich der rat-
gebende Seneschall jetzt nicht mehr beide Male (wie früher
V, 230 und 232) auf Terenz, sondern an der zweiten Stelle
auf Ovid. Auch den Wohllaut endlich sollte es vermutlich
befördern, wenn es nunmehr gleich im Anfange von Vastola
hiess, sie schien dem Vater „aus den Augen ausgeschnitten"
(statt „aus dem aug' herausgeschnitten").
Doch alle diese und andere Verbesserungen der Ausgabe
von 1796 waren an sich geringfügig und verloren vollends
jede Bedeutung gegenüber der einschneidenden Veränderung,
die hier der Schluss des , Pervonte" aufwies. Den beiden
Teilen, aus denen die Dichtung bisher bestanden hatte, war
Wielands „Pervonte". 169
nun ein dritter angehängt, der an Umfang den zwei voraus-
gehenden beinahe gleichkam.
Schon 1779 hatte Wieland ja im , Merkur* eine Fort-
setzung seines Märchens für künftig versprochen. Hätte er
damals gleich sein Wort eingelöst, so wäre er wohl, wie in
dem bisherigen Qang der Geschichte, so auch in ihrem Schluss
inhaltlich genau der Erzählung in der .Bibliotheque'' gefolgt.
Hier war nun freilich gerade das Ende des Märchens, das
Wiedersehen Vastolas und ihres Vaters, recht unlebendig ge-
mildert, und die breiten, gekünstelten Reden der Kinder, die
naiy sein sollten, es aber durchaus nicht waren, konnten einem
Qatürlich gearteten und wahrhaft künstlerisch gebildeten Ge-
sehmacke nicht zusagen. Sollten diese Mängel seiner Vorlage
Wieland abgestossen haben, so dass er die versprochne Fort-
setzung damals nicht lieferte? Oder, was beinahe wahrschein-
licher ist, drängte ihn nur die Arbeit am ^Oberon", für die
er alle Kraft anspannte, von der geplanten Vollendung der
kleineren Dichtung ab? Als er fünfzehn Jahre später zu dieser
zurOckkehrte, hielt er sich von der französischen Bearbeitung
des Märchens vöUig frei und erfand einen ganz neuen, weder
hier noch bei Basile irgendwie vorgebildeten Schluss zu seinem
jPerronte*. In gewissem Sinne war es eine novellistische Ver-
anschaulichung der Lehre, die in den letzten Worten der bis-
berigen Dichtung lag, dass Genügsamkeit und gegenseitige
Liebe das durch Feengunst geschenkte Glück erst zum wahren,
dauernden Glücke mache. Pervonte war nach seiner ganzen
Charakteranlage geeignet, ein Beispiel solcher Genügsamkeit
larzubieten , während Vastola, ,die alles gleich verliert, so
Wld sie's hat* (wie Wieland sie schon früher gekennzeichnet
l^tte), ihm gegenüber zeigen konnte, wie ihre stets nach
Reuen Wünschen lüsterne Unzufriedenheit ihren Gatten und
schliessüch sie selbst um alles Glück bringt.
So schilderte denn Wieland, wie die Königstochter, des
idyllischen Landlebens bald überdrüssig, nach rauschenderen
•ö»d prunkreicheren Vergnügungen begehrt und Pervonte, der
ü» der glücklichen Weltabgeschiedenheit und seiner Liebe die
170 Fran$ Muncker
höchste Befriedigung gefunden hätte, wider Willen ihretwegen
neue und immer unbescheidnere Wünsche an die Feen richten
muss. Unerkannt in prächtigster Verkleidung besucht er mit
ihr ein Hoffest in Salem; dann entfalten sie während eines
längeren Aufenthaltes in Neapel und Venedig einen alles blen-
denden yerschwenderischen Olanz. Und kaum sind sie in ilir
paradiesisches einsames Tal zurückgekehrt, so lädt Vastola
Herren und Damen aus Neapel in ihr Schloss, um mit ihnen
in beständigem Wechsel und unnatürlicher Steigerung wieder
alle Genüsse der Stadt durchzukosten. Während Pervonte sieb
mehr und mehr von diesem tollen Jagen nach Vergnügungen,
die ihm widerwärtig sind, zurückzieht, gewinnt einer der
lebensfrohen Gäste Vastolas Gunst. So verzichtet sie gern bei
neuen Lustfahrten, die sie nach verschiednen Städten Italiens
plant, auf die Begleitung ihres von solchen Absichten schlecht
erbauten Gemahls und erbittet sich als letzte Feengabe durch
ihn nur noch ein Beutelchen, das sich von selbst immer wieder
mit Goldstücken füllt. Allein zurückgelassen aber fleht Per-
Yonte inbrünstig zu den Feen, deren Güte er nun so oft hatte
missbrauchen müssen, ihm alles wieder zu nehmen, was sie
ihm bescherten, und ihn in seinen alten Stand zurückzuversetzen,
worin er vor allen Wünschen war. Wieder erscheinen ihm
die drei Feen und gewähren ihm diesen letzten, besten aller
seiner Wünsche: arm und hässlich steht er wieder in der
Hütte seiner Mutter, wie ein wunderlicher Traum liegt das
im Feenzauber verlebte Jahr hinter ihm, und von allen Gaben,
die es ihm gebracht hatte, ist ihm nur der Verstand geblieben.
Vastola aber, durch seinen letzten Wunsch natürlich auch mit
einem Schlage aller Feengaben beraubt, ist wieder die jung-
fräuliche Tochter des Königs von Salem — denn auch die
Zwillinge verschwinden wieder — ; nur eine schmerzliche Er-
innerung an das Zauberglück, das sie durch eigne Schuld ver-
loren hat, lassen die Feen ihr zur Strafe.
Mit dem Schluss des »Pervonte* in der »Bibliotheque*
hatte dieser letzte Teil des Wielandischen Märchens höchstens
ein Motiv gemeinsam, die Pracht, in der Vastola und ihr
Widands „PerwMe". 171
Gemahl mit dem König von Salem wieder zusammentreffen,
und das ungläubige Staunen des Königs über diese Herrlich-
keit. Aber jenes Wiedersehen von Vater und Tochter ist im
Denischen ganz anders geschildert als im Französischen und
zudem ziemlich nebensächlich behandelt. Dass Wieland zu
dieser Episode durch die Darstellung in der «Biblioth^que"
angeregt worden sei, ist daher zum mindesten sehr zweifelhaft.
Das plötzliche Erscheinen und Wiederverschwinden der beiden
Feengünstlinge am Hofe zu Salem stammt wohl ebenso wie
das sich stets neu füllende öeldbeutelchen aus der Fortunatus-
sage. Die im schönsten Glück unbefriedigte Begierde der Frau,
die endlich sie samt ihrem Gemahl aus dem Wunderreiche
treibt, kann vielleicht auf die biblische Erzählung vom Sünden-
fall zurückgeleitet werden, und Wieland selbst scheint sogar
gleich auf den ersten Seiten ein wenig daran erinnern zu
wollen, wenn er die Frage aufwirft, wie Yastola allein mit
einem Gatten zufrieden sein könnte, „wär^s auch im Paradies*.
ÜDTerhaltnismässig näher ist aber die yei*wandtschaft zwischen
Wielands Erzählung und dem plattdeutschen Märchen «Von
den Fischer und sine Fru'' (in den , Kinder- und Hausmärchen*
der Brüder Ghimm Nr. 19). Auch hier wünscht die Frau
immer neue und höhere Dinge zum Yerdruss des Mannes, der
gleichwohl ihre Wünsche dem wunderwirkenden Wesen vor-
tragt, und auch hier ist diese Masslosigkeit des Begehrens
zuletzt schuld, dass der Zauber aufhört, 'der unbegreifliches
ausserUches Glück gebracht hatte, dass die, die ihn erfuhren,
plötzlich aus dem höchsten Glanz und Reichtum in ihre ur-
sprüngliche Armut und Niedrigkeit zurückversetzt werden und
überhaupt das Geschehene am Ende ungeschehen gemacht
*ird. Freilich ist der Inhalt der einzelnen Wünsche, der
aossere Verlauf der ganzen Geschichte und so besonders auch
die Art, wie die Katastrophe herbeigeführt wird, durchaus
Tersehieden in den beiden Märchen. Nur das Grundmotiv
Wielands scheint aus dem plattdeutschen Volksmärchen zu
stammen, das er irgendwie durch mündliche Überlieferung
l^ennen gelernt haben muss — denn gedruckt lag es damals
172 Frans Muneker
noch nirgends vor — ; die Ausführung im einzelnen war ganz
und gar sein Werk. Auch aus den vielen sonstigen Märchen
und Erzählungen, die er zu andern Zeiten fleissig genutzt
hatte, entlehnte er hier nichts. Fttr die Schilderung von
Neapel und Venedig begnügte er sich mit dem Allgemeinsten,
und so brauchte er auch hiefbr aus keinen besonders reichen
Quellen zu schöpfen. Auch nur etwa auf eine erneute Lektöre
der Anfangsseiten von Heinses .Ardinghello* deuten die paar
Zeilen über das Vermählungsfest des Dogen von Venedig nicht.
Vielleicht hätte durch eine emsigere Ausnutzung der
älteren Märchen- und Erzählungsliteratur der letzte Teil des
yPervonte" an Leben und bunter Fülle gewinnen können.
Denn Wielands Erfindung ist nicht sonderlich reich und mannig-
faltig. Das nämliche Motiv kehrt zu wiederholten Malen wieder
und zwar ohne wirksame Steigerung. Daraus erfolgt eine ge-
wisse Gleichförmigkeit der Handlung, ja sogar auch der ziemlich
häufigen Beschreibungen. Es fehlt inneres Leben, wechselnde
Bewegung, sichtbarer Fortschritt der Entwicklung.
Dazu kommt nun noch der gegen die früheren Teile der
Dichtung merklich, aber nicht glücklich veränderte Ton der
Darstellung. Zwar, wie sich Wieland einmal den Grundgedanken
dieses Schlusses zurecht gelegt hatte, konnte er den derb-
volkstümlichen Ton nicht mehr so keck und unbedingt an-
schlagen wie ehedem. Denn seitdem Pervonte mit Verstand
begabt ist, steht er geistig wie gesellschaftlich auf einer zu
hohen Stufe, um in seinem Reden und Tun noch etwas von
dem früheren ungehobelten Lümmel zu verraten. Der Gegen-
satz zwischen seiner Ausdrucksweise und der der Prinzessin
musste nunmehr aufgehoben sein; die Darstellung wurde da-
durch notwendig feiner, aber auch wieder einförmiger. Gleich-
wohl hätte Wieland noch immer Gelegenheit genug gehabt,
durch den frischen, derben Humor der älteren Gesänge auch
den letzten Teil des Werkes zu beleben. Aber dem alternden
Dichter scheint dazu die Fähigkeit noch mehr als die Lust
gemangelt zu haben. Denn hie und da sieht es doch so aus,
als ob er wenigstens vereinzelt den ehemaligen Stil nachzu-
Wielanda „Pervonie", 173
bilden gesucht hätte. Da flocht er drastische Ausdrücke und
Wendungen wie .Lümmel*, «Mund und Augen aufsperren ''^
,den Kragen sich abschneiden* und ähnliche, auch ein ver-
altetes Wort wie »zwier* in seine Sprache ein und schraubte
einmal eine kurze Bede des Fürsten von Salem beinahe —
freilich doch nur beinahe — auf den früheren niedrig-plumpen
Ton zurück. In der Hauptsache jedoch bediente er sich jetzt
einer gesellschaftlich feineren, aber auch gleichmässig ruhigeren,
konventionelleren , weniger frischen und charakteristischen
Sprache; alles klang buchmässiger und näherte sich nun im
Stil und Ton so ziemlich jener französischen Nacherzählung
Basiles in der ^Biblioth^que des romans*, von deren Dar-
Mungsweise sich Wieland vordem so glücklich entfernt hatte.
Zugleich wurde sein Vortrag nun immer breiter und lehr-
Iiifter. Je ärmer an unmittelbar treffendem Witz sich der Er-
zähler fand, desto eifriger jagte er jetzt der Moral nach, an
die er trotz aller subjektiven Betrachtungen in den früheren
Teilen der Dichtung doch kaum recht gedacht hatte. Auch
Satire stellte sich nun reichlich ein, auf launenhaft begehrende,
mit kluger Berechnung heuchelnde und schmeichelnde Frauen,
auf junge, in der Yerführungskunst erfahrene Stutzer, auf
vergnügungssüchtige Toren, die auch auf dem Lande nur die
Freuden der Stadt wiederfinden wollen, und dergleichen. Aber
diese Satire war in den meisten Fällen gerade herausgesagt,
nicht künstlerisch verkleidet und in Handlung eingeschlossen.
Mit allem dem kam Wieland wieder weit ab von dem
Charakter des echten Volksmärchens, zu dem er immerhin
einst mit dem »Pervonte'* einen erfreulichen Anlauf genommen
Wte. Aber vielleicht traf er gerade damit den Geschmack
^iner Zeitgenossen, deren Mehrzahl eben gleich ihm für das
richtige Volksmärchen noch nicht reif war.
Für die frühere Fassung seines Gedichts hatte er neben
dem Beifall anderer Freunde das warme Lob von Goethes Mutter
geemtet, die ihm am 12. März 1779 schrieb: »Gestern Abend . . .
W ich Pervonte oder die Wünsche, hatte darob eine solche
Freude, fühlte so ganz, was Ihr vor ein herrlicher Mensch,
174 Framt Muncker
Yor ein lieber Wieland sejd, und dass keiner vor Euch und
schwerlich einer nach Euch seyn wird, der in solcher Art von
Oedichten und Erzählungen den Orad erreichen wird, den Ihr
von Gottes Gnaden und der Mutter Natur empfangen habt."^^)
Jetzt sprach dem Dichter des «Peryonte** vomehndicli
Herder seine freudige Anerkennung aus in einem — bisher
ungedruckten — Briefe, der auch noch von einer andern Seite
her ein helleres Licht auf die späte Fortsetzung unsers Mär-
chens wirft. Er befindet sich in einem Sammelband yod
«Damenbriefen an Wieland ^ unter den Handschriften der
königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden^), in den er
wohl wegen einer kurzen Nachschrift von Herders Gattin ge-
raten ist. Er füllt die beiden Seiten eines grossen Quartblattes
weissen Papiers und ist mit säubern, hübschen, deutlichen
Zügen geschrieben. Das Datum fehlt; doch stammt der Brief,
wie sich aus einem Schreiben Wielands ergibt, das ziemlich
bestimmt als seine Antwort darauf gelten muss, vom 9. Januar
1795 oder aus den unmittelbar vorhergehenden Tagen. Er lautet:
Empfangen Sie meinen besten Dank, lieber holder
Jugend -Dichter für Ihr vollendetes Mährchen. Es ist
mit so reifer Weisheit, so angenehm-täuschend vollendet,
dass man in ihm die ganze Geschichte des menschlichen
Herzens, des Charakters beider Geschlechter, insonderheit
die ganze Fabrik des prinzesslichen Herzens zu sehen
und zu lesen glaubt.^) Die Begebenheiten sind im letzten
Gesänge etwas gedrängter, aber sehr natürlich herbei-
geführt. Ist es eine Täuschung gewesen? oder es stockt
etwas im Gange der Begebenheiten ohngefahr um die
Gegend des Nachtbesuchs auf dem Schloss zu Salem;
vielleicht würden sich da einige Züge wegbringen lassen,
die den sonst durchaus raschen Gang aufzuhalten scheinen.
Doch kann dies auch der Irrthum des Moments seyn,
*) Cotta'sches Morgenblatt 1855, S. 759 f.
*) Genaueres über diesen Sammelband s. nnten S. 184 ff. im Anhang.
^) Diu Wort ist in der Handschrift nachträglich eingefügt.
Wi€land9 „Penonte". 175
im Hören und Lesen. Das Qleichniss vom Gähnen und
der Hyäne will mir auch nicht recht ein; das Gähnen
in solchen Augenblicken ist nicht tröstlich; aber doch
der Rachen der Hyäne? —
Nun aber hätte ich eine Hauptbitte für den braven
Pervonte. Er kann unmöglich hinter diesen Erfahrungen,
auch nur im Feentraum durchlebt, uns ' als der alte
Lümmel dargestellt werden. Verstand, noch dazu vom
bessten, den er vor unsem Augen so oft und lange er-
wiesen hat, der ihm also, wenn auch nur im Traum,
eigen geworden ist, ist eine zu edle und innige Gabe,
als dass sie sich mit der Zauberruthe einem braven, noch
dazu durchquälten braven Menschen nehmen liesse. Auch
im philosophischen Mährchen, mein lieber H. und Freund,
muss Becht und Billigkeit herrschen. Die Princessin muss
von den Narrheiten der durchträumten Nacht Eindrücke
behalten, die ihr ausgewünschtes und ausgebrauchtes
Herz in ihrem neu-alten Zustande sich^) und^) andern*)
noch unerträglicher machen; und Pervonte kann vor
seiner Mutter durchaus nicht als der alte Lümmel dar-
stehn, oder Sie arbeiten selbst Ihrer Kunst entgegen.
Wenigstens müssten Sie im Anfange des Gedichts einige
Züge an^) ihm*) mildem: oder wenn es auf diese zu erst
angelegt war. Dichter des Feenlandes, so müssen Sie ihn
hinten nach mit etwas entschädigen. Er muss gewinnen,
und Yastola die Kosten bezahlen; Compensation findet
hier nicht statt.
Guten Morgen, lieber. Machen Sie uns noch mehr
solcher Mährchen; es ist in ihnen die Summe der Philo-
sophie und Lebensweisheit. H.
Ich darf nur noch hinzusetzen, dass wir das Gedicht
mit einer eigenen, lange nichtgenossenen Freude gelessen
haben und dass Sie uns aufs neue theuer und lieb ge-
worden sind, freundlicher, wohlthätiger Genius!
Ihre C. H.
*) Das Wort ist in der Handi>)cbrlft nachträglich eingefügt.
176 . Frang Muncker
Da Herder den letzten Gesang des ^Pervonte" zu Anfang
des Jahres 1795 zu lesen bekam, so wird ihn Wieland ver-
mutlich unmittelbar vorher im Herbst oder Winter 1794 ge-
dichtet haben. Dieser Gesang muss aber in der Handschrift,
aus der ihn Herder kennen lernte, noch nicht ganz die Fassung
gehabt haben, in der er hernach veröffentlicht wurde. Denn
was Herder in seinem Briefe über eine Stockung im Gang der
Begebenheiten ,um die Gegend des Nachtbesuchs auf dem
Schloss zu Salem" schreibt, trifft auf das gedruckte Gedicht
nicht mehr zu. Wieland scheint also in der Tat hier einige
hemmende Nebenzüge weggebracht zu haben. Vielleicht war
gerade in ihnen auch das Nächtliche des ganzen Abenteuers
stärker betont: jetzt findet der Besuch in Salem zwar auch
noch zur Nachtzeit statt; aber mit ausdrücklichen Worten ist
das nirgends gesagt, und der Leser denkt demgemäas auch
kaum daran, dass er es mit einem « Nachtbesuch " zu tun hat.
Auch das Gleichnis vom Gähnen und dem Rachen einer
Hyäne, das Herder tadelt, sucht man in dem gedmckten
»Pervonte" vergebens. Wo es, wahrscheinlich nicht ganz
ohne Schuld des Reims, früher gestanden haben mag, lässt
sich nicht einmal bestimmt behaupten. In dem gedruckten
Schlussgesang ist zweimal vom Gähnen die Rede, gleich auf
den ersten Seiten dicht hinter dem Selbstgespräch, in welchem
Yastola ihre Unzuiriedenheit mit dem zärtlichen Schäferleben
zuerst verrät, und wieder später, als Pervontes Unbehagen bei
dem Besuch der Gaste aus Neapel auf seinem Landgute ge-
schildert wird. Der Rachen der Hyäne kann natürlich aber
auch an einem andern Orte erwähnt gewesen sein, da Wieland
möglicherweise mit dem Gleichnis auch das Gähnen selber weg-
gelassen hat.
Deutlicher lässt sich aus Herders Worten der ursprüng-
liche Ausgang des Märchens erkennen: Pervonte kehrte nicht
bloss arm und hässlich, sondern auch plump und dumm wie
früher in die Hütte seiner Mutter zurück, und Yastola blieb
ohne quälende Erinnerung an das verscherzte Glück. Es fehlten
also in der Handschrift, auf die sich Herders Brief bezieht,
Wielanda „Penmte''. 177
sicher die letzten neunzehn Verse des Druckes; das Gedicht
schloss hier höchst wahrscheinlich mit den Worten : «Kurz alles
setzet sich in seinen alten Stand. *'• Ebenso fehlten zwei oder
drei Seiten vorher die Verse, in denen es ausgesprochen war,
(iass Pervontes Verstand nicht mit den übrigen Feengaben ver-
schwinden sollte, also das die Bede der Feen abschliessende
Reimpaar :
,Nur den Verstand, den du gehörig zu verwalten
Gelernt hast, sollst du, uns zu Ehren, noch behalten I'^
und femer die letzten vier oder auch fünf Zeilen in den Worten,
mit denen der heimkehrende Pervonte die erstaunte Mutter
begrQsst. Alle diese Verse lassen sich ohne jegliche Störung
i^ Reimgefttges und ohne eine auffallige Lücke im Sinn oder
im Fluss der Darstellung aus dem gedruckten Texte weg-
streichen, so dass wir am Ende nur ihr Fehlen anzunehmen
brauchen, um die ursprüngliche Gestalt des Schlusses unsrer
Dichtung aus der spätem Fassung herauszuschälen. Doch
dürfte damit bloss bei den auf Vastola bezüglichen Sätzen das
Richtige getroffen sein. Dagegen möchte man nach Herders
Brief vermuten, dass in den dem Pervonte selbst gewidmeten
Schlusszeilen dieser ausdrücklich wieder als der alte Lümmel
geschildert, ja wohl auch wörtlich so bezeichnet war; Wieland
hätte demnach hier, als er dem Rate des Freundes folgte, nicht
nur einige neue Verse einzusetzen, sondern auch ein paar über-
flüssig gewordene ältere zu streichen gehabt.
Augenscheinlich auf Herders Brief über den , Pervonte**
antwortet Wielands Schreiben vom 9. Januar 1795, das im
vierten Band seiner , Ausgewählten Briefe* (Zürich 1816, S. 34 f.)
üngst gedruckt vorliegt: «Aus vollem Herzen danke ich Ihnen,
Diein innigstverehrter Freund, für Ihren aufmunternden Beyfall,
^nd noch mehr für die Erinnerungen, deren Richtigkeit ich
so ganz fühle, und die ich gewiss nicht auf die Erde fallen
lassen werde. Mündlich nächstens das Mehrere hierüber. Jetzt
DiBss ich Ihnen nur mit zwei Worten sagen, wie glücklich mich
üeser Beweis Ihrer Liebe macht. Ich fühle unbeschreiblich
178 Frans Muncker
mehr hierbey, als ich sagen kann und will. Möchten Sie in
meine innerste Seele blicken können ! Doch gewiss Sie können^s
und sonach kein Wort weiter von einem G^fQhl, das zu rein
ist, um ausgesprochen zu werden. Ich möchte Ihnen meine
Dankbarkeit gern sichtbar darstellen können, und weiss mir
nicht anders zu helfen, als dass ich Ihnen und meinen nach-
sichtsToUen Freunden nun auch die Wasserkufe vorlege.*
Dass dieser Dank ehrlich gemeint war, bewies der Dichter
am besten dadurch, dass er die kritischen Bemerkungen des
feinsinnigen Beurteilers samt und sonders sich zu Herzen nahm
und bei den Verbesserungen, an die er sich alsbald gemacht
haben dürfte, sich durch die Winke des Freundes auch im
einzelnen geradezu leiten Hess. Auffallend bleibt an Herders
Brief nur, dass er die Begebenheiten im letzten Gesang , etwas
gedrängter" herbeigeführt fand; wir empfangen heute vielmehr
fast den entgegengesetzten Eindruck, dass, wenn auch ein
grösserer Zeitraum in diesen dritten Teil eingeschlossen ist als
etwa in den zweiten, doch die Begebenheiten nicht so gedrängt
aufeinander folgen wie dort, wenigstens nicht so wie dort einen
ununterbrochenen Fortschritt der eigentlichen Handlung be-
wirken. Schade, dass kein Wort Herders diese zunehmende
Breite der Darstellung im Schlussgesange rügte ; vielleicht hätte
ein solcher freundschaftlicher Tadel den Verfasser angespornt,
bei der letzten Durchfeilung des Gedichts zum Besten der künst-
lerischen Gesamtwirkung noch an verschiednen Stellen gewisse
Züge «wegzubringen*, die den raschen Gang allzu sehr auf-
zuhalten scheinen.
In das Lob Herders stimmten die übrigen Weimarer
Freunde ein. Johannes Falk rühmte den „Pervonte* als Wielands
, genialischestes Product**, in welchem er „unvermuthet selbst
schaflFend geworden* sei.*) Er hat uns auch die schönen Worte
aufbewahrt, mit denen Goethe am Begräbnistage des befreun-
deten Dichters (25. Januar 1813) an die Vorzüge des .Per-
') Karl August ßöttiger, Literarische Zustände und Zeitgenossen,
Leipzig 1838, Bd. I, S. 257.
Widanäa „Perwmte''. 179
Tonie' erinnerte.^) Gbethe hatte, um sich von den trüben
Gedanken der letzten Tage zu befreien, gerade zu dieser Dich-»
tong des Verstorbenen seine Zuflucht genommen und pries
nno sie und, von ihr ausgehend, Wielands poetische Eigenart
ai)eriianpt mit warmer Begeisterung: „Die Plastik, der Muth^
wille dieses Gedichtes sind einzig, musterhaft, ja yöUig un-
schätzbar. In diesem und ähnlichen Producten ist es seine
eigentliche Natur, ich möchte sogar sagen, au& allerbeste,
was uns Vergnügen macht. Der unvergleichliche Humor, den
er b€sass, war, sobald er über ihn kam, von einer solchen
Ausgelassenheit, dass er mit seinem Herrn und Gebieter hin-
ging, wohin er nur wollte .... Ich möchte Sie wohl auf-
Dontern, dergleichen Gedichte wie 'Pervonte' und andere öfters
in Gesellschaft vorzulesen. Es fodert indessen einige Vorbe-
reitung. Wieland's Verse wollen mit einer prächtigen Lebendig-
keit vorgetragen seyn, wenn man sich einer augenblicklichen
Wirkung davon versichern will. Es ist ein unvergleichliches
Natural, was in ihm vorherrscht. Alles Fluss, Alles Geist,
Alles Geschmack! Eine heitere Ebene ohne den geringsten
Anstoss, wodurch sich die Ader eines komischen Witzes nach
allen Richtungen ergiesst und, je nachdem die Capricen sind,
^OTon sein Genius befallen wird, auch sogar seinen eigenen
Urheber nicht verschont. Keine, auch nicht die entfernteste
Spur von jener bedachtsam mühseligen Technik, die Einem die
(testen Ideen und Gefühle durch einen verkünstelten Vortrag
^Qwidermacht, oder wol gar auf immer verleidet . . .■
Übrigens war Wieland selbst mit seiner Arbeit wohl-
zofrieden. Seinem Schwiegersohn Karl Leonhard Reinhold he-
chtete er in einem langen Briefe vom 25. und 26. Dezember
nSi mit stolzer Freude, wie fleissig er im letzten Jahre ge-
^^nsei: ,Auch hab' ich zum Pervante, einem meiner besten
^■(^hen, das aber mit dem 2. Theil noch nicht vollendet
^ar, den dritten Theil hinzugefügt, wodurch er nun ein Ganzes,
^ Johannes Falk, Goethe ans nähertn persönlichen Umgänge dar-
?^^llt, Leipzig 1832, S. 156 f.
180 Franjf Muneket
und (wenn ich selbst eine Stimme dabej hätte) eines meiner
besten Machwerke geworden ist. Ich habe bej dieser Gelegen-
heit die Entdeckung gemacht, dass ich noch Verse machen
kann, und ich stehe nicht daftir, dass mich dieser wenigstens
eingebildete Success nicht noch zu einigen Thorheiten in diesem
genre verleiten könnte.** ^)
Auch in den weiteren Kreisen der Leser scheint «Pervonte''
den verdienten Beifall gefunden zu haben. Ein jüngerer, in
gelehrter und schöner Literatur gleichmässig tätiger Schrift-
steUer, Oeorg Gustav Fülleborn in Breslau, verfasste sogar
im letzten Jahre seines kurzen Lebens (1802), nachdem er eben
Wielands morgenländische Erzählung «Hann und Gulpenhee'
zu einem komischen Nachspiel umgearbeitet hatte, eine komische
Oper in drei Aufzügen «Pervonte oder die Wünsche*. Über
ihren Inhalt berichtete ausführlich Johann Gottlieb Schummel
in der kleinen Schrift ,Qarve und FüUebom* (Breslau 1804,
S. 33 — 51) und teilte bei dieser Gelegenheit zahlreiche Bruch-
stücke daraus im Wortlaut mit; später wurde noch fast der
ganze erste Aufzug in dem von Kotzebue und August Kuhn
herausgegebenen Unterhaltungsblatt „Der Freimüthige' vom
30. Juni und 1. Juli 1808 abgedruckt.
Fülleborn musste aus Rücksicht auf die Bühne und auf
die musikalischen Erfordernisse eines regelrechten Opemtextes
von der Wielandischen Dichtung, die er seiner Arbeit durch-
weg zu Grunde legte, mehrfach abweichen. Um den Szenen-
wechsel möglichst zu beschränken, setzte er erst mit der
«Cocagne" ein und schob der eigentlichen Darstellung des
Volksfestes nur eine Szene im Königsschlosse voraus, die uns
über den Grund dieser Veranstaltung, über die unerklärliche
Geburt der Zwillinge vor mehr als sieben Jahren, unterrichtet,
in der zugleich die Prinzessin dem ungläubigen Vater ihre
Unschuld versichert. Dabei machte er es sich freilich in jeder
*) Vgl. die Dresdener Abendzeitung vom 29. Dezember 1825, Nr. 311,
S. 1242; dazu Alexander Meyer Cohn, Katalog einer Autographen Samm-
lung zur Geschichte der deutschen Literatur, Berlin 1886, S. 18,
Wielands „Pervonte*', 181
Beziehung sehr bequem. Er lieas einen von Yastolas höfischen
Bewerbern, einen Grafen Imperiali, der seinen Namen vermut-
licli nur dem .Fiesco' Schillers verdankte, von einer langen
Reise gerade zurückkehren, und ihm, der in seiner Liebe zu
der spröden Königstochter schon fürchtet, das Volksfest möchte
die Feier ihrer Vermählung bedeuten, setzt nun der Seneschall,
meist mit Wielands eignen Worten (und zwar nach den Les-
arten der späteren Ausgaben des Gedichts), das Geschehene
auseinander. So wiederholt er z. B. ziemlich silbengetreu die
Verse, in denen Wieland die Bemühungen der Gelehrten von
Salem verspottete, die unbegreifliche Herkunft der Zwillinge
n erklären, und namentlich die Schilderung Wielands von den
"wden dem Volksfest vorausgehenden Versuchen, den Vater
k Kleinen unter den Herren des Hofes oder unter den
fiS^m der Stadt zu entdecken. Wenn die Szene von Anfang
^ für die musikalische Komposition berechnet war, sind die
wurtlich von Wieland herübergenommenen Versgruppen nicht
immer glücklich ausgelesen; mehr Beifall verdient dagegen
üreWahl, wenn FüUebom, was auch in der Tat wahrschein-
licher ist, sich die Szene nur gesprochen dachte. Die von ihm
bleibst hinzugefügten Partien des Dialogs jedoch und besonders
<lie Arie der Prinzessin und die des Seneschalls über die Kraft
•les Instinkts fielen recht schwach aus; jene ist ganz konven-
tionell gehalten, dichterisch ohne jeden Wert, und diese wirkt
laicht komisch, wie sie nach der Meinung des Verfassers sollte,
andern nur äusserst läppisch. Auch die Ghorgesänge bei dem
Volksfest zeichnen sich weder durch Geist noch durch Humor
^'>is. Dagegen ist das Erscheinen Pervontes, den die Kinder
i^bkosend begrüssen, das Entsetzen aller über seine Hässlich-
-^it. der Urteilsspruch des Königs, ebenso das von Fülle born
I^^agedichtete allgemeine Flehen für Vastola und Imperialis
*^rgebliches Anerbieten, ihr seine Hand zu reichen, endlich der
Wllzug des Urteils zwar in konventionellen, poesielosen Versen
ie übrigens im Wortlaut nur ganz selten an Wielands Dichtung
iaklingen) und ohne jede schärfere Charakterisierung im ein-
zJnen, aber theatralisch nicht ungeschickt und namentlich im
lyjl SitzgBb. cL pbUo8.-pbUoI. n. d. bist. KL 1 3
182 Pranz Muncker
Hinblick auf die musikalische Behandlung einer bewegten, perso-
nenreichen Ensembleszene äusserlich wirkungsvoll ausgeführt.
Der zweite Akt beginnt mit der Landung der Tonne, in
der die Verurteilten staken, an einem öden Pelsenstrande. Hier
erst klärt Pervonte die Prinzessin über die Herkunft der Kinder
auf und bewirkt alsbald, nachdem sie seine Willfährigkeit durch
einen Kuss erkauft hat, die Verwandlung der wüsten Gegend
in ein herrlich ausgestattetes Schloss mit Garten, Meierei und
allem Zubehör. Um aber dem Musiker Gelegenheit zu mehr-
stimmigen. Gesängen zu verschaffen, lässt sich Vastola gleich
nachher auch zwei Zofen und den Grafen Imperiali herbei-
wünschen. Dann dringt sie mit einer grossen Arie, die sich
in den banalsten Gedanken und Versen bewegt, in den heftig
und angeblich komisch widerstrebenden Pervonte, dass er sich
Schönheit wünsche. Er gibt endlich nach, bedingt sich aber
— augenscheinlich aus bühnentechnischen Gründen — , dass
die Metamorphose erst in der Nacht, das heisst in der Pause
zwischen dem zweiten und dritten Aufzug, erfolge.
Diesen dritten Aufzug eröffnet eine erneute, leidenschaft-
liche Werbung Imperialis um die Liebe der Prinzessin. Sie
aber fühlt sich durch „heil'ge Bande** an Pervonte gefesselt
und umaimt voll Entzücken den zum Adonis Verwandelten,
der zum frohen Erstaunen aller jetzt hereintritt. Seine albernen
Reden, mit denen nur leider Fülleborn keine witzige Wirkung
zu verbinden wusste, bestimmen Vastola gar bald. Verstand für
ihren Gatten von den Feen zu erbitten. Sobald ihm auch diese
Gabe zuteil geworden, wünscht er sich mit den Seinigen an
den Hof von Salem zurück, wo der trauernde König sie mit
„namenlosem Entzücken" begrüsst, ohne dass diese plötzliche
Wandlung seines Herzens auch nur mit einem Worte begründet
würde. Er erhebt Pervonte zu sich auf den Tron, ernennt
Imperiali zum Herzog, und alle stimmen moralisch-lehrhafte
Gesänge, denen nur die Poesie fehlt, über das weise und
gnädige Walten der Vorsehung an. Da erleuchtet plötzlich
ein Zauberglanz den Saal, und in ihm lassen sich von weitem
die Stimmen der Feen hören, die, weil nun Pervonte glücklich
Wielanäs „Pervante**. 163
am Ziele ist, die Gabe des Wünschens ihm wieder nehmen,
and jubekd fallen alle in die Verse des Feengesanges ein.
Während Füllebom für den zweiten Akt seiner Oper noch
einige Male Wielands Dichtung wörtlich benutzte, scheint er
im dritten Aufzug dazu fast keine Gelegenheit mehr gefunden
zu haben. Mehr und mehr suchte er selbständig seinem Vor-
bilde gegenüber zu treten ; zuletzt erfand er für die märchen-
hafte Handlung einen neuen Schluss, der beinahe wie eine
Veischmelzung des Ausgangs im ursprüngb'chen Märchen (auch
in der ,6ibliotheque des romans'') und des flüchtigen Besuchs
im Schloss zu Salem bei Wieland aussieht. Von Wieland
)Ummt dabei auch die erneute Erscheinung der Feen, die
jejoch nach FüUeboms Meinung nicht auf die Bühne selbst
leraustreten sollten. Aber wie diese Stimmen der Feen bei
'iun ohne rechten Grund und tieferen Sinn ertönen, so ver-
misst man auch vorher in dem, was nicht unmittelbar aus
^Welands Dichtung herübergenommen ist, und oft auch in der
Art, wie das wortgetreu Entlehnte theatralisch verwertet wird,
jede wirklich künstlerische Begabung. Die allerbescheidensten
Forderungen psychologischer Wahrheit und lebendiger Charak-
teristik bleiben unerfüllt; von einer auch nur notdürftig drama-
ti^hen Gestaltung des Stoffes und dichterischen Ausführung
fe Einzelnen in Vers und Sprache kann nicht die Rede sein,
bas ernste Pathos missglückt dem Verfasser ebenso sehr wie
der komische Witz ; selbst die äusserliche theatralische Wirkung
iiätte er mit Leichtigkeit viel höher steigern können. Aber
liDter den trivialen Opemtexten, mit denen sich die deutschen
Toosetzer um jene Zeit fast ohne Ausnahme behelfen mussten,
^te sich Fülleborns Arbeit immerhin als ein besserer Ver-
«ch ausnehmen; das überschwängliche Freundeslob freilich,
^ ihr der Herausgeber Schummel spendete, verdiente sie in
keiner Weise.
Schummel komponierte auch in seiner Begeisterung, ob-
wohl er sich nur als Dilettanten fühlte, sogleich probeweise
-mige Verse des ersten Aktes und teilte den nicht übel ge-
lungeneD, nur recht unselbständigen Versuch 1804 im Anhang
18*
184 FranM Muncker
zu seiner Schrift über FüUebom mit. Die ganze Oper setzte
kurze Zeit darauf — vor dem Abdruck des ersten Aufzugs im
»Freimtithigen" von 1808 — ein Mitglied des Breslauer Theaters,
J. Miller, in Musik. Ob sie hernach auch zur Aufführung ge-
langte und mit welchem Erfolge, darüber ist nichts bekannt.
Auch von späteren musikalischen oder sonstigen drama-
tischen Bearbeitungen des Wielandischen Märchens verlautet
nichts. Ein Jahr nach dem Druck des vollendeten «Pervonte*
traten Tiecks Volksmärchen ans Licht; damit kam die neue
Gattung des romantischen Märchens auf, dessen unvergleicbhch
kühnere, oft dazu mit Satire und Ironie gewürzte Phantastik
mit den andern einfacheren Märchen der Aufklärungszeit auch
Wielands anmutige, aber in ihrem letzten Teile gleichfalls einer
aufklärerischen Moral dienende Feengeschichte für die nächsten
Jahrzehnte aus der Gunst des deutschen Publikums verdrängte.
Anhang.
Unter den Handschriften der königlichen öffentlichen
Bibliothek zu Dresden befindet sich ein Sammelband von 205,
zum grössten Teile beschriebenen Blättern mit der Aufschrift
, Damenbriefe an Wieland, besonders von S. La Roche*.
Er enthält im ganzen 97 Briefe von 12 Verfasserinnen und
3 Verfassern, die meistens aus irgend einem äusserlichen Grunde
in die weibliche Gesellschaft geraten sind: neben Herder, dessen
Schreiben ich oben S. 174 f. mitgeteilt habe, sind nämlich auch
Georg Michael Frank von La Roche, Sophiens Gatte, mit zwei
Briefen und der Dechant Damian Friedrich Dumeiz in Frank-
furt a. M. mit einer kurzen Nachschrift zu einem Briefe So-
phiens vertreten. Dazu kommt ein mittelmässiges Gedicht des
Prinzen August von Sachsen-Gotha an Thümmel (»An den
Verfasser der Reise in die mittäglichen Provinzen von Frank-
reich, im Jahr 1785 bis 1786*'), ein grösserer Abschnitt aus
Sophiens Roman „Rosaliens Briefe* (Bd. ü, S. 1 ff., Brief 64,
aber mit mehrfachen, grösseren Abweichungen vom gedruckten
Wielands „Pervonte^*. 185
Texte), eme schwärmerische Betrachtung Sophiens über Joseph IL
(wohl in der Hauptsache identisch mit dem mir nicht zugäng-
lichen Schriftchen , Joseph IL nahe bei Speier im Jahre 1781"),
endlich eine dürftige Probe aus den Gedichten Julie von Bech-
iohheims.
Für die literargeschichtliche Forschung sind diese Hand-
schriften bisher nur wenig benutzt und nur selten einmal das
eloe oder andre Blatt daraus abgedruckt worden. Und doch
bieten sie nicht nur für die Geschichte von Wielands Leben
und Werken manchen beachtenswerten Aufschluss, sondern ge-
währen uns auch mehrfach einen belehrenden Einblick in das
Treiben seiner Freunde und namentlich in die Weimarer Ver-
idltnisse. Nicht alle Briefschreiberinnen zwar vermögen noch
leute unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Verschiedne sprechen
Dar ihre Verehrung für den Dichter und Menschen in begei-
sterten Worten aus oder berichten über eigne literarische
Versuche, für die sie Wielands Rat und Urteil, gelegentlich
auch die Aufiiahme in den ,Teutschen Merkur* oder eine
Äusserung des berühmten Mannes als Vorwort erbitten; so
Julie von Bechtolsheim, Susanne von Bandemer, geb. von
Franklin, Gräfin Tina Brühl, Madame de la Fite und andere.
Auch ein langes, um Unterstützung in bitterster Not flehen-
des Schreiben von Julie Penz, die später einen Sprach-
lehrer de Roquette heiratete, sich übrigens auch gelegentlich
in Gedichten versuchte, befindet sich unter den weniger an-
ziehenden Stücken des Sammelbandes. Dagegen lohnen einige
andere Briefe aus Wielands Weimarer Zeit eher eine genauere
Betrachtung. Sie rühren von Damen der Weimarer Hofgesell-
^haft, von der Herzogin Anna Amalia selbst und von der
Sarschin her. VeröflFentlicht wurde bisher darunter nur das
zeitlich erste Schriftstück, der lange, französische Brief der
Herzogin vom 29. März 1772, den Karl Freiherr von Beaulieu-
Marconnay 1874 in seinem Buche „Anna Amalia, Karl August
iüd der Minister von Fritsch* (S. 242 ff.) mitteilte. Die übrigen
Jnogen hier teilweise oder vollständig, je nachdem sie des Ab-
irucks würdig erscheinen, genau nach dem Wortlaute der
186 Franz Muncker
Handschriften folgen,^) mit allen Verstössen gegen Grammati1[
und Rechtschreibung, an denen mehrere von ihnen nur allzu
reich sind.
Bei chronologischer Anordnung machen zwei Briefe ohne
Unterschrift den Anfang, aus ^Steden'^ datiert, worunter
Stedten bei Erfurt oder der gleichnamige, von Weimar ziemlicb
gleich weit entfernte Ort bei Kranichfeld verstanden sein kanL
Nach einer bibliothekarischen Bemerkung aus neuerer Zeit,
die freilich durch keine Angabe genauerer Gründe gestützt
ist, wäre als Verfasserin vielleicht eine Gräfin Hatzfeld zu
vermuten, die selbstverständlich nicht dieselbe Person wie die
in den Briefen Wielands an Frau von La Roche erwähnte
Gräfin Luise von Hatzfeld sein könnte. Ich glaube jedoch die
beiden Briefe vielmehr der Freifrau von Keller, Gemahlin
des gothaischen Staatsministers von Keller, zuweisen zu sollen,
die auch im Subskribentenverzeichnis zum ,Agathon* von 1773
als „Frau Geheime Räthin von Keller, geb. von Bechtolsheim.
zu Stedten" — Stedten bei Erfurt ist hier gemeint — und
zwar als Bestellerin von vier Exemplaren erscheint. Ihre
Tochter Julie, von Wieland als Psyche besungen, war mit dem
Bruder ihrer Mutter, dem gothaischen Oberamtmann Johann
Ludwig Freiherrn von Bechtolsheim, der dann als Vizekanzler
der weimarischen Landesregierung nach Eisenach kam, ver-
mählt — im zweiten der folgenden Briefe ist mehrfach darauf
angespielt — und ist dieselbe Dame, die in einigen viel spä-
teren Briefen unsers Sammelbandes (vgl. oben S. 185) Wieland
um Rat über ihre eignen dichterischen Versuche bittet.
Der erste Brief der Freifrau von Keller, auf die beiden ersten
Seiten eines in 8^ gebrochenen Quartblattes mit flüchtigen,
nicht immer ganz deutlichen Zügen geschrieben, redet von
einer unmittelbar bevorstehenden, schweren Operation, deren
^) Für die bereitwilligst gewährte Erlaubnis, diese Handschriften
längere Zeit in München zu benutzen und nach Belieben Briefe daraof
mitzuteilen, sei dem Direktor der königlichen öffentlichen Bibliothek in|
Dresden, Herrn Geheimen Hofrat Dr. Franz Schnorr von Carolsfeld, auch
hier der ergebenste Dank ausgesprochen.
Widands „Pervonte". 187
zweifelhaftem Ausgange die Dame mit ruhiger Ergebung ent-
gegcDsieht, nur von Sorgen für das Olück ihrer Kinder erfüllt.
Diesen Gedanken fügt sie erst am Schluss des Briefes einige
literarische Bemerkungen bei, die sich auf Gotters ,, Epistel
über die Starkgeisterey'' im ,,Teutschen Merkur" vom Juli 1773
(S. 3 — 38), auf Mendelssohns „Phädon* und auf die letzten
Kapitel des soeben in zweiter Auflage erschienenen „Agathon"
beziehen. Ich beschränke mich auf die Mitteilung dieser
Sehlusssatze:
a St. ce 27. d'Oct. 1773.
Je me ferai lire demain l'admirable Epitre de Gotter, et
je reviendrai apres a mon Cher Phaedon, pourquoi h^las
cette Philosophie d'Argitas dont nous avons tant parl^ ne
se trouve-t eile pas en Agathon, ou plutot pourquoi n'etes
?ous pas a meme de venir en nourir mon ame.
Der zweite Brief (ebenfalls ein in 8® gebrochenes Quart-
biatt, das auf allen vier Seiten mit flüchtigen, aber deutlichen
Zügen beschrieben ist) knüpft an den Weimarer Schlossbrand
Tom 6. Mai 1774 an, spricht mit grösster Verehrung von dem
Grafen Johann Eustach von Görtz, dem Erzieher Karl Augusts,
uiit schwärmerischer Begeisterung von dem Prinzen selbst und
haudelt in seiner zweiten Hälfte, von der ich im folgenden
nur die Schlusssätze mitteile, von Familienangelegenheiten der
Schreiberin, bei denen sie gelegentlich Wielands Rat und Hilfe
in Anspruch nimmt.
a Steden ce 7. Juin 1774.
11 y a un Mois d'ecoule, Cher Ami, depuis le malheur
arrive a notre Cher Weimar, trop discrette pour vous ecrire
dans les premiers jours de cette Calaniite, je me suis contentee
des peu de mots que mon Gendre a pris sur lui, de vous
dire de ma part. Vous saves ce que je pense pour vous, pour
notre Ami le C^, et pour votre jeune Maitre c'est vous dire,
ce que je dois avoir senti a cette affreuse nouvelle. Je
knis Dieu de ce que la Sant^ de tout ce qui nous est
eher, n'a pas souffert de cette cruelle Catastrophe, et
188 Frane Muncker
penetree d^admiration de tout ce que j^ai oui dire de Totre
jeune Heros, je me suis ecriö, avec Tenthousiasme du
Sentiment (lorsqu^un me racontoit une ancienne prediction.
que Weimar trouveroit un immense tresor quand son Chateau
seroit consumc^ par les flammes) Le tresor est tout trouvt^.
c'est son Prince.^) Que Dieu vous conserve ce tresor
inestimable dont Pexistence fait les delices de son Peuple.
et dont Sa vie, fera la Gloire et le bonheur. Heros pai
le Sang qui coule dans ses veines, Sage par principe, Prim
Ami de VhumanitCt Pere de ses Sujets et Legislateur PUlo-
saplie, il etonnera son Siecle, et les suivants citerons^) ses
vertus comme un exemple a suivre par les Dieux de la
terre. Je vous felicite Cher Wieland d'avoir 6t6 elu Da-
nischmende de cet imcomparable jeune Souverain, etj'admire,
et je benis le Comte, d'avoir porte*) a ce degres de perfec-
tion TEducation d'un Prince Hereditaire au milieu de sa
Cour. C'est bien lui qui est cet Architecte Athenien, auqiiel
vous m'aväs fait l'honneur de me comparer, lorsqu'a votrt
Satisfaction j'avois fini un Ouvrage d'une bien moindre im-
portance que celle que notre Comte vient de finir aussi
glorieusement. Dites lui si vous en trouv6s le moment que
je le nomme notre Comte, parceque je le crois mon Ami,
et parceque je compte') gouter les fruits de ses traveaux
en partageant avec mes Enfants, s'ils vont s'etablir a Eisenach
le bonheur de vivre sous les douces et Sages Loix du Lycur-
gue Son Eleve. — — — — — — — — —
Pardon de la peine que je Vous donne, mais vous etes
mon Ami, ce titre, cette qualit^ precieuse, est mon excuse,
^) Vgl. dazu auch Wielands Brief an Zimmermann vom 3. Jnni
1774: „Wünschen Sie mir zu meinem Prinzen Glück. Er hat rieh am
sechsten May und in den folgenden Tagen wie ein Held und wie ein
Menschenfreund aufgeführt. Was ist ein halb abgebranntes Schloss
gegen die herzliche Liebe seines Volkes, die er durch sein ganzes Be-
tragen in diesem Unfall gewonnen hat."
2) So in der Handschrift.
^) In der Handschrift ist das Wort verschrieben: compter.
Widanda „Pervonte". 189
Qu^elle soit mon egide contre tous mes Ennemis, et pour
tous les tems de ma vie la Consolation de mes jours, comme
eile a fait la felicite d'une des plus heureuses ann^es de
mon existence.
Aus den folgenden Jahren enthält der Dresdener Sammel-
band zwei zum grössten Teile gereimte Briefe von Anna
Luisa Karschin, die vielleicht auch wegen der wiederholten
Bezugnahme auf Goethe Beachtung verdienen; dem ersten
dieser Briefe war ja auch die Antwort der Dichterin auf Goethes
Schreiben vom 17. und 28. August 1775 beigeschlossen. Im
übrigen klärt uns dieser nämliche Brief der Karschin noch
etwas genauer über die Gründe auf, aus denen Wieland seit
'lern Beginn des Jahres 1776 keine Theaterberichte mehr in
seinem , Merkur ** brachte, als dies bisher aus seiner eignen
Erklärung im Januarheft seiner Monatsschrift von diesem Jahre
(S. 92 f.) zu ersehen war. Er rechtfertigte hier seinen Ent-
schluss durch die Beschwerden und Klagen, die ihm die früheren
Berichte zugezogen hatten, und durch die eigne, beständige
Furcht vor ungerechten Urteilen, zu denen ihn etwa die unzu-
verlässigen Mitteilungen seiner Korrespondenten veranlassen
könnten, und führte als Probe für diese ünzuverlässigkeit das
— allerdings grausame — Verdikt an, das er auf Grund solcher
Mitteilungen im September 1775 (S. 280) über die Schauspielerin
Frau Henisch bei der Döbbelinschen Truppe in Berlin gefallt
hatte: , Madam Henisch, die in Berlin wegen — wegen ich
^eiss selbst nicht was — gefallen ; vielleicht wegen ihrer Figur
und Jugend. Sie hat noch den schleppenden langweiligen Ton,
'^nd das nichts sagende Gesicht, das sie als Demoiselle Gieranek
hatte.* Nun, im Januar 1776, berief er sich auf das ganz
ungemeine Lob, das in einem Privatbriefe an ihn derselben
Frau Henisch wegen ihrer alles bezaubernden Kunst wie wegen
ihres sittlichen Charakters gespendet werde, und erkannte dieses
Lob als ein .ganz vollgültiges Zeugnis ** vor allem deshalb an,
veil es ,von einer Frau* herrühre, ,die, in Sachen worüber
Genie und Gefühl zu erkennen haben, unter den Männern eine
190 Franz Muncker
Stimme hat*. Wir erfahren jetzt, dass dieser Brief, aus dem
das Januarheft des , Merkur '^ einen grösseren Abschnitt mit-
geteilt hatte, von der Karschin verfasst war. In demselben
Aufsatz über das Berliner Theater aus dem September 1775
(S. 279) hatte es nun aber auch geheissen: «Demoiselle Huher
ist der Abgott des Berlinischen Publikums, und ist es mit
Recht. Besonders glaub ich, dass sie in den lebhaften KoUen.
und in der Operrette uns die ehemalige Demoiselle Steinbrecher
ersetzen wird. * Auch dagegen verwahrt sich in unserem Briefe
die durch Wielands Nachgiebigkeit gerührte und durch sein
Lob geschmeichelte Dichterin, doch wohl in der Meinung, dass
er jetzt auch dieses Urteil in seiner Zeitschrift widerrufen solle.
Doch erwies ihr Wieland diesen Liebesdienst nicht; vielleicht
vermutete er als letzten Beweggrund zu ihren absprechenden
Worten über die Huberin doch ihre einseitig-persönliche Vor-
liebe für deren Nebenbuhlerin, die auch in unserm Briefe mehr-
mals erwähnte Madame Henisch. Auch das Lied auf diese
Freundin, von dem am Schlüsse des Schreibens die Rede ist,
druckte er im , Merkur" nicht ab.
Welchen , edlen Basler Mann* der zweite Brief der Karschin
bei Wieland einführen sollte, vermag ich nicht mit Bestimmt-
heit zu sagen.
Beide Briefe sind mit deutlichen (der zweite auch mit
ziemlich grossen) Zügen, die stets alle vier Seiten füllen, ge-
schrieben, der erste auf ein in 8^ gebrochenes Quartblatt, der
zweite auf einen halben Bogen in 4^. Mit der Orthographie und
oft auch mit der Grammatik nimmt es die Verfasserin sehr wenig
genau; besonders verwechselt sie gern Dativ- und Akkusativ-
Endungen. Ich gebe im folgenden beide Briefe möglichst
genau wieder; Majuskel und Minuskel las.sen sich aber manchmal
in der Handschrift der Karschin kaum sicher unterscheiden.
1.
Lass dich den Stolz nicht übermeistern
inn der entzükung die du hast
Ja lieber Wieland ja der Schönste vonu den Geistern
Wielands „Pervonte". 191
die Schöngeschaffen sind ist dieser Theure Gast
den Weymahr froher auffgenommen
als Syracus den weisen Mann
der aus Athen dahin gekommen —
0 dass Ihm^) doch dein Arm nicht zu uns bringen kann
Versuche deine Macht imm Überredungszwange
und komme mitt Ihm ann die Spree
und wenn du kommen willst dann bleibe mir nicht lannge
Beginne deinem^) flug so bald der frische Klee
dass Junge Veilchen will versteken
Bring auch dein Süsses Weib und deine Kinnder mitt
Die Musen sollen Euch hier Ihre Taffei deken
und Flora soll vor Eurem Tritt
auss unssrem feuerheissen Sannde
mitt nie gesehner wunder Krafft
so schöne Blumen ziehn als gingt Ihr in demm lannde
wo Sulzem die natur zwoo neue lungen schafft,
Dass wäre doch Ein Götterfest für mich, und für viele,
bester Wieland, machen Sies möglich. Gleim kömmt gewis
nach Berlin imm May Mond, und ich würde wieder jung
wenn Er, und Wieland und Göthe mitt mir im Hayn
gingen, geben Sie doch Ihrem Gastfreunde mein beyge-
schlossnes schuldopfer ab, ich binn Ihm anntwort schuldig
seit den ersten Tagen des Traubenreichen Herbstes, Er
wird die Verhinndrungsuhrsache finnden im Brieffe, und
sehn dass mein Schweigen nicht Einmahl zu den untter-
lassungs Sünden gehört, Ihr Jüngsterhaltnes Brieffchen hatt
mir viel freude gemacht, lies michs vergessen dass Sie mir
so lannge nicht schrieben, ich habs abgeschrieben meiner
Cloee geschikt, dass wird Ihr gut gethan haben, Sie wird
Ihren Sohn oder Ihre Tochter nun mitt leichtteren ^) schmerz
bringen, ich hoffe davon alle Tage nachricht, Sie war schon
vorher entzükt, über Einem ^) Kopf der Calliste, den mir Co-
dowieky so leicht, so meisterhafft, und so getroffen auff milch-
weissen ') Dafftband hinnwarff, dass michs staunen machtte,
^) So in der Handschrift.
192 Franz Muneker
ich Mahlt Ihm in drey oder vier Zügen den Kopf meiner
Cloee vor, und der Treffliche Künstler behielt die Idee,
machtte keinen fehler, als Einern^) worann ich selbst schuld
war, ich hatte vergessen, ich hatt Ihm nicht gesagt dass
mein original etwas schmalwanngicht wäre, dass gesiebt
ward ein wenig zu voll, aber dass äuge, der Mund, die
gannze Seele in die^) Miene, imm Blik ausgegossen, alles war
da, war so lebhafft hinngetuscht dass mann die Henischin
erkantte, Sie mein liebster Wieland verdienen noch Ein
halbes Duzend Brieffchen, und zwannzig lieder wenn ich
Sie Sinngen könntte wegen der Güthe des herzens die aus
Jeder Zeile Ihres Brieffchens hervorleuchttet, Dank Tausend
Dank davor, ich hätte nicht verlangt dass Ihr mercur
dem^) Theaterarttikel künffttig weglassen soltte, aber dieser
geflügeltte Bohtte müsstte Wahrheitsliebhaber wählen die
weder zu viel noch zu wenig sagtten, die unparteisch
wären, und selbst die fehler Ihrer lieblinge, selbst die vol-
kommenheitten Ihrer wiederwärttigen annzeigtten, ich habe
den arttikel über unssere bühne nicht gelesen, find aber
dass man Ihnen die Huberrin als die volkommenste Ac-
trice vorgemahlet, ich habe mirs sagen lassen, man log
Ihnen, Sie ist lebhafft im comischen, aber Sie heult im
hohen Tragischen Spiel, und ward seit der Zeitt schlechtter
dass mann Sie zu sehr lobtte, Ihre Figur hatt nichts ann-
ziehendes für die Kenner des feinen, für den Lieber der
schönen natur, doch genug hiervon, ich wiederhohle meine
erkäntliche aussruffung, haben Sie Dank Tausend Dank
liebe gutte männliche Seele, behaltten Sie mich im freundes-
anndenken, grüssen Sie alles was Ihnen anngehört von
mir, ob ich gleich allen cörperlich unbekant binn, leben
Sie schäfferfrölich, geben Sie der wellt bald wieder Eine
neue Geistgebuhrt, und denken Sie sehr herzlich auff die
reise nach Berlin wegen Ihrer herzlichsten freundin
Berlin den 17 feb. 1776.
meine Tochtter grüsst Sie Ehrbiettig, A. L. Karscbin
^) So iu der Handschrift.
Wielands ,,Perwmte". 193
und ich bitte, wenns noch Zeit ist:
im liede auff Madam Henisch an stat
Gärtner Mädchen rosen Mädchen zu
sezen, doch ists erste auch gut.
2.
Dir lieber Wieland muss mein Herz noch Grüsse sagen
durch Einem ^) Edlen Basler Mann
der sich bey uns ergözt inn schönen Blumentagen
und es nicht möglich machen kann
noch lännger hier zu sein wo Er mannch Herz gewan —
Er ist Ein liebenswehrt Geschöpfe
aus Jenem lannde bergverschannzt
wo sich die dennkart freyer Köpfe
Ton Sohn zu Sohne fortgepflannzt
Du kennst diss lannd, bist da gewesen
Kennst Seine Bürger, hast alda
dir mannchen ireund von Herzen ausserlesen
dem*) dein verstand des Wahlrechts würdig sah —
must auch gewis den Schweizer lieben
sonnst würd Er nicht nach Weymar hinn
mitt so viel schneligkeit getrieben
Er kömmt und saget dir dass ich offb kränklich bin
amm cörper, aber nicht am Geiste
Ich aber sage dir durch Ihn
dass ich schon monndenlanng mich mitt der hoffhung Speisstte
du kämst ann Götens Hand von Weymar nach Berlin
Ihr kommt nicht, lasse mich doch wissen
ob Gleim den rosen Monnd bey Euch genoss
ich hab auff Briefe lauren müssen
und dennke dass Er sich entschloss
auff Eures fürsten flur Sich rosen abzubrechen
Die Süsser dufftten, und vielleicht
nicht so wie anndre rosen stechen
^) So in der Handschrift.
194 Franz Muneker
weill Ihr durch Süsgesang die Flora habt erweicht
Sie ohne Dom herrorzubrinngen
Ich möchtte gern für Eurem ohr
mein unnharmonisch liedchen sinngen
vielleicht käms Euch doch lieblich vor
denn selbst die Grasemüke reizet
Zum horchen nächst der nachttigall gesanng
Ich käme mitt den^) Mann der sehr nach liedern geizet
und bliebe bey Euch wochenlanng
Ich käme warrlich — aber frage
nur nicht was mich zurük kann ziehn
was hülst es dass ich dirs erst sage
Genug mich lässt ein Gott nicht von der Stelle fliehn
ich binn gefesselt ann Berlin
und hoffe dennoch eh mich Cahron überkahnet
Euch und die schöne Schweiz zu sehn
mir ward schon manncher weg gebahnet
den ich vorher nicht sah, mir ist schon viel geschehn
was ich mir nicht geträumt imm Schlummer
und nicht imm wachen mir gedacht.
Die Götter ordnetten des Mennschen lust und kummer
Sie haben Ihren Plan gemacht
und schlagen Einem ^) auff die finnger
wenn mann zu naseweiss Ihn selber künnsteln will
und davor fürchttete mein Herz sich als ich Jünnger
und grambeladner war, ich schwieg geduldig Still
und sähe weitter nicht als wie Ein wanndrer Siehet
der grades weges geht, nie auss dem gleise weicht
und wenn Er über Berg und Thäler sich bemühet
Die Herberge zulezt erreicht —
Berlin den 27 Juny 1777
A. L. Earschin.
Aus der ersten Woche des Jahres 1781 stammt ein kurzer,
undatierter Brief der Herzogin Anna Amalia an Wieland,
*) So in der Handschrift.
Wielands „Pervonte". 195
auf die erste Seite eines in 8^ gebrochenen Quartblattes mit
deutlichen und sauberen Zügen ganz eigenhändig geschrieben.
Er bildet die dankende Antwort auf die Verse ,An Olympia.
üeber eine Handzeichnung von Oesern, die H. Marie Magdalene
Dach Cignani vorstellend', die nach Seufferts Angabe') vom
4. Januar 1781 stammten, übrigens auch im Januarheft des
»Merkur* von 1781 (S. 41 f.) veröffentlicht wurden. In der
Oeserschen Zeichnung, die die Herzogin besass, wollte Wieland
keine fromme Büsserin mehr erkennen, sondern vielmehr ein
.Xjmfchen*, ein »Griechsches Mädel", ja »Amors Schwester*
selbst, ,die lieblichste der Charitinnen*, welche die , Grazien
Apells* dem von ihnen stets umschwebten, begeistert seinem
Wügen Urbild nachzeichnenden Künstler neckisch unterge-
schoben hätten. Darauf erwiderte Anna AmaUa, doch wohl
^gleich nach dem Empfang der anmutigen Verse:
Ich solte zwar hübsch höflich und Galant seyn und auf
so schönen*) Reimelein, durch die schöne Magdalene, Ihnen
lieber Wieland und den Grazien ein Opfer bringen; wenn
meine Fantasie, die mir leider nur zu öfters dume Streiche
spielet, nicht auch jetz*) den Possen thät und nichts in
dem Bilde des Freund Oesers zeigte als eine anne Sünderin .
der*) ich änhlich*) werden möchte und sie darum in meinen*)
Cabinet hängen habe.
Solte aber jemals meine Fantasie das in dem Bilde sehn,
was Ihnen die Musen so schön sagen lassen; so werd ich
nichts eiliger zu thun haben als es von meinen Augen
weg unter Ihre Obhut zu geben.
Bis dahin hoffe ich der Schönen Sünderin desto öffters*)
Ihre Gegenwart zu verdancken, wodurch sie mir nur um so
lieber wird.
Amelic.
*) Wielands höfische Dichtungen, im Euphorien, Bd. I, S. G98 (1894).
*) So in der Handschrift.
') In der Handschrift verbessert aus: die.
*) In der Handschrift verbessert aus: öffterer.
196 Franjs Muneker
Fast anderthalb Jahrzehnte später, in den Spätsommer
oder Herbst 1795, fallt ein gleichfalls undatierter Brief von
Frau Caroline Herder, auf die beiden ersten Seiten eines
in 8^ gebrochenen Quartblattes mit grossen, deutlichen Zügen
geschrieben. Das Datum ergibt sich aus dem Abdrucke des
in dem Briefe genannten Gedichts von Friedrich von Eöpken
, An Teutschlands Horaz des vorigen Jahrhunderts", dem Wieland
eine grössere, mit wärmstem Lob auf Herders ^Terpsichore*
verweisende Anmerkung beigab, im Oktoberheft des , Merkur^
von 1795 (S. 202 ff.). Karoline Herder schreibt:
Theuerster Freund. Da mein Mann eigentlich nicht
selbst Ihnen eine Ode zusenden kann, worinnen seiner in
Ehren gedacht wird, so nehme ichs auf mich und übersende
sie Ihnen zutrauensvoll, mit unsrer beider Bitte, sie gefällig
in den Merkur einzurücken, wenn Sie nichts dagegen haben.
Ein H. 7on Köpken aus Magdeburg, den Sie vielleicht
kennen, ist der Verfasser; er wünscht dass Sie sie auf-
nehmen möchten.
Vielleicht finden Sie es auch, dass diese Ode ihrem Ver-
fasser nicht zur Unehre gereicht und nicht unwerth sey,
auf den patriotischen Altar gelegt zu werden. Vielleicht
gefallt es Ihnen, in einer Note, zur Verständlichkeit des
Gedichts, mit wenigen Reihen, das Daseyn der Terpsichore
zu bemerken, das denn flir Ihren Freund sehr erfreuend
seyn würde. Wir wünschen Ihnen alles Gute, Glückliche,
was Sie erfreuen kann. Meine liebe Freundin küsse ich
herzlich.
Ihre
C. H.
Endlich findet sich auf einem kleinen Quartblatte, djis
nur auf einer Seite mit säubern, deutlichen Zügen beschrieben
ist, folgender undatierte, wolil dem Jahre 1799 angehörige Brief
von Henriette von Knebel:
Sie haben mir, mein verehrungswerthester Freund, durch
die gütige Mittheilung Ihres Agathodämon ein ganz unbe-
Wielands „Pervante^*. 1Ö7
schreibliches Yergnügen gemacht und ieh weiss kaum wofür
ich Ihiien zuerst dancken soll: vor diese süssen Früchte Ihres
Geistes selbst, welche, wie unter einem griechischen Himmel
erzogen, den schönsten und unvergänglichen Samen in sich
tragen — oder vor die liebreiche und gefallige Art womit
Sie solche meinen Händen anvertraut haben.
Jedes Opfer des Dancks und der Verehrung, das ich Ihnen
bringe, wird mir so leicht, weil es zugleich aus dem Herzen
kommt; daher hoffe ich auch, dass Sie, mein vortrefflicher
Freund, dieses mit Güte und Wohlwollen annehmen werden !
Ihre
ergebenste Freundinn
Henriette von Knebel.
Den Hauptbestand der Dresdener Sammelhandschrift bilden
aber Briefe von Wielands Cousine und Jugendgeliebten Sophie
von La Koche. Nicht weniger als 76 Briefe, darunter zwei
an Johann Georg Jacobi, rühren von ihrer Hand her. Sie
beginnen mit den Jahren 1759 — 1761, setzen nach längerer
Pause dann wieder 1767 ein, werden überaus zahlreich in den
Jahren 1769 — 1772, besonders solange Sophiens Sohn Fritz in
Wielands Hause zu Erfurt weilte, und stellen sich endlich
nach einer neuen Unterbrechung wieder, doch nicht so häufig
ne zuvor, von 1777 bis 1784 ein. Zwei Briefe ihres Gatten
und eine kurze Nachschrift von Dumeiz sind, wie bereits be-
nierkt wurde, zwischen Sophiens meist umfangreiche Episteln
angeschoben.
Diese letzteren sind zum grossen Teil Antworten auf längst
'♦kannte Briefe Wielands; mehrere von ihnen lassen sich aber
äiich in den Zusammenhang der bisherigen Yeröfifentlichungen
dieser Art nicht eingliedern, so z. B. gleich die beiden ersten,
ergebnisreichen Briefe unsers Sanmielbandes, die zusammen mit
^mem verlorenen Schreiben vom 12. Juni 1759, das herbe Vor-
würfe gegen Wielands Mutter enthalten zu haben scheint, die
durch Sophiens Vermählung 1754 abgerissene Verbindung mit
^Vieland wieder anknüpfen sollten und Sophie liebevoll ent-
IWtt. Sitcgsl». d. p]iUo8.-phUoI. n. d. bist CI. 14
198 FranB Muiuiker
gegenkommend, Wieland dagegen zunächst in verletzender
Zurückhaltung zeigen. Ob an dieser etwa nur äussere Zufällig-
keiten, die mit seiner fast gleichzeitigen Übersiedelung nach
Bern zusammenhingen, schuld waren, lässt sich vorläufig nicht
erkennen. Jedenfalls aber löste sich die Spannung zwischen
ihm und der einstigen Geliebten bald wieder, wie die folgenden
Briefe unseres Bandes, übrigens auch schon früher veröffent-
lichte Briefe Wielands aus jener Zeit beweisen.
Auch in den späteren Blättern der Dresdener Handschrift
ist noch mehrmals von vorübergehenden Missverständnissen
und Zerwürfnissen zwischen Wieland und Sophie die Rede.
Fast immer aber fleht sie dann leidenschaftlich-innig den ver-
stimmten Freund um Versöhnung an. Überhaupt zeigt fast
jedes Schreiben von ihrer Hand, wie warm und treu ihr Gefühl
für Wieland ist. Ihre wiederholte Versicherung, dass seine
Briefe vornehmlich das Glück ihres Lebens ausmachen, ist keine
leere Redensart. Beständig beschäftigt sie die Sorge um seine
Gesundheit, um sein geistiges und gemütliches Wohlbefinden,
um sein äusseres wie um sein seelisches Glück, und dann und
wann mischt sich in die Beteurungen aufrichtigster Freundschaft
auch eine elegische Erinnerung an die ehemalige schwärmerische
Liebe ein. Offen spricht sie von ihren eignen Verhältnissen
und Familiensorgen mit dem alten Freunde. Ebenso handeln
die späteren Briefe mehrfach von Sophiens schriftstellerisclien
Arbeiten und enthalten lobende Urteile über Wielands neuer
von ihr stets mit freudigster Teilnahme aufgenommene Werke.
Auch seine Freunde und literarischen Beziehungen kommen ge-
legentlich zur Sprache. So sucht z. B. 1771 Sophie vermittelnd
in einen Zwist zwischen Wieland und den Brüdern Jacobi ein-
zugreifen, und tief erschüttert schreibt sie ihm 1778 nach dem
Tode Julie von Bondelis.
Diese Briefe Sophiens verdienten aus mehr als einem
Grunde eine nahezu vollständige Veröffentlichung. Da mir
eine solche vor der Hand nicht möglich ist, teile ich hier
wenigstens die beiden ersten Briefe ganz und von den folgenden
einige — vorwiegend literargeschichtlich ergiebige — Proben
Wietanäs ,>P«iTon«e". 199
mit, natürlich genau in der regellosen Schreibung der Originale,
die zudem zwischen Minuskel und Majuskel, Acutus und Gravis
Ott kaum unterscheiden lässt. In den Anmerkungen beschränke
ich mich auf das Allemotwendigste.
Mayence ce 26 Juin 1759.
n y ä quince jour, que je vous ai*) ecrit; il faut que la
letire vous soit parvenüe, et il faut aussi, que vous en soyes
indign^, parceque vous ne me repondes pas malgr^ les instantes,
que je vous en fit. Soit, cest un coup que je me suis porte,
nioi meme, ma triste ma cruelle maladie, etoit donc destin^,
le me montrer, non seulement, toutes les malignit^s Cachees
•le raon sang, mais aussi Celles de mon coeur, j'en profiterai,
jiour Fun, et pour L^auttre, j'en rens grace a Dieu, en le
(iemandant, une guerison aussi parfaite, pour mon Coeur, et
Esprit, quil a don^ ä mon corps; je ne seroit donc plus
^aine, ni presomtueuse, sur une lettre, ou j'aurois montr^ mon
coeur, avec ses merites, et ses desflfauts, je ne dementirai plus,
mon Caractere, qui apres Cinq ans et plus, d^ soufiranfe coura-
gease, et suportable (parceque j'avois bien d^ Tinocence devant
nioi) fait une demarche, qui detruit le fruit, de tout cela, enfin
Jen suis punie, par votre silence, peutetre encore par un nou-
^eau') sacrifice, a faire de ma reputation, ä Mad: votre Mere.
Si vous lui comuniques ma lettre, je ne m'en plaindrai pas, et
si je le faisois, ce seroit injustement, j'ai trop dit d'elle, pour
ne vous pas faire souhaiter, quelle soit justifide, et que j'aye
M; ah pourquoi, ma pauvre raison, a feile tant souffert de
cette Couche douloureuse avant terme, pourquoi mon Imagination
Hf»it eile trop vive, trop agisante. Dieu ä permis tout cela,
iw me humüier, il me faloit encore perdre, les restes de votre
amitie que la piti^, et Tincertude,*) si j'etois aussi coupable qu'on
') Ein Foliobogen, auf den drei ersten Seiten mit säubern, deut-
<i(lieQ, etwas verblassten Zügen beschrieben.
^ ai (nachträglich in der Handschrift eingefügt).
') Verbessert aus: nouvelle.
*) So in der Handschrift.
200 FroHM Muneker
me faisoit/) m'avoit conservö,*) je me soumet, toujour destine
ä souffi'ir, dans la partie, la plus sensible de mon Coeur, desonuais
je me defierai des agremens, que je croirai pouvoir me procurer,
par ma droiture, par un epanchement de Coeur, je n^ai d^auttre
consolation, que de ne vous avoir ecrit, aucun mensonge, Mad:
votre Mere, dusse t^elle m^en donner le defi milles fois. mon
coeur ne sera plus donn^, ä juger ä aucun homme au monde,
Dieu, Dieu seul, le verra et le jugera ä l'avenir et de Tautrt
Cot^ du tombeau, come dit mon eher Joung. je vouloit avoir
le plaisir, de vous voir justifie, dans FEsprit de la Roche,
qui me croyoit prevenüe, pour vous, et contre votre Mere, je
ne vouloit pas me venger, mais rentrer dans votre Estime, en
vous laissant le juge de mes actions de Tannee 1753, depuis
le Juin jus qu^a mon mariage. il est bon, il est salutaire
que je reconoisse, tous les plis, et replis de mon coeur, je me
renfermerai en moi meme, et mes devoirs, de mere, et d^Epouse,
rien pour ceux, dont j^ambitionai TEstime, et les auttres
n'etant rien pour moi — adieu Wieland, dans l'auttre monde,
vous me reveres, vous ne') me meconoitres plus, vous nie
rendres plus de justice, et je ne ferai plus de fautes, car gpra^e,
ä Dieu, je n^ai pas^) comis des crimes. Faites de ma lettre
du 12, et de celleci, tout ce qui bon vous semblera — je ne
contredirai pas ä rien.
Dieu vous Benisse, Dieu recompense votre vertu, je lis,
vos Empfindungen des Christen, come on les doit lire; oublies
moi, ne vous faites au moins point d^image, de ma Conduite,
de mes sentiments vous etes si loing, de me prendre au juste
que je vous prie, de me laisser; ne me voyes plus, que come
je suis, en ce moment, j^ai ma petite Louise sur mes genoux,
Frizle, mon charmant beau Frizle est ä mes pieds, et joue, la
Max est ä deux pas, de^) moi pres de la Cousine et court
*) Verbessert aus: m'avoit fait.
2) Verbessert aus: garde.
^) ne (nachträglich eingefügt).
*) Verbessert aus: je ne.
^) Vorher ,ches* durchstrichen.
Wielands „Pervante", 201
pour sa poup^e, et me demande, mama pourquoi pleures vous?
je prie Dieu, de tous donner un Coeur vertueux, et une
destinäe, plus heureuse que la miene. cest le seul Goupd'oeil
que je vous permet; je suis sur, que plusieurs moments de ma
rie, plusieurs sentiments, de mon coeur, qui vous regardent,
seront consery^, et que vous les verräs dans Tauttre monde,
et les aprouveres pour me recompenser, de tout les maux, que
les Totres m'ont fait soufirir. adieu!
Sophie La Roche.
2.»)
Mayence ce 18 Juillet 1759.
Monsieur, et tres Estime Cousin.
Yoici une lettre, que je voulois envoyer a Zürich je n'en
ferai rien, je suis resign^e sur vous, ainsi ne craignes rien de
L'avenir, car c'est la demiere fois, que vous verres de mon
odieuse ecriture; je ne vous demande plus reponse, ä mes
lettres precedentes, mais seulement la Complaisance de faire
dire par Mad: votre Mere, ä ma soeur de Hillern, que vous
les aves recües. Souvenes vous s'il vous plait, qu'un jour,
vous m'aves dit bien de ChosBS au desavantage de mon Pere,
^ans quil me soit venu dan L'Esprit, d'en faire la mine, encore
moins aurois je et^ capable, de marquer une haine, et un
mepris aussi complet, dont vous venes de me traitter, mais il
faut, que vous ne soyes plus, ce meme Wieland d'auttrefois,
vous n'aures Jamais sü en agir de cette facon sur ma premiere
lettre, encore*) moins sur la seconde. enfin c'est le dernier
trait, de mon sort, je suis sur, de n'en plus eprouver de pareil.
Soyes heureux mon Cousin, autant qu'on le peut etre, tranquilises
vous, en oubliant la facon, dont vous venes de me traitter bien
Jnjustement.
Sophie La Roche.
*) Ein Foliobogen, nur auf der ersten Seite mit säubern, deutlichen
Zügen beschrieben.
*) Das Wort ist verschrieben: encorce.
202 FranM Muneker
3.»)
Ifayenoe ce 7 8br: 1760.
Monsieur et tres Estim^ Frere.
Toujours nion Frere n^oublies pas, que je n^ai plus ases de
vaniy, pour faire des pretensions, et que je regarderai, tout
ce qui me viendra de vous, come des preseos genereux.
je vous ai ecrit au mois d^aout, que notre TOjage poui
Warthause, etoit recul^ jusque au printems prochain, je tous ai
marquä le deplaisir, que cela me Causoit; la datte du mois
d^apresent m^a don^ un rajon de plaisir en me montrant, que
nous somes deja avauc^ d^un mois vers le terme de mon depart.
et de la satisfaction de me retrouver ches moi, de corps et
d^Esprit. vous qui ne conoisses que trop, le sauvage de mon
imagination, representes tous*) les douceurs quelle me fait
envisager, du voisinage d'un frere et d^une soeur, come j'ai
a Biberac. Dieu vous Consenre, et laisse ä ma soeur la Con-
solation, de votre amitiä, et de votre Comerfe. on m^ä mande
toutes les bonnes intentions, que vous aves pour mon pauvre
frere Cadet, je yous en remereie millions de fois. ajes toujour
ce Coeur unique dans son Espefe, ce Coeur auquel je doit iant
et tant. nourisses y toujour quelque sentiment d^amiti^ pour
moi. adieu penses quil n'est pas possible de Considerer, et
d'Estimer quelqun plus parfaitement que tous L^etes, de')
4.*)
Majence ce 10 Novembre 1760
quelle Lettre m'ecriTcs tous mon Frere. Sans L^anglois quil
y a au bout, je ne croyrais jamais, que tous L'aTes ecrite.
M Ein Foliobogen, auf den ersten drei Seiten mit säubern, deut-
lichen Zügen besehrieben; vom zweiten Blatt ist ein Stück mit der
Unterschrift weggeschnitten. Im Anfang des Briefes bittet Sophie um Aus-
kunft über die Gesundheit ihrer Schwester Cateau von üillem in Biberach.
2) vous (nachträglich eingefügt).
*) Hier fehlt die Unterschrift.
*) Ein kleiner Foliobogen, auf 2^/2 Seiten mit säubern, deutlicben.
nur etwas verblassten Zügen beschrieben. Im weiteren Verlauf des
Wielanda „PervotUe''. 203
TOus etes donc persuades, quil y a des moments ou la Philo-
sophie s'en ya, au Nües pour nous laisser faire, tout ä notre
aise, un petit tour terestre, materielle, tout ä fait; et vous
en parles meme, dans un ton liaturel, satisfait de cette de-
converte. j^en suis bien aise, et meme j^en suis Charm^e plus
que vous ne penses peutetre; je vous verrai plus souvent, car
je ne doute point, que cette jolie humeur, dans laquelle vous
m^ecrivies cette Lettre, ne vous reprenne de tems, en tems et
dans ces moments la, vous aimeres, L'Esprit, de Warthause,
on osera vous prier ches nous, ou on vous Estime, et ou on
craignoit seulement, votre austerit^, mais nous parlerons de
iVla au mois de Mars plus amplement — — — — —
5.0
ce 16. Juillet 1761.
je suis bien charm^e de L^impression que La Roche ä fait
sur vous, croyes toujour mon Frere, que L'agrement de sa Figure,
et de sa conversation, sont ses moindres merites, vous le dires
avec moi, quand un jour vous le conoittres mieux du cot6 du
caractere.
vous ne reves pas si juste que moi, car Mos. le Gomte
Taut vous voir, et pense meme vous voir souvent, mais je
derine qu^on veut avoir la Biblioteque arangcS pour etre sous
les Armes, a votre premiere aparition. — — — — —
Briefes, der auf Wielands Schreiben vom 25. Oktober 1770 (bei Robert
H&ssencamp, Neue Briefe Wielands, Stattgart 1894, S. 9 ff.) antwortet,
brakterisiert Sophie unter anderm ihr eignes, in seiner Schönheit nun-
^hi verblichenea Aussehen, von dem ihr ehemaliger Liebhaber nichts
aiehr zu furchten habe.
^) Ein kleiner Foliobogen, auf allen vier Seiten mit säubern, deut-
lichen Zügen beschrieben. In demselben Briefe bittet Sophie unter
uiderm dringend, Wieland möge ihr sein Lustspiel (die Übersetzung
'1^ •Sommemachtstraums'*) zum Lesen geben. La Roche pflege niemals
ihre Briefe neugierig zu durchstöbern; Wieland könne ihr also ganz
gut etwas anvertrauen, was nur für ihre Augen bestimmt sei.
204 Frang Muncker
6.')
Warthause 11 fevrier 1770
Diogene atiendu come le Messie, est arive vendredi. vous
auries du voir, avec quelle yitesse je dechirai les envelloppes
et parcourait les vignettes. mais avec quel regrett, je pensois
a mes yieux qui ne me permirent pas de lire. La Roche qui
attendait ces plaintes, me dit quil m^en ferait la lecture, et se
mit ä rinstant a Cot^ de ma petite table, a la plafe que tous
occupies du tems de mon heureux voisinage avec vous; et juges
si Diogene nous plait. La Roche en ä continu^ la lecture jus
qu^aujourdui ou nous sommes rest^ a la Republique. Tout est
bon tout nous plait. mais N™ 33 jus qu'ä la Republique*)
nous enchantait preferablement, parceque nous y croyons voir
Wieland avec son Genie et son Coeur, L'histoire de Lamon;')
la preface, et cent traits dans les N^*' 32. qui precedent, nous
charmaient, et nous delectaient, mais le detail est impossible
a rheure quil est, ou nous devorons le tout avec avidite. la
Comtesse vous fais milles remerciements, eile est toucb^ de
rhoneur que vous lui aves fait, eile vous ecrira eile meine,
chaque feuille L^enchante. il y ä un seul mot quelle n^aimait
point, et dont L. R. ä pris la defense en disant quil falait que
Diogene parle sans macher les expressions. le mot est dans
l'article des diferentes facons d'aquerir des richesses.*)
Lamon m^a touchee. Clicerion m^ä rapellä un tems que
vous passies heureusement, eloign^ de tout le monde, ou votre
maison etait l'univers pour vous. me suis je trompöe? je crois
que non. vos tableaux du bonheur d'une Ame sensible pour les
beauti^s de la nature. j'aurais voulu m'y trouver ä cot^ de
vous. — — — — — — — — — — — —
1) Ein kleiner Foliobogen, auf drei Seiten mit deutlichen, säubern
Zügen beschrieben ; auf S. 4 die Adresse. Die zweite Hälfte des Briefes
enthält verschiedne persönliche Mitteilungen von geringerer Bedeutung.
Wielands Antwort auf diesen Brief ist schon von Franz Hörn (Wielands
Briefe an Sophie von La Roche, Berlin 1820, S. 116 ff.) veröffentlicht.
2) In der Handschrift verschrieben: Replublique.
^) Kapitel 7—9 des , Diogenes*.
*) Wohl im 28. Kapitel.
Wielands „Perwmte''. 205
adieu Wieland je vous remercie de votre ecriture dans Dio-
gene, je vous remercie que vous y ayies mis mon nom Sophie.
ah si les riens ne faisaient, le bonheur des ames sensibles —
toates les richesses de mots et de biens ne le feroient pas.
vous me conoisses — vous voyes mon coeur dans cette Pha-
tasie.') — — — — — — — — — — — —
Warthausen d. 25. Februar 1770
Sie wollen in Zukunft lautter teutsche Briefe von mir
baben; und Sie sagen mir so gute Ursachen dazu, dass ich
diesen Vorschlag, um mein selbstvrillen annehmen muss. —
Ar Diogenes mein Freund, Gefält der Geistlichkeit nicht und
bn den meisten nach dem , Esprit de leur Corps ** nicht ganz
gefallen, ich bin froh das Wieland als Wieland nicht so von
der Liebe, und andren Bewegungen unsrer Seele denkt, als er,
als Diogenes davon spricht. Die Gräfin und ich v^aren ein
paarmahl böss über Sie, da Sie uns bey dem vorlessen erröthen
machten, weil wir nicht so geschwind waren als La Roche es
gewessen, Wieland und Diogenem zu unterscheiden. Eine Be-
trachtung kam mir dabey, die zu einer Frage wurde, ich war
sicher dass die rothmachende Züge in Ihrem Diogenes, eben
so viel mühe und Überwindung gekostet hätten, als mich der
Character meines Bössewichts: Woher konit aber dass eben
«liese stellen in Ihrem Buch, und diesse Briefe in meinem die
Lebhafteste sind, und stärkere eindrüke, als die übrige
Diachen. — — — — — — — — — — — —
^) So in der Handschrift.
^) Ein kleiner Foliobogen, auf allen vier Seiten mit säubern, deut-
'ichen Zügen beschrieben. Die hier nicht mitgeteilten Abschnitte des
Briefes handeln anter anderm von der .Geschichte des Fräuleins von
^ternbeim*, an der Sophie gerade arbeitete; auch Wieland hatte Mehre-
^ davon schon gelesen und wahrscheinlich der Freundin nur darum
Sttaten, ihre Briefe deutsch zu schreiben, damit sie so für ihren Roman
»•me grössere Leichtigkeit im deutschen Stil gewinne.
206 Franz Muneker
Warthausen d. 18 Merz 1770
Sie plagen mich Wieland, mit Ihren deutschen Briefen.
ohngeachtet ich fühle dass Sie recht haben, aber es dünkt
mich, alles was ich Ihnen zu sagen habe, und für Sie empfinde
liegt in dem gefach meiner francösischen Wörter, und, dass ich
es erst übersezen muss, daher finden Sie auch meine Briefe
troken und kalt. — — — — — — — — — —
(Von Georg Michael Frank von La Koche.)
Warthatuen ce 4 Join 1770.
Tlantlaquacapatli, Aboulfaouaris etc. et Gombabus sont ar-
riv^s sains et saufs. Je les ai devor^. Voulez vous que je
vous dise la Veritä? Je prefere ces geheime Beyträge mftme
ä Diogene. II y a bien long temps que je n'ai rien lu qui
fut plus ä mon Gout. Et il n'y a que vous qui soyez en
etat de parier Nature. il semble que vous Fayez pris sur
le fait, et que vous Payez forc^ a vous decouvrir le fort et
le foible de ses Ressorts. Enfin c'est une production qui doit
vous faire honneur parmi tous les Etres pensants. Nargue a
Bavus, KoUbomius *), et autres vermisseaux, qui ne manqueront
^) Ein kleiner Foliobogen, auf drei Seiten mit säubern, deutlichen
Zügen beschrieben; auf S. 4 die Adresse. Meist handelt es sich in dem
sehr herzlich gehaltenen, halb deutsch, halb französisch abgefassten Briefe
um weniger bedeutende persönliche Mitteilungen. Derselbe bunte Wechsel
der Sprache findet sich auch noch oft in den folgenden Briefen; ja selbst
ganze Briefe schreibt Sophie später noch französisch, besonders wenn
ein leidenschaftliches Empfinden in ihr nach Ausdruck verlangt.
'^) Ein kleiner Foliobogen, nur auf den beiden ersten Seiten mit
säubern, deutlichen Zügen beschrieben. Da Sophie mit der Gräfin
Maximiliane Stadion gerade einen Ausflug gemacht hatte, schrieb dies-
mal statt ihrer ihr Gatte, obgleich auch er nur wenig Zeit hatte, da er
den Umzug nach Schloss Bönnigheim vorbereitete.
*) Abbe Kolborn, Kanonikus von Mainz, Erzieher de« Grafen Philipp
Stadion.
Wielanda „Pervonte". 207
point d'y trouver ä redire, parceque ce n'est pas le ton du
Schulzen-Stofel. — — — — — — — — — —
Je suis de Coeur et d^ame
Votre Amy Cousin et tres
humble serviteur
La Roche.
10.^)
UXbr 1770
vous saves que je possede vos gracieuses fiUes de genie, je les
ai lu deux fois, elles sont charmantes, et je me loue, d^avoir
devine votre Danae*). Phillis la simple et modeste Phillis^),
ne tient eile pas les graces, de sa naivet^, des doutes de son
ambilit^, du Caractere de votre Epouse, Ces yieuz rempli de
lanDes de joye ce sentiment de vous*), qui lui tient lieu de
toat, la sincerite avec laquelle, eile loue les Charmes de ses
Compagnes, tout est tire de Tarne de mon Amie Wieland, dites
lui, que si en lisant les Graces, j^eusse et^ ches vous, je me
serait leve, et L^aurais pressä contre mon Coeur, et la eile
aurait vu aussi des larmes de tendresse, dans mes yieux ä demie
eteint. — — — — — — — — — — — —
11.*)
Ehrenbreitstein 28 Juin 1771
Wissen Sie das meine Sternheim dem Herder gefält, diesses
hätte ich mir nicht vermuthet, und es freut mich nicht wenig.
M Ein kleiner Pojioboj^en, auf allen vier Seiten mit grossen, deut-
-fhen Zügen beschrieben. Wie Sophie in den vorausgehenden Briefen
^brfach mit gespannter Erwartung von den „Grazien'' spricht, so lobt
d« das Werk auch nochmals kürzer in dem folgenden Schreiben vom
18. Dezember 1770.
') Die ganze Erzählung in Wielands „Grazien" ist an Danae gerichtet.
^ Die schönste der arkadischen Hirtinnen in den „Grazien*.
*) In der Handschrift verbessert aus: de votre Mere.
^) Ein halber Bogen 4^, auf allen vier Seiten mit säubern, deut-
üehen Zügen beschrieben.
208 FranM Muncker
12.^
18 Juillet 1771
j^ai recü une lettre de Merk, et de la petite Flachsland Amie
de Herder, qui me comunique toutes les Poesies du dernier, et
les louanges quil donne au ton Melancholique de ma Sternheim,
et a la verite morale quil y trouve, Taprobation de cet homme
me fait plaisir. — — — — — — — — — —
13.«)
(Von Damian Friedrich Dumeiz.)
[27. September 1771.]
je pense m'arreter encore vne huitaine de jours ici,') et puls
aller retirer votre Agathon des mains dVn moine ä qui je Tai
pret^, et qui en fait des extraits pour precher votre evangile
au peuple, jugez par lä de Texcellence de votre ouvrages,*)
puisque le gros sens monacal le*) sent.
14.*)
(l. 16 Juny 1772
aber den golden*) Spiegel habe ich doch schon durchblättert,
und mit trähnen dess danks, mit überfliesenden Thränen der
besten empfindung habe ich Sie meinen Wieland geseegiiet.
0 wie schön werden Ihre Männliche Jahre — mein Lieber
^) Ein in 8*^ gebrochenes Quartblatt, auf allen vier Seiten mit
flüchtigen, mitunter nicht recht deutlichen Zügen beschrieben. Der
Brief enthält noch weitere Mitteilungen über die freundliche Aufnahme
der , Geschichte des Fräuleins von Sternheim".
2) Ein halber Bogen 4^, auf allen vier Seiten beschrieben, grossen-
teils von Sophie; am Schluss fügte Dumeiz eine kurze Nachschrift bei,
aus der ich hier nur die auf den „Agathon" bezüglichen Sätze mitteile
Die Unterschrift von Dumeiz' Namen fehlt in dem Briefe.
^) Nämlich bei Sophie in Ehrenbrei tstein.
*) So in der Handschrift.
^) Ein in 8° gebrochenes Quartblatt, auf allen vier Seiten mit
grossen, deutlichen Zügen beschrieben.
Widands „Pervonte''. 209
theurer Wieland — Gott belohne Ihre mühe, durch den eindruk
den es, auf Fürsten, und rathgeber Seelen machen soll, dass
schöne f&rtrefliche Meisterbuch — — — — — — —
— — — — La Roche ist über Ihre Scheschianische 6e-
mählde entzükt, Sie wissen das ers nicht oft ist — — —
Ihre Sophie
15.»)
Goblenz d. 6 aprill 1780..
Ihr Oberon, Lieber Wieland ist gekommen etlichen recht
guten Menschen freude zu geben — La Roche war just an
einem bössen hässlichen geschwür im Naken sehr krank, und
wmuthig, seine beste freunde wussten ihm nichts zerstreuendes
mehr zu sagen — seine Bücher, und sein Naturalien Gabinet
latten auch ihre reize für ihn verlohren — da kam Oheron —
^ilig bring ich ihn hinauf, la Roche lächelt ihn mit Hofiiung
eines Vergnügens an, lässt mich gleich wieder gehen — und
liesst — biss kein Buchstabe mehr zu lessen ist — den Abend
komt unsser minister von Hohenfeldt^) dem sucht er diese
— jene stelle nach — und erzählt auch mir — und den
zwejten tag liesst er nochmals ganz — so dass ich ihn erst den
vierten bekam — und noch dem minister lassen musste. Nun
soll ich Ihnen für das vergnügen danken, das beyde durch
Oberen genossen. Ihre Jahre sollen so viel, und so glüklich
seyn als die minuten die Oheron ihnen beyden gaab. nur eine
trage entstund — warum machen die Protestanten so oft spot-
tende anspielungen auf Theile der Catolischen Religion —
Oberon gefiel Ihnen doch?
Sein Bau — der Geist der in ihm lebt, wie soll das nicht
9-fallen? und ich helfe doch auch Souscripenten für die schöne
aiissgaabe samlen, zu deren betrieb ich Sie aufmuntren solle,
*) Ein halber Bogen 4^, auf allen vier Seiten mit deutlichen, meist
?o»eii Zügen beschrieben.
^ Christoph Philipp Wilibald Freiherr v. Hohenfeld, Generalvikar
m FürBtbiachofs zu Speyer, 1777 — 1780 auch Konferenzminister und wirk-
iicbcr geheimer Staatsrat des Kurfürsten Clemens Wenzeslaua von Trier,
gestorben 1822.
210 Franz Muncker
da die frage mehr aass besorgnis entstanden sey es möchten,
die religions artikel Ihrem Buch schaden weil das CatoHsche
Teutschland doch auch viele menschen zählte — aber ich
weiss viele Catoliken, die im Ernst ärgerliche Sachen sagen und
schreiben — das ist wahr — man erlaubt sich selbst aber
mehr als einem Fremden — Oberon hat jede vorspräche in
sich — und in guten köpfen — so weit zwey Männer.
Mich — lieber Wieland! freut, der reich tum und die
heiterkeit Ihres Geists — der Himmel lass Sie diese guter
lange gemessen, und möchte ich die hofnung haben &e und
Ihre Famillie beysamen zu sehen — ich wäre sehr glüklich —
wenn ich Sie die liebe würdige Mutter Ihrer Kinder die Gross-
mutter davon, und das rührende gewühl von Wielands Kinder
um mich her sähe, in Weimar wo ich doch die nähste ver-
wandtin von Ihnen allen wäre, und also auch antheil an Hen
und Blut fühlte — es freute mich mehr als ich sagen kan —
aber die beste freuden, sind erscheinungen eines ideals — er-
heben den Geist, machen dass Herz wallen und entfliehen, ic
die Welt dess vollkommenen auss der sie herunter steigen, uns
einige stunden recht süss — recht schön zu machen —
die herrliche — zerreissende Bilder dess 9. und 10 gesangs,
die Sie meinem Herzen gönten — habe ich auch — ich
kan sagen geherzt — ein Geist voll obermacht — hat Sie
dass schmerzliche und süsse der liebe malen machen, dank
Wieland! tausend dank, dass Sie mir es gönten und eigneten —
Göthens Billet^) — ist seiner und Ihrer würdig — er hat
alles in sich — was durchdringende einsieht fodert — der
Zufall mag ihn, allem ansehen nach gegen mich böss gemacht
haben — ich bin nur Weib — aber ich werde nie ungerecht —
und nie klein seyn — aber wenn verstunden Sie unter pro-
pJianen Menschen? — und wo liegts? das Klopstok — und
die Stolberge — und Göthe die alle so glühend zusamen
^) Es ist wohl das Briefchen vom Grünen Donnerstag (23. März)
1780 gemeint, das Goethe mit einem Lorbeerkranz für den « Oberen'
an Wieland sandte.
Wielands „'Perwnte", 211
waren nun kalt sind und die Jacobis — Ach Wieland wo
liegt das — in Männern voll kentnissen — voll Seele —
sagen Sie mirs ich bitte Sie lieber Theurrer Wieland! wo
iiegts. Lessen Sie doch, es liegt meinem Herzen daran Lessen
^ meine Rosalie — Widand soll meine Rosalie lessen, und
die gute haben — (üte und neue gute mir was darüber zu
sagen, ich bitte bitte — Herder war meiner Sternheim gut —
ich weite er war es auch Bosalien — seiner Frau die ich so
liebte — der ich anders dargestelt wurde — 0 Wieland! was
uoterschied zwischen Feinheit des gefühls der Seele — die zu
Terwunden fürchtet — und Feinheit dess geists — der nur
dolche schleift — adieu Sie alle *) — mein Friz — ist Lieute-
liant, im Francösischen Reg*. Zweibrüken und schift nach
amerika — vogue la galere — sagte der alte Graf.
^) Das Folgende ist am obem Rand der letzten Seite des Briefes
nachträglich noch beigefugt.
<
ü. Amira, Willehalm-Ha.
Tafel I.
1903. Sitzb. d. pbilos.-philol. u. d. histor. El.
0. Amira, WUlehalm-Hs.
Tajel III.
a.
r
9. SItzb. d. philoL-plilIol. n. d , biilor. Kl.
213
Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm.
Von Karl r. Anitra.
(Mit 3 Tafeln.)
(Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 7. März 1903.)
In der kürzlich veröflFentlichten Einleitung zu meiner
Ausgabe der Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels
iabe ich als eine der nächsten Vorläuferinnen der Sachsen-
fcpiegelillustration eine grosse Bilderhandschrift von Wolframs
Willehalm genannt, die zwar nicht mehr vollständig, doch
in Bruchstücken zu Heidelberg und München erhalten sei.
Nach diesen Bruchstücken habe ich a. a. 0. auch in aller
Kurze eine Beurteilung der Willehalm -Illustration gegeben.
E< konnten jedoch dort nur Behauptungen aufgestellt werden.
Ibre Begründung nebst Ergänzungen und einer genaueren
' liarakteristik des bedeutenden Werkes sollen jetzt nachfolgen.
Keines jener Bruchstücke war bisher unbekannt. Das zu
Heidelberg besprachen schon F. J. Mone in dessen ^Anzeiger
/''r Kunde der teutschen Vorzeit' V 1836 Sp. 177 ff. und
Fr. Kugler in seinen ^Kleinen Schriften und Studien zur
^mtgescJüchte' I 1853 S. 6. Beide begleiteten ihre Mit-
telungen mit Proben der Bilder in Umrissen. Mone bot auch
•willen, allerdings sehr ungenauen, Abdruck des Textes. Ohne
'lie Monesche Veröffentlichung zu kennen gab 1872 K. Bartsch
^'^lige Notizen über das Fragment in Pfeiffers Germania
-^VlI 434 (recte 443), und in seinen ^Altdeutschen Hand-
^'hriften der UniversitätsbibliotheJc zu Heidelberg* verzeichnet er
1901 Bitxgsb. d. philoa-philol. n. d. htst. Kl. 15
214r Karl V. Äwira
es unter Nr. 443.^ Die Münchener Bruchstücke sind zuerst von
B. J. Docen in der Oberdeutschen allgem. lAteraturzeitung ISlo
Nr. 127 Sp. 1021 erwähnt, dann in der Willehalni-Ausgak
von Lach mann benützt und dort mit w bezeichnet. Ausser-
dem hat Fr. Pfeiffer in seinem .QueUenmaterial' 11 186^
S. 83 f. einen Teil des Textes abgedruckt.
Nirgends jedoch war von Beziehungen zwischen den Heidel-
berger und den Münchener Bruchstücken die Rede. Nirgend*
auch waren diese so beschrieben, dass sich ohne weiteres Be-
ziehungen hätten erkennen lassen. Eine genaue Beschreibung
ist aber schon darum nötig, weil sich vielleicht mit ihrer Hilfe
noch andere zugehörige Bruchstücke auffinden lassen.
Das Bruchstück auf der Heidelberger Universitätsbibliothek
— Cod. Häd, 362a, 86 {2% hier mit H bezeichnet, — besteht
aus einem ursprünglich in zwei Blätter gefalzten vollständigen
Pergamentbogen, der nach Auflösung des Codex zum Überzug
eines Buchdeckels von 21,5 x 31,5 cm verwendet wurde. Xm
1820 hat Mone den Bogen abgelöst. Er berichtet aber nicht,
was das Buch enthielt oder woher es stammte. Nach niug-
liebster Glättung der durch das Überziehen entstandenen Falten
ergibt sich ein Umfang der beiden Blätter von 30 — 30,4 cm
Höhe und 20,8 — 22,4 cm Breite. Die grösste Breite des ganzen
Bogens misst 43 cm. Die Bruchstücke auf der Hof- und Staats-
bibliothek zu München — Cgm, 193 [e 13], hier mit M bt-
zeichnet, — bestehen aus zwei stark zugeschnittenen Blättern
eines Pergamentbogens, der ebenfalls als Überzug eines Buchen
dienen musste. Letzteres war ungefähr 6 cm dick und hatte
eine Decke von ca. 15 x 20 cm Umfang. Auch von diesem
Bogen lässt sich die Herkunft nicht über das 1 9. Jahrhundert
zurück verfolgen. Docen gibt a. a. 0. an, er habe ihn von
Reinwald in Meiningen erhalten.*) Gemeint ist W. Fr. Rein-
M Als Ms. .Bartsch* figuriert es in dem Verzeichnis der Willehalm- Hss.
bei P. Piper Wolfram v. Eschenhach I (1890) S. 196.
') Auf diese Angabe geht wohl die Bemerkung von Schmeller in
seinem Fragmentenverzeichnis S. 17 zurück, daas der Bogen ,aus Bein-
walds Besitz* stamme.
Die grosse Büderhandschrift von Wolframs Wülehalm. 215
wald, Schillers Schwager, Bibliothekar zu Meiningen, f 1815.
Aus Docens Besitz ist dann das Bruchstück in die Staats-
bibliothek gekommen. Bis 1809 scheint es übrigens Docen
Doch unbekannt gewesen zu sein, da er es unter den Wolfram-
fragmenten seiner ^Miscdlaneen^ II 114 ff. nebst Anhang (1809)
nicht erwähnt. Nur schwache Spuren führen weiter zurück,
bis etwa ins 16. Jahrhundert. Auf dem vorderen Deckel
(=foI. 2a) stehen rechts^) oben in der Ecke mit schwarzer
Tinte von fester Hand geschrieben die Worte:
nOIKIAQN
AEKTQN
Vol. n
Ein griechisches Buch unter einem solchem Titel ist auch den
Waten Kennern der spätgriechischen Literatur unbekannt. Ver-
mutlich deckte der Einband überhaupt kein griechisches Werk,
sondern die ,bunten Aufnahmswürdigkeifcen' oder m. a. W. das
Notizbuch eines Humanisten, der es nicht in seine Bibliothek
einstellte, sondern beständig vor sich auf dem Pult oder Schreib-
tisch liegen hatte. Hierauf deuten auch die vielen Klexe, die
mit derselben schwarzen Tinte, womit der griechische Titel
geschrieben ist, auf die Titelseite gespritzt wurden. Durch die
Ablösung von dem Buchdeckel haben die Münchener Pergament-
Wätter im Gegensatz zu denen von Heidelberg neue und zum
Teil sehr schwere Verletzungen erlitten, so dass sich ihre
Masse nur annähernd bestimmen lassen: Höhe etwa 24 und
-0,7, Breite ungeföhr 18 und 22 cm, wobei aber zu bemerken,
iass der untere Rand und von fol. 1 auch der äussere Seiten-
r^nd weggeschnitten ist. Die grösste Breite des wieder zusammen-
setzten Bogens misst jetzt noch 41 cm. Dass die Münchener
Walter einst das nämliche Format wie die zu Heidelberg hatten,
^ird sich alsbald im Zusammenhang mit der Lineatur ergeben.
Die Einteilung ist in H und M im wesentlichen die
Ähe. Eine Vertikallinie spaltet jede Seite in zwei Kolumnen,
^) Rechts und links sind in dieser Abhandlung heraldisch zu
nehmen.
15*
216 Karl V. Amira
wovon stets die innere und die schmalere von der Schrift, die
äussere und fast doppelt so breite von der Illustration ein-
genommen wird. Eine zweite Vertikallinie grenzt die Schrift-
kolumne gegen den inneren Seitenrand hin ab. Die Breite
der so begrenzten Schriftkolumne beträgt in H 7 — 7,2 cm, in
M 7 — 7,5 cm, die Breite des inneren Randes zwischen Schrift-
kolumne und Falz in H 1,2—2 cm, in M ungefähr 1,8 cm
Horizontallinien hat nur die Schriffckolumne. Es war aU»
jede Seite von vornherein dazu angelegt, neben dem Text fort-
laufende Illustrationen aufzunehmen. Die Zahl der Horizontal-
linien in den Schriftkolumnen beträgt stets 30 mit einem gegen-
seitigen Abstand von 8 — 9 mm. Die gesamte Lineatur ist mit
brauner Tinte hergestellt. Die Breite des Randes über und
unter den Schriftlinien lässt sich nur für H feststellen, da in
M diese Ränder teils weggeschnitten, teils abgerissen sind. Der
obere Rand misst in H 1,5 — 2 cm, der untere 4,8 — 5,4 cm.
Ergänzt man den Fuss der Münchener Blätter mit diesem
unteren Rand von H, so erhält man eine Blatthöhe von unge-
fähr 29,4 — 30,5 cm, woraus die ursprüngliche Übereinstimmung
der Formate von H und M erhellt.
Die Bogenlagen des Codex, wozu H gehörte, waren signiert.
H selbst war zufolge der am Fuss von fol. 2 b erhaltenen Sig-
natur der äussere Bogen von Lage XIH.
Die Schrift steht über den Linien,, rührt von kräftiger
Hand und ist mit derselben braunen Tinte wie die Lineatur
mit Sorgfalt ausgeführt. Die Buchstaben sind gotisch, sehr
deutlich und gleichmässig und innerhalb der Verszeilen etwa
4 mm hoch. Höhere Buchstaben eröflFnen die Verszeilen,
Abwechselnd rote und blaue Initialen stehen am Beginn der
einzelnen Abschnitte, zu denen Bilder gehören. Der Schreiber
hat sie dem Miniator in feiner und kleiner Schrift angegeben.
Eine Verschiedenheit der Scbreiberhand zwischen H und W
vermag ich nicht zu erkennen und ebensowenig einen Unter-
schied unter den Initialen. Auch die Schreibregeln, die in
H und M beobachtet wurden, sind, soweit feststellbar, die
nämlichen. Über i steht gewöhnlich der Strich, doch nicht
Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs WilleTuUm, 217
Tor langen Buchstaben und nicht vor c. Rundes r folgt auf
0, d, 6. Langes f im Wortauslaut findet sich selten, wohl zu-
fällig nur in H (tcaf, dinf, tmf). Bogen verbin düng pflegt ein-
zutreten zwischen d oder h und folgendem e oder o, zwischen
p und folgendem p oder o; zuweilen kommt sie auch vor
zwischen t; oder w und folgendem o oder e. u^) steht häufig
and zwar nicht nur vor oder nach m oder n, sondern auch
zwischen v und r, w und r, r und r, h und r, i und r, 5 und jst,
vs und 5, 2 und er, Z und i, X; und r, r und e2, v und 2, 2 und t^
( und ^. Anderseits kommt aber sogar vor oder nach m und n
4Qch blosses u vor. i; =s u gebraucht der Schreiber oft neben
K Utets in tmd^) oder m oder z und nach i, v = u in A:vm,
^, 5WI, genvCf aber auch in xriJ, nw, ^. m = v setzt er zwi-
schen y und y (fyuyansf), abwechselnd mit v vor a (uater und
öJ^, 96tiaren und gevam^ varen, vant, vanen)^ vor o (uor,
fwfc/en, geiiOchUcken, aber auch wr, wn, t;ö^cy, vor e (uelt,
^mt, uestCf aber auch veste, veder, vetter, und regelmässig ver),
Tor i (iiü, virgufU), femer gewöhnlich vor r und Z. y oder y
liebt der Schreiber in Fremdwörtern und im Diphthongen cy.
Die häufigsten Abbreviaturen sind s = er (so regelmässig in
ff v\ femer in Ä*, m6*, a«ef , tveff, hesuncP, tocht^, itslich^,
framere) und — über n in tm (= vnde). Ausserdem findet sich
Q<>ch übergeschriebenes a =^ ra in spch. Ein Punkt pflegt
il^n Schluss eines Verses zu bezeichnen. Selten dagegen dient
"r zur syntaktischen Interpunktion.
Der Textinhalt von H und M besteht ausschliesslich aus
Stücken von Wolframs Willehalm und zwar stehen, verglichen
wit Lachmanns Text, auf H fol. 1 die Verse 220, 24-222,
-^. auf H fol. 2 die Verse 235, 15—237, 15, auf M fol. 1 die
W 388, 21—390, 21, auf M fol. 2 die Verse 403, 13—
^^h 14. In der Kegel beginnt mit jedem Vers eine neue
Ärile. Nicht selten jedoch, in H fünfmal, schliesst sich ein
'^R an den vorausgehenden noch in derselben Zeile an. Unter
ß^rücksichtigung dieses Umstandes berechnet sich aus den
zwischen den beiden Heidelberger Blättern fehlenden 377 Versen
^) Woraus Mona immer uo gemacht hat.
218 Karl V. Amira
und aus den 382, die zwischen den Münchener Blättern fehlen.
der Ausfall von je drei Bogen. Wahrscheinlich haben wir es
also auch in M mit dem äusseren Bogen eines Quatemio zu tun.
Die 18986 Verse des ganzen Gedichtes würden, das Blatt
nur zu 60 Versen gerechnet, rund 233 Blätter erfordert haben.
Bringt man die Zeilen mit Doppelversen in Anschlag, so er-
mässigt sich die Zahl der erforderlichen Blätter, womit dk
Bemerkung ,230 hlletter* übereinstimmt, die mit einer Cursiv^
von alter Hand in H fol. la den inneren Rand entlang hin-
geschrieben ist. Sie scheint den Umfang des Codex anzugeben,
dem H entstammt.
Eingeteilt ist der Text in bald längere, bald kürzere Ab-
schnitte, die ausschliesslich durch das Bedürfnis der Illustration
gegeben sind und mit den dreissigzeiligen Abschnitten des
Lachmannschen Textes nichts zu schaffen haben.
Die Sprache ist sowohl in H als in M mittelhochdeutsch,
aber dort wie hier durchsetzt mit mitteldeutschen, ja nieder-
deutschen Einsprengungen. Sowohl M als H bieten i = c in
ir- (irhabcn, irwarj), irgienc, erhis, teils) und gewöhnlich tm-n
= itian, se nel)en siu, sie, de neben diu, sowie regelmässig an-
lautendes sc (scon, scar, scartc, scaltc, scaffe, -scaft), ausserdem H
regelmässig licr = er, ferner tcl neben teil, warf = xvurf, vor
= filr, truwe, wunde neben sonst regelmässigem iu (stiure),
verterhen, durc, sie, niarhrahe, itslich, itswa, we = iver, we, swf
= wie, sivie, dazu dann M i^ = es, ode = oede, hokgeniut, nach
= nacht, und das niederdeutsche dat.
Die Abschrift enthält verschiedene Fehler. So steht in
■
222, 1 irtvarp anstatt der uarp, in 222, 10 se für siz, in 236, 9
de kandcn für die kumenden, in 236, 19 der kvninc marroch,
anstatt der Jcvninc von marroch, in 236, 21 anders statt ander,
in 237,10 den zeme oth diu seihe spräche für den zeme ein tin-
schin spräche, in 338, 26 men anders gicht statt man dort ähf,
389, 10 heret statt erret, in 389, 11 der kuninc statt rois, in
390, 1 siner thioste statt sinen tjost-en, in 390, 6 wenet für wan
Jat, in 403, 22 aJäsanz für alitschanz, in 404, 27, 28 Um-
stellung der beiden Verse, 404, 30 des endes statt den mdes.
Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs WillehaJm. 219
Bis hieher ergibt sich Übereinstimmung zwischen M und
H in Bezug auf Material, Raumein teiluug, Anordnung des
TeiteSf Schrift und Sprache. Dieses Zusammenpassen wieder-
holt sich im illustrativen Teil.
Sowohl in M wie in H stehen regelmässig drei Bilder in
einer Kolumne übereinander. Nur wo, wie in M fol. 2, figuren-
reiche Kampfschilderungen einen grösseren Raum beanspruchen,
«ird die Kolumne von zwei Darstellungen ausgefiillt. Zuweilen
(M fol. la) zieht sich zwischen zwei Bildern eine wagrechte
sdiwarze Trennungslinie hin. Die Beziehungen des einzelnen
Bildes oder auch einer Bildergruppe zum illustrierten Text-
abaclmitt zeigt die Initiale des letzteren an, die in gleicher
6estalt und Farbe innerhalb der Bildfläche wiederkehrt.
Die lUustrationen bestehen aus schwarzen Federzeich-
noDgen, die teils mit Lasur- teils mit Deckfarben koloriert
^iod. Sie wurden nach Vollendung der Schrift angelegt, da
2>ie mehrmals (in M), diese umgehend, in die Textkolumne über-
greifen. Anderseits reichen sie, wo vollständig erhalten, bis
zum äussersten Blattrand und erstrecken sich nötigenfalls auch
noch über den Band unter dem Text.
Dargestellt sind auf H 1 a in 3 Bildern die Unterredungen
ier zu Orange eingeschlossenen Gyburg mit ihrem Vater Ter-
wner (Beispiele bei Kugler Kleine Schriften und Studien S. 4
Jöd Taf. I zu gegenwärtiger Abhandlung), auf 1 b zunächst ein
^Jtspräch zwischen ihr und ihrem früheren Gatten Tybald, dann
& Belagerung von Orange (bei Mone a. a. 0. Taf. III) und der
^iriegsrat Terramers, auf H 2 a, b das Heranrücken der franzö-
^•j^hen Entsatztruppen und deren Lager vor der Stadt, auf
^^.2 verschiedene Szenen aus der zweiten Schlacht auf Ali-
^W, insbesondere die Taten des starken Rennewart und das
*«ranstünnen der Heidenkönige vor dem Wagen der Götzen
Taf. n und HI zu gegenwärtiger Abhandlung).*)
^) Von photomechaniacher Reproduktion des OriginalB war wogen
^'f Falten und der vielen Flecken im Pergament Abstand zu nehmen.
' ' nju^'jte mich daher auf Strichntzungen nach meinon Bansen bo-
-^i.-iiiken.
220 Karl t\ Amira
Die Zeichnung beschränkt sich meist auf die umrisse.
Den Erdboden lässt sie grundsätzlich unangedeutet. Auf Ein-
zelnheiten an den Figuren wie das Gefölte der Gewänder, Zier-
raten der Kronen geht sie nur mit Zurückhaltung ein. Doch
vergisst sie nie das Geflecht der Kettenpanzer durch jene kunen
Striche zu charakterisieren, die auch sonst in der Malerei des
13. und 14. Jahrhunderts diesem Zweck zu dienen pflegte
Was Kugler an den figuralen Partien von H herrorhob, d«
derbe Zug, die kurzen, schweren Verhältnisse, der Mangel
feineren Lebensgefühls, das alles trifft auch bei M zu. Dort
wie hier auch die gleiche schematisch steife Seitenansicht der
Rosse, die in der Regel vorspringende Schädel, gerade Kaseo,
zurückliegende Augen, dicke Beine mit heraldisch zugespitzten
Gelenkknochen haben und selbst im Kampfgetümmel im Trab
oder gar nur im Schritt gehen, sowie der Reiter, die kerzen-
gerad sitzen bleiben, auch wenn sie zum wuchtigsten Hieb
ausholen, und denen fast immer der Steigbügel fehlt, in dec
sie die weit vorgestreckten Beine stemmen könnten. Dort wie
hier die stereotypen Gewandmotive an den Schössen derWaffen-
rocke, die mit einer vorderen und einer hinteren Falte an den
Seiten des Pferdes herabhängen, die gleiche Bildung der breiten
menschlichen Gesichter mit überragenden Stirnen, starken und
meist steilen Nasen, grossen und weitaufgerissenen Augen
unter normal wagrechten Brauen. Dort wie hier die fast gänz-
liche Gleichgültigkeit des Zeichners gegen das Minenspiel
das sich höchstens im veränderten Zug eben jener Augen-
brauen kundgibt.
Die Farben, deren sich die Illumination bedient, sind
soweit bei dem schlimmen Zustand von M noch erkennbar,
Mennige, Zinnober, Krapprosa, Smalte, Okergelb, Permanent-
grün, Schwarz, Gold. Gewöhnlich sind sie flächig und stark
deckend aufgetragen. Der Hintergrund bleibt stets weiss. Aus
den weissen Gesichtern sind Lippen, Wangen und Stirnen,
öfters auch die Nasenbeine mittels leichter mennigroter Tupfen
und Linien hervorgehoben. Die Haare wurden gelb angetuscht.
Modellierung kommt nur bei den Eisenteilen der Rüstungen
Die grosse Büderhandachrift von Wolframs Willehalm. 221
Tor, deren Glanzlichier man freigebig aus dem Blau der Schatten
aufsparte. Über der deckenden Farbe der Kleider zog man die
Trarisse in kräftigen tiefechwarzen Linien nach. Die Topfhelme
erscheinen allemal gelb, ebenso die Parierstangen und Knäufe
der Schwerter, das Zaumzeug, die Sattelgurten, die Sattelbogen
und alles sonstige Holzwerk. Die Pferde sind bald rot, bald
blau, bald grau geapfelt, Gebäude und Zelte rot oder grün,
Gold zeichnet nur (in H) den Nimbus um das Haupt Christi
und den Stern auf Schild und Brust Willehalms aus.
Alle unsere bisherigen Beobachtungen führen uns zu dem
Schluss, dass H und M einem und demselben Codex des
Wolframschen Gedichtes angehört haben. Nicht dagegen
sprechen gewisse Unterschiede, die zwischen H und M hin-
sichtlich der Zeichnungen obwalten. Allerdings nämlich haben
in M die Pferde meist kürzere Beine als in H, mitunter sogar
bis ins Abbreviaturmässige verkürzte, laufen femer die Striche,
welche das Panzergeflecht charakterisieren, in H nach der Längs-,
in M nach der Querrichtung, haben endlich die Schilde dort noch
durchgängig die sogenannte normannische Form ohne Wappen,
hier dagegen stets die Dreiecksform mit heraldischer Bemalung
und sind auch die Topfhelme dort anscheinend etwas anders
konstruiert als hier. Diese Unterschiede würden jedoch bei
der sonstigen Übereinstimmung in den Zeichnungsmanieren
Ton M und H nicht einmal dazu ausreichen, um die Annahme
zu sichern, dass am nämlichen Codex zwei verschiedene
Zeichner beteiligt gewesen seien, wenn auch freilich diese
Möglichkeit nicht bestritten werden kann. Denn ebensogut
liesse sich denken, dass ein und derselbe Zeichner beim Fort-
schreiten seiner Arbeit von H bis zu M in nebensächlichen
Dingen gewisse Abänderungen seiner Gewohnheiten sich ge-
stattet habe.
Die Blätter H und M sind nicht die einzigen Überbleibsel
jener illustrierten Willehalm-Handschrift, von denen wir Kunde
haben. Zuerst im Jahre 1839 gab Karl Roth in der Vorrede
zu seiner Ausgabe ,Deutscher Predigten' S. XXI Nachricht
von zwei Pergamentblättern mit andern Stücken aus dem Text
222 Karl V, Amira
von Wolframs Willehalm und mit zugehörigen Bildern. Er
glaubte auch zu erkennen, dass diese Blätter mit M einem und
demselben Codex entstammten. Nun sind sie freilich seit ge-
raumer Zeit wieder verschwunden. Wenigstens war es mir trotz
vieler Bemühungen ^) unmöglich, die Schicksale zu ermitteln,
die ihnen seit etwa 1850 beschieden waren.^) Immerhin be-
sitzen wir eine, wenn auch knappe Beschreibung von ihnen,
die Karl Roth a. a. 0. und in seinen DenkmäKlem der deutschen
Sprache (1840) S. XIV gegeben hat, femer einen Abdruck ihres
Textes in eben diesen BenkmäMern S. 73 — 76. Seine Mit-
teilungen reichen aus, um den Schluss auf die Zusammen-
gehörigkeit der Rothschen Blätter mit M und H zu recht-
fertigen. Das Format war ,EleinfolioS die Einteilung die
gleiche wie in H und M, insbesondere wie hier der Text auf
30 Zeilen der inneren Kolumne und zwar teilweise in Doppel-
versen, die «ausgemalten Figuren* auf der breiteren äusseren
Kolumne jeder Seite und zwar wiederum in ,drei Reihen' über-
einander untergebracht. Die Schrift war ,8tark' und ,deutlich'
und wurde von Roth in die ,Mitte des 13. Jahrhunderts' ge-
setzt. Die Initialen der einzelnen Abschnitte waren ,abwech-
selnd rot und blau'. Die Textstücke entsprechen den Stücken
161,20-163,26 und 210,9—212,14 von Lachmanns Aus-
gabe. Demnach entstammten die beiden Blätter verschiedenen
Bogenlagen des Codex. Die Mundart war nicht, wie Roth
meinte, ,thüringisch', sondern genau so wie in H und M mittel-
hochdeutsch mit Beimischung mitteldeutscher und niederdeutscher
Elemente, wovon hier anzuführen sind: i = e (iz, ailiz, lihiz,
ir-Jy sc = siy de = die, vor = ver- (unvorlom, vordroz), vorstcn
= vilrsten, anlautend sc (gescach, scur, marscalc, ^scaft), her
^) Neuerdings (April 1903) auch einer öffentlichen Anfrage im
Lüeraturhiatt für germ. u. rom. Phihl XXIV Sp. 141 f. und im Ceniral-
hlatt für Bibliothekswesen XX S. 208.
2) Die Angabe von Piper Wolfr. v. E, I 193, wonach die Roth-
schen Bruchstücke mit den von Lachmann mit w bezeichneten in
München seiu sollen, beruht auf einem Irrtum.
Die grosse BilderlMndsehrift von Wolframs Willehiilm. 223
= er, uch, tmer, truwe neben sonst regelmässigem iu, ferner
dttrCj nakdmr, marJcrabe, prubet, die Schreibweisen inä^ery impfen.
An Fehlern der Abschrift sind zu vermerken : der Mangel
der Verse 27, 28 in 161, femer vraivede anstatt helfe in 162, 5,
:'d anstatt sjnl in 162, 23, alle de sint für die halt sint in
162, 28, makliisin für malvesin in 163, 16, ich ne er statt ja
möcht ich in 163, 22, der Mangel von mit in 210, 13.
Über die Herkunft seiner Fragmente macht Roth keine
genaueren Angaben. Er bemerkt nur, sie stammten ,aus
Sachsen^ und seien ihm 1838 von Freundeshand aus weiter
Ferne zugesandt worden. Wahrscheinlich hatten auch sie so
wie H, M und N als Bucheinband gedient. Denn die Hälfte
der Gemälde des zweiten Blattes war der Länge nach weg-
^hnitten. Die Schrift war an mehreren Stellen unleserlich
xler abgerieben.
Teils besser teils schlechter als mit den Rothschen Frag-
menten steht es mit zwei Pergamentblättern, von denen
A. Essen wein in einem Aufsatz über mittelalterliches Waffen-
wesen im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1882
Sp. 117 — 120 Mitteilungen machte und Zeichnungsproben ver-
öffentlichte.*) Besser, — denn diese Blätter, die ich mit N
bezeichne, liegen noch heute vor im Germanischen Museum
zu Nürnberg unter Hz 1104, 1105.^) Schlechter, — denn
sie ermangeln alles und jeden Textes. Sie befanden sich früher
in der Sammlung des Grafen Botho v. Stolberg und sind,
wie die durch beide Blätter laufenden Längsfalten beweisen.
^) Letztere wiederholte er teilweise in seinem Kulturhistorischen
^üderatlas Taf. XXXXIII.
*) Mit Unrecht habe ich also in meiner zitierten Einleitung S. 22
'^ie Angabe von Essenweins Bilderatlas über den Fundort für falsch
^rWärt. Ich kannte damals nur diese, wendete mich mit einer Aufrage
*^gen der Handschrift ans Germanische Museum und erhielt von dort
•iie Antwort, das Museum besitze keine derartige »Handschrift'. Erst
ils ich mich auf Essenweins Aufsatz im Änzeifjer berufen konnte, wurden
lüir die beiden Blätter nach München überschickt, wofür ich hier meinen
^ank abstatte. In der Tat stellen sie sich heute nicht mehr als ,Hand-
=ichriff dar.
224 Karl y. Amira
von Buchdeckeln abgelöst. Über ihre weitere Herkunft ist
nichts bekannt. Jedes der beiden Blätter ist der Länge nach
wohl schon vom Buchbinder so durchschnitten worden, dass
selbst ein Teil der Bilder verloren ging. Es lässt sich also
ihre ursprüngliche Breite nicht mehr bestimmen; die heutige
beträgt bei N 1 (= Nr. 1104) 11,5, bei N2 (= Nr. 1105)
11,7 cm. Die Höhe misst bei beiden Blättern jetzt 30,1 cm,
was der ursprünglichen Höhe nahe kommen mag, da eine Ver-
kürzung nur durch Zusammenschrumpfen des Pergaments ein-
getreten sein kann. Der Grösse nach würde also N zu H
passen. Die Blätter sind auf beiden Seiten mit leidlich gut
erhaltenen, kolorierten Federzeichnungen bedeckt. Von irgend
einer Lineatur ist nichts zu bemerken. Dass einst neben den
Bildern ein Text stand, ist schon darum wahrscheinlich, weil
von den Bildern nur sehr kleine Stücke fehlen, die Blätter
aber sehr viel breiter gewesen sein dürften als ca. 12 — 13 cm.
Lief nun ein Text nebenher, so kann er wie in H und M
nur die innere Kolumne eingenommen haben. Wie in H und
auf den Rothschen Fragmenten, wie ferner der Regel nach
auch in M, so stehen auf jeder in N vorliegenden Illustrations-
kolumne drei Bilder übereinander, und zwar, wie in H und
teilweise auch M, ohne durch Querlinien voneinander getrennt
zu sein. Zeichnung und Kolorit verraten auf den ersten Blick
die allerengste Verwandtschaft mit M und insbesondere mit H.
Die kurzen menschlichen Leiber von knapp fünf Kopflängen
und mit den weit aufgerissenen Augen in den breiten Gesichtern,
die kräftigen schwarzen Umrisse, die Beschränkung des Farben-
vorrats auf Mennige, Snialte, Permanentgrün und Gold ist die
gleiche wie dort. Wie dort, so sind auch hier die Farben
flächig und stark deckend aufgetragen, die Umrisse über den
Farben der Kleider schwarz nachgezogen, aus den weissen
Gesichtern Lippen, Wangen, Stirnen und Nasenbeine mittelst
mennigroter Linien hervorgehoben,^) die Eisenteile der Rü-
*) Dieselbe rote Modellierung ist auch auf allen andern nackten
Körperteilen durchj^eführt.
Die grosse BUderhandschrift von Wolframs Wülehalm, 225
stuDgen blau modelliert, die Hintergründe weiss gelassen. Der
Boden, worauf die Figuren stehen, ist bloss auf N 2 a^) an-
g^eben. Die Bilder auf N 1 gehören, wie schon Essen-
wein bemerkte, zu der gleichen Szene wie die von von H 1 a.
Sie zeigen denn auch genau das gleiche Kompositionsschema,
die gleichen Kostüme, die nämliche Zeichnung der Gesichter,
der Pferde, der Gebäude, die nämliche Charakterisierung des
Panzergeflechts. Wahrscheinlich aus diesen Übereinstimmungs-
merkmalen hat denn auch Essenwein auf die Zusammen-
gehörigkeit von N und H geschlossen, ein Schluss, worin er
»ch nur bestärkt gesehen hätte, wenn er M gekannt hätte.
Denn die aus M bekannte Figur des Rennewart tritt genau
äo in N 2 a auf, während hier ausser dem allgemeinen Cha-
rakter von Zeichnung und Malerei weitere Vergleichungspunkte
fehlen. Jedenfalls beziehen sich die Dlustrationen auf Szenen
aus Wolframs Willehalm. Die sechs Bilder auf N 1 (un-
vollständige Beispiele bei Essenwein a. a. 0.) schildern die
oben S. 219 erwähnte Disputation zwischen Gyburg und Ter-
ramer etwa von 216,6 — 219,16, so dass sich an N 1 un-
mittelbar H 1 anschliesst. Auf N 2 dagegen sind die
letzten Begebenheiten zu Orange vor dem Ausrücken Wille-
halms und seiner Gäste zur Schlacht von Alischanz dar-
gestellt, wie sie die Verse 311, 10 — 312,28 beschreiben. Man
sieht, wie der alte Heimrich den Tischgenossen ihre Plätze
anweist, wie Willehalm allein es fertig bringt, Rennewarts
Stange wenigstens bis über seine Knie aufzuheben, wie aber
dann Rennewart die Stange mit einer Hand über sein Haupt
schwingt »wie eine Sommerlatte". Man sieht ferner in zwei
bunten Reihen die Tischgenossen an den Tafeln, an der ersten
i^n Rennewart neben der Gyburg, nur stückweise erhalten,
aber kenntlich gerade noch an dem erhaltenen Stück seines
Eisenhutes, — man sieht endlich, wie die Fürsten unter Heim-
^) Sowohl Nr. 1104 als Nr. 1105 sind Jetzt auf den Untersatzkartons
verkehrt aufgeheftet, so dass die Rektoseiten, die ich mit a bezeichne,
^ie Rückseiten bilden.
226 Karl V. Amira
richs Führung Urlaub nehmen. N2 ist also nach H2 zu
setzen. Was nach all dem vielleicht noch einen Zweifel
daran wecken könnte, dass wir es in N wirklich mit Bruch-
stücken desselben Codex zu tun haben, von dem H und M
herrühren, das ist das Fehlen von Buchstaben in den Bildern.
Auch auf den weggeschnittenen Innenrändern der letzteren
können Buchstaben kaum gestanden sein, weil diese Ränder
zu schmal waren. Man wird aber auf diesen Mangel kein
Gewicht legen dürfen. Denn die Anfange der einschlägigen
Abschnitte des Gedichtes können auf verlorenen Blättern illu-
striert gewesen und dort mögen auch ihre Initialen gestanden
sein. Man wird vielmehr ruhig annehmen dürfen, dass uns
in N 1 das letzte Blatt von Lage XII erhalten ist, während
N 2 etwa der XVIII. Lage angehörte.
Damit ist nun aber der Vorrat an Bruchstücken des zer-
störten Buches, die bis jetzt ermittelt werden konnten, auch
erschöpft. Er ist kümmerlich genug, reicht aber doch aus.
um uns wenigstens eine deutliche Gesamtvorstellung von
dem Codex zu verschaffen. Es war ein Band von ungefähr
30,4 cm Höhe und 22,4 cm Breite, zusammengesetzt aus 2S
bis 29 Lagen zu je 4 Pergamentbogen. Den einspaltig und
wahrscheinlich ganz von einer und derselben Hand geschrie-
benen Text zu regelmässig 30 Zeilen abgesetzter Verse be-
gleiteten ohne Unterbrechung breite Kolumnen mit kolorierten
Federzeichnungen, gemeiniglich je 3 auf einer Kolumne. Die
Wiederkehr der abwechselnd roten und blauen Initialen der
Textabschnitte erhielt die Verbindung der letzteren mit den
zugehörigen Bildern oder Bildergruppen aufrecht. Die Illumi-
nation hat wahrscheinlich nicht der Zeichner selbst ausgeführt.
Denn in N finden sich Korrekturen der Zeichnung, die von
des Malers Hand herrühren. Dreimal hat er auf 1 b fehlen-
des Zaumzeug ergänzt. Auf 2 a hat er die Stellung eines
Fusses verbessert. Die Zahl der Bilder muss sich auf rund
1380 belaufen haben, wenn der Kodex, wie wir annehmen
müssen, aus 230 Blättern bestand. Es war wohl die reich-
haltigste Bilderhandschrift, von der wir zwischen 1200 und
Die grosse Büderhandschrift von Wolframs WÜlehcdm, 227
1350 Kunde haben, — reichhaltiger insbesondere als selbst
die grossen Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, deren Dar-
stellungen an Zahl um mehrere Hunderte hinter denen der
Willehalm-Handschrift zurückblieben. Wir dürfen daher den
zerstörten Kodex ohne weiteres als die ,grosse* Bilderhand-
schrift des Willehalm bezeichnen.
Zu einem Vergleich mit den eben genannten Sachsen-
spiegel-Handschriften fordert aber unsere Willehalm-
Handschrift auch noch in mehreren andern Beziehungen auf.
Xur mit ihnen hat sie die ununterbrochene inhaltliche wie
räumliche Parallele zwischen Text und Illustration gemein,
insbesondere die Aufreihung der Bilder in Kolumnen Seite für
Seite,^) wobei durch die ausschliessliche Anordnung der Bilder
in der äusseren Kolumne der Oldenburger Sachsenspiegel-
codex die nächste Verwandtschaft zum Willehalm-Codex zeigt.
Durch diesen Parallelismus von Wort und Bild unterscheidet
sich unsere Willehalm-Handschrift von andern illustrierten
Handschriften desselben Gedichtes ebenso wie die Codices pic-
torati des Sachsenspiegels von den sonstigen mit Bildern ge-
zierten Handschriften dieses Rechtsbuches. Gemeinsam ist
femer allen jenen Handschriften und nur ihnen die Verbindung
der Illustrationen mit dem Texte durch die Initialen. Gemein-
schaftliche Charakterzüge zeigen sich aber auch im Stil der
Illustration. Schlachtschilderungen freilich mit einem solchen
Menschengedränge wie in M (z. B. Taf. II, III), werden wir
unter den Sachsenspiegelbildern vergeblich suchen. Abküi*zende
Darstellungen femer, wie sie H 2 vom Herannahen der frän-
kischen Heerscharen entwirft, auch das lebhafte Geberdenspiel
der Hände, wie wir es in N und H antreffen. Hegen durchaus
im Geiste der Malerei des hohen Mittelalters überhaupt. Anders
verhält es sich jedoch mit der vorwaltend symbolisierenden
Richtung dieser Illustrationen. So summarisch zeichenhaft wie
^) In dieser Beziehung hatte schon Mono H mit der Heidelberger
Bilderhs. des Sachsenspiegels verglichen, Teutsche Denkmäler I 1820
^p. XII und ÄmeUjer f. Kunde d. deut. Vorzeit 1836 Sp. 178.
228 Rad V. Ämra
hier ist die menschliche Gestalt und insbesondere das mensch-
liche Antlitz nicht nur nicht in den Bildern zu Werinhers
Marienleben, sondern auch nicht in solchen Zyklen wie der
Berliner Eneidt oder dem Münchener Tristan, dagegen durch-
aus in den Bildern zum Sachsenspiegel behandelt. Gemütsbe-
wegungen finden lediglich in Handgeberden ihren Ausdruck,
die, wenn man aus N weitergehende Schlüsse ziehen darf,
ziemlich mannigfaltig waren. Es kommen dort vor: der be-
kannte Trauergestus (bei Essenwein Sp. 119), das Pingerauf-
strecken als Gestus der Aufmerksamkeit und des Befehls, das
Übereinanderlegen der gesenkten Hände an den Gelenken zum
Zeichen der Bescheidenheit. Tieferem Eingehen ins Individuelle,
wie es doch bei den Grössenverhältnissen der Figuren möglich
gewesen wäre, war wohl die Massenhaftigkeit der Produktion
hier ebenso hinderlich, wie bei den Zeichnungen zum Sachsen-
spiegel. Eine Ausnahme macht der Zeichner nur bei Renne-
wart, dem er wenigstens in M riesenhaften Wuchs verleiht.
Aber bei dieser Gestalt symbolisiert eben die individuelle Grösse
die riesenhafte Leibeskraft, womit das Gedicht den Rennewart
ausstattete. So symbolisiert in M und N der Bart das Alter von
Terramer und Heimrich, ein Symbol, das genau die gleiche Be-
deutung auch in den Sachsenspiegelbildern hat. *) So symbolisiert
ferner den Gegensatz von Heiden und Christen die Form des Kopf-
schutzes. Die Heiden tragen den altmodischen eisernen Spitz-
helm über der Halsberge, die das Gesicht frei lässt, die Christen
den modernen Topfhelm. Eine gekrönte Frauengestalt be-
deutet Gyburg, diu kiiner/inne, ein alter Mann mit der Grafen-
mütze auf dem Kopf den Grafen Heimrich von Narbonne. Be-
sondere Beachtung aber verdient ein symbolisches Stück der Tracht,
das wir genau in der nämlichen Form und in der nämlichen
Bedeutung wie in N 2 auch in den Zeichnungen zum Sachsen-
spiegel der Y- Gruppe wiederfinden, — die Bundmütze, über
deren hinteren Teil ein schwarzer Reif mit drei lilienartigen
^) S. die Einleitung zur Dresdener Büderhandschrift des Sachsen-
Spiegels S. 25.
Die growt SUderhandtehrift mm Wotfranu WOlAalm. 229
Blumen oder BlätterD gelegt ist Man vergleiche mit dem unten
gegebenen Beispiel aus N 2 Taf. XXV Nr. 1, IV Nr. 2-5,
V Nr. 8 der Teutsehm Lenkm^er und Taf. 62 a Nr. 2—4,
fi?»Nr. 4, 68b Nr. 2, 74a Nr. 3, 85a Nr. 3, 86 a Nr. 2—4,
SH Nr. 2, 91b Nr. 1 — 5 meiner Ausgabe der Dresdener
Bäderkmdsehrift.^) Dort wie hier charakterisiert die mit einem
solchen Schapel gezierte Bundmtltze den .Fürsten', und von
J'Disten' redet denn auch im Gedichte der zu N 2 gehö-
rige Text
Dem symbolisierenden Grundzug der bildnerischen Erfin-
iwg entspricht nun durchaus jene naive Wortinterprotation,
'\k alle kom Position eilen KUcksichten beiseite setzt und gleich
"eit eigentlich nur wieder in den Zeichnungen zum Sachsen-
spiegel getrieben ist.^) Es ist als besonderer Glücksfall zu
Wtrachten, dass uns hierüber N 1 und H 1 mit einer Reihe
^^bster Beispiele belehren, zunächst in den Bildern zur Dispu-
tation zwischen Gjburg und ihrem Vater Terramer. Oben
ins dem rundbogigen Fenster eines Turms beugt sich in Hals-
«tge und Waffenrock eine gekrönte Frau, Gyburg, die in
') An den vielen andern Stellen der Dresdener Ha. ist die Zeichnung
^ Sduipel durch übermalnnfr unkennttich geworden.
') 8. hierllber die dtierte Einieitung 8. 23 ff.
'NL Utitib. d. rbUsK-ldillaL n. d. hM. KL 16
230 Karl V. Ämira
Abwesenheit ihres Mannes die Verteidigung von Orange gegen
Terramer leitend selbe dicke wäpen truc. Unten hält ein Reiter,
ebenfalls in voller Rüstung und so gross, dass sein Kopf sich
auf gleicher Höhe wie Oyburgs Fenster befindet. Eine Krone
um seinen Helm will ihn uns als den König Terramer zu er-
kennen geben. So neunmal. Das erste Mal (bei Essenwein
Sp. 117) deuten beide mit Fingern auf einen zwischen ihnei
schwebenden grossen Stern. Er ist der Repräsentant de:
Sterne, denen nach den Worten Gyburgs ,Äliissinius* seinen
Lauf gab. Unten am Fuss der Feste wälzt ein Fluss seine
Wogen, weil Ojburg von ,Altissimus* sagt, dass er (d ^n dinc
so sprehet, mit fluzze ursprinc der brunnen. Auf dem zweiten
Bilde deuten die Beiden auf das in Oold nimbierte Haupt
Gottes, das innerhalb eines grösseren roten Nimbus zwischen
ihnen erscheint. Der Beschauer soll sehen, auf wen sich 6y-
burg beruft und wessen Kräfte Terramer anzweifelt. Das dritte
Bild zeigt uns nur Vater und Tochter in leidenschaftlicher
Gestikulation. Auf dem vierten dagegen deutet Terramer rück-
wärts auf ein Götzenbild, unterhalb dessen noch ein Stück
von einer auf ihn zeigenden Hand erhalten ist. Das Götzen-
bild stellt ,Mahumet* vor, auf den sich in seiner Erwiderung
Terramer beruft. Die Hand gehörte entweder dem Tybald
oder dem fiäruc\ auf die Terramer die Schuld an der Heer-
fahrt schiebt. Auf dem fttnften Bilde deuten Vater und
Tochter wieder auf das in Gold nimbierte Haupt Gottes, Gy-
burg zugleich auf die unten am Fusse der Feste stehende
nackte Gestalt der Eva, die sich mit der Rechten, wie in
mittelalterlichen Darstellungen allgemein üblich, einen Laub-
büschel vor die Scham, die Linke aber vor die Brust hiilt
Damit will der Zeichner den Vorwurf der Gyburg veranschau-
lichen, daz du mich scheiden wUt von dem, der frouwen Eva]
gap die schem daz si alrerst verdact ir brust. Das nächste Bild
zeigt die gleiche Gestikulation von Gyburg und Terramer.
Aber diesmal deuten beide auf eine gelbe Scheibe, worin eng
beieinander drei Häupter, das mittlere mit Goldnimbus, sieht«
bar werden. Das ist die tnnitat von der Gyburg behauptet,
Die grosse Büderhandschrift von Wolframs Willehalm, 231
Terramer bestreitet, dass sie Adam und sein Qeschlecht auB
Hollenbanden erlöst habe. Eben darum deutet Gyburg gleich-
zeitig noch auf eine Szene am Fusse ihrer Burg, wo ein Teufel
einen Menschen in den Höllenrachen hinabstösst, die hdlediche
mrt, die Adams geslöMe fuor um Evas Schuld. Die unmittelbar
folgende Bildergruppe (H 1 a) führt sich zwar mit der Initiale
Ton 221, 1 {Mines taufes scone ich gerne) ein. Doch gehört
das erste Bild noch zum Vorausgehenden von 219, 18 an. Die
Geberden von Gyburg und Terramer sind die gleichen wie
zuTor. Aber beide zeigen jetzt auf das in Goldnimbus zwischen
ihnen schwebende Haupt Christi, weil Terramer bezweifelt,
iier am Kreuz gestorbene Jesus von Nazareth habe die Höllen-
pforte gebrochen, und weil Gyburg erwidert, während Jesu
Menschheit am Kreuze den Tod erlitten, sei sein Leben aus
der göttlichen Stärke erblüht und habe die Gottheit der
Menschheit das Leben erworben. Am Fusse der Burg aber
Imt der Zeichner den Schild Willehalms angebracht, weil
Cjbarg erklärt, dem treu bis in den Tod bleiben zu wollen,
den man ^dienestUchen sach under schiitlichem dache hl
si'ihem ungemache da man den lip durch wirde sierV. Man sieht
ferner dort ein mächtiges Schliesseisen mit Kette, weil
Gyburg sich rühmt: ;von pogen (Fesseln) unde von andrem
i'ersmiden (geschmiedeten Banden) machete ich in ledkh an
öffe» Uden.' Wie in der vorigen Szene auf Christi Haupt, so
zeigen in der nächsten (bei Kugler a. a. 0.) Vater und Tochter
auf eine zwischen ihnen schwebende Krone, weil Gyburg
g^z beiläufig einfliessen lässt, in Todjerne habe Terramer sie
gebönt. Auf dem dritten Bilde derselben Kolumne, dem
beteten dieser Gruppe (Taf. I) deuten die beiden auf ein zwischen
iWn hingezeichnetes Oval, worin man ein befestigtes Gebäude
eri)lickt; es ist das Land Todjerne, Gyburgs Heimsteuer, worauf
sie zu Gunsten ihres früheren Gemahls Tybald verzichten will,
öder aber überhaupt eines der verschiedenen Länder, auf die nach
ilifer Aussage Tybald Anspruch erhebt. Auf der nächsten Ko-
lumne (bei Mone a. a. 0.) macht die Unterredung zwischen Gyburg
ind Tybald den Anfang. Wieder schaut Gyburg, diesmal jedoch
16*
232 Karl v. Ämira
ungerttstet, aus dem Turmfenster berab. unten halten zwei
gewaffhete Reiter, deren Helme von Kronen umgeben sind.
Wir sollen in ihnen Tybald und seinen und Ojburgs Sok
Echmereiz erkennen. Beide reichen wieder mit ihren Köpfen
bis zum Burgfenster hinauf. Tybald hält der Gyborg eine
starke Schlinge hin, die ,mde% womit er ihr nach dem Text
drohte, während Echmereiz ihn beschwichtigend am link»
Arm packt. Auch auf den beiden andern Bildern derselben
Kolumne erscheint Oyburg im Turmfenster. Das zweitemal
liegen am Fusse des Burgberges zwei Krieger, die Toten,
deren snuic da grojs tvas. Auf der linken Hälfte desselben
Bildes, wo Terramer Kriegsrat hält, erblickt man hinter d^r
Szene, auf dem Rande unter dem Text, die Zeichnung eines
Schiffes, weil das her in cd gemeine bat, er scite Iceren gm
der habe. Bis ins einzelne stimmt also in der symbolisierenden
Interpretation des Wortes die Willehalm-Blustration mit der
Sachsenspiegel-Illustration überein. Dort wie hier die bild-
liche Darstellung von nur gedachten Oegenständen; dort wie
hier die Handgeberden, womit die Menschen ihre Brede nicht
begleiten, sondern dem Beschauer des Bildes symbolisieren;
unter den Symbolen des Redeinhalts endlich eines, wozu sich
Seitenstücke gerade nur wieder in den Bildern zum Sachsen-
spiegel finden, das Zeichen für ein bestimmtes Land oder
Gundstück.1)
Diese Belege subjektiver Symbolik des Künstlers liefern
zugleich wieder den Beweis dafür, wie wenig auf derartige
Illustrationswerke die Bilderschrifttheorie zutrifft.*) Weit ent-
fernt, auf lesensunkundige Beschauer zu rechnen, setzen die
Bilderreihen zum Willehalm gerade so wie die zum Sachsen-
spiegel die Lesung des Textes voraus, ohne den sie gar nicht
verstanden werden können und auf den die Bildbuchstaben
verweisen. Sie beleuchten aber auch die ganze Haltlosigkeit der-
jenigen Theorie, wonach die Möglichkeit der deutschen Ulustra-
1) Vgl. die angeführte Einleitung S. 23.
2) Vgl. die angeführte Einleitung S. 20 f.
Die grosse BÜderhandschrift von Wolframs Wälehälm. 233
tionstechnik des späteren Mittelalters auf dem Reichtum der
überlieferten nationalen Bechtssymbolik beruhe und erst auf
der Grundlage der Bechtssymbolik ein Verständnis der Eigen*
tflmlichkeiten dieser Technik erwachse.^) Nichts deutlicher
n'elmehr als die Leichtigkeit, womit noch am Ende des Hoch-
mittdalters die Phantasie naiver Zeichner sich ihre eigenen
Symbole erfindet, sobald sie im Dienst des obersten Zweckes
der Illustration, des Yeranschaulichens, symbolisierender Dar-
steliungsmittel zu bedürfen glaubt.
Bei der nahen Verwandtschafb, die sowohl hinsichtlich des
Zwecks und Stils der Zeichnungen als auch in Bezug auf die
äussere Anlage zwischen den grossen Bilderhandschriften des
Sachsenspiegels einer- und jener des Willehalm andererseits
obwidtete, muss der Versuch, Zeit und Heimat der letzteren
gaiauer zu ermitteln, ein besonderes Interesse gewinnen. Wir
seilen uns da allein auf Schlussfolgerungen aus dem Inhalt
der Bruchstücke angewiesen. Vorweg sei darum bemerkt, dass
in diesen nicht etwa eine Kopie, sondern das Original der
lUostrution vorliegt, was sich zweifelsfrei aus der Art ergibt,
wie in M die figurenreichen Schlachtenbilder grossenteils in
den Yon den Schrifbzeilen freigelassenen Raum hineinkompo-
niert sind.
Zur Begrenzung der Heimat haben wir Anhaltspunkte
nur in den mundartlichen Eigenheiten des Textes. Diese sind,
^e schon erwähnt, überwiegend mitteldeutsch. Eine sorg-
Slügere Sichtung ergibt, dass es sich nur um ostmitteldeutsch
Wdeln kann. Die Substitution von vor für ver und für, von
wrsten, warf für vursten, wurf, von ia, ir- für es, er- der Ab-
fall von t in nackt ^ die Schreibungen ndkebur, hockgemut,
^krabe, frühen, dann aber auch durc, sie sprechen mit Ent-
^luedenheit dafür. Gleichwohl dürfte die Annahme, der Schreiber
sei ein Ostmitteldeutscher gewesen, ausgeschlossen sein, dat
und swe = swie, femer auch de, se, men, die anlautenden sc
^) So E. Lamprecbt im Bepertorium für Kunstwissenschaft VIT
1Ö84 Seite i08.
234 Karl v, Amira
erklären sich weit eher in der Feder eines Niederdeutschen,
der im übrigen dazu neigte, gewissen Schreibgewohnheiten
seines ostmitteldeutschen Aufenthaltsortes zu folgen. Dann
aber dürfen wir um so sicherer auf ostmitteldeutschen
Entstehungsort schliessen, eine Annahme, der das wenige,
was wir von der Herkunft der einzelnen Bruchstücke wissen,
nur zustatten kommen kann. Die münchener Blätter befandet:
sich, bevor sie an ihren jetzigen Verwahrungsort gelangten,
in Meiningen. Die Rothschen Fragmente stammten ,aus Sachsen'.
Was das Alter betrifft, so behauptet Mone, H gehöre
dem , Anfang des 13. Jahrhunderts' an, ebenso wie vermeintlich
die heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, und er
glaubte, sie sei für den Landgrafen Hermann von Thüringen
gefertigt, der den Dichter des Willehalm mit seiner französi-
Quelle bekannt gemacht hat. Essenwein wäre sogar geneigt,
wegen gewisser Waffenformen in N und H die Handschrift
noch ins 12. Jahrhundert hinaufzurücken und eine Bemerkung
auf den Untersatzkartons zu N gibt denn auch an : ,12. — 13. Jhrh/
Bartsch dagegen nennt, ohne Gründe anzuführen, als Zeit
von H das ,XIV. Jahrhundert'. Gegen eine so späte Datierung
würde nun freilich schon der Schriftcharakter sprechen: offenes
a, z ohne den mitten durchgehenden Querstrich, der noch ziemlich
gerade Unterscheidungsstrich über dem i, langes s am Wort-
ende, alle diese Merkmale kommen miteinander schwerlich noch
in einer mitteldeutschen Schrift nach 1300 vor. Andererseits er-
weisen sich die Mone-Essenweinschen Zeitbestimmungen als ver-
früht. Sie lassen ausser acht, dass das Gedicht nicht vor dem Tode
des Landgrafen Hermann^) (April 1217), ja kaum vor 1220*)
*) Lachmann, D. Oedichte Wältkera v. d, Vogelw.^ S. 139 (zu
17, 11 f.). San Marte in Ersch t*. Qruber I Bd. 38 S. 32. P. Piper
Wolfram v. E, I S. 30. Vofft in Paula QrundriBs^ II S. 197.
2) In 240, 241 erzählt Wolfram, seine Vorlage umdichtend, es hätteu
Heimrich le chOtif und Giselbert sich im Dienst des Patriarchen von
A<,'lei an einem Krie^ pregen Venedig beteiligt. Ein solcher Krieg lässt
sich zu Wolframs Zeit in den Jahren 1220 und 1221 nachweisen. Auf
der einen Seite standen der Patriarch Berthold von Aquileja und die
Die grosse Büderhandechrift Don Wolframs Wiüehalm, 235
yollendet wurde. Die Verwandtschaft der heidelberger Bilder-
handschrift des Sachsenspiegels aber, wenn sie überhaupt einen
sicheren Schluss zuliesse, würde auf eine sehr yiel spätere Ent-
stehuDgszeit des Willehalm-Codex führen, seitdem wir wissen,
dass jene frühestens dem Ausgang des 18. Jahrhunderts an-
gehört ^) Jedenfalls müssen wir mit der Zeitbestimmung tiefer
herabgehen. Dazu nötigt schon die Fehlerhaftigkeit des Textes.
Eine so grosse Menge von Verderbnissen ~ neben einer nicht
minder grossen Menge von z. Z. nicht näher zu beurteilenden
Varianten --, wie sie die wenigen Bruchstücke aufweisen, yer-
tragt sich nicht nur nicht mit einer Art von offizieller Ab-
schrift, sondern auch schwer mit einer Abschrift, die der Ab-
fassungszeit sehr nahe stehen würde. Auch die nicht mehr
sehr festen Schreibregeln deuten auf eine spätere Zeit als die
ersten Jahrzehnte nach 1200.
Etwas genauere Schlüsse gestatten die Bilder. Unter den
Werken der thüringisch -sächsischen Malerei in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts, wie wir sie jetzt aus Haseloffs
Darlegungen kennen, und ebenso unter denjenigen vom Schlag
der Hamerslebener Bibel im Domgymnasium zu Halberstadt
oder der illuminierten Federzeichnungen im Cod. Heimst. 425
2u Wolfenbüttel würde die Willehalm-IUustration fast ebenso
isoliert dastehen wie die heidelberger Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels. Höchstens die Zeichnung der Haare in Parallel-
linien und der überwiegende Gebrauch deckender Farben er-
innert an jene ältere Eunstweise. Dazu stimmen nun auch
kostümliche Beobachtungen. Unter den verschiedenen Formen
des flachen Dreieckschildes, die in M vorkommen, herrscht
diejenige vor, die an den geradlinigen Oberrand die rein
sphärischen Seitenränder rechtwinkelig ansetzt. Diese Form
findet sich zwar schon auf einem Hennebergischen Siegel von
^tadt Padoa, aaf der andern Venedig im Bunde mit Treviso. Die Feind-
'cligkeiten waren so heftig, dass im September 1221 der Patriarch als
ineendiarius bezeichnet werden konnte. Rolandinus Patav. Chrofi. II 1
l^on. Oerm. SS. XIX 47 f.), Winkelmann Jahrh, Friedrichs II. 1 S. 176,
^) S. die dtierte Emleitung S. 17.
236 Karl o. Amra
1212,^) hat aber weitere Verbreitung erst im zweiten Drittel
des 13. Jahrhunderts erlangt. In der grossen Sammlung der
^Westfälischen &egd*, die eine ausreichende Menge von Yer-
gleichsobjekten aus einem geschlossenen Oebiet enthält, trifil
man sie nicht vor 1241') und auch yon da an bis zum dritten
Drittel des Jahrhunderts nur selten.') Sogar die wahrend
dieser Zeit herrschende Form, bei der die sphärischen Seiten-
ränder in spitzem Winkel ansetzen, reicht unter jenen Siegeln
nicht über 1240 zurück.^) Bis dahin und noch später waren
vorzugsweise der verkürzte normannische Schild mit sphärischem
Oberrand und abgerundeten Oberecken,') wie man ihn auch
in der Berliner Eneidt-Handschrifb sieht, und der Dreieck-
schild') mit geradlinigen Rändern in Gebrauch. Zum nämUchen
Ergebnis gelangt man aber auch, wenn man die Beispiele in
Seylers Geschichte der Siegel durchmustert. Abgesehen von
dem oben genannten Hennebergischen ist dort das älteste Siegel,
das einen Dreieckschild mit rechtwinklig ansetzenden Seiten-
rändem zeigt, von 1233, die nächsten von 1242 — 1254 und
M Bei A. Seyler Gesch. der Siegel Nr. 237.
«) Westfäl. Siegel IV 1 Taf. 167 Nr. 1.
•) Westfäl Siegel IV 2 Taf. 205 Nr. 1 (1264), II 1 Taf. 45 Nr. 9
(a. 1261). — S. dagegen IV 3 Taf. 263 Nr. 4 (a. 1274), IV 2 Taf. 195
Nr. 1 (a. 1275), IV 3 Taf. 263 Nr. 1 (a. 1280), 247 Nr. 3 (a. 1284). 24i
Nr. 1 (a. 1286), 262 Nr. 1 (a. 1287) u. 8. w.
*) Westfäl. Siegel I 2 Taf. XXIX Nr. 2 (a. 1240). IV 2 Taf. 184
Nr. 8 (a. 1240) I 2 Taf. XXVI Nr. 6 (a. 1250), XXXII Nr. 10. 11 (a. 1251),
IV 3 Taf. 263 Nr. 3 (a. 1251), I 2 Taf. XXXII Nr. 9 (a. 1254). XXIV
Nr. 11 (a. 1254), IV 2 Taf. 217 Nr. 1 (a. 1256), IV 3 Taf. 231 Nr. 1, 2
(a. 1258, 1259), 222 Nr. 1 (a. 1259), IV 1 Taf. 149 Nr. 1 (a. 1260, 1 2
Taf. XXIX Nr. 3 (a. 1260), I 2 Taf. XXXIV Nr. 3 (a. 1261). XXXII Nr. 8
(a. 1261) u. 8. w.
^) Westfäl Siegel I 2 Taf. XXXV Nr. 2 (a. 1217), XXXI Nr. 1
(a. 1218), XL Nr. 1 (a. 1220), XXXV Nr. 5 (a. 1229), XXXIX Nr. 1
(a. 1240), IV 2 Taf. 220 Nr. 1 (a. 1244), I 2 Taf. XXIV Nr. 10 (a. 1247).
XXVI Nr. 5 (a. 1250), IV 2 Taf 220 Nr. 8 (a. 1251), IV 1 Taf. 142 Nr. 1
(a. 1270).
6) Westfäl Siegel 1 1 Taf. X Nr. 1 (a. 1213), I 2 Taf. XXXV 8
(a. 1221), XXXVII Nr. 7 (a. 1229), 10 (a. 1238), Taf. XXX Nr. 8 (a. 1246),
IV 3 Taf. 236 Nr. 1 (a. 1250), 2 Taf. 184 Nr. 1 (a. 1263) u. s. w.
Die grosse Büderhandschrift von Wolframs Wülekalm. 237
1250.^) Auf Siegeln kommt der Dreieckschild mit rechtwink-
ligen Oberecken seit 1225 vor,^) doch im 13. Jahrhundert
seltener als die Form mit spitzwinkligem Ansatz der Seiten-
ränder.') Die Siegel der thüringischen Landgrafen kennen
iräiireDd derselben Zeit neben dem verkürzten normannischen
Schild und seinen Varianten nur den Dreieckschild mit spitz-
winkligen Oberecken/) wogegen allerdings der noch erhaltene
Schild des Landgrafen Eonrad (f 1241) in der Elisabethkirche
zu Marburg rechtwinklige Oberecken hat.*) Wie die Form
ies Dreieckschildes, so führt uns auch die des Topfhelmes
in die Nähe des Jahres 1250. Er reicht fast ebenso tief im
Gaiick wie unter das Kinn herab und hat die Barbier, wie
^ sie noch in der Berliner Eneidt-Handschrifb sehen und wie
sie nach Ausweis der Siegel noch gegen 1250 hin in Deutsch-
land getragen wurde,^) yöUig verdrängt. In Mitteldeutschland
iut er sich in dieser Gestalt erst während des zweiten Viertels
des 13. Jahrhunderts verbreitet.'^ Eben die Gestalt des Topf-
helms in H und M verbietet uns nun aber auch, dass wir
mit unserer Zeitbestimmung um ein erhebliches über 1275
herabgehen. Der Helm steigt hinten ganz geradlinig und vom
^ geradlinig auf und schliesst mit völlig flacher Scheitel-
platte ab, ist also nahezu zylindrisch gestaltet, entbehrt auch
^) Sejler a. a. 0. Nr. 206, 304, 204 a, 198.
2) Posse Die Siegel der Wettiner Taf. III 4 (a. 1225), 6 (a. 1231),
IV i (a. 1256), X 6 (a. 1285).
') Posse a. a. 0. Taf. XII 3, 4 (a. 1224, 1233), X 1 (a. 1242), V
4-6 (a. 1261, 1268, 1267), IV 6 (a. 1268), X 4 (a. 1269), XVI 5 (a. 1269,
1271), VI 4 (a. 1279).
*) Posse a. a. 0. Taf. XIII 3, 4 (a. 1233, 1234); — ferner Taf. XI 5
a^ 1216), XII 3, 4 (a. 1224, 1233), XIII 3 (a. 1233), XII 5 (a. 1241).
^) F. Warn ecke, Die wittelälterh heraldischen Kampfschüde in
^ Bisabethkirche su Marburg Taf. 1.
^ z. B. nach einem Anhaltischen Siegel von 1243 bei Posse
»• a. 0. Taf. XXVII 3.
^ Posse a. a. 0. Taf. XII 3(?) — 5 (a. 1224? — 1241), III 6 (a. 1231),
Xni 3 (a. 1233), X 1 (a. 1242), V 4—6 (a. 1261—68), IV 4, 5 (a. 1266,
^m, X 3 {a. 1267). — Nach Philippi Westfäl, Siegel I 1 S. 7 kommt
*ier Topf heim in der westfälischen Sphragiatik erst gegen 1250 auf.
238 Karl v. Ämira
der Decke. Die Verjüngung des Topfhelms in seiner oben
Hälfte soll um 1267 begonnen haben.^) Die Helmdecke kommt
in Mitteldeutschland ungefähr um ein Jahrzehnt später in
Gebrauch.*) Freilich wurden damit der zylindrische und der
deckenlose Topfhelm nicht sogleich ganz und gar yerdräogt.
Aber der Zeichner des Willehalm-Codex beabsichtigt doch, die
Franzosen mit dem mcrdemsten Kopfschutz auszurüsten, k
er kennt. Auch die schwarzen Beinlinge, wie sie in N2i
zur Haustracht des Marquis gehören, sind in der zweiten Hüfte
des Jahrhunderts als Kleidungsstück der Vornehmen abge-
kommen. In der Mode waren sie zur Lebenszeit Neidharts
von Reuen thal (f um 1240) und zur Abfassungszeit yon Ulriclis
von Lichtenstein Frauendienst (um 1255).') Die älteste unserer
Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, die zu Heidelberg,
kennt diese schwarzen Beinlinge nicht mehr. Dem Allen nacb
empfiehlt sich die Zeitgrenze 1250 — 1275. Hiezu stimmt
auch die noch etwas altei*tümliche Heraldik, die ausser dem
Stern im Wappen Willehalras, soweit wir zu sehen vermögen, nur
sehr einfache Heroldsfiguren verwendet (Schrägbalken, Kreui,
Pfahl, Sparren), die Einfarbigkeit der WaffenrDcke, während
doch schon die Berliner Eneidt-Bilder den heraldisierten Waffea*
rock zeigen, der dann in der zweiten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts allgemein üblich wird, insbesondere aber das Vor-
kommen des rein normannischen Schildes als einer nicht nur
,heidnischenS sondern sogar noch französischen Waffe in H.
Die letzten Siegel wettinischer Fürsten mit diesem Schild sind
von 1200 und 1205, das letzte derartige Siegel eines thüringi-
schen Landgrafen von 1216, das letzte anhaltische von 1243.*)
An westfälischen lassen sich einige wenige noch bis 1251 an-
1) A. Schultz D, höfische Leben^ II 67.
2) Sie<7ol von 1279 bei Posse a, a. 0. Taf. VI 4.
») S. die Stellen bei M. Heyne Fünf Bücher deuticher Hausaltef
tümer III 283 Note 126, ferner Hottenroth Handbudt d. detUsfhen
Tracht 203 f.
*) Posse a. a. 0. II 5, 6, XI 5, XXVII 3.
Die grosse Büderhandsckrift von Wolframs Wülehdlm, 239
fuhren,^) wobei wir berücksichtigen müssen, dass eine Schild-
form sich noch im Siegeltypus erhalten konnte, nachdem sie
im Waffenwesen ausser Gebrauch gekommen war.
FäUt nun die grosse Büderhandschrift des WiUehalm ins
dritte Viertel des 13. Jahrhunderts, vielleicht eher noch um
1250, so ist damit das Mittelglied gefunden, das die grosse
Sachsenspiegel-Illustration (1291 — 1295) mit der älteren pro-
fanen Buch-Illustration verbindet. Die Beziehungen zur kirch-
lichen, wovon ich in der citierten Einleitung S. 30 sprach,
brauchen wir darum nicht in Abrede zu stellen. Dass aber
in der Gesamtanlage wie in Einzelheiten, namentlich auch
solchen der subjektiven Symbolik, die Willehalm-Handschrift
dem ersten Dlustrator des Sachsenspiegels zum Muster diente,
werden wir jetzt um so weniger bezweifeln, als wir wissen,
da&s auch er in Ostmitteldeutschland arbeitete.
An kunstgeschichtlichem Ruhm allerdings erleidet damit
die Illustration des Rechtsbuches einigen Abbruch. Betrach-
tangen darüber, warum ,die neue Illustrationstechnik sich sofort
dem anscheinend schwierigsten Gegenstand, den sie wählen
konnte, der Erläuterung von Rechtsbüchern, zuwendetS^) werden
iregenstandslos, und auch der ,Eroberungszug in die Welt der
Wirklichkeit^ worin man*) die Bedeutung der Sachsenspiegel-
Illustration für die Entwicklungsgeschichte der Malerei finden
voUte, verliert einigermassen an der ihm nachgerühmten Kühn-
heit, wenn wir auch zugeben werden, dass den Illustrator des
it^^htsbuches im Vergleich zu seinem Vorgänger die Vielseitig-
keit begünstigte, wodurch sein Stoff den des ritterlichen Epos
übertraf, und dass sie den Zeichner zu entschlossenem Weiter-
fahren der subjektiven Symbolik antrieb. Dafür aber gewinnt die
^leschichte der Malerei selbst, insonderheit der mitteldeutschen,
an Reichtum des Inhalts. Wir sehen, wie schon um ein
M Westfäl. Siegel I 1 Taf. X Nr. 2 (a. 1226), XIII Nr. 1 (a. 1233),
IV -2 Taf. 220 Nr. 1 (a. 1244), 220 Nr. 8 (a. 1251).
^ So K. Lamprecht im Repertorium f. Kunstwissenschaft VII 407.
') Janitschek Gesch, d. deut. Malerei S. 118.
240 Karl v. Ämira, Die gr. Büderhdsehr. v. Wolfram WQlMin,
Menschenalter yor dem grossen juristischen Bilderwerk m
ganz ähnliches, aber viel umfangreicheres Unternehmen inner-
halb der nämlichen Oesellschaftskreise zur Ausführung gelangt
ist, — ähnlich nicht nur in äusserer Anlage und Technik,
sondern auch durchaus in der künstlerischen Denkweise, das
uns obendrein auch zu einer deutlicheren Vorstellung tod
der Eunstweise des verlorenen ürcodez der Sachsenspieg»-
Illustration verhilft, wenn wir die von diesem abgeleiteta
Handschriften zur Yergleichung heranziehen. Um 1250 keb^
mit der grossen Bilderhandschrift des Willehalm eine zweit«
sächsisch -thüringische Illustratorenschule an, deren jüngste
Arbeiten nach anderthalb Jahrhunderten die BilderhandschrifieB
des Sachsenspiegels zu Dresden und Wolfenbüttel sind.
Wann die grosse Bilderhandschrift des Willehalm zerstört
wurde, lässt sich nur mutmassen. Wahrscheinlich befand sie
sich im 16. Jahrhundert in den Händen eines Humanisten, der
in ihr nur den verabscheuungswürdigen Nachlass eines barba-
rischen Zeitalters erblickte und nichts besseres mit ihr anzu-
fangen wusste, als sie zum Einbinden seiner Bibliothek uM
seiner Notizbücher zu verwenden, — ein anschauliches Beispiel
dafür, wie selbst umfangreiche und kostbare Bilderhandschrifi;en
während der Neuzeit fast spurlos verschwinden konnten. Hier-
nach lässt sich aber auch hoffen, dass beim Ablösen von Über-
zügen alter Einbände noch andere Bruchstücke des merk-
würdigen Denkmals zutage kommen werden.
