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SITZUNGSBERICHTE
DER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN KLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
CXVI. BAND. ABTEILUNG II a.
Jahrgang 1907. — Heft I bis X.
(MIT 19 TAFELN UND 98 TEXTFIGUREN.)
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WIEN, 1907.
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF* UND STAATSDRUCK EPKl
IN KOHMISSION BEI ALFRED HÖLDBR,
K. U. K. HOP- UND UNIVBKSITATSBUCHHAMDLBB,
MICHHANDLn OBR KAItBKLICMBN AKADBMIB DBR WlUBMSCHArTBl«
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
HUNDERTSECHZEHNTER BAND.
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WIEN, 1907.
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREL
IN KOMMISSION BEI ALPRED HOLDER,
K. U. IC. HOP- UND UNIVKIISITATSBUCMHANOLBR,
•UCHHANDLBK DBR KAISERLICHEN AKADBMIB DBR WISSBNSCHAPTBN.
SITZUNGSBERICHTE
DER
MmEMATISCH-NATÜRWISSENSCHAFTLlCHEN KLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN,
CXVI. BAND. ABTEILUNG II a.
Jahrgang 1907. — Heft l bis X.
(MIT 19 TAFELN UND 03 TEXTFIGUREN.)
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WIEN, 1907.
AUS DER KAISERUCH-KONIGLICHEN HOP- UND STAATSDRUCK ER Kl
IN KOMMISSION BEI ALFRED HOLDBR,
K. V. K. HOF- UND UNIVBKSITATSBUCHHANDLBB,
mCNHANDUn DBR KAISBBLtCHBN AKADEMIE DBS W IStBN SCMArrBM .
171880
• •
V
INHALT.
Seite
Bamberger M., Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineral-
quellen Tirols. (I.Mitteilung.) [Preis : 50 h — 50 pf] 1473
Basch A. und Leon A., Über rotierende Scheiben gleichen Fliehkraft-
widerstandes. (Mit 5 Textfiguren.) [Preis: 1 K 25 h — 1 M 25 pf] . 1353
Cantor H^ Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit nach Pizeau und
akustische Analogien. (Mit 2 Textflguren.) [Preis: 40 h — 40 pf] 1001
Carda K., Beitrag zur Theorie des Pfaff 'sehen Problems. [Preis: 50 h —
50 pf] 1165
Cermak F., Der Peltiereffekt Eisen-Konstantan zwischen 0 und 560" C.
(Mit 2 Textfiguren.) [Preis: 45 h — 45 pf] 657
- Der Peltiereffekt Nickel-Kupfer zwischen 20 und 450" C. (Mit
1 Textfigur.) [Preis: 25 h — 25 pf] 1135
Daublebsky v. Stemeck R., Über die Anzahl inkongruenter Werte, die
eine ganze Punktion dritten Grades annimmt. [Preis: 35 h — 35 pf] 895
Defant A^ über die Beziehung zwischen Druck und Temperatur bei mit
der Höhe variablen Temperaturgradienten. (Mit 3 Textfiguren.)
[Preis: 65 h — 65 pf] 1181
Dintzl E., Über die Legendre*schen Symbole für quadratische Reste in
einem imaginären quadratischen Zahlkörper mit der Klassen-
anzahl 1 . [Preis : 40 h — 40 pf] 785
Ehrenhaft F., Über eine der Brown'schen Molekularbewegung in den
Flüssigkeiten gleichartige Molekularbewegung in den Gasen und
deren molekularkinetischer Erklärungsversuch. [Preis: 40 h —
40 pf] 1139
Ezner F. M., Grundziige einer Theorie der synoptischen Luftdruck-
veränderungen. (II. Mitteilung.) (Mit 3 Tafeln und 3 Textfiguren.)
[Preis: 1 K 25 h — 1 M 25 pf] 819
Exner Fr. und Haschek Ed., Über die Verschiebung der Spektrallinien.
[Preis :60 h — 60 pf] 323
Gid&ly R^ Drei Konstruktionen der Fläche zweiter Ordnung aus neun
gegebenen Punkten. (Mit 4 Textfiguren.) [Preis: 45 h — 45 pf] . .1113
Girtler R., Ober das Potential der Spannungskräfte in elastischen Körpern
als Mafi der Bruchgefahr. (Mit 2 Tafeln und 2 Textflguren.) [Preis:
2 K40h — 2 M40pf] . 509
— Zur Rotation von Gasmolekülen. [Preis: 40 h — 40 pf] 759
Hahn H., Ober die nichtarchimedischen Grö6en.systeme. [Preis : 1 K 35 h
1 M 35pf] 601
VI
Seite
Hanni L., Kinematische Interpretation der Maxweirschen Gleichungen mit^
Rücksicht auf das Reziprozitätsprinzip der Geometrie. [Preis : 70 h
— 70 pf] 1451
Hasenöhrl F., Zur Thermodynamik bewegter Systeme. [Preis : 50 h —
50 pf] 1391
.Hess V. F., Über das Uran X und die Absorption seiner a-Strahlung.
(Mit 8 Textfiguren.) [Preis : 80 h — 80 pf] 109
— Ober die Zerfallskonstante von \cA. (Mit 1 Tafel und 1 Textflgur.)
[Preis : 65 h -r 65 pf ] 1121
— Analyse der Strahlung des Radiobleis. (Mit 7 Textfiguren.) [Preis :
1 K 10 h — l M 10 pf] 1289
Hoöevar F., Über die Bestimmung der quadratischen Teiler algebraischer
Formen- [Preis: 50 h — 50 pf] 153
Hof bauer G.» Über das Vorkommen der seltenen Erden auf der Sonne.
[Preis: 1 K 30 h — l M 30 pf ] 267
Hopfner F., Untersuchung über die Bestrahlung der Erde durch die Sonne
mit Berücksichtigung der Absorption der Wärmestrahlen durch die
atmosphärische Luft nach dem Lambert'schen Gesetze. I. Mit-
teilung: Analytische Behandlung des Problems. (Mit 1 Textfigur.)
[Preis: 1 K 80 h— 1 M 80 pf] 167
^aunumn G., Strahlungen in starken elektromagnetischen Feldern. [Preis:
3 K 10 h — 3 M 10 pf] 389
Klingatsch A., Die Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. (Mit 1 Text-
figur.) [Preis: 1 K 15 h — 1 M 15 pf] 937
KrSmäf J. und Schneider R., Absolute Messungen der nächtlichen Aus-
strahlung in Wien. (Mit 1 Tafel.) (Preis: 95 h — 95 pf] 571
KnippaE., Über den Pohlke'schen Satz. [Preis: 30 h — 30 pf] .... 931
.'Lampa A., Ober eine einfache Anordnung zur Herstellung eines elektro-
statischen Drehfeldes. (Mit 2 Textfiguren.) [Preis: 35 h — 35 pf] 987
^Lang V., V., Versuche im elektrostatischen Wechselfelde. (Mit 1 Tafel.)
[Preis: 50h— 50 pf) 975
Jacher E., Über das Ohm'sche Gesetz und die Elektronentheorie. (Mit
2 Textfiguren.) [Preis: 45 h — 45 pf| 49
Leitinger R., Über die Ableitung des Gauß'schen Prinzips des kleinsten
Zwanges aus den allgemeinsten Lagrange'schen Gleichungen
zweiter Art. [Preis: 50 h — 50 pf] 1321
Lerch F., v., Beitrag zur Kenntnis der Thoriumzerfallsprodukte. (Mit
2 Textfiguren.) [Preis: 40 h - 40 pf] 1443
Lichtenfels O., v., Über eine Cubaturformel. [Preis: 20 h — 20 pf] . .1199
Lohr £.» Ein einfacher Zusammenhang zwischen Brechungsexponent,
Zähigkeit und Dichte bei Gasen. [Preis: 30 h — 30 pf] 1281
'Mach E., Die Phasenverschiebung durch Reflexion an den Jamin'schen
Platten. (Mit 1 Textfigur.) [Preis : 25 h — 25 pf ] 997
Mache H^ Grundzüge zu einer Theorie der Explosionen. (Mit 6 Text-
figuren.) [Preis: 85 h — 85 pf] 1081
VII
Seite
Mache H. und Tagger J.» Eine einfache Methode cur Bestimmting der
Wanneleitungskonstante von Flüssigkeiten. (I. Mitteilung.) (Mit
ITextflgur.) [Preis: 35 h — 35 pf] 1105
Hertens F., Ober die einfachen Einheiten des Bereichs (o, V^), wo a
eine primitive Einheitswurzel von Primzahlgrad und D eine negative
Zahl bezeichnen. [Preis: 80 h — 30 pf] 1337
— Ober die in Bezug auf eine Primzahl des Bereichs der Quadratwurzel
aus einer negativen Zahl irreduktibeln ganzen Funktionen einer
Variablen. [Preis: 30 h — 30 pf] 1343
Jfeyer St. und Schweidler E^ v^ Untersuchungen über radioaktive Sub-
stanzen. (Vin. Mitteilung.) Ober ein radioaktives Produkt aus dem
Aktinium. (Mit 2 Textfiguren.) [Preis :40 h — 40 pf] 315
— und Schweidler E., v., Untersuchungen über radioaktive Sub«
stanzen. (X. Mitteilung.) Ober die Zerfallskonstante von Radium D,
[Preis: 60 h — 50 pf] 701
Meyer W. Fr^ Zur Theorie der Drehungen und Quateroionen. [Preis:
50 h — 50 pf] 135
— Zur algebraischen Behandlung eines v. Staudf sehen Pundamental-
satzes der Geometrie der Lage. [Preis: 00 h — 90 pf] 669
Niessl G., V., Bahnbestimmung der Meteore vom 19. J Anner und 29. Juni
1905. [Preis: 1 K 30h— 1 M 30 pf] 61
Obermayer A^ v., Gewitterbeobachtungen und GewitterhKuflgkeit an
einigen meteorologischen Beobachtungsstationen der Alpen, ins-
besondere an Gipfelstationen. (Mit 2 Textflguren.) [Preis: 1 K 10 h
— 1 M 10 pf] 723
Oppolzer E. ▼., Ober die photographische Lichtstärke von Femrohren.
(Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h — 50 pf ] 1151
Pemter J. M., Zur Theorie der »schOnsten der Haloerscheinungenc. [Preis :
90 h — 90pf] 17
P5ch IL, Nr. X der Berichte der Phonogramm-Archivs-Kommission der
kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Zweiter Bericht
über meine phonographischen Aufnahmen in Neu-Guinea (Britisch-
Neu-Guinea vom 7. Oktober 1905 bis zum 1. Februar 1906). (Mit
1 Tafel und 3 Textfiguren.) [Preis: 80 h — 80 pf] 801
Przibrain K^ Büschel- und oszillierende Spitzenentladung in Helium,
Argon und anderen Gasen. (Mit 5 Textfiguren.) [Preis : 50 h —
50 pf] 557
Rziha K., Änderung des Peltiereffektes Ni-Cu zwischen 20 und 800® C.
(Mit 3 Textfiguren.) [Preis: 35 h — 35 pf] 715
Seheimpflug Th^ Die Herstellung von Karten und Plänen auf photo-
graphischem Wege. (Mit 6 Textfiguren.) [Preis : 1 K 20 h — 1 M 20 pf ] 235
Schweidler E^ v., Studien über die Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
(Mit 7 Tafeln und 0 Textfiguren.) [Preis: 2 K 55 h — 2 M 55 pf ] 1019
Siegl K^ Untersuchung der Kanalstrehlen von Sauerstoff. [Preis : 30 h —
30 pf] 129
VIII
Seite
Siegl K», Über das Emissionsvermögen von Gesteinen, Wasser und Eis.
[Preis : 80 h — 80 pf ] 1203
Stücker N., Über die Untersc^iedsempfindlichkeit für Tonhöhen in ver-
schiedenen Tonregionen. (Mit i Tafel.) [Preis: 75 h — 75 pf] . . 367
— Über einige physikalische Eigenschaften der Kolloide. (Mit 1 Tafel
. und 2. Textfiguren.) [Preis: 75 h - 75 pf] 771
— Über die Lage der Knotenpunkte in einseitig geschlossenen Röhren.
(Mit 2 Textfiguren.) [Preis: 55 h — 55 pf] 1231
Szydlpwski L., Über die Kältemischung aus kristallisiertem Natriumsulfat
und konzentrierter Salzsäure. (Mit 3 Textfiguren.) [Preis: 1 K 20 h
— 1 M 20 pf] 855
Tschermak G., Über das Eintreffen gleichartiger Meteoriten. [Preis: 1 K
— IM] 1407
Wagner R., Über die Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten
und dessen Abhängigkeit von der Spannung aus den Temperatur-
änderungen bei der Dehnung von Hartgummistäben. (Mit 1 Text-
figur.) [Preis: 65 h - 65 pf] 905
— Über die Erwärmung beim Dehnen eines Jodsilberstabes. [Preis:
30 h — 30pf] 925
— Die Schallenergie des elektrischen Funkens. [Preis: 30 h — 30 pf] 1013
Waßmuth A., Über die Bestimmung der thermischen Änderung des Tor-
sionsmoduls aus den Temperaturänderungen bei der Torsion von
Stäben. (Mit 1 Textfigur.) [Preis; 70 h — 70 pf ] 1245
Weifl E., Über die Sichtbarkeitsverhältnisse des Kometen 1905 IV im
Februar und März 1907. [Preis: 50 h - 50 pf] 3
— Über die Berechnung einer Ellipse aus zwei Radien und dem ein-
geschlossenen Winkel. [Preis : 70 h — 70 pf| 345
Wieleitner H., Über einige Zusammenhänge zwischen speziellen Quar-
tiken. (Mit 3 Textfiguren.) [Preis: 65 h — 65 pf] 1267
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXVI. BAND. L HEFT.
ABTEILUNG II a.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
3
Über die Siehtbarkeitsverhältnisse
des Kometen 1905 IV im Februar
und März 1907
von
Prof. Dr. E. Weiß,
w. M. k. Akad.
(Vorg^elegt in der Sitzung am 10. JInner 1907.)
Unter den im Jahre 1906 entdeckten Kometen beansprucht
der am 3. März von Dr. A. Kopff in Heidelberg aufgefundene
in mehrfacher Beziehung ein bedeutenderes Interesse. Er stand
auf einer Platte, die behufs Nachsuchens nach in Verlust ge-
ratenen Asteroiden aufgenommen wurde, also nahe in Opposi-
tion zur Sonne, und ließ durch die geringe Größe seiner
Bewegung sofort erkennen, daß er in einer für diese Gestirne
ungewöhnlich bedeutenden Entfernung von Erde und Sonne
entdeckt worden sei. Infolge der langsamen Bewegung fielen
auch die ersten auf Zwischenzeiten von wenigen Tagen ge-
gründeten Bahnberechnungen recht unbefriedigend aus; als
aber der Komet einen längeren Bogen durchlaufen hatte, er-
gaben sich sofort zwei interessante Resultate. Erstens, daß
seine Periheldistanz weitaus größer sei als die aller bisher
bekannten Kometen mit Ausnahme von dem des Jahres 1729
(der gewöhnlich nach seinem Entdecker der von Sarabat
genannt wird), und zweitens, daß sein Periheldurchgang bereits
fünf Monate vor seiner Entdeckung stattgefunden habe, wes-
halb er, einem althergebrachten Usus folgend, als Komet 1905 IV
bezeichnet wird.
Aus der Betrachtung seiner Bahnlage erkannte aber außer-
dem Dr. M. Ebell, daß der Komet nicht nur bereits längere
Zeit vor seiner Entdeckung, sondern auch schon lange vor
1*
4 E.Weiß,
seiner Perihelpassage in einer Helligkeit am Himmel gestanden
haben müsse, die dessen Auffindung ermöglicht hätte. Er hatte
nun die glückliche Idee, eine Ephemeride nach rückwärts bis
zum Anfange des Jahres 1905 zu rechnen, um eine genaue
Revision der Platten anzuregen, die während dieser Zeit in
den betreffenden Gegenden aufgenommen worden waren. Dies
wurde auch von einem überraschenden Erfolge gekrönt, indem
Prof. M. Wolf in Heidelberg den Kometen tatsächlich auf einer
Platte vom 14. Jänner 1905 auffand. Das Gestirn war also
schon 413 Tage vor seiner Aufnahme am 3. März 1906 einmal
photographiert worden!
Das Auffinden dieser Beobachtung läßt es nicht als aus-
sichtslos erscheinen, daß der Komet bei seiner großen Perihel-
distanz trotz seiner Lichtschwäche im kommenden Februar
nochmals wird gesehen werden können, wo er vor der Anfang
Mai 1907 bevorstehenden nächsten Opposition mit der Sonne
stationär wird. Zur näheren Untersuchung der dabei ein-
tretenden Sichtbarkeitsverhältnisse und Entfernungen glaubte
ich aber nicht von einem der bisher bekannten Elementen-
systeme ausgehen zu sollen, einerseits weil noch bei keinem
derselben die erste Beobachtung vom 14. Jänner 1905 und der
ganze im Jahre 1906 beobachtete Bogen in die Rechnung ein-
gezogen wurde, andrerseits weil eine so kleine Neigung der
Bahn gegen die Ekliptik, verbunden mit einem geringen Ab-
stände der Knotenlinie von der Bahnachse, erfahrungsmäßig
häufig ein Anzeichen einer merkbaren Abweichung der Bahn
von einer Parabel ist. Ich ließ daher zunächst aus dem den
weitesten Bogen umspannenden, aus Beobachtungen vom 3.
und 29. März und 24. April von Ebell abgeleiteten Elementen-
systeme:
r= 1905 Okt. 18-6620 mittl. Berliner Zeit
<ü= 158M2' ir4 ]
AZU 342 13 351 > mittl. Aeq. 1906-0
i= 4 14 32-4]
log? = 0-522130
drei kurze Ephemeridenstücke berechnen, um mir damit aus
den bisher veröfifentlichten Beobachtungen drei nahezu äqui-
Bahn des Kometen 1905 IV.
distante Normalorte bilden zu können. Diese Ephemeriden-
stücke sind die folgenden, welche für 0^ mittlere Berliner Zeit
gelten.
Scheinbare
Log. der Entfernung
Aberra-
tions-
zeit
1006
AR
Dekl.
von
Sonne
von Erde
Mara 3
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0
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0-41300
33
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0
34
4'
84
45
63
0
0
55364
25
34
9
0
11
33
38-
81
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47
21
3
0
55406
0-41354
21
35
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0
11
21
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67
+2
27
52'
9
0'
56875
0-44803
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22
12-
0
26'
28
28
20«
•9
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56922
0-44972
27
13
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3"
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0-45318
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20
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0-45495
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• 59397
0-55251
29
42
Mit dieser Ephemeride verglich ich die nachstehenden
Beobachtungen:
E. Weiß,
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1
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Bahn des Kometen 1905 IV.
9
Bei der Entdeckungsbeobachtung vom 3. März 1906 in
Heidelberg ist nicht der scheinbare, sondern mittlere Ort für
1906*0 angegeben.
Unter den Beobachtungen zwischen 4. und 8. März
kommen einige vor, wie die vom 4. und 5. März in Heidel-
berg, die vom 4. in Straßburg u. s. w., wo die Deklination
bloß in ganzen Sekunden ohne Zehnteile derselben angegeben
ist. Dies rührt daher, daß bisher erst die telegraphisch mit-
geteilten, auf Bogensekunden abgerundeten Positionen bekannt
geworden sind.
Wurden an einem Orte (in kurzen, 1 bis P/a Stunden
nicht übersteigenden Intervallen) von ein und demselben Beob-
achter mehrere Positionen genommen, so wurden sie in eine
zusammengezogen. Dies ist der Fall bei den Beobachtungen
von März 5 in Rom, von März 5 und 6 in Lyon und von
April 12, 13, 15 und 16 in Königsberg. Hingegen wurden die
Maibeobachtungen in Algier, die von zwei verschiedenen Beob-
achtern herrühren, gesondert aufgeführt und gesondert mit der
Ephemeride verglichen.
Bei den Beobachtungen in Straßburg sind mit Ausnahme
der ersten vom 4. März, für die ich die parallaktischen Faktoren
berechnet habe, die Parallaxen selbst mitgeteilt. Ich habe sie
beibehalten (und zur Unterscheidung in Klammern beigesetzt),
obwohl dieselben mit einer zu geringen Distanz des Kometen
von der Erde angesetzt zu sein scheinen, weil dies für die vor-
liegende Untersuchung ohne Bedeutung ist.
Die Vergleichung der Beobachtungen mit der Ephemeride
ergab im Sinne Beob. — Rechn. folgende Abweichungen:
MitU. Berl. Zeit
Beobachtungsort
Aa
AS
März 3-58
Heidelberg
1»22
2U
4-42
»
—0-91
— 8-8
4-43
Straflburg
0-91
— 0-7
4-53
Bamberg
—0-71
-h 0-1
4-68
Jena
— 1-44
5-7
10
E. Weifl,
MitÜ. Berl. Zeit
Beobachtungsort
Aa
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März
5-38
5-38
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5
5
5
5
5
5
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6
6
6
6
6
6
6
6
7
7
7
7
7
7
April 11
11
12
12
12
13
14
15
15
38
40
42
44
49
69
80
36
42
46
49
49
67
68
72
78
38
46
46
53
60
76
36
38
36
36
41
34
39
34
34
Nizza
Rom
Wien
Heidelberg
Arcetri
Straßburg
München
Lyon
Mt. Hamilton
Rom
Arcetri
Straßburg
Utrecht
Nizza
Arcetri
Lyon
Washington
Mt. Hamilton
Rom
Straßburg
Nizza
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Lyon
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Arcetri
München
Arcetri
Königsberg
Straßburg
Königsberg
Arcetri
Königsberg
Arcetri
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— 2-
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Bahn des Kometen 1905 IV.
11
MittL Berl. Zeit
Beobachtungsort
Aa
Aa
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— 6'
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16-40
Königsberg
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28
— 9"
•0
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—2
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•7
23-40
»
—2
86
-t-l3
•1
23-39
Arcetri
—2
•50
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23-42
Straßburg
2
■58
H-10
•8
23-43
Heidelberg
—2
•58
-+-15
•1
25-40
Arcetri
2
55
-+-11
'2
26-39
Algier
—2
•95
-♦-14
•8
26-42
»
—3
24
H-15
•1
28-39
Arcetri
—3
■13
-4- 7-
5
28-40
Algier
-3
•41
-hl6
•4
28-43
— 3-
69
-hl7
•5
29-37
—3
•38
-4-17
•3
29-40
—3
72
-+-18
5
30-42
—3
39
-M8'
•4
30-43
3'
65
-4-17-
6
Für die drei Gruppen resultiert daraus als arithmetisches
Mittel der Beobachtungszeiten und Abweichungen in AR und
Dekl.
März 604
April 13-73
Mai 26-67
Aa = — 0'86
+0-45
—3 07
A8 = - 3'0 (29 Beob.)
— 7-1 (11 » )
+ 14-5 (15 . )
Die Ausmessung der Platte vom 14. Jänner 1005 ergab
für die Position des Kometen, bezogen auf das mittlere Äqui-
noktium 1905 0,
1905 Jänner 14 15" 5» 42* mittl. Heidelberger Zeit:
a = 5''12»12»88
9-641
+28" 10' 44'9
0-723
Die Reduktion auf 19060 beträgt: +3*78 und +4' 1.
12
E. Weiß,
Um diesen Ort von Aberration und Parallaxe zu befreien,
rechnete ich ebenfalls aus den Elementen von Ebell die geo-
zentrische Distanz des Kometen für Jänner 14 '5 und fand
log p = 0 • 52559.
Läßt man die oben mitgeteilten Differenzen für den nächst-
liegenden Mittag gelten und fügt man den Ort für 1905 Jänner 14
bei, so erhält man als Grundlagen für die weiteren Rechnungen
die folgenden vier auf 1906*0 bezogenen Orte:
1905 Jänner 14*6226 mittl. Berl. Zeit a
1906 März 6*0
April 14-0
Mai 27-0
5hl2»al6?79
11 34 55-65
11 21 4-35
11 26 39-77
d =
+28* 10' 50- 4
1 42 57-2
2 28 57-1
1 29 53-5
oder in Länge und Breite umgesetzt mit Beifügen der Sonnen-
koordinaten:
Mittl. Berl. Zeit
1905 Jänner 14 -6226
1906 März 6*0
April 14-0
Mai 27-0
79**27'28'8
173 34 0-6
170 4 55-2
171 45 9-3
ß L log i?
-♦-5** 9'53'4 294*'18'ir6 9-992847
— 0 54 51-4 344 59 81 9-996667
— 1 34 25-9 23 35 22-0 0*001425
— 1 55 47-6 65 14 96 0-005797
Ich legte nun zunächst durch die beiden Orte 1906 März
6'0 und Mai 27*0 mit dem aus der Ephemeride folgenden:
logMzi: log /"—]=!: 0-130789 und einem um 200 Einheiten
der 6. Dezimale verminderten Werte die beiden Parabeln:
I II
logM
0-130789
0- 130589
ri905
Okt. 17-5580
Okt. 17-2173
CD
158" 27' 56 '2
158° 23' 9'2
Si.
342 15 57*9
342 16 5-9
m
t
4 15 43-9
4 15 49-2
log?
0-522312
0-522762
Die Vergleichung der Beobachtungen vom 14. Jänner 1905
und 14. April 1906 mit Parabel II und die der beiden Parabeln
untereinander führte zu folgendem Resultate:
Bahn des Kometen 1905 IV.
13
Beob.— Par. 11
d\
1905 Jänner 14 +14' 52-6
1906 April 14 + 0 58-7
-14'8
- 7-7
Par. I— Par. II
10' 33'3 +0'9
1 23-7 4-5-2
Der Anblick dieser Zahlen läßt sofort erkennen, daß durch
eine Variation von M eine entsprechende Darstellung nicht
erreichbar sei. Der Versuch, durch Einführen einer Ellipse die
Fehler herabzumindern, führte ebenfalls zu keinem befriedi-
genden Ergebnisse; ich ermittelte daher aus den obigen Daten
den wahrscheinlichsten Wert von log M für 1905 Jänner 14
und 1906 Mai 27 und erhielt damit folgende Bahn:
T= 1905 Okt. 18-0347
«0=: 158*^39' 57-3— 1'2 (/
ßz=342 17 11-4+51-4 (/
1= 4 16 9-34- 0-4 (i-
\ogq = 0' 523566
1606-0)
1906 0)
1906-0)
Dieses Elementensystem läßt in den vier Orten wieder im
Sinne Beob. — Rechn. folgende Fehler zurück, denen ich auch
die Entfernungen des Gestirnes von Sonne (r) und Erde (p)
beigesetzt habe.
Datum
AX
Aß
logr
logp
1903 Jänner 14-6226
+2'6
+0'3
0-623116
0-525858
1906 März 60
-5-3
2-1
0-554234
0-414753
April 14-0
+3-0
-0-5
0-571492
0-454915
Mai 27-0
+ 1-9
-0-1
0-593042
0-544993
Die Wiedergabe der beiden äußersten Orte ist zwar nicht
besonders befriedigend, aber in Anbetracht der obwaltenden
Verhältnisse bei einer sechsstelligen Rechnung immerhin er-
träglich. Jedenfalls aber erhellt aus der geringen Größe aller
Abweichungen, daß die Bahn von einer Parabel nicht merkbar
abweicht und die Elemente der Wahrheit schon sehr nahe
kommen.
14
E. Wcifl,
Aus diesen Elementen erhält man zur Berechnung der
rechtwinkligen heliozentrischen Koordinaten die folgenden, auf
das mittlere Äquinoktium 1907*0 sich beziehenden Relationen:
a; = 9-999872 r sin (1;+ 23 r 0'41-2)
y = Q' 947876 r sin (v-h 140 20 10*2)
z = 9^ 665076 r sin (y-h 143 29 56-8)
Eine damit gerechnete, für Berliner Mitternacht geltende
Ephemeride, welche mittlere Orte für 1907*0 gibt, lautet:
1907
a
a
logr
logp
Febr. 13-5
14h 59in
7»
20**
48»0
0-73669
0-72136
21-5
15
0
28
21
1-0
0-74081
0-71517
März 1 • 5
0
59
10-4
0-74490
0-70924
9-6
15
0
42
.
16-4
0-74896
0-70378
17-5
14
59
38
19-0
0-75299
0-69901
25-5
57
40
18-0
0-75600
0-69517
April 2 • 5
14
55
25
—21
13-7
0-76097
0-69251
Nimmt man an, daß die Helligkeit des Kometen dem Aus-
drucke -g—^ proportional sich verändere, was bei der großen
r
Periheldistanz desselben sehr nahe zutreffen dürfte, so können
zur Beurteilung seiner Lichtstärke die nachstehenden Angaben
dienen.
Datum
logr
logp
logrp
ffi
H.
2
1905 Jänner 14
1906 März 6
April 14
Mai 27
1907 Febr. 13
März 9
April 2
0-62312
0 • 55423
0-57149
0-59304
0 - 73669
0-74896
0 • 76097
0-52586
0-41475
0-45492
0-54499
0-72136
0-70378
0-69251
1-1490
0-9690
1 • 0264
1-1380
1-4580
1-4527
1 • 4535
0-44
1-00
0-77
0-46
0-11
011
0-11
1-00
2-29
1-76
105
0-24
0-25
0-25
Bahn des Kometen 1905 IV. 1 3
Bei den Helligkeiten ist für H^ (in der fünften Kolumne)
die zur Zeit der Entdeckung des Kometen zu Grunde gelegt,
lur H^ jene, welche er bei seiner ersten Aufnahme besafi.
Über die Lichtstärke und das Aussehen des Kometen zu den
obigen Zeiten besitzen wir folgende Notizen:
Auf der Platte vom 14. Jänner 1905 nennt Prof. Wolf
den Kometen 12. Größe.
Das Aussehen des Kometen zur Zeit seiner Entdeckung
beschreibt Prof. Wolf wie folgt: »Der Komet ist auf den
Platten gut zu sehen und hat einen etwa V," langen Schweif,
der vor dem Kometen einhergeht. Im Zehnzöller zeigte der
Komet am 4. März (1906) einen scharfen Kern und einen
gegen NW gerichteten Schweif«. Von anderer Seite wird
erwähnt, daß der Komet ein rundlicher Nebel von 10" bis 15"
mit einem stemartigen Kerne 10.11. Größe gewesen sei. Daß
der Komet in der ersten Hälfte des März eine ziemlich große
Helligkeit besaß, geht auch daraus hervor, daß er selbst zur
Zeit des Vollmondes (10. März) gesehen und beobachtet
wurde.
Auch Anfang April wurde der Komet, wiewohl bereits
schwer, noch bei Mondschein gesehen. Der Schweif scheint
indes Ende März und in den ersten Tagen von April von einer
größeren Lichtstärke gewesen zu sein.
Ende April nahm das Gestirn rasch an Helligkeit ab,
wird Ende Mai durchgehends 12.13. Größe geschätzt und bei
der letzten Beobachtung vom 12. Juni in Straßburg sogar nur
13.14. Dazu mag wohl manches der Umstand beigetragen
haben, daß er nur mehr am dämmerigen Abendhimmel beob-
achtet werden konnte.
Nach der obigen Zusammenstellung wird die theoretische
Helligkeit des Kometen im Februar, März und April 1907
noch ein Neuntel jener betragen, die er bei seiner Entdeckung
im März 1906 besaß, und noch ein Viertel jener, die er zur
Zeit seiner ersten Aufnahme im Jänner 1905 und bei den
letzten Maibeobachtungen im Jahre 1906 hatte. Man könnte
daher einer Wiederaufflndung desselben, mindestens mit Hilfe
der Photographie, mit einer ziemlichen Zuversicht entgegen-
sehen, wenn seine Stellung am Himmel nur nicht eine so
16 E. Weiß, Bahn des Kometen 1905 IV.
südliche wäre. Als ein günstiger Umstand hingegen ist es
zu bezeichnen, daß er beiläufig zu derselben Zeit, wo er
stationär wird, seine größte Helligkeit erreicht. Die Wahr-
scheinlichkeit, den Kometen im Februar und März dieses
Jahres nochmals zu sehen und dann noch einige Zeit ver-
folgen zu können, halte ich daher, alles in allem genommen,
für eine nicht allzu geringe.
Nachtrag.
Während des Druckes dieser Zeilen sind Beobachtungen
des Kometen auf der Licksternwarte bis zum 24. Juni 1906 mit
der Notiz publiziert worden, daß er damals noch in einem
ZwölfzöUer sichtbar und im großen Fernrohre ein leicht zu
beobachtendes Objekt war. Diese, den europäischen Angaben
gegenüber weit günstigeren Helligkeitsschätzungen sind der
Hauptsache nach wohl zweifellos der südlicheren Lage der
Licksternwarte und den dadurch bedingten kürzeren Dämme-
rungen zuzuschreiben, verstärken aber in nicht geringem Maße
die oben ausgesprochene Hoffnung, das Gestirn nochmals auf-
zufinden.
17
Zur Theorie der »schönsten der Halo-
erseheinungen*
von
J. M. Pemtcr,
k. M. k. Akad
(Vorgelegt in der Sitzung am 10. Jänner 1907.)