241
öffentliche Sitzung
zur Feier des 144. Stiftungstages
am 11. März 1908.
Die Sitzung eröffnete der Präsident der Akademie, Oeheimrat
Dr. K. A. y. Zittel, mit folgender Ansprache:
Die Kgl. Akademie der Wissenschaften begeht heute ein
Doppelfest. Wir feiern zunächst den 144 jährigen Bestand
unserer Korporation und sodann die 100 jährige Wiederkehr
des Geburtstags von Justus von Liebig. Aus berufenstem Munde
werden Sie durch unser korrespondierendes Mitglied Professor
Dr. Knapp aus Strassburg ein Lebensbild des grossen Mannes
erhalten, welcher mehrere Jahrzehnte unserer Akademie als
Mitglied und Präsident angehörte und ihr Ansehen durch den
61anz seines weltberühmten Namens vermehrte.
Dank der unveränderten Huld unseres hohen Protektors
und der wohlwollenden Unterstützung durch die Kgl. Staats-
i^erung und den Landtag kann die Akademie mit Befriedigung
nieder auf ein Jahr fruchtbarer Tätigkeit zurückblicken. Wie
»^ dem Umfang und dem Inhalt unserer Druckschriften her-
Toigeht, herrscht ein reges wissenschaftliches Leben in den
i^i Klassen und auch die der Akademie angeschlossene histo-
rische Kommission, die Bearbeiter des Thesaurus linguae latinae
^d die Kommission für die Erforschung der Urgeschichte
Bayerns haben im verflossenen Jahre eine Fülle verdienstlicher
Arbeit geleistet.
242 V. Zittel
Aus unseren Stiftungen konnten eine Anzahl wissenscliaft-
licher Unternehmungen unterstützt und angeregt werden.
So wurden aus den Renten der Münchener Bürger-
und Cramer-Klett-Stiftung bewilligt:
1. 3000 M. für eine Sammel- und Informationsreise d»
Garteninspektors Bernhard Othmer in die Tropen, femer
2. 1500 M. zur Erforschung des Kretinismus in Frank
an den Privatdozenten der Kgl. Universität Würzburg Dr.
Wilhelm Weygandt.
Aus der Eönigs-Stiftung für chemische Forschungen
wurden verliehen:
Herrn Professor Karl Hof mann 330 M. für Untersuchung
radioaktiver Stoffe und 470 M. Herrn Professor Piloty für
Untersuchungen über Murexit.
Aus den Renten der Savigny-Stiftung, welche für da^
Jahr 1903 unserer Akademie zur Verfügung stehen, wurde ad
Vorschlag der Savigny-Kommission bewilligt:
1. 600 M. zur Unteratützung des Honorarfonds der Savigny-
Zeitschrift,
2. eine Summe bis zu 2500 M. für einen zweiten Band
der von unserer Akademie angeregten Magdeburger Schöffen-
sprüche, welche die Herren Liesegang und Friese herausgeben,
3. 300 M. an Herrn Oberlehrer Knod in Strassburg i. E.
zur Unterstützung und Herausgabe seines Werkes »Die deui^n-he
Nation zu Orleans*.
Aus dem Thereianos-Fond wurde zunächst ein Preis von
800 M. verliehen an Herrn Dr. Boll, Sekretär der Kgl. Hof- und
Staatsbibliothek, für dessen jüngst erschienenes Werk »Sphaera*.
Ferner wurden genehmigt:
1200 M. an Professor Spyridion Lambros in Athen für
seine Arbeiten über Theodoros von Kyzikos, über das soge-
nannte Chronicon breve und über die Geschichte des Deepotats
der Palaeologen im Peloponnes,
Ansprache, 243
1500 M. zur Unterstützung der Byzantinischen Zeitschrift,
1000 M. als zweite und letzte Rate für den Index der
ersten zwölf Bände der Byzantinischen Zeitschrift,
200 M. fUr die Ausarbeitung eines Programms zur Heraus-
gabe eines Corpus der griechischen Urkunden des Mittelalters
und der neueren Zeit, welches der Internationalen Association
der Akademien im Jahre 1904 vorgelegt werden soll, femer
2300 M. zur Fortsetzung des von den Herren Furtwängler
und Reichold herausgegebenen Werkes über „Oriechische
Yaseninalerei*.
Leider hat im vergangenen Jahre der Tod eine reiche
£rnte unter unseren einheimischen und auswärtigen Mitgliedern
g^iialten und uns einige der angesehensten und berühmtesten
Forscher entrissen. Über diese Verluste bitte ich nunmehr
die Herren Klassensekretäre des Näheren zu berichten.
Darauf gedachten die Elassensekretäre der seit März 1902
verstorbenen Mitglieder.
Die philosophisch-philologische Klasse verlor das ordentliche
Mitglied Eonrad von Maurer (gest. am 16. September 1902),
welchem in der öffentlichen Sitzung im November 1903 eine
besondere Gedächtnisrede wird gewidmet werden, und das aus-
wärtige Mitglied Gaston Paris, Professor der romanischen Philo-
logie am College de France, den hervorragendsten und viel-
artigsten Vertreter dieser vaterländischen Wissenschaft in Frank-
reieh (gest. am 6. März 1903).
244 J. Friedridi
Die historische Klasse rerlor am 10. Februar 1903 ihren
Senior, Ka&l Adolf von Cornelius, auf den in einer späieFeii
Sitzung eine Gedächtnisrede gehalten werden wird.
Am 24. November 1902 starb das ausserordentliche %
glied der historischen Klasse Edmund FBEmEBR yon Öfele.
Öfele, der Urenkel des berühmten Herausgebers der Scrip-
tores rerum Boicarum, wurde am 6. Dezember 1843 geboren,
besuchte das Gymnasium zu Regensburg und studierte an der
Universität München Jurisprudenz und Geschichte. Trotz seiner
inneren Neigung zur geschichtlichen Forschung ergriff er die
juristische Laufbahn, verliess sie aber nach bestandenem Staais-
konkurs und trat 1870 als Praktikant in das E. ReichsarcUr
ein. Seit 1874 Ereisarchivsekretär in Würzburg, Bamberg \d.
München, stieg er dann rasch zum Assessor und Rat, 189^
zum Direktor des E. Reichsarchivs empor.
Öfele erweckte schon als Studierender grosse Ho£fhungeiL
Denn bereits als solcher gab er im 26. Band des Oberbaye-
rischen Archivs (1865 — 6) das im Nachlass seines Urgross?aters
gefundene , Rechnungsbuch des oberen Yizedomamtes Herzog
Ludwigs des Strengen 1291 — 1294*, d. h. Oberbajems südlich
der Donau mit dem Hauptsitze München, heraus. Die Ver-
öffentlichung nach den neueren Editionsgrundsätzen und mit
trefflichen Erläuterungen bedeutete in mancher Hinsicht eine
willkommene Erweiterung unserer historischen Erkenntnis. Im
nächsten (27.) Bande des Oberbayerischen Archivs (1866—7)
folgte „Otto von Erondorf. Ein Beitrag zur Eritik Aventins.'
Grosses Aufsehen erregte Ofele, als er 1867 in dem urgross-
väterlichen Nachlass Aventins Abschrift der Annales Altahen^
maiores fand. Seit Aventin verschwunden, hatte Giesebrecht
im Jahre 1841 sie aus späteren Zitaten grossen teils wieder
herzustellen versucht, und begreiflich war die Spannung gross,
wie sich diese Restitution zu den wirklichen Annalen verhalte.
Nekrolog auf Edmund Freiherr von Öfele, 245
Der Fund wurde aber nicht blos eine glänzende Bestätigung
^on Siesebrechts scharfsinniger Arbeit, er trug Ofele auch
die Ehre ein, mit seinem Lehrer die Annales für den 1868
erschienenen XX. Band der Monumenta Germaniae historica
^arbeiten und edieren zu dürfen.
Daneben löste Öfele zugleich die 1867 von der hiesigen
philosophischen Fakultät gestellte Preisaufgabe ,,Die Geschichte
der Grafen von Andechs. urkundliche Feststellung der Genealogie
und ihrer Besitzungen sowie Aufhellung ihrer Tätigkeit im
Beiche. *
Man darf sagen, dass nicht oft eine Universität in der
läge sein wird, einen Schüler zu entlassen, der sich bereits
em«Q wissenschaftlichen Namen gemacht hat, wie Ofele. Er
blieb aber auch später der historischen Forschung treu, obwolil
er alles den kargen, vom Amte freigelassenen Stunden und
eioein schwächlichen und kränklichen Körper abringen musste.
Zunächst arbeitete er mit einem Bienenfleiss seine Preis-
sclirift zu einer erschöpfenden Geschichte des einst so mäch-
tigen und einflussreichen Geschlechtes der Andechser aus (1877).
Ein Jahr darauf veröffentlichte er „Leonhard Widmanns Chronik
ron Itegensburg^ in den „Chroniken der deutschen Städte *"
^Bd. 15, 1878), welche die Historische Kommission bei unsei-er
Akademie herausgibt.
Als eine wahre Festgabe zum Witteisbacher Jubiläum darf
lun Ofeles Ausgabe der bis dahin ungedruckten „Topographie
T<m Bayern • Philipp Apians, des ausgezeichneten Lehrers der
Mathematik an der Universität Ingolstadt in der zweiten Hälfte
its 16. Jahrhunderts, bezeichnen. Sie ist ein ausführlicher
"^läuternder Text, den Apian, nachdem er längst Bayern aus
^'ogiösen Gründen hatte verlassen müssen, zu der von ihm im
Auftrag Herzog Albrechts V. aufgenommenen, 485 Quadrat-
schühe grossen, künstlerisch ausgestatteten Karte von Bayern
»om Jahre 1563 schrieb, und der, in sämtliche hiesige Archive
zerstreut, gänzlich unbekannt war, wie auch diese Karte selbst,
«ach mancherlei seltsamen Schicksalen gegen Ende des 18. Jahr-
iiunderts zu Grunde gegangen, nicht zur Kenntnis der Geographen
l«t. Sitigib. d. philo«.-philoL ü. d. bist. Kl. 17
246 /. Friedriek
gelangt zu sein scheint. Kein Land war im 16. Jahrhundert so
getreu kartographisch dargestellt und wohl auch topograpliiscli
beschrieben, als Bayern durch Philipp Apians Karte und Topo-
graphie. Nunmehr hat die Topographie nur noch einen histo-
rischen Wert, indem sie uns die damalige Gerichtsbarkeit vieler
Orte erst kennen lehrt und insbesondere die Übergangsfonoa
der Ortsnamen aus dem Mittelalter in die Neuzeit zeigt. Damf
wandte sich Öfele hauptsächlich dem berühmten bayerischn
Geschichtschreiber Aventin zu und wurde, nachdem er k
Kloster St. Peter in Salzburg neues Material entdeckt un4
einiges daraus in seinen Aventiniana (Oberb. Arch. XLIV, 1887)
veröflFentlicht hatte, von der Aventin-Kommission unserer Aka-
demie mit der Bearbeitung eines Ergänzungsbandes zu den von
ihr herausgegebenen Werken Aventins betraut. Leider konnte
er unter dem Drucke des Dienstes und bei dem zunehmenden
körperlichen Übelbefinden die Aufgabe nicht mehr lösen. Und
ähnlich ging es mit der von ihm übernommenen HerausgaW
der Monumenta boica. Nachdem er einen Band (46) bearbeitet
hatte, musste er den beinahe vollendeten zweiten Band andereii
Händen überlassen. |
Öfele, der sich in seinen Schriften und zahlreichen Ab-
handlungen und Mitteilungen als einen überaus sorgfältigen
und zuverlässigen Arbeiter bewährt hat, wird stets eine ehren-
volle Stelle unter den Forschern auf dem Gebiete der baye-
rischen Geschichte behaupten.
Es sind ferner gestorben die auswärtigen Mitglieder Lord
Acton in Cambridge, Julius von Picker in Innsbruck, Ernst
Dümmler in Berlin und das korrespondierende Mitglied Eugen
Müntz in Paris.
Am 19. Juni 1902 starb auf der gräflich Arcoschen Villa
am Tegemsee Lorp Acton, früher Sir John Dalberg Acton»
von mütterlicher Seite Sprössling und Erbe des Hauses Dal-
berg, Rheinischer Linie.
Nekrolog auf Lord Äcton. 247
Seboren am 10. Januar 1834 in Neapel, wo mehrere Actons
in hohen Staatsämtern gestanden, erhielt er seine erste Bildung
in dem katholischen College St. Mary Oscott und kam 1850
nach München, um unter der Leitung DöUingers, bei dem er
auch wohnte, die üniyersität zu besuchen. Mit ungewöhnlichen
Geistesgaben ausgestattet und von mächtigem Wissensdrange
getrieben machte er glänzende Fortschritte, und kaum nach
England zurückgekehrt verrät er in seinen fortlaufenden Briefen
an Döllinger eine Weite des Blickes und Reife des Urteils,
Terbunden mit einem Umfange des Wissens, die man in so
jungen Jahren selten finden wird. Sein Wissensdurst war
damit aber keineswegs gestillt; er drängte ihn immer weiter,
und bald bestand sein Verhältnis zu Döllinger in einem gegen«-
seitigen Geben und Empfangen, wie dann meistens die Ergeb-
nisse seiner unermüdlichen Forschungen in Bibliotheken und
irchiven erst durch die Hände DöUingers gingen, ehe sie in
ildenham niedergelegt wurden.
Im Görreskreise, soweit er damals noch bestand, hoffte
man zwar, dass „die katholische Partei in England an ihm
dereinst eine hervorragende Stütze finden könnte*; es kam aber
flicht so. Durch DöUingers Einfluss hauptsächlich der kirchen-
kistorischen Forschung zugewandt, wollte Acton mit einigen
engUachen Freunden im Rambler auch seine kirchengeschicht*
liehen Anschauungen zur Geltung bringen. Es dauerte jedoch
nur kurze 2jeit, und der englische Klerus, der das „bei seinem
Mangel an aller historischen Bildung und folglich an allem
historischen Urteil überhaupt' nicht begriff, stand gegen ihn
und seine Mitarbeiter auf. An Sambiers Stelle trat 1862 Home
ud Foreign Review, das der gleiche Hass verfolgte, weil man
äoeh in ihm «die germanisierende Schule unter den jüngeren
Katholiken in England' tätig sah und „die Germanisierung
'l^r Kirche als ihre tötlichste Gefahr' betrachtete. Auch dieses
lienew ging nach wenigen Jahren wieder ein. In dieser Be-
^rin^is mochte Acton wohl klagen: ,,Sie (Döllinger) sehen,
2an ist nicht impune Ihr Schüler', aber niederbeugen liess
ach der Mann nicht. Er zog wie viele andere während des
248 J, Friedrkh
Konzils 1869/70 nach Rom, und, nachdem es offen ausg^
sprochen, kann ich es bestätigen, dass der Hauptteil des
Materials, aus dem Döllinger die „Briefe Tom Konzil' für die
Augsburger Allgemeine Zeitung redigierte, von ihm stammte.
Nach dem Konzil schrieb er ein „ Sendschreiben an einen
deutschen Bischof des ratikanischen Konzils*" (1870) und iio
North British Review in gedrängter Übersicht eine «Geschick
des vatikanischen Konzils" (1870, auch ins Deutsche übersetzt
von der jedoch ein deutscher Beurteiler nicht mit Unrecht
bemerkt hat, „dass er an Stelle des diplomatischen Silbersüfts,
dessen sich Lord Acton bei seinen Au&eichnungen bedient hat,
durchweg eine dunklere Farbe und einen härteren Griffel ge-
wünscht hätte *". Lord Acton liebte es überhaupt, manchmal
wie Döllinger in einem Briefe an Gladstone es bezeichnet
^otxovofitxcbg zu schreiben*.
Als Hauptverdienst Actons in jenen Jahren bezeichnete
Döllinger, als er ihn 1876 zum auswärtigen Mitglied unserer
Akademie vorschlug, dass „er in den Zeitschriften Rambk
— Home and Foreign Review — North British Review m
anderen die nicht-englische historische Literatur und mit b^ .
sonderer Vorliebe und ebenso gründlich als umfassend die
deutsche dem britischen Publikum bekannt gemacht habe.
Die kritisch referierenden Artikel von seiner Hand dürften,
gesammelt, wohl zwei Bände füllen, und man könne sagen,
Acton habe mehr als irgend ein lebender Engländer oder
Amerikaner für Bekanntwerdung und gerechte Würdigung der
deutschen Geschichtsliteratur im Bereiche der englisch lesender.
Nationen geleistet ''. Er befähigte sich dadurch zu dem Artikel
German Schools of History (deutsch von Imelmann 1887), der
das von ihm, Stubbs, Freeman, Döllinger u. a. 1886 gegründete
English Historical Review eröffnete und in Deutschland grosses
und berechtigtes Aufsehen erregte.
Acton gehört zu den Männern, denen es in erster lAvix^
um die Förderung ihrer eigenen Erkenntnis zu tun ist, und
die meistens nur durch äussere Umstände veranlasst werden,
Mitteilungen aus dem Schatze ihres Wissens an andere zu machen.
Nekrolog auf Lord Äeton und Julius von Ficker, 249
Was er aber schrieb — eine kritische Geschichte der Bartho-
lomäusnacht (meist nach handschriftlichen Quellen) — der Krieg
7on 1870 — Geschichte der Freiheit im Altertum und das
Christentum — George Elliot — der Kardinal Wolsey u. s. w. —
rollt auf den gründlichsten und umfassendsten Studien, ist
stets tief durchdacht und hat nur den Fehler, dass es für uns
Deutsche oft schwer verständlich ist, was Döllinger, der es
ebenfalls fand, dem umstände zuschrieb, dass «es nicht das
gewöhnliche Englisch ist, sondern unter deutschem Einfluss
zu stehen scheint".
Den Lehrstuhl der Geschichte, den Acton seit 1895 als
Regius Professor an der Universität Cambridge inne hatte, und
um den er, wie mir vor einigen Jahren von dort gemeldet
vsrde, von Jahr zu Jahr mehr Zuhörer sammelte, konnte er
Tegen Kränklichkeit schon einige Zeit nicht mehr besteigen,
irad auch die Veröffentlichung der auf zwölf Bände berechneten
Allgemeinen Geschichte der modernen Zeit, die er im Verein
mit hervorragenden Historikern unternommen, sah er nicht mehr.
Acton galt zuletzt als der erste Gelehrte in England, was
Geschichte, Nationalökonomie und dergleichen betrifft, — ein
Ruhm, den sich meines Wissens noch keiner seiner Standes-
genossen erworben hat.
Am 10. Juli 1902 schied Julius von Ficker, einer der ersten
deutschen Geschichtsforscher, zu Innsbruck aus dem Leben.
Von Geburt Westfale und wie viele seiner engeren Landsleute
mit dem preussischen Wesen unversöhnt, wurde Ficker (geb.
30. April 1826) nach Annahme eines Rufes an die damals noch
^ToUständige Universität Innsbruck (1852), wie ich aus meinem
läufigen Verkehr mit ihm weiss, fast österreichischer als die
leisten Österreicher, ohne dass dieser Umstand auf die Objek-
tivität seiner Forschungen einen besonderen Einfluss gewonnen
iiätte. Ficker ist aus keiner historischen Schule hervorgegangen,
»her schon nach seinen ersten Schriften: De Henrici VI.
imperatoris conatu electiciam regum in imperio Romano 6er-
ffianico successionem in haereditariam mutandi (1850), einer
250 /. Friedrieh
Promotions- und Habilitationsschrift zugleich, , Rainald toh
Dassel, Reichskanzler und Erzbischof yon Köln 1156—1167'
(1850), „Engelbert der Heilige, Erzbischof von Köln und Reicb-
yerweser'' (1853) und „Die Münsterischen Chroniken des Mittel*
alters* in den „Geschichtsquellen des Bistums Münster', I. Bi.
(1851) nannte Döllinger ihn bei seiner Wahl in unsere Aka-
demie (1855) „einen der tätigsten und hoffhungsToUsten unte
den jüngeren Geschichtsforschern in Deutschland*^ und „einen
gründlichen Quellenforscher''. Die Beschäftigung mit einer
Geschichte Ludwigs des Bayern fahrte ihn, ab er den dabei
zu lösenden verfassungsgeschichtlichen Fragen nachging, in
ganz andere Bahnen und zu den wichtigsten, oft grundlegenden
Ergebnissen, die er in seinen Schriften „Über einen Spiegel
deutscher Leute'' (1857), „Über die Entstehungszeit des Sachsen-
spiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem
deutschen Spiegel" (1859), „Vom ReichsfUrstenstande' (1861)
und „Vom Heerschilde'' (1862) niederlegte. Man kann über-
haupt sagen: wo Ficker die Hand anlegte, förderte er neue
Erkenntnisse zu Tage. So auch in seinem Zusammenstoss mit
H. V. Sybel, der 1859 in seiner Festrede „Über die neueren
Darstellungen der deutschen Kaiserzeit " andere Anschauungen
ausgesprochen hatte, als Ficker in seiner aus Vorträgen im
Ferdinandeum in Innsbruck entstandenen Schrift „Das deutsche
Kaisertum in seinen universalen und nationalen Beziehungen'
(1861). Dem Angriff Sjbels „Die deutsche Nation und das
KaiseiTeich*^ (1861) setzte Ficker entgegen „Deutsches König-
tum und Kaisertum. Zur Entgegnung auf die Abhandlung
H. V. Sybels: Die deutsche Nation und das Kaisertum • (1862)»
und so heiss der Kami)f und so gross die daraus hervorgegangene
Spannung damals war, die Historiker auf beiden Seiten haben
aus dem Streite gelernt.
Mit seinem Übertritt in die juristische Fakultät und der
Übernahme der Reichs* und Rechtsgeschichte (1863) nahmen
Fickers Forschungen wieder eine neue Wendung. Die Er-
scheinung, dass unter den staufischen Königen in Itidien in
oberster Instanz nach den römisch-kanonischen Kechtsformen
Nekrolog auf Julius wn Fieker. 251
Teifahren wurde, nahm sein Interesse in Anspruch, und seine
eindringenden Untersuchungen fährten zu vier Bänden « For-
schungen zur italienischen Reichs- und Rechtsgeschichte'' (1868
—1874), der ersten Geschichte der Reichsverfassung Italiens von
der Karolingerzeit bis ins 14. Jahrhundert und einer ganz neuen
Grundlage für die Geschichte der Stauferzeit. Daneben be-
schäftigte ihn das literarische Vermächtnis Johann Friedrich
Böhmers, unter dessen Einfluss er bei einem längeren Aufent-
halt in Frankfurt im Jahre 1848 gekommen war, und der ihn
zugleich mit W. Arnold und J. Janssen zu seinem Testaments-
ToUstrecker eingesetzt hat. Während er einen Teil der Arbeiten
seinen Schülern überliess, bearbeitete er selbst ein drittes
Erganzungsheft zu den Regesten Ludwigs des Bayern (1865),
die Acta imperii selecta (1866 — 1870) und die «Regesten des
Kaiserreichs von 1198—1272- (1880-1883), in deren Ein-
leitung er eine wesentlich neue, von der Darstellung Böhmers
Jarchaus abweichende Auffassung Kaiser Friedrichs II. be-
gr&ndete, — eine Leistung, auf die er stolz sein konnte und
aach stolz war, wie ich selbst wahrnahm, als er mir die Ein-
leitung überreichte.
Bei diesen Arbeiten stiess er nach zwei Richtungen auf
Schmerigkeiten, einmal in Bezug auf die Behandlung und
Wertbeurteilung der Urkunden, dann in Bezug auf das ger-
Qianische Eherecht, die ihn zu den scharfsinnigsten Unter-
aichungen fortführten, und das Ergebnis hinsichtlich des ersten
Punktes, das er in zwei Bänden „Beiträge zur Urkundenlehre '^
(1877/8) veröffentlichte, war so durchschlagend, dass man ihn
^tdem auch zu den ersten Diplomatikem zählte. Aus den
Forschungen über das germanische Eherecht, die seine letzten
Jahre ausfüllten, gingen aber die fünf Bände „Untersuchungen
^ Erbenfolge der ostgermanischen Rechte'' (1891 — 1902)
iterror. Mit Begeisterung sprach er mir oft davon, und die
ToIIstäudig neuen Ergebnisse, die er gewonnen zu haben über-
^gt war, schienen seine Arbeitskraft zu verjüngen. Doch
^ er voraus, dass er .auch auf vielfachen Widerspruch stossen
^erde. Es ist aber dennoch vieles davon schon bleibendes
252 J, If\Uäriek
Gut, und auch die von ihm angeregte Diskussion wird zur
Förderung der Wissenschaft dienen.
Ein anderes unschätzbares Verdienst erwarb sich Ficker
durch sein 1854 eröffnetes historisches Seminar. Hier brauche
ich aber statt aller Worte nur an die Namen seiner hen^or-
ragenderen Schüler, der Reichsdeutschen v. Druffel, Scheffer-
Boichorst, Stieve, Busson, und der Österreicher Alf. Huber
Mühlbacher, Jung, v. Ottenthai, Redlich, Hirn, v. Zallinger,
Wiesinger, zu erinnern, und jedem ist sofort klar, was das
bedeutet, und wie viel die Oeschichtswissenschaft Ficker auch
wegen der Ausbildung dieser Männer verdankt.
Ein rastloses, aber auch mit seltenem Erfolge gekröntes
Leben im Dienste der Wissenschaft ist mit ihm erloschen.
Einen gleich schmerzlichen Verlust erlitt die Geschichtswissen-
schaft durch den Tod Ebnst Domjclebs am 11. September 1902.
In Berlin am 2. Januar 1830 geboren und wissenschafÜicli
gebildet, bekleidete Dümmler lange Jahre die Professur der
Geschichte in Halle, bis er im Jahre 1888 als Waitz^ Nach'
folger in der Leitung der Zentraldirektion der Monumenta Ger
maniae historica in seine Vaterstadt zurückkehrte.
Von Rankes Schülern war Dümmler vielleicht derjenige,
der die methodischen Grundsätze seines Lehrei*s am strengsten
durchführte. Das Arbeitsfeld aber, das er sich wählte, war
das ostfränkische Reich unter den Karolingern, und schon seine
ersten Arbeiten darüber: De Arnulfo Francorum rege. Com-
mentatio historica (1852), ^Uber die südöstlichen Marken des
fränkischen Reichs unter den Karolingern 795 — 907" (Archiv
für Kunde österr. Geschichte, Bd. X, 1853), waren muster-
gültige Leistungen. In dem Buche „Piligrim von Passau und
das Erzbistum Lorch* (1854) zerstörte er für immer den Spuk,
welchen das angebliche Erzbistum Lorch in der Passauer und
Salzburger Geschichte bis dahin getrieben hatte. Dieses Werk
und »Das Formelbuch des Bischofs Salomo III. von Konstanz'
(1857) sind die Vorbilder geworden für die Behandlung ähn-
licher Aufgaben. Daran reihen sich „Beiträge zur Geschichte
Nekrolog auf Ernst Dümnäer, 253
des Erzbistums Salzburg im 9. bis 12. Jahrhundert" (Archiv
für Kunde österr. Geschichte, Bd. XXII, 1859) und ,St. Gal-
Ksche Denkmale aus der Karolingischen Zeit* (1859). Es ist
daher begreiflich, dass die damals neu begründete Historische
Kommission bei unserer Akademie Dümmler als den geeignetsten
Mann erachtete, fQr die von ihr unternommenen „Jahrbücher der
deutschen Geschichte" eine „ Geschichte des ostfränkischen Reichs
unter den Karolingern" zu schreiben. Sie hatte sich in ihm nicht
getauscht; denn die Leistung Dümmlers, zuerst in zwei Bänden
1862 erschienen, 1887 auf drei Bände erweitert, war auch nach
iem Urteile von Männern, wie Giesebrecht, „ ausserordentlich".
In den tiefen Verfall der römischen Kirche und die schmäh-
licbn Vorgänge nach dem Tode des P. Formosus führt die
atijgezeichnete Schrift „Auxilius und Vulgarius. Quellen und
Forschungen zur Geschichte des Papsttums im Anfange des
10. Jahrhunderts" mit ungedruckten Schriften beider (1866).
In die italienische Geschichte gehören auch die verdienstlichen
Schriften .Gesta Berengarii imperatoris. Beiträge zur Geschichte
Italiens im Anfange des 10. Jahrhunderts" (1871) und „Anselm
der Peripatetiker nebst Beiträgen zur Literaturgeschichte Italiens
ün 11. Jahrhundert« (1872).
Nachdem Dünunler noch für die „Jahrbücher" den von
Köpke begonnenen „Kaiser Otto der Grosse" vollendet hatte,
^dmete er seine Kraft fast ausschliesslich den Monumenta
8ermaniae historica, für die er 1881 — 84 die Poetae latini
aevi Carolin! I. 11 und 1892—1899 die Epistolae Merovingici
et Carolini aevi 1. II. III mit seiner gewohnten Sorgfalt und
Exaktheit bearbeitete. Als Vorstand der Zentraldirektion der
Monumenta Germaniae wird ihm nachgerühmt, dass er leitend
'Ji4 anregend im Verkehr mit seinen Mitarbeitern die Gesamt-
ajögabe der Quellen in fruchtbarer Weise zu fordern wusste,
Jind wenn nach seinem Tode ein Streit über die Art der Leitung
'^nd den Umfang des grossen Nationalwerks entbrannte, so
werden wir uns, soweit Dümmler dabei überhaupt in Frage
Itonmien kann, die Freude an dem vortrefflichen und gründ-
lichen Forscher nicht vergrämen lassen.
254 J. Friedrich
Am 30. Oktober 1902 verschied in Paris das Mitglied des
Institut de France Eugen Müntz.
Müntz, einem geachteten Hause im Elsass angehörig, wurde
1845 in Sulz geboren und bezog, mütterlicheraeits mit dem
berühmten Romanisten Hugo verwandt, das von diesem p-
stiftete Familienstipendium in Karlsruhe. Nachdem er in Fhs
die Rechte studiert und den Orad eines Lizentiaten erworb«i
widmete er sich, einer entschiedenen Neigung folgend, in
Kunstgeschichte, reiste in Deutschland und England und wurde
1878 Mitglied der Ecole fran^aise d'Athenes et de Rome. NacIi
dreijährigem Aufenthalt in Rom kehrte er 1876 nach Paris
zurück und wurde der Ecole nationale des Beaux Arts suge-
wiesen, an der er später Konservator und Substitut Taines
wurde und auch Vorlesungen über Kunstgeschichte hielt.
Sein dreibändiges Werk Les Arts ä la cour des Papes
(1878—1882) ergänzte und berichtigte durch genaueste archi-
valische Forschungen nicht nur die Angaben Yasaris und seiner
Nachfolger, sondern zog auch viele Urkunden ans Licht, weldu
die Wiederbelebung der Künste unter den Päpsten, die Tätig-
keit von Künstlern jeder Art und die Entstehungsgeschichte:
von Monumenten und Kunstwerken während des wichtigen
kulturgeschichtlichen Jahrhunderts von Martin V. bis Leo X.
neu beleuchten. Raphael, sa vie, son oeuvre et son temps
(1881) kann zwar nach Passavant keine grundlegende Bedeutung
mehr beanspruchen, aber das Werk nimmt gleichwohl durch
erschöpfende Kenntnis des Stoffs und das künstlerisch gebildete
Urteil des Kenners eine ehrenvolle Stellung neben neueren
Biographieon Raphaels ein. Auch in Les Pr^curseurs de la
Renaissance (1882) mit dem Katalog der im Museum, in der
Bibliothek und dem Palast der Medici enthaltenen Kunstobjektf
und Bücher des 15. Jahrhunderts zeigt sich der Verfasser sk
vorzüglichen Kenner der Renaissance. Dazu kommen zahl-
reiche andere wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der
Künste, von denen ich erwähne : Histoire g^n^rale de la tapi^
Serie, Fresques in^dites aus dem Schlosse der Päpste in Avignon
Nekrolog auf Eugen Müntz, 255
u. 5. w., La bibliotheque du Yatican au XY® siede, Les anti-
quit^ de la ville de Rome au XIV«, XV« et XVP siecles.
Müntz wird mir nicht nur als einer der tätigsten, sondern
der geschätztesten Forscher auf dem Gebiete der Geschichte
der künstlerischen Renaissance bezeichnet.
Zum Schluss hielt Professor Dr. G. F. Knapp aus Strass-
Wrg, korrespondierendes Mitglied der historischen Klasse, die
inzvnschen im Verlag der Akademie erschienene Festrede:
Justus Ton Liebig nach dem Leben gezeichnet.
n-"
Inhalt
Sitzung der pküosophiseh-phUologischen und der historiseken Klasse
vom 7. März 1903 . . IK
F. Muncker: Wielands .Pervonte* 121
K. V. Amira: Die grosse Bilderhandschrift von Wolframs Wille-
halm (mit 3 Tafeln) 213
Oeffentliche Sitzung zur Feier des lH. Stiftungstages
am 11. März 1903 241
Einsendung von Druckschriften 1'
Die Abhandlungen sind auch in Separatabzttgen hergeetellt and
erscheinen einzeln nnter den Publikationen des akademisclien Verlags
in Kommission der Franz'schen Yerlagshandlung (J. Roth).
Akademische Bachdruckerei tod F. Straab in Xünehaa.
/v&TL //^ 7. ^^ ''■■
Sitzungsberichte
der
philosophisch -philologisßhen
und der
historischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu JVtünchen.
1903. Heft IIL
Mfinehen
Verlag der E. Akademie
1903.
In Kommission des G. Franz'achen Verlags (J. Roth).
1 * ' ^
Sitzungsberichte ' 'A^ 1^^
der ^^^^'•■'^'''(A^L^
Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften.
Sitzung vom 2. Mai 1903.
Philosophisch-philologische Klasse.
Der Klassensekretär legt vor eine Abhandlung des
»rrespondierenden Mitgliedes Professor Dr. G. Goetz in Jena:
Papias und seine Quellen.
Das in zahlreichen Handschriften und vier Drucken vor-
i^ende, früher in der Regel überschätzte, aber auch heute
ttht immer richtig beurteilte elementarium doctrinae erudimen-
des Papias wird auf seine Quellen hin untersucht und der
icbweis erbracht, dass die meisten Quellen uns noch heute
weniger getrübter und nicht kontaminierter Form erhalten
Der Wert des Lexikons ist also ein rein historischer.
)ias ist eine Durchgangsstelle zahlreicher Überlieferungen,
alsdann in der bei ihm gegebenen Form auf spätere Werke
pnfluss geübt haben.
Herr Munckeb legt vor eine Abhandlung des Sekretärs an
•^K. Hof- und Staatsbibliothek Dr. E. Petzet:
Über das Heidelberger Bruchstück des ^Jüngeren
Titurel«.
Das 1835 nach einer älteren Abschrift von Sulpice Bois-
*ree in den Abhandlungen der Münchener Akademie veröffent-
Wite, damals aber schon wieder spurlos verschwundene Bruch-
IMI BHxgsb. d. p]ino8.-philoL o. d. bist Kl. 18
258 SiUung vom 2. Mai 1903.
stück, dessen — in keiner andern Handschrift wiederkehrende -
Verse eigenartige Aufschlüsse über den Dichter des ,Titurel'
gewähren, wurde vor kurzem von Professor Dr. Franz M
wieder aufgefunden und wird nun genauer als 1835 in seinem
Wortlaut mitgeteilt und vielfach neu im einzelnen erkläii
Dabei wird gegenüber der Anschauung Lachmanns, an k
auch spätere Forscher festhielten, die Vermutung Simmb
dass der Titureldichter, der unter der Maske Wolframs sprick
und der, welcher sich Albrecht nennt, nur eine Person stL
nunmehr zur Gewissheit erhoben, das Heidelberger Fragment akr
als Bruchstück einer im Spätsommer 1273 verfassten Widmung
des damals aber nur zum grössten Teil vollendeten Werkes au
Herzog Ludwig den Strengen von Bayern nachgewiesen.
Beide Abhandlungen werden in den Sitzungsberichten
erscheinen.
Herr Furtwängleb gibt einen kurzen vorläufigen Bericlit
Über die unter seiner Leitung mit den Mittel;
der Stiftung des Herrn Bassermann-Jordanic
Orchomenos ausgeführten Ausgrabungen.
Dieselben setzten sich die Aufgabe, über die Eigenart der
Kultur der Minyer, die in der Frühzeit der hellenischen Ge-
schichte eine so hervorragende Rolle spielen, Aufschlüsse zu
gewinnen. Diese Aufgabe wurde durch die Ausgrabungen iß
der befriedigendsten Weise erfüllt. Es wurde der Königspalist
derjenigen Epoche entdeckt, welcher auch das schon langt
bekannte Kuppelgrab, das sog. Schutzhaus des Minyas ang^
hörte, d. h. der sog. mykenischen Zeit, in welcher auch ic
Orchomenos die sog. mykenische, besser kretisch zu nennende
Kultur herrschte. Es fanden sich Reste der Wandmalereien
des Palastes, darunter besonders interessant ist ein Stück mit
zwei in lebhaftester springender Bewegung befindlichen niann-
liehen Figuren, welche in ihrer Haltung völlig übereinstimmen
mit einer im vorigen »Tahre in Knossos auf Kreta entdeckten
Elfenbeinfigur. Die Malereien in Orchomenos sind sehr wahr-
scheinlich von kretischen Meistern ausgeführt. Auf einer Vase
SUsung vom ^. Mai 1903, 25d
fand sich in grossen aufgemalten Buchstaben eine Inschrift
derselben noch nicht entzifferten Schriftart, die auf den kre-
tischen Funden erscheint. Die Vase ist wahrscheinlich aus
Kreia importiert. Unter der sog. mykenischen Schicht fand
sicli in Orchomenos eine überaus mächtige und tiefe Schutt-
ablagerung Yormykenischer Epochen mit merkwürdigen Bund-
bauten aus Lehmziegeln und sog. Hockergräbern und mit einer
Menge interessanter Tonvasen und Geräte. Von besonderer
historischer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Funde dieser
Tormykenischen Schichten mit denen der Niederlassungen neoU-
thlscher Epoche in Thessalien die allernächsten Beziehungen
aufweisen. Unter den Funden späterer Zeiten in Orchomenos
^Q<I die reich ausgestatteten Qräber sog. geometrischer Epoche
(9.-8. Jahrh. vor Chr.) und eine grössere Bronzeinschrift aus
Rassischer Zeit hervorzuheben.
Herr Krümbachee berichtet über das Programm des von
der Bayerischen Akademie angeregten und bei der ersten Sitzung
i^r internationalen Assoziation der Akademien in Paris 1901
uuter die gemeinsam auszuführenden Untersuchungen aufge-
nommenen Planes eines
Corpus der griechischen Urkunden des Mittel-
alters und der neueren Zeit.
Dieses Programm wird mit einem Verzeichnis des bisher
^kannten Urkundenmaterials besonders gedruckt werden und
^11 bei der für das Jahr 1904 festgesetzten zweiten Sitzung
i^r Assoziation als Basis der Verhandlungen dienen.
Herr Kbukbacher hält einen für die Sitzungsberichte
^^timmten Vortrag:
Das mittelgriechische Fischbuck
Es handelt sich um ein in einer Escurialhandschrift erhal-
^nes vulgärgriechisches Prosastück, in welchem eine von Fischen
Qöter dem Vorsitz des Königs Walfisch abgehaltene Gerichts-
verhandlung erzählt wird. Die seltsame Geschichte, deren Text
18*
260 SUiung vom 2. Mai 1903.
leider sehr verdorben ist, erscheint als eine Parodie des byzan-
tinischen Hof- und Beamtenwesens und ist eng verwandt mit
zwei anderen eine ähnliche satirische Tendenz yerraiendeo
byzantinischen Werkchen, dem Yogelbuch (Pulologos) und des
Obstbuch (Porikologos). Eine entfernte Analogie bietet ^
lateinische «Testamentum porcelli*'.
Historische Klasse.
Herr Qbauebt hält einen fUr die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Aus römischen Bibliotheken und Archiven.
Der Vortragende geht aus von einer Besprechung des
Cod. 739 der Bibliotheca Angelica in Rom und stellt fest, da.^s
in dem neuen Handschriften -Katalog von Enrico Narducci
Schriften des Engelbert von Admont, Johannes von Paris b;J
Johannes Gerson mit Unrecht dem bekannten Augustiner-&r-
miten Augustinus Triumphus von Ancona zugeschrieben isl
Er bespricht sodann die im Vatikanischen Archiv verwahrte"-
Aktenstücke zur Geschichte des von Ludwig XIV. im Jahre V""^^
am Rhein geführten Feldzuges und schliesst mit einem Hinweis
auf einen in der Vatikanischen Bibliothek vorhandenen, bis-
her ungedruckten, wichtigen kirchenpolitischen Traktat z^r
Geschichte Ludwig des Bayern.
Herr Friedrich weist in einem für die Sitzungsbericht
bestimmten Vortrag:
Die sardicensischen Aktenstücke der Sammlung
des Theodosius Diaconus
die Behauptung, Cyrillus von Alexandrien habe diese Akte»'
stücke 419 nach Carthago gesandt, als irrig zurück.
261
Sitzung vom 13. Juni 1903.
Philosophisch-philologische Klasse.
Herr FuBTwÄNaLEB macht eine für die Sitzungsberichte
bestimmte Mitteilung:
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels,
in welcher eine neue Aufstellung der bezüglichen Giebelgruppe
in Vorschlag gebracht wird.
Herr von Christ hält einen für die Sitzungsberichte
(«stimmten Vortrag:
Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte.
Ausgehend von der alten Annahme, dass uns von jenem
Liebling der alexandrinischen Dichter nur eine Auswahl der
Wliebtesten Gedichte erhalten sei, wird zu ermitteln gesucht,
^^i welche Weise diese Anthologie entstanden und allmählich
2u dem Umfang von dreissig Gedichten angewachsen sei.
^D einer Heptas von sieben Kapiteln werden auf Grund der
verschiedenen Äste der handschriftlichen Überlieferung mehrere
wichtige Fragen über die Teile der Sammlung und die fremden
Elemente derselben besprochen und gelöst.
262 Sitzung vom 13. Juni 1903.
Historische Klasse.
Der Elassensekretär legt vor eine Abhandlung des Herrn
VON Rockingeb:
Deutschenspiegel, sogenannter Schwabenspiegel.
Bertolds von Regensburg deutsche Predigten
in ihrem Verhältnisse zu einander.
Die gewöhnliche Meinung hierüber neigt dahin, dass Ber-
told den Deutschenspiegel benützt hat, dass dagegen seine
Predigten im Schwabenspiegel verwertet sind. Gegen das letztere
hatte der Verfasser in der Sitzung vom 9. Februar 18S9
Bedenken geäussert. Die nähere Untersuchung hierüber ist
nicht veröffentlicht worden, da sie nur als Vorarbeit zu je
entsprechender Verwendung da oder dort in der Einleitung zur
Ausgabe des Kaiserlichen Land- und Lehenrechts dienen sollte
Diese Zerstückelung führt aber mehrfache Nachteile mit sic^.
so dass die Erörterung nun doch als Oanzes erscheint. ^
Verhältnis zwischen dem Deutschenspiegel und den Predigwi^
hat sich bestätigt. Bezüglich des Schwabenspiegels aber stelk
sich, soweit es sich um das Recht handelt, als Ergebnis heraus
dass Bertold, wie in den früheren Predigten den Deutschen-
spiegel, so später den Schwabenspiegel benützt hat. Daraus
folgt von selbst, dass dieser, da der gefeierte Minorit an:
14. Dezember 1272 gestorben, vorher verfasst worden ist
Die Abhandlung wird in zwei Abteilungen in den Denk-
schriften gedruckt werden.
Herr Riehl hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Nationale und internationale Züge in der Ent"
Wicklung der deutschen Kunst.
Der gleiche Stil der Kulturvölker Westeuropas beweist
festen Zusammenhang ihrer künstlerischen Entwicklung, deren
nationale Eigenart dagegen selbständiges Vorgehen der einzelnen
SUgung vom 13. Juni 1903. 268
Völker und Gh-uppen. Die Untersuchung über Art und Ver-
lauf internationaler Bewegungen, sowie über die Gründe der
Sonderentwicklung der Gruppen führt zu der Erkenntnis, dass
bei den massgebenden Völkern eine selbständige Entwicklung
vorliegt, die sich jedoch mit jener der anderen Nationen in
parallelen Bahnen bewegt hauptsächlich wegen der gleichen
Kirche, desselben künstlerischen Stoffes und verwandter Tra-
ditionen. Daraus erklären sich auch die oft überraschenden
Ähnlichkeiten annähernd gleichzeitiger Werke, zwischen denen
sicher kein direkter Zusammenhang besteht, andererseits aber
gewinnt auch gerade, weil die Völker neben einander nach
Terwandten Zielen streben, das vorauseilende oft wesentlichen,
fordernden Einfluss auf die übrigen. Speziell für die deutsche
Kunstgeschichte erscheint wichtig, dass ihr selbständiger Ent-
wicidungsgang mehr betont und festgehalten wird, dass die
italienischen, französischen, niederländischen Einflüsse auf den-
st'Iben zwar fordernd und anregend wirken, aber keineswegs,
wie man so oft glaubt, die grossen Stilwandlungen begründen.
HerrRiGOAUEB hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Über den sogenannten Vierschlag auf den bai-
rischen Pfenningen des Mittelalters
und erklärt auf Grund einer genauen Untersuchung von vielen
Hunderten dieser Münzen diese technische Eigentümlichkeit
durch einen Walzvorgang, der zum Zweck hatte, den Schröt-
üug runder und für die Prägung widerstandsfähiger zu machen.
Tiiter dem Welleisen, das in einer Ordnung für die Grazer Münze
aus dem 14. Jahrhundert erwähnt wird, haben wir ein solches
^alzeisen zu verstehen. Derselbe gibt dann ein Richtstück
i h. Probiergewicht Ottos I. von Pfalz -Mosbach für seine
Münzen aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts bekannt.
264
Sitzung Yom 4. Juli 1903.
Philosophisch-philologische Klasse.
Der Klassensekretär legt vor eine Abhandlung des Herrn
Dr. K. Simon in München:
Die Notationen des Somanätha.
Mit Hülfe der in der Bombayer und Oxforder Handscbiift
des Somanätha enthaltenen Angaben wird zuerst sein Alt^^
das bisher gewaltig überschätzt wurde, endgültig festgelegt,
sodann die Notationen, die er in seinen fUr die indische Laute
komponierten Stücken zur Anwendung bringt, im Einzeineo
behandelt und versucht, die ihnen entsprechende Technik aul
der Laute zu bestimmen. Der Kommentar, den Somanätha
selbst zu seinem Text verfasst hat, wird einer genauen Be-
sprechung unterzogen und schliesslich dargelegt, dass sowohl
die Kompositionen des Somanätha nichts mit dem Gltagovinda
des Jayadeva zu tun haben, als auch überhaupt die Art der
indischen Musikpraxis den Begriff von , Original* -Melodien zu
den Gedichten des Jayadeva ausschUesst.
Die Abhandlung wird in den Sitzungsberichten erscheinen.
SiUung wm 4. Jtdt 1903, 265
Herr Fubtwanoleb macht eine für die Sitzungsberichte
bestimmte Mitteilung:
Zu den Skulpturen des Asklepios-Tempels von
Epidauros,
in welcher er eine bisher nicht beachtete zu den Giebel-
skulpturen dieses Tempels gehörende Statue eines liegenden
Jünglings nachweist und femer die Beste der Akroterienfiguren
einer Besprechung unterzieht.
Herr Lipps hält einen für die Sitzungsberichte bestimmten
Vortrag:
Psychische Vorgänge, Bewusstseinsinhalte und
Gegenstände. Psychologie und Logik.
Für die Zukunft der Psychologie wie der Logik ist ent-
scheidend die sichere Unterscheidung der Bewusstseinsinhalte
und der in ihnen gedachten, dem Bewusstsein transcendenten
Gegenstände. Die Gegenstände sind das Anerkennung Fordernde.
Das Bewusstsein der Notwendigkeit der Anerkennung ist das
ßeltungsbewusstsein. Alle Wissenschaften ausser der Logik
untersuchen, was die Gegenstände fordern. Die Logik befasst
sich mit der Tatsache des Forderns. Ihr einziges Thema ist
das Geltungsbewusstsein. Von ihr streng zu scheiden ist die
Psychologie des Denkens und Erkennens. Die Psychologie hat
eine doppelte Aufgabe. * Sie ist Phänomenologie der Bewusst-
seinserlebnisse, und sie erklärt d. h. fasst die Bewusstseins-
erlebnisse unter das Kausalgesetz. Dies Letztere schliesst
üe Betrachtung der Bewusstseinserlebnisse als Erscheinungen
^ines in ihnen gedachten psychisch Realen, insbesondere real-
psychischer Vorgänge, notwendig in sich. Der psychische
Lebenszusammenhang ist fttr die Psychologie ein Zusammen-
klang solcher realer Vorgänge, die nur da und dort in Bewusst-
seinserlebnissen erscheinen. Wie dies psychisch lieale zum
Gehirn und den Gehimprozessen sich verhalte, ist eine ausser-
266 SUßung wm 4. JuU 1903.
psychologische Frage. Sofern auch das Geltungsbewussisein |
in die Sphäre der Bewnsstseinserlebnisse gehört, ist die Logik j
ein abgegrenzter Teil der psychologischen Phänomenologie. |
Historische Klasse.
Herr Bbentano berichtet über eine von ihm unternommene
grössere Arbeit:
Über die Entwicklung des englischen Fidei-
kommissrechts im Zusammenhang mit der Ent-
Wicklung der politischen und wirtschaftlichen
Verhältnisse
und erläutert die Auflösung des Unterschieds in der fidei-
kommissarischen Vererbung von Grundbesitz und beweglichem
Gute im Zusammenhang mit dem steigenden Bedarf an Betriebs-
kapital zu intensiverer Bewirtschaftung des Bodens, mit der
foi*tschreitenden Demokratisierung der englischen Verfassung
und dem Sinken der Getreidepreise.
267
Papias und seine Quellen.
Von Oeorg Goets.
(Vorgelegt in der pbilos.-philol. Klasse am 2. Mai 1903.)
Das Lexikon des Papias hat in der Literatur eine höhere
Schätzung gefunden, als ihm seiner Bedeutung nach zukommt.
Hat doch Du Gange in seinem Glossarium zahlreiche Notizen
aus ihm entnommen, teils aus dem gedruckten Exemplar, teils
aus Handschriften, und noch der Bearbeiter der lateinischen
Lexikographie im MüUerschen Handbuche hat S. 498 eine
Charakteristik gegeben, die der wirklichen Bedeutung nicht
entspricht. Die im Nachstehenden gegebene Analyse des Werkes
hat die Aufgabe, die Forschung zu entlasten, d. h. die Ver-
pflichtung, auf Papias Bücksicht zu nehmen, auf ein Minimum
zu beschränken. Seit dem Bekanntwerden des liber glossarum
hört dieser Eompilator auf, eine Fundgrube älterer Gelehrsam-
keit zu sein, und selbst die mittelalterlichen Zutaten sind zu
unerheblich, um sein Ansehen zu retten. Im Ganzen und
Grossen wird nur d e r Veranlassung haben, Papias einzusehen,
der die Geschichte einzebier Überlieferungen verfolgt: für ihn
ist er eine Durchgangsstelle, die mitunter auf spätere Fas-
sangen Einflufls geübt hat.
L
Drucke. Gedruckt wurde dieses Lexikon zum ersten Male
im Jahre 1476 in Mailand (per Dominicum de Ves/polate Anno
domini MCCCCLXXVI die XIL/mensis decembris). Die beiden
Exemplare dieses Dinickes, die mir bekannt geworden sind,
268 Georg Goetz
weichen nur in einigen unwesentlichen Änderungen ab, die
Yor dem Abzug weiterer Exemplare Torgenommen wurden.
Aus der Mailänder Ausgabe stanmien die drei übrigen, die
vorhanden sind: 1. die Yenediger von 1485 (per Andream de
Bonetis de Papia. Anno domini MGCGGLXXXY. Die ultimo
lunii. loanne mocenico inclyto Venetiarum principe regnante);
2. die von 1491 (per Theodorum de regazionibus de asula die
XV mensis Martii); 3. die von 1496 (per Philippu de pincis
Mantuanum • Anno • domini • MCCCCXCYI • die XIX Aprilis.
Regnante Serenissimo Augustino Barbadico Venetiarum duc«
felicissimo). Auf dem ersten Blatte steht der Titel: PAPIAS
VOCABVLISTA. Dass alle diese Drucke trotz der Differenzen
im Einzelnen — von dem Mailänder Drucke wie unter ein-
ander unterscheiden sie sich nur durch abweichende Inter-
punktion, kleine Auslassungen, Zusätze und Verbesserungen
sowie durch orthographische Eigentümlichkeiten — von der
editio princeps abhängen, beweist die gemeinsame Lücke
zwischen pecuosus und placikim^ die durch den Ausfall von
acht in der princeps noch vorhandenen Blättern entstanden ist.
Damit ist zugleich die Minderwertigkeit der späteren Drucke
der princeps gegenüber dargetan. Ich werde im weiteren Ver-
laufe dem Mailänder Drucke folgen, ausser wo ich direkt die
handschriftliche Lesart zu Grunde lege.
Handschriften. Die Zahl der Papiashandschriften ist
eine sehr beträchtliche, wenn sie auch nicht so bedeutend ist,
wie es nach Loewes Angabe (Prodr. S. 235: HnnumeraMlibus
paene codidbus servatum^) der Fall zu sein scheint. Altere
Zusammenstellungen finden sich bei Montfaucon Bibl. mss.
S. 751, 754, 760; Loewe a. a. 0. S. 235 Anm. 4; Berger de
gloss. et compend. exeg. p. 12. Im nachstehenden notiere ich
die mir bekannt gewordenen Exemplare, ohne aber den An-
spruch auf absolute Vollständigkeit zu erheben. Die grössere
Anzahl gehört dem 13. und 14. Jahrhundert an; das 15. Jahr-
hundert ist nur schwach vertreten, schwächer jedenfalls als
das 12. Aus dem 12. Jahrhundert stammen folgende Hand-
schriften: 1. cod. Paris, lat. No. 9341 (suppL lat. 22, mit
Papias und seine Quellen. 269
Grammatik); 2. in Douai No. 751 (mit Grammatik); 3. in
Trojes No. 539 (Zeitangabe nach dem Katalog); 4. in Mont-
pellier No. 107 (nach dem Katalog); 5. ebenda No. 108 A — P,
nach dem Katalog); 6. in Laon No. 427 (P — Schluss, mit
Srammatik); 7. in Darmstadt No. 909 (ohne Grammatik); 8. in
Florenz cod. Ashbumh. No. 63 (mit Granunatik); 9. in Madrid
cod. bibl. Nat. Y 191 (nach Loewe-Hartel p. 447); 10. in Rom
cod. Casanat. 464 (A. I. 22, Zeitbestimmung nach Gundermann;
cf. Loewe Prodr. 235; mit Grammatik); 11. cod. Yat. Ottobon.
lat. 2231 (Zeit nach Loewe, anders Prodr. p. 235); 12. in La
Cava cod. No. 14 (Zeit nach W. Meyer); 13. in Lucca, Kapitels-
bibUothek (Zeit nach Ewald); 14. in Gand (nach Katalog p. 238,
ohne Granunatik). — Aus dem 12./ 13. Jahrhundert habe ich
notiert 15. in Montpellier No. 38; 16. in Auxerre No. 70 (mit
Grammatik). — Aus dem 13. Jahrhundert: 17. in Paris cod.
lat. No. 17162 (mit Grammatik); 18. No. 7609 (ohne Gram-
matik); 19. No. 7610 (mit Grammatik); 20. No. 7611 (mit
Grammatik); 21. No. 7612 (ohne Grammatik); 22. No. 8844 (ohne
Grammatik); 23. No. 11531 (mit Grammatik); 24. No. 10296
(A— 0 Mitte, ohne Grammatik); 25. No. 13030 (ohne Gram-
matik); 26. No. 14744 (mit Grammatik); 27. No. 17878 (ohne
Grammatik); 28. No. 17879 (N-Z,ohneGrammatik); 29. No. 7642
(A— M, ohne Grammatik); 30. No. 7645 (0— Z, ohne Gram-
matik); 31. No. 7622 A (ohne Granamatik, nicht Hugucio);
32. No. 12400 (ohne Grammatik, A— D Mitte); 33. im Arsenal
No. 1225 (mit Grammatik, Zeit nach Gundermann, Katalog:
12. Jahrhundert); 34. cod. Mazar. No. 3790 (453), Sammelhand-
schrift, unyoUständig; 35. in Montpellier No. 109; 35 a. Rouen
Xo. 1020—1021 (ohne Grammatik); 36. ebenda No. 1022 (mit
Grammatik); 37. in Douai No. 752 (mit Grammatik); 38. in
Arras No. 345 (mit Grammatik); 39. in Boulogne-sur-mer
No. 182 (mit Grammatik); 40. ebenda No. 183 (mit Grammatik);
41. in St.Omer No. 193 (mit Grammatik); 42. in Troyes No. 160;
43. in Valenciennes No. 396, 397 (in 397 ein Stück im 15. Jahr-
Hundert ergänzt); 44. — 46. in Alcoba^a (nach Haenel p. 1027);
47. in London cod. Harlei. 2355 (Epitome); 48. in Monza
270 Georg Ooeit
cod. 229 (vgl. Memorie storiche di Monza e la sua corte rac-
colte ed esaminate da A. F. Frisi t. III p. 233 sq.); 49. in Flo-
renz cod. Laur. 27, 3; 50. in Madrid Bibl. Nat. B b 126 (Loewe-
Hartel S.389); 51. ebenda K. Privatbibliothek 2D5 (Loewe-
Hartel S. 466; ohne Grammatik); 52. in Bern No. 1 (mit
Grammatik); 53. ebenda No. 2 (mit Grammatik; über beide
vgl. Hagen, Anecd. Helv. CLXXIX); 54. ebenda No. 27C
(Loewe Prodr. S. 235; Anecd. Helv. CLXXX; nach Hagen
13. — 14. Jahrhundei-t). Aus dem 13./ 14. Jahrhundert stammen
55. in Rom der cod. Chisianus LVII 244 (olim 2065; ohne
Grammatik); 56. in London cod. Harl. Addit. No. 8244 (in
mehrfach veränderter Fassung). Handschriften des 14. Jahr-
hunderts sind 57. in Paris cod. 7613 (A— I); 58. No. 7614
(ohne Grammatik); 59. No. 7615 (ohne Grammatik); 60. No. 7616
(A— P); 61. No. 7617 (A— P); 62. No. 7618 (F— Schluss; ohne
Grammatik); 63. No. 7619 (N— Z; mit Grammatik); 64. No. 7598
(ohne Grammatik); 65. in Douai No. 753 (ohne Grammatik):
66. ebenda No. 753 (^elementarium Papiae abbreviatum'):
67. in London Harl. 2610 (Fragment); 68. ebenda Harl. 48W
(ohne Grammatik); 69. ebenda Addit. No. 14806 (mutilus);
70. in Cambridge (Univ. Bibl. K k IV 1 (ohne Grammatik);
71. in Cheltenham cod. Phillipps. No. 212 (A— I); 72. in
Leiden bibl. publ. No. 17 (mit Grammatik); 73. ebenda No. 120
(abgekürzt); 74. in Neapel 5 C 31 (a. 1338, ohne Grammatik):
75. in Rom cod. Chisianus L VIH 288 (ohne Grammatik);
76. ebenda cod. Vatic. Reg. Christ. No. 1482 (Loewe Prodr.
235; Wilmanns Rh. M. XXIV S. 379, ohne Grammatik):
77. ebenda cod. Vatic. Ottobon. No. 2331 ; 78. ebenda Vatic.
Ottobon. No. 1757; 79. in Madrid bibl Nat. B b 125 (Loewe-
Hartel S. 389, ohne Grammatik); 80. in Erfurt No. 28 (Papias,
novus Comutus). Dazu kommen endlich aus dem 15. Jahr-
hundert noch hinzu: 81. in Paris No. 7620 (ohne Grammatik);
82. in Valenciennes No. 379—380 (vgl. auch oben No. 43):
83. in London cod. Harl. Addit. No. 14807 (ohne Grammatik):
84. in Rom Vatic. No. 1465 (vgl. Loewe Prodr. 235; Wil-
manns Rh. Mus. XXIV p. 379, aus einem Original von 1264);
Papiaa und seine Quellen. 271
85. ebenda No. 1466 (Loewe a. a. 0., Wilmanns a. a. 0.);
86. ebenda ürb. No. 304 (Loewe a. a. 0., Wilmanns S. 380);
87. ebenda Vat. No. 5228 (Loewe a. a. 0., Wilmanns S. 379).
Zam Schluss erwähne ich noch einige Handschriften, über die
ich nichts näheres weiss: nach Hänel p. 405 aus Reims
Xo. 714; nach Thurot Notices et extr. XXII p. 45 eine Pariser
Handschrift.
Die mir zu Gebote stehenden Notizen über diese Hand-
schriften sowie aus einigen darunter zeigen, dass die einzelnen
£iemp}are sich von andern zuweilen ganz erheblich unter-
scheiden; es finden sich Zusätze und Auslassungen, Yeibesse-
ruDgen und Verschlechterungen, kurz Änderungen mannig-
faltiger Art. Hätte das Glossar des Papias eine Bedeutung
als originale Quelle, so würde ich es für nötig gehalten haben,
die Erforschung dieser Varianten bis zu dem Punkte fortzu-
fuhren, von dem aus eine Klassifikation möglich wäre. Allein
da Papias fast ausschliesslich nur für die Geschichte der
Glossographie in Betracht kommt, würde ich es für eine Zeit-
verschwendung halten, darauf dieselbe Mühe zu verwenden
wie etwa auf den liber glossarum. Zu einer Analyse des
Werkes reichen meine Notizen sowie der durchgängig heran-
gezogene cod. Darmstad. völlig aus, um so mehr als der älteste
Druck, von einer Anzahl von Zusätzen abgesehen, eine durch-
aus befriedigende Grundlage zu bilden geeignet ist.
H.
Persönliches und Chronologisches. Dass Papias ein
Lombarde sei, ist eine alte Tradition, die über Trithemius
zurückreicht (vgl. Berger S. 11). So viel ich sehe, hindert
Qns nichts, diese Tradition festzuhalten. Wenn man zu ihrer
Bekräftigung auf einen möglichen Zusammenhang seines Namens
mit der Stadt Pavia hinweist, so liegt nichts vor, was einen
solchen Zusammenhang auch nur wahrscheinlich machte. Im
übrigen wissen wir über seine Zeit und persönlichen Verhält-
oisse nichts, als was sich aus dem Werke selber entnehmen
272 Otorg QoeU
lässt. Das wichtigste finden wir in dem Briefe, der an seine
Söhne gerichtet und dem ganzen Werke vorausgeschickt ist
Er beginnt nach der editio princeps, die ich an einigen
wenigen Stellen nach einer Pariser Handschrift (vgl. No. 33)
und dem cod. Darmstad. berichtigt habe, folgendermassen:
Fili uterque carissime,^) debui si potuissem, potui si meae
voluntati Christus suae gratiae pondus adhibuisset, earundes
quas novi litterarum disciplinas^) in praesentia vos edocuisse.
At quia aut nostri causa peccati aut melius providentis divinae
dispositionis gratia ad praesens sumus remoti, ne noi; videa*
mini filii, si non viva voce ut debui, saltem eiusdem signi-
ficatione ut potui, Interim quaedam disciplinae') elementa ad
vestra erudimenta invenire disposui: nee vobis solum filiis,
sed, si arrogantiae non detur, patribus vel fratribus quibosdam
iam satis olim a me petentibus, quibusdam autem, etsi non
petentibus, tamen cupientibus, omnibus vero quibus proficere
debeat, talentum non occultandum, sed usuris erogandum sus-
cepi. Opus quidem a multis aliis iam pridem elaboratum, a
me quoque nuper per spatium circiter decem annorum proiil
potui adauctum et accumulatum: ad confertum igitur et coagi-
tatum eiusdem exornationis et perfectionis cumulum quantum
deus donaverit adhuc superaddere pertentabo. Erit enim qui-
busdam perspatiosum ac mare magnum innumerabilibus et di-
versis plenum reptilibus naufragantibus et in tranquillitatem
tutissimi ecclesiae portus redire et quiescere volentibus firraa
stabilisque receptio et a violentissimis ventorum flatibus ?era
defensio. Qui si malivoli non fuerint, leni suavissimoque do-
cente magistro per hanc ad veram poterunt provehi sapientiam
dognmtizante*) spiritu sancto. Nolentes igitur nuUo modo
cogo, volentes vero per Christum obnixius *) omnes rogo, immo
1) Filii utique carissimi ed. princ.
*) disdplinis cod. Paris.
') Fehlt im cod. Paris.
*) So der Darmstad. u. Paris.: docevte ed. princ.
^) obnoxius cod. Paris.
Papias und seine Quellen, 273
adiurando per eundem cogo, [et]') ut, quoniam ad utramque
TiaiD, arrogantiae scilicet vanam philosophiam et Christi veram
omnibusque communem sapientiam, hoc quidem ex omnibus
quas myenimus scripturis electum atque compositum opus de-
spicere*) approbatur, aut ad idem pertractandum ne aspirent
aut in Christo id habere nitantur, posteaquam*) susceperint.
Contra id vero qui fecerit aut alteri faciendi occasionem
dederit, ipse quidem exterior homo ad praesens sit ana-
ihema, ut interior ne pereat in die iudicii. Insuper autem id
solum ab omnibus peto remunerationis, ut cum ad legendum
knc librum susceperint, nostri quoque cum caritate memine-
rint et pro me PAPIA multiplicibus .obsito peccatis ad huma-
natampro nobis deum exorent, ut perfecta omnium meorum*)
delictorum Tenia percepta divini spiritus gratia purificatus et
eiosdem ardentissimo amori inseparabiliter copulatus deum
(leorum in Syon videre et in Hierusalem perpetuo laudare uno
k corpore cum ipsis omnibusque orthodoxis coniunctis valeam.
Amen.'
Nach dieser Widmung besass Papias zwei Söhne, war
aber ?on ihnen getrennt. Er lebte unter Klerikern; das be-
weisen einmal die Worte patribus vd frcUribus quHmsdam iam
«/w ciim a me peientibus, sodann folgender Passus im Nach-
wort: qucUenus vestris oraüombus et elemosynis ceterisque
'hrUuaiibus auxUiis perpetuo adiutus onmiumque meorum per-
«pfei venia peccatorum vobiscum ad aetema valeam pervenire
9^udia\ Etwas weiteres wissen wir über seine Persönlich-
keit nicht.
Die Zeit der Entstehung des Lexikons ist bereits vor
TttW Jahrhunderten festgegestellt worden. Schon im chron.
Wbrici (Pertz Mon. Germ. Script. XXIII p. 790) heisst es zu
^^'^'3: 'Anno 1053, 13 imperaioris Henrici ßii Conradi, Papias
'^TKm suum, seilicet Elementarium doctrinae rudimentum, edidit,
^) om. codd. Parii. et Darmstad.
*) inspieere ed. Venet.: an respieere?
1 poitquam cod. Paris.
*) Fehlt im Paris.
1»». Sitzgsb. d. pbUoa.-pbUol. n. d. Usi. KL 1 9
274 Oeorg Ooett
quod pröbatur per numerutn annorum, uU agit de aädäm
scieculi in prima littera et enumerando perüngit usgue ad hnc
annum\ Die Stelle, die der Verfasser im Auge hat, findet
sich unter Aet(xs und lautet nach dem cod. Darmstad. folgender-
massen: Otto minor • XXII • Otto puer • sex • Henricus mm
' XXIII • Conradus • XVI - Henricus minor • XIII' Das 13.Jilr
der Begierung Heinrich lU. war also bereits zurückgelegt ik
diese Worte geschrieben wurden. Dass sie nicht von Pap
stammen, sondern von einem Fortsetzer, ist kaum anzunebmeii. !
Wenn wir nun mit Loewe Prodr. S. 235 berücksichtigen, das>
jene Worte gleich im Anfang des Werkes stehen sowie dass
Papias nach dem Widmyngsbriefe 10 Jahre mit der Arkit
zubrachte, so kämen wir auf das Jahr 1068. Doch hätte ja
Papias die Zahl leicht abändern können. Halten wir also zq-
nächst an der Zahl 1053 fest.
Die älteste Spur des Papias, auf die ich gestossen bii.
weist auf das Jahr 1173. In seinem commentarius de Script
eccies. II p. 621 erwähnt C. Oudin ein Gedicht, das aus d^' •
Papiaseiemplar von Aquicinctum (= Anchin) stammt, w« ^^ i
unter anderem heisst: 1
■
Instar apis mella coUecta labore decenni
Cunctis Papias ista legenda dedit.
At eibus ut noster de diuite ditior esset,
Apposuit nobis has Rainaldus opes.
Ne tali nostra dulcedine mensa careret,
Exstitit eins in hoc ofßciosa manus.
Dann weiter unten:
Scripti tempus habet, qui Jhesu copulat annis
TJndecies centum septuaginta tribus.
Daraus ergibt sich, dass der Schreiber dieses Exempltfs
Rainaldus hiess und dass er den Papias im Jahre 1173 abge-
schrieben hat. Einige Daten aus späterer Zeit gibt Wilmanns
im Rhein. Mus. XXIV S. 379. Über die Benutzung des Papias
in jüngeren Glossaren wird anderwärts zu handeln sein.
/
/
Papias und seine QueÜen. 275
Nach dem 'elementarium doctrinae erudimentum' hat'
Papias noch ein zweites Werk yerfasst, eine aus Priscian
kompilierte ärammatik, aus der Hagen Anecd. Helv. p. CLXXIX
sqq. einige Ezcerpte gegeben hat. Auch diese Grammatik
ist in zahlreichen Exemplaren überliefert; ich habe oben darauf
hingewiesen: doch lassen mich meine Notizen bei nicht wenigen
Haadschrifben im Stich. Dass das ganze Elaborat aus Priscian
zusammengestöppelt ist, beweist das Nachwort des Lexikons,
das Hagen p. GLXXX in verbesserter Form mitgeteilt hat.
Die Grammatik beginnt mit den Worten: Petistis a me, Ica-
rlssimif ex arte grammaüca vobis competentes regulas dari aut
componL Das Werk ist, wie diese Worte beweisen, ebenfalls
ien Söhnen gewidmet. Für uns hat es keinen andern als
historischen Wert.
Nach Eckstein in der AUgem. Encyklop. sollen auch
Briefe des Papias yorhanden sein. Indessen weisen die Hand*
Schriften keine Spur von Briefen auf. Ich vermute, dass diese
Annahme lediglich auf den Abschnitt 'formatae epistolae* im
Glossar zurückgeht, der, wie ich noch genauer dartun werde,
aus der Schrift des Albericus de dictamine entlehnt ist.
m.
Die hauptsächlichsten Quellen des Glossars. Wie
Papias selber hervorhebt, ist sein '(^ms a multis aüis iam pridem
^ahoratum^ a me quoque nuper per spaüum drciter decem anno-
rum prout potui adauctum et accumulatunC. Über die Quellen,
die er bei seiner Arbeit benutzt hat, macht er in der Ein-
leitung Mitteilung in den Worten, die ich nach dem cod.
l>'<innstad. mit leichten Besserungen wiedergebe : At uero quorun-
d^m etiam auctorum nomina ad eonmdem verborum aucten-
ticum primis quibusdam litteris quorum quosdam subnotabimus
praescribentur: Isidorus Is., Augustinus Aug., Hieronymus
Hieron., Ambrosius Amb., Gregorius Gre., Priscianus Pris.,
Bfietius Boet. — quicquid autem in omnibus paene libris Pris-
ciani Boetii aliorumque invenimus iisdem notatur apicibus — ,
commentum super Boetium com. Boet., Bemigius Rem., Beda
19*
276 Georg OoeU
Be., Origenes Orig., Horatius Hör., Cicero Cic, Hippocrfties
Hip. etc., de gestis Longobardoruiu, Romanonim, de lusioria
Eusebii ecclesiastica, Orosius, Galienus, Placidus, Eucberius,
Virgilius, commenta Virgilii, Horatii, lurenalis, Hartiani et
ceierorum quos supersedemus. Aimo. Plato. Fulgentius. In der
Tat tragen noch verschiedene Papiashandschriften die Quelleo-
notizen am Rande. Bei genauerem Zusehen jedoch verschwiniit
der Schein umfassender Gelehrsamkeit, mit dem unser Aaüs
sich zu umgeben gewusst hat. Weitaus der grösste Teil des
Materials sowohl als der Quellenangaben ist ein und demselben
Fimdamentalwerk entnommen, dem über glossarum, wie
bereits Hildebrand Muetzells Zeitschr. YU (1853) S. 113 fi.
gesehen hat. Vgl. Usener Rh. Mus. XXIV S. 390, Loewe
Prodr. S. 236, meine Schrift über den liber glossarum S. 24>.
woselbst ich nachgewiesen habe, dass nicht sowohl die Parisinos-
klasse dieser Encyklopaedie als vielmehr die Elasse des Vati-
canus Yon Papias zu Grunde gelegt worden ist. Nach Loewes
Ansicht hat Papias ein verkürztes Exemplar benutzt; ici
glaube indessen kaum, dass sich der Beweis dafür erbringe
lässt. Denn wenn auf die zahlreichen Fälle von Zusanuneo-
Ziehung und Kontamination hingewiesen wird, so kann recbt
gut Papias selber der Urheber sein; denn er ist nachweisbar
sehr frei mit seinen Vorlagen umgesprungen. Dass er dabei
nicht selten die Glossen, die er korrupt vorfand, erst recht
verballhornt hat, so dass er für die Kritik des liber glossarum
einfach wertlos ist, darin stimme ich mit Loewe voHständig
überein. Vgl. Usener a. a. 0. S. 391. Zur Illustrierung der
Sachlage führe ich wenigstens ein Beispiel an. In A bietet
Papias folgende Reihe:
Actolera urbs argirippa quam Diomedes et Olus
in Appulia condidit.
Actor defensor, patronus, causidicus, aduocatus.
Actualia nomina ab actu dicta, ut dux, rex, Cursor.
Actuariae naues remis et uelis actae.
Actualis scientia tres habet partes, moralem, dispen-
sativam et ciuilem.
T
Fapiaa und seine Quellen. 277
Actuarius scriptor publicus, qui facit acta.
Actum interuicinale quattuor pedes latum,
puo iumenta agi possunt.
Sämtliche Glossen hat der über glossarum fast in der
j^leichen Anordnung. Die erste gehört zu Virgil und ist von
Papias verkürzt; die zweite ist aus den' Synonyma Giceronis', die
dritte aus Isidor, ebendaher die vierte und fünfte; die sechste
bat im über glossarum das Vorzeichen ''de glossis' (Actuarius
aäa qui facit imd Actuarius scriptor publicus hat Papias zu-
sammengezogen); die letzte endlich stammt aus Placidus.
Diese sieben von dem Verfasser des liber glossanmi aus fünf
verschiedenen Quellen entlehnten Glossen kann unmöglich der
Zafall ein zweites Mal genau in derselben Weise zusammen-
geiährt haben. Da nun aber hunderte von solchen Reihen
Torliegen, ist jeder Zweifel ausgeschlossen. Man kann getrost
sagen, dass das Material zu zwei Dritteilen aus dem liber
g/r)ssarum entlehnt ist, teils wörtlich, teils in zusammenge-
zogener, verkürzter oder auch sonst veränderter Fassung. In
allen diesen Fällen ist Papias für die Glossographie wertlos,
es sei denn, dass jüngere Überlieferungen bei Hugucio, Johannes
deJanua, Brito und andern Sammlungen durch ihn aufgehellt
ond des Scheines entkleidet werden als enthielten sie altes,
wertvolles Material.
Mit der Klarstellung dieses Zusammenhanges fallt auch
laicht auf die Quellenangaben des Papias, von denen oben die
Kede war. Wer meine Analyse des liber glossarum S. 256 ff.
vergleicht, wird finden, dass der weitaus grösste Teil der bei
Papias genannten Autoren auch dort benutzt ist, so Isidor,
Augustinus, Ambrosius, Hieronymus, Gregorius, Eucherius,
Fulgentius, Origenes, Orosius, Hippocrates, Virgilius, Galenus,
i^Jacidus, Cicero (d. h. die Synonyma). In andern Fällen ist
es auch wohl nur ein einziges Zitat, dessen Quelle im Index
figuriert. Über die meisten habe ich deshalb nichts weiteres
zu bemerken.
Die zweite Hauptquelle neben dem liber glossarum
i4 das grammatische Lehrbuch desPriscian, das Papias
278 Georg Ooetz
auch in einer besonderen Schrift ausgebeutet hat. Oft wird
Priscian ausdrücklich als Quelle genannt; so z. 6. Bdlantur
passivum pro activo hellant profertur, Priscianus (vgl. 6Ii. L. II
p. 393, 16); Buxtis arbar est apicibtis i. lUteris apta: haechum
arbor, hoc btixum liffnum: buacuspro nv^og Priscianus (öR. L.II
20, 19); Campester in campo se Habens: Priscianus hie canifeslfr
vel Jiaec campestris et hoc campestre (GR. L. II 230, 22). Xicit
selten ist Priscian nicht einfach ausgeschrieben, sondern m\
fremdartigen Bestandteilen aus dem liber glossarum kontaminiert.
In allen solchen und ähnlichen Fällen ist die Oberlieferune
des Papias wertlos.
Neben der Grammatik des Priscian scheinen auch die
Scholien zu Priscian herangezogen zu sein, über die ich
an anderer Stelle das nötige gesagt habe. So findet sich
folgende Glosse: Scaena axrjvi^ theatri locus, nunc arbonm ca-
cumina vel densitas ordinata, locus qua^ lobia. Prise, pro »;
longa graeca ae ponitur s. q. s. Die Stelle geht auf GR. L. II
p. 38, 4 zurück: ponitur pro e longa, ut scaena pro axi]vi], D«
Zusatz (quasi lobia) ist aus einer erklärenden RandbemerkuBS
genommen : so haben die Leidener Glossen (Voss. 37) fol. 3 ^
folgendes: scena umbra interpretatur et in ampMteatro fidml
quae barbare louba dicitur. In qua ludi ea:crccbantur et pnm
ramis, deinde tabulis, postrcmo etiam lapidibus a^dificabafur.
Vgl. thes. gloss. S. 630. Aus gleicher Quelle stammt die
Glosse sflata genus navigii latum et a latitudine dictum: inih
Purpura stlataria dicitur, • i • marina vel nams piratica. Denn
das Leidener Glossar hat zu stlattaria (GR. L. II p. 74, 24) das
Scholion: stlatta genus navigii latum magis quam altum et a
latitudine sie appellatum, sed ea consuetudine qua stlocum pro
locum et stlitem pro litem dicd^ant. Inde dicuntur stlattarin
instrumenta navium (vgl. Festus Pauli p. 312 b), woraus sHatta . .
dicebant herstammen. Die deutschen Glossen dieser Handschrift
finden sich grösstenteils bei Steinmeyer AHD. GL. II p. 37S.
Eine dritte Quelle ist nach den Worten des Papias
Boethius und ein commentum super Boetium. Aus dem
letzteren stammt z. B. der Abschnitt über die 'carminum varie-
Papiaa und seine Quellen, 279
tates*, wie schon Peiper Vorrede S. XXIII bemerkt hat. Der
unmittelbar darauf folgende Tractat über die Metra des Horaz
stimmt im wesentlichen mit Keil OR. L. IV 468 ff. überein.
Der Urheber des Gommentum super Boetium ist nach Peiper
Serratus Lupus, der im Jahre 861 gestorben ist. So ist der
grosse Tractat über subsistentia und substantia aus der Schrift
contra Eulychen et Nestorium, um wenigstens ein Beispiel
hervorzuheben. Auch dieser Teil des Lexikons hat für uns
keine Bedeutung mehr.
Unter den Quellen, deren Papias selber in der Einleitung
gedenkt, ist auch Remigius Autissiodorensis, der im liber
glossarum nicht benutzt sein kann. Ich habe das Gommentum
in Artem Donati, das Fox herausgegeben hat, verglichen und
gefunden, dass in der Tat gar manche Notiz aus dieser Quelle
geflossen ist. So z. B. die Erklärung der Gasusnamen. Ein
vreiteres Beispiel möge zum Beweis wörtlich angeführt werden.
Persona wird bei Remigius p. 33, 10 ff. ausführlich erklärt;
an Stelle dieser Erklärung findet sich bei Papias ein offenbares
Excerpt aus Remigius mit folgendem Wortlaut: Persona did-
tur qtaa per se sonat, id est per se sonando se ipsum denum-
sirat: ^uae graece prosopon ngöacDnov cUcUur • Ituäa d^niüonem
soni dkta est a concavUaie larvarum, quibus comoedi utdnintur:
ex qua prolixiar prolixiari redd^KUur sonus. Secundum vero
sttb^ntiam persona est individua rei repraesentatio. Bei Papias
folgt darauf noch: Persona est naturae rationaiis idividua sub-
stantia. Die Worte stammen aus Boeth. contra Eut. et Nest. UI
(p. 193, 4 Peiper). Wenn P bei Fox, d. h. die Ausgabe des
Kollegiums in Feldkirch, dieselben Worte hat, so ist sie offen-
W aus Papias interpoliert. Die Rezension, die Fox mit x
bezeichnet, scheint basonders enge Beziehungen zu Papias zu
Weten.
Auch Fulgentius ist von Papias herangezogen worden.
Auf Beispiele einzugehen kann ich mir erlassen, da die Be-
ziehungen zwischen Papias und Fulgentius durch Wessner
Comment. Jen- VI 2 S. 107 ff. unter den einzelnen Artikeln
gewissenhaft und gründlich erörtert worden sind.
280 Georg Qoetn
Aus Beda sind eine Anzahl Differenzien geflossen, während
andere aus Isidor genommen sind.
Über die wie es scheint nicht gerade zahlreichen Ent-
lehnungen aus Martianus Gapella habe ich nichts zu be-
merken.
Eine weitere Hauptquelle, die Papias in der praefaiio
nicht genannt hat, muss ein liber derivationum sein, uf
den bereits Loewe S. 237 hingewiesen hat. Dem Beispiel, ^
Loewe abgedruckt hat, füge ich noch ein zweites hinzu:
Facere est neutrum, sed tamen vim habet actiTam, ut
facio te et calefacio te. Sed in compositis cum paene omnibus
praepositionibus est activum, ut officio, or, perficio, or, con-
ficio, or, reficio, or, afficio, or, efficio, or, praeter praeficio,
deficio, sufficio. Nam calefacio, tepefacio et similia calefio et
tepefio loco passivorum habent. Sic quoque 'defio'. Componi-
tur etiam inde gratificor, aris, ludificor, aris. Excamifico vero
et yilifico et amplifico activa sunt, quae omnia coniugaüonein
mutant. Facio facis, unde facesso desiderativurn et factito fre
quentatiTum. Facesso, is, factum, factura; factor autem cois-
ponitur omnifactor, superficies, facinus, orosus, facilis, facilitas;
facultas componitur difficultas; difiicilis, factio, factiosus. Com-
ponitur conficio, of. inter. de. ef. per. prae. inficio. sufScio,
reficio, mansuefacio, consue. pingue. calef. made. tepe. are.
dissuefacio, floccifacio, commonefacio. perfectus. perfectio, offi-
cium. Componitur officiperdi. affectus. affectio ctum. profi-
ciscor. inficior. refectorium. pacificus co cas. aedifico cas. bene-
fico cas. aedifico cas aedificium. fructifico. gratifico aris. factum
et fictum et similia e coniungunt sequenti syllabae.
Man sieht aus diesem Beispiel, dass die Derivationen des
Papias sich noch in leidlich vernünftigen Grenzen halten,
wenn man sie beispielsweise mit Osbern und Hugucio ver-
gleicht. Sie haben zum Teil ihre Wurzel in dem grammati-
schen Lehrbuch des Priscian, sind aber im Laufe der Jahr-
hunderte immer weiter ausgesponnen worden. Offenbar war
diese Seite der Grammatik samt all ihren Wunderlichkeiten
im Mittelalter sehr beliebt. Es finden sich heute noch in den
Papi<u und seine Quellen, 281
yerschiedensten Bibliotheken Derivationssammlungen, die oft
unter sich eng verwandt sind. Ein Beispiel besserer Art bietet
dasMOnchener Qlossar, das durch drei eng verwandte Codices
repräsentiert wird: Clm 17151, 17153, 17194 (ähnlich ist der
Laurent. XVI 5 saec. XII), worüber sich einige Mitteilungen
finden in Aretins Beitr. 7, 288 ff. von B. J. Docen. Genauer
erforscht ist diese Literatur noch nicht. Ich werde bei Be-
sprechung von Osbern und Hugucio darauf zurückkommen.
IV.
Gelegentliche Quellen. Ausser den Hauptquellen, die
ich im vorausgehenden Abschnitte behandelt habe, sind bei
Papias allerlei Traktate herangezogen, deren Verfasser ihm
zum teil ebensowenig bekannt waren wie sie es heute sind.
Za diesen anonymen Traktaten gehört z. B. der über Ab-
kürzungen, der sich zu dem Artikel Notatio an den aus
Isidor entlehnten Abschnitt über kritische Zeichen anschliesst
(Isid. I 19 — 25, doch ist die Reihenfolge mehrfach verändert).
Diese Notae sind bei Lindenbrog (S. 152—175) und Put-
schius (S. 1639 — 1666) herausgegeben, genauer und im Zu-
sammenhang mit dem übrigen Material von Mommsen bei
Keil GR. L. IV S. 315 ff. (in Verbindung mit den eng ver-
wandten Notae Einsidlenses). Eine weitere Handschrifk dieser
Notae ist der cod. Paris. 4481 (Colb. 3603. Reg. 5960. 5) aus
dem X. Jahrhundert (auf S. 27 " , 31 " ). Der Verlust am Schlüsse
(es fehlt das Ende von Quatemio lAT) muss schon sehr früh
erfolgt sein (saec. XI — XII?), da die jetzige Lage und deren
Bezeichnungen in Ordnung sind. Mit dem jetzigen fol. 32
liat wohl ursprünglich eine selbständige Handschrift begonnen ;
denn 32^ ist leer gelassen als Deckel. Erst eine manus
saec. XI/XII schrieb darauf A auris B brachium .... V uenter.
Mit fol. 32^ folgen Gedichte. Ich gebe im nachstehenden
einige Varianten, die einen besonderen Wert beanspruchen
können: 317, 7: CS, credimus; 318, 2: dare responsum; 318, 17 :
^ohue male; 318,18: opera; 318,35: postestcUem; 318,47:
282 Georg CheU
BGM.; 319,26: exigitur; 319,3: faü munus infievU; 319,9:
esse dicetar; 319,21: recundis (h. e. rcffundis); 321, 13 sq.: in
dominio in possesmne; 322, 20: KD cajnte damnatus. KD ea-
pite diminutus; 322,32: alius maximus uel numtius; 322,4:
romatü; 323,39: locus imperialis. LIÄDF. locus itUer adfines;
323,2: ud miites; 324,38: mihi dan oportet; 324,44: nüi-
tum ager; 324, 47: morte punii; 324, 53: mons; 325, 24: osik
fenestra; 326, 78: pupiüus pupiUe.
Von andern Traktaten beansprucht der über die Formatae
epistolae ein besonderes Interesse, wie bereits von Loewe
Prodr. S. 287 Anm. 2 bemerkt worden ist. Ich gebe den
ersten Teil nach dem cod. Darmstad. (mit Auflösung der Ab-
kürzungen und Übergehen yon Kleinigkeiten) hier wieder:
Formate epistola GGGXVIII patribus inniceno consilio in-
stitute feruntur. ne uidelicet quicumque clericorum in trans-
ferendo se qualescumque litteras confingeret aproprio episcopo
comeandi licentia (!) accepisse.- Oportebit igitur in epistolis que
formate habebuntur litteras has et earum subputationem ex-
primi. Primas litteras grecas patris et filii et spritus sancti.
que uidelicet sunt r. j. a. Pater enim grece patros filius yos
Spiritus sanctus agios pneumatos dicunt. quarum subputatio
est CCGGLXXXI. addenda erit preterea Prima littera nominis
petri apostoli cum subputatione sua sicut aliorum que sequun-
tur hec est T. que littera significat LXXX. Nominis quoque
episcopi qui relegat epistolam prima ponenda erit. clerici cui
licentia data secunda episcopi ad quem dirigitur tercia ciui-
tatis de qua raittitur. quarta et earum subputatio erit addenda
subputatio indictionis eiusdem anni. horum igitur elementorum
subputatio erit describenda u. s. w.
Der Abschnitt, der in den Drucken auf die Lücke folgt
fehlt im cod. Darmstad., nach Berger a. a. 0. S. 12 überhaupt
in den älteren Handschriften; er findet sich aber in jüngeren
Handschriften, so z. B. im cod. Paris. 7598 (oben Nr. 64), im
Madr. Bb 125 (oben Nr. 79), im cod. Gavensis (oben Nr. 12,
nach Meyer allerdings saec. XII). Der ganze Abschnitt über
formatae epistolae findet sich bei Albericus de dictamine (vgl.
Papias und seine Quellen, 283
fiber ihn Bresslaa, Handbuch der ürkundenlehre I S. 625),
wo freilich der Text in Einzelheiten abweicht. Aus andern
Handschriften wird der Text mitgeteilt bei Rockinger, Quellen
und Erört. IX S. 29 ff. Die Fassung des cod. Gay. scheint mit
der des cod. Darmstad. enger übereinzustimmen. Die yoU-
ständige Fassung scheint erst später in das Lexikon hinein*
gebracht worden zu sein.
Auch sonst finden sich einige grössere Traktate heran-
gezogen, Yon denen ich nur wenige erwähnen will. In I
findet sich ein Abschnitt über die Provinzen Italiens aus der
historia Langobardorum des Paulus Diaconus (11 cap. 14 sqq.):
die gesta Langobardorum werden neben den gesta Bomanorum
ausdrücklich als Quelle bezeichnet. Die regulae Tichonii
unter R sind in verkürzter Fassung gegeben. So wird sich in
den allermeisten Fällen die Herkunft der grösseren Stücke er-
mitteln lassen: ich halte es aber für zwecklos, hier weiter
darauf einzugehen.
Einzelglossen. Die Mehrzahl der wirklichen Glossen
iät4#m liber glossarum entlehnt. Doch sind zweifellos auch
andeni^uellen herangezogen, weshalb im thesaurus glossarum
allerleiExcerpte aus Papias Aufnahme gefunden haben. Glossen,
die ein rein mittelalterlictfs Ansehen haben, sind dabei in
der Regel absichtlich übergangen worden. Gar manche Glosse,
die Papias allein oder doch als ältester Gewährsmann überliefert,
erweist sieb durch die Vergleichung mit der Quelle als purer
Schwindel; andere sind mehr oder minder willkürlich verändert
oder kontaminiert; statt der casus obliqui steht nicht selten
der Nominativ, statt irgend einer Verbalform die der ersten
Person Praesentis. Ein paar Beispiele mögen als Beweis dienen.
Der liber glossarum hat : Stefadium ab stibus (= mlßog) dictum
quasi süpadiuin (= stibadium): sie enim prius scriptum {ceptum
codd.) erat Dafür hat Papias zwei Glossen: l. Stephadium
dktum quasi Stipendium: sie enim prius caeptum est; 2. Stipha-
dium, a stipitibus qtuisi stipiadium prandium. Der liber glossa-
284 Georg GoeU
rum hat ferner: Lydae sortes AppoUinis respansa; Papias:
Liciatores Apoilinis rcsponsa. Der über glossarum hat: iSuper
sua de saa; daraus macht Papias supersuadere dissuadere. Der-
gleichen hat dann Du Gange getreulich übernommen. Unter
solchen Umständen wird es im allgemeinen geraten sein, den
Sonderglossen des Papias gegenüber, deren Quellen nicht mehr
auffindbar sind, recht vorsichtig zu sein. Nichtsdestoweniger
wird manche Überlieferung zu beachten sein, wie ich im the-
saurus glossarum öfter auf Papias Bezug genommen habe.
Ich gebe hier einige Nachträge, die sich mir bei Gelegenheit
der abermaligen Durcharbeitung darboten, darunter auch
einige, die bloss der Kuriosität wegen erwähnt werden. Sie
finden sich sämtlich im cod. Darmstadiensis.
ÄÜimeter quo meüuniur altUudineSf quoddam instrunwntum.
Äntelucare ante lucem mrgere.
Carptare saticiare, ferire (wahrscheinlich aus corparare ver-
dorben).
Canßnitis urhanus (auch Mai VU 556).
Cavistercus vacttum et inane vd ülud intestinum quod sterais
capU (die Quelle ist Vulg. 4 lieg. 6. 25 : danec quarta jKirs
cabi stercaris colunibarum venundaretur quinque argenteis:
daraus Cabi stercus, was zusammengenommen und ent-
weder mit cavus oder mit cajm in Verbindung gebracht
wurde).
Dextraridae armilla^.
Dividiosum molestum.
Docticanus qui docte canit.
Exefnplare assunilare.
Freda id est bannum.
Landula alauda genus avis.
lAnitepia lineus pannus tegcns pedes, hoc ünitepium (so der cod.
Darmstad.). Hierin steckt wohl ümpedium, was Johannes
de Janua hat.
Marca dicitur pondus argenä minus libra.
Jßscitare frcquenter miscere.
Papias und seine Quellen, 285
Mutaioriae vesks mutanda, ut camisiae hrctcae (so nach dem
cod. Dannstad.).
ifisare impUcare (nexare?).
Naupreda genus fisds (= lampraedaP). Cf. Anthimus 47.
Obuncare obiurgare,
Petaso bafOf petasunculus.
Fiüssare polare (sputare? Vgl. jedoch De- Vit).
Papare (und Pupare) crescere,
Eegister über qm rerum gestarum memoriam continet, unde et
dicUur quasi rei gestae statutio.
Scdenhdus iam sine dentibus (cf. edentuhis),
Sopa siipa.
Squüla genus piscis ddicaü. haec mdgo Iota dicitur.
Tendmcari tenabras facere vd pati.
Thescua loca in quibus pecora castrantur, unde et castratores
thescuatores dicuntur.
Tostatum siccatum.
Tostant siccant
Triscurrium multiplex scurrüitas.
Truncarius devorator,
Veditis Pluto vd Orchus, id est malus divus.
Unter den Einzelstellen, die Interesse erregen können,
ist noch die Glosse über Lateranum hervorzuheben, in der
eines der ältesten Zeugnisse über die beispielsweise in der
Kaiserchronik 4151 (Monum. Germ. Deutsche Chroniken I
S. 157) behandelte übel berüchtigte Mutterschaft des Nero
vorliegt (fast ebenso wie der Druck hat der cod. Darmstad.):
Lateranum palatium fuit Neronis, quod dictum est vd a latere
septenlrioncUis plagae qua situm est vd a lata rana quam Nero
dicUur peperisse, cum tradidit se viro, in quo pcUlatio nunc
magna est ecclesia Bomae. Vgl. H. F. Massmann, Eaiser-
chronik DI 689 — 691; A. Graf, Roma nella memoria e nelle
imaginazioni del Medio Evo, Turin 1882 I 338, auf den mich
£. Y. Dobschütz hingewiesen hat.
Dass freilich auch manche Interpolation ihren Weg in
die Papiasausgabe gefunden hat, darf nicht übersehen werden.
286 Oeorg Ooetz, Papias und seine Quellen.
Sa bietet die editio priuceps unter Bidena ein längeres Exc^rpt
aus Qellius ('de bidente apud Au. Gel. IIb. XV ca. VI'); diese
Worte fehlen aber in der handschriftlichen Überlieferung.
Dass bei dem Artikel Decrevit das nämliche der Fall ist,
hat Sabbadini Stud. Ital. V S. 300 hervorgehoben. Hinzu-
fügen ist der Passus unter Charites mit der Hesiodstelle, wo-
rüber Loewe Prodr. S. 238 gehandelt hat. Sollte deshalb ein-
mal eine Stelle für irgend eine Untersuchung besonderen Wert
haben, so würde es sich empfehlen, eines der zahlreichen
älteren Exemplare einzusehen. Doch dürfte die Zahl der
Fälle, bei denen sich eine solche Notwendigkeit ergibt, eine
sehr beschränkte sein. Im allgemeinen wird man mit dem
Text der Incunabel ausreichen.
Petzet, Titurel-Bmckstück.
\;r^*
1^1
IN
'PI
II i
1903. Slligib. d. philoi.-philo
Petzet, Tilarel-BmchstBck.
it-
Hm
Illlfllli
$$ ii !i
* S-g-g'? feg l^lü" SsiC'
llpili 'llls, , sil>-
287
Ober das
Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TitureL
Von Ericil Petzet«
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt von F. Muncker in der philos.-philol. Klasse am 2. Mai 1903.)
I.
Seitdem der Glaube ins Wanken gekommen war, dass
Wolfram von Eschenbach der Dichter des ganzen Jahrhunderte
lang unter seinem Namen gepriesenen Titurel sei, stand die
Bedeutung des Heidelberger Fragmentes fest, das über den
wirklichen Verfasser einige Aufklärung zu geben versprach.
Ein seltsames Schicksal aber hat es gefügt, dass dieses Bruch-
stück gerade in dem Augenblicke spurlos verschwand, als die
Wissenschaft daraus Belehrung zu schöpfen suchte: die erste
literarische Erwähnung davon, die wir finden, ist die Fest-
steUung seines Verlustes in Lachmanns Wolfram -Ausgabe
(1833 S. XXXI): ,|Ich habe gehört, auf einem Vorsetzblatte
des Heidelbergischen Titurel n. 141 habe ehemals eine Notiz
über Albrecht von Scharfenberg gestanden: aber als ich im
Herbst 1819 die Handschrift; abschrieb, war nichts der Art
darin/ Um so wichtiger war die Mitteilung, die Sulpiz
Boisseree noch in demselben Jahre in der Münchener Aka-
demie der Wissenschaften machte, dass er im Jahre 1817 von
dem nun verschollenen Stück eine Abschrift genommen habe,
die dann im Jahre 1835^) als Beilage zu seiner Arbeit „Über
^) Im L Bande der Abhandlungen der philos.-philol. Klasse der
K. B. Akademie, S. 384—392.
288 Erich PeUet
die Beschreibung des Tempels des heiligen Grales in dem
Heldengedichte Titurel Kap. III' abgedruckt wurde. Mass-
mann machte noch vor dem Drucke in Mones «Anzeiger für
Kunde des deutschen Mittelalters'' (1834, Sp. 43 f.) auf den
hohen Wert des Fragmentes aufmerksam; San Marte wieder-
holte den Abdruck der Strophen in seinem , Leben und Dichten
Wolframs* (1841; Bd. H, S. 277— 290) mit Einfahrung von
Interpunktion und Hinzufttgung von Untersuchungen, die im
wesentlichen die Resultate Boisser^es bestätigten. In dieser
Gestalt ist dann der Text bis heute in Giltigkeit geblieben.
Nicht aber die Interpretation. Karl Simrock hat in den
Erläuterungen zu seiner Übersetzung von Parzival und Titurel*)
bei der Verwertung des Fragmentes eine ganz andere Erklärung
gegeben, der sich Wilhelm Wackemagel in seiner Literatur-
geschichte^) vollständig anschloss, und seine Darlegungen
bilden die Grundlage für alle späteren, die des umstrittenen
Bruchstücks Erwähnung tun, wenn sie auch nur zum Teil als
gesichert, zum andern Teile aber als mehr oder minder an-
sprechende Hypothese Annahme gefunden haben. Neue Bei-
träge zur richtigen Würdigung der schwierigen Strophen finden
wir nicht mehr, so oft auch das Heidelberger Fragment bei
Besprechung des jüngeren Titurel herangezogen wurde, weder
bei Hyazinth Holland,') noch bei Franz Pfeiffer,*) Goe-
deke,*) Gervinus,*) Koberstein'') oder Karl Bartsch.') Auch
Reinhold Spiller und Conrad Borchling sind in ihren ergebnis-
reichen Dissertationen (1883 und 1897) in eine neue Kritik
1) 1842 ; 2. Aufl. 1849 I, 499-504.
«) 1848—1865, S. 196.
3) Geschichte der Dichtkunst in Bayern. 1862; S. 231, 238 f.
*) Germania VI, 246 f. Anm.
ö) Deutsche Dichtung im M. A. 1854, S. 760.
«) Geschichte der deutschen Dichtung. 5. Aufl. 1871. Bd. IT, S. 160.
^) Grundriss der Geschichte der deutschen Nationalliteratur. 4. Aufl.
1847. Bd. I, S. 213 Anm.
®) In der 6. Aufl. von Kobersteins Grundriss 1884. Bd. I, 184,
Anm. 97; vergl. auch Die altdeutschen Hss. der Univ.-Bibl. in Heidel-
berg. 1887. S. 35.
über cUu Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 289
des Bruchstückes nicht eingetreten, obwohl sie beide den Text
benutzen. Nur Friedrich Zamcke hat bei seinem Versuche,
eine klare Übersicht und Gruppierung in die Fülle der Titurel-
handschriften zu bringen, die ersten Zweifel an der Zuver-
lässigkeit Boisser^es geäussert.^) Indem er die eigenartige
Stellung der Heidelberger Handschrift 141, die er als H be-
zeichnet, charakterisiert, spricht er auch von „jenen berühmten,
jetzt verschwundenen Blättern, die allein eine sichere Auskunft
über die Entstehungszeit des Gedichtes gewähren, und die nach
Boisser^e von derselben Hand geschrieben waren, der unsere
Handschrift verdankt wird/ „Es ist sehr zu bedauern,* be-
merkt er dazu in der Anmerkung, «dass sich Boisser^e nicht
genauer über diese Blätter ausgesprochen hat. Denn in man-
cher Beziehung müssen sie von dem Aussehen der Handschrift
sehr abgewichen sein. Sie waren zweispaltig geschrieben,
während die Handschrift H einspaltig ist; auch muss die Schrift
m\ kleiner oder das Format viel grösser gewesen sein als bei
H, denn in H pflegen 8^/4 bis 8^/4 Strophen auf die Seite zu
gehen, die aufgeklebten Blätter aber enthielten resp. 11 und
12 Strophen auf der Seite." So war ein Gedächtnisfehler
Boisser^s bezüglich der äusseren Beschaffenheit der vielge-
nannten Blätter sehr wahrscheinlich gemacht. Da lag aber
auch der Gedanke nahe, dass der Text, den er geboten, aus
dem Original manche Berichtigung erfahren könnte.
Beide Vermutungen erhalten unerwartet ihre Bestätigung
durch einen glücklichen Fund meines Freundes Prof. Dr.
Franz BoU, der in einem mittelhochdeutschen Fragmente, um
dessen Bestimmung er von Herrn von Rozycki in Pasing bei
München gebeten wurde, das verschollene Bruchstück er-
kannte. Prof. BoU veranlasste den Besitzer, das wertvolle
Stück seinem ursprünglichen Eigentümer, der grossherzogl.
Universitätsbibliothek Heidelberg, anzubieten, die es dann auch
erwarb und dem Wunsche des Finders entsprechend in ent-
M Der Graltempel. Leipzig 1876. S. 378 fif. in den Abhandlungen
<ier phUo8.-philol. Erlasse der K. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften.
IMl BHigib. d. pbil<M.-pbUol. a. d. bist. KI. 20
290 Erich Petzet
gegenkommender Weise mir zur näheren Untersuchung zur
Verfügung stellte. So verdanke ich ihm und der Direktion
der Universitätsbibliothek Heidelberg die Möglichkeit, im fol-
genden von dem wichtigen Blatte in München, wo es zuerst
gedruckt und nun nach 85 Jahren des Yerschollenseins wieder
entdeckt worden ist, nähere Kunde zu geben.^)
Es ist nur ein Blatt, nicht zwei, wie Boisseree berichtet;
so erfahrt sein Text auch keine Vermehrung durch Ent-
zifferung der nach seiner Angabe aufgeklebten Rückseiten,
sondern nur durch wenige Worte, die sich, wiewohl halb durch-
schnitten, noch lesen Hessen. Das Blatt ist nicht «oben und
unten durch Beschneiden verstümmelt,* hat vielmehr oben und
an beiden Seiten seinen stattlichen Rand, während der untere
Teil — da Folio-Format als wahrscheinlich anzunehmen ist,
wohl die grössere Hälfte — glatt abgeschnitten ist. In der
Mitte, des breiten Randes wegen etwas in die rechte Spalte
der Vorderseite eingerückt, geht von oben nach unten ein
7 — 8 mm breiter Bruch durch das Blatt, der deutlich seine
Verwendung als angehefteter Umschlag, aber nicht als fest-
geklebtes Vor- und Nachsetzblatt verrät. Hält man die Heidel-
berger Handschrift 141 daneben, so ergibt sich sofort, dass
beide Stücke sicher nie etwas mit einander zu tun gehabt
haben. Die Papier - Handschrift 141 hat ein Format von
29,5:19,3 cm und eine einspaltige Schrift aus der Mitte des
14. Jahrhunderts; das Pergamentfragment misst 34:21 (bis
21,3) cm und zeigt zweispaltig eine schöne Minuskel Tom
Ende des 13., spätestens Anfang des 14. Jahrhunderts. Voii
derselben Hand bei beiden kann nicht die Rede sein. Dieser
Irrtum Boisserdes erklärt sich nur daraus, dass er offenbar den
Cod. Palat. 141 mit der zweiten Heidelberger Titurelhandschnft,
dem Cod. Palat. 883 in der Erinnerung verwechselte. Dieser
M Des weiteren habe ich vor allem Herrn Dr. Friedrich Wilhelm
in München für seine scharfsinnigen Bemerkungen zum Texte, sowie der
K. Landesbibliothek in Düsseldorf, der K. K. Hofbibliothek und Herrn
Dr. A. L. Jellinek in Wien für gefällige Auskünfte meinen besten
Dank auszusprechen.
Ober das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 291
letztere besitzt tatsächlich in der Schrift Ähnlichkeit mit dem
Bruchstück; doch auch hier stellt ein genauerer Vergleich die
Verschiedenheit ausser allen Zweifel. Die Schrift des Frag-
mentes ist älter, kleiner und hat breitere Spalten; die des
schonen Pergamentfolianten, dessen schlechten Text K. A. Hahn
leider so kritiklos abgedruckt hat,^) braucht für eine Strophe
meist 7 Zeilen, das Fragment nur 6 oder 5. Die Initialen der
Strophen sind in dem Fragmente gleichmässig rot, in dem Codex
regelmässig abwechselnd rot und blau. Die Linierung, die in
dem Codex mit Sorgfalt durchgeführt ist, fehlt in dem Frag-
mente gänzlich. Charakteristisch ist bei dem Fragment auch, dass
die Versenden durch verschiedene Zeichen und nicht blos den
gewohnlichen Punkt kenntlich gemacht sind und zwar regel-
mässig 1 und 3 durch ! , V. 2 und 4 durch •, 5 und 7 durch :,
während die sechste, reimlose Zeile ohne Kennzeichen bleibt.
Ich habe diese Eigentümlichkeit, durch welche die yon Franz
Pfeiffer^) vorgeschlagene sechszeilige Schreibung der Titurel-
Strophe eine Stütze erhält, in keiner anderen Handschrift ge-
funden. Im Format passt das Fragment in den Cod. Palat. 383,
der 45:30 cna misst, so wenig wie in 141. Eine etwa aus
dem 16/17. Jahrhundert herrührende Inschrift am Rande der
Vorderseite bietet über die Herkunft des Blattes ebenfalls keine
Auskunft. So muss es dahingestellt bleiben, aus welchem Codex
das Fragment wirklich stammt, und nur das Eine können wir
TOD Boisser^es Angaben als sicher annehmen, dass es Heidel-
berg gewesen sein muss, wo er die Abschrift gemacht hat.
Da es aber von jeher dem Heidelberger Cod. Palat. 141
eine besondere Bedeutung verliehen hat, dass ihm jene be-
rühmten Bruchstücke als zugehörig zugeschrieben wurden, so
war nun die Frage naheliegend, ob keine andere Titurel-
Handschrift mit dem wieder gefundenen Fragmente zusammen
gehöre und somit für die Textkritik des ganzen Epos diese
besondere Wichtigkeit beanspruchen könne. Zarncke gibt
1) 1842 als Bd. 24 der Bibliothek der gea, dt. Nat.-Lit. Quedlinburg
und Leipzig.
^ Der Dichter des Nibelungenliedes. Wien 1862. S. 16.
20*
292 Erich Petzet
a. a. 0. S. 379^383 ein übersichtliches Verzeichnis der
dahin (1876) bekannt gewordenen 35 Handschriften und der
ihnen gewidmeten Besprechungen; Piper konnte dem*) noch
weitere 5 hinzufügen. Keine von ihnen allen aber stimmt mit
dem Heidelberger Fragmente zusammen, wie mich bei 8 der
Augenschein, bei den übrigen die vorliegenden genauen Be-
schreibungen oder direkte Auskunft der befragten Bibliotheken
überzeugten. Es liegt uns also in dem Fragmente der einzige
bekannte Rest einer verlorenen Handschrift vor, die ihrem
Alter nach dem Originale des Dichters sehr nahe gestanden
und einen ganzen Abschnitt sonst nirgends überlieferter Verse
enthalten haben muss.
Ein Vergleich des Textes mit dem Abdruck von Boisscree
zeigt, dass auch hierin die Unmöglichkeit, die erste Abschrift
nochmals genau zu revidieren, eine Reihe von Irrtümern ver-
ursacht hat, die für die Erklärung des Inhalts schwer ins
Gewicht fallen. Hat doch z. B. Boisser^e, ganz abgesehen
von anderen Lesefehlem, die Zeichen an den Versenden ab
Interpunktion aufgefasst! Ich gebe daher im folgenden den
Text mit allen Eigentümlichkeiten des Originals, nur mit Auf-
lösung der Abkürzungen und Einführung der mir richtig
scheinenden Interpunktion. Die beigegebenen Facsimiles beider
Seiten des Fragments im Masstabe von 1 : 2, für deren Bewilli-
gung ich der K. Akademie noch besonderen Dank auszusprechen
habe, ermöglichen im übrigen jede weitere erwünschte Nach-
vergleichung.
1. Spalte der Vorderseite.
1.
. . . . enborte
Titurel dem wisen,
di tschionatvlander angehorte
vnd sigvne. owe daz er niht lebende
was, vntz er werdeclichen
wer der aventivre ein ende gebende!
») Höfische Epik II, 460 in Kürschners dt, Nat.-Lit. 1893 und im
Nachtrag dazu 1898.
Ober das Heidelberger Bruehetück des Jüngeren Titurel, 293
2. Yenezzer vil riebe
ein tempel hant erbowen.
Yon den, di meisterlicbe
gestein kmden graben vnd erbowen,
der nam den ende vil vnd mvsten sterben:
ir wercb daz edel tivre
liezzen si dar ymb nibt verterbn.
3. Ander si da namen
ze meister disem tempel,
di mvsten eben ramen,
ir wage mez gabn si ezempel
?f elliv ort vnd worbten sam di erren.
ist witze, swer daz ninner
lobt, swenne er hat gebrechen an dem merren.
4. Sol des div werlt engelten
vnd kvnst sin verdorben,
daz der von plivelden
her Wolfram nv lang lit erstorben?
ich wen des wol, daz mvter ie getruge
den lip vf tevscher erde,
der mit getiht an Worten wer so chlvge.
5. Und wer aber iemen lebende
so chlvg an richer witze,
dem wer doch niemen gebende
daz zehende lop. sin was solher spitze,
daz er div wort ergrup so wnder wehe,
daz ez noch gebe stivre,
swer sinniclicb vf sin forme sehe.
6. Durch daz bin ich im iehende
von erste hin der mere,
si sin von im geschehende,
wan ez mir immer fromde vnd tivre were
danne siner zvngen witze ....
div wazzer baz ....
294 Erich Petut
2. Spalte der Vorderseite.
. . m . . durch mich lazze
der auentivre niht w[e]rdicheit al gebende
vnd wü di sliht an allen orten chrvmben,
so ker ich ze den wisen;
waz solt al solhiv rede bi den tvmben?
8. Mille artifez
get in al solhes chrigen,
der yipper nater lex,
di sus mit yppicheit sich selben trigen,
daz si durc valsch di blenche wellent trüben
vnd mit ir tarant varbe
ie daz chrvmbe gen dem siebten vben.
9. Swer chvppher gar ze golde
mit kvnste machen chvnde,
den beten si vil holde,
swaz halt er ynselden dran erfvnde,
ir golt si chvppher chesselbere.
getihte niemen brvfen
solt wan der getihtes meister were.
10. Dvrchlevhtich guter merche
ist melden wol erlovbt
mit witzzericher sterche.
di aber solher chvnst sin berovbet,
wi man diy wort zerfuret vnd samiliert,
blumet vnd roselt,
di lazzen meister vngeparatiert.
11. Bleich rosen vnd ir trehen
ist edel vnd wunnebere.
swer di wolt versmehen
durch daz ir vater ein linde breit niht were,
der dovht mich der witzze in chranchem rvme,
wan cheiser vnd keiserinne,
den ist div rose ein edel werdiv blvme.
12.
Über das Heidelberger BruehHüek des Jüngeren Titurel. 295
1. Spalte der Rückseite.
mohtz aber phant erlosen
ynd hetz ein wolf, ez devht gut vnde reine.
13. Ich Albrecht niemen swache,
daz ist mir immer wilde,
wer der yon eschenbache
von himel chomen her in engeis bilde
mit fingen, smnen var von got bechront,
sin edel höh getihte
kynd ich mit lob niht richer han bedonet.
14. Er was in menschen modele
ynd niht ein engel hilich.
gotes gebe ze mangem rodele
ist noch yil richer chvnst mit witzen teilich.
alle edliy chynst sich bezzert, vnd niht bosert, vnd wehet:
chvnst diy edel hohste,
dast rein getihte, wi wer diy so yersmehet!
15. Ez wart nie baz gesprochen
yon deheins leien mynde,
daz lob im niht zebrochen
wirt yon mir albrehte ze keiner stynde.
ob immer bezzer rede werde gehorte
in teysch yon einem leien,
swvr ich da fur^ so wer min sin betorte.
16. Swer einer frowen schone
niht wan ein wengel sehe,
ynd man ir lobes chrone
an werdicheit in allen riehen iehe,
ynd wer si furbaz nimmer mer gesehende:
ein mytich mannes hertze,
ich wen, dem wer niht lip daran geschehende.
296 Erich FeUet
17. Dise auetivr geliehen
sol man der werden frowen
gar vil der tugende riehen
• • • •
2. Spalte der Rückseite.
18
hat in
phlege der phalntzgraye ordenliche.
19. Sin sloz die rigel grosten
sol dar vnd danne slizzen.
nv wil ich mich des trösten,
man giht, ich svlz von reht wider in genizzen,
daz ich so mange wirde von im gebende
bin der werlte ze chvnde,
des er vnd al sin frvht in wird ist lebende.
20. Got werdeclichez grvzzen,
gen seiden höh geplvmet,
mit diner milt der svzzen
dem fursten gip, der christentvm wol tvmet!
sin salvte der paier prinz in nennet,
duc loys et palatinus;
min lop im zehen fursten er bechennet.
21. Hat Romisch phaht ir mere,
dem fursten lobe von adele?
di haben gein frvhte chere,
so daz vro selde mit ir grozzem wadele
vf geluches rade im wer vor aller smehe!
swaz hi vnd dort kan prisen,
der höhst im daz vnd sinen liebsten nehe!
über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TUureL 297
22. Er, ädlar hob gedelt,
er cleidet Tiid spiset,
sin gevider witen wedelt,
da mit er valchen, spaerber, hebche priset
vnd ander TOgel in swaben, paiern, franchen :
von osteriche biz flandem
siht man siniy chleider herlicb swanchen.
23. Dem adlar cban icb ho wen
lop zweier ere bemde,
so daz in ritter vnd frowen
dest Werder babent, di wile div werlde ist werende
Anmerkungen zu Strophe:
2. *der: dieser Genitiv nimmt das vorangehende ^von den
wieder auf, das Boisser^e waren verlesen hat.
3. 'eben ramen: Boisser^e und San Marte erklären dies als
«glatt, fertig machen, richten', ramen ohne Objekt heisst
aber nach Lexer 11, 337 zielen, trachten, streben, hier also
mit eben verbunden: gleichmässig auf das Ziel hinstreben.
— ^/s übersetzt San Marte nach Boisser^es Vorgang: Sie
gaben an allen Ecken (ort) Beweise von ihrer Wage und
ihrem Mass. Ist aber mea nach Herrn. Pauls mhd. Gram-
matik § 264 Anm. 2 als flexionslose Form aufzufassen, die
einen Genitiv vertreten kann, wenn ein anderer Genitiv von
ihr abhängig ist, so heisst es: Von dem Mass ihrer Wage
u. s. w. — ^ninner: Schreibfehler für minner.
4. ^des: Boisser^e hatte den verlesen.
5. ^sin: Herr Professor Paul empfiehlt die einleuchtende Kon-
jektur 5Yn sin fiir das einfache sin: Dadurch entfallt die ge-
zwungene Erklärung von s^pize als Grabstichel, die Boisserce
und San Marte vorschlugen, und ergibt sich die einfache
Übersetzung: Sein Geist war von solcher Schärfe. — ''forme:
Vorbild; vergl. Benecke-Müller-Zarncke Hl, 387.
298 Eridi PeUet
6. Boisser^s Lesefehler TAnder maere hat die richtige Über-
setzung dieser entscheidenden Strophe bisher unmöglicli
gemacht; ebenso macht es das Fehlen eines Teiles Ton
Zeile 5 und 6 und des ganzen Verses 7 unmöglich, den
Rest der Strophe mit Sicherheit zu konstruieren. Herr
Dr. Fr. Wilhelm schlägt die Konjektur vor üurre für
üure und übersetzt demgemäss: weil es mir immer fremd-
artig und seltsamer, schwieriger wäre als der Weisheit
seiner Zunge.
8. ^ Mille artifex *lez: Beides hat bereits Boisser^ auf Grund
von Du Fresnes Glossarium richtig erklärt als den tausend-
fach listigen bösen Feind und als die leza, lexia, franz.
laisse, die Koppel, die Schar. — ^vppicheit: wohl kaum,
wie San Harte will, Übermut, sondern vielmehr Eitelkeit,
Nichtigkeit; vergl. Lexer 11, 199. — *durc = durchs nicht
dirre, wie Boisser^e las. — ^erklärt San Marte: das Krumme
gerade machen wollen. Der Sinn ist aber dem entgegen-
gesetzt: gegenüber dem Schlichten, Geraden, Redlichen
bedienen sie sich immer krummer, unredlicher Mittel.
9. 'chesselbere: zu Kesseln tauglich, wie es zu Kesseln ver-
wendet wird; das Wort habe ich sonst nicht belegt gefunden.
10. ''vngeparatiert: San Marte übersetzt ungetäuscht und leitet
das Wort von altfranzösisch barat, barate Trug, Täuschung ab.
Als weitere Bedeutung dieses Wortes belegt Lexer 11, 206
und das Grimmsche Wörterbuch (VII, 1459) Kunststück,
Posse, Kurzweil, und hievon abgeleitet muss paraiierm im
Titurel Str. 887 einen Spass machen, zum besten haben
heissen. ungeparaMert lässt sich daher am besten etwa
mit „unbehelligt durch nicht ernst zu nehmende Yorspiege-
lungen* übersetzen.
11. ^trehen: = draehen duften; vergl. Schmeller, Bayer. Wörter-
buch, 2. Aufl., I, 560. — *Für San Martes unglückliche
Konjektur schoten für vater ist kein stichhaltiger Grand
einzusehen. — *rvme = mome^ Ruhm, Ansehen, Geprange,
schon des Reimes wegen nicht, wie San Marte will, r&me
Raum.
über das Heidelberger Brmchstück des Jangeren Titurel 299
12. Für fnoMs hatte Boisser^e molUe, für hetz — here gelesen.
13. 'flugen: nicht fugen^ wie Boisser^e verlesen hatte.
14. ^Er steht in der Handschrift, nicht Da, wie Boisser^e ab-
geschrieben, noch Der, wie er als richtig vermutet hatte.
— modele: Form, Oestalt. — 'rodele: wohl mit Boisser^e
mid Lezer von rotulus Rolle, Buch abzuleiten, kaum, wie
San Marte will, von rotte. — ^ wehet: verstärkt nochmals
das vorangegangene hezjsert^ verherrlicht, vervollkommnet
sich. — 'dast = äas ist, wi wer = uAe toaer\
15. ''swfir ich da für: wollte ich darauf schwören liest, wohl
unzweifelhaft richtig, Herr Dr. Wilhelm, nicht so wer, wie
Boisseräe las.
19. ^Sin: Boisser^ hatte Ein gedruckt.
21. Boisseräe sagt: «Die zwei ersten Verse sind wieder (wie
Str. 20) sehr dunkel'; San Marte: «^ und ^ scheinen fehler-
haft. Der Sinn ist wohl: Gibt es im römischen Reich mehr
Fürsten von solchem Lob und Adel, die mögen für Nach-
kommenschaff sorgen, so dass Frau saelde (Heil) auf dem
ßlücksrade mit ihrem grossen Wedel sie schütze vor aller
Schmach*. Indem ich es nun unentschieden lasse, ob Y. 1/2
richtiger als Fragesatz oder als Konditionalsatz zu erklären
ist, fasse ich jedenfalls in Y. 2 lobe als gen. plur., der
appositionell das ir in Y. 1 erklärt und in Y. 3 durch di,
wie so oft im jüngeren Titurel (vergl. z. B. oben Str. 2,
V. 5; Str. 11, Y. 7; Str. 16, Y. 7) nochmals aufgenommen
wird, also: Hat das römische Recht (d. i. Reich) für den
Fürsten ihrer noch mehr, nämlich Lobpreisungen, Aus-
zeichnungen von hoher Art, [oder?] die sollen (haben ist
optativischer Konjunktiv) auf Früchte die Richtung nehmen
d. h. sich vermehren, Frucht bringen, so dass Frau Saide
ihn beschütze vor aller Schmähung mit ir grozisem wadele
vf gduches rade.
Wieso nun die Glücksgöttin zu einem grossen Wedel
kommen soll, wie Boisser^e und San Marte übersetzen, ist
schwer erklärlich. Karl Weinhold weist in seiner Abhand-
lung über Glücksrad und Lebensrad (Philosophische und
300 Erich Fettet
historische Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissen-
schaften 1892) nichts der Art nach, wohl aber (S. 12), dass
sie den am Olücksrade hinaufklimmenden hilft, während
sie neben dem Glücksrade steht, oder aber, häufiger, dass
sie das Rad in irgend einer Weise umtreibt (S. 13, 14, 18).
Was bedeutet aber voadd? Hier führt vielleicht ein Sprucli
auf die richtige Erklärung, den Weinhold (S. 19) aus einer
Darstellung des Glücksrades in dem Berliner Ms. germ. 4^
284 (letztes Blatt) mitteilt: Est rota fortunae variabilis ut
rota lunae. Denselben Gedanken finden wir, noch reicher
ausgeführt, auch in den Carmina burana, deren erstes Blatt
zu einem Bilde der Frau Saide mit dem Glücksrade er-
klärend ein Gedicht bringt, das mit den Worten beginnt:
0 fortuna velut luna statu variabilis, semper crescis aut
decrescis etc. Wir ersehen daraus, dass diese Ideenver-
bindung dem Mittelalter geläufig war, und so dürfen wir
wohl mit gutem Rechte zur Erklärung des wadel oder
wedel beim Glücksrade seine Bedeutung für den Mond
heranziehen. Nach J. Grimms Deutscher Mythologie (4. Aus-
gabe von Elard Hugo Meyer, U, 593) ist der wedel ,ein
weit verbreiteter und vermutlich alter Ausdruck, der schwan-
kend für die wechselnden Phasen des Mondlichts, meistens
für plenilunium, zuweilen aber auch für interlunium ge-
braucht wird*. Da nun weiter von R. v. Liliencron in
Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum, Bd. 6, S. 368
(1848) der gute wedel als der zunehmende, der böse als
der abnehmende Mond nachgewiesen wurde, so ergibt sich
zwanglos für den grozzen wedel der bestimmte Begriff des
Vollmondes, und übertragen auf den Gang des Glücksrades,
der Stand desselben, wo der aufsteigende Mensch seinen
Höhepunkt erreicht hat. Somit soll also in den vorliegen-
den Versen Frau Saide den gepriesenen Fürsten auf dem
Höhepunkte des Glücksrades vor jeder Anfeindung schützen.
über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren l^urel, 301
n.
Um eine zutreffende Erklärung und Wertung des Heidel-
berger Fragmentes zu gewinnen, dürfte es zweckmässig sein,
sich die Entwicklung der ganzen Kontroverse über den jüngeren
Titurel kurz zu vergegenwärtigen.
Docen gebührt das Verdienst, die schwierigen Fragen nach
der Entstehung des Titurel in seinem » Ersten Sendschreiben*
(1810) zuerst aufgeworfen zu haben, wenn er auch in ihrer
Beantwortung völlig in dem alten Irrtum von der Verfasser-
schaft Wolframs befangen blieb. Seine Schrift gab den Anlass
zu August Wilhelm Schlegels glänzendem Nachweis (in den
Heidelbergischen Jahrbüchern 1811), dass die alten Fragmente
dem Wolfram, das jüngere Epos einem späteren Bearbeiter
Albrecht angehöre. Dabei blieb freilich die Annahme bestehen,
die auch Jakob Grimm noch 1812 teilt, dass das alte Lied
kein blosses Fragment, sondern ein Ganzes gewesen sei, dessen
Anfang und Ende verloren gegangen.^) Demgegenüber räumte
Karl Lachmann die bisherige Hochschätzung des grossen Epos,
das er , langweilig und albern" nennt, gründlich hinweg und
entwickelte seine Auffassung von der Entstehung des jüngeren
Titurel 1829 in seiner Besprechung von Rosenkranz, Titurel
und Dante*) folgen dermassen : »Der Dichter (Wolfram) selbst
hatte angefangen, die Vorgeschichte des Parzivals in einer vier-
reimigen Strophe zu behandeln; erst in seinen letzten Jahren,
nach 1215, wenn eine Stelle des jüngeren Titurels (7, 61) wie
Docen meinte . . . von Eschenbach ist und nicht dem Verfasser
des Titurels. Der Verfasser dieses Gedichts (, Titurel" wird es
15, 32 genannt) hatte von Eschenbach eben nicht mehr als
auch uns erhalten ist, zwei unverbundene Abschnitte, wenig
mehr als 170 Strophen. Er nahm in sein neues Werk, das
er nach demselben französischen Buche dichtete, die beiden
Bruchstücke Eschenbachs auf, und zwar unverändert: seinen
') Vergl. J. GrinniiB Besprecbnng des Docenschen Sendschreibens
in seinen Kleineren Schriften Bd. Vi, S. 118 ff.
*) Kleinere Schriften 1, 351-357.
302 Erich PeUet
eigenen Strophen gab er eine künstlichere Form, indem er
den Einschnitt der ersten zwei Zeilen ohne Ausnahme mit
Reimen versah. Über sich selbst und seine persönlichen Ver-
hältnisse lässt er uns nichts wissen, weil er durchaus in der
Person Wolframs spricht. Er liess aber das Werk ebenfalb
unToUendet: ein Albrecht dichtete den Schluss und arbeitete
Wolframs Strophen um. Albrecht hielt nicht allein diese, die
ihm nur von den Abschreibern entstellt zu sein schienen (4, 61),
sondern das Ganze für ein Werk Wolframs, wie nach ihm
Ottokar von Horneck, Ulrich Füterer und Püterich von Reicherz-
hausen. Er dichtete fünfzig Jahre nach Wolframs Tode (10, 2)
d. h. um 1270, zu einer Zeit, da (40, 143) Wolframs heiliger
Wilhelm, den Ulrich von Türheim längst fortgesetzt hatte
(nach 1247), nicht mehr für unbeendigt galt, aber für unvoll-
ständig am Anfang, d. h. ehe die Vorgeschichte, von TJlricli
von dem Türlein gedichtet und König Ottokar von Böhmen
(st. 1278) zugeeignet, bekannt geworden war*.
Auch in seiner Vorrede zu Wolfram (1833, S. XXX f.)
unterscheidet Lachmann den Dichter, der in Wolframs Namen
spricht, und Albrecht, der sich zum ersten Male in Strophe 5883
nennt, als zwei verschiedene Personen: „denn dass der Dichter
des ganzen Werks, der sich bisher so oft Wolfram genannt
hat, nun auf einmal ohne Veranlassung vor dem Schluss seinen
wahren Namen entdecken sollte, scheint mir geradezu unmög-
lich". Diese Anschauungen hat auch Haupt*) mit solcher Über-
zeugung festgehalten, dass er es nicht für nötig erachtete, in
den späteren, von ihm besorgten Auflagen der Wolfram-Aus-
gabe Lachmanns auch nur ein Wort hinzuzufügen. Da ausser-
dem Jakob Grimm ausgesprochen hatte (a. a. 0 S. 119), dass
„noch kein Beisi)iel vorhanden ist, dass ein späterer Meister
sich so gering achtete, dass er seinem Werk nur durch Vor-
schiebung eines berühmten Namens allein Ansehen zu geben
vermeint hätte*, so blieb bis in die neueste Zeit die Ansicht
bestehen, dass zwischen Wolfram und Albrecht noch ein dritter
*) Vergl. Beiger, Moriz Haupt als akademischer Lehrer. S. 293.
über das Heidelberger Bruehstüek des Jüngeren Tiiurel, 303
nnbekannter Dichter am Werke gewesen sei — freilich gar
vielfach angezweifelt und bestritten. Im Sinne Lachmanns ent-
schieden blieb aber die Frage nach Wolframs Anteil an dem
Epos, und hierüber ist nach den Abgrenzungen Albert Leitz-
manns^) ein Streit kaum noch möglich.
Auch Lachmanns Datierung des Jüngeren Titurel wurde durch
die spätere Forschung und besonders den Nachweis Simrocks be-
stätigt, dass sich schon bei Berthold von Regensburg Strophen
daraus (528/529) einer Predigt^) zugrunde gelegt finden, und dass
ferner in dem Epos von Richard von Comwallis als einem Leben-
den gesprochen wird (St. 2946); somit war die Richtigkeit der
Zeitangabe der bei Hahn fehlenden Strophe, die in dem alten
Druck (10, 2) dem zweiten Wolframschen Bruchstück vorangeht
und „die lenge wol von fünfzic iären' von Wolframs Tode
bis zu der neuen Bearbeitung verflossen sein lässt, ganz ausser
Zweifel gestellt. Dagegen wurde Lachmanns Ansicht von der
Benützung des Eiot durch den Titurel-Dichter und der Zwei-
heit der Fortsetzer Wolframs von Simrock entschieden be-
stritten; er formulierte sein Ergebnis: ^der jüngere Titurel ist
spätestens in den ersten siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts,
mit Einschaltung und Überarbeitung der Wolframschen Bruch-
stücke von Albrecht von Scharffenberg gedichtet, der nicht
um zu betrügen, sondern um den Eindruck des Werks zu ver-
starken, den Namen Wolframs annahm, dessen Quelle aber, den
Kiot, nicht kannte, daher er bei Untersuchungen über die Orals-
sage mit Vorsicht zu gebrauchen isf*.
Diese Ausschliessung des Kiot als Quelle hat durch Konrad
Borchling in seiner Göttinger Preisschrift über »den jüngeren
Titurel und sein Verhältnis zu Wolfram von Eschenbach* (1897)
einen zwingenden Beweis erhalten, wie er für die Behauptung
der Einheit der Fortsetzer Wolframs bisher fehlt. Die weitere,
bis dahin allgemein angenommene Meinung aber, dass Albrecht
') In Panlfl nnd Braunes Beiträgen zur Geschichte der deutschen
Spnurhe (1900 Bd. XXVI, S. 93-166).
') Der XL in Franz Pfeiffers Ausgabe: von dem wagen.
304 Erich PeUei
von Scharffenberg der Verfasser des Jüngeren Titurel sei, stiess
Reinhold Spiller in seiner Inauguraldissertation^) völlig um
durch den Nachweis, dass der Albrecht des jüngeren Titurel
mit dem von Ulrich Füterer so hoch gepriesenen Albrecht von
Scharffenberg unmöglich identisch sein kann. Wir besitzen
keine nähere Kunde von jenem Albrecht, ausser dass er seine
Dichtung einem Herzog Ludwig von Bayern widmen wollte
mit eben jenen Strophen, von denen uns das Heidelberger
Fragnient einen so wichtigen Teil erhalten hat.
Welche Kolle hat nun das verschollene Heidelberger Frag-
ment bei diesen ganzen vielverschlungenen Untersuchungen ge-
s))ielt? Welche Folgerungen, Berichtigungen und Bestätigungen
bietet uns der wiedergefundene gesicherte Text? Den ersten
Finder und seine Nachfolger hat es zunächst völlig in die Irre
geführt, und von ihren Ausführungen hat fast nichts der bis-
herigen Kritik Stand gehalten. Boisser^e betrachtete die ge-
retteten Strophen als einen Teil der Einleitung und gelangt«
bei seinem Versuche, sie mit den anderen einschlägigen Stellen
des Titurel in Einklang zu bringen, zu der Anschauung, der
als Oönner des Dichters genannte Ludwig von Bayern sei Kaiser
Ludwig der Bayer; die Fürsten, über deren Kargheit der Dichter
(St. 5767/r)8) klagt, seien Kaiser Ludwigs Söhne; der Verfasser
Albrecht sei Albrecht von Scharffenberg; die Zeit der Vollen-
dung des Gedichtes erst nach Ludwigs Tode, also erst nach
1347. San Harte glaubte auch den Beginn der Dichtung aus
dem Fragment erschliessen zu können imd setzte ihn zwischen
1322 und 1329. Diese Erklärungen legte dann 1860 Hyazinth
Holland einer Schrift über „Kaiser Ludwig und sein Stift zu
Ettal" zu Grunde, in der er die Ettaler Kirche als das Vorbild
des Gnilstempels zu erweisen suchte. Freilich berichtigte er
bald, von Franz Pfeiffer in der Germania VI, 246 f. Anm. (1861)
belehrt, seine Hypothese^) dahin, dass nicht der Dichter nach
1) 1883; auch in der Zeitschrift für deutsches Altertum, Bd. 27.
2) In seiner .Geschichte der Dichtkunst in Bayern* (1862; S. 23K
238 f.).
über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Tüurel, 305
dem Vorbilde der Ettaler Kirche, sondern Kaiser Ludwig nach
dem Muster des Gralstempels in dem Epos sein heiliges Stift
in der Wildnis geschaffen habe. Das wirkliche Vorbild des
Dichters f&r seinen berühmten Wunderbau, soweit er überhaupt
ein solches vor Augen hatte, dürfte wohl in der Liebfrauen-
kirche zu Trier, der ältesten deutschen Kirche gotischen Stils
(erbaut 1227—1243), richtig erkannt sein.*)
Es ist sehr zu bedauern, dass Lachmann es nicht fdr not-
wendig gehalten hat, sich mit den Ausführungen Boisser^es
und San Martes auseinander zu setzen. Simrock verdankt die
neuen Resultate, die er über Lachmann hinaus gewann, sehr
wesentlich mit seiner kritischen Untersuchung des Heidelberger
Fragmentes. An die Stelle des Kaisers Ludwig des Bayern
setzte er mit überzeugender Begründung Ludwig den Strengen.
Die Schwierigkeit aber, die sich daraus ergab, dass derselbe
Dichter, der dann durch fast 6000 Strophen unter der Maske
VVolframs spricht, sich schon am Anfang genannt haben sollte,
beseitigte er scharfsinnig dadurch, dass er in dem Fragmente
nicht mit Boisser^e und San Marte einen Teil der Einleitung
erblickte, die den Beginn der Dichtung bildet, sondern viel-
mehr eine Widmung, die nach Beendigung des Werkes ver-
fasst sein muss. Der berichtigte Text und seine richtige Erklä-
rung gibt Simrocks Ausführungen, mit geringer Einschränkung,
eine glänzende Bestätigung.
Der Dichter beginnt mit der Klage, dass Wolfram sein
begonnenes Epos, das mit Titurel dem Weisen anhob, in seinem
Kerne aber Tschionatulander und Sigune gewidmet war, nicht
hat zu Ende führen können, und rechtfertigt sich dann (2 — 6),
dass er das unvollendete Werk fortführe, unter Berufung auf
die Markuskirche in Venedig, bei deren Bau auch viele Meister
wegstarben und durch andere ersetzt wurden, die gleichmässig
weiter arbeiteten wie ihre Vorgänger nach dem gegebenen Vor-
bilde. Wenn man das Bessere nicht haben kann, ist es immer
*) Vergl. E. Drojsen, Der Tempel des hl. Grals nach Albrecht von
^charffenberg. Bromberg 1872.
IMS. SitxgBb. d. pba<M.-pbilol. o. cL bial KI. ^1
306 Erich PeiMtt
noch klüger, das minder Gute zu nehmen anstatt gar nichts (3).
Soll das begonnene Kunstwerk deswegen ganz verderben, weil
Wolfram darüber gestorben ist? Freilich ein Mensch, der
so geschickt im Dichten wäre wie er, wird wohl nie wieder
geboren (4).
Und sollte wirklich ein solcher Dichter wieder erscheiDen,
dem würde doch bei dem überragenden Ansehen Wolframs
niemand auch nur den zehnten Teil von der Anerkennung
zukommen lassen wie jenem. Er besass eben solchen Scharf-
sinn und prägte so wunderbar charakteristisch und tiefsmnig
die Worte, dass sein Vorbild und seine Art noch jetzt einem ver-
ständnisTollen Nachahmer Stütze und Bichtung geben können (5).
Deshalb d. h. also seines unerreichbaren Ansehens wegen
und weil er mir ständig Vorbild ist, deshalb, gesteht der Dichter
offen ein (6), spreche ich ihm von Anfang an die Mähren (des
Titurelepos) zu, sie seien von ihm , geschehende '^ d. h. also
verfasst. Albrecht sagt nicht, wie Boisser^ Text glauben
liess, seine ersten Kindermähreu hätten Wolfram zum Gegen-
stande gehabt; wir haben hier vielmehr das direkte offene Ein-
geständnis des von Lachmann für « geradezu unmöglich* er-
klärten Vorganges, den auch Haupt nicht glauben wollte, und
dem J. Grimm kein anderes Beispiel an die Seite zu setzen
wusste. Durch diese Strophe 6 wird jetzt die Annahme Sim-
rocks, dass der Dichter, der unter der Maske Wolframs spricht«
und Albrecht nur eine Person seien, aus dem Gebiet der
Hypothese zur Gewissheit erhoben. Nun ist es aber dem
Dichter um Anerkennung und Belohnung für seine eigene Per-
son sehr zu tun und so spricht er sich auch in den folgenden
Strophen noch eingehender über sein Verhältnis zu Wolfram
aus. Mit grossem Selbstgefühl weist er unberufene Kritiker ab.
Wenn man seinetwegen d. h. wohl, weil er nun seinen Namen
genannt hat und nicht mehr durch Wolframs Autorität ge-
deckt wird, wenn man deshalb seiner Dichtung nicht ihr Recht
werden lasse, so wende er sich von den törichten Leuten zu
den Kennern (7). Die Schlechtigkeit seiner etwaigen Wider-
sacher und Verkleinerer kann er nicht übel genug charak-
über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TitureL 307
terisieren (8); nicht blos Schlangen, sondern der Teufel selbst
muss zum Vergleich mit diesen falschen Kritikern herhalten.
Freilich, meint er (9), wer minderwertiges Zeug wie Kupfer
kunstvoll zu Gold machen könnte, dem würden sie gar schön
ton, wenn er auch Unheil darin finden würde, dass ihr Oold
im Grunde nur Kupfer ist, zu Kesseln tauglich. Gedichte sollte
niemand prüfen als wer selbst Meister darin ist. Nur wirk-
licher Kennerschaft ist Kritik erlaubt; wer aber das Hand-
werkszeug des Dichters nicht beherrscht, der soll auch Meister
der Dichtkunst unbehelligt lassen (10). Wenn San Marte in
diesen Versen 10*"'' einen Ausfall auf die allzu kunstreiche
Manier Gottfrieds von Strassburg und seiner Nachahmer er-
blickt, so übersieht er dabei völlig, dass Albrecht sich gerade
gegen diejenigen wendet, welche „solcher Kunst beraubt'', also
ohne solche Kunstfertigkeit sind. Es spricht sich hier selbst-
bewusst der Stolz des Dichters auf seine Kunst aus, ganz im
Sinne der Meistersänger: diejenigen, welche nicht die Kunst
verstehen, wie man die Worte auseinander und zusammen
gruppiert und mit rosigen Redeblumen ausschmückt, die sollen
ihre trügerische Scheinweisheit echten Meistern gegenüber für
sich behalten.
Dies Selbstbewusstsein spricht auch im folgenden klar
genug zu uns. Albrecht vergleicht sein Epos (11) mit duf-
tenden hellen Rosen, die von jedermann, selbst den Vornehmsten,
hoch geschätzt würden. Wer die verschmähen wollte, weil
sie nicht von einem stattlichen Lindenbaum, sondern nur einem
bescheidenen Stämmchen herrühren, der däucht ihm an Klug-
heit mit unberechtigter, übel angebrachter Anmassung aufzu-
treten. Er will das Verdienst seiner eigenen Dichtung durch
den grossen Vorgänger nicht verdunkeln lassen, und so bewegt
er sich in den folgenden Strophen — mit dem Reste von 12
ist nicht viel anzufangen — hin und her zwischen der Ver-
teidigung der eigenen Leistung und dem Lobe Wolframs.
Feierlich verwahrt er sich dagegen (13), irgendwie Wolframs
Verdienst schmalem zu wollen, er könne ihn gar nicht höher
verherrlichen; aber daneben betont er doch (14), dass er eben
21*
308 Erich Petzet
auch nur ein Mensch gewesen sei und kein vollkominener
Engel, und wieder wird der meistersangerliche Stolz auf die
«Kunst* yemehmbar. Albrecht erblickt in der Entwicklung
der Poesie nach den Meistern der Blütezeit keine Verbreiterung
und Yerflachung, sondern wie in allen anderen Künsten Fort-
schritte zum besseren. Wenn wir erkennen wollen, was er
dabei unter den Yervollkommnungen seines Epos verstanden
hat, so gibt uns die treffliche Schrift Borchlings darüber den
besten Aufschluss: gerade in dem Übertreiben Wolframscher
Eigenheiten ist Albrecht gross, und sicher hat er auch die
Verkünstelung der Wolframschen Strophenform durch Ein-
ftihrung des dritten Keimes zu den verdienstlichen Fortschritten
gerechnet.
Nach dieser Betonung der Entwicklungsfähigkeit der Poesie,
wie er sie verstand, kehrt aber der Dichter noch einmal zum
Lobe Wolframs zurück (15) mit dem aus dem Wigalois des
Wirnt von Gravenberg (V. 6346) stammenden geflügelten
Wort: Laien munt nie baz gesprach, dessen unbedingte Geltung
er nicht antasten will. Aber nun knüpft er wieder an das
Fragmentarische des Wolframschen Titurel an: der Vergleich
mit der schönen Frau (16), von der man nur ein Wänglein
gesehen, soll wieder zu der Aventiure leiten, von der Wolfram
nur ein so kleines Stückchen gezeigt, während er, Albrecht,
sie nun in ihrer ganzen Herrlichkeit wieder heraufbeschworen
habe (17).
Die Tendenz dieses Teiles des Widmungsgedichtes ist also
eine Rechtfertigung des Dichters, dass er sich das Ansehen
Wolframs hat zu nutze machen wollen, und sein Wunsch,
daneben nun auch sein eigenes Verdienst ins rechte Licht zu
rücken. Wie verhält sichs damit aber in dem Gedichte selber?
Hier finden wir wohl auch wiederholt ein selbstbewusstes
Rühmen der eignen Leistung, aber diese geht immer bis
zur Strophe 5883 auf Rechnung Wolframs, der allein die
Verantwortung und den Ruhm der Dichtung trägt. Der
innere Gegensatz, die Rivalität, die sich in dem Heidelberger
Fragment ausspricht, tritt nur an zwei Stellen zu Tage und
über das HeidMerger Brud^atilck des Jüngeren Titureh 309
zwar dicht vor den echten Wolframschen Bruchstücken. Vor
dem ersten der beiden, als Strophe 476, ist die bei Hahn als
Xr. 885 abgedruckte Strophe einzureihen, welche lautet:
Mit rlmen schön zwlgenge
sint dise lieder worden
gemezzen rehter lenge
gar in ir dön nach meistersanges orden:
ze vil, ze klein, des werdent liet yerswachet.
her Wolfram sl unschuldec,
ein schrlber dicke reht unrihtec machet.
Dies ist die einzige Stelle vor Str. 5883, wo Albrecht aus
seiner Rolle als Wolfram fällt ^) und die anschliessenden
Strophen bringen ganz ähnliche Gedanken, teilweise sogar mit
denselben Worten, wie das Widmungsgedicht:
Hie mit so sint yers&chet
die wlsen und die tumben.
vil manger sieht unr&chet
und habt sich gar mit alle zu dem krumben:
ist ieman solch geticht als ungemezzen
ze rehter kttnste lobende,
der ist an spehender merke der versezzen.
Swer edel riebe borten
mit baste vil fiirrieren,
der wil zu allen orten
mutwillec durch gespötte pärätieren:
waz solden mir bl rösen genseblfimen?
für ziser und visöle
nim ich muscät vnd edel kardam&men.
Ean ich die slihte riuhen,
daz ist hie niht erzeiget.
künd ich die lösen diuhen,
daz ir unrehte höchfart würd geneiget,
unreht gewalt, der müest ouch sin verdrücket,
') Vergl. Borchling a. a. 0. S. 183 Anm. 2.
310 Erich Petzet
als ich daz ungerihte
an disen Heden hän ze reht gerücket.
Niht wan durch die l6sen,
die sich der merke rüement
und dabi reht verb6sen
künnen gar und swache tihte blüement.
daz wirt an den gehofden dick erfunden:
her Nithart waerz der klagende,
und lieten sichs geboren underwunden.
Diese Verse konnte Albrecht unmöglich schreiben, so
lange er beabsichtigte, Wolframs Autorschaft glauben zu
machen. Sowie ihm aber darauf ankam, selber hervorzutreten,
lag es sehr nahe, die beiden Wolfraraschen Bruchstücke klar
kenntlich zu machon, und so finden wir auch vor dem zweiten
Wolfranischen Fragmente in der Gruppe II der Titurel-Hand-
schriften die weitere Strophe:
Rime die zwivalten
dem brackenseil hie wären
vil verre dan gespalten:
dar nach, die lenge wol von fttnfzic jären,
zwivalter rede was diz maere gesümet.
ein meister ist üfnemende,
swenn es mit töde ein ander hie gerümet.
In der L berlieferung der Handschriften sind diese Verse
an ganz falsche Stellen geraten, und Zarncke, der sie*) ein-
leuchtend zurecht gerückt, weiss keine Erklärung dafür, son-
dern rechnet das „zu jenen verwickelten Vorgängen, die bei
schwieriger Überlieferung sich öfter zeigen uud die den, der
gerne von allem eine klare Vorstellung gewinnen möchte, in
gelinde Verzweiflung versetzen können." Immerhin wäre eine
Ursache für die Verwirrung der Handschriften gefunden,
wenn wir annehmen dürfen, dass diese Strophen von dem
Dichter selbst erst nachträglich eingeschoben worden sind zu
n In Tauls und Braunes .Beiträgen" 18Ö0 VII, 606-609.
über das Heideiberger Bruehatüek des Jüngeren TUurel, 311
der Zeit, als er die Widmung zu seinem Epos dichtete und
seine Pseudonymität aufgeben wollte. Dann haben wir einen
einleuchtenden Grund für das auffallende Aus-der-Rolle-fallen,
das aus Unachtsamkeit des sonst so peinlichen Dichters nicht
überzeugend erklärt werden kann; dann haben wir auch eine
Erklärung flir das völlige Fehlen in rielen Handschriften,
denn das Epos ist sicher nicht erst als abgeschlossenes Werk,
sondern schon vorher bruchstückweise bekannt geworden, und
so haben die ersten Niederschriften und die Abschriften davon
die besprochenen Strophen noch nicht enthalten. Dass dann
der nachträgliche Einschub sich im weiteren Fortgang der
['berlieferung leichter an falsche Stellen verirren konnte als
andere Strophen, ist wohl einleuchtend. Ein zwingender Beweis
dafür ist ja nicht möglich; doch gewinnen wir mit unserer
Annahme die ununterbrochene Einheitlichkeit des Grundtones
der Erzählung bis Str. 5883 oder wenigstens 5767/68, wo sich
das Bedürfnis nach einer einträglichen Förderung durch einen
hohen Protektor geltend zu machen beginnt. Auf wessen
Protektion dabei der Dichter rechnete, als er mit seinem
Namen hervortrat, das sprechen die Strophen 18 — 23 des
Heidelberger Fragmentes mit all der Deutlichkeit aus, die bei
den mittelalterlichen Sängern in solchen Anliegen immer üblich
war. Nur hat wie bei dem vorhergehenden Teile falsche Text-
überlieferung, so bei dem folgenden irrtümliche Übersetzung
bisher die volle Ausnutzung des Fragmentes verhindert.
Die fehlenden Verse zwischen Str. 17 und 18 müssen von
dem dichterischen zu dem fürstlichen Beschützer der Dichtung
übergeleitet haben: Str. 18 spricht bereits von dem Pfalzgrafen,
der ordnungsgemäss in seiner Obhut hat etwas, das in den
vorangegangenen, jetzt verlorenen Worten genannt gewesen
sein muss. Und von dem Pfalzgrafen sagt nun die Strophe 19
weiter: Sein Schloss soll die grössten Riegel hin und her
schliessen. Das kann kaum etwas anderes heissen als: er
kann die grössten Hindemisse beheben und in den Weg legen,
er hat die grösste Macht in Händen. San Marte will darin
nach Boisseräes Vorgang den Sinn des Sprichwortes: Wie Du
312 Endi PeUet
mir, so ich Dir finden — eine Erklärung, die ohne die falsche
Lesung Ein statt Sin wohl unmöglich ist. Von ihm, diesem
mächtigsten Fürsten, fahrt nun der Dichter fort, gebe er der
Welt so manche Würde, Auszeichnung kund, wovon er und
alle seine Nachkommen in hohem Ansehen leben. Und dann
wünscht er ihm noch weitere Ehren. Boisseree übersetzt die
Strophe 20: „Oott, Dir sei ein würdigliches Grüssen, der Du
in der Seligkeit hoch verherrlicht bist, mit Deiner süssen
Milde gib sein Heil dem Fürsten, der das Christentum wohl
befestigt. '^ San Marte: ,Gott, gib würdiglichen, zur Seligkeit
hochgeschmückten Qruss in Deiner süssen Gnade dem Fürstei.,
der Christenheit wohl ordnet. Der Bayer nennt ihn im Gross:
,duc Louis et Palatinus*. Simrock spricht von einem Fürster,
„den der Bayern Prinz sin salute nenne, und den der Dichter
selbst als Duc Loys et Palatinus und wiederum Str. 18 ah
phalatzgrave bezeichnet." Richtig ist offenbar im wesentlicher.
San Martes Übersetzung von V. 1 — 4. Sin solide aber, was
anderweitig nicht belegt ist, übersetze ich im Hinblick auf
salvieren, später salutieren = grüssen mit seine Begrüssung,
Anrede, Titulatur, fasse es also einfach als eine andere Be-
zeichnung desselben Begriffs, den der Dichter in V. 1 mit
grtizzen bezeichnet hat. Somit heisst V. 5/7: seine Titulatur
nennt ihn der Bayern Fürst, Herzog Ludwig und Pfalzgraf;
mein Lob erkennt ihm die Ehre von zehn Fürsten zu.
Sinngemäss schliesst sich dieser Lobpreisung der weitere
Wunsch an (21): wenn das römische Reich noch mehr Aus-
zeichnungen hoher Art hat, so mögen sie für den Fürsten
Frucht bringen, dass er im Zenith des Glückes vor jeder Ver-
kleinerung bewahrt bleibe! Alles ersinnliche Gute wünscht
der Dichter von dem Höchsten dem Herrscher, der, wie ein
Adler (22) alle anderen edlen Beizvögel, die übrigen Fürsten
und Herren hinter sich lässt und als edler Beschützer kleidet
speist und auszeichnet in Schwaben, Bayern und Franken ; von
Osterreich bis Flandern sieht man Leute, die seine Kleider
tragen, die ihm Untertan sind. Und diesem weitgebietenden
Herrn will nun Albrecht noch zweifache Auszeichnung zurüsten
über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren TUurel, 313
(23), so dass ihn Ritter und Frauen desto werter halten, die-
weil die Welt gewährt — hier bricht das Fragment ab.
Dass dieses Lob für Herzog Ludwig den Strengen von
Bayern nicht zu hoch gegriffen ist, erhellt aus der Tatsache,
dass er neben Ottokar von Böhmen der mächtigste BeichsfÜrst
seiner Zeit war und vom Inn bis an den unteren Rhein Terri-
torien sein eigen nennen konnte. Wie kam da aber der Dichter
dazu, diesem Fürsten werdecliches gruzzen zu wünschen? Welche
höheren Ehren noch konnte das römische Reich ihm bieten?
Ich meine, diese Formulierung seiner Huldigung gibt uns ziem-
lich genauen Aufschluss darüber, wann der Dichter diese Verse
Yerfasst hat. In der Titulatur des Fürsten kam seine über-
ragende Stellung nicht zum Ausdruck, so lange sie ihn nur
als «Herzog Ludwig, Fürsten der Bayern und Pfalzgrafen ^
bezeichnete. Eine höhere Würde war nur die des deutschen
Königs und römischen Kaisers — sie also wünscht der
Dichter seinem Fürsten. Das konnte er aber nur nach
dem Tode Richards von Cornwallis (2. April 1272) und Yor
der Wahl Rudolfs von Habsburg (1. Oktober 1273). In dieser
Zeit hatte Ludwig der Strenge als Pfalzgraf ordnungsmässig
die Verwesung des Reiches in Händen — so erklärt sich also
die fragmentarische Strophe 18. Seine Anwartschaft auf die
erledigte Königswürde war allgemein anerkannt oder gefürchtet
und hat in Eventualverträgen mit dem Kurfürsten von Mainz
urkundlichen Ausdruck gefunden.^) Und wenn auch die Eifer-
sucht der Fürsten auf den allzu Mächtigen die Wahl Ludwigs
schliesslich unmöglich machte, so kam doch in der Form der
Frankfurter Königswahl sein Ansehen glänzend zum Ausdruck,
indem er als gemeinsamer Stimmführer aller Kurfürsten Rudolf
von Habsburg als den neuen König nominierte. Wer ihm also
ergeben war, der konnte und musste in diesem letzten Jahre
des Interregnums, noch bis in den September 1273, wünschen
und hoffen, dass ihm als dem Berufensten auch die äussere
Würde zu teil werde, die später seinem Sohne wirklich be-
') VergL S. Riezlers Bayrische Geschichte II, 137 ff.; Oswald
Redlich, Rudolf von Habsburg 8. 133— 1C9.
314 Erich Petget
schieden sein sollte, und in dieser Zeit muss also das Widmungs-
gedicht des Titurelepos entstanden sein, wahrscheinlich in den
Monaten, in denen seine Aussichten am besten standen, alsbald
nach Ludwigs Lösung vom Banne (Juli 1273).
Durch diese Bestimmung gewinnen yerschiedene Aufstel-
lungen grössere Sicherheit, verschiedene Dunkelheiten einige
Klarheit; doch ergeben sich auch wieder neue Fragen. Als
völlig gesichert erscheint nun die Vermutung Simrocks, dass
das Heidelberger Fragment erst nachträglich dem Gedichte
selbständig als Widmung vorgesetzt wurde und nicht irgend-
wie einen Bestandteil der Einleitung bildete; wir brauchen blos
an die Erwähnung Richards von Gomwallis und das Zitat bei
Berthold von Regensburg zu erinnern. Dies Zitat Bertholds
beweist aber auch ziemlich bestimmt, dass Teile des Epos schon
vor dem Abschluss der ganzen Dichtung bekannt geworden
sind. Denn es ist nicht wahrscheinlich, dass wir hier gerade
die letzte Predigt des am 13./14. Dezember 1272 gestorbenen
grossen Franziskaners vor uns haben; vor Ende 1272 kann
aber nach dem oben gesagten das Epos gar nicht vollendet
worden sein — wenn es überhaupt schon bei Abfassung der
Widmung fertig war. Aber auch das ist keineswegs sicher;
wir müssen vielmehr mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, dass
zu diesem Zeitpunkte nur der grosse Teil bis gegen Str. 5883
fertig vorlag, den Lachmann dem „ersten Bearbeiter'' Wolframs
zugeschrieben hat. Denn der letzte Teil des Epos, in dem
sich also Albrecht nennt, bietet der Erklärung sonst manche
Schwierigkeiten .
In den Strophen 5767/68 wird zum ersten Male die Klage
des Dichters über mangelnde Förderung laut:
Wie Parzival nu werbe
und Ekunat, si beide,
ob daz allhie verderbe,
daran geschehe den edelen fürsten leide,
die sich da lazent kosten disiu maere
gein mir als rehte kleine.
ein esel davon trüege distel swaere.
über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 315
Wer die fÜrsten waeren,
daz wil ich gerne swigen.
si länt sich nicht vermaeren,
wan ich ir gäbe nimmer darf genigen.
si sint der mitte wol üf tiutscher terre,
si sint den bergen nähen.
diu milte hat aber in gehüset verre.
Wer die knauserigen Fürsten dieser Strophen sein mögen,
wissen wir nicht, und ich konnte keinen Anhalt für die An-
gabe von der Hagens finden, dass hier kärntische Herren
gemeint sind.') Jedenfalls aber müssen es, da sie im Plural
stehen, andere sein als der Fürst, von dem der Dichter in
Str. 5883 spricht :
Die aventiure habende
bin ich Albrecht vil ganze.
Von dem wal al drabende
bin ich, Sit mir zebrach der helfe lanze
an einem fürsten, den ich wol kund nennen
in allen riehen verre;
in diuschen landen möht man in erkennen.
Albrecht lüftet hier also sein Inkognito, in dem er bisher
unter der Maske Wolframs gesprochen, in dem Augenblick,
wo er seine Dichtung aufgeben will, da er die Unterstützung
eines Fürsten verloren hat, den er nicht näher kenntlich macht,
weil es ein ansehnlicher, in allen deutschen Landen bekannter
Herr ist. Lange kann sich der Dichter dieser Unterstützung,
wenn er sie überhaupt genossen und nicht blos erhofft hat,
nicht erfreut haben; denn sonst könnte nicht kaum 120 Stro-
phen vorher die vorhin angeführte Klage stehen. Der Tod des
Fürsten kann nicht gut die Ursache des ^Zerbrechens von der
Hilfe Lanze* sein; denn da würde Albrecht sicher offen um
den Verlust trauern, wie Wolfram um den Landgrafen Her-
mann von Thüringen, und nicht nötig haben, den Namen zu
verschweigen. Wer also ist dieser Fürst, der an die Stelle
*) Vergl. Von der Hagens Germania II, 268. Berlin 1837.
316 Eridi PeUet
der früheren unzureichenden Beschützer des Dichters getreten
war, um nach so kurzer Zeit schon dessen Erwartungen so
gründlich zu enttäuschen?
Es ist vielleicht nicht zu kühn, ihn auf Grund des Heidel-
berger Fragments mit Ludwig dem Strengen zu identifizieren;
wenigstens erklären sich dann zwanglos alle Schwierigkeiten.
Der Wunsch für den Fürsten, den der Dichter in seiner Wid-
mung mit so viel Siegesgewissheit vorträgt, ist nicht in Er-
füllung gegangen : Ludwig wurde nicht König. Ist es da nicht
naheliegend, dass bei diesem politischen Fehlschlag auch der
Lohn für den Dichter ausblieb und dieser es in seiner ersten
Enttäuschung mutlos aufgab, sein Epos zu Ende zu ftlhren?
Der Verpflichtung, weiter als Wolfram zu sprechen, war er
überhoben, nachdem er sein Verhältnis zu diesem offen in der
Widmung dargelegt hatte ; den Fürsten aber durfte er in seinem
bitteren Abschiedsworte nicht allzu kenntlich machen, um sich
nicht ausser seiner Abweisung auch noch seinen Groll zuzu-
ziehen. Ludwig jedoch, der selbst schliesslich die Wahl Rudolfs
vollzogen hatte und dafür sein Schwiegersohn geworden war,
konnte bei der so veränderten politischen Lage unmöglich den
Dichter auszeichnen, der so rückhaltlos seine von ihm selbst
klug aufgegebene Kandidatur vertreten hatte. Es war also
nur eine kurze Zeit, in der Albrecht auf die Gunst des baye-
rischen Herzogs sich Hoffnung machen konnte, wie ja auch
der Fortschritt des Epos von der Absage an die früheren
Gönner zu der Klage über den Verlust des neuen Mäcens
nur gering ist. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass die
Widmung erst 1273 und nicht schon 1272 verfasst wurde
und die Enttäuschung sehr bald darauf folgte. Die Strophe 5883
ist nach dieser Erklärung bald nach der Wahl Rudolfs am
1. Oktober 1273 verfasst worden.
Bei dieser Annahme bleibt freilich die Frage unbeant-
wortet, was Albrecht dann veranlasst hat, das so feierlich
aufgegebene Gedicht doch noch zu Ende zu führen. Wenig-
stens ein äusserer Anlass ist nicht nachweisbar. Die inneren
Gründe dafür sind aber doch wohl ausreichend, um die De-
über das Heidelberger Bruchstück des Jüngeren Titurel. 317
pression des Dichters als rasch yorübergegangen erscheinen
zu lassen. Albrechts Selbstgefühl und künstlerischer Stolz
spricht sich an vielen Stellen so kräftig aus, dass der Reiz,
den grossen Wolfram zu verroUständigen und zu übertreflfen,
ftlr ihn unmöglich damit aufhören konnte, dass der klingende
Lohn der Mühe wieder ins Ungewisse entrückt war. Es klingt
wie ein Nachhall des Grolls über die betrogene, auf den
Königskandidaten gesetzte Hoffnung, wenn bei Wiederaufnahme
der Dichtung alsbald die Macht und das Glück der Templeisen
gerühmt wird (5890/91):
Hie tüsent kunige riebe
ir einem dort an 6ren niht geltchet.
Und wird da niht betrüebet
der alte noch der tumbe.
Urliuge da nieman üebet,
mit trügeheit fürt keiner den andern umbe.
So flüchtet der enttäuschte Dichter aus der verstimmenden
realen Welt in das ideale Reich seiner Dichtung, jetzt nur
darein seinen Ehrgeiz setzend, dass sie zu einem voll befriedi-
genden Ende geführt werde (5887):
Sei dise aventiure
ein ende han mit rewe?
nein! sie ist so ungehiure;
ez waz ein tugent, die hohste heizzet trewe,
damit sich dise aventiure sol enden.
wan alle die trewe darben,
die wil der hohste an allen saelden phenden.
In dieser Absicht wird er auch von den wohlgesinnten
Kritikern bestärkt, die er so oft gegen die übelgesinnten aus-
gespielt hat und die nun den unharmonischen Schluss tadeln
(5884):
Die werden mich hie v^hen,
ob ich klagende läze
dirre aventiure flöhen.
so wil ich iuch bescheiden dirre mäze.
318 EriOi PeUct
Und auch der Tadel der Krittler, die an Wolframs Werken
wegen ihrer ünvoUständigkeit zu nörgeln fanden, spornte
Albrecht an (5910/11):
Ez jehent die merkerlchen,
daz mich an freuden phendet,
ez si unendelichen
ein buoch ganvenget und daz ander gendet,
also daz sante Wilhalm an dem houbet,
Parzival an dem ende,
sin beide an ir werdecheit beroubet.
Daz uns an disem buoche
alsam hie nicht gelinge,
daz uns dehein unruoche
unendelich von endikeit iht bringe,
altissimus der geb uns rehten ende
unib daz vor allen dingen
sol cristenheit ze gote valden hende.
Schliesslich muss aber neben diesen ästhetischen Erwä-
gungen und dem begreiflichen Wunsche, sich selbst zu ge-
nügen, auch der Gedanke dem Dichter nahe getreten sein,
dass sein Werk vollendet ihm immer noch mehr Aussicht auf
Lohn bieten konnte als so kurz vor dem Ende jäh abgebrochen.
Hat er auch keinen bestimmten Gönner mehr vor sich, der
ihn begaben soll, so bleibt doch seine Sehnsucht, aus der
Armut herauszukommen, bestehen, wie sie noch die vorletzte
Strophe des ganzen grossen Werkes (nach dem Druck von
1477) ausspricht:
Kyote Flegetanise,
der was hern Wolfram gebende
dise aventiure ze prise:
die bin ich Albrecht hie nach im üfhebende
darumbe, daz drier dinge minder waere,
der Sünden und der schänden:
daz drite, mich drücket armuot diu swaere.
über das Heidelberger Brudistück des Jüngeren IKturel, 319
Alle einschlägigen Stellen erklären sich also ohne Wider-
spruch, wenn wir uns die Entstehung des Gedichtes so yor-
stellen: während des Interregnums begonnen und bruchstück-
weise, wie so manches andere mittelhochdeutsche Epos, yer-
uifentlicht, war es zur Zeit von Richards von Comwallis Tode
(1272) schon sehr weit (bis über 5700 Strophen) vorgeschritten;
da sah sich der Dichter Albrecht, von seinen bisherigen Oönnern
Dur mangelhaft unterstützt, nach einem neuen Mäcen um und
setzte seine Hoffnung auf Ludwig den Strengen in der Er-
wartung, dieser werde zum deutschen Könige gewählt werden.
Diese Hoffnung trog ihn infolge der politischen Ereignisse,
und nun gab er Ende 1273 zuerst sein Epos ganz auf in
Str. 5883, fährte es dann aber doch noch ohne besondere
Gönner etwa in den Jahren 1274/75, jedenfalls noch vor
1278,^) zu Ende. Wollten wir annehmen, das ganze Gedicht
sei vollendet im Jahre 1273 dem Pfalzgrafen mit dem Wid-
niungsgedichte überreicht worden, so befänden wir uns anstatt
einmal (Str. 5767/68) zweimal (auch bei Str. 5883) völlig im
unklaren über die Personen der ungenannten Fürsten; auch
ist die Allgemeinheit der Klage über die Armut am Ende ganz
gegen die Art des Dichters, wenn er dabei die bestimmte
Person Ludwigs vor sich gehabt hätte, und ebenso ist in dem
Schlussteile der Dichtung nichts zu entdecken, was den be-
stimmten Lobpreisungen der Widmung irgend entspräche.
Wir haben nicht den mindesten Anhalt für die Annahme, der
Schluss sei im Hinblick auf die neue Hilfe hinzugefügt worden ;
noch weniger aber kann man sich doch vorstellen, dass das
Epos schon fertig gewesen sein soll, ehe Albrecht auf die
Idee verfiel, es Ludwig zu widmen, und dass ein irgend grösserer
Zeitraum zwischen dem Abschluss der Dichtung und ihrer
Widmung verflossen sein könnte. Es bleibt also wohl dabei,
dass die Verse des Heidelberger Fragments vor der Strophe 5883
gedichtet worden sind, und die Erfolglosigkeit der Widmung
erklärt es auch einleuchtend, warum diese Verse in allen
anderen Handschriften fehlen: sie haben ihr Ziel verfehlt und
*) Vergl. Lachmanns Ausführungen oben S. 302.
320 Erich Petzet, Über das Heidelberger Bruchsiüeh etc,
durften daher mit dem Epos nicht verbunden bleiben. Trotz-
dem können sie manchmal einen Anhalt in den Wirrnissen
der Textüberlieferung bieten, indem sie uns die Ursache ent-
hüllen, die schon den Dichter selbst zu einzelnen Schwankungen
und Änderungen veranlassen musste.
Über die Person des Dichters aber gibt uns auch das
Heidelberger Fragment keine genügende Auskunft. Die breite
Linde, unter deren Schutz er sich begeben, beschattete ihn so
vollständig, dass er Jahrhunderte lang gar nicht mehr gesehen
wurde, und ist auch das Ansehen seines Gedichtes dadurch in
blindem Autoritätsglauben höher gewertet worden als es ver-
dient, so war dann auch die Verurteilung um so schärfer.
Auch jetzt, wo eine gerechtere Schätzung des verkünstelten
und überladenen, aber doch neben einem Reichtum kultur-
geschichtlichen Gehaltes auch manche wirkliche poetische
Schönheit bergenden Gedichtes angebahnt ist, bleibt uns der
Verfasser nicht viel mehr als ein Name. Wir wissen nichts
von einem Dichter Albrecht aus jener Zeit ausser dem Meister
Albrecht von Schwaben, den Heinrich von der Wiener Neu-
stadt in seinem AppoUonius *) als vom König Rudolf reich
beschenkt erwähnt. Mit diesem den Albrecht des Titurel zu
identifizieren, ist nicht möglich, da alle Anhaltspunkte fehlen
ausser der Stammeszugehörigkeit, die für den Dichter des
Titurel sicher nicht nach Schwaben, sondern nach Bayern
weist. Dem Schöpfer des „Messias* des Mittelalters, wie
Zamcke ihn (a. a. 0. S. 377) nennt, war offenbar das Glück
des Messiassängers des 18. Jahrhunderts nicht beschieden: wie
der persönliche Ruhm ist auch wirksame Fürstengunst ihm
versagt geblieben — doch nicht ohne eigene Schuld. Und
dass es wenigstens darüber einige Klarheit schafft, verleiht
dem Heidelberger Bruchstück seinen hohen Wert; es bietet
bis jetzt fast den wichtigsten Anhalt, um die mannigfach ver-
schlungenen Fragen der vielbesprochenen Dichtung ihrer
Lösung näher zu bringen.