Den oberen Berührungsbogen des Halo von 46 ** nennt
Bravais^ die prachtvollste der Haloerscheinungen: »Cestsans
contredit la plus brillante de toutes les apparitions qui se
rattachent aux Halos et aux parhelies.« Es ist wichtig für die
Theorie, diese Tatsache genau festzustellen. Die zusammen-
fassende Beschreibung Bravais' lautet: »Der Berührungsbogen
(obere) des Halo von 46** ist ein wahrhaftiger Regenbogen
durch die Lebhaftigkeit seiner Farben, die deutliche Trennung
derselben und durch die Reinheit, mit welcher die Ränder und
die Enden des Bogens sich vom Himmel abheben. Man sieht
in diesem Bogen leicht alle Farben des Spektrums mit Aus-
nahme des Violett und zuweilen sogar auch dieses; sie sind
deutlicher als bei der Nebensonne von 22**.«
Diese Deutlichkeit und Pracht der Farben ist somit die
erste und auffallendste Eigenschaft der Erscheinung dieses
Berührungsbogens. Als zweite auffallende Eigenschaft des-
selben bezeichnet Bravais die Horizontalität des Bogens. Von
^ Sur les Halos, p. 91. In seiner »Notice sur les Halos« im »Annuaire
sneteorologique de la France pour 1851«, p. 177, sagt er: »Car c'est sans contre-
<iit la plns remarquable de toutes les apparitions qui peuvent accompagner
lehalo.« Er ersetzt also hier das »brillante« durch »remarquable«. Im übrigen
beschreibt er die Erscheinung hier wie dort in der im Texte angeführten Weise.
Sitzb. d. matfaem.-nAtiirw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 2
18 J. M. Pernter,
ihr sagt er:^ »Für den Blick erscheint dieser Bogen horizontal;
das schien er fast allen Beobachtern zu sein. Allerdings kenne
ich keine direkte Messung, durch welche diese Horizontalität
festgestellt worden wäre.« Die horizontalen Bögen sind jene,
welche in ihrer ganzen Ausdehnung mit dem Horizonte par-
allel laufen, ob sie nun volle Kreise oder nur Teile solcher
Kreise sind. Der bekannteste derselben ist der Nebensonnen-
ring, der auch schlechthin der Horizontalkreis heißt. In der Tat
ist er der einzige regelmäßig auftretende Horizontalkreis, alle
anderen zählen zu den außerordentlichen Halos, wenn man
von dem oberen und unteren Berührungsbogen des Halo von
46** absieht.
Ob man nun diese nur nach dem Augenschein und nicht
auf Grund von Messungen dem Bogen zugesprochene Eigen-
schaft der Horizontalität als feststehende, ihm wesentliche
Eigenschaft ansehen muß oder ob dieselbe nur Schein ist und
nicht einen mit dem Horizonte streng parallelen Bogen be-
deutet, das ist für die Theorie dieses Bogens die entscheidende
Frage.
Bravais hat, trotzdem er keine Messung kannte, durch
welche die strenge Horizontalität festgestellt worden wäre, sich
für die Horizontalität als eine erwiesene Tatsache entschieden
und demgemäß nennt er diesen Bogen' »den horizontalen
oberen Berührungsbogen des Halo von 46^« oder auch einfach
den (oberen) circumzenithalen Bogen.^ Diese Benennung sagt
ja an sich das gleiche wie »horizontal«, da ein Bogen, dessen
»Mittelpunkt« im Zenith liegt, horizontal sein muß.
1 Sur les Halos, p. 91: »A la vue, l'arc est sensiblement horizontal; il a
paru tel ä presque tous les observatcurs ; cependant je ne connais aucune
messure directe qui ait constate celte horizontaltte«.
2 In seiner großen, berühmten Abhandlung »Sur les Halos« findet sich
diese Bezeichnung nur im Inhaltsverzeichnisse.
> Diese Benennung fuhrt er bei diesem Bogen erst in seiner oben zitierten
»Notice sur les Halos«, p. 177, ein. In der großen Abhandlung sagt er nur
gelegentlich der Behandlung der »außerordentlichen drcumsenithalen Bogen« :
»Les arcs circumzenithaux ordinairs sont les arcs tangents au halos de
Z2 degres et de 46 degres«.
Theorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 19
Bravais stellte, wie gesagt, die Horizontalität dieses
Bogens in den Vordergrund und erklärte sie als die maß-
gebende, entscheidende Eigenschaft, die diesen Bogen charak-
terisiert Demgemäß gab er eine Erklärung dieser Haloerschei-
nung, welche in erster Linie die Horizontalität des Bogens
erklärt. Ich muß diese hier kurz rekapitulieren.
1. Theorie von Bravais.
Um einen horizontalen Bogen, dessen Abstand von der
Sonne im Vertikal der Sonne etwa gleich dem Radius des Halo
von 46** ist, durch Brechung der Sonnenstrahlen in den Eis-
kristallen zu erhalten, nimmt Bravais an, daß das Licht auf die
vertikal schwebenden säulenförmigen Eisprismen so auffallt,
daß der Strahl an der oberen horizontalen Basisfläche eintritt
und von da an eine Seitenfläche gebrochen wird, durch die er
austritt Bleibt das Eisprisma vertikal, d. h. bleibt die Haupt-
achse stets in der Schwererichtung, dreht sich aber der Kristall
um diese vertikale Achse,* so wird auch der vom Eisprisma
abgelenkte Strahl mit der Basis des letzteren sich parallel dem
Horizonte drehen und so muß für das Auge ein horizontaler
Bogen entstehen, dessen Mitte im Vertikal der Sonne etwa 46"
von der letzteren liegt* Man erhält für die Berechnung der
Höhe (A) des Bogens über dem Horizont bei der Sonnenhöhe H
die Formel:
sin h z=z \/h* — cos* H.
Man sieht hieraus ohneweiters, daß die Höhe h des Bogens
für eine bestimmte Sonnenhöhe konstant ist, d. h. also an
jedem Punkte des Bogens dieselbe und daher der Bogen mit
dem Horizonte parallel sein muß.
1 Es versteht sich von selbst, daß in der Natur die Kristalle so ver-
schiedene Stellungen ihrer Seitenflächen aufweisen, dafi es aufs gleiche heraus-
kommt, wie wenn sich das Eisprisma um seine vertikale Hauptachse dreht;
letzteres ist nur für die Darstellung der anschaulichere Ausdruck für die natur-
gemäße Annahme der immer vorhandenen verschiedenen Stellungen aller Art
der Seitenflächen zu dem in der Ebene des Vertikals der Sonne geführten
Vertikalschnitt durch das Prisma.
s Bravais, Sur les Halos, p. 96; siehe auch meine Meteorolog. Optik^
p. 364.
2*
20 J. M. Pernter,
Es verlangt aber diese Theorie von Bravais andererseits,
daß die Höhe des Bogens über dem Horizonte mit der Sonnen-
höhe veränderlich ist, wie dies obige Formel besagt. Das ist in
der Tat ein Kriterium für die Richtigkeit der Theorie, wie es
nicht besser gewünscht werden könnte und es sei gleich
gesagt, daß Messungen von Ekama im Jahre 1883 und seither
solche von Besson den Beweis erbracht haben,^ daß »circum-
zenithale« Bögen, welche der Theorie Bravais* entsprechen,
wirklich zur Beobachtung gelangten. Eine andere Frage ist es,
ob diese Bravais'schen circumzenithalen Bögen mit Recht als
die Berührungsbögen des Halo von 46* angesehen werden
dürfen. Ich glaube, genügend beweisende Gründe theoretischer
Art und auch Beobachtungen für die Auffassung beibringen zu
können, daß die eigentlichen Berührungsbögen des Halo von
46** von diesen Bravais'schen circumzenithalen Bögen ver-
schieden sind und eine besondere Haloerscheinung bilden,
deren Theorie der von Galle zuerst gegebenen Theorie der
Berührungsbögen des Halo von 46* entspricht.
2. Theorie von Galle.
Geht man von der Tatsache aus, daß der Glanz und die
Farbenpracht dieses Bogens eine so auffallende und von den
Beobachtern meistens als so schön wie bei keiner anderen Halo-
erscheinung beschrieben und bewundert worden ist, so findet
man die Erklärung für diese Pracht nur durch die Farben- und
Glanzbildung in jenen Eisprismen gegeben, welche im Minimum
der prismatischen Ablenkung erzeugt wird. Es ist ja richtig, auch
jene Refraktionen, welche nicht im Minimum der Ablenkung
stattfinden, sind wirksam, geben Glanz und Farben, aber
bekanntlich in um so geringerem Grade von Intensität und
Reinheit, als sie vom Minimum der Ablenkung mehr abweichen.
Um die allgemein angestaunte Pracht des oberen Berührungs-
bogens zu erklären, ist es daher absolut notwendig, anzu-
nehmen, daß die Erscheinung erzeugt wird durch Eisprismen,
^ Siehe Ekama, Mijne Wamemingen omtrent de Halo, p. 58; Besson,
Compt. rend. vom 3. April 1905 und vom 5. November 1906. Siehe auch meine
Meteorolog. Optik, p. 375, und Compt. rend. vom 15. Mai 1906.
Theorie der »schönsten der Haloerschetnungen«. 2 1
die im Minimum der Ablenkung wirken. Ich halte dafür, daß
dies allein die Grundlage einer Erklärung der herrlichen Er-
scheinung bilden kann und daß somit die Theorie von Galle
hier die richtige ist^ Galle nimmt an, daß die eine vertikale
Mittellage einnehmenden, säulenförmigen Eisprismen pendeln,
und zwar mit solchen Ausschlägen, daß auch die bei anderer
Sonnenhöhe als 22* 8' (bei welcher die genau in die Schwere-
linie mit der Hauptachse einspielenden Eisprismen gerade im
Minimum der Ablenkung stehen) wirkenden Eisprismen ins
Minimum der Ablenkung sich einstellen und so die Erscheinung
erzeugen. Ein Kriterium für die so erzeugte Erscheinung bietet
wieder der Abstand der im Vertikal der Sonne befindlichen Mitte
des Bogens; er muß stets gleich sein dem Radius des Halo von
46"* und daher stets mit dem höchsten Punkte dieses Halo zu-
sammenfallen; der Bogen ist daher stets ein echter Berührungs-
bogen dieses Halo.
Die vorliegenden Messungen sind zu unsicher und zu
ungenau und überhaupt viel zu wenige, als daß dieses Kriterium
allein zur Entscheidung genug sicher wäre, die Messung
Weidler's etwa ausgenommen. Wohl aber ist daraus und aus
gar manchen B e s c h r e i b u n g e n von Beobachtu ngen mit größter
Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, daß diese geforderte Gleich-
heit des Radius des Halo von 46** und des Abstandes der Mitte
des Berührungsbogens wiederholt beobachtet wurde, und zwar
nicht nur bei 22** 8' Sonnenhöhe, wo sie auch für den Bravais-
schen Bogen besteht.
Es ist somit auf Grund der Glanz- und Farbenpracht des
Bogens, sowie aus den Beobachtungen der Gleichheit des Ab-
1 Galle, Pogg. Ann. 49^ p. 264 — Galle hat, allerdings nicht speziell aus
dem oben angeführten Grunde, die Minimumstellung bei Erklärung dieses Bogens
seiner Erklärung zu Grunde gelegt, sondern weil er eine wirksame Licht- und
Farbenentwicklung bei den ganzen Haloerscheinungen nur dann annahm, wenn
di^elben durch Eisprismen in der Minimumlage erzeugt werden. Bravais (Sur
les Halos, p. 94) bemerkt zwar dagegen mit Recht, daß auch andere Stellungen
der Prismen »wirksame« Strahlen geben, aber er hat entschieden unrecht,
wenn er annimmt, die Prismen, die nicht in der Minimumstellung wirken.
könnten so auflallende Prachtentwicklungen erzeugen. Darüber noch mehr
weiter unten.
22 J. M. Pcrnter,
Standes der Mitte desselben und des Radius des Halo von 46*
der Schluß zu ziehen, daß außer dem Bravais'schen Bogen,
häufiger wohl als der letztere, auch der wirkliche Berührungs-
bogen des Halo von 46** sich bildet.
3. Wirklichkeit zweier verschiedener Bögen.
Die Auffassung, daß es sich hier um zwei verschiedene
Haloerscheinungen handle, den oberen Berührungsbogen an
den Halo von 46** und den circumzenithalen Bogen von
Bravais, ergibt sich notwendig aus den obigen Erwägungen
über die Theorie der beiden Bögen. Da aber diese Auffassung
in der Theorie der Haloerscheinung neu ist, mag es geboten
erscheinen, dieselbe ausführlich zu begründen.
Wir haben es in der Tat nach den zwei Theorien mit
zwei theoretisch deutlich und scharf verschiedenen Bildungen
zu tun, deren jede drei, nur ihr eigene, die der anderen aus-
schließende Eigenschaften aufweist.
a) Die Theorie des Berührungsbogens verlangt, daß er stets
in wirklicher Berührung mit dem Halo von 46* sei, da im Vertikal
der Sonne der Abstand seiner Mitte von der Sonne stets gleich
dem Radius des Halo sein muß. Der Abstand aber der Mitte des
circumzenithalen Bogens nach der Theorie von Bravais kann
nur bei einer Sonnenhöhe von 22* 8' dem Radius des Halo
gleich sein, bei allen anderen Sonnenhöhen ist dieser Abstand
größer als der Radius des Halo.
h) Der Berührungsbogen muß sich je nach der Sonnen-
höhe vom Berührungspunkt aus nach oben oder nach unten
biegen;^ der circumzenithale Bogen von Bravais läuft aber
wesentlich genau parallel mit dem Horizonte.
c) Der Berührungsbogen muß — Störungen ausgenommen
— einen Glanz und eine Farbenpracht aufweisen, die jener der
Nebensonne von 22® gleichkommt, in der Schönheit der Farben
sogar übertrifft; der circumzenithale Bogen von Bravais kann
keine besondere Pracht der Erscheinung besitzen.
Diese drei Kriterien sind zweifellos geeignet, zu ent-
scheiden, ob und wann man es mit dem einen oder dem
^ Siehe die Zeichnung Fig. 149 auf p. 371 in meiner Meteorolog. Optik.
Theorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 23
anderen Bogen zu tun hat. Wir werden die vorhandenen Beob-
achtungen daraufhin zu prüfen haben, ob mit Hilfe der drei
Kriterien das wirkliche Vorkommen beider Bögen sich nach-
weisen läßt oder ob nur einer der beiden Bögen in der Natur
sich verwirklicht
Das erste Kriterium verlangt, daß man durch Messungen
des AbStandes des im Vertikal der Sonne liegenden Punktes
der fraglichen Bögen von der Sonne einerseits zeigt, daß ein
Bogen vorkommt, bei welchem dieser Abstand mit der Sonnen-
höhe veränderlich ist, und andrerseits ein zweiter derartiger
Bogen auftritt, bei welchem dieser Abstand bei allen Sonnen-
höhen gleich ist dem Radius des Halo von 46*. Um diese Ver-
hältnisse leichter zu überblicken, setze ich eine kleine Tabelle
hieher, welche den theoretischen Abstand des circumzenithalen
Bogens von Bravais im Vertikal der Sonne vom Sonnenmittel-
punkte nach der Theorie dieses Bogens ausweist. Ich bezeichne
mit H die Sonnenhöhe, mit h die Höhe der im Vertikal der
Sonne liegenden Mitte des Bogens, mit d den Wert des Ab-
standes der letzteren von der Sonne, also h — H = d. Die
Tabelle geht von i/ = 5, der niedrigsten Sonnenhöhe, bei
welcher bisher ein solcher Bogen beobachtet wurde, bis f/^rz 31,
der wohl höchsten Höhe, bei welcher er möglich ist. An dieser
Tabelle sind dann nicht nur die eigentlichen Messungen, son-
dern auch die Schätzungen und andere Bemerkungen über die
Höhe und den Abstand des Bogens von der Sonne zu prüfen.
H
*
d
b'..
...SSM?'
53° 17'
6 ..
58 30
52 30
7 ..
...58 40
51 46
8 ..
...59 2
51 3
9 ..
...59 25
50 25
10 .,
....59 45
49 45
11 .
....60 10
49 10
12 .,
60 37
48 37
13 .
....61 7
48 7
14 .
....61 40
47 40
15 .
....62 12
47 14
24
J. M. Pernter,
H
h
d
16°...
. .62'52'
46 »52'
17 ...
..63 33
46 33
18 ...
..64 16
46 16
19 ...
..65 3
46 3
20 ...
..65 53
45 53
21 ...
..66 46
45 46
22 ...
. .67 44
45 44
23 ...
..68 45
45 45
24 ...
..69 52
45 52
25 ...
..71 4
46 4
26 ...
..72 22
46 22
27 ...
..73 48
46 48
28 ...
..75 24
47 24
29 ...
..77 13
48 13
30 ...
..79 23
49 23
31 ...
..82 9
51 51
Alle Rechnungen, diese und die späteren, wurden für die
Strahlen durchgeführt, deren Brechungsexponent im Eise
;i = 1'31 ist, d. h. also für Gelb. Wo für Rot gerechnet wurde,
ist es ausdrücklich bemerkt.
Messungen der Höhe beider Bögen, beziehungsweise des
Abstandes d lagen bis zur Zeit Bravais* nur sehr wenige vor;
es waren ihm neun Messungen und vier Schätzungen bekannt
Seither kamen dazu zehn Messungen an 5 Tagen von Ekama
im Jahre 1883 und 18 Messungen an 7 Tagen von Besson in
den Jahren 1905 und 1906. Was nun die Genauigkeit dieser
Messungen betrifft, so muß im allgemeinen bemerkt werden,
daß sie der Natur der Sache nach keine größere Genauigkeit
beanspruchen als etwa einen Grad und daß gar oft die Um-
stände, unter denen die Messungen gemacht wurden, die Ver-
schwommenheit der Erscheinung, die Unsicherheit des Punktes,
auf den eingestellt werden muß u. dgl. m., noch größere Fehler-
quellen bedingen. Selbst ein so gewiegter und erfahrener Beob-
achter dieser Erscheinungen wie Ekama* macht gerade bei
1 A. a. O.
Theorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 25
den Messungen dieser Bögen darauf aufmerksam, daß die große
Höhe dieses Bogens über dem Horizonte schon wegen der un-
bequemen Stellung, die der Beobachter bei den Messungen
einnehmen muß, eine Unsicherheit bedingt. Wir werden also
bei diesen Messungen durchwegs eine gewisse Ungenauigkeit
erwarten müssen. Wenn es sich um die Frage handelt, ob der
gemessene Bogen ein circumzenithaler Bogen von Bravais
war, bieten uns Messungen von solchen Bögen bei Sonnen-
höhen unter 12** und über 28* die meisten Bürgschaften für
eine gesicherte Entscheidung, weil hier die Abweichung der
theoretischen Höhe des circumzenithalen Bogens von der des
Berührungsbogens so groß ist, daß sie nicht mehr als Messungs-
fehler erklärt werden kann. Ein größeres Vertrauen bezüglich
der Genauigkeit verdienen aber die Messungen derjenigen, die
schon in Kenntnis der Theorie von Bravais sich befanden und
daher naturgemäß bestrebt waren, ihren Messungen die mög-
lichste Genauigkeit zu sichern; es ist dies Bravais selbst,
ferner Ekama und Besson, die auch für die Messungen gut
vorbereitet waren und nicht, wie die meisten anderen, nur wie
zufallig und im Vorbeigehen sie machten.
Wir wollen nun die bislang bekannten Messungen und
Schätzungen daraufhin untersuchen, ob sie sich auf den circum-
zenithalen Bogen beziehen oder auf den Berührungsbogen. Ich
gebe zu diesem Zwecke in der folgenden Tabelle Datum,
Sonnenhöhe zur Zeit der Messung und die Werte der letzteren
als Abstand d von der Sonne sowie das theoretische d dieser
Sonnenhöhe für den circumzenithalen Bogen; ein M neben d
bedeutet Messung, ein S Schätzung; Dq ist der Radii^ des
Halo, 45 • 44'.
26
J. M. Pernter,
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Theorie der »sckönsten der Haloerscheinungenc. 29
Aus dieser Tabelle entnimmt man, daß man eine Entschei-
dung, ob man es mit dem circumzenithalen Bogen von Bravais
oder mit dem Berührungsbogen zu tun hat, nur dort erhält, wo
Theorie und Beobachtung mehr als einen oder gar zwei Grade
differieren. Es kommt dies von der Unsicherheit, welche diesen
Messungen naturgemäß anhaftet, selbst bei jenen, welchen die
Theorie Bravais* schon bekannt war und die also gewiß mit
aller Sorgfalt gemessen haben. Am schwersten wird die Ent-
scheidung durch die Messung da, wo die theoretischen Werte
für den circumzenithalen Bogen von Bravais auch nur etwa
einen Grad vom theoretischen Werte für den Berührungsbogen
abweichen; da wird es leicht vorkommen, daß die Messungs*
werte sowohl vom theoretischen Werte des circumzenithalen
Bogens als von dem des Berührungsbogens fast gleichweit und
nach keiner Seite bedeutend abstehen. Es wird dann aber bei
Messungsfehlem von etwa einem Grade, die ja so leicht zu
machen sind und wenn dabei der theoretische Wert des circum-
zenithalen Bogens etwa zwei Grade von dem des Berührungs-
bogens verschieden ist, vorkommen, daß die Messungen nach
beiden Seiten beiläufig gleichweit von den theoretischen
Werten abstehen. Man wird daher meistens nur auf solche
Messungen sich stützen können, welche bei Sonnenhöhen aus-
geführt wurden, bei welchen die theoretischen Werte für den
circumzenithalen Bogen mehrere Grade vom theoretischen
Werte des Berührungsbogens (45** 44^ abweichen. Diese
Abweichungen sind in der letzten Vertikalreihe der Tabelle
angegeben.
Es ist aus derselben leicht und unzweideutig zu ent-
nehmen, daß die Beobachtungen von Ekama vom 23. August
bei den Sonnenhöhen von 7* 11' und bei 8** 15' und die zwei
letzten vom 25. Juni 1883 bei 10* C und 10** 2Qf Sonnenhöhe
zweifellos auf den circumzenithalen Bogen von Brav ais sich
beziehen. Das gleiche gilt von den Beobachtungen Besson^s
vom 26. März, 8. August 1905 und vom 10. Mai und
29. Oktober 1906. Da diese Messungen ganz unbez weifelbar
die Tatsächlichkeit des circumzenithalen Bogens von Brav ais
beweisen, so ist es überflüssig zu untersuchen, ob auch andere
Messungen sich auf diesen Bogen beziehen. Wohl aber werden
30 J. M. Pernter,
wir ZU untersuchen haben, ob unter denselben sich solche
finden, die die Tatsächlichkeit auch des Berührungsbogens des
Halo von 46** erweisen. Da ergibt sich nun, daß von den vor-
handenen wenigen Messungen nur die eben genannten bei
solchen Sonnenhöhen gemacht wurden, welche eine gänzlich
unbezweifelbare, eindeutige Entscheidung ermöglichen, und
diese Messungen wurden eben an circumzenithalen Bogen
gemacht. Man möchte versucht sein, den voreiligen Schluß zu
ziehen: folglich kommt nur der circumzenithale Bogen in der
Natur vor, der Berührungsbogen aber nicht. Das wäre aber
nicht nur voreilig, sondern auch ganz unerlaubt. Der Messungen
sind doch allzuwenige, als daß auch ohne Rücksicht auf andere
Beobachtungstatsachen aus ihnen allein ein solcher Schluß
gezogen werden dürfte; man kann mit größter Wahrschein-
lichkeit erwarten, daß im Laufe der Zeit die Messungen sich
mehren und dabei ist es um so weniger ausgeschlossen, daß
auch bei Sonnenhöhen, die der Entscheidung der Frage günstig
sind, Berührungsbogen gemessen werden dürften, als die
beiden sub b und c angeführten Kriterien auf das deutlichste
die Wirklichkeit auch des Berührungsbogens nachweisen.
Bevor ich dazu übergehe, muß ich aber feststellen, daß die
oben in der Tabelle mitgeteilte Messung von Weidler wenn
auch nicht so auffallend wie die Messungen von Ekama und
Besson für den circumzenithalen Bogen, so doch auch unbe-
zweifelbar beweisen, daß Weidler den Berührungsbogen vor
sich hatte. Denn wenn man selbst annehmen will, daß
Weidler einen Messungsfehler von einem ganzen Grad
gemacht habe, so würde das Anbringen dieser Korrektion
doch noch einen Ausfall von mehr als einem halben Grad
zurücklassen. Allein die Annahme eines solchen Fehlers bei
der Messung Weidler's dürfte schon aus dem Grunde nicht
gestattet sein, weil alle vorliegenden Messungen dartun, daß die
Messungsfehler fast ausschließlich in der Messung zu großer
Werte bestehen und, wenn sie in zu niedrigen Werten auf-
treten, die Fehler immer kleiner als ein Grad sind. Die Messung
Weidler's würde selbst mit dem höchsten negativen Werte
der Abweichung, der in unserer Tabelle vorkommt, nämlich
l"* 13', erst an 46' 43' hinaufkorrigiert werden können und da
Theorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 31
von dem theoretischen Werte der circumzenithalen Bögen von
47*" 3' noch immer 2(y abstehen, was ja nach Anbringung der
richtigen Korrektion nicht mehr möglich wäre; eine größere
Korrektion anzubringen, wäre aber unter keinen Umständen
gerechtfertigt Die Messung Weidler's beweist also zweifellos,
daß der Berührungsbogen ebenfalls in der Natur tatsächlich
vorkommt.
Es ist richtig, der gegen jeden Zweifel ganz gefeite Beweis
für die Tatsächlichkeit des Berührungsbogens wäre gewiß der,
wenn derselbe bei einer der Sonnenhöhen sich zeigte, bei
welchen der circumzenithale Bogen vier oder mehr Grade über
dem Halo von 46** erreichen müßte. Es liegt uns nun freilich
keine Messung dieser Art vor, wohl aber eine Beobachtung,
die hier die Messung vollkommen ersetzt; es ist die berühmte
Beobachtung von Lowitz,* das »Petersburger Phänomen«.
Die Sonnenhöhe zur Zeit der Beobachtung des den Halo von
46* berührenden Bogens betrugt etwa 31*. Der circumzenithale
Bogen von Bravais hätte bei dieser Sonnenhöhe (51* 51' —
45* 44'=) 6* 7' höher erscheinen müssen als der Halo von
46*. Aber Lowitz zeichnet den Berührungsbogen, d. h.
er stellt den Halo von 46* so dar, daß der fragliche Bogen
denselben voll berührt. Es wäre ganz ausgeschlossen, daß
Lowitz einen Bogen, der 6* vom Halo abgestanden hätte, in
Kontakt mit ihm gezeichnet hätte, besonders da er ausdrück-
lich erklärt, daß er das Phänomen »mit der allergrößten
Genauigkeit aufzeichnete«. Überdies sagt Lowitz in der
Beschreibung dieses oberen Bogens, daß derselbe den Halo
von 46* »gehörnt erscheinen ließ«. Das hätte er nicht können,
wenn er 6* vom Halo abgestanden hätte. ^ Wir haben also
1 Siehe meine Meteorolog. Optik, p. 222.
< Dies schließt Bravais selbst daraus, daß die Erscheinung um 7^30™
mor:gens am 18. Juli begann und in St. Petersburg um diese Zeit die Sünnen-
höhe etwa 31** beträgt. Später wäre sie noch höher. (Sur les Halos, p. 109.)
3 Bravais gibt die Tatsache der Berührung des Bogens mit dem Halo
zu nnd erklärt sie dann durch starkes Pendeln der Eiskristalle. Ganz richtig ;
dieses Pendeln ist stets vorausgesetzt bei der Erzeugung des Berührungsbogens
bei Sonnenhöhen, die von 22° 8' verschieden sind, und es ist eigentlich ein
Abgehen Brav ais' von seiner Theorie, die vertikale Achsen und horizontale
32 J. M. Pernter,
hier den gesuchten Beweis, der jeden Zweifel an der Tatsäch-
lichkeit des Berührungsbogens ausschließt: den den Halo von
46" berührenden Bogen, bei einer Sonnenhöhe von 31"*, wo
der circumzenithale Bogen von Bravais selbst vom äußeren
Rande des Halo noch um 4** abstehen müßte.
Um zu entscheiden, ob die übrigen Bögen, deren
Messungen in der obigen Tabelle mitgeteilt sind, und die
zahlreichen anderen beobachteten Bögen, von denen keine
Messungen, sondern nur Beschreibungen vorliegen, zu den
Berührungsbögen oder zu den circumzenithalen Bögen ge-
hörten, müssen wir die beiden weiteren, oben sub bj und c)
angeführten Kriterien heranziehen.
Das zweite Kriterium für die beiden Bögen läßt sich
folgendermaßen formulieren: läuft der Bogen in seiner ganzen
Ausdehnung streng parallel mit dem Horizonte, so ist er ein
circumzenithaler Bogen, wenden sich die rechts und links von
der Mitte des Bogens liegenden Äste desselben zenithwärts
oder im weiteren Verlaufe gegen den Horizont, so ist er ein
Berührungsbögen.
Wir haben eingangs gesehen, daß Bravais die Horizon-
talität als die maßgebendste und eigentlich charakteristische
Eigenschaft auffaßte, und zwar für alle zur Beobachtung
gekommenen Bögen dieser Art. Er ging deshalb so weit, die
Existenz des eigentlichen Berührungsbogens, wie ihn die
Theorie von Galle verlangt, zu leugnen; für ihn gibt es nur
den circumzenithalen Bogen.
Wir werden daher in erster Linie zu untersuchen haben,
ob denn die auf Grund der vorliegenden Beobachtungen
behauptete Horizontalität in der Tat in allen Fällen so zweifel-
los feststeht, wie es Bravais glaubt annehmen zu müssen.
Wir wissen schon, daß nicht eine einzige Messung dieser Art
vorliegt, welche diese Horizontalität experimentell feststellen
Basisflächen der Eiskristalle voraussetzt Er sieht sich übrigens öfters ge-
zwungen, bei Erklärung mehrerer Beobachtungen dieses Bogens zu pendelnden
Kristallen die Zuflucht zu nehmen. Es wäre naturgemäßer, zwei verschiedene
Bögen zuzunehmen: den Berührungsbögen und den circumzenithalen; siehe
unten p. 43.
Tlieorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 33
würde.^ Allerdings ist es aus der Theorie sicher, daß jene
Bögen, welche durch die Messungen von Ekama und Besson
als Bravais'sche circumzenithale Bögen sich ergaben, zweifel-
los horizontal waren. Aber von den übrigen zahlreichen
Beobachtungen haben wir keine, seien es direkte, seien es in-
direkte Beweise für die Horizontal ität. Bei einem sehr großen
Teile der vorliegenden Beobachtungen ist allerdings die
Bemerkung gemacht, daß er horizontal schien oder daß er
seinen Mittelpunkt im Zenith zu haben schien, allein das war
eben nur der Eindruck, den der Beobachter hatte, ohne exakte
Feststellung, daß der Schein objektive Wirklichkeit war. Es ist
daher mit Recht vorerst zu untersuchen, ob der Schein der
Horizontalität bei diesen Bögen etwa nicht durch die Umstände,
unter welchen sie sich zeigen, verursacht wird, ohne daß eine
strenge Horizontalität vorhanden ist.
Diese Bögen entstehen fast ausschließlich in sehr großen
Höhen über dem Horizonte; selbst bei Sonnenhöhen von nur
10** müssen sie schon 56*, bei 15" Sonnenhöhe aber 61"* hoch
über dem Horizonte erscheinen; bei noch größeren Sonnen-
höhen von 18 bis 24**, bei welchen diese Bögen am öftesten
beobachtet wurden, liegen sie schon mehr als 64** über dem
Horizonte. Wir wissen aber,^ daß uns schon bei Winkelhöhen
von 50°, und noch entschiedener bei größeren, das Himmel-
gevvölbe derart flach und, man möchte sagen, horizontal
erscheint, daß man Erscheinungen, die in diesen Höhen auf-
treten, wenn sie keine nennenswerte Längserstreckung haben,
ohneweiters im Zenith zu sehen glaubt. Wenn nun eine
Längserstreckung vorhanden ist, wie bei unseren Bögen, so
hält man sie für horizontal und wenn sie im Bogen um den
Zenith sich erstreckt, wird man wegen der dem Auge stets
horizontal erscheinenden Ausdehnung den Zenith als den
^ Durch Beobachtung wäre diese mittels eines in Altazimut montierten
Lineales (Diopters) dadurch festzustellen, daß man dasselbe auf die Mitte ein-
stellte, dann muß bei der Drehung um die vertikale Achse des Instrumentes der
Bogen ununterbrochen im Visierfeld des Lineales bleiben; der Visierpunkt des
Lineals muß einen mit dem Horizonte parallelen, mit dem Bogen zusammen-
fallenden Kreisbogen beschreiben.
2 Siehe Meteorolog. Optik, p. 22.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 3
34 J. M. Pernter,
Mittelpunkt des Bogens annehmen, jedenfalls so lange, als man
sich dem unmittelbaren Sinneneindrucke überläßt. Dies wird
um so mehr der Fall sein, wenn der Bogen in Wirklichkeit
nahezu horizontal, ohne stärkere Ein- oder Ausbiegungen,
verläuft, wie dies gerade bei dem Berührungsbogen des Halo
von 46* bei den Sonnenhöhen von etwa 20 bis 36** der Fall
ist* Der Schein der Horizontalität für das Auge, der un-
willkürliche Sinneneindruck, findet hiedurch eine genügende
Erklärung. Daß trotzdem Bravais gerade zur Erklärung der
Horizontalität seine Theorie der circumzenithalen Bögen ent-
warf, die heute durch Ekama und Besson für gewisse
Fälle ihre Bestätigung fand, muß uns mit Dankbarkeit und
Befriedigung über den so erzielten Fortschritt in dem Ver-
ständnisse der Haloerscheinungen erfüllen.
Wenn wir so gesehen haben, daß für Sonnenhöhen von
etwa 22** und darüber die Erscheinung der Horizontalität auch
am eigentlichen Berührungsbogen eine unwillkürliche, wohl
unausweichliche ist, so mag man wohl bei niedrigeren Sonnen-
höhen, mit größerer Aufmerksamkeit und unter günstigen
Verhältnissen (wenn die Kurve, welche den minimal abgelenkten
Strahlen entspricht, ohne eine merkliche Verbreiterung durch die
nicht im Minimum der Ablenkung wirksamen Strahlen er-
litten zu haben, erscheint) erkennen, daß die Äste links und
rechts von der Mitte des Bogens »nach oben« dem Zenith zu
sich biegen. In der Tat besitzen wir vier Beobachtungen, bei
welchen dies ausdrücklich von den Beobachtern hervor-
gehoben wird.
Die erste dieser vier Beobachtungen rührt von Maraldi
her, der sie am 27. Februar 1721 machte und in den Memoires
de l'Academie des Sciences pour 1721, p. 231, beschreibt. Er
sagt ausdrücklich, daß die Enden des Bogens gegen den Zenith
sich wendeten;'-^ die Sonnenhöhe betrug 15* 3(y.
1 Siehe in Metcorolog. Optik, p. 371. die Zeichnung. Die dargestellten
Kurven sind gezeichnet ohne Berücksichtigung der gewiß sie verbreiternden
und ausgleichenden, nicht im Minimum der Ablenkung wirksamen Strahlen.
36® ist wohl nur ein idealer Fall.
3 »Scs extremites regardaient le Zenith.« — Bravais, Sur ies Halos,
p. 103.
Theorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 35
Zwei weitere Beobachtungen rühren von Gmelin her;*
in der Beschreibung wird bei beiden der Ausdruck verwendet :
»arcus cruribus sursum versis«.
Endlich viertens die Beobachtung von Chetwode,* der
den Bogen in Form eines großen zunehmenden Mondes sah.
Bravais versucht, diesen deutlichen Beschreibungen der
drei Beobachter eine andere Bedeutung zu geben — ganz
mit Unrecht; die Theorie der eigentlichen Berührungsbögen
erklärt diese Beschreibungen auf das natürlichste und beste.
Nach der letzteren Theorie sind die Äste des Bogens um so
deutlicher »nach oben«, dem Zenith zu gebogen, je niedriger
die Sonnenhöhe ist; bei Sonnenhöhen wenig unter 20* ist dies
schon erkennbar und wird bei 15° sogar recht deutlich wahr-
nehmbar. Die Höhe der Sonne war bei der Beobachtung von
Maraldi 15** 3(y und bei der ersten von Gmelin 17**; die
Höhe des Mondes war bei der zweiten Beobachtung von
Gmelin 17** 45', bei der von Ch et wo de aber 19**. Es liegt da
kein Grund vor, die Beschreibungen anders zu deuten, • als
sie lauten, es handelt sich einfach um den eigentlichen
Berührungsbögen in allen vier Fällen, und so beweisen diese
vier Beobachtungen wieder, daß auch der eigentliche Be-
rührungsbögen in der Natur tatsächlich sich bildet.
Erbringen diese vier Beobachtungen durch die Be-
schreibungen selbst den vollen und entscheidenden Beweis,
daß es auch solche Bögen gibt, die nicht streng parallel mit
dem Horizonte verlaufen und daher nicht circumzenithale
Bögen sein konnten, so ergeben die Ausmessungen von gar
manchen Zeichnungen von Haloerscheinungen, bei welchen
1 Sie werden von Braun in den Novi Commentarii, die erste in t. VI,
p. 464, die andere in t. XI, p. 343, mitgeteilt — Bravais, 1. c, p. 104
und 105.
3 Bravais, 1. c, p. 106: >a la forme d'un grand croissant«.
3 Maraldi's Bemerkung, dafi er den Radius des Bogens auf 46^ schätzte,
bietet Bravais einen Anhaltspunkt zum Zweifeln. Allein es mußte, gerade
wenn es sich um den eigentlichen Berührungsbögen handelte, die Öffnung des
Bogens eine bedeutend größere sein als beim circumzenithalen Bogen. Die
Zweifel Bravais' bei den anderen zwei Beobachtungen sind aber ganz ohne
jedwede Unterlage.
3*
36 J. M. Pernter,
auch unser Bogen vorkommt, einen Verlauf des Bogens, der
nicht parallel mit dem Horizonte, nicht circumzenithal ist. Ich
finde solche Zeichnungen, unter den von Bravais selbst repro-
duzierten, vier:
1. Die Zeichnung der Beobachtung vom 24. Jänner 1684,
die Colbius selbst gegeben hat, reproduziert bei Bravais,
Taf. III, Fig. 106;
2. die von Zahn gegebene Zeichnung seiner Beobachtung
vom 1. März 1688, reproduziert bei Bravais, Taf. III, Fig. 107;
3. Parry's Zeichnung seiner Beobachtung vom 5. April
1820, reproduziert von Bravais, Taf. IV, Fig. 135; endlich
4. die Zeichnung der Beobachtung von Hof*s vom 21. Mai
1824, reproduziert von Bravais, Taf. IV, Fig. 136.
Es ist richtig, Zeichnungen solcher Erscheinungen taugen
gewiß nicht zur Erbringung eines eigentlich strengen Beweises,
sie zeigen aber immerhin, daß die Auffassung der Beobachter
nicht die eines circumzenithalen Bogens war, und dienen neben
den oben erbrachten vier direkten Beweisen als weitere Be-
gründungen.
So hat sich ebenfalls aus der Untersuchung über das
zweite Kriterium mit Sicherheit ergeben, daß dasselbe wirklich
in der Natur vorgekommene Bögen als eigentliche Berührungs-
bögen des Halo von 46° erwiesen hat und somit die Tatsäch-
lichkeit auch der letzteren neuerlich festgestellt erscheint.
Es erübrigt uns noch, durch die Untersuchung der vor-
liegenden Beobachtungen auf Grund des Eintreffens des dritten
Kriteriums den Beweis zu -erbringen, daß beide Bögen, der
eigentliche Berührungsbogen und der circumzenithale Bogen
von Bravais, tatsächlich in der Natur vorkommen. Ist das
Prinzip richtig, daß eine auffallende Leuchtkraft, Glanz und
Pracht der Farben nur beim Durchgang der Strahlen in der
Minimumablenkung auftreten kann, so handelt es sich in allen
jenen Fällen, wo die Beobachter diese herrliche Pracht in Glanz
und Farbe hervorheben, um den eigentlichen Berührungs-
bogen.
Da Bravais dieses Prinzip zwar selbst auch aufgestellt
und anerkannt hat, es jedoch bei der Anwendung auf unseren
Fall in die zweite Linie gestellt und praktisch außer acht
Theorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 37
gelassen hat, so muß ich diesen Punkt gerade in Bezug auf den
Berührungsbogen vollkommen klarstellen.
Galle^ hatte die Ansicht geäußert, daß es für die Wirk-
samkeit der Strahlen beim Durchgang durch die Eisprismen
nötig sei, daß die Eisprismen in der Minimumstellung der Ab-
lenkung sich befinden. Bravais bemerkt dagegen mit Recht,
daß auch bei anderen Stellungen die Strahlen wirksam sind,
und nennt diese Wirksamkeit- »efficacite par dispersion
conique*. Er unterscheidet daher sehr zutreffend eine zwei-
fache Wirksamkeit der Strahlen, die Wirksamkeit durch die
Minimalablenkung und die Wirksamkeit durch konische Dis-
persion. Allein diese beiden Fälle von Wirksamkeit der durch
Eisprismen hindurchgegangenen Strahlen sind von sehr ver-
schiedener Intensität. Die Wirksamkeit durch konische Dis-
persion kommt allen Strahlen zu, die durch das Eis-
prisma noch hindurchgehen können; die Dispersion heißt
konisch, weil die am Himmel gleiche Fluchtpunkte besitzenden
Achsen der Eisprismen gleich orientiert sind und so die Achse
eines Kegels durch diese gemeinsame Orientierungslinie gebildet
erscheint und die durchgehenden Sonnenstrahlen am Umfange
der Basis dieses Kegels eine Lichterscheinung, eine Halo-
erscheinung, erzeugen müssen. Es wird von der Orientierung
der Achsen der Eiskristalle einerseits und der Höhe der Sonne
andrerseits abhängen, ob der Strahlendurchgang einem Mini-
mum der Deviation entspricht oder aber nicht, stets aber wird
die erzeugte Haloerscheinung der Wirksamkeit durch konische
Dispersion entsprechen, auch bei der Minimalablenkung.
Die durch Minimalablenkung entstandenen Haloerschei-
nungen werden daher die Wirksamkeit ihrer Strahlen gleich-
zeitig der konischen Dispersion und der Minimalablenkung
verdanken.
Da somit die konische Dispersion stets mitwirkt, wird die
größere oder geringere Intensität der Erscheinung davon ab-
hängen, ob diese konische Dispersion näher oder ferner von
der Minimumablenkung stattfindet, und sie wird am größten
1 Pogg. Ann., Bd. 49, p. 22 und 243, sowie p. 264.
2 Sur les Halos, p. 94, insbesonders p. 23.
38 J. M. Pernter,
sein bei vorhandener Minimumablenkung der die Haloerschei-
nung erzeugenden Strahlen.
Was den Unterschied der Intensität der wirksamen Strahlen
in der Minimumablenkung und außerhalb derselben betrifft, so
ist er in der Physik allbekannt; es möge aber Bravais selbst
zum Worte kommen; er sagt: ^
» MaisTeclairement est tres difTerent vers ces deux limites:
ä la premiere correspond un minimum de deviation dans
Tacception analytique de ce terme; de lä une grande accumu-
lation de clarte vers ce point. Rien de semblable n'a lieu vers
Tautre limite et l'eclairement diminue rapidement ä mesure que
Ton s*en rapproche. Si Ton part de la position qui donne la
deviation minimum et si Ton fait tourner le prisme de degre en
degre .... jusqu'ä ce que le rayon immergent se confonde
avec la face d'entree, on obtiendra pendant cette rotation ....
une Serie de rayons emergents dont la divergence va rapidement
en croissant, en s'approchant ä la seconde limite, ce qui attenu-
era l'eclairement correspondant. En outre, sous les incidences
tres obliques, la lumiere reflechie augmentant dans une forte
Proportion, Timage par refraction eprouvera un affaiblissement
dans son intensite. «
Er fährt dann mit Bezug auf die Nebensonnen von 22** fort:
» II y aura donc ä droite et ä gauche dCi soleil deux lignes
lumineuses horizontales s'etendants depuis les points situes ä
21 * 50' de distance de Tastre, ou l'eclairement sera tres intense,
jusqu'ä 43* 28', ou l'eclairement cessera par des degres insen-
sibles. La partie brillante la plus voisine du soleil et correspon-
dante au maximum de clarte, est le parhelie proprement dit; le
prolongement lumineux oppose au soleil, est la queue du par-
helie. L'efficacite du parhelie proprement dit est due aux
deux causes reunies de la dispersion conique et du
minimum de deviation.«
So ist also auch nach Bravais* eigener Auffassung, der
er übrigens auch sonst im Laufe seiner Schriften Ausdruck
gibt, die Minimalablenkung notwendig, um den größten Glanz
1 Sur les Halos, p. 26.
Theorie der »schönsten der Halperscheinungen«. 39
bei einer Erscheinung zu erzielen. Ich setze zur Exemplifi-
zierung gerade bei denNebensonnen von 22° an. Der Glanz der
Nebensonne nimmt schon sehr nahe nebenan im Schweif sehr
rasch ab und 2° außerhalb der Nebensonne, d. h. 24 bis 25**
von der Sonne ist der Glanz derart gedämpft, dai3 ihn das
Auge ohne Schutz vertragen kann. Im Schweife haben wir es
mit den Strahlen außerhalb der Minimumablenkung zu tun und
schon eine Abweichung von einigen Graden von dieser bringt
eine so starke Schwächung mit sich. Sehen wir uns nun den
Fall beim circumzenithalen Bogen von Bravais an. Nur bei
der Sonnenhöhe von 22** 8' gehen bei vertikaler Achse der
säulenförmigen Prismen die Sonnenstrahlen im Minimum der
Ablenkung durch die Eiskristalle und nur bei dieser Sonnen-
höhe könnte also die Beschreibung zutreffen, daß der Bogen
»die strahlendste aller Haloerscheinungen sei«; bei Sonnen-
höhen, welche mehrere Grade größer oder kleiner sind als
22 ** 8', muß dieser blendende Glanz verschwinden und um je
mehr Grade die Sonnenhöhe von der genannten abweicht, um
so mehr muß sein Glanz verblassen.
Dazu kommt, daß selbst bei 22° 8' Sonnenhöhe nur die
Mitte des Bogens, welche genau im Vertikal der Sonne liegt,
bei dem circumzenithalen Bogen von Bravais die Intensität
der Minimumablenkung haben und nur ein paar Grade links
und rechts einigerniaßen stark leuchten kann; die mehr als
etwa 3° links und rechts von der Mitte befindlichen Stellen des
Bogens müssen sicher ebenso an Intensität verloren haben
wie die 3° von der Nebensonne abstehenden Partien des
Schweifes derselben. Bei anderer als der günstigsten Sonnen-
höhe wird schon die Mitte des Bogens an Intensität geschwächt
sein, die links und rechts gelegenen Partien aber schon in der
Nähe der Mitte des Bogens rasch, ja rapid an Leuchtkraft ver-
lieren, so daß sie niemals der Beschreibung des herrlichen
Glanzes des oberen Berührungsbogens, der »brillantesten aller
Haloerscheinungen «, gerecht werden können.
Gilt dies von der Intensität, dem Glänze, der Pracht der
ganzen Erscheinung, so gilt es auch von den einzelnen
Farben, d. h. dem Leuchten und der Kraft dieser Farben, aus
demselben Grund. Aber auch bezüglich der Reinheit der Farben
40 J. M. Pernter,
wird eine Vervvaschung eintreten, wenn die Erscheinung nicht
durch Minimumablenkungen entstanden ist. Dies ist jedem be-
kannt, der das Sonnenspektrum durch ein Prisma öfter ent-
worfen hat; man erkennt das Einspielen des Prismas in die
Minimumstellung nicht nur an dem Kürzerwerden des Spek-
trums, sondern auch an der Reinheit und dem Glänze der
Farben.
Die begeisterte Beschreibung über den Glanz und das
Leuchten »reiner Regenbogenfarben« trifft nicht zu für die
Farben eines Bogens, der nicht durch Minimumablenkungen
entstanden ist. Besonders bei einer ausgedehnten Lichtquelle
ist die Überlagerung der Farben bei anderen als Minimum-
ablenkungen außerordentlich groß und zerstört durch Farben-
mischung sehr stark die Reinheit und Schönheit der Farben.
Wir werden unten an den Beobachtungen zeigen, daß auch bei
Sonnenhöhen, die stark von der für die Bravais'schen Circum-
zenithalbögen günstigsten Sonnenhöhe abweichen, die beob-
achteten Bögen als herrlich leuchtend in Glanz und Farbe be-
schrieben werden.
Es ist jedoch beim Glänze und der Intensität der Erscheinung
wohl zu beachten, daß dieser Glanz aus verschiedenen Ur-
sachen stark vermindert und tief herabgesetzt werden und da-
her nicht nur fehlen kann, weil die erzeugenden Eisprismen
nicht in der Minimumstellung sich befinden, sondern auch dann,
wenn diese maßgebende Bedingung für das Auftreten eines be-
sonderen Glanzes erfüllt ist.
Wir wissen, daß die Nebensonnen von 22 *, welche diese
Bedingung stets erfüllen, oft schwach glänzend und fast farb-
los auftreten. Ursachen hiefür gibt es mehrere, z. B. vorge-
lagertes Zirrusgewölk mit anders orientierten Eisprismen,
geringe Anzahl günstig orientierter Eisprismen in der er-
zeugenden Wolke, zwischen Sonne und Nebensonne einge-
schobene nicht wirksame Wolken und vielleicht noch andere.
Das Fehlen des Glanzes ist daher auch kein Beweis dafür, daß
die Erscheinung nicht durch Eisprismen in der Minimum-
stellung erzeugt wurde. Aber das Vorhandensein des bewun-
derten Glanzes ist zweifellos ein positives Zeichen für das Ent-
Theorie der «schönsten der Haloerscheinungen«. 41
Stehen der Erscheinung durch Eisprismen, die sich im Minimum
der Ablenkung befinden.
Wir können nun an den Beobachtungen nachweisen, daß
durch das wiederholte Vorkommen eines besonders auf-
fallenden Farbenglanzes die Wirklichkeit des eigentlichen
oberen Berührungsbogens des Halo von 46* festgestellt er-
scheint.
Allerdings ist dieses Kriterium nur für die Tatsächlichkeit
des Berührungsbogens verwendbar, denn das Fehlen des
ungewöhnlichen und auffallenden Glanzes beweist, wie wir
gerade sahen, nicht, daß der Bogen nicht der Berührungsbogen
ist Man beachte ferner, daß auch für den Berührungsbogen
der Beweis nur dann entscheidend ist, wenn die Sonnenhöhe
nicht 22° 8' ist oder in der Nähe dieses Wertes liegt; denn bei
22' 8' sind auch für die Entstehungsweise des circumzenithalen
Bogens die (vertikalen) Eisprismen im Minimum der Ablenkung
für die einfallenden Sonnenstrahlen und wird es daher auch
hiebe! zu auffallendem Glänze der Erscheinung kommen
können. Ich will daher die Sonnenhöhen von 19 bis 25* unbe-
rücksichtigt lassen.
Ich finde unter den von Bravais* mitgeteilten Beobach-
tungen folgende für unsere Frage entscheidende :
1. Beobachtung von Weidler am 31. Dezember 1735 bei
einer Sonnenhöhe von 15*3(y. Der Bogen »glich einem schönen
Regenbogen«.
2. Beobachtung eines Ungenannten in Kent vom 19.. De-
zember 1741 bei einer Sonnenhöhe von 15" 30'. »Der Bogen
war sehr strahlend und von den lebhaftesten Farben«.
3. Beobachtung von Folkes vom 17. September 1737 bei
einer Sonnenhöhe von 16** 30'. Man sah den Halo von 22 ** mit
seinem oberen Berührungsbogen, den Halo von 46** mit seinem
oberen Berührungsbogen, die Nebensonnen mit
Schweifen; der obere Berührungsbogen des Halo von 46**
»war die herrlichste Erscheinung unter allen«, also strahlender
als die Nebensonnen, welche offenbar sehr schön auftraten, weil
ihre Schweife sichtbar waren.
1 Sur les Halos, p. 102 bis 108.
42 J. M. Pernter,
4. Beobachtung von Parry vom 29. März 1825; Sonnen-
höhe 16** 36'. »Kurzes Segment farbenglänzend wie ein herr-
licher Regenbogen.«
5. Beobachtung von Verdries vom 7. Februar 1742 (a. St.).
Sonnenhöh e 1 7 ** . » Halonis segmentum iridis coloribus elegantibus
et satis distinctis conspicuum.«
6. Beobachtung von Baxter vom 22. Jänner 1771 bei einer
Sonnenhöhe von 18° 30'. Der Bogen wird als »sehr strahlend«
bezeichnet.
7. Beobachtung von Havel vom 20. Februar 1661 bei
einer Sonnenhöhe von 25°. DerBerührungsbogen von 46° wird
als sehr schön und sehr strahlend beschrieben.
8. Beobachtung von Hofs vom 21. Mai 1824 bei einer
Sonnenhöhe von 25°. »Die Farben des Bogens strahlten in
außerordentlichem Glänze.«
Bravais führt noch für die Sonnenhöhen von 19 bis 25°
neun Beobachtungen an, welche diesen Bogen mit besonderem
Glänze und Schönheit der Farben ausgestattet beschreiben,
doch ich führe dieselben nicht ausführlich an, weil man doch
auch in der Theorie Bravais' bei diesen Sonnenhöhen einen
größeren Glanz der Erscheinung, besonders bei solchen von
22 bis 24°, erwarten kann.
In Bezug auf den circumzenithalen Bogen von Bravais
läßt sich dieses Kriterium nicht zu direkter Beweisführung für
seine Tatsächlichkeit benützen, denn wir sahen, daß das Fehlen
der besonderen Leuchtkraft und Farbenpracht durch Ursachen
bewirkt werden kann, welche auch den eigentlichen Be-
rührungsbogen des strahlenden Glanzes berauben. Wohl aber
mag erwähnt sein, daß die Bögen, welche zweifellos circum-
zenithale Bögen waren, von ihren Beobachtern nicht als farben-
prächtig und strahlend beschrieben werden; Ekama macht
überhaupt keine Bemerkung hierüber und auch Besson hebt
nirgends die ungewöhnliche Schönheit und den besonderen
Glanz des Bogens hervor. Die Beobachtungen ergeben daher,
daß die vorhandenen Beschreibungen dem aufgestellten Kri-
terium bestens entsprechen und die Wirklichkeit der eigent-
lichen Berührungsbögen bekräftigen.
Theorie der »schönsten der Halocrscheinun^icn«, 43
O'
4. Die Orientierung der Eiskristalle in der Luft.
EHe Verschiedenheit der Auffassungen bezüglich der Ent-
stehung dieser Bögen bei Galle und Bravais ist wohl beider-
seits auf Vorstellungen zurückzuführen, die nicht als allgemein
gültig sich erweisen, von ihnen aber als exklusiv richtige
angesehen werden. Daß die Voraussetzung von Galle, zur
Wirksamkeit der durch die Eisprismen durchgehenden Strahlen
sei es absolut notwendig, daß sie im Minimum der Ablenkung
ein- und austreten, nicht exklusiv richtig ist, hat Bravais, wie
wir oben sahen, erkannt und her\'orgehoben. - Es ergibt sich
hieraus, daß der eigentliche Berührungsbogen nicht der allein
n:5gliche ist und die Beobachtung hat gezeigt, daß er nicht der
allein tatsächlich vorkommende ist. Es ist sicherlich ein großes
Verdienst Bravais*, dies gegenüber der Theorie von Galle
gezeigt zu haben, wie es sein Verdienst ist, auch die Theorie
der Entstehung eines anderen, des circumzenithalen Bogens,
gegeben zu haben, dessen wirkliches Vorkommen spätere Be-
obachtungen nun bewiesen haben. Aber Bravais ist andrer-
seits in denselben Fehler verfallen wie Galle, indem er auch
nur eine Möglichkeit der Bildung eines Bogens durch Eis-
prismen von 90** brechendem Winkel in dem großen Sonnen-
abstand von 46* und darüber zugab, also wieder exklusiv
nur Bildung solcher Bögen nach seiner Theorie für möglich
hielt. Darin ist er offenbar fehlgegangen, wie wir wohl schon
aus den Beobachtungen gezeigt haben, wie wir aber auch aus
allgemeinen Gesichtspunkten der natürüchen Orientierung und
der Art des Schwebens der Eiskristalle in der Luft ganz evident
zu machen in der Lage sind.
Bravais hatte die Horizontalität des »oberen Berührungs-
bogens des Halo von 46**« derart streng aufgefaßt, daß er bei
dem Versuche, diese zu erklären, alles andere und selbst die
Pracht der Farben und den Glanz der Erscheinung in den
Hintergrund stellen zu müssen glaubte. Die Horizontalität
konnte er in außerordentlich geistreicher Weise erklären, allein
nur unter der Annahme, daß die Eisprismen exakt senkrecht in
der Schwerlinie schweben, ohne Pendeln der Achsen
senkrecht auf diese, aber Drehungen der Kristalle um die
44 J. M. Pernter,
vertikalen Achsen nicht ausschließend. Es ist wahr, daß ein
leichtes, sehr schwaches Pendeln mit ganz kleinen Ausschlägen
von nur 1 bis 3** aus der Vertikalen zwar die Horizontalität der
Erscheinung beeinträchtigt, aber immerhin nur so wenig, daß die
Abweichungnichtwohl wahrnehmbar sein wird. Bravais nimmt
denn auch an, daß solches leichtes Pendeln häufig auftrete. Das
ist sicherlich schon ein Abgehen von der strengen Exaktheit des
gewählten Erklärungsprinzipes, das ja von ihm gerade gegen
die von Galle angenommene Grundlage der Erklärung der
Erscheinung durch Pendeln der Eisprismen aufgestellt worden
ist. Das Wesen des Prinzipes, die konstant strenge Horizontalität
der Basisflächen der Eisprismen und damit des zu erklärenden
Bogens ist damit fallen gelassen und man wird schwer tun, nur
den größeren Grad des Pendeins, der manchmal bei der Er-
klärung der Erscheinung nach Galle angenommen werden
muß, abzulehnen, wenn man einmal das Pendeln mit kleinen
Ausschlägen angenommen hat. Die Wirklichkeit des Pendeins
der vertikalen Eisprismen ist unbezweifelbar; wir kennen eine
Erscheinung, bei deren Erklärung Galle^ und Bravais ^ über-
einstimmend das Pendeln der vertikalen Eisprismen zu Grunde
legen. Ich habe,^darauf fußend,*diese Erscheinung so vollkommen
erklären können, daß kein unklarer Rest mehr dabei übrig bleibt.
Nach dieser Erklärung ist es eine unbezweifelbare Tatsache,
daß beim St. Petersburger Phänomen von Lowitz die schiefen
Bögen bei einer Sonnenhöhe von 31** beweisen, daß die Eis-
prismen mit einem Ausschlage von wenigstens 15** pendelten.
Besson macht in einem Briefe an mich besonders auch darauf
aufmerksam, daß kleinere Ausschläge, als zur vollen Ausbildung
der schiefen Bögen bei einer gegebenen Sonnenhöhe notwendig
sind, häufig dadurch sich kundgeben, daß die Nebensonnen
schief nach unten ausgezogen erscheinen. Aber Bravais selbst
nimmt ja bei verschiedenen Haloerscheinungen dieses Pendeln
der vertikalen Eisprismen an, in erster Linie, wie wir sahen,
bei den schiefen Bögen von Lowitz, dann noch ganz be-
sonders zur Erklärung der Lichtsäulen. Aber selbst bei der in
1 Pogg. Ann., I. c, Bd. 49, p. 274.
2 Sur les halos, p. 47. Sur les parhelies, p. 84.
3 Meteorol. Optik, p. 322.
Theorie der »schönsten der Haloerscheinungen«. 45
Frage stehenden Erscheinung des oberen Berührungsbogens,
beziehungsweise des circumzenithalen Bogens des Halo von
46° sieht er sich wiederholt gezwungen, zur Erklärung be-
stimmter Beobachtungen zum Pendeln der Eisprismen seine
Zuflucht zu nehmen. Besonders entscheidend für unsere Frage
ist, was Bravais bezüglich der Beobachtung von Weidler
(siehe oben p. 30) sagt: »II est tres probable que les prismes
avaient des balancements tresetendus autour de la verticale,
et que l'arc devait etre tangent au lieu geometrique
qu*aurait occupe le halo de 46 degres, s'il ait ete visible.«
Damit gibt aber doch Bravais selbst zu, daß der eigentliche
Berührungsbogen nach der Theorie von Galle ebenfalls in
Erscheinung treten kann, ja im Falle Weidler tatsächlich in
Erscheinung getreten ist.
Bei der Besprechung der Beobachtung von Lovvitz (siehe
oben p. 31) sagt er bezüglich der Sonnenhöhe von 31**, die er
richtig als die zur Zeit der Beobachtung anzunehmende be-
zeichnet: »Cette hauteur est tres considerable; mais la presence
des arcs de jonction des parhelies au halo nous ä dejä prouve
Texistence de balancements etendus desaxes verticaux: il n'est
donc pas etonnant que larc ait paru tangent au halo de
46 degres.«
Er sagt dann, daß der Ausschlag bei dieser Beobachtung
5 bis 6** betragen haben müsse. Wir haben gesehen, daß aus
den schiefen Bögen von Lowitz ein solcher von jedenfalls
15* nachweisbar ist. Bravais* Bestreben geht auch da noch
immer darauf aus, möglichst geringe Pendelausschläge anzu-
nehmen, was gewiß zum Teil gerechtfertigt ist. Es zeigt sich
aber, daß größere Ausschläge vorkommen, wie in der Beobach-
tung von Lowitz, und wir werden gleich sehen, daß solche
größere Ausschläge in der Natur der Sache gelegen sind und
daher gewiß öfters vorkommen. Ein prinzipielles Hindernis für
die Auffassung Galle's ist nicht vorhanden, wenn man einmal
das Pendeln zugibt, und ob dasselbe 6 oder 15** Ausschlag
erheischt für die Erklärung des eigentlichen Berührungsbogens,
fällt begrifflich nicht mehr ins Gewicht.
Bleiben wir aber bei dem größten nachgewiesenen Aus-
schlag von 15 bis 16* als Maximum, so sind die eigentlichen
46 J. M. Pernter,
Berührungsbögen möglich bis zu Sonnenhöhen von 37*
(22** 8' + 15**) einerseits und 7** (22** 8'— 15**) andrerseits.
Bei einem Ausschlage von 6** wird der eigentliche Berührungs-
bögen möglich sein zwischen den Sonnenhöhen von 16** und
28**. Es ergibt sich also schon aus den Beobachtungen selbst
die Möglichkeit der Bildung des eigentlichen Berührungsbogens
des Halo von 46** und die Notwendigkeit, ein beträchtliches
Pendeln der Eisprismen mit vertikaler Hauptachse anzunehmen.
Es ergibt sich endlich daraus, daß die Orientierung der
Eisnadeln unter dem Einflüsse der Schwere erfolgt, daß die
Eisprismen mit Hauptachsen, die länger sind als die Neben-
achsen, beim Streben, im Fallen sich so zu stellen, daß sie den
kleinsten Widerstand erfahren, notgedrungen ins Pendeln ge-
raten müssen. Dieses Pendeln wird allerdings am geringsten
sein bei den flaschenförmigen Kristallen, aber beträchtlicher bei
den reinen säulenförmigen Prismen. Die flaschenförmigen Kri-
stalle, d. h. die Eisprismen mit Pyramidenaufsatz an nur einer
Basisfläche, werden, die Pyramidenspitze voraus, fallen und
erhalten hiedurch eine größere Stabilität der Hauptachse und
werden am geeignetsten sein für die Herstellung der Bedin-
gungen zur Bildung der circumzenithalen Bögen.^ Die reinen
Prismen aber, die wenigstens ebenso häufig, wahrscheinlich
häufiger vorkommen als die flaschenförmigen Kristalle, werden
bei ihrem Bestreben, die Längsachse in die Schwerlinie zu
stellen, größere Pendelausschläge während des Fallens dauernd
ausführen müssen und es ist gewiß, daß die oben als tatsächlich
vorkommend erwiesenen Ausschläge von 15 bis 16** für reine
' Dem schon in meiner Meteorol. Optik durchgeführten Grundsatze treu,
muß ich auf das entschiedenste mich ablehnend verhalten gegen Annahmen von
Bildungen von Kristallen, welche bei den nun so reichlich gebotenen photo-
graphischen Bildern der Eiskristalle entweder ganz fehlen oder nur äußerste
Seltenheiten darstellen. Was nicht massenhaft vorkommt, kann nie so viel Licht-
intensität hervorrufen, daß eine sichtbare, geschweige denn eine lichtstarke
Haloerscheinung erzeugt werde. Bravais lagen die so zahlreichen Mikrophoto-
graphien der Eiskristalle noch nic\t vor und so ist zu erklären, daß er sich
gewisse Formen bildete, die in der Natur gar nicht oder nur ausnahmsweise vor-
kommen. Heute ist es nicht mehr erlaubt, solche Formen zur Erklärung von
Erscheinungen zu verwenden. Das gilt hier von Prismen mit Eisansätzen an den
Enden der kurzen Achsen an einer Basisfläche und ähnliches.
Theorie der »schönsten der Hatoerscheinungen«. 47
säulenförmige Prismen ohne Pyramidenaufsatz schon a priori
anzunehmen sind.