*) V. 1B687 flF. der Ausg. von Jos. Strobl. Wien 1876.
321
Die sardicensisclieiL Aktenstücke der Sammlung
des Theodosius Diaconns.
Von J. Friedrich.
(Vorgetragen in der historischen Klasse am 2. Mai 1903.)
Im Jahre 418 sandte Papst Zosimus den Bischöfen Afrikas
zwei, wie er sagte, nicänische, in Wirklichkeit bis dahin unbe-
kannte, später sardicensisch genannte Canones, von denen einer
das Recht der Appellation von den afrikanischen Bischofs-
gerichten an den römischen Bischof begründen sollte. Die
Äirikaner, welche diese Canones weder kannten noch unter den
nicänischen fanden, beschlossen auf einer Synode im Jahre 419,
die Bischöfe von Konstantinopel, Antiochien und Alexandrien
durch Gesandtschaften bitten zu lassen, sie möchten aus ihren
authentischen Exemplaren der nicänischen Canones erheben,
ob die von Zosimus gesandten nicänische seien. Das geschah,
wie man bis jetzt allgemein annahm, von Seite der Bischöfe
Atticus von Eonstantinopel und Cyrillus von Alexandrien da-
durch, dass jeder von ihnen eine lateinische Übersetzung der
in ihren Eirchenarchiven vorhandenen griechischen Canones
von Nicäa nach Carthago schickte. Nun plötzlich lässt man
aber Cyrillus von Alexandrien noch weiter gegangen sein und
den Afrikanern eine ganze Sammlung nicänischer und sardi-
censischer Aktenstücke zur Beantwortung ihrer Frage gesandt
haben, — eine Annahme, die H. Duchesne in Rom im Bessa-
rione (Rivista di studl orientali vol. III fasc. 68) folgender-
massen zu begründen sucht:
1903. Sitzgsb. d. phil08.-phJlol. n. d. hist. Kl. 22
322 J. Friedrieh
Qu'advint-il des v^rifications pr^crites par le concile
de Cartbage? Nous n^avons aucune nouvelle d^une enquöfce ä
Antioche. De Gonstaotinople, T^v^ue Atticus se borna a
envoyer aux Africains un texte des canons de Nic^, qui r^pre-
sentait une coUation de leur Version ä eux, celle que Cecilien,
^vfeque de Cartbage et Tun des peres de Nic^e, avait rapporte
de cette assembl^e, avec le texte grec dont on se servait dans
la capitale de Tempire d'Orient II est du reste peu probable
que les ^glises d'Antiocbe et de Constantinople, dont les ev^-
ques ^taient, en 343, au plus mal avec le concile de Sardique,
eussent conserv^ des documents de cette assembl^e. A Alexan-
drie il en devait ötre autrement. Athanase avait du y envojer
ou j porter lui-nidme un dossier tres complet, et, si nous
Favions, nous serions en droit d^y cbercber les canons de
Sardique. Or il se trouve que ce dossier s'est conserv^ et que
tres probablement il nous est parvenu par la voie de Cartbage.
M. C. H. Turner . . . a consacr^ a la collection canonique dite
du diacre The^odose une interessante ötude,^) d'oü il r^^ulte
que dans ce recueil s'est conserv^ toute une s^rie de pieces
alexandrines de provenance, envoy^es par s. Cyrille a T^v^que
de Cartbage, en r^ponse ä la celebre consultation. Au nombre
de ces pieces figurent les canons de Sardique, indiqu^ comme
tels. Tout le recueil alexandrin nous est donn^ dans une Ver-
sion latine. Aussi le texte des canons n'est-il pas le texte
latin de nos coUections occidentales, mais une traduction latine
du texte grec que nous connaissons par les recueils byzantins.
Ainsi, dans les deux grandes ^glises de Rome et d'AIexandne,
oü nous pouvions nous attendre ä trouver les canons de Sar-
dique, nous les trouvons en eflFet, en des r^dactions indepen-
dantes l'une de Pautre au commencement du V* siecle (p. 4).
Diese überrascbende kategoriscbe Bebauptung, die noch
Niemand aufgestellt bat, verdient eine näbere Prüfung. Da
aber H. Duchesne sieb auf H. Turner stützt, als ob dieser die
M The Verona Manuscripts of canons: The Theodosian MS. and its
connection with St. Cyrill. The Guardian, Dec. 11 (1895), p, 1921 sq.
Die sardieensisehen uäktenstüeke des Theodosius Diaconus, 323
Behauptung unumstösslich bewiesen hätte, so muss vor allem
die «Hypothese* des letzteren, die ich nicht ohne Mühe erst
jetzt aus England erlangen konnte, untersucht werden.
Der Ausgangspunkt und die Grundlage der Hypothese ist
die Beobachtung, dass der Kern der Sammlung des Theodosius
von einem alezandrinischen Gesichtspunkt aus angelegt sei (from
an Alexandrine point of view), — eine Beobachtung, die nicht
einmal neu ist. Denn auch Maassen, um bei diesem stehen
zu bleiben, sagt: ,dass eine der Quellen des Theodosius eine
lateinische Übersetzung einer in der Diözese Ägyptus entstan-
denen Sammlung war. In dieser Sammlung fanden sich auch
die Canonen von Nicäa. . . . Die Übersetzung der Canonen ist
aber nicht, wie die Ballerini noch annehmen konnten, von dem
Interpreten der übrigen Stücke verfasst. Es liegt vielmehr
bier dieselbe Version vor, welche Caecilian [von Carthago] nach
Afrika gebracht hat. Es ist nicht notwendig, deshalb auf
den afrikanischen Urspining der Version dieser griechischen
Sammlung zu schliessen. . . . Auch das bleibt möglich, dass
der Übersetzer der alezandrinischen Sammlung die Version der
nicänischen Canonen den Akten des carthagischen Konzils vom
Jahre 419, die früh ausserhalb Afrikas verbreitet wurden, ent-
lehnt hat* (Quellen, S. 10). Bei der Beschreibung der Hand-
schrift setzt er aber auseinander: «Die Überschrift und die
Einleitung des Konzils von Nicäa weisen unmittelbar auf
Alexandrien. Dahin gehören ferner folgende Stücke: das nicä-
nische Synodalschreiben an die ägyptischen Bischöfe, die beiden
Schreiben des h. Atbanasius [an die Priester und Diakone der
Kirche von Alexandrien, sowie das an Priester, Diakone und
Volk von Mareotis], das Schreiben des Konzils von Sardica an
die Kirchen von Mareotis, die Notizen zur Biographie des
h. Athanasius, das Schreiben Konstantins d. Gr. an die Kirche
von Alexandrien, endlich die beiden Schreiben, welche auf das
meletianische Schisma Bezug haben. Es liegt eben nicht fern,
anzunehmen, dass die Sammlung, in welcher diese Stücke zuerst
vereinigt waren, in der Diözese Alexandrien selbst entstanden
sei'. Er vermeidet aber vorsichtig die Behauptung, dass diese
22*
324 /. Friedrieh
Sammlung in der Stadt Alexandrien selbst entstanden sei, und
wagt es auch nicht, bestinmit zu ihr die sardicensischen Ganones
zu reebnen. , Wahrscheinlich hat er [Theodosius] derselben
Sammlung auch die Version der Canonen von Sardica nebst
den übrigen auf das Konzil von Sardica bezüglichen Stücken,
die sonst in Sammlungen nicht yorkommen, femer Konstantins
Edikt gegen den Arianismus, das Symbol des Konzils von
Konstantinopel [unter dem falschen Titel: Symbolus sanctae
synodi Sardici], die eigentümliche Version der Canonen und
einiger andern Aktenstücke des Konzils von Chalcedon ent-
lehnt. Auch für die beiden afrikanischen Stücke, das Brevia-
rium Hipponense und das Konzil von Carthago vom Jahre 421.
hat ihm eine von andern Sammlern nicht benutzte Quelle zn
Gebote gestanden, da er das erstere ohne die zwei Canonen
des carthagischen Konzils Tom Jahre 397 und den Canon des
carthagischen Konzils vom Jahre 401 bringt, die in keiner
andern Sammlung am Schlüsse fehlen, und das Konzil Tom
Jahre 421 nur in dieser Sammlung yorkommt*. Die Zeit der
Entstehung der ganzen griechischen Sammlung fallt wahr-
scheinlich nach dem Konzil yon Chalcedon, weil ,die jüngsten
Stücke derselben die Canonen yon Chalcedon und die mit diesen
verbundenen Aktenstücke desselben Konzils gewesen zu sein
scheinen. Wann aber die yon dem Diakon Theodosius benutzte
Version dieser Sammlung yerfasst sei, lässt sich nicht be-
stimmen" (S. 549 flF.). Von einer Beziehung der Sammlung zu
Cyrillus yon Alexandrien weiss er nichts.
Anders die Hypothese des H. Turner. Nach Ausstossung
der offenbar nicht zu der ursprünglichen (alexandrinischen)
Sammlung gehörigen Stücke (after the extrusion of certain
apparently adventitious matter) bleiben die auf die Konzilien
yon Nicäa und Sardica bezüglichen übrig. Dieser Kern der
Sammlung des Theodosius weist aber nicht blos auf alexan-
drinischen Ursprung hin, sondern Cyrillus yon Alexandrien
hat, wie er es in seinem Begleitschreiben an die Afrikaner
selbst ausspricht, gerade diese Sammlung nicänischer und sardi-
censischer Aktenstücke als Antwort auf ihre Anfrage geschickt.
Die sardicensischen Äktengtücke des Theodosius Diaconus, 325
Xothing could be conceived better fitted than this coUection
to clear up the issue between the Roman and African Ghurches.
We niay well assume that the delegates sent from Carthago
to the East were provided with copies of the Nicene canons,
both as the Africans knew them in the version of Gaecilian
and as the Romans claimed them in the tezts which included
Sardica. At Constantinople the decisions of Sardica would pro-
bablj be as little known as in Africa, for Constantinople had
been as entirely as Carthago unrepresented in that Western
and Alexandrian sjnod. Atticus, therefore, confined himself to
bringing the translation of Caecilian into more exact accor-
dance with bis Grec text. At Alexandria, on the other band,
the Council of Sardica would be, through Athanasius^ parti-
cipation in it, less unfamiliar and its canons would doubless
be preserved in the archives of the church. There, then, the
texts put forward by Rome would be identified, and Cyril or
bis commissarj would see that the most satisfactorj settlement
of the point in dispute would be to lay before the Africans
as complete a set of documents conceming the two Councils
as the library of the Alexandrine see could fournish, material
which would naturally group itself round the life and writings
of St. Athanasius.
Die Hypothese ist zweifellos schön ausgedacht. Es erhebt
sieb nur sogleich die Frage, ob irgendwelche Gründe für sie
sprechen. Da finde ich aber nur eine einzige Stelle angeführt,
die sich wirklich auf Cyrillus bezieht. Die Hypothese fährt
nämlich nach den oben angeführten Worten fort: Some confir-
mation for this theory may be found in Cyril's own words, for
be speaks of fidelissima exemplaria ex authentica synodo
(wbile Atticus confines his statement to the canons only) and
he appeals to the testimony of history, quod et in eccle-
siastica historia requirentes invenietis, words which
acquire additional point if we suppose that specimens of the
bistorical material into which he invited them to inquire
actually accompanied the letter. Aber diese Supposition em-
pfängt nur dadurch einen Schein von Zulässigkeit, dass aus
326 J, Friedri€h
dem Schreiben Cyrills blos einige Worte hervorgehoben sind.
Und auch angenommen, die auffallenderweise nur halb ange-
führten Worte Cyrills hätten den ihnen von der Hypothese
untergelegten Sinn, so wäre damit noch keineswegs bewiesen«
dass sie sich auch notwendig auf die sardicensischen Akten-
stücke der Theodosianischen Sammlung beziehen.
Wir wenden uns daher besser an die Worte Cyrills selbst,
um zu sehen, was er sagt. Es zeigt sich dann aber auf den
ersten Blick, dass die in der Hypothese versuchte Interpretation
derselben auf Bestand keinen Anspruch erheben kann. Cyrillus
schreibt: Scripta uenerationis uestrae multam habentia queri-
moniam cum omni laetitia per filium nostrum Innocentium
presbyterum suscepimus, quibus a nobis speratis, ut de scrinio
nostrae ecclesiae uerissima exemplaria ex authentica
synodo apud Nicaeam ciuitatem metropolim Bithyuiae a
sanctis patribus constituta atque firmata sub nostrae fidei pro-
fessione uestrae dilectioni porrigamus. Unde, domini honora-
biles fratres, salute praeeunte necesse habui per hunc latorem
filium nostrum Innocentium fidelissima exemplaria ex
authentica synodo in Nicaea ciuitate Bithyniae habita
uestrae caritati dirigere: quod et in ecclesiastica historia requi-
rentes inuenietis. Um was also die Afrikaner gebeten hatten
(uerissima exemplaria ex authentica synodo apud Nicaeam),*)
^) Die Worte stammen eigentlich aus dem Beschluss der Synode
von Carthago, durch den Bischof Autelius beauftragt wird, sich an die
Bischöfe von Konstantinopel, Antiochien und Alexandrien zu weoden:
scribere uestra beatitudo dignetur, ut exemplaria uerissima concilii
Nicaeni sub adstipulatione literarum suarum dirigat, Mansi III, 707. 834.
Ebenda sagt auch die Synode, was sie unter exemplaria concilii Nicaeni
versteht: Omne concilium dixit: Exemplaria fidei et statuta Nicaenae
synodi, quae ad nostrum concilium per b. rec. olim praedecessorem tiiae
sanctitatis, qui interfuit, Caecilianum episcopum allata sunt, sed et quae
patres ea exemplaria sequentes hie constituerunt. . . . Daniel notarius
Nicaeni concilii professionem fidei uel eins statuta recitauit in condlio
Africano . . ., worauf Bischof Aurelius schloss: Haec ita apud nos habentur
exemplaria statutorum, quae tunc patres nostri de concilio Nicaeno secnm
detulerunt . . ., Mansi III, 710.
Die sardicensischen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 327
das schickt er (fidelissima exemplaria ex authentica synodo in
Kicaea), — weiter nichts. Wie kann da nur der leiseste Ge-
danke daran aufkommen, dass Cyrillus gar die sardicensischen
Aktenstücke der Theodosianischen Sammlung geschickt habe?
Cyrillus hat also nicht mehr getan, als Atticus von Eon-
siantinopel, in dessen Schreiben ganz so wie in dem Gyrills
das Ersuchen der Afrikaner angeführt und die Erfüllung des-
selben bezeugt wird: Scribitis sane, ut uerissimos canones
apud Nicaeam ciuitatem metropolim Bithyniae a patribus
constitutos sub fidei adstipulatione dirigam: et quis est qui
communem fidem uel statuta a patribus firmata suis fratribus
deneget? Qua de re per eundem filium meum Marcellum sub-
diaconum uestrum nimium festinantem, sicut statuti sunt in
Nicaea ciuitate a patribus, canones integros, ut iussistis,
direxi. . . . Denn dass uerissimos canones apud Nicaeam oder
canones integros das nämliche bedeutet wie fidelissima exem-
plaria bei Cyrillus, wird sich sogleich herausstellen.
Wir haben nämlich nicht blos diese Schreiben, sondern
auch die eingeschickten exemplaria: Incipiunt exemplaria
concilii Nicaeni directa sub die VI. kal. Dec. post consu-
latum gloriosissimorum imperatorum, Honorii XII. et Theo-
dosü Vni. augustorum, Bonifacio urbis Romae episcopo. Es
folgt das nicänische Glaubensbekenntnis, worauf fortgefahren
wird: Cui symbolo fidei etiam exemplaria statutorum^)
eiusdem annexa sunt quae in magna et sancta synodo apud
Nicaeam ciuitatem metropolim Bithyniae constituta sunt et
de Graeco translata sunt^'a Philone et Euaristo Constantino-
politano; den Schluss bilden die nicänischen Canones. Da diese
exemplaria aber die Schriftstücke sind, die Atticus von Kon-
stantinopel gesandt hatte, so geht daraus hervor, dass die Afri-
kaner selbst uerissimos canones apud Nicaeam constitutos oder
canones integros bei Atticus mit uerissima exemplaria ex authen-
tica synodo apud Nicaeam bei Cyrillus identisch nahmen.
*) Exemplaria statutorum sind die Worte des Bischofs Aurelius für
die nicSniBchen Canoned, 8. den Schluss der vorausgehenden Anmerkung.
328 /. Fnedrich
Dass man von Gjrillus nicht mehr als Yon Atticus erhalten
hatte, bezeugt auch die Überschrift vor seinem Schreiben:
Incipiunt rescripta ad concilium Africanum Cjrilli Alexandrini
episcopi, ubi authenticaNicaeni concilii translata de Graeco
per Innocentium presb. transmiserit, quae et epistolae cum
eodem concilio Niceno per memoratum presb. Innocentium
et Marcellum subdiaconum ecclesiae Carthaginensis sancio Boni-
facio episcopo Romanae ecclesiae, die sezta kal. Dec. sunt
directe (Hinschius, Decret. ps.-isid. p. 311 — 314; Mansi HI,
835 — 838). Doch auch in denjenigen Sammlungen, welche die
nicänischen Canones hier nicht wiederholen, heisst es, dass
Cyrillus die nämlichen Schriftstücke wie Atticus geschickt hat:
Huic symbolo fidei etiam exemplaria statutorum eiusdem
concilii Nicaeni a memoratis pontificibus annexa sunt^
sicut superius per omnia continentur, quae nos hie iterum
conscribi necessarium non esse credidimus (Mansi III, 839).
Deutlicher könnte in der Tat nicht gesagt sein, was die Afri-
kaner von Cyrillus verlangten, dieser ihnen sandte, und jene
von ihm wirklich erhielten.
Mit der Sendung der aus Konstantinopel und Alexandrien
erhaltenen authentischen nicänischen Canones nach Rom war
der Streit zwischen diesem und Afrika keineswegs erledigt.
Im Jahre 424 kam der nämliche Bischof Faustinus, der einst
im Auftrage des Papstes Zosimus die angeblich nicänischen
Canones überbracht hatte, als päpstlicher Gesandter nach Car-
thago und forderte in sehr barscher Weise, dass der Priester
Apiarius, der neuerdings nach Rom appelliert hatte imd von
dem Papst in die Kirchengemeinschaft aufgenommen worden
war, auch von den afrikanischen Bischöfen in die ihrige auf-
genommen werde. Das gab diesen Gelegenheit, auf die von
Papst Zosimus gesandten Canones zurückzukommen und in
ihrem Schreiben an Papst Coelestin wiederholt Protest gegen
die Anwendung derselben auf Afrika zu erheben. Aus ihm
erfahren wir aber auch, dass sie noch immer von den sardi-
censischen Canones nichts wissen, und dass auch Cyrillus ihnen
nichts anderes als die nicänischen Canones geschickt habe: Nam
Die sardieensisehen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 329
ui aliqui tamquam a tuae sanctitatis latere mittantur [c. 5Sardic.],
in Dulla inuenimus patrum sjnodo constitutum: quia illud
quod pridem per eundem coepiscopum nostrum Faustinum tam-
quam ex parte Nicaeni concilii exinde transmisistis, in con-
ciliis uerioribus quae accipiuntur Nicaeni a s. Gyrillo
coepiscopo nostro Alexandrinae ecclesiae et a uenerabili Attico
Constantinopolitano antistite ex authentico missis, quae etiam
ante hoc per Innocentium presb. et Marcellum subd., per quos
ad nos ab eis directa sunt, uen. mem. Bonifacio episcopo deces-
sori uestro a nobis transmissa sunt, in quibus tale aliquid
non potuimus reperire (Coust. 1061). Denn wenn sie sagen:
in keiner Synode der Väter haben sie den ihnen von Papst
Zosimus gesandten Canon (5 von Sardica) gefunden, und auch
die ihnen von Cyrillus und Atticus mitgeteilten authentischen
nicänischen Ganones enthalten ihn nicht, so ist es klar, dass
sie die sardieensisehen Ganones immer noch nicht kennen, auch
Cyrillus sie ihnen nicht zugeschickt hat. Oder soll man etwa
annehmen, Cyrillus habe zwar — entgegen den Worten seines
Schreibens — den Afrikanern die sardieensisehen Ganones als
sardicensische geschickt, diese aber hätten sie verleugnet?^)
Nein ! Das Einzige, das wir aus diesem Schreiben der Afrikaner
an P. Coelestin, ohne ihm Gewalt anzutun, noch folgern können,
ist: nicht blos Atticus von Konstantinopel, sondern auch Cyrillus
wusste über die ihnen vorgelegten Ganones des Zosimus keine
Auskunft zu geben und kannte also die sardieensisehen Ganones
nicht. *)
Es ergibt sich daraus zugleich, dass auch die Worte, auf
welche die Hypothese sich femer stützt: quod et in ecclesia-
*) In der Begründung der Hypothese heisst es wirklich einmal: The
Africans were, orpretendedtobe, ignorant of the origin of the Roman
texts propounded to them: the Alexandrians could help them only by
translating the Sardican canons from the Greek form in which they
knew them into Latin.
') Anch Langen I, 798 schliesst ans diesem Schreiben an Coelestin:
,Die Ganones von Sardica waren ihnen unbekannt. Da die Bestimmungen
dieses Konadls in dem ächten nicänischen Texte sich nicht fanden, wurden
sie von den Afrikanern als apokryph und ungültig behandelt*.
330 J, Friedrick
stica hisioria requirentes inuenietis, nicht heissen können: in
den von mir beigelegten nicänischen und sardicensischen Schrift-
stücken werdet ihr die notwendige Aufklärung über euren Streit
mit Rom finden. Doch auch abgesehen von der vorausgehenden
Beweisführung, es können die Worte in Verbindung mit den
unmittelbar vorhergehenden nur sagen: was ich euch aus dem
authentischen Exemplar der Synode von Kicäa gesandt habe,
das werdet ihr auch bestätigt finden, wenn ihr die Kirchen-
geschichte nachschlagt. Zudem hat historia ecclesiastica, dem
die Hypothese den Sinn unterschiebt: specimens of the histo-
rical material • . . actually accompanied the letter oder a set
of documents concerning the two Councils, 419 bereits seine
spezifische Bedeutung, von der ohne zwingenden Grund nicht
abgegangen werden darf. Was man aber speziell 419 darunter
verstand, das erfahren wir aus der gleichzeitigen Sendung des
Atticus von Konstantinopel, dessen Übersetzer der nicänischen
Ganones aus dem Griechischen ins Lateinische, Philo und Eva-
ristus, ihrer Arbeit die Worte hinzufugten: Haec de ecclesia-
stica historia necessario credimus inserenda. Igitur cum de bis —
Das was sie hinzufügten, ist aber der Kirchengeschichte des
Rufinus entnommen,^) so dass sie also mit Ejrchengeschichte
schlechthin die des Rufinus bezeichneten,^) und eine andere kann
1) Maassen S. 46. Uefele, der Maassens Quellen etc« in seiner später
erschienenen zweiten Auflage nirgends benützt, lasst diese Stelle die
afrikanischen Bischöfe hinzufügen, I, 358.
^) Aus Rufinus scheint auch sollicitudinem statt potestatem im
6. nicänischen Canon der Übersetzung des Atticus zu stammen. Rufinus
can. 6: Et ut apud Alexandriam, et in urbe Roma, uetusta consuetudo
senietur, ut uel ille Aegypti, uel hie suburbicariarum ecclesiamm solli-
citudinem gerat. Atticus can. 6: Antiqui mores obtineant, qui apud
Aegvptum sunt, Libjam et Pentapolim, ut Alexandrinus episcopus homm
omnium habeat sollicitudinem, quia et urbis Romae episcopo similis
mos est. Wenn man aber von Alexandrien und Konstantinopel aus anf
Rufinus hinwies, von Alexandrien aus sogar mit dem Zusatz, die Afri-
kaner könnten auch in der Kirchengeschichte (des Rufinus) die ächten
nicänischen Canones, die man ihnen schicke, finden, so lag es nahe, ans
Rufinus auch seinen Zusatz von den suburbicanae ecclesiae aufzunehmen.
Caecilianus can. 6: Antiqua per Aegyptum adque Pentapolim consuetudo
Die sardieensischen Aktenstücke des Tkeodosius Diaconus. 331
auch Cjrillus nicht im Auge gehabt haben, weil 419 nur die
des Rufinus die nicänischen Canones anführte.
Alle anderen Bemerkungen, die sonst für die Begründung
der Hypothese geltend gemacht werden, können schon aus dem
Grunde übergangen werden, weil sie mit Cyrillus von Alexan-
drien nichts zu tun haben und weder beweisen, dass die sardi-
censischen Aktenstücke in der Theodosianischen Sammlung von
Cyrillus nach Carthago gesandt wurden, noch die Annahme
unmöglich machen, dass wir eine nach 419 liegende Sammlung
vor uns haben. Eine Bemerkung will ich aber doch hervor-
heben, weil in ihr selbst auf die Schwierigkeit hingewiesen
wird, die sardicensischen Aktenstücke des Theodosius mit Cyrillus
in Verbindung zu bringen. Dieselbe lautet: The next point at
which the contents of the MS. are such as to test the hypo-
thesis I am putting forward is at the documents connected
with the Council of Sardica. Of these the first is the Arian
Creed of the secession synod; and it might be urged that
Alexandria was the last place, and Gyril the last person, to
put forward an Arian composition as emanating from sancta
synodus congregata Sardicae. That Creed was, in fact,
directed against Athanasius^ assertion that the Father begat
the Son qwoeiy not simply ßovli^aei, of His Nature, and not
only of His Will; non sententia nee uoluntate Deum
patrem genuisse filium, quod neque consilio neque
uoluntate pater genuerit filium, are the forms in which
St. Hilary renders the doctrine they anathematised in this Creed.
But on examination it appears that the Theodosian text, by
simply omitting the negative, anathematises those who say
servetor, ut Alexandrinus episcopus horum habeat sollicitudinem,
quoniatn et urbis Romae episcopo similis mos est, ut in suburbicaria
loca sollicitudinem gerat (Maassen S. 905). Man schloss damit Rom
aus Afrika am einfachsten aus. Aus der Caecilianischen Version scheint
auch der Znsatz in c. 6 der Prisca zu stammen: ut suburbicaria loca
et omnem prouinciam sua sollicitudine gubemet. Über die subur-
bicariae eccleaiae vgl. übrigens auch Löning, Geschichte des Deutschen
Eirchenrechts I, 448 ff.
332 /. Fricdridi
that aut uoluntate uel arbitrio pater genait filium,
and thus removes the one single stumblingblock to Atha-
nasian orthodoxy. It is not, I think, werj difficult to see
how, in the course of a couple of generations, the tme historr
of a Creed which claimed the august title of Sardican had been
forgotten even in Alexandria, so that what was supposed to
emanate from the orthodox Council was naturally assimilated
(whether in the original or in the translation onlj) tho orthodox
methods of expression.
Das ist denn doch eine gar zu grosse Zumutung, einer
Hypothese zulieb annehmen zu sollen, Gyrillus habe, wozu er
nicht die geringste Veranlassung hatte und nach seinem eigenen
Schreiben sich auch nicht veranlasst gesehen hatte, den Afri-
kanern auch das Glaubensbekenntnis der von Sardica nach
Philippopolis entwichenen Arianer als acht sardicensisches ge-
schickt unter dem feierlichen Titel «Sancta Synodus congre-
gata est Sardicae . . . hanc exposuerunt fidem*'. Eine solche
Gedankenlosigkeit, ein arianisches Bekenntnis der orthodoxen
sardiceusischen Synode zuzuschreiben, kann man wohl einem
späteren Sammler zutrauen, nicht aber Gyrillus, dem Nachfolger
des Athanasius, der noch 362 mit einer Synode in Alexandrien
feierlich bezeugt hatte, es gebe kein sardicensisches Glaubens-
bekenntnis. Dazu hätte Gyrillus, wenn man ihm nach der
Hypothese die sardicensischen Aktenstücke bei Theodosius nach
Garthago schicken Hesse, noch ein zweites, sogleich zu be-
sprechendes, unächtes Glaubensbekenntnis von Sardica gesandt,
ja sogar ein drittes, falls man das sogenannte Eonstantino-
politanische unter dem Titel: Symbolus sanctae synodi Sardici
ebenfalls zu diesen Aktenstücken rechnet!^) Ich bestreite aber
auch, dass man durch eine absichtliche Streichung der Ver-
neinung (non) die arianische Glaubensformel der athanasia-
nischen Orthodoxie anpassen wollte. Denn da die Formel des
^) Und nach der Hypothese müsste man dies in der Tat tun, da
nach diesem angeblich sardicensischen Symbol noch einige, auf das Konzil
von Nicäa sich beziehende Aktenstücke Konstantins d. Gr. folgen, Maasaen
S. 549; Reifferacheidt I, 39.
Die sardicenaUchen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 333
Bekenntnisses bei Theodosius in den übrigen Teilen, einzelne
unbedeutende Varianten abgerechnet, mit der von Hilarius
zweimal gegebenen Formel desselben übereinstimmt, so muss
man doch zunächst daran denken, dass „non*^ aus Nachlässig-
keit eines Schreibei-s ausgefallen sein könnte. Es fordert aber
auch die eigentümliche Erweiterung der Formel gegenüber der
Hilarianischen (aut non sententia neque uoluntate Deum Patrem
genuisse Filium: hos omnes , , .): aut uoluntate uel arbitrio
Pater genuit Filium, fecit, siue creauit, uel demonstrauit,
sed secundum intellectum omnia scientem Yerbum Dei,
hos omnes anathematizat sancta catholica ecclesia — ohne
Zweifel die Verneinung: aut non uoluntate. . . . Jedenfalls
bliebe aber, wenn man auch mit der Hypothese eine absicht-
liche Korrektur zugunsten der athanasianischen Orthodoxie an-
nähme, die Tatsache bestehen, dass das Glaubensbekenntnis den
Ton Sardica nach Philippopolis entwichenen Eusebianem ange-
hört, und bewiese die Korrektur nicht, dass sie vor oder im
Jahre 419 gemacht worden sein müsse.
Die der Behauptung im Bessarione zu Grund gelegte Hypo-
these ist also nicht stichhaltig, woraus folgt, dass es auch die
Behauptung im Bessarione nicht sein kann. Ich will aber jetzt
noch von einer anderen Seite her zeigen, dass die Behauptung
hinföUig ist.
Die Hypothese im Guardian geht nicht auf die sardicen-
sischen Stücke ein, die in der Theodosianischen Sammlung nach
Keifferscheidt und Maassen unter dem Titel „Definitiones aput
Sardicam** folgen: Das Schreiben des Osius und Protogenes an
Papst Julius, das Rundschreiben des Konzils von Sardica an
alle Bischöfe mit dem Zusatz derselben Glaubensformel, die
sich auch bei Theodoret H, 6 mit diesem Schreiben verbunden
findet, unmittelbar darauf die Canones von Sardica, nach einem
Einschiebsel von zweiter Hand f. 94^ bis 99^ das Schreiben des
Athanasius an die Priester und Diakone der Kirche von Ale-
xandrien und Parembole, das Schreiben des Konzils von Sardica
an die Kirchen der Mareotis, das Schreiben des Athanasius an
Priester, Diakone und Volk von Mareotis u. s. w. (Reiffer-
334 /. IMeärieh
scheidt I, 39; Maassen S. 548). Gerade diese Schriftstücke bilden
aber nach dem Bessarione den «sehr kompletten Dossier*, den
Athanasius gesammelt und nach Alexandrien entweder geschickt
oder persönlich gebracht haben soll.
Diese Aufstellung muss schon auf sehr ernste Bedenken
stossen, wenn man nur rein äusserlich den Dossier betrachtet.
Denn einmal ist er gar nicht „sehr komplett*, da er, yon den
sardicensischen Canones abgesehen, nur ein einziges, auch
anderswoher bekanntes sardicensisches Schriftstück, das Schreiben
an alle Bischöfe, bringt, das aber verstümmelt wurde, um
ein unächtes daranzufOgen. Es fehlt ferner das Schreiben der
Synode von Sardica an die Kirche von Alexandrien, das Atha-
nasius wohl bekannt und nur durch ihn erhalten ist, und wird
durch ein besonderes Schreiben des Athanasius selbst an die
Priester und Diakone der Kirche von Alexandrien ersetzt.
Endlich findet sich auch nicht das vom Bessarione doch als acht
in Anspruch genommene Schreiben der Synode an Papst Julius,
woran ich aber keinen Anstoss nehme, weil es unächt ist.')
Dagegen sind die Schreiben der Bischöfe Osius und Protogenes
an Papst Julius, des Athanasius an die Kirche von Alexan-
drien, der Synode von Sardica an die Kirchen in der Mareotis
und des Athanasius an die gleiche Adresse ausser der Theo-
dosianischen Sammlung nirgends bekannt. Sie scheinen also
schon aus diesem Grunde da entstanden zu sein, wo auch die
Sammlung entstanden ist, in der Diözese Aegyptus.
Prüfen wir aber die einzelnen Stücke, die nur die Theo-
dosianische Sammlung bringt, so zeigt sich, dass sie sämtlich
unächt sind.
Ich beginne mit den drei letzten Schreiben, weil sie bereits
von anderer Seite für unächt erklärt worden sind, und ich
dadurch einer besonderen Beweisführung überhoben werde.
Da fällt nämlich vor allem auf, dass der angebliche Athanasius
in seinem Schreiben an die Priester und Diakone der Kirche
1) Langen, Geschichte der römischen Kirche I, 448; Friedrich, Die
Unächtheit der Canones von Sardica IT, S. 424.
Die sardieensischen Aktenstücke des Theodosius Diaeonus, 335
fon Alexandrien die eusebianischen Gegner Theodorus, Nar-
cissus und ürsacius sagen lässt: Omitte: quid nobis et uobis
hominibus Christi? Kouimus, quod ueri estis, et timemus
conuinci; ueremur in personam recognoscere calumnias. Nihil
est nobis et uobis: Christiani enim uos estis, nos uero Christo
repugnantes (Baller. III, 613),^) — eine Naivität, welche Hefele
ausrufen lässt: „Wo in aller Welt werden die Eusebianer von
sich selbst gesagt haben: (wir sind Feinde Christi P)** Dann
macht er darauf aufmerksam, dass der Schluss in jedem der
drei Briefe beinahe gleichlautend sei und sich wie die Kopie
des einen von dem anderen ausnehme,^) und schliesst er seine
Untersuchung mit den Worten: «Der ganze Inhalt dieser drei
Briefe ist matt und lahm, die beständige Wiederholung der
gleichen Worte unerträglich, die ganze Art und Weise geist-
los und trivial. Dazu kommt, dass das ganze christliche Alter-
ihum von diesen drei Aktenstücken nichts wusste, und sie
nirgends anders als in jenem veronesischen Codex existieren,
^) Die ganze Stelle ist, wie ausdrücklich in dem Schreiben gesagt
wird (quemadmodum tunc daemones de sepulcns), Math. 8, 28 f. nach-
gebildet. — Im Widerspruch mit dieser Stelle heisst es in dem unftchten,
dem Schreiben der Synode an alle Bischöfe angehängten Glaubens-
bekenntnis von ürsacins (und Valens): qui gloriantur et non dubitant
dicere se christianos, Baller. III, 605.
*) Nam Gregorii mentionem facere noluerunt, qui enim penitus
episcopi nomen non habuit, hunc nominare superfluum putauerunt. Sed
tarnen propter deceptos ab eo eius nominis mentionem fecerunt, non quia
dignum erat eius nomen memorare, sed ut ab eo decepti cognoscant eius
infamiam, et erubescant, quod tali communicauerunt . . ., Baller. III, 614.
In dem ächten Schreiben der Sjnode an die Kirche von Alexandrien
beisst es von Gregorius: Gregorium quidem, qui illegitime ab haereticis
epiacopus constitutus est et in uestram ciuitatem ab illis deductus, ab
uniuersa sacra synodo de episcopatu (tametsi reuera numquam pro epis-
copo habitus fuerit) depositum esse, uestram unanimitatem scire uolumus.
Valete igitur, et recipite uestrum episcopum Athanasium, quem ob
idipsum cum pace dimisimus. Unde admonemus omnes, qui uel per
metum, uel per dolum circumuenti, cum Gregorio communicarunt, ut
nunc nostra admonitione, hortatu et suasu resipiscentes deinceps ab illius
nefaria communione abstineant et sese ecclesiae catholicae agglutinent,
Mansi III, 55.
336 /. Friedridi
so dass wir sie nicht fUr acht anzuerkennen yermögen* (Kon-
ziliengeschichte I, 612 ff.).
Es steht mit dem Glaubensbekenntnisse nicht besser, das
nach Streichung der Schlussklausel des Schreibens der Synode
an alle Bischöfe diesem angehängt ist. Denn es muss schon
bedenklich erscheinen, dass Athanasius und Hilarius von Poi-
tiers, die das Schreiben der Sjnode mit der Schlussklausel
reproduzieren, die Glaubensformel nicht kennen, und dass diese
erst bei Theodoret auftaucht. Dazu erklärt die alexandriniscbe
Synode unter Athanasius 362 kategorisch, die Synode Yon
Sardica habe sich entschieden geweigert, eine neue Glaubeos-
formel aufzustellen. Diese Tatsache sowie andere Gründe haben
denn Baronius einst auch bewogen, die in Frage stehende
Glaubensformel für unächt und der Synode yon Sardica fremd
zu erklären. Indessen haben gerade die später aufgefundenen
Aktenstücke in dem angeblichen Dossier des Athanasius die
Ballerini, dann Hefele und mit ihm Maassen veranlasst, sich
eine neue Hypothese zu bilden, die von Hefele folgender-
massen auseinandergesetzt wird: , Athanasius berichtet, dass
Einige die Synode von Sardica zur Aufstellung eines
neuen Symbolums durch das Vorgeben, das nicänische sei
nicht hinreichend, zu bewegen gesucht hätten; die Synode
sei jedoch nicht darauf eingegangen. . . . Dessungeachtet kam
bald eine angebliche sardicensische Glaubensformel in Umlauf,
welche jedoch Athanasius und die mit ihm im Jahre 362 zu
Alexandrien versammelten Bischöfe für falsch erklärten und
davor warnten. . . . Eine Kopie dieser sogenannten sardicen-
sischen Formel gibt Theodoret*) am Schlüsse des encyklischen
Synodalschreibens von Sardica." Doch erst durch die Vero-
neser Sammlung des Theodosius Diaconus sei die Sache in
klareres Licht gestellt worden. „Darin findet sich [nach dem
Druck der Ballerini] gleich hinter den sardicensischen Canones
ein kurzer Brief von Osius und Protogenes an Papst Julius^
1 Daas die Formel Theodorets mit der 362 der alexandrinischen
Synode vorliegenden identisch sei, ist nicht ausgemacht, wie schon
Fuchs, Bibl. der Kin^henvers. II, 144 bemerkt hat; es ist aber wahrscheinlich.
Die sardieenaisciien AJUenstüehe des Theodosius Diaconus, 337
und es ist dies sichtlich derselbe, von dem auch Sozomenus
(in, 12) mit ziemlicher Ausführlichkeit redet. . . . Diesem
kurzen Briefe folgt die lateinische Übersetzung der encyklischen
Synodalepistel von Sardica, und dieser selbst ist eine Über-
setzung der fraglichen sardicensischen Formel angehängt. . . .
Wir können jetzt nach diesem Funde ohne Bedenken der Ver-
mutung der Ballerini beitreten, dass wahrscheinlich Osius und
Protogenes der Meinung waren, man sollte zu Sardica eine
weitläufigere Exposition der nicänischen Formel aufstellen. In
dieser Absicht hatten sie eine solche und auch einen hiezu
passenden Brief an Papst Julius bereits entworfen. Aber die
Sjnode ging auf ihren Plan nicht ein. Ihr Entwurf kam
jedoch unter die Akten und wurde so von Manchen schon
frühzeitig fBr eine ächte Synodalurkunde gehalten, so z. B.
von der vierten allgemeinen Synode zu Chalcedon in ihrer
AUokution an Kaiser Marcian (I, 554 ff. ; Maassen S. 64). ^)
Diese ganze Argumentation beruht auf einer unrichtigen
Interpretation des Schreibens der alexandrinischen Synode vom
Jahre 362, das sich über die Frage ausspricht, ob die Synode
von Sardica eine neue Glaubensformel aufgestellt habe. Sie
verneint das aber und fordert zum Festhalten am Nicänum auf:
hortamur uos, ut istis conditionibus ineatur concordia, ita ut
nihil alterius, quam dictum est, ab illis qui in ueteri urbe
^) Dass die Synode von Chalcedon mit den Worten: Uli qui apud
Sardicam contra reliquias Arii conuenerunt, Orientalibus direxerunt sui
constitata iudicii, wenn de diese constituta auch kurz vorher decretum
de fide nennt (Baller. III, p. XXXIX), schon diese unächte Glaubensformel
bezeichnen wollte, kann man bezweifeln. Sui constituta iudicii verträgt
flch ganz gut mit der Aufgabe, welche die sardicensische Synode sich
selbst zuschreibt: ut s. synodua in Sardorum ciuitatem conueniret, quo
omnia controuersia praecideretur, et eiecto quidquid prauae fidei esset,
aola in Christum pietas ab onmibus retineretur, Mansi III, 58; Baller. III, 599.
Daa was die sardicensische Synode in dieser Sache beschloss, konnte die
( balcedonische aber auch decretum de fide nennen, ohne dabei an ein
Glaabensbekenntnis zu denken. Sagt doch Hefele selbst (I, 556), dadurch
«laärt die Synode von Sardica sich weigerte, eine neue Glaubensformel
aufzustellen «und die nicänische für genügend* bezeichnete, »hatte sie
sich über den rechten Glauben erklärt''.
190S. Sitzgsb. d. phüo8.-philoL n. d. hlat. Kl. 23
338 J. Friedrieh
conueniunt, ezigatis: uel illi qui cum Paulino sunt, aliud praeter-
quam quod inter Nicaeni concilii decreta reperitur, proponant.
Tabellam igitur quam uonnuUi iactant, quasi ex Sardicensi de
fide conscriptam, ne legi quidem semel aut proferri sinaiis.
Nihil enim tale sjnodus definiuit. Quamuis enim certi homines
nonnulla, quasi quae deessent, Nicaeno concilio ascribere uel-
lent, idque acriter contenderent, sancta tarnen synodus, quae
Sardicae conuenit, indigne id tulit decretoque sanciuit, ne quid
alterius de fide scriberetur, et sese contentos esse Nicaena fide,
dcciarauerunt, ut cui nihil deesset, et quae plena pietatis esset:
neque edendam esse aliam professionem fidei, ne illa quae
Nicaeae sci'i})ta est, imperfecta crederetur, neue illis occasio
huiusmodi suppeditaretur, qui saepenumero uolunt de fide defi-
nire et scribere. Quapropter si quis haec aut aliud quippiam
cauillabitur compescite illum, et ad Studium pacis inducit^:
nihil enim est quod in his agnoscere possumus, nisi solum con-
tendendi studium (Mansi III, 347). Hier ist mit keiner Silbe
gesagt, dass auf der sardicensischen Synode einige die
Aufstellung einer neuen Glaubensformel verlangt hätten, was
die Synode verweigert habe. Vielmehr haben wir darin eine
historische Reminiszenz an die Vorgänge vor der Synode von
Sardica, z. B. 341 auf der Synode in encaeniis zu Antiochien,
wogegen einzuschreiten ja Hefele selbst anderwärts als eine der
Aufgaben der sardicensischen Synode bezeichnet: »Da aber die
beständige Machination der Eusebianer, und namentlich der
grosse Leichtsinn, womit sie innerhalb weniger Monate viererlei
Symbole aufgestellt, alle Sicherheit und Festigkeit des kirch-
lichen Bekenntnisses erschüttert hatte und den Glauben so ver-
änderlich wie die Mode erscheinen Hess, so war jetzt dringendes
Bedürfnis, dass auf einer grossen Synode auch über diesen
Punkt wieder ein festes Resultat gewonnen werde* (I, 538).
Dieses feste Resultat hat die sardicensische Synode in der Tat
gewonnen und gibt die alexandrinische von 362 mit den Worten
an : Die grosse Synode aber, die in Sardica zusammentrat, habe,
indigniert über dieses Treiben, beschlossen, dass keine neue
Glaubensformel aufzustellen sei.
Die sardieensischen Aktenstücke des Theodosius Diaconus. 339
Damit falli; auch die Annahme hinweg, dass gar Osius und
Protogenes, „die Häupter** der orthodoxen Bischöfe, die Auf-
stellung eines neuen Qlaubensbekenntnisses yon der Synode
»mit Schärfe* (acriter) yerlangt und dadurch die „Indignation"
der Synode herausgefordert hätten, oder dass sie auch nur auf
die Forderungen anderer eingegangen wären. Liegt aber die
Sache so, dann hatten beide auch keinen Brief an Papst Julius
und kein Glaubensbekenntnis vorbereitet,^) sind beide Schrift-
stücke erst später erdichtet*) und mit Unrecht diesen Männern
zugeschrieben worden — vielleicht zu der gleichen Zeit, als
man das sardicensische Schreiben an alle Bischöfe verstümmelte
und ihm das in Frage stehende Glaubensbekenntnis anfügte,
um letzteres durch den Brief zu beglaubigen.
Es folgt weiter daraus, dass Athan&sius die der Synode
von Alexandrien vorliegende Glaubensformel, die sich in seinem
angeblich von Cyrillus 419 nach Carthago gesandten Dossier
befunden haben soll, nicht blos nicht als sardicensische, sondern
überhaupt in früheren Jahren nicht kannte, und dass er auch
von einer anderen mit Sardica in Verbindung zu bringenden
nichts wuaste.
Und sollen sich wirklich, um auch davon noch ein Wort
zu sagen, in dem angeblichen Dossier des Athanasius die sardi-
censischen Ganones befunden haben? Es ist dann nur auf-
fallend, dass der Alexandriner, der doch in seinen Schriften
öfter auf die Synode von Sardica zu sprechen kommt, nie auch
der ihr später zugeschriebenen Ganones gedenkt, bei seiner
Verteidigung, wie Langen gezeigt hat (I, 450), noch nach der
Synode von ganz anderen Grundsätzen ausgegangen ist, als
den in den sardicensischen Appellationsartikeln fixierten.
Es hat sich also gezeigt, dass der Inhalt des angeblichen
^) Der Brief an Julius gibt sich den Anschein, als ob er nach den
Verbandlungen der Synode über den Glauben geschrieben sei, und er-
zählt die Vorgänge in der Synode ganz im Gegensatz zu der Synode
Ton Alexandrien 362.
') Auch Langen, Geschichte der römischen Kirche I, 448, nennt den
Brief der Bischöfe Osius und Protogenes an Papst Julius „erdichtet*.
23»
340 J. Friedrieh
Dossier des Athanasius mit Ausnahme des absichtlicli ver-
stümmelten Schreibens der Synode an alle Bischöfe lauter
unächte Schriftstücke enthält. Und gerade diese soll Atha-
nasius gesammelt und in seiner Kirche hinterlegt haben! Ja,
darunter sogar das eben besprochene, unächte sardicensische
Glaubensbekenntnis, obwohl er 362 noch beteuerte, es gebe
überhaupt kein Glaubensbekenntnis der Synode Ton Sardica!
Und dann die Behauptung, Cyrillus habe 419 diesen Dossier
aus dem alexandrinischen Kirchenarchiv heiTorgeholt und nach
Carthago mit einem Begleitschreiben geschickt, worin er diese
Sammlung unächter Schriftstücke als ächte beglaubigt hätte!
Zum Glück sind wir über diese Vorgänge so gut authentisch
unterrichtet, dass alle diese Hypothesen und Behauptungen im
Lichte der Geschichte sich in nichts auflösen.
Es findet sich darum auch bei den Afrikanern keine Spur
davon, dass sie durch den ihnen angeblich 419 aus Alexandrien
zugegangenen Dossier die sardicensischen Canones kennen ge-
lernt hätten, dagegen die Behauptung noch im Jahre 425, dass
sie den ihnen von Papst Zosimus zugesandten 5. sardicensischen
Canon in keiner Synode, auch nicht in der Sendung des Cyrillus,
gefunden haben (oben S. 329).
Es bedeutet daher schon aus allen vorausgehenden Gründen
nichts, wenn im Bessarione mit besonderem Nachdruck gesagt
wird: Au nombre de ces pieces figurent les canons de Sardique,
indiqu^s comme tels, da diese Behauptung nur dann einen Wert
hätte, wenn der Dossier wirklich von Athanasius gesammelt
und von Cyrillus 419 nach Carthago geschickt worden wäre.
Die Überschrift „Definitiones aput Sardicam" ist aber zweifel-
los erst von dem nämlichen Sammler hinzugefügt worden, der
auch nach Maassen wahrscheinlich schon „die eigentümliche
Version der Canonen und einiger andern Aktenstücke des
Konzils von Chalcedon" aufgenommen und ganz parallel zu
dieser Überschrift die beim Konzil von Chalcedon geschrieben
hat: Definitiones ecclesiasticae pronuntiatae a sancta et uni-
uersali synodo, quae Chalcedone congregata est, — dem näm-
lichen, welcher auch dem sogenannten konstantinopolitanischen
Die aardieensischen Aktenstücke des Theodosius Diaconus, 341
Sjmbolum die Worte: Item symbolus sanctae synodi Sardici
Torgesetzt hat und damit seine Unwissenheit und Unbeholfen-
heit bezeugt.
Zu dem gleichen Resultat kommt man von einer dritten
Seite. Ich habe in meiner zweiten Abhandlung ^Die Unächt-
heit derCanones von Sardica** (Sitzungsber. 1902) nachgewiesen,
dass der 4. sardicensische Canon erst nach dem Konzil von
Chalcedon (451) entstanden sein kann. Da nun aber dieser
Canon sich auch unter den sardicensischen Canones bei Theo-
dosius Diaconus findet, so ist klar, dass diese Redaktion weder
Ton Athanasius nach Alexandrien geschickt oder gebracht noch
von Cyrillus 419 nach Carthago gesandt worden sein kann.
Ja, die Redaktion der Canones bei Theodosius liegt sogar noch
nach der endgültigen Fixierung des griechischen Yulgattextes,
mit dem sie, auch hinsichtlich der später in der Obermetropolie
Thessalonich gemachten Zusätze, vollständig, einen einzigen
Punkt ausgenommen, tibereinstimmt. Der griechische Vulgat-
text bringt nämlich den c. 18 der Lateiner (oder den Januarius-
Canon) noch nicht, während die Redaktion des Theodosius
ihn hat. Diese muss daher nach der endgültigen Fixierung
des griechischen Yulgattextes entstanden sein. Wenn dem aber
so ist, so können die sardicensischen Canones bei Theodosius
auch von diesem Gesichtspunkt aus nicht von Athanasius in
Alexandrien niedergelegt und von Cyrillus nach Carthago ge-
sandt worden sein.
Ich darf hier vielleicht noch die Frage stellen: woher
stammt in der ägyptischen Sammlung des Theodosius dieser
18. oder Januarius-Canon? Denn bekanntlich haben die Bal-
lerini gerade aus dem Vorhandensein dieses Canon in der
Sammlung des Theodosius geschlossen, es müsse ausser der
griechischen Vulgatversion noch eine zweite griechische Version
der Canones existiert haben, in der dieser Januarius-Canon sieb
fand. In vulgato Oraeco tres canones desunt, qui leguntur in
fjuovis textu Latino, uti sunt apud Isidorum canones X. XII,
et XVIII.: et e contra duo canones absunt a quovis Latino
textu, qui in Graeco inveniuntur can. XVIII. et XIX. Quod si
342 J, Friedrich
unus e tribus canonibus in vulgato Graeco deficientibus, nimi-
rum canon apud Isidorum XVIII., qui incipit Januarius.
exstabat in eo Graeco exemplo, ex quo sumpta fuit antiquis-
sima eorunidem canonum versio hoc tomo edenda, nobisque
conservata in memorato MS. 55 Gapituli Veronensis . . . (IQ,
p. XXXI). Und später schreiben sie: Porro in laudato MS.
Veronensi post praedictam Sjnodicam sine alio titulo sub-
jiciuntur canones Sardicenses eodem ordine ac in vulgato Graeco,
sed ex diversae originis Graeco exemplo ignota hactenus ver-
sione traducti: inter quos enim canones unus exhibetur, qui
etsi exstet in omnibus exemplaribus originalis Latini cum initio
Januarius, in Graeco tarnen vulgato nequaquam legitur
(III, p. XXXIX).
Mir scheint diese Folgerung der Ballerini nicht richtig
zu sein. Denn ebenso gut könnte man sagen, dass der Januarius-
Canon aus einer lateinischen Version in die des Theodosius
eingeschoben wurde, eine Annahme, die sich durch die folgenden
Jlrwägungen in der Tat nahezulegen scheint. Die sardicen-
sischen Canones bei Theodosius sind aus dem Griechischen ins
Lateinische übersetzt und stimmen deshalb sprachlich mit keiner
anderen lateinischen Version. Nicht so ist es bei dem Januarius-
Canon. Denn wenn er auch einige Besonderheiten hat, so stimmt
er sonst sprachlich so sehr mit den lateinischen Versionen
überein, dass an eine Übersetzung desselben aus dem Griechischen
kaum gedacht werden kann. ^)
*) Es ist ähnlich wie mit der Caecilian -Version der nicäniscfaen
Canones bei Theodosius. ,Sie ist von den andern Handschriften unab-
hiinprr und entbillt zahlreiche kleine Abweichungen von ihnen« die ihr
allein eifi^entümlich sind, die jedoch die Tatsache, dass überall die gleiche
Übersetzung vorliegt, nicht berühren", Löning I, 450.
Die aardicenaiachen Aktenstücke des Theodosius Diaconus, 343
Isid. Yeron.
Baller. UI, 525, n.78.
Januarius episco-
pus dixit: Illud quo-
que sanctitas uestra
statuat, ut nulli epis-
copo liceat alterius
ciuitatis ecclesiasti-
cum sollicitare et in
sua dioecesi^) ordi-
näre,*) quia ex bis
contentionibus solent
nasci discordiae, et
ideoprohibetomnium
sententia, ne quis hoc
facere audeat.
Theodos. diac.
Baller. III, 595.
Januarius episopus
dixit: Et hoc dilectio
uestra constituat, ne
uUi liceat episcopo
alterius ecclesiae ec-
clesiasticum sollici-
tare uel in parochia
sua ordinäre. Omnes
dixerunt: Maxime ex
huiusmodi contentio-
nibus consueuerunt
nasci discordiae (et
concupiscentiae) et ob
hanc rem (ad desti-
natas sibi clerici non
pergunt ecclesias) om-
nium sententia hoc
prohibet fieri.
Dionys.
Baller. III, 74.
Januarius episco-
pus dixit: Illud quo-
que statuat sanctitas
uestra, ut nulli epis-
copo liceat alterius
ciuitatis episcopi ec-
clesiasticum sollici-
tare ministrum, et in
suis parochiis ordi-
näre. Uniuersi di-
xerunt: Placet, quia
ex bis contentionibus
solent nasci discor-
diae, et ideo prohibet
omnium sententia, ne
quis hoc facere au-
deat.
Es hätte demnach der Übersetzer der griechischen Samm-
lung ins Lateinische wahrscheinlich diesen Januarius-Canon aus
einer lateinischen Version in die seinige eingefügt, wie er nach
Maassen ja auch die nicänischen Canones nicht neu aus dem
Griechischen übersetzte, sondern die Version des Caecilian von
Carthago »mit einzelnen Abweichungen" in die Sammlung auf-
nahm (oben S. 323).
^) In parochiis suis die anderen Codices.
*) Uniuersi dixerunt, das die anderen Codices haben, hier ausgefallen.
Zar Abkandliig toi änDbarker ^Dai mittflgr* Ffsfbkach^ Vgl. S. 861.
^'y*AfLmk*'^.4'i^!^J^^);^
AM / 'T" ' ff
Codex Escor, y^— lV-22, fol. 194^.
1908. Sitzgsb. d. pliilos.-philol. n. d. liist. KL Rcprod. ron J. B. Ob«ra«ftor. K«iieh«n.
345
Das mittelgriechische Fischbnch«
Von K« Kmmbacher.
(Mit siner T§UL)
(Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 2. Mai 1903.)
I.
Die Überlieferung und literarhistorische Stellung
des Fischbuches.
Aus E. Millers Catalogue des Mss grecs de la bibliotheque
de TEscurial, Paris 1848, S. 450, war ersichtlich, dass der Cod.
Escor. !P — IV — 22 vulgärgriechische Poesien enthält. Die längst
erwünschte Gelegenheit, Näheres über ihren Inhalt zu erfahren,
bot sich mir, als im Jahre 1896 Herr R. Wünsch, Qiessen,
nach Spanien reiste. Auf mein Ersuchen sandte er mir eine
genaue Beschreibung des vulgärgriechischen Inhalts der Hs,
die bald darauf unter dem Titel »Zur Escorial-Handschrift W
-IV— 22« in der Byz. Zeitschr. 6 (1897) 158—163 veröffent-
licht wurde. Es zeigte sich, dass die Hs ausser mehreren
bekannten Stücken ein literarisches Unikum, ein mittel-
griechisches Fischbuch, bewahrt. Nachdem ich auf diesen
seltenen Fund in der Geschichte der byzantinischen Literatur*
S. 884 Anm. 4 vorläufig hingewiesen hatte, war Herr C. de Boor,
Breslau, so freundlich, im Frühjahr 1899 den kleinen Text für
mich zu kopieren. Da jedoch, namentlich wegen der dunkeln
und zum Teil verdorbenen Fischnamen, einige Zweifel übrig
blieben, liess ich mir später durch Herrn C. Faulhaber,
Wurzburg, noch eine Photographie des Textes besorgen. Allen
346 X". Krumbacher
drei Herren, die auf solche Weise zur Erreichung des Textes
zusammengewirkt haben, sei fUr ihr liebenswürdiges Entgegen-
kommen auch an dieser Stelle herzlich gedankt.
Der Cod. Escor. !?— IV-^22, Papier, 228 Blätter, nach
E. Miller saec. XV, in Wahrheit wohl saec. XVI, enthält eine
von Demetrios Kydones verfasste Übersetzung der Schrift
des hl. Thomas von Aquino über den Leib und das Blut
unseres Herrn Jesu Christi, dann Auszüge aus Aristoteles,
Augustin, Piaton u. s. w. (fol. 1 — 21). Mit fol. 22 beginnen
die vulgärgriechischen Texte:
1. Eine von dem gedruckten Texte abweichende Redaktion
des umfangreichen Romans Ljbistros und Rhodamne
(fol. 22—193).
2. In diesen Roman scheint durch Blattversetzung ein
anderes Stück eingeschoben zu sein, das ich leider nach den
kleinen von Wünsch a. a. 0. S. 161 gegebenen Proben nicht zu
identifizieren vermag.
3. Bruchstücke eines Prosatextes, einer ungedruckten Redak-
tion des Porikologos (fol. 194); der Anfang des Stückes steht
fol. 201^; es scheinen fol. 194 — 195 versetzt zu sein.
4. Ein zweites Prosastück, der Opsarologos (fol. 194^*
—195^).
5. Der Pulologos (fol. 196^—201^). Auf fol. 20r folgt
der Anfang des Porikologos, dessen Schlussteil fol. 194''""^ steht.
Ursprünglich scheint also der Pulologos an erster Stelle ge-
standen zu haben, an zweiter der Porikologos, an dritter der
Opsarologos.
6. Über den Rest sagt Wünsch (a. a. 0. S. 163): ,Es
folgen lauter Vogelerzählungen; inwieweit diese noch zu dem
bereits bekannten Porikologos (soll heissen: Pulologos) gehören
und inwieweit sie Neues bringen, kann ich nach meinen kärg-
lichen Stichproben nicht mehr feststellen. Der Schluss ist
fol. 213^ Z. 7: ejjiavaav rag vßgeig xal ueräg x^Q^^ ^^* juezdg
rißidg inXrjQoyoav tov yäfxov xal ev(pQav&ivxa nai iyeQ&ivra xai
i7if](p7]iLirjoavTa tov ßaodeav eincov 6jüio(p6v(og' elg nokXd rä errj
Das mütelgriecfUsche Fischhuch, 847
dionoxa xal oXxade ijiavteoav. Es folgt ein freier Raum von
drei Zeilen, der Rest des Blattes ist weggeschnitten, die Rück-
seite frei/ Es handelt sich offenbar um eine bisher unbekannte
Prosaredaktion des Pulologos.
Nach den vulgärgriechischen Sachen folgen (fol. 214 — 228)
noch einige religiöse Texte, ein ^E^ddiog v^vog elg rbv Xqiotov
und ein Fragment der Passion. Vielleicht sind diese Stücke,
wie auch der Anfangteil (fol. 1—21), erst später dem Codex
beigebunden worden.^)
Wie sich aus dieser kurzen Analyse ergiebt, knüpfen sich
an den yulgärgriechischen Inhalt der Hs noch manche Fragen.
Xo. 2 und 6 müssten noch näher beschrieben bezw. identifiziert
werden, Xo. 1, 3, 5 wären zu vergleichen und ihr Verhältnis
zu den edierten Texten bezw. ihr Wert für die Texteskonsti-
tution näher zu bestimmen. Hoffentlich finde ich bald Gelegen-
heit, die Hs selbst zu studieren, um diese für die Geschichte
der vulgärgriechischen Literatur nicht unwichtigen Fragen auf-
zuklären. Heute muss ich mich auf das unter No. 4 ange-
fahrte Stück beschränken.
Das Titel wort 'O S^faQoXoyoQt wofür natürlich 'O ^Chpago-
loyog zu schreiben ist, ist von dem spätgriechischen oy^dgiov
(ngr. V'^^O „Fisch"*) und Xoyog nach Analogie von ^vmoXoyog
.Naturbuch, Naturgelehrter", IlovXoXoyog „Vogelbuch", IIoyQi-
xoloyog „Obstbuch" gebildet und bedeutet also „Fischhuch".
Den Inhalt des Werkchens bildet eine von Fischen und anderen
Seetieren unter dem Vorsitze des Königs Wal veranstaltete
1) Die obige Inhaltsangabe beruht auf E. Millers Katalog und der
oben zitierten Abhandlung von Wünsch.
^ Zur Bedeutungsgeschichte von oi/'ov vgl. die interessanten Belege
bei Athenaeus VII 4 ff. Aus dymQiov wurde auch ein Familienname 'Oyanäg
(, Fischer*) gebildet. Kedrenos ed. Bonn. II 621, 5. Georgios Akropolites
ed. Bonn. 188, 21. Vgl. ed. Heisenberg (Bibl. Teubneriana 1903) I S. 178
Variante unter dem Texte. Zur Bildung vgl. H. Moritz, Die Zunamen
bei den byzantinischen Historikern und Chronisten, I. Teil, Landsbut 1897,
S. 16; TT. Teil, Landshut 189», S. 27.
348 E, Kruwibadker
Gerichtsverhandlung. Die magere Makrele wird einer Ver-
schwörung gegen Seine Majestät angeklagt. Nach kurzer
Untersuchung lässt sich König Wal von ihrer Schuld über-
zeugen und schneidet ihr (im Griechischen ist sie männlichen
Geschlechtes) den Bart ab und verflucht sie. Mit einer echt
byzantinischen Akklamation der Fische an den König schliesst
das Protokoll.
Wenn man die Absicht und die literarhistorische Stellung
des Werkchens näher bestimmen will, so ist zunächst klar,
dass es in die grosse Gruppe der mittelalterlichen Tier-, Pflanzen-
und Steinbücher gehört. ^) Allerdings mit dem Hauptvertreter
dieser Gruppe, dem Physiologus, hat es keine nähere Verwandt-
schaft; denn sein wesentliches Kennzeichen, die religiös-sym-
bolische Ausdeutung, fehlt. Auch mit den anderen mittel-
griechischen Tierbüchern, wie den Erzählungen vom ehrsamen
Esel, die sich als Bearbeitungen der Geschichte vom Keineke
Fuchs erwiesen haben, zeigt das Fischbuch keinen engeren
Zusammenhang. Dagegen haben wir drei andere mittelgrie-
chische Texte, die nach Inhalt, Absicht und Einkleidung mit
dem Fisch buch die engste Verwandtschaft aufweisen. Das sind
die Kindergeschichte von den Vierfüsslern {Aiijyt]oig nai-
di6(pQaoTog rwv TergaTTÖdcov ^coodv)^ das Vogelbuch ('O Hov-
koXoyog) und das Obstbuch ('O II(OQi>coX6yog),^)
Das Vierfüsslerbuch, ein aus 1082 politischen Versen
bestehendes Gedicht, gleicht einer vorausgreifenden Parodie der
^) In einer Zeit, in der die literarhistorisclien Querschnitte so beliebt
sind, sollte, nachdem der Roman, der Dialog, der Mimus, die Biographie
u. s. w. dargestellt sind, nun auch einmal das interessante, freilich unge-
heuer ausgedehnte und zerklüftete Gebiet der allegorischen und satirischen
Naturbücher in ihren Zusammenhängen mit der wissenschaftlichen Natur-
kunde, der Kuriositätenliteratur, der Fabel, dem Sprichworte und in ihrer
Wirkung auf die übrige Literatur und die bildende Kunst zusammen-
gefasst werden. Ein hübsches Beispiel aus der lateinischen Literatur ist
das »Testamentum Porcelli * (Petronii Satirae ed. Fr. Bücheier, Berlin
1895, S. 241 f.).
2) Über die Hss und Ausgaben dieser Werke vgl. meine Gesch. d.
byz. Lit.2 S. 877 ff., 883 f.
Das mütelgrieekisehe Fisehbueh. 349
modernsten Weltfriedensidee. König Löwe, von seinem Hof-
staat umgeben, yersammelt seine Untertanen und beschliesst,
unter ihnen ewigen Frieden herzustellen. Der Plan scheitert
aber an der unversöhnlichen Feindseligkeit der Tiere, die 43ich
in langen Reden gegenseitig ihre Sünden vorwerfen; statt des
ersehnten Friedens folgt eine blutige Schlacht der Fleisch-
fresser gegen die übrigen Tiere. Das Gedicht stammt wahr-
scheinlich aus dem Jahre 1356.
Das Vogelbuch, ebenfalls ein Gedicht in (650) reimlosen
politischen Versen, enthält, wie die Vierfüsslergeschichte, eine
Art Parodie der menschlichen Streitsucht. König Adler ver-
sammelt alle Vögel zur Hochzeit seines Sohnes. Auf dem
Freudenfest entspinnt sich ein heftiger Streit; er wird aber
auf unblutige Weise durch heftige Schmähreden der feind-
lichen Vögel ausgefochten; zuletzt gebeut der König Ruhe, und
das Fest wird fröhlich zu Ende gebracht. Über eine Prosa-
redaktion des Vogelbuches (s. o. S. 347) ist noch nichts
Näheres bekannt.
Das Obstbuch unterscheidet sich von den zwei genannten
Werken durch die prosaische Form. Wie jene an den modernen
„Pacifismus" erinnern, so könnte man das Obstbuch zur neuesten
Antialkoholbewegung in Beziehung bringen. Unter dem König
Quitte versammeln sich verschiedene Früchte. Vor ihnen er-
hebt die Traube gegen mehrere Beamte des Obstreiches die
Anklage auf Hochverrat. Zeugenschaft leisten die Äbtissin
Olive, die Hausverwalterin Linse, die Nonne Korinthe u. a.
Herr Zwiebling dagegen schwört, die Anklage der Traube sei
erlogen. Nun werden die Archonten und Hegemonen berufen;
die Traube wird in der Tat der Lüge überführt und verurteilt,
an ein krummes Holz gehängt, mit Messern geschnitten und
von Männern getreten zu werden. Ihr Blut sollen die Menschen
trinken, um ihren Sinn zu verlieren. Die Archonten klatschen
Beifall und begrüssen den König mit der byzantinischen Akkla-
mation: „Auf viele Jahre*. Ausser dem griechischen Texte
ist eine serbisqh-slovenische Übersetzung und sogar eine tür-
kische Bearbeitung des weinfeindlichen Stückes überliefert.
350 K, Krumhaeher
In allen drei Werkchen ist deutlich die satirische, paro-
distische Tendenz bemerkbar. Gegenstand der Satire sind das
vielgestaltige byzantinische Hof-, Beamten- und Titel wesen,
fremde Völkerachaften, vereinzelt auch die römische Kirche und
die Juden. Die obige knappe Analyse der drei Stücke genügt,
um zu zeigen, dass das Fischbuch mit ihnen nahe verwandt ist.
Der engste Zusammenhang nach Form und Inhalt besteht
zwischen dem Fischbuch und dem Obstbuch. Beide Werkchen
sind in Prosa abgefasst. Beide schildern eine hochnotpeinliche
Verhandlung. In beiden handelt es sich um eine Verschwörung
gegen den König. Nur der Ausgang des Prozesses ist ver-
schieden. Im Obstbuch wird die Anklägerin Traube der Lüge
überführt und mit schweren Leibesstrafen belegt; im Fisch-
buch behalten die Ankläger liecht, und die Makrele wird
wegen Hochverrats zu körperlicher Verstümmelung und Ehren-
verlust verurteilt.
Die enge Zusammengehörigkeit der vier Parodien wird auch
durch ihre Überlieferung bestätigt. Der berühmte Codex
Vindob. theol. 244 bewahrt, neben vielen anderen Texten,
die Vierfüsslergeschichte zusammen mit dem Pulologos
und dem Porikologos und zwar den Pulologos und die
Vierfüsslergeschichte unmittelbar aufeinander folgend
(fol. 84 — 89; 90 — 98), den Porikologos durch einige andere
Texte von ihnen getrennt (fol. 116 — 118). Im Codex Escor. V
— IV — 22 fehlt die Vierfüsslergeschichte; dafür stehen hier
die drei anderen Stücke (der Pulologos in einer doppelten Kedak-
tion) und zwar unmittelbar neben einander. Die durch Blatt-
vcrsetzung getrübte ursprüngliche Keihenfolge war offenbar:
1. Pulologos, 2. Porikologos, 3. Opsarologos, eine Folge,
die der Bedeutung und dem Umfange der drei Werkchen ent-
spricht. An vierter Stelle scheint die Prosaredaktion des Pulo-
logos gefolgt zu sein.
Innerhalb der aus den vier Texten gebildeten Gruppe ge-
hören, wie erwähnt, die zwei metrischen Stücke, das VierfÜssler-
und das Vogelbuch, auch nach Inhalt und Charakter enger
zusammen, ebenso die zwei Prosastücke, das Obst- und Fischbuqh.
Das mittelgrieckisehe Fischbuch, 351
Die Prosaredaktion des Pulologos bildete vielleicht eine Art
Mittelstufe zwischen den beiden Gruppen. Das Verhältnis des
Obst- und Fischbuches bedarf einer näheren Prüfung. Schon
eine oberflächliche Yergleichung zeigt, dass das Obstbuch im
logiseben Aufbau der Handlung, an Reichtum und Güte der
Motive und vor allem in der Schlusspointe dem Fischbuch
überlegen ist. Von störenden Unebenheiten des Fischbuches
sei nur einiges hervorgehoben: Zuerst wird der Befehl ver-
langt, dass die Archonten und Hegemonen erscheinen sollen;
in Wirklichkeit kommen nur die ersteren. Nach Einberufung
der Qerichtsversaramlung tritt neben Makrele und Sardine plötz-
lich der noch gar nicht genannte Prätor Kabeljau als Mit-
schuldiger auf. Der König fragt, ob Makrele wahr gesprochen
habe, obschon sie noch gar nicht zum Worte gekommen ist.
Recht unpassend ist auch, dass Graf Sardine, obschon er die
Makrele durch sein Zeugnis ins Unglück gebracht hat, von
dieser noch weiter freundschaftlich behandelt wird und ihr
dann sein Mitgeflihl bezeugt. Dass das Fischbuch dürftiger
ist als das Obstbuch, ist schon aus der Zahl der auftretenden
Personen ersichtlich, die im ersteren nur 43, im letzteren 79
beträgt. Wie eng aber beide Texte verwandt sind, beweist
nicht nur die grosse Ähnlichkeit des allgemeinen Ganges der
Handlung, von der man sich durch Vergleichung der unten
folgenden deutschen Übersetzung des Fischbuches mit der obigen
Analyse des Obstbuches leicht überzeugen kann, sondern auch
eine stattliche Reihe einzelner Motive und Ausdrücke, die beiden
Texten gemeinsam sind. Vgl. die folgende Zusammenstellung:
Obstbnch Fisohbueh
(ed. Wagner, Carmina graeca (s. die unten folgende Ausgabe),
medii aevi S. 199 ff.).
199, 1 ff. BaoilevovTOQ tov Baadevovrog tov TtavevdoSo-
navevdo^oxdxov Kvdcoviov 9cal rdrov Kyjxov xal SLv&vnaxevov-
^lyeiwyevovTog tov Tiegißkemov rog xov negißXinxov AeXfplvov,
Kagov, ovvedQtdCovxog dk 'Pco^ ovvedQidCovxog . . . KefpdXov
dlav xov Inixigyrj, . . . xov iTzixiQVTj. . . .
352
K, Krumhatker
3 MyjXov tov loyo^hov. . . .
4 'Podaxlvov xov Jigayroord-
jOQog, . . .
5 ITioraxlov tov xalaagog —
10 Ttagiorrj xal r} Zxdq?vXog
ävayyiXovaa xavia. . . .
20 xazä rfjg ßaadelag aov
uTOJia l7ntt]devovaiv. . . .
31 f. €v&vg dh i^ejirjöriae xal
6 xvQig KQOjXfxvdiog fiexä xox-
xivrjg oxoX^g. . . .
33 xovg Xoyovg xovxovg Jigog
xov ßaaiXea äTiexQtvaxo. . . .
35 fid xdv ddeXtpov fiovSxdg-
dov . . . xal äveyfidv fxov xbv
'Pejidvtjv xal ov^iTiidegdv fiov
Ilgdöov, . . .
44: o de ßaoiXevg Kvdwviog
tq^t] ngbg xovg nageoxonag '
„ Zeßaoxe MagovXte . . . xal M v-
xidiE nganoxa'&riinevE xov ßioxa-
giov xal enag^ov (enag^c?)
XgvooXdxavov. . . .
48 Ol xal xäg ß iß Xovg xga-
xEize, xgivaxe Jigög iavxoifg,
xa&cog 6 xvgiog (1. xvgig) Kgojn-
juvdiog djiECf&ey^axo xö xäxivog
yfEvdfj (verdorben)*,
ol dk eItiov „d) ÖEOTioxa ßa-
oiXev KvdcüviEf xijv dixaiav xgi-
oiv i^iXojüiEv, IxexEvofiEv ae xov
jigoaxd^ai iXi^Eiv xovg ugxovxag
xal {jyE/iovag.'^
rXaviov TOV loyo^hov, . . .
St<pl0V TOV 7igO}TOOTdTOg(K
(Hs: XoTogdTogog), . . .
Aaßgaxlov tov xaiaagog, . . .
xal ^X^ev ^ Svvaygida xal
fl Aaßgaxoxovgva xal dvrjyyEi-
Xav Tigbg xbv ßaoiXiav. . . .
IßovXevoavxo xaxd xrjg ßaoi-
XEvag oov. . . .
evd^vg yovv iiejitjdtjaev xcu
6 xvgig *OfJLvdiog fietd /Aavgt^g
axoX^g
Tovg Xöyovg änoxQiVOfjLtvog.
Md xbv dÖEXifov fxov xbv
KaXafxdgiov xal xbv dvetptov
fxov xbv Kxhiov xal xbv avpuiE-
&eg6v fiov Tbv Fldyyovgov. . . .
6 dk ßaoiXsvg Kijxog ngbg
xovg TiagEoxcoxag lq)ri' 2eßaoxi
2xdxe . . . xal Booxave ngo-
xa&iifiEVE xov ßsaxiagiov . . .
xal ^jiagxE Tovgva.
ot xal xdg ßißXovg xgaxeixe,
xgivaxe jigbg avxovg, xa&vDg 6
xvgig *Ofivdiog Itf^iy^axo xoi
iiexdaexe Tb dXrj&ig,
ol dk ehiov* *HfJLetg, (o dio-
jioTa, del TT]v dixalav xgiair
'^eXovTEg Xoinbv IxtievofJLh aoi
TOV TcgooTa^ai xal iX&eiv TOvg
ägxovrag xal fjyefjiovag.
Das mUielgriechiache Fischinuih.
353
Umg xai eioeX^övtcov icav ig-
XOVTCDv nagloravtai xal oL . . .
80 TÖxe 6 ßaoiXevg Kvdwviog
ojitHQlvaio fik ßiavlav fjteydXvjv
xal fd 'dvfAov ixaxrjQa^ fieyd-
IvDg TTjv Zxdtpvlov. . . .
89 xal äjiö roTxov elg toTxov
vi fitjdh inoßyalvovv, xal äjid
(pdxvrjy elg (päxvtjv vSl naqa-
diovovv . . . xal xwlo&iag vä
ygovow ek xa ndXfiaxa. . . .
100 ev'&vQ ovv ehiov ol äg-
yoneg ^elg noXXä exrj, dlonoxa
ßaadev Kvdcovie, elg noXXä
^rj. , , .
TiQoaxdSavtog ovv xov ßaai^
Xicog xal eloeX'&6vxa>v t&v &q^
xdvxwv nagloxavxo yovv oL . . .
äxovaag dk 6 ßaoiXevg Krjxog
xal ÖQloag fietä &vßiov fxeyd-
Xov . . . t6x€ xaxfjQaaaxo xov
TX^QOV, . . .
xal äjzd xXox^dxcov xal (bg
xXox^dxo xal äjid ßqüifjuaglag
fit] iyXvofjg. , . .
xal ev^vg xgd^avxeg ol l^-
'&veg äna^ änavxeg elnav' Eig
noXXä exrj, deonoxa!
In der ersten Hälfte der Erzählung stimmt der Porikologos
mit dem Opsarologos mithin mehrfach auf längere Strecken
fast wörtlich überein. Erst mit dem Beginn der feierlichen
OerichtsTerhandlung gehen die zwei Texte völlig auseinander,
um dann nur noch an drei Stellen (des Porikologos Z. 80, 89,
100) schwach aneinander anzuklingen. Dass ein genetisches
Verhältnis zwischen den zwei Werkchen besteht, ist über allen
Zweifel erhaben. Die Frage ist nur, welcher Text als das
Original zu gelten hat. Wenn man die Stellen, wo P(oriko>
logos) reicher ausgearbeitet ist als 0(psarologos) genauer ver-
gleicht, so erkennt man, dass der Autor des 0 die etwas
reicheren und langwierigen Ausführungen des P mit Absicht
verkürzte und dabei weniger bekannte oder wenigstens zu seiner
Zeit nicht mehr landläufige Titel und Würden unterdrückte.
Dieser Modernisierung sind z. B. die charakteristischen Wa-
rangen (56) zum Opfer gefallen und durch die farblosen
Sekretäre und Leibwächter ersetzt worden. Die Aufzählung
der Verwandten beim Schwüre (36 flf.) ist im 0 auf drei Per-
sonen (BrudeV, Neflfe, Schwager) reduziert worden. Ein für
19Qa. Sltigsb. d. pbUoc-pliiloL a. d. hiai. Kl. 24
354 K, Krunibacher
eine richtige Oerichtsverhandlung unentbehrliches Element, die
Zeugen, die im P ganz feierlich nach Name und Stand ein-
geführt werden, erscheinen im 0 ganz unvermittelt beim
Schlüsse der Verhandlung, ohne dass sie vorher auch nur
erwähnt worden waren. £ine so ungeschickte Verkürzung und
Vergroberung eines gegebenen Planes kann man dem Verfasser
des Originals selbst nicht zutrauen. Für 0 ist sicher ein
zweiter Autor verantwortlich, der den Grundgedanken des P»
die Gerichtsverhandlung und Verurteilung unter dem Vorsitze
des Königs, aus dem Reiche der Früchte auf das der Fische
übertrug. Die Annahme von zwei Autoren wird auch durch
sprachliche Differenzen unterstützt: P gebraucht die vulgäre
Form tfcrdfot'v (Z. 65), 0 die regelmässige i^haoe (Z. 22),
P sagt ixarrjQdfh] (Z. 81; 97), 0 iHaxrjQdoaTo (Z. 47).
Wenn sich der Autor 0 im allgemeinen Aufbau wie in
vielen Einzelheiten eng an sein Vorbild anschloss, so hat er
doch manches selbständig ei'funden. Fast ganz gehört ihm
der zweite Teil des Berichtes, die Verurteilung der Makrele.
Ziemlich erhebliche Abweichungen zeigen PO in ihrem wich-
tigsten Elemente, in der Parodie des Beamten- und Titelwesens.
Gemeinsam sind PO folgende Amter, Titel, Funktionen
u. s. w.: Baoikevg (ßaoilevcav) Ttavevdo^özttTog, ßaoileia (in P
auch tj äyia ßaodeia), negißlemog (in P Beiwort des {lyt^io-
vevcDv, in 0 des äv&vnaxevcov)^ owedgid^cov, imxiQvrjg, loyo-
{^ET}]g, 7io(OTooTdT(OQ (iu 0 durch Konjektur hergestellt), xäioaot
x6/ir]g, fiuQTVQFgt xvgig, deonoxrjg (vom König), naQ€Ot(buc,
OFßaoi6gt ngoxa^/j/nevog (in P 7TQ(OToxa9rjßi€Vog) rov ßsaxiaglov (in
P ßioingtox^)^ eTiagj^og, oi xal rag ßißXovg xQaxtixe, ägxoyv, ^ye/idv-
Nur in P kommen vor: fjyefJLOvevcov, TtQCoxovoxdQiog, noo}-
xoßeaxidgiogf 71 gcüroßeXXiaijuog (lies (?) : ng(oxov(üßeUioifiog\ fäycig
dgovyydgiog, fieyag ägx(ov, ygajußjiaxixol (= Sekretare), ngcDto-
oißaoTogf jigMxooTiaddgiog, jigaxovxxcog (wohl verdorben aus
7igoTfxxü)ü\ dri^/uvtjxeoi (ob als Epithet gedacht?), xvgd ^yof-
ßiht]f xvgd otxovojniaaa, xvgd xaXoygata, xovgojialdxtjg, xono-
oxavlog, ßdgayyoi, 6 xou q^ovadxov xgixrjg, aaxeXXdgiog, al^div-
T?/c (vom Kfinig), ol xgixai, fvyevtxog (vom König).
Das mittelgrieehisehe Fischbuch, 355
Nur in 0 finden wir: ävdvjiaTevcov , fxeyag do/iiariHog,
AoyaQäg, Tiagaxoi/iKAßAevog, xaotQoqwXa^, ol vordgioi (durch Kon-
jektur), ol Ttagdjuovai, jiQalrwQ.
Es sind also 19 Titel u. s. w. PO gemeinsam, 22 auf P, 8 auf
0 beschränkt. Der Autor von 0 hat mithin auch hier seine Vor-
lage P nicht bloss verkürzt, sondern einiges Neue selbst erdacht.
Es bedarf keines weiteren Beweises mehr, dass 0 als eine
von einem zweiten Autor stammende, wohl erheblich spätere
Imitation von P betrachtet werden muss. Weniger sicher lässt
sich die Entstehungszeit der beiden Werkchen bestimmen. Die
durch das Alter der Hss gegebene Spätgrenze (16. Jahrh.) ist
ohne Belang; denn erheblich älter sind PO sicher. In jener
letzten Zeit des byzantinischen Reiches, in der die Landes-
grenzen auf das Weichbild von Konstantin opel und einige
Splitter in den Provinzen zusammengeschrumpft und damit die
Kenntnis der Hof- und Staatsämter und das Interesse für sie
dem allergrössten Teile des griechisch sprechenden Orients
verloren gegangen war, sind unsere Parodien gewiss nicht
geschrieben worden; sie setzen eine Zeit voraus, in der das
oströmische Reich noch in einer erheblichen Ausdehnung und
MachtfQlle bestand und sein komplizierter Beamtenapparat noch
eine weitbekannte Tatsache war. Höher als in den Anfang
des 13. Jahrhunderts dürfen wir aber nicht gehen wegen der
allgemeinen Tatsachen der Geschichte der vulgärgriechischen
Literatur. So gelangen wir ins 13. — 14. Jahrhundert. Zu
beachten ist, dass im 14. Jahrhundert (1356) wahrscheinlich
auch eines der zwei verwandten metrischen Werke, der Pula-
l^gos, entstanden ist. Die sprachlichen Eigentümlichkeiten
ergeben keine sichere Basis; denn bekanntlich wurden die
vulgärgriechischen Werke, wie man aus der Vergleichung der
in mehreren Redaktionen erhaltenen Stücke sieht, vielfach,
wenn auch nicht mit Konsequenz, modernisiert. Ausserdem
hindert der geringe Umfang der zwei Werkchen und dei in
beiden sichtbare Einfluss der Schule an sicheren Schlüssen.
24*
356 K. Krumbacher
Kurz, die sprachlichen Kriterien haben kaum mehr als eine
negative Bedeutung: sie hindern uns nicht, die Originale von
PO ins 13. — 14. Jahrhundert zu setzen. Da nun P, wie oben
gezeigt wurde, älter ist als 0, dürfen wir wohl P noch
dem 13., 0 dem 14. Jahrhundert zuteilen.
Der im Escurialcodex überlieferte Text ist vielfach schwer
verständlich, an einigen Stellen auch offenbar verdorben.
Besondere Schwierigkeiten bereitete die Herstellung und Er-
klärung der zahlreichen Namen von Fischen und anderen See-
tieren. Da sie teils dem alten, teils dem mittelalterlichen und
neuen Wörterbuch angehören, habe ich alle Hilfsmittel bei-
gezogen, die wir für die griechische Nomenclatur des Seegetiers
vom Altertum bis auf die Gegenwart besitzen. Die durch ihre
genauen Beschreibungen wertvollste Quelle für die Fischnamen
und ihre Identifizierung ist des Aristoteles Tiergeschichte.
Dazu der Index der Aristotelesausgabe der Berh'ner Akademie,
dessen zoologischer Teil von Jürgen Bona Meyer und
B. Langkavel bearbeitet ist. Für die Bestimmungsmethode
der Fischnamen schöpfte ich reiche Belehrung aus der deutschen
Übersetzung von »Aristoteles Tierkunde" von H. Aubert und
Fr. Wimmer, 2 Bände, Leipzig 1868, und aus der unten
genannten Abhandlung in den Proceedings von Philadelphia.
Dazu kommen Aelians Werk IleQl ^c^mv Ididtr^Tog und als
Spezialschriften das 7. und 8. Buch der Deipnosophisten des
Athenaeus und das öde Lehrgedicht Halieutika des Oppianos.
Viel Nutzen brachten des Xenokrates und Oalenos Schriften
über die Wassertiere als Nahrungsmittel und besonders der
ebenso durch umfassende Gelehrsamkeit als durch die schlichte
Klarheit der Darstellung ausgezeichnete Kommentar zu diesen
zwei Schriften, den wir dem grossen Chioten Ad. Koraes ver-
danken: EevoxQOLXovq xal FaXrivov IIeqI xrjg änb x(bv hvÖQ(ov
TQoq)rjg, Paris 1814. Seltsamer Weise ist dieses Buch, das in
der auf die griechischen Fischnamen bezüglichen Literatur wohl
die erste Stelle behauptet, von den neueren Bearbeitern des
Gegenstandes, z. B. von Aubert -Wimmer, von den Autoren
des Berliner Aristotelesindex, von Heldreich, Hoffman-Jordan
Das mUtelgrieehisehe Fiadibuch, 357
(s. u.) ignoriert worden; nur Bikelas (s. u.) hat das Werk
seines Landsmannes benutzt.^) Auch andere Mediziner sind
zu beachten, z. B. das Fragment des Markellos Sidites
Ilegl ix9v<ov (bei Ideler, Physici et medici graeci minores, vol. I).
Endlich bringt manches Material zu den Namensformen und
den volkstümlichen Vorstellungen über die Seetiere die noch
sowenig gesichtete und verwertete Weisheit der Kyraniden.^)
Für die byzantinische Zeit finden wir einige, zum Teil
neue Namen in den leider zur Identifizierung wenig brauch-
baren Notizen über die hygienischen und culinarischen Eigen-
schaften der Seetiere in des Symeon Seth Büchlein ITegl
xQo<p&y iwä/uecov, ') Auch in metrischer Form hat ein Byzan-
tiner die Tiere beschrieben, Manuel Philes, in seinem über
2000 Verse umfassenden Lehrgedicht ITegl Ccofov IdiÖTrjxog,
Während Oppian das heroische Versmass gewählt hatte, gab
Philes dem bequemen byzantinischen Zwölfsilber den Vorzug.^)
Als eine ganz unerwartete Quelle erwies sich das Klagegedicht
des Theodoros Prodromos gegen die Abte.*) Wir erfahren
aus ihm die im 12. Jahrhundert in einem byzantinischen Kloster
meist beliebten Fische mit den damaligen volkstümlichen Namen.
Leider ergaben die aufgeführten Schriften wenig Namen-
material, das nicht auch schon unsere Lexika wenigstens ver-
zeichneten, und leider gar nichts für die Herstellung der völlig
dunkeln oder verdorbenen Fischnamen im Opsarologos. Ausser
dem Thesaurus und den Wörterbüchern von Passow, Pape,
^) Auch die Prolegomena der Ausgabe von Eoraes enthalten manche
wichtige tmd namentlich in Anbetracht der Zeit der Publikation (1814)
interessante Bemerkungen, z. B. über das dringende Bedürfnis eines guten
Dgr. Wörterbuches (o«A. xa), Ober den literarischen Philhellenismus {X&') u. s. w.
*) Ich verweise auf die bei uns, wie es scheint, noch recht wenig
bekannt gewordene Publikation griechischer Texte der Kyraniden mit
französischer Obersetzung: F. de Melj, Les lapidaires de Tantiquite et
da moyen äge. Tome II, fasc. 1— 2, et tomelll: Les lapidaires grees
(avec coUaboration de M. Ch.-Em. Ruelle). Paris, E.Leroux 1898, 1899, 1902.
«) Vgl. meine Gesch. d. byz. Lit.« S. 615, 617.
*) Vgl. ebenda S. 775, 779.
*) Vgl. ebenda 8. 805 f.
358 K. Krumbadur
Jacobitz und Seiler habe ich für einige Vulgärnamen das Glos-
sarium von Du Gange mit Nutzen beigezogen. Manche Auf-
klärung, namentlich ftir die Identifizierung der Vulgämamen,
brachten die neugriechischen Wörterbücher, besonders des Skar-
latos Byzantios Ae(ix6v zijf xa&^ fjfAäi; iJiXijvixfjg diaüxrov,
3. Aufl., Athen 1874, und des A. Vlachos Ae^ocov 'EkXr^vO'
yaXkixov, Athen 1897. Einiges auch in den Lexika von Legrand
und llhousopulos. Recht arm an Fischnamen sind die
kleinen Lexika von Kind und Petrares. Zum Zwecke der
Identifizierung konsultierte ich auch wiederholt das „Deutsch-
Neugriechische Handwörterbuch von A. Jannarakis*, Hannover
1S83, leider meist mit negativem Erfolg. Ein Beispiel: Ich
wollte sehen, ob ror^^ra wirklich , Hecht" bedeutet, und schlug
in diesem „unter besonderer Berücksichtigung der neu-
griechischenVolkssprache'^ bearbeiteten Lexikon das Lemma
„Hecht* auf. Ich fand 6 kvxog, 6 ioo$. Aber auf welchem
neugriechischen Fischmarkte oder in welcher neugriechischen
Haushaltung ist jemals der Hecht kvxog genannt oder gar der
lateinische zoologische Terminus esox vernommen worden?
Vom Verstehen gar nicht zu reden.
Weit mehr Nutzen als die erwähnten alten zoologischen
Werke und die griechischen Lexika brachten einige wissen-
schaftliche Abhandlungen über die griechischen Seetiere:
Eine nützliche auf eigenen Beobachtungen beruhende Zu-
sammenstellung gab schon Dr. Erhard in seiner anregenden
Schrift: Fauna der Cykladen. Erster Teil. Die W^irbeltiere der
Cykladen. Nebst einem Anhange über deren Pflanzendecke.
Leipzig, Voigt und Günther 1858.
Ebenfalls auf die Wirbeltiere beschränkt sich Th. de Held-
reich, La faune de Grece. Premiere partie. Animaux vertebres.
Athen 1878. Leider ist dem Verfasser die oben genannte deutsche
Übersetzung der Tiergeschichte des Aristoteles entgangen.
Etymologische und dialektologische Beiträge zu der Schrifl
von Heldreich gab D. Bikelas, Sur la noraenclature moderne
de la faune grec(|ue, Annuaire de T Association pour Tencou-
ragement des etudes grecques 12 (1878) 208 — 237.
Dm mütdgrieehisehe Fisehbu^h, 359
Die reichste Ausbeute gewährte eine Abhandlung, die an
einem Orte versteckt ist, wo gewiss noch niemand Beiträge
zur neugriechischen Lexikographie gesucht hat: Horace Ad-
dison Hoffman and David Starr Jordan, A catalogue of
the fishes of Greece, with notes on the names now in use and
those employed by classical authors, Proceedings of the Aca-
demy of natural sciences of Philadelphia 1892, S. 230— 285.^
Die Vorarbeiten von Aubert- Wimmer und Heldreich sind den
Verfassern unbekannt geblieben.
Unzugänglich blieben mir: Jo. Büros, Ilegl tqiöjv Ix'&vodv
mv ägxauov ovyyQatpicov, Athen 1840; Ed. deBetta, J rettili
ed anfibi del regno della Grecia, Venedig 1868; Apostolides,
La p^che en Grece, Athen 1883. Doch dürfte der daraus
erwachsene Schaden nicht gross sein, da Bur&s und Betta von
Heldreich, Apostolides von Hoffman -Jordan für ihre Listen
benützt worden sind.^)
Mit Hilfe der angeführten alten und neuen Hilfsmittel
habe ich die meisten Namen des Opsarologos wenigstens an-
nähernd zu identifizieren und deutsch zu übersetzen vermocht.
Eine vöUig sichere und genaue zoologische Bestimmung liess
sich freilich nicht für alle Namen finden. Hiezu müsste ein
naturwissenschaftlich geschulter Philologe oder ein Philologe
zusammen mit einem Zoologen die griechischen Fischnamen auf
den Fischmärkten der wichtigsten Städte feststellen und ausser-
dem die Fischsammlung im naturwissenschaftlichen Museum zu
Athen mit Rücksicht auf die heutige Nomenclatur studieren.^)
^) Ich verdanke die Kenntnis dieser wichtigen Arbeit dem unschätz-
baren , Versuch einer Bibliographie der neugriech. Mundartenforschung*
von G. Meyer, Wiener Sitzungsber. Band 130 (1894) IV S. 39.
^) Weitere naturwissenschaftliche Literatur ist im Berliner Aristo-
telesindex S. VIII aufgeführt.
1 Mit Freude vernahm ich vor kurzem, dass der hochverdiente
^echische Mftcen Maraslis in Odessa zu seinen vielen patriotischen
Werken die Gründung eines wissenschaftlichen Aquariums (es soll auf
^echisch hvÖQgiov genannt werden) in Phaleron zu fügen beabsichtigt.
Kommt dieser schöne Plan zur Ausführung, dann wird auch das Studium
der Fischnamen systematischer betrieben werden können.
360 K. Kfwkbaeker
Da die Fische zu den im Volke am besten bekannten Tieren
gehören und wohl infolge dessen ihre alten Namen in weitem
Umfange erhalten haben, so wäre eine derartige um&ssende
Studie auch für die genauere Bestimmung der zahlreichen nocli
dunkeln alten Namen von grösster Bedeutung.^) Dann müssten
aus den Wörterbüchern (z. B. Passow, Pape, Jacobitz und Seiler)
endlich Erklärungen verschwinden wie ^avvayglg ein Meerfisch S
„xeqyalog Meerfisch mit grossem Kopf' u. s. w. Junge griechische
Philologen könnten sich durch solche Studien ein höheres Ver-
dienst erwerben als durch die übliche Anhäufung neuer Konjek-
turen zu alten Autoren. Vor allem sind derartige spezielle Vor-
arbeiten unerlässlich, damit ein wissenschaftliches neugrie-
chisches Wörterbuch, eine Aufgabe von grösster nationaler
Bedeutung, endlich einmal in Angriff genommen werden kann.')
Manchem Leser wäre vielleicht auch ein Kommentar zu
den im Fischbuch vorkommenden Ämtern und Titeln erwünscht
Darauf musste ich verzichten. Das zum Verständnis Nötige
findet man im Glossar von Du Gange, in Zachariae von Lingen-
thals Geschichte des griechisch-römischen Rechts und anderen
Werken, die ich nicht ausschreiben wollte, um über den
gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse hinauszukommen, wäre
eine völlig neue, tiefgreifende Untersuchung nötig; sie könnte
aber nicht mit Beschränkung auf die in unserem Texte ge-
nannten Termini, sondern nur im grossen Zusammenhange des
gesamten römisch-byzantinischen Amter- und Titelwesens geführt
werden.^) Für eine solche Arbeit habe ich jetzt nicht Zeit und
für sie wäre in dieser bescheidenen Ausgabe auch kein Platz.
*) Vgl. Heldreich a. a. 0. S. 78, und Aristoteles Tierkunde, deutsch
von Aubert und Wimmer, Bd. I, S. 57. Welche Vorsicht jedoch bei der
Benützung der heutigen Namen für die Identifizierung der alten geboten
ist, lehrt das Beispiel von ßeXövtf. Vgl. Aubert und Wimmer a. a. 0. S. 125.
*) Ich wiederhole mich hier. Vgl. Das Problem der ngr. SchrifV-
Bprache, München 1902, S. 126. Aber an diese grosse nationale Pflicht
können die Griechen gar nicht oft genug gemahnt werden.
^) Wie untunlich es ist, sich hier auf einen beliebig gewählten zeit-
lichen öder sachlichen Ausschnitt zu beschränken, zeigt deutlich das
letzte Wort auf diesem Gebiete, die Dissertation von Paul Koch, Die
byzantinischen Beamtentitel von 400- 700. Jena 1903.
Das mittelgriechisehe Msehbuch, 361
U.
1. Text der Escarialhandschrift.
'O 'Oy^agoloyos» foL 194^
BaoiXevovTog tov naverdo^oxäTOV Ki^tov xal äv&VTtarevoviog
tov 7i€QißXijnov Aei.q)ivov, awedgid^ovrog de 'Ogxvvov tov fjieydXov
öouEoxixov, Eicplov tov TiQCOToardxoQog, KetpdXov tov inixegvrj,
^r]oaiov tov Xoyagäf Aaßgaxiov tov xalaagog, Flaviov tov
Xoyo&eTov, 2vaxlov tov naQaxoifxwfiivov xal 'OoTgeidiov tov 5
xaargoqwXaxvg
xal ^X^ev i5 2vvaygida j xal fj AaßgaxoTOvgva xal dvYiy- fol. 195»^
yeiXav ngbg tov ßaoiXiav, Sti 6 TXijgog 6 Xeixpa^ovyyiog fiexä
Tgi^iov TOV xojurjTog ißovXevoavTO xaTct Ttjg ßaaiXelag oov,
äxovoag Ös 6 ßaaiXevg KfJTog ehze ngbg tr/v Svvayglöa' Wevöibg lo
ävfiyyeiXeg, JSvvaygida, ngbg Tfjv ßaaiXelav /Jiov.
euMg yovv i^em^dtjoev xal 6 xvgig *Ofivdiog fJLerd juavgrjg
oxoXrjg Tovg Xöyovg änoxgivöfievog' Mä, tov ädeXg)6v fJLov tov
KaXafxdgiov xal Tbv ävetpiöv fxov tov Ktbviov xal Tbv av/me-
&€g6v fjtov Tbv Tldyyovgov , äXrjd'CÖg E(p7j fj 2vvaygida xal fj 15
AaßgaxÖTOvgva ngbg ttjv ßaoiXeiav oov.
6 di ßaoiXevg KfJTog ngbg Tovg nageoTonag ecprj' Zeßaaxe
ZTdxe xal Ovwa xal f BSoxave, ngoxa&ijfjLeve xov ßeoxiagiov,
t Bagoafiixov[ivB xal Inag^e Tovgva, "Yoxa xal ^iXö/jirjXa,
*A&egTva xal Tgvyöva, *Plva xal Bdxe, ot xal xdg ßißXovg xga- 20
Abweichende Lesung der Handschrift (von itazistischen Fehlem und
falschen Akzenten ist nur notiert, was in irgend einer Beziehung von
Bedeutung sein könnte): Titel '0 oxpaQoXoyog \\ 2 TxsX<plvov \ ogxivov |,
3 :iQ(OTootdtoQog] XoTogatagog | 4 yfijaiov \ xeoaagos \\ 5 otaxiov ; ootqo-
iiw II 7 XavQ<v<6xovQva || 12 dfAldiog Ü 16 XavQanoxovQva |! 19 iiax^ | (pM-
fwla \ 20 XQiyatva \\
362 K. Krumbaeher
Jette, HQlvare jiQog ainovg, xad(bg 6 xvgtg *0/jtvdiog iq^ey^oxo,
xai l^exdoere x6 äXrj^ig,
ol dk ehiov' 'Hjueig, (b dionoxa, iel rt^v dixalav x^iv
^eXovreg Xoinov Ixerevofih ooi tov ngoaxd^ai xal iX&eXv toiv
25 ägxovrag xal fjyefiövag,
TiQoard^avxog ovv rov ßaoiXi(og xal elaeX^ovxmv rcbv igxov-
T(ov naQioxavxo yovv ol roxägioi xal ol nagdßiovai, 6 Kovßldig
xe xal FaXea, ^ Zagydva xal ^ TExyagig, ij "EyQaifXtj xal ^
fol. 195^ Kovx^ovgTva, fj Äaxigxa xal 6 Av^vog, ' xö Sxognidtv, 6 *Ayta'
30 xöaxvXog, xd Zavgtdiv, x6 *AxiXi xal fj *Oafiag(da.
xal Tigooxd^ag 6 ßaoiXevg Kfjxog S<pegav xbv T^fjgov fietä
xXoxCdxcov xal f xv/ijiavioxgicüv, äXXä dt] xal xov ngaixoga Ma^bv
xal Tgi^eov xov xd^rixa xal axa&evxeg elg xd fieaov o xe Tgix^og
xal 6 MaCog ehiav xd dXtj&hg, öxi 6 TXfjgog nagib^vvev fifiäg.
35 eine de ngog avxovg 6 ßaoiXeug Kfjxog' *AXri&a>g ehuv 6
T^YJgog ö Xeitpa^ovyyiog, 8xi fj Zvvayglda {xal) fj Aaßgaxoxovgva
y>evdcbg ävijyyeiXav xrjv ßaoiXelav aov;
exga^av xal ebiav ol judgxvgeg, öxi fxäXXov xpevdibg ivfiy-
yeiXev 6 TCfjgog xfj ßaoiXelq, oov.
iO äxovoag de 6 ßaaiXevg Kijxog xal dgioag ßAexä t^vjtwv
jtieydXov ijcpeQav tpaXidiov xal exoxpe xd yeveiov xov T^ijgov xal
eßaXe (pojvi]v fieydXrjv fiexd xXav&fxov 6 TXijgog xal ehiey'
\AvdüefJLd ae, Zvvaygida, xal dvd'^efxav xd yevog oov, xal ijidgag
xd yeveiov avxov ijirjyev xal Idei^ev xo xdv ädeX(p6v xov xov
45 Tgixiov, Kai Idibv avxdv exXavoev Tiixg&g xal ddvvrjgibg xal
eljie' 0ev xd xl ejia^ev 6 ädeXq)6g fiov 6 T^rjgog,
xöxe ixaxrjgdoaxo xdv T^fjgov 6 ßaoiXevg xal elnev' 'Ajid
xov TiTcoxov xd oxojLia ßii] iyXvaijg, T^fjge, xal ^ re/ijj oov vd
erat avxd, xd Xeyovv (pöXiv, xal ojid xXoxCdxayv xal cog xXoxCdxo
50 xal äjid ßgcofÄiageag jlit] lyXvof^ig, TCfjge, T^rjge!
xal ev&vg xgd^avxeg ol Ix&veg äna^ änavxeg ehiaV Elg
noXXd exTj, deonoxa!
21 Sfiidiog 22 i^haoe | 23 ei Sk ehiov \\ 24 f. zovg ägz(ov ! 27 oi
rovoLQioi \ 29 ftovrCovQi^va | dvtaxoaxv^^ I 30 oatpQtdrfv ', oafiagida 33 tqi-
XaiMV I XQiHEoyg 34 fidl^og i| 36 nal habe ich erfifänzt \\ 45 xQtxoXov \ 66vvi}'
Qog 48 eyXvoig 49 xXox!^diov xai d>g xXorCcLTco , 50 iyXi/jatg.
Das miitelgrieehisehe Fiachhuch, 363
2. Deutsche Übersetzung.
Das Fischbuch.
unter der Regierung des allerdurchlauchtigsten Walfijsches
und unter dem Prokonsulat des hochansehnlichen Delphins,
unter dem Beisitze des Grossdomestikos Thunfisch, des Proto-
stators Schwertfisch, des Mundschenken Meeräsche, des Schatz-
meisters Scholle, des Eaesars Meerwolf, des Logotheten Wels,
des Kammerherrn Steinbutte und des Schlosshauptmanns Auster
da kamen der Zahnfisch und der Wolfhecht (?) und ver-
meldeten dem König: ^ Makrele, die fettlose, und Graf Sardine
haben sich gegen Deine Majestät verschworen." Als König Wal
das vernommen hatte, sprach er zum Zahnfisch: „Falsch hast
Du, o Zahnfisch, meiner Majestät vermeldet **.
Da sprang sogleich Herr Miesmuschel im schwarzen Wams
hervor und erwiederte also: „Bei meinem Bruder, dem Tinten-*
fisch und meinem Neffen Kammmuschel und meinem Schwager
Krabbe, wahrheitsgemäss hat der Zahnfisch und der Wolfhecht
zu Deiner Majestät gesprochen**.
Nun sprach König Wal zu der Versammlung: „Sebastos
(Erlauchter) Hummer und Thunfisch und Du, Obergarderobier
t Boskanos, Du f Barsamos-chumnos und Du, Gerichtspräsident
Hecht, Du Stör und Seebarbe, Aehrenfisch und Stachelroche,
Meerengel und Punktroche, die Ihr auch die Gesetzbücher
bewahret, erwäget bei Euch, wie Herr Miesmuschel gesprochen
hat, und untersuchet die Wahrheit**.
Sie nun sprachen: „Wir, o Herr, wollen stets ein gerechtes
Urteil und flehen Dich also an, zu befehlen, dass die Mag-
naten und Oberrichter kommen!**
Als nun der König befohlen hatte und die Magnaten ein-
getreten waren, stellten sich zur Seite die Sekretäre und die
Leibwächter, Gründling und Neunauge, Meernadel und Squillen-
krebs, Sardelle und Stumpfroche, Stöcker und Himraelschauer,
Drachenkopf, Hundsstör, Stachelmakrele, Aal und Stint.
Und auf Befehl des Königs brachte man die Makrele mit
Fusstritten und KnüttelschLägen, dazu auch den Prätor Kabeljau
364 JL Krumba^Aer
und den Grafen Sardine, und nun traten Sardine und Kabeljau
vor und bekannten die Wahrheit: ,» Makrele hat uns aufgewiegelt*.
Nun sprach zu ihnen König Wal: «Hat Makrele, die
fettlose, mit Recht behauptet: ,Zahnfi8ch und Wolfhecht haben
Deiner Majestät falsch vermeldet?^ "^
Da riefen die Zeugen laut: „Vielmehr hat Makrele Deiner
Majestät falsch yermeldet*.
Da König Wal das hörte, befahl er in grossem Zorne,
eine Schere zu bringen und schnitt Makrele den Bart ab.
Und Makrele erhob unter Wehklagen ein grosses Geschrei und
sprach: «Fluch Dir, o Zahnfisch, und Fluch Deinem Geschlecht*.
Und sie hob ihren Bart auf und ging und zeigte ihn ihrem Bruder
Sardine. Und da er ihn sah, weinte er bitterlich und schmerzlich
und sprach: «Wehe, was ist meinem Bruder Makrele begegnet!'
Darauf verfluchte der König die Makrele und sprach: «Des
Armen Munde sollst Du nicht entgehen, Makrele, und Deine
Ehre (auch = Dein Preis) soll sein, was man einen FoUis
nennt, und den Fusstritten auf Fusstritte und dem Gestank
sollst Du nicht entgehen, Makrele, Makrele'.
Und sogleich riefen alle Fische zusammen: «Auf viele
Jahre, o Herr!*
Mit Absicht folgt die Übersetzung, die eine aiisführlichere
Erklärung ersetzen soll, dem Original ganz wörtlich. Daher
habe ich auch das unbeholfene Gestammel des Griechen ohne
Ketouche wiedergegeben und darauf verzichtet, durch künst-
liche Mittel den durch die Verschiedenheit des Genus der Fisch-
namen im Deutschen entstehenden Widerspruch zu beseitigen,
öo mag man den «Herrn« Miesmuschel und die mit einem
l*art ausgestattete Makrele entschuldigen. Der Grieche hat
sicli einigemal geholfen, indem er Neutra ganz frei zu Mas-
aürrV^'''''^'^^''*^ CO/^^'^^«^» KaXa^Ädgio^, Kxivio^, Kovßidi,);
'.nZr.yir^^^^''' ^'^^^'^) is* als Masculinum gedacht. Bei
nur ?m a T '"^ ^'' ^""^^^ ^^^^''^^ vermieden, dass sie
Aber die r vorkommen (Wfjooiov, AaßQaxiov u. s. w.).
ihrer PorniT 1 ^"^ Feminina und Neutra hat der Autor in
Männern besteh^rd^'gel'actt^^ Gerichtsversammlung als aus
Ba8 nnUelgrieehMehe Fischhuch. 365
m.
Bemerknngen zum Texte.
Hier werden folf^ende Abkürzungen gebraucht:
Apostolides — Apostolides, La pßche en Grece, Athen 1883 (nur durch
Vermittelung von HoflFman- Jordan benützt).
Aristotelesindex = Aristotelis opera edidit Academia regia Borussica.
Vol. V. Index Aristotelicus. Berlin 1870. Auf die schon bei Hoff-
man- Jordan verwerteten Stellen des Aristotelesindex habe ich nicht
mehr verwiesen.
Aubert-Wimmer — Aristoteles Tierkunde. Kritisch berichtigter Text
mit deutscher Übersetzung, sachlicher und sprachlicher Erklärung und
vollständigem Index. Von H. Aubert und Fr. Wimmer. Zwei Bände.
Leipzig, W. Engelmann 1868. Die Zitate beziehen sich auf Bd. I.
Bikelas — Sur la nomenclature moderne de la faune grecque par
D. Bikelas. Annuaire de TAssociation pour Tencouragement des
^tudes grecques 12 (1878) 208^237.
Erhard — Fauna der Cykladen. Von Dr. Erhard. Erster Teil. Die
Wirbeltiere der Cykladen. Leipzig 1858.
Heldreich — La faune de Gr6ce par Th. de Heldreich. Premiere partie,
Animaux vert^br^. Athenes 1878.
Hoffm an -Jordan — A catalogue of the fishes of Greece, with notes
on the names now in use and those employed by classical authors.
By Horace Addison Hoffman and David Starr Jordan. Proceedings of
the Academy of natural sciences of Philadelphia 1892, S. 230—285.
Ideler — Physici et Medici Graeci minores ed. J. L. Ideler. 2 voll.,
BcrUn 1841-1842.
KoraesXenokr. — SevoxgdTovs xai raXrjvov TIsqI trjg cbio tc5v evvSqcov
xQotpij^. Ed. A. Koraes. Paris 1814.
Kyraniden — F. de M^ly, Las lapidaires de Tantiquitt^ et du moyen-ä-ge.
Tome IL Paris 1898-1899 (s. oben S. 357).
366 K. Krumhacher
Legrand — E. Legrand« Dictionaire grec moderne fran9ais, Paria 1^.
0 = Opsarologoa (vgl. S. 361).
P -- Porikologos (vgl. S. 348).
Prodromos — Theodoros Prodromoa Gedicht gegen die Äbte ed. Legrand,
Bibl. grecque vulg., vol. I (Paris 1880) 52-76.
Rhousopulos — Rhousos A. Rhousopulos , Wörterbuch der neugrie-
chischen und deutschen Sprache, Leipzig IdOO.
Seth — Simeonis Sethi Syntagma de alimentonim facultatibua edidit
BernharduB Langkavel. Bibliotheca Teubneriana. Leipzig 1868.
Vlachos — Angelos Vlachos, Ae^inov 'ElXijvoyaXXixöv, Athen 1897.
Zeile 1. KrjTov, Bei der Wahl der vulgären Genetivendung
'Ov spielte wohl auch die Absicht mit, das Krjxog als Masculin
zu personifizieren. Noch im vulgärgriechischen Physiologus
(ed. Legrand, Annuaire de TAssociation pour Tencouragement
des et. gr. 7 S. 251 f.) ist xfjzog nach der alten Weise dekliniert
{IIfqI xov xi]Tovg). Zu 6 yivog, 6 'däggog u. s. w. vgl. Hatzi-
dakis, Einleitung in die neugr. Gr. S. 354 ff.
Z. 2. 'Oq}{i'vov. Aubert- Wimmer 137 halten des Aristo-
teles oQHvveg, über deren Identität mit oqxvvoi (Nom. 6 ÖQxtn'Os,
z. B. Aelian I 40, Athenaeus VII 98, Koraes Xenokr. Index s. v.)
kein Zweifel zu sein scheint, für unbestimmbar. Meine Über-
setzung „Thunfisch" beruht auf Sostratos bei Athenaeus VII 66
und Hoffman-Jordan S. 256. Nach Apostolides besteht der
Name noch heute in der Form oQKvvog, In den neugriechischen
Wörterbüchern und bei Erhard und Heldreich fehlt der Name.
Z. 3. jiQcoToordroQog statt des ganz unsinnigen überlieferten
XoxoQinaQog wird durch P Z. 4, wo der 7iQ(DTooTdToyQ ebenfalls in
der Eröffnungsformel vorkommt, sicher gestellt. Die ursprüng-
liche Form ist das in den byzantinischen Geschichtsquellen
übliche jigonooTodKoo (wie orgaTcoo); aus ihr hat sich, wobei
wahrscheinlich sowohl dissimilatorische Neigung als Anlehnung
an 'OTUTijg u. s. w. mitwirkten, die bequemere Form jtqwto^
OTUTWQ gebildet. Einen steinernen Beleg der Form bietet die
neulich von G. Soteriades, *EjiETf]oig rov UaQvaaoou 7 (1903)
211, edierte metrische Inschrift des Michael Zorianos (um das
Das miUelgrieehische Fisckbuch. 367
Jahr 1300). Über die Bedeutung des Wortes vgl. Du Gange
s. T. üiQixiOQ^ der jedoch die sichere Nebenform TtQoyxoaxdxioQ
nicht erwähnt. Die Verderbnis unserer Hs ist vielleicht durch
Falschlesung der abgekürzten Schreibung aardroQog entstanden.
Z. 3. Ks<pdXov. Vgl. Seth 59, 15 ff. Manuel Philes, De
anim. proprietate edd. Lehrs et Dübner V. 1623 ff. Heldreich 82.
Hoffinan-Jordan 250 ff. Vlachos s. v.
Z. 3. Tov biLxeQvr}, Durch Anschluss an inl-'xeQdvvvjLLi
(vgl. 6 btl TOV xegdofiaxog) volksetymologisch gräzisierte Form
des älteren niyxeQvrjg (aus lat. pincema). Vgl. Du Gange s. v.
myxiQyrjg.
Z. 4. WTjaoiov, Bei Seth 123, 15 ff. und anderen Späteren
die nur orthographische Variante y^tjoiov. Daher auch ngr.
besser mit Vlachos yjtjooi, nicht mit Legrand xprjol zu schreiben.
Vgl.Aubert-Wimmerl44f. AthenaeusVII139. KoraesXenokr.48
u. ö. (s. den Index s. v.). Prodromos V. 99, 163, 236, 426,
433, 573. Hoffman-Jordan, Index s. v. iprjxxa,
Z. 4. Xoyagä, Das nirgends bezeugte Wort ist offenbar
unmittelbar von koydgiv (Geld) nach Analogie von C^vagäg
(zu CfovaQiv) u. s. w. gebildet, eine vulgäre Kurzform des
offiziellen byzantinischen Xoyagiaaxi^g (xfjg avkfjg) mit gleicher
Bedeutung.
Z. 4. Aaßgaxlov, Ngr. xo Xaßgdxi, Vgl. Aubert- Wimmer
134. Aelian ed. Hercher I 30. Athenaeus Vü 86. Seth 63, 5 ff.
Prodromos V, 87. Manuel Philes a. a. 0. V. 1813 ff. Erhard 87.
Heldreich 80. Hoffiuan-Jordan 259.
Z. 4. rXaviov. Die Form setzt den sonst nur noch in
den Kyraniden S. 106, 10 belegten Nominativ yXdveog voraus.
Die alten Formen sind yXdvig, -idog -log -ecog. Als neugriechische
Formen werden ykdvog, yXavög, yovXiavög, yXavldi notiert. Vgl.
Aubert- Wimmer 126. Aelian XII 14. Koraes Xenokr. 78; 210.
Heldreich 89. Bikelas 227. Byzantios s. v. yovXiavog, Über die
I)eutung als Wels (franz. silure) vgl. Aubert- Wimmer 126
und Hoffman-Jordan 241. Legrand übersetzt, ich weiss nicht
warum, yXdvog mit „carpillon aux yeux rouges".
i
368 JT. Krumbather
Z. 5. Zvaxiov. Agr. ava^. Das Deminutiv avAxiov z. B.
bei Seih 100, 5 fiPl Ngr. avdxi. Nach Ylachos, Legrand, Rhou-
sopulos = Steinbutte. Die Gleichung ovdxi = oeXaxi (Roche)
bei Bikelas 229 ist demnach unrichtig. Bei Heldreich und
Hoffman-Jordan fehlt das Wort.
Z. 5. *OaTQ£idiov. Vgl. Aristotelesindex s. v. öatgeov. So
sehr bei der Herstellung vulgärgriechischer Texte, wo nicht
selten wohlberechtigte Formen korrigiert werden, strenger Kon-
servatismus geboten ist, so kann doch mit Sicherheit gesagt
werden, dass das überlieferte ootQodlov unmöglich richtig sein
kann. Es handelt sich um ein in alter wie neuer Zeit gemein- «
griechisches Wort, in dessen Formen das -o- unerklärlich wäre.
In den Beispielen bei Hatzidakis, Einleitung S. 340, handelt es
sich durchwegs um Komposita. Die Brücke zwischen agr.
ooxQEiov, SoTQEov Und ngr. axgeidi kann nur ootgeidiov sein.
Z. 7. Hvvaygida. Die ovvaygk, die in unseren Wörter-
büchern noch immer in unverdienter Anonymität fortlebt (im
Thesaurus „piscis nomen", darnach bei Passow, Pape, Jacobitz
und Seiler u. a. „ein Meerfisch*), lässt sich so gut wie vöUig
sicher bestimmen. Es ist der dentex vulgaris, Zahnfisch, dente.
Vgl. Aubert- Wimmer 140. . Heldreich 185. Hoffman-Jordan 267.
Vlachos s. V.
Z. 7. AaßQaxorovQva. Klar sind die Elemente {lAßga^
Meerwolf — xovQva Hecht), nicht aber die Bedeutung des
sonst nirgends belegten Wortes.
Z. 8. TCfJQog. Das schon bei Prodromos V. 199 vor-
kommende Wort (xal xCiQovg dexanivxe) bedeutet heute die
kleine getrocknete Makrele. Koraes Xenokr. 82, 210 erklärt
das Wort aus agr. xriglg oder xiQig, Vgl. Koraes, "Atanra I 74
(über TOiQog = siero del latte, aus xiggog), Dr. Amantos ver-
mutet Zusammenhang mit itjgog (Zurückziehung des Tones
durch Substantivierung und f > ra wie in k^dxpXoiov > raanphy
Mir nicht wahrscheinlich. Heute ist die Schreibung xoi}goQ
üblich. Vgl. Byzantios s. v.
Z. 8. keiii^a^ovyyiog. Das mittel- und neugriechische Wort
für „Fett* entstammt der latein. > Wagenschmiere*, «axungia*.
Das mitUlgrieckische Fischhuch, 369
Vgl. Du Gange s. v. ä^ovyyiov. Die ngr. Form ist ^vyyi.
Unser Kompositum ist Hapaxeiremenon, hübsch gebildet nach
Wörtern wie keixpoaiXtjvov, Xeiy^d'^gti, Xelxpavdqog. Über das
von solchen Wörtern neugebildete Adjektiv Xeitpög = iilEiJiTJg
?gl. Hatzidakis, BZ. 2 (1893) 253.
Z. 9. Tgixiov, Dem alten tQtxlag steht ngr. tgtxidg ähnlich
gegenüber wie xoxXtag zu xoxXiögj xoXlag zu xoXiög (Amantos).
Unser Gknetiy jgtxiov setzt eine Zwischenform 6 tgixiog voraus,
die in 0 selbst Z. 33 (xQixicog geschrieben) und in den Eyra-
niden S. 272 belegt ist {TPIXE02, im Index wohl unrichtig
^iieog statt xQixiog akzentuiert). Ylachos bietet als ngr. Formen
ij TQixla, 6 TQixiag» 6 tgixiog, Legrand nur 6 tqix^^\ ^i© wahre
volkstümliche Form ist aber wohl nur TQixiog. Zur Bestimmung
vgl. Aubert-Winmier 141. Hoffman- Jordan 243.
Z. 12. 'Ofivdiog. Dem agr. fAvg ,, Miesmuschel*' (vgl. Aristo-
telesindez s. v.) steht ngr. rd javöi (in der gleichen Bedeutung)
gegenüber. Als mgr. Form zitiert Du Gange aus £ustathios
Od. J 89 oßivdiov, offenbar nur falsche Schreibung für djuvdiov,
das bei Seth 81, 11 (rd dk Xeydfisva dfAvdia) richtig steht. Das
Wort steckt auch im Kompositum iaxQeidofivdijl^ia bei Prodro-
mos V. 344. Zum prothetischen o- vgl. Hatzidakis, Einleitung
S. 329. Im Fischbuch ist öfiiöiov zur Verdeutlichung der Personi-
fizierung masculinisiert wie 6 KaXafidqiog, 6 Kteviog, 6 Kovßidig,
Z. 14. Kreviov. Vgl. Aubert-Wimmer 178. Seth 81, 8.
Prodromos V. 345. Heldreich 84. Bikelas 226. Hoffman- Jor-
dan 271. Es ist nicht klar, ob das Wort im 0 die Eammmuschel
oder xyrichthys bedeutet. Vlachos, Legrand, Rhousopulos
notieren für xxivi (sehr. ;uT€rt) nur die erstere Bedeutung.
Z. 15. ndyyovQov. Nasalierte Form des Wortes, das so-
wohl agr. als ngr. gewöhnlich ndyovQog lautet. Eine strenge
zoologische Bestimmung kann ich nicht geben. Aelian VI 31
betrachtet die ndyovQot als Seetiere; vgl. IX 43. Nichts hilft
zur Bestimmung Athenaeus VU 108. Seth 83, 15 betitelt ein
Kapitel flegl nayoiQuov^ beginnt UayovQia ijzoi xagxivot und
unterscheidet dann sowohl See- als Yluss-xagxivoi, Dagegen
unterscheidet Galen (s. den Thesaurus s. v.) die ndyovgoi von
1M8. aiUgsb. d. philos.-philo]. o. d. hist Kl. 25
370 JT. Krumbaeher
den xaQxiroi. Prodromos V. 342 stellt sie mit den doraxoi
zusammen: ^oraxobg xal cüqdo. nayovgia. Im Aristotelesindei
wird ,p Cancer pagurus* übersetzt. Für die entsprechenden ngr.
Wörter werden verschiedene Bedeutungen angegeben: niyovgo;
heisst heute nach Ylachos pagure, poupart (Taschenkrebs), nach
Legrand aber homard; nayovgi nach Ylachos [crabe] tourteau
(Taschenkrabbe), nach Legrand ecrevisse de mer, nach Rhou-
sopulos Seekrebs, nach Byzantios cancre, poupart, pagurus.
Eine übertragene Bedeutung von nayovgi ist Feldflasche.
Z. 18. 2!t(ixe. Die genaue Bedeutung des alten doroxoc
scheint nicht völlig sicher zu stehen. Der Thesaurus übersetzt
„homard*. Ebenso Aubert-Wimmer 152. Aristotelesindex:
homarus sive astacus marinus. Vgl. Seth 25, 3 ff. Kyraniden
S. 104 und 267. Das ngr. oiaxdg bedeutet nach Vlachos
eigentlich die langouste, wird aber gewöhnlich falschlich Yom
Hummer gebraucht. Legrand notiert nur die letztere Bedeu-
tung, Byzantios: homard, ecrevisse de mer (la grande). Ganz
falsch ist die Erklärung von Du Gange „piscis ex aspratilibus',
wie schon der Zusammenhang zeigt, in dem das Wort in der
von Du Gange angeführten Stelle des Prodromos (V. 342 ed.
Legrand) steht: 6^ ßÄt] tpcofxitCiv xal xgaoCv, araxohc xal (bgtjä
nayovQia. Die überlieferte Akzentuierung ZxdxB beruht wohl
auf dem Bestreben, das Wort zum Eigennamen zu stempeln und
htängt mit der bekannten Zurückziehung des Akzents bei der
Substantivierung von oxytonen Adjektiven zusammen. Freilich
ist in 0 Z. 84 auch jndCog (dagegen Z. 32 juaCdv) akzentuiert.
Z. 18. evvva. Vgl. Aubert- Wimmer 128. AelianXV3-6.
Athenaeus VII 63 ff. Hoffman- Jordan 254 ff. Bezüglich der
wahren ngr. Bezeichnung des Thunfisches herrscht in der Lite-
ratur einige Verwirrung. Nach Heldreich 81, Bikelas 226,
Hoffman-Jordan a. a. 0. ist sie xovviva oder roviva; dagegen
notieren Vlachos und Legrand S &vvvog, Vlachos ausserdem
Torroc, Logrand rj 'dvvvrj und xovira. Da aber Jannarakis
s. V. Thunfisch als Vulgärformen nur xovvvog, xovvviva notiert
wird man fhvvvoc:, {^vvv}] im Ngr. wohl als reine mots savant^
ansehen dürfen.
Das mittelgrieehische Fischbuch. 871
Z. 18. f B6axav€. Weder die zoologische Literatur noch
die Lexika brachten mir eine befriedigende Lösung des Rätsels.
Anastasieviö zog einen angeblichen ngr. Fischnanien ^fwaxdgi'
9 Meerkalb'* bei, den ich nicht kenne und in den Lexika nicht
finde. AmantoB und Salomon verglichen agr. ßooxdq^ nach
Dioskorides (s. den Thesaurus) ein klebriger Fisch.
Z. 19. f Bagoa/xixov/i^vs. Mir völlig dunkel. Nach dem
Zusammenhang scheint in BdQoafie ein Amt zu stecken. Xovfivog
ist ein byzantinischer Familienname, und man könnte vermuten,
dass er von einem seltenen Fischnamen genommen sei. Amantos
meint, vielleicht stecke im zweiten Wortteile der agr. Fisch-
name x&wog (auch x6yvv\^ ;|rdvva; s. den Thesaurus).
Z. 19. inaQxe. Über die Stellung des Eparchen als Gerichts-
beamten vgl. Zachariae von Lingenthal, Geschichte des griechisch-
römischen Rechts* (1892) S. 365 ff.
Z. 19. TovQva, „Hecht*. Fehlt auffallender Weise bei
Erhard, Heldreich, Hoffman- Jordan. Bikelas 230 zitiert das
Wort aus einer alten Reisebeschreibung von Belon. Dagegen
wird TovQva mit der Bedeutung „Hecht** (brochet) überein-
stimmend von Ylachos, Legrand, Rhousopulos gebucht. S. die
Notiz zu Z. 7.
Z. 19. ''Yaxa. „Stör* (?). An das Wort knüpfen sich ver-
schiedene Fragen. Ln Thesaurus wie auch bei Du Gange er-
scheint voxa mit der doppelten Bedeutung „Zunder** und „ein
Fisch", der bei Du Gange nach Martinus Bogdanus als „Stör**
definiert wird, ich weiss nicht, aus welchem Grunde; denn die
Hauptstelle, das Kapitel Ilegl voxaq bei Seth 111, 10 ff., ge-
währt keinen genügenden Anhalt für diese Übersetzung, deren
Richtigkeit auch Eoraes Xenokr. 205 bezweifelt. Bei Erhard,
Heldreich, Bikelas, Hoffman -Jordan fehlt das Wort. Eine
weitere Frage ist, wie sich voxa „Zunder" zu vaxa „Stör"
Terhält. Da auch lat. „esca" im Sinne von „Zunder" belegt
ist, kann man vermuten, dass das griechische Wort in der
Bedeutung „Zunder" aus dem Lateinischen genommen und also
(mit Vlachos) ^oxa zu schreiben sei. Darnach ist bei Pro-
dromos V. 99 und 426 voxag st. To;^«^ zu schreiben, wie schon
25*
372 K, Kfumbadker
Koraes a. a. 0. andeutet Das ox in dieser Schreibung wie
in der des 0 (Escor.) (^o^a) beruht auf derselben Inversion
wie vax<i in einem Codex des Seth a. a. 0.
Z. 19. 0ii.6fxriXa. Nach dem Thesaurus ist (pdofii^ia =
xoxxv^ (piscis). Seth 118, 6 ff. hat die Form ipikofiißti, £me
grosse Rolle spielen als leckere Klosterkost die tpdofirila und
(fikofAfiXitlia im Gredicht des Prodromos (V. 87, 168, 236, 433,
574). Byzantios notiert <pdofirila espece de rouget. In den
anderen ngr. Wörterbüchern und bei Heldreich u. s. w. fehlt das
Wort. Den abweichenden Akzent in 0 wollte ich nicht ändern.
Z. 20. ^A^EQlva, Agr. A&eQiva und ä^egivj]. Nach den
Wörterbüchern ein „schlechter, grätiger Fisch*, Aubert-Wim-
mer 124 übei-setzen: atherina hepsetus. Ebenso der Aristoteles-
index. Das Wort ä^egiva scheint noch heute volkstümUch zu
sein. Vlachos notiert als Bedeutung ^perlan, Legrand halvet,
ej)!, Khousopulos Ahrenfisch. Heldreich 82 bietet nur die
Formen ä^^egirög und ä&egvog = atherina hepsetus. Hoffinan-
Jordan 252 f. nur ä^egha mit derselben Erklärung wie Held-
reich. Prodromos V. 176 erwähnt ßieydXaig äd-egiraig,
Z. 20. Tgvyova. Agr. rgvyciv, 6vog Turteltaube; Stachel-
roclie. Vgl. Markellos Sidites Ilegl rgvyovog etc. (Ideler I
135 ff.). Manuel Philes IIeqI rgvyövcov 'äalaoolcov, De anim.
propr. V. 1832 ff. Kyraniden S. 119. Hoffman-Jordan 235 ff.
240. In den ngr. Lexika fehlt TQvydvi in der Bedeutung , Fisch';
nur Byzantios notiert (eldog xpagiov) lie Agaxovi und s. v.
dgaxövi: dragon de mer, Tgvyaw (17 ^alaoala) CÖky y^evoco,
äVf xa&üjg Xeyei 6 raCfjg, övofidCstai xal tjyv arjjuegov äxo/itrf
Igvyovi) raie (la venimeuse). Damach wäre also xgvydvi in
der Bedeutung , Fisch* wohl volksetymologisch zu dgaxon
geworden. Dass aber die Form jgvyova noch heute von einem
Fisch gebraucht wird, bestätigt, worauf mich Amantos hin-
weist, Protodikos, ^Ad/jvaiov 8, 285: ^xgvydva, ovtü} xaX^tai ir
IJugcp xal ^LjuvQvtj elöog xi oekaxiov'*^ (also eine Rochenart).
Auch Apostolides (bei Hoffman-Jordan 240) führt aus Faros
diesen Fischnamen an, doch in der schriftsprachlichen Form
xgvyihv.
Das mittelgriechische Fischbuch. 373
Z. 20. 'Piva. Aubert- Wimmer 147. Athenaeus VE 112.
Koraes Xenokr. Index s. v. Bikelas228: §lva (ngr.) raja flos-
sada. Ho£fman -Jordan 236: §lva (ngr.) squatina squatina.
Bjzantios: §iva . . . raie (boucl^e), ange, angelot. Ylachos,
Legrand, Rhousopulos geben nur ^ivrf (§ivi) = Feile.
Z. 20. Bäte. Vgl. Aubert- Wimmer 145 f. und 147. Athe-
naeus VII 26. Koraes Xenokr. 196 ff. Ngr. 6 ßdxog und t6 ßaxL
Bjzantios s. y. ßdxog: raie, ronce (Stachelroche). Hoffman-
Jordan 237 f.
Z. 21. 7iQ6g avxovg ist wohl reflexiv = ngög iavxovg zu
fassen, ähnlich wie Z. 44 atfxov im reflexiven Sinne gebraucht ist.
Z. 24 f. Tovg ägxovxag xal fiyefiovag. Vgl. Du Gange s. v.
Zu den äQxovxeg auch Zachariae von Lingenthal, Qesch. d.
griechisch-römischen RecTits' S. 265, 267.
Z. 27. voxaQioi. Zur Not könnte man das überlieferte
xovdotoi als eine volksetymologische Metathese von voxdgioi
betrachten. Über voxdgiog = ygafAfjiaxevg vgl. Du Gange.
Z. 27. ol nagdfiovai. Scheint eine volkstümliche Mascu-
linisierung statt al nagafxoval (Leibwache). Vielleicht hat der
Autor ol jiagdßAovoi geschrieben.
Z. 27. Kovßidig. Agr. xcoßiog mit dem Demin. xwßldiov
Gründling. Vgl. Aubert-Wimmer 134. Athenaeus VII 83.
Seth 59, 21 ff. Prodromos V, 574 (xcoßidia). Eine sonst unbe-
kannte Form in den Kyraniden S. 112, 7: Ilegl KQBIQN fjxoi
KOBENQN (daraus im Index fälschlich ein Nominativ xoßEvg ou
'^oßiog), Heldreich 86. Hoffman-Jordan 274 f. Als ngr. Form
geben Vlachos und Legrand yovßldi, Heldreich ycoßiög und
y^oxoßtdg^ Apostolides (bei Hofiinan-Jordan) xcoßiog und ycoßiog.
Zur Form 6 xovßidig vgl. die Notiz zu Z. 12.
Z. 28. FaXia, Agr. 6 yaleog und t) yaUrj. Aubert-Wim-
mer 146. Koraes Xenokr. Index s. v. yakeög und yaXea. Pro-
dromos V. 574. Ngr. ij yaXeid Neunauge. Heldreich 91.
Bikelaa 228. Hofiman-Jordan 234.
Z. 28. Zagydva. Agr. CcLoydvrj angeblich gleich oagydvrj.
Thesaurus. Vgl. auch Du Gange s. v. Cf^gydvrj^ und Koraes
Xenokr. S. 206. Ngr. ^ C^igydva Meeraadel. Vlachos. Legrand.
374 R, Krumbacher
Vgl. Hoffinan*Jordan 249. Das Verhältnis zu oagylvog und
aagydg ist unklar.
Z. 28. ^ExyaQiq. Zur Deutung des Wortes hilft agr. xaw;
Squillenkrebs. Vgl. Auberi^ Wimmer 152 f. Seth 60, 6 ff. Koraes
Xenokr. 191; 193. Kyraniden S. 112; 306. Hoffman-Jor-
dan 269 übersetzt xaglde^ richtig mit »shrimps". Ngr. yaoida
crevette, ^crevisse, Krabbe, Flohkrebs (Vlachos, Legrand, Rhou-
sopulos). Unklar bleibt nur die Vorschlagsilbe ix.
Z. 28. ^Bygavlt}, Offenbar = agr. SyyQavXig, ecog. Suidas:
äq'vr]. ^ Ttagd tüjv jioXXdyv Xeyo^hvi iyygavXig. Koraes Xenokr.
168 f. Prodromos V. 98: fyygavXonaoxoqxiyov. Amantos ver-
mutet Zusammenhang mit yavgog^ was in Kephallenia ,eine
kleine Sardelle* bedeutet. NeoeXX. ^AvdXexra 2, 186.
Z. 29. KovT^ovgiva. Wohl komponiert aus xourCoc (xov-
raog) = stumpf, verstümmelt und dem Fischnamen giva (s. c),
nicht etwa aus x, -f- gig, giv6g; also etwa Stumpfroche. Das
Wort fehlt aber in den Wörterbüchern und der Hilfsliteratur
und ist also zoologisch nicht bestimmbar. Ein altes Kompo-
situm von giva ist givoßaxog.
Z. 29. Aaxegia. Ein offenbar nur zufallig früher nicht
belegtes (wenigstens im Thesaurus, bei Kumanudes, Sophocles,
Du Gange fehlendes) lateinisches Lehnwort. Lacerta heisst ausser
Eidechse auch ein der Makrele ähnlicher Seefisch, Stöcker.
Ngr. Xaxigda thon sal(S. Vlachos. Xaxigda et Xaxiidga thon
marinö. Legrand. Vgl. Koraes Xenokr. S. 60.
Z. 29. Avxvog. Agr. und ngr. in derselben Form. Held-
reich 81 erklärt: Uranoscopus scaber. Näheres bei Hoffman-
Jordan 272, wo das Wort, wohl ohne Grund, Xixvog geschrieben
ist. Vgl. Koraes Xenokr. S. 69. Vlachos erklärt Xvxvog rat
de mer.
Z. 29. 2!xogmdiv, Schon agr. oxognlog und axognk be-
deuten ausser „Skorpion* auch einen Fisch (vgl. Aubert- Wim-
mer 140), ebenso ngr. axogmog, axognlva und axögnaiva =
scorpaena scrofa. Heldreich 86. Hoffman-Jordan 274. Vlachos
s. V. oxöpTiaiva.
Das müiehjriechisclie Fisciibuch, 375
Z. 29. 'AvtaxooxvXos. Nirgends zu belegen und zoologisch
nicht bestimmbar. Das Wort ist offenbar Kompositum aus
ävraxmog (sturionum maxima species, acipenser huso. Thesaurus)
und axvlog. Zur Schreibung -axtilog vgl. die Notiz S. 372 oben.
Zum Begriff «Hund** in Fischnamen vgl. ngr. oxvlörpaQov
chien-marin (Hundshai). Heldreich 91. Hoffman- Jordan 233 f.
Z. 30. ZavQldiv. Zu agr. aavqog^ über den Athenaeus YU
120 handelt; auch oavglg, tdog, nach Suidas sldog Ix^dtoif,
aavQog de 6 lx;dvg. Die Deminutivform schon bei Prodromos
V. 222: yu^ vavgio xäv aavglöiv. Ngr. aavgldi saurel, Vlachos,
Legrand; Stachelmakrele, Khousopulos; Trachurus trachurus,
Hoffman-Jordan 257.
Z. 30. 'Axeit. Ngr. gewöhnlich t6 xiXi (agr. iyxii'Biov).
Zur Erklärung des prothetischen a- vgl. Karl Foy, Griechische
Vokalstudien, Bezzenbergers Beiträge 12 (1886) 38 ff.; Hatzi-
dakis, Einleitung S. 325 ff. Vgl. Hoffman-Jordan 244 f.
Z. 30. *OajiAaQida, Agr. ij ofxaQig, löog „pusillus quidam
piscis* etc. Thesaurus. Auch Aubert- Wimmer 140 geben keine
sichere Bestimmung. Spätere Form fiagig z. B. Kyraniden
S. 115; 270. Im Ngr. besteht die Form ajuagida neben /ixagida,
Vlachos übersetzt picarel (= Stint), Legrand fretin, petit poisson,
Khousopulos Stint. „Smaris vulgaris C. Sfiagida ou Magida
(collectif pour toutes les especes)". Heldreich 85. Aehnlich
Hoffman-Jordan 267. Vgl. Aubert-Wimmer 140. Zum pro-
thetischen o- vgl. die Notiz zu Z. 12.
Z. 32. xXorCdTcov. S. Du Gange s. v. xkoT^äv, Die Ety-
mologie ist, m. W., nicht gefunden. Vielleicht besteht irgend
ein Zusammenhang mit it. calce, calza, wozu die Bedeutung
(«calcibus ferire*) gut passen würde. Orthographische Vari-
anten sind xlan^cb, xXanacb. Dagegen beruht die Schreibung
mit -öT- bei Prodromos V. 385 (ed. Legrand S. 66): nojg xorg-
toi/fovv ißjLvoara xal xqovoiv xal xkiooTara (Hs: xkomdra)
wohl auf einem Versehen des Schreibers und es ist xloTodia
in den Text zu setzen.
Z. 32. TVfjmavioTQiayv, Diese Form als Gen. PL von tv/u-
navirngia , Paukenschlägerin'' zu fassen, verbietet der Zusammen-
376 K, Krumbacher
hang. Zur Not könnte die Form als Gen. Plur. (mit Yer-
schleifung) eines Substantivs * rvßmavlarQiov (etwa = rvfimi'
via flog) erklärt werden; doch ist eine solche Bildung oline
rechte Analogie und wenig wahrscheinlich. So wenig nun
auch die überlieferte Form befriedigt, so bedenklich ist es«
tiefer eingreifend zu ändern und etwa xvßiTidvayv, rv/jmavuffim
oder Tvfjuiaviofxdxoiv zu schreiben. Leichter ist über die Be-
deutung des Wortes ins Klare zu kommen. Wie die ursprüng-
liche Form auch gelautet haben mag, das Stammwort xipi'
navov ist hier offenbar nicht als Musikinstrument, sondern in
jener schmerzlichen Bedeutung zu verstehen, die z. B. Lukian
im Sinne hat, wenn er {Kaxanlovg fj TvQawog Eap. 6) xok
ix tvßÄTzdvov nennt. Dass der Begriff , Prügeln* auch später
noch mit Tvjümavov und tvjLmavlCü) verbunden wurde, zeigen
die bei Du Gange angeführten Stellen.
Z. 32. MaCöv. Ein lehrreiches Beispiel dafür, welche
Raritäten im ngr. Wortschatze verborgen liegen. In der alten
Literatur konnte ich trotz allem Suchen keinen anderen Beleg
finden als die schon im Thesaurus verzeichnete Stelle des E pi-
charm (bei Athenaeus VII 119): ovvaygldag fia^ovg re m^v-
ödoj'idg t' ^Qv^QOTioixUovg.
Bei Kumanudes, Sophocles, Du Gange und in den von
mir benützten ngr. Wörterbüchern fehlt das Wort, und so
stellte ich schon Betrachtungen über die Quelle an, aus der
0 das Epicharmische Wort geschöpft habe. Da stiess ich in
der unerschöpflichen Fundstätte der alt- und neugriechischen
Ichthyologie, im Xenokrates des Koraes (S. 86) auf den Nach-
weis, dass fia^ög in der ngr. Volkssprache wenigstens noch zur
Zeit des Somavera^) (also um 1700) als Fischname gebräuchlich
war. Vielleicht besteht er dialektisch noch heute. Das alte
^) Die ungeheuere Seltenheit des unentbehrlichen Wörterbuchea von
Somavera, das z. B. ich trotz zwanzigjähriger Bemühung mir nicht ver-
schaffen konnte, trägt die Schuld, dass das in ihm gesammelte Sprach-
material in der Foiachung viel zu wenig benützt wird. Leider kann
ich es gegenwiirtipf auch nicht einsehen, weil es durch einen tückischen
Zufall iu unserer Staatsbibliothek nicht zu finden ist.
Das mittelgriechisehe Fischbuch, 377
fiaCdg wird, wohl ohne genügende Gewähr, mit /mCtvtjg und
fjiaCiag identifiziert und darnach „eine Art Kabeljau' übersetzt.
Z. 48. iyXvofjg. ^EyXvco wird im späteren Mittelalter in
demselben Sinne , entrinnen* gebraucht wie heute (und auch
schon damals) tyXvrcivco, yXvr(ov(o, Das letztere Wort kommt
aber auch in transitiver Bedeutung „erretten* vor, z. B. im
Spruche: 'Av fxe yXvxcborjg, vd, ßdXco rd Ifxdxidv aov, Krum-
bacher, Mittelgr. Sprichwörter, München 1893, S. 83. Einige
Beispiele für yXvoj zitiert Du Gange unter dem in yXvco zu
korrigierenden Lemma yXvCco. Ebenso ist dortselbst das Lemma
ylncovo) in yXvx<&v(o zu bessern. Zur Erklärung der Formen
Ygl. Koraes, "Araxra 1 (1828) 294 f.; 2 (1829) 92 f. Chatzi-
dakis, Uegl qy&oyyoXoyMwv vö/bicov, Athen 1883, S. 6. Über seine
gegenwärtige Ansicht schreibt mir Ghatzidakis: /H yvcö/urj fiov
eirat, Sri yXvr(6v(o nQorjX'&ev Ix rov jüteoaicovixov evXvröco
xnl Tov ägxalov iyXvo), o xal arffAtgov hi Xeyexai SyXvaa,
vä yXvaco, ijxoi evXxndct) — (l)ßXvxcov(o + yXvco = yXvxcovco
xaxä ovjUfptyQoiv'* .
Z. 49. g?6Xiv. Sowohl die Schreibung <p6Xig als die dem
lateinischen foUis folgende g?6XXig ist berechtigt. Über diese
und andere Formen des Wortes vgl. Du Gange und Sophocles.
Der (oder die) FoUis ist in der ganzen byzantinischen Zeit als
kleinster Münztypus (Heller) sprichwörtlich. So sagt Prodro-
mos V. 555: xal negnaxib xal TiQoaaixcb xal cpöXiv ov Xajußävco.
^gL ebenda V. 272. Ein mgr. Sprichwort lautet: Olxovojutij&r]
fj 'Ayla 2oq)ia fxk xfjg (poXiov x6 Xddiv, Krumbacher, Mgr.
Sprichwörter S. 123; 192.
Z. 50. ßgcofiiagsag. Auffalliger Weise wird hier ^ ßgco-
fiiaoia wie ngr. ^ ßq&fAa als Subst. = „Gestank'* gebraucht.
Bei Prodromos steht die Form zweimal adjektivisch und zwar
wie im 0 vom Übeln Fischgeruch:
xal t6 TtaXafitddxofifAav xal ff iWi^a fj ßgcofiiagea (V. 102).
fj TiaXa/budav fj axav/umglr i} ^vvvav ßgco/niageav (V. 223).
Dazu noch als Masc.-Neutrum ßQcojLudgrjv, was aber richtiger
ßqiüiudgiv geschrieben würde: äonaoxgov, ä^voxov, oaxXov,
378 K, Krumbacher
ävdXarov, ßgcojuudQfjv (sc. ^wydHOfifwv) (V. 225). Das ngr.
Substantiv fi ßgeoßjia ist Postverbalbildung von ßgc^fub (TgL
Hatzidakis, Einleitung S. 95). Andere ngr. Bildungen sind
ßgco/ilCo), ßQWfuajuivog (schon bei Prodromos V. 321 iWmiy
rriv ßQcoßiiaßiivrjv)^ ßgoo/xegdg u. s. w. Nirgends ist, soweit ich
sehe, die schwankende Orthographie des Wortes näher geprüft
worden. In der ältesten Hauptstelle, Aristoteles Tiergeschichte 6,
173 wird das Wort mit a> geschrieben (es heisst dort Tom
brünstigen Hirsche: xal ßgoy^äxai äoneg ol rgäyoi). Dagegen
bieten die Ausgaben an den zwei Stellen der LXX ßgoßio;
(Job VI 7 ßgS^ov ycLQ ögci rd aiid fiov djaneg doßiijv Xiovxo;
und Joel U 20 xal ävaßijoeTai ^ oangta amov xal ävaß^aexai,
6 ßgößiog airrov). Bei den Späteren aber herrscht wieder die
Schreibung mit a>. Vgl. den Thesaurus, Sophocles, Du Gange,
Bjzantios. Da es sich zweifellos um dasselbe Wort handelt,
ist die Durchführung einer einheitlichen Schreibung geboten.
Zunächst wäre zu untersuchen, wie es sich an den Stellen bei
Aristoteles und in der LXX mit der handschriftlichen Über-
lieferung verhält. Auf grund der Etymologie scheint eine
Entscheidung nicht möglich.
Berichtigung.
S. 355 Z. 8 ▼. u. ist statt: der Pulologos zu lesen: das Vierfusfilerbuch.
Das miUelgTieehMche FisMmeh,
379
Register.
Dio Zalilon bexiefaen sich anf dio Seitoo.
Ämter, byzantinische 854 f., 860.
Akzent 870.
Fuche, Autoren über 856 ff.
Koraes 856 f.
Kydones Demetrios 846.
Kjraniden 357.
Lexika, griecbische 857 ff.
Lexikographie, neugriechische 3G0.
Ljbistros und Rhodamne 846.
Maraslis 359, Anm. 8.
Phjsiologus 848.
Porikologos 846, 848 ff.
Pulologos 346 f., 348 f.
Thomas von Aquino 346.
Titel, byzantinische 354 f., 860.
Vierfösslerbuch 848 f.
Warangen 358.
a- prothetisch 875.
aOegtra, d^egirog u. s. w. 372.
arxcLx6oxvXog 875.
aQxorxts 373.
aoxoHdi 370.
hi^ 875.
t ßagoafiexovfive 871.
ßdxog 873.
t ßooHarog 371.
ßQ<o/i& u. 8. w. = ßgofAKo 877.
yalia, yaX€<k u. 8. w. 873.
Y^dvsog, yXdvog u. s. w. 867.
yXvo}, y^vrcüvco 877.
yovXiavög s. ylaveog.
dganovi 872.
eykvfo, iyXvr(ov(o 877.
eygavXrj 374.
exyagtg 374.
exagxog 371.
InixsQVTjg 867.
^aQydva 873.
fjaxa 871 f.
^wa 370.
taxa 371.
xaglg 374.
xEtpaXog 367.
xfjtog, 6 366.
xXox^dxov 375.
xXmaxdxa emendiert 375.
xoßevdg (?) 373.
xovßidig, xcoßidg u. s. w. 873.
xovx^ovQiva 374.
xxivtov 869.
Xaßgdxtoy 867.
XaßgaxoxovQva 368.
Xaxigxa, Xaxegda u. s. w. 874.
Xeitpa^ovyyiog 868 f.
XoyaQäg 367.
Xvxvog 874.
ixa^og 376.
380
K, KrumhaekeTf Da» miUelgrieMMhe Fischbueh.
/iagig, fiaglda 375.
fivdi 369.
voxdgioi 373.
o- prothetisch 369, 375.
dfivdiov 369.
Sgxvvog, dgxvvoq 366.
60/iaßida 375.
dcTQEldiov 368.
'OyfaQäs 347, Anm. 2.
^yfov 347, Anm. 2.
Jidyyovpoff = jidyovQog 369 f.
nagdfiovai 373.
jr^eoToordra)^ U. ;r^a)ro0T^dr€o^ 366 f.
Qiva 373.
oavQidiv 375.
axoQxi^iv 374.
ofjiaßlQ 375.
OToxdff 370.
avaxiov 368.
awayßida 368.
rf^^of 368.
toviva, xowlva 370.
rov^va 371.
TQtxeog = TQixidg 369.
T^vydva 372.
TVfixaviaxßtov (?) 376.
vaxo 371 f.
qtMfAtfla 372.
^d>le;, ^pojliliff 377.
xfnjaoioVf yftfooi 367.
Inhalt.
Seite
1. Die Überlieferung und literarhistorische Stellung des Fisch-
buches 845
II. 1. Text der Escurialhandschrift 361
2. Deutsche Übersetzung 363
III. Bemerkungen zum Texte 365
Register 379
381
Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte.
Von W, Christ.
(Vorgetragen in der phiIo8.-pliilol. Klasse am 13. Juni 1903.)
Die Reihenfolge, in der wir heutzutage die Gedichte des
Theokrit lesen, war nicht die gleiche in den älteren Ausgaben
und noch weniger in den Handschriften. Auch die Zahl der
Gredichte war, selbst abgesehen von dem erst neuerdings durch
Chr. Ziegler aus dem Cod. Ambrosianus 75 (c) ans Tageslicht
gezogenen 30. Qedicht, nicht zu allen Zeiten die gleiche. Die
Zahl von 30 Gedichten und die jetzt in den Drucken befolgte
Ordnung rühren von der Ausgabe des Henr. Stephanus, 1566,
her; in den vorausgehenden Ausgaben las man teils mehr, teils
weniger Gedichte: die älteste zu Mailand 1480 erschienene Aus-
gabe hatte 18 Nummern, die Aldina 30, 36 die von dem Griechen
Kalliergos besorgte römische Ausgabe von 1516. Es kommt
mir nicht in den Sinn, an der jetzigen Ordnung etwas zu
ändern, so ungeschickt sie auch zum Teil ist. Derartige
Änderungen erhöhen nur die Unordnung und erschweren die
Benützung; aber es lohnt sich doch Einblick in den Ui*sprung
der Ordnung und die dabei befolgten Gesichtspunkte zu erhalten.
Dieses um so mehr, als mit der Ordnung und Zahl der Gedichte
auch die schwierigen und verwickelten Fragen über die Echt-
heit der einzelnen Gedichte zusammenhängen. Zur Losung
dieser Fragen, deren Schwierigkeit in unserer Zeit durch die
zunehmende Kühnheit und Willkür der Kritiker erheblich ge-
wachsen ist, müssen freilich in erster Linie andere Dinge, die
382 W. Chnst
Eigentümlichkeiten der Sprache, die Besonderheiten der metrischen
Kunst, die Anzeichen der Nachahmung, herangezogen werden,
aber eine Rolle und eine nicht unbedeutende spielt dabei auch
die Stellung und Reihenfolge der Gedichte in den verschiedenen
Ilandschriftenklassen. Dabei lässt es mir die Schwierigkeit
der Sache erwünscht erscheinen, nicht im Zusammenhang und
gewissermassen abschliessend von der überlieferten Ordnung
der Gedichte Theokrits und seiner Nachfolger zu handeln. Ich
ziehe es vor, die Hauptfrage in mehrere Einzelfragen aufeu-
lösen und so erst nach und nach festeren Fuss zu fassen. Der
Heptas antiquarisch-philologischer Miszellen, die ich vor ein
paar Jahren in diesen Blättern geliefert habe, lasse ich hier
eine zweite nachfolgen, die sich aber ausschliesslich um eine
Sache und einen Autor dreht. Möge es mir glücken, in der
Theokritphilologie, die in unserer Zeit durch leichthin geglaubte
Hypothesen stark ins Schwanken geraten ist, wenigstens einige
Punkte sicher zu stellen.
1.
Die Preisgedichte auf Ptolemaios und Hieron.
Ist der Lobpreis auf Ptolemaios (iyxcS/Luov elg TlroXtfxdioYy
ecl. 17) vor der Anfrage an Hieron (XdQixEg, ecl. 16) gedichtet
oder umgekehrt, ist eine Kardinalfrage für die Geschichte des
Lebens und der Poesie Theokrits. Ihre Beantwortung hängt
wesentlich von historischen Erwägungen ab, die vorzüglich die
Agyptologen zu lösen haben.*) Aber auch die Aufeinander-
folge der beiden Gedichte ist von einiger, wenn auch nicht
entscheidender Bedeutung. Hatte also ursprünglich das Gedicht
an Hieron seine Stelle vor dem an Ptolemaios oder umgekehrt?
Zur Beantwortung dieser Frage sind die Ausgaben, in denen
durchweg der Hieron vor dem Ptolemaios steht, bedeutungslos;
in Betracht kommen nur die Handschriften; diese aber weichen
') Aus neuester Zeit Prott, Jas Enkomion «V nrolrfiaToy, Rh. M. 53,
460 ff.; Cholmeley, Ausgrabe 1901, p. 3.
Die überlieferte Auswahl iheokritiscker Gedichte. 383
in diesem Punkte stark von einander ab. Es steht, um nur
die massgebenden Handschriften anzugeben,^)
Hieron vor Ptolemaios in a s,
Ptolemaios vor Hieron in k L.
Getrennt von einander durch Zwischenglieder sind unsere
beiden Gedichte in
28 M c: 16, 25, Mosch 4, Th 17,
9: 17, 1—14, 2, Mosch 3, Th 16,
D: 16, 29, epigr 17, 18, 15,
P: 17, Mosch 3, Th 16.
Es fehlen 16 und 17 ganz in 6 und G, blos 17 in 11.
Es gehen also in der Folge der Gedichte 16 und 17 unsere
Uss in zwei Hauptklassen auseinander, indem in der einen 16
vor 17, in der andern 17 vor 16 steht. Für die Frage, welches
der beiden Gedichte ursprünglich den ersten Platz gehabt habe,
führt die Berücksichtigung der Majorität nicht zum Ziel, da
^) Zum leichteren Verständnis {^ebe ich hier fiir die ganze Abhand-
lung eine Deutung der angewandten Siglen, indem ich mich ganz an
die Ausgaben von Ahrens und Ziegler halte:
k = Ambros. 222, saec. XIII, Kl. II,
a = Ambros. 32, saec. XII I, Kl. I,
c = Ambros. 75, saec. XV, Kl. IV a,
p = Laurent. 32, 37, saec. XIV, Kl. la,
s = Laurent. 32, 16, saec. XIV, Kl. la,
6 (h) =-- Vat. 913, saec. XIII = h Ziegl., Kl. III a,
9 (m) = Vat. 915, saec. XIII = m Ziegl., Kl. IV a,
11 = Vat. 1311, saec. XV, Kl. IVa,
23 = Vat: 1825 und 1826, saec. XIV, Kl. IV,
D = Paris. 1726, saec. XIV, Kl. III,
L = Paris. 2831, saec. XIV, Kl. la,
M = Paris. 2832, saec. XIV, Kl. IV,
P = Paris. 2835, saec. XIV, Kl. Ja,
Q = Paris. 2884 und 1298 unvollständig, zu Kl. la oder IV.
lo der Nummerierung der Gedichte des Theokrit und ebenso des Moschoa
und Bion folge ich gerade so wie vor mir Hiller der Vulgata, da die
Abweichungen von Ahrens nur geeignet sind, Verwirrung zu stiften. Die
Bedeutung der Klassen I— IV, denen die einzelnen Hss zugezählt sind,
wird aus Kapitel 6 und 7 erhellen.
384 W, Christ
zwar etwas öfter 16 vor 17 als 17 vor 16 steht, aber für die
zweite Stellung das Gewicht des besten Codex, des Mediol. k
in die Wagschale fallt. Wollen wir daher sehen, ob zur Klärung
nicht noch ein anderes Moment herangezogen werden kann.
Dieses andei*e Moment finde ich in dem nachfolgenden
Gedicht ecl. 18, 'Ekhrjg ini&ald/uog. Die Anthologie theokri-
tischer Gedichte war nämlich ursprünglich, wie sich das gleich
nachher noch klarer zeigen wird, von kleinem Umfang; sie
wurde im Laufe der Zeit grösser und immer grosser, bis gegen
Ende des Mittelalters der Umfang wieder abnahm, so dass wir
im 15. und 16. Jahrhundert den vielen Handschriften mit nur
10 oder 8 Gedichten begegnen. Das Anwachsen nun geschah
auf doppelte Weise. Die einfachste war, dass Freunde der
theokritischen Muse noch ein und das andere Gedicht, das ihnen
besonders gefiel, am Schlüsse ansetzten. Es konnte aber auch
einer mit Kücksicht auf den Inhalt das neue Gedicht, statt es
hinten anzufügen, in der Mitte, an der Stelle, wo es am besten
hinpa&ste, einlegen. Unsere beiden Gedichte 16 und 17 nun
sind gewiss erst sputer hinzugefügt worden; sie gehören ja
nicht zu den Hirtenliedem, die den Theokrit zu seinem An-
sehen bei Mit- und Nachwelt brachten. Sind dieselben nun,
fragen wir, hinten zugesetzt, oder mitten eingeschoben worden?
Ich habe schon gesagt, das hänge von dem 18. Gedichte, dem
Epithalamius auf die Hochzeit der Helena, ab. Dasselbe ist
hübsch, aber keineswegs so hervorragend, dass es für sich
einen Ehrenplatz verlangen konnte, wie wir dieses von den
Adoniazusen etwa begi'eifen würden. OflPenbar hat es mit
andern zusammen einen Platz in dem Halsband der theokri-
tischen Muse erhalten. An nachfolgende Gedichte hatte aber
das achtzehnte keinen Anschluss, aus dem einfachen Grund,
weil die alte Sammlung nur 18 Gedichte umfasste, und es so-
mit selbst ehedem am Schluss der Sammlung stand. Auch das
wird sich weiter unten noch klarer zeigen, es möge aber jetzt
schon darauf hingewiesen werden, dass eine Anzahl von Hand-
schriften und nicht die schlechtesten nur die ersten 18 Gedichte
enthalten. Aber auch nachdem die Auswahl von 18 Gedichten
Die iU>erliefefie Atuwakl theokrüischer Gedichte, 385
erweitert worden war, schlug sich keine Brücke von dem
18. Oedicht zu dem neuen Ansatz. Der älteste Ansatz bestand
nämlich aus Liedern (jiiXrj)^ die nach den Inhaltsangaben
{vnoMoeiq) ehedem unmittelbar auf das 18. Gedicht folgten
und in den jetzigen Ausgaben die Nummern 28 — 30 führen.
Diese Lieder sind aber, entsprechend ihrer Anlehnung an die
Poesie des lesbischen Dichterpaares, in äolischem Dialekt ge-
schrieben, während der Dialekt des 18. Gedichtes der dorische ist.
Also jedenfalls hatte das 18. Gedicht weder im Anfang
noch später einen Anschluss an nachfolgende Gedichte. Kam
also dasselbe auch nicht als ein fiir sich stehendes Gedicht in
die Sammlung theokritischer Gedichte, so muss es einen An-
schluss an vorausgehende Gedichte gehabt haben. Mit den
aber jetzt unmittelbar vorausgehenden Gedichten 16 und 17
hat es ganz und gar keine Berührung; denn was hat ein Hoch-
zeitsUed auf die Helena des Mythus mit Preisliedem auf Könige
der Gegenwart, Hieron und Ptolemaios, zu tun? Wohl aber
reiht sich das 18. Gedicht, wenn auch nicht eng, so doch ganz
leidlich an die jenen Preisliedern vorausgehenden Gedichte der
Sammlung an. Denn die Erotik spielt auch in den Adonia-
zusen (15), der Kyniska (14) und noch mehr in dem Hylas (18),
dem Aites (12) und dem Kyklops (11) eine Rolle. Ganz ver-
ständlich also ist die Reihenfolge 11, 12, 13, 14, 15, 18. Ist
dieses aber richtig, dann sind die Gedichte 16 und 17 so in
die ältere Sammlung gekommen, dass sie nicht hinten ange-
f>, sondern mitten eingeschoben wurden zwischen 15 und 18.
Dafür haben wir nun sogar noch ein handschriftliches Zeugnis.
In dem alten Yatikaner Cod. 6 stehen nämlich folgende Ge-
dichte in folgender Ordnung: 1—15, 18, Mosch 1, Th 28, 29.
Hier fehlen also die Gedichte 16 und 17 ganz^) und ich wage
diesen Bestand auf eine Zeit zurückzuführen, in der die beiden
Preislieder noch keine Aufnahme in die Sammlung gefunden
hatten. Ich sehe zweifelnde Gesichter und muss selbst zugeben,
*) Ebenso fehlt 16 und 17 in dem jüngeren Par. G. Dass in p die
Schollen zu 16 und 17 fehlen, bemerkt Ahrens II, p. XIV sq., was viel-
leicht auch damit in Zusammenbang steht.
IMS. Bitsgsb. d. philo8.-phUoL iL d. bist. Kl. 26
386 W. Christ
dass der bezeichnete Tatbestand auch durch absichtliche Aus-
scheidung der beiden Preisgedichte herbeigeführt werden konnte.
Aber wenn auch nicht alle meinen Glauben teilen, so bleibt
doch in der Hauptsache meine Argumentation unerschQttert;
wir entbehren dann bloss eines äusseren Zeugnisses der Über-
lieferung.
Nun erst können wir zu dem Punkt zurückkehren, Yon
dem wir ausgegangen sind. Sind nämlich die Gedichte 16
und 17 zwischen 15 und 18 eingeschoben worden, so stellt
sich von selbst die Frage, was war denn der Grund dazu?
In der Bitte an Hieron (16) wird auch ein Argusauge keinen
Grund erspähen können, aber hell zutage liegt ein solcher in
dem Preislied auf Ptolemaios. Das 14. und 15. Gedicht be-
ziehen sich auf ägyptische Verhältnisse und dienen der Ver-
herrlichung des Hofes von Alexandrien. Was lag also näher
als dass ein Grammatiker die Leser auch mit dem Gedicht
bekannt machen wollte, durch das der Dichter sich Zugang
zu dem Herrscher Ägyptens verschaffte? Er erweiterte also
die Sammlung, indem er das iyxwjLuov ek Utolefialov (17)
nach den Gedichten 14 und 15 einlegte. Dieses Preislied auf
Ptolemaios hat dann erst das Gedicht an Hieron nach sich
gezogen. Auch das ist leicht verständlich. Das Wirken des
Dichters spielte sich an den Höfen des Ptolemaios und Hieron
ab; Sizilien war sogar das Land, von dem der Hirtengesang
ausgegangen war und in dem er sich auch nach dem Tode
des Theokrit noch forterhielt. Was war da natürlicher als
dass ein Redaktor das Gedicht an Ptolemaios nicht vereinsamt
stehen liess, sondern ihm noch das an Hieron zugesellte? Und
da nun einmal Sizilien der Hauptort der Hirtenpoesie war, so
ist es auch nicht zu verwundeiii, dass einige Abschreiber sogar
dem Gedicht an Hieron, den König von Syrakus, den Vorzucj
gaben und es vor das Preislied auf Ptolemaios setzten, im
weiteren Fortgang sogar das letztere ganz fallen liessen.^)
^) Das war der Fall im alten Teile von p und wahrscheinlich aucb
in der Vorlage von 9 und P.
Die Überlieferte Auswahl iheokritischer Gedichte. 387
Wir wundem uns darüber um so weniger, da wir auch den
dichterischen Preis dem 16. Gedicht vor dem 17. geben: dort
beim Preis des schönen Heimatlandes pulsiert frisches Leben
in dem Herzen des Dichters, hier im Lobe des Königlichen
Herrn fDhlt man aus den geschraubten Versen den Zwang
heraus, den sich der Dichter um der Hofgunst willen antun musste.
2.
Die Hymnen des Theokrit nnd die anechten
Heraklesgedichte.
Das Enkoraion auf Ptolemaios schliesst mit den Versen
XäiQ£ ayaf IIxokEfiaie' oi&ev S* iyo) loa xal äXlcov
ßivdaojLiai y/jii&icDV, doxiü) S* enog ovx äjiößXrjrov
q)&ey^ofxai looofievoig' äQexijv ye fiev Ix Aiog aixiaj.
Die Ausleger erklären dieselben als eine Reminiszenz an den
häufigen Schluss homerischer Hymnen, insbesondere an den
des Hymnus auf den pythischen ApoU
xal ov fxkv ovtco x^^Q^* ^'^^ '^^^ Arjrdog vli,
avTCLQ iyä} xal oelo xal äXXi]g /nvTJoojbi* äotdijg.
Die Reminiszenzen und nicht bloss an Homer sondern auch
an Pindar und Simonides nehmen allerdings einen breiten Platz
in der theokritischen Poesie ein,^) aber die im Anklang an
ältere Dichtung eingelegten Worte und Sätze sind doch keine
blossen Zierstücke, panni purpurei late qui splendeant, sie
müssen auch an der Stelle, wo sie stehen, Sinn und Bedeutung
haben. Lä&st sich dieses nun auch für die Schlussverse unseres
Gedichtes nachweisen? Ich sage ja, muss aber, um dieses zu
begründen, weiter ausgreifen.
Unser Gedicht heisst in der tiberlieferten Aufschrift ey-
xiofiiov. Wie die meisten Aufschriften so wird vermutlich auch
diese von den Grammatikern herrühren. Der Dichter selbst
*) Zn ihnen gehört auch, was noch nicht bemerkt, VII 111 — 4, eine
Nachbildung von Pindar Ja. II 41- 2.
26*
388 W. Christ
würde unser Gedicht eher als einen Hymnus bezeichnet haben;
wenigstens gebraucht er dieses Wort V. 8
avraQ iyo) nroke/iiaiov iniotd/jievog xakd EbieTv
vfxvr]oaiju\ v/uvoi de xal A'^avaTiov yegag avjcbv.
Die Schlussverse würden also einen ganz passenden Sinn haben,
wenn sich nachweisen liesse, dass Theokrit mehrere Hymnen
gedichtet und den auf Ptolemaios an die Spitze derselben ge-
stellt habe. Für das zweite, oder wenigstens für eine bevor-
zugte Stellung des Preisliedes auf Ptolemaios spricht gleich
der Eingang des Hymnus
*Ex Aidg ägxci/jLso'&a xal lg Ala ki^yezs MoToai,
ä&avdrcüv rbv ägiorov ijiyjv adojfisv äotdaig'
ävögcov d^ av ITcoXeixalog M Jigcoroiai keyia&o),
Dass aber auch Theokrit mehrere Hymnen gedichtet, dafür
haben wir vor allem das Zeugnis des Suidas in dem Artikel
über Theokrit. Ich setze die Stelle gleich ganz her, da wir
auf dieselbe noch öfters im Verlaufe der Abhandlung zurück-
kommen werden. Bei Suidas also heisst es: omog iyoayye rä
xaXov^ieva ßovxoXixd Ititj AcoQidi ÖiaXexTco' xivhg de dt*a<p€Qoiwtr
elg avTov xal xavza' Ugoiridag, iXnidag, vjuvovg, tjgcoivagf im-
xjjdeia, ßÄcXt], IXeyEiag, Idjußovg, iTnygdjujuara. Theokrit hat also
mehrere Hymnen, sagen wir nach unserer Weise, ein Bändchen
Hymnen gedichtet, unter denen der auf seinen Hauptgönner,
den Heros Ptolemaios,*) voranstand, und mehrere andere,
worauf eben der Schluss des ersten Gedichtes der Sammlung
hinweist, nachfolgten. Ist nun vielleicht auch von den anderen
Hymnen noch einer und der andere in unsere Sammlung auf-
genommen worden?