Wenn nun aber nach alldem feststeht, daß das Pendeln
der säulenförmigen und flaschenförmigen Eisprismen theo-
retisch und tatsächlich außer Zweifel steht und es ebenso
sicher ist, daß wenigstens für Sonnenhöhen, sagen wir, von 10**
bis 30** genügend große Ausschläge bei der Pendelbewegung der
Hauptachse der Kristalle theoretisch möglich sind und tat-
sächlich vorkommen, welche für das Einspielen der Eisprismen
in die Minimumablenkung der Strahlen nötig sind und dadurch
für die Bildung des eigentlichen Berührungsbogens des Halo
von 46* hinreichen, so kann man auch über das tatsächliche
Vorkommen dieser Berührungsbögen nicht länger im Zweifel
sein: sie müssen mit Naturnotwendigkeit sich bilden, sobald die
objektiven Bedingungen ihrer Bildung vorhanden sind.
Aus den bisherigen Auseinandersetzungen ergibt sich, daß
die Theorie die Möglichkeit beider Bögen, des eigentlichen
Berührungsbogens des Halo von 46* und des ihm entsprechen-
den circumzenithalen Bogens, nachweist und daß die Beob-
achtungen das tatsächliche Vorkommen des einen wie des
anderen Bogens ergeben. Aus den theoretischen Betrachtungen
über die Formen und das Schweben der diese Bögen verur-
sachenden Eiskristalle kommt man zu der Schlußfolgerung,
daß säulenförmige reine Eisprismen ohne Pyramidenaufsatz
auf einer der Basisflächen der Prismen, infolge der größeren
Schwankungen, die ihre Achsen beim Fallen ausführen müssen,
die Bedingungen für die Bildung des eigentlichen Berührungs-
bogens am leichtesten liefern werden, während die flaschen-
förmigen Kristalle, also Eisprismen mit Pyramidenaufsatz an nur
einer der Basisflächen, beim Fallen die Pyramidenspitze nach
unten stellen und dadurch eine stabilere Lage der Hauptachse
erzielen werden und so leichter die Bedingungen für die
Bildung des circumzenithalen Bogens erfüllen werden; sehr
kleine Pendelausschläge (1° bis 2**), besonders bei sehr großen
(28* bis 32*) oder sehr kleinen (unter 10*) Sonnenhöhen, werden
nur eine Verbreiterung des Bogens nach unten bewirken.
Größere Ausschläge, die aber nicht hinreichen zur Erzeugung
des eigentlichen Berührungsbogens, werden starke Ver-
48 J. M. Pernter, Theorie der »schönsten der Haloersch einungen c.
Waschungen der Farben erzeugen und auch der Horizontal ität
Eintrag tun. Niemals aber kann der circumzenithale Bogen,
wenigstens nicht bei Sonnenhöhen von 25** und darüber oder
von 19** und darunter, in der vollen, so sehr angestaunten
Pracht des eigentlichen Berührungsbogens auftreten.
Der schlagendste Beweis für unseren Satz der Wirklichkeit
beider Bögen wäre zweifellos das gleichzeitige Erscheinen
beider Bögen. Theoretisch muß dasselbe möglich sein, praktisch
liegt aber die Sache nicht günstig für die gleichzeitige Sicht-
barkeit. Bei Sonnenhöhen von 18** bis 25** würden beide Bögen
wohl noch immer als ein einziger erscheinen und doch wären
wegen der kleinen Pendelausschläge, die hier genügen, den
eigentlichen Berührungsbogen zu bilden, die Bedingungen
für die gleichzeitige Bildung des circumzenithalen Bogens
am günstigsten, da bei kleinen Ausschlägen am ehesten
gleichzeitig eine genügende Anzahl Prismen mit der Haupt-
achse streng vertikal stehen könnte. Bei Sonnenhöhen über
25** und unter 18** wird wohl immer nur entweder der eine
oder der andere der beiden Bögen sich bilden können, wenig-
stens normalerweise. Ich könnte mir freilich den gewiß sehr
unwahrscheinlichen Fall als Ausnahme denken, wenn gleich-
zeitig in der erzeugenden Eiswolke reine säulenförmige Eis-
prismen und flaschenförmige Kristalle in ziemlich gleicher
Anzahl und beide sehr zahlreich vorhanden wären, die ersteren
mit genügend großen Ausschlägen des Pendeins, um den
eigentlichen Berührungsbogen zu bilden, die anderen mit keinen
oder zu vernachlässigenden kleinen Ausschlägen, um den circum-
zenithalen Bogen zu erzeugen. Die absolute Unmöglichkeit
wird m.an nicht behaupten können, aber die äußerste Unwahr-
scheinlichkeit liegt vor und hat ihre Stütze darin, daß gleich-
zeitig wohl ausnahmslos nur eine Form der Kristalle einer
bestimmten Gruppe in großer Menge, abweichende Formen
aber nur sporadisch eingestreut vorzukommen scheinen.
.»•
über das Ohm'sehe Gesetz und die Elektronen-
theorie
vcn
Aus dcaa piTSÜLalisches Instirutc der k- k. Deutscher. v.'r.:versiUt in IV*»;.
3Gl 2 Tex:£gmrec.)
■Vorliegt in der Sttzung am 10. Jinncr 1907.>
Die folgenden Versuche sind durch einen Ausspruch von
W.Weber veranlagt, der wohl als Erster genauer präzisierte
Vorstellungen über elektrische Leitung in Metallen vom Stand-
punkte einer Elektrizitatsatomistik aus lieferte.* W. Weber
meint, daß die den Strom darstellende Bewegung elektrischer
Teilclien vielleicht Abweichungen vom Ohm*schen Gesetz
bewirken könne, >daS die Stromintensität mit der elektro-
motorischen Kraft nicht immer gleichmäßig fortwächst, sondern
sich endlich einem bestimmten Grenzwerte nähert, den sie
nicht überschreitet«. Dieser Grenzwert würde erreicht sein,
wenn einmal alle Elektrizitätsteilchen zur Leitung herangezogen
werden. »Es würden hienach Versuche mit sehr großen und
kleinen elektromotorischen Kräften im nämlichen Leiter, um
zu entscheiden, ob die Intensitäten der von ihnen erzeugten
Ströme ihnen immer proportional seien, von größter Wichtig-
keit sein.« Maxwell * diskutiert diese Äußerung Weber's und
erwähnt ebenso Experimente von Schuster, welcher eher eine
Abweichung im entgegengesetzten Sinne argwöhnt, wonach
1 W. Weber, Pogg. Ann., 156, p. 49 (1875).
2 Maxwell, Scientific Papers, II, p. 533 (1890).
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a.
50 E. Lecher,
der Widerstand für starke Ströme kleiner wäre als für schwache.
Die British Association nahm deshalb zur Prüfung des 0hm-
schen Gesetzes diesbezügliche Versuche vor, welche G. Chry-
stall nach einem Plane von Maxwell mit größter Umsicht
ausführte. Nach dieser Arbeit ändert sich der Widerstand eines
Metalldrahtes nicht um den iO^^ten Teil, wenn der Strom von ganz
kleinen Größen bis 1 Ampere pro Quadratzentimeter ansteigt*
Das sind aber immer noch verschwindende Stromdichten.
Für größere Stromstärken liegen nur ungenaue Messungen vor.
Bucknell* gibt an, daß zwei Platin-Iridiumdrähte von
0*0076 cm Durchmesser und etwa 3 m Länge beim Erhitzen
zur hellen Weißglut gerade vor dem Schmelzen durch einen
Gasofen etwa 40, beim Erhitzen durch den Strom selbst aber
nur etwa 34 Ohm Widerstand hatten.
W. Kohlrausch' konnte hingegen einen spezifischen
Einfluß des erwärmenden Stromes auf den Widerstand der
untersuchten Drähte nicht konstatieren. Kohlrausch unter-
suchte in einer längeren Arbeit den Zusammenhang zwischen
Magnetisierbarkeit und elektrischem Leitvermögen von ver-
schiedenen Eisensorten und Nickel, und er legte sich da auch
die Frage vor, ob der Strom nicht infolge der Zirkularmagneti-
sierung im Eisen verschiedenen Widerstand finde, je nachdem
die Temperaturerhöhung durch Joule'sche Wärme oder aber
durch Heizung von außen erzeugt wird. Neben Eisen unter-
suchte Kohlrausch diesbezüglich auch Platin. Diese Frage
behandelt Kohl rausch aber nur nebenbei und er selbst nennt
seine Methode nur eine ungefähre, so daß die Resultate nur
auf einige Prozente genau erscheinen.
Die im folgenden angewandte Methode ist mit der von
Kohlrausch identisch; nur sind eine Reihe von Fehlerquellen
vermieden; überdies habe ich den Strom in einer Versuchsreihe
von 7s bis 20 Ampere gesteigert, während Kohlrausch nur
1 Rep. Brit. Assoc, 1876. Mir nur zugänglich im Referate: Fortschritte für
1878, p. 747, und Bdbl. der Ann. der Physik, II, p. 267.
2 J. of the Soc. Telgr. Engin., 1876, p. 327. Diese Arbeit ist mir nur
bekannt durch das Referat in dem Lehrbuch der Elektrizität von G.Wiedemann,
I, p. 494 (1893).
3 W. Kohlrausch, Wied. Ann., 33, p. 54 (1888).
Ohm'sches Gesetz und Elektronentheorie.
51
zwischen den Grenzen 1 und 10 Ampere arbeitete. In einer
zweiten Versuchsreihe konnte ich die Stromdichte noch viel
weiter erhöhen.
Versuche mit Platindraht.
Ein solcher Draht wurde durch Gasflammen bis zur Weiß-
glut erhitzt, wobei man seine Ausdehnung genau bestimmte. In
diesem Zustande wurde der elektrische Widerstand mittels eines
schwachen Stromes (von etwa V« Ampere) gemessen. Dann
n
'^
^
B
B
B
■0
<vp^jf!fiyij
Fig. 1.
wurde derselbe Draht durch einen Strom von etwa 30 Ampere
so stark erhitzt, daß er genau dieselbe Länge zeigte wie früher
und es wurde jetzt der elektrische Widerstand mittels dieser
30 Ampere gemessen.
Der untersuchte Platindraht ab \t\ Fig. 1 hat eine Länge
von 90 cm und einen Durchmesser von 1 mm. Je \0 cm von
den Enden in c und d ist ein dünner Platindraht von Vg mm
Durchmesser angenietet. Der Hauptdraht ah ist horizontal
gespannt und die dünnen Drähte von c und d führen senkrecht
zw ab und unter etwa 45® gegen die Horizontalebene geneigt
nach aufwärts. Es wird der Widerstand der Horizontalstrecke cd
gemessen. Unter dem Drahte befinden sich sieben Teklu-Brenner
(B)mit spaltförmigem Aufsatz, und es sind diese Spalten so gestellt.
52 E. Lecher^
daß sie möglichst enge sich berühren und alle SpattöfiEhungen
in einer geraden^ horizontalen. Linie genau vertikal unter dem
Drahte und diesem parallel verlaufen. Das eine Ende des
Drahtes a ist an einem Dreifußstativ D befestigt, das so auf-
gestellt ist, daß man die Neigung des Stativs gegen den Draht
zu mittels der Stellschraube »S bequem ändern kann. Das
andere Ende des Drahtes h führt zu einer Klemmschraube i,
die an einem etwa 80 cm langen, dicken Drahte hängt (dieser
Draht ist in der Figur zu kurz gezeichnet). Derselbe geht oben
gabelförmig auseinander und seine zwei umgebogenen, oberen
spitzen Enden hängen in zwei Quecksilbernäpfchen q (in der
Zeichnung ist der Übersichtlichkeit wegen nur eines dieser
Näpfchen gezeichnet). Die zwei Näpfchen ermöglichen ein
genaues Hin- und Herpendeln der Klemmschraube k in der
Richtung ab. Von dieser Klemmschraube führt dann ein
Seidenfaden über eine fixe Rolle R zu einem Gewichte P.
Dieses Gewicht ist so groß, daß es den glühenden Faden
gerade spannt, ohne eine dauernde Verlängerung zu ver-
ursachen.
Der ganze Draht ist nach beiden Seiten hin durch Asbest-
pappendeckel und Glasschirme gegen Luftströmungen ge-
schützt. Zunächst werden die sieben Brenner so angezündet, daß
der Draht gleichmäßig hell glüht. Diese Glut erstreckt sich
über die zu messende Strecke hinaus etwa 2 cm von c gegen a
und von d gegen b.
Vor c steht in einer Entfernung von etwa 25 cm und in
gleicher Höhe mit dem Draht ein Fernrohr und es wird mittels
der Schraube S der Punkt c genau auf das Fadenkreuz einge-
stellt. Dieses Fernrohr selbst bleibt während der ganzen Ver-
suchsreihe fix. Vor d steht ein Theodolit Das Fernrohr des-
selben ist in gleicher Höhe mit dem Drahte und das Objekt
ungefähr 25 cm von d entfernt.
An diesem Theodoliten ist ein Fühlhebel mit einer Spiegel-
vorrichtung befestigt. Die Winkeldrehung dieses Spiegels ist
etwa zehnmal so groß als die des Theodoliten. Man stellt das
Theodoütenfernrohr mittels Mikrometerschrauben auf den
Punkt d ein. Diese Einstellung von d und c kann bei der hellen
Glut der Drähte und der starken Vergrößerung der Fernrohre
Ohm'sches Gesetz ttnd Elektronentheorie.
53
sehr genau geschehen; die Drehung des Spiegels wird dann
mittels Femrohrs in einer 3 m entfernten Skala abgelesen. Die
Verlängerungen des Drahtes lassen sich so sehr scharf, wenn
auch nicht ihrem absoluten Betrage nach, besthmnen. Die
Grenze dieser Genauigkeit liegt nur in der Schärfe der Einstel-
lung der glühenden Punkte c iind ä.
Zur Bestimnmng des Widerstandes wurde die Thomson-
Methode nach folgendem Schema geändert (Fig. 2). Der Strom
fliefit von /(und die Quecksilbemäpfchen q) durch den Platin-
draht bdca, dann weiterhin durch einen Widerstand R über e
zur Akkumulatorenbatterie zurück; R ist der Shunt eines
Siemens'schen Normalgaivanometers (für 100 Ampere) mit
6al»ajwnuUr
ffl.»
i
Fig. 2.
V999 ^ u^^ besteht aus einem gewellten, starken Bleche, das
über 100 Ampere ohne Erwärmung verträgt, so daß die Er-
wärmung durch die 30 Ampere in vorliegenden Versuchen zu
vernachlässigen ist.
Parallel mit R liegen in Serie ein Meßdraht pp^ und ein
Ruhstrat'scher Rheostat r; h ist ein Quecksilberkontakt, wie er
bei den alten Poggendorf sehen Rheochorden in Verwendung
kommt. Die Thomson'schen Brückenzweigleitungen sind
cWfog und dWy^ fvjt. Es sind W^und W^ Widerstände von etwa
10.000 Q, hingegen sind w und fv^ nur Widerstände von etwa
1 Q. Zwischen diesen beiden Widerständen liegt ein Draht-
spulengalvanometer (Edelmann) von sehr großer Empfindlich-
keit. Die große Ungleichheit der Widerstände W und W^ war
notwendig, weil der Vergleichswiderstand R so klein war, und
dieser mußte so klein genommen werden, um Erwärmung
(und Widerstandsänderung) bei 30 Ampere zu vermeiden.
54 B. Lech er.
Die Ausführung der Versuche geschieht nun in folgender
Weise. Es werden zunächst die Brenner B (Fig. 1) angezündet,
so daß der Draht hell glüht. Dann wird mittels der Stell-
schraube S der Punkt c in das Fadenkreuz des ersten fixen
Fernrohres gebracht Dann wird das Theodolitenfemrohr auf
J eingestellt. Hierauf schickt man durch /^ einen Strom von
^/j Ampere und bringt durch passende Verlängerung des Meß-
drahtes (Verschiebung des Quecksilberkontaktes h) das
Galvanometer auf den Nullpunkt. Hierauf werden die Brenner
abgelöscht und die Stellung des Spiegels an der Ableseskala
gemessen. Man erhält so ein Maß für die Länge des glühenden
Drahtes. Hierauf bringt man vor das Galvanometer G einen
Shunt, welcher die Empfindlichkeit des Galvanometers auf den
hundertsten Teil herunterdrückt. Dann leitet man durch fe
30 Ampere, wodurch der ganze Draht ab ins Glühen kommt.
Man stellt nun wieder mit der Stellschraube S das c in das
Fadenkreuz des ersten Fernrohres, wodurch der Anfangspunkt
der zu messenden Länge cd auf die alte Stelle im Räume
kommt. Dann stellt man den Theodoliten auf den Punkt d und
bringt dann durch Verschieben des h am Meßdrahte das
Galvanometer zur Ruhe. Hat man die Stromstärke so gewählt,
daß cd jetzt infolge der Joule'sphen Erwärmung dieselbe Länge
hat wie früher bei der Erhitzung durch die Brenner, so liegt
auch der Punkt h an derselben Stelle der Meßbrücke. Die ein-
zelnen Resultate weichen in positiver und negativer Richtung
um etwa Vio% voneinander ab.^
Die größte Schwierigkeit liegt natürlich im Erhitzen des
Drahtes durch die Bunsen-Brenner. Aber auch die Messung der
Verlängerung des glühenden Drahtes ist mit Fehlem behaftet,
so daß man hier, außer man würde mit ganz besonders kost-
spieligen Mitteln arbeiten, nicht zu jener Genauigkeit kommen
kann, die man für Widers tan dsmessungen bei gewöhnlichen
Zimmertemperaturen erreicht.
1 Da die Anordnung nicht genau der Thomson'schen entspricht, mufite der
Wert der Verschiebung h am Meßdrahte empirisch gefunden werden. Zu dem
Zwecke wurde bei schwachem Strome statt des Piatindrahtes ah ein Stöpsel-
rheostat eingeschaltet.
Ohm'sches Gesetz und Elektronentheorie. 5o
Des historischen Interesses wegen möchte ich einen
möglichen Einwand erwähnen. Ed lu nd glaubte an eine spezielle
Ausdehnung eines stromdurchflossenen Drahtes; es sollen zwei
Drähte von genau gleichen Temperaturen, von denen der eine
Stromdurchflossen ist und der andere nicht, verschiedene Länge
zeigen. Die Unrichtigkeit dieser Behauptung ist durch Ver-
suche von J. Exner dargetan. Die Methode von Exner^ ist
im Wesen dieselbe Methode» wie sie später von Kohlrausch
und auch in vorliegender Arbeit angewendet wurde.
Versuche mit Silberdraht.
Nun erreicht man aber noch viel größere Stromdichten in
einem künstlich gekühlten Silberdraht und ich habe dies-
bezüglich einige überraschende Versuche gemacht.
Klemmt man einen dünnen Silberdraht von etwa 3 bis 4 ctn
Länge zwischen zwei dicke Kupferklemmen und bringt das
Ganze in ein Gefäß, das von einem kräftigen Strome der
Wasserleitung (Temperatur 12') durchflössen wird, so ist die
Stromstärke, die so ein Draht zu tragen vermag, verblüffend.
Ich arbeitete zunächst mit einem Drahte, der den Durch-
messer 0'09 MfMf hatte, den dünnsten Draht, den ich mit meinem
gewöhnlichen Zieheisen herzustellen vermochte; ich konnte
diesen Draht mit den stärksten mir zur Verfügung stehenden
Stromstärken,zirka50 Ampere, nicht durchschmelzen. Ein noch
günstigeres Resultat erhält man der größeren Kühlung wegen mit
einem Draht von O'OSmm Durchmesser*. Hier tritt das Durch-
schmelzen bei zirka 10 Ampere ein, ja es gelang mir in einem
Falle sogar 10-8 Ampere während etwa 1 Minute durch einen
solchen Draht zu senden. Nimmt man noch kleinere Durch-
messer, 0*02 mm, so wird das Resultat wieder etwas ungün-
stiger, weil diese dünnen Drähte durch die Wasserströmung
leicht gerissen werden.
Die Stromdichte war also hier etwa 400 mal so groß als
im Platindraht, wenn dieser in Luft unmittelbar vor dem Durch-
schmelzen maximal belastet wird und es schien mir von vorn-
1 J. Exner, Diese Berichte, LXXI, p. 761 bis 790 (1876).
2 Geliefert von Hartmann ft Brem, Bockenheim.
56 E. Lee her,
herein nicht absolut sicher, daß hier das Ohm'sche Gesetz
noch gelte.^
Um dies zu prüfen, wurde ein solcher Silberdraht (Durch-
messer 0 • 03 cm, Länge 3 cm) gleichzeitig mit einem Ampere-
meter in den einen Zweig einer Wheatstone'schen Brücke
gebracht. Im anderen Zweig wurde als Vergleichswiderstand
ein dicker Konstantanwiderstand (Ruhstrat) verwendet. Zu-
nächst wurde statt des Silberdrahtes ein Siemens*scher Stöpsel-
rheostat eingeschaltet und für die Widerstände 0*4 bis 0*7 ä
jene Stellungen des an der Brücke verschieblichen Kontaktes
bestimmt, für welche das Galvanometer keinen Ausschlag gab.
Die hier verwendete Stromstärke betrug etwa 0 ' 1 Ampere.
Hierauf wurde an Stelle des Widerstandskastens der Silber-
draht eingeschaltet und in einem Luftbade von 0 bis 150**
erhitzt. Man erhielt so die Abhängigkeit des Widerstandes
des Silberdrahtes von der Temperatur. Diese einfache Substi-
tutionsmethode in der Wheatstone'schen Brücke wendete ich
an, weil dadurch die Widerstände der Zuleitungsdrähte und
des Amperemeters eliminiert wurden.
Hierauf wurde der Silberdraht in strömendes Wasser
gebracht und es wurden neuerlich Widerstandsbestimmungen
mit größeren Stromstärken veranstaltet, wobei das Galvano-
meter durch einen Shunt weniger empfindlich gemacht wurde.
Die Stromstärken, welche durch den Silberdraht gingen,
stiegen hiebei allmählich. Wenn man die Stromstärke bis
8 und 9 Ampere steigerte, riß der Draht gewöhnlich. Da der
Silberdraht und der Vergleichswiderstand zusammen im
Maximum nur etwa 1 Q hatte, der Brückendraht hingegen
3*4 Q, so war die Belastung des letzteren nie so stark, daß eine
störende Erwärmung eingetreten wäre. Es dauerte auch bei
den größeren Stromstärken keine Messung länger als höchstens
eine Minute.
1 Versuche mit stärkerer Abkühlung bis etwa — 100* C. mittels einer
Mischung von fester Kohlensäure und Aceton, wobei der Draht selbst in
gekühltem Alkohol oder Aceton oder direkt in der Kältemischung war, gaben
keine günstigeren, sondern im Gegenteil minder aufiallende Stromdic^ten. Es
dürften hier wohl Leidenfrost'sche Erscheinungen stören.
^mr s^aiss ,trsr:T imz tjHrrzckesiiy.cx^t. •>*
Der W.der^iand sifr.ir* :r^: der S:r nistärke inf.Vjre der
Enft'firm'jTLg jes DranifiS- Berechnen wir aus dieser Wider-
si&ndskr.dcr^^ dis Terspe^&tur des Drahtes, so ist dreselbe
aücfc in: M:»:Denie des Durchseht: e'zens im Durchschnitt
fclchsteTis 13 'C Unrmite^ar vor dem Darchschn-ielzer. tiitt
ein eigen rösilicb singecdes Geräusch auf infolge der auf-
sieigCTiden Dasrfir laschen; :s: dann die Dampfen tv^icklung an
irgend einer Stele sc» stark, d&3 die Wasserkühlung versagt,
so wird a*: dieser kleinen Steile die Temperatur bis rum
Schmelzpunkt des Silbers ansteigen. Da aber der Gesamt-
Hiderstand nur einer Temperatur von 130* C. entspricht, kann
das nur eine ganz kleine Strecke sein. '
Genaue Messurgen lassen sich hier natürlich nicht aus-
fuhren: jedenfalls aber kann man behaupten, daß innerhalb
der Versuchsgrenzen die Erscheinungen dem Ohm*schen
Gesetz nie widersprechen. Vor allem tritt sicher keine Wider-
standsvermehrung em, wie es die eingangs erwähnte Be-
merkung von Weber argwöhnt
Cberl^ungen vom Standpunkte der Elektronentheorie.
Mit diesen experimentellen Resultaten stimmt auch voll-
ständig die Ausgestaltung der modernen Elektronentheorie.
Hier wird der Einwand Weber's dadurch unmöglich, daO nach
dieser neuen Anschauung die Anzahl der Elektronen (der
Weber'schen Elektrizitätsteilchen) sehr groß genommen wird.
Infolgedessen ist der Mechanismus auch bei der größten
Stromdichte noch lange nicht an der Grenze der Erschöpfung
angelangt. Wie zuletzt H. A. Lorentz* gezeigt, erhält man
^ Eine andere merkwürdige Erscheinung ist folgende: Hat man bei einer
solchen größeren Stromstärke das Galvanometer zur Ruhe gebracht, so tritt
plötzlich eine scheinbare Verminderung des Widerstandes infolge des Strom-
durchganges auf. Wahrscheinlich sind die Ursache dieser Erscheinung kleine
Loftbläschen, die sich immer an den Draht anlegen. Beim Stromschi u8 bekommt
daher der Draht zunächst eine höhere Temperatur und wenn diese LuftblÜscheti
aufgestiegen sind, tritt eine Widerstandsverminderung infolge der besseren
Wasserkühlung ein.
* H. A. Lorentz, X. Akad. v. Wetenscfaappen te Amsterdam, XHI,
27, p. 715(1905).
58 E. Lecher,
ein vorläufig befriedigendes Bild für die Elektrizitätsleitung der
Metalle durch die Annahme von ruhenden positiven Molekeln,
zwischen denen eine einzige Art von beweglichen negativen
Elektronen herumfliegt; letztere sind gegen erstere sehr klein.
Die Potentialdifferenz längs der Stromleitung bewirkt eine
beschleunigte Bewegung dieser Elektronen, die durch den
Anprall an die festen Molekel sich in Joule'sche Wärme
umsetzen. Setzen wir für diese stoßweise erfolgende gleich-
formig beschleunigte Bewegung eine gleichförmige Bewegung
ein, welche mit der Geschwindigkeit v fließend denselben Elek-
trizitätstransport zur Folge hätte, so haben wir die Gleichung
i =z eNv.
Hier bedeutet i die elektrostatische Strommenge für den
Querschnitt 1 rw^, e die Ladung eines Elektrons und N die
Anzahl der Elektronen pro Kubikzentimeter. Wir erhalten als
Geschwindigkeit der Elektrizität
V =:
cN
Es ist also diese Geschwindigkeit, wenn wir e und N
konstant annehmen, unabhängig vom spezifischen Widerstand
und proportional der Stromstärke. Die Ladung eines Elektrons
wollen wir nach J.J. Thomson* gleich 6.10~*** elektrostatische
Einheiten setzen. Die Anzahl der Elektronen pro Kubikzentimeter
N wollen wir mit 10'^ in Rechnung ziehen. Man muß zur Er-
klärung der thermoelektrischen Erscheinungen und desThomson-
EfTektes annehmen, daß diese Zahl bei verschiedenen Metallen
verschieden ist und überdies mit der Temperatur variiert. So
schätzt z. B. H. A. Lorentz das Verhältnis von N für Wismut
und Antimon bei gewöhnlicher Temperatur auf 3, und auch für
die Abhängigkeit des N von der Temperatur werden wir viel-
leicht später nach genauerer Untersuchung des Thomson-
Effektes klare Vorstellungen gewinnen.*
1 J. J. Thomson, Phil. May. (5), 46, p. 528 (1898).
2 H. A. Lorentz, I. c, p. 572.
Ohm'sches Gesetz und Elektronentheorie. 59
Alle diese Einflüsse werden aber die Größenordnung 10^^
nicht allzusehr berühren und wir haben es auch in folgenden
Überlegungen nur mit einer ganz rohen Schätzung zu tun.
Wir hatten bei Platin bei einem Querschnitt von 0*8 mm*
30 Ampere und bei Silber bei einem Querschnitte von
7 'IQ-* mm* 10 Ampere. Berechnen wir aus diesen Daten die
Stromdichte in elektrostatischem Maße für einen Querschnitt
von 1 cm' und setzen wir diese Zahl und die Werte von e und
N in obige Gleichung ein, so erhalten wir für Platin
i; = 1 "9. 10* cm/sec,
für Silber
v= 7-2 . 10* cm/sec.
Zum Schluß wollen wir noch das v für einen Strom, wie
er in der Telegraphie verwendet wird, schätzen. Wir haben
hier etwa einen Draht von 5 mm Durchmesser und eine Strom-
stärke von 0*01 Ampere. Diese Daten geben uns in letzterem
Falle
V z=. 2 '4. 10~* cm/sec.
In Wirklichkeit ist diese letztere Geschwindigkeit natürlich
infolge von elektrostatischen Ladungen und anderen Störungen
noch geringer.
Diese Betrachtungen zeigen, daß die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit der Elektrizität, wenn wir sie nach dem Stand-
punkte der Elektronentheorie als Fluidum auffassen, eine ganz
überraschend kleine ist. Sie zählt in den meisten praktischen
Fällen nach Zentimetern pro Sekunde. Beim Telegraphieren ist
diese Geschwindigkeit der Elektrizität nur ein kleiner Bruchteil
eines Millimeters. Die Fortpflanzung der elektrischen Wirkungen
aber, der elektromagnetischen Störungen, erfolgt selbstver-
ständlich mit einer Geschwindigkeit von der Größenordnung
der Lichtgeschwindigkeit.
60 E. Lecher, Qbm'scbes Gesetz and Ekktnnieiitheorie.
Als Resultat dieser Studie eigibt sieb:
Das Ohm'sche Gesetz gilt auch für die graten Strom-
dichten, die man in dünnsten Silberdrähten mit Wasserkühlung
erreicht Die Geschmndigkeit der Elektrizität in solchen Drahten
kann nach der Elektronentheorie bis zu 70.000 ctn/seCy in
einem frei in Luft gespannten Platindraht bis zu 200 rm/sec.
ansteigen.
61
Babnbestiinmung der Meteore vom
19. Jänner und 29. Juni 1905
von
Prof. G. V. Niessl in Brünn,
k. M. k. Akad.
(Vorgelegt m der Sitsung am 24. JInner 1907.)
Das Jahr 1905 war reich an größeren Meteorerscheinungen,
doch ist es in den meisten Fällen leider nicht gelungen, eine
ausreichende Anzahl für die Bahnberechnung geeigneter
Beobachtungen zu erlangen.
Von den beiden Erscheinungen, auf welche sich nach-
stehende Untersuchungen beziehen, war jene am 19. Jänner
die minder glänzende. Sie war auch durch das noch herrschende
Zwielicht in ihrer optischen Wirkung beeinträchtigt, und weil
Sterne erst später sichtbar wurden, war auch die Bahnlage
schwieriger zu fixieren.
Dennoch sind infolge eines durch die k. k. Wiener Uni-
versitäts-Sternwarte in einigen Tagesblättem veröffentlichten
Aufrufes dort mehrere gute Beobachtungen eingelaufen, welche
Herr Direktor Hofrat Prof. Dr. Edmund Weiss mir auch diesmal
zu überlassen die Güte hatte.
Da dieses Meteor auch in Brünn beobachtet wurde, konnte
ich selbst nach Angabe der Beobachter einige Messungen vor-
nehmen. Überdies erhielt ich teils direkt, teils durch freundliche
Vermittlung der Herren Ingenieur Hugo Meixner in Quell-
hütten, Bürgerschuldirektor Theodor Wranitzky in Trebitsch
und Winterschuldirektor PaulMaresch in Schiltern brauchbare
mährische Beobachtungen, welche durch die neuerlichen Be-
mühungen meines langjährigen werten Mitarbeiters, Herrn Prof.
Dr. Eugen Reimann in Hirschberg, eine wichtige Ergänzung
fanden.
62 G. V. Niessl,
Da der Endpunkt und auch fast der ganze sichtbar gewor-
dene Bahnteil ziemlich weit entfernt von allen Beobachtungs-
orten über Ungarn, also gleichsam exzentrisch gelegen war,
konnte die Genauigkeit der Schlußresultate nicht völlig der
Güte der Beobachtungen entsprechen. Es mangelte eben an
Beobachtungen aus Ungarn, ja sogar, ungeachtet des Aufrufes
der Sternwarte, an solchen aus Wien, wo, wie es scheint, der
Himmel auf der Ostseite bewölkt war. Auch aus Kalocsa erhielt
ich auf eine Anfrage die Nachricht, daß völlige Bewölkung jede
Beobachtung verhindert habe.
Das Meteor, welches am 29. Juni 1905 in späterer Nacht-
stunde über Kärnten und Salzburg bis über die Gegend östlich
von München hingezogen ist, steht einigermaßen im Gegensatz
zum vorigen. Es muß, nach den vielen ausdrucksvollen Schil-
derungen, eine sehr bedeutende Erscheinung gewesen sein. Die
Möglichkeit der Bahnbestimmung für diesen wegen der weit
südlichen Lage des Radiationspunktes und auch sonst sehr
wichtigen Fall wurde mir indessen nur durch die besondere
Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr.MaxToepl er in Dresden
erschlossen. Dieser hatte das Meteor zwar aus weiter Ferne,
aber eben deshalb unter für die Bahnmarkierung zumeist sehr
günstigen Umständen in der Nähe des Horizonts beobachtet
und alles Nötige in sehr bestimmter Form durch Messungen
festgelegt.
Herrn Direktor Dr. A. Brezina verdanke ich die Mitteilung
zahlreicher Zeitungsnachrichten aus Nieder- und Oberöster-
reichy Salzburg und Tirol mit zumeist wohl nur ganz beiläufigen
Angaben. Ein ungenannter freundlicher Förderer erfreute mich
durch Einsendung van Zeitungsnotizen aus Beobachtungsorten
in Bayern, welchen der Fallpunkt relativ nahe gelegen war.
Diese Mitteilungen konnte ich später während eines Aufent-
haltes in Reichenhall durch einige Feststellungen ergänzen.
Das so gesammelte reichliche Material war zwar von sehr
ungleichem Wert; da aber die Beobachtungsorte, von Dresden
bis an die südliche Grenze Kärntens und von Vorarlberg bis
Mähren, über 47« Breiten- und nahezu ZVj Längegrade, also
auf einer Fläche von etwa 500 *w Durchmesser auf allen Seiten
der Bahn, und zwar in sehr verschiedenen Entfernungen, verteilt
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 63
sich befanden, war die Lage geometrisch und optisch sehr
günstig. Obwohl nur wenige Angaben sich zur rechnerischen
Benützung eigneten, ist doch die Sicherheit der Ergebnisse,
namentlich in Bezug auf den Radianten und die Abschätzung
der Geschwindigkeit, eine recht befriedigende.
Sehr ausgeprägt ist die Verschiedenartigkeit der optischen
Eindrücke, welche die Mitteilungen aus nah und fern deutlich
erkennen lassen. Man wird überhaupt bei Betrachtungen allge-
meiner Natur die Feuerkugel vom 29. Juni 1905 in mancher
Hinsicht als zutreffendes Beispiel benützen können.
In kosmischer Hinsicht konnten für beide Meteorerschei-
nungen mehrfache Beziehungen zu anderen Fällen hervor-
gehoben werden.
Schließlich sei noch allen hier und im folgenden Genannten
für ihre freundliche Unterstützung und Mitwirkung wärmstens
gedankt.
I. Meteor am 19. Jänner 1905.
Beobachtungen.
l.Hohenberg(33* 17'; 47* 540- Um5M2" abends ^ war
hier durch 2* eine ungefähr kindskopfgroße feurigrote Kugel
mit etwa 4f« langem intensiven Lichtstreifen von NE nach E
fallend auf dem Firmament sichtbar. Die Erscheinung ver-
schwand in den Wolken und hinterließ einen kurz andauernden
Lichtschein, (österreichische Volkszeitung.)
2. Türnitz (33" !(/; 47* 55-50. Der hochwürdige Herr
Kooperator P. Candidus Sengstbratl berichtete noch am
selben Tage an die Wiener Sternwarte: Heute um ungefähr
5*" 15° abends wurde ein Meteor gesehen, das, direkt vom hell-
leuchtenden Mond seinen Ausgang nehmend, nach Osten ab-
fuhr und dort dann leider weiter nicht beobachtet werden
konnte, da es im Gewölk verschwand. Es war intensiv lichthell
und zog einen Lichtstreifen nach sich.
Für die Ermittlung des Radianten war nach der Sachlage
die Wahrnehmung in Türnitz sehr wichtig, ja entscheidend,
1 Das Datum 19. Jänner 1905 ist hier und im folgenden überall weg-
geblieben, um überflüssige Wiederholungen zu vermeiden.
64 G. V. Niessl,
nicht allein wegen ihrer bestimmten Beziehung auf den Mond,
sondern auch deshalb, weil die übrigen Orte, aus welchen
einigermaßen brauchbare Beobachtungen vorliegen, allzu gleich*
artig gegen die reelle Bahn und weit entfernt gruppiert sind. Da
nun Bezeichnungen nach den Hauptweltgegenden gewöhnlich
nicht ganz genau zu nehmen sind, war es mir darum zu tun,
diese Unsicherheit hier möglichst einzuschränken.
Der Mond, in a^ö** 31 -7°* 8= IS"* 4(y, stand zur ange-
gebenen Zeit in Türnitz 19*8" hoch und 6 '4* nördlich vom Ost-
punkt. Wenn also das Meteor vom Mond nach Ost abzufallen
schien, so konnte die scheinbare Bahn nicht sehr viel (wenig
über 18**) gegen die Vertikale geneigt gewesen sein.
Meine in diesem Sinne an den Herrn Beobachter gerichtete
Anfrage wurde mit erwünschter Sachkenntnis sehr eingehend
beantwortet. Die Aufklärung lieferte aber ein unerwartetes
Ergebnis. Infolge nachträglich beseitigter Unsicherheit in der
Orientierung sah sich der Herr Beobachter veranlaßt, seine erste
Angabe dahin zu berichtigen, daß der Punkt, an dem das
Meteor sich seinen Blicken entzogen hatte, nicht östlich, son-
dern in ESE, ungefähr in einem Drittel der Mondhöhe (das
wäre also etwa 6-6** hoch), gelegen und die Bahn gegen den
Horizont nicht steil, sondern »nur wenig geneigt« erschien.
Für die angegebenen beiden Höhen würde bei dem Unterschiede
der Azimute von 28*9° die scheinbare Neigung der Bahn am
Horizontknoten 33** südlich von Ost nur 29"* betragen. In der
dem Berichte beigefügten Skizze erscheint die Neigung noch
geringer, weil dort der zweite Punkt, nämlich das Ende der
wahrnehmbaren Bahn, höher als im Text, ungefähr in halber
Mondeshöhe angegeben ist.
Diese nachträgliche Ergänzung gibt zwar vermutlich die
ersten Eindrücke auch nicht mehr genau wieder, doch kann
nach derselben eine sehr hohe Lage des Radianten nicht ange-
nommen werden. Wesentlich verändert wird der Eindruck des
ersten Berichtes auch dadurch, daß nach der zweiten Mitteilung
das Meteor nicht schon beim Mond, sondern etwa erst im
letzten Drittel der bezeichneten Bahn erschienen ist. Nach der
Zeichnung wäre der Anfangspunkt genau im Osten zu
nehmen.
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 20. Juni 1905. G.'>
3. Weitenegg (32* 58'; 48* 140- Um 7,6»» abends war in
südöstlicher Richtung ein Meteor sichtbar, welches in fast
senkrechter Richtung sehr rasch fiel. Es erschien in gelblicher
Farbe, um kurz vor dem Verschwinden intensiv rot aufzu-
flammen. (Österreichische Landzeitung; Krems.)
4. Laa a. d. Thaya (34' 3'; 48** 430- Knapp nach 57/
wurde in südlicher Richtung ein Meteor beobachtet. Es hatte
Tropfenform und die Größe einer Birne, war unten grün, nach
oben hin gelb, in der oberen Hälfte »von gelblichem Dunst«
umgeben und hinterließ einen langen, weißglänzenden Schweif.
D: 4 — 5*. (Kremser Zeitung.)
5. Göding (34M8'; 48' 510- Der Wiener Universitäts-
Sternwarte berichtete Herr K. Fürst, Tabak-Hauptverleger, daß
er soeben, um 5^ 15°*, in fast südlicher Richtung den Fall eines
Meteors beobachtet habe. Es war von prächtig blauweißer
Farbe mit einem alsbald verschwindenden Lichtschweif. Auf
meine Anfrage teilte mir der Herr Beobachter femer mit, daß
der Endpunkt der Bahn nach seiner Schätzung zwischen der
Richtung nach Kopcsan(10*Azim.) und Holitsch (330'Azim.)
in der Linie über die Kote 160 bei Ribnik (in der Spezialkarte)
zu nehmen wäre, welche mit 352** Azimut in der Tat fast die
Mitte zwischen jenen beiden darstellen würde. In seinen
Berichten findet sich die Bemerkung, »daß die Lichtbahn am
Ende zwei kurze Unterbrechungen hatte«. Diese könnten wohl
auch durch kleines Gewölk hervorgerufen worden sein.
6. In Znaim (33° 42'; 48** 510 wurde um V^ö*» abends »im
Osten bis Südosten« ein Meteor von stahlgrüner bis bläulicher
Farbe beobachtet »von der Größe der hellsten Sterne am
Himmel«. (Znaimer Wochenblatt.)
7. Schiltern (33** 30*5'; 48** 56'20. Herr Paul Maresch>
Direktor der landwirtschaftlichen Winterschule, war so freund-
lich, Umfrage zu halten und mir die Wahrnehmungen des
Fräuleins Marie Jarolim und des Schülers Soukop zu ver-
mitteln. Nach der Skizze des Fräuleins Jarolim wäre der End-
punkt nur wenig südlich (was nicht genau angegeben werden
kann) von SE, nach der zweiten Aussage direkt in SE gesehen
worden und nach einerMessung durch Herrn Mar es ch 8° bis 10"*
hoch zu nehmen. Das Azimut habe ich demnach mit 315** in
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 5
66 G. V. Niessl,
Rechnung gezogen. Die Höhe des Anfangspunktes scheint nach
verschiedenen Angaben mit 45" nur abgeschätzt worden
zu sein.
Fräulein Jarolim war so gütig, auch eine Zeichnung der
scheinbaren Bahn im Vergleiche mit der Vertikalen zu liefern,
welche die Abweichung vom lotrechten Fall etwa zu 18**, und
zwar nach unten östlich, also links, darstellt. Das Meteor war
erst bläulichweiß, dann rot und den größten Sternen am Himmel
gleich. D : 3».
8. Budweis (32** 38'; 48** 590- Um 7^6** wurde hier ein
stark leuchtendes Meteor beobachtet, das sich gegen Ost bewegte
und dann in mehrere Teile auflöste. (Budweiser Zeitung.)
Teltsch (33** 7'; 49" HO- Von hier berichtete der Ober-
realschüler Jaroslav M a s c h k a der Wiener Sternwarte folgendes :
»Am 19. Jänner bemerkte ich bei hellem Mondlicht, um SVs^
abends, am südöstlichen Himmel einen ungewöhnlich leuchten-
den Stern, welcher südlich vom Sternbilde des Orion nicht hoch
über dem Horizont gegen die Erde zu fallen schien. Er bewegte
sich in südöstlicher Richtung unter dem Winkel von etwa 65"
gegen den Horizont, und zwar so langsam, daß seine verhältnis-
mäßig nur kurze Bahn über 5' deutlich zu sehen war.
Seine Lichtstärke war bedeutend, obwohl der Voll-
mond hell leuchtete und die Dämmerung noch nicht zu
Ende war.
Etwa bis über die Hälfte seiner steilen Bahn leuchtete das
Meteor in grünlichgelber Farbe und es hinterließ einen gleich-
falls leuchtenden Schweif nach Art eines Kometen. Dann wurde
sein Licht plötzlich rot. Der Stern verjüngte sich zu einem
rötlich leuchtenden Punkt und verschwand nach etwa einer
Sekunde gänzlich.«
10. Trebitsch (33" 33-5'; 49" 12-50. Herrn Bürgerschul-
direktor Th. Wranitzky verdanke ich eine sehr ausführliche
Wiedergabe der Wahrnehmung seiner Tochter, Fräulein
Theodora, welche sich eben mit Frau Wranitzky auf der
Jarmeritzer Straße nach Trebitsch, also gegen N hin zurück-
kehrend befand, als sie etwa um 5^ 20™, plötzlich rechtsseitig
(östlich), durch auffallendes Leuchten überrascht, sich umwen-
dete und das Meteor über den Klucover Wäldern erblickte, als
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 67
Stern, scheinbar größer als der Abendstern, nach allen Seiten
Strahlen aussendend, herrlich grün-bläulich leuchtend und
schief herabfallend.
Die hervorragendste Kuppe der nordwestlich von Klucov
hinziehenden bewaldeten Höhen, die Klucanska hora, liegt von
dem der Beschreibung nach ungefähr anzunehmenden Beob-
achtungspunkt 37** östlich von Süd, die etwas niedrigere
»Zabori« aber 48** östlich von Süd. Das Mittel gäbe also etwa
317-5* Azimut.
Herr Direktor Wranitzky versuchte dann am 24. Jänner
das Azimut mittels einer Boussole zu bestimmen und gab dar-
nach 135* östlich von magnetisch Nord, d. i. (mit 8** magn.
Deklination) A = 307* an, doch schrieb er am 27. Jänner, der
Fehler würde gewiß nicht groß sein, wenn man direkt SE
{Az=i 315*) annehmen wollte. Die Unsicherheit scheint haupt-
sächlich durch Zweifel an der Identität des Standpunktes
begründet zu sein. Da die oben erwähnte Beziehung auf die
Klucover Waldhöhen im ersten Bericht unmittelbar nach der
Beobachtung vorkommt, habe ich den dort angeführten Mittel-
wert beibehalten.
Herr Wranitzky hat mit einem Gradbogen die ihm
bezeichneten Höhen für Anfang und Ende mit 8* und 4*
ermittelt sowie den scheinbaren Neigungswinkel der Bahn gegen
die Vertikale zu 22*, nach unten zu östlich abweichend. Für die
Dauer wurden 2' angegeben.
n. Brunn (34* 16'; 49* 12'). Hier wurde das Meteor
mehrfach beobachtet. Die brauchbaren Angaben führe ich an:
a) Herr Franz Eßler, Studierender der technischen Hoch-
schule, war der Azimute nicht ganz sicher. Für die Höhen
ergaben sich durch nachträgliche Messung in meiner
Gegenwart am Anfang 22*, am Ende8*. Die Bahn erschien
26* gegen die Vertikale, nach unten östlich abweichend,
geneigt. Dauer: 2% »bestimmt nicht länger«. Das Meteor
war bedeutend größer als Venus, weiß leuchtend mit einem
roten zurückbleibenden Streifen.
^^ Herr Studierender Richard Strebinger befand sich bei
Nr. 13 der Rudolfsgasse und sah das Meteor hinter dem
Dache von Nr. 18 bis 20, 23* östlich von Süd unter
5*
68 G. V. Niessl,
15** Höhenwinkel, der somit nicht dem Endpunkt ent-
spricht, verschwinden. Der Anfang war 30* hoch. Die
Bahnneigung wurde ganz so — wiewohl völlig unabhängig
— wie in o^skizziert. Dauer: 1 Y4' bis 1 Va*- Die Erscheinung
war »heller als jeder Stern, gelbweiß mit pfirsichblührotem
Schweif«.
c) Herr J. Fleischer sah, wie um 5^ 15" bis 20" das Meteor
von rechts nach links (W — E) einen Bogen über dem
Neubau des Abfahrtsbahnhofes beschrieb. Da sein Standort
nicht genau bezeichnet war, blieb die Orientierung un-
gewiß. Die Neigung der Bahn gegen die Vertikale skizzierte
er ungefähr zu 32°. Das Meteor erschien wie ein sehr
heller Stern, zeigte aber keine Scheibe, deren Durchmesser
im Vergleiche zum Mond abzuschätzen gewesen wäre.
Zum Schlüsse »zerstob es in viele kleinere Leuchtkugeln«.
Diese Angabe, welche sich in andern Beobachtungen nicht
findet, wurde von ihm mehrmals wiederholt. Beim Vorzählen
von Sekunden entschied sich Herr Fleischer für »etwa
1 Ya' bis 2* Dauer«. Er hatte ganz freien Ausblick und konnte
auch das Ende genau sehen.
12. Weißkirchen (35** 25'; 49** 33'). Herrn Prof. G.
Merker an der höheren Forstlehranstalt verdanke ich nach-
stehende Angaben über seine eigene Beobachtung. Das Meteor
fiel um 5** 21° Ortszeit am südlichen Himmel mit weißlichem
Licht und erlosch am Hemmungspunkt ziemlich genau südlich
und nach Messung mit einem Dendrometer 10" bis 11" hoch
mit purpurrotem Lichte. Dauer: 2bis2V2*- Die Bahnneigung
wurde nur ganz beiläufig, unter Vorbehalt, zu etwa 45" ge-
schätzt, mit Bewegung rechts-links. Zwei Forstschüler geben
55" bis 60" Neigung gegen den Horizont an; allein es scheint,
daß sich ihre Beobachtung auf ein anderes Meteor bezieht,
denn sie behaupteten, daß der Mond rechts von der Erschei-
nung sich befand. Weil dieser aber nahe im Osten war, das in
Rede stehende Meteor aus Weißkirchen dagegen nicht weit
von Süd gesehen worden sein mußte, war der Mond sehr weit
links davon.
Fräulein Jarolim in Schiltern erwähnte übrigens am
Schlüsse ihres Berichtes, daß gleich nach dem Meteor in der
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 69
Richtung des Mondes eine kurz aufleuchtende Sternschnuppe
zu sehen war. Vielleicht bezieht sich auf diese auch die An-
gabe der beiden Studierenden in Weißkirchen.
13. Quellhütten bei Brüsau (34" 9'; 49* 4O0. Hier wurde
das Meteor von dem Hauptpolier der Brünner städtischen
Quellenfassungy Herrn Franz Linha, beobachtet und alles
Nötige von dem Herrn Ingenieur Hugo Meixner, ehemaligem
Assistenten an meiner geodätisch-astronomischen Lehrkanzel,
mit einem nach dem Polarstem ungefähr orientierten kleinen
Universalinstrument gemessen. Dabei ergab sich nach den
Einstellungen und Bezeichnungen des Herrn Beobachters für
den Anfang: A -=. 328* 10', h = 20*, für das Ende über einem
bewaldeten Bergrücken: A = 325* 56', A = 7* 20'. Da bei so
kurzen Bahnen die unvermeidlichen Fehler der Endpositionen
sehr entstellend auf die Lage einwirken können, war eine
beigefügte Skizze, welche den Abfall in etwa 20* Abweichung
von der Vertikalen darstellte, sehr willkommen. Die Kugel ver-
lief in einen Schweif von ungefähr 2* Länge. Dauer: 4 bis 5*.
14. Zwittau (34* 8'; 49* 45-50. Herr A. Jung, Portier der
k. k. Tabakfabrik, berichtete der Wiener Sternwarte, daß er am
Tore der Fabrik, gegen Süden gekehrt, um 5** 15" Ortszeit am
südlichen Himmel ein Meteor bemerkte, das sich sehr schnell
in südöstlicher Richtung bewegte und scheinbar in gleicher
Höhe mit dem Turme der Pfarrkirche zersprang. Es leuchtete
intensiv gelb und spaltete sich in zwei Teile, wobei rotes Licht
aufblitzte und Funken sprühten. Dauer nahezu 3'.
15. Wiesenberg (34*46'; 50*4'). Ungefähr 5*» 25°^ fiel
ein hell leuchtendes Meteor am südlichen Himmel, hinter sich
eine intensiv helle Spur lassend. Die Fallrichtung war wegen
des vorliegenden Radersberges nicht recht wahrnehmbar, doch
dürfte es in der Gegend von Sternberg gewesen sein. (Herr
Obergärtner Jirasek an die k. k. meteorol. Zentralanstalt.)
Das Azimut Wiesenberg — Sternberg beträgt 338*.
16. Hirschberg (33* 24'; 50* -54-3'). Den freundlichen
Bemühungen des Herrn Prof. Dr. E. Reim an n verdanke ich
wieder mehrere Beobachtungen.
a) Der Abiturient Frenzel und der Unterprimaner
Peterssen-Borstel standen nebeneinander auf derKunners-
70 G. V. Niessl,
dorfer Eisbahn. Sie geben die Zeit zu 5** 13" und das Ver-
schwinden hinter einem Berge in ungefähr 15** östlich von
Süden, 4° hoch, ferner den Anfangspunkt in 8** Höhe an. Die
scheinbare Bahn skizziert Peterssen 30® gegen die Vertikale
geneigt, nach unten östlich abweichend, während Frenzel die
Bahn viel weniger steil, etwa 46° von der Vertikalen, in dem-
selben Sinne abweichend, angibt. Die Skizze FrenzeTs macht
übrigens den Eindruck, als ob ein Bahnteil fast horizontal
erschienen wäre, was hier nur im Gegensatze zu den beiden
folgenden Beobachtungen horvorgehoben wird.
Peterssen gibt die Dauer zu 2 bis 3* an und fügt bei,
daß das Meteor groß, heller als Venus erschien, von grüner
Farbe, welche allmählich in Rot überging.
h) Die Untersekundaner Prinz Reuß und Galle sahen
das Meteor von den »Abruzzen«, südlich von Hirschberg, um
5** 15°*. Der Karte nach verschwand es ihnen hinter dem zirka
SYg" hohen »Forstkamm« in 19° östlich von Süd. Die Neigung
gegen die Vertikale wird von diesen beiden Beobachtern viel
geringer, also der Abfall viel steiler angegeben als von den
beiden ersteren. Galle skizziert ihn mit 13°, Prinz Reuß kaum
zu 10°. Letzterer gibt für die Dauer 2* oder eher etwas länger
und für die Farbe orange, dann etwas bläulich. Ersterer nimmt
2 bis 3' für die Dauer an. Hervorgehoben wird, daß neben der
Dämmerung bereits heller Mondschein herrschte, gleichwohl
aber das Meteor sehr intensiv erschien.
Aus den verschiedenen Angaben habe ich für die Fall-
epoche 5^ 17"* mittlere Brünner Zeit, also 4^ 11" mittlere
Greenwicher Zeit abgeleitet.
Schon eine flüchtige Beobachtung der Karte bei Durch-
sicht dieser Beobachtungen lehrt, daß sich der Endpunkt der
gesehenen Bahn in großer Entfernung von den Beobachtungs-
orten, welche sich alle im Nordwestquadranten desselben
befanden, gelegen war, ungefähr innerhalb des großen Drei-
ecks Raab — Budapest — Veszprim. Darauf weist auch die
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 71
äußerst geringe Parallaxe in Höhe hin, welche zumeist durch
die unvermeidlichen Beobachtungsfehler verdeckt ist und allen-
falls erst in Hirschberg deutlicher wird.
Hinsichtlich der Azimute bilden die mährischen Orte in
der Richtung SW — NE von Teltsch bis Weißkirchen noch
immer eine zu kurze Basis mit Rücksicht auf die vielfach nur
beiläufigen Angaben. Richtungen, welche durch tatsächliche
Messungen oder nach Plänen festgestellt wurden, wie jene aus
Brunn, Quelihütten und Hirschberg, fallen zusammen oder
laufen gar auseinander, wie z. B. die letztere gegen die beiden
ersteren u. s. w., so daß ohne die Angaben aus dem südlichen
Temitz überhaupt kaum auf die Lage des Hemmungspunktes
geschlossen werden könnte. Allein auch diese Beobachtung
kann zur Bestimmung des Endpunktes nur indirekt heran-
gezogen werden, teils weil von dort berichtet wurde, daß das
Meteor hinter einer Wolke verschwunden ist, teils, weil selbst
hinsichtlich dieses Punktes zwei voneinander stark abweichende
Angaben vorliegen.
Das in meinen Rechnungen fast immer eingehaltene und
schon mehrmals begründete Verfahren, vorerst den Endpunkt
der Bahn sicherzustellen und an diesen die übrigen Elemente
der Beobachtungen verbessernd und ergänzend anzuknüpfen,
kann daher im vorliegenden Falle mit Vorteil nicht angewendet
werden, weil es sehr fraglich bleibt, ob damit eine Verbesserung
der für die Aufsuchung des Radianten verwendbaren schein-
baren Bahnbogen erzielt würde.
Daß dieser Fall einen für diese Epoche noch nicht nach-
gewiesenen Radianten erschließt und dadurch andere Erschei-
nungen, welche in der Epoche ziemlich weit auseinanderliegen,
miteinander verbindet, erschien mir schon bei vorläufiger
Untersuchung wahrscheinlich und dies hielt mich schließlich
doch davon ab, die Bearbeitung desselben, wegen der wenig
günstigen Lage der Beobachtungsorte und der durchschnittlich
geringen Genauigkeit der Richtungsangaben, gänzlich zu
unterlassen.
Um nun die sämtlichen Beobachtungen wenigstens ihrer
Qualität nach entsprechend auszunützen, habe ich mich dann
entschlossen, die Aufgabe hier allgemeiner zu lösen, nämlich
72 G.v. Niessl,
den Endpunkt der Bahn und den Radianten im Zusammenhang
zu bestimmen.
Eine direkte Durchführung dieser Aufgabe wäre jedoch
mit dem vorliegenden Material nicht lohnend gewesen. Ich
benützte dabei mit Vorteil den Weg des Näherungsverfahrens,
welches grundsätzlich durch nachstehende Erörterung hin-
reichend charakterisiert sein dürfte.
Zunächst wird eine Bestimmung des Endpunktes und des
Radianten nach der gewöhnlich von mir angewendeten Methode
vorgenommen, diese jedoch nur als vorläufig angesehen und
weiter verbessert. Dabei wurden die Abweichungen des vor-
läufigen Radianten von den scheinbaren Bahnbogen auf sämt-
liche den Beobachtungen entnommene Bestimmungsstücke des
Bogens verteilt, also nicht allein auf den. Anfangspunkt oder
auf die scheinbare Neigung, sondern auch auf den Endpunkt
Im gegenwärtigen Falle kamen hinsichtlich des letzteren jedoch
nur die vielfach so ungenauen Azimute in Betracht, da die
gemessenen Höhen nur sehr geringe Widersprüche darboten.
Diese Verbesserungen wurden hier überall derart ermittelt
und verteilt, daß die Summe der mit ihren Gewichten multi-
plizierten Quadrate ein Minimum war.
Mit den neuen Richtungen wurde dann eine verbesserte
Bestimmmung des Endpunktes und auf Grund derselben wieder
eine neue Ermittlung des Radianten vorgenommen.
Man gelangt dabei bald dahin, daß eine weitere Wieder-
holung des Vorganges keine wesentliche Verminderung der
erwähnten Quadratsumme hervorruft, also überflüssig wird. Im
vorliegenden Falle konnte ich es schon bei der zweiten
Näherung bewenden lassen.
Die dabei erlangten Resultate sollen nun hier angeführt
werden.
Der Hemmungspunkt ergab sich über der Gegend in
X = 35^ 33-2' östlich von Ferro, tf = 47** 18-3' nördlicher
Breite, ungefähr über dem Weiler Imremjr imBakonyer-
wald, 6 km südlich von Magyar Szt. Kiräly.
Nachstehende Übersicht ermöglicht eine Vergleichung der
für diese Bestimmung aus den bezeichneten Beobachtungen
benützten mit den schließlich berechneten Azimuten:
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 73
Azimute.
Vcr-
Beobachtet: Berechnet: besserungen:
Türnitz (2) 292-5* 287-8* — 4-7*
Göding (5) 352-0 342-4 — 9'6
Schiltern (7) 315-0 3190 4-4-0
Teltsch(9) 315-0 3204 4-5-4
Trebitsch (10) 317-5 324-0 -4-6-5
Brünn(ll) 3340 335-2 4-1*2
Weißkirchen (12) .. . 00 357-7 —2-3
Quellhütten (13) 325*9 339- 1 -k13-2
Hirschberg (16) 341-0 337-8 — 3-2
Die den Beobachtungen entnommenen Azimute bedürfen
keiner weiteren Erklärung. Nur hinsichtlich Brunn sei er-
innert, daß sich die Höhenangabe 8* für das Ende in a) und
die Bezeichnung eines Bahnpunktes in -4 = 337", ä= 15*
unter h) durch die scheinbare Bahnneigung von 64* ergänzen.
Hieraus folgt für das Ende in 8"" Höhe das oben angesetzte
Azimut. Die Angabe aus Türnitz wurde benützt, ungeachtet
des Verschwindens hinter der Wolke, weil der Endpunkt
sicher nicht viel südlicher gelegen sein konnte. Dagegen konnte
die Wiesenberger Beobachtung nicht verwendet werden, weil
in der dort bezeichneten Richtung der Radersberg schon die
ganze Bahn verdeckt hätte.
Aus diesen Zahlenwerten ergibt sich der mittlere Fehler
eines beobachteten Azimutes zu ±7-5*, welcher allerdings
für Beobachtungen dieser Art keineswegs auffallend groß ist.
Allein wegen der minder günstigen Lage der Beobachtungsorte
und ihrer großen Entfernung vom Endpunkt ist das Ergebnis
für die geographischen Koordinaten des letzteren doch viel un-
sicherer als sonst, denn die betrefiFenden mittleren Fehler des-
selben betragen in Länge ±15' oder 18-7 ftw, im Parallel
und in Breite 19*5' oder 36-2 lim im Meridian.
Eine bessere Bestimmung hätten Angaben aus Un-
garn, welche nicht zu erlangen waren, oder aus den nieder-
österreichischen und steierischen Grenzgebieten, wo, wie
es scheint, der Himmel bewölkt war, geliefert. Aus Wien
74
G. V. N i e s s 1,
selbst ist, ungeachtet der veröffentlichten Aufforderung der
Sternwarte, keine Nachricht über dieses Meteor bekannt ge-
worden.
Die auf die lineare Höhe des Endpunktes über der Erd-
oberfläche bezüglichen Ergebnisse sind aus der nachstehenden
Zusammenstellung ersichtlich:
Ent- Beob-
femung achtete Berechnete Berechnete Ver-
vom scheinb. lineare scheinb. besse-
Ende: Höhe: Höhe: Höhe: rungen;
Türnitz(2) 195 km 66" 24-7 ftw 10-2" -+-3-6"
Schiltern (7) 238 90 425 8-1 — O'Q
Trebitsch (10) 261 4-0 23*6 72 -♦-3-2
Brünn(ll) 234 80 37-4 8-3 -hO-3
Weißkirchen (12). 250 105 51-6 7-5 —30
Quellhütten (13).. 299 7-3 45 "6 6-0 —1-3
Hirschberg (16)... 431 <3-5 <41 • 1 3*1 —
Es ist hier kaum wesentlich Besseres zu erwarten, als das
Mittel der einzelnen berechneten Werte darbieten kann. Ich
habe dazu auch die letzte Angabe benützt, obwohl sich die Höhe
von 3 -5° nicht genau auf den Endpunkt bezieht, da sie diesem
doch gewiß weit näher liegt, als die wahrscheinliche Fehler-
grenze beträgt.
Auf diese Weise erhält man für die Höhe des End-
punktes: 38* 1 *w db 10 km.
Der mittlere Fehler der benützten scheinbaren Höhen
beträgt nur ± 2-6**, was sehr günstig ist; allein der Einfluß
auf das Resultat ist, eben wegen der großen Entfernungen,
doch sehr erheblich.
Für die Ermittlung des Radiationspunktes standen
nur zwei jener Beobachtungen zur Verfügung, welche je zwei
Bahnpunkte bezeichnen, jene aus Türnitz und Quellhütten.
Für erstere wurde (der Richtung nach) der Mond als Bahn-
punkt unter I genommen. Für letztere schien es am sichersten,
den Anfang in der dort bezeichneten Höhe von 20** mit der
skizzierten Bahnneigung an den verbesserten Endpunkt zu
knüpfen.
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905.
75
Bei den übrigen Beobachtungen konnten nur Richtungen
der scheinbaren Bahnbogen benützt werden, im Anschluß an
die unter II nachstehend angeführten verbesserten Endposi-
tionen.
Unter I ist bei allen diesen (mit einem *) bezeichneten
Bahnen der eine Knoten am Äquator angesetzt, weshalb zu
allen diesen Rektaszensionen die Deklination 0 gilt.
Bei der geringen Zahl der verfügbaren Beobachtungen
wollte ich jene aus Weitenegg (3) mit »fast senkrechtem«
Fall nicht ganz unbeachtet lassen und habe für diese 90*
Neigung gegen den Horizont, aber nur mit Gewicht ein Viertel
genommen, weil mir nur zu gut bekannt ist, daß derartige
Bezeichnungen in der Regel nur sehr beiläufig zu nehmen sind.
In der folgenden Übersicht sind die benützten neun
scheinbaren Bahnbogen verzeichnet:
I
11
a
2
a
8
Türnitz(2) 98 -O"
+ 18-7''
86
■6'
4-0°
Quellhütten (13).. 17-8
Weitenegg» (3) . . . 249 • 8
Schiltern* (7) 40*0
—20-3
0
0
39
78'
61
•5
1
•6
28-7
-11-5
22-5
Teitsch* (9) 31-6
0
60'
1
—24-8
Trebitsch*(10)... 32-6
0
57'
7
—25-5
Brunn» (11) 193
0
45'
•8
28-5
Weißkirchen» (12)351-6
0
21'
6
32-8
Hirschberg» (16) . 13-8
0
43
6
32-8
Hieraus erhielt ich den scheinbaren Radianten in
268 'S" Rektaszension und 45*8** nördlicher Deklination im
nordöstlichsten Teile des »Herkules«.