Zunächst fällt da unser Blick auf das Gedicht an Hieron
(ecl. 16). Dasselbe ist zwar Xdgixeg ^ 'legcov überschrieben
und enthält zunächst eine Bitte oder Aufrage der Musen an
Hieron, den Herrscher von Syrakus; aber das ist mehr nur
*) Vergleiche auch den fär einen Hymnus besonders passenden Aas-
druck tjijcoeg V. 5.
Dte überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte. 389
eine geschickte Einkleidung, tatsächlich ist es ein Preislied,
ein Hymnus auf den neu aufgehenden Stern des freigebigen
Dichtergönners im westlichen Griechenland. Es gebraucht auch
der Autor von dem Gedichte den Ausdruck vfivog und vfjLveiv
wie gleich im Eingang
Ahl rovTo Aiog xovqaig fxeXei, atev äoidoigt
vfivelv ä&avdrovg, v/uvelv äya'&ü)v xXea dvdQcbv
und ähnlich V. 50 und 103. Und auch den Gepriesenen be-
zeichnet er mit dem für den Helden eines Hymnus speziell
geeigneten Namen tJQOog V. 80
iv S* avtoTg 'ligcov Jigorigoig Toog ^Qioeaaiv,
um Yon dem Vergleich des Hieron mit den Heroen des alten
Mythus, Aias und Achill, in V. 74 gar nicht zu reden.
Ekloge 16 war also auch ein Hymnus und hatte in der
alten Gesamtausgabe des Theokrit in der Abteilung *T//vo«
seinen Platz. Ebenso aber auch das AidoxovQot überschriebene
22. Gedicht unserer Sammlung. Auch hierfür haben wir, wie
schon von Früheren erkannt wurde, deutliche Anzeichen in
dem Gedicht selbst, vor allem in dem Worte v/nveTv, Gleich
im Eingang lesen wir
'Yfxveo/iev Arjdag je xai afyioxov Aiog via>,
Kdaxoga xai (poßeQov üolvdevxea Jiuf iQe&iCeiv
welche Verse wir um so mehr auf den Hymnuscharakter des
Gedichtes deuten, als auch Kallimachos den dritten seiner
Hymnen beginnt mit
^Agre/niv, ov yd.Q iXaq)Qbv äeidSvteaoi la&eo&ai,
vfJLVBOfiev, rfj j6^a XaycoßoXiai re juiXovrai.
Auch am Schluss des Preisgedichtes auf die Dioskuren
kehrt das Wort v/nvog wieder V. 214
Xdigeze Ai^dag rixva xal i'jjuereooig xXiog vjiivoig
io9Xdv äel nifjLTioiTe^)
^) Ausserdem steht das Yerbum vfiveTv in V. 4, 26, 135.
390 W. Christ
und wiederholt, V. 22, 78, 92, 163, 216 werden die Dioskuren
mit dem speziell für Hymnen geprägten Worte ffgcDe? bezeichnet
Übrigens brauchen wir uns in unserem Fall nicht auf blosse
Anzeichen des Wortgebrauchs zu berufen; ausdrücklich wird
unser Gedicht unter dem Titel Hymnus angeführt in den
Scholien zu Aristophanes Plut. 210: OeöxQirog h reo ek ^wö-
xovQovg v^vcp.
Nun kommt aber noch eine zweifelhafte Frage; gehörte
zu den Hymnen auch das 25. Gedicht 'HgaxXrjg Xeovrofdvog?
An und fttr sich kann man das grosse Gedicht seinem Inhalt
nach für eine Verherrlichung des Halbgottes Herakles ausgeben.
Auch kann man dafür, dass sich Theokrit gern mit der Ver- f
herrlichung des dorischen Helden abgegeben haben wird, sein
Epigramm (Nr. 20) auf den Dichter Peisandros anführen, da
dieser das erste grosse, damals vielleicht schon antiquierte Epos
auf die Taten des Herakles gedichtet hatte und dem alexan-
drinischen Dichter eine Wiederbelebung des alten schonen
Sagenstoffes in einer neuen, dem veränderten Geschmack mehr
zusagenden Form besonders zeitgemäss scheinen konnte. Auch
daran, dass in dem Gedicht 25 nicht alle Taten des Herakles
besungen, sondern nur zwei, der Besuch bei Augeas und die
Löwenbezwingung, herausgegriffen sind, darf man keinen An-
stoss nehmen. Denn Theokrit war, wie er 7, 47 bestimmt
ausspricht, ein Feind der grossen langatmigen Epen und stimmte
mit Kallimachos in der Hinneigung zu kleineren balladen-
artigen Erzählungen überein. In der Auswahl aber, die unter
den Taten des Herakles in dem 25. Gedicht getroffen ist,
erkennt man sehr leicht den Gesichtspunkt des bukolischen
Dichtei*s. Die Begegnung des Herakles mit Augeas gab dem
Freunde des Landlebens und der Hirtenpoesie willkommenste
Gelegenheit, den Herdenreichtum, die prächtigen Stiere und
die grossartige Landwirtschaft des alten Königs von Elis zu
besingen. Aber das reicht alles noch nicht aus, um die Autor-
schaft des Theokrit sicher zu stellen. Jedenfalls gehörte der
löwenwürgende Herakles nicht zu den Hymnen des Theokrit.
Vergebens suchen wir im Anfang oder Schluss oder auch in
Die überlieferte Äustcahl theokritischer Gedichte. 391
der Mitte des Gedichtes nach dem Worte vfÄvog, dem wir doch
in den drei anerkannten Hymnen des Theokrit öfters und be-
sonders im Anfang und Schluss begegneten. Was aber noch
mehr bedeutet, das ganze Gedicht hat den Charakter einer aus
mehreren Teilen (1—84, 85 — 152, 153—281) bestehenden
Rhapsodie, die einmal mit anderen ähnlichen Gesängen zu einem
grossen Epos zusammengewoben werden sollte, tatsächlich aber
Bruchstück geblieben ist. Gegen die Einreihung des 'HgaHXijg
hovTotpovog unter die Hymnen des Theokrit spricht aber auch
ein äusserer Moment. Der Dialekt des Gedichtes ist ebenso
wie der des inhaltlich verwandten Gedichtes Meydga^ mit dem
es in den Handschriften yerbunden ist und neuestens auch
wieder von Cholmeley in seiner Ausgabe des Theokrit ver-
bunden wurde, der episch-ionische Dialekt, während die drei
anerkannten Hymnen des Theokrit (17, 16, 22) alle in der
milderen Doris gedichtet sind.^) Ich weiss zwar wohl, dass
in unseren Handschriften, auch den guten, die Dialektformen
schwanken und sich hi/j,r]aav neben hlßiaoav, vfjag neben vang
findet, aber das ändert an der Hauptsache nichts: es bleibt
unbestreitbar, dass der Dialekt der Hymnen des Theokrit
dorisch, der des Epyllion 'Hgaxlifjg Xeovrocpovog ionisch ist.
3.
Die Heroinen des Theokrit.
Auf die Heraklessage beziehen sich in unserer Sammlung
ausser dem Hylas (13) die Gedichte 24 und 25 und zwar steht
der Sache entsprechend der 'HgaxXloxog (24) vor dem 'HgaxXfjg
hovxo(p6vog (25), das Kind Herakles vor dem Manne Herakles.
Aber diese Anordnung ist, so sachgemäss sie auch scheinen
mag, nicht urkundlich. In den Handschriften sind die beiden
Gedichte von einander getrennt. In der Klasse ^^) oder in dem
') In dem Hymnus auf die Dioskuren schwankt allerdings sehr der
Dialekt, so dass es in der Überschrift der Aldina heisst Hoivfj 'Iddi^ worüber
Hiller, Beitr. p. 77 f.
*) Diese Zusammenfassung verwandter Theokrithandschriften unter
392 W. Christ
Paris. M^) und Yat. 23 steht wohl das Gedicht 25, aber nicht
auch 24; im Paris. D folgen aufeinander: Th 24 22 26 28
Mosch 4 Th 25; in der Klasse U, die yomehmlich durch Ambr.k
repräsentiert wird, fehlen beide Gedichte; in dem Cod. c, der
zu den Sammelhandschriften gehört und aus der ergänzenden
Vereinigung von Handschriften mehrerer Klassen entstanden
ist, stehen hinter den Epigrammen, offenbar also im Nach-
trag, die Gedichte 24 26 27^) und dann erst aus einer Hand-
schrift der Klasse *: 9—13 11 14— 16 25 Mosch 4 Th 17.
Also 24 kam nicht zugleich mit 25 in unsere Anthologie, und
die Geschicke beider Gedichte sind von einander zu trennen.
Zusammen standen in dem Archetypus, aus dem D und der
Nachtrag von c abgezweigt sind, die Gedichte 24 22 26 oder
22 24 26. Von diesen drei Gedichten gehörte das 22., wie
wir oben in Kap. 2 gesehen haben, zu den Hymnen; das 26.
mit dem Titel Arjvai fj Bdxxai erzählt die grause Tat der
Kadmostöchter Ino, Autonea und Agaua, also der drei Frauen
der thebanischen Heroensage, und wird deshalb um so eher
zu den Gedichten, welche Suidas unter dem Titel ^qqhvoi auf-
führt, gehören, als der Dichter selbst in dem V. 36
Xnlgoi S* eveidrjg Hs^eka xal ädeX(peal avräg
KadfjLEiat nokkaig jueßxeXfj/iivai '^ganvai^)
auf den Namen der Dichtung anspielt. Denn gerade das
Zusammentreffen des Yersausgangs fjQonvai mit dem von Suidas
überlieferten Buchtitel fiQajiivai lässt uns das Gedicht lieber zu
dieser Abteilung der Werke Theokrits stellen als mit Maa^
Herm. 26 (1891) 178 zu den Hymnen, wiewohl ich deshalb
nicht der Vermutung des guten Kenners der alexandrinischen
dem Zeichen 0 rührt von Hiller, Beiträge zur Textgeschichte der
griechischen Bukoliker, her und ist von uns beibehalten worden.
') Der Cod. M rührt von dem byzantinischen Grammatiker Triklinios
her und hat drei unechte Gedichte weniger als Vat. 23.
2) Ahnlich steht in dem Vat. 11, der auf gleiche Weise aus mehreren
Hs8 zusammengefügt oder ergänzt ist, das Gedicht 24 ganz am Schlüsse.
^) Die Hss haben TJgcoivai^, aber es ist unzweifelhaft mit Ahrens
i/oonyai zu lesen.
Die überlieferte Auswahl theokritischer Oedichte. 393
Poesie entgegentreten möchte, dass das Gedicht von Theokrit
zu einem koischen Fest des Gottes Dionysos bestimmt war.
Gehorten nun die mit dem Herakliskos in den Hss ver-
bondenen Gedichte teils zu den Hymnen teils zu den Heroinen,
so wird man von vornherein geneigt sein, dort auch den ur-
sprünglichen Sitz des Herakliskos zu suchen. Denn ein Preis-
gedicht ist derselbe ja jedenfalls. Stellt man sich aber die
Frage, ob unser 24. Gedicht zu den Preisliedem auf Heroen
oder auf Heroinen gehöre, so lasse man sich nicht durch die
Aufschrift 'HgaxXioxog auf falsche oder doch zweifelhafte Wege
führen. Denn schon im Allgemeinen ist die Echtheit der Auf-
schriften Zweifeln unterworfen; sie rühren öfter von den Gram-
matikern als von den Dichtem her; hier aber fehlt obendrein
die Aufschrift in Cod. 11 ganz. Sehen wir aber von der Auf-
schrift ab und halten wir uns lediglich an den Inhalt, so ist
Amphitruo ganz zur Seite geschoben; er erwacht zuletzt und
geht alsbald wieder zu Bett. Hingegen steht im Vordergrund
vom Anfang bis zum Schluss die Mutter Alkmena: sie wird
uns gleich in den ersten Versen des Eingangs vorgeführt, wie
sie die beiden Kinder in der neuartigen Wiege, dem Schilde
des Pterelaos, einschläfert; sie hört dann zuerst auf das Ge-
schrei der von den Schlangen bedrohten Knaben; sie ruht auch
nicht, nachdem die Gefahr vorüber ist, sondern fragt nun den
Seher Teiresias nach einer Deutung des Wunders; sie bleibt
dann auf der Bühne bis zum Schluss, wo von ihr mit den Worten
Code fikv 'HQaxXfja q)lXa naidevoazo fidrtjQ
eine Aufgabe gerühmt wird, die sonst mehr dem Vater als der
Mutter zukommt. Freilich mehr Bewunderung als das Be-
mühen der Mutter erregt der Heldenmut des kleinen Herakles,
der unerschrocken die Schlangen packt und ihnen die Kehle
zuschnürt. Aber Herakles ist noch ein kleines Kind, das erst
ein Held werden sollte; zur Heldin des Gedichtes ward daher,
so scheint es, die Heroine Alkmena von dem Dichter auserkoren.
Ich wage also die Annahme, dass ausser dem 26. Gedicht auch
das 24. ehedem unter den 'Hgonvat des Theokrit stund. Die
394 TT. Christ
Konsequenz ist dann, dass von den beiden Abfolgen 24 22 26
und 22 24 26 die letztere die richtigere ist, wenn sie auch
durch die geringere Handschrift c vertreten wird.
Es fragt sich nun weiter auch hier, ob ausser diesen
zwei Gedichten sich noch Spuren von anderen Heroinenliedem
des Theokrit nachweisen lassen. Nahe liegt es, an die Berenike
zu denken, von der Athenaios VII, p. 284 A einige Verse er-
halten hat. Denn so gut Theokrit den Ptolemaios II unter
die Heroen zahlen und ihm einen Hymnus weihen konnte, so
gut konnte er auch die vergötterte Frau des Ptolemaios I unter
den Heroinen besingen. Allerdings zitiert Athenaios einfach
mit Iv rfj imygaipoßxivf) Begevlxfj und ist in den beigegebenen
Versen nichts hymnenartiges enthalten, aber bei der Kleinheit
des Fragmentes kann daraus kein entscheidender Einwand abge-
leitet werden. Ausserdem freilich macht auch der Dialekt*
Schwierigkeit; denn in den 6 Versen steht fünfmal ionisches i)
statt dorischem ä. Aber auch das will nicht viel bedeuten,
zumal uns die Verse nicht direkt, sondern durch einen Gram-
matiker überliefert sind, der leicht in einem kurzen Zitat die
Farbe des Dialektes verwischen konnte.
Von den vollständig erhaltenen Gedichten Theokrits hat
noch in diese Klasse Ahrens Philol. 33, 582 das Hochzeitslied
der Helena ('Ekevrjg hii^akdfAiog^ ecl. 18) stellen wollen. Das
Gedicht preist allerdings auch die Schönheit und Geschicklich-
keit der Helena, aber es entbehrt doch ganz und gar des
Charakters eines Hymnus; es ist ein Lied der Gespielinnen,
die am Hochzeitstag ihrer Freundin ein Ständchen in der Art
der Sappho bringen. Wenn Ahrens sich darauf beruft, dass
das Gedicht im Cod. M iyxw/Mov 'Elivrjg überschrieben sei, so
ist dieser Überschrift des byzantinischen Grammatikers Tri-
klinios, von dem die recensio des Cod. M herrührt, die rich-
tigere Überschrift im&ald/uiog 'Ekivtjg der älteren Handschriften
und der Hypothesis entgegen zu halten.
Ganz die Eigenschaften eines Preisliedes auf Heroinen der
Sage hat das unter den Werken des Theokrit zusammen mit
dem 'IlQaxXfjg keovroipovog auf uns gekommene Gedicht MeyaQa.
Die Überlieferte ÄtMwM tkeokritischer Gedichte. 395
Dasselbe ist benannt nach der unglücklichen Frau des Herakles
und enthält die Jammerreden der Frau und der Mutter des
Herakles, Megara und Alkmena. Dass dasselbe demnach in
die Ton uns hier behandelte Klasse von Gedichten gehöre und
auch Tom Autor als solches gedacht war, kann nicht zweifel-
haft sein, aber ob es auch von Theokrit herrühre, ist eine
andere, schwer zu bejahende Frage. Denn es ist nur in den
mit Unechtem schwer beladenen Handschriftenklassen IH und IV
überliefert und steht an künstlerischem Wert hinter dem löwen-
erwürgenden Herakles weit zurück. Denn abgesehen von den
vielen aus Homer entlehnten und ungeschickt zusammenge-
flickten Fetzen, war es auch von vornherein ein unglücklicher
Gedanke, die Megara, die selbst das Schwerste erduldet, ge-
wissermassen als Trösterin einzuführen und ihre Schwieger-
mutter, nicht die eigene Mutter, mit /ifjxeQ Ifirj xlxpd^ äyde <piXov
xaiä dv/iov Idnxeig anreden zu lassen. Da überdies der ionische
Dialekt ebenso wie bei dem 'Hgaxlfjg Xeovrotpövog gegen eine
Verbindung mit den dorischen Gedichten Theokrits spricht, so
denke ich nicht daran, die Megara zu den echten Heroinen-
liedem Theokrits zu stellen, sondern glaube nur, dass ein
Nachahmer im Geiste seines Vorbildes versuchen wollte, der
Alkmena eine Megara zur Seite zu stellen. Vielleicht darf
man Moschos für den Verfasser der Megara halten, da in dem
guten Cod. s hinter den Gedichten des Theokrit und von den-
selben durch ApoUonius Rhod., Hesiod, Oppian getrennt ein
kleiner Nachtrag jüngerer bukolischer Gedichte steht, nämlich
EvgdpTifj, ^Egiog dQanhrjg, Meydga, von denen die beiden ersten
ausdrücklich als Werke des Moschos bezeichnet sind.
4.
Die Ordnung der Bukolika.
Die Hypothesis des ersten Idylls beschäftigt sich mit der
Frage, warum dieses Idyll die erste Stelle in der Sammlung
einnehme, und findet den Grund in der Schönheit des Gedichtes:
avTTf ^ vndd'eoig elg /ddrpviv yiyQanxai, bg diä juev lovxov xov
396 W. Christ
elövXiiov li&vrixe, öiä de xoyy iitjg wg l^dfVTog avxov jmvrj^orevei'
8ßA(og TOVTO TiQorhaxrai diä to ;|fapi^aT€^av xai TExvuemxEQov
tcüv äklayv fiälXov ovvtetdx^Qi- IlivdaQog yäg ägxoßievov S* igYov
qjTjai ngoacoTiov XQV ^if^^f^i Trjiavyig. Auch dio neueren Heraus-
geber haben sich, wenn sie überhaupt die Frage berührten,
dieser Auffassung angeschlossen. Und wer möchte leugnen,
dass das erste Idyll, wenn auch vielleicht mancher, was Anmut
und Zartheit anbelangt, dem Idyll Amaryllis den Vorzug geben
möchte, vollauf seinen Ehrenplatz verdient? es ist eben nicht
bloss ein schönes Gedicht, es ist auch ein grosses Gedicht und
feiert den ersten Helden der Hirtenpoesie Daphnis. Es kommt
aber doch zu diesen Vorzügen noch etwas anderes hinzu, was
ihm die Stellung an der Spitze der Idyllen anweist. Dieses
andere liegt in den Schlussversen 144 f.
<5 ;|ja/|geTe noXXdxig Möioai,
X(ilQe^\ iyo) S* fj/ujuiv xai lg voregov ädiov ^oa>.
Denn hiermit wird ganz ähnlich, wie wir dieses oben an den
Schlussversen des Hymnus auf Ptolemaios sahen, unser erstes
Idyll als einleitendes Idyll bezeichnet, auf das eine Serie ähn-
licher Dichtungen folgen solle.
Damit sind wir aber schon in die Diskussion einer anderen
Frage eingetreten, die man erst in unserer Zeit bei der Kritik
der Anlage eines aus mehreren selbständigen Einzeldichtuogen
bestehenden Buches zu beachten und zu würdigen begonnen hat.
Es macht nämlich einen grossen Unterschied, ob der Dichter
selbst seine einzelnen Gedichte zu einem Band oder Bändchen
zusammengefasst hat oder ob die Vereinigung von einem späteren
Herausgeber oder Grammatiker ausgegangen ist. Ein blosser
Herausgeber wird die Gedichte aufs Geratewohl, wie sie ihm
eben unter die Hand kamen, zusammengelegt oder doch nur
nach äusseren Motiven und Kennzeichen geordnet haben; vom
Dichter wird man erwarten dürfen, dass er auch in der An-
ordnung seiner Erzeugnisse höhere Gesichtspunkte befolgt und
eine gewisse Kunst beobachtet hat, so dass es auch für uns
eine der höheren Aufgaben der Interpretation ist, die leitenden
Die überlieferte Austßähl theokritiseker Gedichte, 397
Gesichtspunkte des Dichters wieder aufzudecken. Der be-
zeichnete Unterschied hat sich so besonders offenkundig bei
Pindar und Horaz herausgestellt. Die Epinikien Pindars sind
nicht Ton dem Dichter selbst zu den vier überlieferten Büchern
zusammengeordnet worden. Daraus erklären sich die offen-
baren Irrtümer, wie wenn ein von einem sizilischen Lokal-
dichter herrührendes Siegeslied 0. Y Aufnahme gefunden hat,
oder unter den pjthischen Siegesliedern eines P. II steht, das
sich gar nicht auf einen pythischen Sieg bezieht. Horaz hin-
gegen hat seine Lieder (carmina) selbst herausgegeben und
dabei allerlei feine Gesichtspunkte beobachtet, wie dass er die
Sammlung mit einem Widmungsgedicht einleitet (I 1) und mit
dem Preis des errungenen Lorbeers schliesst (III 30); dass er
den Virgil allen anderen Freunden yoranstellt (I 3) und nur
der Etikette halber hinter den Kaiser Augustus und den mäch-
tigen Oönner Maecenas zurücktreten lässt; dass er zu den neun
ersten Gedichten nur solche auswählt, von denen jedes in einem
anderen Yersmass verfasst ist, damit sogleich im Anfang der
ganze Reichtum seiner metrischen Foimen hervortrete.
Wenn nun bei Theokrit das Lied auf Daphnis voransteht,
weil mit demselben das Bändchen Hirtenlieder eingeleitet wer-
den sollte, so weist das darauf hin, dass auch Theokrit seine
Gedichte, wenigstens die Bukolika, selbst herausgegeben hat,
so dass auch uns die Aufgabe erwächst, nachzuforschen, ob
nicht auch in der Anordnung der übrigen Hirtenlieder be-
stimmte künstlerische Gesichtspunkte zutage treten. Dabei
dürfen wir aber nicht bloss, sondern müssen geradezu von dem
2. Gedicht auf die Zauberinnen (cpaQfÄaxevTQiai) absehen, da
dasselbe nicht zu den Hirtenliedern gehört und erst später,
wie wir in dem nächsten Abschnitt bestimmter nachweisen
werden, unter die Bukolika geraten ist. Im übrigen aber wird
es, trotz der Abweichungen einiger Hss, in die eine nicht leicht
erklärbare Unordnung eingerissen ist,^) erlaubt sein, die in
^) Am meisten Beachtung verdient k mit der Folge 17 3-6
8-13 2.
398 W. ChriH
unseren Ausgaben verbreitete Ordnung als die authentische
anzusehen.
Steht in der Sammlung ein Einleitungsgedicht, wie wir
vorhin nachgewiesen haben, voran, so dürfen wir auch ein
Schlusslied erwarten. Ein solches ist das 9. Idyll; dasselbe ist
zwar ohne hohen dichterischen Wert, so dass es sogar neuere
Kritiker für unecht erklären und aus der Sammlung theokri-
tischer Dichtungen ausscheiden wollten; aber ganz klar schUesst
jedenfalls sein letzter Absatz
Bovxohxal Moioai, jnäXa xalQexe, q)alvcie S^ cSddg, *)
rag nox* iyco xeivoioi jiqqmv äeioa vofievoi x. r. A.
die Sammlung der eigentlichen Hirtenlieder (ßovxohxä elövl-
Xia) ab. Der Dichter gibt damit seine Idyllen dem Lese-
publikum hinaus (ixdid(ooi) und widmet sie den Hirten, denen
er sie einst auf den Weiden und Triften gesungen. Das Ge-
dicht ist also in einer Stadt, wahrscheinlich in Alezandria«
gedichtet, als der Dichter zu anderen Dichtungsarten über-
gegangen war und seine früheren Gedichte, das waren eben
seine Hirtenlieder, abschloss und herausgab. Dem steht nicht
entgegen, dass noch ein Gedicht, die Schnitter (10), nachfolgt,
das man seit Alters nach seinem ganzen Tenor auch noch zu
den Idyllen zu rechnen pflegt. Ich will mich gegen diesen
Einwand nicht dadurch schützen, dass ich das 10. Gedicht als
Hirtenidyll preisgebe; denn Theokrit hat selbst VII 29
Avxlda q)il€, tpavxi rv ndvreg
Sjiißiev avQixrav fiey^ vneiQOXOV Sv re vo/ievoiv
Iv t' äfirjXYjQBoai
die Zusammengehörigkeit der beiden Dichtungsarten anerkannt.
Aber ein Schlusslied, mit dem der Dichter von den Hirten der
Weide Abschied nimmt, konnte nicht auf ein Schnitterlied
folgen, so dass Theokrit, wenn er auch das Schnitterlied mit
^) Von den Varianten ^6dv und cfi^dg, beide durch die Scholien
bezeugt, verdient entschieden die letztere den Vorzug, wenn sie auch in
dem minderwertigen Codex p steht.
Die überlieferte Auswahl iheohritischer Gedichte. 399
den Hirtenliedem zu einer Rolle verbunden herausgab, das
9. Idyll nicht anders als vor das 10. stellen konnte. Indes
wem diese Entschuldigung zu fadenscheinig zu sein scheint,
der mag immerhin das 10. Gedicht abschneiden und annehmen,
dass die von Theokrit besorgte Ausgabe der Bukolika nur 8
statt 9 Idyllen umfasst habe.
Gehen wir nim zu den übrigen Idyllen über, so haben
bereits die alten Scholiasten den Grund durchschaut, weshalb
das 4. Idyll dem 3. nachfolgt. Es wird nämlich IV 39 c5
XdQkaa^ 'Afiagvill, ix6vag oi&ev ovdk ^avolaag XaotvfjLeoda die
schöne Amaryllis als tot gedacht. Daraus wagt der Verfasser
der 4. Hypothesis den Schluss zu ziehen, dass der verliebte
Hirte des 3. Idyll Battos geheissen habe, weil Battos in dem
4. Idyll der Name des Hirten ist, der jene Worte spricht. Das
ist vielleicht zu subtil geschlossen, und jedenfalls verlieren wir
nichts, wenn uns der Dichter den Namen des zur Grotte der
spröden Amaryllis wallenden Schäfers vorenthält. Aber richtig
ist, dass Amaryllis in dem 3. Idyll lebend und in dem 4. tot
gedacht ist und dass demnach 3 vor 4 gedichtet und von dem
Dichter auch bei Herausgabe seiner Hirtenlieder gestellt wurde.
Eine ähnliche, wenn auch minder bedeutsame Beziehung
lässt sich zwischen 4 und 5 nachweisen. In 5, 6 sagt von
den zwei Hirten Komatas höhnend zu Lakon
t/ S^ ovxeri ovv KoQvdcovi
aQKEi TOI xaXd/Liag avkov nonnvodev exovii;
Wer der Korydon sei, erfahren wir aus 5 nicht; aber in dem
4. Idyll ist der beschränkte Korydon der Hauptunterredner.
Das wird wieder der Grund gewesen sein, weshalb der Dichter
das 5. Idyll auf das 4. folgen Hess.
Wichtiger ist die Person des Aratos, durch die das 6. Idyll
mit dem 7. verknüpft ist. Das 6. Idyll, dessen Echtheit ich
ebensowenig wie die eines anderen Gedichtes der alten Samm-
lung zu bezweifeln wage, ist durch die Anrede im Eingang
AafAokag x^ Adqjvig S ßovxoXog elg iva j(a)Qov
Tuv äyiXav 7iox\ ^Agare, avvdyayov
400 W. Chrigt
dem Aratos gewidmet in ganz ähnlicher Weise wie das 11.
dem Nikias. Dem Aratos gilt auch das hübsche Liedchen,
welches Theokrit im 7. Idyll unter der Maske des Simichidas
im Wettkampf mit Lykidas zum besten gibt. Der Arat ist
hier V. 98
digaros S* 6 rd ndvra (piXaixazog Avigt rtjvq)
mit dem Artikel eingeführt, wohl zum Zeichen, dass hier der-
selbe Arat zu verstehen ist, der uns schon aus dem Eingang
des vorausgehenden 6. Idylls bekannt ist. Und da man doch
ein Gedicht nicht einem beliebigen Mann aus dem Volke, son-
dern einem hochstehenden Gönner oder berühmten Freunde zu
widmen pflegt, so haben bisher die Ausleger unter dem Arat
den berühmten zeitgenössischen Dichter der Phaenomena ver-
standen, wie dieses auch bereits, wenn auch in sehr vorsich-
tiger Weise, ^) der Scholiast zu VI 1 und der Verfasser der
Hypothesis des 6. Idyll getan haben. Diese alte Annahme hat
aber in unserer Zeit Wilamowitz in dem Aufsatz Aratos von
Kos (Göttingische Nachrichten 1895) umzustossen gesucht, in-
dem er an der Hand von Paton^s Inscriptions of Cos auf die
weite Verbreitung des Namens Aratos auf der Insel Kos, wo
das 7. Idyll gedichtet wurde, hinweist und den Anhängern der
alten Meinung den Nachweis der Identität des Aratos des
7. Idylls mit dem bekannten Dichter zuschiebt (adfirmanti
incumbit probatio). Das ist nun eigentlich nicht das her-
kömmliche Verfahren, da sonst vielmehr der Vorkämpfer einer
neuen Theorie die Unzukömmlichkeit der alten nachzuweisen
pflegt. Aber ich greife den Handschuh auf und gebe in Kürze
die Gründe, weshalb ich an der alten Meinung festhalte. Der
erste Grund ist die Widmung, da wie Theokrit das 11. Idyll
dem als Arzt und Dichter berühmten Freunde Nikias widmet,
so auch das 6. nicht einem obskuren Bauer der Insel Kos,
sondern dem berühmtesten Arat seiner Zeit, dem Dichter Arat,
*) Hypoth. 6 nach Anführung der beiden Stellen: Sirvarai de orro^
elvai 6 tcov ^aivofievcov jzoirjii^i. SchoL zu VI 1: «ixo» tov dargoroftov
^Agmov elvat, f<5 ovyyF/oovlxet 6 Se6xQtxog,
Die Überlieferte ÄuawM theokrüiseher Gedichte, 401
gewidmet haben wird. Ob dieses 6. Idyll dem 11. auf Kyklops
nachgebildet sei, weiss ich nicht; darauf kommt es auch in
unserer Frage nicht an. Aber auch aus dem 7. Idyll selbst
lässt sich die Identität des Aratos mit dem berühmten Dichter
wenn nicht beweisen, so doch sehr wahrscheinlich machen.
Theokrit nennt hier Y. 98 den Aratos 6 rä ndvxa (piXcuxaTog
ävigi xrjvq), das lässt uns doch nur an einen dem Dichter sehr
nahestehenden, auch dem weiteren Kreis der Leser bekannten
Mann denken, am ehesten an einen Dichter, dessen Liebes-»
lieder auf den schönen Philinos den Freunden nicht unbekannt
waren. Sodann lässt sich Theokrit durch den Eitharöden Aristis
Kunde von der verzehrenden Liebe des Aratos zukommen. Das
wird keine Fiktion, sondern Wirklichkeit sein; dann war aber
der Arat kein Eoer; denn um die Liebelei und das Feusterln
eines Eoers zu erfahren, dazu hätte Theokrit keines Vermittlers
bedurft. Wohl aber konnte Aristis, wenn Arat ein Fremder
war und damals in Athen oder Pella weilte, auf seinen Eunst-
reisen Eunde von der unglücklichen Liebe des Dichters erhalten
und nach Eos bringen. Ich bleibe also bei der alten Meinung
und finde eine fein berechnete Eunst des Theokrit darin, dass
er, bevor er in dem 7. Idyll von dem Liebesgram seines Arat
sang, denselben im 6. als seinen lieben Freund einführte.
Ein anderer Gesichtspunkt, den Theokrit in der Anord-
nung seiner Idyllen befolgte, war der geographische. Das
1. Idyll spielt auf Sizilien, der alten Heimat des Hirtenliedes,
das 3. und 4. in Eroton in Unteritalien, das 5. in Sybaris
und Thurii weiter östlich in Unteritalien, das 7., wahrschein-
lich das 6. und 7. auf der Insel Eos. Das geht also von
Westen nach Osten. Nun bin ich nicht so beschränkt, zu
glauben, dass der Dichter Theokrit in der Anordnung seiner
Gedichte gewissermassen eine Probe seines geographischen
Wissens habe geben wollen. Aber die geographische Ordnung
gab sich ihm von selbst und deckte sich mit der Entstehungs-
zeit seiner Oedichte, wenn wir uns von der neumodischen
Hypothese, die Heimat des Theokrit nach Osten, nach Eos
oder Alexandria zu verlegen, losmachen und denselben nach
1W8. SHxgsb. d. pbilo«.-phiIol. n. d. bist. Kl. 27
402 W. Christ
der alten, durchaus nicht widerlegten Anschauung von Sizilien
und Syrakus, der dorischen Heimat des Mimus und Idylls,
nach Osten, zuerst nach Kos und dann nach Alexandria, ge-
langen lassen.
Es bleibt noch das 8. Idyll, der Wettgesang des Daphnis
und Menalkas, übrig. Dasselbe hat einen ganz eigenen Charakter.
An die Stelle der natürlichen, vor groben Zoten nicht zurück-
scheuenden Derbheit der Hirten tritt hier zarte Unschuld, die
aber hübsch durch das jugendliche Alter der beiden Hirten-
knaben motiviert wird. Neu auch ist die Form der Elegie,
in welche die Wettgesänge der beiden Knaben gekleidet sind.
Als erster Meister der Elegie galt nach dem Tode des Philetas
Kallimachos, der die Berufung des Theokrit an den Hof des
Ptolemaios Philadelphos vermittelte, und wir werden kaum
irren, wenn wir in der neuen Form des Hirtenliedes ein An-
bequemen, vielleicht geradezu ein Kompliment an den mäch-
tigen Gönner und Freund in Ägypten erblicken. Jedenfalls
war es in der Sonderstellung unseres Idylls sattsam begründet,
dass der Dichter es zwar nicht an den Schluss — denn ein
Schlussgedicht war es ja nicht — wohl aber hinter die anderen
verschiedenartigen Hirtenlieder setzte.
Blicken wir zurück, so werden wir in der Abfolge der
9 Idyllen des Theokrit nicht das Spiel launenhaften Zufalls
oder gar die Plumpheit prosaischer Grammatiker finden, son-
dern die feine planmässige Kunst, die man am ehesten von
dem Dichter selbst erwarten durfte.
5.
Die Zehnzahl der Idyllen.
Theokrit hat, wie wir im vorhergehenden Kapitel zeigten,
9 bukolische Idyllen gedichtet und wahrscheinlich auch zu
einer Holle gesammelt herausgegeben. Die Zahl der Idyllen
wuchs bald nach dem Tode des Dichters auf 10, wahrschein-
lich durch den Einfluss 2)ergamenischer Rhetoren, die die Zehn-
zahl liebten und auch für die attischen Redner die runde
Die überlieferte AuswaKL (heokritischer Gedichte, 403
Zahl 10 in Rom aufbrachten. Die Zahl von 10 theokritischen
Idyllen war voll zur Zeit Vergils. Denn dass Vergil auch in
diesem Punkt seinem griechischen Vorbild Theokrit folgte, kann
an und für sich nicht zweifelhaft sein und wird obendrein
auch von dem Vergilerklärer Servius überliefert, der in der
Einleitung seines Kommentars zu Vergils Bucolica bemerkt:
sane sciendum septem esse meras rusticas, quas Theocritus
decem habet.
Fragen wir nun aber, welches Gedicht neu zu den alten
9 Idjllen hinzutrat, so wird unser Blick zunächst auf das
2. Gedicht der jetzigen Ausgaben gerichtet. Aber diese Stelle
hatte dasselbe nicht immer und nie in unbestrittenem Besitz.
In den meisten Hss folgt es allerdings unmittelbar nach dem
ersten, aber in mehreren und dazu in den besten hat es eine
andere Stelle: in k M 23 10 und in ed. lunt. steht es nach
dem 13., in p C nach dem 14. Gedicht der heutigen Sammlung.
Welche von diesen Stellungen die ältere war, kann nicht
zweifelhaft sein. Das Gedicht von den Zauberinnen spielt
nicht auf dem Lande, hat keine Hirten, ist kein Bukolikon;
es ist mit den Hirtenliedern verwandt, insofern diese selbst
zur Gattung der Mimen oder nachahmenden Dichtungen ge-
hörten, wie dieses neuerdings so hübsch Reich in seinem Buch
über den Mimus ausgeführt hat; aber es hat seine Stelle unter
den mimetischen Gedichten im allgemeinen, nicht unter den
bukolischen im besondem. Es wurde nur an die 2. Stelle,
hinter das 1 . Idyll gesetzt, weil es mit demselben in der Form,
insbesondere in dem wiederkehrenden Refrain, die grösste Ver-
wandtschaft hat,*) wohl auch weil es besonders gefiel und
nach dem Idyll von Daphnis die meisten Leser fand.
Wann wurde es nun aus seiner ursprünglichen Umgebung
vor den städtischen Mimen Kyniska (14) und Adoniazusen (15)
unter die Hirtenlieder versetzt? Darauf gibt eine sichere Ant-
wort Vergil. Vergil zählte die Zauberinnen bereits zu den
*) Ausser in dem Refrain zeigt sich die Ähnlichkeit in der Häufig-
keit der bukolischen Cäsur, wie nachgewiesen von Ahrens, Philol. 33, 387.
27*
404 W. Christ
bukolischen Gedichten; denn er gab von ihnen in der achten
seiner Eklogen eine an eine Übersetzung anstreifende Nachahmiing.
In seinem Exemplar der Bukolika Theokrits werden also die
Pharmakeutriai schon an zweiter Stelle gestanden haben. Aber
diese Versetzung ist nicht allgemein durchgedrungen; wäre sie
das, so hätte sich nicht in mehreren unserer Handschriften die
ältere Stellung erhalten. Es gab also andere Gelehrte, welche
die Einreihung der Zauberinnen unter die Hirtenlieder miss-
billigten und indem sie doch auch an der beliebten Zehnzahl
festhielten, ein anderes Gedicht an die alten 9 Idyllen angliederteo.
Welches dieses war und wann die Angliederung geschah, darQber
geben uns die Hypotheseis Aufschluss. Um das zu yerstehen.
dürfen wir einen kleinen Umweg nicht' scheuen.
Der Hypothesis des 12. Gedichtes iTiiygäfperai jtiev x6 eldvl-
Xiov Mittag, yeyQanxai dk *Iddi diakixrq} ist der Vermerk voraus-
geschickt: vTto&eoig ^Egazoa&ivovg. Eratosthenes war ein dich-
tender Grammatiker des ausgehenden Altertums um 400 nach
Ahrens PhiloL 33, 584, und wird mit jenem Vermerk als Ver-
fasser zunächst der 12. Hypothesis, aber gewiss nicht nur dieser
Hypothesis allein, sondern, wie Ahrens t. II p. XXXHI richtig
sah, entweder von allen, oder doch von allen folgenden Hypo-
theseis bezeichnet. Aber wie kommt es, dass der Name des
Verfassers gerade an dieser Stelle angemerkt wurde? Das
12. Idyll und die Hypothesis dazu haben nichts, was eine
Sonderstellung rechtfertigte. Denn dass es in ionischem statt
dorischem Dialekt geschrieben war, hat doch nicht viel ver-
schlagen und war für die Inhaltsangabe bedeutungslos. Eher
könnte man daran denken, dass die Hypotheseis der 11 ersten
Idyllen aus der guten Zeit der älteren Grammatik stammten
und dass erst unter Justinian sich ein Grammatiker, eben unser
Eratosthenes, fand, der auch zu den später angefügten Gedichten
Hypotheseis verfasste. Aber auch diese Erklärung kann nicht
aufrecht gehalten werden. Manche der Hypothesen zu den
späteren Gedichten sind allerdings dürftig und scheinen mehr
die Armseligkeit der Grammatik der Byzantinerzeit zu ver-
raten. Aber es finden sich doch darin auch einige vorzüg-
Die überlieferte Auswahl theohritischer Gedichte. 405
liehe Bemerkungen, die nicht auf dem mageren Boden der
spätgriechischen Grammatik gewachsen sind, sondern auf eine
Zeit zurückgehen, wo man noch die alte Literatur in weiterem
Umfang las und zur Erklärung heranzog, wie hyp. 15: Tiags-
nlaae to TzoiTj/idxiov ix tqVv nagd 2!co(pQOvi ^a/iivcov rä "la&^ia^
hyp. 18 Tivä EiXrjTiTai ix xov 7iQ(oxov SxriaixdQOv ''EXivrjg ini^
^alafxlov. Dazu kommt, dass auch in den späteren Hypo-
tbeseis, wie hyp. 17, gerade so wie in den früheren (hyp. 3 7)
gegen einen Vorgänger, einen gewissen Munatius, polemisiert
wird. Es hat daher keine Wahrscheinlichkeit, dass die Hypo-
theseis zu 12—18 von einem anderen verfasst sind als die
zu 1 — 11. Zu allen Idyllen lagen aus guter alter Zeit ge-
lehrte Hypotheseis vor, und es scheint derselbe Eratosthenes
alle in der Zeit Justinians umredigiert und der Neuredaktion
seinen Namen vorgesetzt zu haben.
Aber dann kehrt die Frage wieder, wie kommt es, dass
der Verfassername gerade bei der 12. Hypothesis angemerkt ist?
Ich weiss dafür keinen anderen Grund auszuiinden als den,
dass mit dem 12. Qedicht ein neuer Abschnitt, ursprünglich
eine neue Bolle begann. Dann umfasste das erste Bändchen
die Gedichte 1 — 11 oder wenn wir das 2. Gedicht an seiner
ursprünglichen Stelle belassen denken, eine Dekas, bestehend
aus 1 3 — 11. Eine solche Dekas lässt sich aber auch recht
wohl begreifen. Das 11. Gedicht KvxXcotp enthält allerdings
keinen Dialog und ist kein Hirtengedicht im strengen Sinne
des Wortes; aber es steht doch nahe an der Grenzscheide.
Der Kyklop ist kein menschlicher Hirt, aber ein Hirt ist er
doch, so dass auch das nach ihm benannte 11. Gedicht zu
den bukolischen Gedichten zählen konnte. Wir werden daher
nicht den Vorwurf phantastischer Kombinationen uns zuziehen,
wenn wir die Vermutung aufstellen, es sei die alte Theokrit-
ausgabe von 9 bukolischen Gedichten auf doppelte Weise zu
einer Ausgabe von 10 Gedichten ergänzt worden, indem die
einen zwischen dem 1. und 3. Idyll die Pharmakeutriai ein-
schoben, die andern am Schluss den Kyklops zusetzten.
406 W. Christ
6.
Die Erweiterung der alten Sammlang.
Es ist allseits anerkannt und liegt auf platter Hand, dass
unsere Sammlung theokritischer Gedichte eine Anthologie ist,
so entstanden, dass an einen alten Kern bukolischer Gedichte
von Freunden der theokritischen Muse nach und nach aus den
anderen Dichtungen des Meisters weitere Perlen angereiht
wurden. Dieser Prozess des Werdens fand im Anfang des
6. Jahrhunderts seinen Abschluss; das erhellt aus dem Artikel
des Suidas über Marianos, wonach dieser Yerseschmied aus der
Zeit des Kaisers Anastasius (491 — 518) eine Metaphrase des
Theokrit in 3150 lamben schrieb, welche Zahl so ungefähr
den 3262 Versen unserer Theokritsammlung entspricht.*) So
alt ist nun zwar keine unserer Handschriften, aber da diese
verschiedene, in weit ältere Zeit zurückreichende Stämme der
Überlieferung repräsentieren, so lässt sich aus ihrer Vergleichung
doch noch ein Einblick in das allmähliche Wachsen und die
verschiedenen Stadien des Wachstums unserer Anthologie ge-
winnen. Das Beste in der Aufhellung dieses Verhältnisses ist
bereits geleistet in dem Aufsatz von Ahrens, Theokrits Ge-
dichte, Philol. 33 (1834), und Hiller, Beiträge zur Text-
geschichte der griechischen Bukoliker, 1886, doch so, dass
noch manches teils nachzutragen, teils richtiger zu stellen ist.
Den Kern unserer Anthologie bildet die anfangs aus 9, später
aus 10 Idyllen bestehende Sammlung bukolischer Gedichte (a).
In ihnen beruhte der Ruhm unseres Dichters, und von ihnen ist
also auch die Auswahl seiner Gedichte ausgegangen. Zu ihnen
kamen zunächst einige nahe verwandte Gedichte erotischen und
mimetischen Charakters, nämlich 10— 13 18, 2 14—15.*) Da für
*) Ganz entsprechen sich die beiden Zahlen nicht, und es hat viel-
leicht in dem Exemplar des Marianos noch die besonders verdächtige
'OaQiarvg (Th 27) gefehlt oder es hat Marianos, wie Ahrens 586 vermutet,
die fiFArj nicht in lamben umgesetzt. Vgl. Birt, Antikes Buchwesen S. 400.
'^) Möglicher Weise sind diese Gedichte nicht alle auf einmal, son-
dern in verschiedenen Nachschüben (zuerst 11—13, dann 1-4 — 15 18,
Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte, 407
diese in dem Katalog der Werke Tbeokrits bei Suidas kein Platz
gelassen ist, so vermute ich, dass dieselben zur Zeit, als jener
Katalog aufgestellt wurde, keine Sonderexistenz mehr hatten,
.sondern schon mit dem alten Kern der Sammlung unter dem
gemeinsamen Titel ßovxoXtxd zusammen gefasst waren. In diese
erweiterte Sammlung wurden sodann aus Gründen, die ich oben
im ersten Kapitel dargetan habe, die Enkomien auf Ptolemaios (17)
und Hieron (16) eingeschoben. Die Sammlung von 18 Gedichten
(1—18) repräsentiert das zweite Hauptstadium in der Geschichte
der Auswahl theokritischer Poesie; in derselben befindet sich
schwerlich etwas, was nicht aus der Feder des Theokrit her-
Torgegangen wäre. Wii- bezeichnen den Komplex der Dich-
tungen dieses zweiten Stadiums mit a ß, weil er ausser dem
ältesten Bestandteil, den eigentlichen Hirtenliedem (a), auch
noch den aus verwandten, erotischen und mimetischen Gedichten
bestehenden ältesten Zusatz (ß) enthält. Handschriftlich ist er
vertreten durch Kl. I oder die Codd. a g 1 x 4 5 12 14 16 F N 0.
Von diesen Hss stammt a aus dem 13. Jahrhundert, die übrigen
sind jung, so dass man auch vermuten kann, sie seien erst durch
Verkürzung der stärker angewachsenen Anthologie entstanden.^)
dann 17 16) hinzugekommen, wie dieses Ahrens, Philol. 33, 395 annimmt.
Aber wenn ich auch oben in dem Verzeichnis der Handschriften, haupt-
sächlich auf die Hss p und Q gestützt, die Klassen 1 und la unter-
schieden habe, so halte ich doch, von den beiden Preisliedern abgesehen,
den Ursprung des verschiedenen Umfangs der Hss ans allmählichen Nach-
schöben für sehr problematisch. Es konnte auch eine vollständige Samm-
lung 11 12 13 2 14 15 18 später durch Weglassung einer (18) oder
mehrerer (14 15 18) Nummern verkürzt werden.
*) Die Form aß liegt auch den Hss s saec. XIII, 16 saec. XIV,
P saec. XIV, Y saec. XIV zugrund, so dass nur in die 18 theokritischen
<iedichte noch der unechte ejitraq^ios Bicovog (Mosch 3) eingeschoben ist.
Ahnlich verhält es sich mit dem zu den besten Hss zählenden Laur. p,
in welchem sich folgen: 15 6 4 7 3 8—13 15 14 2 Mosch 3 Th 16
and davon durch Zwischenlage getrennt Th 22 17, so dass ebenfalls
zu den alten Gedichten Theokrits der unechte imr. Bi(ovog gelegt ist.
^♦^achtenswert für Erkenntnis eines älteren kleineren ürafangs der theo-
tritiachen Anthologie sind auch die Hypotheseis im Cod. p, die nach
2iegler ed. III p. 192—197 nur umfas.sen 1 3-16.
408 W. Christ
Zu dieser erweiterten Sammlung (a ß) fügte ein feiner
Kenner noch dasjenige, was unter den anderen Werken des
Theokrit den bukolischen und mimischen Gedichten am nächsten
kam, die im Geiste und im Stil der Sappho gedichteten Lieder,
jiiekrj, oder die Gedichte 28 — 30 (y) unserer heutigen Ausgaben.
Man kann diese Stufe der Auswahl theokritischer Gedichte
die eratosthenische nennen, weil zu ihr allein Hjpotheseis
unter dem Namen des Grammatikers Eratosthenes erhalten
sind. Sie ist repräsentiert durch die Klasse II unserer Hand-
schriften, deren bester Vertreter der Mediolanus k ist,^) wenn
auch, wie es scheint, infolge eines zufalligen Ausfalls die Ge-
dichte 28 30 nicht mehr in k, sondern nur noch in jüngeren
suppletorischen Hss D und c uns erhalten sind. Wir bezeichnen
diese Klasse, die die Partien a ß y enthält, als die U., weil ihr
eine ältere, welche nur a ß enthielt, Yorausgegangen sein muss;
an innerem Wert für die Textkritik und auch nach dem Alter
der zu ihr gehörigen Handschriften nimmt sie die erste Stelle
ein. In den Handschriften dieser Klasse sind ebenso wie in
Klasse III hinter den Mele auch noch die Epigramme hinzu-
gefügt, aber dieser Anhang stammt nicht mehr aus alter Zeit,
sondern ist auf einen byzantinischen Grammatiker zurückzu-
führen, der mit grossem Ungeschick und mit starken Irrtümern
aus der Anthologie des Konstantinos Kephalas diejenigen Epi-
gramme auszog, die unter dem Namen des Theokrit liefen oder
zu laufen schienen.
Die nächste Stufe der Erweiterung liegt uns in der Klasse III
unserer Handschriften vor, die vorzüglich vertreten ist durch
den Paris. D und zu der der verlorene Cod. Patarinus, aus
dem durch Vermittelung der Abschrift des Griechen Musurus
die Edit. luntina und teilweise auch die Callergiana geflossen
sind, gehörte.*) Der Paris. D saec. XIV ist aus vier, sich
^) Daneben kommt hauptsächlich in Betracht der alte Vat. 6 saec. XIll^
in dem nur 16 fehlt und dafür nach 18 der imid<ptog Bi<ovoc (Mosch 3)
eingeschoben ist.
2) Über den verwandten, aber weniger vollständigen Codex 9 werde
ich erst unten handeln.
Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte, 409
gegenseitig ergänzenden und aus verschiedenen Vorlagen ent-
Dommenen Teilen zusammengesetzt und enthält folgende Gedichte :
D;: 1—3 8—13 4—7») 14 16 29 epigr.
D^: 17 18 15
D«: 24 22 26 28 Mosch 4 Th 25
D^: Mosch 3 Th 27.
Von dem Schreiber oder richtiger den Schreibern der Hand-
schrift wollte offenbar D^ die Gedichte 17 und 18 an 16 an-
schliessen und hat denselben dann noch nachträglich das in
D' zwischen 14 und 16 durch Zufall oder Nachlässigkeit aus-
gefallene Gedicht 15 zugefügt. Bis dahin nahm der Schreiber
von D nur Gedichte auf, die in der alten Sammlung bereits
stunden und uns sämtlich aus Klasse I und II der Hss bekannt
sind. Neu kamen durch D* zunächst hinzu: 24 22 26. Wir
haben diese bereits oben als echte Gedichte des Theokrit kennen
gelernt und als solche, die aus den Abteilungen vjuvoi und
fJQOHvai der Gesamtwerke des Theokrit stammten. Es folgt
sodann das Gedicht 28 oder das erste der Abteilung juekrj(y).
Daraus dürfen wir mit Zuversicht schliessen, dass die Gedichte 24
22 26 (d) bestimmt waren zwischen die alte mit Gedicht 18
abschliessende Sammlung a ß und die in der Handschriften-
klasse n hinzugekommenen ßiilrj eingeschoben zu werden. Auch
heutzutage noch stehen dieselben, wenn auch mit anderen
Stücken vermehrt, vor den Liedern (jÄiXrj) oder zwischen ß
und y. Woher diese Stellung? Das lässt sich mit Sicherheit
aus dem durch Suidas uns erhaltenen Katalog der Werke
Theokrits beantworten. Dort folgen sich ßovxohxä flgoindeg
ihiideg vfAvoi ^Qwitvai Inixrjdeia ^eXrj, stehen also die vfjLvoL
und YiQwivai^ aus denen die Gedichte 22 24 26 genommen sind.
*) Die anffällige Unordnung der Gedichte des ersten Teils der
Sammlung, der wir eine ähnliche in El. IV zur Seite stellen, scheint aus
einer VerateUnng der mehrere Gedichte (4—7 8 — 13) umfassenden Lagen
(ob kleinen Rollen?) entstanden zu sein, so dass die dritte Lage vor die
zweite gestellt wurde. Ein ästhetischer Grund, der in Kl. II zur Ver-
letzung von Idyll 7 nach Idyll 1 geführt zu haben scheint, ist hier nicht
ersichtlich.
410 W. Christ
vor den /xikr]. Es hat demnach der Urheber der erweiterten
Sammlung a/? dy, als er die Gedichte 22 24 26 der älteren
Sammlung aßy hinzufügte, die neuen Gedichte nicht an das
Ende nach y gesetzt, sondern dorthin, wohin sie nach dem
Katalog der Gesamtwerke gehörten, zwischen ß und y. Wann
dieses geschah, darüber erlaube ich mir keine Vermutung, wohl
aber lässt sich das Interesse erraten, das zu dieser neuen Er-
weiterung führte. Durch den epischen Kyklos oder die Hypo-
thoseis des epischen Kyklos, die unter Proklos im 5. Jahr-
hundert eine Neuausgabe erfahren hatten, war die Kenntnis
der alten Mythen des troischen und thebanischen Sagenkreises
allgemein verbreitet worden; die Argonautensage kannte man
aus dem Epos des ApoUonios, das obendrein der oben genannte
Marianos in byzantinische lamben umsetzte. Für die Herakles-
sagc und den Mythus der Dioskuren und der Kadmostochter
hatte man kein gleich geläufiges Hilfsmittel. Ein Grammatiker
half diesem Bedürfnis ab, indem er der beliebten Anthologie
des Lyrikers Theokrit aus dessen Gesamtwerken die epischen
Gedichte diöoxovgoi (22), 'Hgoxkioxog (24), Bdxym (26) hin-
zufügte.
Nun wird sich auch eine Erklärung der in D zunächst
folgenden Gedichte Meyäga (Mosch 4) und 'Hgaxlrjg keovTO(p6voQ
(Th 25) aufstellen lassen: sie dienten dem gleichen stofflichen
Zweck. Die Herakleiai des Peisandros und Panyasis waren längst
veraltet, wahrscheinlich kaum mehr in einer Bibliothek aufzu-
treiben; ein Grammatiker ersetzte sie, indem er in einem Nach-
trag (e) zu den epischen Gedichten des Theokrit auch noch
die aus dessen Schule stammenden Erzählungen von dem löwen-
erwürgenden Herakles und der unglücklichen Mutter der Herakles-
kinder Megara fügte. Jetzt wird es auch klar, warum in den
Handschriften unseres Theokrit die Heraklesgedichte nicht zu-
sammenstehen: sie stammen nicht aus gleicher Quelle und
sind nicht zu gleicher Zeit in die Theokritanthologie aufge-
nommen worden. Der Hylas (13) mit den den schönen Jüng-
ling in den Quell hinabziehenden Nymphen bewegt sich in
dem Gedankenkreis der ländlichen und erotischen Gedichte (a ß);
Die überlieferte Auswahl theokritischer Gedichte. 411
der Herakliskos (24) gehört zur Schicht <3 und ist wie der
Hylas aus den echten Werken Theokrits ausgezogen; der Hera-
kles leontophonos (25) bildet zusammen mit der Megara
(Mosch 4) einen Nachtrag (c) und rührt nicht von Theokrit
selber her.
Am Ende der Handschriftenklasse HI stehen noch der
biad(piog Bicovog und die ^Oagioivg. Beide sind entschieden
unecht und stehen daher passend in D am Ende, wo man
nach verbreitetem Brauch dem Echten nach das unechte, aus
anderen Quellen Entnommene anzuhängen pflegte. Das Liebes-
geplauder (27), in dessen Unechtheitserklärung ich ebenso wie
andere ganz mit Ahrens Philol. 33, 588 übereinstimme, be-
rücksichtige ich weiter nicht, da es nicht bloss in EI. II,
sondern auch in Kl. IV fehlt und kaum vor der Kaiserzeit
entstanden ist. Dagegen muss ich noch, wenigstens mit einigen
Worten von dem Epitaphios auf Bion handeln. In D stellt
derselbe passend, weil anderwärtsher, wahrscheinlich nach Ahrens
aus Cod. I entnommen, am Ende im Nachtrag; in Kl. IV steht
er nach dem Enkomion des Ptolemaios oder nach Ekloge 17.^)
Doch scheint er auch hier durch die Stellung als unecht be-
zeichnet zu sein, indem mit Ekloge 17 die alte Sammlung ab-
schloss und nur dieser Abteilung (a ß) statt der ganzen Samm-
lung das unechte Gedicht angehängt wurde. Dass dasselbe
nicht von Theokrit herrührt, bedarf keiner neuen Begründung;
dass es aber auch infelicissima coniectura, wie Bücheier, Rh.
M. 30, 40 sich ausdrückt, unter die Werke des Moschos ge-
setzt worden sei, kann als ausgemacht gelten. Denn der Ver-
fasser desselben gibt sich am Schlüsse mit unzweideutigen
Worten als Schüler des Bion kund, Moschos aber war kein
Schüler des Bion, sondern lebte, wenigstens nach den Zeug-
nissen des Altertums, vor Bion. Auch spricht die Verstechnik
') Diese Stellung wird er auch in der Vorlage des mit Klasse I
nahe verwandten Cod. p gehabt haben, wo auf 17 nach einem leeren
Zwischenraum folgen: 1 6 6 4 7 3 8-13 15 14 2 Mosch 3 Th IG.
ähnlich verhält es sich mit dem alten Cod. 6 saec. XIII, wo sich folgen
1-15 18 Mosch 3 Th 28 29.
412 W. Christ
des Epitaphios, in dem mit erkenntlicher Absicht trotz des
Zuges wehmütiger Trauer jeder Spondeus im 5. Fuss yennieden
ist, gegen die Autorschaft des Theokrit wie Moschos, da diese
in den epischen Gedichten den Spondeiazon ohne Bedenken
anwandten. Aber wie kam dieser Epitaphios auf Bion in die
Anthologie des Theokrit? Ich wage darüber eine Vermutung,
die aber auch nichts weiter als Vermutung sein will. Nach
dem Katalog bei Suidas schrieb Theokrit auch Trauerlieder
(ijiiHi^dEia\ ein solches Imxrjdeiov ist auch der intxdiptog auf
Bion. Als man nun gegen Ende der römischen Republik
die Werke der Bukoliker sammelte, um die vereinzelten Ge-
dichte vor dem Untergänge zu schützen, da mochte ein Be-
wunderer des rhetorisch aufgeputzten Trauergesangs auf Bion
auch diesem Spätling der bukolischen Muse die Erhaltung sichern,
indem er ihn den Trauergesängen des Theokrit anschloss. War
er aber einmal unter die Werke des Theokrit aufgenommen,
dann ist es bei der Richtung der Zeit nicht mehr zu ver-
wundern, wenn er gegen Schluss des Altertums auch Aufnahme
in die Anthologie theokritischer Gedichte fand.
7.
Die unechten Zusätze der Sammlung.
Die grösste Zahl von Gedichten enthält die Klasse IV der
Theokrithandschriften, die von Hiller in seinen für dieses
Gebiet bahnbrechenden Untersuchungen mit dem Buchstaben $
zusammengefasst wurden. Hauptvertreter dieser Klasse sind
der Paris. M, der die Rezension des byzantinischen Grammatikers
Triklinios enthält, und der Vatic. 23, der jetzt in 2 Teile aus-
einandergerissen ist und zu verschiedenen Zeiten zwei Blätter-
verluste erlitten hat, so dass er durch die 2 ältesten Apo*
giaphaVat.il undLaur. w ergänzt werden muss.^) Von diesen
Hauptvertretern der Klasse IV enthält M:
^) Der älteste Vertreter der Klasse IV ist der Paris. Q, (geschrieben
1298, aber derselbe ist unvollständig und enthält nur den Anf&ng: 1 5
6 4 7 3 8-13.
Die Überlieferte ÄuswM theohntiseher Gedickte. 413
15 6 4 7 3 8—13 2 14—16 25 Mosch 4 Th 17
Mosch 3 Th 22 18 20 21 Bi 1 Th 23 Bi 2 avg. ßcofi.
23 nach der Rekonstruktion von Hiller:
15 6 4 7 3 8—13 2 14—16 25 Mosch 4 Th 17 Mosch 3
Th 22 18 20 21 Mosch 1 Th 19 Bi 1 ek vehq6v 'Ad. Th 23 Bi 2.
Cod. 23 enthält also, wenn wir wie billig von dem Anhange
IvQiyS und Bco/idg absehen, 3 Stücke mehr wie M, nämlich
Mosch 1 oder ^Egcog öganEirig^ Th 19 oder KriQioxlejnrjg und
Ek vexQÖv "AöcDviv. Man kann zweifeln, ob dieselben von
Triklinios, dem Redaktor von M, weggelassen oder von dem
Schreiber des Cod. 23 neu hinzugefügt worden seien. Ahrens
p. 596 und Hiller p. 58 entscheiden sich für die erstere An-
nahme, und in der Tat hat dieselbe die grössere Wahrschein-
lichkeit für sich, da Triklinios schon so urteilsföhig war, um
diese Ausscheidung des unzweifelhaft Unechten treffen zu
können. Jedenfalls werde ich im folgenden von der vollstän-
digen Reihe in Cod. 23 ausgehen. 0 also hat von den Gruppen
der Gedichte Theokrits, die wir bereits aus den Klassen I, II
und lU der Handschriften kennen gelernt haben, a ß e und
von der Gruppe d das Gedicht 22; es fehlen ihr die Gruppe y
und von der Gruppe d die Gedichte 24 und 26. Man könnte
vermuten, dass diese fehlenden Gedichte ursprünglich auch in
dem Archetypus von (P enthalten gewesen seien, da sie sich
in den mit M imd 23 verwandten Codd. c und 11 finden.
Aber diese Vermutung ist sofort wieder aufzugeben. Denn
diese beiden Hss, die man als lYa- Klasse bezeichnen kann,
sind aus verschiedenen, zur gegenseitigen Ergänzug dienenden
Teilen zusammengesetzt, und diejenigen Teile, welche die frag-
lichen Gedichte enthalten, haben zu $ keine Beziehung.^)
^) Zur Verdeutlichung gebe ich hier eine Analyse der beiden Hs8;
es besteht c saec. XV aus:
c*: Th epigr., 24 26 27
c*»: Th 1—3 5 4 6—13
c*: 11 iterum 14-16 25 Mosch 4 Th 17 Moach 3 Th 22 18 20 21
Bi 1 Th 23 Bi 2. avg.
c*: Th 28 29 30
c*: «V rexQorZid. Mosch 1 Th 19.
414 W. Christ
Bleiben wir also vorerst, bis wir eines Besseren belehrt
werden, dabei stehen, dass in der Klasse IV einige Gedichte
fehlen, die uns durch die beiden Klassen II und III erhalten
sind, und wenden wir uns lieber zu den neu hinzugekommenen
Gedichten. Neu also sind durch ^ oder Cod. 23 hinzugekommen:
Von diesen Teilen, die aber in der Ha nicht gesondert sind, decken sicli
c^ und c*" wesentlich mit M, c* enthält eine Ergänzung aus Cod. 23,
c* und c"* aus D, als das Original noch vollständiger war; denn Th30
ist uns nur durch unser c erhalten. Von den gemischten Ergänzungs-
handschriften, wie auch c eine ist, sollte man erwarten, dass der erst«
Teil den Grundstock enthalte und dann erst die Ergänzungen aus einer
oder mehreren Hss folgen. Hier ist dieses nicht der Fall ; denn mit den
Epigrammen Theokrits hat sicher nie eine Theokrithandschrift begonnen;
aber in der Vorlage von c wird auch sicher nicht c* vorangestanden haben.
Cod. 11 saec. XV besteht aus:
!!•: Th 1—15 18 Mosch 3 Th 28 29.
n^i Th 16 25 Mosch 4 Th 22 18 20 21 Mosch 1 Th 19 Bi 1, tU
vexQov "Ad. Th 23 Bi 2.
11«: Th24 avQ,
Von diesen Teilen gehört 11»» oflFenbar zu Kl. III, 11» zu Kl. II ähnlich
wie s und Y, nachdem in derselben bereits der unechte httzdtpiog Biwrog
angeschlossen war, wie dieses tatsächlich in Cod. 6 geschehen ist; 11 'ist
eine teilweise Ergänzung aus Kl. III.
In Cod. 18 saec. 15 ist nur die Sylloge ^ ohne die vorausgehenden
Gedichte enthalten, nämlich Th 25 Mosch 4 Th 22 20 21 Bi 1 Th 23
Bi 2 Mosch 3.
Cod. 9 (m) saec. XII, wohl der älteste Codex des Theokrit, enthält
nur 2,5—3,6 5,59-13,65 1^,71-17 22 25. Da er unvollständig ist, so
lässt sich seine Einreihung nicht mit voller Sicherheit bestimmen: er
könnte dem Inhalt nach zu Kl. III oder IV gehören. Durch Vergleichung
seiner Lesarten hat Hiller S. 44 f. und 73 f. erwiesen, dass er eher zu
Kl. IV als zu Kl. III zu stellen ist.
Die Evgcjjttj oder Mosch 2 ist in der Aldina und in dem daraus
geflossenen (s. Hiller Beitr. 9) Cod. r durch Cod. m saec. XII und Cod. s
saec. XIV in unsere Sammlung gekommen. In s stehen in einem Nach-
trag jüngerer bukolischer Gedichte, getrennt von den Gedichten des
Theokrit, Mosch 1 2 4, die beiden ersten ausdrücklich unter dem Namen
Mooxov. Ähnlich ist die Sachlage in dem alten Cod. 9 (m), wo von den
Gedichten des Theokrit getrennt steht Mooxov EvQioxi]. Mit Recht ist
daher seit Stephanus die Europe wieder aus den Ausgaben des Theokrit
verschwunden und in die Ausgabe des Moschos verwiesen.
tHe überlief erie AuswM theokritischer Gedichte, 415
Th 20 oder BovxoJiiaxog ^ Th 21 oder 'Alieig, Mosch 1 oder
"Egayg dQajthi]g, Th 19 oder Kfigioxkenxfjg^ Bi 1 oder i7iird<piog
'Adcovidog, Elg vexgov ^Adcoviv, Th 23 oder ^Egaarijg, Bi 2 oder
tn&aidfiiog ^AxdXecog xal Atjtda/Lielag. Von diesen neuen Ge-
dichten sind entschieden mehrere nicht theokritisch, wie der
"EgcDg dQa7ihi]g, der in Anth. Pal IX 440 dem Moschos beigelegt
wird, und der inizdipiog *Ad(6ndog, der nach der Andeutung
im bindtfiog Bicovog V. 70 von Bion herrührt. Unter diesen
Umständen drängt sich jedem von selbst die Frage auf, sind
auch die übrigen 6 Qedichte unecht, und wenn, rühren sie auch
Ton Bion mid Moschos her und welche von dem einen und
welche von dem andern? Ehe wir aber an die Besprechung
dieser schwierigen Frage gehen, müssen wir zuvor die An-
gaben über die alten Ausgaben des Theokrit und der Bukoliker
erörtern.
Wir haben in den Prolegomena der Scholien des Theokrit
ein Epigramm
'Aqts/hScjqov ygafjifiaTixov
hil xfj d.'&Qoioei xlbv ßovxoXixcbv 7ioif]judT(ov'
BovxoXixal MoToai anoQdÖeg jzoxd, vvv S* äjua näaai
evtI fxiäg fxdvögag, ivxl jxLäg äyiXag,
wonach der Grammatiker Artemidoros im I.Jahrhundert v. Chr.
eine Sammelausgabe der Bukoliker, zunächst wohl der drei
berühmten Bukoliker Theokrit Moschos Bion, vielleicht aber
auch noch anderer weniger berühmten Dichter aus der Schule
jener Meister veranstaltete. Jenem Epigramm steht ein anderes
gegenüber
'AUog 6 Xiog' iyä) de OeSxgixog og xdd^ eyQaipa^)
elg änd xtbv noXX&v el/il 2vQaxooia>v,
vii>g UgaSayogao JieQixXeixrjg xe ^iXivrjg,
ßxovoav d' d^eirjv oixiv^ IfpeXxvod/tirjv
') Den ersten Vers, dem man den Artikel des Suidas ,^ßs6HQtzog
Xiog oriKOQ ixa^XT}^ MrjxQodutQov tov 'looxQaxixov foxi xai etfqoc;
SioxQtxog IJga^ayoQOV xai ^tXirrjq* zur Seite stellen niusH, führe ich auf
üen unter Cicero lebenden Literarhistoriker Demetrius M.aorneM zurück,
416 HT, Christ
das ich am liebsten im Gegensatze zu dem Yorausgehenden
auf eine Spezialausgabe des Theokrit deute, in der jedes fremde
Element, insbesondere jedes nicht in syrakusanischem Dialekt
geschriebene Gedicht ausgeschlossen war.^) Von der Sammel-
ausgabe sollte man nach dem Wortlaut des Epigramms allerdings
erwarten, dass sie lediglich bukolische Gedichte enthielt Aber
da schon Yergil über diesen engen Rahmen hinausging und da
auch in der Sammlung aß des Theokrit mit den eigentlichen
Hirtenidyllen verwandte Gedichte, Mimen und Erotika, verbun-
den waren, so darf man wohl die Vermutung wagen, dass auch
in jener Sammelausgabe der Bukoliker nicht blos bukolische
Gedichte im strengen Sinne des Wortes standen, sondern auch
verwandte Gedichte entweder gleich von vornherein aufge-
nommen waren oder doch später zu den eigentlichen Hirten-
liedern hinzukamen. In jedem Fall konnte leicht jemand am
Ende des Altertums oder im beginnenden Mittelalter auf den
Gedanken kommen, an die erweiterte theokritische Anthologie
am Schlüsse noch hübsche Gedichte ähnlicher Art aus Bion
und Moschos oder anderen Bukolikern zu fügen.*) Für diese
Annahme haben wir einen festen Anhalt in der Tatsache,
dass in der Handschriftenklasse lY mehrere nichttheokritische
Gedichte gerade am Ende der Sammlung hinter den echten
Gedichten des Theokrits stehen.
Aber wo beginnen die unechten? Ehe wir diese schwierigste
Frage zu lösen versuchen, wollen wir zuvor mehrere leichtere
erledigen. Fanden in jenen Anhang bloss Gedichte des Bion
der ein Buch tisqi Sficovvfieov jtoiijr&v xai avyygaipeayv geschrieben hakte,
in dem recht wohl die beiden gleichnamigen Autoren, der Historiker und
der Dichter Theokrit, unterschieden werden konnten.
i) Alfr. Croiset, Histoire de la litt. gr. V 184 deotet die Worte
Moiaav vOveitjv auf die Nachahmer, schwerlich mit Recht, da d^eitj viel
eher auf ein zu einem anderen Genre gehöriges oder in einem anderen
Dialekt geschriebenes Gedicht geht. Ahrens Philol. 33, 391 will beide
Epigramme, weil nie in k ohne Zwischenraum aufeinander folgen, dem-
selben Artemidor beilegen. Aber ein Zusammenhang ist gar nicht
ersirhtlich.
^) Tatsiuhlich steht in s und 9 Moschos nach Theokrit.
DU Überlieferte Auswahl iheohritiseher Gedichte. 417
und Moschos Aufnahme? Man möchte dies glauben, aber an
aß schon war ein von keinem der 3 Bukoliker verfasstes Ge-
dicht, der ijiird<piog Bicovog^ angeschlossen worden, und das in
anakreontischen Versen verfasste Oedicht Elg vexgdv ^AdcDvir
kann doch schon des Yersmasses wegen, das erst in der Kaiser-
zeit beliebt wurde, nicht bis in die Zeit der drei berühmten
Bukoliker zurückdatiert werden. Es heisst also vorsichtig sein,
aber trotzdem bleibt es in jedem einzelnen Falle, wo man
keinen Grund dagegen anführen kann, das wahrscheinlichste,
dass entweder Bion oder Moschos der Verfasser des nichts
theokritischen Gedichtes sei.
Auch das andere ist wahrscheinlich, dass in dem Anhange
die Gedichte des Moschos und Bion nicht bunt durcheinander
gewürfelt sind, sondern die eines jeden derselben zusammen
stehen. Ich wage daher unbedenklich den Schluss, dass das
Gedicht KriQioxkenxrig (Th 19), weil es hinter einem Gedichte
des Moschos, dem ^Egwg dganirrig, steht, gleichfalls von Moschos
herrührt, und dass der ^Egami^g (Th 23), weil ihm ein Gedicht
des Bion vorausgeht und ein solches wahrscheinlich auch nach-
folgt,^) ebenfalls dem Bion beigelegt werden darf. Meine Zuver-
sicht wird dabei dadurch gesteigert, dass die Kritiker schon,
ehe sie das Verhältnis der Anordnung durchschauten, den
KrjQioxXejtrT]g wegen der Gleichheit des Tones neckischer Schel-
merei demselben Dichter wie den ^Egcog dQonhrjg zuschrieben.
Bemerkt sei nur noch, dass in diesem Anhang geradeso wie
in dem Kanon der bukolischen Dichter Moschos vor Bion ge-
setzt und somit die von Bücheier wieder zu ihrem Rechte ge-
brachte Ordnung Theokrit, Moschos, Bion bestätigt wird.
Aber nun komme ich wieder auf die Frage zurück, wo be-
ginnt die Reihe der unechten Gedichte? Bei näherem Zusehen
werden alsbald der Antwort engere Grenzen gezogen. An
^) Ich halte mit den Meisten es für wahrscheinlich, dass der 'Em-
^aXdfuog *Axi^^io}s >cai AfjtÖafieiaSf eine Nachahmung? des theokritischen
'Eievijg sjti&aXdfiios, von Bion herrühre, und dass das anakreontische Ge-
dichtcfaen Eis vexQov'Adtoviv des ähnlichen Inhaltes wegen dem imjdqpiog
'Adüfptdoe angehängt worden sei.
1908L Sitsgsb. d. pbUo«.-phUol. n. d. bist. Kl. 28
418 W. Christ
sechstletzter Stelle steht der *^Qayg dgaTthrjg, dessen Verfasser
nicht Theokrit sondern Moschos ist; an neuntletzter Stelle
steht 'Elivtjg im&aXd^iog^ ein Gedicht, das zu den 18 ersten
Gedichten der theokritischen Anthologie gehört, also sicher
echt ist. Die Grenze des unechten Anhanges muss demnacli
nach dem achtletzten und vor dem sechstletzten Gedicht ge-
zogen werden; es handelt sich also nur darum, sind die an
siebent- und achtletzter Stelle stehenden Gedichte, der Buko-
liskos (Th 20) und die 'AXieig (Th 21) theokritisch oder nicht?
Eine Entscheidung aus inneren Gründen ist sehr schwer, wenn
man auch von vornherein bezüglich der Fischer den Eindruck
hat, dass ihre feine Detailmalerei und ihre harte, weil die
leichte Ware der gewöhnlichen Phrase meidende Sprache ganz
zur Art des Theokrit passt. Aber da hilft uns ein hand-
schriftliches, zuerst von Hiller, Beitr. 59, herangezogenes Zeug-
nis. Es ist nämlich in Cod. 23 der Sylloge 0 den Überschriften
der einzelnen Gedichte eine Notiz über den Autor, ob er
Theokrit sei oder nicht, beigesetzt. Die Note Seoxglxov fehlt
bei 'Hqaxkrig AeovTo<p6vog , hitxdcpiog Bloovog, *Adwvidog bii-
Tdq)iog, ^EgaoTrjg, ijii&aXdjLUog *AxtXXi(og xal AfjidafJieiag, sie
steht vor BovxoXlaxog und 'AXuTg. Nach diesem Zeugnis, gegen
das die äjia^ Xeyö/ieva und die minimalen Versbauobsenra-
tionen nicht aufkommen können, lasse ich also den Kuhhirten
und die Fischer als echt und theokritisch gelten.^) Ich füge
nur dafür, dass Moschos nicht der Verfasser sei, eine Kleinig-
keit bei. Im Bukoliskos V. 19
Tioifiiveg, eXnaxe jJLOi x6 xgi^yvov ov xaXog ififu\
steht xQfjYvov im Sinne von dXtjdig. Das konnte sich ein
Schüler des Aristarch, als welcher Moschos im Artikel des
Suidas aufgeführt wird, nicht erlauben, nachdem der Meister
in der Note zu Hom. II. I 106 im Gegensatze zu den Früheren
^) Hiller selbnt Hess sich durch jenea Zeugnis nicht bestimmen, son-
dern bekennt nich p. 70 zur Überzeugung, dass beide Gedichte von theo-
kritischer Manier weit entfernt nind.
Die Überlieferte Ätuwahl theokrüischer Gedichte, 41 d
aufgestellt hatte: äna^ slgt^rai x6 xqrjyvov hoX ovx {ottv älrj&ig
äXr iya^6v.
Aus welchem Teile der Werke des Theokrit stammten
aber die beiden Gedichte? Um hierauf antworten zu können,
hat uns Birt, Antikes Buchwesen S. 399 und 507 den Weg
gezeigt. Unter den Schriften des Theokrit werden von Suidas
auch *Eljiideg genannt; unter diesen standen die 'AXieig und
wahrscheinlich auch der BovxoXloxog, Wie in den Hymnen
und Heroinen, so hat auch in den Fischern, Y. 66
£l jiikv äg' ov xviboawv rv id x^Q^ TQvra fiaxeveig,
iJbilg rcbv vnvoyy' ^dxei xbv odgxivoy Ix'Ovv
der Dichter mit ihiig auf den Namen der Dichtgattung an-
gespielt. Wir werden denselben im Deutschen mit ,Luft-
scUosser' wiedergeben, oder lieber, wenn auch der Bukoliskos
dazu gehorte, mit ,Einbildungen'.
Wir haben auf Grund der verschiedenen Handschriften-
klassen die Entstehung und das Wachsen unserer theokritischen
Anthologie verfolgt. Wir bleiben vorläufig dabei stehen; be-
wahrheiten sich die Resultate unserer Analyse, so werden die-
selben auch für die Textkritik und die Wertschätzung der
einzelnen Handschriften von Bedeutung sein. Dazu wird es
aber einer eigenen, spinösen Untersuchung bedürfen, die ich
Jüngeren überlasse.
Zum Lückefüllen eine Konjektur und eine Deutung!
Id. XXUI, 142 ist überliefert:
Tfl de x^^^- ^^ ngdoconov äjueißero, (pevye d^ äjio XQ^^
vßgiv xäg ögyäg neQixel/bievog,
Dass im zweiten Satz das Partizip nicht zu XQ^^ gehören
kann, hat Wakefield mit seinem klaren Scharfsinn erkannt
und demnach ntqixeifAevog in neQixei/JLevov — man könnte auch
^iQixeifiivcp setzen — gebessert. Aber jiegixeto&ai kann keinen
Akkusativ bei sich haben. Vollende daher die Verbesserung
28*
420 TT. Christ, Die überlieferte ÄugwaM Üheohitiseker Gedichte.
durch die leichte Änderung jieQieljüievov nach der Analogie des
homerischen dvaidelriv inieijuivos I 372.
Id. IV 26 klagt der Hirte Battos über den Weggang des
nach dem Lorbeer eines olympischen Sieges lüsternen Herrn
Aigon
(pev q>€v ßaoevnai xal ral ßöeg c5 rdlav Atycov
elg 'Atdav, 8xa xal tv xaxäg fjQdooao vixag.
Der Witz der Stelle erhält erst seine Pointe, wenn man
zu *Atdav^ in den die armen Rinder ziehen müssen, den Ort
der Landschaft, wo die olympischen Siege gefeiert werden,
stellt und zwar in der heimischen Mundart 'Akida. Der Dichter
liebt das Wortspiel und hat es hübsch auch in Id. VII 100
angewandt oldev *AQiaTig, io&Xog än^Q, juiey'' ägioxog.
421
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels.
Von A« Fartw&ngrler.
(Vorgetragen in der philoe.-philol. Klasse am 13. Juni 1903.)
Seit einem Vierteljahrhundert bildet die Aufstellung der
Statuen des Ostgiebels von Olympia ein Problem, an dessen
Lösung Ton den verschiedensten Seiten und mit der grössten
Anstrengung fast unablässig gearbeitet worden ist. Gross ist
die Zahl der Gelehrten, die mutig in die Arena gestiegen sind
und den Kampf mit dem dunkeln Rätsel aufgenommen haben.
Ich selbst habe zu yerschiedenen Malen mich unter die Streiter
gemischt. *)
Die monumentale Publikation der Ergebnisse der Aus-
grabungen von Olympia, der 1897 erschienene dritte Band
«Olympia* schloss mit einer Dissonanz, mit dem Gegensatze
der zwei Aufstellungen von Ernst Curtius und Georg Treu,
die beide ihre von Anfang an eingenommenen gegensätzlichen
Stellungen unverrückt festhielten. Kurz darauf erschien die
ausführliche Begründung einer neuen Anordnung von K. W er-
nicke im Jahrbuch des Archäolog. Institutes Bd. XII, 1897,
S. 169 — 194, die in Gomparetti einen Anhänger fand (Strena
^) Ich habe zuerst in den Preussiseben Jabrbücbern Bd. 61 (1882),
S. 372 ff. die Aufstellung von £. Curtius n&her zu begründen und zu ver-
teidigen gesucht. Später habe ich im Jahrbuch d. Inst. Bd. VI, 1891,
S. 77—87 eine eigene neue Anordnung versucht und im Arch. Anzeiger 1891,
S. 93 f. sowie in der Berliner Philol. Wochenschrift 1892, Sp. 1281 ff. und
13 U f. gegen Einwürfe verteidigt.
422 A, Furttoängler
Helbigiana S. 44 fip.). In dem 1901 erschienenen dritten Bande
der grossen kommentierten Ausgabe des Pausanias von Hitzig
und BlUmner findet man die verschiedenen Aufstellungen und
Deutungen am übersichtlichsten zusammengestellt (S. 322 ff.,
Taf. 3, 4); die beigegebenen Tafeln sind aus dem Jahrbuch 1897
wiederholt, aber die Figuren sind hier in einheitlicher Weise
mit Buchstaben bezeichnet, was die Benutzbarkeit erhöht. Wir
gebrauchen im Folgenden der Kürze halber dieselben Buch-
staben für die Figuren und wiederholen auf S. 424 die Ab-
bildungen der drei letzten und wichtigsten Aufstellungen von
Treu, Curtius und Wernicke.
Sicher ist bis jetzt nur Eines, nämlich dass alle bisherigen
Anordnungen des Giebels nicht befriedigen. Darum dürfen wir
das Suchen nach dem Richtigen nicht aufgeben. Am wenigsten
darf es derjenige, der selbst eine Anordnung Torgeschlagen hat
und die Unzulänglichkeit eben dieser nun lebhaft empfindet
Und dies ist mein Fall; ich fühle die Pflicht, an der Frage
weiter zu arbeiten.
Meine frühere Aufstellung war die, wie ich jetzt glaube,
falsch gezogene Konsequenz eines an sich gewiss zweifellos
richtigen Grundsatzes, von dem wir durchaus nicht abgehen
dürfen, der aber bei allen anderen Aufstellungen mehr oder
weniger verletzt wird, des Grundsatzes, dass diejenigen Figuren
sich auf den beiden Seiten des Giebels entsprechen müssen^
welche die gleiche oder die nächst gleiche Höhe haben. Die
Richtigkeit dieser Forderung liegt in der Natur der symme-
trischen Komposition der Giebelfelder und wird insbesondere
erhärtet durch die genaue Befolgung derselben, die wir an
den Agineten nicht nur, sondern vor allem am westlichen
Giebelfelde des Zeustempels selbst konstatieren können.
Ich muss daher an den in meiner früheren Abhandlung
geforderten Paaren im Ostgiebel festhalten, da sie allein der
genannten Bedingung genügen, dass die sich entsprechenden
Figuren der beiden Seiten die gleiche oder die möglichst an-
nähernd gleiche Höhe haben müssen. Indess jene Paare habe
ich damals falsch verteilt.
Der Ostgiebel des olympisehen Zeustempels, 423
Erinnern wir uns zunächst der jener Grundforderung allein
entsprechenden Paare unter den Figuren, deren Anordnung am
meisten strittig ist. Wie ich im Jahrb. d. Inst. 1891, S. 80
hervorgehoben habe, sind der hockende Knabe E und das
knieende Mädchen 0 von gleicher Grösse. Diese beiden Figuren
müssen einst sich entsprochen haben. Sobald man einer der-
selben ein anderes Gegenstück geben will, verstösst man gegen
jene Grundforderung; man muss dann Gegenstücke bilden aus
Figuren von wesentlich verschiedener Höhe, wie Treu, der den
hockenden Mann L als Gegenstück zu E und den knieenden
Jüngling B als solches zu 0 ansetzt, oder wie Wernicke, der
umgekehrt B und E sowie L und 0 zusammenordnet. Während
ein Paar van in der Höhe völlig übereinstimmenden und über-
dies noch in Altersstufe und Bewegung vortrefflich zu einander
passenden Figuren vorhanden ist, reisst man dieses evident
gegebene Paar auseinander und verbindet die einzelnen Glieder
mit Figuren, die wesentlich andere Grösse haben.
Auch an dem zweiten Paare strittiger Figuren, das ich
damals aufstellte, muss ich durchaus festhalten: durch die über-
einstimmende Grösse werden der hockende Mann L und der
knieende Jüngling B als Gegenstücke erwiesen (vgl. Jahrbuch
1891, S. 81). Jede andere Zusammenstellung, wie die von L
und N bei Curtius, von L und E bei Treu, von L und 0 bei
Wernicke, sowie femer die von B mit C bei Curtius, B mit
0 bei Treu und B mit E bei Wernicke vereinigt Figuren von
wesentlich verschiedener Höhe.*)
') Treu gibt im Olympiawerke die vermutlichen ursprünglichen
Höhen der Figuren an. Danach differieren die von Curtius, Treu und
Wernicke als Gegenstücke angenommenen Figuren um 10, 15, 20 und
25 cm in der Höhe (nur L und N bei Curtius differieren etwas weniger,
nach Treu um 8 cm). Dagegen differieren die von mir aufgestellten
Gegenstücke nach Treus Massen nur um je 5 cm, und auch diese 5 cm
fielen vermutlich noch weg; denn bei B hat Treu offenbar eine zu ge-
senkte Kopfhaltung angenommen, so dass die ursprüngliche Höhe der
von L (130 cm) noch näher stand; und der fehlende Kopf von E mag
ein wenig zu niedrig veranschlagt sein, so dass auch die Höhe von £
Jer von 0 noch genauer entsprochen haben wird. Aber auch wenn wir
t
«a
i
i
A
■c
Der Ottgiebel des ciympiadun etc.
425
'^
ST
--^
■^^fej^
jgisa..
t^
=}
\
'^
Also die Oegenstücke, die ich da-
mals aufstellte, müssen bleiben. Allein
ihre Anordnung muss eine andere werden.
Der sitzende Mann L kann nicht, wie
ich damals vorschlug, rechts neben N
gestellt werden; schon deshalb nicht,
wefl die starre gerade Linie des von
der linken Schulter herabfallenden Man-
tels abscheulich und unmöglich wirkt,
wenn sie nicht durch andere anschlies-
sende parallele Linien gedeckt wird.
Auch die Gründe, die Treu, Olympia III,
S. 123 anführt, sind durchaus zutreffend.
Die Zuspitzung des Grundrisses der Statue
nach ihrer rechten Seite sowie die ge-
drehte Körperhaltung wären an jener
Stelle unverständlich; auch ist es rich-
tig, dass die Figur dort „den ümriss
des Gh'eises daneben in störender Weise
wiederholte*; nur durfte Treu diesen
Ghiind eigentlich nicht anführen, weil
er selbst, worin ich ihm früher irriger
Weise gefolgt bin, durch das Hinter-
einandersetzen der zwei knieenden Fi-
guren B und G in der linken Giebelecke
eben den Fehler wiederholt hat, den
er an meiner früheren Aufstellung der
rechten Ecke mit Recht tadelte.
Ein ganz untrügliches Mittel, um
die Stellung der Figuren im Giebel zu
bestimmen, gibt uns der Grad der Aus-
\
die 5 cm Differenz, die Treue Berechnungen
geben, beibehalten, bleibt immer ein starker
Unterschied dieser von den 10—25 cm, um
welche die von den Anderen angenommenen
Gegenstücke differieren.
426 A. Furttcängler
fÜhrung ihrer einzelnen Teile: in der Arbeit yemachlässigte,
unausgeführte Partien können unmöglich der Hauptansicht der
Figuren ausgesetzt gewesen sein. Aus diesem Grunde ist die
Möglichkeit, den sitzenden Mann L in die linke Giebelhälfte
zu stellen, einfach ausgeschlossen, da er hier gerade seine
unausgeführte linke Kopfseite dem Beschauer zu und die sorg-
faltig vollendete rechte von ihm abkehren würde. Man hat
dagegen sagen wollen, bei der Höhe der Aufstellung würde dies
dem unbewaffneten Auge von unten kaum aufgefallen sein.
Allein darüber zu streiten ist unnütz. Die gesamte Arbeit der
beiden Giebelgruppen lehrt es als unumstössliche Tatsache, dass
die Künstler in der sorgfaltigen Ausführung Überall eben so
weit gingen wie die Figuren von unten gut sichtbar waren,
dagegen die Ausführung sich ersparten wo immer sie annehmen
durften, dass dies nicht der Fall sei. Danach muss es als
einer der sichersten Punkte der Ostgiebelau&tellung gelten,
dass L nicht links hinter dem Wagen gesessen haben kann, wo
er das unbearbeitete Ohr und die vernachlässigten hässlicben
Falten unter dem linken Arme dem Beschauer zu, die fein aus-
gefiihrten Teile aber abwendet (vgl. auch Treu, Ol. III, S. 122).
Da L nun nicht hinter dem Greis N gesessen haben kann,
so bleibt für ihn nur der ihm von Treu angewiesene Platz vor
den Rossen der rechten Hälfte. Und hier passt er in der Tat
vortrefflich her. Nur hier findet seine verdrehte auffallende
Haltung eine befriedigende Erklärung: er sitzt vor den Pferden,
die Beine von ihnen abgekehrt, und dreht nun den Oberkörper
nach ihnen um. Hier findet ferner jene jgerade Linie seines
herabfallenden Mantels an den parallel daneben stehenden
Pferdebeinen jenen Hintergrund, dessen sie notwendig bedarf.
Dass die Figur ganz vorne an den Geisonrand herangerückt
war, wie sie es eben an jenem Platze sein musste, hat Treu
(Ol. in, S. 123) aus der Abmeisselung der Unterseite und der
geradlinig abgeschnittenen Yorderfläche des linken Oberschenkels
mit Recht geschlossen.
Da nun das Gegenstück von L der Grösse nach, wie wir
sahen, B gewesen ist, so muss der knieende Jüngling B vor
Der Otstgiebel des olympischen Zeustempels, 427
die Pferde links. Doch bevor wir zu dieser Figur übergehen,
beenden wir die Betrachtung der rechten Oiebelhälfte.
£s gibt noch einen festen untrüglichen Halt für die Auf-
stellung der Giebelgruppe: das ist der Fundort der Figuren
der rechten Ecke.
Seit in der PubUkation des grossen Olympiawerkes mit
der ihm beig^ebenen Fundkarte der Giebelfiguren alles Material
zur Beurteilung vorliegt, kann meines Erachtens kein Zweifel
mehr sein, dass zwischen der Auffindung der Figuren N E P
vor der Nordostecke und der Auffindung der übrigen Stücke
ein fundamentaler Unterschied besteht. Jene Figuren lagen
unverbaut unmittelbar unterhalb der Nordostecke; alle anderen
Stücke sind weit entfernt und nicht in der Falllage, sondern
verschleppt und in Hüttenmauern verbaut gefunden worden.
Von jenen drei unterhalb der Nordostecke liegenden Figuren
gehörten zwei, N und P, zweifellos in die Giebelecke darüber,
und zwar in derselben Reihenfolge, wie sie unten lagen, P
rechts und N weiter links. Der Schluss aus diesen Tatsachen
ist ganz unab weislich: die zwischen N und P in zwei Stücke
gebrochen gefundene Figur des hockenden Knaben E muss
auch im Giebel oben zwischen N und P gesessen haben.
Das durch die Grösse gegebene Gegenstück von E ist aber,
wie wir sahen, das knieende Mädchen 0; also wird nun auch
dessen Platz bestimmt: es muss an die zweite Stelle der süd-
heben Giebelhälfte von links rücken, da wo bereits E. Gurtius
es eingeordnet hat.
Ausser den stehenden Mittel- und den liegenden Eckfiguren
bleiben jetzt nur noch der sitzende Greis N und der knieende
Mann C übrig; ihre Plätze können nur die einzig noch freien
hinter den Rossen sein. Sie differieren etwas in der Höhe
(N: 138; 0 wird von Treu auf 150 berechnet); allein dies ist
hier notwendig motiviert dadurch, dass bei der Haltung mit nach
der Giebelmitte hin ausgestreckten Beinen der Kopf von N wesent-
lich näher der Giebelecke rückt, also niedriger sein musste als der
Kopf des Mannes C, der bei seiner nicht am Boden sitzenden, son-
dern knieenden Stellung näher nach der Giebelmitte zu fiel. Hier-
428 A, Furtwängler
durch ward die Höhendifferenz der beiden entsprechenden Figuren
und damit eine kleine Abweichung von der Regel notwendig.
Während die Differenz von G und N in der Haltung be-
gründet ist, so wäre die von L und N ganz unerklärlich, wenn
diese Figuren Gegenstücke wären ; L würde ja dann die Beine
von der Mitte Wegstrecken, während N sie der Mitte zustreckt,
also könnte die Figurenhöhe von L, da der Kopf der Giebel-
mitte näher gerückt wäre, doch nur höher sein, nicht aber,
wie es tatsächlich der Fall ist, niedriger als N, und die nach-
trägliche Abmeisselung der ünterfläche von L, welche die Figur
niedriger machte, wäre ganz unerklärlich, während sie leicht
verständlich ist, wenn L und B die Gegenstücke sind.
Endlich sei noch hervorgehoben, dass an G der Bücken
unausgearbeitet, an 0 aber sorgfaltig ausgeführt ist, was sich
bei unserer Aufstellung durch die Rücksicht auf den unten vor
der Mitte stehenden Beschauer erklärt und sie bestätigt.
So ist denn die Aufstellung der strittigen Figuren fixiert.
Auf der S. 425 gegebenen Skizze, die ich G. Reichhold verdanke,
ist das Resultat deutlich gemacht. Zu derselben sei bemerkt, dass
die Figuren der beiden Giebelhälfken streng symmetrisch ange-
ordnet sind, d. h. dass alle sich entsprechenden Hauptpunkte
der beiden Seiten in gleicher Distanz von der Mitte liegen.
Dies scheint uns eine notwendige künstlerische Forderung, gegen
die Treu verstösst, indem er in der rechten GiebelhälFte alles
mehr nach der Ecke, in der linken alles mehr nach der Mitte
zu schiebt. Die Punkte, deren Symmetrie so augenfällig ist
wie die stehenden Gestalten neben Zeus, die Gespanne und
Wagen, die Eckiiguren müssen unter allen Umständen beider-
seits in genau gleichem Abstände von der Mitte angeordnet
werden. Allerdings erscheint die linke Hälfte etwas lockerer
und leerer als die vollere rechte; allein dies macht man nicht
besser dadurch, dass man die Figuren links aus ihren durch
die Symmetrie gegebenen Plätzen, wie Treu tut, mehr nach
der Mitte schiebt. Der Unterschied der beiden Seiten ist, wie
wir sehen werden, die notwendige Folge der verschiedenen
Charakteristik der beiden Helden und ihres Gefolges.
Der OstgUhel des otympischen ZeusUmpeU. 429
fievor wir unser Resultat näher betrachten, müssen wir
über die Fragen klar werden, welche die Aufstellung der Mittel-
gnippe betreffen. Diese hat Wemicke von neuem angeregt,
indem er die beiden Gruppen zu den Seiten des Zeus umstellte.
£r glaubte dies auf Grund des Textes des Pausanias tun zu müssen.
Mit unrecht. Wemicke meint, h de^iq, xov Aiog bedeute
nicht , rechts Tom Zeus* vom Beschauer aus, sondern «zur
rechten Hand des Zeus**; Oinomaos müsse also zur Rechten
von Zeus, links vom Beschauer aufgestellt werden. Wir wollen
nun den Nachweis von Michaelis (Arch. Zeitg. 1876, S. 162 f.),
dass Pausanias rechts und links regelmässig vom Beschauer
gebrauche, nicht benützen, indem Wemicke — obwohl mit
Unrecht — ihn anzuzweifeln versucht. Allein das folgende
id ik ig ägiategä änd xov Aidg spricht durch das änd doch
deutlich gegen Wemicke: „zur Linken von der Figur des Zeus
ab' setzt zweifellos den Beschauer als bestimmenden voraus:
der Beschauer betrachtet von der Figur des Zeus aus die Figuren
nach rechts und nach links. Wenn nach des Zeus eigener
Rechten oder Linken orientiert würde, dürfte nicht dno stehen.
Den endgiltigen Entscheid in der Frage aber geben die Namen,
welche Pausanias den liegenden Jünglingen der beiden Giebel-
ecken gibt. Er bezeichnet den auf der Seite iv de(iq xov äiog
als Kladeos, den ig ägiategä änd xov Aidg aber als Alpheios.
Wer je vor der Front des olympischen Tempels gestanden hat
oder sich die Situation durch einen Lageplan vergegenwärtigt,
weiss, wie völlig unmöglich es ist, die Figur links, da wo
wenige Schritte vom Beschauer der Alpheios in breitem Bette
dahinrollt, für eine Personifikation des Kladeos, die der ent-
gegengesetzten Seite rechts aber für Alpheios zu erklären.
Das ist einfach undenkbar, weil absolut unsinnig. Damit aber
ist entschieden, dass man, wie man es bisher auch fast allge-
mein getan hat, den Oinomaos vom Beschauer rechts neben
Zeus, den Pelops links neben ihn aufzustellen hat.
Alle anderen Umstände aber passen vorzüglich zu diesem
Resultat. Vor allem die künstlerischen Forderungen. Die ge-
hobenen Arme des Pelops und Oinomaos mit ihren Lanzen
430 A, FwriwängUr
wären unmittelbar neben Zeus schwer ertraglich. Die ganze
Wirkung der majestätischen Ruhe in der Haltung des Zeus
würde verloren gehen. Femer würden zwar die drei Männer
zusammen eine Gruppe bilden; aber die Frauen würden dann
in unerträglicher Weise isoliert stehen; ja Pelops und Hippo-
dameia würden sich direkt von einander abwenden. Nun ist
es aber offenbar sachlich notwendig, dass Pelops und Oinomaos
mit den zu ihnen gehörigen Frauen Gruppe bilden, nicht aber
mit Zeus, der nichts direkt mit beiden zu tun hat, sondern
offenbar, den Sterblichen unsichtbar, nur in ihrer Mitte weilt
Bei der Aufstellung von Treu gewinnen wir künstlerisch ab-
gerundete Gruppen für Pelops mit Hippodameia (F G) sowie
für Oinomaos mit Sterope (I E); Zeus steht dann isoliert in
der Mitte, rechts und links von ihm bildet sich eine Lücke.
Die lässige Ruhe seiner Haltung wirkt erst jetzt majestätisch.
Man empfindet, er ist der Gott, der, den Sterblichen unsicht-
bar, hier in ihre Mitte getreten und deshalb von ihnen isoliert ist.
Die beiden Helden sind ganz vom Gedanken an die bevor-
stehende Wettfahrt erfüllt. Acht polygnotisches Ethos spricht
aus ihren Stellungen: ruhig und völlig handlungslos, sprechen
sie in der Art der Haltung ihren inneren Charakter aus: be-
scheiden und gottergeben ist Pelops — trotzig, auf die eigene
Kraft bauend Oinomaos. Doch Zeus wendet sich leise, von
den Sterblichen unbemerkt, dem Pelops zu; denn nach dem
göttlichen Ratschlüsse soll dieser der Sieger bleiben. Die von
mehreren Gelehrten, zuletzt von Wemicke, wieder versuchte
Einführung einer Opferhandlung und eines Altares neben Zeus
würde die ganze Absicht des Künstlers, wie wir sie fEissen,
zerstören.
Auch die Frauen sind den Helden entsprechend charak-
terisiert: die Haltung der Hippodameia (F) ist ganz Bescheiden-
heit, ebenso wie die von Sterope (K) ganz Stolz.
Doch der Unterschied erstreckt sich noch weiter auf die
beiden Giebelhälften: „auf Seiten des Pelops bescheidene Festig-
keit und Freude, dort bei Oinomaos trotzige Unruhe und trübes
Sinnen*. Diese von mir früher (Preuss. Jahrb. 1882, Bd. 51,
Der Ostgiehel des olympischen ZeustempeU. 431
S. 373) gegebene Charakteristik passt bei der neuen Aufstellung
erst recht. Der vor den Rossen sitzende Mann L mit seiner
gewaltsamen Bewegung drückt ünrube, der Greis E hinter
den Rossen trübes Ahnen aus. Beide Gestalten, L wie N sind
bärtige bejahrtere Männer, entsprechend ihrem Herrn, dem
bärtigen Oinomaos. Dagegen auf Pelops Seite zwei jugend-
liche Gestalten erscheinen, von denen die eine (B) sicher, die
andere (C) wahrscheinlich unbärtig war, ') wie ihr Herr. Beide
Figuren sind ganz schlicht und einfach mit ihrer nächsten
Aufgabe, der Wartung der Pferde beschäftigt: „bescheidene
Festigkeit*', ruhige frohe Tätigkeit charakterisiert die Beiden.
Der hinter dem Wagen knieende jugendliche Mann hält, wie
die erhaltenen Reste der Arme beweisen (vgl. Treu, Ol. III,
S. 122), die nach hinten geführten Zügel der angeschirrten
Rosse. Sein jüngerer Genosse, der vor den Rossen knieende
Jüngling B ist, wie sein Gegenüber L, mit der Aufsicht über
die Pferde beschäftigt. Wie die Vernachlässigung seiner linken
Kopf- und Gesässseite beweist, waren diese Teile dem Beschauer
ab-, die Figur also nach rechts gewandt. Doch ist der Rücken
vollständig ausgeführt; die Figur war also nicht wie C, an
welcher der Rücken zur grösseren Hälfte unausgeführt ist
(Olympia Text HI, S. 62), in scharfem Profil nach rechts ge-
stellt, sondern schräg, so dass der Rücken sichtbar war.^)
Auch schliesst Treu (Olympia lU, S. 63) mit Recht, dass die
Figur 9 weiter von der Rückwand des Giebels abgerückt war
als die meisten übrigen*, was eben ^u unserer Ansetzung nahe
dem Geisonrande vor den Rossen passt. Wie ihr Gegenüber L
so wird auch B einen Stab, ein Kentron aufgestützt haben,
woför die erhaltenen Reste der Arme sehr gut passen. Was
den Kopf betrifft, so nehmen wir natürlich nicht die stark
^) Der Bart, den Treu C gibt, ist durch nichts indiziert; Gartins
und Grüttner restaurierten ihn unb&rtig.
*) Die Aufstellung bei Curtius, wo die unbearbeitete linke Kopf-
seite sich präsentiert, ist natürlich falsch und wirkt durch die verkürzte
Ansicht der Glieder auch künstlerisch sehr ungünstig. Richtiger ist die
▼OD Six und Sauer der Figur gegebene Stellung.
432 A. Furtwängter
geduckte Haltung desselben an, die Treu (Olympia, Bd. III,
S. 62), wegen der von ihm der Figur im Giebel angewiesenen
Stelle, ihr gegeben hat, sondern wenigstens die aufrechtere,
die Treu selbst früher (Athen. Mitt., Bd. XIV, 1889, S. 297)
mit Benutzung der vorhandenen Dübelspuren dem Kopfe anwies.
Das ruhige Yorsichhinblicken, in stiller Tätigkeit, wie dies die
Figur nun zeigt, ist so recht in Übereinstimmung mit der Art
des Pelops, wie sie uns der Künstler schildert.
Die Rosse sind beiderseits an die Wagen schon fertig an-
geschirrt, wie aus den erhaltenen Resten bewiesen worden ist.
Die Zügel liefen nach hinten. Ein Mann, der die Rosse wirksam
von vorne beaufsichtigen sollte, müsste vor ihnen stehen. Dies
ging hier aus künstlerischen Gründen nicht; denn neben den
stehenden Hauptfiguren war kein Raum mehr für eine stehende
Nebenfigur. Hier vor den Pferden konnte der Künstler nur
am Boden sitzende oder kniende Gestalten brauchen. Diese
konnten aber immerhin auch in dieser Stellung die Pferde be-
aufsichtigend gedacht werden. Beide Figuren stützten, wie
bemerkt, einen Stab auf, der zum Regieren der Pferde gehörte;
vermutlich hielten sie aber ferner auch die herabhängenden
Leitseile von einem oder mehreren Pferden in den Händen.
Wie der Leitriemen häufig an fertig aufgezäumten Reitpferden
zur Führung an der Hand vorkommt (vergl. Arch.-Ztg. 1880,
S. 124, 1), so mochte er hier den angeschirrten Wagenpferden
zum Teil belassen sein, weil der Künstler ihn hier brauchte.
Man hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das linke Bei-
pferd das vornehmste und wichtigste beim Rennen war. Es
wäre gewiss ganz passend, wenn der Künstler eben das linke
Beipferd jederseits dadurch ausgezeichnet hätte, dass es beson-
ders am Leitseil gehalten würde. G. Körte hat dies schon
vermutet und zwar bei Gelegenheit einer Verteidigung der
der Aufstellung von E. Curtius (Berl. Phil. Wochenschr. 1892,
Sp. 988). Diese Vermutung erscheint aber ganz anders passend,
ja sie erscheint als evidente Erklärung der eigentümlichen
Haltung der Figuren bei unserer neuen Aufstellung! Jetzt erst
wird die verschiedene Bewegung der beiden Figuren klar:
Der Ostgiebel des ötympisehen Zeustempels, 433
L wendet sich herum zu seinem linken Beipferd, unter dessen
Kopf gerade seine Hände zu stehen kommen und dessen Leit-
seil er hält; B kniet deshalb so schräg nach der Giebelwand
bin und zeigt einen Teil seines Rückens, weil er eben das
Leitseil seines linken Beipferdes, welches das hinterste an der
Giebelwand ist, hält.
Die Ton Tansanias wiedergegebene Erklärung der ojmpi-
schen Exegeten sah in dem sitzenden Manne L den Wagen-
lenker des Oinomaos Myrtilos. Dass Pausanias Worte xd^rjjai
Ttgd xwv Xjukov so genau auf L passen, und nur auf diese
Figur — denn bei keiner anderen Aufstellung kommt ein
sitzender Mann an dieser Stelle vor die Rosse — ist eine ge-
wichtige Bestätigung der Richtigkeit dieser Aufstellung. In
seinem Gegenüber sah die olympische Exegese Eillas den
Lenker des Pelops. Ob diese Namen der Absicht des Künstlers
entsprachen, lassen wir am besten dahingestellt; sicher ist,
dass der Künstler auf beiden Seiten die gewichtigere ältere
Figur an den vornehmeren Platz hinter den Wagen, die weniger
bedeutende vor die Rosse gestellt hat.
Hinter den zu den Wagen gehörigen Gestalten C und N
folgt beiderseits ein Abschnitt in der Komposition. Es kommen
Figuren, die mit der Szene in der Mitte nichts direkt zu tun
haben. Auch hier wirkt aber noch der unterschied der beiden
Giebelhälften nach: rechts stärkere Bewegung und gebrochene
Linien, links Ruhe und einfache Schlichtheit. Der Jüngling
in der Ecke links (A) stützt ruhig den Kopf in die Hand und lässt
den anderen Arm auf dem Körper ruhen. Ihm ist ein Mäd-
chen (0) zugewandt, das die Hände gehalten haben muss, als
ob es an seinem Fusse spiele ; der Künstler liess dies wohl ab-
sichtlich unbestimmt. Der Rücken der Figur ist besonders
sorgfaltig ausgeführt, viel mehr als die Brustseite, was zur Be-
stätigung unserer Aufstellung dient, weil bei dieser der Be-
schauer von der Mitte her eben den Rücken der Figur sah.
Bei dem Gegenstücke, dem hockenden Knaben E, ist die
vom Künstler wieder absichtlich unbestimmt gehaltene be-
deutungslose, wie spielende Geberde der an den Fuss greifenden
1903. SiUgsb. d. phUoB.-pbUoL n. d. hisL Kl. 29
434 A, Furttoängler
einen Hand vollkommen erhalten. Es ist eine Haltung toq
der Art wie die der Rechten des Zeus. Etwas Analoges haben
wir bei dem Mädchen 0 vorauszusetzen. Der Knabe E bildet
durch sein Motiv einen vorzüglichen Übergang zu der £ck-
iigur, wie oft mit Recht hervorgehoben worden ist. Seine
vordere, rechte und linke Körperseite sind vollkommen gleich-
massig ausgearbeitet; dagegen ist sein Rücken ganz roh ge-
lassen, ja es ist ein Teil des unteren Rückens und des Qesässes
einfach weggelassen (vgl. die Abbildungen Olympia UI, S. 59).
indem der aufs äusserste ausgenutzte, aber zu knappe Mar-
morblock diese Teile nicht mehr hergab. Aus der Vernach-
lässigung des Rückens geht mit Sicherheit hervor, dass iiese
Seite parallel der Giebelrückwand gestanden hat. Dann zeigte
sich der Körper der Figur gerade von vorne; der Kopf war
etwas nach der linken Schulter gewendet. Nur in dieser
Stellung des Körpers in voller Vorderansicht wirkt die Fipir
auch künstlerisch richtig; sie ist ganz offenbar für diese An-
sicht angelegt; ihre Wirkung ist dagegen eine schlechte und
verkehrte, sobald man sie schräg aufstellt, wie es Treu tut,
der sie vor die Rosse setzt. Wie bemerkt, sind die rechte
wie die linke Körperseite voll ausgeführt, weil sie beide zu
sehen waren; nur der ganze Rücken ist roh, weil er parallel
der Rückwand aufgestellt war. Treu — und ihm folgend ich
selbst fi'üher — hatte sich täuschen lassen dadurch, dass der
unbearbeitete Rücken vor die Pferde links su passen schien.^)
Die beiden Figuren, der Knabe E und das Mädchen 0,
^) Die Einwendungen von 6. Körte dagegen in Berl. Philolog.
Wochenachr. 1892, Sp. 1046 waren durchaus richtig. — Nicht die .rechte
Seite", wie Treu (Olympia IH, S. 122) sagt, sondern nur der Rücken ist
V ern ach 1 blasig t; wäre es jene, so würde dies ja bei der Treu'schen schrägen
Aufstellung, wo die rechte Körperseite vorgedreht ist, erst recht sichtbar
geworden sein. Aus der Art der Bearbeitung der Statue ist hier nicht,
wie Treu will, auf Stellung in rechter oder linker Giebelhälfte, sondern
nur auf die Art der Stellung vor der Giebelrück wand ein zwingender
Schluss zu ziehen. — Die Facestellung der Figur habe ich übrigens be-
reits in dem Aufsatze in den Preuss. Jahrb., Bd. 61, 188Ü, S. 375 Anm.
verlangt.
Der Ostgiehel des olympischen ZeustempeU, 435
bilden je eine lebendige Gruppe mit den Jünglingen in den
Ecken. Es ist einleuchtend, wie sehr die Komposition dadurch
kflnstlerisch gewinnt, ja wie sie allein bei dieser Anordnung
Rhythmus und Leben erhält und nur bei ihr die Linien sich
gefallig aneinanderschliessen ; während die Rückenlinie von B
neben A unerträglich wirkt, ebenso wie die starre Wiederholung
des Motives, wenn B und C hintereinander knieen, uner-
träglich ist.
Es ist klar, dass es ein überaus feiner Zug der Kompo*
sition ist, dass die drei Figuren der Ecken nicht gleichmässig
alle nach der Mitte schauen, was gar einförmig wirkt, wie
man bei Treus Anordnung sehen kann;^) sondern dass hier
ein Knick, eine Unterbrechung in der Mitte der drei ange-
bracht ist. Die langgestreckten symmetrischen Linien der liegen-
den Eckfiguren A und P wirken um so kräftiger die Kompo-
sition zusammenfassend und einschliessend, wenn die nächst
folgende Figur jederseits nicht die gleiche Richtung hat. Der
künstlerische Gewinn, das reiche rhythmische Leben, das die
Komposition durch die zunächst nur aus äusseren Tatsachen
(Fundstelle und Figurenhöhe) erschlossene Aufstellung gewinnt,
ist ohne Zweifel eine schöne Bestätigung derselben.
Ich habe den Gedanken erwogen, ob A und 0 sowie E
und P nicht durch irgend eine gemeinsame Handlung (etwa
eine Art Ton Loose- oder Würfelwerfen oder dergl.) ver-
bunden gewesen sein könnten; allein nähere Überlegung zeigte
mir, dass dies nicht angeht. Der erhaltene Kopf von P blickt
zweifellos nach der Mitte zu, und dasselbe ist für A voraus-
zusetzen. Auch ist dies nach der Mitte blicken für die Kom-
position notwendig; Hesse man A mit 0, P mit E sich be-
schäftigen, so fielen die Figuren aus dem geschlossenen Ganzen
als selbständig sich abtrennende Gruppen heraus. Ferner ist
E seinen vollständig erhaltenen Gliedern nach unbeschäftigt,
und das gleiche ist für das Gegenstück anzunehmen.
') Bei Wernicke*8 Aufstellung ist der Widerspruch der beiden Seiten
aofßlllig: linka Richtung nach der Mitte wie bei Treu, rechts Knick.
29*
436 A, Furtwängler
Was nun die Bedeutung der Figuren anlangt, so gingen
die olympischen Exegeten, denen Pausanias folgte, entsprechend
dem gemeinen Laieninteresse, in ihrer Erklärung nur auf
Namen aus. Diesem Streben verdanken die Eckfiguren ihre,
wie jetzt wohl allgemein anerkannt wird, falschen Benennungen,
wodurch sie zu Naturpersoniiikationen wurden, dergleichen das
fünfte Jahrhundert ja überhaupt noch gar nicht kannte. Wir
deuteten ferner oben an, dass die Deutung der Figuren Tor
den Rossen als Hauptwagenlenker bei Pausanias wahrschein-
lich irrig ist, indem die zu dem Wagen gehörige Hauptfigur
jederseits hinter demselben angeordnet ist. Die olympischen
Exegeten, die Pausanias Quelle waren, fuhren in der Namen-
gebung von der Mitte aus einfach fort: nach den Haupthelden
mussten ihre Wagenlenker kommen; für diese wussten sie noch
Namen anzugeben; dann aber stockten sie; für die zwei Figuren,
die jederseits folgten, fiel ihnen nichts ein; nur für die Eck-
figuren hatten sie ihre schlechte Erklärung als Alpbeios und
Kladeos parat, die ihrem an liegende Flussgötter allüberall ge-
wöhnten Publikum gar sehr einleuchten mochte. Die Figuren
aber, die sie nicht benennen konnten, waren ihnen ganz gleich-
gültig; sie werden bei Pausanias beiderseits zusammengefasst
als ovo ävdgeg, und es heisst von ihnen einfach, sie werden
eben Innoxofxoi gewesen sein. Bei dieser gleichgültigen nach-
lässigen Behandlung jener zwei Figuren jederseits kann es
nicht auffallen, dass sich grobe Irrtümer in ihr verbergen:
das Mädchen ward als Mann, und der Knabe mit dem Greis
als ävögeg ovo bezeichnet, und es sind beiderseits zwei Figuren
zusammengenommen, die gar nichts miteinander zu tun haben.
Das war die natürliche Folge einer Exegese, die nur auf
Namen ausging. — Doch schlimmer und willkürlicher noch
haben die modernen Exegeten gehaust, die jenen Figuren die
abenteuerlichsten Namen verliehen haben. Sah man doch
allzulange geradezu eine Hauptaufgabe der Archäologie darin,
eben denjenigen Figuren gelehrte Namen zu geben, welche
die alten Künstler ofi'enbar selbst unbenannt sehen wollten.*)
') Vgl. Furtwängler-Reichhold, Griechische Vasenmalerei, S. 117. 184.
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels. 437
Zu diesen letzteren gehörten, wie wir glauben, auch die
vier Eckfiguren des olympischen Ostgiebels. Sie sind zu beur-
teilen wie die vier Eckfiguren des Westgiebels. Diese aber
sind begleitendes Gesinde der Helden, nichts weiter; es sind
greise Schaffnerinnen und lose Mägde,^) namenlose Gestalten,
bestimmt als füllender Rahmen für die Haupthandlung zu
dienen. Gleicher Art sind die entsprechenden, nur viel schöner
komponierten Eckgruppen des Ostgiebels. Es ist Gesinde,
Gefolge der Herren, die in der Mitte dargestellt sind.
Wie wir oben schon andeuteten, hat der Künstler den
verschiedenen Grundton im Charakter der beiden Haupthelden
je auf ihrer ganzen Giebelseite weiter klingen lassen. Wir
Temehmen ihn noch leise darin, wenn links, auf Pelops Seite,
ein Mädchen erscheint, voll schlichter bescheidener Anmut und
in gefasster Haltung; während rechts ein Bursche hockt, in
unbekümmert derb sich gehen lassendem Gebahren. und selbst
Ton den Jünglingen in der Ecke ist der rechts (P) lebhaft
unruhig, der linke (A) gehalten still.
Eine Folge der durchgeführten Charakteristik in den
Figuren und ihren Haltungen auf beiden Giebelseiten war
allerdings, wie wir oben schon andeuteten (S. 428) eine ge-
wisse Ungleichheit, indem die linke Seite lockerer, die rechte
voller wurde, eine Ungleichheit, die sich der Künstler aber
bei der sonst festgehaltenen strengen Symmetrie und den gleichen
Abständen, die alle Hauptpunkte von der Mitte zeigten, wohl
gestatten durfte.
Die gleichzeitigen Vasenbilder geben uns Hunderte von
Beispielen davon, dass namenlose, wesentlich künstlerischem
Bedürfnis entsprungene Figuren als Bahmen um die durch die
Sage gegebenen Helden- und Göttergestalten herum ange-
*) Vgl. meine Ausführungen im Jahrbuch d. Inst. VI, 1891, S. 87,
und Arcb. Anz. 1891, S. 94. Treu ist neuerdings, Olympia III, S. 136
dieser meiner Auffassung beigetreten; nur zieht er für die jungen Mädchen
den Ausdruck ,Lapithenfrauen' vor, der mir weniger passend erscheint;
doch ist dies unwesentlich.
438 A. Furlträngler, Der Ostyiehel de$ clyntpischen ZeusUmpeh.
ordnet werden. Es war eine falsche Richtung unserer Wissen-
schaft, wenn man auch da früher überall nach individuellen
Namen gesucht hat.
Ich scheide von der Betrachtung des östlichen Giebels
in Olympia mit dem Gefühle der Erleichterung und der Be-
friedigung, Endlich, glaube ich, ist die Anordnung gefunden,
bei der man sich wird beruhigen dürfen, bei der alle inneren
wie äusseren Momente, alle Grundlagen berücksichtigt sind,
welche durch äussere Indizien wie durch innere künstlerische
Forderungen gegeben werden. Endlich eine Anordnung, die
dem Meister des Giebels, mag er geheissen haben wie er wolle.
alle Ehre macht und uns reine Freude an seinem Werke
gestattet.
A. Furtwängler, Epidauros. Taf. I.
■03. SltlEsb.d. ptilloB.-pbilol. u. d. bisl. Rl.
A. Fuftwängler, Epidauros. ■ Jaf, //.
1,
|i
I0C3. Ri».^8b. d. philo
439
Zu den Skulpturen des Asklepiostempels von Epidauros
Von A. Furtw&ngrler.
(Mit 2 TftfelD.)
(Vorgetragen in der philos.-philol. Klasse am 4. Juli 1903.)
Bei einem Besuche des wohlgeordneten Museums, das auf
der Stätte des Hieron bei Epidauros errichtet worden ist, um
die Funde zu bergen, die den so überaus ergebnisreichen Aus-
grabungen von P. Kabbadias verdankt werden, fiel mir im
Herbste 1901 eine liegende Jünglingsstatue auf, eine offenbar
aus den Giebeln des Asklepiostempels stammende Figur, die in
den bisherigen Publikationen und Besprechungen noch nirgends
berücksichtigt worden war. Die besser erhaltenen Stücke der
Giebelskulpturen waren schon seit langem in das Museum zu
Athen verbracht worden. Jene Jünglingsfigur war später ge-
funden worden und verblieb im Lokalmuseum. Doch wird sie
auch in der grossen Publikation von Defrasse und Lechat,
obwohl da auf p. 72 allerlei im Lokalmuseum gebliebene
kleinere Fragmente der Giebelskulpturen abgebildet werden,
mit keinem Worte erwähnt.
Ich verdanke es der vielbewährten Liberalität des Herrn
F. Kabbadias, wenn ich hier (Taf.I) eine mir von demselben zur
Verfügung gestellte Photographie der Figur wiedergeben lassen
kann. Da die Statue die einzige vollständige unter den Resten
der Giebelgruppen ist, die einzige, an welcher Kopf und Körper
440 Ä. Furtfcängler
erhalten sind, so kommt ihr eine besondere Bedeutung zu und
sie verdiente schon eine bessere Publikation, als sie unsere
Abbildung bietet. Doch soll diese nur erst einmal auf die
Figur hinweisen. Wenn sie, wie ich hoffe, in das Museum nacl
Athen gebracht werden wird, so wird sie dort besserer Publi-
kation und allgemeinerem Studium zugänglich sein.
Die Figur, ein gefallener toter Jüngling, trägt jetzt ii
dem Epidaurischen Lokalmuseum Nr. 42. Sie hat dieselben
Grössenverhältnisse wie die übrigen Reste der Tempelgiebel.
Die Distanz der Brustwarzen beträgt 0,13; die Gesichtslänge 0,11.
Dies sind dieselben Masse wie an den Figuren in Athen. Auch
der Marmor ist derselbe wie an jenen. Besonders ähnlich ist
unter den Fragmenten in Athen Nr. 152 (Kabbadias, ylvma
xov Idv. fiova, S. 133, Nr. 152), das Stück einer ebenfalls auf
dem Boden mit den Füssen nach rechts liegenden nackten
männlichen Gestalt; es ist nur der Teil vom Unterleib bisza
den Knieen erhalten. Die Schenkel liegen ebenso übereinander
in einer Fläche wie an unserer neuen Figur. Diese Stellung
erklärt sich natürlich aus der Aufgabe des Künstlers, der die
beiden Beine der liegenden Figur dem unten stehenden Be-
schauer sichtbar machen musste. Er strebte danach, möglichst
viel von der Figur in eine Fläche mit der Rückwand des Giebels
zu bringen. Aus demselben Grunde fanden wir dieselbe Stel-
lung der Schenkel an der griechischen Giebelfigur, die ich iu
Sammlung Jacobsen zu Kopenhagen nachgewiesen habe und
die in diesen Sitzungsberichten 1899, II, S. 280 und 1902,
Taf. 2 zu S. 443 ff. abgebildet ist. Wenn es dagegen noch
eines Beweises bedürfte, dass die Florentiner Niobidengruppe
niemals in einen Giebel gehörte, so würde die von der eben
beschriebenen so ganz verschiedene Lage des toten Niobiden
dazu genügen; denn dieser liegt gerade auf dem Rücken, so
dass in der Ansicht von unten nur ein Schenkel sichtbar wäre;
er ist eben so deutlich für die Betrachtung von oben gearbeitet
(vgl. meine Beschreibung der Glyptothek in München 1900,
Nr. 269) wie die erwähnten Giebelfiguren für die Ansicht
von unten.
Zu den Skulfduren des Aahlepioatempeh von Epidauros. 441
Betrachten wir den epidaurischen Jttngling näher. Er ist
tot. Der Kopf ist zurückgesunken, das Auge ist gebrochen.
Leider ist das Gesicht zum Teil zerstört. Die Stime zeigt
eine starke horizontale Falte. Das kurze Haar föllt zurück.
Ein Mantel ist um sein rechtes Bein geschlungen und zieht
sich den ganzen Rücken entlang hinauf. Der linke Arm ist
erhoben und greift an den Kopf; die Lücken hier herum sind
geschickt durch den Mantel gefQlIt. Der rechte Arm ist ge-
senkt, die Hand liegt am rechten Schenkel. Die beiden Hände
sind leer. Das linke Bein greift über das rechte vor. Um-
gekehrt tritt am Oberkörper die rechte Schulter vor, die linke
zurück. Der Oberkörper liegt auf dem Rücken, der Unter-
körper auf der Seite. Dadurch entsteht eine starke Drehung
über dem Unterleib, die der Künstler meisterhaft wiederge-
geben hat; die weichen Teile des Leibes mit der Hautfalte
über dem Nabel sind mit grösster Sicherheit und Lebendigkeit
gebildet.
Es ist ein leidenschaftlicher Zug in der Lage der Figur
und viel mehr Unmittelbarkeit und Frische als in der Haltung
des toten Niobiden der Florentiner Gruppe und unendlich viel
mehr Freiheit und gelöste Leidenschaft als* in dem noch etwas
ängstlich befangenen älteren Niobiden in Kopenhagen. In-
teressant ist zu vergleichen, worin die drei Figuren abweichen
und worin sie übereinstimmen. Bei allen drei ist das bei Ge-
fallenen so häufige und alte Motiv des über den Kopf erhobe-
nen einen Armes verwendet. Der Kopenhagener Niobide ist
indes noch nicht tot, sondern nur tötlich getroffen wie die
analogen Figuren der Äginetischen Giebel ; er stützt den Ober-
körper noch auf den einen Arm; sein nach der einen Seite
ansteigender Umriss ist mit Rücksicht auf den Platz in der
Giebelecke gewählt. Die epidaurische Figur bietet keinen Anlass,
in die Giebelecke gesetzt zu werden; gewiss gehörte sie nicht
in die linke, eher in die rechte Giebelecke. Im Motive steht
sie dem Florentiner Niobiden, wenn man davon absieht, dass
sie, wie wir schon bemerkten, für einen Giebel und Unter-
ansicht, jener aber für Oberansicht komponiert ist, näher als
442 A, Furtwängler
dem Kopenhagener. Allein der Rhythmus in der verscbraDkieB
Haltung des epidaurischen Jünglings hat viel mehr Reicbtum
und Schwung, als der milderen Schönheit des Florentiner liio-
biden eigen ist.
Das Oewand der neuen epidaurischen Fig^r ist besondeis
verwandt in der Arbeit dem Fragment Nr. 146 des Athenischen
Museums, einer bekleideten knieenden Frau aus dem osÜicken
Giebelfelde, und ebenso der Nr. 138, dem Unterteil einer Ama-
zone des westlichen Giebels. Die tief eingeschnittenen und scharf
gebrochenen Furchen und die etwas rundlichen nicht scharfeB
Faltenrücken sind diesem Künstler eigentümlich. Die Giebel-
figuren wurden, wie die bekannte Inschrift angibt, nach den
Modellen des Timotheos, von verschiedenen Händen ausgeführt,
was auch die erhaltenen Reste noch erkennen lassen.
Wir haben noch eines wichtigen TTmstandes zu gedenken,
der definitiv bestätigt, dass die neue Statue zu dem Giebel-
schmuck des Asklepiostempels gehörte. Die Giebelfiguren dieses
Tempels haben keine angearbeiteten Plinthen; sie waren dirett
auf den Giebelboden gestellt. An unserer neuen Figur isi
aber noch etwas weiteres zu beobachten: der vordere ßwA
derselben ist auch an der Unterseite skulpiert; er muss also
über den Rand der Platte, auf welcher die Statue ruhte, heraus-
geragt haben. Dies weist wiederum mit Bestimmtheit auf die
Aufstellung in der Höhe, indem jene Ausarbeitung an der
Unterseite der über ihre Basis herausgreifenden Figur eben
für die Ansicht von unten bestimmt war.
Dass die Giebelfiguren des Asklepiostempels von Epidauros
aber wirklich ganz vorne am Rande des Geisons ohne Plinthe
aufgestellt waren und der vordere Figurenrand leicht auch
über den Geisonrand etwas herausgreifen konnte, wie dies an
der neuen Statue tatsächlich der Fall ist, dafQr liefert eine
Geisonplatte den beweis, die ich 1901 im Hieron des Asklepios
westlich vom Tempel liegend fand, und die mein Reisegefährte,
der Architekt Herr Ernst R. Fiechter, aufgenommen hat«
Er hat die Aufnahme (s. umstehend) mir zur Veröffentlichung
freundlichst überlassen. Man sieht hier, wie das Qeison her-
Zu den SktUpturen des Äsklepiostempels von Epidauros. 443
gerichtet ist zur Aufnahme von Figuren, die nicht eine ein-
zulassende Plinthe hatten, sondern die einen skulpierten vor*
deren Rand haben mussten, der auch etwas über das Geison
übergreifen konnte.
Unter den öiebelskulpturen im Museum in Athen steht
auch eine kleine sitzende weibliche Gewandfigur, die von Kabba-
dias im Kataloge Nr. 158 vermutungsweise den Giebeln zuge-
rechnet worden ist, obwohl sie nicht beim Tempel gefunden
•••
•
Sil.
GELSEN BRUM^TÜCK
AUJEPIDAURoj voA\
AJKLtPPfTE.'VNPtL.
wurde. Sie kann indes, wie wir jetzt sicher sagen können,
schon deshalb nicht zu den Giebeln gehören, weil sie eine
dicke Plinthe hat, die zum Einlassen bestimmt war. Indes
stimmt sie auch weder in den Proportionen noch im Stile und
der Arbeit mit den Giebelfiguren überein. ^)
') Sie ist viel zu klein. Die Arbeit ist gröber; die Raspelstriche
sind stehen gelassen, was an den Giebeln nicht der Fall ist. — Auch
Lechat (Defrasse-Lechat p. 73 Anm.) hat die Figur ausgeschieden.
444 A, Furtwängler
Unter den Resten der Giebel nimmt nunmehr die neue
Figur durch Motiv, Ausführung und Erhaltung einen hervor-
ragenden Platz ein.
Feiner aber als alle Stücke der Giebel sind die uns er-
haltenen Akroterien des Tempels. Sie sind in der Ausführung
durchaus schärfer und noch sorgfältiger in allem einzelnen als
die Giebelfiguren. Unter den Akroterienstücken aber ist wieder
Abs beste Nr. 162 (früher Nr. 97; s. Taf. II rechts), der Torso
der Nike vom Firste des einen Giebels. Dass diese Nike von
dem einen Mittelakroter des Tempels stammt, habe ich bereits
in der Berliner Philol. Wochenschrift 1888, Sp. 1484
bemerkt, und dies hat sich mir bei nachfolgenden Unter-
suchungen nur immer mehr bestätigt. Dass der andere Torso
einer Nike, die einen Vogel auf der Hand trägt, Nr. 155
(früher Nr. 89) vom einen Firste, und zwar nach dem Fund-
orte von dem westlichen stammt, wie ich ebendort bemerkt
hatte, wird jetzt, nachdem auch der untere Teil der Figur ge-
funden ist (siehe Tafel II links), auch von Eabbadias (tö
Ieqöv tov ^Aoxki]mov S. 42, Anm.) zugestanden und ist von
Lechat (Defrasse-Lechat S. 76) näher begründet worden.^) Doch
jener erstere Torso Nr. 162 wird auffallenderweise bisher all-
gemein nicht zum Tempel gerechnet und späterer, sog. alexan-
drinischer Zeit zugeschrieben*) — evident unrichtig; nach
Stil, Arbeit, Material, Art der Anstückung der Flügel, Ver-
witterung kann an der Zugehörigkeit gar kein Zweifel sein.
*) Ich füge aus meinen Aufzeichnungen hinzu, dass am rechten wie
am linken Flügel von Nr. 155 sich der Rest je eines grossen Zapfen-
loches befindet zur Befestigung der oberen Fortsetzung von Flügel und
Gewand. An Nr. 162 aber war der Oberteil des rechten Flügels mit
einem Zapfen in der gleichen Weise angesetzt wie es an den beiden
Flügeln von Nr. 155 ersichtlich ist. Femer ist noch hervorzuheben, wie
ich schon in der Berl. Phil. Wochenschr. a. a. 0. bemerkte, dass hinten
und oben zwischen den Flügeln Regenverwitterung deutlich ist, die auf
die Aufstellung auf dem Firste weist.
*) Kabbadias im Kataloge und Fouilles d'Epidaure; Defrasse-Lechat
p. 188 f.; Overbeck, Gesch. d. Plastik II*, S. 128 f.; Gollignon, griech.
Plastik, deutsche Ausg. II, S. 214.
Zu den Skulpturen des Äaklepiostempels von Epidauros, 445
Timotheos hat nach der Bauinschrift die Akroterien des einen
Giebels selbst ausgeführt. Es ist aber an und für sich gewiss
wahrscheinlich, dass er als der erste leitende Künstler nicht
die Akroterien der Rückseite, sondern die der Vorderseite als
die über dem Eingang des Tempels im Osten gearbeitet haben
wird. Da die Nike mit dem Vogel Nr. 155 auf die Westseite
gehört, ebenso wie die beiden sog. Nereiden, welche die Eck-
akroterien bildeten, so gehörte Nr. 162 auf den First der Ost-
seite. Leider sind die Eckakroterien der Ostseite nicht ge-
funden worden. In dem Torso Nr. 162, aber nur in diesem
einen Stücke, dürfen wir also mit aller Zuversicht die Arbeit
der Hand des Timotheos erkennen. Es ist überaus zu be-
klagen, dass gerade von diesem Stücke so wenig erhalten ist;
denn es ragt durch Frische und Schärfe der Arbeit ebenso
wie durch die Kühnheit der Konzeption über die anderen
empor. Das Motiv, dass der Wind von unten hinauf weht
und sich im Gewände über der Brust fängt, ist hier in gross-
artiger, mächtiger Weise durchgeführt; an der Nike der West-
seite Nr. 155 und an der Nereide von derselben Seite Nr. 157
tritt dasselbe Motiv, aber nur in schwacher Andeutung auf.
Beide Niken schweben wie die des Paionios von oben durch
die Luft herab; an beiden muss unten unterhalb der Füsse
noch etwas gewesen sein, analog wie bei Paionios, aber wohl
höher; der abscheuliche plumpe Untersatz mit Palmetten, den
Defrasse hier ergänzt, ist natürlich gänzlich verfehlt.
Zu beachten ist noch an der Nike des Timotheos Nr. 162
die auffallend schwache, unentwickelte Brust, durch welche
sie zunächst kleiner erscheint als die andere, was sie aber
nicht ist. Der Künstler fasste die Göttin als ein ganz jugend-
liches und noch nicht reifes Mädchen auf. Sehr ähnlich ist
die in vielen Kopien erhaltene sog. Leda, die man mit Recht
wohl auf Timotheos zurückgeführt hat (Athen. Mitteil. 1894,
Taf. VI); und auch die jugendliche Athena mit der ganz
flachen Brust des Typus Rospigliosi möchte ich jetzt lieber
dem Timotheos als dem Skopas (Meisterwerke S. 527) zu-
weisen.
446 A. Furttcängler, Zu den Skulpturen des AshUpiostempeU ete.
Wir besitzen also wenigstens einen Teil des von Timoiheos
selbst ausgeführten einen — östlichen — Akroterions, und
wir besitzen grössere Teile aus den nach seinen Modellen Ton .
anderen Künstlern ausgeführten Oiebelskulpturen. Als eines
der erheblichsten Stücke, ja als das einzige mit Kopf und
Körper erhaltene haben wir die Figur des gefallenen Wen
Jünglings im Museum zu Epidauros erkannt.
K. Simon, 8om€u>3tlm.
Taf. I.
1« i
i
•n
• I
ik
f«(iSi^(\Y'%
i
/
V's d. nat. Gr.
Reprod. Ton J. B. Obcnialter, Mflaehcii.
H8. B foll. 1261» 127»
(V, 115)
1903. Sitzgsb. d. philos.-pbilol. u. d. List. Kl.
R, Simon, SomanStha.
Taf. IL
'»^'«Vn*^!^«
I ;
^ •^*W4*«^^^Ä,^.tog|hK»v-<'«
1. ''
r t
^.^
1/9 d. nat. Gr.
Reprod. von J. B. Obcmattsr, lUnchen.
IIs. B folL 127b i2Sa
(V, 117 ff.)
1903. Bitzgsb. d. philos.-philol. u. d. List. Kl.
447
Die Notationen des Somanätha.
Von B. Simon.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt von E. Kuhn in der philos.-philol. Klasse am 4. Juli 1903.)
Durch die Liberalität der K. B. Akademie der Wissen-
schaften, welche mir die Mittel zu einer Reise nach England
gewährte, wofür ich sie hier meinen ehrerbietigsten Dank
entgegen zu nehmen bitte, war es mir möglich, in Oxford
ausser anderen Handschriften besonders die Handschrift von
Somanäthas Rägavibodha^) einer genauen Prüfung zu unterziehen.
Diese Handschrift (= 0) darf schon deswegen ein gewisses
Interesse beanspruchen, weil sie bereits im Jahre 1784 von
W. Jones für seine im 3. Bande der Asiatic ßesearches ver-
öffentlichte Abhandlung On the musical modes of the Hindus^)
benutzt worden ist. Zwar nicht die Handschrift selbst, die
sich damals, wie in dieser Abhandlung berichtet wird, noch
im Besitz des Colonels Polier in Indien befand, sondern eine
Abschrift davon, welche mit Erlaubnis des Besitzers von einem
seiner Schreiber angefertigt und von Jones selbst sowohl als
auch von seinem Pandit sorgfaltigst mit dem Original ver-
g^lichen wurde. Diese Abschrift ist nun zwar verloren gegangen,
dafür befindet sich aber das Original in Oxford. Wie und auf
welchem Wege es von Indien dorthin gelangt ist, wissen wir
1) Th. Aufrecht, Catal. Oxon. 1864, S. 200, No. 475.
^ Asiatic Researches or Transactions of the society instituted in
Bengal, Calcutta 1792, vol. III, S. 55-87.
448 n. Simon
mit annähernder Bestimmtheit. Bevor Polier Indien yerliess, ^)
yerkaufte er, wie ein von ihm an Wahl gerichteter und von
Wahl zitierter Brief bezeugt, seine ganze Bibliothek mit Aus-
nahme weniger seltener Handschriften einem Engländer.*) Eine
unserer Oxforder Handschrift vorgedruckte Mitteilung, welche
diese Tatsachen erwähnt,, stellt daher die Vermutung auf, dass
zugleich mit der Bibliothek des Polier auch der Rägavibodha
seinen Weg nach England gefunden habe.
Jones schätzte den Wert sowohl wie das Alter des Rägavi-
bodha sehr hoch ein. Er erklärte dies Werk „für das wert-
vollste, das er je gesehen, vielleicht das wertvollste im Be-
sonderen, das uns über die Musik der Inder erhalten sei; es
scheine von sehr hohem Alter, wenn auch jünger als der
Sarngitaratnäkara zu sein; kein Pandit, weder in Bengalen,
noch in Eääi und Kaämir habe von seiner Existenz bisher
eine Ahnung gehabt**.*) Wenn sich auch heute noch an der
schönen und edlen Begeisterung, mit der Jones*) wie alle lite-
rarischen Dinge des Ostens, so auch das Thema der indischen
1) Im Jahre 1788, nach einem meist im Dienste der ostindischen
Kompagnie verbrachten, 30jährigen Aufenthalt in Indien. Ihm ver-
danken die Pariser Bibliothek und das British Museum eine Anzahl wert-
voller arabischer, persischer und Sanskrit -Handschriften. Siehe auch
C. Bendall, Catalogue of the Sanskrit Manuscripts in the British Museum,
London 1902, S. 1, Anm. 1.
*) S. F. Günther Wahl, Altes und Neues Vorder- und Mittel-Asien,
Leipzig 1795, I, S. 149. In diesem Brief verspricht der Engländer aller-
dings, die von Polier erworbenen Schätze der Universität Cambridge
anzuvertrauen.
^) 1. c. S. 66. Es versteht sich von selbst, dass diese Ansichten von
den vielen Musikgeschichten älteren und neueren Datums ungeprüft über-
nommen worden sind. E. David et M. Lussy, histoire de la notation
musicale depuis ses origines, Paris 1882 meinen, S. 7, sogar, dass «Soma
fait partie de la grande collection des Vedas*.
*) Eine treffliche und sehr lesenswerte Charakteristik von Jones
verdanken wir H. Oldenberg, Aus Indien und Iran, Berlin 1899, S. 2 ff.
Ob das hier entworfene Bild seiner Persönlichkeit jedoch durch eine
stärkere Betonung des Geistes und Geschmackes der englischen Gesell-
schaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts an Richtigkeit nicht noch ge-
winnen könnte, möge allerdings eine offene Frage bleiben.
Die Notationen des SomanätHa, 449
Musik ergriff, jeder empfangliche Mensch wird erwärmen können,
so wird man doch im Besonderen seinen Ausführungen über
den Rägayibodha nur mit grossen Einschränkungen beistimmen
dürfen. Auf den Wert der Oxforder Handschrift sowie die
Zeit des Somanatha fällt nämlich erst volles Licht durch die
Handschrift, welche sich im Deccan College, Bombay (= B)
befindet^) und deren Benutzung E. M. Chatfield Esq., director
of public instruction Bombay, mir gütigst gestattete. Eine
Yergleichung Beider zeigt nun, dass die Poliersche Handschrift
nicht nur unvollständig ist — das hatte ja schon Aufrecht
bemerkt^) — und ihr als Schluss die Verse V, 168 — 225 fehlen,
sondern auch dass sie nur ein Auszug des Textes aus einer anderen
Handschrift ist, welche, wie B, diesen Text zusammen mit
einem von Somanatha selbst dazu verfassten Kommentar enthält.
Femer ist aber auch in den bei 0 fehlenden Versen V, 224 — 5
angegeben, wann Somanatha sein Werk geschrieben hat: Da-
nach ist der Rägavibodha weder das älteste der erhaltenen
Werke über Musik, noch, mit David und Lussy, ein Bestand-
teil der vedasamhitäs, sondern im Jahre 1609^) abgefasst.^)
Eine weitere, angeblich undatierte Handschrift wird in
dem Catalogue of Sanskrit Manuscripts in the library of bis
Highness the Maharäja of Bikäner (Calcutta 1880) von Räjen-
draläla Mitra auf S. 518 als No. 1105 aufgeführt. Ob sie Text
und Kommentar enthält, lässt sich aus dem dort mitgeteilten
Anfang und Schluss nicht ersehen.
Nach Angabe der Orientalischen Bibliographie *) sollen die
5 vivekas, in die der Rägavibodha zerfällt, im Jahre 1895 von
Purushottam Ganesh Ghärpure in Poona, in 5 besonderen Heften
gedruckt, herausgegeben worden sein. Die vier ersten Hefte
^) Shridhar R. Bhandarkar, a Catalogue of the collections of manu-
scripts depodted in the Deccan College, Bombay 1888, S. 480, XIX, No. 276.
«) 1. c. S. 200.
•) kudahanatithiga^itasake. Komm. : ku^i prthivi dahanäh vahnayah
tithajas ca tadgapitadake 1531.
*) Bhandarkar führt 1. c. diese Handschrift ohne Jahreszahl auf.
^) Heransgegeben von L. Scherman, IX, S. 261, No. 4658.
1908L SiUgsb. d. phUoa.-pbUoL u. d. hiBt. KL SO
450 R. Simon
davon konnte ich mir aus Indien yerschaffen, während das
5. Hefb, welches den 5. viveka enthält, schon bald nach seinem
angeblichen Erscheinen, trotz vieler Bemühungen meinerseits
beim Drucker und Verleger, auf keine Weise mehr erhiltlici
war. Dies Heft findet sich auch auf keiner der grosseren
Bibliotheken in England, allerdings ebensowenig das 2. und
4. Heft.^) Es ist dies um so mehr zu bedauern, als gende
der 5. viveka von besonderer Wichtigkeit ist. Er enthält näm-
lich, unter anderem, zu Kompositionen des Somanätba dessen
eigene Notationen, die den Gegenstand der folgenden Betrachtung
bilden sollen. Ihr liegt danach zu Grunde der Text von 0 (ohne
Schluss) und B, sowie der zu B verfasste Kommentar (= C).
Die Natur der indischen weltlichen Musikübung, welche
zwar die grossen, allgemeinen charakteristischen Umrisse eines
Musikstückes in fester Tradition und Lehre übernimmt, die
feineren Einzelzüge und Schattierungen aber durchaus dem
individuellen Talent und der musikalischen Produktivität des
Vortragenden überlässt, bringt es mit sich, dass man zunächst
auch erwarten wird, nur jene g^röberen Umrisse durch Notation
festgehalten zu finden, während diese feineren Linien, welche,
nicht minder fUr den Inder wie für uns, als Ausdruck der
Persönlichkeit dem allgemein Gegebenen erst die künstlerische
Weihe verleihen, einer schriftlichen Fixierung ermangeln.
Dieser Erwartung entsprechen denn auch die Tatsachen im
Ganzen durchaus. Um so mehr wird daher der Zufall über-
raschen, welcher uns zugleich mit Kompositionen des Soma-
nätba auch eine dazu gehörige Notation aufbewahrt hat, durch
die der individuelle musikalische Vortrag eines Künstlers, und
eines kenntnisreichen Künstlers obendrein, festgehalten ist
Hierauf beruht die einzigartige Bedeutung des 5. viveka des
Rägavibodha. Und wenn Somanätba (V, 31) sagt, seine Nota-
tionen seien ,pürvair anuktäni, mayä uktani^ so ist das daher
wörtlich zu verstehen. Von ihm wurden die Notationen zu
^) In Anbetracht der Schwierigkeiten, mit denen der Druck gerade
des 5. viveka verknüpft ist, wäre es nicht erstaunlich, wenn davon über-
haupt Abstand genommen worden wäre.
Die IfoiiUianen des Somanätha. 451
bezeichnen versucht, die früher eben überhaupt nicht, wenig-
stens, wie wir hinzufügen müssen, in dem umfange nicht,
notiert wurden, wenn auch die Technik, auf die sich dieselben
beziehen, selbstverständlich lange vorher bestand. Und so
hatte uns vielleicht schon dieser Versuch des Somanätha allein
dazu berechtigen dürfen, ihn einer späten Zeit zuzuweisen, einer
Zeit jedoch, der die Traditionen noch nicht ganz verloren ge-
gangen sind. Denn es lassen sich einige, wenn auch nur zarte
Faden, weniger zwar in Bezug auf die Notationen selbst als
in Bezug auf deren technische Namen, aufweisen, welche ihn
mit einer näheren und ferneren Vergangenheit verbinden.
Diesen soll jedoch hier nicht weiter nachgegangen werden.
Die Kompositionen des Somanätha, die uns im 5. viveka
Vers 37 — 166 überliefert vorliegen, sind ausschliesslich Kom-
positionen für die viuä. Es sind im Ganzen 50 Stücke, deren
jedes zu einem besonderen räga in Beziehung gesetzt ist, in
einem besonderen räga komponiert ist. Ihre Bestimmung für
die Yi^ä bringt es mit sich, dass die Notationen, mit denen
sie versehen sind, sich in ihrem weit überwiegenden Teil auf
den Vortrag der vi^ä beziehen und besondere Eigen- und Fein-
heiten beim Spiel derselben — vädanavise§äh — bezeichnen.
Es liegt daher auf der Hand, dass, so sehr es auch undenkbar
scheint,^) den Text — wenn es gestattet ist, die Stücke nebst
Notationen so zu nennen — des Somanätha ohne Hülfe des
begleitenden Konmientars richtig aufzufassen und zu deuten,
zum vollen Verständnis Beider doch die Kenntnis der Kon-
struktion und Verwendung einer vi^ä die Voraussetzung bildet.
Alle Vortragszeichen, deren Besprechung im Einzelnen wir uns
jetzt zuwenden, habe ich auf einer indischen Laute*) praktisch
^) Jones, dem der Kommentar ja nicht bekannt war, ist allerdings
anderer Ansicht. Er sagt 1. c. S. 67: the strains are noted in figures
wfaich it may not be impossible to decypher. David und Lussy dagegen
L c S. 7: On ne tronverait pas a^jourd*liui de musicien hindou capable
de d^chifErer la notation antique, ni de jouer quoique ce soit d'apres
les ügnes.
^) Aus dem Mnsenm für Völkerkunde in Berlin. Eine Abbildung
30*
452 n. Simon
erprobt. Aber auch ohne eine solche kann ein Jeder leicht
das Gleiche tun, wenn man bei einer {gewöhnlichen Guitarre
die Saiten durch zwei am Halsende und vor dem Saitenlialier
angebrachte Stützen hochlegt und darunter auf dem Griffbrett
an Stelle der eingelassenen Bünde eben so yiele hohe Holz-
stege, mit abnehmender Höhe nach dem Schallloch n, an-
bringt. ^) Die nun bei Somanatha zur Anwendung kommenden,
samketa genannten Notationen, die von ihm in den im Aryä-
Metrum abgefassten Versen V, 14 — 29 kurz behandelt werden,
sind die folgenden:
1. pratihuH^) (Gegenschlag): ,Ein gedämpfter Ton bei
zwei Anschlägen, in deren Mitte sehr rasch ein Aufheben
stattfindet*.') C:*) Bei zweimaligem Anreissen der Saite mit
der Nagelspitze entsteht ein gedämpfter, hum-ähnUcher Laut,
wenn nach dem ersten Anreissen sehr rasch, durch ein geringes
Aufheben des Fingers, der Torhergehende Ton erscheint, immitteJ-
bar darauf aber das zweite Anreissen erfolgt. Notation: w)
Die Technik, die hier gemeint ist, ist durchaus klar: Mit
dem Mittelfinger der linken Hand wird die Saite auf einem
beliebigen Ton niedergedrückt, zugleich der Zeigefinger der-
selben Hand auf den diesem in der Leiter vorhergehenden
Ton niedergesetzt. Darauf wird die Saite mit einem Finger
der rechten Hand angerissen. •) Die hierdurch entstandene
Schwingung der Saite wird benutzt, um durch Aufheben des
Mittelfingers der linken Hand, ohne nochmaliges Anreissen nnt
siehe bei F. Fowke, an extract of a letter (on the vl^ä) Asiat. Researche«,
Calcutta 1788, I, S. 295.
1) Es ist selbstverständlich, dass dann die Guitarre von dem Spie-
lenden ebenso wie die vlnä — der höchste Steg an der linken Schulter —
gehalten werden miiss.
2) In den alle samketas aufzählenden Eingangsversen V, U - 16
werden die ersten vier zusammengefasst mit: pratyänvapQrvahatayah.
^) antar drutam uechalanavato hatiyugäd gabhiraravah.
*) Der meistens wortreichere Kommentar wird in jedem einielnö*
Fall in sinnf^emüsser Verkürzung von mir wiedergegeben.
^} bindü (valayäkärau dvau) adhah (äryälikhitasarigädlnäm adbastatl.
^) Über das Niedersetzen und das Anreissen siehe S. 462.
Die Notationen des Somanätha. 453
dem Finger der rechten Hand, den yorhergehenden Ton erklingen
zu lassen. Hierauf erfolgt zugleich mit dem Niedersetzen des
Mittelfingers wieder auf den ersten Ton ein zweites Anreissen.
Wir würden diese Technik mit ^Schleifung oder Bindung nach
abwärts* bezeichnen. Ob sie auch sinngemässe Anwendung
auf den Fall findet, wo dem zuerst angerissenen Ton eine leere
Saite vorhergeht, darüber schweigt Somanätha.
2. ähaä (Anschlag): ,6eim Erklingeulassen eines Tones
das Hörenlassen eines anderen Tones ohne Anschlagt ^)
C: Nachdem ein Ton angegeben ist, lässt man ohne (noch-
maliges) Anreissen mit dem Nagel durch eben dies Erklingen
einen anderen Ton hören, und zwar kann beliebig beim
Angeben eines Tones ohne neues Anreissen entweder der höher
gelegene — sei dieser nun vorgeschrieben oder nicht — oder
der tiefer gelegene Ton — sei dieser nun vorgeschrieben oder
nicht — hörbar gemacht werden. Notation: ^*).
o
Es ist bedauerlich, dass sich der Kommentator hier nicht
deutlicher ausgesprochen hat. Doch werden wir auf Grund
seiner Bemerkungen einerseits zu dem weiter unten erwähnten
sparsa, andrerseits zu ahati nicht fehl gehen, wenn wir unter
dem ähati-Ton den Ton verstehen, welcher dadurch entsteht,
dass, nach einem vorher angerissenen Ton, der Finger der
linken Hand erst hammerähnlich auf den in der Leiter ent-
weder vorhergehenden oder folgenden Ton niederfällt und dann
wieder aufgehoben wird. Hierdurch wird als Hauptton nicht
nur der Ton hörbar, auf den der Finger niederfällt, sondern
als Nachklang, durch das Aufheben des Fingers, auch die leere
Saite bezw. der, im Verhältnis zu dem hammerähnlich ange-
schlagenen Ton, tiefere Ton.^) Hierauf kehrt man zu dem
zuerst angerissenen Ton zurück.^)
') anyadhvanane hatii;! vinänyasvaräärävah.
^) bindor (eko valayäkärah) adha^ (södinäm).
•) Über das Erklingenlassen der leeren Saite siehe auch F. Fowke,
1. c. 8. 299.
*) Ob dieser dann nochmals hörbar zu machen ist, darüber schweigt
Somanätha ebenso hier wie in seiner Erläuterung zu sparsa.
454 B. Simon
3. anuhati (Nachschlag): «Wie pratihati, nur nach einem
einzigen Anschlag^^) G: Ein gedämpfter, hum-ähnlicher Ton
entsteht dadurch, dass man nach einmaligem Anreissen der
Saite rasch den vorhergehenden Finger etwas in die Höhe
hebt und dadurch den vorhergehenden Ton hörbar macht.
Notation: ^.*)
Ich kann mich hier kurz fassen, da die anuhati der Art
nach nicht von der pratihati verschieden ist. Vielmehr stellt
sich die pratihati nur als einen besonderen Fall der anuhati,
nämlich als den Fall dar, wo einem anuhati-Ton derselbe wie
der ihm vorhergehende folgt. Siehe ferner die weiter unten
erwähnte mudrä.
4. ahaü (Ohne -Schlag): ,Wie anuhati, aber ohne einen
einzigen Anschlag*. •) C: Hier entsteht ein gedämpfter Ton
auch ohne Anreissen der Saite mit dem Nagel. Derselbe erscheint
jedesmal so, d. h. ohne besonderes Anreissen, schwach nach-
klingend als Rest der ähati oder des gharsa^a. Notation: ^.*)
Der Kommentator will sagen, dass hier ein gedämpfter
Ton hörbar wird, ohne dass ein Anreissen der Saite, wie es
bei der anuhati der Fall ist, vorhergeht. Der Ton entsteht
durch Aufheben eines Fingers der linken Hand und bildet so
eine Art Übergangslaut zu oder Vorschlag vor dem nächsten
Ton und zwar nach allen Tönen, die, wie die ähati und das
gharsapa (siehe weiter unten), ohne Anreissen der Saite hervor-
gebracht werden. Einerseits beruht hierauf der Unterschied
der ahati von der pratihati und anuhati. Andrerseits bildet
so die ähati nur einen besonderen Fall der ahati, wie die
anuhati nur einen besonderen Fall der pratihati darstellt.
5. jn4ä (Druck): ,Ein Loslassen nach einem Druck*.*)
C: pi(}ä besteht darin, dass man einen Ton sehr fest drückt,
^) ekahateh pratihativat.
*) binduh sarekhayä (rekhopalaksitah) adhah (sädinäm).
') saiva (anuhatir eva) tv aghatät syat.
*) dvigui?ah (upari punar ävrttah) so (bindur valayäkärah) 'dhah
(sädinäm).
^) äpT4ya vimuktih.
Die Notationen des Somanätha. 455
dann rasch loslässt und dadurch den (in der Leiter) vorher-
gehenden Ton hörbar macht. Notation: ^o.^)
Durch den plötzlich in die Höhe schnellenden Finger der
linken Hand nach vorhergegangenem starken Druck wird die
Saite, gleichsam wie durch ein mit der linken Hand ausge-
führtes pizzicato, in Schwingung versetzt und gibt den vorher-
gehenden Ton an, auf den der Finger natürlich schon vorher
niedergesetzt gewesen sein muss.
6. dcHana (ßcha,uke\n): ,Ein Anziehen und wieder Zurück-
kehren'.^) C: Bei einem einzigen Anreissen nimmt man erst
ein Anziehen vor, bis der (in der Leiter) folgende Ton um
eine äruti vermindert ist und kehrt sodann langsam in den
früheren Zustand zurück. Notation: ^.^)
Gleich nach dem Anreissen der Saite drückt man den
Finger der linken Hand auf dem soeben angegebenen Ton
etwas stärker nieder, so dass die Saite starker angezogen bezw.
verkürzt wird, und zwar um eine sruti des in der Leiter nächst-
folgenden Tones. Darauf lässt man mit dem Druck nach,
wodurch die Saite wieder verlängert wird und der zuerst ange-
gebene Ton wieder erscheint. Es liegt hier, in der Wirkung,
eine Art unseres Doppelschlages vor, wobei nicht vergessen
werden darf, dass die Stege der vipä ziemlich hoch sind, so
dass der Ausführung des dolana (vikarsa, gamaka) einerseits,
der weiter unten erwähnten paratä (uccatä) andrerseits, nicht
die geringsten Schwierigkeiten im Wege stehen.
7. vikarsa (Anziehen): ,Ein Anziehen*.*) C: Hierunter ver-
steht man das dolana, aber ohne Rückkehr. Notation: ^.^)
Es ist hier das eben besprochene Anziehen der Saite bis
zu einer Sruti des folgenden Tones gemeint, ohne dass man,
^) 80 (bindnh) 'gre (sädlnäiii parastat) öuddhah.
*) äkar^a^ägamane.
8) Qrdhvo (na tu tirjrak) gumr (dvivakrä rekhä) npari (sädinäm sirasi).
^) äkarsa^am.
^) sa (gumh) tirjag (tiradcinah) urdhyam (sädinäm upary eva).
456 R, Simon
wie beim dolana, darauf mit dem Druck wieder nacUässt und
zum ersten Ton zurückkehrt.
8. ganuika (Trillern): ,Em wiederholtes dolana\^) C: Nach
einem einzigen Anreissen führt man drei- oder viermal lang-
sam das dolana aus. Notation: ^S-^)
9. hampa (Zittern): .Berührt*.*) C: kampa besteht, vie
das Wort schon ausdrückt, in Zittern und zwar in zwei- oler
dreimaligem raschen Zittern, bei einmaligem Anreissen, nni
ist (zeitlich) gleich dem 4. Teil des dolana. Notation: ^.*)
Aus dem Hinweis auf dolana erhellt, dass, nach ein-
maligem Anreissen, diese Bebung in einem zwei- bis dreimal
rasch hinter einander erfolgenden Druck besteht, welcher
mit einem Finger der linken Hand auf die Saite, diese jedes-
mal um eine 6ruti verkürzend, ausgeübt wird.
10. gharsana (Reiben): ,Ein Anreissen, welches in rascher
Folge andere Töne hervorbringt*.*) C: Unmittelbar nach einem
Anreissen werden rasch, vorgeschriebene oder nicht vorge-
schriebene, folgende oder vorhergehende, Töne durch Beiben
hervorgebracht. Notation: *.•)
Das Reiben erfolgt mit einem Finger der linken Hand und
gleicht, in der Wirkung, einem schwachen, mit der linken Hand
ausgefiihrton pizzicato. Bei jedem der so durch ghar^a^a in
beliebiger Anzahl und in beliebiger, kadenzartiger Folge er-
zeugten Töne klingt dann entweder die leere Saite oder der
jeweils tiefere Ton, gleichsam als ,Rest*, schwach nach. Siehe
oben ähati.
11. mudrä (Siegel)'): ,Nach einmaligem Anreissen des
einen Tones macht man den vorhergehenden Ton erst hörbar
dolanam eva hi punah punah.
sa (gunih) ürdhvo 'gi-e (sädinäni purastät).
sprstali.
rekhordhvä (saralä rekha) ürdhvam (sädlnäm upari).
ekahatir dräk svaräntarakrt.
tiryak »ä (rekhä) äirasi (sädinäm upari).
So genannt wegen der hierbei erforderlichen mudra-Fingerstellong-
Die Notationen des Somanätha, 457
und yerHüllt ih& dann wieder.^) G: Nachdem man den einen
Ton (mit einem Finger der rechten Hand) angerissen hat, hebt
man den soeben gebrauchten (Mittel-) Finger (der linken Hand) in
die Höhe. Dadurch wird der (in der Leiter) vorhergehende
Ton hörbar, auf den sich vorher der (Zeige-) Finger nieder-
gesetzt hat. Hierauf verhüllt man gleichsam diesen Ton wieder,
indem man den (Mittel-)Finger (der linken Hand) wieder an
seinen soeben verlassenen Platz setzt. Der Unterschied von
der anuhati besteht darin, dass hier der (Mittel-) Finger lang-
sam in die Höhe gehoben wird, während das bei der anuhati
rasch geschieht und dadurch nur ein gedämpfter Ton ent-
steht. Notation: S.^)
12. sparia (Berührung): ,Wie ähati, nur rasch losge-
lassen") C: Hier ist das rasche Loslassen eines ähati-Tones
gemeint. Nachdem man einen Ton angeschlagen und den fol-
genden berührt hat, kehrt man rasch zum ersten Ton zurück.
Notation: ^.*)
Nachdem ein Ton angerissen ist, wird der in der Leiter
höher oder tiefer liegende Ton durch hammerähnliches Nieder-
fallen des Fingers der linken Hand angegeben, dieser Finger
darauf rasch wieder gehoben, so dass der Nachklang nur ganz
schwach hörbar wird, und schliesslich zum ersten Ton zurück-
gekehrt. •) Wie gesagt, besteht der Unterschied des sparsa von
der ähati nur in der Schnelligkeit, mit der der Finger nieder-
fallt und wieder aufgehoben wird.
13. naimwya (Vertiefung): ,Starkes Anreissen*.*) C: Wenn
man die Saite sehr stark mit dem Nagel (eines Fingers der
rechten Hand) anreisst, so biegt diese nach unten aus und
bildet so eine Vertiefung. Notation: ^.'')
KJ
^) paraikahananät pradaräya pürvam punas tadächädah.
') saiva (tiiyakrekhaiva) adhah (sädlnäm).
') ähatir eva dmtam muktä.
*) ardhacandra (ardhavalayäkärah) ürdhvam (sädinäm) syät.
&) Siehe S. 463, Anm. 4.
^ drtjhahati^.
'^) 80 (ardhacandrah) 'dhah (sädlnäm).
458 JB. Simon
Es ist dies der einzige Fall, wo sich einer der samketas
auf eine Besonderheit der rechten Hand bezieht.
14. pluä (Auseinanderziehen): «Reiben von acht Tönen'. ^)
C: Dies besteht darin, dass durch ein einziges Anreissen auf
die eben besprochene Art des ghar^pa acht Töne hinterein-
ander hervorgebracht werden. Notation: ^u«*)
Die pluti ist mit einer Kadenz Ton acht Tönen zu ler-
gleichen, im Übrigen ganz wie ghar^aaa.
15. druH (Schnelle): »Rasches Spielen*.*) C: Die so be-
zeichneten Töne werden rascher gespielt als andere, nicht so
bezeichnete. Notation: ^l<.*)
16. paratä (folgende Lage): ,Auf dem einen Ton das An-
ziehen bis zum folgenden*.*) C: Durch Anziehen (der Saite)
auf dem Steg des einen Tones bringt man den (in der Leiter)
folgenden Ton hervor, also ri u. s. w. auf dem Steg von sa
u. s. w. Notation: ^.•)
Technisch ist dies nur möglich in Anbetracht der hohen
Stege der vToä, welche es erlauben, durch starken Druck auf
die Saite, ausgeübt mit einem Finger der linken Hand in der
Richtung auf das Griffbrett, die Saite so zu verkürzen, dass auf
der Stelle des einen Tones der folgende hörbar zu machen ist.
Siehe auch oben dolana.
17. uccatä (hohe Lage): ,Dasselbe bis zum dritten*.')
C: Durch Anziehen (der Saite) auf dem Steg des einen Tones
bringt man den drittfolgenden Ton hervor, also ga u. s. w.
auf dem Steg von sa u. s. w. Notation: «.*)
y\
^) astasvaragharsah.
^) so (ardhacandrah) 'gre (sädlnäm).
^) tvarävädanam.
^) svaraärnkhalä (svarayoh BvaräQaqi vä adhoniga4anain)«
^) pürve 'gryasjäkarsavam.
®) gurur adhahsthäyl tirjak.
') tat tftlyaeya.
^) sa (tiryagguruh) ürdhvädha^ (apary adhaä ca).
Die Noiatianen des Samanätha, 459
18. 19. nijaie (die beiden eignen Lagen): ^Yon diesen Beiden
die zwei früheren Zustände, manchmal mit nochmaligem An-
rei88en\^) G: Von diesen Beiden — dem durch Anziehen auf
sa hervorgebrachten ri, sowie dem durch Anziehen auf sa
herrorgebrachten ga — kehrt man, die Saite wieder lockernd,
in je den früheren Zustand (der Saite) zurück. Dies (Anziehen
und Wiederloslassen, also die Verbindung von nijatä mit paratä
oder uceata) geschieht mit einem einzigen Anreissen. Manch-
mal jedoch erfolgt in der Mitte, d. h. nach dem Anziehen der
Saite und dem darauf angerissenen ersten Ton (also nach der
parata, bezw. uccata) ein nochmaliges Anreissen, welches dann
den zweiten Ton (also den Ton, zu dem die Saite, gelockert,
zurückkehrt) hörbar macht. Notation: X{^) und Ji*)
Der Kommentar ist so ausführlich, dass die hier gemeinte
Technik im Zusammenhang mit den Ausführungen zu paratä
und uccata ohne Weiteres verständlich sein dürfte. Es sind
demnach vier Fälle zu unterscheiden: 1. paratä, 2. uccata,
3. paratäyä nijatä, 4. uccatäyä nijatä.
20. iama (Kühe): «Verweilen'.^) C: Nachdem ein Ton
angegeben ist, besteht der sama in dem ruhigen Verharren
auf diesem Ton. Notation: ^q.*)
Der Ton soll also, ohne aufs Neue angegeben zu werden,
ruhig ausgehalten und so sein Wert beliebig verlängert werden.
Wir gebrauchen hierfür das Zeichen Fermate oder Halter.
21. m^du (zart): ,Hier die mandra-Lage'.*) C: Hier wird
mrdu das genannt, was sonst mit mandra, der tiefen Lage,
bezeichnet wird. Notation: 5^.'')
1) tajo^ paarvye kväpi saghäte.
*) paratäjää cihnam (adhaatät tirjaggururupam) lamba (avartula1;)L
lan) IfrdhTO (atiradcino) binduh (yasmin tat).
') nccatajää cihnam (ürdhvädha^tliitatirjagganinlpam) lambordh-
Tabindu (adha eveti jnejam).
^) yilambah syät.
^) lambabindub puratah (sädinam agre).
^ iha mandram stbänam.
^) upari (Bädlnäm) sa (lambabinduh) türdhvah (atinuäcTnal^).
460 B, Simon
Oemeint ist von den drei Oktaven — oder, wie sie der
Inder vielleicht mit schärferer Logik nennt, von den drei sap-
takas — in denen sich jedes Spiel bewegen kann, die im Ver-
hältnis zur mittleren Oktave, dem madhyasthäna, tiefer liegende,
gewöhnlich mandra genannte Oktave.
22. kathina (scharf): ,tära-Lage*.*) C: Hier wird mit
kathina die tära-Lage bezeichnet. Notation: ^.^)
Die tära-Lage ist die im Verhältnis zur mittleren Oktave
höher liegende Oktave.