Die Sicherheit dieser Bestimmung ist jedoch nicht groß,
denn der mittlere Fehler in Rektaszension ist ±9** und jener
in Deklination ±5**.
Die Verbesserungen der oben angeführten Beobachtungen,
abgesehen vom Endpunkt unter II, welcher bei der letzten
Näherung keine Änderung mehr erfahren hat, sind im Folgen-
den enthalten. Für Türnitz beträgt am Punkt I die Verbesse-
76 G. V. Niessi,
rung in a: — 11*" und für Quellhütten dieselbe ebenfalls in
a: -4- 6 •6*. Die beiden Deklinationen erleiden keine wesent-
lichen Änderungen.
Neigungen der scheinbaren Bahnen gegen den Horizont.
Den Beobach-
tungen cnt- Ver-
nommen : Berechnet : besseningen :
Weitenegg (3) 90" 67-3" — 22-7*'
Schiltem(7) 72 81-0 -4- 9-0
Teltsch (9) 65 77*8 + 12-8
Trebitsch (10) 68 72-3 -4- 4-3
Brunn (11) 62 58-1 — 3-9
Weißkirchen (12) ...45 37-9 — 7-1
Hirschberg (16) 60 51-0 — 9*0
Der mittlere Fehler einer Beobachtung der Gewichts-
einheit beträgt ±10".
Unter Voraussetzung des hier abgeleiteten Radianten
kam das Meteor aus 133-8" Azimut, also nahezu aus Nord-
west, in einer 21" gegen den Horizont des Endpunktes ge-
neigten Bahn.
Aufleuchten, Bahnlänge, Geschwindigkeit.
Wenn die in Schilt ern (7) abgeschätzte Höhe von 45"
für den Anfangspunkt der gesehenen Bahn annähernd richtig
wäre, so würde dort das früheste Aufleuchten und die
längste Bahn gesehen worden sein. Jenes würde sich dann
96 km über der Gegend von Stadlau östlich von Wien und
die Bahnlänge zu 156 km ergeben, woraus man mit 3* Dauer
auf eine Geschwindigkeit von 52 km zu schließen hätte.
Da jedoch die scheinbaren Höhen fast immer überschätzt
werden, so kann dieses Ergebnis kein großes Vertrauen bean-
spruchen. Jedenfalls sind alle darauf bezüglichen Messungen
und Angaben aus Brunn weit sicherer, insbesondere auch,
weil die Dauer später nach Sekundenschlägen geschätzt
wurde.
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 77
In Brunn (11, b) wurde das Meteor zuerst von dem Herrn
Strebinger 30*" hoch gesehen. Dem entspricht eine Bahn-
länge von 113 km und das Aufleuchten in 80 im Höhe über
der Gegend in X =r 34** 32-5', (p = 47 * 57', etwa 2 km östlich
von Neusiedl am See in Ungarn. Allein dieser Beobachter
hat nicht die ganze vorhin bezeichnete Bahn bis zum End-
punkt gesehen, sondern, da ihm das Meteor schon bei 15*
Höhe durch ein Dach verdeckt wurde, nur 60 km, zwischen
dem Anfang und einer Höhe von 54*8 km. Die von ihm ange-
gebene Dauer von IV4 bis IVb* würde demnach auf eine Ge-
schwindigkeit von 50 km schließen lassen.
Die Beobachtung (IIa) des Herrn Eßler gibt die An-
fangshöhe nur zu 22* und die daraus abgeleitete Bahnlänge
zu 79 km, zwischen 67 und 38 km Höhe, woraus also für 2*
Dauer eine Geschwindigkeit von 39*5 km folgen würde.
In der Beobachtung des Herrn Fleischer (llc) ist der
Anfang nicht bezeichnet. Wird die Dauer von l'/^* auf das
Mittel der Bahnlängen aus a und b, d. i. 96 km, bezogen, so er-
gibt sich hieraus 54*5 km Geschwindigkeit.
Die in Quellhütten (13) für den Anfang gemessene
Höhe von 20® entspricht sehr nahe demselben Anfangspunkt
(nämlich nur 4 km weiter gegen SE), wie ihn die Brünner Be-
obachtung des Herrn Strebinger ergibt, mit einer Bahnlänge
von 109 km. Die dort angegebene Dauer von 4—5 " ist jedoch
ohne Zweifel erheblich überschätzt.
Hirschberg (16) ist so weit entfernt, daß der Einfluß der
gewöhnlichen Unsicherheit das Resultat völlig entstellen kann,
da ein Fehler von ± 4** in der Lage des Anfangspunktes die
Bahnlänge schon um 40 km ändert. Für 8** Höhe würde man
nur 66 *w Bahnlänge erhalten, für 12* aber ungefähr ebenso
viel als die aus Brunn b nachgewiesene. Aus diesen Angaben
kann somit ein verläßlicher Wert für die Bahnlänge nicht mehr
abgeleitet werden.
Den vorstehenden Erörterungen wird zu entnehmen sein,
daß das Mittel aus den drei Brünner Schätzungen, welches
rund 48 km beträgt, für die geozentrische Geschwindigkeit
kaum zu hoch gegriffen sein dürfte.
78 G. V. Niessl,
In der vorhin abgeleiteten Bahn ist das Meteor über
St. Johann, dann nahezu über Köny an der Wien — Raaber
Bahn, etwa 2 km nordöstlich an Tet und 24 km südlich von
Raaby zum Endpunkt gezogen. Nach ganz unbestimmt lauten-
den Zeitungsmeldungen ist es in Raab auch beobachtet
worden, doch gelang es mir nicht, nähere Nachrichten darüber
zu erhalten.
Über die äußere Erscheinung des Meteors ist nichts
Wesentliches zu bemerken. Es liegt hinsichtlich der schein-
baren Größe kein Vergleich (z. B. mit der Mondscheibe) vor,
welcher eine zahlenmäßige Schätzung des scheinbaren Durch-
messers gestatten würde, doch wurde es vielfach »größer« und
lichtstärker als Venus bezeichnet. Von bedeutender, auffallen-
der Erhellung der Umgebung ist kaum die Rede. Man muß
jedoch berücksichtigen, daß alle Entfernungen sehr groß waren.
Auch erwies sich das Mondlicht schon und die Dämmerung
noch wirksam.
Kosmische Beziehungen.
Bezogen auf die Ekliptik hat der hier ermittelte Radiations-
punkt die Koordinaten: Xzz 267-6'*, ß = 69-3''. Die Sonnen-
länge, zugleich auch die Länge des aufsteigenden Knotens,
war 298*7*, daher die scheinbare Elongation vom Apex der
Erdbewegung 79 'S** und die heliozentrische Geschwin-
digkeit 51 '8 Äw oder 1-73 in der bekannten Einheit. Die
Bahn war daher auch wieder eine Hyperbel.
Der Radiationspunkt dieses Meteors in a = 268*8**, 8 =
-4-45*8** liegt sehr nahe dem Strahlungspunkt des bekannten
Meteoritenfalles von Möcs, welcher sich am S.Februar
1882 ereignete und für den ich den Radianten in a = 264**,
8=4- 40* abgeleitet habe.i
Noch anschaulicher wird die Übereinstimmung, wenn man,
wie ich sogleich zeigen werde, den Unterschied von 15 Tagen
zwischen den beiden Epochen in Betracht zieht.
In der angeführten Abhandlung habe ich noch zwei
andere Radianten mit jenem des Möcser Falles verglichen
1 Diese Sitzungsberichte, XCIX. Bd., II. Abt., Februar 1884, p. 283.
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 79
und diese kämen hier auch wieder in Frage; doch wird eine
ergänzende Bemerkung einzuschalten sein.
Für ein am 7. Februar 1863, 6** 30", in Schottland beob-
achtetes Meteor konnte ich^ aus den bekannt gewordenen,
nicht sehr genauen Daten den Radianten in a = 261*,
8= +38*5** angeben. Seither brachte Den ning*s General-
Katalog (p. 270) auch ein Resultat Prof. HerscheTs, nach
welchem die betreffenden Koordinaten a = 265**, 8 = + 28**
zu nehmen wären. Ich glaube den Umständen Rechnung zu
tragen, wenn ich hier den Mittelwert a = 263*, 8 = -4- 33*3*
beibehalte.
Um zunächst die Bahnen der drei Erscheinungen vom
19. Jänner, 3. und 7. Februar hinsichtlich ihres Eintritts in das
Sonnensystem unabhängig von der Zufälligkeit der Begegnung
mit der Erde in verschiedenen Knotenlängen zu vergleichen,
habe ich die ihre heliozentrischen Bewegungsrichtungen
in sehr großer Entfernung von der Sonne bestimmenden
Koordinaten der kosmischen Ausgangspunkte be-
rechnet.^
Um Mißverständnissen zu begegnen, möchte ich wieder-
holt betonen, daß darin die räumliche Bewegung des gesamten
Sonnensystems nicht inbegriffen ist. Wollte man die räum-
lichen oder siderischen Bewegungselemente dieser Körper in
einem weiteren Sinne angeben, so hätte man ihre heliozen-
trische Bewegung noch mit der Richtung und Größe der
Sonnenbewegung in bekannter Weise zu verbinden. Darauf
kommt es in diesen Betrachtungen jedoch nicht an.
Da die wirkliche Geschwindigkeit der Meteoriten vor dem
Eintritte in die Atmosphäre durch Beobachtungen nicht sicher
bestimmt werden kann, so habe ich die Berechnung der Aus-
gangspunkte für verschiedene Geschwindigkeitsannahmen vor-
genommen, und zwar für t; r= 2, 2*5 und 3 (in der Entfernung 1
1 Ebenda, p. 292.
2 Siehe meine Abhandlung: »Theoretische Untersuchungen über die Ver-
schiebung der Radiationspunkte aufgelöster Meteorströme«. Diese Sitzungs-
berichte, LXXXni. Bd. 11. Abt., Jänner 1881, p. 96.
80 G.v. Niessl,
von der Sonne), also für hyperbolische negative Halbachsen
von der Größe Va» Vi? ^^^ V?«
Hier findet man das Ergebnis.
Koordinaten des kosmischen Ausgangspunktes in Länge (i)
und Breite (b).
fiiri/ = 2-0 i;s=2-5 v = Z'0
Epoche des Falles: l b l b l b
19. Jänner 1905.318-6 +43-5 318-4 +55-1 315-0 +6P2
3. Februar 1882.320-1 47-1 313-8 58-6 3128 63-6
7. Februar 1863.318-1 43-8 306-3 55-0 297*4 59-1
Mit der Geschwindigkeitshypothese v = 2 zeigen diese
Koordinaten eine für solche Fälle weitgehende Überein-
stimmung. Das Mittel wäre / = 318-9**, ft = 44-8** und die
mittlere Abweichung vom Mittel ± K in / und ±2** in t, so
daß ich eine tatsächliche Zusammengehörigkeit mindestens für
sehr wahrscheinlich erachte.
In der erwähnten Abhandlung habe ich mit dem Falle
von Möcs auch noch den naheliegenden, von Denningfür
den 20. Februar 1877 als sehr sicher bezeichneten Stern-
schnuppen-Radianten in a = 263**, 8 = + 36** verglichen.
Um zu zeigen, wie weit mit dem oben angegebenen Mittel
für / und b und der Hypothese v = 2 die aus den Beobach-
tungen abgeleiteten Radianten für die betreffenden Epochen
dargestellt werden, habe ich aus jener Annahme diese zurück-
gerechnet und die folgende Zusammenstellung gestattet eine
rasche Vergleichung.
Radianten.
Auf Grund des
Ausgangspunktes
berechnet: Beobachtet:
4 * ''^' I \ **■
^>m
Epoche: ad a d Aa AS
19.Jännerl906 267-6 +46*5** 268-8 +45-8 — 1-2*+0-7
3.Februarl882 264-9 37-9 264-0 40-0 -♦-0-9 —2-1
7. Februar 1863 264*3 35-3 263-0 33-3 +1-3 -4-2-0
20. Februar 1877 262-0 29-1 263-0 36-0 —1-0 —6-9
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 81
Die Zugehörigkeit der letzten Erscheinung bleibt wegen
der größeren Differenz in 8 zweifelhaft. Es kann jedoch einer-
seits sowohl die Unsicherheit der Position dieses Radianten *
als auch jene der ersten drei Punkte einige Grade betragen.
Wenn z. B. hinsichtlich des Meteors vom 7. Februar statt des
Mittels ein meiner Bestimmung näher liegender Wert gewählt
wird, so würde, in Verbindung mit der ebenfalls mehr nörd-
licher liegenden Position des Möcser Falles, das Gesamtmittel
für /, b nördlicher kommen und dann die Verbesserung an 8 für
den 20. Februar kleiner ausfallen.
In meinen Materialien befindet sich die Bahnbestimmung
eines Meteors (von »Venusgröße«), das am 30. Juli 1879 in
Dänemark beobachtet wurde. Den Radianten habe ich aus zwei
nach Sternen angegebenen Bahnen in a == 330", 8.= -4-22-5'*
bezeichnet.*
Aus dem früher gefundenen kosmischen Ausgangs-
punkt erhält man mitt; = 2 durch Rechnung für diese
Epoche (Knotenlänge) den Radianten in a = 333* 5"*, 8 = 23-2",
eine befriedigende Übereinstimmung bei sehr abweichender
Sonnenlänge.
Wenn man, was ja nach vielen andern Erfahrungen an-
nehmbar ist, einseitig ermittelte Sternschnuppenradianten all-
gemein als Ersatz für Nachweisungen von Feuerkugeln gelten
lassen kann, bleibt dieses letztere Beispiel nicht vereinzelt, da
sich auch noch in andern Teilen des Jahres einige ähnliche
Übereinstimmungen finden lassen.
Um dies an einigen Fällen zu zeigen, habe ich für die
Mitte der Monate März bis Dezember die Lage der scheinbaren
1 Den Angaben in Denning's General-Katalog, p. 270, ist jetzt zu ent-
nehmen, daß dieser Radiant nur aus fünf einseitig beobachteten Sternschnuppen-
bahnen bestimmt wurde, obwohl die Erscheinung im ursprünglichen Bericht (Rep.,
1878) als »a rieh moming shower« gekennzeichnet ist. Ich erkläre mir diesen
anscheinenden Widerspruch damit, dafi zahlreiche Bahnen des reichen Meteor-
Schauers gegen den angegebenen Punkt nicht gut konvergierten. Es kann da-
her immerhin für möglich gelten, dafi das Resultat mit Einbeziehung einer
größeren Zahl von Bahnen etwas anders ausgefallen wäre.
* Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Vol. LVII, Nr. 3,
p. 177.
Sitzb. d. mathem.-naturw. KI.; CXVI. Bd., Abt. IIa. 6
82 G. V. Niessl,
Radianten aus dem Ausgangspunkt / = 3l8*9*,ft = 44-8* mit
v = 2 berechnet und zum Vergleiche einige mir bekannt
gewordenen, aus den Beobachtungen abgeleitete Werte
beigesetzt:
Vom Ausgangspunkt
abgeleitet: Aus Beobachtungen
Epoche: a 8 abgeleitet:
März 15 274-7* + 16-3' März 31. bis April 12
1872.a=277%8=10*
Den. G. K. 272.
April 15 289-6 10-5 April 17. 1898. a= 291**
8= +13*, Den. p. 275
(Korresp. beob. Stern-
schnuppe).
April 19.bis23.a= 292*
5 = 14*, Den. ebenda
?Mai 2. 1870. a = 298*
8 = 5*, Tupm.
Mai 15 304-5 10-2 Mai 15. a=: 304, 8 = 7**
Den. Report, 1877.
Juni 15 317-8 13-6 Juni, a = 313% 8= 12*
Schmidt.
Juli 15 330-0 19-2 Julil9.a=332%8=23*
Schiap.
Juli28.a=:336%8=i30'
Schiap.
Juli 1. bis August 15
a = 338% 8 = 26**
Greg.
August l.bisl5.a=338*
8 = 30*, Schmidt.
August 15 339 • 0 28 ' 3 August, a = 340
8 — 35*, Greg und
Herschel.
August 22. a = 340*
8 = 33%Tupm.
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 20. Juni 1905.
83
Epoche :
Vom Ausgangspunkt
abgeleitet:
a 8
Aus Beobachtungen
abgeleitet :
September 15. ... 344 • 8
Oktober 15 342 7
November 15 322-7
Dezember 15 289-1
? September 3.bis 8. 1 885,
a = 354% 8 = 38%
Den. p. 286.
39-0 September 3.bis 20. 1895,
a = 347% 8 = 43%
Den. p. 285.
51-1 Oktober 15. bis No-
vember 6. a =1 342 •
8 = 56% Greg.
Oktober 15. bis 30. a z=
334% 8 zu 54% Heis,
A. N. 1642.
Oktober 19. a = 350%
8 = 50% Den. p. 286.
61-3 November 24. a = 330*,
8 = 63', Den., p. 286.
November 28. a = 327%
8 = 63% Den., ebenda.
59*8 Dezember 8. bis Jän-
ner 25. (?) a = 296%
8 rz 53% Heis.
? Dezember 11. 1852,
Feuerkugel, a =r 277 *,
8 =: 54*, Buszczyn-
ski nach dem Material
von Heis.
? Dezember 12. 1872.
Große deton. Feuer-
kugel in Kentucky U. S.
am 273% 8=: -4-58*;
nur beiläufig n ach New-
ton. (Report, 1874,
p. 298.)
6*
84 G. V. Niessl»
IL Meteor am 29. Juni 1906.
Beobachtungen.
Sachsen und Bayern.
1. Dresden (31** 24'; 51 * 3^. Die nachstehende offenbar
sehr genaue Beobachtung, welche die wichtigste Grundlage
der Bahnbestimmung bildet, verdanke ich der Güte des Herrn
Prof. Dr. Max Toepler in Dresden.
»Aufleuchten nicht beobachtet. Das Meteor bewegte sich
langsam von Ost nach West. Helligkeit intermittierend, 4 bis 5
Maxima, manchmal fast verschwindend, Schweif kurz, höchstens
V^*. Die größte Helligkeit betrug mehr als das Doppelte von
Mars. Farbe wechselnd, rot bis grün, überwiegend weißgrün.
Erlöschen ohne besonders helles Aufleuchten, kein Zerplatzen,
keine Schallwahmehmung.
Da meine Wohnung freie Femsicht gewährt, wird der
Horizont von durchschnittlich etwa 1 km entfernten Gegen-
ständen gebildet. Dies und die Lage der Bahn nahe am Horizont
ermöglichte eine recht genaue Festlegung. Nach Orientierung
an Objekten des Horizonts und Ausmessung auf dem Stadt-
plan ergab sich folgendes:
Der Ort, wo das Meteor zuerst bemerkt wurde; liegt etwa
6^ 50' westlich von Süd, der Ort des Erlöschens 17° 50' ± 15'
westlich von Süd, 4** 40' ± 10' über dem Horizont.
Die scheinbare Bahnneigung gegen den Horizont war
^3**, sicher nicht über 3**. Flugdauer ^ 2*; Zeit des Erlöschens
10^ 50°* 30» dz 15«.«
2. München (29" 15'; 48** 80- Um \0^ 54" ging ein
kolossales Meteor über München nieder. Dasselbe, welches fast
dem Umfange der Mondscheibe nahe kam, bewegte sich
anscheinend vom Maximilianeum in großem Bogen nach der
Klosterbrauerei zu. (Münchener Neueste Nachrichten.)
3. Auf dem Wege von Percha nach Starnberg (29* 2';
48 "" 0') erstrahlte plötzlich eine solche Helligkeit, daß man an
den Reflex der Azetylenlampe eines Radfahrers dachte. Eine
farbenschöne Leuchtkugel flog, einen langen Schweif nach-
ziehend, von S nach N, wie eine in Gelb, Rot und Lila leuchtende
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 85
Rakete. Die Erscheinung teilte sich schließlich in zwei Hälften
und verschwand. (Ebenda.)
4. Weilheim (28^ 48'; 47^ 480- Um 10»» 45" abends
erschien plötzlich am wolkenlosen Himmel, etwa 45* vom Zenith
in südöstlicher Richtung entfernt, eine gelbe, helleuchtende
Kugel. Sie hatte die scheinbare Größe einer kleinen Melone
und zog einen roten, fast in Karmin spielenden Schweif hinter
sich her. Sie bewegte sich sehr langsam in fast nördlicher
Richtung und verschwand, etwa 30* südöstlich des Polar-
sternes, meinen Blicken. Dauer 30*. Der Beobachter hebt noch
hervor, daß der Schweif, nicht »wie es bei Sternschnuppen der
Fall ist«, am Himmel zurückblieb, sondern der Feuerkugel
folgte. (Ebenda.)
5. Hausham bei Schliersee (29* 30'; 47* 460- Die schein-
bare Größe glich etwa der des Vollmondes und die Bewegung
war eine sehr lebhafte. Dauer etwa 20*. Das Licht war anfangs
weiß, ging dann ins Blaßblaue und zuletzt ins Rote über. Auf
halbem Wege schleuderte das Meteor, wie es schien, vier oder
fünf größere Stücke von sich ab, die dann schnell unsichtbar
wurden. Das Auffälligste war ein donnerähnliches Ge-
räusch, das der Erscheinungnach etwa4 bis 5 Minuten
fol gt e. Es glich zwei rasch nacheinander abgefeuerten Kanonen-
schüssen, die man aus einer Entfernung von etwa 3 bis 4 km
hört. (Ebenda.)
6. Reichenhall (30* 32*5'; 47* 430- Die folgende, unter
dem lebhaften Eindrucke der großartigen Erscheinung ent-
standene Schilderung fand ich einige Wochen nach dem Fall-
tage in der Reichenhaller »Kurliste«:
»Am Tage Peter und Paul, 10^ 55™, befand ich mich auf
der Straße nach Kaitl, ungefähr bei der Villa Waldeck. Als ich
so dahin schlenderte, wurde die stockfinstere Umgebung
urplötzlich taghell beleuchtet, und über dem Kirchberg
erschien in verklärender Pracht ein helleuchtender Himmels-
körper, welcher, einer Flammenkugel gleich, langsam am
Horizont von Süd nach West zur Erde wanderte. Der Licht-
körper glich ganz und gar einer zur Erde niederfallenden Riesen-
rakete mit dem Unterschied, daß er einen wundervollen Funken-
schweif, der in blaßrotem Licht erstrahlte, hinter sich herzog.
Xk G. V. Niessi,
Als das Phänomen herüber gewandert war bis zur Pro-
tektion mit dem Sternbild des »Großen Bären« und somit
fast einen Halbkreis beschrieben hatte, verschwand es keines-
wegs, sondern der Funkenschweif verschwand und der Komet
zerteilte sich mit einem Male in zehn bis zwölf Lichtstrahlen,
welche in allen wundervollen Farben des Spektrums leuchteten.
Der Himmelskörper dürfte aus dem Sternbild des »Steinbockes«
entstammt sein. Die Dauer war ungewöhnlich lang, 10 bis 15*.
Es war ein wahrhaft entzückender Anblick inmitten der Nacht-
stille, wie wir ihn wohl nie wieder schauen werden!«
Ich war später in der Lage, mich über die hier beschriebene
Bahn am damaligen Standpunkte des Beobachters bei der Villa
Waldeck zu orientieren. Letztere liegt nördlich, unmittelbar am
Fuße des hier ziemlich steilen Abhanges. Durch Messung mit
dem Gradbogen fand ich, daß das Meteor hier bereits eine Höhe
von 35^ erreicht haben mußte, wenn es gegen Süd hin sichtbar
wurde. Die allgemein bekannten sieben Hauptsterne im »Großen
Bären« standen zur Zeit zwischen 30^ und 55^ nördlich von
West.
Oberösterreich und Salzburg.
7. Engelhartszell (3r 24'; 48*^30'). Richtung S— N,
tiefblau, Dauer 5 bis 7". (Linzer Tagespost.)
8. Linz (3r57';48M80. 11*" nachts bewegte sich ein
wunderbares Meteor in der Richtung von S gegen NW. Es war
anfanglich von intensiv bläulicher Färbung und löste sich
schließlich in eine feurige Kugel auf. Die Erscheinung dauerte
mehrere Sekunden. (Ebenda.)
8. Braunau am Inn (30** 42'; 48* 160- Die Erscheinung
wurde in der Richtung von Ranshofen gegen Ering zu beob-
achtet. Sie war kometenartig, leuchtete sehr schön, eine Feuer-
bahn zurücklassend und währte etwa 30'. (Ebenda.) Ranshofen
liegt südlich von Braunau, Ering in ENE. Die Angabe muß ^uf
einem Irrtum beruhen.
9. Vöcklabruck (3r 19'; 48*0'). Als ich von dem um
jQh 45m j^jgj. ankommenden Zuge gegen die Stadt zu über den
Dörflberg ging, bemerkte ich ein prächtiges Meteor, welches
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 87
horizontal in der Richtung von SE gegen NW dahin flog. Es
stellte eine feurig-weiße Kugel mit langem Schweif dar. Jene
löste sich dann, einer Rakete gleich, in vier bis fünf kleinere
Kugeln auf und erlosch. Dauer 10 bis 12*. (Oberösterreichi-
scher Gebirgsbote.)
10. Frankenmarkt (31* 5'; 47* 590- Um 11^ 5» (?) be-
merkte man durch einige Sekunden ein prachtvolles Meteor. Es
war eine hellgrün leuchtende Kugel, welche, wie es schien,
Teile von rötlicher Färbung abstieß unter ruckweiser bogen-
förmiger Bewegung von SE gegen NW. Die Erscheinung war
von überwältigender Schönheit. (Ebenda.)
11. Gmunden (31* 27'; 47' 550- Das Meteor, welches als
eine in grellweißem Licht erstrahlende Kugel erschien, fiel in
der Richtung von SE — NW und zog einen breiten bläulichen
und rötlichen Lichtstreifen in Form eines Kometenschweifes
hinter sich. Dauer 3*. (Salzkammergut-Zeitung.)
12. Salzburg (30* 53'; 47* 480. Hier wurde das Meteor
wenige Minuten vor 11^ aus S kommend sichtbar. Benahm
seinen Weg in weitem Bogen nach N und verschwand dort.
(Linzer Tagespost) Eine zweite Nachricht lautet: Um 10*^ 50"*
wurde hier ein selten schöner Meteorfall beobachtet. Das Meteor
ging von Ost gegen West Als es in der Mitte des Horizonts
explodierte, streute es Strahlen und Sterne fächerförmig aus.
Indem das Meteor seinen Weg fortsetzte, änderte es fort-
während die Farbe und erschien in rotem, grünem, blauem
Licht Dauer 3 bis 4'. (Salzburger Zeitung.)
13. Radstadt (3r 8'; 47* 230- Das große, kugelförmige,
hell leuchtende Meteor teilte sich in drei Teile, ehe es ver-
schwand. (Linzer Tagespost.)
Vorarlberg und Tirol.
14. Bregenz (27" 25'; 47** 300- Ein Meteor von seltener
Größe und Schönheit ist 10^ 50™ am »Pfander« niedergegangen.
Unter starkem Zischen und Prasseln fuhr eine kopfgroße Kugel
von wunderbarer smaragdgrüner Farbe mit einem etwa meter-
langen, funkensprühenden Schweife in der Richtung von SW
gegen NE und fiel anscheinend in das Unterholz des Pfänder-
88 G. V. Niessl,
berges. Ein donnerartiger Knall und dann war von der Er-
scheinung nichts mehr zu sehen, (österreichische Volks-
Zeitung.) Das Azimut der Spitze des Pfänder (Triangulierungs-
zeichen) vom Hauptplatze der Stadt beträgt nach dem Plane
260 '8**. Der zugehörige Höhenwinkel ist ungefähr 15**.
15. Kufstein (29^ 50'; 47*^ 350, Kirchbichl (29** 45-5';
47** 310 und Wörgl (29** 44'; 47* 290- Kurz vor U»' entstand
am Nachthimmel plötzlich eine auffallende Helligkeit. Diese
war der Vorläufer einer nun erscheinenden, langsam von SE
nach NW ziehenden, großen, helleuchtenden Feuerkugel mit
Schweif. Plötzlich zersprang das Meteor und streute Teile
raketenartig in der Richtung seiner bisherigen Flugbahn über
den Himmel. Es war eine prachtvolle Naturerscheinung, wie
man sie nur selten zu sehen bekommt. (Tiroler Grenzbote.)
16. Terfens (29** 19'; 47** 18'). Als wir um 10^ 40"" den
Ort gegen Nord passierten, ging in östlicher Richtung eine
große, glühende, flaschenförmige Masse nieder, welche das
Terrain ungefähr 7' lang taghell beleuchtete. (Innsbrucker
Nachrichten.)
17. Innsbruck (29** 5'; 47** 160- Nach V^H^ wurde hier
ein prächtiges Meteor beobachtet, das sich in der Richtung von
SE— NW gegen die »Frauhitt« hin bewegte. (Bote für Tirol
und Vorarlberg.) Die »Frauhitt« liegt in der Tat nordwestlich
von Innsbruck. Das Meteor kann aber hier nicht bis auf die
Westseite gekommen sein. Es ist also mit dieser Angabe wie
gewöhnlich nur die Bewegungsrichtung durch ungefähre Be-
zeichnung der Knoten am Horizont gemeint.
18. Brennerbad (29** 10'; 46** 580- Kurz vor 11*^ beob-
achtete ich, durch eine plötzliche intensive Helle aufmerksam
gemacht, ein von S nach N nach fallendes prächtiges Meteor,
das mit einem langen Schweif wie eine mächtige Rakete
aussah. Leider verschwand die Erscheinung allzuschnell hinter
den hohen Bergen. (Innsbrucker Nachrichten.)
19. Innichen (29** 56'; 46** 440- Um 10>^ 48°^ war hier eine
merkwürdige Erscheinung am gestirnten Himmel zu beobachten.
Über das ganze Tal wurde nämlich plötzlich von S nach N
eine große, grell leuchtende Feuerkugel sichtbar, welche in
vielen Tausenden von Strahlen ihr Licht hinabwarf und die
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 89
ganze Gegend auf einige Sekunden taghell beleuchtete. Im
nächsten Moment zersprang die Kugel lautlos in viele Teile
und einige Minuten später waren noch leuchtende Feuerkörper
sichtbar, die sich, langsam verglühend, zur Erde gesenkt haben
mochten. (Deutsches Volksblatt.)
Kärnten.
20. Klagenfurt (31* 58'; 46** 370- Das Meteor kam um
etwa 11** aus der Umgebung* des »Arcturus« und zog über
das Sternbild der Jagdhunde zwischen dem »Großen Bären« und
Kleinen Löwen auf die »Zwillinge« zu, ohne jedoch diese zu
erreichen. Es hatte die 10- bis 20fache Intensität Jupiters und
zeigte sich als kleine Scheibe, die einen glühenden Schweif
nach sich zog. Zeitweise explosionsartige Erscheinungen riefen
den Eindruck hervor, als ob eine starke Rakete vorüberziehe.
Die Bahn war schwach gekrümmt und hatte einen schwachen
Winkel gegen den Horizont, etwa 10". Die Erscheinung ver-
schwand ohne eine Schlußexplosion. (Neue Freie Presse.)
21. Gailitz (31** 21 -5'; 46** 330- Um 11^ nachts wurde
hier in der Richtung S — N eine große Feuerkugel mit langem
Schweif beobachtet, die intensives Licht ausstrahlte und etwa
2 Minuten (?) sichtbar blieb. (Neues Wiener Tagblatt.)
Niederösterreich.
22. Gerasdorf (33M5^ 47M70. Herr Lehrer Leopold
Großkopf in Saubersdorf berichtete den »Wiener-Neustädter
Nachrichten« folgendes: Am Abend des 29. Juni bemerkte ich
außerhalb Gerasdorf am Himmel ein prächtiges Meteor, welches
anfangs halbe Vollmondsgröße hatte. Es bewegte sich vom
»Schneeberg« bis ungefähr zur »Hohen Wand«, und zwar in
südnördlicher Richtung. Das Meteor hatte einen glänzend
weißen Kern, dem ein grünlicher Schweif folgte, bis sich das
Ganze auflöste, indem es immer kleiner wurde. Dauer unge-
fähr 25*. Das Azimut der Schneebergspitze aus Gerasdorf
beträgt 85"*. Die »Hohe Wand« ist bekanntlich sehr ausgedehnt.
Für den Placklesberg am südlichen Ende wäre das Azimut
noch 11 5^
90 G.v. Niessl,
23. Lunz (32*^42'; 47** 520. Um 11*^ nachts war ein
Meteor sichtbar, zuerst weiß, dann gelblich und rot, intensiv
strahlend. Dauer etwa lO'. Die Flugbahn war von SW nach NE
gerichtet. (Fremdenblatt.)
24. Wien (34** 3'; 48** 120- Etwa 5" vor 11^ zeigte sich
am westlichen Himmel ein prächtiges Meteor, das rot glühenden
Leuchtkugeln glich, die in horizontaler Richtung einem Licht-
kern entsprühten. Nach Ablauf weniger Sekunden erlosch die
raketenähnliche Erscheinung. (Wiener Deutsches Tagblatt.)
25. Pöchlarn (32** 52'; 48* 13'). Um 10»^ 55°^ war am
nächtlichen Himmel ein wundervolles Meteor zu sehen, welches,
hellstrahlend, die Richtung von Süd nach Südost (?) nahm. Es
dürfte volle 15" zu sehen gewesen sein. (Neue Freie Presse.)
26. Krems (33** 16'; 48** 24-5'). Gegen 11^ wurde hierein
schönes Meteor gesehen. Es zeigte sich am westlichen Himmel
und nahm im langsamen Fall als helleuchtende, große, grüne
Kugel mit anhängender feurigen, kleineren die Richtung von S
nach N. (Neue Freie Presse.)
27. Gmünd (32** 39'; 48** 46-50. Nachts 11^ konnte man
ein herrliches Naturschauspiel beobachten. Am südöstlichen
Himmel fielen zuerst rasch nacheinander vier bis fünf Stern-
schnuppen. Hierauf erhellte sich der südöstliche Himmel und
ein weiß leuchtender Körper flog in der Richtung SE — NW
zuerst horizontal, dann gegen NW schief absteigend. Der leuch-
tende, weißglühende Körper erhielt auf halber Flugbahn einen
feurigen, keilförmigen Schweif, der, immer länger werdend,
zuerst weiß, dann orange, hierauf rot, dann dunkelrot erstrahlte,
sich endlich vom Hauptkörper trennte und im NW (?) ver-
schwand. Dauer 8 bis 10*. (österreichische Volks-Zeitung.)
Mähren und Böhmen.
28. Pohrlitz (34** 12*5'; 48** 59'). Von hier schrieb Herr
Grundbesitzer Franz Brunda der »österreichischen Volks-
Zeitung«: Vor 11^ beobachtete ich westlich durch etwa 10* ein
Meteor von außerordentlicher Größe und Lichtstärke. Die Flug-
bahn war von SE nach NW gerichtet.
29. Schönbach (30** 4'; 50** 150- Gegen 11*^ wurde das
Aufleuchten eines Meteors beobachtet, welches in der Richtung
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 91
von SE gegen NW zog. Das Leuchten dauerte ungefähr 9* und
war von solcher Intensität, daß man dachte, es werde eine elek-
trische Bogenlampe von wunderbarer grüner Färbung ent-
zündet (Ascher Zeitung.)
Für die Epoche des Falles habe ich im Mittel aus den
bestimmteren Angaben genommen: 1905, Juni 29, 10^*52*'*
mittlere Dresdener Zeit oder 9^57"' mittlere Greenwicher Zeit.
Geographische Lage und lineare Höhe des Endpunktes der
Bahn durch die Atmosphäre.
Zur Bestimmung dieses Punktes liegen außer der Beob-
achtung des Herrn Prof. Dr. Toepler in Dresden nur
spärliche Angaben vor. Die meiste Berücksichtigung scheint
zunächst noch die Beschreibung der scheinbaren Bahn in
Bezug auf die nächstgelegenen Sternbilder aus der Klagen-
furter Mitteilung (20) zu verdienen, nur ist dort der Endpunkt
nicht bezeichnet. Nimmt man jedoch für diese letztere Beob-
achtung einen Großkreis an, welcher ihr der Lage nach ent-
spricht, so ist es nach bekannten Regeln leicht, in diesem den-
jenigen Punkt zu ermitteln, welcher der Beobachtung des
Endpunktes in Dresden entspricht, woraus dann Lage und
Höhe des letzteren sich ergibt.
Für die Klagenfurter scheinbare Bahn wurde, um der Be-
obachtung möglichst nahe zu kommen, der größte Kreis ge-
nommen, welcher a Bootis mit der Mitte zwischen a und ß
Gcminorum verbindet, obwohl diese beiden Sterne, wie über-
haupt der größere Teil der »Zwillinge«, zur Beobachtungszeit
bereits unter dem Horizont waren. Es ist anzunehmen, daß
der Beobachter die Richtung nach der ihm bekannten Lage
der Konstellation geschätzt hat. Demnach wäre diese bestimmt
durch I:a = 212-9* 8=r +19-7% II: a = 113-5* 8z=h-30-2%
worin II selbstverständlich nicht der Endpunkt ist.
94 G.v. Niessl,
furt angegebenen Bahnbogen verwerten, wobei als zweiter
Punkt der berechnete scheinbare Ort des ausgemittelten End-
punktes gesetzt wurde. Man erhält auf diese Weise folgende
drei scheinbare Bahnen:
I
II
a
8
238 -Q»
32- 2*
163-4
+52-3
139-6
+37-6
Dresden 251 • 8** —33-6*
Reichenhall ... 260 • 5 — 6 • 8
Klagenfurt 212-9 +19-7
Es liegt noch eine ziemlich große Anzahl roher Schät-
zungen der scheinbaren Bewegungsrichtung der Feuer-
kugel nach den sogenannten Weltgegenden vor. Diese geben,
sofern sie zutreffend sind, den scheinbaren Bahnknoten am
Horizont an, welcher selbstverständlich im allgemeinen je nach
der Lage der Beobachtungsorte gegen die Bahn, verschieden
sein wird. Wenn jedoch der Radiant im Horizont liegt, wird die
Richtung für alle Beobachter dieselbe bleiben. In unserem
Falle befand er sich nach der verläßlichen Beobachtung aus
Dresden gewiß in geringer Höhe und daher wird, wenigstens
für die Beobachtungsorte unweit der Horizontalprojektion der
Bahn, annähernd dasselbe gelten.
Man kann die verschiedenen Angaben dann in einem
Mittelwert zusammenfassen, besonders, wenn jene ungefähr
gleichmäßig von beiden Seiten der Bahntrasse herstammen.
Unter 18 geeigneten Schätzungen befinden sich hier 8, in
welchen die Richtung aus Südost, und 10, in welchen sie aus
Süd bezeichnet erscheint, woraus man im Mittel auf Südsüdost
oder etwas genauer auf A =z 340** mit einer mittleren Un-
sicherheit von 5 bis 6* für den Knoten des Bahnvertikals
schließen könnte.
Im Endpunkt gedacht, würde dieser Vertikal zur Fallzeit
durch die Koordinaten:
I: a = 279" 8 = — 21% II: a =: 285** 8 = — 40"
bestimmt sein, welche ich den vorstehenden drei Bahnbogen
mit dem Gewicht 1 beigesellt habe, während Reichenhall und
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 93
Östlicher Länge von Ferro und 48*5' nördl. Breite, 7 Kilometer
Ostnordost von Wasserburg am Inn in Bayern.
Für die Bestimmung der linearen Höhe kann aus dem
vorliegenden Beobachtungsmateriat nur der in Dresden ange-
gebene Höhenwinkel von 4"* 40' maßgebend sein. Da die be-
treffende Entfernung 345 km beträgt, ergibt sich hieraus die
lineare Höhe des Hemmungspunktes über der Erdober-
fläche zu 37-4 km, ein dem durchschnittlichen Betrag für der-
artige (detonierende) Erscheinungen sehr nahe kommender
Wert.
Die Verbesserungen der verwendeten Azimute betragen
1 A (berechnet — beobachtet)
für Dresden OO*
» Reichenhall — 3*3
» Bregenz -h 09
» Klagenfurt -h 8*0
» Weilheim -4-19-7
Der letzteren Angabe liegt nur eine beiläufige und noch dazu
etwas unklare Schätzung zu Grunde.
Unter Voraussetzung, daß die Richtung aus Dresden als
verbesserungsfrei beibehalten wird, sind die mittleren Fehler
der vorhin angegebenen geographischen Koordinaten des End-
punktes in Länge ± 4* 1' oder 5" 1 km und in Breite ±8 6'
öder ±16 km. Die mittlere Genauigkeit der Höhenbestimmung
läßt sich aus dem Ergebnisse nicht beurteilen, da nur ein
Resultat vorliegt.
Scheinbarer Radiationspunkt.
Auf Grund der in Dresden beobachteten scheinbaren Bahn
in der Nähe des Horizonts, welche mit erfreulicher Genauig-
keit festgelegt wurde, kann man mit einer geringeren Anzahl
anderer Beobachtungen, welche gute Einschnitte liefern, das
Auslangen finden. Bei der Dresdener Beobachtung ist die
Bahnneigung abgeschätzt und das Azimut für den Punkt der
ersten Wahrnehmung bezeichnet, woraus sich der Ort ergibt.
Sonst lassen sich nur noch die in Reichen hall und Klagen-
92 G. V. Niessl,
Es Stellt sich unter dieser Voraussetzung dann heraus,
daß derjenige Punkt in dieser Bahn, welcher dem Dresdner
Endpunkt entspricht, aus Klagenfurt in 128*5** Azimut und
14 -5° Höhe zu nehmen wäre. Durch Verbindung beider Be-
obachtungen würde man weiters den End- oder Hemmungs-
punkt über der Gegend von Nußdorf, südlich von Rosen-
heim und Neu-Beuern in Bayern, unweit der Tiroler Grenze,
erhalten.
Im Vergleiche mit den Meldungen aus den viel näher ge-
legenen Orten Reichenhall (6) und Weilheim (4), wie bei-
läufig sie auch lauten, erscheint dieser Punkt jedoch zu weit
südlich, da er von Reichenhall fast genau westlich, statt nord-
westlich, von Weilheim sogar noch südlich von Ost, statt nord-
östlich liegt. Auch die Beobachtung aus Bregenz (14) sowie
besonders jene aus Gerasdorf (22) sprechen für eine mehr
nördliche Lage.
Ich habe daher nebst den früher angeführten Beobach-
tungen aus Dresden und Klagenfurt für den Endpunkt
noch folgende, den dortigen Angaben entsprechende Azimute
in Rechnung gezogen: Weilheim (4) A = 230**, Reichen-
hall (6) >1 = 137-5** und Bregenz (14) A = 260•8^ Die
Beobachtung ausGerasdorf scheint viel mehr die Bewegungs-
richtung anzudeuten als den Endpunkt, denn sie weist wohl
allzuweit nördlich.
Bei der Verbindung dieser Angaben muß man den offen-
bar sehr genauen Bezeichnungen aus Dresden, gegenüber den
übrigen nur beiläufigen, ein unverhältnismäßig größeres Ge-
wicht beilegen, da dort die mittlere Unsicherheit des Azimuts
von 17** 50' mit ± V4** angesetzt erscheint, während diese hin-
sichtlich der andern Beobachtungsorte sicher nicht unter 5*
zu nehmen ist. Also wäre das Gewicht der Dresdner Beob-
achtung 400 mal so groß als für die übrigen zu nehmen. Man
kann das praktisch als gleichbedeutend nehmen mit der
Forderung, daß die in Dresden angegebene Richtung ohne
Änderung, d. h. also, streng genommen, mit dem Gewicht 00
beizubehalten wäre.
Aus der Zusammenfassung dieser Angaben erhielt ich
dann den Hemmungspunkt über der Gegend von 29* 58*5'
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 95
Klagenfurt je das Gewicht 4 erhielten und Dresden mit Ge-
wicht 9 in Rechnung kam. Die letztere Beobachtung kann
nämlich in Bezug auf die Bahnlage nicht als so gewichtig wie
für den Endpunkt gelten, weil für die Bahnlage nur die abge-
schätzte scheinbare Neigung in Verbindung mit dem Endpunkt
und dem Azimut des ersten Punktes in Betracht kommen kann.
Dafi sie wesentlich genauer ist als die andern, liegt dagegen
schon in der Natur der Sache.
Aus diesen vier Bahnbogen ergab sich für den schein-
baren Radianten:
Rektaszension a = 283* ± 2**
Deklination 8 = — 30** db 0-5*
Da nur vier Bahngleichungen zur Verwendung kommen
konnten, ist den beigefügten mittleren Fehleren kein allzu grofies
Gewicht beizulegen ; doch dürfte die Unsicherheit des Resul-
tates schwerlich grofi sein, da die Übereinstimmung der Beob-
achtungen eine recht günstige ist.
Die nötigen Verbesserungen am Punkt I sind nämlich
durchwegs gering. Für Dresden wäre die berechnete Dekli-
nation — 33-2* statt der angenommenen — 33*6** (A 8 = -f-
4-0-4'*) zu setzen;]nReichenhall beträgt die berechnete Höhe
in Süd 36-8* statt 35* (A Ä = -4- 1 -S*); in Klagenfurt ging
das Meteor 3"9* südlich an Arcturus vorbei (A8=: — 3*9*)
und das Azimut der Bahn ergibt die Rechnung zu 339 ' 1 ""
statt 340* {^A = — 0-9').
Aus dem abgeleiteten Radianten ergibt sich für die Bahn-
lage gegen die Erde am Endpunkt und zur Fallzeit, nämlich
A = 339* 1* (wie schon oben bemerkt) und h = 9*0**. Die
Feuerkugel durchschnitt die Atmosphäre der Erde daher in
einer sehr nahe aus SSE gerichteten Bahn, deren Neigung
gegen den Horizont des Endpunktes nur 9"" betrug.
Aufleuchten, Bahnlänge, Geschwindigkeit.
Auch im vorliegenden Falle wurde das Meteor wie gewöhn-
lich von den Beobachtern ungleichzeitig bemerkt und demnach
ein kürzeres oder längeres Bahnstück wahrgenommen. In
98 G. V. Nicssl,
Rede, deren sonst nirgends Erwähnung geschieht, da überall
hervorgehoben wird, daß der Schweif der Kugel folgte.
Die Größe der Feuerkugel (der leuchtenden Sphäre) läßt
sich nach den Angaben aus München (2), wo sie als »kolos-
sal», »fast« der Mondscheibe gleichkommend und aus Haus-
ham (5) »scheinbar dem Monde gleich« bezeichnet wurde, an-
näherungsweise ermitteln. Werden die betreffenden Winkel
(für (2) drei Viertel des scheinbaren Monddurchmessers
genommen) auf die kürzesten Entfernungen bezogen, so liefert
die erste Beobachtung 458 w, die zweite 603 m für den linearen
Durchmesser der Lichtsphäre. Das Mittel wäre also 530 wf, ein
Wert, welcher das Meteor unter die größeren Erscheinungen
dieser Art einreiht. Die Angabe aus Geras dorf (22), aus
welcher man auf einen Durchmesser von 1200 m schließen
müßte, beruht offenbar auf starker Überschätzung.
Für die Länge des Schweifes liegt nur die eine brauch-
bare Schätzung aus Dresden vor. Jene schien dort, wegen
des stumpfen Winkels der Fluglinie gegen die Sehlinie, bis auf
etwa 7*** verkürzt, was einer wirklichen Länge von 3 bis 4 ktHy
d. i. dem Sechs- bis Achtfachen des Kugeldurchmessers ent-
spricht. Wenn in den Berichten (3), (9), (18) und (21) von einem
»langen Schweif« die Rede ist, so ist damit wohl nichts Be-
stimmtes über die Länge gesagt ; aber es mag sein, daß die
rückwärtigen schwächer leuchtenden Partien in Dresden wegen
der großen Entfernung und bei der Trübung in der Nähe des
Horizontes nicht wahrgenommen werden konnten.
Bemerkenswert ist noch die Mitteilung aus Gmünd (27),
daß sich der Schweif erst in der Mitte der Flugbahn ge-
bildet hat und dann immer länger wurde.
Bezüglich der Lichtfarbe der Feuerkugel sind, außer
glänzend weiß, die Nuancen von grün unter den Bezeichnungen
vorherrschend. Seltener findet sich diesmal die bläuliche Farbe
angegeben. Die Farben gelb und rot beziehen sich offenbar
auf späte Stadien. Dafür spricht auch die Aufeinanderfolge beim
^►^ßegebenen Farbenwechsel. »Anfangs weiß, dann blaßblau,
zuletzt rot« (5) und »zuerst weiß, dann gelblich und rot« (23).
Der Schweif wird ausdrücklich als rot (rosa, karmin,
feuerrot) und funkensprühend oder aus Funken gebildet
bezeichnet.
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 99
Die Lichtstärke wird an zwei Orten, Reichenhall (6)
und Innichen (19) durch die Bemerkung charakterisiert, daß
die Umgebung »taghell« beleuchtet war. Die Entfernungen in
gerader Luftlinie von den nächsten Punkten der Meteorbahn
betragen für die beiden Beobachtungsorte 51 km, beziehungs-
weise 86 km. Letztere betrifft aber weit zurückliegende Partien
der Bahn, an welchen die Feuerkugel vermutlich noch nicht
sehr große Lichtstärke entfaltet hatte. Vom Hemmungspunkt
derselben liegt Innichen jedoch 154 Äiw entfernt. Nicht selten
werden ähnliche Lichtwirkungen noch in solchen Entfernungen
hervorgerufen.
In Schönbach (29), welches vom Endpunkt 245 km
entfernt und weit nördlich der Bahn liegt, wurde die Licht-
entfaltung noch mit der Wirkung elektrischer Bogenlampen
verglichen. »Intensives Licht« melden (18) und (21). Klagen-
furt (20) gibt dagegen nur vielfache Lichtstärke Jupiters an
und in Dresden (1) wird das Meteor nur mehr als doppelte
Marsgröße übersteigend, also etwa einer sehr hellen Stern-
schnuppe entsprechend, geschätzt.
Die Helligkeit und Größe wird übrigens in Dresden
intermittierend mit 4 bis 5 Maxima beschrieben und in einer
Skizze dargestellt. Ähnlich klingt die Bemerkung aus Klagen-
furt (20), daß sich zeitweise explosionsartige Erscheinungen
während des Laufes zeigten.
Der atmosphärische Widerstand verursacht eine raschere
Erwärmung der Oberfläche und früheres Aufleuchten der
kleineren Partikel, welche dann oft auch ganz aufgezehrt
werden. Geschieht dies, ehe andere Teile des durch eben diesen
Widerstand in die Länge gezogenen Schwarmes, Teile von
höherer Größenordnung, zum hellen Erglühen gelangen, so
kann eine vorübergehende Herabsetzung der gesamten Licht-
starke für einige Momente eintreten. Dieser Vorgang kann sich
wiederholen, aber man darf dabei nicht etwa an wiederholte
»Explosionen« desselben Körpers denken.
Daß es im vorliegenden Falle auch wieder, wie gewöhn-
lich, ein Schwärm von Körperchen, ein Meteoritenwölkchen
war, welches durch seinen Eintritt in die Atmosphäre die
Erscheinung der Feuerkugel hervorrief, bestätigen die
7*
96 G.v. Niessl,
keiner Beobachtung ist aber der gesehene Bahnbogen sowie
auch die zugehörige Dauer so bestimmt bezeichnet als in
jener des Herrn Prof. Dr. Toepler in Dresden.
Nach dieser Beobachtung wurde das Meteor zuerst be-
merkt, als es sich 62-7 km über der ErdoberHäche in 30 MO- 2*
östlicher Länge v.F. und 46° 50*2' nördlicher Breite befand, d. i.
über einem Punkte der Kärntner Zentralalpen (westlich der
Kreuzeckgruppe), etwa 9 hn nördlich von Oberdrauburg.
Von hier verlief die Bahn etwas westlich an Stall im Mölltal
und ebensoviel östlich an Döllach an der MöU vorbei und
westlich von Zell am See, genau über das Hinterhorn der
Loferer Steinberge, dann über Frauenwörth im Chiem-
see zum Endpunkt.
Die Länge dieses in Dresden wahrgenommenen Bahn-
teiles beträgt 151 km mit einer Unsicherheit, welche kaum
lOVo dieser Größe übersteigen wird. Die zugehörige Dauer
wurde von dem Herrn Prof. Dr. Toepler zu ^ 2' geschätzt.
Obwohl anzunehmen ist, daß diese Angabe einen 3* über-
steigenden Wert ausschließt, wünschte ich doch in Bezug auf
diese sehr wichtige Beobachtung jeden Zweifel zu vermeiden
und bat deshalb Herrn Prof. Toepler um eine nähere Inter-
pretation hinsichtlich der oberen Grenze. Der Genannte war
so freundlich, mir ohne Zögern die bestimmte Aufklärung zu
geben, daß, insofern es sich um einen 2* übersteigenden Wert
handelt, dieser jedenfalls zwischen 2' und 3*, jedoch näher an
2" zu nehmen wäre.
Dieser Feststellung dürfte durch die Annahme von 2 •4"
für die Dauer ungefähr entsprochen sein, woraus sich, in Ver-
bindung mit der Länge von 151 km für die geozentrische.
Geschwindigkeit, der ansehnliche Betrag von 62*9 km^
ergibt.
Es liegt sonst nur noch eine Beobachtung vor, welche
den Anfangspunkt wenigstens ungefähr, aber doch viel
unbestimmter bezeichnet, nämlich jene aus Klagenfurt (20).
Angenommen, daß dort das Meteor wirklich schon in der
Nähe von Arcturus (und zwar nach der verbesserten Bahn,
3 '9** südlicher) erblickt wurde, so befand es sich iii diesem
Moment noch 72*3 *w über der Gegend von Chiusaforte
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 99
Die Lichtstärke wird an zwei Orten, Reichenhall (6)
und Innichen (19) durch die Bemerkung charakterisiert, daß
die Umgebung »taghelle beleuchtet war. Die Entfernungen in
gerader Luftlinie von den nächsten Punkten der Meteorbahn
betragen für die beiden Beobachtungsorte 51 km, beziehungs-
weise 86 km. Letztere betnlTt aber weit zurückliegende Partien
der Bahn, an welchen die Feuerkugel vermutlich noch nicht
sehr große Lichtstärke entfaltet hatte. V^om Hemmungspunkt
derselben liegt Innichen jedoch 154 im entfernt. Nicht selten
werden ähnliche Lichtwirkungen noch in solchen Entfernungen
hervorgerufen.
In Schönbach (29), welches vom Endpunkt 245 km
entfernt und weit nördlich der Bahn liegt, wurde die Licht-
entfaltung noch mit der Wirkung elektrischer Bogenlampen
verglichen. »Intensives Licht« melden (18) und (21). Klagen-
furt (20) gibt dagegen nur vielfache Lichtstärke Jupiters an
und in Dresden (1) wird das Meteor nur mehr als doppelte
Marsgröße übersteigend, also etwa einer sehr hellen Stern-
schnuppe entsprechend, geschätzt.
Die Helligkeit und Größe wird übrigens in Dresden
intermittierend mit 4 bis 5 Maxima beschrieben und in einer
Skizze dargestellt. Ahnlich klingt die Bemerkung aus Klagen-
furt (20), daß sich zeitweise explosionsartige Erscheinungen
während des Laufes zeigten.
Der atmosphärische Widerstand verursacht eine raschere
Erwärmung der Oberfläche und früheres Aufleuchten der
kleineren Partikel, welche dann oft auch ganz aufgezehrt
werden. Geschieht dies, ehe andere Teile des durch eben diesen
Widerstand in die Länge gezogenen Schwarmes, Teile von
höherer Größenordnung, zum hellen Erglühen gelangen, so
kann eine vorübergehende Herabsetzung der gesamten Licht-
stärke für einige Momente eintreten. Dieser Vorgang kann sich
wiederholen, aber man darf dabei nicht etwa an wiederholte
»Explosionen« desselben Körpers denken.
Daß es im vorliegenden Falle auch wieder, wie gewöhn-
lich, ein Schwärm von Körperchen, ein Meteoritenwölkchen
war, welches durch seinen Eintritt in die Atmosphäre die
Erscheinung der Feuerkugel hervorrief, bestätigen die
7*
98 G. V. Niessl,
Rede, deren sonst nirgends Erwähnung geschieht, da überall
hervorgehoben wird, daß der Schweif der Kugel folgte.
Die Größe der Feuerkugel (der leuchtenden Sphäre) läßt
sich nach den Angaben aus München (2), wo sie als »kolos-
sal», »fast« der Mondscheibe gleichkommend und aus Haus-
ham (5) »scheinbar dem Monde gleich« bezeichnet wurde, an-
näherungsweise ermitteln. Werden die betreffenden Winkel
(für (2) drei Viertel des scheinbaren Monddurchmessers
genommen) auf die kürzesten Entfernungen bezogen, so liefert
die erste Beobachtung 458 m, die zweite 603 m für den linearen
Durchmesser der Lichtsphäre. Das Mittel wäre also 530 w, ein
Wert, welcher das Meteor unter die größeren Erscheinungen
dieser Art einreiht. Die Angabe aus Gerasdorf (22), aus
welcher man auf einen Durchmesser von 1200w schließen
müßte, beruht offenbar auf starker Überschätzung.
Für die Länge des Schweifes liegt nur die eine brauch-
bare Schätzung aus Dresden vor. Jene schien dort, wegen
des stumpfen Winkels der Fluglinie gegen die Sehlinie, bis auf
etwa 7^*" verkürzt, was einer wirklichen Länge von 3 bis 4 km,
d. i. dem Sechs- bis Achtfachen des Kugeldurchmessers ent-
spricht. Wenn in den Berichten (3), (9), (18) und (21) von einem
»langen Schweif« die Rede ist, so ist damit wohl nichts Be-
stimmtes über die Länge gesagt ; aber es mag sein, daß die
rückwärtigen schwächer leuchtenden Partien in Dresden wegen
der großen Entfernung und bei der Trübung in der Nähe des
Horizontes nicht wahrgenommen werden konnten.
Bemerkenswert ist noch die Mitteilung aus Gmünd {27),
daß sich der Schweif erst in der Mitte der Flugbahn ge-
bildet hat und dann immer länger wurde.
Bezüglich der Lichtfarbe der Feuerkugel sind, außer
glänzend weiß, die Nuancen von grün unter den Bezeichnungen
vorherrschend. Seltener findet sich diesmal die bläuliche Farbe
angegeben. Die Farben gelb und rot beziehen sich offenbar
auf späte Stadien. Dafür spricht auch die Aufeinanderfolge beim
angegebenen Farben Wechsel. »Anfangs weiß, dann blaßblau,
zuletzt rot« (5) und »zuerst weiß, dann gelblich und rot« (23).
Der Schweif wird ausdrücklich als rot (rosa, karmin,
feuerrot) und funkensprühend oder aus Funken gebildet
bezeichnet.
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 103
Für noch größere Geschwindigkeiten werden die Ände-
rungen immer geringer.
Für die Breiten von Mitteleuropa gehört das Auftreten
eines so weit südlichen Radiationspunktes in am 283 8 = — 30*
zu den Seltenheiten oder, genauer gesagt, dessen Nachweisung
durch Beobachtungen gelingt nicht leicht wegen seines kleinen
Tagbogens und, soweit Sternschuppen in Betracht kommen,
auch wegen der geringen Erhebung über den Horizont.
Unter den von Schmidt * aus den Beobachtungen in
Athen abgeleiteten Sternschnuppenradianten befinden sich zwei,
welche mit dem unserer Feuerkugel zu vergleichen wären,
nämlich :
Für Juli 20. — 31 283" — 27**
> August 3.— 31 286" —26"
Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges ist hier in
der Tat nicht gering. Es könnte auffallen, daß, ungeachtet
des Intervalls der Fallepochen von etwa zwei Monaten, die
Koordinaten aller drei Punkte um kaum mehr voneinander
abweichen, als die in der Natur der Sache liegende Unsicher-
heit ihrer Ermittlung voraussetzen läßt. Allein, dies ist völlig
begründet und spricht eben für die Zusammengehörigkeit;
denn bei der Beziehung zur Knotenlänge, welche hier besteht,
ist in der Tat die tägliche Verschiebung des Radianten ganz
besonders gering, wenn die heliozentrische Geschwindigkeit
wesentlich über die parabolische hinausgeht, was wenigstens
für das Meteor vom 29. Juni 1905 außer Zweifel gestellt ist.
Man kann z. B. ohne Schwierigkeiten ^ finden, daß für die
Geschwindigkeit t; = 2 • 5, welche nur wenig größer ist als die
oben nachgewiesene, die Veränderungen eines Radianten in
dieser Lage von Ende Juni bis Ende Juli sowohl in Länge als
in Breite nur wenig mehr als 1 " und von Ende Juni bis Ende
August nicht ganz 3" betragen. Diese wirklichen Veränderungen
1 Siehe auch Denn in g, General-Katalog p. 274, Nr. 221, unter x Sa-
gittarids.
* Siehe meine in der Fußnote der vorhergehenden Abhandlung p. 79,
zitierten »Theoretischen Untersuchungen« etc.
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102 G.v. Niessl,
Geschwindigkeit der Einfluß der Erdschwere (die sogenannte
Zenitattraktion) weit innerhalb der Fehlergrenzen liegt Auf die
Ekliptik bezogen, erhält man die Länge X = 281-3'' und die
Breite ß=: — 7- r.
Die Sonnenlänge betrug zur Fallzeit 97*4** und dies ist
zugleich auch die Länge des aufsteigenden Knotens der Meteor-
bahn auf der Ekliptik. Daraus folgt ferner, daß die schein-
bare Elongation des Radianten vom Apex der Erdbewegung
86" betrug.
Alles Weitere ist nun von der Annahme für die geozen-
trische Geschwindigkeit abhängig. Läßt man für diese den
abgeleiteten Wert Q2'9km gelten, so erhält man hieraus leicht
die heliozentrische Geschwindigkeit zu 67*8 *w oder
2-29 in der bekannten Einheit. Die reelle Halbachse der betref-
fenden Hyperbel a = — 0-39, die Neigung der Bahn gegen die
Ekliptik I = 17 • 4^ rechtläufig.
Die übrigen Elemente sind hier ohne Belang. Wichtig zur
Vergleichung mit andern Fällen ist dagegen die Bestimmung
der Koordinaten desjenigen Punktes, welcher die Richtung
bezeichnet, in der diese Meteoriten aus dem Weltraum in das
Sonnensystem gelangt sind.
Unter Voraussetzung der früher abgeleiteten Geschwin-
digkeit würde man diesen kosmischen Ausgangspunkt,
bezogen auf die Ekliptik, in 252-8" Länge und 7-4" süd-
licher Breite finden. Dieses Ergebnis wird stark durch die
Annahme für die Geschwindigkeit beeinflußt. Obwohl die wirk-
liche Geschwindigkeit, mit Rücksicht auf die Verminderung in
der Atmosphäre, eher größer als kleiner gegenüber der hier
gefundenen anzunehmen ist, gebe ich die entsprechenden
Koordinaten des Ausgangspunktes im nachstehenden auch für
geringere Geschwindigkeiten, bis zur parabolischen herab:
Angenommene Heliozentrische Koordinaten des
heliozentrische kosmischen Ausgangspunktes
Geschwindigkeit ^
V Länge Brette
n/2 (Parabel) 194-5^ — S'O*
2-0 246-6 -7-5
2-5 255-6 —7-3
Bahn der Meteore vom 19. JHnner und 29. Juni 1905. 103
Für noch größere Geschwindigkeiten werden die Ände-
rungen immer geringer.
Für die Breiten von Mitteleuropa gehört das Auftreten
eines so weit südlichen Radiationspunktes in a=: 283 8 = — 30**
zu den Seltenheiten oder, genauer gesagt, dessen Nachweisung
durch Beobachtungen gelingt nicht leicht wegen seines kleinen
Tagbogens und, soweit Sternschuppen in Betracht kommen,
auch wegen der geringen Erhebung über den Horizont.
Unter den von Schmidt ^ aus den Beobachtungen in
Athen abgeleiteten Sternschnuppenradianten befinden sich zwei,
welche mit dem unserer Feuerkugel zu vergleichen wären,
nämlich :
Für Juli 20. — 31 283" — 27**
» Augusts.— 31 286'' —26**
Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges ist hier in
der Tat nicht gering. Es könnte auffallen, daß, ungeachtet
des Intervalls der Fallepochen von etwa zwei Monaten, die
Koordinaten aller drei Punkte um kaum mehr voneinander
abweichen, als die in der Natur der Sache liegende Unsicher-
heit ihrer Ermittlung voraussetzen läßt. Allein, dies ist völlig
begründet und spricht eben für die Zusammengehörigkeit ;
denn bei der Beziehung zur Knotenlänge, welche hier besteht,
ist in der Tat die tägliche Verschiebung des Radianten ganz
besonders gering, wenn die heliozentrische Geschwindigkeit
wesentlich über die parabolische hinausgeht, was wenigstens
für das Meteor vom 29. Juni 1905 außer Zweifel gestellt ist.
Man kann z. B. ohne Schwierigkeiten ^ finden, daß für die
Geschwindigkeit i; = 2 • 5, welche nur wenig größer ist als die
oben nachgewiesene, die Veränderungen eines Radianten in
dieser Lage von Ende Juni bis Ende Juli sowohl in Länge als
in Breite nur wenig mehr als 1 ° und von Ende Juni bis Ende
August nicht ganz 3** betragen. Diese wirklichen Veränderungen
J Siehe auch Denning, General-Katalog p. 274, Nr. 321, unter x Sa-
gittarids.
2 Siehe meine in der Fußnote der vorhergehenden Abhandlung p. 79,
zitierten »Theoretischen Untersuchungen« etc.
;104 G.v. Niessl,
sind also so klein, daß sie von den unvermeidlichen Fehlern
tatsächlich verdeckt werden können.