23. padma (Lotus): ,Am Schluss eines angefangenen
Stückes*.*) C: Zur Bezeichnung der Beendigung eines ange-
fangenen Stückes dient eine vier- oder mehrblättrige Lotusblüte.
Notation: F^^.*)
Dies Zeichen wird nicht nur dort angewendet, wo ein
wirklicher, authentischer Schluss vorliegt, sondern auch bei
allen Halbschlüssen u. s. w.
Zu diesen 23 samketas kommen dann noch die sieben
seit Alters her gebrauchten Notationen sa, ri, ga, ma, pa,
dha, ni zur Bezeichnung der 7 Töne der Leiter hinzu (V, 30).
Überblicken wir die Reihe der besprochenen 23 Notationen im
Ganzen, so sehen wir, dass sich nur 19 derselben auf Besonder-
heiten der Tonerzeugung beziehen. Aber auch diese Zahl
Hesse sich, bei streng logischer Einteilung, noch verringern.
So ist pratihati und mudrä nur je ein besonderer Fall der
anuhati, sparsa ein besonderer Fall der ähati, pluti ein be-
sonderer Fall des gharsapa, paratä ein besonderer Fall der
uccatä. Neben den 19 besonderen Notationen bleiben noch
4 Notationen allgemeiner Art bestehen : Die druti zur Bezeich-
nung des Tempos, kathina und mrdu zur Bezeichnung der
höheren und tieferen Oktave — die mittlere Oktave bleibt
^) täram.
2) tiryak (tirascinah san) sa (lambabinduh) ürdhvam. (sädinam upari).
•) prärabdharupapürtau.
*) caturädidalakamaläkärah.
Die Notationen des Somanätha. 461
nnbezeiciiiiet (Y, 29) — und das padma zur Bezeichnung der
Schlüsse. Viele der samketas können bei einem Ton nicht
nur einmal, sondern zwei- oder noch mehrmal zur Anwendung
kommen : In diesem Fall wird das betreffende Zeichen eben so
oft gesetzt, als es gebraucht werden soll (Y, 28). Durch den
öfters wiederholten Gebrauch einer Notation bei einem und
demselben Ton und durch die dementsprechende Ausführung
auf der vlpä wird, wie aus der Anmerkung des Somanätha zu
y, 55. 101 zu ersehen ist, der rasa des betreffenden Stückes
?erstärkt. Es können sich aber auch auf einem Ton ver-
schiedene, nach einander auszuführende Notationen vereinigen.
Eine solche Häufung derselben oder verschiedener Notationen
auf einem Ton bereitet nun allerdings einer richtigen Deutung
oft erhebliche Schwierigkeiten. Im Besonderen möge in gra-
phischer Hinsicht hier erwähnt werden, dass die Notationen
fär paratä -f* p^ratä nicht neben-, sondern untereinander ge-
setzt, die für ähati 4" ahati unter- oder nebeneinander gesetzt
werden. Die Notation für paratäjä nijatä ist nicht zu ver-
wechseln mit denen einerseits für ähati + paratä, andrerseits
för ähati -|~ paratäyä nijatä. Bemerkenswert ist die Notationen-
Ligatur \y, welche plutih ka^hinäntä d. h. eine pluti bedeutet,
deren letzter Ton sich in der hohen Oktave befinden soll, im
Gegensatz zu der plutir madhyamäntä, deren letzter Ton der
Mittellage angehören soll. Dann ist noch zu erwähnen, dass
ghar^^a und druti, sobald sie sich über mehr als einen Ton
ergtrecken, in einer zusammenhängenden, graden bezw. ge-
schlängelten Linie notiert werden, die nur durch die i-Haken
von ri und ni unterbrochen wird. Weiteres siehe S. 463—4.
Wie schon gesagt, bleibt die mittlere Oktave unbezeichnet.
Ebenso werden die Erhöhungen und Verminderungen der ein-
zelnen Töne von Somanätha nicht notiert, mit der Begründung,
dass die Natur der einzelnen rägas ja allgemein bekannt und
es daher Sache des vortragenden Künstlers sei, dieselbe richtig
zum Ausdruck zu bringen (Y, 81). Ebenso vermissen wir
irgendwelche Angaben über den täla, den Takt. Dafür folgen
den eben erwähnten Bemerkungen (V, 28 — 31) noch Andeutungen
462 B. Simon
über den Gebrauch der linken und rechten Hand beim yi^a-
Spiel, die aber aus der ja hinlänglich bekannten, sich zumeist
grade bei den weiterer Ausführungen besonders bedürftigen
Fragen einstellenden »Furcht vor Weitschweifigkeit* (V, 34) nur
ganz ausserordentlich knapp gehalten sind. Danach kann mit
den Fingern der rechten Hand das Anreissen nach Belieben
erfolgen. Nur für die sthäja-prabandhas und den kartari-
Anschlag bestehen besondere Vorschriften (V, 33). Und zwar
sind im ersteren Fall die obere — das ist nach U, 12 die vierte,
der rechten Seite des Spielers zunächst liegende — Saite erst
mit der Unterseite des Mittelfingernagels, dann mit Unter- und
Oberseite des Zeigefingernagels anzureissen und unmittelbar
darauf drei ärutis^) mit dem Nagelrücken des kleinen Fingers
(V, 32). Der kartari- Anschlag aber, welcher V, 138 zur An-
wendung kommt, besteht in viermaligem, rasch hinter ein-
ander erfolgendem Anreissen der Saite, die beiden ersten Male
mit der Unterseite, die beiden letzten Male mit dem Rücken
je nach einander des Mittelfinger- und des Zeigefingernagels
aiisgeführt. Was den Gebrauch der linken Hand anbetrifPt, so
beschränken sich die Vorschriften darauf, dass von den drei
beim Spielen gebrauchten Fingern — dem Zeige-, Mittel- und
vierten Finger — die ersten zwei nur in der hohen und
mittleren Lage gebraucht werden sollen (V, 36), femer, dass
das Hinaufsteigen am GrijBfbrett mit dem Mittelfinger zu er-
folgen hat, wobei jedesmal der Zeigefinger ruhig auf den
vorhergehenden Ton niederzusetzen ist. Nur um ähati, sparsa
u. dergl. besonders gut ausführen zu können, ist hierbei auch
der Zeigefinger gestattet (V, 35). Das Hinabsteigen soll meist
immer mit dem Zeigefinger erfolgen.
Diesen Vorbemerkungen und Erklärungen schliessen sich
dann von Vers 37 — 166 die Kompositionen des Somanätha für
die viQä nach 50 verschiedenen rägas an, deren kritische und
mit den oben besprochenen Notationen versehene Ausgabe
*) Ob hier drei beliebige oder vorgeschriebene srutis gemeint sind,
geht weder aus dem Text noch aus dem Kommentar hervor.
Die Notationen des SomaniUha. 463
demnächst erscheinen wird. Wäre der Text, den uns die
Handschriften B und 0 hierfür geliefert haben, auch noch um
Vieles besser, als er es tatsächlich ist, wären selbst die Nota-
tionen noch um Vieles lesbarer und deutlicher, als es sich
ihrer Eigenart nach überhaupt erwarten lässt, so würde doch
auch so eine Ausgabe nicht mögb'ch sein ohne den Kommentar,
den Somanätha selbst yerfasst und zu B hinzugefügt hat. Er
bedient sich dabei, mit Ausnahme ganz weniger FäUe, in denen
er die jeweilige Notation mit ihrem ganzen Namen umschreibt,
folgender Abkürzungen: pra"" = pratihati, ä*" =s ähati, anu"" =s
anuhati, a** oder aha*" = ahati, pr = pi4ä, do"" =s dolana,
Ti'syikari^, ga* = gamaka, ka** oder kam'' oder kamp*" =s
kampa, gha** = ghar^apa, mu° = mudrä, spa** =s sparsa, nai*"
= naimnya, plu** = pluti, dru* == druti, pa" = parata, u" oder
ucca* = uccatä, pa'ni" = paratäya nijatä, u**ni" oder ucca**ni"
^ uccatäyä nijatä, ka!" =^ öama, mr" = mrdu, ka*" oder ka^hi"*
=: ka^hina. Die Notation padma wird nie abgekürzt. Für die
7 Töne der Leiter treten im Kommentar der Reihe nach die
Zahlen Ton 1 — 7 ein. Danach lautet der Kommentar z. B.
toY, 122:
1 • 2 do" 6a* • 5 6a" dva**») • 5 • 6 do" sa' • 5 • 6 ä" • 5 anu" •
5 ßa* dva" 3 dru" • 2 dm** • 1 dru" padmam • 1 • 2 do" sa* • 5 sa •
4 do' Sa* . 3 gha" • 2 gha«» • 3 • 4 äMo** • 3 sa** • 2 6a" 1 padmam
• 2 . 7 rar" vi" • 1 ä" • 6 mr" • 5 mi" pa" 6a" dva" • 1 6a" • 2 • 3 ä"
• 4 . 3 ä" gha" • 2 gha" • 3 ä" gha" • 2 gha" • 1 6a" • 2 • 7 mr" vi"
• 1 ä" . 6 mr** • 5 mr" pa" 6a" dva" • 1 sa" • 2 • 3 ä" • 4 • 3 ä" gha"
• 2 gha" 6a" • 1 6a" • 2 • 7 mr" vi" • 1 ä" • 6 mr" • 5 mr" pa" 6a"
dva* • 1 padmam II 122 II
So wertvoll, ja so unersetzlich ein solcher Kommentar ist,
so liegt doch auf der Hand, dass dieser allein ebensowenig die
Richtigkeit des Textes und der Notationen verbürgt als B und
0 allein. Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden soll,
dass in manchen Teilen 0 besser ist als B, so sind doch im
Orossen und Ganzen B, 0 und C als gleichwertig für die Text-
^) Abkürzung für dvajam.
4r>4 B. Simon
gestalt zu betrachten, und eine Entscheidung fUr Einen gegen
die beiden Anderen oder umgekehrt kann nur von FaU zu FaU
getroffen werden. Im Besonderen muss man sich stets die
Möglichkeiten folgender Verwechslungen und ündeuÜichkeiteD
vor Augen halten:
1. BO können, teils auf Grund äusserer Formähnlichkeii,
teils als Folge der Nichtbeachtung der fftr die einzelnen Zeickn
an und für sich als auch im Verhältnis zu den einzelnen Tönen
charakteristischen Stellungen und Lagen verwechseln: kampa-
dvaya mit spar^, mrdu mit ka^hina, pi(}ä mit sama oder ähati,
dolana mit vikar^a oder garoaka oder paratä. Hier war selbst-
verständlich C entscheidend, ebenso wie für die Länge der
ghar^aua- und druti-Linie, die die Schreiber von B und 0 mit
grösster Nachlässigkeit hinzugefügt haben.
2. C verwechselt: mr" (= mrdu) mit mu" (= mudrä), dru"
(= druti) mit dva** (= dvaya). ka* (= kathina) ist bei ihm
identisch mit ka (== kampa).^) In diesen Fällen war BO
massgebend.
Neben der Hülfe, die sich so B 0 G wechselseitig zu liefern
im Stande sind, bringt ein weiteres kritisches Hülfenüitel det
Umstand, dass die 50 Kompositionen des Somanätha im Aryä-
Metrum (12 +17, 12 + 14 Moren) abgefasst sind. Ist die
metrische Bearbeitung einer solchen Materie hier eigentlich
nur eine äusserliche Spielerei, da es sich, mit Ausnahme der
räga-Namen, durchweg ja um nur kurze Silben, nämlich san-
gamapadhani, handelt, so bietet doch die so feststehende Silben-
anzahl im Zusammenhang mit der in B und 0, natürlich mit
mehr oder minderer Genauigkeit, durchgeführten Bezeichnung
der jeweiligen Cäsuren durch senkrechte Striche der Kritik ein
dankenswertes Mittel, die Fälle feststellen und verbessern zu
können, wo sich in der einen Handschrift gegen die andere
zu viel oder zu wenig Töne zeigen.
1) Wichtig zu bemerken ist, dass ka^dva*, falls hierfür nicht ka^dru*
zu leHen ist, nur = kampadvaya sein kann, ebenso wie ka" ka" nnt
kathina + kampa bedeuten kann, da, in beiden Fällen, eine doppelt«
Notierung derselben Oktave sinnlos sein. würde.
Die Not<xUonen des Somanatha, 465
Des Weiteren Hess ich, unter BeihOlfe meines Freundes
PatdMarc, eine photographische Au&ahme der Verse 37 — 166
der Handschrift B samt dem dazu gehörigen Kommentar an-
fertigen, die mir hei der Feststellung des Textes die wert-
Tollsten Dienste geleistet hat und die ich Fachgenossen gern
zur Verfügung stelle.^) Eine lithographierte Nachbildung der
Verse 46—48 (im rasanta- und hindola-räga) findet sich bei
Jones, 1. c. zu S. 87, ebenso bei David und Lussj, 1. c. S. 8,
welche nach der yon Jones gefertigten Abschrift der Polierschen
Handschrift hergestellt sein muss.
Der Text des Somanatha liess sich nun in verschiedener
Weise anordnen. Am klarsten für den Aufbau der Kompo-
sition wäre wohl zweifellos die Anordnung nach den jedesmal
durch das padma gekennzeichneten Schlüssen gewesen. Jede
Reihe hätte dann mit einem padma abschliessen müssen. Dies
verbot sich jedoch schon von selbst durch den Raum, den eine
solche Anordnung beanspruchen würde. Femer hätte man
ausschliesslich die metrische Einteilung zu Grunde legen und
nach je 4 Reihen einen neuen Vers beginnen können: Hier-
dxixch würde jedoch, da die Namen der rägas metrisch mit-
g'ezählt werden, die Übersicht über die einzelnen rägas voll-
ständig verloren gegangen sein. Ich werde den Text nach
den rägas anordnen, dabei aber zur Erleichterung der Über-
sicht in metrischer Beziehung die Cäsui-striche beibehalten.
Eine Einsicht in den Aufbau der Komposition, die doch nur
durch eingehende Beschäftigung mit dem Gegenstande ge-
wonnen wird, wird hierdurch, wenn auch nicht erleichtert, so
doch jedenfalls nicht verhindert.
Wie schon mehrfach bemerkt, besteht der Text des Soma-
natha in Kompositionen zu 50 rägas, welche für die vTi?ä be-
stimmt sind. Schon hieraus folgt, dass diese Kompositionen
f&r die Laute nicht Gesangsmelodien zu den Gedichten des
Jajadeva sein können, welche dieser in seinem Gitagovinda
») Eine lithographische Nachbildung von foll. 126»»— 128*, angefertigt
nach dieser Photographie, siehe am Schlass dieser Abhandlung.
1903. Sitzg8b.d.pbilo8.-pUloLn.d.hi8tKL 31
466 n. Simon
zu 24 prabandhas vereinigt hat. Dieser Punkt ist deshalb
hier noch zu berühren, weil Jones in seiner erwähnten Ab-
handlung zwar nirgends die Behauptung aufstellt, dass die
Kompositionen des Somanätha die Melodien zum ßitagoTioda
seien. Davon hat ihn sicherlich allein schon der Grund abge-
halten, dass es von den 12 bezw. 15 ri^as,^) zu denen Jaya-
deva seine Gedichte verfasst hat, nur 5 bezw. 7 sind, die äch
auch unter den 50 rägas des Somanätha wiederfinden. WoU
aber äussert er die Vermutung — und hat diese Yermutang
ja auch in Noten umgesetzt — dass dem nach dem vasanta-
räga komponierten Stücke des Somanätha (V, 46) die Worte
des zu demselben räga gedichteten 3. prabandha desJayadeva
untergelegt werden könnten und von dem Musiker auch unter-
gelegt würden.^) Dies ergäbe ein Vergleich Beider. Abgesehen
davon, dass man sich doch vergebens fragen müsste, wie
Somanätha dazu gekommen wäre, unter 50 rägas gerade eioeoi
einzigen derselben Worte eines der 24, sonst in gar keiner
Beziehung zu ihm stehenden prabandhas des Jayadeva unter-
zulegen, so ergibt ein Vergleich jenes Stückes mit diesem
*) Die Anzahl der rägas bei Jayadeva schwankt, da die Angaben.
nach welchen rägas die einzelnen prabandhas vorzutragen seien, teil-
weise auseinandergehen. Die von Lassen für seine Ausgabe des Gita-
govinda (Bonn 1836) benutzten Handschriften (siehe daselbst S. 68) und
die verschiedenen Ausgaben (Calcutta 1808, besonders fol. 35*; mit der
Padadyotini des Näräya^a, Bombay 1884; mit der Rasikapriyä de^
Kunibhakari^aräja und der RasamafijarT des Sankaramisra, Bombay 1899;
mit der Bälabodbini des Caitanyadäsa Calcutta s. a.) stimmen nur in
14 prabandhas mit einander überein. und zwar geben sie übereinstim-
mend an für: 2, 5, 7, 15: gurjarl; 3, 14, 20: vasanta; 4, 24: rämakari;
8: karniltii; 12: g»niakarl bezw. goodakarl; 17: bhairava bezw. bhsiran:
22: varädl; 2:J: vibhä.sa. Für die übrigen 10 prabandhas wechseln die
Angaben. Und zwar für: 1, 6, 13: mälava mit mälavagauija; 9, 16:
desäkhya (ho richtig) mit desavaräji; 10, 21: varä<jli mit desavarädi;
11: kedära mit gurjarl; 18: gurjarl mit rämakari und mit patamanjari;
19 : desavaräiJT mit asävarl (so richtig, statt des verschriebenen oder ver-
lesenen asäturi der Hs. A bei Lassen).
*^) Siehe auch R. Pischel, Die Hofdichter des Lak^^^magasena S. 22
(39. Band der Abb. K. Ges. d. W. Göttingen 1893).
Die Notationen des Somanalha, 467
prabandha aber in Wirklichkeit folgendes: Der erste Vers des
3. prabandha, um den es sich bei Jones zunächst handelt,
enthält zweimal 28 Moren zu je 22 Silben, dazu als Refrain
44 Moren mit 36 Silben, im Ganzen also 110 Moren mit 80 Silben.
Das in Frage kommende Stück des Somanätha enthält nun
76 Töne. Um die Zahl der Silben in Übereinstimmung mit
der Zahl der Töne zu bringen, fügt Jones einfach 4 Töne hinzu.
Jetzt kann der 1. Vers im vasanta-räga, wie er meint, nach
dem Stück des Somanätha im vasanta-räga gesungen werden.
Aber Jayadeva hat seinen 14. und 20. prabandha ebenfalls
im yasanta-räga vorgetragen wissen wollen. Der 1. Vers des
14. prabandha enthält in 58 Moren 49 Silben, der 1. Vers des
20. prabandha in 76 Moren 61 Silben. Wie viel Töne hätte
Jones da auslassen oder wie viel Silben gar hätte er hinzu-
setzen müssen, um hier Text und Melodie in Übereinstimmung
zu bringen! Zu solch willkürlichen , Verbesserungen^ der
Melodie» wie in unserem Fall, wäre Jones aber wohl schwer-
lich gekommen, wenn er mehr Material zur Verfügung gehabt
hätte, aus dem er hätte ersehen können, dass die Anzahl der
Silben mit der der Töne sich nicht nur nicht zu decken braucht,
sondern sich auch nur in seltenen Fällen wirklich deckt. ^)
Abgesehen aber selbst hiervon ist ein Vergleich, wie der von
Jones unternommene, hier überhaupt und unter allen Um-
standen ausgeschlossen: Das eine sind Kompositionen, für die
Laute bestimmt, und gehören zur Klasse der vädya-prabandhas,
das andere sind Dichtungen, für den Gesang bestimmt, und
gehören zu der Gattung der gita-prabandhas. Beide haben ganz
und gar nichts mit einander zu tun. Wenn aber Jones schliesslich
meint, ebenso wie für den vasanta-räga seien auch für den von
Somanätha ebenfalls komponierten hindola-räga (V, 47 — 8) »die
entsprechenden Worte bei Jayadeva mit Leichtigkeit zu finden*,
so wird diese Behauptung schon allein dadurch gegenstandslos,
dass Jayadeva den hindola-räga überhaupt nicht angewendet hat.
^) Ebenso willkürlich ist die Annahme, dass sich die metrisch langen
Silben mit den musikalisch langen Tönen unter allen Umständen zu
decken haben.
468 R, Simon
Mit der Zurückweisung dieser Yermutungen von Jones soll
aber nun keineswegs die Möglichkeit in Abrede gestellt werden,
dass, wie uns der Zufall bei Somanätha eine Anzahl von für
die Laute bestimmten Kompositionen erhalten hat, der Zufall
uns nicht auch gelegentlich Melodien in die Hand spielen könnte,
nach denen die Gedichte des Jayadeva auch einmal gesungen
worden wären. In solchen Melodien hätten wir dann ein
Beispiel, zuföUig vor delen anderen, ebenso berechtigten Mög-
lichkeiten ans Licht gekommen, zu erblicken. Aber, wie Jones,
„die* Melodien^) zu suchen oder gar zu glauben, „die' Melodien
gefunden zu haben, bedeutet eine Yerkennung dessen, was die
indische Musikpraxis leistete und zu leisten hatte. Jayadeva
war ein Dichter und wahrscheinlich ein Kenner der Musik-
theorie, aber kein ausübender Künstler. Darüber schweigt
sowohl sein Werk selbst als auch die Tradition, die sich ja
sonst ausführlich genug mit seiner Person und jedem einzelnen
seiner Vorzüge beschäftigt.*) Er dichtete seine prabandhas')
und bestimmte für einen jeden derselben, je nach dem darin
vorherrschenden rasa und je in Übereinstimmung mit der
Situation, den dazu gehörigen r^ga und in Entsprechung mit
diesem den täla. Damit war seine Aufgabe erfüllt. Den
Musikern blieb dann zugleich mit dem Vortrag auch die Kom-
position seiner Gedichte überlassen. Beides mag, wenn auch
durch den jedesmal vorgeschriebenen räga gewisse Grenzen
^) Jones, 1. c. S. 84: ,the original mnsic*.
2) Pisctel, 1. c. S. 19. 23.
') Nach einem Original in irgend einer Volkssprache, wie Pischel,
1. c. S. 22, wohl mit Recht meint. Darauf weisen auch die teilweise
dialektisch gefärbten räga-Namen hin. In Bezug auf die Strophenanzahl
des 1., 2. und 10. prabandha sei hier zugleich darauf aufmerksam gemacht,
dass sich im Adi Granth, der ja auch ein von Jayadeva verfasstes Gedicht
enthält (E. Trumpp, Die ältesten HinduT-Gedichte, Sitzungsber. der K.
B. Akad. d. Wiss. 1879, S. 8), zahlreiche, astapadi genannte prabandhas
finden, die durchaus nicht notwendig gerade 8 Strophen zu enthalten
brauchen, sondern deren ebenso oft weniger als mehr aufweisen. Siehe
The Adi Granth translated by E. Trumpp, London 1877, S. 74, Anm. 3,
S. 75 ff., Einl. S. 132.
Die Notationen des Somanätha. 469
eiozulialten waren, doch je nach der Individualität des Künstlers
verschieden genug ausgefallen sein.^) Indien kennt, was schon
oben auch nur angedeutet werden konnte, in gewisser Hin-
sicht eben nur schaffende, produktive Künstler und nicht das,
was wir in unserem Sinne reproduzierende Künstler nennen.
Und so erregt es nur das aufrichtigste Bedauern über so viel
vergeblich aufgewandte Mühe, wenn wir Jones selbst erzählen
hören, ^) wie er auf der Suche nach der Originalmusik zum
Gitagovinda von den klugen Brahmanen, die es doch eigent-
lich besser wussten oder jedenfalls besser hätten wissen können,
im Süden zu den Brahmanen im Westen, von diesen zu den
Brahmanen von Nepal und Kasmir, von diesen wieder zu den
Brahmanen im Süden als zu der angeblich einzig möglichen
Quelle der Erkenntnis gewiesen wird, und ihn, den verdienst-
vollen Forscher, so auf der Jagd nach etwas sehen, was es nie
gegeben hat und der Natur der Sache nach nicht geben kann.
^) Deutlich genug spricht in dieser Hinsicht die Bemerkung Soma-
nätha« (V, 40, 103) zu uns: santy aparä^i (anyäni) rüpä^i!
^ Jones, 1. 0. S. 84.
Inhalt
Sitzungen der philosojihisvh- fjhihlogischen und der historischen Klasse
vom 3. Mai, 13. Juni, 4. Juli liK)3 257. 201. 2b;
^ • G. (Joetz, l*ii]Ma.s und sf ine Quollen
E. Pct/et: Ut'b»»r «la^ Hi'idelberf^er Briirhstück des Jüngeren Titurel
(mit 2 TiitVln)
'h\
i(
2^
J. Frieilrich: Die siinlicensisohen Aktenstücke der Sammluni? -les
TheoilosiiiM Diaconus . . . . . . . • '-^
K. K riimbaclier: Das mittelgriecbische Fischbuch (mit 1 Tafel' f^-
W. Christ: Die überli<^f«'rte Auswabl theokritischer Gedichte '^'"^
A. Furt Wandler, Der Ostgiebel des olympischen Zeu'^tenipeis • ^-^
A. Furt wäncjler. Zu den fSkulpturen des Asklepiostemi^ls ^'^'''
Epidanros (mit 2 Tafeln) '^■''*
R. Simon: Die Notati«>nen des Somanätha (mit 2 Tafeln) . • ^'
Die Abhandlungen sind auch in Separatabzügen hergestellt c:
erscheinen einzeln unter den Publikationen des akademischen \tt^'
in Kommission der Franz'schen Verlagshandlung (J. Roth).
Akadeniiache Buchdruckerei von F. Straub in MQocheo.
Sitzungsberichte
COLLEüf
der .'>'^- -"-1,/
. JUN 841904
philosophisch -philolöl^$jBhe»!^
und der
historischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu jyCünchen.
1903. Heft IV.
Mflnchen
Verlag der E. Akademie
1904.
In KommissioD des G. Franz'schen Verlags (J. Roth).
'^^^ JUN 241904!''
Sitzungsberichtö\£: wsr.dge, mk^^
der
Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften.
Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsrats
Oeorg Ludwig von Maurer.
Von K. Th. Ton Heigrel.
(Vorgetragen in der historischen Klasse am 7. März 1903.)
Durch eine letztwillige Verfügung unseres verewigten
Kollegen Konrad von Maurer wurde ich zur VeröflFentlichung
der handschriftlichen Memoiren seines Vaters, so weit sie sich
auf die griechische Episode beziehen — andere Teile be-
liaodeln Maurers Verhältnis zu Lola Montez und andere Vor-
gänge in Bayern, — ermächtigt. Es liess sich jedoch, obwohl
ich an viele Türen pochte, kein Verleger bereitwillig finden.
Ich war darüber, offen gestanden, nicht ungehalten, denn nach
meiner Ansicht empfiehlt es sich noch nicht, das Ganze zu
veröffentlichen, sind doch mehrere Persönlichkeiten, von denen
in den Memoiren nicht gerade in glimpflicher Weise die Rede
ist, heute noch am Leben. Die Handschrift soll nunmehr nach
Beschluss der Familie der E. Hof- und Staatsbibliothek über-
lassen werden, jedoch mit dem Vorbehalt, dass sie erst nach
Ablauf eines bestimmten Zeitraumes der Benützung zugänglich
gemacht werden darf. Nur ein kurzer Bericht über Inhalt
und Bedeutung der Denkwürdigkeiten sei der historischen Klasse,
welche den Verfasser 43 Jahre lang zu ihren eifrigsten Mit-
gliedern gezählt hat, erstattet.
IMS. SlUgab. d. pbfloa..philoL n. d. hist KL 32
472 K. Th, r. Heigel
Georg Ludwig von Maurer, der Sohn eines reformierten
Pfarrers, ist geboren ara 2. November 1790 in Erpolzheim bei
Dürkheim. Nach Beendigung des juristischen Studiums in
Heidelberg ging er nach Paris. Er war, wie er selbst seinem
Freunde und Kollegen Brinz, dem Verfasser des trefflichen
Artikels in der Allgemeinen deutschen Biographie,^) erzählte,
gerade in die Schätze der Bibliothek des Eassationsgerichts-
hofes vertieft, als die Verbündeten auf dem Montmartre ihre
Kanonen lösten. Nach der Heimkehr trat er in den bayerischen
Staatsdienst, wurde 1816 Substitut des Generalprokurators in
Zweibrücken, 1818 Appellations- und Revisionsrat. Obwohl
mit Berufsgeschäften überhäuft, versuchte er die Lösung einer
1821 von der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften
gestellten Preisaufgabe: Wie war nach der altdeutschen und
altbayerischen Rechtspflege das öffentliche Gerichtsverfahren
sowohl in bürgerlichen als peinlichen Rechtsvorfallenheiten
beschaffen? Maurers Bearbeitung wurde mit dem ersten Preise
gekrönt. Die 1824 erschienene, heute freilich veraltete, für
ihre Zeit epochemachende „Geschichte des altgermanischen und
namentlich altbayerischen öffentlich - mündlichen Verfahrens*
lenkte die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf den jungen pfal-
zischen Staatsprokurator, und so erhielt er schon 1826 einen
Ruf auf den Lehrstuhl für deutsches Privatrecht und deutsche
Rechtsgeschichte an der von Landshut nach München verlegten
Ludwig-Maximilians-Universität. Als ihn drei Jahre später
der Begründer der neueren Reichs- und Rechtsgeschichte, Karl
Georg Friedrich Eichhorn, zu seinem Nachfolger an der Georgia
Augusta vorschlug, ernannte ihn König Ludwig L, um ihn für
Bayern zu erhalten, zum Staatsrat im ordentlichen Dienste.
Damit trat Maurer in eine Periode staatsmännischer Wirksam-
keit, die ihn jedoch von wissenschaftlicher Arbeit niemals gänz-
lich abzog. Als die Londoner Konferenz im Mai 1832 den
Beschluss fasste, dem Zweitältesten Sohne König Ludwigs, Otto,
4 Allj^em. d. Biographie, 20. Bd,, 699. Im Wesentlichen Wieder-
abdruck des Nekrologs in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Jahr-
gang 1872, Nr. 180.
Denkwürdigkeiten des hayer, Staatsrats G, L. v, Maurer, 473
die Krone des neu zu bildenden griechischen Staates zuzu-
wenden, wurde festgesetzt, dass während der Minderjährigkeit
des Prinzen eine aus bayerischen Beamten gebildete Kegent-
schaft den Staat verwalten sollte. König Ludwig, dem die
Wahl überlassen war, berief den ehemaligen Minister Josef
Ludwig Grafen von Armannsperg, der auf dem Gebiet der
Staatsfinanzen als Autorität galt, den Generalmajor Karl Wil-
helm von Hejdeck, der am griechischen Befreiungskampf teil-
genommen und dabei Beschaffenheit und Bedürfhisse des Heeres
kennen gelernt hatte, und unseren M., dem insbesondere die
Neuordnimg der Rechtsverhältnisse anvertraut sein sollte. Am
6. Februar 1833 hielt Otto, seit den mythischen Zeiten des
Deukalion der erste König Gesamtgriechenlands, in Nauplia
festlichen Einzug; die Szene ist von Meister Peter Hess im Bild
verewigt worden. Stürmischer Jubel empfing den Jüngling
und seine Begleiter, doch schon bald trat zu Tage, dass der
Spott einer Flugschrift, welche die Lage der neuen Monarchie
mit Lazarus verglich, dem die europäischen Mächte gebieterisch
zuriefen: «Hebe dich auf! nimm dein Bett und geh!*^ nicht
unbegründet war. Es war keine leichte Aufgabe, aus ver-
schiedenartigen, durch den verzweifelten Befreiungskampf ver-
wilderten Yolkselementen einen Staat zu bilden und die Wüstenei
von Arta bis Volo in Kulturland umzuwandeln. Längst ist
denn auch der Spott über die , neuen dreissig Tyrannen ** ver-
stummt, und es wird auch in Griechenland bereitwillig aner-
kannt, wie viel Gutes in jenen Jahren für Ordnung und Hebung
des jungen Reiches gewirkt wurde. Leider wurde aber diese
schöpferische Kulturarbeit durch die Umtriebe der Diplomatie
der Grossmächte und die damit zusammenhängenden Zwistig-
keiten im Schosse der Regentschaft gestört. Gegen Armann-
^perg, der sich der russischen Partei angeschlossen hatte,
erhoben Maurer und Karl Abel, der Kabinettssekretär des
Königs, die Beschuldigung, dass er selbstsüchtige Politik treibe
und die Diktatur anstrebe, während Armannsperg die Kollegen
als Vertreter ultraliberaler Grundsätze, sich selbst als den
einzig getreuen Anwalt des monarchischen Prinzips hinzustellen
32*
474 K. Th, V. Heigel
suchte. Beide Teile appellierten an König Ludwigs Entscheidung.
Da der Kurier Armannspergs früher nach Schloss Berg ge-
langte, als der von Maurer entsandte Vertrauensmann, ^) glaubte
der König den vom englischen Kabinett unterstützten Vor-
stellungen des Grafen; im Juli 1834 wurden Maurer und Abel
abberufen und durch die Staatsräte Kobell und Grüner ersetzt.
Anstatt den Griechen ein Lykurg oder Solon zu werden,
sollte Maurer fortan im Appellgericht der Oberpfalz sitzen,
doch lehnte er, auf seine Vorbehalte bei Übernahme der grie-
chischen Mission sich stützend, den Amberger Posten ab, blieb
als Mitglied des Staatsrats in München und verwendete die
Müsse zu schriftstellerischer Arbeit. 1834 erschien aus seiner
Feder ein dreibändiges Werk «Das griechische Volk in öffent-
licher, kirchlicher und privatrechtlicher Beziehung vor und
nach dem Freiheitskampfe bis zum 31. Juli 1834*. Die Ab-
sicht des Verfassers ging in erster Reihe dahin, durch Recht-
fertigung seiner eigenen Tätigkeit in Griechenland dem Urteil
der Mit- und Nachwelt an die Hand zu gehen, doch begnügte
er sich glücklicher Weise damit nicht, sondern gab auf Grund
der in Griechenland gesammelten Erfahrungen eine Geschichte
des Befreiungskampfes und der Gründung des neuen Hellenen-
staates und im Anschluss daran eine Charakteristik der Schöpf-
ungen und Pläne des Regentschaftsrates im Allgemeinen und
der einzelnen Mitglieder im Besonderen. Wertvoll sind nament-
lich die Erörterungen über das bürgerliche Recht der Griechen.
Auf Anregung Maurers war von gebildeten Griechen aus ver-
schiedenen Landesteilen aufgezeichnet worden, was ihnen als
geltendes Recht bekannt war; Maurer selbst hatte in dieser
Richtung insbesondere in der Maina nachgeforscht; auch Ge-
richte und Demogeronten waren in zweifelhaften Fällen zur
Beantwortung von Fragen aufgefordert worden. Auf Grund-
lage des auf solche Weise gewonnenen Materials wollte Maurer
ein neues bürgerliches Gesetzbuch für Griechenland schaffen.
0 Dieser Ansicht wird in einem Briefe Abels an Heydeck vom
18. Oktober 1834 Ausdruck gegeben.
Denhoürdigkeiten des bayer. Staatsrats G. L. v, Maurer. 475
was aber durch die unerwartete Abberufung vereitelt wurde.
Maurer spricht darüber in einem Briefe an den Griechen
Karatzas, der ihm 1871 ein juristisches Werk gewidmet hatte.^)
«Wenn im Allgemeinen jede Widmung eine angenehme Hul-
digung ist, so muss die Ihrige, die aus Griechenland kommt,
mir doppelt angenehm sein, weil auch ich im Geist mit Griechen-
land lebe und an Allem, was in diesem schönen Lande vor-
geht, innigsten Anteil nehme. Ich freue mich deshalb, dass
man auch dort fortwährend meiner gedenkt. Ja, ich habe viel
für Griechenland getan, wurde aber verhindert, mehr zu tun,
insbesondere den bürgerlichen Kodex zu verabfassen, wie ich
beabsichtigte. . . .* Der Brief wurde in der griechischen Zeitung
Eklektike vom 16. März 1871 veröffentlicht mit einem Begleit-
wort von Karatzas: «Unter den Griechenfreunden sind es unseres
Erachtens drei, welche die erste Stelle in der Dankbarkeit aller
Griechen einzunehmen haben: der erste Platz gebührt dem
grossen George Ganning, der zweite dem König Ludwig von
Bayern, der dritte dem Verfasser unserer Gesetzgebung, Herrn
Maurer, dem geachtetsten von den drei Mitgliedern der Regent-
schaft unter König Otto. Diesen selbst lassen wir als Griechen-
freund beiseite, weil er mit Leib und Seele Grieche war, der
Kekrops der neuen Ära des griechischen Volkes*^. . . . Zur
Vollendung gediehen dagegen das von Maurer verfasste Straf-
gesetzbuch, das am 1. Mai 1834 veröffentlicht wurde, sowie die
ebenfalls von ihm stammenden Gesetze auf den Gebieten des
Kriminal- und Zivilprozesses. Auch an der Organisation der
Gerichte, der Schulgesetzgebung und der Neuordnung des
Klosterwesens hatte er hervorragenden Anteil.
«Abel ist über die griechische Sache ganz degoutiert'',
schrieb Maurer nach seiner Abberufung an Heydeck, «und nach
seiner bekannten Manier will er gar nichts mehr davon wissen.
Nun muss ich ja auch gestehen, dass, wenn man an öffent-
^) Die von mir benützten Briefe stammen grösstenteils aus dem
Nachlass des Generals v. Heydeck; einige wurden mir vor 34 Jahren,
als ich an der Biographie Ludwigs I. arbeitete, von Staatsrat v. Maurer
selbst zur Yerfagung gestellt.
476 K, Th, V. Heigel
liehen Geschäften Ekel bekommen könnte, dazu die griechischen
Angelegenheiten sehr geeignet erscheinen. Dennoch verliere
ich nicht den Mut und hoffe immer noch auf Rettung unseres
trefflichen jungen Königs, wiewohl sich hier sehr schlimme
Nachrichten über die Lage Griechenlands verbreitet haben und
grossen Stürmen daselbst, wie die Griechen sagen, entgegen-
zusehen ist. Ob diese Furcht gegründet ist, kann ich nicht
beurteilen, da ich keine Nachrichten mehr aus Griechenland
erhalte und die Allgemeine Zeitung nur Lob, aber keinen Tadel
und keine Klage mehr aufnehmen darf. . . . Seyen Sie also
doch so gut und schreiben Sie mir recht bald, denn ich habe
eine ganz andere Natur, wie unser Freund Abel, der gar nichts
mehr von Griechenland wissen will. Ich nehme mehr als je
Anteil an dem mir lieb gewordenen griechischen Volke und
dessen mir noch lieber gewordenem jungen König. Und je
üblere Nachrichten ich vernehme, desto mehr wächst mein
Anteil, weil ich stets glaube, dass nur einige dumme Streiche
diesen unglückseligen Stand der Dinge herbeigeführt haben.'
In den Briefen an die in Griechenland zurückgebliebenen
Freunde ist zwischen den Zeilen zu lesen, dass Maurer seine
Rolle in Griechenland noch nicht für ausgespielt ansah und
dass er in sich selbst den Arzt erblickte, der imstande wäre,
den jungen Staat gesund zu machen. Noch war aber Armann-
spergs Einfluss in Athen allzu mächtig, und König Ludwig
verkehrte zwar mit Maurer in gnädiger Weise, liess ihm aber
durch Herrn v. Giese eröffnen, dass das Gespräch niemals auf
griechische Angelegenheiten gelenkt werden dürfe.
1839 gab Maurer das im Jahre 1328 von einem Für-
sprech Ruprecht bearbeitete Rechtsbuch für die Stadt Frei-
sing und das angeblich ebenfalls von Ruprecht herrührende
Landrechtsbuch für das Freisinger Land heraus. Auch die
wichtigsten Vorarbeiten für die rechtsgeschichtlichen Werke der
fünfziger und sechziger Jahre fallen in diese Zeit. Plötzlich
wurde er jedoch wieder auf das Feld politischer Tätigkeit gerufen.
Als unter dem Ministerium Abel die Klagen über Beein-
trächtigung der Rechte der evangelischen Kirche, über eng-
Denkwürdigheüen des hayer. Staatsrats G. L. v. Maurer, 477
herzige Beyormundung der wissenscbaftlichen Tätigkeit und
einseitige Bevorzugung der altbayerisch-katholischen Faktion
sich häuften, konnte es nicht ausbleiben, dass Maurer als Pro-
testant, als Pfalzer und als Mann der Wissenschaft in eine
frondierende Stellung gegen den ehemaligen Kollegen geriet.
Wiederholt nahm er im Reichsrat Gelegenheit, gegen die kirch-
lich-politische Reaktion und die ministeriellen Übergriffe seine
Stimme zu erheben. Als König Ludwig selbst seit den ärger-
lichen YorßLllen nach dem Tode seiner Stiefmutter, der prote-
stantischen Königin Karoline, gegen die herrschende Richtung
Misstrauen fasste, besprach er sich wiederholt mit Maurer
über die Notwendigkeit eines Systemwechsels. Der Bruch mit
Abel lag also sozusagen schon in der Luft, und es war durch-
aus nicht bloss dem Einfluss der ob der feindseligen Haltung
der ministeriellen Partei grollenden Lola Montez zuzuschreiben,
dass im Februar 1847 das Ministerium Abel aufgelöst wurde.
In den neuen Kronrat wurde mit Zu Rhein, Zenetti und Hohen-
hausen auch Maurer berufen, der ebenso wie Zu Rhein eine
Erklärung abgab, « entschiedener Gegner jeden hierarchischen
Übergriffes'* zu sein. Ausserhalb Bayerns wurde das «Mini-
sterium der Morgenröte* von den Gegnern der Reaktion mit
Genugtuung begrüsst, im eigenen Lande aber wurde es, weil
der politische Umschwung nur auf Rechnung der Spanierin
zu kommen schien, von Yorneherein von Vielen mit Misstrauen
betrachtet; dass dem Systemwechsel in Wirklichkeit politische
Erwägungen des Königs zu Grunde lagen, entzog sich der
aligemeinen Kenntnis ebenso, wie die Bemühungen der neuen
Minister, den Monarchen von der Ursache des offen tUchen
Ärgernisses abzuziehen. Die Tatsache, dass sich Maurer zur
Gegenzeichnung der Standeserhöhung der Tänzerin herbeiliess,
wird Ton Brinz wohl mit Recht auf den schon für manchen
Staatsmann verhängnisvollen hrtum zurückgeführt, dass man,
um dem guten Prinzip zum Siege zu verhelfen, auch einen
nicht einwandfreien Bundesgenossen nicht verschmähen dürfe.
Auch war die Gunst des Königs nicht von langer Dauer. Als
€s den Ministem nicht gelang, den nur zur Genehmigung der
478 K. Th, V. Heigel
Erhöhung des gesetzlichen Zinsfusses für Eisenbahnaktien ein-
berufenen Landtag nach dem Wunsche des Königs auf den
Standpunkt eines einfachen Postulatenlandtags zurückzudrängen,
und als Maurer und Zu Rhein Miene machten, in den liberalen
Elementen der Ständeversammlung eine Stütze zu suchen, wurden
sie schon im Dezember 1847 wieder entlassen. Ausschlaggebend
für den Entschluss des Königs war die Weigerung der Minister,
der Gräfin Landsfeld ihre Aufwartung zu machen. Ja, als
immer neue Streiche der Ounstdame den Münchnern Ärgernis
gaben, wagte Maurer in Gegenwart des Königs die Äusserung,
er werde die Frau Gräfin, wenn sie ihr Treiben nicht aufgebe,
in die Frohnveste abführen lassen, worauf der König sich auf
die Erwiderung beschränkte: „Ja, wozu wäre denn ich da?'
Das freimütige Wort beweist zur Genüge, dass Maurers Be-
ziehungen zu Lola Montez durchaus nicht so geartet waren, wie
es seine „moralisch entrüsteten '^ Gegner damals hinstellten.
Die in geschichtlichen Darstellungen des leidigen Skandals
immer wieder auftauchende Angabe, dass die 1847 erschienene
Schrift „Lola Montez und die Jesuiten^, eine freche Apologie
der Tänzerin, aus Maurers Feder stamme, ist eine Lüge. Ich
glaube den Manen eines Ehrenmannes die Mitteilung zu schulden,
dass mir Maurer selbst auf Ehrenwort versicherte, weder an
Abfassung, noch an Herausgabe der fraglichen Schrift Anteil
gehabt zu haben.
Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Staatsdienst widmete
sich Maurer wieder wissenschaftlichen Studien. Von seinen
Arbeiten sei nur eine erwähnt, ein auf die gesamte deutsche
Markenverfassung und das gemeindliche Leben in Hof-, Dorf-
und Stadt Verfassung sich erstreckendes zwölfbändiges Werk,
das in den Jahren 1854 bis 1871 erschienen ist. Die Ge-
schichte der öffentlichen Gewalt in Deutschland sollte den
Schluss bilden, doch wurde die Vollendung durch das Ableben
des Verfassers vereitelt. „Man wird getrost aussprechen können*
— so urteilt ein von Brinz angeführter, leider nicht genannter
„sachverständiger und unparteiischer Jurist* — „dass das Erst-
lingswerk Maurers, wenn auch durch spätere Arbeiten vielfach
Denkwürdigkeiten des bayer, Staatirats G. L. v. Maurer, 479
überholt und antiquiert, zu den grundlegenden Arbeiten der
deutschen Rechtsgeschichte gehört, und dass das Schlusswerk,
wenn auch im Einzelnen vielfacher Berichtigung bedürftig und
vielleicht auch in der Grundanlage einseitig gehalten, doch
noch immer als eine unerschöpfke Fundgrube reichen Stoffes
nicht nur, sondern auch selbständiger und fruchtbringender
Ideen vor uns liegt.*
Mit der Wiederkehr zur gelehrten Forschung hatte Maurer
keineswegs das Interesse an der Politik verloren; insbesondere
die Entwicklung des hellenischen Staates verfolgte er mit warmer
Teilnahme. König Maximilian II. zog den Freund und Kenner
Griechenlands in eyischlägigen Fragen gern zu Rate. Als es
sich im Jahre 1858 darum handelte, dem für den griechischen
Thron bestimmten jüngeren Bruder des Königs, Prinz Adalbert,
bei der ersten Reise nach Griechenland einen welterfahrenen
Begleiter mitzugeben, wurde Maurer dazu ausersehen. Es war
für ihn eine tröstliche Genugtuung, dass er auf dem alten
Schauplatz seiner Wirksamkeit mit hohen Ehren aufgenommen
und von den Griechen als ihr „erster Gesetzgeber* dankbar
gefeiert wurde. Um so schmerzlicher musste ihn wenige Jahre
später (1862) der Zusammensturz der Schöpfung von 1832
berühren. Als die ün glücksbotschaft in München eingetroffen
war, liess König Ludwig seinen alten Diener wieder zu sich
rufen. Maurer wurde — er selbst hat mir die Episode er-
zählt^) — zur Tafel geladen mit dem Beifügen, er möge schon
eine halbe Stunde vor Tischzeit sich einfinden. Sobald er in
das Gemach eingetreten war, fuhr der König auf ihn los und
ergoss sich, indem er einen Knopf am Frack seines Gastes
hin- und herzerrte, in einer Flut von Vorwürfen gegen diesen
und jenen, aber auch von bittersten Selbstanklagen. Als Maurer
etwas Tröstliches sagen wollte, liess der König den Knopf los
und eilte wehklagend im Zimmer umher; dann kehrte er wieder
zu seinem Gast zurück und begann mit neuen Vorwürfen. Das
*) Ich gebe die Erzählung wieder, wie sie schon in meiner Biographie
König Ludwigs I. 8. 362 mitgeteilt ist.
480 K. Th. V. Heigel
Spiel wiederholte sich noch ein paarmal, bis zur Tafel gerufen
wurde. Während der König sonst bei Tisch froh gelaunt die
Unterhaltung beherrschte und allerlei Spässe und Schwanke
zum Besten gab, sass er diesmal ganz still und schweigsam.
Plötzlich sprang er auf und wollte sich entfernen. Da sich
ihm aber ein Diener näherte und mit verlegener Miene heraus-
stotterte, es sei ja noch gar nicht der Braten serviert, musste
der König trotz aller Niedergeschlagenheit lachen, setzte sich
wieder und gewann allmählich seine heitere Gelassenheit.
Maurer erlebte noch den Tod König Ludwigs, der von
ihm so bitter beurteilt und trotzdem mit einer ganz persön-
lichen Treue geliebt und verehrt wurde. Höfisches Wesen
blieb dem echten PfUlzer sein Leben lang fremd. Auch im
Verkehr mit Seinesgleichen hielt er an rücksichtsloser Offenheit
fest, wodurch freilich die Zahl seiner Freunde nicht gerade
vermehrt wurde. Es war ein Geist der Freiheit, der in Maurers
reizender Behausung in der Gartenstrasse lebte, ein Geist echt
wissenschaftlichen Strebens und nicht minder lebendiger Teil-
nahme an Allem, was die Welt bewegte. Eine stattliche, hohe
Gestalt mit hoch gewölbter Stirn, hellen, scharf blickenden
Augen, vollem, weissem Haupthaar, um den Mund einen spöt-
tischen Zug, trotz seiner siebzig Jahre ein Bild der Kraft und
Gesundheit, so steht er mir noch vor Augen. Wenige Wochen
vor seinem Tode entschloss er sich zum erstenmal seit 40 Jahren,
von einer ßeichsratssitzung wegzubleiben. Er verschied ohne
schweren Todeskampf am 9. Mai 1872. —
Die von ihm hinterlassenen Aufzeichnungen über seine
Beziehungen zu Griechenland zerfallen in drei Teile. Der
erste, dem die Erklärung vorangesetzt ist: „Ich wünsche, dass
dieser Nachtrag zu meinem Buche »Das griechische Volk etc.*
nach meinem Tode nebst den Beilagen gedruckt werden möge.
V. Maurer* enthält die Geschichte der Regentschaft von 1832
bis 1834; der zweite erzählt von Maurers zweiter Sendung nach
Griechenland im Jahre 1858; der dritte behandelt das Ende
der bayerischen Dynastie in Griechenland.
Der erzählende Text ist nicht besonders umfangreich; da-
Denkwürdigkeiten du hayer. Staatarats G, L, v. Maurer, 481
gegen liegen als Belege zahlreiche und teilweise umfangreiche
Aktenstücke bei, Dekrete, Instruktionen und andere diploma-
tische Urkunden, auch Privatbriefe, Zeitungsausschnitte u. s. w.
Einzelne von diesen Beilagen werden für die Geschichte yiel-
leicht wertvoller sein, als der Text.
In der Einleitung zum ersten Teil «Die Witteisbacher in
Griechenland'* erklärt der Verfasser, er habe in seinem Werke
über das griechische Volk Vieles, zumal das Skandalöse, nur
leise berührt, teils weil er selbst, um nicht Ärgernis zu geben,
nur das zur eigenen Verteidigung Notwendigste anführen, teils
weil er sein Pulver nicht vor der Zeit verschiessen wollte; er
habe ja doch erwarten müssen, dass der so heftig angegriffene
Kollege eine Abwehr versuchen werde. Da aber Armannsperg
geschwiegen habe, sei kein Anlass mehr geboten, auf die an-
stössigen Vorgänge zurückzukommen. „Sanft ruhe daher seine
Asche, insofern ein Mann zur ewigen Ruhe gelangen kann, auf
dem die schwere Schuld lastet, durch sein Benehmen in Griechen-
land den Hass gegen die Fremden und durch seine Mitteilungen
an England den Hass gegen den König Otto selbst hervor-
gerufen und dadurch vielleicht den Grund zum Untergang der
Dynastie der Wittelsbacber in Griechenland gelegt zu haben. **
Da aber der Verfasser des Glaubens ist, dass er der bisher
schlecht unterrichteten Nachwelt zwei Dinge schuldig sei, die
wahre Geschichte der Berufung, sowie der Auflösung der grie-
chischen Regentschaft, will er das Nötigste kui-z erzählen und
die aktenmässigen Belege zu seinem Bericht an die Hand geben.
Doch trotz der bündigen Versicherung, dass es ihm fem
liege, den alten Streit mit seinem Gegner wieder aufzurühren,
liest sich das Ganze wie eine fortgesetzte Anklage gegen
Armannsperg. Durch diesen Ränkeschmied soll König Otto
systematisch zu würdevollem Nichtstun verführt und König
Ludwig über die wahren Freunde und Förderer der griechischen
Sache getäuscht worden sein. Sehr umständlich werden die
Vorbereitungen zur Bildung der Regentschaft, die widerwär-
tigen Streitigkeiten über Rang, Gehalt, Kompetenz etc. der
einzelnen Mitglieder dargelegt. Man gewinnt beim Lesen den
482 K. Tk. V. Heigel
Eindruck, dass die Eifersucht und die Unverträglichkeit der zur
Leitung Griechenlands berufenen bayerischen Beamten von vorne-
herein das Ansehen der neuen Dynastie schädigten. Schon
während der Überfahrt an Bord des „Madagaskar*^ kam es
zwischen Armannsperg und Maurer zu Zwistigkeiten. Nach
Maurers tendenziöser Darstellung träfe alle Schuld den herrsch-
süchtigen ,, Herrn Orafen*', der den obskuren Emporkömmling
nicht als gleichberechtigt dulden wollte. Ohne Zweifel verteilt
sich die Schuld auf beide Seiten. Denn auch Maurer besass, wie
es gerade bei Persönlichkeiten von staatsmännischer Begabung
nicht selten anzutreffen ist, stark ausgeprägten Eigenwillen;
er war empfindlich in Bezug auf Anerkennung seiner Ver-
dienste und nicht frei von Härte in Beurteilung Anderer. So
erklären sich die überraschend bitteren Ausfalle gegen viele
Persönlichkeiten, mit denen er als Mitglied der Regentschaft
in Berührung trat, und die prickelnden Scherze, die er über
Auftreten und Verhalten der Bayern in Griechenland zum
Besten gibt. An König Ludwig wird gerügt, dass er jederzeit
Vergnügen daran fand, den einen von seinen Dienern gegen
den andern auszuspielen und alle unter einander zu verhetzen.
Für König Otto verrät der Verfasser warme Neigung, womit
freilich die offene Geringschätzung der Begabung des hohen
königlichen Herrn schwer vereinbar ist. Höheres Interesse bietet
die Darstellung der Streitigkeiten mit dem englischen Gesandten
Dawkins und anderen Vertretern der Londoner Vertragsmächte;
das Hauptsächliche ist freilich schon aus Maurers Buch bekannt.
In der Verfassungsfrage musste die Regentschaft nach Maurers
Versicherung von vorneherein in eine falsche Stellung geraten,
weil sich die bayerische Regierung eine unverzeihliche Täuschung
erlaubte. Die von König Ludwig den Regenten mitgegebene,
am 23. Juli 1832 unterzeichnete Instruktion enthält die Be-
stimmung: „Da es der Regierung des Königreichs Griechenland
ohnehin nach dem Begriff einer Regentschaft nicht zustehen
kann, während der Minderjährigkeit des Königs dem König-
reiche eine Verfassung zu erteilen, so wird sie sich hauptsäch-
lich damit zu beschäftigen haben, dass die Rechte des Königs
DenkwürdigkeUen des hayer, StcuUnrata O. L, v, Maurer» 483
gewahrt und Ihm keines derselben vergeben werde/ Die
Regenten mussten sogar vor der Abreise dem König die eid-
liche Versicherung geben, dass sie sich auf konstitutionelle
Experimente nicht einlassen würden. Um so peinlicher wirkte
eine Überraschung, die ihnen nach der Ankunft in Nauplia zu
teil wurde. »Hier präsentierte sich die griechische Regierung,
welche wir vorfanden, mit einem Originalschreiben des Frei-
herm v. Giese vom 31. Juli 1832 und begehrte von uns die
von dem König von Bayern versprochene Berufung der National-
versammlung zum Zweck der Abfassung einer Konstitution.
Man bemerke, dass unsere Instruktion vom 23. Juli, das Schreiben
Gieses aber vom 31. Juli datiert ist. Und da wir natürlich
von diesem in direktem Widerspruch mit unsrer Instruktion
stehenden Schreiben Gieses nichts wussten, so kann man sich
unsere grosse Verlegenheit denken. Das Schreiben Gieses ist
in einem von dem griechischen Ministerium offiziell heraus-
gegebenen Werke wortgetreu abgedruckt, im Uecueil des traitäs,
actes et pi^ces concernans la fondation de la Royaut^ en Grece
(Nauplie, imprimerie Royale, 1833, pag. 62 und 63).*
Noch entschiedener als in seinem älteren Werke vertritt
Maurer in den Memoiren die Ansicht, dass die englische Diplo-
matie, um nicht eine neue Handelsmacht im Mittelmeergebiet
aufkommen zu lassen, absichtlich das ohnehin ohnmächtige
Staatswesen mit einem Netz von Intriguen umsponnen habe.
Ais es den Vorstellungen des bayerischen Ministerialrats v. Flad
in London endlich gelang, die Abberufung des hinterlistigen
englischen Gesandten Dawkins durchzusetzen, kam an dessen
Stelle Lord Lyons, ^um sodann für Griechenland und für Bayern
noch weit lästiger zu werden, als dieses selbst Dawkins ge-
wesen ist.**
Noch am 1. Mai 1834 schrieb König Ludwig, er sei vom
festen Vertrauen beseelt, dass besonders Maurer Alles tun werde,
lim den griechischen Thron zu befestigen. Durch die Vor-
stellungen Armannspergs wurde aber erreicht, dass sich der
König überraschend schnell zur Entfernung Maurers aus Griechen-
land entschloss. Am 31. Juli 1834 trafen Staatsrat v. Kobell
486 K. Th. V. Heigel
König selbst die Schriflstücke mit den Anträgen herausge-
nommen und nicht wieder zurückgegeben hatte. Zwar wurde
Maurer durch Königliches Signat vom 26. August 1835 «wegen
Herausgabe einer Schrift über Griechenland' von seinem Amte
als Staatsrat suspendiert. Als er aber geltend machte, dass die
Strafe der Entfernung aus dem Staatsratskollegium, das auch
richterliche Funktionen habe, nicht ohne vorausgegangene
Untersuchung verhängt werden könne, wurde die Suspension
wieder aufgehoben. Am 10. Oktober früh Morgens erhielt
Maurer ein Handschreiben des Inhalts, dass der König, wie
missvergnügt er auch über die Herausgabe des bewussten Buches
sein müsse, Gnade für Recht ergehen lassen wolle und das
Verbot der Teilnahme an den Staatsratssitzungen zurücknehme.
Gleichzeitig wurde Maurer eingeladen, noch am nämlichen Tage
der Enthüllung des Denkmals König Max Josephs beizuwohnen;
— deshalb war die Zustellung des Signats am frühesten Morgen
erfolgt. Maurer glaubte sich jedoch mit dieser Genugtuung
nicht begnügen zu dürfen und blieb der Feier fern.
Als im nächsten Jahre König Otto nach München kam,
erbat sich Maurer eine förmliche Anweisung, wie er sich seinem
früheren Landesherrn gegenüber zu verhalten hätte. Es wurde
ihm befohlen, nur gleichzeitig mit den übrigen Staatsräten seine
Aufwartung zu machen und sich jeder Besprechung über grie-
chische Verhältnisse zu enthalten. So geschah es auch. Abel
und Maurer waren auch die einzigen höheren Staatsbeamten,
die bei der Massenverteilung griechischer Orden leer ausgingen.
„Von dem Jahre 1833 bis 1839 befand ich mich daher in der
einzigen, gewiss noch niemals vorgekommenen Lage, einen
Orden selbst gestiftet zu haben, ihn aber dennoch nicht zu
besitzen. '^ Ein Umschwung erfolgte aber, als der bis dahin
allmächtige Staatskanzler Armannsperg hauptsächlich wegen
des Misserfolgs seiner Finanzpolitik entlassen wurde und auch
bei König Ludwig in Ungnade fiel. Bald darauf gelangte
an Maurer aus Athen das Grosskreuz des Erlöserordens,
nach Erklärung des Begleitschreibens in Anbetracht der Ver-
dienste, die sich das ehemalige Mitglied der Regentschaft durch
Denhoürdigkeiten des bayer, Staatsrats O, L, v, Maurer. 487
seine rege Teilnahme an den ßegierungsgeschäflen und ins-
besondere bei Abfassung der Gesetzbücher erworben habe.
Dagegen liess der Münchner Hof den gestürzten Armannsperg,
wie in den Memoiren nur allzu ausführlich geschildert wird,
in drastischer Weise fühlen, dass er das Vertrauen der beiden
Monarchen verloren habe. Max U., so erzählt Maurer, sei
einmal nahe daran gewesen, Armannsperg wieder auf einen
leitenden Posten zu berufen, doch habe er verlangt, dass der
Exkanzler vorher die im Buche ^Das griechische Volk* gegen
ihn erhobenen Anklagen widerlegen müsse. „Allein der Graf
wusste zu wohl, dass dieses nicht möglich sei, weil auch er
mich sehr gut kannte. Der Graf starb daher, ohne dieses Ziel
erreicht zu haben. Und ich will nichts tun, ihm die Erde, die
ihn bedeckt, weiter zu beschweren. Sanft ruhe daher seine Asche.
München aber ist nach wie vor der alte Ort. Erscheinungen
wie Armannsperg sind darum auch künftig noch möglich. Sie
werden sich sogar noch öfters wiederholen, solange wenigstens
die Geschichte von Bayern eine fortwährende Geschichte der
versäumten Gelegenheiten ist.**
Wenn Maurer, wie man sieht, nicht ohne Schadenfreude
die Demütigung seines Gegners mit ansehen durfte, wurde ihm
zwanzig Jahre später eine edlere Genugtuung zu teil.
Schon 1854 gaben die griechischen Majestäten, durch die
wachsende Verwirrung im Lande beunruhigt, dem Wunsche
Ausdruck, Maurer als bayerischen Gesandten in ihrer Umgebung
zu haben, , wiewohl sie mich fürchteten*. Im zweiten Teil der
Denkwürdigkeiten mit dem wunderlichen Titel: „Meine Sendung
nach Griechenland in den Jahren 1854 und 1858, im Jahre 1854
beabsichtigt, im Jahre 1858 aber ausgeführt **, wird über die
auf jene Berufung bezüglichen Verhandlungen mit Pfistermeister,
von der Pfordten und König Max ausführlich berichtet.^)
^) Der zweite Teil ist unmittelbar nach der Heimkehr nieder-
geschrieben. Der Schiusa lautet: ,Am 27. April (1858) feierten wir den
Geburtstag meines Heben Lottchens, am 28. den Namenstag meiner
Valerie und am 29. April den Geburtstag meines lieben Konrada. Wahr-
acheittlich landete Konrad an diesem seinem Geburtstage in Island» dem
IMft. SHigBb. d. phaoa.-phl]ol. n. d. hiiit. Kl. 33
488 K. Th. V. Heigel
Maurer stellte zur Bedingung, dass er zum erblichen Keichsrat
ernannt und mit einer stattlichen Dotation begabt werde.
Darauf ging die Regierung nicht ein, ^und der König, der
mich bisher für unentbehrlich in Oriechenland gehalten hatte,
hielt mich Yon nun an für entbehrlich und ernannte den Oberst
Feder in ausserordentlicher Mission/ Als jedoch für den
6. Februar 1858 das Jubiläum der 25 jährigen Regierung König
Ottos in Aussicht stand, ersah König Max trotz seiner Miss-
stimmung den „verdientesten Griechenfreund" zum Begleiter
des Prinzen Adalbert nach Athen. Der präsumtive Nachfolger
des kinderlosen Otto sollte gewissermassen dem griechischen
Volke vorgestellt werden, und nach Maurers Versicherung ent-
ledigte sich der Prinz dieser Aufgabe mit Klugheit und VJTürde.
Maurer bestand auch darauf, dass der Prinz dem Sultan seine
Aufwartung mache. Die Schilderung der Reise nach Konstan-
tinopel ist, um von der Erzählung wenigstens eine kleine Probe
zu bieten, im Anhang mitgeteilt.
Einsichtsvollere Politiker billigten den Besuch in Stambul,
während er von manchen stolzen Palikaren als ungebührliche
Demütigung des Hellenenthrones getadelt wurde. Im Allge-
meinen aber glich die griechische Reise des bayerischen Prinzen
und seines Begleiters einem Triumphzug. In den Denkwürdig-
keiten wird geschildert, wie häufig der ehemalige , Regent*
Gelegenheit hatte, sich zu überzeugen, dass seine Arbeit in
Griechenland eine glückliche Aussaat gewesen war. Die von ihm
ausgearbeitete Gerichtsorganisation, wie seine Gesetzgebung hatten
feste Wurzeln gefasst; auf vielen Gebieten des materiellen wie
des geistigen Lebens war erfreulicher Fortschritt zu beobachten.
Die von Maurer zwischen den Zuständen von 1833 und 1858
gezogene Parallele leidet kaum an Übertreibung. Interessant ist
auch, was Maurer über die Zukunft der orientalischen Frage
sagt, wenn er sich auch nicht gerade als Prophet bewährt hat.
Maurer lässt als seine Ansicht durchblicken, dass Königin
Lande seiner Sehnsucht. Möge er glücklich wiederkehren und stets
glücklich sein und aeine Valerie ihm Glück und Segen biingen. München,
den 29. April 1858. v. Maurer."
Denkwürdigkeiten des hayer. StcMtsrats O. L, v. Maurer. 489
Amalie unheilvolle Umtriebe angezettelt habe, um ihrem jüngeren
Bruder, dem Prinzen Ton Oldenburg, die griechische Thronfolge
zuzuwenden; sie selbst stellte solche Absicht, als Maurer im
Gespräch darauf anspielte, entschieden in Abrede. Schädlich
wirkte jedenfalls auch der Streit um die griechische Thron-
folge innerhalb der königlichen Familie, worüber Maurer ein-
gehende, freilich nicht ganz unbefangene Mitteilungen macht.
Der zweite Teil schliesst mit Aufführung der Ehren und Aus-
zeichnungen, die dem Verfasser aus Anlass der glücklich er-
ledigten Mission zu Teil wurden. Die grösste Freude bereitete
ihm ein Handschreiben König Ottos Yom 24. April 1858, das
in warmen Worten der , ebenso einsichtsvollen wie rastlosen
Bemühungen* Maurers um das Wohl Griechenlands gedachte.
«Mit Freude und gerechtem Stolze muss es Sie erfüllt haben,
zu sehen, wie die Gesetze, die Sie für Griechenland verfasst
haben, sich durch eine fast 25jährige Anwendung bewährt
haben und deren Anerkennung sich befestigt hat." «Dieses
Handschreiben*', sagt Maurer, „gereicht nicht nur mir, sondern
dem König Otto selbst zur grossen Ehre, denn nur ein edler
Monarch weiss in dieser gemütlichen und herzlichen Weise
geleistete Dienste zu ehren und für sie zu danken. '^
unmittelbar vor der Abreise von Athen hatte Maurer noch
eine Unterredung mit Königin Amalie. Er war nicht wenig
überrascht, als die hohe Frau mit aller Entschiedenheit der
Überzeugung Ausdruck gab, dass es in kurzer Zeit in Griechen-
land zum Aufstand kommen werde. Maurer suchte ihr vergeb-
lich diese Besorgnis auszureden.
Die Unruhen im September 1861, das Attentat auf die
Königin, der Aufstand in Athen im Oktober 1862, der Abfall
der Truppen, die Absetzung König Ottos lieferten den uner-
freulichen Beweis, dass die Königin schärfer gesehen hatte.
Maurer sah sich durch die unerwartete Wende genötigt, seinen
Aufzeichnungen noch einen dritten Teil zu geben: „Das Ende
der bayerischen Dynastie in Griechenland". Er sieht die Haupt-
ursachen des Zusammensturzes in der Unbeliebtheit der Königin
und in der auf ihre Umtriebe zurückzuführenden Unsicherheit
33*
490 K, Th. V, Heigel
in Bezug auf die Thronfolge; um die Sukzession bayerischer
Prinzen zu hintertreiben, sei die Königin sogar mit den in
russischem Sold stehenden Napisten in Einvernehmen getreten.
Maurer erzählt sodann, welche Anstrengungen von bayerischer
Seite zur Befestigung des griechischen Thrones in den Jahren 1859
bis 1862 gemacht wurden, und der Wert seines Berichts wird
erhöht durch Beifttgung wichtiger Aktenstücke, von welchen
er, vielfach von König Max zu Rat gezogen, Abschrift nehmen
konnte. Zur Katastrophe von 1862, meint er, wäre es wohl
kaum gekommen, wenn man den von ihm im März 1860 er-
teilten Kat, den Prinzen Adalbert mit einem englisch-franzö-
sischen Geschwader nach Athen ziehen und dort die Erbfolge
ein für allemal endgiltig regeln zu lassen, befolgt hätte. Da
gegen diesen Vorschlag nicht bloss „die kleine Katharina",
Königin Amalie, sondern auch König Otto, der nicht in , Aus-
trag ** geschoben sein wollte, Verwahrung einlegten, stand König
Max davon ab und Hess in Paris und London erklären, mit
der griechischen Expedition habe es keine Eile. , Damit war
aber der günstigste Moment zur Erhaltung der bayerischen
Dynastie in Griechenland versäumt." Nach der Vertreibung
Ottos wurde Maurer wiederholt von König Max zu gutacht-
lieber Äusserung aufgefordert, was zur Rettung des Werkes
Ludwigs I. noch geschehen könnte und welche Bedeutung dem
griechischen Staat für die europäische Politik und das baye-
rische Interesse zukomme. Aus den Antworten Maurers er-
hellt, dass er die Erwartung König Ottos, den verlorenen Thron
wieder zu gewinnen, nicht teilte. „Die Türkei", schrieb er
am 20. Januar 1863 an Pfistermeister, „ist immer noch ein
kranker Mann, der seit dem Kriege mit Russland und seit der
intimeren Verbindung Frankreichs mit Russland noch kranker
geworden ist, als zuvor, aber noch nicht krank genug ist, um
mit Tod abzugehen. Daher wird der kranke Mann noch immer
von England und Osterreich gehegt und gepflegt, bis dereinst
seine letzte Stunde schlagen wird. Wann dieser welthistorische
Moment eintreten wird, hängt nach der jetzigen Lage der Dinge
im Orient hauptsächlich von England ab. Denn England ist
Detikufürdigkeiten des hayer, Staatsrats G, L v. Maurer, 491
in diesem Augenblick im Orient der vorherrschende Staat.
Russland ist in diesem Augenblick im Orient ziemlich ohn-
mächtig. Ebenso, seit der verunglückten Expedition in Syrien,
Frankreich. Daher haben sich Russland und Frankreich ver-
einigt, um gemeinschaftlich gegen England zu operieren. Sie
waren aber bisher nicht sehr glücklich in ihren Operationen.
Russland und Frankreich versuchten ihre gemeinschaftlichen
Operationen zuerst in der Walachei, dann in Montenegro und
zuletzt in Griechenland. Aber an allen drei Punkten endigten
sie mit einer gewaltigen Niederlage. In der Walachei und in
Montenegro waren England und das mit ihm verbündete Oster-
reich siegreich, in der Art sogar, dass Frankreich, als es zur
endlichen Entscheidung kam, Russland im Stich Hess und mit
England stimmte. Noch weit grösser aber war die Nieder-
lage in Griechenland. Die Revolution in Griechenland wurde
bekanntlich von Russland und Frankreich gemacht, um den
Prinzen von Leuchtenberg auf den griechischen Thron zu setzen.
Darum rieten bei der Katastrophe zu Salamis im vorigen Jahre
der französische Admiral und der französische Gesandte Seiner
Majestät dem König Otto, nicht nach Athen zu gehen, sich
yielmehr ein Asyl zu suchen. Und König Otto ging in die
Falle und verliess sein Reich. Die Folge davon war, dass nun
das 2ientrum für die zahlreichen Anhänger des Königs Otto
fehlt, um welches diese sich scharen könnten, und dass daher
von den Griechen selbst und von ihnen allein für die Erhaltung
des Thrones in der bayerischen Dynastie nicht viel zu erwarten
ist. Dagegen nahm nun England die Sache in die Hand.
England proponierte bekanntlich den Schutzmächten Griechen-
lands Anfangs November, einen bayerischen Prinzen auf den
griechischen Thron zu setzen, und Frankreich und Russland
stimmten ihm bei. Später änderte aber England seinen Operations-
plan. Prinz Alfred ward der Thronkandidat und nachdem Russ-
land auf den Prinzen Leuchtenberg verzichtet hatte, der König
Ferdinand u. a. m. England hat nun das Heft in der Hand,
▼on einem russischen oder französischen Thronkandidaten ist
gar nicht mehr die Rede. Russland und Frankreich sind in
492 X. Th V. Heigd
diesem Augenblick ohne allen Einfluss in Oriechenland und in
der griechischen Sache. England wird über den griechischen
Thron verfügen. Wer demnach auf jenen Thron Ansprüche
macht, niuss sich mit England verständigen. Griechenland ist
aber der Schlüssel zum türkischen Reiche. Daher die Wichtig-
keit des griechischen Thrones und dessen so sehr bestrittener
und beneideter Besitz. Griechenland in Besitz einer Gross-
macht ist Herr der Türkei. Darum die Unmöglichkeit, den
griechischen Thron einer Grossmacht zu überlassen. Ohne einen
europäischen Krieg wird dieses auch niemals geschehen. Allein
auch jeder andere Besitzer jenes Thrones, der das Land mit
kräftiger Hand zu regieren vermag und die letzte Stunde der
Türkei ruhig abzuwarten die Geduld hat, wird Herr von Kon-
stantinopel werden. Selbst erobern kann er aber die Türkei
nicht. Er wird zu dem Ende immer die Unterstützung Eng-
lands notwendig haben. Das Schicksal des griechischen Thrones
wird daher auch später noch mehr oder weniger in den Händen
Englands liegen. Auf die jetzige Aktive Englands wird zwar
nach dem gewöhnlichen Gang der Dinge wieder eine Reaktion
folgen. Allein es wird jedenfalls lange Zeit dauern, bis Russ-
land und Frankreich sich wieder von ihrer völligen Niederlage
im Orient erholen. Es ist dieser Umschwung der Dinge eine
Frage der Macht. Und bis jetzt hat es nicht den Anschein,
als werde sich im Orient die Macht so bald auf die Seite von
Russland oder Frankreich neigen. Die Zukunft Griechenlands
liegt demnach in den Händen Englands In London,
nicht in Griechenland wird über den griechischen Thron ent-
schieden, worauf ich schon im November vorigen Jahres Seine
Majestät den König aufmerksam gemacht und damals gemeint
habe, dass jemand nach London gesendet werden wolle. In
diesem Augenblick ist eine Sendung nach London zu spät und
auf der anderen Seite auch wieder zu früh. Zu früh, weil
jetzt der in Paris stattgehabte Umschwung und seine Rück-
wirkung auf London abgewartet werden muss, der vielleicht
eine Sendung nach London unnötig macht. Da es aber dennoch
gut wäre, wenn man wüsste, was man in London jetzt will,
DenkwÜrdigheüen des hayer, Staatsrats G. L, v. Maurer, 493
so rate ich Seiner Kgl. Majestät, bei der hiesigen englischen
Gesandtschaft sondieren zu lassen, in wie weit England die
bayerische Dynastie in Griechenland zu unterstützen gedenkt.
Die Grenze, welche Ausgaben für die griechische Sache noch
gemacht werden sollen, ist durch den neulichen Beschluss Seiner
Majestät des Königs bereits gefunden. Seine Kgl. Majestät
geruhten zu erklären, dass eine Erhebung der Griechen und
eine Sendung der Griechen an den Kgl. Hof abzuwarten sei.
Beides ist nicht erfolgt, — ergo!!! Man sprach früher von
der Wahl Rigas Palamides zum Präsidenten der National-
Tersammlung, von der Erhebung der Mainotten, vom Los-
schlagen anderer Primaten binnen 10 Tagen, von einer provi-
sorischen Regierung in Tripolitza, von dem Nichtausschluss der
bayerischen Dynastie von der griechischen Thronfolge u. s. w.
Von dem Allen ist aber nichts oder das Gegenteil geschehen.
Dadurch werden aber auch die weiteren Versprechungen ver-
dächtig, und unter diesen Umständen begehrt der griechische
Konsul neue 150,000 Fr. Wenn Seine Majestät der König
auch diese Summe noch bewilligen wollen, so ist dies natürlich
Sache der Allerhöchsten Gnade. Ich meines Orts kann aber
nach Lage der Sache nur für höchstens 50 bis 100,000 Drachmen
raten. Die dritte Frage, wie weit Seine Majestät mit Rück-
sicht auf die bereits ausgegebenen Summen im Gesamtopfer
noch gehen soll, kann erst dann beantwortet werden, wenn
man der Unterstützung Englands sicher ist. Sichert England
nicht klar und deutlich seine Unterstützung zu, so rate ich
von jedem weiteren Opfer ab. Denn von England hängt in
diesem Augenblick die Zukunft Griechenlands ab!*
Maurer war noch längere Zeit für die Wiedereinsetzung
der bayerischen Dynastie in ihre von den Schutzmächten ge-
währleisteten Rechte tätig, doch ohne Erfolg. Die einschlägigen
Aktenstücke liegen bei.
Mit einer nochmaligen Erörterung seiner Verdienste um
den hellenischen Staat vom Augenblick seiner Berufung in das
soeben erst dem Türken, aber noch nicht der Barbarei abge-
rungene Land bis zu dem traurigen Tage, da er am Grabe
494 JL Tk. V. Heiga
der bayerischen Dynastie stand, beschlieast der Verfasser seine
Denkwürdigkeiten. , Wenn dereinst Griechenland, wie ich hoffe
und auch glaube, grösser und blühender geworden ist, wird man
auch dann noch seines alten Freundes und Wohltaters gedenken'.
Beilage.
Reise von Athen nach Eonstantinopel im Februar 1858.
Mein häufiger Verkehr mit den Griechen hatte fflr mich
den grossen Vorteil, dass ich bald vollständig wieder orientiert,
sogar besser orientiert war, als die hellenischen Majestäten
selbst. Ausser der im Jahre 1840 erhaltenen, sehr mangel-
haften Konstitution war seit meiner Abreise, also seit 24 Jahren,
keine neue Einrichtung gemacht worden, war fast gar nichts
geschehen. Meine zahlreichen alten Freunde knüpften daher
bei ihren Gesprächen und bei ihren zahlreichen Desiderien an
die alten Zeiten vor 24 Jahren an. Die in Mitte liegenden
24 Jahre waren ihnen wie gar nicht vorhanden. Denn va.^
nicht vor 24 Jahren geschehen war, war heute noch zu tun.
Manches ist sogar rückwärts gegangen, so die von der Regent^
Schaft gebildete, ganz vortreffliche Gendarmerie soll durch ibrtu
Gebrauch zum Spionieren bedeutend schlechter, ja sogar be-
stechlich geworden sein. Auch sollen einige Wege, welche die
Kegentscbaft hatte herstellen lassen, wieder eingegangen und
keine neuen Wege gemacht worden sein. Was man bereits
vor 24 Jahren veimisst und verlangt hatte, das verlangt man
heute noch, das verlangte man nun von mir. Ich aber konnte
nicht helfen. Ich versprach zwar, mit den Majestäten reden
zu wollen, und tat dieses auch. Dabei ist es aber allzeit ge-
blieben. Weiter konnte und durfte ich jedoch nichts tun. Denn
die Majestäten durfte ich doch nicht kompromittieren. Dieses,
— verbunden mit dem Umstände, dass auch die Feier des
6. Februar wieder vorübergegangen war, ohne dass etwas für
das Land selbst geschehen ist, — führte zuletzt zu einer
Denkwürdigkeiten des hayer» Stcuiterats O. L, v. Maurer. 495
bemerkbaren Verstimmung gegen die beiden Majestäten. All-
gemein hatte man nämlich erwartet, dass wenigstens bei dieser
Gelegenheit irgend etwas geschehen werde, was dem Lande
angenehm und nützlich sein werde. Es geschah indessen auch
jetzt wieder nichts. Die Verstimmung war daher begreiflich.
Aber eben deshalb war es hohe Zeit, dass wir an unsere Ab-
reise dachten. Ich machte den Prinzen darauf aufmerksam.
Da jedoch der König die Festlichkeiten in Nauplia beendigen
wollte, zum Reisen aber noch nicht wohl genug war, so konnte
noch nicht abgereist werden, unter diesen Umständen tauchte
denn die Idee einer Reise nach Eonstantinopel auf.
Der türkische Gesandte, Chounil Bey, hatte mich bereits
darauf aufmerksam gemacht, dass es den Sultan sehr freuen
werde, wenn der Prinz, der als griechischer Thronfolger gelte,
auch ihn besuchen wollte. Später sagte er mir sogar, dass
es der Sultan übel nehmen werde, wenn der Prinz, der nun
so nahe bei Konstantinopel sei, ihn nicht besuche. Er bot
sogar sein im Piräus liegendes türkisches Kriegsschiff zur Über-
fahrt an. Da nun der weitere Aufenthalt in Athen aus den
angegebenen Gründen unangenehm zu werden drohte, der König
Otto aber noch nicht wohl genug war, um nach Nauplia zu
reisen, wo er die Festlichkeiten zu beendigen gedachte, so kam
jetzt die Idee, die Zwischenzeit mit einer Reise nach Konstan-
tinopel auszufüllen, wie von selbst. Der türkische Gesandte
schrieb deshalb nach Konstantinopel. Auch der österreichische
Geschäftsträger y. Heimerle schrieb dahin. Der Sultan selbst
wünschte den Besuch. Da jedoch der Prinz nicht mit einem
gewöhnlichen Dampfboot, yielmehr nur mit der österreichischen
Fregatte, welche Ihm zur Disposition gestellt war, reisen wollte,
so stand der Pariser Staatsvertrag entgegen, nach welchem
kein grösseres Kriegsschiff, selbst nicht mit Zustimmung des
Sultans die Dardanellen passieren darf. Indessen der Sultan
wünschte den Besuch. Er benahm sich daher mit den fremden
Botschaftern und Gesandten. Und so ward denn zu Gunsten
des Prinzen eine Ausnahme von dem Staatsvertrag gemacht
und der Ferman zur Durchfahrt erteilt.
496 JT. Th. V. Heigel
Die Wichtigkeit dieser Reise ward von JedermaDn, ron
den Griechen wie von den Diplomaten begriffen. Nur die
Königin und die ihr allzeit sekundierende Frau Obersthof-
meisterin (Frau Y. Pluskow) war ganz entschieden dagegen.
Anfangs meinte die Königin, es sei unklug und sogar eine
Schande, wenn wir von Athen nach Konstantinopel gehen
wollten. Es schicke sich nicht, dem kranken Mann einen Be-
such abzustatten. Die Königin fragte mich sogar einmal, wie
lange ich glaube, dass es noch dauern könne bis zum Ein-
zuge der griechischen Majestäten in Konstantinopel. Und die
Königin ward sehr ungehalten, als ich meinte, dass dieses
noch einige Zeit anstehen könne. — Da wir die vermeintliche
Unklugheit und Schande nicht begreifen wollten, so sollten
wir durch Schrecken von der Heise abgehalten werden. Man
erzählte uns (das heisst die Königin und die Oberhofmeisterin
erzählten uns) den einen Tag, es sei eine solche Kälte in
Konstantinopel eingetreten, dass Alles am Erfrieren sei; am
anderen Tage wusste man, der Schnee liege drei Fuss hoch
in den Strassen, so dass alle Kommunikation unterbrochen,
sogar der Zugang zu den Bäckern und Metzgern gesperrt und
infolge dessen eine Hungei*snot ausgebrochen sei; an wieder
einem anderen Tage hatte man erfahren, dass die Wölfe in
Konstantinopel eingefallen seien und die Menschen aus ihren
Wohnungen herausholten, so dass wir demnach die Aussicht
hatten, in Konstantinopel zu erfrieren, zu verhungern und von
den Wölfen gefressen zu werden. Wir liessen uns jedoch
nicht irre machen. Denn bange machen, meinten wir, gelte
ja nicht. Und der Erfolg hat gelehrt, dass wir richtig gesehen
hatten. Unsere Erwartungen wurden sogar noch übertroffen.
Am 21. Februar morgens 10 Uhr verliessen wir nach
einem Aufenthalt von 3 Wochen Athen, und um 11 Uhr be-
fanden wir uns, begleitet von dem König Otto, auf der öster-
reichischen Fregatte im Piräus. Ich mache auf diese Zeit und
auf diesen Umstand deshalb aufmerksam, weil in demselben
Momente jener heftige Erdstoss erfolgte, welcher die Stadt
Korinth in einen Schutthaufen verwandelte. Wir selbst fühlten
DetikwürdigkeUen des bayer. Staatsrats O, L, v. Maurer, 497
deshalb nichts, weil bereits die Anker gelichtet waren. Im
übrigen Hafen und selbst in Athen hat man aber, wie wir
später erfuhren, den Erdstoss verspürt. Die Abfahrt aus dem
Piräus ging sehr gut von statten. Noch ehe wir aber das
Kap Colonna mit seinen herrlichen Tempelruinen erreicht
hatten, bekamen wir Qegenwind, der sehr bald in einen hef-
tigen Sturm ausartete. Wir waren bereits über Ipsara hinaus,
als uns ein heftiger Windstoss wieder sehr weit zurücktrieb
und unseren trefflichen Schiffskapitän nötigte, einen anderen
Weg, einen weiten Umweg einzuschlagen. Der Gegenwind
dauerte jedoch fort. Wir waren daher genötigt, am Abend
an der asiatischen Küste, am Kap blanc, hinter Tschesme,
60 Seemeilen von Smjrna, Anker zu werfen und hier drei
Tolle Tage angesichts einer nackten Küste zu verweilen, in der
Nähe von Chios, dessen Berge mit Schnee' bedeckt waren. Erst
am 25. Februar (an demselben Tage, an welchem ;ich 40 Jahre
vorher meine unvergessliche Mutter verloren hatte) konnten
die Anker gelichtet werden. Wir fuhren an Mytilene (Lesbos)
vorüber und sahen in der Feme Lemnos. Die Berge beider
Inseln waren mit Schnee bedeckt. Am Kap Baba sieht man
den Berg Ida hoch über den Wolken. Auch sieht man im
Vorüberfahren die vermeintlichen Grabhügel bei Troja. Nach
Troja selbst konnten vnr nicht gehen. Es würde uns dieser
Abstecher mehr als einen Tag gekostet haben. Dazu hatten
wir aber keine Zeit. In der Nacht kamen wir noch an das
zweite Fort in den Dardanellen. Dort musste Anker geworfen
werden. Denn in der Nacht darf kein Schiff in den Dardanellen
einlaufen. Die Dardanellen sind durch 6 Forts (8 auf jeder
Seite) und ausserdem noch durch Strandbatterien befestigt.
Die Forts befinden sich an Stellen, an denen die Dardanellen
nicht breiter sind, als der Rhein bei Mainz. Es kann daher
jedes Schiff, welches die Durchfahrt erzwingen will, in Grund
gebohrt werden. Die Durchfahrt zwischen den sich so nahe
stehenden Küsten ist äusserst interessant. Der Anblick hat
jedoch sehr viel dadurch verloren, dass die Berge auf beiden
Seiten, auf der europäischen wie auf der asiatischen Seite, dicht
498 K. Th. V. Heiga
mit Schnee bedeckt waren. Wir hatten bei unserer Durchfahrt
durch die Dardanellen nur einen Grad über Null. Für diese
Jahreszeit etwas Unerhörtes in jenen Gegenden.
Den 27. Februar des Morgens zwischen 10 und 11 Uhr
kamen wir in Eonstantinopel an. Es hatte noch am Morgen
etwas durcheinander geregnet und geschneit. Als wir aber an
die Spitze des alten Serails an den Punkt kamen, an welchem
man in das goldene Hom hineinfahrt, kam ein Sonnenblick,
der uns gestattete, einen Blick über die ganze herrliche Stadt
zu tun. Und derselbe Sonnenschein blieb nicht bloss an dem
Tage unserer Ankunft, sondern auch noch an den folgenden
Tagen, so dass wir bei dem schönsten Sonnenschein diese
schönste und merkwürdigste Stadt in Europa wahrhaft ge-
niessen konnten. Der Anblick von Eonstantinopel von der
See aus gesehen ist ganz unbeschreiblich schön. Keine andere
Stadt in Europa, selbst nicht Neapel, hält auch nicht entfernt
einen Vergleich mit ihr aus. Konstantinopel besteht eigent^
lieh aus 5 Städten, aus dem alten Byzanz mit seinen noch
ziemlich gut erhaltenen alten Stadtmauern, dann aus der Vor-
stadt Eyoub mit seinen türkischen Gräbern mitten in der
Stadt, sodann aus Pera mit seiner griechischen und euro-
päischen Bevölkerung, aus Galata mit seiner aus Türken,
Griechen und Europäern gemischten Bevölkerung, und aus
Scutari, einer ganz türkischen Stadt. Alle diese Städte liegen
um die See und um das goldene Hom (über welches seit einigen
Jahren zwei Brücken führen) herum. Und sie können von der
See aus mit einem Blick übersehen werden. Vergegenwärtigt
man sich nun diese fünf auf Hügeln um die See und um das
goldene Hom herum liegenden Städte mit ihren zahllosen
Moscheen und schlanken Minarets, mit den zum Teile pracht-
vollen Palästen, unter denen zumal der Palast der russischen
Gesandtschaft hervorragt, mit den schönen Gärten des alten
Serails und mit den Zypressen- Waldungen auf den türkischen
Gräbern, so wird man nicht umhin können, dieser von fast
einer Million Menschen bewohnten Stadt den ersten Rang unter
den schönsten Städten Europas — vielleicht in der Welt —
Denktoürdigkeiten des hayer, SlCLatsrats G. L. v. Maurer, 499
einzuräumen. Was aber Eonstantinopel weit über die übrigen
Städte erhebt, das ist der Bosporus, der bis zum schwarzen
Meere mit den schönsten Palästen, Dörfern und Städtchen, von
denen sich Eines an das Andere anreiht, wie übersäet ist, und
so gewissermassen eine grossartige Vorstadt von Eonstantinopel
bildet, und im Sommer als Aufenthalt für die reichen Eon-
stantinopolitaner, für die ersten Würdeträger und für die Ge-
sandten dient. Diese prachtvolle Vorstadt von Eonstantinopel
reicht allein schon hin, Eonstantinopel zur schönsten Stadt
wenigstens in Europa zu erheben.
Unsere Fregatte warf dicht bei Topkhana, dem türkischen
Arsenale, Anker. Wir wurden daher alsbald von dort her mit
31 Eanonenschüssen begrüsst, und dieser Gruss wurde von
unserer Fregatte auf der Stelle beantwortet. Dadurch erfuhr
die ganze kolossale Stadt die Ankunft des Prinzen. Das Ufer
war daher sogleich mit einer zahllosen Menge von Griechen
bedeckt. Eine Menge Barken setzten sich in Bewegung. Auf
einer befand sich eine griechische Musikbande. Auch der Sultan
selbst fuhr inkognito auf seiner schönen Barke an uns vorüber.
Abgeordnete des Sultans, der türkische Hafenkapitän, die
Kapitäne der im Hafen liegenden Eriegsschiffe u. a. m. fanden
sich ein, insbesondere auch die griechische, sehr zahlreiche
Gesandtschaft mit Herrn Conduriottis selbst an ihrer Spitze.
Der Eönig Otto hatte gewünscht, dass der Prinz Adalbert bei
dem griechischen Gesandten absteigen möge. Auch die öster-
reichische Gesandtschaft hatte ihren Palast dem Prinzen ange-
boten. Nach dem Wunsche des Eönigs Otto ward aber der
griechischen Gesandtschaft der Vorzug gegeben. Und wir haben
sieben volle Tage bei dieser liebenswürdigen Familie zuge-
bracht, bei dem sehr gebildeten Herrn Conduriottis und bei
seiner liebenswürdigen Frau Gemahlin, einer Tochter des
griechischen Generals Ealergis.
Der Empfang des Prinzen von Seiten der Griechen in
Konstantinopel war brillant. Die am Ufer versammelte Menge
begleitete uns durch die ganze Stadt hindurch bis zur Wohnung
des griechischen Gesandten in Pera. Und jeden Tag war die
500 K. Th. V. Heigel
Wohnung wie belagert, indem alle Griechen herbeiströmten,
um den Prinzen zu sehen. Auch ich selbst ward in Konstan-
tinopel von Seiten der Griechen ebenso herzlich empfangen
und begrüsst, wie es in Griechenland geschehen war. Die in
Konstantinopel ansässigen Griechen gaben uns ein Festmahl,
welches nicht prächtiger sein konnte. Für etwa 60 Couverts
wurden 20000 Franken verausgabt (der Speisezettel in der
Anlage Nr. 11). Die ganz gewaltigen Vorbereitungen zu diesem
Festessen machten mich anfangs stutzig, weil ich nicht wünschen
konnte, dass die Angelegenheit des Prinzen den Griechen grosse
Unkosten verursachen, ihnen zur Last fallen möchte. Ich
zog deshalb Erkundigungen ein und erfuhr zu meiner grossen
Beruhigung, dass die Festgeber sämtlich reiche Leute, einige
sogar Millionäre seien, denen daher diese Ausgabe nichts weniger
als eine Last sein werde, um jedoch jeden Schein einer
Demonstration zu vermeiden, wurde dafür gesorgt, dass nur
solche Griechen, welche Untertanen des Königs Otto waren,
Anteil an dem Festmahle nahmen. Aber nicht bloss bei den
Griechen, auch bei den Türken ward der Prinz auf das alier-
zuvorkommendste empfangen. Durch zum Voraus erteilte Fer-
mane war dafür gesorgt, dass alle Moscheen und die übrigen
Sehenswürdigkeiten für unseren Zutritt offen waren. Ein
Oberst, ein Adjutant des Sultans, der sehr gut französisch
sprach, war dem Prinzen zugeteilt, um den Prinzen zu führen
und für den Vollzug seiner Wünsche zu sorgen. Die zahl-
reichen, durch die ganze Stadt verteilten Wachen standen, so
oft man vorüberging, unter dem Gewehr, das heisst, sie präsen-
tierten das Gewehr und griffen zu gleicher Zeit mit der einen
Hand an ihre Mütze. Ein Tochtermann des Sultans selbst
erschien in der Wohnung des griechischen Gesandten, um den
Prinzen namens des Sultans zu begrüssen. Doch die grösste
Auszeichnung ward dem Prinzen von dem Sultan selbst zu teil,
als wir unsere Audienz bei ihm hatten und bei ihm zu Mittag
speisten. Denn er änderte sogar seine bis dahin beobachtete
strenge Etikette ab zu Gunsten des Prinzen.
Am 2. März mittags 1 Uhr hatten wir unsere Audienz
Denktcürdigkeiten des bayer, SttuUsrats O. X. v. Maurer, 501
beim Sultan. Um uns abzuholen, schickte der Sultan mehrere
Wagen. Für den Prinzen kam ein geschlossener ganz ver-
goldeter Wagen, mit vier herrlichen Schimmeln bespannt, in
welchem der Prinz mit dem griechischen Gesandten Platz nahm.
Einige türkische Yorreiter eröffneten den Zug und vier prächtig
gekleidete Diener gingen zu Fuss neben dem Wagen her. Im
zweiten Wagen sass ich und hatte den griechischen Dolmetscher,
Herrn Barozzi zur Seite. Mir hatte der Sultan einen offenen
Wagen geschickt, der zwar ebenfalls vergoldet und mit zwei
grossen prächtigen Braunen bespannt war, in welchem ich aber
bei dem in den Strassen liegenden Schmutz über und über mit
Kot bespritzt ward, und daher nicht ganz rein bei dem Sultan
ankam, wiewohl ich mich, soviel es bei einer grossen Uniform,
die ich anhatte, möglich war, in meinen Mantel gehüllt hatte.
Im dritten und vierten Wagen sass das übrige Gefolge des
Prinzen und das Personal der griechischen Gesandtschaft. Unser
Zug ging fast eine halbe Stunde durch einen grossen Teil der
Stadt bis zum herrlichen Palast, welchen der Sultan am Ein-
gang in den Bosporus bewohnt. Als wir am ersten Tor seines
Palastes ankamen, fanden wir ein ganzes Bataillon zu unserer
Begrüssung aufgestellt. Im Innern des Hofes stand ein treff-
liches Musikchor, welches europäische Opemstücke ausführte.
An der Treppe zum Palaste selbst wurden wir von Fuad
Pascha (dem Minister des Äussern) und von vielen Hof beamten
empfangen und von ihnen die innere Treppe hinauf durch
mehrere Gänge und Säle hindurch bis zum Sultan geführt.
Im Innern des Ganges stand die eigentliche Leibwache des
Sultans in mit Gold gestickten prachtvollen, roten Uniformen
und mit weissen Federbüschen auf der übrigens europäischen
Kopfbedeckung, einer Art Tschako, welche nach dem Aus-
spruche von Sachverständigen aus den seltensten Federn be-
standen. Die Treppen, die Gänge und die ersten Säle, durch
welche wir geführt wurden, waren rot beleuchtet, so dass alles
— was auf uns Europäer einen sonderbaren Eindruck machte —
uns etwas barbarisch und wie eine Spielerei vorkam. Der
Sultan kam dem Prinzen bis auf den oberen Gang entgegen,
502 K. Tk, V. Heigel
eine Abänderung seiner früheren Etikette, nach welcher er
niemals entgegen gegangen war, die fremden Prinzen vielmehr
in seinem Empfangssaale erwartet hatte. Nach der ersten
Begrüssung wurde der Prinz von dem Sultan in das eigent-
liche Empfangszimmer geführt, während wir Anderen in dem
Vorsaale warten mussten. Erst nach einiger Zeit wurden auch
wir Anderen eingeführt. Wir fanden den Prinzen neben dem
Sultan sitzend. Wir Anderen stellten uns um sie herum.
Auch in unserer Gegenwart fuhr der Sultan fort, sich mit dem
Prinzen zu unterhalten, der sichtbar einen tiefen Eindruck auf
den Sultan gemacht hat. Der Sultan richtete auch an mich
einige freundliche Worte (er fragte mich, ob ich zum erstenmal
in Konstantinopel sei), was von allen anwesenden Türken und
Griechen als eine grosse Auszeichnung betrachtet worden ist,
indem der Sultan nur äusserst selten einen Fremden, der nicht
Prinz oder Botschafter sei, anzureden pflege. Später ward ich
von den anwesenden Türken und Griechen wegen dieser ganz
besonderen Auszeichnung sogar förmlich bekomplimentiert und
von manchen, wie man mir sagte, geradezu beneidet. Der
Sultan selbst sprach immer türkisch, der Prinz und meine
Wenigkeit sprachen französisch. Und der Minister des Äussern
(Fuad Pascha) machte den Dragoman. Der Sultan verstand
jedoch das Französische und konnte demnach, ehe der Dragoman
geendet hatte, seine weiteren Fragen und Antworten einstweilen
vorbereiten. Ehe Fuad Pascha die Fragen und Antworten
übersetzte, griff er jedesmal an sein rotes Fess, das er trug,
und bückte sich in dieser Stellung bis auf den Boden. Und
diese demütige Verbeugung nahm er nicht bloss vor dem Sultan
vor, wenn dieser etwas sprach, sondern auch vor dem Prinzen
und vor mir, wenn der Prinz oder ich gesprochen hatte, das
von uns Gesprochene also zu übersetzen war. Der Sultan trug
eine mit Brillanten gestickte Uniform. Und auch auf dem
Kopf hatte er ein kleines, mit Diamanten besetztes Fess. Die
Uniform war (wie die heutigen Uniformen der Türken über-
haupt) eine Art Waffenrock, der jedoch auch unten nicht ganz
schloss, vielmehr wie bei unseren Fracks etwas auseinanderging.
DenkwürdigkeUen des hayer, StacUsrats (r. L, v, Maurer. 50S
Der Sultan selbst machte einen guten Eindruck auf uns. Er
hat ein sanftes, jedoch bereits abgelebtes Gesicht, wiewohl er
erst 31 bis 32 Jahre alt ist. Er hat schon in seinem 16. Jahre
den Harem seines Vaters übernommen und wurde mehr, als es
gerade wünschenswert war, in demselben beschäftigt. — Nach
beendigter Audienz begleitete der Sultan den Prinzen wieder
bis auf den Gang, gegen die frühere Etikette, nach welcher
er sein Zimmer nicht zu verlassen pflegte. Und wir kehrten
nun durch die Gänge und Säle und durch die Höfe des Palastes
und durch die Strassen wieder ebenso zurück, wie wir gekommen
waren, also in denselben Wagen des Sultans und in derselben
Begleitung und unter denselben militärischen Ehrenbezeugungen.
— Ehe ich weiter erzähle, muss ich noch eines mich selbst
betreffenden Scherzes erwähnen. Als ich nämlich in Konstan-
tinopel ankam, sagten mir die Griechen, dass ich grosse' Ähn-
lichkeit mit Lord Canning (Lord Redclive), dem damals ab-
wesenden englischen Gesandten habe. Man lachte darüber und
Hess die Sache fallen. Als wir jedoch zur Audienz bei dem
Sultan ankamen, machte mein Erscheinen bei den anwesenden
Türken einiges Aufsehen. Und Fuad Pascha meinte sogar,
der Sultan werde, wenn er mich sehe, erschrecken, denn er
werde meinen, dass der von ihm so gefürchtete englische Ge-
sandte wieder da sei. Lord Kedclive war nämlich 30 Jahre
lang in Konstantinopel allmächtig, — sehr gefürchtet, — aber
nicht beliebt. Mir selbst hat übrigens diese Ähnlichkeit mit
dem gefürchteten Mann keinen Nachteil gebracht.
Noch ausgezeichneter als bei der ersten Audienz war
jedoch der Empfang bei der Tafel im Palaste des Sultans.
Der Sultan liess uns auf den 6. März auf 10^/» Uhr türkisch
schriftlich zur Tafel einladen (Anlage Nr. 12) und sich dabei
entschuldigen, dass er nicht auf einen früheren Tag einladen
könne, denn, um den Prinzen würdig bedienen zu können,
seien wenigstens fünf Tage zur Vorbereitung notwendig. Bei
der Tafel selbst machte man uns auch auf ein türkisches Ge-
richt aufmerksam, an welchem vier Tage lang gekocht worden
war. Die Stunde 10^ /a türkisch entsprach nach unserer Tagesr
1903. StUgsb. d. pbilo8.-philol. u. d. bist. Kl. 31
504 K. Th, V. Beigel
rechnung der Stunde 4^/% gegen Abend. Die Türken rechnen
nämlich ihre Stunden wie die Italiener vom Anfang des Tages.
Sie rechnen jedoch nur von 12 zu 12 Stunden, während die
Italiener bis zu 24 Stunden zählen. Zur Tafel selbst wurden
wir in denselben Wagen des Sultans wie bei der ersten Audienz
abgeholt. Die Dienerschaft war nun nur noch weit zahlreicher
und reicher gekleidet. Zumal die Dienerschaft zu Pferd war
viel zahlreicher. Auch sprengten einige Adjutanten des Sultans
hin und her, denn der Sultan verlangte fortwährend Rapport,
wie weit bereits unser Zug gekommen sei. Nach Verlauf von
etwa einer halben Stunde kam der Zug unter fortwährender
Begleitung einer Menge Griechen in der Nähe des Palastes an.
Dort waren Posten zu Pferd aufgestellt, eine bedeutende
Truppenmasse unter den WaflFen, im inneren Hofe war wieder die
Militärmusik aufgestellt. Am Fusse der äusseren Treppe des
Palastes stand der Minister des Äussern zum Empfange des
Prinzen. Oben auf der Treppe stand das gesamte türkische
Ministerium mit allen hohen Würdenträgern und ihrem Gefolge,
und etwas weiter zurück alle fremden Botschafter, Gesandten
und Geschäftsträger. Sie waren samt und sonders zum Empfange
des Prinzen und nachher zur Tafel geladen. Dieser kolossale
Zug wälzte sich nun die innere Treppe hinauf durch die Qänge
und Säle hindurch bis zum Sultan, welcher auch diesmal wieder
(gegen die frühere Etikette) dem Prinzen bis auf den Gang
entgegengekommen war. Der Sultan zog sich mit dem Prinzen
auf einige Minuten in sein Empfangszimmer zurück, erschien
aber sodann wieder in dem Vorsaale, wo wir Anderen ver-
sammelt waren und im Kreise herum standen, um sich längere
Zeit mit den Botschaftern und Gesandten zu unterhalten, was
in dieser Weise ebenfalls wieder eine Neuerung war. Der
Minister des Äussern (Fuad Pascha) machte auch hiebei wieder
den Dolmetscher mit seinen submissen Verbeugungen. Nachdem
dieser Cercle vorüber war, führte der Sultan den Prinzen zur
Tafel. Wir Anderen folgten. An dem Saale, in welchem die
Tafel stand, verliess uns der Sultan. Denn ihm gestattet die
Etikette nicht, mitessen zu dürfen. Er hat vielmehr, wie der
I)enkwürdig1ceiten des bayer, Staatsrats G, X. v, Maurer, 505
heib'ge Vater in Rom, das traurige Privilegium, allein essen
zu müssen. Der Speisesaal ist einer der grössten und schönsten,
die es gibt. Der Prinz und wir Anderen, sein Gefolge, hatten
Doch keinen schöneren und glänzenderen gesehen. Der Saal
ist unendlich hoch und in der Mitte mit einer moscheeartigen
Kuppel überwölbt, welche nach innen vergoldet ist. Um den
Saal herum stehen hohe und sehr schlanke Säulen, welche
gleichfalls vergoldet sind. In der Mitte des Saales unter der
Kuppel war eine lange Tafel ftlr 60 Couverts aufgestellt. Die
Tafel verschwand fast in den unendlichen Räumen. In der
Mitte der Tafel standen schön gearbeitete, hohe Aufsätze, be-
stehend in Blumenvasen und Figuren, welche samt und sonders
vergoldet waren. Diese Aufsätze wie das ganze übrige Service
waren Pariser Arbeit und das Porzellan von Sevre. Für jeden
Gast war zur Bezeichnung seines Platzes ein Zettel und neben
diesen der Speisezettel gelegt (Anlage 13, 14 und 15). Der
Prinz nahm den Ehrenplatz ein. Neben ihm sass rechts der
französische Botschafter (Thouvenel), links der preussische Ge-
sandte (Wildenbruch). Neben Thouvenel sass der türkische
Grossmeister der Artillerie (eine sehr vornehme Person), welcher
der Titel Hoheit gebührt, dann sass ich und neben mir der tür-
kische Eriegsminister, neben diesem wieder ein Gesandter u. s. w.
Dem Prinzen gegenüber sass der Grossvezier, welcher gleich-
falls den Titel Hoheit führt, neben ihm zwei Gesandte u. s. w.
Von meinen beiden türkischen Nachbarn sprach nur der Eine,
der Grossmeister der Artillerie, französisch, der Andere nicht.
Die Unterhaltung war demnach nicht sehr lebhaft. Um so
mehr hatte ich Zeit, mich umzusehen und zu beobachten.
Der Grossmeister der Artillerie hat einen sehr interessanten
Kopf mit kräftigen und geistvollen Gesichtszügen. Desto
plumper sah aber mein anderer Tischnachbar, der Kriegs-
minister, aus. Beide Herren zeichneten sich indessen durch
ihre Fertigkeit im Essen und Trinken aus. Zumal der Wein
schmeckte ihnen sehr gut. Jeder von ihnen hatte stets 6 volle
Weingläser vor sich, mehrere französische Weine, dann Rhein-
wein (echten Johannisberger) und Champagner. Sie tranken
31*
506 K, Th. V. Heigel
bald von dem einen bald von dem andern und immer ex pleno.
Zur Abwechslung wurde wohl auch ein Olas Bier (englisches
Bier) getrunken. In meinem ganzen langen Leben habe ich
noch keine durstigeren Leute, wie diese Türken waren, gesehen.
Als Rheinländer habe ich doch auch schon manchem Trunk
beigewohnt und weiss daher, was der Mann vertragen kann.
Eine kolossalere Leistung dieser Art ist mir aber noch nicht
vorgekommen. Auch dem Essen setzten meine beiden Tisch-
nachbam ganz gewaltig zu. Ich habe nicht bemerkt, dass sie
auch nur eine einzige Schüssel an sich vorbeigehen liessen.
Die Bedienung war mittelmässig, wiewohl jeder Gast einen
Bedienten in reicher Uniform hinter sich stehen hatte. Ich
hörte öfters den französischen Botschafter ganz laut über die
schlechte Bedienung räsonnieren. Er sagte zu wiederholten
Malen ganz laut zu dem Prinzen: Sehen Sie, die Türken sind
eben zu gar nichts zu gebrauchen! Der Prinz trank auf das
Wohl des Sultans, der Qrossvezier auf das Wohl des Prinzen.
Der preussische Gesandte trank mit dem Prinzen auf mein
Wohl. Nach aufgehobener Tafel gingen die Gäste wieder in
den Empfangssaal des Sultans zurück, wo Pfeifen und Kaffee
gereicht wurden und wo — zum Erstaunen Aller — auch der
Sultan wieder erschien und sich eine Zeit lang mit dem Prinzen
und mit den übrigen Anwesenden unterhielt, was ebenfalls
wieder eine Abweichung von der früheren Etikette zu Gunsten
des Prinzen gewesen ist. Welchen strengen Regeln übrigens
diese Etikette unterworfen ist, beweist unter anderem folgender
Vorfall. Während wir nach der Tafel noch bei dem Sultan
waren und in dessen Gegenwart unsere Pfeifen rauchten, kam
von Athen eine telegraphische Depesche an den Prinzen. Der
Baron v. Malsen, sein Adjutant, eröffnete sie und teilte sie
sodann, während der Sultan sich mit den Diplomaten unter-
hielt, dem Prinzen selbst mit. Als dieses der Oberzeremonien-
meister des Sultans (Ali Bey) bemerkte, stürzte er sich wie
rasend auf den Baron v. Malsen, um diese Mitteilung um jeden
Preis zu verhindern, indem es gegen die Etikette sei, in Gegen-
wart des Sultans etwas zu lesen. Der Prinz kehrte sich natür-
Denkumrdigkeiten des hayer, Staatsrats G. L, v. Maurer, 507
lieh nicht an diese Etikette. Die blosse Existenz einer solchen
Etikette ist aber schon merkwürdig. Hier nach der Tafel war
es auch, wo der Minister des Äussern (Fuad Pascha) zu mir
kam, um mir im Namen des Sultans den türkischen Orden
anzukündigen. Der Sultan wünsche, dass ich ihn als einen
Beweis seiner Hochachtung betrachten wolle. Er bedauere
nur, dass kein Orden vorrätig sei, um ihn mir alsbald zustellen
zu können. Der Prinz hatte diesen Orden schon einige Tage
früher durch eine feierliche Deputation überreicht erhalten.
Er hat ihn an der Tafel des Sultans zum erstenmal getragen.
Auch war dem Prinzen angekündigt worden, dass der Sultan
ihm auch noch einen Säbel in Brillanten zu verehren gedenke,
dass dieser aber erst verfertigt werden müsse und daher eben-
falls nachgesendet werden solle.
Unmittelbar nach der Tafel, etwa um 9 Uhr des Abends,
schifften wir uns ein, um Konstantinopel wieder zu verlassen,
und auch dieses machte einen sichtbaren Eindruck auf den
Sultan, der sich dadurch gar sehr geschmeichelt fühlte. Der
Zug ging nun mit Flambeaux in derselben Weise und in der-
selben Ordnung an den Einschiffungsplatz, in welcher wir zu
dem Sultan gezogen waren.
Die türkische Regierung war demnach sichtbar bestrebt,
dem Prinzen in jeder Weise entgegen zu kommen und ihm
einen brillanten Empfang zu bereiten. Die Persönlichkeit des
Prinzen imponierte den Türken, insbesondere dem Sultan selbst.
Die geistige Überlegenheit ermangelte nicht, ihre Wirkungen
zu äussern. Der tiefere Grund jenes ausgezeichneten Empfangs
lag jedoch hauptsächlich, wie mir dieses erst in Konstantinopel
selbst recht klar wurde, in der Furcht der Türken vor den
Slaven, auf welche die Russen mehr und mehr wirken und
dadurch auf die Türkei drücken. Die türkische Regierung
wünscht daher mit der griechischen Regierung gut zu stehen,
um gemeinschaftlich mit ihr gegen das slavische Element zu
wirken und zu operieren. Daher das zuvorkommende Wesen
des türkischen Gesandten in Athen und der türkischen Regierung
in Konstantinopel selbst, Dass dieses Entgegenkommen der
508 K, Th. V. Heigel
Türken, nachdem dessen tieferer Grund erkannt worden war,
im Interesse Griechenlands von uns gehörig benützt und aus*
gebeutet worden ist, versteht sich von selbst. Daher wird auch
unsere Anwesenheit in der türkischen Hauptstadt nicht ohne
politische Folgen für das junge Königreich bleiben^ wenn anders
der in Konstantinopel gemachte Eindruck in Athen gehörig
gevfürdigt und benutzt wird. Griechenland ist der natürliche
Erbe eines grossen Teils der europäischen Türkei. Bis aber
die letzte Stunde des kranken Mannes schlägt, ist es im Interesse
des Erben selbst, in Ruhe und Frieden mit seinem Erblasser
zu leben. Mit Gewalt der Waffen kann Griechenland keine
Eroberungen machen. Die Verbreitung europäischer Zivilisation
und Kultur ist die Hauptwaffe des aufstrebenden Landes. Zu
dem Ende ist aber Ruhe und Friede notwendig. Und dann
wird ihm dereinst die grosse Erbschafb von selbst zufallen.
Darum ist es auch im Interesse Griechenlands, einstweilen in
gutem Vernehmen mit der Türkei zu stehen, bei welchem auch
jetzt schon der Handel, insbesondere auch der Grenzverkehr
nur gewinnen kann. Dass aber die Türkei krank und ohne
alle Rettung verloren ist, gibt nun jeder Diplomat in Kon-
stantinopel zu. Auch die Botschafter und Gesandten derjenigen
Mächte, welche die Türkei erhalten wollen und daher stützen,
erklärten mir in Konstantinopel samt und sonders, dass die
türkische Regierung innerlich faul und daher nicht mehr zu
retten sei. Das Hinscheiden des kranken Mannes ist demnach
nur noch eine Frage der Zeit. Die Zeit, wann seine letzte
Stunde schlagen wird, hängt aber von einem äusseren Anstoss
ab und ruht daher im Schoss der Zukunft. Auf mich selbst
hat jedoch die türkische Wirtschaft den Eindruck gemacht, als
wenn die Zeit des Hinscheidens noch nicht so nahe sei, wie
man insgemein glaubt. Die gemeinen Türken, auch die ge-
meinen Soldaten, sind noch sehr kräftige Leute. Nur die
Regierung ist faul und das Offizierkorps taugt nichts. Daher
das willkürliche Pascharegiment in den Provinzen, wodurch
die Provinzen zuerst, noch vor dem völligen Hinscheiden des
kranken Mannes, von dem türkischen Regiment losgelöst werden
Denkwürdigkeiten des bayer, Staatsrats G. L. v. Maurer. 509
dürften. Daher die Korruption und die Intrigue in Konstan-
tinopel selbst, die jedem regelmässigen Oang der Regierung
im Weg steht. Der französische Botschafter (Thouvenel), der
in diesem Augenblick seit der Abreise des Lord Redclive das
Faktotum in Eonstantinopel ist, sagte mir, dass er auf der
Stelle (wenn es möglich wäre) seinen Botschafterposten wieder
mit dem Oesandtschaftsposten in München (wo er früher war)
vertauschen würde, weil in Konstantinopel kein Geschäft auf
geradem Wege gemacht werden könne, die fortwährenden
Intriguen und Korruptionen, ohne welche kein Geschäft mög-
lich sei, ihn aber f&rmlich anekeln. Reformen des türkischen
Regiments sind aber nicht möglich, weü ihnen der Koran ent-
gegensteht. Wollte man daher wirklich reformieren, so müsste
mit dem Koran selbst begonnen werden. Dann hörten aber
die Türken auf Türken zu sein, was sie indessen nicht wollen.
Die bereits beschlossenen Reformen berührten daher meisten-
teils nur die Oberfläche, oder sie blieben ganz unvollzogen.
So wurde unter Anderem den Griechen Anteil an der Justiz
zugesichert bei ihren Streitigkeiten mit Türken. Es wurde zu
dem Ende auch ein sogenannter hoher Rat niedergesetzt, dessen
Sitzungssaal ich selbst in der hohen Pforte gesehen habe. Der
Anteil der griechischen Beisitzer besteht jedoch nur in dem
Beisitzen, denn mitreden lässt man sie nicht. Die Sache wird
vielmehr von den anwesenden Türken entschieden. Bei mehreren
Unterredungen mit dem Grossvezier und mit Fuad Pascha über
die gemachten und noch zu machenden Reformen hatte ich
stets die Gelegenheit zu bemerken, dass sie alles in der Form
suchen, das Wesen selbst gar nicht begreifen. Und doch sind
beide sehr gebildete Männer, welche, da sie beide bereits den
Botschaften in London, in Paris und in Wien vorgestanden
hatten, auch einen Blick in die europäischen Verhältnisse
getan haben. Allein der Türke begreift nur die Aussenseite.
Wie er spuckt und wie er räuspert, hat er ihm glücklich
abgeguckt! Den Kern der Sache begreift er nicht, der bleibt
ibm ganz fremd. Der Koran ist die Klippe, an welcher jede
ßefonn scheitert. Und wenn sich auch ein Türke über den
510 K. Th. V. Heigel
Koran hinwegsetzt, so tut er dieses nur bei Ausserlichkeiten,
beim Weintrinken, bei einer europäischen Tracht u. dergl. m.
Daher erklärt es sich, auch, warum der Türkei nicht mehr
zu helfen ist.
Was mir den Einblick in die türkischen Verhältnisse ^r
sehr erleichtert hat, das ist die Zuvorkommenheit des diplo-
matischen Korps gewesen. Es gibt wohl nirgends ein interes-
santeres diplomatisches Korps, als in Konstantinopel. Denn
hier stehen neben den europäischen Botschaftern und Gesandten
auch noch orientalische Gesandte und Konsuln, unter denen
uns besonders der persische Gesandte, ein freundlicher Mann
mit einer hohen, schwarzen, persischen Mütze, auffiel. Da der
Prinz die Herren Diplomaten empfing, so hatte ich die beste
Gelegenheit, näher mit ihnen bekannt zu werden. Thouvenel
und Prokesch kannte ich schon von früheren Zeiten her. Die
übrigen lernte ich erst in Konstantinopel kennen. Unter ihnen
ragen zumal der russische Gesandte von Bouteneff und der
preussische Gesandte von Wildenbruch hervor. Bouteneff ist
ein sehr ausgezeichneter Diplomat, der schon seit 40 Jahren
mit kurzen Unterbrechungen in Konstantinopel gewirkt hat
und zu vei*schiedenen Zeiten zu den wichtigsten Missionen ge-
braucht worden ist. Um so merkwürdiger war mir daher, zu
erfahren, dass er jetzt gar keinen Einfluss mehr habe, während
er früher, wie die russische Botschaft überhaupt, allmächtig war
und bei seinem Auftreten jedermann zitterte. Das Verschwinden
des russischen Einflusses in Konstantinopel ist eine Folge des
Feldzuges in der Krim. Im Orient noch mehr als im Occident
ist die Gewalt Alles, wird nur die Gewalt geachtet und gefürchtet.
Mit dem russischen Heere und mit seiner Gewalt ist darum
auch der russische Einfluss in der türkischen Hauptstadt ge-
brochen und so gut wie vernichtet worden. Man schickte
daher gerade den früher so einflussreichen Bouteneff wieder
nach Konstantinopel. Es ist ihm aber bis jetzt noch nicht
gelungen, wieder festen Boden zu gewinnen, und man sieht
es dem alten Herrn an, dass es ihn schmerzt. Wildenbruch
ist ein sehr gebildeter, in den orientalischen Angelegenheiten
Denkwürdigkeiten des hayer. Staatsrats G, L. v. Maurer. 511
sehr unterrichteter Mann. Einfluss auf die türkische Regierung
hat er aber keinen. Auch Prokesch scheint keine besonders
gute Stellung zu haben. Auch klagt er sehr über seine Yer*
einsamung und wünscht sich einen anderen Posten. Er ist für
die Türken zu oratorisch. Diese scherzen sogar über sein vieles
Reden. Den meisten Einfluss bei der türkischen Regierung hat
in diesem Augenblick (seit der Abreise des englischen Gesandten,
des Lord Redclive) der französische Botschafter Thouvenel.
Auch die griechische Gesandtschaft hat jetzt eine recht gute
Stellung gegenüber der türkischen Regierung. Der Gesandte
selbst (Gonduriottis) ist ein sehr sanfter Mann, der allenthalben
beliebt ist. Von grossem Einfluss ist aber besonders der Dol-
metscher bei der griechischen Gesandtschaft, Herr Barozzi, ein
Grieche aus Naxos, der früher griechischer Konsul in Adria-
nopel war. Er ist ein sehr munterer, geistreicher Mann, der
Alles, was vorgeht, weiss und das Talent hat, in der Form
eines Scherzes den Türken die herbsten Wahrheiten zu sagen.
Die griechische Gesandtschaft in Konstantinopel war nie in
einer besseren Lage. Sie kann jetzt direkt mit der türkischen
Regierung verhandeln, während früher zu dem Ende die Inter-
zession einer anderen europäischen Gesandtschaft notwendig war.
Und unsere Anwesenheit in Konstantinopel wird dazu beitragen,
ihre Lage und ihre Stellung noch mehr zu verbessern. Am
zuvorkommendsten gegen uns waren nach der griechischen
Gesandtschaft, bei der wir logierten, die Herren v. Thouvenel
und der Freiherr v. Prokesch. Sie luden uns beide zur Tafel,
und Thouvenel veranstaltete auch noch eine Abendgesellschaft,
bei welcher wir auch die Peroten und Perotinnen kennen
lernten. Peroten nennt man nämlich die zahlreichen, in Pera
angesiedelten fränkischen, das heisst, christlichen Familien,
welche eigentlich gar keine Heimat haben, die vielmehr in Kon-
stantinopel geboren, aber keine türkischen Untertanen sind und
unter dem Schutze irgend einer europäischen Macht stehen.
Diese schutzhörigen Konstantinopolitaner und Konstantinopoli-
tanerinnen bilden eine ganz eigentümliche Klasse von Bewohnern
der türkischen Hauptstadt. Sie tragen europäische Kleidung,
512 K, Th, V. Heigel, Denktcürdigheüen des hayer. StacUsraia ete,
sprechen eine europäische Sprache, meistenteils französisch oder
italienisch, und haben europäische Manieren. Man sieht ihnen
jedoch die Heimatlosigkeit an. Auch verkehren sie meisten-
teUs nur unter sich und sind gegen Fremde nicht besonders
höflich. Da ich bei Tafel meistenteils entweder neben dem
Grossvezier oder neben Fuad Pascha sass, so hatte ich auch
bei Tafel die Gelegenheit, mich über die türkischen Angelegen-
heiten zu unterrichten. Ganz vorzüglich war dazu aber die
Unterhaltung nach aufgehobener Tafel geeignet. Denn sowohl
bei Thouvenel als bei Prokesch wurde man nach der Tafel in
das Rauchzimmer zum Kaffee geführt, und dort hatte man
denn die allerangenehmste und beste Gelegenheit, sich rauchend
auf einem Sopha an der Seite eines türkischen Würdenträgers
bestens zu unterhalten und zu unterrichten.
Dem Herrn von Thouvenel haben wir auch die nähere
Kenntnis des Bosporus bis zum schwarzen Meer zu verdanken.
Er stellte dem Prinzen zu dem Ende sein Dampfboot zur
Disposition, begleitete uns selbst und gab uns ein brillantes
Frühstück auf dem Schiff. So fuhren wir denn auf der
europäischen Seite bis zum schwarzen Meere hin und auf der
asiatischen Seite wieder zurück. Wir waren entzückt von dem
herrlichen Anblick und von den prachtvollen Palästen, welche
sich dicht aneinander reihen und nur eine Fortsetzung von
Konstantinopel selbst zu sein scheinen. Wir hatten dabei den
grossen Vorteil, von Thouvenel auf die interessantesten Punkte
und auf die merkwürdigen Gebäude aufmerksam gemacht zu
werden, die zum Teile von historischer Bedeutung sind wegen der
daselbst abgeschlossenen Verträge und Friedensschlüsse u. a. m.
Auch der Palast, in welchem die Unabhängigkeit Griechenlands
unterzeichnet worden ist, wurde uns gezeigt. Er steht seitdem
ganz leer, und weder der Sultan noch ein anderer Türke hat
ihn seitdem wieder betreten.
513
Sitzung vom 7. November 1903.
Philosophisch-philologische Klasse.
Herr FürtwXngler hält einen für die Denkschriften
bestimmten Vortrag:
Augusteische Kunst in Südfrankreich,
in welchem er die Werke augusteischer Epoche, welche in
Südfrankreich in beträchtlicher Anzahl erhalten sind, bestimmter
zu charakterisieren sucht und daraus auf andere Denkmäler,
insbesondere das Tropaion von Adamklissi, Schlüsse zieht;
dabei werden neue Tatsachen hervorgehoben, welche die These
des Vortragenden über dieses Denkmal bestätigen.
Historische Klasse.
Herr Pöhlicann hält einen Vortrag:
Zur Greschichte der antiken Publicistik. Erster Teil.
Die Abhandlung sucht nachzuweisen, dass die übliche
Methode der sprachlichen und literarischen Beurteilung der
unter dem Namen Sallusts überlieferten politischen Denk-
schriften für Cäsar denselben in keiner Weise gerecht wird und
vielfach zu falschen Ergebnissen in Bezug auf Herkunft und
geschichtlichen Wert der Schriftstücke geführt hat. Es wird
gezeigt, dass nichts der Annahme im Wege steht, dass der
Verfasser insbesondere des zweiten Pamphlets entweder selbst
der Zeit Cäsars und Sallusts sehr nahe stand oder wenigstens
aus guter — sei es nun zeitgenössischer oder auf zeitgenös-
sische Quellen zurückgehender — Überlieferung geschöpft hat.
Der zweite Teil wird im Januar 1904 nachfolgen und die
ganze Abhandlung dann in den Sitzungsberichten erscheinen.
514
öflFentlicho Sitzung
zu Ehren Seiner Königlichen Hoheit des
Prinz-Regenten
am 25. November 1903.
Der Präsident der Akademie, Herr K. A. v. Zittel, erofinet
die Festsitzung mit der folgenden Rede:
Königliche Hoheit!
Hohe Festversammlung!
Wenn sich die Mitglieder der K. B. Akademie der Wissen-
schaften heute zu Ehren ihres Allerhöchsten Protektors, des
Prinzregenten Luitpold von Bayern in festlicher Sitzung ver-
einigen, so haben wir bei einem Rückblick auf das verflossene
Jahr besondere Veranlassung zur Dankbarkeit. Zahlreiche Be-
weise der Huld unseres hohen Protektors haben uns gezeigt, dass
sein Interesse an dem Gedeihen und Blühen unserer Akademie
unverändert fortdauert und auch von seiten der K. Staats-
regierung und der hohen Kammern des Landtags hatten wir
uns einer besonders wohlwollenden Berücksichtigung mancher
langjähriger Wünsche zu erfreuen.
In erster Linie verdanken wir es der Initiative des früheren
Herrn Kultus-Ministers von Landmann, dass heute das Wil-
helminische Gebäude zum grössten Teil mit Zentralheizung
versehen ist, die es nunmehr gestattet, auch in den Winter-
monaten in den Museumsräumen zu arbeiten und die Samm-
lungen dem öffentlichen Besuche zugänglich zu machen. Soweit
Hede 515
sich bis jetzt übersehen lässt, fungiert die Zentralheizung be-
friedigend und da bei dieser Gelegenheit auch eine gründliche
Renovierung der inneren Räume unseres Gebäudes stattgefunden
hat, so besitzen dieselben nunmehr ein würdigeres Aussehen.
Der von Sr. Exzellenz Herrn von Landmann projektierte
umbau des Wilhelminums konnte leider noch nicht in Angriff
genommen werden, weil die Justizbehörden die von ihnen ein-
genommenen Lokalitäten voraussichtlich erst Ende nächsten
Jahres verlassen werden und weil sich der Verlegung des Münz-
kabinetts unerwartete Schwierigeiten in den Weg stellten. Auch
der geplante Neubau eines Museums für Abgüsse antiker Bild-
werke ist leider nicht zustande gekommen.
So dauert der fast unerträgliche Platzmangel in unseren
Museen noch unverändert fort und mit Sehnsucht sehen wir
der Zeit entgegen, wo es die Finanzlage Bayerns gestattet,
diesem beklagenswerten Zustand ein Ende zu machen.
Mittlerweile wachsen unsere Sammlungen in einem früher
unerhörten Massstabe. Durch die Fürsorge der K. Staats-
regierung sind die Dotationen des Antiquariums, Münzkabinetts,
der zoologischen, prähistorischen und ethnographischen Samm-
lungen nicht unerheblich vermehrt und auch die Verhältnisse
des Personals in vielfacher Hinsicht verbessert worden. Aber
auch durch namhafte Geschenke wurden unsere Museen fort-
dauernd bereichert.
Von den Erwerbungen des Jahres 1902 seien folgende
hervorgehoben :
Antiquarium: A.Terrakotten: 1. archaisch: Gefass
in Form eines toienden Mannes, ein grotesker, sitzender Poly-
phem; 2. aus der Zeit des grossen Stiles: ein Silen und
Dionys; 3. aus der hellenistischen Periode: ein Büchsen-
deckel (Nachbildung nach einem in Silber getriebenen Original)
mit sich küssenden Köpfen; femer ein griechisches Kohlenbecken
und eine etruskische Totenkiste. B. Bronzen: Statuette eines
Qottes mit Wolfsfell (halbbarbarisch) ; jugendlicher Kopf mit phry-
gischer Mütze; ein altionisches Flachrelief; ein sich bäumendes
516 V, Zütel
Pferd; zwei etruskische Qreifenköpfe. G. Gold: Ein altpersisches
Gehängsei. D. Ein etruskischer Bernsteinkopf als Amulett.
E. Mehrere graziöse, antike Gläser.
Ägyptische Abteilung: 5 Bronzen, darunter eine Götter-
gruppe (Osiris mit Isis und Horus) imd ein kniender Priester,
Skarabäen, drei altbabylonische Ton täf eichen aus den Ausgra-
bungen von Nippur.
Botanisches Museum: Durch Kauf und Tausch wurden
760 Arten aus Kamerun, Spanien, Australien, Nordamerika,
Südafrika und Brasilien erworben; durch Geschenk 4626 Arten,
darunter 3000, welche das Herbarium des K. russischen Leib-
arztes Dr. Seb. Fischer enthielt, hierunter solche aus Arabien,
Madeira, übergeben von dem Sohne des Sammlers Landgerichts-
rat Anton Fischer; 900 Arten stammen aus der Schenkung des
Professors Dr. Fr. W. Neger, hauptsächlich solche aus Chile
und Patagonien.
Botanischer Garten: Durch Tausch ging aus den
botanischen Gärten in Göttingen uud Würzburg eine Anzahl
wertvoller Pflanzen zu, so namentlich ein grosses Exemplar von
Abotium Schiedei und Asplenium marginatum. Die Demonstra-
tionssammlung des Pflanzenphysiologischen Instituts
wurde besonders bereichert durch ausgezeichnete Exemplare der
merkwürdigen, parasitisch lebenden RaiFeniaceen Javas, welche
Dr. Xaver Lang dem Institut übei*sendete. Das Kryptogamen-
Herbarium bestrebte sich hauptsächlich, durch Erwerbungen
von zahlreichen Moosen die Lücken der sonst sehr reichen
Sammlung auszufüllen. Im Alpengarten auf dem Schachen
wurde infolge einer Zuwendung von 1400 M. aus der Münchner
Bürgei-stiftung und 900 M. von dem Verein zum Schutz und
zur Pflege des Alpen gartens damit begonnen, die Pflanzen in
Gruppen nach den natürlichen Familien anzupflanzen, während
vorher nur eine Anzahl biologischer Gruppen vorhanden war.
Ethnographisches Museum: Von den 250 Nummern
Zugänge werden hervorgehoben als Geschenk Sr. Majestät des
Deutschen Kaisers aus den Darbietungen des Prinzen Chun
zwei grosse prunkvolle Halbvasen chinesisches Cloisonn^ und
Uede, 517
die Faksimilereproduktion einer altsiamesischen Bilderschrift des
sogenannten cod. Nutall, ein Geschenk des Peabodymuseums der
ümyersitat Cambridge-Boston.
Mineralogische Sammlung: 1. für die Mineralien-
sammlung wurden sehr seltene Mineralien aus Australien,
Neu-Meziko, Dakota, Missouri, Japan und Grönland sowie eine
alte Prachtstufe Rotgiltigerz aus der Grube Kurprinz in Frei-
berg i. S. erworben. Hervorragend sind die nicht im Handel
befindlichen grönländischen Mineralien, welche Professor E. V.
Ussing in Kopenhagen schenkte. 2. Von den Erwerbungen
der Gesteins- und Lagerstättensammlung sind zu nennen:
eine vollständige Kollektion der Gesteine des Mont Blanc, eine
Sammlung Schwarzwaldgesteine, eine volle Erz- und Gesteins-
serie aus den Gruben der „Mitterberger Kupfergewerkschaft*
bei Bischofehofen ; femer Gesteins- und Erzproben aus der
neuen Goldzeche ^Fundkogel** am Zwickenberg bei Oberdrau-
burg in Kärnten, dem neuen Kiesbergbau Panzendorf im vor-
deren Yilgrattental; eine vollständige Lokalsuite vom HUtten-
berger Erzberg, ein Profil des Franz Joseph -Erbstollens zu
Nagyag, eine Serie Erze und Gesteine des grossen Zinkblende-
ganges am Schneeberg bei St. Martin im Passejr; ein Stück
Dolomit mit eingesprengten Korundkristallen aus dem Lozzach-
tal, das erste, bekannt gewordene Vorkommen dieses Minerals
in den Ostalpen. Eine Serie von Marmoren, Kalken, Dolomiten,
Nebengesteinen und Einschlüssen von den Fundorten Storzing,
Laas, Garrara, Massa, Ornavasso und Crevola. Ein wertvoller
Zuwachs wurde erworben aus Amberg, wo ein Hochofen nach
15 jähriger Tätigkeit abgebrochen wurde, dessen Gestellsteine
und Wände mit Mineralneubildungen erfüllt waren, darunter
besonders Graphit, kristallisiertes Zink, Ferrocyantitan etc.
Münzkabinett: Ein Tetradrachmon von Syrakus schönen
Stiles, ein Goldstater von Pantikapaeum, ein Aureus des Septi-
mius Severus aus dem Fund von Karnak, ein sehr seltener
und kostümlich interessanter Schautaler der Anna Maria von
Brandenburg-Bayreuth, eine sehr seltene Medaille auf Boccaccio.
Unter den mittelalterlichen Erwerbungen beansprucht beson-
518 V, Zittel
deren Wert der Tumosenfund von Altkaterbach, unter jenen
für die Gemmensammlung mehrere kostbare und archäo-
logisch interessante, altorientalische und griechische Stücke.
Museum für Abgüsse antiker Bildwerke: Neufor-
mungen durch den Präparator des Museums nach Originalen
in den Museen von München, Kopenhagen, Neapel und der
Villa Borghese, darunter etwa 120 geschnittene Steine. Käuf-
lich erworben 10 Stück aus Venedig, Kopenhagen, Berlin,
Dresden; als Geschenk erhalten 12 Stück aus Venedig, Corneto,
Neapel, Würzburg, Rom und Cypem. Die Photographien-
sammlung wurde um 567 Stück vermehrt.
Paläontologisches Museum: a) Geschenke: Ein voll-
ständiger Schädel des kleinen, diluvialen Flusspferdes nebst
Skeletteilen aus Madagaskar von Eugen Wolf; eine grosse
Anzahl Säugetierreste aus der Pampasformation, darunter To-
xodon, Panochthus und Glyptodon von Otto Günther in Fray-
Bentos, aus Ägypten ein prachtvoller Schädel von Zeuglodon
Osiris und zahlreiche andere Reste aus dem Eozän des Fayüm
von Dr. Stromer von Reichenbach, b) Ankäufe: Von Florentino
Ameghino wurde eine interessante Sammlung aus den ältesten
Tertiärablagerungen Patagoniens erworben; sie enthält die
wichtigsten Gattungen aus den Pyrotherium- , Colpodon- und
Notostylopsschichten und gibt einen trefflichen Einblick in
diese vor vier bis fünf Jahren noch völlig unbekannte Fauna,
die die Vorfahren der jetzt in Südamerika verbreiteten Eden-
taten, Marsupialier, Raub-, Huftiere, Nager u. s. w. enthält und
ausserdem durch eine Fülle höchst fremdartiger, in anderen
Kontinenten absolut unbekannter Säugetiertypen ausgezeichnet
ist. Aus den Mitteln des von Herrn A. Sedlniayr zusammen-
gebrachten Fonds konnte Herr Albert Hentschel eine zweite
Sammelreise nach Samos unternehmen, welche von grossem
Erfolg begleitet war. Aus den sonstigen Erwerbungen seien
genannt: eine stattliche Sammlung von fossilen Fischen und das
Originalexemplar des von Kramberger beschriebenen Aigialo-
saurus dalmatinus, ferner nordische Diluvialgeschiebe mit wohl-
erhaltenen Versteinerungen aus Preussisch-HoUand, eine Samm-
Bede. 519
lung Eohlenkalkversteinerungen aus Irland, Grinoideen und
Ästenden aus dem rheinischen Devon und Säugetierreste aus
dem Miozän von Qeorgensgmünd und Tutzing.
Anthropologisch-prähistorische Sammlung: a)Ge-
schenke: Eine Eleihe ausserbayerischer Yergleichsgegenstände
aus der Steinzeit vom römisch-germanischen Zentralmuseum
in Mainz; von Dr. P. Rein ecke Feuersteine und Scherben von
einer Feuersteinwerkstätte auf dem Heideberg unweit Biesenthal
(bei Berlin); von Otto v. Ktihlmann Steinbeile und Netzsenker
aus Eatiköi an der anatolischen Eisenbahn; von Freiherrn
V. Stromer Feuersteinmesser aus der Umgebung des Fayüm
(Ägypten); von Hofrat Schliz (Heilbronn) eine Serie neolithischer
Oefassscherben aus Grossgartbach; von Maurer (Reichenhall)
Gefassscherben und Tierknochen sowie Abguss eines bronze-
zeitlichen Gefasses von den Wohnstätten am Karlstein, b) Unter
den Erwerbungen aus den mit Zuschüssen der Kommission
für Erforschung der Urgeschichte Bayerns erfolgten Ausgra-
bungen ragen hervor die Funde des Bezirksarztes Dr. Thenn
in Beilngries, die des Assistenten Dr. B irkner südlich von
Mettendorf (zwei Bronzearmringe mit Tonkem, eiserne Pfeil-
spitzen aus der Hallstattperiode), c) Aus den Ankäufen:
Bronze- und Hallstattzeitliche Funde aus der Höhle bei „Dürr-
loch* im Schweighauser Forst, steinzeitliche aus der Gegend
von Halle a. S., ferner Bronzesicheln, gefunden am Schaf hof
bei Nürnberg. Die La Tene-Sammlung wurde bereichert durch
Funde des Lehrers Strehle aus dem Gräberfeld bei Manching,
die zum Teil unter Leitung des technischen Beirates der Kom-
mission für Urgeschichte, Oberamtsrichter a. D. Franz Weber,
ausgegraben wurden.
Zoologische Sammlung: Infolge einer durchgreifenden
Neu-Organisation konnten nur wenige erhebliche Objekte er-
worben werden. Den Hauptzuwachs bildeten mehrere bedeutende
Schenkungen: von Herrn Klumbeck aus München eine Samm-
lung Hexaktinelliden aus Japan und eine Kollektion Kamerun-
scher Säugetiiere und Skelette; aus dem Nachlass des Herrn
Hofsattlermeisters Gmelch eine Sammlung heimischer Spinnen;
190S. Bitigib. d. pliUoa.-phfloL iL d. bist KL 36
520 V. Zitta
Yoa Herrn Kunstmaler Hans Beatus Wieland zwei seltene
Paradiesvögel; Ton der Witwe des Herrn Dr. Funk in Bam-
berg eine Insektensammlung in etwa 100 Kästen; Ton Herm
Geheimrat Exzellenz y. KöUiker Octocorallien.
Von Oescbenken des Jahres 1903 seien als besonders her-
vorragende vorläufig erwähnt: Von I. K. Hoheit, Prinzessin
Therese von Bayern, unserm hochverehrten Ehrenmitglied«
ging dem botanischen Oarten eine Anzahl wertvoller Orchideen
aus Kolumbien zu.
Der anthropologisch -prähistorischen Sammlung schenkte
Herr Eugen Wolf 5 Schädel von madagassischen Eingeborenen
und das Skelett eines vornehmen Madagassen, deren Erwer-
bung mit erheblichen Schwierigkeiten und Gefahren verknüpft
war. Dieselbe Sammlung besitzt femer als höchst interessantes
und einzigartiges Geschenk von dem Marinestabsarzt Herrn
Dr. Mixius in Tsingtau die mit allen Fleisch- und Gehim-
teilen wohlkonservierten Köpfe von 6 hingerichteten chinesischen
Räubern.
Herr Fabrikant Reimer in Augsburg übergab der zoo-
logischen Sammlung 3000 M. zum Ankauf einer Variantenserie
von Tierarten der Galapagos-Inseln, an denen Darwin seine
berühmten Studien gemacht hat.
Die paläontologische Staatssammlung erhielt von Herrn
Eugen Wolf einen Schädel und viele Skeletteile des kleinen
füsbilen Flusspferdes (Uippopotamus Lemerlei) aus Madagaskar
nebst einer Auswahl von Skelettknochen des madagassischen
fossilen Riesenvogels Aepyornis.
Die Akademie sah sich ferner veranlasst, an folgende Herren
die silberne Medaille Bene merenti zu verleihen:
1. Herrn Bezirksarzt Dr. Thenn, der wichtige prähisto-
rische Ausgrabungen in Beilngries mit Umsicht und wissen-
schaftlichem Eifer geleitet und die wertvollen Funde der prä-
historischen Sammlung überlassen hat,
2. an Herrn Zeiske, welcher der mineralogischen Samm-
lung zahlreiche Dienste durch Geschenke grösserer Serien aus
Bede. 521
dem Oebiet von Mansfeld und den Salzlagerstätten bei Stassfiirt
und Leopoldshall erwiesen hat,
3. an Herrn Professor Dr. Fr. W. Neger in Eisenach, der eine
Sammlung von 900 selbstgesammelten Pflanzen aus Chile und
Patagonien und
4. an Herrn Apotheker August Loher in Manila, welcher
die Doubletten einer reichen Kollektion von Pflanzen der Phi-
lippinen dem botanischem Museum zugewendet hat.
5. Die silberne Medaille wurde ausserdem zuerkannt dem
Professor an der Industrieschule in Nürnberg Herrn Johann
Kaspar Rudel für seine mit grösster Aufopferung ausge-
führten Beobachtungen über die meteorologischen Verhältnisse
Nürnbergs.
Die Akademie selbst hat ihre wissenschaftliche Tätigkeit
in gewohnter Weise fortgesetzt. In den monatlichen Sitzungen
wurden eine grosse Anzahl von Mitteilungen gemacht, die meist
in den Sitzungsberichten und Denkschriften Veröffentlichung
fanden. Durch die Erhöhung unseres Druckkostenetats ist es
möglich geworden, hinsichtlich der Ausstattung unserer Publi-
kationen mit anderen Akademien Schritt zu halten und deren
Wert durch reichlichere Zugabe von Abbildungen zu erhöhen.
So veröffentlicht z. B. die I. Klasse eine mit 120 Tafeln aus-
gestattete prachtvolle Monographie über die von Herrn Professor
Furtwängler geleiteten äginetischen Ausgrabungen und in den
Denkschriften der H. Klasse finden sich verschiedene mit zahl-
reichen und schön ausgeführten Tafeln versehene Abhandlungen.
Überblicken wir die Fülle von Arbeit, welche im Jahre
1902 teils in den Schriften der Akademie zur Veröffentlichung
gelangte, teils in den verschiedenen Attributen des General-
konservatoriums geleistet wurde, so dürfen wir mit Befriedigung
auf unser Tagwerk zurückblicken. Von weiteren Kreisen wird
es freilich kaum nach seinem vollen Werte gewürdigt werden,
denn häufig liegen die Ergebnisse mühsamer Arbeit eines
Forschers in Schubladen oder Fächern eines Museums begraben,
die nur von Spezialisten benützt und richtig beurteilt werden
85*
522 V. Zütel
können. Auch viele der gelehrten Abhandlungen in unseren
Akademieschriften gewinnen nur Interesse und Bedeutung,
wenn sie mit der oft unendlich weitschichtigen, einschlägigen
Literatur in Zusammenhang gebracht werden. Aber es ist das
alles Material, das zur Oewinnung wissenschaftlicher Wahr-
heiten führt. Vieles davon erscheint dem Laien unnütz und
Manches sogar verlorene Mühe. Er wundert sich, warum man
statt solcher Detailarbeit sich nicht mit den höchsten Problemen
der Wissenschaft beschäftigt. Er vergisst dabei, dass der Weg
zu jenen luftigen Höhen mit unendlicher Mühe gebahnt werden
muss und dass es nur wenigen Auserwählten überhaupt gelingt,
sie zu erreichen. Und auch die wissenschaftliche Kleinarbeit
kann zu den herrlichsten Resultaten führen; sie ist es, welche
uns die Naturkräfte Untertan macht und unsere irdischen Da-
seinsbedingungen verbessert. Aber auch die auf rein geistigem
Gebiet errungenen Werte üben einen massgebenden Einfluss
auf die Entwicklung der ethischen und materiellen Kultur der
Menschheit aus.
Solche Erwägungen sind es wohl, welche die Bestrebungen
und Arbeiten der Akademien dem Volksbewusstsein wieder
näher gebracht haben, und welche in den letzten Jahren auch
unserer Akademie eine Anzahl Stiftungen zuführten.
Heute bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen von einer
in Aussicht stehenden Stiftung berichten zu dürfen, welche zu
den bedeutendsten zählen wird, über die unserer Akademie das
Verfügungsrecht zustehen soll.
Der Urheber dieser Stiftung, Herr Albert Samson, lebt
gegenwärtig als Rentner in Brüssel. Er ist deutscher Staats-
angehöriger und wurde im November 1837 zu Braunschweig
geboren. Im Hause eines Pastors zu Braunschweig erzogen,
absolvierte er daselbst das Gymnasium und widmete sich sodann
dem kaufmännischen Berufe des Vaters, der ihn alsbald der
Filiale seines Bankhauses in New York zuteilte. Schon nach
einem Jahre gab er indes diese Tätigkeit auf und unternahm
längere Reisen durch England, Deutschland, die Schweiz und
Italien, begleitete u. a. General Lamoriciere auf seinem Zuge
Bede. 523
über die Apenninen nach dem belagerten Ancona, und war
Zeuge der Schlachten von GastelfidardOf Santa Maria di Capua
und am Yoltumo. Sodann liess er sich in Turin nieder und
unternahm von dort aus Reisen durch alle Küstenländer des
Mittelmeeres. Später verlegte er seinen Wohnsitz nach London
und unterrichtete sich durch mehrfache wissenschaftliche Reisen
über die sozialen Zustände in Nordeuropa und Nordamerika.
Im Jahre 1869 errichtete er unter seinem Namen ein
Bankhaus in Berlin, trat jedoch im Jahre 1874 die Leitung
desselben ab. Nunmehr 87 Jahre alt geworden, begann Herr
Samson sich ganz dem ihm angeborenen, wissenschaftlichen
Triebe hinzugeben, aus dem bereits seine planmässig angelegten
Reisen hervorgegangen waren. Von dem idealen Drange be-
seelt, sich selbst und die Welt kennen zu lernen, warf er sich
mit jugendlichem Enthusiasmus nacheinander auf das Studium
der Medizin, der Naturwissenschaften, der Nationalökonomie,
der Geschichte, der Völkerkunde und der Philosophie. Es gibt
kaum einen berühmten Lehrer dieser Fächer in Berlin, den
Herr Samson damals nicht gehört hätte. Mit vielen stand er
in persönlichem Verhältnis. Sogar mit femer liegenden Fächern,
mit der Ägyptologie und Assyriologie, machte er sich bekannt.
Die Pflege dieser allzeit mit grossem Ernst betriebenen Studien
nahm nicht weniger als 12 Jahre in Anspruch. Endlich hat
er nach dem Spruche: „Homini nobili jura sua ignorare non
licet" noch vier Jahre den juristischen Fächern zugewendet.
Auf dem Orunde einer ebenso allseitigen als tiefen Bildung
erhob sich in ihm mit der Macht einer Lebensaufgabe der
heisse Wunsch, mit kräftiger Hand am moralischen Fortschritt
der Menschheit mitzuwirken. Es schien ihm, als ob in dem
grossen Kreis der menschlichen Wissenschaft die Erforschung
der Moral nicht den Platz einnehme, den sie nach ihrer Be-
deutung zu beanspruchen berechtigt ist. Und in der Tat kann
es nicht geleugnet werden, dass hierin Grosses geschaffen und
eine umfassende Tätigkeit zum Wohle der Wissenschaft und der
Zivilisation entwickelt werden kann. Freilich hat die Durch-
führung einer so grossen und umfassenden Aufgabe zur Voraus-
524 V. zma
Setzung, dass die zur Verfügung stehenden Mittel ausser-
ordentlich bedeutend sind.
Unter Beobachtung aller Erfordernisse des internationalen
Privatrechtes hat Herr Samson unserer Akademie durch sein
hier hinterlegtes Testament einen Zufluss zu ihrem Vermögen
zugewendet.
Das dieser Stiftung zu Grunde gelegte Programm wurde
nach langen Verhandlungen, bei welchen sich Herr Bechts-
anwalt Professor Dr. Loewenfeld als der Vertreter des Herrn
Samson und der Sekretär unserer Akademie, Herr Dr. Karl
Mayr, die grössten Verdienste erworben haben, von den beiden
Herren in stetem Einvernehmen mit dem Präsidenten der Aka-
demie vereinbart und hat bereits durch Ministerial-Entschliessung
vom 14. April 1903 die Billigung des E. Staatsministeriums des
Innern füi' Kirchen- und Schulangelegenheiten gefunden. Es
lautet :
Statut der Samsonstiftung.
L Zweck der Stiftung.
Der Zweck der Stiftung besteht in der wissenschaftlichen
Erforschung und Begründung der Moral des Einzelmenschen
und der gesellschaftlichen Moral an der Hand der Ergebnisse
der Natur- und Geschichtsforschung, und besonders der empi-
rischen Psychologie, ferner in der Feststellung der Folgerungen
aus den Ergebnissen dieser Forschung für das Leben des Einzel-
menschen und ftlr das Qesellschaftsleben.
Die Mittel der Stiftung sollen insbesondere gewidmet sein:
1. Der Erforschung des Ursprungs, der urgeschichtlichen
und weiteren geschichtlichen Entwickelung der Moral und der
einzelnen Moralgesetze ;
2. der Erforschung des Einflusses der körperlichen und
geistigen Veranlagung des Menschen, besonders der Rasse,
weiter des Einflusses der Bodenbeschafienheit, der topographi-
schen, geographischen und meteorologischen Verhältnisse, ferner
der Erforschung des Einflusses der Kultur, der Erziehung, der
Arbeit, der wirtschaftlichen, vorzüglich der gewerblichen Be-
dingungen derselben, der Ernährung und ähnlicher Verhältnisse;
. Bede. 525
3. der Feststellung und Unterstützung der Folgerungen
aus den Ergebnissen der zu 1 und 2 bezeichneten Forschungen
für die physische und sittliche Lebenshaltung des Einzel-
menschen, sowie für das Gemeinschaftsleben. — Dogmatische,
speziell dogmatisch-philosophische oder theologische Moral-
begründungen sind — in Gemässheit der Satzungen der Aka-
demie — yon dem Stiftungszwecke ausgeschlossen und können
nur als Gegenstand der Geschichtsforschung (Ziffer 1) in Be-
tracht kommen.
n. Stiftungsyerwaltung.
1. Die Stiftung, die von der K. Akademie der Wissen-
schaften in München zu organisieren ist, wird durch einen
eigenen mehrgliederigen Vorstand mit dem Sitze in München
verwaltet. Die Mitglieder des Vorstandes bestimmt die K. Aka-
demie der Wissenschaften. Der Vorsitzende des Vorstandes
soll ein Vertreter der Naturwissenschaft sein. In den Vorstand
sollen Gelehrte aller Länder aufgenommen werden können.
Unter allen Umständen sind der jeweilige Präsident der Aka-
demie und die Elassensekretäre Mitglieder des Vorstandes;
2. die Mitglieder des Vorstandes und die Verwaltung sollen
aus Stiftungsmitteln honoriert werden.
HL Verfolgung des Stiftungszweckes.
Der Stiftungszweck soll verfolgt werden:
1. Durch Bestellung einer ständigen, wissenschaftlichen
Leitung, bestehend aus Gelehrten der in Betracht kommenden,
hauptsächlichen Disziplinen.
Bezüglich dieser ständigen wissenschaftlichen Leitung sollen
die Bestimmungen zu II, Ziffer 1, Satz 2 bis 5, sowie Ziffer 2 gelten ;
2. durch Bestellung der erforderlichen wissenschaftlichen
Kräfte für die Ausführung der jeweils als veranlasst erschei-
nenden Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen;
3. durch Unterstützung verwandter Institute und wissen-
schaftlicher Unternehmungen.
526 WakUn.
Falls die Mittel durch das Arbeitspn^ramm eines Jahres
nicht aufgebraucht werden, können sie fBr verwandte Zwecke,
insbesondere aus dem Gebiete der Naturwissenschaften und
Geschichte verwendet werden.
lY. Namen der Stiftung.
Die Stiftung soll den Namen «Samson-Stiftung* fiiliren.
Die für diesen Zweck testamentarisch vermachte Summe
beträgt eine halbe Million Mark.
Als ein Zeichen ihrer Dankbarkeit für diese hochherzige
Stiftung hat die Akademie Herrn Albert Samson ihre höchste
Auszeichnung, die
goldene Plato-Medaille Bene Merenti
mit Zustimmung der K. Staatsregierung verliehen.
Möge es uns und unseren Nachfolgern gelingen, den Er-
wartungen, welche der edle Stifter in die E. Bayer. Akademie
setzt, allezeit gerecht zu werden.
Dann verkündigten die Elassensekretäre die Wahlen.
Es wurden gewählt und von Seiner Königlichen Hoheit
dem Prinz-Regenten bestätigt:
I. In der philosophisch-philologischen Klasse:
als ausserordentliches Mitglied:
Dr. OttoCrusius, Grossherz. Badischer Geh. Hof rat, Professor
der klassischen Philologie an der Universität zu MüncheD;
als korrespondierende Mitglieder:
Dr. Otto Lenel, Professor des römischen und bürgerlichen
Rechts an der Universität zu Strassburg;
Dr. Wilhelm Dilthey, Geh. Regierungsrat, Professor der
Philosophie an der Universität zu Berlin;
WäKUn. 527
Dr. Ludwig Mitteis, Oeh. Hofrat, Professor des römischen
Rechts an der Universität zu Leipzig;
Dr. Paul Wolters, Professor der Archäologie an der Univer-
sität zu Würzburg.
n. Li der historischen Klasse:
als ausserordentliches Mitglied:
Dr. Michael Doeberl, Gymnasialprofessor am Kadettenkorps
und Privatdozent der Geschichte an der Universität zu
München;
als korrespondierende Mitglieder:
Dr. August Meitzen, Geh. Regierungsrat, Professor der Staats-
wissenschaft an der Universität zu Berlin;
Dr. Otto Gierke, Geh. Justizrat, Professor des deutschen Privat-
und Staatsrechts an der Universität zu Berlin;
Dr. Richard Fester, Professor der Geschichte an der Univer-
sität zu Erlangen;
Dr. Robert Yischer, Professor der Kunstgeschichte an der
Universität zu Göttingen.
Darauf hielt das ordentliche Mitglied der philosophisch-
philologischen Klasse, Herr K. v. Amira, die besonders ver-
öffentlichte Gedächtnisrede auf Konrad v. Maurer.
528
Sitzung vom 5. Dezember 1903.
Philosophisch-philologische Klasse.
Herr Sakdbergeb spricht
Über die im XII., XIY. und XVI. Band der Lasso-
ausgabe zum Neudruck gelangenden vier- bis
achtstimmigen Kompositionen mit französi-
schen Texten.
Die Vorlagen sind aus deutschen, französischen, helgischeo,
englischen , schwedischen , österreichischen imd italienischen
Bibliotheken gesammelt. Auf die Sorglosigkeit Lassos, auf
Nachdrucke des 16. Jahrhunderts, den gänzlichen oder teil-
weisen Untergang von Erstdrucken, auf massenhafte Unter-
schiebungen fremder Texte ist es zurückzufahren, wenn die
Quellen Verhältnisse hier verworrenere waren, als hei irgend
einer anderen Gattung Lassoscher Tonwerke.
Nach Klärung des Materials bleiben an originalen, in
zuverlässigen Vorlagen (darunter einige Autographe) erhaltenen
Stücken 145 nachweislich; ihnen stehen 240 Nummern mit
geändertem Text gegenüber. An Hand von Dokumenten aus
Münchener Archiven, den Archives de France u. s. w. berichtet
der Vortragende sodann über die französischen Beziehungen
Lassos im Allgemeinen, seine Freundschaft mit Adrien le Roj,
seine Pariser Reise im Jahre 1571, sein Verhältnis zum fran-
zösischen Hofe, die Beteiligung an der Komposition eines 1573
aufgeführten ballet de la cour, seine Berufung nach Frankreich
und die hierauf bezüglichen irrigen Angaben de Thous etc.;
femer über die Beziehungen des Meisters zur französischen
Literatur, welche mit Alain Chartier beginnen, mit Guy du
SHiMung vom 6. Daember 1903. 529
Faur de Pibrac enden. Von Dichtem der Yorrenaissance sind
vertreten Villon, Octavien de Saint-Gelais, Bouchet, Melin de
Saint-Gelais und besonders Marot. Marot ist der von Lasso
bevorzugte französische Poet, im Allgemeinen aber nimmt der
Komponist tieferes Interesse an der italienischen Literatur.
Von Dichtem der Plejade erscheinen Du Bellay, Ronsard,
Belleau, de Baif, de Magny. Wegen der Wahl anstössiger
Gedichte erfuhr Orlando Angriffe von Seiten der Hugenotten,
welche auch jene Editionen der Chansons veranlassten, in denen
unter grotesker Fälschung des musikalischen Ausdrucks religiöse
Texte unterschoben sind. Der Vortragende erörtert sodann
die für die geschichtliche und ästhetische Würdigung mass-
gebenden Merkmale des Lassoschen Chansons. Als Orlando
dies Gebiet zu bebauen begann, gab es daselbst zwei künst-
lerische Richtungen. Er versenkt sich gerne in das dichterische
Detail, wie die französischen Chansonkomponisten tun, charak-
terisiert auch vielfach mit den gleichen Mitteln. Hiebei über-
trifft er seine Vorgänger an Prägnanz jener kleinen Motive,
mit deren jeweiliger imitatorischer Ausbreitung auch er einen
dichterischen Gedanken stärker oder schwächer hervorhebt und
ciseliert solche Stellen auf Grund einer in höherem Grade
meisterlichen Technik zu intimen Episoden kontrapunktischer
Kleinkunst. Er handhabt souverain die schon seit Jannequin
u. A. in Frankreich bekannten italienisch-medrigalischen Mittel
häufiger Wort- und Begriffsmalerei, markiert oder verschleiert
wie im Madrigal die metrischen und gedanklichen Abschnitte
der Dichtung durch Kadenzen in allen oder einzelnen Stimmen.
Durch sjUabische Deklamation auf kurzen Notenwerten erzielt
er, wo er will, die Leichtigkeit des gallischen Konversationstons.
Heiterkeit, Grazie und Esprit, Anmut und Witz stehen ihm
wie den Franzosen zur Verfügung, an Innigkeit und Wärme
— daran erkennt man den Orlando der Motette u. s. f. wieder —
ist er ihnen überlegen, ebenso an der gelegentlich vom Dichter
geforderten kontemplativen Kühe. Einigen petrarchisierenden
Sonetten hat Lasso feinfühlig auch die entsprechende madri-
galisch-spirituelle Note beigegeben. Aber auch auf nieder-
530 Sügung wm 6. DeMmber 1903,
ländischen Pfaden der Ghansonkomposition bewegt sich Lasso;
hier beschränkt er sich der Hauptsache nach mehr auf Wieder-
gabe der Grundstimmung und verwendet schwereres Rüstzeug
imitatorischer Künste. An fremdem, von ihm benutzten musi-
kalischem Stoff lassen sich volkstümliche Lieder (Susanne un
jour; Dessus le march^ d'Arras u. a.) namhaft machen. Eine
Kuriosität ist die gelegentliche Persiflierung kirchlicher Weisen
zu profanem Zweck.
Historische Klasse.
Herr Riezler vollendet seine in der Märzsitzung dieses
Jahres begonnenen Mitteilungen
Über Kriegstagebücher aus dem ligistischen
Hauptquartier 1620,
indem er die Tagebücher der Münchener Jesuiten Buslidius und
Drexel und die in italienischer Sprache geschriebene Feldzugs-
geschichte des unbeschuhten Karmeliters P. Pietro von der
Muttergottes besprach. Buslidius weilte im ligistischen Haupt-
quartier als Beichtvater Herzog Maximilians von Bayern, Drexel
als dessen Hofprediger. P. Pietro aus Siena, der vor seinem
Eintritt in den Karmeliterorden Dr. Annibale Angelini hiess,
kam im Gefolge seines spanischen Ordensbruders, des auf
Maximilians Wunsch vom Papste entsandten P. Dominicus a
Jesu Maria. Sein Werk erweist sich trotz seines anspruchs-
vollen Auftretens zum grösseren Teil als eine Kompilation aus
bekannten Quellen, vornehmlich dem „Journal'' und Tillys
Dicchiaratione. Es liegt in einer Stuttgarter Handschrift vor,
während das Münchener Reichsarchiv die Tagebücher der beiden
Jesuiten bewahrt. In allen diesen Darstellungen geistlicher
Autoren tritt, wie sich erwarten lässt, der Charakter des Religions-
krieges besonders nachdrücklich hervor. Ihre Hauptbedeutung
haben sie für den künftigen Verfasser einer Kulturgeschichte des
dreissigjährigen Krieges, ohne dass die politische und militärische
Geschichte des Feldzuges von 1620 gänzlich leer ausginge.
Sitzung vom 5, Dezember 1903. 531
Herr Traube spricht
Über die Überlieferung der für die Geschichte
und Erkenntnis des Manichäismus auch neben
den neu erschlossenen orientalischen Quellen
sehr wichtigen Acta Archelai des Hegemonios.
Der Schluss des Werkes, der in der Handschrift von Monte-
cassino fehlt und bisher vermisst wurde, hat sich in einer
andern italienischen Handschrift erhalten und gibt u. A. für
den Namen des Verfassers die urkundliche Bestätigung und für
die Zeit des Übersetzers einen festeren Anhalt.
Derselbe berichtet femer
Über eine von ihm und Herrn Dr. Max Fastlihger
unternommene zeitliche und örtliche Bestim-
mung des in Fulda liegenden Codex Bonifa-
tianus 2 und eines mit ihm paläographisch
übereinstimmenden St. Emmeramer Fragmentes
der Münchener Hof- und Staats-Bibliothek aus
dem achten Jahrhundert.
Die Fulder Handschrift ist wichtig durch die in ihr
erhaltene Sammlung patristischer Schriften, von denen nur die
Titelangaben in einer Handschrift aus Nonantola in gleicher
Folge wiederkehren, und ehrwürdig durch die wahrscheinlich
berechtigte Tradition, die sie mit dem heiligen Bonifatius selbst
in nächsten Zusammenhang bringt.
533
Acta Archelai.
Yorbemerkang zu einer neuen Aasgabe.
Von Ludwig Traube.
(Vorgetragen in der historischen Klasse am 5. Dezember 1903.)
L Eittftlhraiig.
Für die Geschichte des Manichäismus sind, wenn auch nicht
so wichtig wie die neu erschlossenen orientalischen Quellen, doch
von hoher Bedeutung die Acta Archdai, von denen früher die
Forschung ausging.
Der unter diesem Namen bekannte Bericht über z weiBeligions-
gespräche, die Mani, der Stifter der neuen persischen Lehre,
mit Archelaus, einem Bischof von Mesopotamien, geführt haben
soll, — ein glücklicherweise sehr unordentlicher Bericht, in den
vieles hineingesteckt ist, was nicht zur Sache gehört und ihr doch
erst den Wert verleiht — war ursprünglich griechisch geschrieben.
Ziemlich umfangreiche Stücke hat Epiphanius im Panarium teils
ausgehoben, teils umschrieben. Doch beruht unsere Kenntnis
im Wesentlichen auf der alten lateinischen Übersetzung.
Als Verfasser des griechischen Originals gilt 'Hyejbiöviog
nach dem von Photius angeführten Zeugnis des Heraclianus
von Chalcedon. Von Hegemonius weiss man nichts weiter als
eben diesen Namen. Als Abfassungszeit wird im Allgemeinen
die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts angenommen. Doch
setzt Adolf Hamack eine engere Grenze, indem er Bedenken
trägt, das Werk noch als yornicänisch zu bezeichnen. Bekannt
war es jedenfalls schon dem Epiphanius (374 — 377) und dem
Hieronymus (392).
584 Ludwig Traube
Mit dem Alter der Übersetzung hat man sich weniger
beschäftigt. Hamack nennt sie nachhieronjmianisch und vor
der Einbürgerung der Yulgata erfolgt.
Vielleicht würden wir vom Original und von der Übersetzung
mehr wissen, wenn wir den Schluss der Übersetzung hätten.
Allein, was einst Zacagni unter seinen Text setzen musste:
nonnulla fortasse desuntj das steht auch noch unter der letzten,
von Routh besorgten Ausgabe, und wäre nicht als Vermutung,
sondern als Tatsache ausgesprochen worden, wenn man die
Anführung aus den Exegetica des Basilides, in welcher das
letzte Kapitel der Acta, mitten im Satz, abbricht, genauer
erwogen hätte.
Ich bin nun in der glücklichen Lage, der lateinischen Über-
setzung den bisher fehlenden Schluss zurückgeben zu können.
Es ergibt sich aus ihm, dass der Verfasser des Originals wirk-
lich der Hegemonius ist, den Heraclianus erwähnt; wir ent-
nehmen ferner einem der Übersetzung angehängten Ketzer-
kataloge genaueres über die Zeitumstände des Übersetzers; wir
erhalten einen recht umfangreichen und bedeutsamen Nachtrag
zu den Fragmenten des Basilides; und schliesslich, die Hand-
schrift, die den Schluss bietet und zugleich für die ganze Schrift
einen unabhängigen und vielfach reineren Text, ermöglicht es
erst, eine kritische Ausgabe der Acta Archelai herzustellen.
Es geht damit der Wunsch des Zacagni, freilich sehr postum,
in Erfüllung: Fortasse hoc opus deo dante correcäus recudere
fas erit, si aliquod aliud exemplar inter lustrandum bibliothecarum
nostrarum loculos occurrat,
II. Die früher bekannten Handschriften (A, T, C, F).
1. {A) Mailand, Ambros. 0. 210 Sup. aus Böbbio,
geschrieben im sechsten Jahrhundert in Halb-Unciale, enthält
auf fol. 33^^ — 45 Auszüge aus den Acta, und zwar capp. IV — 'X'TT
(= Reliquiae sacrae rec. Routh, ed. II, vol. V, pag. 41 — 72) und
capp. XLI— XLV (== ib. pag. 146—165). Vgl. Beiflferscheid,
Bibliotheca patrum latinor. italica U 94 — 96 und Chatelain,
Acta Archelai, 585
Scriptura uncialis tab. LXYIII. Die Überschrift ist: Ine doc-
trina iniqui et perßdi Mamchei. In qua dodrina dedpet (!)
aninuzs infirmorum, unde tu, Christiane catholiee (ccUhdicae k),
qidsqids es, lege et cave, ne seducaris verUs eius et cadas in
laqueos ipsius. Am Schlüsse der AuszUge steht: Expiidt. lege
cum pace. Diese Form der Subscriptio (lege cum pace, wovon
lege in pace verschieden ist) wird vielleicht, wenn man auf
derartige Kleinheiten länger und besser geachtet hat, dazu bei-
tragen können, die Herkunft der Handschrift oder doch der
Überlieferung näher zu bestimmen. Sie findet sich im Vere-
cundus (Leiden Voss. lat. F. 58, wo aber cum pace amen steht)
im Lyoner Heptateuch, in der grossen Bibel Paris lat. 11553,
im Hilarius de trinitate (z. B. Cambrai 541). Das spricht wohl
für afrikanische Tradition, die sich über Spanien und Süd-
frankreich verbreitet, die aber auch unmittelbar nach Italien
überspringen kann. Der Ambrosianus enthält in seinem ersten
gleichartigen Bestandteile (fol. 1 — 45) noch einen Brief des
Augustinus an Hieronymus (Hier. epp. CXXXI) und dessen
Antwort (epp. CXXXIV), Anatheme gegen die Manichäer (vgl.
unten S. 549) und den sog. Vigilius de trinitate in der kürzeren
Fassung. Es ist diese Handschrift die erste, aus der Stücke der
Acta bekannt wurden: Henricus Valesius veröffentlichte aus ihr
die oben bezeichneten Auszüge hinter seiner Ausgabe der Kirchen-
geschichten des Sokrates und Sozomenus (Paris 1668).
2. (T) Turin, Bibliothek des Hofarchivs L b. VL 28
aus Bobbio, geschrieben im sechsten oder siebenten Jahrhundert
in Unciale, bietet hinter der Epitome des Lactantius und vor
dem wahrscheinlich afrikanischen lAber genealogus auf fol. 61
eine kurze Geschichte des Mani mit Sätzen, die aus den
capp. LH— LV der Acta (= ßouth pag. 187 — 197) zusammen-
gesetzt sind. Sie beginnt: Sciti^inus quidam fuit ex genere
Sarraeenorum und schliesst mit der Aufforderung, Weiteres in
den Acta selbst nachzulesen: haec ita esse melius nasse cupientes
Archdaum legant Vgl. die Beschreibung der Handschrift bei
Keifferscheid 1. c. pag. 140 sq. und Mommsen in der Ausgabe der
Chronica minora I 156; ein Bild u. A. bei CipoUa, Monumenta
1908. Stti«sb. d. phUo8.-phüol. n. d. bist KL 36
536 Ludwig Tratte
palaeogr. sacra tav. 7. Qednickt wurde das Stück von Fabricius ^)
am Schlüsse seiner Ausgabe des Hippolytus (Hambui^ 1718)
und ohne Kenntnis davon noch einmal von Reifferscheid.
3. ((7) Montecassino 871, in beneventanischer Schrift
des elften Jahrhunderts, überliefert hinter dem Kommentar des
Presbyter Philippus zum Hiob auf fol. 66 — 113^ den einzigen
bisher bekannten vollständigen Text der Acta. Diese Hand-
schrift zog der Bibliothekar der Vaticana Lorenzo Zacagni in
seinen Collectanea monumentorum veterum (a. 1698) zur ersten
Gesamtausgabe der Acta heran, oder, um es genauer zu sagen,
er benutzte eine aus ihr in Rom für ihn genommene Abschrift.
Man hat bisher nicht beachtet, dass der Gasinensis am Schlüsse
der Acta, welcher zugleich der Sohluss der ganzen Handschrift
ist, eine äussere Verletzung erlitten haben muss. Aus Reiffer-
scheids Beschreibung (1. c. pag. 422) wird das völlig klar.
Hierdurch erklärt sich, dass seit Zacagni wohl der vollständige
Text der Acta im Umlauf ist, aber ohne seinen richtigen Ab-
schluss. Dem Anscheine nach fehlt im Gasinensis das letzte Blatt.
4. (F) Auszüge aus capp. LI — LV der Acta, die nicht
identisch sind mit den oben angeführten von T, kommen in
mehreren Handschriften im Anschluss an das Augustinische
Commonitorium vor. Ihre Überschrift ist: Qtu)d iste Manes non
Sit auctor huius heresis, $ed potius qiddam StuHanus (!); der
Beginn : quidam Stutianm nomine. Für eine Ausgabe der Acta
müsste diese Sonderüberlieferung erst hergestellt werden, und
nur die hergestellte Form dürfte im Apparate erscheinen. Die
folgenden Handschriften scheinen dafür in Betracht zu kommen.
Rom Reg. lat. 562, ein Sammelband des sechzehnten Jahr-
hunderts mit vielen Abschriften aus älteren Godices. Vgl. Mont-
faueon, Bibliotheca bibliothecar. I, 44 (unter n. 1335); Beth-
mann im Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts-
kunde XII, 292 ; Nürnberger im Neuen Archiv derselben Gesell-
schaft Vni, 315. Diese Handschrift wurde, wie es scheint, von den
Maurinern für ihre Ausgabe des Commonitorium im achten Bande
^) Darnach wiederholt bei Routh p&g. 33 — 34.
Ada ÄrchelaL 537
der Werke des Augustin herangezogen (= MigneVIII, 1153),
und sicher hat aus ihr Zacagni zehn Jahre später die Aus*
Züge der Acta kennen gelernt und benutzt (vgl. bei Routh pag. 22
und 186). Die Abschrift war nach einem Codex S. Salmi gemacht.
Da auch sonst französische Handschriften im Reginensis benutzt
sind, so mag, wie Zacagni meinte, das Original dem Kloster
Saint-Saulve in der Diözese Amiens angehört haben. Doch gibt
es Klöster desselben Namens wie ausserhalb Frankreichs, so in
Frankreich auch ausserhalb der Diözese von Amiens.
Paris lat. 1908 und Paris lat. 1918, beide aus dem
dreizehnten Jahrhundert. Sie haben nach Zjcha (Corpus scriptor.
ecclesiasticor. Vindob. vol. XXV, pag. LXXVII) hinter dem Com-
mmUorium die eben mitgeteilte Überschrift. Ob nun die Aus-
züge selbst in ihnen überliefert sind, ist mit meinen augen-
blicklichen Hül&mitteln nicht festzustellen, scheint aber sehr
wahrscheinlich, obgleich Zycha die Überschrift der Auszüge
für die Unterschrift des Commonitarium hält. Fehlen die Aus-
züge und findet sich nur ihre Überschrift, so standen sie
doch sicher im Original.
in. Die neue Handschrift (M),
Im April 1902 erwarb ich von dem hiesigen Antiquar
Herrn von Ro^ycki einen schönen, sehr sorgßLltig geschriebenen
Folianten: 106 Pergamentblätter im Formate von 27 x 35,
jede Seite zu 2 Kolumnen von 41 bis 44 Zeilen. Sein Inhalt
ist folgender:
fol. 1 IncijAt liber prinms sancü Augustini de consensu
emngdistarum bis fol. 46 Exjpiicit liber sancü Augustini epi-
scopi de consensu euangelistarum,
fol. 46 IndpU cUtercaüo sancti Archday episcopi Mesopotamie
ctim maledicto Manicheo heretico, ubi dicUur et de condiciane et
de doctrina et de ßne ipsius maledicti Manichd bis fol. 63 Explicit
oltercatio sancü Archdai episcopi contra Manen heresiarchnm.
fol. 63 Indpit liber sancti Augusüni episcopi ad FauUnum
ej^scopum de cura pro mortuis agenda bis fol. 67^ JtJxplicit liber
36 •
538 Ludwig Traube
sancü Ättgtisäni ad heaässimum Paulinum qdscapum de cum
pro mortuis»
fol. 67^ IndpU über eiusdem sancü Äugtisäm de inmor-
talUate animae bis fol. 70^ ExplieU dialecüca saneä Augu^ni
episcopi de immartalUate anime.
fol. 70^ Inäpit Über eiusdem de presentia dei ad Dardanm
bis fol. 74^ Expliät liber sancü Äugusüni epscapi de presenüa dd,
fol. 74^ Incipiunt libri äusdem Äurdii Äugusüni de bab-
üsmo niimero Septem bis fol. 105^ Amen. Explidt Aurdü Äugu-
süni episcopi de bapüsmo contra Donaüstas liber sepümus,
fol. 105^ IncipU sermo eiusdem sancü Äugusüni contra venena
serpenium Manicheorum bis fol. 106^ Explidt sermo sancü Äugu-
süni episco^ contra venena serpentum Manicheorum, Hiennit
schliesst die Handschrift; der grössere Teil der ersten Kolumne
und die ganze zweite Kolumne der letzten Seite blieb frei; nur
hat eine spätere Hand ein nicht ganz vollständiges Inhalts-
verzeichnis hierher geschrieben.
Obgleich Herr v. Roiycki gleichzeitig auch die Hand-
schriften aus dem Nachlasse Joseph von Görres' zum Kaufe
ausbot, so spricht schon die äussere Erhaltung dafür, dass mein
Band, den ich im Folgenden als M(onacensis) bezeichne, kein
Goerresianus ist, dass er nicht Trierer, sondern italienischen
Ursprung hat. Freilich fehlt jeder Eintrag, der hier weiter
führen könnte. Der Einband ist aus Leder und trägt auf dem
Rücken nichts als den Titel DIVI AUGUSTIN DE CONSE
EVANGEL; er mag aus dem 18. Jahrhundert sein. Im Innern
des Deckels findet sich nicht der mindeste Anhalt. Was mich
beweg, die Handschrift zu kaufen, war neben dem grossen
paläographischen Interesse, das sie mir trotz verhältnismässiger
Jugend bot — ich denke sie um 1200 in Süditahen ent-
standen — , gerade der Umstand, dass sie die Acta Archdai
enthält. Mir war von meinen überlieferungsgeschichtlichen
Arbeiten her bekannt, wie selten dieses Werk in Handschriften
vorkommt. Trotzdem ich nun einen solchen Schatz besass,
oder vielleicht gerade deshalb, ging ich nicht sofort daran,
ihn genau zu untersuchen und auszubeuten. Sondern erst vor
Ada Ärehelai. 539
kurzem, als ein junger Historiker, Herr Ludwig Bertalot, zu
mir kam und um paläographische Förderung bat, lieh ich ihm
zugleich das Manuskript und die gangbare Ausgabe von Kouth
und forderte ihn auf, mir über die Stellung der Handschrift
zum Druck und zu den im Drucke herangezogenen Handschriften
zu berichten. Er tat dies nach einigen Wochen mit gutem
Verständnis, und er ist es, der zuerst auf den unbekannten
Abschnitt am Schlüsse aufmerksam machte. Ich forderte ihn
auf, dem merkwürdigen Stoffe weiter nachzugehen. Aber er
wollte seine noch nicht lange begonnenen Studien nicht diesem
entlegenen Gebiete zuwenden, und so musste ich für ihn ein-
treten. Ich war mir dabei bewusst, dass ich eine schnelle
Anzeige des Fundes den Bearbeitern der älteren christlichen
Literatur zu geben ebenso verpflichtet, wie eine zugleich be-
friedigende zu geben nicht befähigt war. Die Entsagung, die
somit zu üben war, hofft entsprechender Nachsicht zu begegnen.
Die erste Frage, die sich angesichts der neuen Handschrift
erhob, war diese. M hat den Schluss, der in C fehlt; in G
ist der Schluss durch einen äusseren Schaden verloren gegangen.
Ist M eine Abschrift von (7, die genommen wurde, als diese
Handschrift noch vollständig war? Doch diese Frage ist zu
verneinen, und damit wächst die Bedeutung von M um ein
Beträchtliches. Mag auch Zacagni oder der Mann, der C in
Rom für ihn abschrieb, oft flüchtig gearbeitet haben, in vielen
Fällen, wo M deutlich zu Ä und gegen C steht, können die
Sonderlesarten von C als blosse Flüchtigkeit der modernen
Abschreiber nicht aufgefasst werden. Doch wird eine Gegen-
überstellung von C und M und der kontrollierenden Lesarten
aus Epiphanius und A erst dann einen rechten Sinn haben
und die Veröffentlichung verdienen, wenn Ä und M noch ein-
mal verglichen sind. Nur eine sehr richtige und merkwürdige
neue Lesart hier schon anzuführen, kann ich mir nicht ver-
sagen. In cap. LH (Routh pag. 188,7) druckt Zacagni: iOe
vero disdpuliis qui cum eo fuerat conversatus in fugam versus
est; F oder wenigstens die Auszüge in Reg. lat. 562 geben:
ilJr vero discfpulus omnifp^is quaecnnque eins ftterant congregatis
540 Ludwig Traube
in fugam versus est Hier hat M: üle vero disciptdus omnibus
quecumque fuerant magistri convdsatis in fugam versus est. Die
Prägnanz des Wortes convasare spricht für sich selbst.
IV. Herstellaog des SchluBses.
Den Schluss der Acta hatte uns bisher ein Zufall vorent-
halten ; ihr Archetypen besass ihn noch. In der Editto princeps^
die ich heute aus M veranstalten kann, verfahre ich so, dass
ich das Stück hinzu nehme, das dem Schluss unmittelbar vor-
hergeht und eng mit ihm verbunden ist. Die Lesarten von C
müssen dabei freilich der Ausgabe Zacagnis entlehnt werden,
während M beim Schreiben und Drucken neben mir liegt.
Wo C aufhört, habe ich im Text zwei senkrechte Striche gesetzt.
Man hat nun also im Folgenden zum ersten Male die
gesamte Darstellung der Lehre des Qnostikers Basilides, soweit
sie vom Verfasser der Acta in die letzte bedeutsame Rede des
Archelaus eingeflochten war. Archelaus hält diese, nachdem
Mani selbst sich längst aus dem Staube gemacht, um die
Unursprünglichkeit der Lehre seines Gegnere darzutun. Der
Dualismus, den er vertrete, beruhe ganz auf der Lehre und den
Schriften des persischen praedicator BasUides. Gemeint ist,
wie man sah, der Gnostiker, und zum Teil wörtlich angeführt
werden dessen Exegetica. Wenn Archelaus dabei öfters darauf
hinweist, dass Basilides seinerseits von Scythianus abhänge, so
geschieht das offenbar nur um zwei völlig getrennte Über-
lieferungen, die nebst vielen andern einzelnen Stücken und
Stückchen dem Verfasser vorlagen, mit einander auszugleichen
und neben einander bestehen lassen zu können. Andere, so bricht
Archelaus diese Auseinandersetzung ziemlich kurz ab, werden
gegen die Schriften des Mani mehr und besseres schreiben
können. Und so segnet er die Versammlung und entlässt sie.
Es folgen noch die mehrdeutigen Worte, mit denen Hege-
monius sich leibhaftig dem Leser vorstellt. Der Name ist darin
mit grossem Anfangsbuchstaben und Mennig geschrieben, wie
auch sonst die Namen der Redner und auch längere Zwischen-
bemerkungen, was das Suchen in der Handschrift ungemein
Acta Arehdm. 541
erleichtert. Die einzelnen Sätze, um das nachzuholen, sondern
sich dadurch von einander, dass ihr erster, gross geschriebener
Buchstabe mit grüner und brauner Farbe ausgetuscht ist.
Stärker hervorgehobene Abschnitte begpnnen mit reicher ver-
zierten Buchstaben. Hegemonius also unterschreibt so: Ego
Egemanius scripsi dispiUaüanem istam exceptam ad describendum
vclenübus. Dass er damit sich als den Tachygraphen bezeichnen
will, der den Streitgesprächen selbst beigewohnt hat, geht aus
einer anderen Stelle hervor (cap. XXXIX ed. Routh pag. 141),
an der es gleichfalls in erster Person heisst: quoniam vero
ptaeuU MarcäU) disputaüonem hanc excipi atque describi^ contra^
äicere tum potui confisus de benignitate legenüum, quod veniam
dabunt, si quid imperitum atä rtisticum sonabit oratio; hoc enim
tantum est, quod studemus, ut rd gestae cognitio studiosum quem-
que nan hUeat, Doch hier und an einer dritten Stelle (cap. L^
ed. Bouth pag. 195): quibus posiea agnitis Ärchdaus adiecU ea
priori disceptationi^ ut omntbus innotesceret, sicut ego, qui haec
scripsi (qfd inscripd C), in prioribus exposuiy spricht der angeb-
liche Stenograph zugleich von den redaktionellen Änderungen,
die er vorgenommen, und bittet mit ganz geläufiger Koketterie
um Nachsicht wegen seiner bäurischen Sprache, bekennt sich
also deutlich als das, was er ist: nicht den Aufzeichner, sondern
den Bearbeiter, den Verfasser.
Addidit etiam hoc Archelaus dicens: Viri fratres, ne quis
vestrum incredulus sit bis, quae a me dicta sunt, id est: quod
non ipse primus auctor scelerati huius dogmatis extiterit Manes,
sed tantum, quod per ipsum aliquibus terrae partibus mani-
festatum sit. Sed non statim is, qui aliquid quocumque porta- 5
verit, auctor eins putandus est, sed qui invenerit. Sicut enim
gubemator acceptam navem, quam alius fecit, ad quaecumque
loca voluerit perducere potest, alienus est tarnen omni genere
a constructione eins, ita intellegendus est et iste. Non enim
ex initio huic rei ipse originem dedit, sed tantum, quae ab alio 10
4 tentum M 5 hi8 qui M 8 iu>luerU]o vielleicht auf Rasur M
potest fehlt C 10 sed etiam tantum^ wie es scheint, C
542 Ludtoig Tra/uhe
fuerant inventa, per se detulit hominibus, sicut ceiiis testimoniis
notum est, quibus propositum est nobis ostendere: non ex
Mane originem mali huius manasse, sed ab alio, et ante mul-
tum temporis a barbaro quodam exorta in silentio habita, ab
5 isto vero ignota et latentia, veluti propria eins, esse prolata
deleto conscriptoris titulo, sicut superius exposui. Fuit prae-
dicator apud Persas etiam Basilides quidam antiquior non
longo post nostrorum apostolorum tempora. Qui et ipse cum
esset versutus et vidisset, quod eo tempore iam essent omnia
10 praeoccupata, dualitatem istam voluit affirmare, quae etiam apud
Scythianum erat. Denique cum nihil haberet quod assereret
proprium, aliis dictis proposuit adversariis. Et omnes eins libri
difGcilia quaedam et asperrima continent. Extat tarnen tertius
decimus liber tractatuum eins, cuius initium tale est: ^Tertium
15 ^decimum nobis tractatuum scribentibus librum necessarium ser-
,,monem uberemque salutaris sermo praestabit: per parabulam
„divitis et pauperis naturam sine radice et sine loco rebus
,,superyenientem unde puUulaverit indicat*^. Hoc autem solum
Caput liber continet? Nonne continet et alium sermonem?
20 At, sicut opinati sunt quidam, nonne omnes ofiPendamini ipso
libro, cuius initium erat hoc? Sed ad rem rediens Basilides
interiectis plus minusve quingentis yersibus ait: „Desinamus
„ab inani et curiosa varietate; requiramus autem magis, quae
„de bonis et malis etiam barbari inquisierunt et in quas opi-
25 „niones de bis omnibus pervenerunt. Quidam enim horum dixe-
„runt initia omnium duo esse, quibus bona et mala associaye-
„runt, ipsa dicentes initia sine initio esse et ingenita, id est: in
„principiis lucem fuisse ac tenebras, quae ex semet ipsis erant,
2 uohis C 4 exhorta M 5 ignote latentia G uelut M
8 longe C tempore M 11 excutianum hat, wie gewöhnlich, M; in C
wechseln scutianus und excutianu8\ in F weist 8tut\anu8 auf scutiamis;
T hat 8citianu8 12 der Hauptsatz ist verdorben; etwa: alÜB dictis
proipemodum eadem op)po8uit adversarii8j dem vielleicht als Beginn des
nächsten Satzes quare folgte 15 tractatum M 16 prae8tauit C,
perstatuit M 16 paruulam CM, von Routh verb. 20 et CM,
verb. von Plenkers ne omnes offendam in ipso M offendemini C
22 minus uel C desine C
Acta Ärehelai, 543
^Don quae esse (genitae) dicebantur. Haec cum apud seroet
„ipsa essent, proprium unumquodque eorum vitam agebant
«quam vellent et quale sibi competeret; omnibus enim amicum
«est, quod est proprium, et nihil sibi ipsum malum videtur.
«Postquam autem ad alterutrum agnitionem uterque perrenit 5
«et tenebrae contemplatae sunt lucem, tanquam melioris rei
«sumpta concupiscentia insectabantur ea et coammisceri || ac
«participari de ea cupiebant. Et tenebrae quidem haec agebant,
«lux yero nequaquam ex tenebris quicquam recipiebat in sese,
«nee in earum desiderium veniebat, tantummodo quod etiam lo
«ipsa spectandi libidinem passa est. Et quidem et respexit eas
«velut per speculum. Enfasis igitur, id est color quidam lucis
«ad tenebras factus est solus, sed lux ipsa respexit tantum-
«modo et abscessit, nuUa scilicet parte sumpta de tenebris. Tene-
«brae vero ex luce sumpserunt intuitum et yles enfasin yel 15
«colorem, in quo ei displicuerant. Cum ergo nequiores de
«meliore sumpsissent non reram lucem, sed speciem quandam
«lucis atque enfasin, . . . boni raptiva mutatione traxerunt. IJnde
«nee perfectum bonum est in hoc mundo, et quod est valde
«est exigpium, quia parum fait etiam illud, quod initio con- 20
«ceptum est, Verum tamen per hoc ipsum exiguum lucis, immo
«potius per speciem quandam lucis, creaturae valuerunt gene-
«rare similitudinem perferentem ad illam, quam de luce con-
«ceperant, permixtionem. Et haec est ista, quam cemimus,
«creatura." Sed et reliqua eorum similia in consequentibus 25
executus est. Haec autem sufficere aestimavi* ad ostendendam
eius in hac parte sententiam. In bis enim de mundi conditione
conscripsit secundum quod Scythianus senserat. Hie vero
assumptis eius litteris adiecit etiam nomina daemonum et com-
motiones inquietas atque elementorum cursus non secundum 80
illum ordinem, qui a veteribus scriptus est, sed ut sarcinam
1 genitae oder faetae eingeschoben von Routh 2 propriam C
2. 3 agebat und uellet G 6 meliores M 7 et coammisceri letzte
Worte in G 10 eorum M 11 expectanti M 15 ylem M 17. 18 quan-
dam lis atque M 18 lückenlos M, es fehlt etwa speciem quoque tantum-
modo 20 initium M 28 hie ist Mani, wie 544, 15 und ipse 544, 5 u. 11
und üle 544, 20 31 a veteribus, nämlich von Scythianus und Basilides
544 Ludwig Traube
quandam yerborum multorum et inutilium congregaret et per-
mixtiones immensas ac confüsiones legentibus generaret. Quia
vero omnis eius dogma et inscientia Basilide illi obTersanie
conscripta in dualitate suspensa sunt, null! dubium est. Si quis
5 ergo subvertere potuerit ingenitam dualitatem, quam ipse
asserit, dico: universam eius yerborum silvam pariter abscideret.
Sicut enim quis draconis caput esecans reliqua corporis eius
inutilia atque inania derelinquet, ita et nos, si dispositam non
recte creaturam et commixtionem duorum ingenitorum, lucis
10 ac tenebrae, sicut Basilides praesumit, ostenderimus, sine dubio
omnia reliqua, quae ipse scribit, inania et, quae nos scrip-
simus, Vera esse signabimus. Hoc autem deprecor eos, qui bis
exemplis uti voluerint, ut subtilius intueantur unumquemque
sermonem, quoniam quidem argute et breviter Basilides locutus
15 est ea, quae apud Scytbianum reppererat definita; quae hie
translata subtilius argumentis quoque yiolentioribus communivit,
uti yerborum noyitate propria sua esse putarentur. Haec, ut
potuimus, a nobis dicta sunt. Poterunt autem hi, qui nos sensu
sublimiori praecellunt, plura horum ac meliora proferre atque
20 conscribere adyersum eos libros, qui ab illo editi sunt. Finita
ergo disputatione ista Arcbelaus turbas cum pace dimisit ad
propria. Qui benedicentes eum yoce, qua dignum est, cum omni
laetitia discesserunt.
Ego Egemonius scripsi disputationem istam exceptam
26 ad describendum yolentibus.
V. Der Nachtrag des Übersetzers.
Mit der Nennung des Hegern onius ist in meiner Hand-
schrift der Text der Acta nicht erschöpft. Auf volentibus, das
letzte Wort des Hegemonius, folgt yielmehr unmittelbar und
fortlaufend ein längerer Ketzerkatalog, und erst hinter diesem
steht das technische Explicit. Ich befördere zunächst dieses
zweite neue, nicht unwichtige Stück zum Drucke.
3. 4 dogma et inscientiae nam Uli aversante conscripta M 4 sus-
pensits est M 9 commotionem M 12 signauimus M
Acta Ärehelai, 545
Yeteres heretici propeinodum omnes divinitatem duplicem
simularunt, ut alium bonum deum, alium iustum esse confinge-
rent et dicerent boni dei subvenitoris atque melioris iilium
dominum lesum Christum venisse in hunc mundum, ut de iusti
dei, quem tantum severum putant dominum, animas ad pristinas 5
reduceret sedes, quae creatoris praecepto corporibus fuissent
ligatae. Ex quibus est Gerdon atque Marcion et ceteri qui
eorum sequuntur errorem. Valentinus vero et ipse duplicem
esse simulavit divinitatem; is simul et aeonum numerum novum
visus est introferre, quod triginta aeonas visus est dicere. lo
Basilides quoque de hac impietate descendit, qui tot deos
simulat esse, quot dies in anno sunt, et de bis quasi minutalibus
unam summam divinitatis efßcit et appellat Mithram, siqui-
dem iuxta computationem Qraecorum litterarum Mithras anni
numerum habet. Hi non multum a gentilitate distant et eis- 15
dem paene mysteriis imbuuntur, quibus a gentilibus initiatur«
Hoc defuncto aliae rursum multae diversae hereses ebullierunt,
quae divinitatem Christi negantes tantummodo confitentur humani-
tatem eius ex Maria. Ex quibus est Gerinthus, Ebion et nunc
Fotinus, qui eorum heresim instauravit. Erupit et alia heresis, 20
quae Gatafrigae appellatur ex promis3ione spiritus sancti, quam
dominus salvator noster poUicitus est dicens: vadam et alium
paraclitum mittam vobis,^) asserens non in apostolis, sed in
Montanum, Priscillam et Maximillam. Post has erupit Mani*
cheus, post dormitionem sancti martjris Cypriani, modicum 25
ante Diocietianum, qui alium deum bonum, alium malum
indicant et omnium universa quae a corpore sunt dicunt esse
Satanae. Huius heresis de Pythagorae fönte libatur et com-
7 Mawn M 8. 9 duplicem esse simularunt Ita diuinitatem ihi
simulet conum numerum nouum M 11 descendit] das erste e viel-
leicht auf Rasur M 14 mytram, wie immer, M 15 hahent. HU M
19 cherintus M 26 dioditianum M 27 der Plural steht hier und
im folgenden öfter, wo statt des Häresiarchen die ihm folgenden
Häretiker als Subjekt Torschweben 28 pytagore, wie gewöhnlich, M
*) Vgl. Acta Archelai cap. XXVII (ed. Routh pag. 107).
546 Ludwig Traute
roixta magicis artibus astrologia quoque utuntur, sicut et ipse
Pjthagoras de bis exordium sumit. Et uti infinita praeteream,
nunc de novis beresibus breviter increpandum est. Super funere
Constantini erupit heresis Arriana apud Alexandriam, quae unum
6 patrem deum esse, filium vero eiusdem dominum nostrum lesum
Cbristum et spiritum sanctum adoptione esse filium non natura
et quantum distare dicit filium a patre tantum rursus dicit
a filio spiritum separari. Haec in tria scinditur. Eunoznius
quippe, a quo vocantur Eunomiani, audaciter proclamant et
10 libere, quod quorum diversa natura est, similes eos esse non
posse, itaque filium et patrem, quoniam alterius substantiae
essent, dissimiles esse. Macedonius vero, a quo vocantur Mace-
doniani, qui etiam Arriani nuncupantur, sub impietate pietatem
videntur inferre, ut dicant similem esse filium patri; et in eo
15 differunt ab Arrianis, quod Arriani filium similem patri dicunt,
Macedoniani vero, ut plus ei donare videantur, similem dicunt
esse per omnia. Sed et eos dolus et lapsa quasi pietas detegit,
cum etiam homo ad imaginem et similitudinem dei conditus sit.
Extrema est heresis ApoUinaris, quaequot homines habent tot
20 paene sententias. Necdum enim inter eos decretum est, in quae
quasi pro certo et statuto blaspfaemabunt. Alii dicunt nee
sensum nee animam humanam habuisse dominum nostrum lesum
Christum. Qui vero audaciores sunt, etiam corpus illius sie de
Maria confitentur, ut nihilominus etiam hoc de caelestibus
25 vindicent. !Nonnulli animam et corpus tantummodo profitentes,
sensum, id est mentem, negant. Sed istos si discusseris, et
animam et corpus incipiunt denegare et dicunt pro anima
inhabitatorem fuisse verbum deum; et dum volunt humanitatem
in Christo negare, id est: quod et cogitationibus humanis non
30 subiectus fuerit, omnes passiones eins ad deitatem referunt, si
animam non habuit nee mentem. Flevit autem et contristatus
est et ceteros passus est affectus. Haec enim per se corpus
1 astrohgiae M, verb. von Plenkers; oder astrologia ei quoque
6 spiritum suum M, welche Worte Plenkers tilgen möchte 8 exdditur M,
verb. von Beeson 13 statt Arriani wird Pneumatomachi erwartet;
doch liegt wohl keine Verderbnis vor 21 pro ccrtum et statu M
Acta Ärdielai. 547
pati non potest. Superest, ut deitas in illo haec passa fuerit.
Inter Novatianos et Montenses hoc interest, quod Novatiani
maiorum criminum poenitentiam non accipiunt, id est negationis,
adulterii, homicidii, fomicationis et ceterorum bis similium;
Montenses vero dicunt nos scripturas sanctas exurendas tra- 5
didisse, simulantes suos episcopos ecclesiam gubemasse et quod
faciunt Luciferiani monentibus sacerdotibus, hoc iUi faciunt in
Omnibus ecclesiis, dicentes eorum sacerdotes esse non posse,
qui scripturas tradiderunt, et super hoc addunt, quia nostram
ecclesiam traditurum infamant quemcumque a nobis invenerint. 10
7 luciferianis M 10 traditorum M nach invenerint hat M:
Explidt alterccUio sancti ÄreMai episcopi contra Manen heresiareham.
Kann dies Hegemonius geschrieben haben? — Es ist nur
dann möglich, wenn er die vorgenommene Maske sich selbst
herabziehen wollte. Hegemonius will zur Zeit des Kaisers
Probus gelebt haben ^) und hat damit auch den EUeronjrmus
hinter das Licht geführt.*) Wenn er von Ketzern spricht,*)
so sind es Basilides, Marcion, Valentinus, Tatianus und noch
Sabellius. Aber von Fotinus, Lucifer und Apollinaris, von
denen hier die Rede ist, durfte er nichts wissen, wobei dahin-
gestellt bleiben kann, ob er von ihnen in Wirklichkeit hätte
wissen können, und da nun der Ketzerkatalog auch an einer
sonderbaren Stelle in der Überlieferung erscheint und dann
erst beginnt, als Hegemonius sich eben unterzeichnet hat, so
werden wir ihn für einen ursprünglichen Bestandteil der Acta
nicht halten dürfen, obgleich an sich ein solcher Fetzen, wäre
er nur wirklich eingeflickt und nicht bloss daneben gelegt,
mit der Eigenart dieser Acta gar wohl sich vertragen würde.
Betrachtet man den Katalog allein und ohne Rücksicht auf
die Acta^ so springen seine klaren, in sich geschlossenen Zeit-
^) Vgl. cap. XXVII sq. ed. Routh pag. 107 8q.
^ De yiris illustrib. cap. LXXII.
•) Vgl. capp. XXXVII aq. fed. Routh pag. 136 u. 138). Statt VaUn-
iif\u8 haben die Handschriften hier VaJenthnanus; im Ketzerkatalog giSt
M richtig Valentinus.
548 Ludt€ig Traube
Verhältnisse sofort in die Augen. Nach den Häresien des
ApoUinaris, Lucifer und Fotinus zu urteilen, die er schon
erwähnt, kann er nicht vor dem Ausgange des vierten Jahr-
hunderts geschrieben sein; nach der Häresie des Nestorius zu
urteilen, die er noch nicht erwähnt, muss er vor die Mitte
des fünften Jahrhunderts fallen.
Nun haben wir auf der einen Seite den Übersetzer der
Acta, den wir genauer, als es bisher geschehen ist, nach dem
Jahre 392, in dem Hieronymus seine Literaturgeschichte zum
ersten Male herausgab, und vor dem sechsten Jahrhundert, aus
dem der Codex Bobiensis (Ä) stammt, ansetzen können, und
haben auf der andern Seite den mit der Übersetzung yer-
bundenen und im gleichen Stile abgefassten Ketzerkatalog,
dessen Verfasser zwischen dem Ausgange des vierten und der
Mitte des fünften Jahrhunderts geschrieben haben muss: ist
es da nicht überzeugend, dass der Übersetzer und der Häre-
seolog einer und derselbe war, und dass also nach 392 und vor
c. 450 die Acta tibersetzt und mit einem Nachtrage versehen
wurden, durch welchen der Übersetzer die Streitschrift gleich-
sam auf dem Laufenden erhielt?
VI. Textgeschichte.
Denn eine Streitschrift waren die Acta und sind es in
allen Phasen ihrer Überlieferung geblieben. Nicht ihr litera-
rischer Wert erhielt und schützte sie, nicht der Name eines
berühmten Verfassers. Wenn sie auftauchen und verschwinden
und wiederum auftauchen, so hebt und verdrängt sie nicht
die literarische Mode. Sie wurden verfasst, übersetzt, abge-
schrieben und neuerdings hervorgesucht in dem langen Kampf
gegen Manichäer und Neumanichäer. Der Inhalt der Acta war
es, der von Zeit zu Zeit die Frage des Tages wurde.
Wo und wann Hegemonius seine Stimme gegen die Manichäer
erhob, ist am wenigsten ausgemacht. Auch steht nicht fest,
wo man das Bedürfnis fühlte, seine Acta ins Lateinische zu
übertragen; nur mit leiser Vermutung durfte oben auf Afrika
Ada Arehelai. 549
gewiesen werden.^) Die Zeit aber dieser Übersetzung darf
jetzt als gesichert gelten: 392 — 450, und das sind freilich
Jahre, während deren besonders in Afrika der Manichäismus
gross war und heftig befehdet wurde. Im sechsten Jahrhundert
lagen in Italien^) Auszüge (Ä und T) und vielleicht auch eine
vollständige Handschrift (x). Es ist die Zeit, in der Gelasius I.
und Gregor der Grosse gegen die italienischen Manichäer eifern.^)
Später gerieten die Acta in Vergessenheit, und erst im elften
Jahrhundert wurde x wieder hervorgeholt und vervielfältigt
{(■ und M). Es galt, die Katharer zu bekämpfen.
1) Vgl. oben S. 535.
2) A, T und X sind vielleicht unabhängig von einander nach Italien
gekommen; auch der Stammvater von F hat vielleicht seine eigene
Geschichte.
') Anathematismen gegen die Manichäer, die in A vor den Acta
stehen, hat Muratori herausgegeben (Anecdota II, Mailand 1698, pag. 112).
Reifferscheid (Bibliotheca patrum italica II 96) zeigt, dass sie akephal sind,
weil vor ihrem jetzigen Beginn in der Hs. ein Quaternio und drei Blätter
fehlen. Es folgen auf die Acta in A erstens Gebete (vgl. Chatelain, Intro-
duction h la lecture des notes tironiennes, Paris 1900, pag. 117) und dann
ein Stuck aus einem Schreiben des Papstes Gelasius. Aber dieses beides
gehört nicht zum ursprünglichen Bestände der Hs.
551
Die Akrostichis in der griecMschen Eirchenpoesie.
Von K« Kmmbacher.
(Yorgetragen in der pbilos.-philol. Klasse am 6. Juli 1902.)
Vorbemerkung.
Die Bedeutung der Akrosticha in der Geschichte der
])oetischen und auch der prosaischen Kunstformen ist heute
bekannt. Wollte man ihre Verbreitung klar machen, so müsste
man eher nach dem Volke fragen, in dessen Literatur sie fehlt,
als nach den Völkern, bei denen sie yorkommt. Wenn einmal
die Zeit gekommen sein wird, eine allgemeine Geschichte der
literarischen Eunstformen und Spielereien in ihrer grossen
internationalen Ausbreitung, ihren genetischen Zusammenhängen
und ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen zu wagen, so
wird die Akrostichis ein ansehnliches Kapitel beanspruchen.
Heute ist dieses Kapitel noch nicht einmal für die griechische
und lateinische Literatur geschrieben. Wir sind vorerst auf
eine Reihe von Einzeluntersuchungen angewiesen: W. Meyer,
Anfang und Ursprung der lateinischen und griechischen ryth-
mischen Dichtung, Abhandlungen der Bayer. Akademie, 17. Bd.,
2. AbteU., München 1885, S. 370 f. H. Diels, Sibyllinische
Blätter, Berlin 1890, S. 25 ff. (dortselbst S. 36 weitere Literatur-
angaben). Kurze Übersicht in meiner Geschichte der byzan-
tinischen Literatur* S. 697 ff. Eine reichhaltige Zusammen-
stellung des Materials aus der christlichen, besonders der latei-
nischen Poesie, gibt, ohne auf die historischen Zusammenhänge
1908. Bitagsb. d. plaU<w.-pliUol. iL d. hiBt KL 37
552 K. Krumhacher
einzugehen, H. Leclercq in Gabrols Dictionnaire d'Arch^logie
chretienne et de liturgie, fasc. II (Paris 1903) S. 356 fiF.
Zum Werke der Zukunft, einer kritischen Geschichte der
Akrostichis in der griechisch-lateinischen und in der Welt-
literatur, sollen die folgenden Blätter einen Beitrag liefern.
Doch ist es keineswegs der Hinblick auf ein so hohes Ziel,
dem sie ihre Entstehung verdanken. Sie sind, wie Ahnliches
oft in der Wissenschaft geschieht, aus einem kleinen zufälligen
Anlass hervorgegangen. Bei der Lektüre und Bearbeitung der
griechischen Kirchenlieder stiess ich in den Akrosticha wieder-
holt auf gewisse auffallende Wortformen, auf Buchstaben-
verdoppelungen, Lücken, Umstellungen und sonstige Unregel-
mässigkeiten. Mehrfach sind in der Ausgabe von Pitra, dem
Hauptwerk für unsere Kenntnis der Hymnenpoesie, solche
Unebenheiten durch einschneidende Korrekturen beseitigt oder
durch gewagte Hypothesen erklärt worden. Dazu kamen weitere
Beunruhigungen. Sogar die Glaubwürdigkeit der in den Akro-
sticha enthaltenen Autornamen wurde wiederholt angezweifelt.
Kurz, im Laufe meiner langjährigen Beschäftigung mit
dem griechischen Kirchenliede ergab sich immer unausweich-
licher die Notwendigkeit, alle auf das Gebiet der Akrostichis
bezüglichen Tatsachen mit zuverlässiger Genauigkeit zusammen-
zustellen, zu sichten und zu prüfen, um für die. Beurteilung
jedes einzelnen Falles und der allgemeinen Fragen eine sichere
Basis zu gewinnen. Grosse Schwierigkeiten bereitete hier, wie
bei aller Arbeit auf diesem unwirtlichen Gebiete, die Schwer-
zugänglichkeit und Zerstreutheit des Materials. Ein verschwin-
dend kleiner Teil der Lieder liegt in Ausgaben vor, die auf alle
Fragen der Kritik Antwort erteilen. Die grosse Ausgabe von
Pitra bietet wegen der beispiellosen Flüchtigkeit des Apparats
und der ebenso beispiellosen Willkür tiefgreifender Korrekturen
für die Untersuchung eine äusserst mangelhafte Stütze. Der
grösste Teil der mit vollständigen oder annähernd vollständigen
Akrostichen ausgestatteten Texte ruht noch im Staube der
alten Pergamenthandschriften. Aber auch für die meisten der
gedruckten Lieder kann erst durch Beiziehung früher nicht
tHe Äkrostichis in der griechischen Kvrchenpoesie, 553
benutzter Handschriften bezüglich der Akrostichis wie bezüg-
lich anderer Dinge genügende Sicherheit erzielt werden.
Ich entschloss mich daher, als Hauptbasis der Unter-
suchung das gesamte mir bis jetzt zugängliche Handschriften-
material zu wählen und den bei Pitra gedruckten Texten nur
insoweit zu vertrauen, als sie durch die Handschriften bestätigt
werden. Da ich von den reichhaltigsten Codices vollständige
Abschriften bezw. Kollationen, von den ärmeren wenigstens
Beschreibungen oder Proben besitze, so dürften wenige bemerkens-
werte Nachträge aus Hss zu erwarten sein. Das in den er-
wähnten Hss gebotene Material habe ich ziemlich vollständig
beigezogen; nur von den Texten, deren Akrostichis nichts als
ein wertloses Fragment (z. B. alv, rov, aßy) oder ein kurzes
leeres Wort (z. B. cidiy) enthält, habe ich, um die Materialien-
sammlung nicht allzu sehr anzuschwellen, eine beträchtliche
Anzahl weggelassen.
Aus dem dargelegten Sachverhalt ergab sich auch die
Notwendigkeit, das Beweismaterial umständlicher vorzulegen,
als es bei Untersuchungen üblich ist, die mit gedruckten Texten
operieren. Es ist für jedes Akrostichon sowohl die Form des
Vermerks in der Liedüberschrift als auch die vom Texte selbst
gewährleistete Form mit Angabe der Hss und der Varianten
notiert, und so eine kritische Gesamtausgabe der Hymnenakro-
sticha hergestellt worden. Nur auf solche Weise konnten alle
Einzelheiten der im zweiten Kapitel folgenden Untersuchung
verständlich gemacht und dem Leser die Möglichkeit zur Kon-
trolle und zur selbständigen Beobachtung geboten werden.
Ausser den für die Aufklärung der Akrostichonfragen
unumgänglich notwendigen Notizen habe ich im ersten Kapitel
auch einiges aufgenommen, was für das Programm in seiner
engsten Begrenzung vielleicht vermisst werden konnte: die An-
gabe des Tages, zu dem jedes Lied in den Hss steht, die Initien
der Prooemien und der ersten Strophe und einige Exkurse
zur Überlieferung einzelner Lieder. Diese Zusätze, die sich
bequem an das Gerippe der auf die Akrostichis bezüglichen
Notizen anfügen liessen, sind zwar auch für die schärfere Be-
37*
554 K, Krumhacher
leuchtung und Kennzeichnung des fQr die Spezialuntersuchung
dienenden Materials von nutzen, verfolgen aber doch noch mehr
den Zweck, ein vorläufiges Bild des Gesamtbestandes der Hymnen-
poesie und ihrer komplizierten Überlieferung zu gewähren und
dadurch den Fachgenossen das Auffinden neuer Hss und die
Identifizierung einzelner Lieder oder Fragmente zu erleichtem.
Wie wichtig ein solches summarisches Inventar der bis jetzt
bekannten grösseren Stücke der Hymnenpoesie für alle weitere
Forschung ist, habe ich an den Beschreibungen von Hss ver-
spürt, die von Papadopulos-Kerameus, Vasiljev u. a. ohne eine
derartige Grundlage gemacht wurden.
Eine gewisse Ungleichmässigkeit in der Vorführung des
Materials rührt davon her, dass ich für einen Teil der Hss
auf Analysen und Auszüge angewiesen war, die von Fachge-
nossen ohne Rücksicht auf den besonderen Zweck der vor-
liegenden Untersuchung und ohne Streben nach Konsequenz
und Vollständigkeit hergestellt worden sind. So mag ent-
schuldigt werden, dass die Folienangaben bei manchen Liedern
fehlen und dass einzelne Notizen mit störenden Fragezeichen
begleitet werden mussten.
Dem Materialienkapitel und der Untersuchung habe ich
die kritische Ausgabe eines Liedes beigefügt, um die hinsicht-
lich der Akrostichis vorkommenden Verwirrungen und die
eminente Wichtigkeit einer umfassenden Betrachtung der Akro-
sticha an einem konkreten Beispiel zu veranschaulichen.
Die Akrosticha der Hymnen stehen durch ihr Alter, ihre
Mannigfaltigkeit und die mit ihnen verbundenen kritischen
Fragen im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. Zur
Ergänzung mUssten auch die Kanones und die übrigen Lied-
arten beigezogen werden. Dass ich diese Ergänzung nicht
geben konnte, ist durch unüberwindliche materielle Schwierig-
keiten verschuldet. Wir besitzen für die Überlieferungsge-
schichte dieser späteren Werke so gut wie keine Vorarbeit;
um sie in ähnlicher Weise zu behandeln wie die Hymnen,
bedürfte es vieljähriger Sammelarbeit in den Bibliotheken
Europas und des griechischen Orients. Ich muss mich daher
Die Akrostichia in der gnectUschen Kirchenpoesie, 555
begnügen, bezüglich der Kanones und sonstigen Eirchen-
dichtungen auf die allgemeinen Tatsachen zu verweisen, die
aus den Texten bei Christ-Paranikas, Anthologia graeca car-
minum christianoruni, ersichtlich und in meiner Geschichte der
byzantinischen Literatur^ S. 697 skizziert sind. Aus dem Ge-
sagten erhellt auch, dass der Titel der Abhandlung genau
genommen lauten müsste: „Die Akrostichis in der kirchlichen
Hjmnenpoesie der Griechen* oder noch genauer: „Die Akro-*
stichis in den sogenannten Hymnen der griechischen Kirche*.
Doch hat mich Fanatismus für Kürze und leichte Zitierbar-
keit die knappere Fassung wählen lassen.
Es ist mir eine willkommene Pflicht, auch an dieser Stelle
den Herren Alexander Eumorphopulos, Athos, P. N. Papa-
georgiu, Saloniki, A. A.Vasiljev, Petersburg, und J. Sicken-
b erger, München, zu danken, "die durch freundliche Herstellung
Ton Beschreibungen von Hss, Exzerpten und Kollationen die
vorliegende Arbeit gefordert haben. Herrn Sickenberger
danke ich auch für den freundlichen Nachweis der Bibelstellen
zum Texte im dritten Kapitel.
556 JT. Krumbacher
Verzeichnis der Abkürzungen.
I. Codices.
1. Haupthandschriften d.h. sogenannte Eondakarien (das
Tropologion und Triodion oder eines der zwei BQcher enthaltend).
A — AthousBatopediu (Signatur unbekannt), saec. X— XI. 285Bl&tter.
Mir nur bekannt durch die Analyse von A. Papadopulos-Kerameus,
B. Z. 6 (1897) 375-380.
B — Athous Laurae r"27, saec. X ex. (nach Papadopulos; saec. XI
nach Papageorgiu) 102 Blätter. Mir nur bekannt durch die knappe
Analyse von A. Papadopulos-Kerameus, B. Z. 6 (1897) 380-383, und
durch eine sehr ausführliche ungedruckte Beschreibung, die P. N.
Papageorgiu, Saloniki, im Jahre 1900 für mich angefertigt hat.
G — Corsinianus 366, saec. XI, 163 Blätter. In Grotta Ferrata ge-
schrieben. Vgl. Pitra, An. Sacra I S. 663 ff. Von mir vollständig
kollationiert bezw. abgeschrieben.
D — Athous Laurae /*' 28, saec. XI, 230 Blätter. Mir nur bekannt
durch eine ausführliche Beschreibung, die der Lauramönch Alexander
Eumorphopulos im Jahre 1902 für mich angefertigt hat. Ober die
zwei Laura-hss vgl. auch 'ExxXrjotaauxrf 'AX^^eta 12 (1892) No. 32 f.,
und B. Z. 2 (1893) 604 f.
F — Sinaiticus 698, saec. XIV, 316 Blätter. Enthält u. a. ein sehr
stark verkürztes Tropologion und Triodion.
G — Sinaiticus 925, saec. X, 118 Blätter.
H — Sinaiticus 926, saec. XI, 115 Blätter.
J — Sinaiticus 927, saec. XIV, 335 Blätter.
K - Sinaiticus 928, saec. XIV, 95 Blätter. F, G, H, J, K sind mir
nur bekannt durch eine teils ausführliche, teils summarische Be-
schreibung, die A. A. Vasiljev, Petersburg, im Jahre 1902 für mich
hergestellt hat. Die Altersbestimmungen stammen aus dem Katalog
der Sinai-hss von Gardthausen.
M — Mosquensis Synod. 437, saec. XII, 328 Blätter (aus dem Athos-
kloster Batopedi stammend). Teilweise ediert und facsimiliert von
AmfilochiJ (s. u.). Das übrige von mir kollationiert bezw. abge-
schrieben.
N — Messinen sis 157, saec. XII ex., 126 Blätter. Stark verkürztes
Tropologion. Von mir teilweise verglichen.
Die Äkrostichis in der grieehiaehen Kirchenpoesie, 557
P — Patmiacus 212, saec. XI, 288 Blätter. Von mir in Patmos im
Jahre 1885 vollständig abgeschrieben bezw. verglichen.
Q — Patmiacus 213, saec. XI, 153 Blätter. Von mir in Patmos im
Jahre 1885 vollständig abgeschrieben 'bezw. verglichen.
;r — Taurinensis B. IV. 34, saec. XI, 194 Blätter. Von mir i. J. 1886
'" vollständig verglichen bezw. abgeschrieben. Nun vermutlich durch
den Brand in der Turin er Universitätsbibliothek am 26. Januar 1904
vernichtet.
V — Vindobonensis suppl. gr. 96, saec. XII, wahrscheinlich in Grotta-
/ ferrata geschrieben, 173 Blätter. Von mir im Winter 1898/99 ver-
"" glichen bezw. abgeschrieben.
2. Sekundärhandschriften d.h. Hss, die nicht das alte Tropo-
logion oder Triodion, sondern nur einzelne Hymnen oder Fragmente im
Zusammenhange späterer liturgischer Bücher bewahren.
a — Crypt. A. 6, 6. Enthält das Lied Hypapante, Pitra S. 28 ff.
b — Crypt. A. a. 1. Geburt Mariae und Symeon Stylites, Pitra 8. 198 ff.,
210 ff.
c — Crypt. J. a. 6. Theophanie und Taufe Christi, Pitra S. 16 ff., 23 ff.
d — Crypt. A. a. III. Kosmas und Damian, Pitra S. 218 ff.
e — Crypt. J. d. ITI (neue Signatur: T. a. 25). Totenlied, Pitra S. 44ff.
f — Crypt. A. d. ^ (neue Signatur: E. d, A). Totenlied, Pitra S. 44ff.
g — Crypt. XVIII (?). Stichera, Pitra S. 222 ff.
'k — Mosqu. 153. Hypapante, Pitra S. 28ff.
1 — Vallicell. E. 54. Stichera, Pitra S. 222 ff.
m — Vatic. 1212. Theophanie und Stichera, Pitra S. 16 ff., 222 ff.
n — Vatic. 1515 (?). Stichera, Pitra S. 222 ff.
o — Vatic. 1531. Stichera, Pitra S. 222 ff.
p — Vatic. 1829. Geburt Mariae, Pitra S. 198 ff.
q — Vatic. 1836. Totenlied, Pitra S. 44 ff.
r - Vatic. 1969. Totenlied, Piti-a S. 44 ff.
^s — Vatic. 2008. Theophanie und Hypapante, Pitra S. 16 ff., 28 ff.
t — Vatic. 2072. Orestes, Sabas der Jüngere, Pitra S. 300 ff.
t* - Vatic. reg. 54(?). Stichera, Pitra S. 222 ff.
u — Vatic. reg. II 68. Theophanie, Pitra S. 16 ff.
V — Venet. 553. Totenlied, Pitra S. 44 ff.
w — Venet. II 138. Totenlied, Pitra S. 44 ff.
X - Vindob. theol. 33. Der hl. Johannes der Täufer, Pitra S. 178 ff.
Bezüglich der wahren Signatur einiger Cryptenses und Vaticani,
die ich nach Pitra angeführt habe, herrschen Zweifel, die ich demnächst
durch neue Nachforschungen an Ort und Stelle zu lösen hoffe. Einige
Stücke der Cryptenses und Vaticani hat Professor J. Sickenberger,
München, für mich verglichen.
558 K. Krumbaeher
IL Druckwerke.
Amfilochij, Facsimileband — Archimandrit Amfiloch^, Snimki iz
kondakarija XII—XIII .yjeka, Moskau 1879.
Amfilochij^Teztband— Arcbimandrit Amfilochij, Kondakarij t greces-
kom podlinnikje XLl— XIII v. po rukopisi Moskovskoj sjnodaljnoj
biblioteki No. 437, Moskau 1879.
Krumbacher, Romanos und Kjriakos — E. Kr., R. u. K., Sitzungs-
berichte der philos.-philol. und der bist. Glasse d. K. Bayer. Akad.
d. Wiss. 1901 S. 693 ff.
Krumbacher, Studien — K. Kr., Studien zu Romanos, Ebenda 1896,
Band II S. 69 ff.
Krumbacher, Umarb. — K. Kr., Umarbeitungen bei Romanos,
Ebenda 1899, Band II S. 1 ff.
Nilles — Nie. Nilles, Kalendarium Manuale, 2 tomi, Oenipontae 1896
—1897.
Papadopulos-Kerameus — Papadopulos-Kerameus, 'A^a^vtxa xor-
daxaglcov dvx{ygaq>a, Byz. Zeitschr. 6 (1897) S. 375 ff.
Pitra — J. B. Pitra, Analecta Sacra spicilegio Solesmensi parata, Tom. I,
Parisiis 1876.
Pitra, Jubiläum 8 gäbe — J. B. Pitra, Sanctus Romanus yetenim melo-
dorum princeps. Cantica sacra etc. edidit J. B. cardinalis Pitra.
Anno Jubilaei Pontificii (1888).
Sergij - nOJIHLIÜ M'LCaUECJIOB'L BOCTTOKA. APXIIMAH,JIPHTA
CEPrifl. 2 T. Moskau 1875-1876.
Die Ahrostichui in der grieehischen Kirchenpoesie. 559
Erstes Kapitel; Material.
L Die Akrostichis bei Romanos.
A. Edierte Lieder des Romanos. ^ r. .. >n \ ^
Ol O
1. Die hl. Nacht. L Lied. Pitra S. 1—11. ^ " -^.^ .'::,)(X^^
Überschrift: q)eQov äxQoaxixiio. ri^vde (rrjvde fehlt C VJ)'
Tov raTieivov ^cofxavov 6 (d fehlt BCVD) v/iro? PBCVDJJtfT.
Text: ebenso d. h. die Strophe für 6 fehlt in BCVD.
Prooemion: 'H Ttag'&ivog.
Strophe a: Triv *Edkfi,
Die in BCVD fehlende Strophe für 6 enthält die wichtige
Mitteilung der Magier über den Stern und die Hoffnung, die
ihnen als Führer gedient haben, und ist um so unentbehrlicher,
als ohne sie der aufklärende Bericht der Magier an die vor-
nehmen Juden ganz dürftig (auf eine halbe Strophe beschränkt)
wäre. Es ist also wohl sicher Ausfall der durch die Akro-
stichis nicht genügend geschützten Strophe in B D und in der
italischen Redaktion anzunehmen. Keine nähere Angabe be-
sitze ich über G fol. 48^—51'.
2. Der hl. Stephan. 27. Dezember. I. Lied. Pitra
S. 12-16.
Überschrift: nolrj/ia ^oyfxavov C (fehlt V).
Text: TovxaovoQoyfA CV.
Prooemion: 7V/v t&v &v6fjL(ov,
Strophe a': Tov jiQOixofidQTVQoq.
Der Vermerk in der Überschrift, der in V fehlt, ist auch
in C nicht in der üblichen Weise (durch q^igov dxQoarixtda)
560 Ä. Krumbadter
eingeführt; der Schreiber wollte nur notieren, dass das Lied
dem Romanos gehöre, gab aber die Akrostichis nicht an, da
er nur ein Bruchstück vor sich hatte. Woher er den Dichter-
namen kannte, wissen wir nicht; vielleicht erschloss er ihn
einfach aus dem fragmentarischen Akrostichon selbst, obschon
auch denkbar ist, dass die Notiz aus einer Hs stammt, in der
das Gedicht noch vollständig war. Das erhaltene Akrostichon
nun passt in keine der üblichen Formeln; auch ist bei der in
CV gebotenen Anordnung der Strophen der inhaltliche Zu-
sammenhang gestört; die Episode über Saulus-Paulus ist aus-
einander gerissen. Pitra hat die Strophen über Saulus-Paulus
mit Recht vereinigt und die Strophe über den Tod des hl. Ste-
phanus an den Schluss gesetzt, so dass er die Buchstabenfolge
TovTOQOj^aov erhält. In Wahrheit wird aber die Strophe
''Ayiog^ die er nach der Gruppe gcofi setzte, den Schluss des
Liedes gebildet haben ; denn sie enthält eines der persönlichen
Gebete, wie sie in den Epilogen des Romanos häufig sind.
Mithin wird Pitras Vermutung, die Akrostichis habe Tov
Tajieivov 'PcDjuavov gelautet, nicht das Richtige treffen. Sie
hiess wohl: Tovxo 'Pü}/jL{av)ov {xö 7ioirjjii)a. Es sind also von
20 Strophen 9 verloren gegangen. Die Hoffnung, diese Lücken
durch die Athos- oder Sinai-hss ergänzen zu können, hat sich
leider nicht erfüllt. Das Lied fehlt auch in ABDFGHJK.
Man sieht an diesem Beispiele, welche Raritäten bei allen ihren
sonstigen Mängeln die italische Redaktion birgt.
^ 3. Der hl. Stephan. II. Lied. Pitra S. 332 f. edierte
drei Strophen mit dem Prooemion aus T unter dem Autor-
naraen Cuculus. Ein Dichter dieses Namens existiert aber
nicht; was Pitra in T als „xö KovxovXov IdidjbieXov* gelesen
hat, heisst vielmehr: xd xovxovliov IdiöfieJiov. In P fehlt diese
Notiz. Zwei andere Beispiele des seltenen Ausdrucks xovxovltor:
In P fol. 127^ steht am Rande zum zweiten Prooemion eines
anonymen Liedes Eig xijv ovva^iv xfjg OeoxSxov die Notiz: äkXo
xovxovliov. In D ist in der Überschrift eines Liedes zum
26. September bemerkt: to xoifxovXiov lÖto^iskov. — Später
edierte Pitra, Jubiläumsgabe S. 1 — 10 das ganze Lied aus P
Die Akrostichis in der griechischen Kirchenpoesie. 561
fol. 129''— 132'; nur das Prooeraion, das sowohl in T als in P
steht, ist hier, wohl durch ein Versehen, weggeblieben.
Überschrift: q)iQOV äxQooxixida rrfvÖB, xov xaneivov
§Q>fiavov P.
Text: ebenso {xanEivov^^ P.
Prooemion: ÜQ&xog iandQrjg.
Strophe a: Tov JtaQadeioov,
4. Theophanie. 6. Januar. Pitra S. 16 — 23.
Überschrift: (pigov (q>igei? D) äxgoaxixida xrjvdB {xyjv&e
fehlt C). xov xaneivov ^(Oßiavov PACDGJMT: t) äxgooxixk-
xov TOJUivov (so) QWßJiavov B: der Anfang des Liedes fehlt V.
Text: ebenso (xaneivov) PBCDQJMT (vermutlich auch A).
Prooemion: 'Ene(pävrjg.
Strophe a: Tfj Faldalq^,
5. Adam (Christi Taufe). 7. Jan. I.Lied. Pitra S. 23— 27.
Überschrift: <pigov äxgoaxixida xrjvde {xrivie fehlt CV).
xov xaneivov gcoßiavov PCV: ij äxgoaxixig xov xaneivov ^co-
fxavov (so) B.
Text: ebenso {xaneivov\) PB V: nur Strophe 1 — 3, 18 C*
Prooemion: Triv ocojuaxixrjv aov,
Strophe a: Tcß xvcpkoy^hxi,
6. Mariae Lichtmess. 2. Februar. Pitra S. 28 — 35.
Krumbacher, Studien S. 184—201.
Überschrift: q>£gov {<pegei D) äxgoaxixida xi^vde (xi^vde
fehlt ACV). rovTo gwfAavov x6 Snog PACVDGJ: cpegcov äxgo-
axixida xrjvde (fi äxgooxixk B). xov xaneivov ga}fiavov xd inog
BM: (pigov äxgoaxixida xi^vde. xov goyfiavov x6 Snog T.
Text: Toöro §(o/jiavov x6 inog PBCVDMT (wohl auch
AG): keine Angabe über J.
Hier bieten also BMT eine mit dem Texte nicht über-
einstimmende Überschrift.
Prooemion I: Xogog äyyeXixög,
Prooemion II: 'O odgxa dC fjfAäg,
Prooemion III: 'O fujxgav.
Strophe a: Tfj deoxoxqy.
'^
562 K. Krumbadter
/
7. Der jüngste Tag. Kvgiaxrj rijg 'Ajiöxqeco, Pitra
S. 35—43. Krumbacher, Studien S. 163—183.
Überschrift: (pigov AxQoaTixlf^CL ti^vde (rijvde fehlt CV)
Tov xcLTiEivov Q(Ofiavov TO Sjiog CVDM: ij äxQoauxk' tov ra-
neivov Q. r. 1*. B : in Q ist der Anfang des Liedes ausgefallen :
in GJT fehlt der Vermerk, der keinen Sinn hätte, da hier
nur wenige Strophen des Liedes stehen.
Text: ebenso Q (doch erst von -jaavov an) ABC (doch
fehlen in C die zwei letzten Strophen -og) VDM: rov rajisi
6: ov zajiei J: rov ran T. Die Strophe E vor -ivov ist also,
von den Lücken in QT abgesehen, einstimmig überliefert; sie
fügt sich ausserdem nicht bloss trefflich in den Zusammenhang,
sondern beruht auch, wie die meisten übrigen Teile des Liedes,
auf Ephrems Homilie Elg ttjv devrigav naqovolav. Das hat
uns der mitten aus einer vielversprechenden Tätigkeit ent-
rissene Dr. Th. Wehofer in seiner als Manuskript gedruckten
Studie „Untersuchungen über die Apokalypse des Romanos**
S. 75 ff. nachgewiesen. Unbenutzt ist für den Text noch A
fol. 206^-211^ B fol. 67'-7P, D, G fol. 74^-76^
Prooemion: ^Oxav eX^g,
Strophe a: Td (poßegöv oov,
8. Requiemlied. Z&ßßarov xrlg Tvgoq>äyov. Pitra S. 44
bis 52 (nach 5 Hss). Ohne Kenntnis dieser Ausgabe und des
Druckes in griechischen Euchologien (vgl. Papadopulos-Kera-
meus B. Z. II 605) ed. das Lied, wohl aus Codex B, Alex.
Eumorphopulos, 'ExxXrjo. 'AXij^eia 12 (1892) Nr. 32 S. 262
bis 264. Die Überlieferungsverhältnisse dieses später vielfach
umgearbeiteten Liedes sind ungemein verwickelt. Ich notiere
nur das für unseren Zweck wichtige Material aus einigen Hss:
Überschrift: ^ äxgoorixk {(pigov äxgoaxixtda q: Sxovra
[sc. xovrdxia] äxgooiixida r) xov xaneivov ^(Ojnavov 6 (6 fehlt
q r) yjakjüLÖg ovxog Q q r: (pigov dxgoaxixlSa. xov xaTieivov ^co-
juavov (aus Platzmangel nicht vollständig) V: c&v ^ äxgooxixig
{xovddxiov €xo)v dxgoaxixida f) tov xaneivov §ojfiavov y^ak/Liog
y fvw: (pegov dxgoaxixida xi/jvöe. xov xaneivov gco/navoi} y^aX/iog
Die Ährastkhis in der griechischen Kirchenpoeeie, 563
oßiov xd' (= zusammen 24 Strophen) M: Überschrift felilt
B(?)ke: keine Angabe über A.
Text: Tov xcuieivov §(o/iavov 6 (6 fehlt q) ipaXfxbg ovros
Q q: TOV TOTtivov (für E vor -ivov leerer Kaum von 5 Zeilen V)
^u)/jtavov (nach gcojuavov ein 0 und 2 leere Zeilen am Seiten-
schluss V) rpaXjAbq ovrog Vkr: tov Taneirov (xanivov Mwf
[in f ist das Fehlen der Strophe E am oberen Rande durch
die Notiz it'* e bemerkt]: xanvov B) Qoyfxavov ipaXfidg ABM
vwf: TOV Tantvov ^co/i e.
Die Hss zerfallen in eine Klasse mit dem Worte ovTog
am Schlüsse, also mit 29 bezw. 28 Strophen (in Q 30 durch
den Artikel 6 vor tpaXjudg) und eine verkürzte ohne das Wort
oi^Toc mit 24 bezw. 23 Strophen. Die Form Taneivov ist in
beiden Klassen vertreten, in der ersten durch Q q, in der
zweiten durch Av, die Form Tamvov in der ersten durch Vkr,
in der zweiten durch Mwf, ausserdem durch den verstümmelten
e; in B fehlt die ganze Gruppe EI. Über sonstige Abwei-
chungen der Hss (Umarbeitung und Umstellung ganzer Strophen
u. s. w.) könnte nur auf Grund einer neuen kritischen Ausgabe
des Liedes gehandelt werden.
Prooemion: 'Qg äyanr^Ta,
(Statt dessen in Q die zwei Prooemien:
Ol ix TOV ßiov
'iig evaeßelag),
Strophe a: Tolg tov ßiov TeQnvoTg.
9. Triumph des Kreuzes. Charfreitag. Pitra S. 53— 60.
Überschrift : tfigov äxQoaTixlda Trjvde. tov Tajieivov
Qco/navov Q : Jioirjßjia Qcojuavov C : tov Taneivov Qcojuavov V : rj
äxQoaTixig' tov Toneivov QWfxavov M.
Text: TOV Tajieivov ^cojuavov (18 Str.) QCVM.
Prooemion I: Ovxeri (ploylvrj,
Prooemion II : 'Qg äXtj§a)g.
Prooemion ni : Tä ovQavia.
Strophe a\ TQsig oTavgovg.
564 K, Krumbacher
10. Palmsonntag. Pitra S. 61 — 67.
Überschrift: (psQov äxQoaxixlda ii^vde (xi^vde fehlt ACVD)
etg td ßd'Ca §a>fiavov {gco/uLdvov C) QACVD: ^ dxQoorixk eh
xd ßd'ia Qcofiavov G: qpegov dxgoOTtxida Jijvde. elg xd ßdXa M:
Vermerk fehlt T.
Text: elg xd ßdia ^wfiavov QACV: Strophe 13 (a) fehlt
M: Strophen 10-15 fehlen DT: Str. 6—16 fehlen G.
Prooemion I : Merd xXd6(üv,
Prooemion II: T(p ^görcp,
Strophe a: ^Eneid^ ^Aidrjv.
^11. Der keusche Joseph. Montag der Osterwoche.
IL Lied. Pitra S. 67—77. VgL Krumbacher, Studien S.217f.
Überschrift: ov ^ dxgoaxixk- etg xdv i(oai](p ^(Oßavov
&iog Q: xovddxiov elg xdv oaxpgova Icoorjip. nXdyiog d\ ^a>/i**
(also ohne eigentlichen Akrostichon vermerk) C: (pegov äxgo-
axiyjda. elg xdv Icoorjq) ^cojuavov V.
Text: elg xov icoo7](p ^cojuavov Inog (inog fehlt CV)QCV.
Es ist also in CV das Lied um das letzte Wort der
Akrostichis verkürzt, ähnlich wie in einigen Hss bei Nr. 8.
Prooemion I: 'AxoXaoia,
Prooemion II: Ol x6 oxddiov.
Prooemion III: Tovg xd nd&og,
Strophe a: ''Exovxeg ßaadia.
/ yl2. Der keusche Joseph. UI. Lied. Pitra, Jubiläums-
galbe S. 11—30. Krumbacher, Studien S. 105-162.
Überschrift: (pegov dxgooxixida xrjvde. dXq>dßrjxov g(o-
fiavov Q.
Text: a ßy öel^ri'&ixXnv^OTigaxv (p%y) (D dXq)dßr]xov
gcDjLiavov (40 Strophen) Q.
Der Begriff Alphabet ist also auffalligerweise ■ im Texte
zweimal akrostichisch ausgedrückt.
Prooemion: 'O 'Icoaxcoß xcp xixibvi.
Strophe a\ ^AvxXrjocofJiev.
Die Äkrostichia in der ffrieehischen Kirchenpoesie, 565
> 13. Die zehn Jungfrauen. Dienstag der Osfcerwoche.
IL Lied. Pitra S. 77-85. Krumbacher, ümarb. S. 45—70.
Überschrift: (pigov äxQoorix^da Trjvde' rov xaneivov ^o)-
fiavov xovjo 10 no(f]fia Q: tpeQov äxgooTixlda, rov raneivov
gojjuavov (bdrj V : der Vermerk fehlt in C (Pitras Notiz beruht
auf Irrtum), ebenso in MT, die nur einen kleinen Teil des
Liedes bewahren.
Text: Tov xaneivov ^co/iiavov tovro to Tioirifia Q: rov
xaneivov ^co/iiavov (bdij a (wohl = a d. h. ngcbirj) CV: nur
einige Strophen sind erhalten in MT. Pitra, dessen Ausgabe
auf C beruht, hat in der 8. Strophe des Codex, die das E (in
TOTieivov) vertritt, das erste Wort Etde in 13« geändert und
die Strophe an den Schluss des Liedes verwiesen; so erhält
sein Text die Akrostichis: tov xamvov Q<ofiavov (bdrj ai, wo-
bei das i unerklärlich ist. Näheres über die ausserordentlich
verwickelte Überlieferung dieses Liedes bei Krumbacher, ümarb.
S. 13 ff., über die Gruppe ei in xojieivov S. 29.
Prooemion I: T6v wjAcpiov.
Prooemion II: 'O vv/Kplog.
Strophe a: Trjg Ugäg.
14. Die zehn Jungfrauen. I. Lied. Pitra, Jubiläums-
gabe S. 31—41. Krumbacher, TJmarb. S. 99—111.
Überschrift: ov ^ äxQOoxixk- xov xaneivov ^cüjnavov Q.
Text: ebenso (18 Str.) Q.
Prooemion: Aa/urndda.
Strophe a: Ti ^a^vfxeig.
15. Die Buhlerin. Mittwoch der Osterwoche. Pitra
S. 85-92.
Überschrift: q^egov dxQOOxixi^o. xi^vde (xijvde fehlt CV).
rov xaneivov ^wjnavov QCV.
Text: ebenso (18 Str.) QCV.
Prooemion I: '0 nÖQvrjv.
Prooemion II: Kaxi^ovoa,
Strophe a: Tä ^rj/iaxa.
566 K, Krumbacher
^^16. Judas. Gründonnerstag. Pitra S. 92—100, Krum-
bacher, Romanos und Kyriakos S. 736 — 752.
Überschrift: tpeQov äxQooiixlda x^vde (rrjvde fehlt C: q^sQov
äxQooxijiiid xrjvde fehlt V) xov taneivov ^cojuavov Jioirjßw. QCV.
Text: xov rantvov §(Ofiavov Ttoirffia (23 Str.) QCV. Doch
sind in C 7, in y 5 Zeilen für die vermisste Strophe mit E
freigelassen ; in Q schliesst sich die Strophe mit / ohne Zwischen-
raum an die mit 77 an.
Prooemion I: Iläxeg inovQdvie.
Prooemion II: Aeanöxov ;|^e^ai.
Strophe a : Tig dxovoag,
17. Maria beim Kreuze. Gharfreitag. Pitra S. 101 — 107.
Neue Ausgabe im dritten Kapitel dieser Abhandlung.
Überschrift: (pegov {(peg^ T) dxgooxixlda xi^vde (xT^vde
fehlt ACVT) (rj äxQoaxixlg Ö) xov xaTzeivov Qcojbiavov QAC
VGMT: fehlt B.
Text: xov xaneivov Qcofxavov (18 Str.) QM: xov xamvov
QOifxavov (17 Str.) BC VT: xov xajiei G: keine Angabe über A.
In C sind 7, in V 6 Zeilen für die Strophe mit E freigelassen ;
in BT ist keine Lücke angedeutet.
Prooemion : Tor dt* fifxäg.
Strophe a : Tbv Xdiov ägva.
// 18. Petri Verleugnung. Gründonnerstag. Pitra S. 107
—116. Krumbacher, Studien S. 114—134.
Überschrift: (pagov äxgooxixida xrjvde (xi^vöe fehlt C V)
xov xoTieivov Qü)/iiavou alvog QCV.
Text: xov xamvov QOjfxavov alvog g (so) Q (die zweite
Strophe für H dient für den bestimmten Zweck einer Tauf-
feier): xov xamvov Qojjuavov alvog CV, wo also die zweite
Strophe mit H fehlt. In allen drei Hss xamvov und zwar
ohne Andeutung einer Lücke.
Prooemion I: '0 noifxriv.
Prooemion II: Tcjv (poßsQOJv.
Prooemion III: ^'AXXog ßv&dg.
Strophe a: Tbv vovv ävvxpcoocoixev.
Die ÄhrosUekia in der griecfUschen Kirchenpoesie. 567
19. Die Passion. Gharfreitag. Pitra S. 116—124.
Überschrift: q)iQav ängoorixlda ttjvde (ri^vde fehlt C).
elg z6 nd&og yfaXfibg §(OfJiavov {j^wfxdvov C) QC: etg x6 nd&og
ipaijudg Q'' y (aus Mangel an Raum in der Zeile verkürzt).
Text: eis t6 nd&og tpaXfidg ^(Ofiavov QCY (in Q sind
einige Initialen durch Zerstörung des Blattrandes ausgefallen).
Prooemion I: ZrifUQov hagdtrero (nur in Q).
Prooemion 11: Tfjg ?;u^^oc.
Strophe a: "Exaxrj&i.
20. Ostersonntag. Pitra S. 124—140.
Überschrift: <peQov {npigei (?) B) äxQoouxida QpiQ^
[zerstörter Blattrand] Q) Ji^vde {ri^vde fehlt BOY) tov joneivov
^(OfAavov {qcofidvov B) 6 {6 fehlt QABMT) xpakfAÖg Q ABC V
MT: fehlt GJ.
Text: TOV xaneivov ^(Ofiavov y)aXjiwg QBCVJMT (wohl
auch A): rov xajieivov G.
Der Zusatz des Artikels 6 in der Überschrift CY beruht
auf einem Yersehen des italischen Archetypus.
Prooemion I: El xal h jd<pq),
Prooemion 11: KaxaXaßovoai (nur in CY).
Strophe a: Tdv nqb ^Uov.
21. Der hl. Thomas. Weisser Sonntag. Pitra S. 140— 147.
Überschrift: tpigov ixQoatixtda rijvde {ri^vös fehlt Y).
TOV TOTieivov §a}fw.vov QY: notrifxa ^cojLiavov C: fehlt M.
Text: TOV Toneivov ^co/iawov (so) Q: tov Taneivov ^co-
fjiavov CY: tov TOJieivov M (die letzten 7 Strophen fehlen):
nur 6 Strophen in GJ: keine nähere Angabe über A.
Also durchwegs tojisivov. Neu ist die Schreibung §o)/iawov
in Q. Die zweite Strophe mit N ist identisch mit der in CY
{Nai, <pddv&Q(on€); die erste, in CY fehlende, beginnt mit:
Nvv olv dioTtoTü und enthält Worte des Thomas. Yermutlich
haben wir in der Doppelung des N die Spur einer Umarbeitung
des Liedes zu erblicken, bei der durch Yersehen des Kopisten
auch die unterdrückte Strophe in den Text kam. Auch sonst
1908. SiUgsb. d. pbUoa..phUo]. n. d. hiit KL 38
568 £. Krumhaeher
ist der Text des Liedes, besonders gegen den Schluss, in Q
sehr verschieden von der Fassung GY.
Prooemion: T^ q)dojiQdyjuovi (in CV noch 2 andere Pro-
oemien).
Strophe a: Tlg iqwka^e.
22. Christi Himmelfahrt. Pitra S. 148—157.
Überschrift: (pigov äxQoorixl^ xr^vde (x^vde fehlt ACV).
Tov rajieivov ^cojmxvov QACVM: 17 (^ fehlt T) äxQOorixk'
Tov xaneivov QCOjLiavov BGT: fehlt J.
Text: TOV xaneivov gw/uarov (18 Str.) QBCVMT (wohl
auch A): tov xanei J: xov xojze G.
Prooemion: Tijv vtieq fifi&v.
Prooemion 11: lEr tcJ oqei (nur CV).
Strophe a': Tä xrjg yrjg.
23. Pfingsten. Pitra S. 157—164.
Überschrift: (peqov {(pSgei M) ängooTixldcL xrjvde (xrivde
fehlt C VT) {fi äxQooTixk G). xov xaneivov §(ojbiavov QAC VGMT.
Text: xov xaneivov §a}jLiavov CVM (wohl auch A): xov
xaneefivov ^wavov T: xov xaneivov ^ GJ: xov xaneiv (der Rest
fehlt durch Verstümmelung der Hs) Q.
In QCVM beginnt Strophe 8 mit 'loxi^xeioav d. h. die
Form ElaxY}xeioav ist nach dem Prinzip der Antistoechie für
Littora / gebraucht und demgemäss auch geschrieben; ausser-
dem ist in T die Strophe M durch irgend ein Versehen von
der 14. an die 9. Stelle geraten. Also durchwegs xaneivov^
aber mit Vertretung von / durch antistoechisch behandeltes EL
Prooemion: "Oxe xaxaßäg,
Strophe a': Taxeiav,
24. Allerheiligenfest. Pitra S. 165—169;
Überschrift: (pigov äxQoaxixida. 6 alvog §(ojuavov ACV:
oi fi äxQooxixig- 6 alvog ^oyfiavov M.
Text: ö alvog ^co/luxvov ACVM: 6 alv GJ^
Prooemion I: *iig änagxdg,
Prooemion 11: 'üg Hei^jucov.
Strophe a: Ol Iv ndaij.
Die Äkrostidhis in äer griechischen Kirchenpoesie. 569
25. Die heiligen Apostel. 29. Juni. Pitra S. 169—178.
Überschrift: (piQOV {(pegsi ? D) äxQOüxtxlda rrfvöe, xov
xajieivov ^coßjiavov 6 ipak/nög PÄD: ^ äxQooxixiS' tov xaneivov
^(Ofjiavov M: kein Vermerk CVT.
Text: xov xanivov ^cojüiavov 6 y/aX/iög PCVD (in V ist
nach Strophe II die Initiale E gesetzt und zwei leere Zeilen
am Seitenschluss): xov xojiivov ^m/io (die Strophe mit O ist
= Strophe 18 des YoUständigen Textes) M: xov xojiivov ^(jo)fA T.
Also durchwegs xanivov ohne Andeutung einer Lücke; denn
die zwei freien Zeilen in V rühren vom Schreiber V, nicht
Yom italischen Redaktor her. In A lautet die Überschrift wie
in P; über den Text von A habe ich keine Angabe.
Prooemion I: 'O oo(ploag,
Prooemion II: Tovg äocpakeig,
Strophe a: Tqdvoyaov.
26. Der hl. Johannes der Täufer. 29. August. Pitra
S. 178—185. Unbenutzt A fol. 186^—190^.
Überschrift: (pigov dxQoaxixida, xov xaneivov ^(lavov
C: fehlt M.
Text: xov xaneivov ^coßiavov AC: xov M.
Prooemion I: Ilgmei ool
Prooemion 11: 'H xov nqoÖQOfxov.
Strophe a\ Tä yeviaia.
27. Die drei Knaben im Feuerofen. 17. Dezember.
Pitra S. 185-198.
Überschrift: qfigov äxQooxixlda xi^vde {xrjvde fehlt ACV).
xov xaneivov ^fiavov 6 tpaXfjidg ovxog PACVD: (pigov äxgo-
axixlda xov xaneivov §ü>fJiavov M: fehlt T.
Text: Tov xaneivov ^aj/iiavov 6 tpak/iog ovxog PA(?)CV:
xov xajieivov ^oy/navov M: xov xaneivo D: xoxvan (nur 6 Strophen
in verwirrter Ordnung) T. Keine nähere Angabe über G fol. 45^
— 48^. Also durchwegs xaneivov.
Prooemion I: XeiQ6yQa(pov elxöva.
Prooemion EL: Ol xQeig.
Strophe a: Tdxvvov.
38*
570 K. Krumbacher
28. Mariae Geburt. 8. September. Pitra S, 198—201.
Überschrift: (pigov dxQocrix^^ xiqvde {xrivde fehlt Ab).
fl (bdfj ^ODjLiavov AGb: ofi ^ dxgooxixk- ^ (bdi^ ^oyfmvov p.
Text: ebenso AGbp.
Prooemion: ^loyanxelfi xal "Awa.
Strophe a: 'H jiQoaevxij-
29. Der hl. Nikolaos von Myra. 6. Dezember. I.Lied.
Pitra S. 202—209.
Überschrift: q>£Qoy äxQoarixlio, rijvde. alvog xal 6 tpaX-
fji6g Tov §(üfiavov P: &xQoanxk* alvog x, 6, tp. t. ^. T: fehlt CVM.
Text: alvog xal 6 yjaXfibg tov QOifiavov PT: nur Pro-
oemion und die ersten zwei Strophen und zwar stark umge-
arbeitet CV: nur Prooemion und die ersten drei Strophen M.
Prooemion: *Ev xoXg fxvqoig.
Strophe ai *Awiuvi^acoßji€v.
30. Der hl. Symeon Stylites. 1. September. Pitra
S. 210—217.
Überschrift: ravxrj (avxtj b) ^ <b<ii] xov iXaxloxov ^cojua-
vov Ab: fehlt M.
Text: xavxf] (so) ^ ibitj xov llaxtox {o fehlt) v ^jnavov b:
vermutlich ebenso A: xav M.
Prooemion: Tä ävü> Cv^wv,
Strophe a': Tov üv/iiecjv.
31. Die hll. Eosmas und Damian. I.November. I.Lied.
Pitra S. 218-222.
Überschrift: (pegov äxgoaxixida xijvde (xi^vde fehlt Cd)
noirjfia gcofiavov PCd (in V ist das ganze Lied ausser der
letzten Strophe durch Ausfall der ersten Blätter der Hs ver-
loren gegangen).
Text: 7ioi7]fxa §(Ofiavov PCd.
Pitra hält das Lied trotz des Automamens in der Akro-
stichis wegen des leeren Wortschwalles und der poetischen
Minderwertigkeit für untergeschoben.
Prooemion: Ol xrjv ;^d^tv.
Strophe a: Ildorjg ovvioecog.
Die ÄkrogHehis in der grieefUachen Kirehenpoeme. 571
-* 32. Stichera auf Christi Geburt. Pitra S. 222-228.
Überschrift: (pigovra (sc. aiixfjQd) ixQoorix(i<i' ahog
toTieivov ^fjLavov elg xä yeyi^ha o (in Im fehlt die Über-
schrift).
Text: alvog raneivov ^fjuxvov elg xä yevi^Xia lo; nur
die ersten 7 Strophen m.
In einigen der Ton Pitra notierten Hss (Yatic. 1515,
Yatic. Reg. 54, Ciypt. XVIII) hat Sickenberger, der die Stichera
f&r mich vei^leichen wollte, den Text vergeblich gesucht.
Strophe a: AI äYyeXixal
B. ünedierte Lieder des Romanos.
33. Der hl. Demetrios. 26. Oktober. P fol. 17'— 19'.
Überschrift: q>£Qov äxQoarixlda xi^vde, xov xamivov ^a>-
fiavov alvog P.
Text: xov xaneivov ^copiavov alvog (23 Str.) P.
Prooemion: Nixi]q>6Qov.
Strophe a: Tl xwv ocbv vfxv^om.
34. Die hll. Eosmas und Damian. 1. November,
n. Lied (ganz verschieden von Nr. 31). P fol. 21'— 24\
Überschrift: q)iQov äxgooxixlda xi^vde, xov xaneivov ^co-
fjuxvov 6 vfivog ovxog P.
Text: ebenso {xaneivov \) P.
Prooemion: *Ex xtjg dgg'qxov,
Strophe a: Tcß ^Ucp xd q>a}xlCeiv.
35. Die hll. Akepsimas, Joseph und Aeithalas.
3. November. P fol. 27^—29^.
Überschrift: q>iQov äxQoaxixida xijvde. xov xdXa ^-
fiavov P.
Text: ebenso P.
Prooemion: 0(oxl xdß voififp.
Strophe a: T^v ;ife^o€o^etoav xagdlav fxov P.
36. Der hl. Menas. 11. November. P fol. 39^—42^
Überschrift: ij ixQoaxixlg^ xov xaneivov ^oyfiavov Inog
(am Rande nachgetragen) P.
572 K, Krmmbadier
Text: ebenso (tanetvovl) P. Es ist aber von der mit /
i^Innwv) beginnenden Strophe (i;') nur der Anfang (16 Wörter)
geschrieben; dann folgt noch ein leerer Raum von 5 Zeilen.
Man erhält also den Eindruck, ab habe der Schreiber bezw.
Redaktor den Versuch gemacht, die in seiner Vorlage fehlende
Strophe mit / selbst zu ergänzen, dann aber die Vollendung
auf eine spätere Zeit verschoben oder die Ergänzung der Lücke
von einer anderen Hs erwartet. Die vorhergehende Strophe (£1
beginnt mit ^Enexekeixo^ konnte also nicht etwa antistoechisch
das / ^ EI vertreten.
Prooemion I: T^g rguidog.
Prooemion 11: 'O t^c Mfi;c.
Strophe a: Tov ä&Xo<p6Qov xißA&oa xaXQ}g,
37. Der hl. Johannes Chrysostomos. 13. November.
P fol. 47^— 50^
Überschrift: (pegov ixgoaTixlda n^vde. tov tojieiyov §q>'
fiavov P.
Text: ebenso (TOTieivov) P.
Prooemion: *Ex zöry ovqavayv,
Strophe a: Tco tcov dlcov noirfxjj,
38. Der hl. Apostel Philipp. 14. Nov. P fol. 57>^-58\
Überschrift: (pegov äxgooxixüd "xrivöt. ^(Ofiavov 6 y'oi-
f^og P.
Text: ebenso (14 Str.) P.
Prooemion: '0 fia^rjxijg xal (ptXog oov.
Strophe a: 'PeT&ga X6yov nagdoxov f^oi, xvgie.
39. Die hll. Gurias, Samonas und Abibas. 15. Kot.
p fol. 58^— eo«-.
Überschrift: (pegov äxgooxixlda xijvde, xov xdXa ^wjdavov
{j (hd/j P.
Text: TOV xdXa gcoßiavov (hörj i; (18 Str.) P.
Es ist also im Texte scheinbar der Artikel ff nach wbi]
gestellt und diese Stellung wird durch den Inhalt gefordert;
denn die zweite Strophe mit H enthält ein Schlussgebet an
die drei Heiligen. Darnach ist zu vermuten, dass wir es hier
Die AkrosHeKis in der griechischen Kirehenpoesie, 573
nicht mit dem Artikel, sondern mit der Wiederholung der
letzten Littera der Akrostichis zu tun haben. Das ^ in der
Überschrift ist also zu streichen.
Prooemion: 'JEf Sy^ovg, oo(poL
Strophe a: Tflq tov Ix^qov dovkelaq,
40. Der hl. Nikolaos von Mjrra. 11. Lied (vgl. Nr. 29).
P fol. 94»^— 95'.
Überschrift: (pSgov äxQooxixlda xi^vde, (hüi ^(Ofiavov P.
Text: ebenso P.
Prooemion: 'O inivbciog avldg.
Strophe a: 'Qq xfjg ootplag ägxfiydg,
41. Der hl. Ignatios. 20. Dezember. P fol. 108^— 109\
Überschrift: q>iQoy ixQoaxtxlda xrivdB, alvog ^(Ofiavov P.
Text: ebenso P.
Prooemion: Tcov lafjmqcbv äycovcov aov.
Strophe a: *Aßgaä/uL juikv noxL
42. Die hl. Nacht. 11. Lied (vgl. Nr. 1). Prooemion
und 3 Strophen bei Amfilochij, Textband, Dopoln. S. 63. Voll-
ständig in P fol. 123^—126' und A fol. 89—93.
Überschrift: q)iQov äxQoaxixida xijvde. xov xcuieivov qo)-
fiavav P.
Text: xov xantivov §o}fiavov (18 Str.) P.
Prooemion: *0 ngd iwa(p6Qov,
Strophe a': Tdv äyec&Qyrjxov ßöxgvv.
43. Nachfest von Christi Geburt {Kovxdxiov (xe^ioQ-
xov xfjg Xgioxov yewi^aecog), P fol. 128'" — 129' und D.
Überschrift: <pigov äxgoaxixlda xrjvde. 6 Cjuvog ^cü-
fiavov PD.
Text: ebenso (13 Str.) P: d «> D.
Prooemion: KarenXdyi] 'loDoijcp,
Strophe a: "Oneg ögd), votjoat ov xwgcb.
44. Die unschuldigen Kinder. 29. Dezember. P
fol. 132'- 135'.
Überschrift: q>igov äxgoaxixiS<^ xrjvde. xov xanetvov gco-
fiavov PD.
574 £. Kri$mbadier
Text: ebenso (xaneivovl) P: xav D.
Prooemion: *Ev xfj Bti^iek/A.
Strophe a: Tdyv ävco xal x&v x6x(o.
45. Der hl. Basilios. 1. Januar. P fol. 139^— 140^
Überschrift: <piQov Axgoarixlda xrjvde. xov xojuivov dm-
ßiavov P.
Text: xovvxa (5 Str.) P.
Es sind also, obschon in der Überschrift noch die rolle
Akrostichis genannt wird, in der Vorlage von P 13 Strophen
ausgefallen, und die Ordnung der übriggebliebenen ist verwirrt
worden.
Prooemion: ^ü<p^g ßdaig.
Strophe a': T17C ooxpQooim]^ 6 xgaxfjg.
46. Adam (Christi Taufe). H. Lied (vgl No. 5). P fol.
Überschrift: fpigov äxgoaxixi^ xi^vde, xov xaneivov §<i>-
ßjiavov alvog P.
Text: xov xamvov ^co/xavov ahog (22 Strophen) P. Die
Strophe E fehlt, ohne dass in der Hs eine Lücke angedeutet ist.
Prooemion: Tfjg xoXv/ißrj&gag.
Strophe a: Ttg ebifj, xlg delif].
47. Der hl. Tryphon. 1. Februar. P fol. 184^-187^
Überschrift: <pigov ixgoaxixlda xi^vde. xov xojuivov ga)-
fxavov P.
Text: xov xamvov ^wßiavov P (keine Lücke für E).
Prooemion : 'ExdajtavTjoag.
Strophe a: Trjv xcbv dv&g(07to}v yevedv.
" 48. Die vierzig Märtyrer. 9. M&rz. L Lied. P fol. 200^
bis 203^
Überschrift: (pigov äxgooxixlda njvi«. xov xvgov (so)
^(Ofiavov inr) P.
Text: ebenso (18 Str.) P.
Prooemion: T6 ^lq)og xd vyg&v.
Strophe a': Tov 'Itjaov xä jta^i^fiaxa.
Die Äkrostiehia in der grieMsehen Kirehenpoeeie. 575
49. Die vierzig Märtyrer. 11. Lied. Das Prooemion
und 5 Strophen ed. aus T fol. 93^—95' Pitra S. 599—603.
Prooemion und 11 Strophen bewahrt V fol. 81'— 83^ Der
vollständige Text in P fol. 203'— 206^ A fol. 119'-124', D.
Überschrift: (pigov äxQooxixtda xrjvdE, xov raneivov ^o)-
fjtavov vjULvog P: (pigov &xQO(nix^da xov xaneivov V: fehlt DT:
keine Angabe über A.
Text: Tov xamvov §(o/iavov v (keine Lücke für -Ein xam^
vov) PÄD: xov xamvov v (und zwar so, dass die zwei letzten
Strophen den 2 letzten Strophen des P entsprechen, also
eigentlich rot; xantva v v) V: r . . . (Lücke durch
Blattausfall) aniv (ursprünglich xov xaniv, wobei das Schluss-v
durch die vorletzte Strophe von P vertreten wird) T.
Also durchweg xanivod erhalten oder aus den Resten zu
erschliessen. Sehr auffallig ist, dass die in P angekündigte
Akrostichis weder in P noch in AD zu Ende geführt wird.
Da nun die letzte Littera der Akrostichis im Texte zuweilen
zweimal gesetzt wird (vgl. Nr. 18, 39, 49, 55, 64, 68 u. ö.),
so ist zu vermuten, dass die Akrostichis des Liedes in Wahr-
heit ^xov xanivov ^coßiavov v* lautete und dass der Redaktor
oder Schreiber von P das zweite Schluss- Y irrtümlich für den
Anfang des Wortes S{/ivog) hielt und in der Überschrift dieses
Wort hinzufügte. Der Lihalt der zwei Schlussstrophen spricht
nicht gegen diese Annahme. Die vorletzte Strophe (17) enthält
noch ein Stück der Erzählung von den 40 Märtyrern; sie wird
erst in den ersten Versen der letzten Strophe (18) zu Ende
geführt. Dann kommt, allerdings etwas unvermittelt und nur
die zweite Hälfte der Strophe 18 füllend, das Scblussgebet.
Für diese Erklärung der inkongruenten Überschrifb spricht
auch die Überlieferung. Denn die zwei Schlussstrophen von
P bilden auch den Schluss des Liedes in AD und in der im
übrigen stark verstümmelten italischen Redaktion (Y).
Prooemion: Iläaav axgaxelav,
Strophe a': T(p Iv ^Q6vcp.
576 K. Krumbtuher
50. Mariae Verkündigung. 25.Mär2. P fol. 212'-2U\
Überschrift: tpiqov ((pig'^) ixQomixiAo. xYjv&e. xov tcüki-
yov ^(üßiarov P.
Text: ebenso (raneirov) P.
Prooemion: "Ozt ovx Eaxiv,
Strophe a': Tcß ^QX^YY^^V raßgiifl.
51. Der hl. Märtyrer Oeorg. 23. April. L Liei
P fol. 219^— 221\
Überschrift: <piQov äxQoouxidcL rtjvde. xov xdia qo)-
fiavov P.
Text: ebenso P.
Prooemion: 'H (pwxotpoQog.
Strophe ai xov xov Jiagddeiaoy nnxk,
52. Der hl. Märtyrer Georg. II. Lied. P fol. 221^
bis 223\ -' . '
Überschrift: (pigov (ipiq'^) ixQoaxixldo. xrivde. xov xaiui-
vov §o>fAavov nolrjßjia P.
Text: ebenso (24 Strophen) P.
Prooemion: Tg dvvdfiei xov axavgov.
Strophe a: Ti]v ägexrjv xijv Sv^eov äel.
53. Der hl. Athanasios von Alexandria. 2. Mai.
P fol. 230^^— 231\
Überschrift: (pigov äxgoaxixlda xtjvde. alvog ^fiarov P.
Text: ebenso P.
Prooemion: ^Og^odoilag qwxeioag.
Strophe a': *A^avaolag xkiog vndQxcov.
54. Der hl. Apostel Johannes. S.Mai. P fol. 235'
bis 238^
Fünf Strophen (ohne das Prooemion) edierte, ohne die
Autorschaft des Romanos zu kennen, aus C und M Pitra
S. LXIf.; vgl. S. LXV; 663. Das Prooemion und die fönf
Strophen des M auch bei Amfilochij, Facsimileband S. 9— 11;
vgl. Textband S. 60.
Überschrift: q)iQoy {(pfo"") äxQOonxlda x/]vd£. vf^rog «V
xov '&€oX6yov ^(Ofiavov P: fehlt CM.
Die Akrastichis in der griethisd^n Kirehenpoene. 577
Text: ebenso (27 Strophen) P: v^vog ootj C (vgl. Pitra
S. LXV): fifAvog M.
Prooemion: Tä fuyaXBii aov,
Strophe a: ITyfti oigdvia.
55. Der hl. Johannes der Täufer. 24. Juni. Pitra
S. 320 — 327 (aus G unter dem Namen des Domitius). P
fol. 252^—255' (als Lied des Romanos). A fol. 149«^— 152'
(unvollständig ohne Automamen). Vgl. Krumbacher, Umarb.
S. 42 S.
Überschrift: fpigov {(pig'*) äxQoaiixida r^vde. elg t6v
Tzgödgoßiov §(Ofjuxvov P: tpigov ängoatixlda elg rdv ngddgofwv
doßierlov (dofurlov V) CV: fehlt MT.
Text: dg tdv ngdögoßiov §(Ofiavov v P: ttg x6y ngöögo-
fioy iofintov CV: elg täv Ttgddgojnov a A: elg rdv n M:
Ek TÄV T.
Prooemion: *H oxeiga oijfiegov.
Strophe a: Evq^Tjßnjocojbiev vvv.
Die vorletzte Strophe (v in P, o in CV) enthält den
Schluss der Erzählung über den hl. Johannes den Täufer, die
letzte Strophe (in beiden Überlieferungen mit v beginnend)
bringt ein Schlussgebet an den Heiland.
56. Der hl. Prophet Elias. ^iTjuli. P fol. 270'
bis 273'. Das Prooemion und die 3 ersten Strophen ed. aus
C 4" T Pitra S. 296 f. Vgl. Krumbacher, Romanos und Kyriakos
S. 761 f.
Überschrift: tpigov {(fig'^) äxgoonxida xrjvÖB, x&v ngoipr}-
Ttjy fjXtav 6 gcDfiavdg v/nvco P.
Text: ebenso (25 Strophen) P: rdv T: t CV.
Prooemion: ügoqnjra xal ngoönra.
Strophe a: Tfjv noXXfjv x(bv äv&g(6ncov äyo/niav.
In A fol. 163"^ — 170' steht ein Lied des Romanos auf den
Propheten Elias mit der Überschrift: rdv ngotptjzrjv *Hilav 6
'PcDfiavog EvqnifieT. Da die Akrostichis mit der obigen mit
Ausnahme des Schlusswortes übereinstimmt, handelt es sich
wohl um eine am Schlüsse abweichende Redaktion des obigen
580 K. KrmmhaAer
63. Noe. Dritter Fasienflonntag. Qfol.29''32^ Strophe
a' — y mit einem von dem des Q yerschiedenen Prooemion ed.
unter den Anepigrapha aus T Pitra S. 451 — 453.
Überschrift: ov ^ äxgoanxi^ ?*c- curog xal oviog §€0-
fiavov Q: fehlt T.
Text: civog xai ovxog Qoafuxrov Q: cuv T.
Prooemion: *Enl N<be t^v äfiagtiav Q: Tcäv ä/MLQtidn^ ro
niXayog T.
Strophe a: *A<poQOüv Ttjv djieiXijv,
64. Die Kreuzanbetung. Mittfastenfreitag. Q fol. 35'
bis 38^
Überschrift: (pigov ixqoaxixida xi^vde, xovxo ro inog
laxiv ^CD/iavov Q.
Text: Toyro x6 enog ioxlv ^(o/iavov v (24 Strophen) Q.
Es ist also der letzte Buchstabe zweimal gesetzt. Der
Grund ist nicht klar. Schon Strophe xy enthält ein Schluss-
gebet; Strophe xd' beginnt mit Ylög Magiag iyevov und bringt
dann ebenfalls ein Schlussgebet. Vielleicht sollte die in den
früheren Strophen gänzlich fehlende Erwähnung der Mutter
Gottes hier nachgeholt werden.
Prooemion : T6 oeßdofuov ^vXov JtQooxvvovvxeg.
Strophe ai Td xQtojnaxdQiaxov SvXov,
65. Das Opfer Abrahams. Vierter Fastensonntag.
Q fol. 38^—41'.
Überschrift: cpegov äxQooxixlda xrjvde, eig xdv äßqaäfi
^(Ofiavov v/uvog Q.
Text: ebenso (24 Strophen) Q.
Prooemion: 'Qg xadagäv ^volav.
Strophe a: Elg oQog ävaßaivovxa.
66. Bussgebet. Mittwoch der fUnften Fastenwoche.
Q fol. 41«-— 42\
Überschrift: (pegov äxgoaxixida ii]vd€. Ttgoaevxfj ^cojutavov Q .
Text: ebenso (15 Strophen) Q.
Prooemion: Tov q^oßegov dixaoxov,
Strophe a: Flokkoi dtä /uezavoiag.
Die Akrastiehis in der grieMsehen Kirchenpoesie. 581
67. Busslied. Donnerstag der fünften Fasten woche.
Q fol. 42^— 44^ Vgl. meine Gesch. d. byz. Lit.» S. 667.
Überschrift: q)iQov äKQoazix^da ji^vde. xov taneivov gco-
/.lavov alvog Q.
Text: ebenso {xcuieivov?^ Q.
Prooemion: ^vx^i fJ^ov, tpvx^j f^ov, ävdara,
Strophe a: T6 xov Xqiotov laxqeiov,
68. Der hl. Isaak. Freitag der fünften Fasten woche.
Q fol. 44^~47\
Überschrift: (pigov äxQoouxlda xi^vde. xov xcmeivov ^(o-
uavov Q.
Text: xov xaneirov ^(ojuavov v (19 Strophen) Q.
Der Grund der Verdoppelung der letzten Littera ist nicht
ganz klar. Strophe irj' enthält den Schluss der Erzählung
von Esau und Jakob, Strophe it^' bringt als Abschluss des
Ganzen die Deutung des Jakob und der Rebekka auf die
Christen und die Kirche. (Inc. ^YjLieTg oiv xavxa Axgißwg.
xcnavorioaxe <piXoL xä ndvxa yäg iv xvncp TiQOBQQe&fj xal lyQdq)t),
6 ^Haav fxiv xvnog x&v 'Iovdalo)v.) Man erhält den Eindruck,
als habe sich der Dichter bei der Disposition des Stoffes ver-
rechnet und zuletzt, um nicht allzu schroff abzubrechen, noch
eine Strophe über das akrostichische Schema hinaus hinzugefügt.
Prooemion: T6v ^Haav /zioijoag.
Strophe a': T6v iid xijg vjiaxofjg.
69. Der Reiche und Lazarus. Mittwoch der sechsten
Fastenwoche. Q fol. 47^—50^.
Überschrift : ov ^ äxgoaxixlg avxrj. nolrjjLia ^co/xavov
xoTieivov Q.
Text: ebenso (xaneivovl Bei Strophe la' ist durch Ver-
sehen Mifxoyv statt Ne/xcov geschrieben) Q.
Prooemion : El xal xcbv l/bicov.
Strophe a: Ilvevjuaxixfj vfÄVCoölq,
70. Die Auferweckung des hl. Lazarus. Samstag
der sechsten Fastenwoche. L Lied. Q fol. 50^ — 53'.
Überschrift: (pigov äxgoaxixida Tfjvde. xov xajieivov ^w-
fmvov Q.
582 K. KrmmbaiAer
Text: ebenso (rajieivovl) Q.
Prooemion : 'Enianjg h t<S rd^xp.
Strophe a : Tl^v taq)riv ßXinovres.
Ein anderes Lied auf den hl. Lazarus verfasste Kyriakos.
Vgl. Nr. 91.
71. Die Auferweckung des hl. Lazarus. TL Lied.
Q fol. 53«--55^
Überschrift: (pigov äxQoanxüo- tijvd«. xov xamtvov ^a>-
fiavov Q.
Text: ebenso {xaneivov)) Q.
Prooemion I: *H ndvxwy x^Q^-
Prooemion 11: 'O (1. TO) ndvtcov XqioxL
Strophe a: T6v 6dvQ/i6v,
Sehr lehrreich ist ein Blick auf die sonstige Überlieferung
des Liedes, unter den Anepigrapha ed. Pitra S. 473 — 475 aus
T fol. I6b' — 166^ ein Fragment, das teils aus Strophen unseres
Liedes, teils aus neuen, wohl einem anderen Liede entstammenden
Strophen besteht. Das Verhältnis ist also: Pitra Prooemion
(nach seiner Zählung Strophe a) = Prooemion IQ; Pitra
Strophe )S'=-(J'Q; y=-ß'Q; «' = /Q; e=aQ; ^' fehlt in Q;
^=t?'Q (aber ganz frei umgearbeitet); i^'=ijy'Q. Ausser
T kommen noch V und M in Betracht. Und zwar bewahrt
V fol. 88>-— 88^ Prooemion I und Pitras Strophe g\ die in Q
fehlt. Ganz eigenartig ist der Redaktor verfahren, auf den M
zurückgeht. Auch er hat den grössten Teil der Strophen des
Liedes, wie es in Q überliefert ist, über Bord geworfen; aus
den übrigen aber hat er gar zwei Lieder hergestellt. Sie
stehen in M fol. 262''— 262^. Das erste besteht aus Prooemion I,
Strophe ß' bei Pitra (= d' Q) und einer Strophe {^HX^e Xgiaiog\
die eine ganz freie Umarbeitung von Strophe g'Q {Ildvxeg ofiov)
darstellt. Das zweite Lied, als heqov xovtdxiov eingeftikrti
besteht aus Prooemion II Q, aus Strophe e Pitra (= aQ%
Strophe g Pitra, die in Q fehlt, und Strophe d' Pitra (=/ Q).
Man sieht aus diesen drei Beispielen, in welchem Grade die
alten vollständigen Lieder in den verkürzten Bearbeitungen,
Die Äkrostichis in der griechischen Kirchenpoesie. 583
wie sie in zahlreichen Hss vorkommen, zerrüttet sind und
welche Vorsicht bei der Benützung der fragmentarischen Über-
lieferung geboten ist. Vgl. Erumbacher, Umarb. S. 6 ß.
72. Christi Auferstehung. I.Lied. Q fol. 104'— 106'.
Überschrift: {(peQo)v äxQooxixidoi r^/vd«. tov xvqov (so)
^iojuavov alvog Q.
Text: ebenso (20 Strophen) Q.
Prooemion: {'Ei>ava?>Tc6t?i/ ö dävarog elg vhcog.
Strophe a: {Tijv) fco^v ifj xa<pfj,
73. Christi Auferstehung. II. Lied. Q fol. 108'— 110^
Überschrift: tpeqov äxQooTixida xi^vde. tov Toneivov
^ßÄavov alvog Q.
Text: TOV Tamvov ^oifAavov alvog (22 Strophen) Q.
Prooemion: Tov oxavQOv oov tzqooxvvco,
Strophe a: {T)r]v ödöv oov, ocbiiq fxov,
74. Christi Auferstehung. lU. Lied. Q fol. 110^— 115'.
Überschrift: (pegov äxQooxixiici xi^vde, xov xaneivov
^ojjLiavov alvog elg xo nd&og Q.
Text: ebenso {xanei.vov\ 33 Strophen) Q.
Prooemion: Tov oov ixovotov •9dvaxov.
Strophe a': Td /hvoxtjqiov xfjg ofjg olxovo/iiag.
75. Christi Auferstehung. IV.Lied. Q fol. 115^— 117'.
Überschrift: (psQov äxgooxixlda xrjvde, (bdij &(o/iavov Q.
Text: (bot] ^co/iavov v Q.
Prooemion: Tcp nd'&ei oov, acoxrjQ ^jucbv.
Strophe a: "QoneQ ovgavov verov.
Der Grund der Doppelung des Y ist unklar. Strophe i
('Yyfi]Xf}v) enthält eine als Abschluss genügende triumphierende
Anrede an den Hades, die in Strophe la ("Ytpcoai jue) ohne
Not fortgeführt wird. Vgl. Nr. 68.
76. Die Heilung des Lahmen. Mittwoch der weissen
Woche (rfjg diaxaivi^oifiov, wofür in Q konsequent: xijg dia-
xivfjai/iov). Q fol. 118^— 12r.
Überschrift: q)BQOv dxgooxixida xtivde, xov xaneivov
^yfjiavov xd inog Q.
190& Sitxgsb. d. phUos.-phtlol. a. d. hiat Kl. 89
584 K, Knmibadier
Text: ebenao (xaneivovl 24 Strophen) Q.
Prooemion: XQtardv doidowjitev.
Strophe a'i T6 diep^ai üvvex<bQ,
77. Die Hochzeit in Kana. Mittwoch der zweiten
Woche (nach Ostern). Q fol. 125^—128«-.
Überschrift: (plQOv äxQoatixiia xiljvde. rö Mnog ^/lawf
laneivov Q.
Text: ebenso {xaneivovl 21 Strophen) Q.
Prooemion: *0 t6 vdiog ek olrov.
Strophe a: It]v nag^eviav xifirjoag i^edg,
78. Die Heilung des Aussätzigen. Zweiter Sonntag
{uov ßivQo<f6Qü)v). Q fol. 128^—130^.
Überschrift: tpigov äxQooxixida ri^yde. Toii joTittvov
^(Oßiavov Q.
Text: ebenso (xaneirovl 18 Strophen) Q.
Prooemion: 'üg tov Xstiqov ixd^agag.
Strophe a: Tov rov yivovg ^ebv xai evegyirtjv.
79. Christi Auferstehung und die zehn Drachmen.
Dritter Sonntag (nach Ostern). Q fol. 130^—133^.
Überschrift: q?EQov äxQoouxlda xi^vde. tovto ramivov
QCüjLiavov Q.
Text: ebenso (xajieivovl 20 Str.) Q.
Prooemion: Ol { )ivxeg Kgimcp.
Strophe a: {Trjg x)ov Xgiaxov naQaßoXfjg,
80. Die Samariterin. Vierter Sonntag (nach Ostern).
Q fol. 136'— 188\
Überschrift: tpigov äxQaaxtxüci xrivde. xov xcuuivov
^(Dfiavov alvog Q.
Text: xov xajiivov ^oDjbiavov dlvog Q (ohne Andeutung
einer Lücke für £").
Prooemion: *Em x6 (pgeaq <bg ^X&ev.
Strophe a: T6 xdXavxov xb öo&ev aoi.
81. Die Heilung des Besessenen. Mittwoch der fönften
Woche (nach Ostern). Q fol. 139'— 141^
Die Akrostichis in der griechischen Kirchenpoesie, 585
Überschrift: (pigov äxQoouxtdci rrjvde. 6 tpaljLidg oviog
toTiv ^(ofÄavov Q.
Text: 6 tpal/udg ovzog ioxlv ^jnavov v (25 Strophen) Q.
* Prooemion : Td)v ^ayfidrcov oov,
Strophe a': 'O kabg ö moTÖg.
Die Doppelung der Schlussinitiale Y war hier unvermeid-
lich, weil die erste Strophe mit Y (xd' 'Yog) noch ganz zur
Erklärung des Verhältnisses der Dämonen zu den Tieren ver-
braucht war ; so ward für das Schlussgebet eine weitere Strophe
{xe 'YjifjQixai) nötig.
82. Die Heilung der Blutflüssigen. Mittwoch der
sechsten Woche (nach Ostern). Q fol. 142''— 143^.
Überschrift: (pigov äxgooxtxlda rrjvde, tpal/tiög tov xvgov
(so) ^fiavov Q.
Text: ebenso (21 Str.) Q.
Prooemion : 'Qg t) aljuöggovg.
Strophe a: WdlXco ooi iv <pdaTg,
83. Das Brotwunder. Mittwoch der siebenten Woche.
Q fol. 149'— 152^
Überschrift: (pegov dxgoarixiia rrjvde, noitj/uia ^jLiavov
tov rajieivov Q.
Text: noirjjLia ^co/uavov tov xanivov (23 Strophen) Q.
Prooemion: Tovg ix xr\g ofjg,
Strophe a: Ildvxeg äyyeXoi,
G. Zweifelhaftes.
84. (Romanos?) Ninive. Mittwoch der ersten Fasten-
woche. Q fol. 6«-— S'.
Überschrift: xovxdxiov xaxawxxixov ov fi äxgoaxixk- tdv
ngo<pifXf]v xvglov. Am Rande : $a>'* : — ^;uoc a Q.
Text: x6v ngoqnjxriv xvgiov Q.
Prooemion : ^AneyvcoofJLevriv,
Strophe a': T6 laxgeiov x'^g fiExavoiag.
Ob die Randnotiz {^(o^avov) die Autorschaft des Romanos
genügend verbürgt, ist mir vorerst unsicher. Um die inneren
89*
586 K, Krumhtuher
Gründe diskutieren zu können, mQsste der Text ediert werden.
Vgl. Nr. 117.
^^\ 85. (Romanos?) Der hl. Theodoros (?). Samstag der
ersten Fasten woche. A fol. 217'— 21 9^
Überschrift?
Text: 'O vfivoQ 'Pcoßjuzvov A.
Zu dem Liede ist derselbe Ton (^;tOs nldytog rhaoTo^)
notiert wie in Q zu dem (f&r denselben Tag bestimmten) Liede
Nr. 59. Damach könnte man vermuten, dass Nr. 85 ein Frag-
ment von Nr. 59 sei. Dagegen spricht aber, dass Papadopulos-
Kerameus (S. 378) nichts davon erwähnt, dass der Anfang de»
Liedes bei Pitra ediert ist.
X 86. (Romanos?) Die Buhlerin. Mittwoch t^c fuoo-
TievxYixooiiiq. A fol. 220'— 224«'.
Überschrift: q?ioov äxQocTixi^. xov xaneivov 'Pco^vov Ä.
Text: wohl ebenso A.
Ein Rätsel, das ich nicht lösen kann. Papadopulos notiert
(S. 378) die obige Akrostichis, dazu den Ton (^x^ ßagig) und
bemerkt, dass 4 Strophen des Liedes ohne Autornamen bei
Pitra S. 491 — 493 ediert seien. Allein diese 4 Strophen sind
das Prooemion und die ersten 3 Strophen von Nr. 194, dessen
erhaltene Akrostichis lautet: xov /jtdvov rdXa. Auch der su
diesem Liede in Q angegebene Ton (^x^^ ^') ^^^ ^^^ ^^^ ^°
A verschieden.
87. (Romanos?) Der verlorene Sohn. Zweiter Fasten-
sonntag. Bei Pitra S. 460 — 462 das Prooemion Trjg TiaxQcoas
und Strophe a — y aus T. In D steht zuerst ein anderes Pro-
oemion i^AyxdXag) und Strophe a {Tov acozijgogX dann, unter
der Überschrift: xovddxiov Sxbqov xov *Aaojxov das Prooemion
Tr/g jiargojag und Strophe a' — /, genau wie in T. Neu ist
aber die Überschrift zum ersten Kontakion in D.
Überschrift: (peQei(?) äxgoaxixida xtjvÖe. xov xaneivov
^(Ofxavov D: fehlt T.
Text (1. Kontakion): t D.
(2. Kontakion): xve DT.
Die ÄkrosticfUs in der griechischen Kirchenpoesie. 587
Prooemion (1. Kont.): ^Ayxdkag D.
(2. Kont.): Trig naxQciag DT.
Strophe a': Tov ocoxfJQog ij/uayv.
Die Überschrift in D verdient deshalb Beachtung, weil
alle anderen Akrostichonvermerke des D, denen dortselbst nur
noch einige Strophen Text zur Seite stehen, sich durch die
vollständigeren Hss als richtig erweisen. Ausserdem ist aus
der Akrostichis des Liedes Nr. 61 ersichtlich, dass Romanos tat-
sächlich mehrere Lieder über den verlorenen Sohn verfasst hat.
n. Die Akrostichis bei den übrigen Hymnendichtem.
Nach den Liedern, die durch die Akrostichis als Werke
des Romanos bezeichnet werden, mögen Hymnen anderer
Dichter folgen, deren Akrostichis vollständig oder annähernd
vollständig erhalten ist. Auch hier verzeichne ich zuerst das
bei Pitra gebotene Material mit den aus meinen Kollationen
und Abschriften gewonnenen Zusätzen und Berichtigungen,
dann die unedierten Lieder, soweit ich über sie handschrift-
liche Notizen besitze.
A. Edierte Lieder.
88. Anastasios. Totenlied. Sdßßarov xfjg^AnoxQeo}, £d.
Pitra S. 242-249 aus CT.
Überschrift: (pegov äxQoonxida rijvde {ri^vde fehlt C).
Avamaolov rov laneivov alvog CM: (pegov äxQoaxixida ävaoxaoiov
xanetvov voar}eag T: ol olxoi (pigovxeg äxgooxij(i6a xrjvde. äva^
oxaoiov xov xanetvov voarjiag A: ij äHgooxixtg- ävaoxaoiov xov
xaneivov vooi B: fehlt J.
Text: ävaoxaoiov xov xaneivov alvog g (g fehlt B) (26 bezw.
27 Strophen) BC: ävaoxaoiov xov xanevaivog (23 Strophen) M:
ävaoxaoiov xov xanevov voorjeag (27 Strophen) T: ävaoxaoiov
xov xaneivov voorjeag n J: keine Angabe über A.
Prooemion: Ol xr\g C^rjg xcov äv&gd>nü)v C: Merä xd>v
äylwv ävdnavoov MT.
Strophe a: Avxog juovog.
588 K. Srmmbadier
Bezuglich der Doppelung der letzten Litteni (2) in C
yermuiet Pitra (S. 248), die Torletzte Strophe, die stellenweise
an Strophe i^ erinnert, sei ein durch diese angeregtes späteres
Machwerk. Allein so leise Anklänge, wie sie hier vorliegen,
kommen innerhalb derselben Gedichte häufig Yor und beweisen
nichts gegen die Echtheit, und Tor allem durfte der Fall nicht
isoliert behandelt werden. Der Grund der Doppelung scheint
hier ähnlich zu sein wie in Nr. 81. In Strophe xC wird die
in Strophe xg begonnene Betrachtung fiber das Begräbnis des
Vornehmen mit einigen guten Gedanken weitergeführt. Erst
in der überzähligen Strophe xrj' wird Platz für das Schluss-
gebet. Ein zweites Schlussgebet mit der Initiale 77, das sich
speziell an die hL Jungfrau wendet, hat Pitra aus der Aus-
gabe von Goar übernommen und als Strophe xd^ angefügt.
Von den mir bekannten Hss bietet dieses 11 nur J. Hier
haben wir es, wie schon die Initiale IJ beweist, mit einem
späteren Zusätze zu tun, der durch das Fehlen einer Erwäh-
nung der hl. Maria im Liede veranlasst worden ist. In M
sind nicht nur einige Strophen ausgefallen, sondern auch
mehrere Strophen durch neue Strophen ersetzt worden.
Zu der au^lligen akrostichischen Form in T ist zunächst zu
bemerken, dass die das E darstellende Strophe <r (= Strophe irj*
bei Pitra) mit El beginnt, wo El wohl antistöchisch für /
steht (also tamvov). Das von C völlig abweichende Schluss-
wort voofieag, das auch die Überschrift von T bietet, ist schein-
bar grösstenteils durch Umstellung der auch in BG über-
lieferten Strophen zu stände gebracht. Die mit H beginnende
Strophe xe ist identisch mit Strophe t#' bei Pitra, nur dass
das Wort 'Havxdaaie an den Anfang der Strophe gestellt ist.
Auch die zwei Strophen mit -2*, bei Pitra xf und xiy', sind
als Strophen xd' und xrf vorhanden. Nun steht aber T mit
der eigentümlichen Form des Schlusses der Akrostichis durch-
aus nicht allein. Ganz ähnlich ist die Akrostichis in der Über-
schrift von A formuliert, über dessen Text ich leider keine
Angabe habe. Ahnlich die Überschrift in B, dessen Text aber
mit C tibereinstimmt. Der Text von J ergibt vootieag n.
Die Äkrostiekis in der griedwtchen Kirchenpoesie. 589
Ausserdem notiert Pitra S. 248 f.: «In nonnuUis codd. ultima
troparia ita inter se connectuntur, ut alia sit obscura acro-
stichis: 'Avaotaolov tov xaneivov voolag (sie), quae morosius
extricare me piget''. Die «nonnulli codd/ sind wohl unter
den von Qoar genannten Barberini und Gryptoferratenses zu
suchen (vgl. Pitra S. 242). Es ist daher wohl zu vermuten,
dass in dem rätselhaften vootjeag oder voaiag oder voat der
Oenetiv eines zu *Avaoxaolov gehörenden Ortsnamens stecke,
und erst später die Umarbeitung des dunkeln Wortes in ahog
vorgenommen wurde.
89. Qregorios. Der hl. Markianos. 80. Oktober,
(fehlt bei NiDes). Pitra S. 273 f. (aus C). Dazu P fol. 19^-20^
Überschrift: fehlt.
Text: rgt],
Prooemion : 'H (pmravyijg.
Strophe a: Fvibaiv rtjv äQQrjxov.
90. Georgios. Mariae Aufnahme in den Tempel.
21. November. Pitra S. 275-283 (aus CT). Dazu jetzt P
fol. 66^-69^
Überschrift: (pegov äxQoaxixi^o. x^vdß. tov Taneivov ye-
(ogylov vfivog PT. (Pitras Angabe, T habe nur die kurze
Lberschrift Elg etaodov xfjg navaylag Oeoxdxov beruht auf Irr-
tum ; die Akrostichonnotiz steht vielmehr in T und fehlt in C,
aus dem sie Pitra falschlich anführt.)
Text: xov xanetvov (so) yccogyiov vfivog {v/nv T) PT: nur
Prooemion und 3 Strophen C.
Prooemion: 'O xa^agioxaxog vaog,
Strophe a: Töjv äTzoQQT^xwv xov ^eov,
91. Kyriakos. Die Auferweckung des hl. Lazarus.
Samstag der sechsten Fastenwoche. Verstümmelter Text nach C
bei Pitra S. 284—288. Vollständige Ausgabe mit Hilfe von V
bei Krumbacher, Romanos und Kyriakos S. 726 — 735.
Überschrift: (psgov dxgooxixiicL' Tzolrjjua xvQiaxov V.
Text: ebenso V.
Prooemion: Ad^agov xov <püov oov.
Strophe a: ücog vßivi^aa), dxaxdXrjTixe.
590 K
d2. Theodoros (?) Stadites. Der hL Paulos ron
Konstantinopel. 6. XoTember. Pitia & 336—338.
Cberschrift: ^foor dxoofni^ida. rov otovihov CV.
Text: Tov öo C: rov aro V.
Prooemion: IIiaTtf'⪙ i^eia yi/foy.
Strophe ai Tov iau:nrjoa yrojgiO&incL
Dass der Autor Theodoros Studites sei, vermutet Pitra.
weil der das Lied Qberliefemde Codex C eine besondere Vor-
liebe für Theodoros Studites zeige (?).
93. Theodoros Studites (?). Der hl. Euthymios.
20. Januar. Pitra S. 338—340.
Lberschrift: q^egov äxooarixiSa. i(oaff6gco C: fehlt V-
Text: eoyofpoQü) CV.
Prooemion: T(ö ^eco äjib ^TJxgag,
Strophe a: Ev&vßieho} q:tQ(Dvvfiwg.
Die Autorschaft des Theodoros Studites vermutet Pitra,
weil dieser eine besondere Vorliebe fttr den Hirmus T<^ dfö>
(inb /jttjrgag habe und ihn demnach wohl selbst verfasst habe(?).
94. Theodoros(?) Studites. Der hl. Basilios. I.Jan.
Pitra S. 346—348.
Lberschrift: rov arovdirov (als Autorangabe) C.
Text: rov oTova C. Es sind also wohl die Strophen
— dixov riö/i — ausgefallen.
Prooemion: Td ^eoßgvra.
Strophe a: Tignexai oijjueQov.
Theodoros ist Vermutung Pitras.
95. Theodoros (?) Studites. Der hl. Nikolaos. 6. No-
vember. Pitra S. 355-358 (nach C). Dazu P fol. 95'- -96'-.
Überschrift: q?eQOv axQoouxi^o. irivde (rijvejß fehlt C).
rov OTOvdirov PC.
Text: ebenso PC.
Prooemion : Tm (paeivco aov ßio).
Strophe a: Ttp delcp fivgcp ;fßeöd«Ta.
Theodoros ist Vermutung Pitras.
Die AkrostiefM in der griechischen Kirchenpoesie, 591
96. TheodorosStudites. Totenlied. PitraS.373— 377.
Überschrift: q?€QOv äxQoouxiSa. <p(ovi} ^eodcigov C.
Text: ebenso G.
Prooemion: Tov fiBjaaxdvxa,
Strophe a': ^qixtöv ßkinoi.
97. Josephus Hymnographus. Vorabend von Weih-
nachten. Pitra S. 381—383 (aus T). Dazu P fol. 120»^— 121'.
Überschrift: Kein Vermerk PT.
Text: "liooYifp PT.
Prooemion : 'H nag'&ivog.
Strophe a\ 'legal 7tQoq)rjT(bv.
Die von Pitra am Schluss beigefügte am Anfang ver-
stümmelte Strophe C steht in T fol. 38''— 39^ als Schlussstrophe
des Liedes auf den hl. Ignatios (Pitra S. 388 — 390; in P
fol. 109^ — HO*" nur Prooemion und 3 Strophen), in dessen Zu-
sammenhang es allerdings nicht passt. Dort (fol. 38^) steht
aber auch, was Pitra übersehen hat, der Anfang der Strophe:
0i.oy€Q(öv lenovQyicbv nagioTa/LiS — . Sie dient dort zur Vol-
lendung der Akrostichis: d){d)i^ Ucooi^cp. In P fehlt diese
Strophe. Um Klarheit zu schaffen, müssten beide Lieder mit
genauer Beschreibung des handschriftlichen Tatbestandes vor-
gelegt werden. Ich muss mich heute damit begnügen, auf
die Aporie hingewiesen zu haben.
98. Josephus Hymnographus. Nachfest von Epiphanie.
7. Januar. Pitra S. 400-404.
Überschrift: fehlt(?) Vat. reg. H 46.
Text: Mt&EOQxta zq)v q)(oxov (so) ^dei e (« = t)(üoriq).
Strophe a\ Movog xa^agög.
99. Kosmas. Mariae Himmelfahrt. 15. Aug. Ediert
im «Anthologium Romanum' (mir unzugänglich). Analyse und
Proben bei Pitra S. 527—529.
Überschrift: q)£QOv äxQoarixlda {xrivde K) (fj äxQooxtxk
BM) ToU xam^vov xoofxa {6 H) v/ivo? BCVHJKMT:
fehlt D.
592 K. Krumbad^
Text: rov raneivov (so) xoöfxä vßAvog BCVM: zov j<mn-
vov xo E: rov rajuivod D: keine Kotiz über HJT.
Prooetnion: Ttfv iv ngeoßelaig,
Strophe a: Telxioöv jiiov,
100. Anonymus. Akathistos. 25. März. Pitra S. 250
— 262. Aus M ed. den Text ganz unglaublich fehlerhaft
Amfilochij, Textband S. 106 — 111. Bei Pitra leider keine
Angabe über die Überschrift. Ich benütze für sie folgende
Codices: Pfol. 209"^- 212^ M fol. 154^-1 62^ T fol.96'-10r;
V fol. 83^— 88^
Lberschrift: xat' älqxißtjxov P: ^ äxQoonxk- äJapaßi]-
xog M: E^ov {&) dxQoauxlda xard älipdßtjxov T: q^tQOv äxQo-
arixida zov äl(pdßr)tov V.
Text: aßy.,.(o (24 Strophen) PMTV.
Prooemion: Tfi inegfidxcp oxQarrjytp PMTV. In V steht
vor dieser berühmten Strophe noch der kleine Prolog: Ov (nav)-
6fie9a xaxd XQ^^^ dvvjjLvovvxig ot, ^eoxdxe, xal keyovxeq' Xätot
tj xexQQixcojuevT}.
Strophe a: ^Ayyekog ngcoxooxdxrjg.
Die Zuteilung an Sergios (z. B. bei Pitra) ist falsch, die
an Photios (von Papadopulos-Kerameus) unsicher. Vgl. Papa-
dopulos-Kerameus BZ. VI (1897) 377 und sein Buch: '0 '^xd-
^loxog "l>voc, Athen 1903 {Bißho^xti Magaaltj dg, 2U).
Dazu meine Bemerkungen BZ. XIII 252 ff. Zur Onentierung
s. auch Nilles II 154 ff.
101. Anonymus. Grablied. Pitra S. 466 — 471.
Überschrift: (pigov dxQoaxixidci' hitxv^ßiov fiiXog xov
xQioa^Xiov C.
Text: *Emxvfißiov fiikog xoa C.
Prooemion: Avvdfiei &€ixfj oov,
Strophe a: *Ew6f]aov (p6ßq),
102. Anonymus. Verklärung Christi. 6. August.
Pitra S. 501-506 (aus CT). Dazu noch A fol. 174'— 177%
B fol. 2'— 5% D, M fol. 218»--222' (s. Amfilochij, Pacsimile-
band), V fol. 165^— 168%
Die Äkrostichis in der griechischen Kirchenpoesie. 593
Überschrift: ij äxQoanx^g, elg jtjv fJieiafAOQfpaioiv M: elg
rr]v juerafiogcpcooiv V: fehlt A(?)BCDT.
Text: Elg rrjv fiexafjLOQtpoyaiv ABCVMT: Elg xijv fiea-
juogqpcooiv D.
Prooemion: 'Eni tov Sgovg,
Strophe a: *EyiQ&f]Te ol vcu&eig,
103. Anonymus. Mariae Himmelfahrt. 15. August.
Pitra S. 516-527 (aus C). Dazu noch V fol. 172^— 173^
Überschrift: (pigov äxgoaxixlda. rov ä/Ltagrcokov t6 nolriixa
C: (pigov äxgooTixlda. rov äjiiagx (Schluss unleserlich) V.
Text: ebenso C: lov äfiagxoy (Schluss fehlt durch Blatt-
ausfall) V.
Prooemion I : *A(p^ ov jLLerioxtjg,
Prooemion II: 'Qg nolvxi/urjxov.
Prooemion III: Tlßiiog havxtov,
Strophe a : Tfj Magiä/i,
Haltlose Vermutungen über den Autor bei Pitra S. 516; 527.
104. Anonymus. Krankengebet. Pitra S. 532-535
(aus C).
Überschrift: <pegov äxgoaxixida, xov IXeeivov C.
Text: ebenso C.
Prooemion : 'H h ävdyxacg,
Strophe a: Ti do&eitj.
Pitra vermutet (S. 532), dass sich unter der bescheidenen
Äkrostichis Theodoros Studites berge.
105. Anonymus. Die hll. Engel. 8. November. Pitra
S. 538-540 (aus C;. Dazu V fol. 3^-4\
Überschrift: (pigov äxgoaxixida. xov äi,(pdßTjxov CV.
Text: aeßyde (so) C: aßyde V.
Prooemion: 'Agx^oxgdxtjye '&eov,
Strophe a': ^Avagx^, dianoxa.
Dero gleichen Prooemion folgt ein anderes Lied auf das-
selbe Fest in P fol. Se*"— 38'. Vgl. Nr. 117.
594 K. KrMmbaAer
B. ünedierte Lieder.
Auch hier, wie bei der Aufzählung der nicht oder Dur
fragmentarisch veröffentlichten Lieder des Romanos (S. 571 ff.),
gebe ich zuerst das Material aus P, dann das aus Q, dann das
der übrigen Hss, soweit ich aus ihnen genügende Notizen besitze.
106. Joseph. Die hll. Nazarios, Gerbasios, Prota-
sios und Kelsios. 14. Oktober. P fol. 4' — 5"".
Überschrift: (pigov äxQoazixida rtjvde, &6ii icoarjq) F.
Text: ebenso P.
Prooemion: Aa/iTtrfjQeg (patdQoi
Strophe a: 'Qg qxojavyeig,
107. Anonymus. Der hl. Apostel Lukas. 18. Oktober.
P fol. 5^— 6\
Überschrift: (pigov AxQoonxida xrjvde. Adij rdia P.
Text: ebenso P.
Prooemion: Ma&r^xijg yevo/nevos.
Strophe a: 'Qg iatgdg,
108. Leon. Der selige Hilarion. 21. Okt. Pfol.7^-9'.
Überschrift: (pegov äxgoouxlici xijvde, inog Xiovtog P.
Text: ebenso P.
Prooemion: *iig qpcoaxfjga,
Strophe a: *Egao&elg xov Xgtaxov,
109. Anonymus. Der hl. ApostelJakob. 23. Oktober.
P fol. 9^-1 K
Überschrift: (pegov äxgooxixlda xi^vde. xov fxivov xdXa P.
Text: ebenso P.
Prooemion: 'O xov naxgdg /aovoyevtjg.
Strophe a: Tdv yovov ae xov Icooijfp,
110. Joseph. Der hl. Ignatios Patr. 23. Oktober.
P fol. ir-12^
Überschrift: (pigov äxgooxixldct xi^vde. d)d^ Icooi^tp P.
Text: ebenso P.
Prooemion: ^coxoßöXotg XdfAyfeoi,
Strophe a: 'üg x(ß (pcoxL
Die Äkrostichis in der griechiachen Kirchenpoeeie, 595
111. Paulos. Der hl. Arethas und seine Genossen.
24. Oktober. P fol. 12^-U^
Überschrift: q>iQov äxQoorixiAa ii^vde. xov xdXa navXov P.
Text: ebenso P.
Prooemion: EvtpQoavvrjg ngo^evog,
Strophe a: Tbv vovv juov.
112. Stephanos. Der hl. Demetrios. 26. Oktober.
Prooemion und 7 Strophen in C. Daraus ed. Pitra S. 651 — 653.
Prooem. und 5 Strophen in D. Vollständig nur in P fol. 15^ — 17^
Überschrift: tpegov äHQoajixido^ jrjvde. tov (rov fehlt D)
areipdvov 6 dlvog PD: (pigov AxQoarixida, oietpog C.
Text: Tov öTecpdvov S dlvog (17 Strophen) P: Toritpog
C: (jTeq>a D.
In der italischen Redaktion (C) ist aus der ursprüng-
lichen Äkrostichis durch Auslassung der mittleren Litterae das
Wort axitpog gebildet worden, wobei freilich das T der ersten
Strophe in der Luft schwebt. In D ist zwar die Überschrift
annähernd vollständig, vom Texte sind aber nur Prooem. und
5 Strophen aus dem Anfange des Liedes übrig geblieben.
Prooemion: Toig x(bv al[jLdi(ov.
Strophe a': Tovxov xöv fxeyav.
113. Anonymus. Die hll. Zenobios und Zenobia.
31. Oktober (bei Nüles I 311 am 30. Okt.). P fol. 20'— 2P.
Überschrift: (pegov äxQooxixida xrjvde. xö enog P.
Text: ebenso P.
Prooemion: ügog evoeßeiag,
Strophe d: Tov avaQyvgov,
114. Anonymus. Der hl. Akindynos und seine Ge-
nossen. 2. November. P fol. 25^— 27^ Prooemion und drei
Strophen auch in D.
Überschrift: cpigov äxQooxixida xijvde, xov xdXa &rocPD.
Text: ebenso P: xov D.
Prooemion: 'Qg äoxga,
Strophe d: Tov h nekdyei.
596 K. Krumbather
115. Joannikios. Der selige Joannikios. 4. No-
vember. P 30^—34'.
Überschrift: (pigov dxQoaiixl^ xj^vöe. v/avog xov xami-
vov IcDawixiov P.
Text: ebenso (rcuietvot» !) P.
Prooemion : *Ev r/y f^vtffJLfi,
Strophe a': ^YntQovQdviE ^ek.
116. Anonymus. Der hl. Paulos von EonstantinopeL
6. November. P fol. 34^—35^.
Überschrift: <piQov dxQoouxlda, Ji^vde, 6 (Jvog xala P.
Text: 6 alvog TäkXa{so) P.
Prooemion: ^Aorgätpag Iv yfj.
Strophe a: 'O^ioloylag aivlog.
117. Anonymus (Romanos?). Die hll. Engel. 8. Not.
P fol. 36^ — 38'. Prooemion und die ersten 8 Strophen auch in D.
tiberschrift: tpigov AxQoaxtxl^ xi^vde. eig xdv ägxufrgd'
xrjyov P: ^wjnavov Tioitjßia. q^igoor ixgoaxixida xrjvds. dg xov
ägxioxgdxi]yov D.
Text: elg xov ägxtaxgdrtjyov (19 Str.) P: elg xov dg D.
Prooemion : *Agxioxgdxi]ye (vgl. Nr. 105).
Strophe a: '"Etprjg, cpiXdv^gcoTie.
Die Zuteilung des Liedes an Romanos durch die Autor-
notiz in D bietet für die Autorschaft wohl keine genügende
Gewähr. Vgl. Nr. 84.
118. Anonymus. Die hll. Engel. 11. Lied. 8. 'Sor.
P fol. 38'— 38\
Überschrift : tpigov dxgoaxixlda xi^vde. elg xavg doü)-
judxovg P.
Text: elg P.
Prooemion: Tijg xgrjmdog.
Strophe a: *Ev dvol^ei, oa>xi)g.
119. Anonymus. Der selige Theodoros Studites.
11. November. P fol. 42^-43\
Überschrift: fehlt P.
Die ÄhrosHehia in der griechischen Rirchenpoesie. 597
Text: Tov xaneivo (10 Strophen) P.
Prooemion: T6v äaxrjuxdv,
Strophe a': 7a>v äoxfjT(bv.
120. Anonymus. Der hl. Johannes der Barm-
herzige. 12. November. P fol. 43^—45'".
Überschrift: (pegov äxQoortxida xi^vde. eig xdv iXeij-
fxova P.
Text: ebenso P.
Prooemion: T6v nkovxov xbv aöv.
Strophe a: *Em xb eleog.
121. Anonymus. Der hl. Johannes Chrysostomos.
13. November. P fol. 45'— 47\
Überschrift: (pigov äxQoaxixida xi^vde. ek täv xQ^'
OOOXOfJtOV P.
Text: elg xbv ;if;|f ^^vvaaooaoTTo/ioy P.
Prooemion: *Ex x(bv oigavcbv.
Strophe a: *Ex xijg nayxQvoov,
Durch die seltsame Verdoppelung der Litterae X — T wächst
die Zahl der Strophen auf 24. In der Marginalzählung der Hs
sind aber die Doppelstrophen mit der gleichen Nummer be-
zeichnet, so dass sich nur i^ Nummern ergeben.
122. Oeorgios. Der hl. Johannes Chrysostomos.
13. November. P fol. 50^— 53\
Überschrift: r; ixQoaxixig» xov xaneivov yecogylov. Am
Rande: Uoltj/ia yecoQyiov P.
Text: xov xaneivov yeiogylov (19 Strophen) P.
Prooemion: fehlt.
Strophe a: Tbv xrjv yrjv.
128. Studites. Der hl. Johannes Chrysostomos.
13. November. P fol. 53^— 55^
Überschrift: (peQov äxgoaxixtda xrjvde. vovv 7iaixq)arj ncbg
aiviaeig & axovdixa P.
Text: Novv na/LKpatj ndvix (15 Strophen) P.
Prooemion: 7a ;|rßvo({TaTa.
Strophe a': Nvv xQ^^oaxdXiaxog.
598 K, Krumbad^
124. Anonymus. Der hl. Apostel Philipp. 14. Not.
P fol. 56^-57^
Überschrift: (pigov äxgcnjuxida xfjvde. jioifjßia xdla P.
Text: ebenso (10 Strophen) P.
Prooemion: "Ov ol nQoqnjjai,
Strophe ai IleQKpeQÖfievog.
125. Anonymus. Der hl. Apostel Matthaeos. 16. No-
vember. P fol. 60^-61\
Überschrift: (pigov äxQoarixlSa xtjvdB, jJ wdij rdia P.
Text: ebenso (8 Str.) P.
Prooemion: Tov relovlov,
Strophe a : 'H tov Ix&qov.
126. Anonymus. Der hl. Oregor der Wundertäter.
17. Nov. P fol. 62''-64\
Überschrift: (pigov ängoaTixi^ rtjvde. Jioifjfta elg rov
^avfiaxovgyov P.
Text: ebenso (24 Str.) P.
Prooemion : Oav/ndxcDv TtoXX&v.
Strophe a: Ilö&ev änägSo/nai,
127. Anonymus. Der hl. Piaton. 18. November.
P fol. 64^—65'.
Überschrift: xavit] ^ <hdi} xdJ,a P.
Text: Tai' P.
Prooemion: 'H äyia fivfujLti oov,
Strophe a\ 7a>v 'EiX7]V(ov linwv.
128. Joseph. Der hl. Gregorios Dekapolites. 20. No-
vember. P fol. öö*" — 66\
tiberschrift: (pegov äxQoaxixida xi^vde. Icoat'jfp P.
Text: lojotjcp P.
Prooemion : ^coxavyiag ^liov.
Strophe a: 'hgoig ol nioxol.
129. Anonymus. Die hl. Katharina. 24. November
(dieses Datum in P!). P fol.7K-73^
Überschrift: (pegov dxgoaxixidn xtjvÖe, xov fAOvov rar«-
vov i) (bdtj P.
Die Akrostickia in der grieMä<Aen Kirchenpoesie, 599
Text: ebenso {xaneirov) P.
Prooemion: Xogelav oejtrrjv.
Strophe a: Tfjv ix ^eov,
130. Anonymus. Der hl. Petros yon Alexandria.
25. November (dieses Datum in P!). P fol. 73'— 75^
Überschrift: q>iQOv äxQoauxiSa xi^vde, Snog xov fidvov
joneivov P.
Text: ebenso {laTieivov}) P.
Prooemion: ^Og^odöSoig döy/naot,
Strophe a : 'Eni Tr]v ^avjLLaarfjv.
131. Anonymus. Der hl. Alypios. 26. November.
P fol. 76^—77'.
Überschrift: (pigov äxQoarixi^oL ri^vde. äXvjiUo dlvog P.
Text: ebenso P.
Prooemion: 'Ayyelixrjv,
Strophe a: 'Avaxga&elg,
132. Anonymus. Der hl. Jakob der Perser. 27. Nov.
P fol. 77^-79'".
Überschrift: (pigov äxQoarix^da ii^vde, alvog olxTQÖg P.
Text: ebenso P.
Prooemion: Ueio'&elg xfj xaXfj,
Strophe a : ^Anb tpvx^g-
133. Abbas. Der hl. Stephanos der Jüngere.
28. November. P fol. 79^- 80^
Überschrift: (pigov äxQoarixlda xijvde. üfAvog äßßd P.
Text: ebenso (9 Str.) P.
Prooemion: 'O/icowjuog ooq)L
Strophe a': 'Yno x^g arjg,
134. Anonymus. Der hl. Apostel Andreas. 30. Nov.
P fol. 81'-83\
Überschrift: fj äxQOoxtx^ xaid äXq>dßr}TOv P.
Text: aßyd,,,(o (24 Str.) P.
Prooemion: Tdv xrjg ävögelag.
Strophe a: ^vod'^ev jukv,
1908. Sitagsb. d. phUoB.-philoL a. d. hiBt. KL 40
600 K. Krumbacher
135. Anonymus. Der hl. Apostel Andreas. 11. Lied.
P fol. 83^-84\
Überschrift: eregoi ohcoii -rjxoQ 6 avxogx -ngog tö Tgä-
vcooov jLLov: -9?* (also wohl: (pigovreg oder (pegovoi zu lesen)
äxQooTixida» 6 alvog xäkla P.
Text: ebenso (11 Str.) P.
Prooemion: fehlt.
Strophe a: ^Oooi ^iW/icwff.
136. Anonymus. Der hl. Apostel Andreas. IIl. Lied.
P fol. 85^-86^
Überschrift: q^egov äHQoarixida Ttjvds. xov ä/MXQTCokov P.
Text: ebenso (12 Str.) P.
Prooemion: Trjg vorjT^g.
Strophe a: T6v y)t](pcp ^eiq.
137. Anonymus. Die hl. Barbara. 4. Dezember.
P fol. 87^ -89^
Überschrift: q)iQOv äxQoanxi^oL tyjvöe, Tavxfj ^ (hdij rdla P.
Text: tavtt] rj (leerer Raum ohne Text) codtjTa (leerer
Raum ohne Text) ka (leerer Raum ohne Text) P. Es sind
also von den 13 zu erwartenden Strophen, deren Nummern
auch am Rande vollzählig notiert sind, die 6., 11. und 13. in
der Vorlage von P verloren gegangen.
Prooemion: Tco vv/Kplq) aov,
Strophe a: Ttjv vv^uptv^eloav.
138. Symeon. Der hl. Sabas. 5. Dez. P fol. 89^— 90^
Überschrift: (peQov äxQoauxdci rijvde, av/ueä^v ^ (hdi^ P.
Text: ebenso (10 Str.) P.
Prooemion: Tdv ßiov evoeßcög.
Strophe a: Zotplag ijidQxcov,
189. Anonymus. Der hl. Ambrosius. 7. Dezember.
P fol. 96^-97^
Überschrift: (pigov dxQoarixlda Ttjvde, alvog P.
Text: ahogg (6 Str.) P.
Prooemion: "QoneQ äoiiga,
Strophe a\ Avyaoov fxov.
Die ÄkrosHehis in der grieehisehen Kirehenpoesie, 601
Die erste Strophe mit 2 (5) bringt das bilderreiche Lob
des Heiligen aas Strophe 2 — 4 zum Abschluss« Erst die
zweite Strophe mit 2* (6) enthält den üblichen Abschluss: ein
Gebet an den Heiligen um Fürbitte für das Seelenheil aller
seiner Verehrer, und bildet so das rechte Gegenstück zu Strophe 1,
in der der Dichter den Heiligen um Erleuchtung anruft.
140. Anonymus. Der hl. Patapios. 8. Dezember.
P fol. 97^— 98\
Überschrift: (pigov äxQOouxlda xi^vde. ij (bdrj xdla P.
Text: ebenso P.
Prooemion: Tbv va6v oov,
Strophe a: 'H oogög aov,
141. Anonymus. Die Empfängnis der hl. Anna.
9. Dezember. P fol. 99^-100'.
Überschrift: äxQoaTixig* ädco (als Randnotiz) P.
Text: äd(o P.
Prooemion: 'iig nXaivxiQa,
Strophe a\ ^Aqqtjxov ßXinmv.
142. Anonymus. Der hl. Daniel Stylites. 11. Dez.
P fol. 100^-1 Ol \ In T nur Prooemion und Strophe a—y.
Vgl. Pitra S. 564 f.
Überschrift: q^igov äxQoarixida rijvde, ^ (hdfj xdka fxdvov P.
Text: fj (bdfj xdka fiövov v (14 Strophen) P: ij (hd T.
Prooemion: "ßoneg äoxi^Q.
Strophe a: 'H cßörj ^nagä.
Mit der Doppelung des Schlussbuchstaben verhält es sich
ähnlich wie in Nr. 139. Die mit dem Vorhergehenden nur lose
verknüpfte Schlussstrophe (zweites Y) enthält eine Bitte an den
Heiligen um Schutz für das Kaiserhaus (xovg maxohg ßaoileig
ilfi&v qwXaxxe; vgl. Erumbacher, Studien S. 254 Anm.), Er-
haltung des Patriarchen, Stärkung des Heeres u. s. w.
143. Anonymus. Der hl. Eustratios und seine Ge-
nossen. 13. Dezember. P fol. 103'— 105^
Überschrift: tpigov äxgoaxixlda xi^vde. xd vq>og /uovov
vmewcv P.
40*
602 JL Krunibadur
Text: ebenso (janeivovl 19 Str.) P.
Prooemion: Ilgög rovg äv6fiovg,
Strophe a': Tb Coipegdv.
Das Prooemion ist, trotz der gleichen Anfangsworte, nicht
identisch mit dem bei Pitra S. 370.
144. Anonymus. Die hl. Anastasia. 22. Dezember.
P fol. 110^—112«'.
Überschrift: (peqov äxQoaxixlda Trjvde. tovto t6 &iog xdXa P.
Text: Tovxo xd inos xdXXa (16 Str.) P.
Prooemion: Ol iv jteiQaaßioTg.
Strophe a': Tfjg ävaaxdaecDg.
145. Anonymus. Die hll. zehn Märtyrer auf Kreta.
23. Dezember. P fol. 112'*— 113^
Überschrift: q>£Qov äxQoaxixlda xi^vde. ^nog elg xovg dexa
äyiovg P.
Text: enog P.
Prooemion: 'O/nöifvxoi.
Strophe a': "Elaßixpev,
146. Anonymus. Vorfeier von Weihnachten. P
fol. 118'— 119\ In D Prooemion und Strophe a— 3'.
Überschrift: (pEQOv äxQoaxixUcL xijvde. xavxt] y Adi]
xdXa PD.
Text: ebenso (13 Str.) P: xavx D.
Prooemion: Evtpgalvov, Brj'&lei/i,
Strophe a: Trjg aijg, Ttag^ive.
Das Prooemion und Strophe a — / stehen, wie in P zur
Vorfeier von Weihnachten, auch in T fol. 40b'^ — 41^
Pitra (S. 455 ff.) hat das Prooemion und Strophe a unterdrückt
und mit Strophe ß' y ein Prooemion und drei andere Strophen,
die in T fol. 51**"^ zum Sonntag nach Weihnachten stehen
(= Prooemion und Strophe d — / von Nr. 148), verbunden und
die Strophen so gestellt, dass die Akrostichis vaa/ia entsteht.
Dieses Verfahren rechtfertigt er also: „Extat in taur. f. 51, in
quo inter duas dominicas ante Natalia sie dividuntur trop.
promiscue, ut nulla acrostichis maneat*. Weiter kann man in
Die ÄhrosHMa in der griechitühen Kird^enpoeeie. 603
der wildesten Willkür nicht mehr gehen. Natürlich sind die
zwei Liedfragmente in T an ihren Stellen zu belassen.
147. Anonymus. Nachfeier von Weihnachten.
26. Dezember. P fol. 126'— 127S D.
Überschrift: (pegov äxQoonxlda rijvde, rcbv Ijidoxlcjv i}
(hd^ P: (pigcDv äxQoozixlda. icbv (Rasur) (hdij D.
Text: Twv ind P (es fehlen also 9 Strophen): rwv In D.
Prooemion: *Ev xfj BtjMeißj..
Strophe a: Tdv tov #£ov.
148. Anonymus. Sonntag nach Weihnachten.
P fol. 135'— 136', D.
Überschrift: tpigov AxqootixI^o, trjvde. äojLia lAXa PD.
Text: ebenso (8 Str.) P: aopi D.
Prooemion: Xogog x(ov 7iQo<pi]T(bv.
Strophe a': ''Anav vexQCjoavxeg.
Vgl. die Notiz zu Nr. 146.
149. Anonymus. Der hl. Basilios. 1. Januar. P fol.
137'— 139\
Überschrift: (pigov äxQooTixida xijvde, nolrifia eis ßaoU
leiov P.
Text: ebenso P.
Prooemion : 7a ßd'&rj x^g aotpiag.
Strophe a: Iläaa fj ohcov^hr],
150. Anonymus. Die siebzig Jünger. 5. Januar (bei
Xilles am 4. Jan.). P fol. 141^—143'.
Überschrift: (pegov äxQoaxix^da xijvde. äofxa xAla P.
Text: ebenso P.
Prooemion: ^Aoxigag (paetvovg.
Strophe a': *And na^&v.
151. Gabriel. Vorfeier der Theophanie. 5. Januar.
P fol. 143'— 143\
Überschrift: <peQov äxgooxixlda xi^vde. Adrj yaßQiTJl P.
Text: ebenso P.
Prooemion: 0a)g voegdv.
Strophe a: ^Q ä<pdxov.
604 x: Erumbaeher
152. Anonymus. Vorfeier der Theophanie. P
fol. 143^— U4\
Überschrift: ipigov äxQoanxl^ ttiv&b, äo/ia P.
Text: ebenso P.
Prooemion: 'O Tfj '&eü(fj.
Strophe a: *Axaxdli]7ZTog,
153. Anonymus. Der hl. Polyeuktos. 9. Januar.
P fol. 152^— 153\ Pitra S. 594 f. ed. das Prooemion und
Strophe a — / aus T.
Überschrift: g^igov äxQoaiixida ti^vde. enog rdia P.
Text: ebenso (8 Str.) P: eno T.
Prooemion: Tov acox^Q<K,
Strophe a: *Ev 'loQddvfi noxaiAtp.
154. Anonymus. Der hl. Gregor von Nyssa. 10. Jan.
P fol. 153^—155'.
Überschrift: q)SQOv (fpeg*^) äxgomixlda ti^vde, ek tov
vvorjg (so) P.
Text: ebenso (11 Str.) P.
Prooemion: Td S/ix/na xrjg y^xti^-
Strophe a': *E^ äfieXeiag.
155. Anonymus. Der hl. Theodosios. 11. Januar.
P fol. 155^^—156^ Prooemion und Strophe a— d' auch in T,
woraus Pitra S. 612 f. das Prooemion und Strophe a—y
edierte (<J' blieb aus Versehen weg). Prooemion und Strophe
a — y auch in M. Den ganzen in P erhaltenen Text ed.
Erumbacher, Studien zu den Legenden des hl. Theodosios,
Sitzungsber. d. philos.-philol. u. d. bist. El. d. Bayer. Akad. 1892
S. 325—332.
Überschrift: fehlt PMT.
Text: aßydsCti» P: aßyd T: aßy M.
Prooemion : Ileipvxevfjievog,
Strophe a': ^Av&QOinog fjikv.
156. Anonymus. Die hll. Äbte. 14. Januar. P foL
157^ — 158^. Prooemion und Strophe a auch in T und im
Vatic. 1510. Daraus ed. von Pitra S. 605.
Die ÄhrosHekis in der ffriethisd^en Kirchenpoesie. 605
Überschrift: (pegov {(pig*^) äxQoarixlda xtjvde. xo Snog
läXa P.
Text: ebenso (10 Str.) P.
Prooemion : *Ex t^c xoojLuxfjg.
Strophe a: Tä inl yfjg.
157. Anonymus. Der hl. Paul von Theben. 15. Jan.
P fol. 159'-160\
Überschrift: (piQOv äxQoanxldcL z^vde. S alvog idla P.
Text: ebenso (10 Str.) P.
Prooemion: T6v qxoaxrJQa,
Strophe a: 'O Iv vyjtoxoig.
158. Anonymus. Die Zurückführung des hl. Petros.
16. Januar. P fol. 161^"^
Überschrift: q)iQov äxQoaxixi^ ovv xov xovxaxlov (ab-
gekürzt), äo/m P.
Text: äa/LLa (mit dem Prooemion beginnend!) P.
Prooemion: *Avaßdg cbg ^kiog.
Strophe a: Hxi^krj Sfznvovg.
159. Anonymus. Der hl. Antonios. 17. Januar.
P fol. 161^— 163\
Überschrift: (pigov äxgooxiyjda xtjvds, xovxo x6 ijcpog
T(üa äjtav P.
Text: ebenso (19 Str.) P.
Prooemion: Tovg ßicoxixovg.
Strophe a: T^g xov Xqioxov,
160.Theodoros(?)Studites. Derhl. Antonios. 17. Jan.
P fol. 163^-164' (Prooemion und 4 Strophen). C fol. 46' - 47^
(Prooemion und 1 1 Strophen). V fol. 48'— 49^ (wie C). Ed.
Pitra S. 377—380 (aus C).
Überschrift: (pigov äxQooxixida xrivde. xov axovdlxov
niwfAvog elg ävxthviov P: fehlt C: Tiolrijuia axovdlxov V.
Text: xovv P: xov axovölov CV.
Prooemion: *Ev oagxl
Strophe a: Tbv tpcoaxrJQa,
606 2C Knmbadier
Das Lied, das ich unter den Inedita einreihe, weil die
Hauptsache, die Akrostichis, neu ist, bietet ein höchst lehr-
reiches Beispiel der ungeheueren Verluste, welche die Hymnen-
dichtung schon in früher Zeit erlitten hat. Durch einen Zufall
ist in P die yoUständige Akrostichis erhalten, nach der das
Lied ursprünglich nicht weniger als 31 Strophen umfasste,
also an Umfang den grössten Hymnen des Romanos gleich-
kam. Hievon sind in der italischen Redaktion GY die ersten
11 Strophen erhalten, die das Akrostichon rov axovdiov (so^i
ergeben; es ist also das t ausgefallen; denn man darf wohl
kaum annehmen, dass etwa das Kloster Studion als Autor
bezeichnet und so eine Art EoUektiTarbeit angedeutet war.
Li P, der sonst den anderen Hss gegenüber so häufig voll-
ständige Texte bewahrt, ist das grosse Lied auf 4 Strophen
reduziert, und zwar stehen Strophe a — /, die den ersten
drei Strophen in CV entsprechen, an der richtigen Stelle;
Strophe d' aber (JV) stellt offenbar die ursprüngliche Schluss-
strophe dar, die wegen des Schlussgebetes beibehalten wurde,
um das kleine Fragment wenigstens äusserlich abzurunden.
Vgl. Krumbacher, Studien zu den Legenden des hl. Theodosios
(vgl. oben Nr. 155) S. 333 f.
161. Abbas. DerhLKyrillos von Alezandria. 18. Jan.
P fol. 164'-\
Überschrift: cpigov äxQOorixiSa ti^vde. äßßä P.
Text: ebenso P.
Prooemion: Tag töjv algiaecov.
Strophe a: *A7ioxa'9<iQag,
162. Anonymus. Der hl. Kyrillos von Alexandria.
P foL 164^— 165^
Überschrift: fehlt P.
Text: taivog P.
Prooemion: ^Aßvaaov fifuv,
Strophe a\ TeQnvdg.
Das Beispiel ist bemerkenswert, weil hier offenbar, gegen
die Gewohnheit, nicht einige Strophen vom Anfang mit der
Die ÄkrosHchis in der grieehisehen Kirehenpoesie. 607
Schlussstropbe (vgl. Nr. 160), sondern die erste Strophe und
die fünf Schlussstrophen gerettet sind. Die vollständige Akro-
stichis lautete etwa r{ov axovditov) alvog.
163. Abbas. Der hl. Makarios yon Ägypten. 19. Jan.
P fol. 165^— 166^
Überschrift: q)€Qov (tpig'^) äxQoarixldci Ti^vde. rov äßßdF.
Text: ebenso P.
Prooemion: Tgoi^elg xcß tivqI.
Strophe a: Twv xov xvqIov.
164. Anonymus. Der hl. Euthymios. 20. Januar.
P fol. 166^-169'.
Überschrift: (pigov äxQooTixlda xrjvdt. elg rdv Soiov eö-
{^vjuiov 6 vfivog ovrog P.
Text: ebenso (30 Str.) P.
Prooemion: 'Ev xfj osTvifj,
Strophe a: *Ex ^&vfiov.
Das lange Gedicht ist schlecht versifizierte langweilige
Prosa. Dass der Redaktor von P (bezw. seiner Vorlage) das
öde Machwerk der unverkürzten Aufnahme würdigte, ist bei
seinem sonst recht guten Geschmack unbegreiflich. Der Ver-
fasser, der in weiser Bescheidenheit sich in völlige Anonymität
hüllte, ist wohl unter den Männern von Studion zu suchen.
165. Anonymus. Der hl. Apostel Timotheos und
der hl. Anastasios. 22. Januar. P fol. 170'— 171\
Überschrift: q)€Qov äxQoaxixida xtjvde, tj (hdf] elg xovg
üo P.
Text: ebenso P.
Prooemion: T6v &eTov fxa^xijv.
Strophe a: 'HUov jiXiov.
166. Johannes. Die hll. Riemens und Agathangelos.
23. Januar. P fol. 172''— 173"^. Prooemion und Strophe a — /
auch in T. Daraus ed. Pitra S. 575 f.
Überschrift: (pigov äxQOoxix^da xrivdt, äojna loydwov P:
fehlt T.
Text: äo/ia Icodvvov v (12 Str.) P: aofi T.
608 J^ Krumbaeher
Prooemion: 4^r^y eMaJtkg,
Strophe ai *AiOßiauHÖK»
Die zweite Schlussstrophe (zweites Y) enthält ein Schluss-
gebet. Vgl. Nr. 142.
167. Anonymus. Der hl. Gregor von Nazianz.
25. Januar. P fol. 173^— 175^
L berschrift: q^igov äxQoari^lda rtjvSe. elg tov ^eoloyov P.
Text: ebenso P.
Prooemion: OeoXöyq) yld>oojj oov,
Strophe a': *Ex jfjg ^eoXoyixijg.
168. Anonymus. Der hl. Johannes Chrysostomos.
27. Januar. P fol. 176^— 178^ Das Prooemion und Strophe a.
ß", 6' auch in C. Daraus ed. Pitra S. 566 f.
Überschrift: (pigov äxQoouxi^ xi^vde. ^ (bdij devriQa P.
Text: ^ (hdi] deviega a P.
Prooemion: Evq)Qäv&rj,
Strophe a: 'H Xa/njidg.
Die zweite Schlussstrophe (zweites A) enthält, wie üblich,
ein Gebet an den Heiligen. Nicht gerade poetisch, aber lehr-
reich für die Beurteilung der Doppelung ist es, dass die Strophe
hier ausdrücklich als Ephymnion bezeichnet wird. Sie be-
ginnt mit den Versen (ich behalte die Versinterpunktion der
Hs bei): ^Ano ipvxrjg nQOOipegößievov. xb Itpvfiviov. ovfuta&iütmt
TiQoode^aL xal xov Öeivov xoa/aoxQdxoQog. ^oai fAS Xixaig oov.
169. Anonymus. Der hl. Ephraem. 28. Januar.
P fol. 178'— 180^
Liberschrift: tpegov ixQooxixl^ xrfvdB. elg x6v ovgor
iq?galfJL P.
Text: elg xov avgov iq}gaißiig (19 Str.) P.
Prooemion: Trjv aigav Ael.
Stro})he a: *Ex xcbv va/idxcoy.
Die zwei nach der akrostichischen Reihe noch folgenden
Schlussstroi)hen (ig) werden am Rande als olxoi ixegoi bezeichnet.
Was für eine Bewandtnis es mit ihnen hat, ist mir dunkel.
Die Äkrostithia in der griediüehen Kird^enpoeeie. 609
Nach ihrem Inhalt wäre es denkbar, dass sie ursprünglich für
die Buchstaben H und / innerhalb der Akrostichis (Strophe 7
und 16) dienten, dann durch andere Strophen ersetzt wurden,
aber im ursprünglichen Ms irgendwie stehen blieben.
170. Anonymus. Der hl. Ignatios. 29. Januar. P
fol. 180'— 181\ Prooemion und Strophen a — / in T; daraus
ed. Pitra S. 573 f.
Überschrift: (pigov äxgootixlicL xrjvde. lyvaxlov äcßia P.
Text: ebenso P.
Prooemion: *Ex xfjs ^(ojbirjg P: *ES icpag T.
Strophe a: 'lege/ilav.
171. Anonymus (Talas). Die hll. Kyros und Johannes.
31. Januar. P fol. 181^—188^.
Überschrift: ta-urrj fj (hdfj rdXa P.
Text: ebenso (18 Str.) P.
Prooemion: T6 fiiya iaiQeioy.
Strophe a : Tb oigdviov vyfog,
172. Gabriel. Der hl. Theopemptos und die 1003
Märtyrer. 7. Februar. P fol. 191'— 192^
Überschrift: (pigov äxQoaxixida TrjvÖe. rov yaßQirjl P.
Text: ebenso (10 Str.) P.
Prooemion: Tag rcov eIöcüXcov.
Strophe a: T6 ^eiov o&ivog.
Eine Rarität. Bei Nilles ist der hl. Theopemptos (ohne
die 1003 Märtyrer) nur zum 5. Januar verzeichnet, dagegen
bei Sergij sowohl Theopemptos als die 1003 Märtyrer zum
7. Februar. In der Bibliotheca Hagiographica fehlt er. Ebenso,
soweit ich sehe, in den übrigen Hymnen-hss. Es scheint* übrigens,
dass das Fest der hll. 1003 Märtyrer auch am 12. Februar ge-
feiert wurde; denn in P steht fol. 194' am oberen Rande die
Notiz (von einer zweiten Hand): firjvl rcß avxcß elg tag e/f.
x(bv äykov ;|fdia>v tqiqjv fiagnigcov, ^iJtc* avzd elg tag f tov
avrov /Jtrjvdg.
173. Anonymus. Die Auffindung des ehrwürdigen
Hauptes des Vorläufers. 24. Febr. P fol. 196^— 197\
*".
I
»7 y.*-» f,
^ f ' j -'. ■*" * • - - -» - - •* ■• » -
ir,v% T'^TT. ^..lA. •s^'>rr.:i.^ axn *. J:i_ zsisi IT.^. >:t_ •sa^Z«=c «1:1
J<r''o</' ;* i'^^ir i, h. zi.T. Kl-r^tii-r aif i^rn* Brrz»:^ Lame z^L^rrc.
17r,, O^'ofiel. Der hL Thecphrlaktos 't ca. S4o .
Text: e''>*T*-yj P.
Pr^y/err. ion : 7/ f/to'/r^ z-
.Strophe a': rnß.r^rr^^.
n^K AnonjmuM. Der hL Theophanes ron Sigriane.
1 2, Marx, P foL 207^— 20S'.
I, berÄchrift: ixooGxiyt^. ädm F.
Text: 5^tt> P.
Strophe «': *A7iooorfT oj ffo/xi.
177. Gabriel. Nachfeier Ton MariaeVerkündigQng.
20. M^ir/. P fol. 214^— 216^
Lber Schrift: fffoov dxooariyjda rijvde. yaßgtijl xdde F.
Text: ebenso F.
Prooeniion : 7I7C vntoqxfnov.
Strophe a': Fevog ädaßjiicuov.
Die Äkrosikhia in der grieehisehen KWehenpoesie. 611
178. Anonymus. Der hl. öeorgios. 23. April. P fol.
223^— 226\
Überschrift: (pigov äxQoonxlda Ttjvde. dg xbv äyiov
yeiogyiov 6 alvog P.
Text: ebenso (25 Str,) P.
Prooemion: recogyrj&elg.
Strophe a: *Ev ohcTq).
179. Anonymus (Talas). Der hl. Apostel Markos.
25. April. P fol. 226^— 227^
Überschrift: fehlt P.
Text: xov fidvov T<i{Xa) P.
Prooemion: 'E^ vyjovg.
Strophe a: Tov xogvipaiov.
180. Anonymus. Der hl. Apostel Johannes. 8. Mai.
P fol. 233^- 235^
Überschrift: (pigiov (so) äxQoanxlda ri^yde. elg t6v ^eo-
löyov P.
Text: ebenso (14 Str.) P. '
Prooemion: *Aji6oxoX£.
Strophe a: Elg äXrj^cbg.
181. Sfcephanos. Der hl. Theodor Stratelates.
8. Juni. P fol. 245'— 246\
Überschrift: tpigov äxQoorixida rtjvde, tov xaneivov are-
(pdvov P.
Text: xov xcmet] (^axvvagl) vov o (12 Str.) P.
Prooemion: 'Avögelq y^vx'fjg'
Strophe a: Tgävcocöv fjLOv.
Neu ist die antistoechische Vertretung von i durch t] in
xanetjvov. Selten und hier wohl durch einen mechanischen
Verlust in der Vorlage veranlasst ist die Verstümmelung des
Namens am Schluss der sonst vollständigen Akrostichis. In
der Regel sind die Hymnen entweder ganz bewahrt oder auf
3 — 4 Strophen reduziert. Das Prooemion des Liedes ist iden-
tisch mit dem Prooemion des im übrigen ganz verschiedenen
Liedes des Studites bei Pitra S. 361 ff.
612 BL EfuaUHtAer
182. Joseph« Der hL Apostel Bartholomaeus.
11. JunL P foL 247'— 248\ Einige Strophen auch bei Amfi-
lochij. Textband S. 185 ond 228.
Überschrift: q:£gor dxQOGtixiia rt^rde. ibdij ieomjqf P.
Text: ebenso P.
Prooemion: *Ü<fOt]g.
Strophe a: 'Q^ ovgardg,
183. Gabriel. Die hl. Febronia. 25. Juni. P foL
255^—257'.
Lberschrift: (fioov ((pig*") äxQoortx^icL xjljrde, yaßQifjl
ibdri P.
Text: ebenso (10 Str.) P.
Prooemion: ^Eooixi Xoiaiov.
Strophe a: Pri'^oovvayg,
184. Arsenios. Die hll. Apostel Petros und Paulos.
29. Juni. P fol. 260'— 261\
Überschrift: fehlt P.
Text: aQatov P.
Prooemion: Ol rov acoTfjoog,
Strophe a: ^Avagxog ägy/i-
Die Ergänzung äQae{vi)ov ist wohl sicher. Die letzte
Strophe {Y) stellt offenbar die wirkliche Schlussstrophe dar,
denn sie enthält das übliche Schlussgebet.
185. Stephanos. Der hl. Prokopios. 8. JuH. P fol.
262^— 263^ Prooemion und Strophe d—d\ g ed. Pitra (aus
CT) S. 328f.
Überschrift: (pegov (tpeg^) äxQoarixida Ttjvde. attipdvov P.
Text: ebenso (8 Str.) P.
Prooemion: Tcp '^eUo C^Aq>.
Strophe a': 2x6 fia ovvioeiog,
186. Anonymus. Die hl. Euphemia. 11. Juli. P foL
264^—266'. Prooemion und Strophe a—y ed. Pitra S. 646—648
(aus MT).
Überschrift: cpigov (tpeg^) äxgoaxixi^ x'qvde, xrjg Jiayev
(pri^ov P.
Die Äkrastichia in der griedUachen Kirehenpoeeie. 613
Text: ebenso (13 Str.) P.
Prooemion: *Ayü}vag,
Strophe a: Ti xiov o<bv ä&Xruxixmv.
187. Gabriel. Der hl. Symeon (Salos). 21. Juli.
P foL 273^—278'.
Überschrift : (pegov Angoorixida Tijvde. xov xaneivov
yaßgi^l, 6 vfivog ovtog äfirjv ä/n/jv P.
Text: TTov tcuieivov yaßgiifX 6 vjLivog ovrog äßiijv äfifi/jv P.
Prooemion: Töv rov xvqIov.
Strophe a: Tfjv äYa^xrjxa.
Neu ist die Doppelung des Anfangsbuchstaben und ebenso
neu, dass am Schluss statt der öfter vorkommenden Doppelung
eines Buchstaben ein ganzes Wort doppelt gesetzt wird. Zu
allem Überfluss ist im letzten 'Ajußitjv das M gedoppelt. So
kamen 39 Strophen zu stände. Das lange, recht wunderliche
Machwerk ist eines der stärksten Beispiele der naiven Yersi-
fizierung eines gegebenen Legendenstoffes, der seltsamen Taten
und Abenteuer des , Narren um Christi Willen".
188. Arsenios. Die hll. Makkabäer. 1. August.
P fol. 285'— 286^
Überschrift: fehlt P.
Text: agaevico P.
Prooemion: 2o(pvag t?£oi5.
Strophe a \ AXvet ^eQjUfbg,
Auffallig und mir unerklärlich ist das — (o statt — ov am
Schlüsse. Die Vermutung, dass etwa *AQoevl{ov) <b{drj) zu er-
gänzen sei, ist nicht wahrscheinlich, weil die Strophe Q mit
einem Gebet endet.
189. Gabriel. Vorfeier der Verklärung Christi.
5. August. P fol. 286'-\
Überschrift: (pigov (q>eQ'**) äxQomixt^d ty]vde, yaßgnjX P.
Text: ebenso P.
Prooemion: *Ev x<p Sgei.
Strophe a: Fecodeis ykmooai.
614 Z. Krumbad^
190. Anonymus. Sonntag der ersten Fastenwoche.
Q fol. 14^—17'.
Überschrift: (pigov {ffiQ*^) äxQoaxixl^ xfjvde. rok «-
xovoxiaarais ovai Q.
Text: ebenso (22 Str.) Q.
Prooemion: 'O äTiegiygoTtrog.
Strophe a: Tovxo ro rtjg olxovojuUag,
191. Anonymus. Sonntag der ersten Fastenwoche.
Q fol. 18^— 19^
Überschrift: tpigov äxQootixl^ älq)dßf]Tov Q.
Text: aßy...io (24 Str.) Q.
Prooemion: Tofe x^QoL
Strophe di ^Avagxog,
192. Anonymus. Der keusche Joseph. I. Lied. Montag
der Osterwoche. Q fol. 66^ — 69^. Prooemion und Strophe a — ^
ed. Pitra S. 477 f. (aus T).
Überschrift: (piqov diXQoajixlio, Ttjvde (rijyde fehlt A).
elg xdv ndyxalov l(oai]<p 6 ^gtjvog ovrog (pvrog fehlt A) QA.
Text : elg rdv ndyxaXXov (so) lo)oi}(p 6 ^Qfjvog ovrog (32 Str.)
Q: keine genauere Angabe über A.
Prooemion : 'O 'laxdyß d>dvQ€TO.
Strophe a: *Em töv ödvQfiov,
Pitra vermutet S. 477, dass das Lied dem Romanos ge-
höre, und auch ich hatte es aus inhaltlichen Gründen früher
(Studien S. 217 f.) dem Romanos zugeteilt. Da aber der Autor
weder in der Akrostichis noch sonst genannt wird, muss die
Frage vorerst unentschieden bleiben.
193. Anonymus. Die zehn Jungfrauen. Lied III.
Dienstag der Osterwoche. Q fol. 76^— 77\ Ed. K. Krumbacher,
ümarb. S. 112 — 119. Über das Verhältnis zu den Liedern des
Romanos (Nr. 13 und 14) vgl. ebenda S. 93 fiF. Auch in A
fol. 232^-235\
Überschrift: ov ij äxQoaxixlg avrri {(piqov dxQoarixtda A).
Tov xaTieivov iv ßlco QA.
Die Akrostichia in der griechischen Kirchenpoeaie, 615
Text: ebenso {xaneivovl) QA.
Prooemion: Tifv digav, y^xti.
Strophe a': Tl Qq^jueTs-
194. Anonymus. Die Buhlerin. IL Lied (vgL Nr. 15).
Mittwoch der Osterwoche. Q foL SO""— 82«'. A foL 235^— 237^
Prooemion und Strophe a'—/ ed. Pitra S. 478—480 (aus T).
Überschrift: rj äpcgootixk- fi (hdij elg t^v nÖQyrjv QA.
T e X t : 1^ (hör} elg Trjv jioqvtjv v Q : keine genauere Angabe über A.
Prooemion: *YnkQ xrjv tzoqvtjv,
Strophe a: *H 7iQd>r]v äocorog.
Die zweite Schlussstrophe mit N enthält ein Gebet. Pitra
denkt (S. 478) auf grund des kleinen ihm bekannten Fragments
an Romanos oder einen Geistesverwandten als Autor („Aut
enim magister adest aut argutus ejus aemulator**). Die Lek-
türe des vollständigen Textes, den nur QA bewahren, muss in
dieser Annahme bestärken. Doch bin ich, wie bei Nr. 192,
dem Prinzipe gefolgt, Lieder ohne Autorennamen unter die
Anonyma einzureihen.
195. Anonymus. Die Buhlerin. lU.Lied. Qfol.82'— 84'.
Überschrift: ^ äHgoarixlg- 6 äXqxißr^xog Q.
Text: aßy . . coco (25 Strophen) Q.
Prooemion: Kaxixovoa,
Strophe a: ^Aqxtjv xrjg fjtexavolag.
Die zweite Schlussstrophe (ü), die am Rande als äXXo
bezeichnet ist, enthält das Schlussgebet.
196. Anonymus. Judas. II. Lied (vgl. Nr. 16). Grün-
donnerstag. Q fol. 87'-— 89^ A foL 237»^— 240^ Bei Pitra S. 480
nur Prooemion und Strophe d—ß aus T.
Überschrift: ov rj äxQoaxixig- r^g ngodoolag 6 &Q^vog Q:
keine Angabe über A.
Text: ebenso (19 Str.) QA.
Prooemion: Tdv ägxov Xaßibv.
Strophe a': Tf] fivoxixfj.
Das Lied zeigt auf eine längere Strecke (Strophe / ff.)
grosse, zum teil sogar wörtliche Übereinstimmung mit dem
1908. SiUgab. d. phUos.-pliUol. o. d. hist KL 41
616 K, Kruwhaeker
Liede des Romanos auf Petri Verleugnung (Nr. 18). Sowohl
diese Anklänge als allgemeine stilistische Gründe sprechen für
die Annahme, dass Romanos auch dieses Judaslied verfasst hat.
197. Arsenios. O^ier mojiiskg {xij ß^xtjg dtaxiyrioifuw {sojl
Q fol. 117«^-^
Überschrift: fehlt Q.
Text: aQoet Q. Etwa zu ergänzen &Qoe{vlov) t<6 £70^).
Prooemion: XQtaxov x6 Jidaxci*
Strophe a: ^Aiooifxev ^aßia,
198. Anonymus. Der hl. Geist. Pfingstmontag. Q
fol. 124^—125^
Überschrift: tpigov ixQoarixlda xrjvÖE. tvxh ^^*'^V Q-
Text: Evx^ av Q (der Schluss fehlt durch Blattausfall).
Prooemion: Tfj nagovotq,
Strophe ai *Ex ttjg olxelag,
199. Anonymus (Talas). Mittwoch t^c fxeaontvxtixomTj;.
Q fol. 134^—136'-. Prooemion und Strophe a-y ed. Pitra
S. 491—493 (aus CT). Wohl auch in A fol. 260'-^.
Überschrift: cpegov äxQooTixUa trjyde, tov jhovov tdXa Q.
Text: ebenso (12 Str.) Q.
Prooemion: Tfjg fogi^g.
Strophe a: Tijv ;|j£^ocüdcraav.
200. Anonymus. Die hll. Väter von Nikaea. Sonn-
tag vor Pfingsten. Q fol. 147'" — 149''. Das Prooemion und
Strophe 1-5, 16 in CV; Pr. und Strophe 1—7, 16 in T:
Pr. und Strophe 1 — 10*, 16 in M. Prooemion und Strophe 1 — 7.
16 ed. Pitra S. 493-498 (aus CT).
Überschrift: gFQov iHQoaxixlda xrivdt. e\g rovg {rovg fehlt Q)
äylovg naxegag AQ: (pfgov äxgoaxixlda. elg iyiovg CV: fehlt MT.
Text: elg dyiovg juiaxegag Q: elg äyg (Strophe mit -g =
16 Q) CV: elg ayiovg n (= zweite /Z-Strophe Q) a (= 15 Q) M:
elg äyiog (Strophe mit -^ = 16 Q) T: keine genauere Angabe
über A.
Prooemion: T&v djtoaxökcov.
Strophe a: *Ev vy^tjkcp.
Die AkrosHchia in der griechiscKen Kirehenpoesie. 617
Ein typisches Beispiel der grenzenlosen Willkür, die in
der Überlieferung der Hymnen herrscht. Den vollständigen
Text bewahrt nur Q. Die Littera II ist hier durch 2 Strophen
vertreten; die zweite, am Rande durch äkko bezeichnet, ist
gegen die Regel in der Randnummerierung der Strophen nicht
mitgezählt, so dass sich als letzte Randzahl ig ergibt. Beide
Strophen beginnen mit Ildvrcov oiv tovtcov h^exe, sind aber
im übrigen ganz verschieden: die erste handelt eingehend von
dem Häretiker Severus, die zweite nur ganz allgemein von
den Irrlehren. Codex T hat die ersten 7 Strophen und die
Schlussstrophe gerettet; die italische Redaktion die ersten
5 Strophen und die Schlussstrophe. Der Mosquensis bewahrt
die ersten 9 Strophen in der gleichen Folge wie Q; dann folgt
Strophe 10* d. h. die zweite Strophe für 77; die noch folgende
(letzte) Strophe mit A ist aber nicht, wie man nun erwarten
sollte, identisch mit Strophe la' in Q, die ja auch mit A
beginnt, sondern = Strophe e^' Q. Also ist bei der Verkürzung
weder, wie oft, bei einer bestimmten Stelle der fortlaufenden
Reihe abgebrochen, noch, wie häufig (z. B. bei unserem Liede
in CVT), die Schlussstrophe des Originals beibehalten worden.
Dass der Verfasser des Liedes Romanos sein müsse, begründet
ein ungenannter Freund Pitras (S. 493) ausführlich, und Pitra
stimmt ihm bei. Ich muss gestehen, dass die Darstellung
tatsächlich an Romanos gemahnt.
201. Gabriel. Totenlied für Mönche. Q fol. 153^\
Überschrift: (peqov dxQoouxida ri^vde. yaßQirik Q.
Text: ebenso Q.
Prooemion : EvonXayxvlag,
Strophe a: {ri^9?)oiLiai Jicbg,
(Aus den übrigen Codices):
202. Anonymus. Pharisäer und Zöllner. Sonntag roi;
TeX(üvov xal rov ^agiaalov, A fol. 191^ — 196^.
Überschrift: ?
Text: Elg rov ^agioaiov xal Tekdnnjv A.
41»
618 K. Krumb(U^er
203. Anonymus. Der hl. Demetrios. 26. Oktober. D.
Überschrift: (pigov AxqocxixU^ xfjvde. noirifia Silo D.
Text: not D.
Prooemion: 'Eogti^v fie^edgriov.
Strophe a: navrjyvQlaavres.
204. Anonymus. Der hl. Stephan. 27. Dezember. Bei
Pitra S. 386-388 Prooemion und 6 Strophen aus T. In P
fül. 129''"^ und in D nur Prooemion und 3 Strophen; in D
aber in der Lberschrift die volle Akrostichis, die Glauben ver-
dient, weil alle durch andere Hss kontrollierbaren Akrostichon-
vermerke des D sich als richtig erweisen. Vgl. Nr. 87.
Überschrift: q^igtov &xQoaiixida ri^vde. c^üi xw axeqxirq)
D: fehlt PT.
Text: (hd^ (oaz T: <bd^ PD.
Prooemion: *0 dean6xi]s.
Strophe a: *Qg äax^g q)aeiv6g.
Die Akrostiehis in der griechisehen Kirchenpoene, 619
Zweites Kapitel: üntersuclinngen.
I. Die Akrostichisnotizen in den Liedüberschriften.
Die Lieder werden in den Hss durch kurze fttr den litur-
gischen Gebrauch orientierende Überschriften eingeführt. Im
Normaltypus einer solchen Überschrift werden folgende Punkte
notiert :
1. Monat und Tag.
2. Der Vorwurf des Liedes d. h. der Heilige bezw. die
Heiligen, äas Fest oder auch der allgemeine Inhalt.
3. Die Akrostiehis.
4. Der Musikton.
5. Die Melodie des Prooemions (durch Angabe des Muster-
liedes bezeichnet: Ilgdg rd).
6. Die Melodie des Liedes selbst (meist erst nach dem Texte
des Prooemions verzeichnet).
Ein Beispiel (P fol. 230') möge das Schema veranschau-
lichen:
(1) Mrjvl T(p avxcü (sc. Matcp) f( .
(2) xovx&Mov Tov iv äyloig naxqbg fifJL&v ^A&avaolov, biiaxd-
Tiov 'Ake^avögetag,
(3) q^igov äxQooxixlda ri^vde, AJvog 'PcDjuavov.
(4) fjxos $.
(5) nqbq xb, ToTg x&v aljudxcov aov ^el^^goig,
(6) Nach dem Prooemion: ngbg xb, Tgdvcoaöv fiov.
Dieser Orundtypus kann allerlei Modifikationen und Re-
duktionen erleiden: (1) Statt der ausdrücklichen Bezeichnung
des Tages steht, wenn schon ein Lied auf denselben Tag voran-
620 K. Knmbadher
gegangen ist: Tfj avxfj fifJi^Qq. oder ''Eregov xovzdxtov tlg toy
u. s. w. Häufig ist das Datum nicht im Rahmen der Lied-
überschrift, sondern am oberen Blattrande notiert. Von einer
ausdrücklichen Angabe des Datums wird abgesehen, wenn dieses
schon in der Notiz über den Vorwurf des Liedes ausgesprochen
liegt z. B. Kovjdxiov fit&iogxov x^gXQiaxov yevri^oemg (P fol. 12S^\
(2) Die Angabe des Heiligen oder des Festes wird teils durch
die Präposition eig (xovxdxiov elg täv äyiov u. s. w.), teils durch
den Qenitiv {xorrdxtov rov äylov u. s. w.) eingeführt. Eine be-
stimmte Regel hierüber giebt es nicht. (3 — 5) Die Angabe
des Tones und der Melodie ist häufig, die der Akrostichis zu-
weilen am Rande nachgetragen. Die Angabe der Melodie fehlt
leider ziemlich häufig, nur selten die des Tones. Die Stellung
der einzelnen Teile ist in der Regel die oben angegebene ; doch
steht in einigen Hss (z. B. in B) die Notiz über Ton und
Melodie vor dem Akrostichonvermerk.
Für das Ziel der vorliegenden Arbeit kommt nur der Akro-
stichonvermerk näher in Betracht. Er zeigt verschiedene
Fassungen, deren vergleichende Prüfung für die Klassifizierung
der Hss und auch für andere Fragen von Wichtigkeit ist:
Die weitaus häufigste Form der Einführung der Akro-
stichis ist: (pigov äxQoaxixiia rtjvde oder kürzer: (pigor dxoo-
orixida. An das erste Wort knüpft sich eine palaeographische
Frage: Die Hss bieten in der Regel die Abkürzung 97*, selten
(p^Q (M). In den Ausgaben, leider auch dreimal in meinen
eigenen*) und wohl auch in Abschriften und Kollationen, die
ich von Fachgenossen erhalten habe, ist diese Abkürzung
wiederholt durch (pigei aufgelöst worden.*) Dass sie in Wahr-
heit nicht q^tgei, wie man allerdings zunächst vermutet, sondern
(figov bedeutet, ergibt sich aus der Tatsache, dass ziemlich
häufig in denselben Hss, wo 9?' steht, und im völlig gleichen
Zusammenhange tpig'^ (seltsamer Weise wenigstens in den Hss,
M Studien S. 163, Umarb. S. 45, Rom. u. Kjriakos S. 726.
^) Regelmässig steht (psgei in den Beschreibungen der Codices B
und D (s. oben S. 556). Hier bin ich über die Lesung der Hb in Zweifel
und habe daher in Kapitel I Öfter (pigei mit ? notiert.
Die Äkrostiehis in der grieehiachen Kirchenpoesie. 621
die ich selbst gesehen habe, niemals (pig**) geschrieben ist.^)
So viel ich sehe, ist tpeget nur da bezeugt, wo der Akrostichon«
vermerk von dem Worte Kovrdxiov durch die Angabe des Tones
oder der Melodie oder beider getrennt ist. So verhält es sich
bei Nr. 23 M, dem einzigen sicheren Beispiele für (pegei, das
die Hss PQC VMT bieten. Die Abkürzung (p' ist also überall,
wo der Akrostichonvermerk an der dritten Stelle steht und
Kovrdxiov vorhergeht, durch tpigov aufzulösen. Ausgenommen
sind natürlich die seltenen Fälle, wo die Lesung (pigov syn-
taktisch unmöglich ist: In Nr. 135 steht in P die übliche Ab-
kürzung <p% obschon, allerdings durch die Angabe des Tones
und der Melodie getrennt, exegot olxoi vorhergeht. Hier ist
also die Abkürzung, die der Schreiber gewohnheitsmässig setzte,
gegen alle palaeographische Regel wohl (pigovoi zu lesen. In
Nr. 32 scheinen die Hss das syntaktisch erforderliche (pegovxa
(sc. tnixrjga) zu bieten. Ebenso steht bei Nr. 88 in A die Form :
Ol olxoi (pigovxBQ.
Ganz vereinzelt wird ^;^ov bezw. t^ovxa statt cpigov bezw.
(pigovra gebraucht. Ich kenne nur die drei Beispiele Nr. 8fr
und Nr. 89 T.
Eine stärkere Abweichung, aber auch eine ungemein rein-
liche Scheidung zeigen die Hss bezüglich des Demonstrativs
nach äxgooxix'da. Der Zusatz Jijvde fehlt in der italischen
Gruppe CV vollständig, in A häufig, in BDHJMT selten, in
P Q nur in ganz wenigen, meist besonders motivierten Fällen :
in P nur bei Nr. 158, wo die ganz singulare Form steht:
q)igov äxgooxixlda ovv xov xovxaxLov äofia, in Q bei Nr. 58,
wo vielleicht der Zeilenschluss den Ausfall des xrivde veran-
lasste, bei Nr. 59 und Nr. 191, wo die Akrostichis als Objekt
zu (pegov gezogen ist {(pigov äxgoaxixlda äX(pdßrjxov). Es ist
also in P Q unter etwa 200 Vermerken nur 1 Fall (Nr. 59),
wo xi^vde ohne ersichtlichen Grund gegen die Kegel fehlt.
Neben der Form q)egov u. s. w. findet man zuweilen die
^) In Kapitel 1 habe ich diese Schreibung öfter ausdrücklich notiert.
In T steht nur einmal (peg*^ (Nr. 17). In D anfänglich tpigcov^ spftter
^fQii (nach der Beschreibung von Alexander Lauriotes).
622 JSC Krumbaeher
Einführung durch ov ^ äxQoaxtxk oder einfach fj dxQoaxixi^
oder äxQoouxk' Auch hier unterscheiden sich die Hss, wenn
auch keine so scharfe Gruppierung hervortritt wie bezüglich
des Pronomens rijvde. Die relatirische Anknüpfung: ov ^
äxQootixis steht 4 mal in Q, 1 mal in M, 1 mal in p ; die Form :
(bv ^ äxQoarixk Imal in fvw (Nr. 8). Ausserdem in Q 2 mal:
ov ^ AxQoaxixlg avirj und Imal: ov i} äxgooxixk ^^c Die
Form : ^ ängooTixk wird bevorzugt, wenn der Akrostichonver-
merk erst am Schluss der Überschrift angefügt wird ; sie findet
sich 7 mal in B, 5 mal in M, 4 mal in Q, 3 mal in G, 2 mal
in P (am Rande nachgetragen), 1 mal in T und vereinzelt auch
sonst. Die Form äxQoatixk (ohne ^) steht 4 mal in T, 2 mal
in P (Imal als Randnotiz) und sonst.
Die Feststellung dieser formalen Details ist nicht über-
flüssig. Findet man z. B. eine neue Hs, in deren Überschriften
das Pronomen ri^vde regelmässig fehlt, so ist ohne weiteres
wahrscheinlich, dass man es mit einer Verwandten der italischen
Gruppe zu tun hat, während umgekehrt regelmässiges ri^vde
auf ostbjzantinischen Ursprung hinweist. Eine Hs oder ein
Hs-fragment, wo man regelmässig das sonst seltene ov ^ äxQo-
üxtxk oder fj Angoorixk oder äxQooxixk triflPb, muss als für sich
stehend betrachtet werden. Auch sonstige Abweichungen in
der Überschrift (z. B. bezüglich der Vollständigkeit und der
Reihenfolge der Teile 3—5) kommen für die Beurteilung der
Stellung und des Alters der Hss in Betracht.
Ausser den oben aufgezählten 6 Teilen, die den eisernen
Bestand der Überschriften bilden, findet man zuweilen in der
Überschrift oder als Randbemerkung zu ihr noch ein 7. Stück,
eine Notiz über den Verfasser des Liedes. Sie hat mit
der liturgischen Anweisung nichts zu tun und hat zweifellos
niemals zum festen Schema der Überschrift gehört ; in ihr wird
der Name des Verfassers nur insoweit genannt, als er in der
Akrostichis selbst enthalten ist. Die Notizen über den Ver-
fasser ausserhalb des üblichen Rahmens der Überschrift —
ich nenne sie „einfache Autorangabe* — zerfallen in zwei
Gruppen. In einer Reihe von Fällen erscheint die „einfache
DU AkrostieMs in der ffriecMsthen Kirchenpoeaie. 623
Autorangabe* als ein kurzer, raumsparender Ersatz ffir den
vollen AkrostichisTermerk, so mehrfach in G (Nr. 9, 11, 21)
und in Y (Nr. 160). Da hier die volle Akrostichis durch den
Text gegeben wird, ist die Kürzung in der Überschrift ohne
Belang. Ähnlich liegen einige Fälle, wo der Automame in
der Akrostichis durch Verstümmelung des Textes Schaden ge-
litten hat. Bei Nr. 2 z. B. bietet G in der Überschrift die
Notiz : Ttoifjßia ^(Ofxavov als eine willkonunene Bestätigung der
arg mitgenommenen Akrostichis des Textes. Bei Nr. 94 steht
in G in der Überschrift xov arovdhovy während der Text nur
das Fragment xov arova enthalten hat. Ganz überflüssig er-
scheint die Randnotiz Jiolrj/xa yecoQylov bei Nr. 122 in P, wo
der Name des Dichters sowohl im Akrostichisvermerk als im
Texte geboten wird.
Eine ganz andere Bedeutung erhält die , einfache Autor-
angabe **, wenn in der Akrostichis der Autorname fehlt. Der
Text des nur in Q überlieferten Liedes Nr. 84 ergibt die Akro-
stichis tov nQO(priztiv xvqIov. Am Bande steht aber neben der
Überschrift: ^co*^ d. h. ^cofÄOvov, Schwerlich ist hier die Autor-
angabe aus der einst vollständigen Akrostichis gerettet oder
aus früher noch grösseren Resten der Akrostichis erschlossen
wie bei Nr. 2 und 94 in G. Man könnte zur Not annehmen,
das Akrostichon habe ursprünglich (ähnlich wie bei Nr. 56)
gelautet: rdv Jigotpi^xriv xvglov {6 QCOfiavög vjülvcö). Dagegen
spricht aber der in Q erhaltene Text, der ein abgerundetes
Ganzes bildet und in der Schlussstrophe das übliche Gebet ent-
hält. Ganz ähnlich liegt die Sache bei Nr. 117, wo D, gegen
alle Regel, vor dem Akrostichisvermerk die einfache Autor-
notiz: Qcofiavov nolrifia bietet. Auch hier ist in der Akro-
stichis keine Spur des Autornamens, und die Annahme, dass
sie etwa ursprünglich gelautet habe: eig xov dQxiaxQdxtjyov
{^wfiavov €7iog) (wie z. B. Nr. 11) schwebt ebenfalls vollständig
in der Luft. Ein verstümmeltes Lied bei Pitra S. 334 f. trägt
in der Überschrift den Vermerk : Tioirjßia Tagaalov naxQiaQxov,
ein anderes, Pitra S. 342, den Vermerk: nolrifxa xov Sxovdlxov^
ein drittes, Pitra S. 343, die Randnotiz: Zxovdixov u. s. w.
624 £. Krumhadier
Worauf nun diese merkwürdigen Notizen berulien, können
wir mit unseren gegenwärtigen Mitteln nicht feststellen. Viel-
leicht waren in einer alten Hs Lieder ohne Automamen in der
Akrostichis mit Automamen versehen wie Texte in Profanhss.
Die Frage, ob in den angeführten Fällen, besonders in den
zwei des Romanos (84, 117) die Automamen aus inneren
Gründen Qlauben verdienen, kann erst untersucht werden, wenn
einmal die Texte vollständig veröffentlicht sein werden.
Ohne nennenswerte Bedeutung für die Kritik sind einige
Sonderheiten, die im Folgenden kurz aufgezählt werden mögen :
Zuweilen wird in der Überschrift die Akrostichis ohne irgend
ein einführendes Wort verzeichnet z. B. bei Nr. 9, 19, 102
in V, bei Nr. 171 in P u. ö. Nicht selten, namentlich bei
kurzen Akrosticha, fehlt der Vermerk in der Überschrift voll-
ständig, z. B. bei Nr. 8 und 17 in B, Nr. 25 in CVT, Nr. 97
in PT, Nr. 119 und 179 in P u. ö. Einige Modifikationen
erleidet die Formulierung der Überschrift bei der alphabetischen
Akrostichis. Wir finden hier entweder einfach die Notiz xar'
dXcpdßrjrov (Nr. 100 P) oder ^ äxgoaTixk, &k<pdßi]Tog (Nr. 100 M)
oder i} ängooTixlg Tcarä Aktpdßfirov (Nr. 134 P) oder (pegov
äxQoonxlda älcpdßtjzov (Nr. 191 Q) oder (pegov ixgoaxixtda
Ti/jvde. AXq)dßr]Tov ^(Ofxavov (Nr. 12 Q) und ähnlich.
Zuletzt möge eine Eigentümlichkeit besprochen werden,
die uns zum Hauptthema, den akrostichischen Formen selbst,
überleitet: die Inkongruenzen zwischen Überschrift und
Text. In der Regel wohl ohne jede Bedeutung sind die Fälle,
wo durch Unaufmerksamkeit des Schreibers oder Redaktors in
der Überschrift kleine Varianten des wirklichen Wortlauts der
Akrostichis vorkommen wie bei Nr. 6, 10 (M), 20, 39, 59, 61,
62, 112 (G) u. ö. Ebensowenig hat es zu sagen, dass gewisse
Eigentümlichkeiten der Schreibung vrie die Doppelung von
Buchstaben (s. u.), die antistoechische Schreibung lanivov u. a.
in den Überschriften nicht berücksichtigt werden. Die höchste
Beachtung dagegen verdienen die Überschriften, in denen eine
vollständige Akrostichis angegeben wird, während die
Initialen der Textstrophen selbst nur noch ein Frag-
Die AkrosHchis in der grieeMethen Kirchenpoesie, 625
ment ergeben. Ich notiere im Folgenden die bemerkens-
werten Beispiele aus meinem Material. Ausser Betracht bleiben
die Fälle, wo die Akrostichis des Textes durch Blattausfall
verstammelt ist (z. B. Nr. 23 Q) ») :
Nr. 2 Üb.: noltjfjia ^cdjluxvov C. Text: rovxaovoQcofi CV.
Hier handelt es sich nicht um eine erhaltene Akrostichis, son-
dern um eine „einfache Autorangabe'', die aber vielleicht auf
Kenntnis der vollen Akrostichis zurückgeht. Vgl. S. 623.
5 Üb. in C: roi; tajteivov goyfiavov, Text in C nur: tovv.
Bestätigt durch PBY. Der Fall ist besonders bemerkenswert,
weil V, der Vetter von C, noch den vollständigen Text von
18 Strophen bewahrt, die starke Reduktion also erst in G (oder
seiner direkten Vorlage) erfolgt ist.
10 Üb. in DG: elg id ßd'Ca ^cojAavov. Text in D nur: eis
xä ßdia, in G nur: elg rd. Best, durch QACVM.
17 Üb. in G: rov xaneivov ^cofiavov, Text in 6 nur: xov
xojiei. Best, durch QBCVMT.
22 Üb. in G: xqv xaneivov ^cojtiavov. Text in G: xov xane.
Best, durch QBCVMT.
23 Üb. in G: xov xaneivov ^co/iavov. Text in G: xov
xaneivov q . Best, durch die übrigen Hss.
25 Üb. in M: xov xaneivov ^cojuavov, Text in M: xov
xamvav QWfio. Der letzte Buchstabe in M (o) entspricht dem
0 der vollständigen Akrostichis: xov xanivov ^co/xavov 6 xpal-
/iög (PCVD).
27 Üb. in D: xov xaneivov gcojbiavov 6 yjaXfxbq ovxog (best,
durch andere Hss). Text in D: xov xaneivo.
43 Üb. in D: ^ vjuvog §wfiavov (best, durch P). Text in
D nur: 5 vfi,
44 Üb. in D: roi; xaneivov ^oifxavov (best, durch P).
Text in D: xov.
^) In der folgenden Zusammenstellung gebrauche ich die Abkürzungen :
Üb. = Überschrift; best, (bestätigt) = die Richtigkeit der Überschrift
wird bestätigt. Die Zahlen beziehen sich auf die Nummerierung in
Kapitel I.
626 K. Knmbacher
45 Üb. in P: tov tanurov ^ßMvov (durch keine Hs best).
Text in P: rowia.
49 Üb. in P: tov raneivov ^ßiovov v/ivog. Text in PÄD
nur: tov totuvov ^fjuxvov v. Hier aber scheint der Fehler
ausnahmsweise in der Überschrift zu liegen. Vgl. S. 575.
57 Üb. in A: tov TOJUivov ^fjtavov. Text in A: tov
Tomvov. Wie P zeigt, ist die Lberschrift Ton A richtig (abge-
sehen Ton TOTietvov statt Tonivov), bildet aber nur den Anfang
einer längeren Akrostichis.
87 Üb. in D: tov Tonetvov ^wßjuiyov. Text in D nur:
T und dann nach einem neuen Prooemiou: tve. Keine voll-
ständige Hs (wie auch bei 92, 94, 99 u. s. w.).
92 Üb. in CV: tov otovöItov, Text in C: tov oo, in V:
TOV OTO.
94 Üb. in C: tov otovöItov, Text in C: tov orova. Ur-
sprünglich wohl: TOV aTov{6lTov ^ofx)a,
101 Üb. in C: innvfißiov /liXog tov TQUja^Uov. Text in C:
imTv/ußiov ßjtiJiog Toa.
105 Üb. in CV: töv Al<pdßffTov. Text in C: aeßyde^
in V: aßyde.
112 Üb. in D: oTscpdvov 6 alvog (best, durch P, der aber
TOV oieq)dvov ö alvog bietet). Text in D: aretpa,
114 Üb. in D: tov Tdla Inog (best, durch P). Text
in D: tov.
117 Üb. in D: cfc täv äQXiOTQdTtiyoy (best, durch P).
Text in D: elg t6v äg.
118 Üb. in P: elg Tovg äacojiAdTovg. Text: elg. Keine
andere Hs.
123 Üb. in P: vovv nafjLtparj nmg alviotig & oToviha.
Text: vovv nafKparj növiT, Keine andere Hs.
127 Üb. in P: tovtj; fi d)drj Tdla. Text: tov. Keine
andere Hs.
145 Üb. in P: ^Jiog elg Tovg dexa äyiovg. Text: &Tog.
Keine andere Hs.
146 Üb. in D: rarTj; t) ihdrj TdXa (best, durch P). Text
in D: Tarr.
Die AkrasHehia m der griechieehen Kirchenpoesie. 627
147 Üb. in P : r&y bidoxlwv ^ «&<J^, in D : j&v
(Rasur) &dri. Text in P : xd)v ind, in D : tcDv In. Ein durch
die sowohl in der Überschrift als im Texte sichtbare annähernde
Übereinstimmung der sonst so weit auseinandergehenden Hss
P und D besonders merkwürdiger Fall.
148 Üb. in D : äajua rdka (best, durch P). Text in D : aajbi.
160 Üb.: rov axovdhov ndvvfxvog elg ävidiviov P, jzolrj/ia
oxovdirov V. Text: rovv P, rov oxovdiov CV. Also wird die
volle Überschrift von P wenigstens teilweise bestätigt durch
die italische Redaktion.
181 Üb. in P: rov xaneivov oxetpdvov. Text: xov xanetj-
vov o . Keine andere Hs.
200 Üb. in CV: elg äyiovg (ursprünglich, wie Q lehrt:
elg dylovg naxigag). Text in CV: elg äyg.
203 Üb. in D: nolrjfia äXlo. Text in D: noi. Keine
andere Hs.
204 Üb. in D : cßdrj xtp oxetpdvcp. Text in D : c&<5i), in T :
d}dj] (oor.
Das Ergebnis dieser Zusammenstellung ist in mehr als
einer Hinsicht lehrreich. Zunächst ergibt sich die grosse Ver-
schiedenheit der Hss bezüglich der Inkongruenz zwischen Über-
schrift und Text, eine Verschiedenheit, die noch schärfer hervor-
tritt, wenn man die Frequenz der Fälle im Verhältnis zu der
in jeder Hs enthaltenen Gesamtzahl von Liedern betrachtet.
Weitaus die meisten und schwersten Fälle bietet der
Athoscodex D. Hier ist die „Vorspiegelung falscher Tatsachen*
durch die Überschrift häufiger als die Kongruenz zwischen Titel
und Text. In nicht weniger als 13 Fällen wird die im Akro-
stichonvermerk erweckte Hoffnung im Texte getäuscht, nur
6 mal decken sich Überschrift und Text und 3 Lieder bieten
ohne Überschrift die vollständige Akrostichis im Texte. Be-
achtenswert ist, dass 11 unter den erwähnten 13 Fällen von
Inkongruenz im Anfang der Hs (vom Oktober bis Weihnachten)
zusammengehäuft sind, während im Triodion nur noch 2 Fälle
vorkommen. Es scheint also, dass der Schreiber sich im Ver-
628 R. Erumhacher
lauf seine Arbeit allmählich bewusst geworden ist, dass die
Notierung der Akrostichis ohne vollständigen Text ungereimt
ist. Die Hs, aus der D seine Überschriften entnahm, war zum
Teil noch vollständiger als P; das beweist Nr. 204, wo P
keinen Vermerk in der Überschrift und im Texte genau wie D
nur (hdri bietet.
Ahnlich steht es mit der kleinen Sinai-hs G. Sie birg^,
soweit ich aus der mir vorliegenden Beschreibung ersehe, nur
5 vollständige Lieder des Romanos, dagegen nicht weniger als
4 Lieder des Dichters mit vollständiger Akrostichis in der
Überschrift und stark verkürztem Texte.
Im patmischen Doppelcodex P Q finden sich 8 Fälle (Nr. 45,
118, 123, 127, 145, 147, 160, 181) und zwar— ähnlich wie
in D — ausschliesslich im ersten Teile des liturgischen Doppel-
buches, im Tropologion (also in P). Im Verhältnis zu der
ungewöhnlich grossen Zahl vollständiger Lieder (gegen 200),
die PQ bewahren, erscheint die Zahl der Inkongruenzen recht
geringfügig. In der italischen Redaktion finden wir nur 6 Fälle
(Nr. 5, 92, 94, 101, 105, 200), von denen einer (Nr. 5) auf C
beschränkt ist. Nr. 101 fehlt in V durch Blattausfall. Je einen
Fall bieten A (57) und M (25). Völlig frei sind, soweit ich
sehe, QBJT.
Nun lässt sich die auffallige Erscheinung mit Sicherheit
beurteilen. Der Grund der Inkongruenz kann nur in der Ge-
dankenlosigkeit der Schreiber neuer Exemplare gesucht werden,
die, etwa im Auftrage eines Redaktors, die Texte durch Weg-
lassung einer grossen Zahl von Strophen auf ein bequemes
Mass reduzierten, trotzdem aber den Titelkopf mit dem vollen
Akrostichisvermerk unverändert herübernahmen. Am klarsten
liegt das Verhältnis bei D. Hier haben wir es offenbar mit
einer Redaktion zu tun, die unmittelbar aus einer noch zahl-
reiche vollständige Lieder (ähnlich wie PQ) bewahrenden Hs
mit dem Prinzipe der gewaltsamen Verkürzung abgeleitet ist.
Lägen Zwischenglieder zwischen dem noch vollständigen Arche-
typus und dem Exzerpte D, so wären sicher die überflüssigen
Vermerke allmählich verschwunden. Auch die Sinai-hs G scheint
Die ÄkrasHehis in der griedUschen Kirchenpoesie, 629
von dem vollständigen Archetypus durch keine oder höchstens
eine Mittelstufe getrennt zu sein. Bemerkenswert ist aber,
dass in der mit G eng verwandten Sinai-hs J die inkongruenten
L berschriften schon verschwunden sind. Für die Beurteilung
der allgemeinen Stellung der Hjmnen-hss zu den ältesten
Fassungen des Tropologion und Triodion ist mithin, neben den
sonstigen Eigenschaften, auch das Vorkommen inkongruenter
Überschriften in Betracht zu ziehen.
Aus dem geschilderten Sachverhalte ergibt sich auch, dass
die in manchen Hss durch den Text selbst nicht bestätigten
Akrostichonnotizen in der Überschrift in der Regel vollen
Glauben verdienen, auch da, wo keine den vollständigen oder
annähernd vollständigen Text bewahrende Hs zu Hilfe konunt.
n. Die Formen der Hymnenakrostichis.
A. Die regelmässigen Formen.
Wie in der Aufführung des Materials in Kapitel I be-
schränke ich mich auch hier auf die Gattung der Hynmen.
Die Kanones stehen, wie in ihrer Komposition, so auch hin-
sichtlich der Akrostichis für sich. Wie sie in ihrem Bau weit
mehr gekünstelt sind als die Hymnen, so ist auch ihre Akro-
stichis anspruchsvoller und besteht oft aus einem oder mehreren
Versen. Dagegen kann für die Hymnen die Akrostichonfrage
im grossen und ganzen erledigt werden. Das oben zusammen-
gestellte Material ist so reichhaltig, dass erhebliche Modifi-
kationen des Tatbestandes und der aus ihm gewonnenen all-
gemeinen Ergebnisse nicht mehr zu erwarten sind.
Als allgemeiner Satz gilt für alle Hymnen, dass die Akro-
stichis nur die auch durch den gleichen metrischen Bau zu-
sammengehaltenen Strophen des Liedkörpers selbst umfasst.
Das Prooemion oder die Prooemien stehen ausserhalb der Akro-
stichis. Die einzige Ausnahme von dieser Kegel bildet das
kleine Lied auf den hl. Petros (Nr. 158), wohl ein spätes Mach-
werk, dessen Akrostichon äofia schon mit dem Prooemion
630 K. Efumhaeker
anhebt, obschon dieses Prooemion wie immer nach einem
anderen Schema gebaut ist als die Liedstrophen. Wie auf-
fallig diese Sonderheit aber war, zeigt die Tatsache, dass der
Bearbeiter der patmischen Sammlung sie in der Überschrift
ausdrücklich hervorheben zu müssen glaubte: (pigov äxQ€Hmx^
avv Tov xovxaxlov. äoßMxl Nach ihrer Beschaffenheit können
die Hjmnenakrosticha mit Rücksicht auf das wichtigste Ele-
ment, den Autornamen, in drei Gruppen geteilt werden:
Akrosticha mit einem bestimmten Automamen, Akrosticha mit
pseudonymer Andeutung des Verfassers, Akrosticha ohne jede
Erwähnung des Autors. Jede dieser drei Gruppen zerfallt in
zwei Abteilungen: Akrosticha mit Angabe des Inhalts und
Akrosticha, die nichts über das Thema des Liedes berichten.
Mit dieser allgemeinen Gruppierung ist die Mannigfaltigkeit
der akrostichischen Formen nicht erschöpft. Es gibt eine
Reibe von Spielarten in jeder Gruppe. Die Akrostichis schwankt
von der ausführlichsten Form der vollen Bezeichnung des Ver-
fassers und des Liedthemas bis zur einfachen und nichtssagenden
Notiz, dass es sich um ein Lied handle. In der folgenden
Übersicht der Hauptformen sind die einem eigenen Kapitel
vorbehaltenen orthographischen und sonstigen Sonderheiten noch
ausser acht gelassen.
I. Akrosticka mit Aatomamen.
1. Automame + Inhaltsangabe.
Diese idealste Form der Akrostichis habe ich 14 (13?) mal
gefunden, 12 (11?) mal bei Romanos, 2 mal bei anderen Dich-
tern. Die folgende Liste ist nach dem Schlagwoi*t des Inhalts
alphabetisch geordnet.
elg xdv 'Aßgaä/x 'PcDjj^avav vfivog 65
^Tov rajieivov 'Pwfiavov zcß *AvaQyvgq> 6 yxzXßJidg 57
elg tä ßdta 'PcofJiavov 10
^aivog Tajieivov 'Pü)fuxvov elg xä yevi&ha 32
xbv jtgoqpijrriv *HXlav 6 'Poifiavdg dfivcb 56
xov 7iQoq)i]Xf]v *HkUxv 6 *Pü}fiav6g eixpti^i 56 (vgl. o. S. 577)
Die ÄkrosHchis in der griecMechen Kirckenpoeaie, 631
S v/ivog 'Pwßiavov ek töv äyiov OeödcDQov 59
vfivog elg t6v OeoXdyov PoDjLiavov 54
eig lov ^Icoarjtp 'Pco/biavov Snog 11
xov rojteivov 'P(o/biavov dlvog elg to Ttd&og 74
eig rd nd'&og tpaX/xög 'Poofiavov 19
eig Tov Jigöögofiov 'PoD/jiavov (bezw. Ao/tiixlov) 55
jue&eÖQTta tcov tpdnov (so) ^bu ^I(oo'fi(p 98
TOV jSxovdhov näwfivog elg 'Avt(oviov 160
2. Aaiomame ohne Inhaltsangabe.
Die wichtigsten Spielarten dieser Ghruppe sind:
A. Autorname im Genetiv mit einem Epithet und Bezeich-
nung des Liedes im Nominativ mit oder ohne Artikel.
Ich ordne die Beispiele aus Romanos alphabetisch nach der
Liedbezeichnung, die übrigen alphabetisch nach dem Autor:
TOV xaneivov 'PoijMZvov alvog 18, 33, 46, 67, 73, 80
TOV xajieivov 'Püifiavov x6 Snog 7, 76
TOV raneivov 'Pco/navov Knog 36
TO enog ^P(Ofxavov xaneivov 77
^ xov xaneivov ^Pwfxavov Ttolrjjua 16, 52
^.^■^noirifw, ^Poifxavov xov xaneivov 83
nolrifia 'Pwfiavov xaneivov 69
xov xaneivov ^Poifiavov 6 vfivog 1, 60
xov xaneivov 'Pcofiavov 6 xpaXfiög 25, 62
xov xaneivov *P(Dfxavov \paXfi6g 20
xov xdXa 'Poifiavov (hdrj 39
ävaoxaoiov xov xaneivov alvog (oder voarjeag; vgl. oben
S. 589) 88
' xov xaneivov raßgirjX 6 v/nvog ovxog ä/itjv äfiriv 187.
^ xov xaneivov Fecogylov vjuvog 90
- vjÄVog xov xaneivov *I(oavvixlov 115
xov xaneivov Koo/uä vfxvog 99
1906. Sitigsb. d. philoB.-philo1. n. d. hist KL 42
632 K. KfHmbad^
B. Wie Form A, aber Aatorname ohne Epithet
6 alvog 'Pcofiavov 24
alvog 'PcDfJMvov 41, 53
alvog xal 6 yaX/idg rov 'PcDjuavov 29
TiolrjfÄa 'Pcüfiavov 31
TiQoaevxfj 'P(ojMivov 66
6 v/Ävog *Po}fiavov 43, 85 (ygl. aber die Notiz S. 586)
*P(Ofxavov 6 xpakfiög 38
i; (höi] 'PüJßiavov 28
d}dtj 'Püifiavov 40, 75
ctßy — o) dkipdßrjTov 'Poifiavov 12.
v^ivog 'Aßßä 133
*AQoe{viov) t{6 ijiog?) 197
raßQiTjX (bÖTJ 183
wdfj Faßgiril 151
(füivri SeodojQov 96
'lyvarlov nofia 170
(iojna 'Icoavvov 166
(Ä(5^ '/foov^^ 106, 110, 182
noiTjpia KvQiaxov 91
eTtog AiovTog 108
TOI» 2!T€(pdvov 6 alvog 112
t(oD 2!rovdirov?) alvog 162
ToO Zzov&ixov äojna{?) 94
üvjueayv 7) (hdtj 138
C. Ahnlich wie Form A und B, aber durch ein Demon-
stratiTproDomen bezeichnet.
alvog xal ovrog 'Po)fAavov 63
TET(dQiYi?) dhjotg xal ravtr] 'Poi^avov 61
detjoig xal ravTt] 7) 'Pcjjuavov 61
TOVTO 'Pco/tavov ro enog 6
TOI» raneivov 'Pcofiavov xovxo x6 noitiina 13 (anders CV)
Tovxo ^Pmjiiavov x6 Ttotrjjua 2 (durch Konjektur gewonnen)
rov xaTinvov 'Pcof^iarov 6 v/iivog ovxog 34
Die ÄkrostiefUs in der griechischen Kirchenpoesie. 683
Tov rajieivov 'Pcofiavov 6 tpakfiog ovrog 8 (in einer Redaktion
fehlt <5, in einer andern ovxog), 27, 58
xavxri fj d)drj xov Haxiorov 'Pcofiavov 30
Tovxo TOTteivov 'Pcojuavov 79
raßgiijX xdde 177
D. Wie Form B, aber mit Einführung des Autornamens
durch xvQOv,
xov XVQOV 'Pwfxavov alvog 72
xov XVQOV 'Pco/jiavov Ijtfj 48
tpaX/iog xov xvqov 'Pcojuavov 82
E. Ein Satz mit iaxL
xovxo x6 inog laxlv 'Pcoßiavov 64
6 ipaXfAog ohxog laxlv 'PcojüLavov 81
F. Autorname im Genetiv mit einem Epithet.
xov xojieivov Tcofiavov 3, 4, 5, 9, 14, 15, 17, 21, 22, 23, 26,
37, 42, 44, 45(?), 47, 49, 50, 68, 70, 71, 78, 86(?), 87(?)
xov xdka Pco/Liavov 35, 51
xov xajieivov PecoQylov 122
TOV xdXa TlavXov 111
xov xaneivov 2xe(pävov 181
Gh. Blosser Autorname mit oder ohne Artikel.
'Aßßä 161 ToD FaßQiifiX 172
TOV 'Aßßä 163 rQfjiyoQiov) 89
'ÄQoevlovi?) 184 'Icoo^cp 97, 128
'AQoevlo}{?) 188 2x€(pdvov 185
FaßQi^k 175, 189, 201 rov Zxovdlxov 92 (?), 95
H. Ganz vereinzelt steht die Form mit dem Autornamen
im Yokatiy als Abschluss einer Frage.
vovv JzafA<pa^ nög alvioeigf d> 2xovdka\ 123
42»
634 K. ErumhaiAer
n. Akrogtieha mit pgemdonymer ▲ndemtnng des Anton dvch
ein Eplthet.
1. Epithet + InhaltBangabe.
ijitrvßÄßiov fieXog rov rgioa^Uov 101
2. Epithet ohne InhaltBangabe.
A. Ähnlich wie Form A und B in Gruppe I 2.
Tov äfiaQTCoiov t6 nolriiAa 103
6 aJvog rdlXa 116, 135, 157 (rdXa)
iofia xdXa 148, 150
TOV xdXa SnoQ 114
t6 inog xdXa 156
¥nog xdXa 153
7to(t]jüLa xdXa 124
fl (bdrj rdXa fiovov 142
fl <bd^ xdXa 125, 140
(bdi] xdXa 107
ijiog xov jüLovov xaneivov 130
x6 v<pog judvov xajieivov 143
xov juövov xaneivov ^ (hÖ^ 129
B. Wie Form C in Gruppe I 2 (mit Demonstratiypronomen).
TovTo x6 inog xdXXa 144
TovTO xö v<pog xdXa änav 159
xavxri fl (bdi) xdXa 127, 137, 146, 171
C. Blosses Pseudonym im Genetiy mit oder ohne Artikel
und Beiwort (entsprechend der Form I 2 G).
xov äjuagxcoXov 136
xov iXeEivov 104
xov fidvov xdXa 109, 179, 199
TOV xaneivov h ßCco 193
xov xaneivov 119 (vielleicht nicht vollständig)
Die Äkrostichis in der griechischen Kirehenpoesie, 635
HI. Akrosticha ohne Erw&hnang des Antors«
1. Andentniig des Inhalts (nach den Schlagwörtern alphabetisch
geordnet) :
'AüvTiup alvog 131
etg TÖv äQxiorQdrrjyov 117
eig Tovg AoiOfidxovg 118
TiolrjßAa elg Baaüetov 149
elg röv äyiov Fecogyiov 6 dlvog 178
^ (birj elg TOvg dvo 165
xöig eixovoxXdaraig oval 190
elg TOT *EXerifiova 120
T(bv indoxloyy ^ d>^ 147
elg xbv daiov Ev'&v/üiiov 6 v/ivog ovxog 164
elg T7IV evgeaiv 173
elg %öv ZvQov *E(pQalfx 169
elg TÖV OeoXöyov 167 (Gregor von Nazianz), 180 (Apostel
Johannes)
elg TÖV ndyxaiXov *I(oai]q> 6 ^Qtjvog ovrog 192
elg T^v fJLeiaiAOQqxDoiv 102
elg rdv Nvatjg 154
T^ff navevqyflfxov 186
elg äylovg naxiqag 200
fl (hdij elg xrjv JiÖQvrjv 194
jfjg TiQodoolag 6 ^Q^vog 196
Tov nQoq>rixriv xvqIov 84 (vielleicht von Romanos)
miri x(b 2xeq)dv(o 204
eig x6v ^agiaäiov xal Tel(bvr}v 202
elg xdv XqvodoxofAov 121
2. liedbezeichnong ohne Inhaltsangabe.
A. Notiz mit Epithet.
olvoff otxxQÖg 132
evxrj avxri 198
noltifia äXJio 203
fj d)iri deuxiga 168
686 K. Knmbad^
B. Notiz ohne Epithet.
äd(o 141, 176
alvog 139
äajua 152, 158 (inklus. Prooemion), 174
t6 inog 113
Inog 145
aßy — m 100, 105 (Text unvollständig), 134, 155 (unToU-
ständig), 191, 195
Nicht mit Sicherheit einzureihen (vielleicht Fragment) ist:
füJotpoQü) 93
Die vorstehende Zusammenstellung der verschiedenen For-
men der Akrostichis und ihrer Frequenz bei den einzelnen
Dichtem wirft in mehrfacher Hinsicht neues Licht auf die
Geschichte der griechischen Hymnenpoesie, und es ist nicht
ohne Nutzen, die Gattung einmal ausschliesslich in dieser Be-
leuchtung zu studieren. Das soll im Anschluss an die obig«^
Gruppeneinteilung geschehen.
Gruppe I 1: Die idealste Form der Akrostichis (Autor-
name + Inhaltsangabe) kommt bei Romanos 12 (11?) mal
vor, in der übrigen Hjmnenpoesie nur 2 mal, eine Tatsache,
die allein schon das mächtige Übergewicht des Romanos illu-
striert. Bemerkenswert ist auch die grosse Mannigfaltigkeit
in der Bildung dieser Form. Nur einmal wiederholt sich bei
Romanos eine Fassung {eig rä ßdia *P(Ofxavov = elg rör Jigo-
ÖQOfJLov 'Pcojiiavov) ; alle übrigen Beispiele sind verschieden
formuliert. Die zwei Beispiele ausser Romanos stehen ganz
für sich. In dem einen (Joseph) ist der in keiner anderen
Hymnenakrostichis vorkommende Ausdruck ädet gebraucht, in
dem anderen das wohl von einem Studiten neugebildete Wort
TidwjüLvog.
Gruppe I 2: Etwas grössere Gleichförmigkeit herrscht
natürlich in den Abteilungen I 2 A — F, wo durch das Fehlen
der Inhaltsangabe ein manche Abwechselung bedingendes £le-
Die ÄhrostiehM in der grieehiechen Kirchenpoesie. 687
ment wegfallt. Trotzdem bringt es Romanos durch den Ge-
brauch yerschiedener Ausdrücke für den Begriff „Lied', durch
allerlei Umstellungen und besonders durch Freiheit in der An-
wendung des Artikels und anderer Zusätze (Adjektiva, Demon-
strativa, den Titel ^Herr*^) auf 38 Formen, denen nur 19 Formen
in der ganzen übrigen Hymnenpoesie gegenüberstehen. Also
auch hier unter wesentlich ungünstigeren Verhältnissen eine
ähnliche Überlegenheit des Romanos wie in Gruppe I 1. Über
die Unterabteilungen der Gruppe I 2 ist Folgendes zu bemerken :
Gruppe I 2 A: Romanos bietet 11 Formen, und zwar
gehören sie ihm ausschliesslich; nur die Form tov xqjieivov
'PcD/iiavov 6 vfAvog findet sich ähnlich, aber ohne den Artikel o,
je einmal bei Georgios und bei Kosmas. Ebenfalls isoliert
stehen die drei Formen des Anastasios, des Gabriel und des
Joannikios. Also sind innerhalb der ganzen Abteilung nur 2
in der Fassung völlig identische Beispiele.
In der Abteilung I 2 B, wo wegen der kleinen Zahl der
konstituierenden Elemente (meist 2, zuweilen mit Artikel 3
oder höchstens 4) weniger Gelegenheit zu Variationen geboten
ist, bleiben dem Romanos 8 Formen eigentümlich; 1 hat er
gemeinsam mit Kyriakos, 1 mit Gabriel und Joseph. Der Typus
'0 vfjLvog 'Pcofiavov kehrt ähnlich, aber ohne Artikel, bei Abbas
wieder. Für sich stehen die eine Form des Gabriel (FaßgiriX
fW^), die Formen des Theodoros, Ignatios, Johannes, Leon,
Stephanos, die zwei zweifelhaften desStudites und die desSymeon.
Die Abteilung I 2 C ist bei Romanos durch 10 verschiedene
Formen vertreten. In der übrigen Hymnenpoesie kommt sie
nur einmal (bei Gabriel) vor und auch hier nur in der abge-
schwächten Form: Autorname -i- Demonstrativ. • Die Gruppe
kann also geradezu als eine Eigentümlichkeit des Romanos
bezeichnet werden.
Ausschliesslich dem Romanos eigen ist der Typus I 2 D.
Freilich knüpft; sich an die Einführung mit xvqov eine Echt-
heitsfrage, auf die ich unten zurückkommen werde.
Ebenfalls auf Romanos beschränkt ist die Form I 2 E.
638 K, Kruwhaeher
Die Oruppe I 2 F umfasst nur die zwei Typen: xov
TOJteivov {'Pcofiavov) und tov rdka ('Pcofiavov). Den erste«
verwendet Romanos als Lieblingsform, etwa 24 mal; den
zweiten nur 2 mal. Beide Typen werden auch von anderen
Dichtern gebraucht, der erste je l mal von Georgios und
Stephanos, der zweite 1 mal von Paulos. Es stehen also inner-
halb der ganzen Qruppe den 26 Beispielen des Romanos nur
3 Beispiele aus der übrigen Hymnendichtung gegenüber.
Die Abteilung I 2 G fehlt bei Romanos ganz, offenbar
aus dem einfachen Grunde, dass der blosse Name mit dem
Artikel auch für den Minimalumfang seiner Lieder nicht aus-
reichte. Bei den übrigen Dichtern kommt dieser Typus 10 mal
vor, worunter allerdings manches Fragmentarische sein ma^.
Die Abteilung I 2 H endlich repräsentiert eine früher nicht
übliche, wohl durch die Künsteleien in den Akrosticha der
Kanones beeinflusste Neuerung der Studiten.
Der wichtigste Gewinn der zur Gruppe I 1 — 2 gehörenden
Akrosticha ist die Feststellung der Autorschaft der durch
sie bezeichneten Lieder. Dass die Angabe des Automamens
in der Akrostichis absolute Gewähr biete, ist bisher nicht
bloss in der griechischen Kirchenpoesie, sondern auch bei allen
sonstigen Beispielen aus der griechischen, lateinischen und
anderen Literaturen angenommen worden, und der Glaube an
die Zuverlässigkeit der Namenakrostichis wird in seiner All-
gemeinheit gewiss niemals erschüttert werden. Gerade in der
griechischen Hymnenpoesie aber haben sich einige Bedenken
erhoben. Auf einen höchst merkwürdigen Fall habe ich schon
vor mehreren Jahren hingewiesen.^) Es handelt sich um das
Lied auf Jobannes den Vorläufer (zum 24. Juni), das im pat-
mischen Codex 212 (P) unter dem Namen des Romanos, in
der italischen Redaktion (CV) aber unter dem des Domitios
überliefert ist. Ich habe früher (a. a. 0.) angenommen, dass
die äusseren Verhältnisse der Überlieferung auf Domitios als
Plagiator hinweisen, dagegen die Doppelsetzung des Buch-
1) Umarb. S. 42 fL
Die Akrostichia in der grieehiaehen Kirchenpoesie, 639
staben Y am Schlüsse des Liedes zu Ungunsten des Romanos
spreche. Damals war mir, obschon ich (S. 44 Anm.) auf son-
stige Doppelsetzung des Schlussbuchstaben hinwies, hiefür doch
nicht so reiches Material zur Hand wie heute. Die zahl-
reichen Fälle der Doppelung der Schlusslittera (vgl. unten
S. 645 ff.) beweisen, dass meine damals gegebene Erklärung der
Doppelung des P im Liede auf den hl. Johannes auf einem
Irrtum beruht, und mithin nicht Romanos, sondern Domitios
als der Fälscher betrachtet werden muss. Da die mit seinem
Namen ausgestattete Bearbeitung nur in CV steht, während
die fragmentarischen MT zur Redaktion P gehören, ist wohl
anzunehmen, dass dieser sonst ganz unbekannte Domitios ein
Italograeke war, der sich durch Änderung der Initialen der
Schlussstrophen eines älteren Liedes auf billige Weise den
Dichterlorbeer verschaffen wollte. Dieser Fall steht aber, soweit
ich sehe, in der gesamten Überlieferung völlig vereinzelt und
bildet eine Ausnahme, die zunächst nur die Regel bestätigen
mag, dass der Name in der Akrostichis die Autorschaft sichert.
Einige Bedenken erweckt die erst durch die patmischen
Hss bekannt gewordene und nur durch sie bezeugte Gruppe 1 2 D
(Einfahrung des Namens mit xvqov). Man fragt sich billig,
ob wohl der Dichter selbst sich als „Herrn* bezeichnet haben
könne, und vermutet yielleicht, dass etwa Schüler des Roma-
nos die Hymnendichtung, ähnlich wie die altindische Priester-
schaft, zunftmässig ausübten und ihre Werke durch die Formel
tov xvQOv 'P(o/Mxvov als Erzeugnisse seiner Schule, also indirekt
als Werke seines eigenen Geistes zu empfehlen suchten. Allein
diese gekünstelte Annahme hat wenig für sich; von einer
engeren Schule des Romanos ist bis jetzt so gut wie nichts
bekannt, wenn er auch sowohl bezüglich der Hirmen als des
Wortlautes später viel imitiert wurde. Wäre tatsächlich die Be-
zeichnung 9 Herr Romanos*^ nachmals als Etikette für Dichtungen
in seinem Geiste verwandt worden, so müssten wir eine grössere
Anzahl solcher Schulprodukte erwarten. Ausserdem spricht
kein ernstlicher Grund gegen die Annahme, dass der Dichter,
vielleicht im höheren Alter, sich im Akrostichon selbst den
640 K. Krumbadier
Titel HVQov beigelegt habe.^) Wir dürfen nicht yergessen,
dass wir über die Anwendung des Titels und seine äeschichte
noch recht wenig Sicheres wissen. Eine erneute und vertiefte
Prüfung der diese drei Gedichte betreffenden Autorfrage auf
grund innerer Kriterien kann erst gegeben werden, wenn sie
einmal gedruckt vorliegen.
Ohne Rücksicht auf den Fall Romanos - Domitios und
die Akrosticha mit xvqov hat Papadopulos-Eerameus vor
kurzem die Ansicht geäussert, dass der Name in der Akro-
stichis nichts für die Autorschaft beweise.^) Da jedoch
^) In allen drei Oberschriften steht die Form xvqov; nur bei Nr. 72
ist xvQoVf wohl von späterer Hand, in xvqov korrigiert. In Titeln von
Schriftwerken wird sonst, soweit ich sehe, durchwegs die Form xvqov
gebraucht und sie herrscht bis etwa zum 15.— 16. Jahrhundert. Erst um
diese Zeit beginnen die Schreiber, denen der lebendige Zusammenhang
mit dem byzantinischen Titelwesen verloren gegangen war, wieder das
schulmässige xvqIov zu setzen. In echt byzantinischen Hss wird zwischen
xvQiog, xvQia und xvQog, xvqoL ähnlich unterschieden wie bei den Lateinern
zwischen dominus, domina und domnus, domna d. h. die Kurz-
formen werden nur als Titel vor Eigennamen gebraucht. Die Abkürzung für
xvQoxi ist in der neueren philologischen Literatur unzählige mal in xvQiov
aufgelöst worden; vermutlich, um ein mir gerade begegnendes Beispiel
zu zitieren, auch noch in dem Titel 'Ex t^g eig xa xov ^ÄQaxov ^air6/Aeva
ßi(t)vog i^tjy^oecog ixXoyai dtoQ&oti^elaai jtaQa tov oo(p(OTdtov /lovaxov xvQiov
Ma^i/Ltov TOV nXavovdri, den E. Maass, Commentariorum in Aratum reli-
quiae, Berlin 1898, S. LXIII aus Cod. Medic. XXVIII 44, saec. XV, anfuhrt.
Auch in Gardthausens Griechischer Paläographie S. 263 ist die (ungenau
wiedergegebene) Abkürzung xvqov irrtümlich durch xvqiov erklärt. Eine
Untersuchung über die Geschichte dieser Form und ihrer Schreibung,
die passend mit einer Forschung über die Geschichte des Titels selbst
(Zusatz zum eigenen oder zu fremden Namen, Gebrauch in Überschriften,
Subskriptionen u. s. w.) verbunden würde, ist ein Bedürfnis.
*) In seinem Artikel ,'0 vfxvoyQd(pog KvQiaxdg"" , Nia 'H/iiQa vom
27./11. Jan. 1902 (aQ. 1418): ,av Sk avfißaivei, va vndQXfoai xai heQa ovx
SXfya xatd u yevofxeva jzqotvjiov, xois x6 nQoxvnov xovxo rj avxov xov
*Po}fMavo^ elvai, § äXXov xirog fiexayevsaxiQov avxov noirjxov, fih xrfv
dtatpoQav Sfjimg 8xi h xotavxji neQuix(oaei E^ofiev M ötpet ij ovjf* yvijoiov
xov 'Payfiavov nolrj^ia (ioxm xai äv diä xfjg dxQoaxixiSog avxo xov
*Po)ftavov iu(pavit^f>xai xo ovofia [ich sperre]) rj Ttoivjfia xov avxov
davrTj^eg u. s. w.
Die Akrostichis in der grieddsehen Kirchenpoesie, 641
der griechische Gelehrte nicht den mindesten Beweis für seinen
reyolutionären Skeptizismus beibringt, so moss ich mich be*
gnügen, seine Aufstellung lediglich zu registrieren. Auch der
von Pitra bezüglich des Autornamens im Liede Nr. 31 (s. oben
S. 570) ausgesprochene Zweifel muss vorerst auf sich beruhen.
Dagegen kann umgekehrt nicht genug betont werden, dass
viele der von Pitra auf grund fragmentarischer oder viel-
deutiger Angaben in der Akrostichis getroffenen Autorbestim-
mungen höchst zweifelhaft sind. Das gilt z. B. von manchen
seiner Zuteilungen an Theodoros Studites (vgl. Pitra S. 336 ff.).
Recht unsicher ist auch die S. 432 gegebene Identifizierung
der Akrostichis JSv/n mit Symeon Metaphrastes.
Gruppe II: unter den Pseudonymen Andeutungen^) des
Autors spielen nur die Epithete idlag und xcuieivdg eine be-
merkenswerte Bolle. Das erste findet sich 22 mal in 13 ver-
schiedenen Formen, das zweite nur 5 mal in 5 verschiedenen
Formen. Vielleicht müssen aber die Beispiele der zwei Epithete
noch weiter geschieden werden: Das erste Epithet kommt 19 mal
in der regelmässigen Schreibung xäXag^ 3 mal in der seltsamen
Form xdXXaq vor. Da aber sogar innerhalb derselben Form
{6 cävog xdla) zwischen xdla und xdiXa gewechselt wird, so
ist wohl anzunehmen, dass die orthographische Schwankung
nichts mit einer Verschiedenheit des Autors zu tun hat. Hätte
ein neuer Autor sich von dem Pseudonym xdXag wirklich unter-
scheiden wollen, so hätte er andere Mittel gefunden als die
inkorrekte Schreibung des Wortes, mit der die Schreibung
ndyxaXlog (Nr. 192) zu vergleichen ist. Eher könnte man
daran denken, dass zwischen dem einfachen xdkag und xdXag
fiovog oder fidvog xdkag zu scheiden sei. Wer sich unter dem
bescheidenen Pseudonym verbirgt, wissen wir nicht. Unter
den Akrosticha mit Autornamen kommt xdkag 4 mal vor und
zwar 3 mal mit dem Namen des Romanos, 1 mal mit dem des
^) Ich gebrauche das Wort pseudonym in Ermangelung eines
besser passenden Ausdrucks. In Wahrheit handelt es sich nicht um
Pseudonymik im modernen Sinne, sondern nm das Verbergen des Namens
aus christlicher Demut.
642 JSr. Rrumbad^
Paulos. Das berechtigt aber nicht, das Pseudonym einem dieser
beiden Dichter zuzuteilen.
Das Pseudonym taneivög findet sich 3 mal in Verbindung
mit fi6vog (jxovov oder tov fiövov TOTteivov), 1 mal in der Form :
Tov xaneivov h ßlq), 1 mal (119) ohne Zusatz, doch hier handelt
es sich vielleicht um ein verstümmeltes Lied. Die Frage, ob
zwischen den verschiedenen Fassungen der Akrosticha mit dem
Epithet taneivög geschieden werden muss, lässt sich gegen-
wärtig nicht beantworten; jedenfalls verdient diese Differenz
eine höhere Beachtung als die orthographische Schwankung
bei rdXag. Das Epithet raneivdg erfreut sich in den mit Autor-
namen versehenen Akrosticha der grössten Beliebtheit; ausser
Romanos, dessen Namen nicht weniger als 52 mal mit dem
demütigen Zusatz geschmückt ist, bezeichnen sich noch 6 andere
Dichter mit rajieivog: Anastasios, Gabriel, Oeorgios,
Joannikios, Eosmas, Stephanos. Bei dieser Sachlage
müssen wir uns dem Pseudonym Taneivög gegenüber völlig
hilflos fühlen, um so mehr, als von den Dichtem, die ihrem
Namen das Wort xaneivog zufügen, — von Romanos abge-
sehen — nur je ein bis zwei Lieder erhalten sind, viel zu
wenig, um als Grundlage einer sprachlich -stilistischen Yer-
gleichung zu dienen. Dass das Epithet noch spät gebraucht
wurde, beweist Nr. 119, für dessen Abfassungszeit das Todes-
jahr des Theodoros Studites (826) den terminus post quem bildet.
Ganz isoliert stehen die drei Pseudonyme xov xgioa^XCov
(101), xov &fiaQxa)Xov (103; 136) und xov iXeeivov (104). Da
sie nirgends mit einem Automamen verbunden vorkommen,
lässt sich über ihre Bedeutung nicht einmal eine Vermutung
aufstellen. Das einzige Pseudonym, dessen Autor sicher zu
stehen scheint, ist äooxog. Denn das bei Pitra S. 343 ff. gedruckte
Lied, dessen Akrostichis xov äocbxa — wohl zu ergänzen xov
äoa>x{ov äafi)a — lautet, trägt in C die Randnotiz: Sxovdlxov})
^) Übrigens ist zn bemerken, dass die von Pitra als Teil der Über-
schrift notierten Worte: tpsgov dxQoouxiSa, Tov dowxov nicht im Codex
stehen.
Die AhrosticMa in der griet^istken Kirehenpoesie, 643
£in zweites Lied mit der Akrostichis Tov äocotov äofxa bei
Pitra S. 358 ff.
Das betrübende Endergebnis der Betrachtung ist, dass die
Autoren, die sich unter einem der demütigen Epithete yer-
bargen, — den Autor äacorog ausgenommen — ihre Person
so gründlich verborgen haben, dass sie uns beim gegenwärtigen
Stande der Forschung und vermutlich für immer unerkennbar
bleiben. Selbst die Frage, ob sich unter den Bezeichnungen
rdXa, TOTieivov u. s. w. verschiedene Autoren bergen, kann
gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit entschieden werden,
wenn es auch höchst wahrscheinlich ist, dass wenigstens die
zwei häufiger vorkommenden Beiwörter idlag und Taneivög
zwei verschiedenen Autoren angehören. Erst nach Publikation
aller Texte wird man mit einiger Aussicht auf Erfolg daran-
gehen können, durch eine eingehende Untersuchung ihrer sprach-
lichen und metrischen Beschaffenheit und der Überlieferungs-
verhältnisse etwas Genaueres über die Autorfrage, die Ent-
stebungszeit und das Verhältnis der Pseudonymen Gedichte zu
den Werken bekannter Autoren zu ermitteln. Die im Obigen
gegebene Feststellung des Tatbestandes bildet die erste Basis
für alle weitere Forschung auf diesem dunkeln Felde.
Gruppe IQ: Bei den Liedern dieser Gruppe lässt sich
in der Regel nicht einmal die Entstehungszeit näher be-
stimmen. Die durch die Themen bedingte Frühgrenze bringt
wenig Nutzen, da es sich in den meisten FäUen um die der
Ausbildung der Uymnenpoesie voraufgehenden ersten Jahr-
hunderte n. Chr. handelt. Eine Ausnahme bildet das Lied
gegen die Bilderstürmer (190). Zuweilen ermangelt die Be-
zeichnung des Themas der nötigen Deutlichkeit: elg tiv Ssoloyov
geht einmal (167) auf Gregor von Nazianz, zweimal (54 und
180) auf den Apostel Johannes.
Fa&sen wir die Ergebnisse der vergleichenden Betrachtung
der Hymnenakrosticha zusammen. An der Spitze steht die in
den allgemeinen Zügen schon früher bekannte Tatsache, dass
644 R. Erumbather
die Akrosticha unsere fast einzige Quelle ffir die Kenntnis der
Verfasser der Lieder sind. Durch das oben zusammengestellte
Material lernen wir die Autoren von etwa 130 Liedern kennen.
Völlig neu und literarhistorisch sehr wertvoll ist ^
zweites Ergebnis: die Erkenntnis des ungeheueren Überge»
wichtes, auch im rein quantitativen Sinne, das Romanos in
der Hymnenpoesie behauptet. In der Gruppe I 1 entfallen
auf Romanos 12 (IIP) Formen, auf die übrige Hymnenpoesie
nur 2, in der Gruppe I 2 A — F auf Romanos 38, auf die
übrigen Dichter 19. Mithin bietet Romanos in den überhaupt
zur Vergleich ung geeigneten Gruppen 50 (49?) Formen, alle
übrigen Dichter zusammen nur 21.
Ein weiteres Ergebnis ist die Einsicht in die grosse
Mannigfaltigkeit, deren sich die Dichter bei der Bildung der
Akrostichis befleissigten. Es herrschte offenbar das Bestreben,
durch allerlei, wenn auch noch so kleine Änderungen immer
wieder neue Formen zu schaffen. Der Individualismus geht
so weit, dass ein grosser Teil der Akrosticha, auch wenn die
den Autornamen umfassenden Strophen zufallig verloren ge-
gangen wären, schon durch ihre übrige Form verraten würden,
ob sie dem Romanos oder einem anderen Dichter gehören.
Der Typus I 1 ist, von zwei in der Fassung ganz abweichen-
den Beispielen abgesehen, ausschliesslich Eigentum des Ro-
manos. Aus der Gruppe I 2 sind mehrere Formen, die Romanos
wiederholt bietet, von den übrigen Dichtem verschmäht worden:
vollständig die Formen mit xvgov und ioxi (I 2 DE), nahezu
vollständig die Form mit dem Demonstrativpronomen (I 2 C).
Dagegen ist umgekehrt der Typus 12 6 (blosser Automame),
der 10 mal vorkommt, von Romanos nie gebraucht worden.
Neben dem Individualismus in der Bildung der Akrostichis
geht, deutlich sichtbar freilich nur bei Romanos, der Gebrauch
einiger Lieblingsformen.
Welche Bedeutung die Feststellung dieser Tatsachen für
die Untersuchung von Autorfragen, für die Zuteilung anonym
überlieferter Stücke und namentlich für die Kritik und Er-
gänzung fragmentarischer oder durch Umstellungen verdorbener
Die Äkrostiekis in der grieehiachen Kirchenpoesie. 645
Akrosticha besitzt, wird sich im Laufe der späteren Einzel-
foTschung ergeben.
Wichtig fQr die kritische Arbeit ist auch die Einsicht in
manche Kontaminationen, Verrenkungen, Verkürzungen und
sonstige Misshandlungen, die in der Überlieferung vorkommen
und zuweilen sogar unter einer scheinbar unversehrten Akro-
stichis verborgen sind. Einige hierher gehörige Fälle habe
ich früher („Umarb/) ausführlich nachgewiesen, andere sind
oben in Kapitel I kurz berührt worden; vgl. Nr. 2, 8, 13, 30,
49, 55, 61, 71, 88, 97, 112, 160, 162, 200. Das ärgste Bei-
spiel bietet wohl die spätere Überlieferung des Totenliedes
(Nr. 8). Ohne eine neue Ausgabe des Textes lässt sich aber
von dem Wirrwarr, der hier in den Hss herrscht, keine klare
Vorstellung geben. Ich muss mich begnügen, auf das Vor-
kommen merkwürdiger Umstellungen und Kontaminationen
hinzuweisen und zu einiger Vorsicht im Vertrauen auf die
Akrostichis zu mahnen. Mehr als die allgemeinen Gesichts-
punkte und Richtlinien lassen sich hierüber wie überhaupt
für die Verwertung des obigen Materials nicht geben. Die
Hauptsache ist, dass nunmehr für die Behandlung der ein-
zelnen Fälle eine Basis und ein Ausgangspunkt geschaffen ist.
Endlich ist das in der Geschichte der Akrostichis und
ihrer Überlieferung sichtbare Vorwalten persönlicher Eigen-
heiten von erheblicher Bedeutung für die allgemeine literar-
historische und ästhetische Beurteilung der Hymnenpoesie, die
dem oberflächlichen Beobachter nur zu leicht als eine gleich-
förmige, nach fester Zunftregel ausgeübte Produktion erscheint.
B. Unregelmässigkeiten in den Akrosticha.
I. DoppeUetzniig von Buchstaben and Wörtern.
Pitra hat ein Lied des Anastasios ediert, in dessen Text
in einer Hs (C) der letzte Buchstabe der Akrostichis (2) durch
zwei Strophen vertreten ist, und hält die erste der beiden
^'-Strophen wegen einiger Anklänge an eine frühere Strophe
des Liedes für ein späteres Einschiebsel. Ich habe schon oben
646 K. Krumbacker
(S. 588) auf die Schwäche seiner Argumente hingewiesen und
hervorgehoben, dass der Fall nicht isoliert behandelt werden
darf. In der Tat bietet das in Kapitel I gesammelte Material
eine ganze Reihe ähnlicher Doppelungen, und es ist unerläss-
lich, alle Beispiele im Zusammenhange zu betrachten, um f&r
die Kritik der auffallenden Erscheinung eine verlässige Grund-
lage zu gewinnen. Die Beispiele zerfallen in zwei nach ihrer
Frequenz und ihrer Beschaffenheit deutlich geschiedene Gruppen :
1. Verdoppelnng der SchluBslittera.
Nr. 18 schliesst in Q mit alvogg. In CV fehlt die zweite
Strophe mit c. Inhalt der zweiten -S'-Strophe — ich nenne sie im
folgenden kurz »Überstrophe** — : Anrede an die Neugetauften.
Nr. 39 (nur in P erhalten) schliesst mit (hdi^fj. Grund der
Überstrophe: Schlussgebet.
Nr. 49 schliesst (in PÄD V; s. oben S. 575) mit^ßmvovv,
Inhalt der Überstrophe: Schluss der Liederzählung und Schluss-
gebet.
Nr. 55 schliesst in P mit ^cojuavovv (in CV mit dofuriov;
s. oben S. 577 u. 638 f.). Grund: Schlussgebet.
Nr. 64 (nur in Q) schliesst mit gco/xavovv, Grund: zweites
Schlussgebet mit Nachholung der Erwähnung der Mutter Gottes.
Nr. 68 (nur in Q) schliesst mit ^cojnavovv, Grund: Alle-
gorische Ausdeutung des Themas.
Nr. 75 (nur in Q) schliesst mit ^odjmxvovv. Grund unklar
(Fortführung der Anrede an den Hades aus der vorletzten
Strophe).
Nr. 81 (nur in Q) schliesst mit Qcofiavovv, Grund: Schluss-
gebet.
Nr. 88 (Anastasios) schliesst in C mit alvogq. Grund:
Schlussgebet. Der ganze Schluss alvogg beruht wohl auf einer
späteren Umarbeitung.
Nr. 139 (anonym; nur in P) schliesst mit alvogg. Grund:
Schlussgebet (Gegenstück zu Strophe 1 des Liedes; s. oben S. 601).
Nr. 142 (anonym; vollständig nur in P) schliesst mit
jnovovv. Grund: Schlussgebet.
Die Äkroatichia in der griechischen Kirchenpoesie, 647
Nr. 166 (Johannes; vollständig nur in P) scUiesst mit
lioawovv, örund: Schlussgebet.
Nr. 168 (anonym; vollständig nur in P) schliesst mit
devrigaa. Grund: Schlussgebet.
Nr. 194 (anonym) schliesst in Q mit nögvi^w. Grund:
Schlussgebet.
Nr. 195 (anonym; nur in Q) schliesst die alphabetische
Akrostichis mit . . x^too}, Grund: Schlussgebet.
2. Sonstige Doppelungen.
Zuweilen wird gegen die Orthographie ein Buchstabe in
der Mitte des Wortes verdoppelt. So bietet in Nr. 21 Q die
Schreibung ^fmwov^ wobei das überschüssige v wohl die Spur
einer Umarbeitung darstellt (vgl. oben S. 567) und in Nr. 192
ebenfalls Q die Schreibung ndyxalkov. Dazu kommt die schon
oben (S. 641) besprochene Schreibung xdUa statt tdla in Nr. 116,
135, 144. In Nr. 200 ist der Buchstabe 77 (^zj^aTc^ag) doppelt
vertreten, aber beide 77- Strophen beginnen mit denselben
Worten, am Rande steht älko und die zweite Strophe ist in
der Marginalzählung nicht mitgerechnet, deutliche Beweise,
dass wir die Spur einer Umarbeitung vor uns haben. In
Nr. 121 ist durch Doppelsetzung der Buchstaben ;^^i;ooaT die
in der Überschrift angekündigte kurze Akrostichis Elg rdv
Ägvodaro/iiov auf 24 Strophen angewachsen. In der Marginal-
zählung sind wie bei Nr. 200 die doppelt gesetzten Strophen
nicht mitgerechnet. Man muss vermuten, dass auch hier, wie
bei Nr. 200, nach einer Umarbeitung die alten Strophen neben
den neuen stehen geblieben seien. Eine nähere Betrachtung
des Textes bestätigt diese Ansicht: die überlieferten Strophen
machen durchaus den Eindruck von Skizzen zu einem noch
nicht abgeschlossenen Werke. Nicht eigentlich hierher gehörig
ist Nr. 12, wo der Begriff Alphabet zweifach, zuerst durch
die 24 Buchstaben des Alphabets (a~a>), dann durch das Wort
älq)dßi]tov (^Pcofjtavov) ausgedrückt ist. Ein Gegenstück der
Doppelung bietet Nr. 154, wo statt Nvaorjg in der Akrostichis
(wie auch in der Überschrift) Nvorjg gesetzt ist.
IMSw SitEgab. d. phUoB.-pliUoL n. d. hiat. KL 43
648 it Krumbaeher
Wenn wir nun zur Beurteilung der Doppelung fibergeken,
so ist Yorerst zu konstatieren, dass sie sich in allen Fällen auf
den Text beschrankt, in der Akrostichonnotiz der Überschrift
aber niemals berücksichtigt wird. Für die Kritik kommt aber
diese Tatsache gewiss nicht in Betracht. Ohne Weiteres ist
klar, dass die zwei Oruppen, in die ich das Material geteilt
habe, nichts mit einander zu tun haben. Die unter 2. auf-
geführten Fälle stehen in der Überlieferung ganz vereinzelt
und spielen keine erhebliche Rolle för die allgemeinen Fragen
der Textkritik. Mehrfach handelt es sich, wie gezeigt worden
ist, um Reste einer Umarbeitung (Nr. 121 und 200), und hier
bleibt nur die Frage, ob diese Reste durch einen Irrtum des
Schreibers oder mit Absicht, gleichsam zur Auswahl für den
Sänger oder Leser, stehen gelassen wurden. Die bei Nr. 20O
bemerkte Randnotiz äXko scheint für die zweite AufEassung zu
sprechen. Vielleicht ist so auch das doppelte v des Namens
'PcDjMiwov in Nr. 21 zu erklären. Dagegen scheint die 3 mal
Yorkonmiende Schreibung rdXla auf einer mit den Schwankungen
der Antistoechie vergleichbaren orthographischen Schrulle zu
beruhen. Die Doppelsetzung des Begriffes Alphabet endlich in
Nr. 12 ist offenbar eine vom Dichter selbst gewollte pleona-
stische Spielerei.
Eine ernstere Beachtung verdienen die in der ersten Rubrik
zusammengefassten Fälle. Hier handelt es sich um eine Er-
scheinung, die mit relativer Häufigkeit und stets in derselben
Form auftritt. Unter den 204 Liedern, deren Akrosticha in
Kapitel I beschrieben sind, sind nicht weniger als 15, bei
denen der Schlussbuchstabe durch zwei Strophen vertreten ist.
13 dieser Doppelungen sind nur in den patmischen Hss PQ
überliefert; von den 2 übrigen ist eine durch eine grössere
Zahl von Hss bezeugt (Nr. 49 durch PADV), die zweite
(Nr. 88) nur durch C. Unter den erwähnten 13 Fällen, die
nur PQ bietet, sind aber 12 Lieder, die überhaupt nur in P
oder Q vollständig erhalten sind, wenn man von der besonders
gelagerten Nr. 55 absieht. Eine regelrechte handschriftliche
Differenz bietet in dieser Gruppe nur Nr. 18, wo die in Q
Die Äkrostiehis in der fftiediischen Kirchenpoesie, 649
überlieferte Doppelung in GY fehlt. Die Spur einer Ab-
weichung findet sich in Nr. 49, wo T vielleicht auf eine Vor-
lage zurückweist, in der die in PADV vorhandene Über-
strophe noch fehlte (vgl. S. 575). Nach der Überlieferung
lässt sich mithin die Erscheinung nicht sicher beurteilen.
Dass die grosse Mehrzahl der Fälle auf PQ entfallt, beruht
auf der prominenten Stellung dieser 2 Hss in der Gesamt-
überlieferung. Nr. 49 und 88 beweisen, dass die Doppelung
auch in anderen Hss vorkommt und dass sie also nicht etwa
eine Eigentümlichkeit der patmischen Redaktion ist. Die inhalt-
liche Betrachtung der 15 überschüssigen Schlussstrophen ergibt,
dass sie meistens ein mit dem Liede selbst nicht zusammen-
hangendes oder doch nur ganz lose verbundenes Schlussgebet,
eine Anrufung an den Heiligen oder eine Anwendung des
Liedthemas auf einen besonderen Anlass enthalten. Völlig klar
ist diese Eigenschaft der Überstrophe bei Nr. 18, 39, 55, 64,
81, 88, 139, 142, 166, 168, 194, 195. In Nr. 168 wird sie
ausdrücklich als Ephymnion bezeichnet. Ein Schlussgebet
enthält die Strophe auch in Nr. 49; hier aber wird der
Zusammenhang mit dem Liede dadurch gewahrt, dass im
ersten Teil der Strophe noch die Erzählung zum Abschluss
gebracht und erst dann ein kurzes Schlussgebet angefügt wird.
Wenn wir nun noch beachten, dass gerade dieses Beispiel
besser als alle übrigen (durch drei ostbyzantinische Hss und
die italische Redaktion) gesichert ist, so dürfen wir wohl schon
jetzt (trotz der oben erwähnten DifiFerenz des Fri^ments in T)
annehmen, dass hier die Überstrophe ursprünglich ist. In
Nr. 68 enthält die Überstrophe eine, wie die oben S. 581 ge-
gebene Probe zeigt, ganz für sich stehende allegorische Aus-»
deutuDg des Themas. Auffällig ist hier, dass die vorhergehende
Strophe mitten in der Erzählung von Esau und Jakob stecken
bleibt; darnach ist zu vermuten, dass der Schlussteil des Liedes
weggelassen wurde und die vollständige Äkrostiehis etwa lautete:
Toü xaneivov 'Pcofiavov {mog). Die Überstrophe mit v wäre
dann nachträglich angefügt und mit der Initiale des Schlusses
der noch vorhandenen Äkrostiehis versehen worden. Ohne den
48*
650 K. Krumbathtr
Text des ganzen Liedes yorzulegen, kann ich freilich diese
Auffassung nicht näher begründen. Auch bei Nr. 75 könnte
die Überstrophe entbehrt werden; denn schon in der ersten
Strophe der Schlusslittera wird mit der triumphierenden An-
rede an den Hades ein für das kurze Lied genügender Ab-
schluss gegeben. Völlig klar li^ der Fall nicht.
Wenn mithin die Überstrophe meistens ein mit dem Liede
selbst nicht enger verbundenes Schlussgebet enthält, so erhebt
sich die Frage, in welcher Weise die ohne akrostichischen
Überschuss überlieferten Hymnen, besonders die des Romanos,
in der Regel abgeschlossen werden, um die Kontrolle zu er-
möglichen, berücksichtige ich nur die grösstenteils publizierten
Lieder Nr. 1 — 31. Wenn wir von Nr. 2 wegen der unvoll-
ständigen Überlieferung und von Nr. 18 wegen des Schwankens
der Überlieferung absehen, so ergibt sich folgendes: Unter
29 Liedern sind 17, in denen die ganze letzte Strophe durch
ein meist mit dem Liede selbst nur locker verbundenes Schluss-
gebet ausgefüllt wird ; in 6 Liedern beginnt das Schlussgebet
erst innerhalb der letzten Strophe; 6 Lieder endlich sind ohne
Schlussgebet. Die Abrundung des Liedes durch ein die ganze
letzte Strophe umfassendes Schlussgebet ist also bei Romanos
zwar häufig, aber durchaus nicht regelmässig durchgeführt,
und ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Beurteilung der
Echtheit der das Schlussgebet enthaltenden Überstrophen ist
also hier nicht gegeben.
Mehr lehren uns einige einzelne Fälle. Zunächst Nr. 18,
wo die für eine Tauffeier bestimmte Überstrophe nur in Q
geboten wird, in der italischen Redaktion dagegen fehlt.
Dann Nr. 64, wo das Schlussgebet schon in der letzten Strophe
der regelmässigen Akrosticfais gegeben, dazu aber, offenbar
(ähnlich wie in Nr. 18) für einen bestimmten Zweck, die Er-
wähnung der Mutter Gottes, noch ein zweites Schlussgebet
mit Wiederholung der Schlussinitiale der Akrostichis angefügt
wird. Dazu kommt die Beobachtung, dass in den Hss zuweilen
sogar Schlussgebete mit einer in keiner Weise zur Akrostichis
des Liedes passenden Initiale (z. B. 77) vorkommen, die sich
Die Äkroatichia in der griedMchen Kirehenpoesie, 651
mit Sicherheit als späterer Zusatz verraten ; Tgl. Nr. 88 (S. 588).
Mit diesen einzelnen Fällen, die zweifellos gegen die TJrsprüng-
lichkeit der Überstrophe sprechen, verbindet sich die allgemeine
Beobachtung, dass die Überstrophe aus der regelrechten Akro-
stichis herausfällt, dass sie relativ selten vorkommt und dass
das in ihr enthaltene Schlussgebet meistens ohne jede engere
Verbindung mit dem Liede steht.
Damach ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass die
Überstrophe nicht als integrierender Bestandteil des Liedkörpers
betrachtet wurde, sondern als Zusatz, der ausserhalb der Akro-
stichis stehen durfte, aber doch durch die Wiederholung der
Schlusslittera als zum Liede gehörig gekennzeichnet wurde.
Ganz vereinzelt wurde die Schlussinitiale wohl schon ur-
sprünglich doppelt gesetzt; wahrscheinlich gilt das für Nr. 49,
wo in der Überstrophe die Erzählung des Liedes selbst zum
Abschluss gebracht und erst dann ein kleines Schlussgebet an-
gefügt wird. Später wurde von dieser Freiheit öfter Gebrauch
gemacht, um Liedern, die zu schroff abschlössen, einen passen-
den Epilog zu geben oder auch, um sie für einen bestimmten
Zweck (Tauffeier, Marienverehrung) zu akkommodieren. Damit
ist freilich noch nicht sicher bewiesen, dass diese Zusätze
durchwegs von späteren Dichtem bezw. Redaktoren vorge-
nommen worden seien. Es ist denkbar, wenn auch nicht ge-
rade wahrscheinlich, dass ein Dichter selbst seinem Liede
nachträglich ein solches überzähliges Schlussstück beifügte.
Mit grösserer Sicherheit wird sich urteilen lassen, wenn ein-
mal alle Texte der mit Überstrophen belasteten Lieder ediert
und dadurch die Möglichkeit einer sprachlichen und metrischen
Vergleichung aller Strophen geboten sein wird; aber auch
dann wird die Entscheidung vermutlich von Fall zu Fall ge-
troffen werden müssen. Für die praktische Frage der Publi-
kation muss natürlich das Prinzip befolgt werden, dass auch
die Überstrophen inmitten oder am Schlüsse der Akrostichis,
wenn auch nur im Apparate oder Kommentar, mitgeteilt
werden, um dem Leser ein selbständiges urteil zu ermöglichen.
652 K. Krumbadier
II. AntistoechUche Elemente in den Akrosticha.
Die Eigentümlichkeit der Antistoeckie d. h. der Gleich-
stellung oder Verbindung von Buchstaben und Buchstaben-
gruppen gleichen Lautes (z. B. cu und e) ist in der philologi-
schen Literatur vor allem durch das nach diesem Prinzip ge-
ordnete Lexikon des Suidas bekannt; sie hat aber schon längst
vor ihm bestanden.
In der Hymnenpoesie spielt die Antistoechie eine doppelte
Rolle. Einmal wird sie schon in der Bildung der akrostichi-
scben Formel selbst angewendet, indem ei durch <, also nur
durch eine Strophe, ausgedrückt wird; dann konunen akro-
stichische Vertretungen vor, ohne dass die Strophenzahl be-
einflusst wird, indem z. B. eine Strophe für i in Wahrheit
mit einem Worte wie elde beginnt. Die kritische Edition der
Texte hat sich mit beiden Erscheinungen abzufinden; daher
ist eine genaue Feststellung der Tatsachen und besonders eine
Prüfung der Überlieferung nötig.
Wie die Doppelung von Buchstaben (s. oben S. 648) be-
schränkt sich auch die Antistoechie auf den Text; in den
Akrostichonvermerken der Überschriften ist sie nicht be-
rücksichtigt d. h. hier sind die in Betracht kommenden Wörter
stets korrekt geschrieben.^) Für die Frage der Echtheit des
€1 bezw. I föllt diese Beobachtung aber wohl ebensowenig ins
Gewicht wie die analoge Feststellung bezüglich der Buch-
stabendoppelung. Die Kopisten begnügten sich damit, den
groben Wortlaut der Akrostichis zu notieren, ohne feinere
Details wie eine Doppelung oder eine antistoechische Vertre-
tung eigens anzumerken, und sogar der Wortlaut wird in der
^) Daher ist es ein Fehlscfaluss, wenn Fapadopulos-Keramens, 6.Z.VI
382, aus der vollen Überschrift Tov Ta:i€ivoO 'Pa>fianw in A folgert
dass der Text, von dem A nur die Strophen Tov xasitrov bewahrt bat,
ursprünglich Tov la.-ceivov 'Piofiavov geboten haben müsse. Auch P.
der das Lied vollständig bewahrt, bietet in der Überschrift ToCJ xantxrov
*Pa)fAavov etc., im Texte nur Tot} rajfivoO 'Pwftavov n. s. w. Vgl. ohec
S. 578 Nr. 57.
Die AfcrosHchis in der griechisthen Kirchenpoesie. 653
Überschrift öfter ungenau angegeben, wie oben (S. 624 ff.) gezeigt
worden ist. Wir sehen uns also für die Untersuchung der
antistoechischen Schwankungen ausschliesslich auf die Texte
selbst angewiesen.
1. Antistoechische Schreibung ramvov.
Unser Material (Kapitel I) enthält im ganzen 64 Akro-
sticha mit dem Epithet xtmeivov (mit oder ohne Namen).
Unter diesen 64 Nummern, von denen 52 auf Romanos, 12
auf die übrigen Dichter entfallen, sind 14, wo der Text die
antistoechische Form xamvov ergibt, und zwar ist die Eigen-
tümlichkeit so gut wie ganz auf Romanos beschränkt; der
einzige Fall ausserhalb des Romanos ist das Lied des Ana-
stasios (Nr. 88); aber hier ist die Schreibung xamvov nur
durch die Hs T bezeugt. Die Beispiele bei Romanos sind
Nr. 8, 13(?), 16, 17, 18, 25, 46, 47, 49, 57, 73, 80, 83. Von
diesen 13 Liedern sind 5 (46, 47, 73, 80, 83) nur in einer
der zwei patmischen Hss überliefert; 5 stehen in mehreren Hss,
die aber alle in der Schreibung xamvov übereinstimmen (16,
18, 25, 49, 57); in 2 Fällen (8, 17) schwanken die Hss, doch
spricht in beiden Fällen die anscheinend ältere Überlieferung (Q)
fOr die Form xa7iEivov\ in einem Falle (13) ist die Ursprung*
Uche Schreibung unsicher; vgl. Umarb. S. 28 ff. Es bleiben
mithin 10 Beispiele, in denen die Schreibung mit i ohne
Widerspruch überliefert ist. Nur wird in den italischen Hss
wiederholt durch einen leeren Raum mit der Initiale £, einmal
durch eine Randbemerkung (Nr. 8 Codex f) angedeutet, dass
die Strophe für E fehle. Nun ist zwar leicht denkbar, dass
bei späteren Bearbeitungen die vermeintlich ausgefallene Strophe
für E ergänzt wurde — als Ansätze dazu erscheinen die leeren
Säume in GV, und die Spuren einer Ergänzung bemerken wir
bei Nr. 13 — ; es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass eine
im Archetypus stehende Strophe für E von einem späteren
Bearbeiter oder Kopisten zur Erzielung der Kurzform xanivov
weggelassen wurde.
Kurz, sowohl die äusseren Tatsachen der Überlieferung,
654 BL Krumbaeher
als auch innere Erwägungen beweisen, dass Romanos das demütige
Epithet in einer Reihe von Gedichten (wenigstens 10 unter 52)
tatsachlich in der Form totuvov angewandt hat. Ebenso
sicher lehrt unser Material, dass Romanos mit dieser Schrei-
bung allein steht; denn das einzige Beispiel in der übrigen
Dichtung, das des Anastasios, ist nur durch eine Hs bezeug
und hat um so weniger Gewähr, als in der Überlieferung des
Liedes auch sonst vielfacher Wirrwarr herrscht (s. oben S. 588 f.)-
So erklärt sich auch, dass die Kenntnis der Eigentümlichkeit
später verloren ging und die Bearbeiter bezw. Kopisten wieder-
holt am Fehlen der Strophe fOr E Anstoss nahmen.
Zweifel bleiben mithin zunächst nur bei den Liedern 8,
13, 17 übrig. Die bezüglich der Gruppe ei wie auch im
übrigen äusserst verwickelten Überlieferungsverhältnisse des
Liedes 13 habe ich früher auseinander gelegt; vgL Umarb.
S. 13 ff. Wie es sich mit der Echtheit der Schreibung ei
bezw. i im Liede 8 verhält, kann nur im Zusammenhang einer
erschöpfenden Untersuchung der über alle Massen verworre-
nen Überlieferung dieses durch den langen liturgischen Ge-
brauch schwer geschädigten und unaufhörlich umgearbeiteten
Textes festgestellt werden. Über das Lied 17 endlich wird
auf grund einer kritischen Ausgabe des Textes im Kapitel III
gehandelt und gezeigt werden, dass die Strophe mit E hier
interpoliert ist.
Vielleicht ist auch noch in dem einen oder anderen Liede,
in dessen Überlieferung keinerlei Spuren einer Ergänzung
oder Umarbeitung vorliegen, die Strophe E eine spätere Zutat.
Jedenfalls muss künftighin bei der Publikation und Kritik
der Lieder des Romanos die Strophe E in der Reihe taneivov
immer besonders ins Auge gefasst und namentlich ihr inhalt-
licher Zusammenhang mit den vorhergehenden und folgenden
Strophen, wie auch ihre sprachliche und metrische Beschaffen-
heit genau geprüft werden. Dagegen ist die Annahme einer
zu irgend einer Zeit vorgenommenen systematischen Ergänzung
ursprünglich fehlender Strophen für E wohl völlig ausge-
schlossen; hätte eine solche stattgefunden, so wären auch die
Die Akrostkhis in der grieehiedien Kirchenpoeeie. 655
oben nachgewiesenen 10 völlig gesicherten Beispiele der Kurz-
form der Regulierung nicht entgangen. Die auffällige Tat-
sache, dass Romanos in der Schreibung seines Lieblingsepithets
schwankte, ist vielleicht durch die Annahme zu erklären, dasa
er die Schreibung mit t in einer gewissen Periode seines
Lebens, wohl in seiner Jugend, angewandt und später die
antistoechische Schrulle aufgegeben habe.
2. Sonstige Antistoechien.
Das Schwanken der Schreibung des Wortes xaneivov be-
dingt ein Schwanken der Strophenzahl und kommt in der
Gestaltung des Liedtextes scharf zum Ausdruck. Die übrigen
in den Akrosticha vorkommenden Antistoechien haben nur
orthographische Bedeutung: der Buchstabe E wird durch un-
orthographisches El wiedergegeben in Nr. 13 {Eldeiv Q, Eide
= 'Idi CV; s. Umarb. S. 29). Der Buchstabe / ist durch EI
vertreten in Nr. 23 (Eloti^xeioav), in Nr. 88 {El in T) und in
Nr. 98 {Eide). Ganz isoliert steht die Vertretung von ei durch
etj in Nr. 181 {'Ex — ''Hiaxwag). Den Buchstaben Q endlich
ersetzt O in Nr. 98 ('O). Die Zahl dieser Beispiele wird sich
durch systematische Durchprüfung aller Hss noch etwas ver-
mehren lassen; für die Kritik wird dadurch nichts Neues ge-
wonnen werden.
III. Die Form ravirj In der Akrosilcliis«
Die alten Unregelmässigkeiten der Deklination des Demon-
strativs ovTog sind im Neugriechischen beseitigt. Von den
vier alten Stämmen ovt-, avr-, tovt-, ravr- ist der häufigste,
TovT-, völlig durchgedrungen, also: rovrog, lovitj, tovto, xov-
Tov, tovtrjg, rovxov u. s. w. (auch hovrog u. s. w. und deiktische
Weiterbildungen wie xovtovvov u. s. w.).
Wie früh diese assoziative Bewegung begonnen hat, zeigen
die Beispiele von xovxji, xovxrjv, xovxog, xovxoi, xovxa bei
K. Dieterich, Untersuchungen (Byz. Archiv I) S. 197 und
A. N. Jannaris, An historical greek grammar, London 1897,
§ 567^ Auf die von Dieterich berührte Frage, ob nicht
*
«
656 K, Krumbaeher
zwischen altem, ursprünglichem (dorischem) tovioi, raihat
(vgl. G. Meyer, Gr. Gr.^ § 433) und den offenbaren späteren
Analogiebildungen wie jovitig, xovjfi scharf zu unterscheiden
sei, will ich nicht eingehen. In der für uns in Betracht
kommenden Zeit ist es jedenfalls das Streben nach Ausglei-
chung, das die verschiedenen Stamme zusammengfeffihrt hat
Neben der Bewegung auf den Stamm tovt- hin ist ein
zweiter Versuch der Ausgleichung zu bemerken, den Dieterich
a. a. 0. übersehen hat, die Regulierung des Nom. Sing. Fem.
nach dem obliquen Kasus des Fem., also tqvti]. Jannaris
a. a. 0. § 567** zitiert zwei Belege dieses neuen Nominativs:
eine Inschrift Ober die Wiederherstellung der Stadt Selymbria
aus der Zeit zwischen 842 — 857 n . Chr. : *Av€V€a>^ \^lx ßd^g] co [r]
jiokig lavtT] Ijil MixoLrjX, Oeod\^co]Qag xal OeHXrjg (CIG IV
8683), und eine undatierte, wohl spätbyzantinische Stelle aus
einem Rezepte zur Herstellung von Zinnober: Aet yivdaxeiv,
Sxi fi ßiayvrjala fj vsXovgyixr} ravrtj iortv ^ rfjg'Aoiag. M. Ber-
thelot et Ch.-Em. Ruelle, CoUection des anciens alchimistes
grecs, Vol. II (Paris 1888) S. 38, 10 f.
Zu diesen zwei Belegen kommen nun eine ganze Reihe
neuer Beispiele, die durch Hymnen akrosticha gesichert sind:
Nr. 30: Tavrrj ij <^^^ '^ov ikaxioxov 'PcDfiavov b (wohl
auch A). In der Überschrift bietet b die Form auiiy, A da-
gegen richtig javxrj, Pitra, der offenbar an der Form Tavxt]
Anstoss nahm, vermutet (S. 210), der Text sei aus den Frag-
menten zweier Lieder zusammengeschweisst, derart, dass das
T den dürftigen Rest einer Akrostichis T{ov xaneivov 'Pco/Aavov)
darstelle und die folgenden Buchstaben aus einem anderen
Liede stammen. Auch Papadop ulos-Eerameus, B. Z. VI 376,
hält Tavxrj für unmöglich und korrigiert Avxrj, ohne ein Wort
der Begründung und ohne zu notieren, wie es sich in A mit
dem Texte verhält.
Nr. 61: Airjaig xal xavxri i} 'PcjjLiavov Q: Tex{dQxi]) dhjatg
xal xavxrj 'PcojuLavov A. Die Frage, wie sich die zwei Texte
zueinander verhalten, kann ich jetzt nicht beantworten (ygl.
Die Akrostichis in der griechis^n Kirchenpoesie, 657
oben S. 579); aber jedenfalls ist in beiden Hss die Form
Tavxri bezeugt.
Nr. 127, 137, 146, 171: Taixri ^ cbdi] rdXa P (146 PD).
Sowohl die komplizierte und auch aus anderen Gründen
ganz unwahrscheinliche Hypothese Pitras über das Lied Nr. 30
als auch die als selbstverständlich vorgetragene Korrektur
von Papadop ulos-Kerameus erweisen sich mithin als grundlos.
Dass die Beispiele der Form xavtri in den Akrosticha des Ro-
manos so gering an Zahl sind, spricht nicht gegen die Echt-
heit der Lieder, die sie bieten; denn Akrosticha mit einem
Demonstrativ sind überhaupt sehr selten (im ganzen nur
17 Formen; s. S. 631 AT.). Die einzigen Demonstrativformen, die
in den Akrosticha des Romanos vorkommen, sind omog, tovto,
TOüTi/; die Form avirj fehlt ganz. Ebenso fehlt sie bei dem
Anonymus Talas, der ausser zavxrj nur noch das Neutrum
TouTo anwendet. Vielleicht wird man nun auch versuchen,
diese „barbarische" Neubildung in der Frage über das Zeit-
alter des Romanos als Beweis für die Datierung ins 8. Jahr-
hundert zu verwerten; ich glaube aber nicht, dass bei den
wenigen Beispielen der Form, die ausserhalb der Hymnen-
dichtung bekannt sind, irgend ein chronologischer Schluss
möglich ist.
658 K. Kfumbadier
Drittes Kapitel: Text
I. Das Lied ,,Maria beim Kreuze''.
Kovxdxiov iregov xfj fieyalfj nagaateerff eis to 3td&og tov xvouw x<u
eh TOV ^Qrjvov rrfc ^eotSxov, tpigov AxQoattx^Sa ri^vSe. Tov xa^etrov
*P<ofiavov, *Hxo€ fieooQ d\
Tbv dl* fiiiiäg aravQCD&ivta
devre ndvreg vfivtiocofitv'
avTOv yäg xaxeide Magla
ijtl $idov xal iXeyev'
5 El xal oxavQov vTiojiSvetg,
Überlieferung: Q fol. 96^— 98«".
A fol. 240^— 244r (keine Notiz über den Text)
B fol. 82r-85r (Strophe ?'» fehlt),
C fol. 89'— 91^ (Strophe c'» fehlt),
V fol. 109'^~112r (Strophe ?'» fehlt),
G fol. lOO^— 102^ (Strophe *' — Schluss fehlt)
M fol. 272^— 276^.
T fol. 172r-175^ (Strophe ?'» fehlt).
Die Hss des Athos und Sinai (ABG) sind im Apparat nicht berück-
sichtigt, da ich von ihnen keine Kollation besitze.
Ausgaben: Im Triodion (Venedig 1 538) zum Charfreitag Prooemion
und Strophe a\ Pitra, An. Sacra 1 101 - 107, ed. den ganzen Hymnus nach
CT. Amfilochij ed. im Textband S. 146 das Prooemion und Strophe a
nach M, im Facsimileband S. 179«- 187 den ganzen Hymnus nach M.
Die obige Überschrift stammt aus Q: Trj dyia naQoaxevrj xorSdxtor
elg trjv aTavgcoaiv qpegov dxgooxixlda» xov xaneivo^ gwftavoi}' stldyiog 6'
{axavgcoatv fjxos ytldyiog d' xov xotibivo^ g^ V) CV: Korddxiov t^ dyia xal
fieydXrj Jtagaaxevrj, rjxos Jikdytos d'. ipigov dxgoaxixi^<t x^vde xov xajxetvov
gofiavov M: Kovddxiov xif dyia xal fieydlt] jxagaoxevij eis x6 xd^og xov
xvgiov ^fifbv lijaov /gtaroO xal eis xovs ^givovg xrjs &eox6xov ipegtov OMgo--
oxtxi^a xov xajtetvov ^o) ijxos TrXdytos 6\ IdtdfieXov T '! 3 ydg streicht
W. Meyer | xaxidsv CV: xa&eldev T ü 4 enl xov ^vXov Triodion
Biblische Grundlage: Joh. 19,25 ,, 5 Hebr. 12,2
Die Äkrostichis in der gnechischen Kirehenpoeaie, 659
6 vldg xal i^eög fAov,
a Tdv Tdiov ägva
fj Afxväg '&B(OQovoa
ngdg ocpayrjv iXxdjuevov 10
flxoXoi^Bi {fj) MagCa
Tgvxo/Ltevrj
fjLeff^ higcov yvvaix&v
rama ßocöoa*
IJov nogevf], lixvov; 15
t/voc ;c<i^cv rbv raxvv
igöfAOv reXioeig;
/Uli] hegog ydfjLog
ndhv ?ortv Iv Kavä
xäxel vvvl onevdeig, 20
Xv* i^ vdarog avxoTg
olvov noii^afjg;
ovveX'&a} aoi, tixvov,
i) ßjelvco 06 fiäilov;
d6g fxoi Xöyov, Aoye, 25
fii] oiywv JiageX&fjg fie,
S äyvrjv rrjgijaag jue,
6 vlog xal &e6g juov.
Vorbemerkung: In Q sind von V. 20— 110, 176—232, 270-301,
359—363 durch Zerstörung des Blattrandes in jeder Zeile 1—12 Buch-
staben verloren gegangen. Ich habe diese Locken nach den übrigen Hss
erg&nzt und notiere sie nur dann ausdrücklich, wenn die geretteten Buch-
staben darauf hindeuten, dass an der zerstörten Stelle eine abweichende
Lesart stand.
9 j} dfiyas QCVMT: ^ streicht Pitra ] 10 Jtgog <payetv M ! 11 jj
habe ich ergänzt || 16 x6v taxv (raxv T) MT || 17 Sgofiov zeXeig (ohne
vvv) QCVMT Triodion: vvv teXeig Sgofiov Pitra: dgofiov teXeoeig scripsi
19 Bouv QT (C V?): iatlv M Pitra, Triodion 20 vvv T Triodion ; 22 Jioi-
riaag M |, 24 aot M Triodion . 26 naQeX&ti fioi M H 28 ai> yog vJtdgxeis 6
vlog xai &e6g fiov Triodion
10 Is. 53, 7; Apg. 8, 32 ; 13 vgl. Joh. 19, 25 ] 17 vgl. Apg. 20, 24;
2. Tim. 4, 7 : 18 ff. Joh. 2, 1 ff. |; 25 Joh. 1, 1.
660 K, Krumbadher
fl Ovx fjlniCov, xixvov,
SO h xovjoii IöbXv ob
ovS' inloTevov nori,
to}Q TOVTov Tovg ävofiovg
IxjLiav^vai
xal ixteivai ini ak
35 x^^Q^^ ädlx(og'
fti yäg tä ßQi(pf}
Tovrcov xgdCoval ooi rö
EtfXoyrjjLLivog'
äxfiijv dk ßatcov
40 nenXrjajaivt} ^ ödog
/HTjvvei töig näai
T(bv ä^ia/Liiov rag jtQog oi
Tiavevqprjfilag,
xal vvv, rlvog X^Q^^
45 Ingdx^t] t6 x^^^'^t
yva)vai '&eka), olßioi,
n(bg To q>wg fiov oßevwrai,
Ticbg aravQQ) jiQoanTJyvvrat
6 vlbg xal ^eög fxov,
60 / 'Yndyeig, c5 xixvov,
Tigdg ädixov (p6vov,
xal ovdelg aoi owalyei'
ov GvviQxeral aot lUtgog
31 ov^e QCVMT " 32 xov zovg dvofiovg Q: mg fSor (ti6or
Pitra) tovg dvojnovg CV Pitra: ecog Sie rovg dvo^ovs MT 33-34 ixfia-
vrjvai xai exiElvai sjii ok {aoi T) QMT: ix/tavirzag xai txxeivavtag tli
ak CV Pitra 37 iovicdv {tovto T) xßd(ovai {xQdCovaiv M: xQdCcaaiv T)
aoi TO QMT: tovtwv xgd^ei waavvd C Pitra: zovio) xgdCovatv (ohne oot
z6) V . 3d de QMT: yog CV 41 Jidaiv V || 42-43 oben Lesung Q:
T(ov dxdx(x)v zag Jioog os :iavev(ft)iAeiag M: zcjv d^eofieov zijv sigog oh aarn'-
<f.tlfiiar C VT ,1 44 xai vvr zirog QM: xai zivog ovvCYT H 45 xa x^^9^^ T
4G yviüvai Oiko} QCV: &t).oi yv(ovai MT | otfjtoi Q: otfi/jiot CV: olfiai M:
oi'fioi T , 50 zixvov QM: ojtldyxvov CVT || 53 ... . vegiezai (ohne ow)
Q: ov ovvigx^zai C Pitra: ov ovrig^ezai aoi VMT
34 f. Luk. 22, 53 1 36 ff. vgl. Matth. 21, 8 und Parall. ' 48 Apg. 2.25
Die Äkrostiehis in der ffriedusdien Kirehenpoesie. 661
6 elndv ooi'
Ovx ägvovßial ae noti, 56
xäv dno-9vija)c(jD,
^iluie OB 0ö>/4&—
6 ßorjoag' J/ct' amov
^dvoDfiev ndvreg'
ol äkXoi dk ndliv, 60
ol oIheToi xai yviooTol
xal fxiXXovreg xQiveiv
xäg (pvläg Tov *IoQai}X
nov eloiv ägu;
ovdelg ix töjv Jidvrcov, 65
äXX'' elg vjikg Jidvxcov
^tjoxEig, rixvov, ^övog,
äv&^ d)v ndvxag eowoag,
dvi?' ü)v jiäoLv rjgeoag,
6 vlög xal '^eog fjiov, 70
i' "Totavxa Maglag
Ix XvTttjg ßagelag
xal ix ^Xixpetog noXXfjg
xgavyaCovotjg xal xXatovarjg
djiBXQi^ri 75
ngbg avxriv ö IS ovx'^g
ovxojg ßorioag*
Tl daxQveig, /j,ijxrig;
bß xSy QUT: dXX' CV \\ 57 iXmi (^ktjisv V) ae xal ^mfxäg QV:
^ütfiäf iXuti oe G Pitra: iltjii ae ^wf^ag (so) M: iktnev ae ^toßäg T ',
58 fiexavtov QMT: (Aeja aoC CV < 59 ^avw . . . Q: ^avoCfJiev MGV:
^arfüfiev T , 60 älXot de .^dliv Q: oi äXXoi Sk ndXtr MT: o/ SXXot 6e
^idvxeg CV |i 61 ol fehlt V | yrowiroi QM: v[ol CVT 62 xal fäXXov . . .
XQiveiv Q: ol fAeXXovxeg xgivai {xgive M) CVM: ol /neXXovres xglvetv T |'
63 tag öwSexa tpvXdg QGVT: rag tpvXdg tov iagaffX M || 71 fiagla MT {|
74 xal xXaiovarfg QG VMT: xai streicht Pitra ;| 75 dnexgl^ Q: ineaigd(prj
CVMT il 77 wraiff QM; oCfrco GVT |! 78 firJQ QMT: füg GV
55 f. Matth. 26, 35 58 f. Joh. II, 16 || 62 f. Matth. 19, 28 l
66 f. 2. Kor. 5. 14
662 JL KnmdHtd^
u läig iXXatg yvvm(i
80 ovranoq>iQfi;
nd>^ ovv a<ooQ} rar *Addfi;
ßii] rdipor oixijoco;
nwg ilxvoo} ngos Co>ijr
85 rovg h J(ß 4^^
xal fif^y, xa&OK cUag,
ädtxcog atavgavßiot'
xl oiv xlaieiQ, ßjitfnjg;
ßjtäXlor ovTQ} xgavyaaov,
90 Sil ^iXtüv ina^or,
6 vlog xal ^e6g oov.
€ *An6&ov, d) jurjreQ,
i:i69ov ti}v Xvnfjv
ov yäg TiQEJitt ooi ^grjveiv,
95 5x1 xsxoiQtxcoßiivf]
(bvoßida&i]g'
x{]v ovv xXf]oiif x<p xlav^fjicß
jurj avyxalvxpffg'
jui] xaig äavvexoig
100 6/ÄOt<oof]g iavxr^v,
ndvo(Hpt x6qi]'
79 Y^'^'^^^'^^ M 80 avvolofpvQff M " 81—83 oben Lesung Q: n ftrf
nd^cj fl ^lij ^dvco {^at'm M). ytcJs (:ra>( otV MT) oummd xav d6dfi.. el ft»;
rdffov olxi)ooi CVMT: -To5i xov *A6afi o(oa(o, • el ftif xa^w ^dwa> w; • n
ftrj oixwv xdtfov Pitra 86 xal fiffv QCV: xtu rvv MT 87 adiMOK <rror-
Qovfiat QMT: oxavgovfiai xai ^i^axca CV i 88 ^7 ovv xkavarig T | fir^q
Q T : fÜQ C V M ,89 fiäXXov ovxo} QCV: ovxm ftäXXov M : fiälXov rovxo T
90 — 91 oxi ^iXo>v e:ta&oy {e.xaOev M) 6 v/off «a« ^e<fc oov {ßiov M) QM:
.idO(o TfdOoi dizexai 6 vio^ xai ^eog fiov CVT 92 <Ä Q: otV CVMT
j fttjrrjQ T 93 d:tdOov rijv XvjrrfY QCV: xifp Xvjtfjr dxoi^ov T: Moar
Xv.T7jv ojto oov JA ji 95 or< QCVMT: f} Pitra | xex^&V^^^QV (^ ^
97 xrjv ovv yCVT: xai xtfv M | rw xXadfifo M: xov xXav^fior T , 99 fuj^f
dövrhois M 100 otwicjotjg eavxijv (. . . vxifv Q: ütatfxifv T) QMT: 0«'«-
fiexQrjarjg iavxtjv CV
95 Luk. 1, 28.
Die Ähroaiiehis in der grieMstken Kirchenpoesie. 663
iv ßiiaq) 'öndgxeig
Tov wfjifpwvog Tov ijbiav.
fltj oiv &07ltQ £f CO
loxafiivri xijv ywxf}y 105
xata/uiaQdvfjg,
rovg h t(p wfxq)(bvi
(bg dovXovg oov tpcover
nag yäq rgi^^v tqü/ho)
vjiaxovoei oov, oeuvi^, 110
Stav etnijg' IIov ioriv
6 vlog xal ^eög fxov.
g IJixgäv ri)v ^juegav
TOV Jid^ovg ßjirj dei^fjg'
dC avxTjv yäg 6 ykvxvg 115
ovQavd^ev vvv xaxfjX'^ov
(bg xb fidvva,
oifx iv Sgei xcp 2ivq.,
&XV iv yaoxqi oov,
ivdo&ev ydg xavxr]g 120
ixvQW&rjv, d>g Aavld
7iQoav€(p(ovei'
xd xervQoyjuevov
ÖQog, vorjoov, oe/uvT^,
iyo) vvv vndgxco, 126
5x1 ISyog S>v iv ool
odgS iyevdfAYjV
iv xavxji ovv Jidoxco,
102 i/ifiioQ) CV 106 xajafiaQatvrja M , 108 der Vers fehlt M
109 TQo/iot QMT: ^qo^co CV |, 110 vjtaxovoei Q: {fjiaxovei CVMT
114 dei^fjg QM: Sö^rig CVT | 115 yaß Q: di' avxrjv yag CV: 8ia
ok yf'^Q M: dta oov yaQ T || 116 f. veToc vvv xaxtjX&ov mg x6 fidvva, aber
am Rande yQ ovgavö^ev vvv xa Q: ovgavo&sv xaTTjX^ov (hg x6 fidvva CV:
ovoav6dev mg x6 fidvva vvv xaxrjX&ov MT \ 118 ovxevdgeoiv mojxQiv M
120 xavxrjg] avxfjg M , 123 ro QCVMT: Ti' Pitra i| 125 vvv Q,-. yapCVMT
117 Ex. 16, 4 flp. i 119 Matth. 1, 18 u. a. |i 123 f. Ps. 67 (68), 16
126 f. Job. 1, 14 128 1. Petr. 4, 1
1908. Sitzgsb. d. phUo8.-pliUol. n. d. hiat. Kl. 44
664 K. Krmmbather
h javvfi xcu oi&Co}'
130 ßÄT] oiv xlau, jü^reQ'
fiällov Tovro ß6f}oov'
ßeXojv TtA&og Sixeiai
6 vldg xai &e6g ßiov.
^ *Idov, q>rjoi, rixvov,
135 ix TQ)v dif^al/icbv fiov
tÖv xlav&fibv äjioooß(b'
Ttjv xagdiav jnov ovvjQtßco
bü nXeXoV
äkV ov dvvarai aiyäv
140 6 XoyiajuiSg fiov.
ri jiioi liyeig, OJiXdyxyov'
El fiii Mvü), 6 'Adäfi
xal firiv ävev nd^ovg
145 l^egänevoag noXXovg'
Xejigdv yäg xa&^gag
xal oifx ijXyrjoag oidev,
dXV fißovX^»Yig'
jiagdXvtov oq)ly^ag
150 ov xareTion^^f^g'
129 — 131 iv raviij ocoCoj xXaie ptfiftQ, fuüUor tovzo ßot^oorQ:
ev tavTrj xal ^fjoxco fitj ovv xXwat^e f*^^^9 ^äkXov ovito ßofjaov CV: ^
xavxri xal aw^co ftfj ovv xXieig fÄf^tt^Q. dXXa xga^ov iv x^Q^ ^* o^^ ^
TavTtj xal oojCo). ri ovv xXaUig ftrjxtQ. fjiäkXov xgd^ov iv x^ß^ T |! 132 ^fiö'^
QCV: .to&oyUT ;, 134 (prjalv MT | 135-136 ix] djio Q \ cLtooo^ä QCV:
ojioooßüjv T Pitra: ^iXoiv sx xmv 6q>&aXfji<bv fiov xov xXav^fiov äxoatoßilfVL
137 xfjv xagdiav Q Pitra: xr^v xagSiav fiov CVMT | owxQißw Q: ovyioI-
ßeig (avvxQißrjg T) MT: xagdxxeie CV 138 LiurXiov T ; 139 dXT ov Q:
ov yäg CVT: xal ov M | dvvafiai M \\ 141 ojiXdyxyoy QCV : xixvov MT
142 {^dvco Q: jtd{>T}g CVM: Jtd&co T Pitra ' 143 ovx' vyiaivti MT
146 XeJiQovg M ! yng fehlt M | xa^fgag {xa&i^gag MT) QMT: xa^gag CV
Pitra l| 147 xal ovx QMT: ovx CV: av ovx Pitra ,i 148 ^ßovXtj^g QMT :
ißovXtiütig CV
146 Matth. 8, 1 fif. u. Parall. " 149 Matth. 9, 2 ff. u. ParalL
Die Äkroaiichis in der grki^chen Kirchenpoesie, 665
niJQOv ndXtv I6yq>
ößxfuntoaac, äya^i,
äTta^rjg jtießjiivrfHag,
6 vl6g xal &€6g fiov.
7] NexQOvg ävaoxi^oag 155
vexQog ovx iyivov
ovd^ he&rjg iv Ta(pfj,
vis /MOV {xal) C(or] pLov
ncog ovv Xeyeig'
El firi nd&(0, S ^AdäfA 160
ovx vyiaivei;
xiXevaov, oioti^q /jlov,
xal lyelgezai evMg
xXivi]v ßaard^Mv,
et dh xal h xdq)cp • 165
xaTexcood^rj 6 'Add/x,
cbg AdCaQOV xdcpov
diavioTfjoag q)ü)vfj,
ovTCog xal xovxov.
dovXevei ooi ndvxa 170
(hg TiXdoxjfi x(bv ndvxcov.
151 nfjQov (so) Q: ntjQov GV Pitra: nrjQovg M: Jtrjgov aus netgov
corr. T |; 152 dy^^^ QCVM: dvvajs T i, 153 fiefiivrjxag QT: öUfieivag
CVM II 156 n<bg ovx iyivov M || 157 — 161 xäv iv tdqxa iii^g. vli fAOV
Co>4 l*ov. 3t&g o^v Xeyeig ei firj na^m. 6 xaXa(jt<OQog ädäfi ovx vyialvei Q:
ovdk ^yig^fjg {ovo' ^yig^g Pitra) ix xa(pfjg n&g ovv iq>ijg ((pfjg Pitra) ei
fjiTi nd'&<o et fATi davco 6 xaXalmoQog ddaf* ovx vyiaivei C V Pitra : ovo* ixeikrjg
iv %dq>ü>. n&g o^ i<pijg ägxi, äv firj nd^m. äv fiff ^dvoo 6 dddfj. ovx* vyrj-
cJrrj M: 0^3* iti^g iv xdq>Q}, st&g ovv Xiyeig el fitf Jtddo) 6 xaXaixtoQog
dda/A oiitx (ryiaivei T |{ 162 OioxrjQ fAOv Q: xai tjdri GVT: xai tSe M ||
163 xai iytiQtxat ev^g Q: iyeigsxai GY: iyeigexai {iy^yegxat M) xal axeg-
gcjg MT l| 164 xXivfjv ßaaxd^tov Q: xal xtfv xXivtjv ßaaxdCei GV: xXivrjv
ßaaxd^ti MT II 165—166 el Se xai iv xdfpca xaxexcoo^ri 6 dSaf* QMT: el
dk xaxvxi^fj iv t(o xdtpoj 6 dddfi GV || 167 xd<pov QMT: ngwrjv GV |
168 diavioxtiaag Q: i^aviox^oag GVMT 169 ovxo}g QT: ovxay GVM
171 xXdairi QMT: xtioxtf GV i x<av] tö T | dndvxeov M
151 Job. 9, 1 ff. II 163 f. Matth. 9, 6 f. || 167 f. Job. 11, 38 ff.
44*
666 IT. Krumbad^er
xt otfv XQixEiQ, Tixvov;
fifl hitlyov ngdg aq>ayrjv'
pifj q^ilfjg rov ^dvaxor,
175 6 vldg xal ^eög fiov,
d' Ovx oUag, w fitjxeg,
oifx ol/hg, S Xiyoi'
di6 ävoi^ov xbv vovv
xal elaoixtoov x6 Qfjf^ui,
180 S Axovsig,
xal avx^ xad^ lavxfjv
vdei, ä keyu}'
Ovxog, 8y ngoeuiov,
6 xaXaincoQOQ M3d/i,
186 6 䧧<oaxtjoag
ov fiovov x6 a&fxa,
äXXä yäg xal xijv rpvxtjy
Marjoe ^Hcov
ov yäg ijxovosv Ifxov
190 xal xivdvvevei.
yvcjgi^eig, 3 Xiyoi'
ßit] xXavofjg ovv, jutjxeq'
^äkkov xovxo li^ov
Tbv *Adäfx Ikirjoov
195 xal xrjv Evav oTxxeiQov,
S vlog xal "^edg /jlov.
172 xQix^i T I, 174 /i^ q)iXilg jov Q: fAri tpdiaffs {(pdi^öig M) MT: »^
M.f)orig CV , 179 rofjaov M | x6 g^fia QCVMT: ro «treicht Pitra
182 a Xiyco voet Q: vofi S (fi T) Xiyfo CVT: ola oot leyco M , 183-184 ofroc
ov jtooEijtov, 6 TaXaijio) .... da/* Q: ovxok ovv xQotidiog. dSafi 6 raxeir^
CV: ovzog .leoiov 7igoet:icov, 6 ddä/* 6 rcuteivog M: oifroc 0¥ xgorixuyr. o
lalaLifngog dda/i T 187 dlXä ydg . . . . ^v V^th^ Q' ^Xkd xai {xkf Vi
Tfjv yfvxffy CV: dXXa yap xal tr^v y^vxfjv MT: dXXd fiäAZor lifv yvzh^
Pitra 188 Moiaev T , 189 rjxovoev ifioü QT: tjxovai ftav CV: i^xorarf
ouov M 191 yrcoQiCeii o Xeyco QCVM: ijtfyvios o Xiy(a T || 192 oi'v Q:
ro C VMT 193 fiäXXov .... Xe^ov Q: ftäXXov ovua [xovto T) xgd^ov CVT:
/iäXXor xga^ov :i60w M \\ 195 oixreiQov QT: XvrQO}oat CVM
Die Äkrostiehis in der griechischen Kirchenpoesie, 667
i 'Ynd äöODilag,
vä' ädtjqf>aylag
d§$(oorijaag 6 *Adäfi
xarrjvix^V ^^^ ^iov 200
xax(ox6xov
xal ixet xöv xrjg tpvx^g
7i6vov daXQVSL
Eva de ^ xovxov
Ixdiöd^aaa noxk 205
xrjv dxaSlav
avv xovrq) oxevdCei'
avv avxcö ydg d^^axei,
vä ßid&(oaiv äjna
xov (pvXdxxeiv laxQOv 210
naQayyeUav.
avvijxag xäv ägxi;
l7iiyv(og, ä elnov;
ndliv, f^tjxTjQ, xqd^ov
T(p *Addfi el avyxcoQeig, 215
xal xfi Evq. avyyvü}'9i,
6 vlog xal ^eög fiov,
id 'Pi]fidxa)v de xovxoyv
d>g rjxovoe xöxe
197 'Yjfd (. . . Q) doiotiag QMT: 'Yno dxgaolas CV Ij 198 vjzo dötj-
(payiae Q: xai ddtjqfayias GVT: xal i^adi<paytag M || 200 . . . <V xaxtjvex&rf
(oflfenbax stand noalv x.) Q \ scof QCYUT: eig Pitra , 202 xaxeX T
204—206 oben Lesung QMT (doch ^ eva M): eva de rj rovvov. ötöd^aaa
T^v djioxa^lav CV: 'H rdXatva Eva, * rovtov exStSd^aoa * rrfv dxa^lav
Pitra ;; 209 tva fid^woiv äfta QMT: tva fid^oyaiv {ptd^coat C) CV: tva xai
avfifid&j) Pitra || 210 rov vor (pvkdTjeiy fehlt C V i xov laxgov Q ,j 212 avvi}'
xag xäv ägxi QCVMT: avvijxag o Xsyw Pitra \\ 213 ijieyvo>g a (5 M)
euioy QM: ijisyrmg CV: yvmgiCeig & Xsyoi T: xai ägxi ijziyvcog Pitra ,
2U— 216 sxdliv lArjxriQ (. . . ß Q) xgd^ov tü> (xov T) dddfx el avyxojgeTg
iovyxdfQTfaov ohne si M) xai xfj eva [xtjv evav T) avyyvcu&i QMT: x( ovv
xkaieig fifjxeg fiälXov ovxo> xgavyaaov, Sxi ^iXmv ista'&ev CV Pitra ,j
219 fjxovoe QCV: tjxovoev MT | xoxe] ^ df4vdg M
204 ff. Gen. 3, 6.
668 K. Krumhadker
220 • ^ &^ü}fifixoq äßivdg,
djiexQl&t} ngdg täv Sgra'
KvQii fiov,
hl &7ia( äv ebi&,
225 Xi^oi 001, S ix^f
tva ßiä^Q} Ttagd oov
ndvrayg, 8 ^iXo}'
äv nd^g, äv &dvffg,
dvaXvoeig jigdg Ißii;
230 äv TitQiodevofig
ovv xfj Eiq xbv ^Add/iA,
ßXhpto oe ndXiv;
avro ydg <poßov/MXt,
lATjnoyg Ix xo^ xdtpov
235 äv(0 dgdßjifig, xhcvov,
xal C^xovoa ok Ideiv
xXavoco, xgd^o), nov iaxtv
S vldg xal fiedg ßiov,
iß' 'Qg fjxovoe xavxa
240 6 Tidvxa yivcocxiov
tiqIv ytvioeoig avx&y,
djiexQi^rj ngdg Magiav
Odgaei, fJitjxBQ,
220 xal TravdfACOfÄO^ &yvfi M || 221 n^ top &Qva QMT: *e«f wr
Aovov CV: JiQOi ägva Pitra ,' 223 ^ri &raf kav (<5v T) bXsko {iSv ..»«Q^
QCVT: ^dv ä.ia^ eT^cco aot M: ht &jfaS et ^aXo) Pitra i 224 av fit} T
225 U^co QM: Xi^e T: Xfyco CV ' 227 Jtdvrojg 5 QCV: Sttok ä MT
229 &vaXva£ig Q: araA tVi? CVMT ' 2^ ytggtodevoijg Q^ILT : xsgtoSevrfg C^
231 Td> ddafi M i; 232 ßX^co QM: ßXijta> CVT '' 233 a{>r6 QMT: mtö/CV
234—237 fiTjmog ix xod td<pov {t€Öv td^tov M: tor td<pov T) Svca ^gdur};
rexvov xai ^tjroCod os ISsTv. xXavoco xgd^m Jtof} iouv {^v M) QMT: fij^^
xXavao) xal xgdSco jtov laxlv (fehlt also Mitte V. 234-236) CV |1 240 w
ndvxa QM: ndvta CVT 1' 241 Jtqiv am&v yeviaecog Pitra I' 242 &xtMgi^
ngk {jtQos x^y CV) fiagCav QCVMT: MagiäfA dnBxgi^ Pitra 1 243 f«?«?
QCVM: f^i^xriQ T
240 f. vgl. Sir. 23, 29.
Die AkrosHchis in der grieehiechen Kirchenpoesie, 669
&ti ngiori] fxe ÖQq.g
dato xov xdipov, 246
^QXOfjtal ooi det^ai,
Ttöacov nivtüv xbv ^Adäfi
iXvTQCoodßjirjv
xal nöoovg Idgcbtag
ioxov evexev avxov. 250
dfjXcoocD Tolg q?lXoiQ
rd xexfi'fiQia detxvvg
xal xöxe '^edofi
x^v Eiav, & jut^xeg, 255
Cöjaav &07i£Q ngcorjv
xal ßotjoeiQ ly x^9'
Tovg yoveig fwv io(ooev
6 vldg xal ^edc ß^ov.
iy MixQÖv olv, & ßifjxeQ, 260
ävdaxov xal ßlineig,
7i(bg xa'&dneg laxgdg
änodiofAUi xal (p^dvo),
Snov xeTvxai,
xal IxelvcDv xAg 7iii]ydg 265
TtegiodevQ},
xijbiviüv iv xfj Xoyxil
xä 7t(OQU>fiaxa avxdiv
245 Toß xdtpov Q: töw rdipcov CVM: tov zdtpov T " 246 EQxofiai.ooi.
deXiai Q: igxofuxi yag 6eT(ai CV: egxofiai yoQ rov det^ai M: igxofAai ydg
aoi dei^ai T || 247 noatov jidvcov QM: nooov oxotov CV: Jioaoig siovoig T ,
250 hsxa M {| 254 xal Jidxt M ;; 255 xal xrjv T ;, 256 ao>{^riaav M | ^otisq
QT: c5c CVM i 257 ßo^aei M ;. 258 eowaev QMT: oeoioxag C: lacoaaff V H
261 dvdax<^ QCVT: dvdoxov fiot M: dvexov Pitra .i 263 xal (pMvoy QC
VMT: tp^dvfüv Pitra !| 265 xaü exeivfov Q: xaxeivmv CV: xal xovxcov MT |
xag sxlrjydc, aber am Rande yg xag v'Vj^aff Q: xag Xf^vxds CV: xds nXrjyag
MT ;; 266 Jiegiodevwv M: negtodevaco T ] 267 xifivcDV QT: xifivo) CV:
^xw;«<5 M I Iv r^ A<;y;fi7 QMT: xrj Xdyxt] CV
260 ff. Tgl. Joh. 20, 27 , 267 Job. 19, 34.
670 JL Krumbaeher
xal xijv oxXf)Qlav'
270 Xafißdvoi xal Siog,
InunvKpm xriv nXtiytjv
Xfl OfAÜifl X(bv fjXcDV
ävevQvvag t^v ro/i^y
xXcLlvfj ßjtot(üoa},
275 xal di] rov oravQOv fiov
Tovxtp xQ^f*^^f f^^^^Q»
tva \p6Xkfig awerdVc'
Ildoxcov nd^oq Ikvoev,
280 6 vldg xal ^tdg fiov.
xifv Xvnrjv änd&ov
xal jioQevov iv x^Q9'
iyä) ycLQ dt* 8 xax^l&ov,
286 ijdrf oTievöco
IxxeXioai xtjv ßovXiiv
xov TiBfAy^avxdg /Jte.
xovxo yäg ix ngwxfjg
öeöoyfAevov i]v ißiol
290 xal xcp naxgi fiov,
xal xcp nvevfxaxl fiov
271 i:t T^v Q: xai oivqxo r^v CVT: xal exotvfpm rijv M:
xal avuov oivffoy Pitra 272 xal xtf OfiiXri (ofi^Xti T: fäXfi CV) QCYT:
xi) be afiiXrj M: Ttj firjXu Pitra 273 dvgvgv rofiffv Q: igevri^aag tiff
rofiijv CVM: egfvrrjoag rijv jtkrjyrjv T -j 274 xXalvri fuoxwam {fioxrovor Ti
QCVT: a.Toj7« xa&aTgo) M 275 xai 6rj QU: xal fifjr CV: xai T
277 xovzü) QM: xoviov CV: xovtodv T 1 fi^i^fjg M . 279 . . . . Q: :xaaxwr
CVT: Jid&tj M: ^sXtov Pitra 281 'Ajxö^ov olv f^fjxeg QCV: 'Ajt6^v i^r
Xvjirjv MT II 282 ir)v Xvjiyjv ojto&ov Q: äno^ov xrjr Xvsrtjv CV Pitra: «
fi^xeg xal nagOevs M: (5 i^^Tfß ouio&ov T 284 iyw yag dio (Sior T)
xaifjXx^ov QCVT: eyoi yag diwv ^X&ov M: iy(o di'' o xaxijX^or Pitia
285 tjörj onevdm QMT: Sei fie CV: tjÖTj ansvötov Pitra ,1 288 Ix jf^i^'
QMT: h ngioxoig CV | 289 SeöoyfÄero) tlvai fjtov M !| 290 töi ^f xaxgi
ftov M
270 Matth. 27, 48 u. Parall. 272 vgl. Job. 20, 25 il 286 f. Job. 6» 3S.
Die Äkrostiehia in der griechischen Kirehenpaesie, 671
ovx dmi^Qeoe notk
rd Ivav^QcoTifjam
xal Tia'&dv fxs 6ia xov
naQomodvxa. 295
dgaßAovoa ovv, /u^fjteQ,
dvdyyeiXov näoiv,
5x1 TtdoxcDV nkrixxei
Tov fjuaovvxa xbv 'AdafM
xal vixrjoag ig^exai 300
6 vlög xal '9e6g jnov.
iE NixwßAai, (b xixvov,
vixcbfiai x(p Ji6&q}
xal ov axiyco äkfj'&a>g,
fy' iyä} fikv h '&akdfxq>, 305
ov S* h SvXcp,
xal Iyä) jLikv iv olxi^,
ov d^ h fAVfifidq^,
ä<peg oiv ovvik&o)'
^eganevei yäg Ißjik 310
xd &eü}QeTv oe'
xaxido) xT]v xdXfxav
xcüv xifi(hvx(ov xov Mayorjv'
avxov ycLQ (bg dfj'&ev
292 djirjgeas [djii^Qfjaev T) ytoxs QMT: cbi^geaev ov^ev CV ü 293 to
QMT: TOV CV \ ivav^Qconfjoat Q: havdgcamaai CVMT Pitra ,| 294 f^e
fehlt CV I diä TOV (StavTov T) jiagcuteoovTa QCVT: diddafi tov jie.ttco-
9€(oia M 296 ovv firjxeQ Q: ovv xögt] CV: e5 fiffieg MT ' 297 dsidyYeiXov C V ".
298 T« Q: JtXiiTTei CV: nXriaoti (:;iXfjaei M) MT | 302 ü5 Tixvov QM
T: T<b nö^rn CV l| 303 rw nofkoy QT: oov tw no^m M: (5 xixvov CV !
304 areya QCVM: axigro) T i| 305 Tv' (tva T) iyw fikv iv ^aXdfxo) (■»aXd-
(Jioii CV) QCVT: iy<o fiev h ^aXäfiü) M: eivai fih iv ^aXdfJiois Pitra
306 ov de iv $vX(o QCV: ov de elvai iv tco ^vXco M: ov de iv ^vX(o etvai
T: ak iv ^vXq} Pitra l| 307 xai iyoy fikv iv oi . . Q: Tv' iyo) iv olxia C V:
Hai iyd) iv xij olxeXa M: iyoi /lev ivotxia T: iv olxig, elvai fik Pitra {
308 ov div {ov de iv T) fivtjfieio) QT: ov de iv Td(pa> CVM: oe de iv
rafpip Pitra || 309 ovv ^« M |t 311 to QMT: tov CV || 312 xaTldco QMT:
xov Wö> CV Pitra |i 314 ovtov y^Q (og drj^ev QMT: ixeivov ydg dij^ev
CV: ixeivoi yag dfj^ev Pitra
672 K. Krumhad^
315 Ixdixavvteg öl xvfplol
XTttval OE ffk&ov,
Mcovo^g dh TOUTO
5x1 juiiXeig ßXineiv
320 Inl (vXov rijv fcö^v
^ Ccoij dh jlg ioTtv;
6 vl6g xal ^e6g fiov.
ig Ovxovv et ovvigxt),
jmrj xXavoijg, c5 fiffreg,
325 /ufjdi JtdXiv nxori&jjg,
läv fdfiQ oaXev^ivta
rä aroixf^la'
t6 yäg töXjutjßia öovtX
näoav rijv xxlaiv,
330 TidXog ixxvfpXovxat
xal oifx Avolyei Ö<p^aXfi6v,
?cog äv etncD'
fj yrj ovv 9aXdaofi
x6x€ anevacoai (pvyeTv
335 vadg xov ;|^iTö>ra
^$ei x6xe xaxä xcbv
XaVXa XoXjLKOVXCDV
815 ixSiyotfvreg fehlt CV || 816 fi/Toöo« Q: ^X&wCYU: ^iovoirT
317 ftcoarjg QCVT: /Ämvorjg M 1 Sk toOto (tovtcö T) QMT: ds nal roOfo CV
323 OifK ovv eiaigxtj Q: Ovxovv et avvigxv CVM: Ovxovv ov owSqxV T
324 fifj dSvvov M I (5 f*Tfteg QMT: c5ff fiijrrfg CV i^ 326-827 iSp (Srav CV)
tdrjg oaXev^rvza xa axoixeta QCVMT: Srav tdijg atotxela ♦ otüiEv&em
Pitra 328 dovet QCV: ßageiUT i 330 i} noXog M h 331 xai fehlt QM
d(p{^al/Ä6v QMT: Stp^aXftovs CV 333—337 i} yif avv ^aXdami (««« ^
{^alaaoa M: xal ^dXaaoa T) rore oneifomoi {ojtevöovat M: xsvaoxu T) qptrytXv.
vaog Tov jpirÄva diaggi^^et arevaCcov (ß/f*i tSre MT) Kord TÖy (xatavr&v M)
roXfio}VT€ov {toCto ToXfi&vra M: roUto roXfidvTcav T) QMT: «loc (^oc V)
Toy ;|f£Ta)va niq^ag xga^ei xaxa xmv xafira toXfimvxojv. ij y^ avv &edaaorf
x6x8 ojttsvaofot fpevyetv {tpvyeVv V) CV
317ff.Num.21,8: Joh.3,16 i 321f.Joh. 11,26; 14,6 I! 830Matth.27,46
u. Parall. 333 ff. Matth. 27, 51 f. a. Parall.
Die Ährostiehia in der griedUeeken KirchenpoeHe. 673
rd dgi] dovodvzai,
ol xdfpoi xevovvtar
Sxav fifig tavxa, 840
^dv TtrijSfig &Q yvvifi,
xQÖL^ov ngög ßie' ^tuaal fiov,
6 v16q xal ^e6g /aov.
iC Ylk t^g nag&ivov,
&eh xijg nag&ivov 345
xal xov xdojuov noirjxdl
odv xd nd'&og, abv x6 ßd'^og
x^g aoq)lag.
oi) inlüxaaai, 8 ^g
xal 8 fySvov, 350
ov Jta&eTv '9eXrjoag
xaxi]SUooag IX'deiv
äv^gionov o(boai'
av xäg &fw.Qxlag
fjfx&v fiQag d>g ä/nvög* 355
ov xavxag vexQCooag
xfj oq>ayfj oov, 6 ocDxrjQ,
eawaag ndvxag.
av el iv xcß ndoxeiv
839 xgrovrrcu QM: Htrovrtat CV: Hoivovvzai T |! 340'-342 Stäv iStjc
ravja. x6it Xi^eig jtov iaxir, aber am Rande: yg iäv ntTJStfs <5c yvy^.
xga^ov 3iQ6g fie tpetaai fiov Q: Stav Btjtrfs jkov iaiiv CV (wo alao 2 V* Verse
fehlen): St&v tdtjg ravza iav nrrf^rjg d>g ywrj ifiol {ofyot M) xga^ov <petaai
fAOV MT '! 345 ^el tfjg navafi&fdov M 347 oov (ooff MT) to jrd^og oov
(oov] xai M) x6 ßd^og QCVMT: 2ov to nd^og, oov x6 ßd^og Pitra
349 oov M 351 ^ek^oag Q: &iX(ov CV: v^eltjoag M: al^elijoag T:
ideXcDV Fitn .. d62— B6d xaxtj^ioHfag iX^tiv dv&Q(OJtovg owoai Q: xaxtj^icjoag
iX^sZv ^iXmv xov otooai CVififj XiJiojv xovg ovgavovg ^X^sg tv xdofiO) MT
355 i}geg T '" 357 6 ooyx^g Q: cl^g ooaxriQ CV: dyooixrjQ M: & o&xeg T
858 ioa>oag ndvxag Q: otaoov xovg ndvxag CV: iooyoag ^fiäg MT ,
859 öv «/ /r] Q: ov rjg h CV: ov r^g iv M: ov el iv T: 2'v eig
h Pitra
347 f. Rtai. 11, 83 il 854 f. Job. 1, 29.
674 K. Krumbadker
360 xal h xcß /ii^ ndaxBiV
ov el ^n^oxcDv, od>^ü>v'
ob nagiaxes ^fj oe^iv^
Tia^^riölav xQdCetv ooi'
'O vtög xal &e6g fiov.
360 9eai h xio fifi ndoxsiv steht am Rande in Q: fehlt M :i 361 »
QT: ei 6 CV: bU M: eU Pitra | om^cav QM: nai o<aC<ow CV: o^öoor T
302 f*6ve rt'f^yffra. ar nagiox^i tfj osf^rtf M.
In Q ist die dialogische Form des Liedes noch besonders dadurch
hervorgehoben, dass am Rande bei den Stropheninitialen, ich weiss
nicht, ob von erster Hand, die Personenbezeichnungen ^ &eot6xog bezw.
6 deanoxrjz beigesetzt sind. Ein Teil dieser Randnotizen ist durch den
Verlust der Blattränder verloren gegangen. Erhalten sind: ^ ^toxoxo^
bei Strophe o', C', fi\ ^', k'; ^ deojtötfje bei Strophe «'', ie\ iC (nach der
Strophenzählung von Q).
n. Kommentar.
A. Die Metrik des Liedes.
Der Hirmus Tdv Tdiov ägva.
Der Hirmus ist uns bis jetzt nur aus dem Liede des
Romanos auf Maria beim Kreuze bekannt. Keine Hs bietet
eine Hirmusnotiz. Wir müssen ihn also nach den Anfangs-
worten des genannten Liedes bezeichnen und nach dem Texte
desselben konstituieren.
In der Hauptsache hat Pitra den Bau der Strophe richtig
erkannt. Nur in V. 4 hat er, durch einen Fehler in der
ersten Strophe verleitet, ein falsches Schema aufgestellt und
ihm dann den Vers in sämtlichen Strophen durch willkürliche
und oft sprach- und sinnwidrige Korrekturen gewaltsam an-
gepasst. Der Vers lautet in Strophe a in allen Hss:
rjxoXoi&ei Magla
0
Dasselbe siebensilbige Schema bieten ausserdem QC in
Strophe y\ Q (nicht aber Q®) CV in Strophe q\ Q in Strophe Ti
Die Äkrostichis in der grieehisehen Kirehenpoesie, 675
QM in Strophe tj', M in Strophe id\ M in Strophe ic'. Da
aber die vereinzelte Stimme des auch in diesem Liede wie
meistens arg verdorbenen M kein Gehör verdient, so redu-
zieren sich die Zeugnisse für das siebensilbige Schema auf
eine so geringe Zahl, dass sie der übereinstimmenden Über-
lieferung des achtsilbigen Schemas gegenüber nicht in Betracht
kommen. Auch sprachliche Gründe sprechen gegen den Sieben-
silber, besonders in Strophe y\ wo das in QC fehlende aoi
unentbehrlich ist. In Strophe 17' bietet Q an der Stelle einen
ganz anderen Text als CVMT. Es ist also nicht einmal sicher,
ob die siebensilbige Form an den angeführten Stellen durch
Anlehnung an den vorhergehenden Siebensilber oder . durch
zufallige Korruptel veranlasst worden ist. Jedenfalls kann
kein Zweifel übrig bleiben, dass die ursprüngliche Form des
Verses durch das achtsilbige Schema
dargestellt wird und dass in Strophe a, wo alle Hss wider-
streben, durch Einsetzung des Artikels ^ der nach fixokov9€i
leicht ausfallen konnte, geholfen werden muss.
Eine kleine Schwankung ist in Y. 19 zu bemerken.
Im Anfange des Liedes (Strophe a, ß', y', d\ g\ ^') hat er
die Form — w_i.w-i.ww 7b*; dagegen ist der Dichter weiter-
hin (Strophe e, C', v\ «> *«'* ^ß"» </> ^^f «**> ^^\ «C) zu der
Form — w_iw — w_L 7b zurückgekehrt , offenbar weil der
folgende V. 20 die Form 7 b* mit daktylischem Schluss hat
und er Wert darauf legte, in den vorhergehenden, sonst gleich
gebauten Vers eine kleine Variante (durch anapästischen
Schluss) zu bringen. Der Fall ist äusserst lehrreich, weil wir
hier formlich in die Werkstätte des Dichters hineinsehen und
beobachten können, wie er bei der Abfassung des Liedes das
gewählte Strophenschema in feinen Details noch weiter aus-
arbeitete. Man kann aus dieser Tatsache wohl auch schliessen,
dass der Dichter sich hier nicht an einen älteren Hirmus an-
scbloss und mithin die Strophe des Liedes als 'Idiö/iekov zu
betrachten ist. Vgl. die Überschrift in T (S. 658).
676
K, Krumboiker
Die arekitektonisohe Struktur des Hirmue ist aua^rge-
wöhnlicli scharf ausgeprägt Syntaktisch wie metrisch ergAea.
sich deutlich drei Abschnitte von 7, 8, 6 Versen. Jeder Ab-
schnitt zerfällt wiederum in drei Absätze, und zwar wird im
ersten Abschnitt ein grosseres Mittelstück von zwei kleineren
Stücken flankiert, im zweiten umgekehrt ein kleines Mittel-
stück durch zwei grössere, im dritten stehen drei Absätze von
je zwei Versen nebeneinander. Abschnitt I schliesst mit 5e;
derselbe Schluss wiederholt sich Abschnitt II Absatz 1 and
Absatz 3. Abschnitt I und III beginnen gleichmassig mit
6 a H- 6 a, Abschnitt I Absatz 2 und 3 mit 7 b (und der Refrain
mit 7b0t Abschnitt II Absatz 2 und 3 mit 6a >f- 7 b. Es
ergibt sich das folgende Schema:
Tdv tdtov ägva.
1 «
w w — w
6a
\
2
V -«. V w S^ w
6a
/
8
4
5
w — . w — w .^_
/ 0
W — W W ^_ V
0
7b
' 8c
4d
1
1 aa-l-bcd-i-be
* 12 -♦- 19 -H 12 = 43
6
0 0
7b
)
1
7
MW .^ w
5e
8-
w ^— w — w
6f
}
9
0 0
7b
10
^_ W W —1. \J
5e
11
12
6a
7b
}
■ifbe -f-ab -H abe
** 18 -f- 13 -♦- 18 = 49
13
W ... W W — « w
6a
X
14
\0 — w w —^
7b
•
15
0
SJ w — w
5e
j
d
16 -
_— w w — — w
6a
)
17
6a
18
19
0 0
w -^ w -^ w w
f — > W W W ..^
0 0
W W w — . w
6f
7b^
7 b)
7b'
7g
i
■iiaa + fb H- b*g
*" 12 -♦- 13 -♦- 14 = 89
20
21
131 Silben.
Die Akroatu^is in der qriechiechen Kirchenpoesie. 677
Der Hirmus T6v dC ^/^äg oxavQco^ivxa,
Der Bau des kleinen Prooemions ist sehr durchsichtig.
Es besteht aus zwei gleichgebauten Gliedern ab ab und einem
wiederum mit a beginnenden Schlussglied acd:
Tbv 6C fifJLäg atavQ(ü'9ivTa.
ab -+- ab H- acd
16 -f- 16 -1- 19 = 61 Silben.
1 ^ ^ ww-l-w 3 a
2 — ^ — ww-I-wvQl)
3 — «** — vw_Lw 8 a)
4 — ^ — ^« — ^^8bj
5 ^ ^ — wv-lw Qu
6 -^ 4c
B. Die Überlieferung und die Akrostichis.
Das Lied steht in den ostbyzantinischen Hss QABGMT
und in den zwei italischen CY. Da ich von ABG keine
Kollation habe, muss ich mich auf die Betrachtung der üb-
rigen beschränken. Ihr gegenseitiges Verhältnis und ihre
Qualität zeigen nichts Auffalliges. CV gehen wie immer in
allen Hauptpunkten enge zusammen und stammen auch hier
direkt aus einer verlorenen italischen Hs, die eine mehrfach
umgearbeitete Redaktion enthielt. So erklärt sich die Sonder-
steUung von CV gegenüber QMT in V. 32 flf., 116 f., 157 flF.,
165 f., 183 f., 204 flF., 214 flF., 288, 314, 333 ff., 351, 352 f.
Zwei grössere Lücken von etwa 2^1% Versen klafften in der
italischen Vorlage von CV in V. 234 ff. und V. 340 ff.,
eine kleine in V. 315. Auch die ostbyzantinischen Hss
QMT zeigen, obschon sie an vielen markanten Stellen gegen
CV zusammengehen, doch wiederholt deutliche Spuren redak-
tioneller Überarbeitungen, und man erkennt, dass die Hss
auch in diesem Liede durch eine ganz unbestimmbare Reihe
von Mittelgliedern getrennt sind und daher zur Aufstellung
eines Stammbaumes nicht einmal der Versuch gemacht werden
kann. Jede der drei ostbyzantinischen Hss geht in mehreren
Fällen mit der italischen Gruppe zusammen, und jede steht in
678 K. Krumbacher
mehreren Fällen auch ganz isoliert. So treffen wir Q zu-
saiumen mit CV in V. 46, 89, 93, 141, 227, 306; M mit
CV in V. 59, 62, 142, 153, 195, 273, 308, 316; T mit CV
in V. 61, 90 f., 114, 139. Am nächsten scheint der ost-
byzantinischen Vorlage von CV die Hs M gestanden za haben.
Völlig isoliert ist Q z. B. in V. 42 f., 75, 81 ff., 92, 125,
142, 157 ff., 168, 247, 273 u. s. w. Recht instruktiv ist V. 81 ff.,
wo allein Q den Rest der echten Lesung (doch schon mit
einem Ansatz zur Korruptel) bewahrt hat. Auf Zufall scheint
die merkwürdige Konstellation in V. 57 zu beruhen, wo Q
mit V gegen C und die übrigen Hss zusammengeht. M steht
vereinsamt z. B. in V. 80, 93, 97, 118, 129 ff., 135 f., 156 ff.,
179, 267, 274, 282, 290, 294 u. s. w. Im allgemeinen steht
M an Korrektheit auch hier tief unter QT und CV; doch
darf er nicht beiseite geschoben werden und in zwei Fällen
(V. 63 und 317) hat er sogar allein die richtige Lesart er-
halten. Irgend eine nähere Beziehung der Vorlage von M zu
der von Q wird wahrscheinlich durch V. 360, der in M ganz
fehlt und in Q erst am Rande nachgetragen ist. T zeigt die
Spur einer Sonderbearbeitung z. B. in V. 129 ff., 157 ff., 213,
273, 282, 316 u. s. w. Mehrere Versehen in T erklären sich
durch Hörfehler und verstärken die schon früher*) ausge-
sprochene Behauptung, dass diese Hs diktiert worden ist z. B.
V. 16 töv ra^v st. raxvvj V. 37 xgdCcooiv st. xgdCovoiVj V. 45
rä ;ff/^ö)v st. ro ;fer^ov, V. 171 Td> st. tö>v, V. 225 ke^e st^
ki^cOj V. 234 ix xiv rdipov, V. 245 x6v xd(pov st. xibv xdq^covj
V. 294 diavxdv st. did xdv, V. 334 nevomoi st. onevocooi u. s. w.
Dem Texte ist, wie in den früheren Ausgaben, Q zu
gründe gelegt und seine Lesung nur, teils mit Hilfe der üb-
rigen Hss, teils durch Konjektur, soweit korrigiert, als der
Sinn und das Metrum es unbedingt forderten.
In Q sind 4 Randkorrekturen, von denen 3 das richtige
treffen: In V. 116 ist die Schreibung oigavö^sv, die durch
CVMT empfohlen wird, auch metrisch gefordert. In V. 340 ff.
«) Studien S. 202 zu V. 278.
Die Äkrostiehia in der griediischen Kirchenpoesie, 679
füllt die Korrektur eine Lücke und stimmt in der Haupt-
sache mit MT überein. Ebenso wird in Y. 360 durch die
Korrektur eine Lücke richtig ausgefüllt. Nur Y. 265 xag
x^'vxäg Q® ist flach, und hier wird trotz der Hilfe von CY
mit QMT rag nXrjyäg zu halten sein. Man sieht mithin auch
aus diesem Liede, dass Q^ die grösste Beachtung verdient,
wenn er auch zuweilen, wie ich früher^) nachgewiesen habe,
in der Irre schweift.
Weit bedeutender als alle diese Yarianten ist die Differenz
der Hss hinsichtlich der Bildung der Akrostichis. In den
drei ostbyzantinischen Hss QGM bietet der Text die Form
janeivov, in den zwei ostbyzantinischen BT und den zwei
italischen CY dagegen die Kurzform xanivov. Zwar sind in
C V einige Zeilen für die Strophe E freigelassen (s. oben S. 566);
doch hat das nichts zu bedeuten, wie ich oben (S. 653) gezeigt
habe. In BT ist keine Lücke angedeutet.
Auf grund der Überlieferung allein lässt sich mithin die
Frage, welche der zwei Gruppen die ursprüngliche Fassung
biete, nicht entscheiden; doch spricht zu gunsten der zweiten
Gruppe die schon oben (S. 653) angeführte allgemeine Er-
wägung, dass viel leichter eine nachträgliche Ergänzung der
Littera E als eine Reduktion der Schreibung EI auf das anti-
stoechische / denkbar ist.
Dass der Usus des Romanos beide Formen kennt, ist oben
(S. 653 ff.) nachgewiesen worden, und was speziell die in unserem
Liede gegebene Formel Tov zaneivov 'Pwfiavov betrifft, so
findet sich bei Romanos unter etwa 24 Fällen (s. S. 633) zwei-
mal — von unserem Liede abgesehen — die Kurzform (Nr. 47
und 49). Die Zulässigkeit der Antistoechie ist mithin für
das Lied Nr. 17 durch andere Beispiele nicht bloss im allge-
meinen, sondern auch für die in Rede stehende Formel selbst
festgestellt.
Die Entscheidung bringt eine genauere Prüfung des Textes
der Strophe E (c "*), die ich zu diesem Zwecke hier mitteile:
^) Romanos tmd Kyriakos S. 765 ff.
1908. SItsgBb. d. philos..p]ülo]. a. d. hiat KI. 45
680 K. Erumbadker
C * *Ev JomoiQ xdlq Xdyoig
^ ndvayvog ft^^tjQ
TCO äffgäaiCDg iS avr^c
oagxco&ivzi xal xtx&ivxi
5 ini nltiov
rgvxco&eioa Ttjv yroxt^y
oCxcag lß6a'
Tl fxoi iiyeig, xexvov*
Mfj Toig äXiaig yvvatSi
10 ovva7io<p€Qjj ;
xal ydg Saneg avxai
h xoiUq, vXov
0€ ioxov iv fir)xQq,
xal fiaoToTg oe zoTg ißiolg
15 ydXa jiagioxov.
Jicbg ovv OeXeig ägzi
fii} xlavoal oe, xexvov,
{^dvarov ddbccog
vjioaifjvai oTievdovxa,
20 TÖv vexQOvg iyeiQavxa,
6 vlög xal ^eog (aov.
Strophe c' nur in Q6 M. Oben Lesung von Q, hier die Abweichnngen
von M ; von G habe ich keine Kollation. Einige in Q durch Beschädigung
des Blattrandes entstandene Liicken sind oben aus M ergänzt 3 f. f-t
. . . . oaoxioi^evxog xai rexOeviO'; M 9 yt'vai^iv M , 10 opioito^nu M
11 — 13 0171 Mo:xtQ avtat evxoiXia (ba vv ovveaxov fitJTQa M 16 xai :tCs
ovv Oihji ägzi M.
Durch diese Strophe, die in QGM zwischen den Stro-
phen s' und C des obigen Textes steht, wird die harmonische
ßesponsion der Kede und Gegenrede Mariae und Christi (s. unten)
unterbrochen, indem durch sie die erste Antwort Mariae eine Ober-
zählige Strophe (3 statt 2) erhält. Im einzelnen verrät sich der
Interpohitor durch plumpe Entlehnungen aus anderen Strophen
und sonstige Ungeschicklichkeit. V. 5 f. ijii nkeiov t^i^w-
iJeJoa T)jr Y^'X^I^' stammt aus V. 4 f. der folgenden Strophe
(V. 137) Ti/r xao()iav jlwv ovvtQtßm Ini nkelov. Der Ausdruck
Die Äkrostiehis in der griechischen Kirchenpoesie. 681
rgvxo)^eToa ist aus V. 12 xQvxofxevri entnommen. Die offenbar
beabsichtigte Beziehung von V. 9 f. Mi] xdig äXXaig yvvai^l
ovvanoKpeQfi zu V. 79 f. xi xatg äXkaig yvvai^l avyajiocpeQij
ist nicht bloss plump, sondern auch undeutlich, weil die Verse
zu weit voneinander entfernt sind. Der Redaktor M hat das
wohl gefühlt und daher V. 10 öfioKjD&fjvm geschrieben, mit
Beziehung auf den näher stehenden V. 99 f. yt*^ xaXg dLovvexoig
öfiotiüofjg iavTijv. Aber viel ist dadurch nicht gebessert.
Andere Unebenheiten wie das unmögliche oe V. 14 und die
Verletzung des Metrums V. 16 will ich nicht betonen, weil
sie vielleicht der Überlieferung zur Last fallen. Wenn man
diese inneren Argumente mit den oben dargelegten Tatsachen
der Überlieferung und den allgemeinen Erwägungen verbindet,
so kann kein Zweifel übrig bleiben, dass die Strophe g'" von
einem späteren Bearbeiter stammt, der an der Schreibung
tamvov Anstoss nahm.
G. Bemerkungen zum Texte.
Das Lied ist ausgezeichnet durch die haarscharf ausge-
arbeitete Metrik (vgl. oben S. 674 ff.). Eine Besonderheit bilden
Anaphern und sonstige rhetorische Kunstmittel im Anfange
der Strophen; vgl. Strophe e\ rj\ ^\ id\ ie\ iC- Im Innern
der Strophen sind dagegen rhetorische Mittel, bes. Wortspiele
und Assonanzen nicht häufiger als in vielen anderen Liedern
und jedenfalls nicht so häufig wie z. B. im Liede „Judas**
(s. Romanos und Kyriakos S. 702). Die augenfälligsten Bei-
spiele sind: V. 25 X6yov — Xöye. V. 44 f. x^Q^'^ — ;C^«ioov.
V. 65 f. xcbv ndvxcov — vtieq ndvxoov. V. 107 f. ndvxa — Jtdvxcov.
V. 347 7id&og — ßd&og. V. 359 f. iv xco ndoxBiv — xal iv xco
,urj Tidoxeiv. Mehrmals sind die rhetorischen Lichter durch
Bearbeiter verwischt worden z. B. V. 345 durch M.
Ungewöhnlich stark tritt in dem Liede der dramatische
Charakter hervor, und er ist auch, was sonst nicht üblich,
in der Hs Q durch am Rande beigefügte Personenbezeich-
nungen (vgl. oben S. 674) hervorgehoben worden. Von den
682 K, Krumhacker
17 Strophen des Liedes steht nur die letzte, ein Yom Dichter
gesprochener Epilog, ausserhalb des Zwiegespräches. Die üb-
rigen 16 Strophen werden durch einen Dialog zwischen der
hl. Jungfrau und ihrem Sohne eingenommen und zwar also:
Maria spricht die Strophen 1 — 3, 7 — 8, 11, 15.
Jesus spricht die Strophen 4 — 6, 9 — 10, 12 — 14, 16.
Die Verteilung der Strophen ist also bis Strophe 10
gleichmässig d. h. Maria gehören 3 4* 2, ebenso Jesus 3 + 2
Strophen. Von da ab überwiegt die Rede Jesu: Auf die kurze
Rede Mariae in Strophe 11 erwiedert Jesus in Strophe 12— U
und auf die letzten Einwendungen Mariae in Strophe 15 behält
Jesus in Strophe 16 das letzte Wort. Die Widerlegung der
innigen Klagen der Mutter durch die schriftmässigen Aus-
führungen Jesu wirkt unpoetisch und drückt dem ganzen
Werkchen einen frostigen Charakter auf. Mit dem Stabat
mater hält es keinen Vergleich aus.
Überschrift: Höchst auffallig ist die handschriftliche
Differenz bezüglich des Tonvermerkes. BCVMT nennen
übereinstimmend den vierten Querton {J]XO? TiXdyiog d'\ A den
vierten Ton ohne Zusatz (ji^oq &'\ Q aber den vierten Mittel-
ton {fjxo^ fiEoog d'). In G scheint die Angabe des Tones zu
fehlen. Da in der byzantinischen Musik nur 8 Töne linter-
schieden werden, nämlich 4 Töne schlechthin — Prodromos')
nennt sie jiQOfjYovjusvoi — und 4 Quertöne (7iMyioi\ so bleibt
die Bezeichnung fxFoog dunkel. Vielleicht hängt sie zusammen
mit der aus Manuel Brjennios bekannten Differenzierung, bei der
der 4. Ton als JiaQVJidxrj /xiooiv — vrjTrj dieCevyjLiivcovy der 4. Quer-
ton als 7iQookafißav6ßA€vog — jueot) bezeichnet wird.*)
Vers 3. Um die nach dem Bau der Strophe wohl sicher
anzunehmende Gleichheit des Verses 3 mit Vers 1 zu erhalten,
ist es wohl geratener, avrdv einsilbig zu lesen (vgl. W. Mejer,
^) Theodor! Prodromi commentarioa in carmina sacra melodorum
Cosmae Hierosol. et Jo. Dam. ed. H. M. Stevenson. Romae 1888 S. 31 f-
^) Vgl. W. Christ, Anthologia Graeca carminum christianonim
S. CXX f.
Die ÄkrostiMs in der griechisehen Kirchenpoesie, 683
Anfang und Ursprung S. 846) als das einstimmig überlieferte
und nicht leicht entbehrliche yäg zu streichen.
32 ff. Die Zahl der in Q verlorenen Buchstaben spricht
mehr für (licoc iov)tov als für das etwa nach MT zu erwartende
{ecog S)iov. Die Lesung CV zeigt sehr instruktiv, wie der
Text stufenweise verdorben wurde.
57 Die Verletzung des Metrums wird offenbar durch den
Eigennamen 0a>/iac, der hier einen — « darstellt, entschuldigt.
Die Umstellung in C, die seltsamer Weise V nicht mitmacht,
ist offenbar ein Versuch des Redaktors, den anstössigen Jambus
wenigstens vom Versschluss zu entfernen. Über die Entschul-
digung metrischer Freiheiten durch Bibelzitate und vielsilbige
Wörter vgl. Studien S. 248; Romanos und Kyriakos S. 714.
78 Der Vokativ ^t)xriQ ist durch QMT bezeugt, während
CV, die, wie schon oft gezeigt wurde, nach der attischen
Grammatik durchkorrigiert worden sind, das korrekte fifireQ
haben (beide Formen natürlich stets in der abgekürzten Form
firJQ^ /hsq). Dieselbe Vokativform /bn^Ttjg wird noch an anderen
Stellen des Liedes handschriftlich bestätigt. Des Näheren ver-
hält es sich mit der Überlieferung der zwei Formen in unserem
Liede also:
V. 88 /irjtrjQ QT: ßif-jieQ CVM
V. 92 d) fATiTeg Q: ovv /xfjxeg CVM: ovv /^i]ti]Q T
V. 130 ^fJT€Q QCVT: /h^t^q M
V. 176 c5 fifjreQ QCVMT
V. 192 oiv ßXTJreg Q: (b fiTJjeg CVMT
V. 214 .. .g Q: fi/jrrjg MT: firjieg CV ,
V. 243 /i^ieg QCVM: ^^ztjg T
V. 255 c5 MV^^Q QCVMT
V. 260 d) jufJTEg QCVMT
V. 281 f. ovv ßxijzeg QCV: (5 ßiiJTEg MT
V. 296 olv fjLTjxeg Q: c5 fAtj-teg MT, (ovv xögt) CV)
V. 324 (5 fifJTeg QMT: cbg ßi^rtig CV.
Völlig sicher erscheint mithin der alte Vokativ ßitjieg da,
wo er durch vorhergehendes o) geschützt ist. Ohne diesen
684 K. Krumbaeher
Halt besteht aber offenbar die Neigung, den Vokativ nach
dem Nominativ zu regulieren, eine Neigung, die im späteren
Griechisch vielfach hervortritt.^) Merkwürdig und auch för
die Textkritik beachtenswert ist die Tatsache, dass an einigen
Stellen d> mit oiv streitet. Die Frage, in wie weit schon der
Dichter selbst in der Bildung dieses Vokativs geschwankt hat,
Hesse sich nur auf grund eines reicheren Stellenmaterials ent-
scheiden. Vorerst habe ich von der konsequenten Durchfüh-
rung der alten Form abgesehen und mich auch in diesem
Punkte der Überlieferung Q angeschlossen.
80 Die Lesung avva7ioq)igfi QC VT »du lässt dich mit (den
anderen Frauen) hinreissen" ist nach Sinn und Form tadellos,
und daher sowohl die alte annehmbare Konjektur M ovvoXo(pvgfj
als Pitras schlechte Vermutung avvaJiodvQfj überflüssig.
81 ff. Die ursprüngliche Lesung hat offenbar Q bewahrt;
nur ist in V. 83 vermutlich /atj für 7i(bg zu schreiben. Das
nur bei lebhaftem Vortrage zu verstehende Fragespiel hat aber
schon ein alter Redaktor, auf dessen Exemplar unsere ganze
Überlieferung ausser Q zurückgeht, nicht verstanden und, viel-
leicht auch verleitet durch die in Konditionalsätzen formulierte
Beziehung der Gottesmutter auf die Worte ihres Sohnes in
V. 142 und 160, statt der Frage zwei Konditionalsätze gesetzt,
wodurch das Metrum zwei schwere Schädigungen erlitt.
123 Pitras Änderung t/ für t6 ist ganz überflüssig. Der
Sinn ist: »Der gestaltete Berg, verstehe das, o Edle, bin jetzt
ich." Dagegen hat der Redaktor, auf den CVMT zurück-
gehen, schlecht interpretiert: »Den gestalteten Berg verstehe,
o Edle; denn (das) bin ich" und daher yäg für vvv geschrieben.
131 Vielleicht beruht die Lesung [xäXXov xgd^ov iv x^Q9^ T,
die dem gegen Schluss des Gedichtes bevorzugten Schema 7 b
entspricht, auf einer nachträglichen Änderung des Dichters selbst.
^) Beispiele der Annäherung des Vokativs an den Nominativ bezw.
Akkusativ bei Hatzidakis, Einleitung in die neugriechische Grammatik
S. 77, 82. Im Neugriechischen haben die Maskuline auf -og die alte
Vokativeudung {-s) erhalten, während der Vokativ sonst gleich dem
Akk. (ohne -v) ist.
Die Akroistiehis in der grieehiaehen Kirchenpoesie, 685
136 f. Die zweite Person in V. 137 geht wohl auf den-
selben alten Redaktor zurück, dem die Schlimmbesserung in
V. 81 S. zu danken ist. Nach der von Q erhaltenen ursprüng-
lichen Lesung ovvTQißa) sagt Maria mit Beziehung auf die in
V. 130 ausgesprochene Mahnung, nicht zu weinen: ,Ich ver-
scheuche meine Tränen und quäle (bezwinge) mein Herz
noch mehr; aber meine Überlegung will nicht schweigen/
Dann folgt das, was die Überlegung ihr einflüstert. Das ver-
stand ein alter Redaktor nicht und setzte dafür den unpassenden
und inkonzinnen Satz: ,Ich verscheuche meine Tränen; du
quälst mein Herz noch mehr''. Noch weiter ging dann der
italische Redaktor und setzte für das Yerbum avvxQißeig^ das
ihm mit Beziehung auf eine andere Person nicht zu passen
schien, Tagdtjeig ein. Da nun auch das ursprüngliche äX^ ov
unverständlich geworden war, so änderte eine Vorlage von
CVT ov yoLQ, eine andere, auf die M zurückgeht, xal ov.
146 Der italische Redaktor hielt den Indikativ Aoristi
xa&^gag für ein Partizip, korrigierte xa&dgag und strich dann,
ohne Rücksicht auf das Metrum das überflüssig gewordene xal.
Die Form xa&fjgag^ die auch in der neugriechischen Schrift-
sprache vorkommt, ist wohl durch xarrjQay inrjQa veranlasst.
151 Da das durch den Sinn zunächst geforderte ivcpXov
nicht in den trochäischen Vers passte, wählte der Dichter das
allgemeinere Epithet nrjQog und zwar in der Form Jirjgög.
Seine gute Absicht wurde aber durch spätere Redaktoren
(CVMT), welche die gewöhnliche Betonung des Wortes wieder-
herstellten, vereitelt. Zur Akzentverschiebung im späteren
Griechisch überhaupt vgl. Krumbacher, K. Z. 27 (1884) 521 flF.;
Hatzidakis, Einleitung S. 418 ff.
157 fiF. Hier ist eine alte grössere Korruptel, die ich in
möglichst genauem Anschluss an Q zu heilen versuchte.
209 Pitras Konjektur ist ganz willkürlich. Die einstimmige
Überlieferung Tva jud^^cooiv lässt keinen Ausweg übrig als die
Annahme, dass iva hier nicht bloss durch Proklise den Akzent,
sondern auch schon das i verloren habe, also geradezu vä zu
schreiben sei.
686 K. Krumhaeher
210 Zu Tov vor dem Infinitiv, das der italische Korrektor
ohne Rücksicht auf das Metrum und den späteren Sprach-
gebrauch gestrichen hat, während in Y. 293 und 353 gerade
die italische Redaktion tov für t6 QMT bezw. für den blossen
Infinitiv Q aufweist, vgl. St. zu Romanos S. 233, 261.
223 Das Schema des Verses würde durch M zur Not
ausgefüllt; doch führen die übrigen Hss zu der aufgenomme-
nen Lesung. Die vulgäre Betonung elncb darf in einem Texte,
wo va (V. 209) vorkommt, wohl als zulässig erscheinen.
273 In der verstümmelten Lesung von Q kann wohl nur
ävevQv{vag rrjv) rofirjv stecken, also: „Nachdem ich mit dem
Messer meiner Nägel (d. h. mit meinen Nägeln als Messer)
die Schnittwunde erweitert (d. h. wohl untersucht und ge-
reinigt) habe, werde ich sie mit Charpie lindern." Die Un-
deutlichkeit des Ausdrucks mag einen alten Redaktor veran-
lasst haben, igevvYjoag zu schreiben. Ausserdem ist tofii^v in
der Vorlage von CVM ganz unsinnig zu vo^rjv verderbt
worden, während T ohne Beachtung des eben vorhergegangenen
nXtjyip' noch einmal jiXrjyijv setzte.
294 und 336 Zu tov und tcöv am Versschluss vgl. Studien
S. 203; Romanos und Ky riakos S. 716.
307 Zur Betonung oixia vgl. Romanos und Ejriakos
S. 710 ff.
Berichtigangen.
Seite 566 Nr. 17 ist zu achreiben: Überschrift: <psQov (qpeg'^ T)
dxgoöTixiSa tt'jvöe (trjvöe fehlt ACT) (^ dxQoauj^ig G) tov zojteiyov gmfiavov
QACGMT: tov zansirov q" V: fehlt B.
Seite 577 Nr. 54 ist statt , ebenso* zu schreiben: r^voff tlg xov
{^eoXoyov Qcojj,ftarov (so), und dieses Beispiel ist S. 647 nachzutragen.
Seite 590 Nr. 95 schreibe: 6. Dezember.
Seite 631 unten: Nr. 187 gehört nach Seite 632 zur Rubrik C.
Die Ahrostiehia in der grieehiseKen Kirchenpoesie.
687
Register.
Die Zühlen beziehen sich auf die Seiten. Das Attribut .^1-* ist bei den Namen der
KQne halber weggelassen worden.
Abbas, Dichter 599, 606, 607
Abibag 572
Abrahams Opfer 580
Adam 561, 574, 579
Äbte, die hll. 604
Aeithala» 571
Aga^^angelos 607
Akakios 610
AkatbiatoB 592
Akepsiraas 571
Akindynos 595
Allerheiligenfest 668
Alypios 599
Ambrosius 600
Anaphern 681
Anastaaia 602
Anastasios 607
AnastasioB, Dichter 587
Andreas, Apostel 599, 600
Anna, Empfängnis der 601
Anonymus 592 ff.
Antistoechie 652 ff., 679 f.
Antonios 605
Apokalypse, des Romanos 562
Apostel, die 569; s. auch die ein-
zelnen Namen
Architektur der Lieder 676
Arethas 595
Arsenios, Dichter 612, 613, 616
Artikel am Versschluss 686
Assonanzen 681
Athanasios von Alexandria 576
Aussätzigen, Heilung des 584
Autorangabe, in Liedüberschriften
622 f.
Automame, in Akrosticha 680 ff.
Barbara 600
Bartholomaeus, Apostel 612
Basilios 574, 590, 603
Besessenen, Heilung des 584
Bilderstürmer 614 (Nr. 190)
Blutflüssigen, Heilung der 585
Brot wunder 585
Buhlerin 565, 586, 615
Bussgebet 580
Busslied 581
Christi Auferstehung 583
Christi Auferstehung und die zehn
Drachmen 584
Christi Geburt 571; s. auch Weih-
nachten
Christi Geburt, Nachfest von 673
Christi Himmelfahrt 568
Christi Taufe 561
Christi Verklarung 592
Christi Verklärung, Vorfeier von 613
688
K, Krunibacher
GhrjBOstomoB s. Jobannes
Clemens s. Elemens
Guculus 560
Daniel Styliies 601
Demetrios 571, 595, 618
Dialog im Hymnus 674, 682
Domitios, Dichter 638 f.
Doppelung von Buchstaben und
Wörtern 645 ff.
Drachmen, zehn, und Christus 584
Dramatischer Charakter der Hymnen
681 f.
Eigennamenentschuldigen metrische
Freiheiten 683
Elias 577
Engel, die hll. 593, 596
Ephrem 562, 608
Ephymnion = Überstrophe 649
Epiphanie, Nachfest von 591
Erdbeben, Lied bei 579
Euphemia 612
Eustratios 601
Euthymios 590, 607
Febronia 612
Feuersbrunst, Lied bei 579
Gabriel, Dichter 603, 609, 610, 612.
613, 617
Geist, der hl. 616
Georgios 576, 611
Georgios, Dichter 589, 597
Gerbaaios 594
Grablied 592
Gregorios Dekapolites 598
Gregorios, Dichter 589
Gregorios von Nazianz 608
Gregorios von Nyssa 604
Gregorios, Wundertäter 598
Gurias 572
Heilung des Aussätzigen 584
Heilung des Besessenen 584
Heilung der Blutflüssigen 585
Heilung des Lahmen 583
Hilarion 594
Himmelfahrt Christi 568
Himmelfahrt Mariae 591, 593
Hirmen 674 ff.
Hochzeit in Eana 584
Hörfehler 678
Jakob, Apostel 594
Jakob der Perser 599
Ignatios 573, 609
Ignatios, Patr. 594
Infinitiv mit rot; 686
Inkongruenz (bez. der Akrostichis)
zwischen Überschrift und Text
624 ff.
Joannikios 596
Joannikios, Dichter 596
Johannes, Apostel 576, 611
Johannes der Barmherzige 597
Johannes .Chrysostomos 572, 597, 608
Johannes, Dichter 607
Johannes (und Kyros) 609
Johannes der Täufer 569, 577, 609
Joseph (mit Akepsimas) 571
Joseph, Dichter 591, 594, 598. 612
Joseph, der keusche 564, 614
Isaak 581
Judas 566, 615
Jünger, die siebzig 603
Jüngster Tag 562
Jungfrauen, die zehn 565, 614
Eana, Hochzeit in 584
Katharina 598
Eelsios 594
Kinder, die unschuldigen 573
Elemens 607
Knaben im Feuerofen 669
Kosmas und Damian 570, 571
Kosmas, Dichter 591
Krankengebet 593
Kreuzanbetung 580
Kreuz(e3), Triumph des 563
Kyriakos, Dichter 589
Kyrillos von Alexandria 606
Kyros (und Johannes) 609
Die AkrosHchis in der griechischen Kirchenpoesie.
689
Lahmen, Heilung des 583
Latros 610
Lazarus, Anferweckung des 581,
582, 589
Lazarus und der Reiche 581
Leon, Dichter 594
Lukas, Apostel 594
M&rtjrer, die zehn, auf Kreta 602
Märtyrer, die vierzig 574, 575
M&rtyrer, die 1003 609
Makarios von Ägypten 607
Makkabäer, die 613
Mariae Aufnahme in den Tempel 589
Maria, Gebet an 588
Mariae Geburt 570
Mariae Himmelfahrt 591, 593
Maria beim Kreuze 566
Mariae Lichtmess 561
Mariae Verkündigung 576
Mariae Verkündigung , Nachfeier
von 610
Markianos 589
Markos, Apostel 611
Matthaeos, Apostel 598
Melodie, der Lieder 619
Menas 571
Mittelton 682
Nacht 8. Weihnachten
Nazarios 594
Nikaea, die Väter von 616
Nikolaos von Myra 570, 573, 590
Ninive 585
Noe 580
Noseea (Nosia) 589
Ostersonntag 567
Panteleemon 578
Passion 567
Patapios 601
Paulos, Apostel 612
Paulos, Dichter 595
Paulos von Kpel 590, 696
Paulos von Theben 605
Petros von Alezandria 599
Petros und Paulos 612
Petri Verleugnung 566
Petros, ZurückfÜhrung des 605
Pfingsten 568
Pharisäer und Zöllner 617
Philippos, Apostel 572, 598
Photios 592
Piaton 598
Polyeuktos 604
Prokopios 612
Protasios 594
Psalmsonntag 564
Pseudonyma 634, 641 ff.
Randkorrekturen in Q 678
Reiche und Lazarus 581
Requiemlied 562
Responsion, in Hymnen 680 ff.
Rhetorische Mittel 681
Romanos, Dichter 559 ff., 596, 614,
615, 617, 623, 630 f.
Sabas 600
Samariterin 584
Samonas 572
Schlussgebet in den Hymnen 649 ff.
Sergios, Patriarch 592
Severus, Häretiker 617
Siebzig Jünger 603
Sohn, der verlorene 579, 586
Stephanos 559, 560, 618
Stephanos, Dichter 595, 611, 612
Stephanos der Jüngere 599
Studites, Dichter 590, 597, 605 f.,
623, 642
Sünderin s. Buhlerin
Symeon, Dichter 600
Symeon Salos 613
Symeon Stylites 570
Tarasios, Dichter 623
Theodoros 578, 586
Theodoros Stratelates 611
Theodoros Studites 590, 591, 596, 605
Theodosios 604
Theopemptos 609
690
K, Krumbttdier
Theophanes von Sigriane 610
Theophanie 561
Theophanie, Vorfeier der 603, 604
Theophylaktos 610
Thomas 567
TimotheoB, Apostel 607
Ton der Lieder GI9
Tonvermerke 682
Totenlied 587
Totenlied für Mönche 617
Tryphon 574
dfiaQxo)X(k 642
äawTos 042
ßaaiXeig = Kaiserhaus 601
fi.icD = fTjTco 686
iXreivös 642
fxov, in Akrostichon vermerken 621
xaOijQag als Ind. Aor. 685
xovxovXiov 560
xvQov vor dem Autornamen 689 f.
XVQOV st. XVQtOV 640
firiftjQ = firlieQ 683
vd = iva 685
Nvorjg = Nvaotjg 647
Überlieferung d. Kirchenlieder 677 ff.
Überstrophen 646 ff.
Umarbeitungen 645, 647 ff.
Verklärung Christi 592, 593, 613
Vokativ = Nom. 683 f,
Weihnachten 559, 573
Weihnachten, Nachfeier von 573. 603
Weihnachten, Vorfeier von 591, 602
Zenobia 595
Zenobios 595
Zöllner und Pharisäer 617
olxtq 686
Jt^eos = :ii)Q6g 685
avv mit Gen. 621
rdXas 641 f.
TdXXag st. ToXas 641, 647
tajteivdg 641 f.
TOJtivog =s Tojttivoq 653 ff., 679 f.
xavTfi 655 ff.
xrivde in Akrostichon vermerken
621 f.
TQiad^XioQ 642
<piQov ((p') 620 f.
9?' = (ffQsi 620 f.
Die Akrostichis in der griechischen Kirchenpoesie, 691
Inhalt.
Seite
Vorbemerkung 651
V^erzeichnis der Abkürzungen 556
Erstes Kapitel: Material.
I. Die Akrostichis bei Romanos.
A. Edierte Lieder des Romanos 559
B. Unedierte Lieder des Romanos 571
C. Zweifelhaftes 585
II. Die Akrostichis bei den übrigen Hjmnendichtern.
A. Edierte Lieder 587
B. Unedierte Lieder 594
Zweites Kapitel: Untersuchungen.
I. Die Akrostichisnotizen in den Liedüberschrifben . . 619
II. Die Formen der Hymnenakrostichis.
A. Die regelmässigen Formen 629
I. Akrosticha mit Automamen 630
ir. Akrosticha mit pseudonymer Andeutung des Autors 634
III. Akrosticha ohne Erwähnung des Autors . . . 635
B. Unregelmässigkeiten in den Akrosticha.
I. Doppelsetzung von Buchstaben und Wörtern . . 645
II. Antistoechische Elemente 652
III. Die Form xavxTi 655
Drittes Kapitel: Text.
I. Das Lied «Maria beim Kreuze*^ 658
IL Kommentar.
A. Die Metrik des Liedes 674
B. Die Überlieferung und die Akrostichis .... 677
C. Bemerkungen zum Texte 681
Berichtigungen 686
Register 687
«♦
Protokolle
der
Kartellversammlung
des
Verbandes wissenschaftliclier Körperschaften
in München
am 5. und 6. Juni 1903.
Protokolle
der Kartellversammlung des
Verbandes wissenschaftlicher Körperschaften
in München.
I.
Gesamtsitznng
am 5. Juni um 9 Uhr im Sitzungszimmer der mathematisch-
physikalischen Klasse.
Anwesend als Delegierte:
aus Göttingen die Herren Kielhorn,
Riecke,
Wiechert,
aus Leipsig Herr Wiadisch,
aus Wien die Herren v. Schröder,
Exner,
Tschermak.
Geladen zur Teilnahme an den Beratungen:
a) über die luftelektriichen Forschungen
die Herren v. Bezold aus Berlin,
Ad. Schmidt ans Potsdam;
b) über die kritische Ausgabe des Mahäbhärata
die Herren Jacobi aus Bonn,
Lüders aus Rostock,
Winternitz aus Prag.
Ausserdem nimmt im Auftrage der K. Preuss. Akademie in Berlin
noch Teil Herr Pischel.
Aus München die Herren v. Yoit,
Kuhn,
Ebert,
y. Groth.
4 ProtokoUe der Kartdlvenammlung.
Herr ▼. Voit eröffnet in Vertretung des yerlundeiten
Präsidenten y. Zittel die Sitzung und begrüsst die Erschienenen.
Von den zur Teilnahme an den Beratungen Eingeladenen
konnten die Herren Elster und Geitel aus WolfenbQttel nicht
erscheinen.
Zum Zweck der Beratungen werden folgende EomnussioneD
gebildet :
1. Kommission Ar laftelektrische Forsohungen: die Herrec
Riecke, Wiechert, Exner, y. Bezold, Schmidt, Ebert
2. Kommission f&r ohemisohe KrystaHographie: die Herren
Tschermak, y. Oroth.
3. Kommission sar Erörterung dar Vorarbeiten for eine
kritische Ausgabe des Mahäbhärata: die Herren Kielhoro,
Windisch, y.Schröder, Kuhn, Jacobi,Lüders,Winternit2.
Die Frage, ob allgemeine Angelegenheiten erörtert werden
sollen, wird einstimmig yemeint.
n.
Kommission für Heraasgabe einer chemischen
KrjstaUographie.
Freitag, den 5. Juni, Beginn 9'/« Uhr.
Anwesend :
Herr v. Groth (München),
Riecke (Göttingen),
Tschermak (Wien),
Windisch (Göttingen).
Da« Protokoll führt Herr ▼. Groth.
Den Gegenstand der Beratung bildet der Antrag i^^
K. Akademie in Wien, vertreten durch Herrn Tschermak.
Antrag der E. Akademie in Wien.
Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien bat
auf der vorjährigen Eartellversammlung zu Oöttingen in der
Generalversammlung am 15. Mai durch ihren Delegierten Prof.
PratolMe der Kartellversammlung. 5
F. Beck 6 den Antrag gestellt, dass die kartellierten Akademien
und gelehrten Oesellschaften sowie die K. Akademie der Wissen-
schaften in Berlin eingeladen werden, durch Oewährung der
Mittel zur Honorierung einer Hilfskraft die wünschenswerte
rasche Vollendung des von Herrn Prof. P. Groth in München
herauszugebenden Werkes: « Chemische Erystallographie'' zu
fordern, welcher Antrag die Zustimmung der anwesenden Dele-
gierten fand. Die Wiener Akademie hatte schon im Jahre 1902
eine Unterstützung des genannten Unternehmens durch Ent-
sendung eines jüngeren Mineralogen Dr. Glawatsch zu Prof.
Groth bewirkt, auch die Geneigtheit zur weiteren Förderung
des Werkes zu erkennen gegeben ; auch hat die Akademie zu
München zur Bestellung einer ferneren Hilfskraft für das Jahr 1 902
den entsprechenden Beitrag bewilligt, ferner die Akademie zu
Berlin den Betrag von 1800 M. für das Jahr 1903 dem Unter-
nehmen gewidmet. So war für die Jahre 1902 und 1903 vor-
gesorgt. Bei der Eartellversammlung in Göttingen wurde auch
speziell der Antrag gestellt, die Akademie in München, ferner
die Gesellschaften der Wissenschaften in Göttingen und Leipzig
einzuladen, die Subventionierung des gedachten Unternehmens
im Jahre 1904 durch Bewilligung der Remuneration einer Hilfs-
kraft in der Person des Herrn Dr. Gossner mit dem Betrage
von 1800 M. zu betätigen. Der Delegierte für München (Ebert)
erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden, der Delegierte
für Leipzig (His) fand sich bereit, den Antrag bei der Gesell-
schaft der Wissenschaften in Leipzig zu befürworten, und die
Delegierten für Göttingen gaben die gleiche Erklärung bezüg-
lich der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen ab.
Die Wiener Akademie beehrt sich nun, den letzteren An-
trag bei der gegenwärtig tagenden Kartellversammlung zur
nochmaligen Behandlung zu bringen. Bezüglich der Motivierung
bedarf es wohl nur des Hinweises auf den im Vorjahre zu
Gföttingen gestellten Antrag, in dem das Unternehmen als ein
fQr die Physik, Mineralogie und Chemie gleich wichtiges dar-
gestellt wurde, dessen rascher Abschluss als im hohen Grade
wünschenswert erscheint. Das Ziel der diesjährigen Besprechung
6 BrotokoUe d$r KarieUvenammimiig,
wäre demnach die endgültige Erklärung seitens der genanntec
wissenschaftlichen Korporationen zu Odttingen, Leipzig und
München, die Subvention per 1800 M. für das Jahr 1904 zur
Bestreitung zu übernehmen.
Beriolit der Kommission.
Im Auftrage der E. Akademie in Wien hat Dr. GlawatscL
sich an den Vorarbeiten für das genannte Werk in der Wei>t
beteiligt, dass er die ausserordentlich zerstreuten, krystallo-
graphischen Angaben in der älteren metallurgischen Literatur.
sowie diejenigen in den Werken über mikroskopisch-chemisclie
Analyse auszog, sammelte und nach dem für die chemische
Krystallographie adoptierten Programm zusammenstellte. Die^«^
umfangreiche, für die Ausarbeitung der letzteren sehr förder-
liche Arbeit hat Dr. Glawatsch teils im Sommer 1902 in
München, teils seitdem in Wien ausgeführt und soeben in
München zum Abschlüsse gebracht.
Der durch die Subvention der Akademie in München für 1902
und der K. Preuss. Akademie zu Berlin für 1903 zur Hilfi»arbeit
an dem Werke berufene Dr. Gossner hat eine Beihe von
Ex{)erimental-Unter8uchungen solcher Gruppen krjstallisierter
Körper ausgeführt, für welche noch wesentliche Lücken und
Widersprüche in den bisherigen Angaben vorlagen, und eine
Reihe anderer derartiger Untersuchungen begonnen. Ausserdeiu
hat derselbe eine Anzahl älterer, krjstallographischer Unter-
suchungen in die jetzt übliche Art der Darstellung umgearbeitet
Wenn Dr. Gossner auch im Jahre 1904 in gleicher Weise für da^
Werk beschäftigt werden könnte, so würde voraussichtlich dei
allgemeine Teil und die spezielle Bearbeitung der unorganischeii
Verbindungen Anfang des Jahres 1905 soweit vollendet sein, das;
beides im Laufe der Jahre 1904 und 1905 erscheinen könnte
Die Kommission erlaubt sich nun den Vorschlag zu machen
die Delegierten- Versammlung möge bei den Akademien zu Wien
Leipzig und Göttingen den Antrag stellen, dass die Remuneration
des Dr. Gossncr für 1904 im Betrage von 1800 M. von den
drei genannten Akademien zu gleichen Teilen bewilligt werden
ProUj^ooUe der Kcuriellveraammlung. 7
m.
Kommissioii fOr Inftelektrische Forschangen.
L Sitzung.
Freitag, den 5. Juni 9'/« Uhr in dem Akademiegebäude.
Anwesend :
Herr ▼. Bezold (Berlin),
Ebert (München),
Einer (Wien),
Riecke (Göttingen),
Schmidt (Potsdam),
Wiechert (Göttingen).
Herr Ebert begrüsst die anwesenden Herren der Kom-
mission und teilt mit, dass die Herren Elster und G eitel an
der Teilnahme der diesjährigen Besprechungen leider behindert
sind, was lebhaft bedauert wird. Herr Günther hat sich für
die Vonnittagssitzung entschuldigt.
Herr Ebert legt die den Beratungen zu Grunde zu legende
Denkschrift ^) vor und dankt den an ihrer Abfassung beteiligten
Herren.
Die Kommission wählt Herrn Riecke zu ihrem Vor*
sitzenden und Herrn Ebert zum ProtokoUfQhrer.
Es wird unmittelbar in die Besprechung des vorläufigen
Entwurfs des an die internationale Association zu richtenden
Antrages eingetreten, welcher Punkt für Punkt durchberaten
wird. Dabei werden die an den verschiedenen Observatorien
und Institute bezüglich der Apparate und Messmethoden weiter-
hin gemachten Erfahrungen mitgeteilt; femer wird über die
Tätigkeit der einzelnen luftelektrischen Stationen berichtet;
diese Berichte sollen in den Sitzungsberichten der Münchener
Akademie veröffentlicht werden.
Schluss der Sitzung 12 Uhr.
*) Sie ist in den Sitzungsberichten der mathematisch-physikalischen
Klasse der K. B. Akademie der Wissenschaften Jahrgang 1903 gedmokL
8 ProtokoUe der KarUUveraammluMg,
TL SitEong.
Freitag, den 5. Juni nachmittags '/«i ühr im physikalischen
Institute der Technischen Hochschule.
Anwesend die Herren:
▼. Bezold,
Ebert,
Exner,
Qünther,
Riecke,
Schmidt,
Wiechert,
Windisch,
letzterer als Vertreter der Sächsischen Akademie.
Zunächst werden die im Institute aufgestellten luftelek-
trischen Messinstrumente eingehend besichtigt und besprochen.
Hierauf werden die Beratungen über das Programm fortgesetzt
und abgeschlossen. Sodann wird zur Besprechung der Organi-
sation der luftelektrischen Beobachtungsstationen übergegangen.
Die Herren Riecke und Ebert werden beauftragt, die einzelnen
zur Sprache gebrachten Punkte zusammen zu stellen und zu
einem U. Teile der Antragsbegründung, deren L Teil das
Programm der vorgeschlagenen Einzelprobleme darsteUt, zn
verarbeiten, sowie den Wortlaut des Antrages selbst zu formulieren.
Die Genannten stellen die Abfassung des betreffenden Schrift-
stückes für anderen Tages 11 ühr in Aussicht, auf welchen
Zeitpunkt der Beginn der 3. Sitzung festgesetzt wird.
Schluss der Sitzung 6 ühr.
nL SitEung.
Samstag, den 6. Juni vormittags IV 1% ühr in der Akademie.
Anwesend die Herren:
V. Bezold,
Ebert,
Exner,
Günther,
Riecke,
Schmidt,
Wiechert.
Die Herren Riecke und Ebert legen den Entwurf der
ihnen zur Ausarbeitung übertragenen Denkschrift sowie d^
Antrages an die Association vor. Beide Entwürfe werden ein-
PraiokoUe der Kartdlversammlung, 9
gehend durchberaten und im Wortlaute, bis auf redaktionelle
Änderungen, die den genannten beiden Herren überlassen
werden, festgestellt.
Die Protokolle über die drei von der Kommission abge-
haltenen Sitzungen werden verlesen und genehmigt.
Schluss der Sitzung 12*/4 Uhr.
IV.
Kommission zar Erörterung der Torarbeiten ffir eine
kritische Ausgabe des Hahäbharata.
Anwesend:
Herr v. Christ (München),
Jacobi (Bonn),
Eielhorn (Göttingen),
Kuhn (München),
Lud er 8 (Rostock),
Fische 1 (Berlin),
V. Schröder (Wien),
Windisch (Leipzig),
Winternitz (Prag).
Die Kommission einigte sich über folgende Beschlüsse:
1. In der Sitzung der Association Pfingsten 1904 soll
mitgeteilt werden, dass mit den Mitteln des Kartells die
Katalogisierung und Klassifizierung der in Europa befindlichen
Handschriften des Mahäbhärata und einige andere unerläss-
liehe Vorarbeiten, wie die Kollationierung südindischer Hand-
schriften und eine Inhaltsübersicht des Mahäbhärata in Angriff
genommen oder teilweise ausgeführt sind.
2. Die im Kartell vereinigten Akademien mögen bean-
tragen, dass die kritische Ausgabe des Mahäbhärata zur Sache
der Association gemacht werde, und werden derselben ein
Promemoria vorlegen, wie eventuell die Arbeiten einzuleiten
und zu organisieren sind.
3. Mit der Abfassung dieses Promemoria, dessen Ghnind-
züge eingehend erörtert wurden, sollen die Herren Jacobi,
10 ProtokoUe der KarUavemmwdtmff.
Lüders und Winternitz beauftragt, und soll dasselbe bis zum
1. Oktober 1903 den kartellierten Akademien zur Genebmigung
vorgelegt werden. Als Hauptgrundsatze wurden festgestellt:
a) Die indische Regierung möge von der Association er-
sucht werden, die in ihrem Besitz befindlichen Manuskripte
nach Europa zu senden und beim Search of Sanskrit MSS.
ihre besondere Aufmerksamkeit auf den Ankauf alter Hand-
schriften des Mahäbhärata zu richten.
b) Eventuell soll einem Beschlüsse des Orientalisten-EoD-
gresses zu Hamburg entsprechend Prof. Lüders zu bezüglicheD
Untersuchungen nach Indien entsendet werden.
c) Die Gesamtkosten werden auf 120000 M. veranschlagt.
die sich auf 12 Jahre verteilen würden. Dabei würden sich
nach ungefährer Berechnung die Druckkosten auf 60000 M..
die Honorare auf 40000 M. und die einmaligen Kosten der
event. Reise nach Indien auf 20000 Mk. belaufen.
4. Als Mitglieder des von der Association event. einzu-
setzenden internationalen Komitees sollen seitens der kartel-
lierten Akademien die Herren Jacobi, Lüders und Winter-
nitz in Vorschlag gebracht werden.
V.
Gesamtsltsung.
Anwesend die Herren:
V. Bezold,
Ebert,
Kxner,
V. Groth,
Günther,
Jacobi,
Kielhorn,
Kuhn,
Lüders,
Pischel,
Riecke,
Schmidt,
V. Schröder,
Tschermak,
V. Voit,
Wiechert,
Windisch.
Winternitz.
Herr v. Voit eröfihet die Sitzung und bittet die Berichte
und Protokolle der Kommissionen zu verlesen.
ProiokoUt der Kartelheraammlung. 11
Herr y. 6roth verliest das Protokoll der Kommission für
Herausgabe einer chemischen Erystallographie.
Herr Ebert gibt von dem vereinbarten Protokoll Kenntnis.
Der Antrag der kartellierten deutschen Akademien bezüglich
der luftelektrischen Forschungen soll lauten:
«Die internationale Association der Akademien möge
die Erforschung der luftelektrischen Erschei-
nungen in die Zahl der von ihr verfolgten Aufgaben
aufnehmen und für einen Zeitraum von zweiJahren
luftelektrische Beobachtungen an einer grösseren Zahl
von Stationen, die in angemessener Weise über die Erd-
oberfläche verteilt sind, ausführen lassen*.
Die Begründung dieses Antrages und ein vorläufiges Pro-
gramm für die Ausführung der Beobachtungen und die Ein-
richtung von luftelektrischen Stationen ist in der angefügten
Denkschrift^) enthalten, aus der die wichtigsten Punkte ver-
lesen werden.
Herr Kuhn verliest das Protokoll der Mahäbhärata-
Konmiission.
Der Antrag der luftelektrischen Kommission, ebenso der
Vorschlag der Mahäbhärata-Kommission und der Antrag der
Kommission für chemische Krystallographie werden ange-
nommen.
Hierauf berichtete Herr v. Dyck über den Fortgang der
Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften.
Der augenblickliche Stand der erfolgten Publikationen
stellt sich folgendermassen:
Es sind im Ganzen 18 Hefte (darunter 6 im verflossenen
Jahre) erschienen in der folgenden Reihe, in welcher die zuletzt
erschienenen Hefte gesperrt gedruckt sind:
^) Diese Denkschrift zur Begründung des Antrages ist in den Sitzungs-
berichten der mathematisch-physikalischen Klasse Jahrgang 1903 gedruckt.
12
PntokoUe der KeuiMvertammiiuiff.
Band
I: Heft 1 erschienen am 7. November 189$.
1f
2
, 26. Januar 1899.
9
3
, 15. September 1899.
9
•t
, 17. Oktober 1899.
9
5
, 29. Mai 1900.
9
6
, 30. Mai 1901.
9
7
, 11. September 1902.
Band II, 1 :
9
1
, 10. August 1899.
»
2/3
. 10. April 1900.
9
■1
, 31. Juli 1900.
Band 11,2:
9
1
, 27. Dezember 1901.
Band III, 2
a
1
9. März 1903.
111,3;
9
1
, 30. Oktober 1902.
Band IV, 1 ;
J»
1
13. September 1901.
*
2
, 8. Juli 1902.
Band IV, 2;
t
•
1
, 6. Juni 1901.
n
2
, 23. April 1903.
Band V, 1:
»
1
, 23. April 1903.
Bezüglich der in Vorbereitung befindlichen Hefte ist das
nachfolgende zu bemerken:
Das Register zu Band I (Arithmetik und Algebra), für
dessen sämtliche Artikel zunächst Einzelregister herzustellen
sind, ist in Vorbereitung.
In Band 11 (Analysis) wird der Fortgang des Druckes
augenblicklich durch eine grössere vorbereitende Arbeit verzögert.
Von Band III (Geometrie) ist das Heft 2 der 3. Abteilung
nahezu vollendet, zwei weitere Hefte der 1. und 2. Abteilung
werden im kommenden Winter zur Ausgabe gelangen.
In Band IV (Mechanik) ist das dritte Heft der I. Abteilung
zur demnächstigen Veröffentlichung bereit. Im übrigen ist der
Fortgang der Arbeit ein stetiger, nimmt aber allerdings eine
sehr viel grössere Zeit in Anspruch, als man zu Anfang in
Aussicht genommen hatte. Erschwerend wirkt besonders, da>s
Band IV vielfach in Nachbargebiete der Technik eingreift, deren
mathematische Behandlungsweise noch keine endgültige Form
Protokolle der Kartellversammlung, 13
angenommen hat, so dass eine für unsere Encyklopädie passende
Berichterstattung die kritischen Grundlagen vielfach erst selbst
schaffen muss.
Von Band V (Physik) wird ein weiteres Heft im Herbste
zur Ausgabe bereit sein.
Für die 1. Abteilung (Geodäsie und Geophysik) des
Bandes VI sind noch mannigfache Vorarbeiten bis zum Er-
scheinen eines Heftes zu erledigen. Auch von der 2. Abteilung
(Astronomie) liegen erst einzelne Artikel in erster Fassung
vor und werden noch Änderungen in der Disposition der
einzelnen Abschnitte zu treffen sein.
Die Ausarbeitung der französischen Ausgabe ist in
stetigem Fortschreiten begriffen, auch die nicht ganz leichte
Titelfrage dieser Ausgabe, sowie die Feststellung der Rechte
der deutschen Herausgeber und Autoren gegenüber den fran-
zösischen Bearbeitern hat eine befriedigende Lösung gefunden.
Für den Herbst ist eine Konferenz der Mitglieder der aka-
demischen Kommission mit den Redakteuren und dem Vertreter
der Verlagsbuchhandlung in Göttingen in Aussicht genommen,
in welcher ganz besonders die Frage der Gestaltung der Register,
die erforderliche Neudisposition des Bandes VI, sowie die Frage
der Herausgabe des Bandes VII (historische, philosophische und
didaktische Fragen behandelnd) in Beratung gezogen werden soll.
Herr v. Voit schliesst hierauf die Gesamtsitzung und
damit die Pfingstversammlung des Verbandes der deutschen
wissenschaftlichen Körperschaften. Herr Windisch spricht
den Dank der auswärtigen Delegierten und der übrigen Fach-
gelehrten aus, welche an den Beratungen teilgenommen haben.
Herr v. Voit erwidert den Dank im Namen der Bayer. Akademie.
1*
Yerzeichnls der elngelanfenen Druckschrlfteii
Januar hw Juni 1908.
Dl« TertthrUdiai OteHtehaftwi nad Instüoto, mit wdohMi summ Akudcmto In
TanaehTe^ehr steh^ werden gebeten, neehetehendee Yenelehnli mgleleh nie ImpAinge'
beetttigimg n betnehten.
Von folgvnden ChMellsohaften und Institateii:
GeschicMsverein in Aachen:
Zeitickrift Bd. XXIV. 1902. 8^
Historische Oesellsehaft des Kantons Äargau in Äarau:
Taichenbach fOr dai Jahr 1902. Bf^.
Boy dl Society of SotUh-Äustraiia in Adelaide:
Memoin. Vol. IT, pari 1. 1902. iP.
Transactioni. Vol. 26, part. 1. 2. 1902. 8<>.
Observatory in Adelaide:
Meteorological Observations made 1899. 1902. fol.
SOdslamsehe Akademie der Wissenschaften in Agram:
Bad. Vol. 160. 151. 1902. 8^.
Zbornik. Bd. VII, 2. 1902. e9.
Starine. Bd. 80. 1902. 80.
Bje6nik. Heft 22. 1902 40.
IT. hro<xt,'tiavonrdalmatinisches Landesarehiv in Agram:
Vjestnik. Jahrg. 6, No. 1—3, 1908. 4P.
Meteoroiogisehes Observatorium in Agram:
Jahrbuch ftr das Jahr 1901. 1902. fol.
Aüegheny Observatory in AUegheny:
Miicellaneons scientific Papers No. 10. 1908. 8®.
StcuU Antwerpen:
Paedologisch Jaarboek. Jaargang 8 en 4^«- 1902—08. 1908. BP.
Bedaktion der Zeitschrift „Athena":
Aihena. Tom. 14, fasc. 4; Tom. 16, faM. 1. 1902/03. %\
1
3^ VerMekhnis der eing^ufenen Drueksekriften.
Johng HophinM ünivertUy in BaIHwu>re:
Stadies in historical and poliiical acience. Seriei XX, No. 2—12 ud
Extra Namber 1902. 8^.
Celebntion of the 25^ Universary. 1902. 8*.
Circulars. Vol. 22, No. 161. 162. 1908. 4^
American Chemical Journal of Maihematics. Vol. 24, No. 2—4; Vol lä,
No. 1. 1902. 40.
The American Jonmal of Philology. Yol. 24, No. 4; Vol. 26, No. l-i
1901-02. 8».
American ChemiealJonmal. Vol. 27, No.4— 6; Vol. 28, No. 1— 6; V0I.2S,
No. 1 2. 1902 03. 8®.
BolletinoftheJofant Hopkins Hospifcal. Vol. 14, No. 142. 144-146. 1903. 4«
The Johnt Hopkins Hospital Reports. Vol. 10, No. 8—9. 1902. 4^
Peapody Institute in Baltimore:
Second Catalogne of the Libraij. Part 6. 6. 1901—02. 4*.
Maryland Geciogical Survey in Baltimore:
Maryland Geological Sorrey. a) Cecil Goonty, b) Garret Connty (mit je
1 Atlas). 1902. 40.
Naturforsehende GeeeUachaft in Basel i
Verhandlungen. Bd. 16, 1; Bd. 16. 1903. 8<*.
HistorisehraWtiquarisdke GtseUsdkaft in Basel:
Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. Bd. II, Heft 2.
1908. 8<>.
SocUtS des ecienees in Bastia:
Bulletin. 21. ann^e 1901, 22. ann^e 1902, Janviei>-Juillet. 8®.
Bataviaasch Oenootschap van Künsten en Wetensehappen in Bataria:
Tijdscbrift. Deel 46, afl. 6. 6; Deel 46, afl. 1. 1902-03. 8®.
Notulen. Deel 40, afl. 2. 3 1902. 80.
Verhandelingen. Deel 62, stuk 8 ; Deel 64, stuk 2. 1908. gr. 8^.
Anno 1648—1644 and Anno 1676. 1902. 49.
Hisioriseher Verein in Bayreuth:
Archiv. Bd. 21, 3; Bd. 22, 1. 1901—02. 99.
K, Serbische Akademie der Wissenschaften in Belgrad:
Atlas der Seen Macedoniens. 1902. fol.
Museum in Bergen (Norwegen):
G. 0. Sars, An Account on the Crustacea of Norway. Vol. 4, part 11- li
1902-03. 40.
Aarbog fOr 1902. Eed 8. 1908. 8®.
Aarsberetning for 1902. 1908. 8^.
ünicersity of California in Berkeley:
Publikations of the year 1902.
K. preu88. Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Abhandlungen aus dem Jahre 1902. 49,
Sitzungsberichte. 1902, No. 41— 53; 1903, No. 1—24. gr. 8®.
Corpus inscriptionum latinorum. Vol. VI, pars 4, fasc. 2. 1902. 4^.
Politische Korrespondenz Friedrichs des Grossen. Bd. 28. 1903. 8^.
VerMekhnis der eingelaufenen Dmcheehrifün. 3*
K, geollog, Landeeamtalt und Bergakademie in Berlin:
Abhandlungen. Nene Folge, Heft 24 und 87 mit Atlu. 1902. 8^ (resp. foL).
Zenträlbureau der intematumaien JSrdmessung in Berlin:
Resultate des internationalen Breitendienetea. Bd. 1. 1903. 4^
Veröffentlichungen. N. F., No. 7. 1909. 49.
Deutsehe chemische GeseÜsehaft in Berlin:
Berichte. 89. Jahrg., No. 1 — 9 und Mitgliederverzeichnis vom 1. Januar
1908. 1908. ^.
Deutsche gedogische Gesellschaft in Berlin:
ZeiUchrift Bd. 64, Heft 8 und 4. 1902. 8^.
Medieinisehe Qesdlsehaft in Berlin:
Verhandlungen. Bd. 88. 1908. 8^.
Deutsehe Physikalisehe GeseÜsehaft in Berlin:
Namenregieter zu den Fortschritten der Physik. Bd. 44—68. Braun-
Bchweig 1908. 8^.
Verhandlungen. Jahrg. 6, No. 2— 11. Bräunschweig 1908. 8^.
Physiologische GeseÜsehaft in Berlin:
Zentralblatt fllr Physiologie. Bd. 16, No. 21— 26; Bd. 17, No. 1-6. 1902. ^.
Verhandlungen. Jahrg. 1902—08, No. 8—9. 1908. 8^.
Kaiserlich deutsches archädogisches Institut in Berlin:
Jahrbuch. Bd. 17, 4; 18, 1. 1908. 4^.
K, preuss, geodätisches Institut in Berlin:
Veröffentlichung. N. F., No. 11. 12. 1908. 49,
K. preuss. meteorohgisehes Institut in Berlin:
Regenkarte der Provinz Westfalen. 1908. 8®.
Ergebnisse der meteorolog. Beobachtungen in Potsdam im Jahre 1900.
1902. 40.
Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuss. Staaten
in Berlin:
Oartenflora. Jahrg. 1908, Heft 1*-12 und Register zu Band 41—60. 8^.
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zur Brandenburgischen und Preussisohen Geschichte. Bd. 16, 1.
Leipzig 1903. S^.
Zeitschrift für Instrumentenkunde in Berlin:
Zeitschrift. 28. Jahrg., 1908, Heft 1-6. 40.
Schweizerische naturforsehende GeseÜsehaft in Bern:
Verhandlungen in der Versammlung zu Zofingen 1901 und Genf 1902.
1902. 8^.
Historischer Verein in Bern:
Archiv. Bd. 16, 3. 1902. 80.
SoeiSte d'^mülation du Doubs in BesanQon:
M^moires. VII« S^rie. Vol. 6. 1901. 1902. 8«
1*
4* VerseidimB dtr eingelaufenen Druekeduriften,
B. Äceademia ddle Seiense delVIeHluto du Bohgna:
Memorie. Serie 6, VoL 8. 1899—1900. 49.
Renticonto. N. 8er., Vol. 4, 1899—1900. 1900. B^.
B. DeptUajrione di etoria patria per le Provinde di Bamagna
in Bologna:
Atti e Memorie. Serie III, Vol. 20, fasc. 4—6; Vol. 21, fiuc. 1-1
1902—03. 8«.
Niederrheimache Gesellschaft für Natur- und Heükunde in Bom:
SitznoflTsberichte 1902. 2. Hftlfte. 1908. 8^.
Naturhistorischer Verein der preussischen Bheinlande in Bonn:
Verhandlungen. 59. Jahrg. 1902, 2. Hftlfte. 1908. BP.
SoeiUi de ghographie commercicile in Bordeaux:
Bnlletin. 29« annäe 1908, No. 1—11. 16. 8^.
American Äcademy of Arte and Sciences in Boston:
Proeeeding«. Vol. 38, No. 1—19. 1902—03. 8«.
American PhHölogiccd Association in Boston:
Transactions and Proceedings. Vol. 38. 1902. Q^.
Naturtcissenschaftlicher Verein in Bremen:
Abhandlungen. Bd. 17, 2. 1903. 8^.
Sternwarte in Breslau:
Mitteilangen. Bd. 2. 1903. 4P.
Institute of Arts and Sciences in Brooklyn:
Science Bulletin. Vol. 1, No. 3. New-Tork 1902. 8^
Deutscher Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens
in Brunn:
Zeitschrift. Jahrg. 7, 1. 2. 1903. 8®.
Naturforsehender Verein in Brunn:
Verhandlungen. Bd. 40. 1901. 1902. 8^.
20. Bericht der meteorolog. Kommission. 1902. 8^.
Acadimie Boyaie de nUdeeine in Brüssel:
Bulletin. IV. S^rie, Tome 16, No. 10. 11; Tome 17, No. 1—4; Tome 18,
No. 1. 2. 1902—03. 8«.
Acadimie Boyäle des sciences in Brüssel:
M^moires couronnäs in 4^. Tome 69, fasc. 4; Tome 60, 62, fasc 1. 2.
1902—03.
M^moires couronn^ in &^. Tome 62, fasc. 4; Tome 63, fase. 1—3. 1903. 8^.
Biographie nationale. Tome 17, fasc. 1. 1902. 8®.
Annuaire 1903. 69« ann^e. 8<^.
Bulletin, a) Classe des lettres 1902. No. 9—12; 1903, No. 1-4. 8*.
b) Classe des sciences 1902, No. 9— 12; 1903, No. 1—4. BP.
Chartes de TAbbaye de Saint-Hubert en Ardenne publ. par G. Kortb.
Tomel. 1903. 4P.
Verseickms der eingelaufenen Druckadiriften. b*
SoeUte des Bdlandietes in Brüead:
Analecta BoUandiana. Tom. 22, fasc. 1. 2. 1903. 8^.
SocUtS entamologique de Belgique in Brüssel:
Anales. Tom. 46. 1902. 80.
Mämoires. Tom. IX. 1902. 8<^.
SociHi beige de giologie in Brüssel:
NoaTeaox M^moires. Sdrie in 4®, faac, I. 1903.
Bulletin. Tom. XIII, 4; XVI, 4. 5; XVII, 1. 2. 1903. 8».
SociHi Boy (de malacologique de Belgique in Brüssel:
Annales. Tom. 36; annöe 1901. 1902. 8^.
K, Ungar, geologische Anstalt in Budapest:
Földiani EözlGny Bd. 32, Heft 10-12; Bd. 33, Heft 1—4. 1902—08. 8<^.
Jahresbericht für 1900. 1902. 8<>.
5. Nachtrag z. Katalog der Bibliothek der ungar. geolog. Landesanstalt.
1908. 4».
Museo nadoncd in Buenos Aires:
Anales. Tom. VII. VIII. 1902. 4».
Botanischer Oarten in Buitenzoorg (Java):
Mededeelingen. No. 59, 60, 62, 63. 1902-08. 4».
Botanisches Institut in Bukarest:
Balletin de FHerbier. No. 2 (Janrier-Ayril). 1902. 8^.
Socüti Linnienne de Normandie in Caen:
Balletin. 5« Särie. Vol. 5. Ann^ 1901. 1902. S^.
Institut igyptien in Cairo,
Balletin. IV* S^rie. Tom. 2, fasc. 1—8; Tom. 3, fksc. 1—4. 1901 bis
1902. 80.
Metearciogicai Department of the Government of India in Calcutta:
Monthly Weather Review. July— December 1902. 1902—03. foL
Instractions to obiervers of the Indian Meteorological Department.
By. I. Eliot. 1902, 8«.
Rainfall Da ta of India. XI. year 1901. 1902. fol.
Geological Survey of India in Calcutta:
General-Report 1900—01. 8®.
Memoirs. Vol. XXXII, 3; XXXIV, 2; XXXV, 1. 1902. 8®.
Paläontologia Indica. N. S. Vol. U, 1. 1902. fol.
Asiatic Society of Bengoi in Calcutta:
Bibliotheea Indica. New Ser. No. 983, 1016—1086. 1901—08. 8^^.
Joamal. No. 400. 401. 403—405. 1902. 8^.
Proceedings. 1902. No. VI— X; 8^.
Museum of comparative Zoology at Harvard College in Cambridge^ Mass, :
Balletin. Vol. 38, No. 8; Vol. 40, No. 4—6; Vol. 42, No. 1. 1908. 80.
Memoirs. Vol. 26, No. 4; Vol. 28 Text und 3 Bände Atlas. 1908. 4».
der eingelaufenen Drudtedmfien.
AstnmomieiA Obiervaiorf of Harvard CoUege in Cambridge, Mau.:
67^ annual Report Sept 80. 1902. 1902. 6^.
Annali. Vol. 44, pari 2; Vol. 48, pari 2.
A Plan for the EBdoooment of Aatronomieal Reteareli hj £dw. C. Picb>
ring. 1908. 80.
Phih$ophical Society in Cawibridge:
Proceedingt. Yol. XI, 7; XII, 1. 2. 1902. 8».
Äecademia Qioenia di »denae natwraii in Catania:
Atii. Serie lY. Vol. 16. 1902. 4*.
Bollettino mensile. Naoya Ser., faac. 74—76. 1902—08. 8^.
K. tedknieehe Hoehsehule in Ghorlottenburg.
Kämmerer. Ist die Unfreiheit nnserer Knltor eine Folge der Ingenieur-
knntt? Berlin 1908. 4P.
Sodtti des seieneee naturelles in CKerbourg:
Mämoiret. Tom. 88, fatc. 1. Parii 1902. gr. BP.
John Crerar Library in Chicago:
8*^ annnal Report for the year 1902. 1908. 8^.
Field Cdumhian Museum in Chicago:
Pnblications. No. 66-68 1902. 8^.
Yerkes Observatory of the üniversUy of Chicago:
Bulletin. No. 18. 19. 1908. 8^.
Zeitschrift ^Ästrophysicäl Journal^ in Chicago:
Vol. XVII, No. 1-6. 1908. gr. 8^.
Norsk Folkemuseum in Christiania:
VIII. Aaraberetning 1902. 1908. 8».
üniversity of Missouri in CduwUßus:
Studies. Vol. I, No. 1—6; Vol. II, No. 1. 1902-08. 8^.
Äcademia nadonail de eiendas in Cordoba (Bepublic Argentinien):
Boletin. Tom. XVII, 2. Baenoa Aires 1902. 8^.
Naturforsehende Oesellsdhaft in Danng:
Schriften. Neue Folgen. Bd. X, Heft 4. 1902. 8^.
Westpreussischer Geschiehtsverein in Danaig:
Zeitecbrift. Heft 46. 1908. gr. Bfi,
Mitteilangen. Jahrg. 2. No. 1. 2. 1908. 8^.
Kaiserl. Gouvernement von Deutseh^Ostafrica in Dar-es-Salam:
Berichte über Land- nnd Forstwirtichafk in Dentsch-Ostafrika. Bd. 1,
Heft 8-6. Heidelberg 1908. 8».
Historischer Verein für das Grosshereogtum Hessen in Darmstadt:
Archiv fdr Hessische Geschichte. Nene Folge. Bd. 8, Heft 2 nnd Er
gftnsnngsband 1, Heft 8. 1902. 8^.
Quartbl&tter 1902. 4 Hefte. 8^.
Verzeiehnia der eingdaufenen Drueksehrißen. 7*
Colorado Seientifiß Society in Denver, Colorado:
ProceedingB. Vol. 7. p. 66—84. 1902—08. 8<>.
Verein für Änhältische Geschichte in Dessau:
Mitteilungen. Bd. IX, 6. 1902. S®.
Historischer Verein in Dülingen:
Jahrbach. 16. Jahrg. 1902. 8^
Acadimie des Sciences in Dijon:
IVS^rie. Tom. 8. 1901—02. 8°.
Union giographique du Nord de la France in Douai:
Bulletin. Vol. 24, trimestre 8. 1902. 6^.
Boyal Iriah Academy in Dublin:
TransacÜons. Vol. 82, Section B, part 2. 1908. 4P,
Boyal Society in Dublin:
The economic ProceedingB. Vol. I» part 8. 1902. 8®.
The scientific Proceedin^s. N. S., Vol. IX, part 6. 1908. 8^
Transactiona. Vol. Vll, No, 14—16; Vol. VIII. No. 1. 1902. 4^.
Boyäl College of Physicians in Edinburgh:
Reports from the Lahoratory. Vol. 8. 1908. S^.
Boyai Society in Edinburgh:
ProceedingB. Vol. 24, No. 4. 1908. 8^.
Transactions. Vol. 40, part 1. 2; Vol. 41. 1901—02. 4«.
Scottish Microscopical Society in Edinburgh:
ProceedingB. Vol. 8, No. 8. 1902. 8^.
Karl Friedrichs'Gymncisium tu Eisenach:
Jahresbericht ftir das Jahr 1902/08. 1908. 4<>.
Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer in Emden:
Jahrbuch. Bd. 14, Heft 1. 2. 1902. 80.
K, Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt:
Jahrbücher. N. F., Heft 29. 1908. 8^.
Beäle Accademia dei Oeorgoßi in Florenz:
Atü. IV. Serie, Vol. 26, disp. 8. 4 u. Suppl. Vol. 26, disp. 1. 2. 1902-08. 8<».
Senehenbergische naturforschende Gesellschaft in Frankfurt a/M, :
Die Periodischen Schriften der Senckenberg'schen Bibliothek. 1908. 4^.
Abhandlungen. Bd. 20, Heft 4; Bd. 25, Heft 4. 1908. 4^.
Physikalische Gesellschaft in Frankfurt alM,:
Jahresbericht für 1901—1902. 1908. 8^.
Breisgau- Yerein Schau-ins-Land in Freibu/rg t. Br,:
Schau-ins-Land.. 29. Jahrg. 1902. I. Halbband. fol.
Kirehengesckiehüicher Verein in Freiburg i. Br.:
Freiburger DiOzesan- Archiv. N. F., Bd. 8. 1902. BP.
8* VerMeiekmi der emgeUtufenen Drweksehnften,
Obtervaiaire in Genf:
Retom^ mtft^rologiqoe de rann^ 1901. 1902. 8*.
Obeerrationt mät^rologiqaes faitei aax foiiificatioiu de Saint Mauke
pendant Tannäe 1901. 1909. 8*.
SoeUU ^hMtoire et tParchMogie in Genfs
M^moires et Docomeots. N. 8^., Tom. YIII, livr. 1. 1902. 8®.
Bnlletm. Tome II, livr. 6. 7. 1902. 89.
SocOU de pfufstque et d^hieUrire naturale in Genf:
Mdmoim. Vol. 84, fiwc. 8. 1908. 4P.
ObeHo/utUsieehe GeseUeduift der Wisaemduiften tn GMOi:
Neues Lanaitsischet Magaiin. Bd. 78. 1902. 8*.
Codex diplomatiouB Latatiae raperiorie. Bd. 2, Heft 8. 1902. 8^.
E. GesdUthaft der Wieeemd^aften m G^iUi$%gen:
Göttingische gelehrte Anieigen. 166. Jahrg. 1908, No. 1—8. Berlin 19(B
gr. 8«.
Abhandlangen. N. F.
Math.-ph78ikal. Klasse. N. F., Bd. 2, No. 1. Berlin 1903. 4«.
Nachrichten, a) PhUoL-hist. Klasse. 1902, Heft 5; 1908, Heft 1—3. gr. 8*.
b) Math.-ph78. Klasse. 1902, Heft 6; 1908, Heft 1—3. gr.8«.
c) Geschäftliche Mitteilongen. 1902, Heft 2. 1902. gr. 8*.
Scientific Laboratoriee of Denekm ümveraüy in GranmUe, Ohio:
Balletin. Vol. 12, 1—4. 1902. 8<>.
ünivereität in Grai:
Verzeichnis der akademischen Behörden etc. 1902/08. 1908. 4P.
Rilgisch'Pommeredier Geechiehteverein in Greifewaid:
Pommerische Jahrbfloher. Bd. 4. 1908. 8^.
NcUurwiseenschafUid^er Verein fikr NeurVarpommem in Greif swM:
Mitteilungen. 84. Jahrg. 1902. Berlin 1908. 8«.
Kgl. Sachs. Fürsten- und Landesschüle in Grimma:
Jahresbericht Ton 1902-08. 1908. 4P.
Universität Graningen:
Middendorp, Ätiologie de la Tnberculose. Paris 1902. BP.
K. Instituut voor de Taal-^ Land- en VMenkunde van Nederiandsdk Inäu
im Haag:
Bvjdragen. VII. Beeks, Deel I, aflcT. 1—8. 1908. 8^.
Teyler's Genootschap in Haarlem:
Archives du Mos^e Tejler. S^r. II, Vol. 8, partie 2. 1902. 4<*.
SoeUU Hoüandaise des Sciences in Haarlem:
Archives N^erlandaises des sdences exactes. 84irie ü, Tom. 8, ütt. 1. 3.
1908. BP.
Nova Sootian Institute of Science in Halifax:
The Proceedings and Transactions. Vol. X, 8. 4. 1901—08. BP.
VerMekhms der eingelaufenen Druekethriften, 9*
Kadseri, Leopoildinieef^Carolinisehe Deutsche Akadem^ der Naturforaeher
in HdUe:
Leopoldina. Heft 88, No. 12; Heft 81, No. 1—6. 1902—08. 49.
DeuUehe morgenUindische QeeeUsehaft in Hcdle:
Zeitschrift. Bd. 66, Heft 4; Bd. 67, Heft 1 a. 2. Leipsig 1902-08. 8^.
Abhandlongen für die Kunde des Morgenlande«. Band 12, 1. Leipzig
1903. 8*.
NcUurwiesenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle:
Zeitschrift für Naturwiaienachaften. Bd. 76, Heft 1—3. Stattgart 1908. 8^.
MathenMtische GeselUehaft in Hamburg:
Mitteilungen. Bd. 4, Heft 8. Leipzig 1908. 8<».
Deuteehe Seewarte in Hamburg:
Ans dem Archiv der deutschen Seewarte. 26. Jahrg. 1902. 4fi.
Verein für Hamburgiache Geschichte in Hamburg:
Mitteilnngen. 22. Jahrg. 1902. 1908. S®.
Naturtoissenschaßlicher Verein in Hamburg:
Verhandlungen. Dritte Folge. X. 1903. 8<>.
Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde in Hanau:
I. Nachtrag zum Katalog der Bibliothek. 1902. 8®.
Geschichtsverein in Hanau:
Festschrift zum 600 jährigen Jubiläum der Erhebung Alt-Hanaus zur
Stadt. 1908. 8».
Historischer Verein für Niedersachsen in Hannover:
Zeitschrift. Jahrg. 1902, Heft 8 u. 4; 1903, Heft 1. 80.
Badische historische Kommission in Heidelberg:
Zeitschrift fttr die Geschichte des Oberrheins. N. F., Bd. 18, 1. 1908. 8^.
Ästroph^sikalisches Observatorium in Königstühl bei Heidelberg:
Publikationen. Bd. L Karlsruhe 1902. 4^
Universität Heidelberg:
H. Buhl, Zur Geschichte der Universität Heidelberg unter Grossherzog
Friedrich. Festrede. 1902. 49.
H. Buhl, Römisches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch. Akad. Rede.
1902. 4«.
Historisch-philosophischer Verein in Heidelberg:
Neue Heidelberger Jahrbficher. Jahrg. 12, Heft 1. 1908. 6*.
Geschäftsführender Äusschuss der Beichslimeskommission in Heidelberg:
Limesblatt No. 36. Trier 1903. 89.
Der Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches. Liefg. XVIII.
1908. 49.
Verein für siebenbürgische Landeskunde in Hermannstadt:
Archiv. N. F., Bd. 80, 3; Bd. 81, 1. 1902—08. 89.
10* Veneichms der eingOaufenen DruekeOiriften.
Laade$kansU*arium der evang. Landeekinhe etc m Hermanntiadt:
Qaellen sar Geiehichte der Stadt Kronitadt. Bd. 1 and 2. Kronstadt
1886—89. 80.
Verein für SachsenrMeiningiBehe OeachiekU in ESldburghausen:
Schriften. 48. a. 44. Heft. 1908. 8<».
VaigÜändiedter Mtertumsforadkender Verein in BdhefdoMbenz
72. und 78. Jahresbericht. 1908. 8^.
Journal of Phyeicai Chemietry in Ithaea, N.T.:
The Journal. Vol. 7, No. 1—4. 1903. gr. 8*.
American Chemical Society in Ithaea:
The Journal. Vol. 26, No. 1—6. 1908. 8«.
ünivenUi de Jasey:
Annales seientifiques. Tom. II, fitse. 2. 1903. 8^.
Medieiniefh'naiturwieBenedMftiHthe Qeeeüechafl in Jena:
Zoologische Forschungsreisen in Australien yon Rieh. Semon. Bd. 6,
Liefg. 6. Text und Atlas. 1908. fol.
Nenrobiologische Arbeiten von Oskar Vogt. II. Serie, Bd. I, Liefg. 1.
1908. fol.
Jenaische Zeitschrift fBr Naturwissenschaft. Bd. 87 {=^ N. F., Bd. 30),
Heft 2— 4. 1902—03. 8^.
Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde in Jena:
Zeitschrift. N. F., Bd. 18, Heft 1. 2. 1902-08. 8<».
Naturforschende Gesellschaft bei der UnioersUät Jurjew (Dcrpai):
Archiv fttr Naturkunde. II. Serie, B^. XII, 2. 1902. 8^^.
Sitsungsberichte. Bd. XIII, 1. 1902. 8^.
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^^.
Badische Historisehe Kommission in Karlsruhe:
Siegel der Badischen Städte. Heft 2. Heidelberg 1903. S^.
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F., Bd. 18, 2. Heidel-
berg 1903. 80.
Topographisches Wörterbuch des Grossherz. Baden. 1. Bd., 1. Halbband.
Heidelberg 1908. 8^.
SocUti physieo-mathimatique in Kasan:
Bulletin. II« S^rie, Tome XU, 8. 1902. 8^.
Universität K<uan:
ütschenia Sapiski. Bd. 69, No. 12; Bd. 70, No. 1—4. 1902—08. 8<>.
Verein für hessische Geschichte und Jjandeskunde in Kasset:
Zeitschrift. N. F., Bd. 26. 1903. 8^.
Mitteilungen. Jahrg. 1901. 1903. B^.
SocUti des sciences physico^chimique d VüniversiU de Kharhov:
Travaux. Tom. 25, Supplements, fasc. 8— 11. 1901. 8®.
üniversUi ImpSridle in Kharkow:
Annales 1908. Heft 1. 8®.
Verzeushims der eingelaufenen Druekeehriften, 11*
ünhemtä^ in Kiew:
laweetija. Bd. 42 (1902), No. 11. 12; Bd. 48 (1903), No. 1-4. 8^^.
Naturkistorisehea Landeemueeum in Elagenfuri:
Carinthia II. 1908. No. 1.2. 8^.
Mathemat.-naturwieaenaehafll, FaJcuität der ünivereiUU Klausenburg:
Joannis Bolyai in Memoriam. 1902. 4®.
Medig.'uaturtoissensehaftl. Sektion des Muaeumevereins in Klausenburg:
Sitzungsberichte. 8 Hefte. 1903. 8^.
K, Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen:
Ovenigt. 1902, No. 6; 1903, No. 1. 1908. ^.
Akctdemie der Wissenschaften in Krakau:
Anseiger. Philolog. Klane 1902, No. 8—10; 1908, No. 1—4.
Mathem.-naturwis8. Klasse 1902, No. 8—10; 1908, No. 1—4. 8°.
Rozprawy filolog. Ser. II, Tom. XX, 1. 1902. 8^.
Rocznik. Rok 1901/02. 1902. ^.
Sprawozdanie komisyi flzyografiezny. Tom. 86. 1902. 8^.
Katalog literatury. Bd. II, Heft 8. 1903. 8^.
Archiv der Stadt Kronstadt:
Quellen zur Geschichte der Stadt Brasso. Band IV. Brasso 1908. gr. 8^.
Sociiti Vaudoise des sdences naturelles in Lausanne:
Balletin. 4« S^rie, Vol. 88, No. 146 (1902); Vol. 39, No. 146 (1908). 8<^.
Kansas University in Lawrence, Kansas:
Bulletin. Yol. 8, No. 6. 1901. 6^.
Sternwarte in Leiden:
Yerslag. Sept. 1900 — Sept. 1902. 1902. 8P.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Berichte der philol.-hist. Klasse. Bd. 20, No. 6; Bd. 21, No. 4; Bd. 20,
No. 1. 1902-08. 4<».
Abbandlongen der math.-phys. Klasse. Bd. 28, No. 1—3. 1902—08. 4<>.
Berichte der philol.-histor. Klasse. Bd. 65, Heft 1—3. 1908. 8®.
Berichte der math.-physik. Klasse. Bd. 64, Heft 6. 7; Bd. 56, Heft 1. 2.
1900—08. 8P.
Fü/rstlich Jäblonowski'sche Gesellschaft in Leipzig:
Jahresbericht. M&rz 1908. 8^^.
Journal für praktische Chemie in Leipzig:
Journal. N. F., Bd, 66, Heft 11. 12; Bd. 67, Heft 1—10. 1902-08. 8^.
K. Sächsische Kommission für Geschichte in Leipzig:
Die Dresdener Bilderbandschrift des Sachsenspiegels yon Karl y. Amira.
(Facsimile-Band), II. Hälfte, gr. fol.
Cuerpo de Ingenieros de Mixas dei Peru in Lima:
Boletin No. 1. 1902. 8^.
Soeiedade de geographia in Lissabon:
Boletim. 21. Serie, 1903, No. 1-8. 8^.
12* Verzeidmis der eingelaufenen Druekeahrißen.
Literary and phüoaophieai Society in Liverpool:
Proceedingri. 91. Session, 1901—02, No. 66. London 1902. 8^.
ünivereiti Catholique in Loewen:
Schriften der Universität aas dem Jahre 1902 — 08.
Zeitschrift „La CelltUe^ in Loevotn:
La Cellule. Tome XIX, 2; XX, 1. 1902. i».
The English HistoriccU Beview in London:
Historical Review. Vol. XVIII, No. 69. 70. 1903. 8*.
Boyäl Society in London:
Year-Book 1908. df^.
Proceedings. Vol. 71, No. 470—476. 1908. S».
The Sob-Mechanics of the üniverse bj Osbome Reynolds. Cambrid^
1908. gr- 80.
22. Ästronomical Society in London:
Monthly Notices. VoL 68, No. 1—7. 1902—03. 8«.
Chemical Society in London:
JoomaL No. 488—487 und Supplementary Namber 1903. S^'.
Proceedings. VoL 18, No. 258-268. 1908. S».
Oeölogical Society in London:
The quarterly Journal Vol. 68, part 1—4. 1902. &^.
Linnean Society in London:
The Journal, a) BoUny. Vol. 36, No. 249. 260. b) Zoology. Vol 28,
No. 186. 1903. 8«.
The Transactions. a) Zoology. Vol. 8, part 9. 10. b) Botany. Vol. 6,
part 4. 5. 1902. 4^
List of the Linnean Society 1902-08. 8^*.
Mediccd and chiruryicäl Society in London:
Medico-chimrgical Transactions. Vol. 85. 1902. 8^.
E. Microscopicäl Society in London:
Journal 1908, part 1—8. S^,
Zoological Society in London:
Proceedings. 1902, Vol. II, part 2. 1908. 8<>.
Transactions. Vol. XVI, part 5. 1902. 4^.
Catalogue of the Library, b^ edit. 1902. Bf^.
Zeitschrift „Nature'^ in London:
Nature. No. 1731— 1767. 1908. 4».
üniversiti in Lyon:
Annales. I. fasc. 10; IL fasc. 9. 10. 1902. 99.
Washbum Observatory in Madison:
Publicationa. Vol. XL 1902. 4«.
Chvemment Museum in Madras:
Bulletin. Vol. IV, No. 8. 1903. 8^.
Versekhnü der eingelaufenen Druekeduriften. 13*
Kodcnkdndl and Madras Oheervatories in Madras:
Annnal Beport for 1902. 1908. foL
22. Äeademia de la hieUiria in Madrid:
Boletin. Tom. 42, onad. 1—6. 1908. gr. &^,
R, letHiUo Lombarde di eciense in Mailand:
Rendioonii. Ser. II, Vol. 85 und Vol. 86, fiuc 1—8. 1908. 8^^.
Memorie. Classe di «cienze storiche. Vol. 21, &8C. 4. 1908. 49.
Indice generale dei lavori dal 1889 al 1900. 1902. 8^.
Sodetä Itaiiana di eciense naturali in Maüand:
Ati. Vol. 41, fasc. 4; Vol. 42, fasc. 1. 1908. 8<>.
Societä Siorica Lombarda in Maüand:
Archiyio Storico Lombardo. Serie III, Anno XXIX, fasc. 86, 1902; XXX,
&8C. 87. 1903. 80.
Literary and phHoeophicäl Society in Manchester:
Memoin and Proceedings. Vol. 47, pari 2—4. 1903. 8^.
Ältertumsverein in Mannheim:
Fonchnngen ZOT Oeachichte Mannheims. Bd.I— m. Leipzig 1898 — 1900. 8^.
Mannheimer GeaohichUbl&tter. Jahrg. I. U. III. 1900— 02u.IVNo. 1. 2. 49.
Kloster Limburg an der Haardt yon W. Manchot. 1892. 4^.
Die Siegeleammlung des Mannheimer Altertumavereins von Friedrich
Walter. 1897. fol.
Römische Denksteine und Inschriften Ton Karl Baumann. 1890. 4^.
Studien zur Geschichte der bildenden Künste in Mannheim von L. Malhy.
1894. 40.
Frankenthaler Gruppen und Figuren von Emil Heuser. Speier 1899. 8®.
Frankenthaler Porzellan von Emil Heuser. 1899. 8®.
Katalog der Bibliothek von Wilh. Caspari. 1894. S<^.
Verzeichnis der Pfälzischen und Badischen Münzen und Medaillen von
Seubert. 1900. 8^.
Bericht über das Vereinsarchiv von Paul Die£fenbacher. 1898. 8^.
Verein für Geschichte der Stadt Meissen in Meissen:
Mitteilungen. Bd. VI, 2. 1902. 8<>.
Boyal Society of Victoria in Melbourne:
Proceedings. Vol. XV, part 2. 1908. 8®.
Acadimie in Metz:
M^moires. Ann^e 29. 1899-1900. 1902. B9.
Instituto geolögico in Mexico:
Boletfn. No. 16. 1902. 4P.
Observatorio meteoroUdgico-magnitieo central in Mexico:
Boletin mensual. Noviembre, Diciembre 1901, Euere 1902. 4^.
Sociedad dentifica „Antonio Älzate" in Mexico:
Memorias y revista. Tomo 17, No. 1—6; Tomo 18, No. 1. 2; Tomo 19,
No. 1. 1902. 89.
14* F«rfM)Mf der emgdaufenen Druekiduißtn.
Sodedad de geografia y estadistica in Mexico:
Boletin. 5« epoca, Tom. I, No. 1. 2. 1902. 8^.
Regia Äeeademia di seienjge lettere ed arH in Modena:
Memorie. Serie II, Vol. XU; Serie HI, Vol. HI, parte 2. 1901—02. 4*.
ÄcadSmie de eäeneee et leWes in M&ntpeüier:
M^moiree. Seetion det tciences. 2* S^rie, Tom. III« No. 2. 1902. 8^.
Soeiiti ImpMaU des Naturdlietes in Moskau:
BuUetiD. Ann^ 1902, No. 8; 1908, No. 1. 1908. ^.
Lieh Observatory in Mount Hamüton, California:
Bolletm. No.27— 86, 88-40. 1902. 49.
Deutseke GeselUchaß für Anthropoilogie in Berlin und Mündun:
CorrespondeniblAtt 88. Jahrg. 1902, No. 4—12. i^.
Hydrotechnisches Bureau in München:
Jahrbach. IV. Jahrg., Heft IV, Teil 1; V. Jahrg., Heft 1. 1902-08. 4«.
Oeneraldirekiion der k. 6. Posten und Tdegrafhen in München:
Nean Nachträge sa den ZeitaDgepreiereneichiiineii. föL
JT hayer. technisehe Hochschule in München:
Personalltand. Winter- Semester 1902/08. 1902. 8^.
Bericht für das Jahr 1901—02.
Programm Wintersemester 1902—08.
Metropolitan'KafUel München^Freising in München:
Schematismus der Geistlichkeit fdr das Jahr 1908. 8^.
Amtsblatt der ErzdiOseae Mfinchen und Freising. 1908, No. 1 — 16. 8*.
Universität in München:
Schriften atts dem Jahre 1902 in 49 n. B9,
Kaufmännischer Verein in München:
29. Jahresberiaht. 1908. B9.
Verlag der Hochschul-Nachriehten in München:
Hochscbul-Nachrichten. 1908, No. 148—160. 162. 168. e9.
Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens in Münster:
ZeiUchrifb. Bd. 60 nnd Register so Bd. 1—60, Liefg. 1. 1902-08. S9.
Acadimie de Stanislas in Nancy:
Mdmoires. V. Sdrie, Tome 19 und Table alphab^tiqae 1760—1900. 1902. SP.
SociHS des scienees in Nancy:
Bulletin. S^rie III, tom. 8, fuc. 2. 8. Paris 1902. 8*.
Accademia delle sciense fisiche e matematiche in Neapel:
Rendiconto. Sdr. III, Vol. 9, ftwc. 1—4. 1903. 99.
Atti. 86t. II, Vol. 11. 1902. 49.
Zoologische StaHon in Neapel:
Mitteilungen. Bd. XV, 4. Beriin 1902. 09.
VerMeUknia der eingelaufenen Drttckschrißen. 15*
GeeelhdMft Phüomaihie in Neisae:
81. Bericht. 1900-02. ^.
InetUute of Engineere in New-CaeUe (uponrTyne):
TransactionB. Vol. 60, pari 7; Vol. 51, part6; Vol. 62, part 2— 4; Vol. 58,
partl. 1902—08. %\
Connectiewt Äcademy of Ärta and Sciences in New-Haven:
Transactions. Vol. XI, 1. 2. 1901—08. 80.
The American Journal of Science in New-Haven:
Journal. IV. Ser. Vol. 15, No. 88—90. 1908. 4".
Obaervatory of the Yäle üniversity in New-Haven:
Transactions. Vol. I, 6. 1903. 4^.
American Orient al Society in New-Haven:
Journal. Vol. 82, 2^ half. 1902. 80.
American Jticieh Historicäl Society in New- York:
Publications. Ko. 10. 1902. 8^.
American Museum of Naiturdl Hietoty in New -York:
Bulletin. Vol. XVT; Vol. XVIII, 1. 1902. 8«
List of Papers published in the Bulletin and Memoire. Vol. I — XVI.
1902. 80.
American Oeographicäl Society in New -York:
Bnlletin. Vol. 34, No. 5; Vol. 36, No. 1. 2. 1902-08. 8<>.
Archaeological Institut of America in Norwood, Mass.:
American Journal of Archaeology. II. Series, Vol. VII, 1. 1908. 8^.
OedlogicaJ Survey of Canada in Ottawa:
Contributions to Canadian Palaeontology. Vol. III. 1902. 4^.
Bodleian Library in Oxford:
Tercentenary of the Bodleian Library, October 1902. 4^.
22. Aceademia di sdense in Padua:
Atti e Memorie. Nuova Serie. Vol. 18. 1902. 8^.
Bedaction der Zeitschrift „Rivista di storiea antica" in Padua:
N. 8. Anno VII, 1—8. 1908. 8«.
Societä Veneto-Trentina di sciense naturali ifi Padua:
Atti. Serie II, Vol. IV, 2. 1902. S».
CircoU) matematico in Palermo:
Rendiconti. Tomo XVJI, 1-^8. 1908. 09.
Acadimie de midecine in Paris:
BaUetin 1908, No. 1—26. 8^.
Academie des sciences in Paris:
Comptes rendus. Tome 186, No. 1—26. 1908. 4^,
16* VerMeiekm$ der emgdaufenen Drudctckriften.
Omiti itUemaitumal de$ poidi et meemree m
Proc^TerUux de« s^anoes 1879. 1880. 8^.
DitreetUm de la Chromque de Framce •» Pans:
La Chroniqae de Frmnce. 8« annte 1902. 8^.
Carnet bibiiographiqQe. 1903. 8^.
ManiUwr ScienHfique tu Paria:
Moniteor. Lirr. 738—788 (JanTier-Join 1908). 1908. 4*.
Muüe Qumet in
Annalet. Biblioth^ue d'^tadea. Tome 14. 1902. ^.
Kerne de rhistoire des r^ligions. Tome 46, No. 1. 2. 1902. 8^.
Muüum d^kistoire natwreUe in Paris:
Balletin. Ann^e 1902, No. 6—8. 1902. 9f^.
SociHi d'anthropölogie in Paris:
Balletiiu. V« S^rie, Tome 8, fa«c. 8. 4. 1902. 8<^.
Memoire!. Tome 2, fasc. 8. 1902. ^.
SoeOU de gSographie in Paris:
La Q^graphie. Tome VI, 2—6; VU, 1. 1902—08. 4^
Sodttl maüihnatitpu de France m Paris:
Balletin. Tom. 80, faic. 4; Tom. 81, £mc. 1. 1902—08. &^.
SoeiiU soologigue de France in Paris:
Balletin. Tome 27. 1902. &^.
Mt^moires. Tome XV. 1902. 8®.
ÄeadSmie Imperiale des seienees in 8i, Petersburg:
Annnaire du Mos^ loologiqae. 1902. Tome VII, No. 3. 4. 1902. 8*.
Comiti gMogique in St. Petersburg:
Ezplorations f^dolofl^ques dana lea r^ont anrif^ret de la Sib^rie
a) Region anrif^re d^JdniMei, livr. 8.
b) , 9 de TAmonr, livr. 8. 1902. 8®.
Kaiserl, Botaniseher Garten in 8t. Petertburg:
Acta. Vol. XXI, 1. 1908. 8«.
Kaiserl. mineralogische GeseUsdiaft in 8t. Petersburg:
Materialien zur Geologie Rusilands. Bd. XXI, 1. 1908. 8^.
Verhandlungen. II. Serie, Bd. 40, Liefjg. 1. 1902. 8^.
PhysikcU.'Chemische Gesellschaft an der kais. Universität 8t. Petenbi»rg:
Schumal. Tom. 84, Liefg. 9; Tom. 85, Liefg. 1—6. 1902. 8^.
Section gtologiqne du cabinet de La Majesti in 8t. Petersburg-
Travaux. Tome 6. 1902. S^.
Academy of natural 8cienees in Philadelphia:
Journal. II. Serie, Vol. XII, 1. 2. 1902. gr. 4«
Proceedinga. Vol. 64, part 2. 3. 1902—03. 4».
VerMeiehnia der eingelaufenen Druekaehriften. 17*
Historieal Society of Penneylvania in Phüadeli^ua:
The Pennsylvania Magaiine of History. Vol. 26, No. 104 (1902); VoL 27,
No. 106. 106, (1903). 8<>.
^^tttfim Aseoeiaiion of the College of Pharmacy in Philadelphia:
Alumni Report Vol. 89, No. 1—6. 1903. 89.
American Phäoeophical Society in Philadelphia:
ProceedingB. VoL 41, No. 170. 171. 1902. 8^
Transactiona. New Series. Vol. XX, 8. 1902. 49.
B. Scuola normale auperiore di Pisa:
Annali. Filosofia e filologia. Vol. XVI. 1902. Q^.
Sodetä Toscana di ecienze naturcdi in Pisa:
Atti. Processi verbali. Vol. XIII, p. 41-188. 1908. 49.
Soeietä Itaiiana di fisica in Pisa:
II nuoYO Cimento. Serie V, Tomo 4, Dicembre 1902; Tomo 6, Qennajo-
Mar«>1908. 8<>.
K. Ch/mnasium in Plauen:
Jahresbericht für 1902/08. 1908. 4^.
Historische Oesellsehaft in Posen:
Zeitschrift. 17. Jahrg., 2. Halbband. 1902. S9.
Historische Monatsblätter. 8. Jahrg., No. 7—12. 1902. d9.
Ästrophysikalisches Observatorium in Potsdam:
Publikationen. Bd. 14 und Photographische Himmelskarte.
Katalog. Bd. III. 1908. 49.
Physikalisch'technische Beichsanstalt in Potsdam:
Die Tätigkeit d.ph78ik..techn.Beichsanatalt im Jahre 1902. Berlin 1908. 4^
Böhmische Kaiser Franz Josef-Akademie in Prag:
Almanach. Ro£. XIIL 1908. 8^
Rozprawy. TMda I, Ro6. X; THda II, Roö. XI; TKda III, Ro6. XI, 1.
1^02 08. 8^.
Vestnfk. Ro6nfk XI. 1902. 89.
Zfbrt, Bibliografie. Bd. II. 1902. 89.
Kol4^, Heraldika I. 1902. 8^.
Spisy Komenskäho. Cfslo 6. 6. 1902. b^.
Bibliot^ka klassiku. Cfslo 6. 7. 1902. 89.
Spfrka pramenäy Skupina I, rada 1, 8. 4, rada II, 4. 6; Sknpina II,
cfslo 6. 1902. 89
Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur
in Prag:
Beiträge zur deutseh-böhm. Volkskunde. Bd. 1, 2 ; Bd. IV, 2. 1902—08. 89.
Rechenschaftsbericht fOr das Jahr 1902. 1908. 8^.
K. Böhmische Oesellsehaft der Wissenschaften in Prag:
Christian Doppler, Über das farbige Licht der Doppelsteme. 1903. 8^.
Jahresbericht fQr das Jahr 1902. 1908. 8^.
Sitzungsberichte 1902. a) Klasse fQr Philosophie.
b) Mathem.-naturw. Klasse. 1908. 8^.
2
18*^ VerMeidmia der angeUmfenen Druektdmften,
Mathematiech-phyHkalittke Gt$emdMft in Prag:
ÖMopit. Bd. 82, No. 1. 2. 1902. 6^.
Lese* und Bedehaile der deutschen Studenten in Prag:
64. Bericht ftber dM Jahr 1902. 1908. 8^
Museum des Königreiche Böhmen in Prag:
ÖMopis. Bd. 76, Heft 6; Bd. 77, Heft 1. 2. 1902-08. 8<>.
K, K, Sternwarte in Prag:
Definitive Resultate ans den Prager Po] Höhen-Messungen Ton L. WeineL
1908. 4P.
Deutsche Karl Ferdinands- Universität in Prag:
Die feierliche Installation des Rektort f&r 1902/08. 1908. 8^.
Personalstand f&r 1902/08. Sfi,
Ordnung der Vorlesungen im Sommer-Semester 1908. 8^.
Verein böhmischer Mathematiker in Prag:
Sbomik. Bd. VI. VII. 1902. 8».
Casopis. Bd. XXXII, 8. 4. 1908. Bfi.
Verein für Natur- und Heilkunde in Presaburg:
Verhandlungen. Bd. XXIII. 1908. 8*.
HisUmsdher Verein in Begensburg:
Verhandlungen. Bd. 64. 1902. 8^.
B3>liotheca nacional in Bio de Janeiro:
Annaes da Bibliotheca Nacional. Vols XV— XXII. 1892— I90O. 8^.
Catalogo da exposicfto permanente dos Cimelios. 1685. 8^.
Montoya, Arte de la lengua tupi ö gnarani. Paris 1876. 8®.
Recenseamento do districto föderal em 1890. 1895. 4^
A Exposi9ao de Obras Publicas em 1875. 1876. 8^.
Observatario in Bio de Janeiro:
Boletim mensal. Julho— Setembro 1902. 1902. 4^.
Geohgical Society of America in Bochester:
Bulletin. Vol. 18. 1902. 8^.
Becde Accademia dei Idneei in Bom:
Annuario 1903. 8^.
Atti. Serie V. Classe di sciense morali. Vol. X, parte 2, Notisie degli
scavi, fasc. 10—12 und Indice, Vol. XI, parte 1, fasc. 1. 2. 1902. 4^.
Atti. Serie V, Rendiconti. Classe di scienze fisiche. Vol. 11, semestre2,
fasc. 12; Vol. 12, semestre 1, fasc 1—11. 1902. 4^.
B. Comitato geohgico d^Italia in Bom:
Bollettino. Anno 1902, No. 4. 8^.
Kaiserl, deutsches archäologisches Institut (röm. Abt.) in Bom:
Mitteilungen. Bd. XVII, üeisc. 3. 4. 1908. 8^.
Societä Italiana deüe scienxe in Bom:
Memorie. Serie III, Tome 12. 1902. 4<>.
Vereeiehnia der eingelaufenen Drueksehriflen, 19*
22. Soeietä Bomana di staria ptUria in Born:
Archivio. Vol. 26, faic 8. 4; e Indice pei tom. 11—25. 1902—08. 8^.
B. Äccademia di aciense degli AgiaJbi in Booereto:
AtU. Serie III, Vol. 8. 9, fasc. 1. 1902—08. 8^.
jScole frangaise dP Extreme-Orient in Saigon:
Inventaire descriptif des Monnments du Gambodge par E. Lanet de
Lajonqai^re. Paris 1902. 4®.
Bulletin. Tom. II, No. 4; Tom. III, No. 1. Hanoi 1902-08. 4«.
NcUunoiaeeneehafiliche Oeeellachaft in St GaUen:
Bericht 1900-01. 1902. 8^.
Academy of Sciences of St. Louis:
Traneactions. Vol. XI, No.6-11; Vol. XII, No. 1-8. 1901-02. 8®.
Instituto y Observatorio de marina de San Fernando (Cadiz):
Anales. Observationes meteorolög. para 1900. 1901. fol.
MtAseu Paülista in S, Paulo:
Revista. Vol. 6. 1902. 8<>.
Universita di Sassari:
Stadi Sassareri. Anno 11, Sez II, fasc. 2. 1902. 8^.
Verein für mecklenburgische Oeschichte in Schwerin:
Mecklenbnrgisches Urkundenbach. Bd. XXI. 1908. 4^.
B, Äccademia dei fisiocritici in Siena:
Atti. Serie IV, Vol. 14, No. 1—10 e an Supplemente 1902. 4P.
K. K. archäologisches Museum in Spalato:
Bullettino di Archeologia. Anno XXV, No. 12; XXVI, No. 1. 2 e Indice
generale 1878-1900. 1902—08. 8^.
K. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademie in Stockholm:
Antiqaarisk Tidskrift. Deel XVII, 1. 1902. 8^.
K Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
Asironomiska Jakttagelser. Bd. VI, 2. 4; Bd. VII. 1898—1908. 40.
Meieorologiska Jakttagelser. Bd. 40. 41 (1878—1899). 1902. 4P.
Handlingar. N. F. Vol. 69 (1902). 1902—08. 8°.
Oeologiska Förening in Stockholm:
FQrhandlingar. Bd. 24, Heft 7; Bd. 26, Heft 1—4. 1903. 8».
Gesellschaft sur Förderung der Wissenschaften in Strassburg:
Monatsbericht. Bd. 86, Heft 10; Bd. 87, Heft 1—4. 1908. 8^.
Kaiserl. Universität Strassburg:
Das Stiftungsfest am 1. Mai 1908. S^.
K. württemb. statistisches Landesamt in Stuttgart:
Beschreibung des Oberamts Heilbronn. 1906. 8®.
WQrttembergiBche Jahrbücher für Statistik. Jahrg. 1902. 1908. 4^.
20* VefMeidmii der eingdaufenen Druektdunften,
Department of Minea amd Agrieuliure of NeuhSoulthrWäle» in Sydntif:
Annaal Report for the year 1902. 1908. fol.
Linnean Society of NeW'SoiUhrWaiee in Sydney:
Proceedings. Vol. XXVI, partS mad Sapplement zu pari 3; V0I.XXVII
partl. 1902. 6<».
ObaervcUorio (utronömieo naeionäl in Tacubaya:
Aiio XXIII. Mexico 1902. 99.
Kaukasisches Museum in Tiflis:
Die SunmluDgen des Kaukasiechen Museoms in Tiflis. Bd. V. 1902. 4f
EarthquaJce Investigatüm Committee in Tokyo:
Pablicationi. No. 7. 10—15. 1902—03. 4«.
Deutsche Oesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo:
Mitteilanf^en. Bd. IX, Teil 2. 1903. 8^.
Kaiserl. Universität in Tokyo (Japan):
The Journal of the College of Science. Vol. XVl, 15; Vol. XVIII, 1.
1903. 40.
Canadian InstUuJte in Toronto:
ProceedingB. Vol. II, 5. 1902. 8<^.
Transactiont. Vol. VII, 2. 1902. 80.
üniversiiy in ToronU):
a) Biolog. Seriea No. 3; b) Psycholog. Serie« Vol. 2, No. 1; c) Geolog-
Series No. 2. 1901. 4».
Universiti in Toulouse:
Annales du Midi. No. 65—57. 1902—03. S^.
Annales de la faculte des sciencei. II* S^rie. Tom. 4, fasc. 3. 4. 1902. 4^.
Bibliothbque mt^ridionale. Sörie II, Tom. 8. 1903. 8^.
Biblioieca e Museo comunaU in Trisni:
ArchiYio Trentino. Anno XVII, fasc. 2. 1903. 6^.
Aesoeiazione wtedica Triestina in Triest:
Bollettino. 1901—02. Annala 5. 1902. 8®.
B. Äccadetnia deUe scieme in Turin:
Oaseirazioni meteorologicbe fatte nell* anno 1902. 1903. 8^.
Atti. Vol. 38, disp. 1—7. 1903. 8^.
Memorie. Serie II, Tom. 52. 1903. 4^.
R, Aecademia d'agrieultura in Turin:
Annali. Vol. 44. 45. 1902-03. 8«.
Verein für Kunst und Altertum in Ulm:
Mitteilungen. Heft 10. 1902. 4».
Führer durch die Sammlungen des Gewerbemuseums. 1903. 8^.
Humanistika Vetenkapssamfund in Upsala:
Skrifter. Bd. VU. 1901—02. 8«.
Verzeiehfda der eingelaufenen Druchsthriften. 21*
Meteorolog, Ob$ervatmium der ünwersUät üpecda:
Rapport anr les obserrations internationalei dei nuages par Hildebrand
Hildebrandsson 1903. 8^
K, Universität in Upsala:
Angermanälfens flodomr&de. Af Karl Ableniüs. 1903. 8^.
Historisch Genaotschap in Utrecht:
Bijdragen en Mededeelingen. Deel XXIII. Amsterdam. 1902. 8^.
Werken. III. Serie, Nr. 16. Amsterdam. 1901. 8^
Institut Boy cd Meteorologique des Pays-Bas in Utrecht:
Anniiaire Mdtdorologique poar 1900 et 1901. 1902. 4P.
Äteneo Veneto in Venedig:
UAteneo Veneto. Anno 28, Vol. 1, 2; Anno 24, Vol. 1. 2; Anno 25, Vol. 1
und Jadice zu 1812—1890. 1900-1902. 8«.
B. Istituto Veneto di scienze in Venedig:
Atti. Tom. 69, No. 3—10; Tom. 60, No. 1—10; Tom. 61, No. 1—9; 1900
bis 1902. 8«.
Memorie. Vol. 26, No. 6—8. 1901—02. 4«.
Accademia di Scienze in Verona:
Atti e Memorie. Indice dei volumi I— LXXV. 1903. SP.
Bureau of American Ethnology in Washington:
Bulletin. No. 27 : Tsimsbian Texts. 1902. 4<).
Bureau of Education in Washington:
Annual Report 1900-01. Vol. 2. 1902. 8«.
Departement of the Interior in Washington:
Report of the Commissioner of Education for the jear 1900—01. Vol. I.
1902. 8®.
Smithsonian Institution in WaMngUm:
Annual Report 1900—01. 1902. 8^.
U, 8, Naval Ohservatory in Washington:
Report of the Superin tondent. June 80, 1902. 8^.
Phihsophicai Society in Washington:
Bulletin. Vol. 14, p. 206—232. 1903. 8^.
U. S, Coast and Geodetic Survey in Washington:
Lift and Catalogue of the Fublications. 1816—1902. 1902. 4^.
United States Oeological Survey in Washington:
Monographs. Vol. 41. 1902. 49.
XXI. Annual Report 1899/1900. Part. III.
XXII. , , 1900/01. Part. I. II. IV.
XXIII. , , 1901/02. 1901—02. 4*.
Harzverein fO^r Geschichte in Wernigerode:
Zeitschrift. Jahrg. 85, Heft 2. 1902. 8^
22* VerMeidmia der erngdaufenen Druekmikr^ien*
KaUerl. Akademie der Wmenschaflen in Wien:
Sitnmgiberiohte. Phüot.-hiBt. Klasse. Bd. 144. 1902. 8®.
Abt I, Bd. 110, No. 8—10; Bd. 111, No. 1-3.
, IIa. , 111, , 1—4.
. IIb, . 110, , 10; Bd. 111, No. 1—8. 1901-02. 8*.
Denkschriften. Philoa.-hist Klasse. Bd. 48. 1902. 49.
Almanach. 61. Jabrg. 1901. 8®.
JC K, geologisehe EeicheanetaU in Wien:
Jahrbnch. Jahrg. 1901. Bd. 61, Heft 8.
Verhandlangen 1902: No. 11—18; 1903: No. 1—8. 4^
Mitteilnngen der Erdbebeokommission. N. F. No. TX. 1902. 8^.
Sfldarabische Expedition. Bd. 6. Teil 1. 1908. l^.
K. K, Oradmeseunge-Kommission in Wien:
Astronomische Arbeiten. Bd. XII. 1900. 4P,
K. K. Oeeeüsehaft der Äergte in Wien:
Wiener klinische Wochenschrift. 1908, No. 1—26. 4<^.
ZooHogisch-botanische OeedMutft in Wien:
Verhandlungen. Bd. 62, Heft 10; Bd. 68, Heft l-'4. 1902— <». 8>.
Abhandlangen. Bd. II, Heft 2. 1908. 4*.
K. JT. müüär-geographiechee Instüut in Wien:
Die astronomisch-geodfttische Arbeiten. Bd. XIX. 1902. 49.
K. K. naJturhietoriechee Eofmuseum in Wien:
Annalen. Bd. XVII, No. 3. 4; Bd. XVm, No. 1. 1902-03. 4^.
Verein für Naesauische Altertumskunde etc. in Wieebaden:
Annalen. 33. Bd., Heft 1 1902. 1903. gr. 8^.
Mitteilungen 1902/08, No. 1—4. gr. 8^.
6. Jahresbericht der historischen Kommission für Nassau. 1902. 8^.
Historischer Verein von ünterfranken in Würgburg:
Archiv. Bd. 44. 1902. ^.
Jahresbericht fOr 1901. 1902. 8^.
Antiquarische Gesellschaft in Zürich:
Mitteilungen. Bd. XXVI, Heft 1. 1903. 49.
Naturforschende GeseHsdhaft in Zikrith:
Nei^ahrsblatt auf das Jahr 1908. 4®.
Vierteljahrsschrift. 47. Jahrg., Heft 8. 4. 1908. 8^.
Schweizerische geologische Kommission in Zürich:
Beiträge cur geologischen Karte der Schweis.
Karte: RoUier Ennrons de Montier,
, Belle lay
Mahlberg, Layem mit Erl&uterungen. Bern 1902.
Schweizerisches Landeemuseum in Zürich:
Anzeiger Hlr Schweiserische Altertumsknnde. N. F. Bd. IV, No. 4.
1903. 4».
z
Verzeichnia der eingelaufenen Druckschriften, 23*
Von folgenden Privatpersonen:
Le Prince Albert de Monaco:
R^ultate des campagnes acientifiqnes. Faic. XXII. Monaco 1902. gr. 4^
Chraf 8. S. Ahamelek-Laxarew in Moskau:
30 Jahre der Spezi alklassen des Lazarewski Institut für Orientalische
Sprachen. Moskau 1903. 8^ (in russ. Sprache).
Buchhandlung Joh, Atnbrositu Barth in Leipsig:
Oskar Bau in Prag: Yersnche über die Verwendung pflanzlicher Stoffe.
Jena 1902. 8<>.
Beiblatter zu den Annalen der Physik. Bd. 27, Heft 1—6. Leipzig 1903. 8^
Carl de Boor in Berlin:
Excerpta de Legationibus. 2 Bde. Berolini 1903. ^,
Walther Nie, Clemm in Darmstadt:
Die Gallensteinkrankheit. Berlin 1908. 8^.
F, Czapek in Prag:
Unternehmungen tlber die Stickstoffgewinnung und Eiweissbildung der
Schimmelpilze. No. II. III. Braunschweig 1902. 8^.
Arthur J. Evans in Oxford:
The Palace of Enossos. Athen 1902. 4®.
Verlagsbuchhandiung Cfustav Fischer in Jena:
Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Bd. 18, No. 14—40. Jena 1903. 4^.
Bichard Forster in Wien:
Die dritte Bewegung unserer Erde. Wien 1903. 8^
0. Franke in Berlin:
Die Rechtsyerhältnisse am Grundeigentum in China. Leipzig 1903. 8^.
Albert Oaudry in Paris:
Contribution & Thistoire des hommes fossiles. Paris 1908. 8^.
P. J. Qeorgievskij in Petersburg:
Bibliographie der russischen ökonomischen Literatur (in russ. Sprache).
Heft 1. Petersburg 1903. B^.
3fm# Tw Godin in Ouise (Aisne):
Le Devoir. Tom. 27 Janvier— Juin. 1903. Guise. 8®.
Ernst Haeckel in Jena:
Kunstformen der Natur. Liefg. 8. Leipzig 1903. fol.
Carl Justi in Bonn:
Diego Yelazquez und sein Jahrhundert. 2 Bde. Bonn 1908. 8^.
H, Kern in Utrecht:
Rämayana oudjavansch Heldendicht üitgegeven door H. Kern. s*Gra?en-
hage 1900. 4^.
24^ yerMe%€hni» der dng€kmfen€H DruckB^rifien.
R, Kraus in Wien:
Cber die Bildung von Immunsabstanzen gegen dai LjasaTimi. Leipzig
1902. 80.
Über den Nachweis Ton Schatutoffen gegen Hundswut beim Measchei.
Jena 1902. 8^.
Karl Krumhaeher in München:
Byxantiniscbe ZeiUchrift. Bd. XII, 1. 2. Leipzig 1908. 8^.
Eduard Loetoenthai in Berlin:
Organische Neabildang und Regeneration oder die Biologie im LicbU
der Falgoro-Qeneeis. Berlin 1903. 8^.
E, von Meyer in Dresden:
Aas Justos Liebigs Lehr- und Wanderjahren. Leipsig 1903. 8^.
Middendorp in Groningen:
Ätiologie de la Tnberkalose. Paris 1902. dP,
Gabriel Monod in Versailles:
Kerne historiqne. Ann^e XXVIII, No. 1.
Frederiek Morgan Padelford in Washington:
EssajB on the Stndy and Use of Poetry bj Platarch and Basil ihe Grea.
New-Tork 1902. 80.
Verlagsbuchhandlung Dietrich Beimer in Beriin:
Zeitschrift fflr afrikanische, oseanische und ostasiatische Sprachen. 6. Jahr-
gang, 4. Heft Berlin 1902. 8^.
K. Schumann in Berlin:
Monatsschrift für Kakteenkunde. Bd. XL XIL Nendamm 1901—02. 8*.
Verlag von Seitz dt Schauer in München:
Deutsche Praxis. 1903, No. 2—12. München. 80.
B. Q. Teubner in Leipzig:
Archiv der Mathematik und Physik. III. Reihe, 4. Bd., 3. and i Heft;
6. Bd., 1. bis 4. Heft. Leipsig und Berlin 1903. 8^.
Encyklop&die der mathematischen Wissenschaften. Bd. III, 2, Heft 1;
Bd. IV, 2, Heft 2; Bd. V, 1, Heft 1. Leipzig 1903. 8«.
Thesaurus linguae latinae. Vol. 2, fasc. 6. Lipsiae 1903. 4^.
Otto Wälkhoff in München:
Menschenaffen. Liefrg. IV. Wiesbaden 190S. 4^.
E, V. Wölfflin in München:
Archiv für lateinische Lexikographie. Bd. XIII, 2. Leipsig 1903. Bf^.
25*
Verzeiehnis der eingelaufenen Dracksehriflen
Juli biB Dezember 1908.
Die T6r«hrUeh6ii Ctoaellseluiften und Institut«, mit welchen unsere Akademie in
Tauaehrerkebr etekt, werden gebeten, nAebetehendes Yeneicbttis sugleich ela Empiknga-
bestltignng so betrsebten.
Von folgenden Oesellsehafton und Instf taten:
üniveraity of Aberdeen:
Stodies. No. 6. 7. 1902. 40.
Boyai Society of South- ÄustraUa in Adelaide:
Transactions. Vol. 27, part 1. 1903. 8<^.
Sadslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:
Ljetopia. 1902. 190?. 8^
Rad. Vol. 152. 1908. 8<^.
Zbornik. Bd. Vm, 1. 1908. 80.
K. kroat.'Slavon.'daimatinisches Landesarchiv in Agram:
VjestDik. Bd. V, Heft 4. 1903. 4^
Aeadimie des Sciences in Aix:
M^moires. Tom. 18. 1902. S^.
AÜegheny Observatory in Allegheny:
Miflcellaneous scientific Papers. N. 8. No. 11—14. 1908. 8^.
Sociiti des Antiquaires de Picardie in Amiens:
Bolletin. Ann^e 1901, No. 4; 1902, No. 1-4; 1908, No. 1. 1902-03. 80.
K. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam:
Verhandelingen. Afd. Nataurkande. Deel VIII, No. 8—5, Deal IX, No. 4—9.
1908. 4^.
Verhandelingen. Afd. Letterkunde. N.Reeks, DeellV, 1; V,l— 8. 1903. 4^.
Zittingsverslagen. Afd. Natnurkunde. Teil XI, 1. 2. 1902—03. 8^.
Verslagen en Mededeelingen. Afd. Letterkunde. 4« Reeks, Deel V.
Jaarboek voor 1902. 1908. S^,
Feriae aestivae. Carmen. 1908. 8^.
Historischer Verein für Schwaben und Neuburg in Augsburg:
Zeiteehrift. 29. Jahrgang. 1908. 8<^.
8
26"^ Veneidmia der eingdaufen^n Druekithriften.
Johna Hophins Universüy in Baltimare:
Circalars. Vol. 22, No. 168. 164. 1908. 49,
Bulletin of the Johna Hopkint Hospital. Vol. 14, No. 147—152. 1903. 4^
Peapody Institute in Baltimore:
86^ annaal Report, Jane 1. 1908. &^.
Kgl, Bibliotheh in Bamberg:
Katalog der Handichriften. Bd. 1, Abt. 1, Lief. 8. 1903. 8®.
Historischer Verein in Bamberg:
61. Bericht f. d. Jahr 1902. 1908. 8<>.
Historisch-antiquarische Gesellschaft in Basel:
Basler Zeitschrift für Geschichte. Bd. III, Heft 1. 1908. €fi.
Üniversitätsbibliotheh in Basel:
Schriften der Universität aas dem Jahre 1902 — 8 in 4^ a. 8^.
Bataviaasch Genootschap van Künsten en Wetensdiappen in Batavia:
Tijdschrift. Deel 46, aH. 2 -5. 1903. S^.
totalen. Deel 40, afl. 4; Deel 41, afl. 1. 1908. S^.
Dagh-Register gehoaden int Gast eel Batavia. Anno 1644—45, 1676.
1903. 40.
Proeve eener Ned.-Indische Bibliographie 1659— 1870. Suppl.II. 1903. 4^.
Observatory in Batavia:
Observation!. Vol. XXIV, 1901. 1903. fol.
Kgl, natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch Indie zu Batavia:
Natuurkundig Tijdschrift. Deel 62. Weltevreden 1903. 8^.
K Serhiscfie Akademie der Wissenschaften in Belgrad:
Glas. No. 65. 66. 1903. S^.
Spomenik. No. XXXIX. XL. 1903. 4fi,
Godiscbniak. XV, 1901; XVI, 1902. 80.
Sbornik. Bd. 2. 1903. 8*.
Srpske etnografski Sbornik. Bd. V mit einem Atlas. 1908 in 09 (resp. 4^).
Mtiseum in Bergen (Norwegen):
Aarbog far 1902, Heft 1 a. 2. 1908. 8^.
üniversity of California in Berkeley:
Schriften aas d. Jahre 1902—08.
K. preuss. Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Sitzangsberichte. 1903, No. XXV— XL. gr. 8®.
Inscriptiones graecae. Vol. XII, fasc. V, pars 1. 1903. fol.
K, geolog, Landesanstalt und Bergakademie in Berlin:
Abhandlungen. N. F., Heft 18, No. 38 nebst Atlas »u No. 88. 1908. 4«
Abbildungen und Beschreibungen fossiler Pflanzen. Liefg. 1. 1908. 4*.
Deutsche chemische Gesellschaft in Berlin:
Berichte. 36. Jahrg,, No. 10—17. 1908. 8*.
Deutsche geologische Gesellschaft in Berlin:
Zeitschrift. Bd. 55, Heft 1. 2. 1908. 8».
Vereeichnis der eingelaufenen Druchsehriften. 27*
Deutsche physikcHiscke Oesellsehaft in Berlin:
Die Fortschritte der Physik im Jahre 1902. 8 Teile. Brannschweig 1903. 8<^.
Verhandlangen. Jahrg. Y, No. 12-28. 1908. 8^.
Phyeiölogisciu Qeselhehaft in Berlin:
Zentralblatt för Physiologie. Vol. XVII, No. 7—10. 12—19. 1908. S^.
Verhandlungen. Jahrg. 1902/03, No. 10— U. 1903. 8®.
Kaiserlich deiUsches arehäohgisehes Institut in Berlin:
Jahrhuch. Bd. XVIII, Heft 2 u. 8. 1908. 4«.
K, preuss, geodätisches Institut in Berlin:
Veröffentlichnng. N. F., No. 18. Potsdam 1903. 8^.
K. preuss. meteorologisches Institut in Berlin:
Denteches meteorologisches Jahrbach für 1902. Heft 1. Preaisen und
benachbarte Staaten. 1903. 4^.
Regenkarte der Provinzen Hessen-Nassaa and Rheinland. 1908. 8®.
Bericht Ober das Jahr 1902. 1903. 8^.
Ergebnisse der Gewitterbeobachtungen im Jahre 1898—1900 von R. Süring.
1908. 40.
Ergebnisse der Niederschlagsbeobachtungen in den Jahren 1899 a. 1900.
1908. 40.
Ergebnisse der Beobachtungen an den Stationen. II, u. III. Ordnung im
Jahre 1898. 1908. 4^
Bericht des Internationalen meteorologischen Komitees. Versammlung zu
St Petersburg 1899. 1900.
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik in Berlin:
Jahrbach. Bd. 82, Heft 1 a. 2. 1908. 8^
Physikalrtechn, BeicJhsanstait in Berlin:
Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. IV, Heft 1. 1904. 4^.
Verein eur Beförderung des Gartenbaues in den preuss, Staaten
in Berlin:
Gartenflora; Jahrg. 1908, Heft 13—24. 1903. gr. 8«.
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zar Brandenburgischen und Preussischen Geschichte. Bd. XVI,
2. Hälfte. Leipzig 1903. 8^.
Zeitschrift für Instrumentenkunde in Berlin:
Zeitschrift. 23. Jahrg., 1908, Heft 7-11. 4«.
Allgemeine gesehichts forschende Gesellschaft der Schweiz in Bern:
Jahrbach für Schweizerische Geschichte. 28. Bd. Zürich 1908. 8^.
Historischer Verein in Bern:
Archiv. Bd. XVII, Heft 1. 1903. 8«.
Natural History and PhÜosophicdl Society in Birmingham:
Proceedings. Vol. XI, part 2. 1902. 8<'.
Foreign Parcel Department in Bombay:
Tibetan English Dictionary by Sarat Chandra Da?. Calcaita 1002. 4<^.
3*
28* VerMeUhma der eingdaufenen Druekädiriften,
UmoerMH in Botm:
Sohriften ans dem Jahre 1902/08 in 4^ a. 8<^.
Verein von Ältertumsfreunden im Bheifäande in Bonn:
Bonner Jahrbflcher. Heft HO. 1908. 4^
SodiU des sciences physiques et naturelles in Bordeaux:
Proc^-yerbaax des Sdances. Annde 1901—02. Parii 1902. 8^.
M^moiret. 6* S^rie, Tom II, cahier 1. Paris 1903. 8°.
Obaervationa pluTiom^triques 1902. 8^.
SoeOti Linnienne in Bordeaux:
Actes. No. 57. 1902. &^.
SocOti de giographie eommerciale in Bordeaux:
Bulletin. 1908, No. 18—24. 8<^.
American Äeademg of Arte and Sciences in Boston:
Proceedings. Vol. 88, No. 26—80; Vol. 89, No. 1—8. 1903. 69.
Boston Society of natural History in Boston:
Proceedings. Vol. 80, No. 8— 7; Vol. 31, No. 1. 1902—08. 8*.
Memoirs. Vol. 5, No. 8. 9.
Meteorologisches Observatorium in Bremen:
Deutsches meteorolof^isches Jahrbuch fQr 1902. Freie Hansestadt BremeiL
Jahrg. XIII. 1903. 40.
ScMesische Gesellschaft für vaterländische Kultur in Breslau:
80. Jahresbericht für 1902. 1908. 8^.
Deutscher Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens
in Brunft:
ZeiUchrift VII. Jahrg., Heft 8. 4. 1908. gr. 8^.
Mährisches Landesmuseum in Brunn:
Zeitschrift. Bd. 111, 1. 2. 1908. 8<>.
Casopis. Vol. III, 1. 2. 1908, 8*.
Acadimie Boyäle de nUdeeine in Brüssel:
M^moires couronnäs. Tom. 18, fasc. 8 — 6. 1908. 8®.
Bulletin. IV. S^rie, Tom. 17, No. 6—10. 1908. 8^.
Acadlmie Boyale des sciences in Brüssel:
Mdmoires couronnds in 4^. Tom. 61, Tom. 62, fasc. 3. 4.
MtSraoires couronn^ä in 8^ Tom. 63, fasc. 4—7. 1908. 8®.
Bulletin, a) Clasie des lettres 1908, No. 6—10. 8®.
b) Classe des sciences 1908, No. 6—10. 8®.
Chartas du Chapitre de Sainte-Wandru de Mons. Tom. 2. 1908. 4®-
Jardin botanique de Vitat in Brikssel:
Bulletin. Vol. I, fasc. 4. 1903. 8**.
Societe beige d'asironomie in Brüssd:
Bulletin. VIII« ann^e, No. 9-11. 1903. 8«.
Sodäi des Bollandistes in Brüssel:
AnalecU Bollandiana. Tom. XXII, fasc. 8. 4. 1903. 8^.
Vergeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 29*
SociitS beige de gMogie in Brüssel:
BoUetin. XVII« ann^e, Tom. 17, fasc. 8. 4. 1908. e9.
Sociiti Boyäle malacdlogique de Belgique in Brüssel:
Annales. Tom. 37, annöe 1902. 1903. 8<^.
K, ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest:
Almanach. 1908. ^,
Njelytudomänji EGzlem^nyek. (Sprachwissenschaftliche Mitteilangen.)
Tom. XXII, 2—4; XXIII, 1. 1902—03. 89.
Öorpns statutomm Hungariae Municipalium. Vol. V, 1. 1902. 8®.
Archaeologiai ^rtekez^sek. (Archftolog. Anzeiger.) Nene Folge. Bd. XXII,
4. 6; Bd. XXIII, 1. 2. 1902—08. 4P.
Tanadalmi Ertekezäsek. (Staatswissenschaftl. Abhandinngen.) Bd. XII,
8. 9. 1903. 8*.
Nyelvtndom&nyi ^rtekez^sek. (Sprachwissenschaftliche Abhandinngen.)
Tom. XVIII, No. 1—5. 1902-03. 8«.
Magyarorszagi tanulök külfbldön. (ungarische Studierende im Aasland.)
1902. 80.
Monumenta Hnngariae historica, Sectio I, Vol. 31. 1903. 8®.
Mathematikai Ertesitö. (Mathemat. Anzeiger.) XX, 3—6; XXI, 1. 2.
1902—03. 80.
Mathematische and natnrwissenscbaftl. Berichte ans Ungarn. Bd. 18.
Leipzig 1903. 8«.
Rapport. 1902. 8^.
Munkäcsi B., Vognl ndpköltesi giijtem^nj. 1902. 8^.
Goldziher J., baddhismas hat&sa. 1908. 8®.
K. Ungar, geologische Anstalt in Budapest:
Földtani Közlöny. Bd. XXIII, Heft 6—9. 1903. gr. 8^
Alezander ▼. Kalecsinssky, Die Mineralkohlen. 1903. gr. 8^.
Statistisches Bureau der Haupt- und Besidemstadt Budapest:
Publikationen. Vol. XXXII; XXXIII, I, 1; XXXVI. 1902-03. 4».
Ministerio de agricultura in Buenos Aires:
Glima de la Republica Argentina. 1902. fol.
Museo nadonaA in Buenos Aires:
Anales. III. Serie, Tom. I, 2. 1902. 4^.
Deutsche akademische Vereinigung in Buenos Aires:
Veröffentlichungen. Bd. I, Heft 7. 1903. 80.
Botanischer Garten in Buitenzoorg (Java):
Mededeelingen. No. LXI, LXIV, LXV. Batavia 1903. 4«.
Bulletin. No. 17. 1903. 4».
Academia Bomana in Bukarest:
Analele. Ser. II, Tom. 24. 1901—02 sectiunii istorice.
« , 9 26. 1902—08 sectiunii Literare.
. , , 24.25. 1901— 03 sectiunii scintifice. 1902-03. 4».
Istoriile lu6 Erodot, traducere romänä de Dimitrie Jon Ghica. Vol. 4,
1902. 80.
Discursuri de receptiune. XXV. 1908. 40.
30* Verzeichnis der eingelaufenen BruckschrifUn.
Bumänischea meteorohgischea Institut in Bukarest:
Analele. Tom. XVI, anal 1900. 1903. 4^.
Index des publications de Tlnstitut m^tdorologiqne de Romanie. 1903. 8®.
Sociiti Linnienne de Normandie in Caen:
Bulletin. 5* S^rie, Vol. 5, ann^e 1902. 1903. 8^.
Meteorologiccd Department of the Government of India in Caleutta:
Monthly Weather Re?iew 1903. Januray — June und Summary Report
zu 1902. 1903. fol.
Indian Meteorolofifical Memoire. Vol. XIV; XV, 1.2; XVI. 1. 1902—03. fol.
Report on tbe Administration in 1902/03. 1903. fol.
Memorandum on the meteorological Gonditions prevailing in the Indian
Monsoon Region. 1903. Simla 1903. fol.
Äsiatic Society of Bengdl in CdlctUta:
Bibliotheca Indica. New. Ser., No. 1036—1048. 1903. 8®.
Journal. No. 402. 407—09. Hertford 1902-03. 8®.
Proceedings. 1902, No. XI; 1903, No. I— V. 1903. 8^
Harvard College in Cambridge, Mass,:
Harvard Oriental Series. Vol. IV. 1901. 8®.
Museum of comparative Zoology at Harvard College in Cambridge, Mass.:
Bulletin. Vol. 39, No. 6. 7; Vol. 40, No. 7 und Vol. 42, No. 2—4. 1903. 6«
Astronomical Ohservatory of Harvard College in Cambridge, Mass.:
Annais. Vol. 48, No. 3. 4. 1903. 4^.
Circulars. No. 51— 71. 1900—03. 4».
PhilosophicoLl Society in Cambridge:
List of Fellows. August 1903. 8°.
Proceedings. Vol. 12, part 1. 1903. 8<>.
Geological Commission, Colony of the Cape of Good Hope in Cape Town:
Annual Report for 1901. 1902. 1902—08. 4«.
Äccademia Gioenia di scienze naturcdi in Catania:
Bollettino mensile. Nuova Ser., iasc. 77. 78. 1908. 8^.
K, sächsisches meteorologisches Institut in Chemnitz:
Dekaden-Monatsberichte. Jahrg. V, 1902. 1903. 4P.
Das Klima des Königreiches Sachsen. Heft VII. 1903. 4^.
Jahrbuch. Jahrg. XVII, 1899, IL Abteilung. 1902. 4».
Abhandlungen. Kritische Bearbeitung der Luftdruckmessungen im König-
reich Sachsen 1866—1900. 1903. 4^.
Field Columbian Museum in Chicago:
Publications. No. 69— 74. 76. 1903. 8».
Zeitschrift y,AstrophysicaJ> Journal'' in Chicago:
Vol. 18, No. 1—6. 1903. gr. 8^.
Gesellschaft der Wissenschaften in Christiania:
Forhandlingar for 1902. 8<>.
Skrifter. I. Mathem.-naturwiss. Klasse 1902.
II. Histor.-filos. Klasse 1902. 1908. 4^.
Vereekhnis der eingelaufenen Druekeehriften, 31*
K, Nonoegieeke UniverHtät in Christiania:
J. Fr. Schroeter, üntersuchaDg Aber die Eigenbewegung von Sternen.
1908. gr. 40.
ümversity of Gincinnati in Cincinnati:
BuUetin. No. 1. 8. 7. 14. 1900—02. 8».
Ärchaeological Inatitute of America in Cleveland, Ohio:
American Journal ofArcbaeology. II. Ser., Vol. VII, No. 2. Norwoodl908. 8^.
Äcademia naeional de ciencias in Cordoba (BepMic Argentinien):
Boletin. Tom. XVII, 8. Baenoa Aires 1908. 8^.
Westpreuasischer GesehidfUsverein in Danzig:
Mitteüongen. Jahrg. II, No. 8. 4. 1908. 8^.
Kaiserl. Gouvernement von Deutseh-Oetafrika in Dar^eS'Sälam:
Berichte über Land- und Forstwirtschaft in Deutsch-Ostafrika. Bd. 1,
Heft 6. Heidelberg 1908. 8^.
Colorado Scientific Society in Denver ^ Colorado:
Proceedings. Vol. 7, p. 85—188. 1908. 8®.
Verein für Änhaltische Geschichte in Dessau:
Mitteilungen. Bd. IX, 6. 1908. 8^.
Union giographique du N&rd de la JFVance in Douai:
Bulletin. Tom. XXIV, 1; Tom. XXV, 2. 4. 1908. S^.
K. sächsischer Ältertumsverein in Dresden:
Neues Archiv für sächsische Geschichte. Bd. XXIV. 1903. 8^.
Boy dl Irish Äcademy in Dublin:
Proceedings. Ser. III, Vol. 24, Sect. A, part 2; Vol. 24, Sect. B, part8;
Vol. 24, Sect. C, part 8. 1908. 8«.
Transactions. Vol. XXXII, parte, Sect. A; part 1, Sect. G. 1908. 4^.
American Chemical Society in Easton, Pa,:
The Journal. Vol. XXV, No. 6— H u. Suppl. zu No. 9. 1903. 8®.
Boy cd Society in Edinburgh:
Proceedings. Vol. XXIV, No. 6. 1908. 8<>.
Geologicäl Society in Edinburgh:
Transactions. Vol. VIII, part II u. Spezial-Part. 1908. 8^.
Boyal Physicäl Society in Edinburgh:
Proceedings. Session 1901—02. 1908. 8«.
Verein für Geschichte der Chrafschaft Mansfeld in Eisleben:
Mansfelder Blätter. Jahrg. VIL 1903. 8».
Naturforschende Gesellschaft in Emden:
87. Jahresbericht für 1901/02. 1903. 8^.
K, Universitätsbibliothek in Erlangen:
Schriften aus d. J. 1902/08 in 4* u. 8^
32* VergeidmU der eim^daufenen Druckickriftem.
Beate Äeeademia dei Choffoßi in Hörens:
Atii. 8er. iV, VoL XXYI, disp. 8. 1908. 8^.
R, Isiituto di studi superiori in Florens:
Theodori Ducae Lascari« Epistnlae CCXVII ed. Nie Festa. 1898. 4*
Ferd. Livini, Intorno alla strattiira della trachaea. 1897. 4®.
Oreste Maitirolo, Cenni cronologici engli orti botanici di Firenie. 1899. 4^
Q. Galeotti e 0. PolTerini, 8ai primi 176 caii de pesie bubonica in Bom-
bay 1898. 40.
Societä Asiatica Italiana in Flarens:
Giornale. Vol. XVI, 1. RomaFirense 1908. 8<^.
Verein für GeeehieKte und Altertumskunde in Frankfurt a/M.:
FesUchrift zar Feier de« 25 jährigen hiatorischen Mntenms. 19(fö. 4*.
Naturwissensehaftlieher Verein in Frankfurt a. O,:
Helios. 20. Bd. Berlin 1908. B^.
Naturforschende OeseUschaft in Freiburg t. Br,:
Berichte. Bd. 18. 1908. 8«.
Universität in Freiburg i. Br,:
Schriften aus d. J. 1902—03 in A^ o. 8<>.
Universität Freiburg in der Schweiz:
G. Michaut, Sainte-Beuve avant les «Lündis*. 1908. 8^.
Comiti der Graebe-Feier in Genf:
Graebe-Feier, Kassel 20. Sept. 1908. 8^
Universität in Genf:
Schriften ans d. J. 1902-03 in 4" u. 8^.
Sociiti d'histoire et ^arehMogie in Genf:
Bulletin. Tom. II, a 1908. 8^.
Universität in Giessen:
Schriften aus d. J. 1902—08 in 4^ n. 8<>.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen:
Göttingische gelehrte Anzeigen. 1908, No.7— 12 (Jnli-Dez.). Berlin gr. 8^.
Abhandlungen. N. F.
a) PhiloI.-hiit. Klasse. Bd. VII, No. 1—3. Berlin 1908. 4^
b) Mathem.-phys. Klasse. Bd. II. No. 4. Berlin 1903. 4*
Nachrichten, a) Philol.-hist. Klasse. 1903. Heft 4. 5. 4^
b) Math.-physikal. Klasse. Heft 3-6. 4».
c) Geschäftliche Mitteilungen. 1903, Heil 1. 49.
Karl Friedrich Gauss* Werke. Bd. IX. Leipzig 1903. 4<^.
Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark in Chras:
Mitteilungen. Jahrg. 1902, Heft 89. 1903. 8®.
K, Instituut voor de Taal-, Land- en VoHkenkunde van Nederiandsch Indie
im Haag:
Bijdragen. X. Reeks, Deel I, afl. 4. 1903. ^.
VerMekJmis der eingdaufenen Druekat^iriften, 33*
Teyler'a OenooUekap in Haarlem:
Archives dn Mua^e Teyler. S^r. II, Vol. VUI, No. 8. 1908. 4P.
SocUU HüUandaise des Sciences in Haarlem:
Archivea N^erlandaiaea des Bciencei ezacte«. S^iie II, Tom. 8, livr. 8. 4
et 5. La Haje 1903. B®.
Natarknndige Verhandelingen. III^« Venameling. Deel V, atnk 3. 1903. 4<'.
Historischer Verein f. Württemb. Franken in Schwabisch-Hatt:
Wtirttembergisch Franken. Neue Folge, VIII. 1903. 8^.
Kaiserl. Leopoldiniseh'Carolinische DetUsche Akademie der Naturforscher
in Halle:
Leopoldina. Heft 89, No. 6— 11. 1908. 4^.
Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitschrift. Bd. 67, Heft 8. Leipzig 1903. 8^.
Universität Halle:
Schriften ans d. J. 1902/08 in 4<^ n. 8®.
Naturwissenschaftilieher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle:
Zeitschrift ftlr Natnrwissenschaften. 76. Bd., Heft 4—6; 76. Bd., Heft 1. 2.
Stattgart 1908. BP.
Thüringisch-sächsischer Verein eur Erforschung des vaterländischen
Altertums in Halle:
Nene Mitteilungen. Bd. XXI, 3. 1908. 8^.
Deutsche Seewarte in Hamburg:
26. Jahresbericht f. d. J. 1902. 8^^.
Verein für Hamburgische Geschichte in Hamburg:
Zeitschrift. Bd. XI, 8. 1908. 8«.
Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg:
Abhandlangen. Bd. XVIIL 1903. 4^.
Historiseher Verein für Niedersachsen in Hannover:
ZeitMhrift. Jahr 1908, Heft 1—8. 1903. 8^.
Ghrossherzogl, Sternwarte in Heidelberg:
Mitteilungen. II. Karlsruhe 1903. 8^.
Veröffentlichungen. Bd. IL 1908. 4».
Universität Heidelberg:
Schriften der Universität aus dem Jahre 1902—08 in 4^ u. 8^.
Historischrphüosophischer Verein in Heidelberg:
Die deutschen Pfälser Handschriften des XVI. u. XVU. Jahrhunderts von
Jakob Wille. 1908. 4^.
Geschäftsführender Ausschuss der Eeichslimeskommission in Heidelberg:
Der Obergeimanisch-Raetische Limes des R^Smerreiohes. Lief. 19. 1908. 4^«
Universität HeUingfors:
Schriften ans dem Jahre 1902/03 in 4^ u. 8^.
34* Vergeidmis der eingelaufenen Druckschriften,
Verein für siebenbürgische Landeskunde in Hermannstctdt :
Jahresbericht für daa Jahr 1902. 1908. 8^.
Verein für Sachsen- Meiningisehe GeschiehU in HÜdburghausen:
Schriften. 46 Heft. 1908. 8».
Ungarischer Karpathen- Verein in Iglö:
Jahrbach. 80. Jahrg. 1903. 8^.
Ferdinandeum in Innsbmck:
Zeitschrift. 8. Folge, Heft 47. 1903. S^.
Journal of Physical Chemistry in Ithaca, N,Y,:
The Journal. Vol. 7, No. 6-8. 1903. 8».
üniversitS de Jassy:
Annales scientifiques. Tom. II, fasc. 8. 4. 1903. 8^.
Medizinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft in Jena:
Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. 88, Heft 1. 2. 1903. 8*^.
Gelehrte Estnische Gesellschaft in Jurjew (Dorpai):
Sitzungsberichte 1902. Jurjew 1908. 8^.
Badische historische Kommission in Karlsruhe:
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F., Bd. 18, Heft 8. 4.
Heidelberg 1908. 80.
Neujahrsblätter 1904. Heidelberg 1904. 8^.
Zenträlhureau für Meteorologie etc, in Karlsruhe:
Jahresbericht für das Jahr 1902. 1908. 4».
Grossherzoglich technische Hochschule in Karlsruhe:
Schriften aus dem Jahre 1901—02.
Naturwissenschaftlicher Verein in Karlsruhe:
Verhandlungen. 16. Bd., 1902—03. 1908. S^'.
SocietS physico-mathimatique in Kasan:
Bulletin. IL S^rie, Tom. XH, No. 2. 4; Tom. XIII, No. 1. 2. 1902. 80.
Universität Kasan:
Utschenia Sapiski. Bd. 70, No. 6—11. 1908. 8«.
Drei Dissertationen. 1902. 8^.
Universiti Imperiale in Kharkow:
Annales 1908, fasc. 2. 8. 8^.
Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung der deutschen Meere in Kiel:
Wissenschaftliche Meeresuntersuchungen. N. F. Bd. VH, Abteiig. Kiel;
Bd. VIII, Ergänz.-Heft, Abteiig. Kiel. 1908. 4«.
Universität in Kiew:
Iswestija. Bd. 48, No. 6—9. 1903. 8».
Naturhistorisches LandesmMeum in Klagenfurt:
Carinthia II. 93. Jahrg., No. 8—6. 8^.
Verßeichnia der eingelaufenen Druckeehriften. 35"**
PhysikdUseh-öhonomische OeseUsehaft in Königsberg:
Schriften. 48. Jahrgang. 1902. 4^.
ünwereität in Königeberg:
Schriften ans dem Jahre 1901—02 in 4^ a. 8^.
K, Umversitäte-Stemwarte in Königeberg:
Astronomische Beobachtungen. 41. Abteilang. 1903. 4^.
K. Akademie der Wieeeneehaften in Kopenhagen:
Oversigt. 1903, No. 2—6. 1908. 8«.
M^moires. Section des sciences. Serie VI, Tom. XI, No. 6 n. 6, Tom. XII,
No. 3. 1908. 4«.
Dansk Staaisforvaltning of William Christensen. 1908. 8P.
OeseUsehaft für nordische Ältertutnskunde in Kopenhagen:
Nordiske Fortidsminder. Heft 6 a. 6. 1908. 4^
Aarböger. II. Raekke, Bd. XVII. 1902. 99,
M^moires. Nonv. S^r. 1902. S^,
Conseü permanent international potir Vexploration de la mer
in Kopenhagen:
Bulletin. Annde 1902—03, No. 1—4. 1908. 4«.
Pablications de circonstance. No. 1 — 7. 1903. 8^.
R-apports et Proc^verbaux des reunions. Vol. I. 1908. 4^.
Akademie der Wissenschaften in Kräkau:
Katalog literatury nankowej polskiej. Tom. 2, Heft 4, 1902; Tom. 8,
Heft 1. 1908. 1908. 8«.
Anzeiger. Mai- Juli.
Rozprawy historjczne. Tom. 44 (= II. Serie, Tom. 19). 1908. d9,
, filologizne. Tom. 84, No. 87. 1902—03.
,. matemat-przyrod. Tora. 42 A n. B. 1902. 8®.
Biblioteka pisarzow polskich. No. 42—46. 1908. 8®.
Materyaly antropolog.-archeolog. Tom. VI. 1903. 8**.
Atlas geologiczny Galicyi. Zeszut XIV mit Karten. 1903. 8® bezw. fol.
Sprawozdanie komisyi bist, sztaki. Tom. VII, 3. 1908. 4^.
Federowski, Lud bialoruski. Vol. 3. 1903. 8^.
Prace komisyi jezyk. Tom. I, 2; II, 1. 1903. ^.
Archiwum komisyi histor. Tom. IX. 1902. 8^.
Historischer Verein in Landshttt:
Verhandlungen. 89. Bd. 1903. 8^.
Soditi Vaudoise des sciences naturelles in Lausanne:
Bulletin. IV. S^rie, Vol. 89, No. 147. 1903. 8^
KansM University in Lawrence, Kansas:
Bulletin (Science). Vol. I, No. 6—12. 1902. 8^.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Abhandlungen der philol. -bist. Klasse. Bd. XXI, 8 ; XXII, 2. 3. 1908. 4^
, math.-physik. Klasse. Bd. XXVIII, 4. 5. 1908. 4«.
Berichte der math.-physik. Klasse. Bd. 66, No. 3—6. 1908. 8^.
Verein für Erdkunde in Leipgig:
Mitteilungen 1902. 1903. S''.
>i
36'*' Vergeithnii der eingdaurfenen Druekschrißen,
UnivergiU de lARe:
Tableanx des conrs de Tann^e 1908—04. 1908. 8^.
Museum Frandeeo-Garolinum in Lins:
61. Jahresbericht 1908. 8^.
Soeiedade de geograpfna in Lissabon:
Boletim. 20. Särie 1902, No. 1—6; 21. S^rie 1908, No. 4—7. 8«.
ZeUsehfift „La Cell%Ue" in Loewen:
La Gellnle. Tome XX, 2. 1908. 4^.
Royal Institution of Chreat Britain in London:
Proceedings. Vol. XVII, 1. 1908. 8^.
Nationai Physieai Laboraiory in London:
Report for the yeart 1901 and 1902. 1902—08. 6<>.
The English Historieal Beview in London:
Historical Reriew. Vol. XVIII, No. 71 Jnly, No. 72 October. 1903. 8*.
Boydl Society in London:
Proceeding«. Vol. 72. No. 477—486. 1908. 8».
Reports of the sleeping aickneaa Commission. No. I — IV. 1908. 8®.
Report to the Goyernment of Ceylon on the Pearl Oyster Fiacheries of
the Gulf of Manaar. By W. A. Herdman. 1908. 4t^.
Philoaophical Transactions. Series A, Vol. 201. 1908. 40.
Report to the Malaria Committee. VIII^ Series.
J{. Ästronomieal Society in London:
Monthly Noticee. Vol. 68, No. 8, No. 9 (Sapplementary No.}; Vol. 64,
No. 1. 1908. 8».
Chemical Society in London:
Jonmal. No. 488— 494. 1908. 8<>.
Proceedingi. Vol. 19, No. 269—278. 1908. 8^.
Linnean Society in London:
Proceedings. 116*^ Session, Not. 1902 to Jone 1908. 8^
The Jonmal. a) Botany. Vol. 85, No. 246. 247; Vol. 86, No. 251. 252.
b) Zoology. Vol. 29, No. 187. 188. 1908. 8«.
The Transactions. II. Ser. Botany, Vol. VI, part 6; Zoology, Vol. VIII,
part II. 12, Vol. IX, part 1. 2. 1908. 8<>.
List of Fellows. 1908—04. 1908. BP.
Medical and chirurgical Society in London:
Medico-chirargical Transactions. Vol. 86. 1908. 8®.
E. Microscopieäl Society in London:
Journal 1903, part 4—6. 8®.
Zoologicäl Society in London:
Proceedingfl. 1908, Vol. I, part 1. 2. 8®.
Transactions. Vol. XVI, part 8; Vol. XVII, part 1. 2. 1908. 4«.
Zeitschrift „Nature'' in London:
Nature. No. 1768—1784. 4^.
VerMeidmis der eingelaufenen Drueksthriflen. 37*
SociSii giohgique de Belgique in LiUtieh:
Aonalea. Tom. XXV bis livr. 2; Tom. XXIX, livr. 4; Tom. XXX, lifr. 1.
1901—08. 80.
Historischer Verein der fünf Orte wt Liuiern:
Der Oeschichtafreond. Bd. 68. Stana 1903. 8^.
Universiti in Lyon:
Annales. Nony. S^r., l. Sciences, fasc. 11. 1903. 8^.
Catalogue sommaire du Mus^e de Moulages. 1908. 8^.
Wisconsin Geologicdl and Natural History Survey in Madison:
Bulletin. No. VIII. 1902. 80.
B. Äcademia de deneias exaetas in Madrid:
Memorias. Tom. X VIII, parte 1; Tom. XX, XXI. 1897—1908. 40
Anuario. 1908. 8^.
B, Äcademia de la historia in Madrid:
Boletin. Tom. 48, cnad. 1—6. 1908. 8^.
B, Istituto Lomhardo di seiente in Mailand:
Rendiconti. Ser. II, Vol. 86, fasc. 9—16. 1903. 8^.
Memorie. Classe di scienze matematiche. Vol. 19, fasc. 9; Vol. 20, fasc. 1.
1908. 40.
Atti della fondazione Ca^^ola. Vol. 18. 1908. 8®.
B. Osservaiorio di Brera in Mailand:
Pablicazioni. No. XLII. 1902. fol.
Societa Italiana di scienze naturali in Mailand:
Atti. Vol. 42, fasc. 2. 3. 1903. 8^.
Societa Storica Lombarda in Mailand:
Archivio Storico Lombardo. Ser. III, Anno 30, fasc. 38. 89. 190 8^.
Böm,-german, Zenträlmuseum in Mainz:
Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens. 1902. 4^.
Liter ary and phHosophicai Society in Manchester:
Memoirs and Proceedings. Vol. 47, pari 6. 6. 1903. 8^.
Altertumsverein in Mannheim:
Mannheimer Geschichtsblätter. 4. Jahrg. 1903, No. 2—12; 5. Jahrg. 1904,
No. 1. 49,
Forschungen zurGeschichte Mannheims und der Pfalz. IV. Leipzig 1903. 8®.
Universität in Marburg:
Schriften aus dem Jahre 1901—02 in 4^ u. 8^.
Faculti des sciences in Marseille:
Annalea. Tom. XIII. Paria 1903. 40
Hennebergischer altertumsforschender Verein in Meiningen:
Neue Beiträge zur Geschichte deutachen Altertums. Heft 18. 1903. 4^,
Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meissen:
Jahresbericht für das Jahr 1902/03. 1903. 4^.
38*
Ver£€idmi$ der eingelaufene Dmekedmflen.
Boyal Society of Victoria in Mdboume:
ProceedingB. N. Sar., VoL XVI, part 1. 1908. 8»
GeseUsehaft für lothringische Geschichte in Metz:
Jahrbuch. XIV. Jahrg. 1902. 49.
Observatorio meteorotögico-magnitico central in Mexico:
Boletin menraal. Met de Febraro 1902. fol.
Begia Äccademia di seienee lettere ed arti in Modena:
Memorie. Serie m, Vol. 4. 1902. i^.
Museum ocianographique de Monaco:
R^altats des campagnes •cieniifiqnea, fasc. XIII. XIV et Carte bathr-
mätriqoe. 1908. gr. 8^.
Museo nadonal in Montevideo:
Annales. Tom. IV. 1908. 4^
Flora ürugaaya. Tomo 2 (pag. I— XLVIII 1 - 160). 1903. 4«.
Aeadhnie de seiences et lettres in Montpellier:
Memoire«. Section de m^decine. 2« S^rie, Tom. 2, Ko. 1. 1903. 09.
Ohservatoire nUtiorologique et magnitique de V Universite Imp. in Moskau:
Observation! faites Man— D^. 1901. 1908. 4^^.
Lazarevsehes Institut für Orientalisehe Sprachen in Moskau:
Tnidy. Heft 18. 1902. B«.
SocUti ImpMale des Naturcdistes in Moskau:
Balletin. Ann^ 1902, No. 4. 1903. 8^.
Mathematische Gesellschaft in Moskau:
Matematitacheskij Sbomik. Bd. XXIV, 1. 1908. ^.
Lick Ohscrcatory in Mount Hamilton, California:
Bulletin. 1908, No. 37. 41—46, 47-49. 4«.
Statistisches Amt der Stadt München:
Münchener statistische Jahresübersichten für 1902. 1908. 4^.
Verzeichnis der Flächeninhalte der Bach- n. FloMgebiete. Heft 2. 1903. 4®.
Atlas der bayerischen Flusagebiete. 2 Karten. 1902—03.
Hydrotechnisches Bureau in München:
Jahrbuch. IV. Jahtg., Heft IV, Teil 2 (1902); V. Jahrg., Heft II u. III
(1903). 40.
Generaldirektion der K, S, Posten und Telegraphen in München:
Verzeichnis der in und ausserhalb Bayern erscheinenden Zeitungen.
Abteil. I u. II. Nachträge zu den Zeitungspreisverseichninen. M.
Metropolitan- Kapitel München-Freising in München:
Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising. No. 16—29. 8^.
K, Oherbergamt in München:
Geognostische Jahreshefte. XV. Jahrgang 1902. 4^
Vergeiehnia der eingelaufenen Druekeehriften, 39'*'
UniversUät in München:
Schriften ans dem Jahre 1902/03 in 4^ u. &^,
Amtliches Verzeichnis des Personals. Wintersemester 1908/04.
Verzeichnis der Vorlesungen im Wintersemester 1908/04.
Historischer Verein in München:
Altbayerische Monatsschrift. Jahrg. IV, Heft 1—8. 1903. 4<>.
Ornithologiseher Verein in München:
III. Jahresbericht. 1903. 8^.
Verlag der HoehschuL-Nachrichten in München:
Hochschul-Nachrichten. No. 164. 157—169. 4^.
Äcadimie de Stanialas in Nancy:
Memoires. Ann^ 168, 6« S^rie, Tom. 20. 1903. &^.
SociSte des sciences in Nancy:
Bulletin. S^r. III, Tom. 8, fasc. 4; Tom. 4, fasc. 1. 2. Paris 1902. 8».
Beale Äccademia di scienze morali et poiitiehe in Neapel:
Atti. Vol. 84. 1903. 8«.
Rendiconto. Anno 40 (1901) e 41 (1902). 1901—03. 6^.
Äccademia delle scienze fisiche e matematiche in Neapel:
Rendiconto. Serie 3, Vol. 9, fasc. 6—7. 1908. gr. 8<>.
Zoologische Station in Neapel:
Mitteilungen. 16. Bd., Heft 1. 2. Beriin 1903. 8<>.
Institute of Engineers in New-Castle (upon-Tyne):
Transactions. Vol. 61, part6; Vol. 62, part 5. 6 und Report of the Com-
mittee upon mechanical Goal Meutting part 1 ; Vol. 64, part 1. 1903. 8^.
Annual Report for the year 1902—03. 1903. Q^.
Almanaqne nautico para el ano 1905. San Fernando 1908. gr. 8^.
The American Journal of Science in New-Haven:
Journal. IV. Ser., Vol. 16, No. 91—96. 1903. 8^.
American Oriental Society in New-Haven:
Journal. Vol. XXIV first half. 1908. 8«.
American Museum of Natural History in New -York:
Annual Report for the year 1902. 1903. 8^.
American Geographical Society in New -York:
Bulletin. Vol. 35, No. 8. 4. 1903. 8^.
Nederlandsehe botanische Vereeniging in Nijmegen:
Nederlandsch kruidkundig Archief. III. Serie, 2« Deel, 4« stuk. 1903. 8*^.
Arehaeological Institut of America in Norwood, Mass.:
American Journal of Archaeology. 11* Series, Vol. VII, No. fi. 1903. 8<>.
Naturhistorische Gesellschaft in Nürnberg:
Abhandlungen. Bd. XV, Heft 1. 1903. S^.
40* KerfAcfcnaf der eimgetaufenen Dnuktcknften.
OermamitkeB Naiionalmuseum in Nwnd^erg:
Anzeiger 1903, Heft 1—4. 40.
Verein für OtethAdde und Landeskunde in Oenahrüdc:
MiiteanngeiL 27. B<L 1902. 8*.
Oeoiogieal Suroey of Canada in OttiMwa:
Catalogne of Canadian Birdi. Part IL Bj John Macoan. 1903. 8<*.
Annnal Report New Seriea. Vol. XII with Maps. 1902. 8*.
Boyal Society of Canada in Ottawa:
Proceedingi and Tranaactions. II. Seriea, Vol. 6. 1902. 8*.
Redaetion der Zeüechrift „Bivista di etoriea antiea" in Padua:
N. S. Anno YU. fiuc 4. 1908. 8^.
Cireolo luatematieo in Palermo:
Rendiconii. Tom. 17, fiMe. 4—6. 1908. 4<».
CoUegio degli Ingegneri in Palermo:
Atti. 1902, Agosto-Dioembre. 4^.
Acadimie de midedne in Parie:
BoUetin. 1908, No. 26-42. S®.
Aeadhnie des seienees in Paris:
Compiet rendoa. Tome 186, No. 26; Tom. 187, No. 1—25. 1908. 4^.
£cole pdytechnique in Paris:
Journal. II« S^rie, cabier YUI. 1908. 49.
Proc^s-yerbaoz dee i^ancet. S^rie II, Tom. 2. 1908. 8*.
Moniteur Seientifique in Paris:
Moniteur. Livr. 788-744. 4*.
Mus^ Ouimet in Paris:
Annales in 4^ Tom. XXX, 8« partie. 1908. 8<^.
Annales. Bibliotb^ne d'dtndes. Tom. XI et XV. 1908. 8«.
Revue de Thiatoire des räligions. Tom. 46, No. 8; Tom. 47, No. 1— S.
1902—03. 8»>.
Musium d'histoire natureUe in Paris:
Balletin. Annee 1908, No. 3. 4. 99.
Nouvelles Arcbivea. IV« Serie. Tom. IV, fasc. 2. 1902. 4«.
Sociäi d'anthropoihgie in Paris:
Bulletins. 1902, fasc. 6. 6. 8®.
SociiU de giograpfne in Paris:
La Geographie. Annäe VII, No. 2-6; ann^ VUI, No. 1. 1902—08. 4P.
SocUtS mathimatique de France in Paris:
Bulletin. Tom. 81, fesc. 2. 8. 1903. 8«.
AcadSmie Imperiale des seienees in St, Petersburg:
Comptes rendos des s^ances de la commission eismiqoe. Tom. I, Liyr. 2.
1903. 40.
Verzeichnis der eingelaufenen thrueksthriften. 41^^
Byzantina Ghronika. Bd. YIII, 1—4; Bd. IX, 1. 2. 1901—02. 8P.
Mtooires. a) Classe historico-philologique. Vol. IV, 9; V, 1—6; VI, 1—4.
1900—02. 40. b) Classe phyBico-mathömat. Vol. XI, 1—11; XII, 1-11;
XIII, 1—6 u. 7. 1900-02. 40.
Bulletin. 6« Sörie, Tom. XVI, 4. 6; Tom. XVU, 1-4. 1902. 4«.
Comiti giologique in St, Petersburg:
Bulletins. XXI, No. 6—10. 1902. 4®.
Mämoirea. Vol. XVI, No. 2, Texte et Atlas; Vol. XVII, 3 ; XX, 1. Nouy. S^r.,
Livre 1. 2. 4. 1902. 4«.
Explorations g^lo^iques dans las rägions anrif^res de la Sib^rie
a) Region aurif^re d'J^nissei, livr. 4.
b) , .de L^na, livr. 2. 1908. S^.
Kaiserl. Botanischer Garten in St, Petersburg:
Acta horti Petropolitani. Tom. 21, fasc. 2. 1908. 8<>.
Kaiserl, mineralogische Gesellschaft in St. Petersburg:
Verhandlungen. II. Serie, Bd. 40, Liefg. 2. 1908. 8^.
Phystkalisch-chemische Gesellschaft an der Kaiserl, Universität
St, Petersburg:
Schumal. Tom. 86, No. 6—8. 1908. 8^
Physikalisches Zentral-Observatarium Nicolas in St. Petersburg:
Publications. Vol. IX, 1. 2; X; XII; XIII; XVII, 1; XVIII, 1. 1908. fol.
Annales. Annäe 1901, partie I. II. 1908. 4^.
Kaiserl, Universität in St, Petersburg:
Schriften aus dem Jahre 1902—08 in 4<> u. Q^,
Äcademy of natural Sciences in Philadelphia:
Proceedings. Vol. 66, part 1. 1908. 40.
Historicäl Society of Pennsylvania in Philadelphia:
The Pennsylvania Magazine of History. Vol. 27, No. 107. 108. 1908. 8^.
Alumni Association of the CoUege of Pharmacy in Philadelphia:
Alumni Report. Vol. 89, No. 6—11. 1908. 8«.
American PhHosophical Society in Phüadelphia:
Proceedings. Vol. 42, No. 172. 178. 1908. 8®.
B, Scuola normale supetiore di Pisa:
Annali. Filosofia e filologia. Vol. XVII. 1908. 8^.
Societä Toscana di scienze naturali in Pisa:
Atti. Processi verbali. Vol. XIII, p. 168—192. 1908. 4».
Atti. Memorie. Vol. XIX. 1908. gr. 8».
Societä Italiana di fisica in Pisa:
II nuovo Cimento. Serie V, Tom. 6. 1908, Aprile-Agosto. B9,
Böhmische Kaiser Franz Josef-Akademie in Prag:
Pam4tky archaeologickä. Tom. XX, No. 2—6. 1902—08. 4®.
Staroiitnosti zem^ 6eskä. Dil II, syaaek 2. 1908. 4^.
4
42* VerseidMiB der eingdamfetien J>ruck9dkrifUn.
Gesellschaft Mur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunsi und Idleratur
in Prag:
Vorläufiger Bericht über eine archäol. Expedition nach Klein&rien. 190S. 4^.
Beiträge inr deatflch-böhmischen Volkskunde. Bd. V, Heft 1. 1908. ^.
Museum des Känigreichs Böhmen in Prag:
Bericht Ar das Jahr 1902. 1908. S^.
Casopis. Bd. 77, Heft 8. 4. 1908. 8^.
K, K, Sternwarte in Prag:
Magnet, u. meteorolog. Beobachtungen im Jahre 1902. 63. Jahrg. 1903. 4®.
Verein hlSlhmiseher Mathematiker in Prag:
Casopis. Bd. 82, Heft 8—6. 1908. ^.
Verein fär Geschichte der Deutschen in Böhmen in Prag:
Mitteilungen. 41. Jahrg., No. 1—4. 1902. SP.
•
Deutscher natuncissensehaftlrmedizin. Verein für Böhmen „Loios" in Prag:
Sitzungsberichte. Jahrg. 1902, Bd. 60. 8*.
Naturtoissenschaftlicüier Verein in Begem^narg:
Berichte. IX. Heft 1901 n. 1902. 1903. ^.
Naturforscher 'Verein in Biga:
Korrespondenzblatt No. XL VI. 1908. 8®.
Bibliotheque Nationale de Bio de Janeiro:
Relatorio apresentado ao Presidente da Republica por Sabino Barroso
Jundor. 1902. 80.
Observatorio in Bio de Janeiro:
Annuario. Anno XIX 1908. 8^.
Boletim mensal. Outubro-Dezembro 1902; Janeiro-Mar90 1908. 1908. 8^.
Beate Äccademia dei Lincei in Born:
Atti. Serie V. Clasae di sciense morali. Vol. XI, parte 2. Notizie degli
scavi, fasc. 4—8. 1908. 4P.
Atti. Serie V. Classe di sciense fisiche. Vol. XII, semeste 1, fiwe. 12;
semestre 2, fasc. 1—11. 1903. 4^
Bendiconti. Classe di scienze morali e filologiche. Serie V, Vo). XH,
fasc. 8— 10. 1908. 8».
Atti. Rendiconto deir adunanza solenne del 7 Giugno 1908. 4^.
Äccademia Pontifieia d£ Nuovi Lincei in Born:
Atti. Anno 56 (1902-08), Sewione l-VII. 1908. 4«.
B. Comitato gedogieo d'ItaUa in Born:
Bollettino. Anno 1908, No. 1 u. 2. 1908. 8^.
Kaiserl, deutsches archäologisches Institut (röm, ÄhtJ in Born:
Mitteilungen. Bd. XVIII, Heft 1. 2. 1908. 8^.
B. Ministero deUa Istrusione publica in Born:
Le opere di QalUeo Galilei. Vol. XIIL Firenie 1903. 49.
Historischer Verein in Bosenheim:
Das bayerische Oberland am Inn. 8. Jahrg. 1908. 8^.
VerMeiehnia der eingelaufenen Druckschriften. 43*
UnivereiUU Boetock:
Schriften aus dem Jahre 1902/08 in 4P a. 8^.
Acadhnie des sciences in Bouen:
Prdcis analytiqne des traranx. Ann^e 1901 — 02. 1908. 8^.
E. Äccademia di sciense degli Ägiati in Sovereto:
Atti. Serie III, Vol. 9, fasc. 2. 1908. 8^.
^cole frangatse d^ Extreme-Orient in Saigon:
Balletin. Tom. III, No. 2. 3. Hanoi 1908. 4P,
Gesellschaft für Sälzhurger Landeskunde in Salzburg:
Mitieilnngen. 48. Yereinsjahr 1908. 8^
Historischer Verein in St. Gallen:
Mitteilnnj^en zur vaterländischen Geschichte. XXIX. 1908. 8®.
Jahresbericht tiber die Sammlangen des hiator. Vereins 1901/02. 1902. 4^.
Neujahrsblatt 1908. 4^.
Institute y Observatorio de marina de San Fernando^ (Cadie) :
Anales. Secciön 11. ASo 1901. 1902. fol.
Almanaqne nantico para el ano 1906. 1908. gr. 8^.
Bosniseh-Hersegovinische Landesregierung in Sarajevo:
Ergebnisse der meteorol. Beobachtungen im Jahre 1899. Wien 1902. 4^.
Verein für mecklenburgische Geschichte in Schwerin:
Jahrbflcher und Jahresberichte. 68. Jahrg. 1908. 8^^.
Comiti international des poids et mesures in Shvres prhs Paris:
Procös-yerbanx. S^rie II, Tom. 2. Paris 1908. BP.
China Branch of the B. Asiatic Society in Shanghai:
Jonmal. N. S^r., Vol. 88. 1899—1900. 8«.
B, Äccademia dei fisiocritici in Siena:
Atti. Serie IV, Vol. XV, No. 1-6. 1908. 8®.
K. E. archäologisches Museum in Spaiato:
Bnllettino di Archeologia. Anno XXVI, No. 8~11. 1903. S^.
Historischer Verein der Pfaie in Speyer:
liitteilangen. XXVI. 1908. BP.
K. Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
Lefnadsteckningar. Bd. 4, Heft 8. 1903. B^.
Astronomiska Jakttagelsen. Vol. 6, No. 5. 1903. 4^.
Bihang. Vol. 28, Section 1-4. 1908. 8^.
Meteorologiska Jakttagelser i Sverige. Bd. 42, 1900. 1903. 4^.
Handlingar. N. F.. Bd. 36. 87, No. 1. 2. 1902-08. 4^.
Arki? f5r matematik. Bd. I, 1. 2. 1908. 80.
. , kemi. Bd. I, 1. 1908. BP.
, botanik. Bd. I, 1—8. 1903. BP.
. , , Booloffi. Bd. I, 1. 2. 1908. 80.
Arsbok 1908. €?.
Berzelius, Reseanteckninger. 1908. S®.
44* Verseiehnis der eingelaufenen Druckschriften.
Oedogiska FÖrening in Stockholm:
Förhandlingar. Bd. 26, Heft 6. 6. 190S. 8^.
InstittU Royal giologique in Stockholm:
Sven'i^eR geologiska andersOkning. Series Aa, No. 116. 118. 122; Ac,No.7:
C, No. 198. 194; Ca, No. 3. 1908 in 4® u. 8^.
Nordieka Museet in Stockholm:
Meddelanden 1902. 1908. Bf^.
Samfondet 1900 och 1901. 1902. 8<>.
Vinterbilder n. Sommarbilder Fran Skannen. 1901. 4^.
Minnen Frän Nordiska Museet. Bd. II, Heft 8-12. 1902. 4^
Oesellschaft zur Förderung der Wissenschiiften in Strassburg.
Monatsbericht Bd. 87, No. 6-7. 1908. Sfi.
Kaiserl. Universität Strassburg:
SchrifteD aui dem Jahre 1902/08 in 4<» a. 99.
K. LandesbibJiothek in Stuttgart:
Wirtemberfl^isches Urkandenbuch. Bd. 8. 1908. 4^.
Württemhergische Kommission für LandesgeschidUe in Stuttgart:
Vierte Ijahre»hefte fSr Landesg^eschichte. N. F., XII. Jahr^., Heft 1—4.
1908. 8^.
Mitteilungen. 12. Sitzang, 1. Mai 1903. 8^.
K. Kürttemb. statistisches Landesamt in Stuttgart:
Die erdmagnet. Elemente von Württemberg n. HohenzoUern. 1903. 4^.
Physikalisches Institut der K, Technischen Hochschule in Stuttgart:
Relative Schweremessungen III., ▼. K. R. Koch. 1903. 8^.
Department of Mines in Sydney:
Records of the geological Survey. Vol. VH. 8. 1908. 4<>.
Boyal Society of New -South -Wales in Sydney:
Journal and Proeeedings. Vol. 36. 1902. 8^
Linnean Society of New -South- Wales in Sydney:
Proceedingg. Vol. 23, part 1—4; Vol. 24, part 1—4; Vol. 27, part 2'
Vol. 28, part 1. 2. 1898—1903. 8«.
Earthquake Investigation Gommittee in Tokyo:
Publications No. 14. 1903. 4».
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo:
Mitteilungen. Bd. IX, Teil 8. 1903. 6^.
Kaiserl. Universität in Tokio (Japan):
The Journal of tbe College of Science. Vol. 17, article 11. 12; VoL 18,
ürticle 2-4; Vol. 19, article 1. 6—10. 1903. 4^
Verseichnis der eingelaufenen Druekschriften, ib*
Mitteilungen aus der medizinischen Fakultät. Bd. VI, No. 1. 1908. 4^.
The Bulletin of the College of Agriculture. Vol. 5, No. 8. 4. 1908. 4<>.
Kansas Äcademy of Sciences in Topeka, Kansas:
Transactiona. Vol. XVIII. 1903. 8«.
Ältertumsverein zu Targau:
Veröffentlichungen. Heft 16 u. 16. 1908. S^.
üniversiti in Toulouse:
Annales du Midi. 16« ann^e, No. 68. 69. 1908. 8<>.
Annales de la facultä des sciences. II* Sdr., Tom. 6. Ännde 1903. Paris. 4^.
Biblioth^ue märidionale. I. S^rie, Tom. 8. 1903. 80.
Biblioteea e Museo comunale in Trient:
Archivio Trentino. Anno 18, fasc. 1. 1908. 8^.
Museo dvico di storia naturale in Triest:
Atti. Vol. 10. 1908. 8«.
Universität Tübingen:
Georg ▼. Below. Zur Geschichte der konstitutionellen Partei. 1903. 4^.
Ludolf Krehl, Über die Entstehung der Diagnose. 1903. 4^.
B. Accademia delle scienze in Turin:
Atti. Vol. 38, disp. 8-16. 1903. B^.
Memorie. Serie II, Tom. 63. 1908. 4P,
Meteorolog, Observatorium der Universität Upsala:
Bulletin mensuel. Vol. 34, Annde 1902. 1902—08. 4^.
K, Universität in Upsala:
Hermann Lundborg, Die progressive Mjoklonus-Epilepsie. 1908. 8^.
Eranoa. Acta philologica. Vol. 6, fasc. 1. 2. 1908. 8^.
Schriften ans dem Jahre 1902-H)3 in 4^ u. 8^.
Svariges Karta af Sven Lönborg. 1903. 8^.
Physiologisch Laboratorium der Hoogeschool in Utrecht:
Ondenoekingen. V. Reeks; IV, 2. 1908. 8».
Accademia di Scieme in Verona:
Atti e Memorie. Ser. IV, Vol. 8. 1902-03. 8«
Mathematisch-physikalische Oesellschaft in Warschau:
Prace matematyczno-fizjcsne. Tom. 14. 1908. 8^.
National Äcademy of Sciences in Washington:
Memoirs. Vol. VIII, 7. 1902. 49,
Bureau of American Ethnology in Washington:
Bulletin. No. 26 : Trunzbull Natick Dictionary . 1903. 4^.
Smithsonian Institution in Washington:
Smithsonian Contributions to Knowledge. No. 1378. 1908. 4^.
Smithsonian Miscellaneous CoUections. No. 1872. 1876. 1902—03. 8^.
46"*^ Verseiehnia der eingelaufenen Druckschriften,
ü, S. Nationcd-Mueeum in Washington:
Bnlletin. No. 60, pari I. II; No. 51. 62. 1902. BP.
Proceedings. Vol. XXIV-XXVI. 1902-08. 8«.
U. 8, Naval Observatory in WaMngton:
Pnblications. 11^ Series, Vol. 8. 1908. 4P.
The Ästronomicai and Ästrophysieal Society of America
in Washington:
Second, third and foorth Meeting: 1900--02. 1901—03. 8^.
Ü, S, Coast and Geodetic Survey in Washington:
Report of the Superintendent for the jear 1901—02. 1903. 4^.
List and Catalogne of the Publications 1816—1902. 1902. 40.
A Bibliography of Qeodesy bj James Howard Gore. 1908. 4^.
United States Oeologiecd Survey in WaMngton:
Bulletins. No. 191. 196—207. 1902. 80.
Monographs. No. XLII. XLIIl. 1903. 4»
Mineral Reiources, year 1901. 1902. BP.
Professional Paper No. 1—8. 1902. 4®.
Water-Supply Papers No. 66—79. 1902-08. 8®.
Library of Congress in Washington:
A List of Books on mercantile marine aubsidies. 1908. 4®.
SelectList of Books, 8 Vols; Select List of References, eVols. 1903. 4P.
Harzverein für Geschichte in Wernigerode:
ZeiUchrift. 86. Jahrg., Heft 1. 1908. 80.
Kaiserl, Akademie der Wissenschaften in Wien:
Sitzungsberichte. Philos.-hist. Klasse. Bd. 146.
Mathem.-naturwissenschafbl. Klasse. Abi. I, Bd. 111, No. 4—9;
Abt, IIa, Bd. 111, No. 6-10; Abt. IIb, Bd. 111. No. 4—10; Abt, HI,
Bd. 111, No. 1-10 und Register zu den Banden 106—110. 1902. 8«.
Denkschriften. Mathem.-naturwissenschaftl. Klasse. Bd. 72.
Schriften der Balkankommission. Linguistische Abteilung II. III. 1903. 4^.
Archiv für Osterreichische Oeschichte. Bd. 91, 2; Bd. 92, 1. 1902. BP.
Fontes rerum Austriacarum. II. Abtlg., Bd. 66. 1902. 8^.
Almanach. 1902. S^.
K. K. geologische Beichsanstalt in Wien:
Jahrbuch. Jahrg. 1902, 62. Bd., Heft 2—4; Jahrg. 1908, 68. Bd., Heft 1.
1903. 4®.
Abhandlungen. Bd. XX, Heft 1. 1903. foL
Mitteilungen der Erdbebenkommission. N. F., No. X, XI, XIIL 1902. 8^.
Verhandlungen 1903, No. 9—16. 4^.
Geologische Karte der österr.-ungar. Monarchie. Lief. IV. V. 1903.
Mitteilungen der prähistor. Kommission. Bd. I, No. 6. 1908. 4^.
K. K. Zentralanstält für Meteorologie in Wien:
Jahrbücher. Jahrg. 1901 in 2 Bänden. 1902. 4".
Verteichnis der eingelaufenen Drucksckriflen. 47«
K. K. GeselUehaft der Aerste in Wien:
Wiener kliniBche Wochenschrift. 16. Jahrg. 1908, No. 27—58. 40.
Zocloffiach-hotanische Oesellsckaft in Wien:
Verhandlungen. Bd. 58, Heft 5—9. 1908. df^.
K, K, naturhistorischea Hofmueeum in Wien:
Annalen. Bd. 18, Hefb 2. 8. 1908. 4^.
iC. K, Universität in Wien:
Schriften ans dem Jahre 1902/03. 1908. B9.
K, K, Ünivereitäta-Stemwarte in Wien:
Annalen. Bd. XYI. 1902. 4P.
Verein eur Verbreitung naturtoiseensehaftlicher Kenntnisse in Wien:
Schriften. Bd. 42. 48. 1902—08. S^.
Nassauischer Verein für Naturkunde in Wiesbaden:
JahrbQcher. Jahrg. 56. 1903. ^.
Geschichtsverein für das Hersogtum Braunschweig in Woifehbüttel:
Jahrbach. Bd. I. 1902. 8^.
Brannschweigisches Magazin. 8. Jahrg. 1902. 4^
Physikalisch-medizinische Gesellschaft in Würzburg:
Verhandlungen. N. F., Bd. 85, No. 6. 7. 1903. S^.
Sitzungsberichte. Jahrg. 1902, No. 5. 6. 8^.
Naturforschende Gesellschaß in Zürich:
VierteUahrsschrift. 1908, Heft 1. 2. 1908. B^.
Physikalische (Gesellschaft in Zürich:
Mitteilungen 1908, No. 5. B».
Schweizerische geologische Kommission in Zürich:
Beiträge zur Geologie der Schweiz. Qeotechnische Serie, Lieferang II.
Bern 1908. 4^.
Schweizerisches Landesmuseum in Zürich:
Anzeiger fQr Schweizer. Altertamskande. N. F., Bd. V, No. 1. 1903. 4^.
XI. Jahresbericht 1902. 1903. B».
Sternwarte in Zürich:
Astronomische Mitteilungen. No. XCIV. 1903. B^'.
Universität in Zürich:
Schrillen 1902/03 in 4« u. B».
48*^ Vereeiihnis der eingelmtfenen Drueksehriften,
Von folgendoi Privatpenonen:
Verlag von Johann Ämhrosius Barth in Leiptig:
Beiblätter su den Annalen der Physik. Bd. 27, Heft 7—1 2. Leipä«r 1903. ^
Journal för prakt. Chemie. N. F., Bd. 67, Heft 11. 12; B. 68, Heft 3-10-
Leipzig 1908. 8P.
Frande BcuÜiforth in Cambridge:
A historical Sketch of the experimental Determination of tfae ßesiitaiic«
of the Air to the Motion of Projectilei. Cambridge 1903. 8^.
Hermann BMau's Nachfolger in Weimar:
Zeitachrift der Savigny- Stiftung ffir Rechtsgeachichte, Bd. XXIV (roma-
nistische und germanistische Abteilung). Weimar 1903. 8^.
^müe Bouianger in Paris:
Germination de Tascospore de la truffe. Paris 1908. 4P.
Charles Combes in Paris:
Sur les tentatiyes de reproduction du diamant. Paris 1903. 4^.
JR. Fick in Leipsig:
Gesammelte Schriften von Adolf Fick. Bd. L Wflrsburg 1903. 8®.
Verlag von Chutav Fischer in Leiptig:
Naturwissenschaftliche Wochenschrift 1908, Bd. 18, No. 40—62; Bd. 19,
No. 1—18. Jena. 4».
Ernst Abbe, Gesammelte Abhandlungen. Bd. I. Jena 1904. 6^.
H, Fritsche in Eiga:
Atlas des Erdmagnetismus. Biga 1908. fol.
Albert Oatidry in Paris:
Discours prononc^ le 21 d^cembre 1903. Paris 1908. 4®.
JJf «« F»» Godin in Ouise (Äisne) :
Le Devoir. Tom. 27, Juillet— Döcembre 1903. Guise. 8«.
JEmü Ä. Ooeldi in Pard, Brcuüien:
Album de Aves Amazonicas. Par4 1903. 4^.
Ernst Haeckel in Jena:
Anthropogenie. 6. Auflage. Leipzig 1908. 2 Bde. 8®.
Kunstformen der Natur. Liefg. 9. Leipzig 1903. fol.
H, van Herwerden in Utrecht:
Collectanea critica, epicritica, exegetica. Lugd.-Bat. 1903. 8^.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 49*
Eduardo Higginson in Sauthampton:
Karte yon Peru. Lima 1908.
Johannes Jaeger in Amherg:
Die Klosterkirche bq Ebrach. Würzburg 1908. 4^.
A. KÖlliker in Würzburg:
Die Entwicklung und Bedeutung des Glaskörperi. Leipzig 1904. 8^.
J, J. Kossonogoff in Kiew:
Optinche Resonanz als Ursache der selektiven Reflexion und Absorption
des Lichtes. Kiew 1908. 6^. (In rasa. Spr.)
Karl Krumhacher in München:
Byzantinische Zeitschrift. Bd. XII, 8. 4. Leipzig 1908. 80.
J. V, Kuil in München:
Repertorium zur Münzkunde Bayerns. 11. Fortsetzung. Mflnchen 1903. 8^.
F, Liehermann in Berlin:
Die Gesetze der Angelsachsen. Bd. I. Halle 1908. 4^.
C. Mehlis in Neustadt a. H,:
Neolithische u. spfttzeitliche Silex- u. Kieselware. 1908. 4^ (Ausschnitt.)
Das Grabhügelfeld an der Heidenmauer bei Dflrkheim a, H.
Die Grabhügel im Ordenswalde und Hasslocher Walde. Braunschweig
1908. 40.
Gabriel Monod in Versailles:
RcYue historique. Tom. 82, No. II ; Tom. 88, No. I. II. Paris 1908. 8<>.
Friedrich OMenschlager in München:
Römische Überreste in Bayern. Heft 2. München 1908. 8^.
Qerasimus B. Pignatarre in Athen:
De festi corporis domini apud Catinos institutione. Athenis 1908. 8**.
Gustav Badde in Tiflis:
Die Sammlungen des Kaukasischen Museums. Bd. III. Tiflis 1901. 4.
Verlag von Dietrich Beimer in Berlin:
Zeitschrift für afrikanische, ozeanische und ostasiatische Sprachen. Jahr-
gang VII. Heft 1. Berlin 1908. 8^
K, Budel in Nürnberg:
Grundlagen der Klimatologie Nürnbergs. Teil I. Nürnberg 1908. 4^
Verlag von Seitz & Schauer in München:
Deutsche Praxis 1908, No. 18—28. München. 8^.
Lucian Scherman in München:
OrienUlische Bibliographie. 16. Bd. (8 Hefte). Berlin 1908. 8«.
50* Verteichnia der eingelaufenen DrucksdirifUn.
Henry Simonifeld in München:
Itinerario di Germania dell* anno 1492 edito da Enrioo Simomüeld.
Venesia 1908. 8<>.
Verlag von B. O. Teubner in Leipsig:
TbesauruB lin^nae latinae. Vol. I, fasc. 6 Liptiae 1903. Af^.
Archiv der Mathematik nnd Physik. III. Reihe, Bd. 6, Heft 1-4.
Leipsig 1903. 8^
Encjklopildie der mathematischen Wissenschaften. Bd. Illa, Heft 2/S;
Bd. IVl. Hefts. Leipzig? 1908. 8«.
A, Thieuüen in Parie:
Le Mammon th et le Renne k Paris. Paris 1908. fol.
L. Wittmaek in Berlin:
Die in Pompeji gefundenen pflanslichen Stoffe. Sep.-Abdr. 1908.
■Mb- -> « .
Inhalt.
S«ts
K. Th. V. Hei gel: Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsrat*
Georg Ludwig von Maurer . . . . . . . 47.
Sitzung der philosophisch-philologischen und der historischen Kloise
vom 7, November 1903 . . .513
Oeff entliche Sitzung
zu Ehren Seiner Königlichen Hoheit des Prinz- Begenten
am 25. November 1903 . . . . 514
Sitzung der philosophisch-philologischen und der historischen Klasse
vom 6, Dezember 1903 .... 5:r
L. Traube: Acta Archelai dCc.
K. Krumbacher: Die Akrostichis in der griechischen Kii-chenpoesie 5'1
Eiu8endung von Druckschriften 25*— j'/
Die Abhandlungen sind auch in Sepaxatabzügen hergestellt and
erscheinen einzeln unter den Publikationen des akademiechen Verlans
in Kommission der Franz'schen Yerlagshandlnng (J. Roth).
Akademisch« Bachdruckerei von F. Straub in HQDeh«ii.
./
"i . ♦ .■
V
../