Ob die Zusammengehörigkeit dieser Radianten, welche in
drei sehr verschiedenen Epochen durch Beobachtungen nach-
gewiesen wurden, wahrscheinlich sei, auch wenn man die vor-
hin für die Feuerkugel vom 29. Juni 1906 abgeleitete große
Geschwindigkeit nicht berücksichtigt, zeigt der Hauptsache
nach schon nachstehendes vorläufiges Verfahren.
Für die früher angenommenen drei Geschwindigkeits-
hypothesen V = \/2, i; zi: 2*0 und i; zz 2-5 woirden Länge ß)
und Breite (h) der kosmischen Ausgangspunkte auch hinsicht-
lich der beiden oben angeführten Schmidt'schen Radianten
ganz so berechnet wie für unsere Feuerkugel. Man begegnet
dabei freilich, wie fast in allen Fällen, wo man Sternschnuppen-
radianten aus den Verzeichnissen benützt, der Schwierigkeit,
daß man hiezu die Sonnenlänge der wirklichen Fallepoche
benötigt, während in jenen Katalogen fast immer eine längere
Dauer des Radianten mit konstanten Koordinaten angeführt
erscheint. Mangeln also andere Angaben, so muß man sich
eben damit begnügen, die Sonnenlänge für das mittlere Datum
dieses längeren Intervalls zu benützen. Dies wird um so mehr
zulässig sein, je geringer die tägliche Verschiebung des Radi-
anten ist. Ich habe daher für Juli 20. bis 31. die Sonnenlänge für
Juli 25-5 und für August 3. bis 31. jene für August mit 17'0
angenommen.
Die nachstehende Übersicht der so berechneten eklip-
tischen Koordinaten des kosmischen Ausgangspunktes, in
welche ich zur bequemeren Vergleichung auch die oben mit-
geteilten Resultate für die Feuerkugel vom 29. Juni 1906 auf-
nommen habe, bedarf hienach wohl keiner weiteren Erklärung.
v= vT t;=2'0 v = 2-5
« ^ ■> » ' ^ »» * ■■■■ -Ol I ■ »
Epoche: l b l b l b
Juni 29 194-5**-8-0** 246*6 —7-5 255-6 —6-3**
Juli25-5 178-0— 2-1 244*9 — 2-7 255-2—3.4
August 17-0.. 178-8 —0-8 250-0 —2-1 260-4-1-6
Mittel 183-8-3-6 247*2 -4-1 257-1—4-1
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905.
105
Um zu zeigen, in welcher Weise die beobachteten
Radianten durch jede der drei Geschwindigkeiten auf einen
gemeinsamen Ausgangspunkt zurückgeführt und wie genau
demnach die Beobachtungen durch eine dieser Annahmen
dargestellt werden können, genügt es zunächst, unter Annahme
eines Mittelwertes für / und b mit jeder der drei Geschwindig-
keitshypothesen und für die drei Epochen (Sonnenlängen) die
Koordinaten (X, ß) der scheinbaren Radianten zu berechnen
und mit den Beobachtungen zu vergleichen.
Die folgenden Zusammenstellungen werden dies er-
möglichen.
I. Hypothese: v = \/2.
Ausgangspunkt: / = 183-8% & = — 3-6**.
Scheinbare Radianten:
Epoche
Berechnet
Beobachtet
Ber. — Beob.
X
ß
X
ß
AX
Aß
Juni 29
Juli 25-5
August 17-0 .
274?9
285-9
294-9
- 3?8
— 6-6
—13-1
281^3
281-6
284-4
— 7?1
—4-1
-3-4
— 6?4
-4- 4-3
-MO-1
-|-3?3
—2-5
—9-7
[(AX . cos ß)2 -h (Ap)«] = 265-19.
IL Hypothese: v z=z 2-0.
Ausgangspunkt: /=247-2*&=— 4**1.
Scheinbarer Radiant:
1
Epoche
Berechnet
Beobachtet
Ber. — Beob.
X
ß
X
P
AX
AP
Juni 29
Juli 25 '5 .. . .
August 17-0 .
281 ?7
284-0
281-2
-491
—4-7
—7-2
281?3
281-6
284-4
— 7?1
-4-1
—3-4
H-0?3
-f-2-4
—3-2
O CD 00
CO O CO
+ 1
[(AX . cos ß)a + (Aß)«] = 48 • 50.
94 G.v. Niessl,
furt angegebenen Bahnbogen verwerten, wobei als zweiter
Punkt der berechnete scheinbare Ort des ausgemittelten End-
punktes gesetzt wurde. Man erhält auf diese Weise folgende
drei scheinbare Bahnen:
I
II
Dresden
Reichenhall . .
.251-8" 33-6»
.260-5 6-8
a
238-9'
163-4
8
32- 2*
+52-3
Klagenfurt 212-9 +197 139-6 +37-6
Es liegt noch eine ziemlich große Anzahl roher Schät-
zungen der scheinbaren Bewegungsrichtung der Feuer-
kugel nach den sogenannten Weltgegenden vor. Diese g:eben,
sofern sie zutreffend sind, den scheinbaren Bahnknoten am
Horizont an, welcher selbstverständlich im allgemeinen je nach
der Lage der Beobachtungsorte gegen die Bahn, verschieden
sein wird. Wenn jedoch der Radiant im Horizont liegt, wird die
Richtung für alle Beobachter dieselbe bleiben. In unserem
Falle befand er sich nach der verläßlichen Beobachtung aus
Dresden gewiß in geringer Höhe und daher wird, wenigstens
für die Beobachtungsorte unweit der Horizontalprojektion der
Bahn, annähernd dasselbe gelten.
Man kann die verschiedenen Angaben dann in einem
Mittelwert zusammenfassen, besonders, wenn jene ungefähr
gleichmäßig von beiden Seiten der Bahntrasse herstammen.
Unter 18 geeigneten Schätzungen befinden sich hier 8, in
welchen die Richtung aus Südost, und 10, in welchen sie aus
Süd bezeichnet erscheint, woraus man im Mittel auf Südsüdost
oder etwas genauer auf A =. 340** mit einer mittleren Un-
sicherheit von 5 bis 6 • für den Knoten des Bahnvertikals
schließen könnte.
Im Endpunkt gedacht, würde dieser Vertikal zur Fallzeit
durch die Koordinaten:
I: a = 279" 8 = — 21% II: a = 285** 8 = — 40"
bestimmt sein^ welche ich den vorstehenden drei Bahnbogen
mit dem Gewicht 1 beigesellt habe, während Reichenhall und
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905.
105
Um zu zeigen, in welcher Weise die beobachteten
Radianten durch jede der drei Geschwindigkeiten auf einen
gemeinsamen Ausgangspunkt zurückgeführt und wie genau
demnach die Beobachtungen durch eine dieser Annahmen
dargestellt werden können, genügt es zunächst, unter Annahme
eines Mittelwertes für / und b mit jeder der drei Geschwindig-
keitshypothesen und für die drei Epochen (Sonnenlängen) die
Koordinaten (X, ß) der scheinbaren Radianten zu berechnen
und mit den Beobachtungen zu vergleichen.
Die folgenden Zusammenstellungen werden dies er-
möglichen.
I. Hypothese: v = \/2.
Ausgangspunkt: /= 183-8% b= — 3•6^
Scheinbare Radianten:
Epoche
Berechnet
Beobachtet
Ber. — Beob.
X
?
X
ß
AX
Aß
Juni 29
Juli 25 * 5 ... .
August 17-0 .
274?9
285-9
294-9
— 3?8
— 6-6
— 131
281?3
281-6
284-4
— 7?1
—4-1
-3-4
— 6?4
-H 4-3
+ 10-1
-+-3^3
—2-5
—9-7
[(AX . cos ß)2 4- (Aß)«] = 265-19.
IL Hypothese: v zu 2-0.
Ausgangspunkt: / 1= 247-2** b= — 4^*1
Scheinbarer Radiant:
1
Epoche
Berechnet
Beobachtet
Ber. — Beob.
X
P
X
P
AX
Aß
1 Juni 29
. Juli 25*5 . . . .
1
, August 17 0 .
281?7
284-0
281-2
-491
—4-7
—7-2
281?3
281-6
284-4
—791
—4-1
—3-4
H-093
-f-2-4
-3-2
O CD 00
CO O CO
+ 1 1
[(AX . cos ß)» + (Aß)«] = 48-50.
94 G. V. Niessl,
furt angegebenen Bahnbogen verwerten, wobei als zweiter
Punkt der berechnete scheinbare Ort des ausgemittelten End-
punktes gesetzt wurde. Man erhält auf diese Weise folgende
drei scheinbare Bahnen:
I
11
Dresden
Reichenhall . ,
Klagenfurt. .
a 8
..251-8° 33-6"
..260-5 6-8
..212-9 +19-7
a
238-9-
163-4
139-6
i
32-2''
+52-3
+37-6
Es liegt noch eine ziemlich große Anzahl roher Schät-
zungen der scheinbaren Bewegungsrichtung der Feuer-
kugel nach den sogenannten Weltgegenden vor. Diese geben,
sofern sie zutreffend sind, den scheinbaren Bahnknoten am
Horizont an, welcher selbstverständlich im allgemeinen je nach
der Lage der Beobachtungsorte gegen die Bahn, verschieden
sein wird. Wenn jedoch der Radiant im Horizont liegt, wird die
Richtung für alle Beobachter dieselbe bleiben. In unserem
Falle befand er sich nach der verläßlichen Beobachtung aus
Dresden gewiß in geringer Höhe und daher wird, wenigstens
für die Beobachtungsorte unweit der Horizontalprojektion der
Bahn, annähernd dasselbe gelten.
Man kann die verschiedenen Angaben dann in einem
Mittelwert zusammenfassen, besonders, wenn jene ungefähr
gleichmäßig von beiden Seiten der Bahntrasse herstammen.
Unter 18 geeigneten Schätzungen befinden sich hier 8, in
welchen die Richtung aus Südost, und 10, in welchen sie aus
Süd bezeichnet erscheint, woraus man im Mittel auf Südsüdost
oder etwas genauer auf A =z 340® mit einer mittleren Un-
sicherheit von 5 bis 6* für den Knoten des Bahnvertikals
schließen könnte.
Im Endpunkt gedacht, würde dieser Vertikal zur Fallzeit
durch die Koordinaten:
I: a = 279** Z = — 21% II: a =: 285** 8 = — 40**
bestimmt sein, welche ich den vorstehenden drei Bahnbogen
mit dem Gewicht 1 beigesellt habe, während Reichenhall und
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 107
wenn man die geringe Anzahl der für die Ableitung benützten
Sternschnuppenbahnen berücksichtigt.
Da in dieser Lage die südliche Deklination bei wachsender
Rektaszension gegen Süden hin mit der Sonnenlänge zunehmen
mußte, so würde ein zu diesem in einer nächstfolgenden
Epoche, z. B. im Juli oder August, gehöriger Radiant noch
weiter südlich liegen. In der Tat findet sich unter den
wenigen bekannten Strahlungspunkten dieser Gegend ein sol-
cher für »Juli« in a = 284* 8 1= ~ 40** unter den von Heis
aus den Beobachtungen von Neumeyer in Melbourn reduzierten
Stemschnuppenradianten und dieser stimmt mit dem vorhin an-
geführten Denning'schen Radianten für die Hypothese v =z 2'5
in Bezug auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt geradezu
überraschend gut überein.
Die Koordinaten des erwähnten Radianten von Denning
sind in Bezug auf die Ekliptik X = 276-7** ß =z — 11 -7°, jene
des andern von Heis X = 281-2** ß = — 17•2^ Nimmt man
für die Angabe Mai 26. bis Juni 13. die Sonnenlänge von
Juni 4. für den zweiten Radianten, wie früher aber jene von
Juli 25 '5, weil bekanntlich die größere Zahl der Sternschnuppen-
beobachtungen zumeist in die letzten Wochen des Monats
Juli fallt, so findet man durch Rechnung, daß für die bezeichnete
Geschwindigkeit die Verschiebung in Länge: -f- 4*8** und jene
in Breite: — 5'3® betragen müßte. Nach dieser Rechnung
müßte daher der Denning'sche Radiant in der zweiten Hälfte
Juli nach X = 281 -5** ß = — 17-0** gelangt sein, welche Koor-
dinaten sich von denen des Heis'schen nur um AX r= 4-0*3**,
A? = -4- 0*2** unterscheiden; in der Tat eine merkwürdige
Übereinstimmung. Der beiden zugehörige Ausgangspunkt wäre
dann in 254*7* Länge und 14*2** südlicher Breite zu nehmen.
96 G. V. Niessl,
keiner Beobachtung ist aber der gesehene Bahnbogen sowie
auch die zugehörige Dauer so bestimmt bezeichnet als in
jener des Herrn Prof. Dr. Toepler in Dresden.
Nach dieser Beobachtung wurde das Meteor zuerst be-
merkt, als es sich 62 • 7 km über der Erdoberfläche in 30* 40* 2 *
östlicher Länge v.F. und 46 "* 50-2' nördlicher Breite befand, d. i.
über einem Punkte der Kärntner Zentralalpen (westlich der
Kreuzeckgruppe), etwa 9 km nördlich von Oberdrauburg.
Von hier verlief die Bahn etwas westlich an Stall im Mölltal
und ebensoviel östlich an Doli ach an der MöU vorbei und
westlich von Zell am See, genau über das Hinterhorn der
Loferer Steinberge, dann über Frauenwörth im Chiem-
see zum Endpunkt.
Die Länge dieses in Dresden wahrgenommenen Bahn-
teiles beträgt 151 km mit einer Unsicherheit, welche kaum
lOVo dieser Größe übersteigen wird. Die zugehörige Dauer
wurde von dem Herrn Prof. Dr. Toepler zu ^ 2* geschätzt
Obwohl anzunehmen ist, daß diese Angabe einen 3* über-
steigenden Wert ausschließt, wünsphte ich doch in Bezug auf
diese sehr wichtige Beobachtung jeden Zweifel zu vermeiden
und bat deshalb Herrn Prof. Toepler um eine nähere Inter-
pretation hinsichtlich der oberen Grenze. Der Genannte war
so freundlich, mir ohne Zögern die -bestimmte Aufklärung zu
geben, daß, insofern es sich um einen 2* übersteigenden Wert
handelt, dieser jedenfalls zwischen 2* und 3*, jedoch näher an
2" zu nehmen wäre.
Dieser Feststellung dürfte durch die Annahme von 2 •4'
für die Dauer ungefähr entsprochen sein, woraus sich, in Ver-
bindung mit der Länge van 151 km für die geozentrische.
Geschwindigkeit, der ansehnliche Betrag von 62*9 *w
ergibt.
Es liegt sonst nur noch eine Beobachtung vor, welche
den Anfangspunkt wenigstens ungefähr, aber doch viel
unbestimmter bezeichnet, nämlich jene aus Klagenfurt (20).
Angenommen, daß dort das Meteor wirklich schon in der
Nähe von Arcturus (und zwar nach der verbesserten Bahn,
3-9* südlicher) erblickt wurde, so befand es sich in diesem
Moment noch 72' 3 km über der Gegend von Chiusaförte
109
Ober das Uran X und die Absorption seiner
a-Strahlung
von
Dr. V. F. Hess.
Aus dem II. physikalischen Institute der Universität in Wien.
(Mit 8 Teztfiguren.)
(Vorgelei^t in der Sitzung vom 10. Jänner 1907.)
L Ober Trennungen des üraniums X von Uran.
Die vielen Unvollkommenheiten, welche den Methoden zur
Trennung des Uran X vom Uran anhafteten, haben in letzter
Zeit einige Forscher bewogen, neue Abscheidungsmethoden
auszusinnen. Levin^ hat in sehr eingehender Weise durch
Ausprobieren aller möglichen Fällungsmethoden des Urans aus
Uranlösungen dargelegt, daß in allen Fällen das Uran mit dem
Uran X im radioaktiven Gleichgewichte ausfällt. Die Beob-
achtung BecquereTs,^ daS Baryumsulfat aus einer Uranlösung
das Uran X mitreißt, fand er bestätigt; er zeigte, daß Calcium-
sulfat dieselbe Eigenschaft hat. Diese Methoden liefern jedoch
das Uran X vermengt mit einer übermäßigen Menge Baryum-
sulfat oder Calciumsulfat.
Levin gibt femerzweisehrgeeignete Methoden an, nämlich
Adsorption das Uran X in kochender Uranlösung durch Ruß
oder Tierkohle. Diese Methoden haben den Vorteil, daß nach
der Veraschung die Menge der aktiven Kohle, respektive des
Rußes eine äußerst geringe ist, weshalb man leicht eine größere
» Levin, Phys. Zeit, 7, Nr. 20 (15. Oktober 1906).
« Becqucrel, C. R., 131, 157 (1900).
98 G. V. Niessl,
Rede, deren sonst nirgends Erwähnung geschieht, da überall
hervorgehoben wird, daß der Schweif der Kugel folgte.
Die Größe der Feuerkugel (der leuchtenden Sphäre) läßt
sich nach den Angaben aus München (2), wo sie als »kolos-
sal», »fast« der Mondscheibe gleichkommend und aus Haus-
ham (5) »scheinbar dem Monde gleich« bezeichnet wurde, an-
näherungsweise ermitteln. Werden die betreffenden Winkel
(für (2) drei Viertel des scheinbaren Monddurchmessers
genommen) auf die kürzesten Entfernungen bezogen, so liefert
die erste Beobachtung 458 m, die zweite 603 m für den linearen
Durchmesser der Lichtsphäre. Das Mittel wäre also 530 wf, ein
Wert, welcher das Meteor unter die größeren Erscheinungen
dieser Art einreiht. Die Angabe aus Gerasdorf (22), aus
welcher man auf einen Durchmesser von 1200fw schließen
müßte, beruht offenbar auf starker Überschätzung.
Für die Länge des Schweifes liegt nur die eine brauch-
bare Schätzung aus Dresden vor. Jene schien dort, wegen
des stumpfen Winkels der Fluglinie gegen die Sehlinie, bis auf
etwa V*** verkürzt, was einer wirklichen Länge von 3 bis 4 km,
d. i. dem Sechs- bis Achtfachen des Kugeldurchmessers ent-
spricht. Wenn in den Berichten (3), (9), (18) und (21) von einem
»langen Schweif« die Rede ist, so ist damit wohl nichts Be-
stimmtes über die Länge gesagt ; aber es mag sein, daß die
rückwärtigen schwächer leuchtenden Partien in Dresden wegen
der großen Entfernung und bei der Trübung in der Nähe des
Horizontes nicht wahrgenommen werden konnten.
Bemerkenswert ist noch die Mitteilung aus Gmünd (27),
daß sich der Schweif erst in der Mitte der Flugbahn ge-
bildet hat und dann immer länger wurde.
Bezüglich der Lichtfarbe der Feuerkugel sind, außer
glänzend weiß, die Nuancen von grün unter den Bezeichnungen
vorherrschend. Seltener findet sich diesmal die bläuliche Farbe
angegeben. Die Farben gelb und rot beziehen sich offenbar
auf späte Stadien. Dafür spricht auch die Aufeinanderfolge beim
angegebenen Farbenwechsel. »Anfangs weiß, dann blaßblau,
zuletzt rot« (5) und »zuerst weiß, dann gelblich und rot« (23).
Der Schweif wird ausdrücklich als rot (rosa, karmin,
feuerrot) und funkensprühend oder aus Funken gebildet
bezeichnet.
Bahn der Meteore vom 10. Jänner und 29. Juni 1905. 99
Die Lichtstärke wird an zwei Orten, Reichenhall (6)
und Innichen (19) durch die Bemerkung charakterisiert, daß
die Umgebung »taghell« beleuchtet war. Die Entfernungen in
gerader Luftlinie von den nächsten Punkten der Meteorbahn
betragen für die beiden Beobachtungsorte 51 km, beziehungs-
weise 86 km. Letztere betrifft aber weit zurückliegende Partien
der Bahn, an welchen die Feuerkugel vermutlich noch nicht
sehr große Lichtstärke entfaltet hatte. Vom Hemmungspunkt
derselben liegt Innichen jedoch 154 few entfernt. Nicht selten
werden ähnliche Lichtwirkungen noch in solchen Entfernungen
hervorgerufen.
In Schönbach (29), welches vom Endpunkt 245 km
entfernt und weit nördlich der Bahn liegt, wurde die Licht-
entfaltung noch mit der Wirkung elektrischer Bogenlampen
verglichen. »Intensives Licht« melden (18) und (21). Klagen-
furt (20) gibt dagegen nur vielfache Lichtstärke Jupiters an
und in Dresden (1) wird das Meteor nur mehr als doppelte
Marsgröße übersteigend, also etwa einer sehr hellen Stern-
schnuppe entsprechend, geschätzt.
Die Helligkeit und Größe wird übrigens in Dresden
intermittierend mit 4 bis 5 Maxima beschrieben und in einer
Skizze dargestellt. Ahnlich klingt die Bemerkung aus Klagen-
furt (20), daß sich zeitweise explosionsartige Erscheinungen
während des Laufes zeigten.
Der atmosphärische Widerstand verursacht eine raschere
Erwärmung der Oberfläche und früheres Aufleuchten der
kleineren Partikel, welche dann oft auch ganz aufgezehrt
werden. Geschieht dies, ehe andere Teile des durch eben diesen
Widerstand in die Länge gezogenen Schwarmes, Teile von
höherer Größenordnung, zum hellen Erglühen gelangen, so
kann eine vorübergehende Herabsetzung der gesamten Licht-
stärke für einige Momente eintreten. Dieser Vorgang kann sich
wiederholen, aber man darf dabei nicht etwa an wiederholte
»Explosionen« desselben Körpers denken.
Daß es im vorliegenden Falle auch wieder, wie gewöhn-
lich, ein Schwärm von Körperchen, ein Meteoritenwölkchen
war, welches durch seinen Eintritt in die Atmosphäre die
Erscheinung der Feuerkugel hervorrief, bestätigen die
7*
100 G.v. Niessl,
Beobachtungen über die Teilung und die Absonderung von
Massen in der Bahn.
Nur quantitativ verschieden sind in dieser Hinsicht die
Berichte (3), (5), (9) und (13), in welchen die schließliche
Teilung in 2 bis 5 Stücke erwähnt wird. Wenn aus Hausham
(5) mitgeteilt wird, daß dies auf halbem Weg geschah, so ist
zu berücksichtigen, daß an diesem dem Hemmungspunkt
nahen Beobachtungsort wohl nur der letzte Bahnteil aufgefaßt
wurde.
In (6) heißt es, daß die Feuerkugel sich in »10 bis 12
Lichtstrahlen teilte«, in (12), daß, als sie » explodierte €, Strahlen
und Sterne fächerförmig ausgestreut wurden. Genauer bezeich-
net ist dies durch die Nachricht in (15), daß »die Teile in der
Richtung der bisherigen Flugbahn« angeordnet wären. In (10)
wird gemeldet, daß die Kugel Teile von sich abstieß. Die Nach-
richt aus Wien (24), daß (vermutlich gegen das Ende) »rot-
glühende Leuchtkugeln einem Lichtkerne entsprühten«, ist eine
der wenigen aus so großer Entfernung, in welchen noch von
solchen Einzelheiten die Rede ist.
Die Beobachtungen aus Gmünd (27), Pohrlitz (28) und
Schönbach (29) enthalten keine Andeutungen über Teilung
oder Explosion, obwohl die Beschreibung des Phänomens in
der ersten Beobachtung sehr charakteristisch ist. Gerasdorf
(22) berichtet, daß das Meteor sich auflöste, indem es immer
kleiner wurde. Herr Prof. Dr. Toeplerin Dresden (1) gibt
in seiner genauen Schilderung an: »Erlöschen ohne besonders
helles Aufleuchten, kein Zerplatzen« und auch im Bericht aus
Klagen fürt (20) heißt es: »die Erscheinung verschwand
ohne Schlußexplosion«.
So bedeutend sind die Abstufungen, welche durch die
Entfernung, durch die Lage in der Nähe des Horizonts und
andere Umstände in ein und derselben Erscheinung hervor-
gerufen werden können, daß man in minder sichergestellten
Fällen leicht versucht wäre zu bezweifeln, ob sich die Beobach-
tungen auf dasselbe Objekt beziehen.
Nach dem Erlöschen der Feuerkugel wurden in Haus-
ham (5) Detonationen vernommen, worüber vorne Näheres
angeführt ist. Es liegt wenigstens kein Grund vor, am
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 101
Zusammenhang der dort erwähnten Schallwahrnehmungen mit
der Erscheinung zu zweifeln. Allerdings ist das angegebene
Intervall von 4 bis 5 Minuten zwischen Licht und Schall etwas
zu groß. Für die Entfernung des Hemmungspunktes von rund
62 km konnte es etwas über drei Minuten betragen haben. Da
aber der Beobachter die Dauer der Lichterscheinung mit 20*
ganz gewaltig überschätzt hat, mag Ähnliches in viel geringerem
Maße auch bei diesem Intervall vorgekommen sein.
Allerdings lag der Hemmungspunkt von München (2)
und Reichenhall (6) fast genau ebensoweit entfernt als von
Hausham. Aus diesen beiden Orten wird jedoch über Schall-
wahrnehmungen nichts berichtet; allein in solchen Fällen sind
bestimmte positive Angaben, welche nach den Nebenumständen
den Charakter innerer Wahrscheinlichkeit besitzen, gewichtiger
als Berichte, in welchen solche fehlen. Nach den Schilderungen
aus Hausham waren übrigens diese Detonationen auch dort
nicht sehr heftig zu vernehmen und sie konnten daher an
andern Orten wohl unbemerkt geblieben oder wegen des
langen Intervalls nicht auf die Meteorerscheinung bezogen
worden sein.*
Kosmische Verhältnisse.
Die oben abgeleiteten Koordinaten des scheinbaren Radi-
anten a = 283** 8 =: — 30** werden zunächst unverändert bei-
behalten, weil bei der nachgewiesenen großen geozentrischen
1 Ein recht lehrreiches Beispiel für die Anführung von Sinneswahr-
nehmimgen, welche entweder gar nicht gemacht wurden oder doch außer Zu-
sammenhang mit der Erscheinung standen, findet man aus Bregenz (14), von
wo der Endpunkt nicht weniger als 196 km entfernt lag. Durch die Ähnlichkeit
mit Feuen^'^erkskörpem getäuscht und offenbar ganz ohne Erfahrung über die
stets sehr bedeutende Entfernung solcher Lichtquellen, dachte der Beobachter
wahrscheinlich, daß es dabei ohne gleichzeitiges »Zischen und Prasseln«
nicht abgehen könne, nahm vermutlich an, daß er dies überhört hatte und ver-
vollständigte seine Beobachtung durch eine ihm notwendig scheinende Er-
gänzung, wobei dann auch noch der »donnerartige Knall«, unter welchem die
Erscheinung verschwand, hinzukam. Die meisten solcher Berichte, denen jede
tatsächliche Grundlage gänzlich fehlt, an welchen es aber dennoch in keinem
größeren Material mangelt, dürften wahrscheinlich in ähnlicher Weise, ohne
Absicht irrezuführen, entstehen.
t
102 G.v. Niessl,
4
Geschwindigkeit der Einfluß der Erdschwere (die sogenannte
Zenitattraktion) weit innerhalb der Fehlergrenzen liegt. Auf die
Ekliptik bezogen, erhält man die Länge X = 281"3** und die
Breite ß = — 7•l^
Die Sonnenlänge betrug zur Fallzelt 97-4* und dies ist
zugleich auch die Länge des aufsteigenden Knotens der Meteor-
bahn auf der Ekliptik. Daraus folgt ferner, daß die schein-
bare Elongation des Radianten vom Apex der Erdbewegung
86 • betrug.
Alles Weitere ist nun von der Annahme für die geozen-
trische Geschwindigkeit abhängig. Läßt man für diese den
abgeleiteten Wert 62 '9 km gelten, so erhält man hieraus leicht
die heliozentrische Geschwindigkeit zu 67-8 km oder
2 • 29 in der bekannten Einheit. Die reelle Halbachse der betref-
fenden Hyperbel a = — 0-39, die Neigung der Bahn gegen die
Ekliptik i= 17 • 4° ; rechtläufig.
Die übrigen Elemente sind hier ohne Belang. Wichtig zur
Vergleichung mit andern Fällen ist dagegen die Bestimmung
der Koordinaten desjenigen Punktes, welcher die Richtung
bezeichnet, in der diese Meteoriten aus dem Weltraum in das
Sonnensystem gelangt sind.
Unter Voraussetzung der früher abgeleiteten Geschwin-
digkeit würde man diesen kosmischen Ausgangspunkt,
bezogen auf die Ekliptik, in 252*8** Länge und 7-4* süd-
licher Breite finden. Dieses Ergebnis wird stark durch die
Annahme für die Geschwindigkeit beeinflußt Obwohl die wirk-
liche Geschwindigkeit, mit Rücksicht auf die Verminderung in
der Atmosphäre, eher größer als kleiner gegenüber der hier
gefundenen anzunehmen ist, gebe ich die entsprechenden
Koordinaten des Ausgangspunktes im nachstehenden auch für
geringere Geschwindigkeiten, bis zur parabolischen herab:
Angenommene Heliozentrische Koordinaten des
heliozentrische kosmischen Ausgangspunktes
Geschwindigkeit ^
V Länge Brette
\/2 (Parabel) 194-5'* — 80*
20 246-6 —7-5
2-5 255-6 —7-3
Bahn der Meteore vom 19. Jänner und 29. Juni 1905. 103
Für noch größere Geschwindigkeiten werden die Ände-
rungen immer geringer.
Für die Breiten von Mitteleuropa gehört das Auftreten
eines so weit südlichen Radiationspunktes in am 283 8 = — 30**
zu den Seltenheiten oder, genauer gesagt, dessen Nachweisung
durch Beobachtungen gelingt nicht leicht wegen seines kleinen
Tagbogens und, soweit Sternschuppen in Betracht kommen,
auch wegen der geringen Erhebung über den Horizont.
Unter den von Schmidt * aus den Beobachtungen in
Athen abgeleiteten Sternschnuppenradianten befinden sich zwei,
welche mit dem unserer Feuerkugel zu vergleichen wären,
nämlich :
a a
Für Juli 20. — 31 283* — 27'
» Augusts.— 31 286' —26'
Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges ist hier in
der Tat nicht gering. Es könnte auffallen, daß, ungeachtet
des Intervalls der Fallepochen von etwa zwei Monaten, die
Koordinaten aller drei Punkte um kaum mehr voneinander
abweichen, als die in der Natur der Sache liegende Unsicher-
heit ihrer Ermittlung voraussetzen läßt. Allein, dies ist völlig
begründet und spricht eben für die Zusammengehörigkeit i
denn bei der Beziehung zur Knotenlänge, welche hier besteht,
ist in der Tat die tägliche Verschiebung des Radianten ganz
besonders gering, wenn die heliozentrische Geschwindigkeit
wesentlich über die parabolische hinausgeht, was wenigstens
für das Meteor vom 29. Juni 1905 außer Zweifel gestellt ist.
Man kann z. B. ohne Schwierigkeiten ^ finden, daß für die
Geschwindigkeit i; = 2 • 5, welche nur wenig größer ist als die
oben nachgewiesene, die Veränderungen eines Radianten in
dieser Lage von Ende Juni bis Ende Juli sowohl in Länge als
in Breite nur wenig mehr als 1 ' und von Ende Juni bis Ende
August nicht ganz 3' betragen. Diese wirklichen Veränderungen
1 Siehe auch Denn in g, General-Katalog p. 274, Nr. 221, unter x Sa-
gittarids.
2 Siehe meine in der Fußnote der vorhergehenden Abhandlung p. 79,
zitierten >Theoretischen Untersuchungen« etc.
116 V. F. Hess,
verteilt. Um die zur Absorption verwendeten Aluminiumfolien
stets in gleichem Abstände von der aktiven Schicht legen zu
können, wurde auf die Blechplatte ein Messingrahmen M von
27^ ww Höhe aufgesetzt, der kreuzweise mit je einem sehr
dünnen Metallfaden bespannt war, um ein Durchbiegen der
aufgelegten Aluminiumblättchen und etwaige Störung in der
Verteilung der aktiven Schicht zu vermeiden.
Die Aluminiumfolien waren von der Firma Falck in Wien
und es betrug die Dicke bei der einen Sorte 0*32. 10"* cm^ bei
der zweiten 2*2. 10~* cm.
Die wirkliche Intensität der ß-Strahlung bei der Schicht-
dicke 0 wurde auf graphischem Wege durch Extrapolation
bestimmt. Dieses Verfahren bietet genügende Sicherheit, da
die ß-Strahlung des Uraniums X homogen, also der log Jp eine
lineare Funktion der Schichtdicke ist.
Weil, wie sich herausstellte, die a-Strahlung des Uraniums-X"
außerordentlich leicht absorbierbar ist, mußte beim Zeichnen
der Kurven der Absorption darauf Rücksicht genommen werden,
daß durch die 2 mm Luft zwischen Präparat und Aluminium-
folie bereits ein kleiner Betrag der Strahlung absorbiert war.
Benützt man die Relation Mc. Clung's und O. Hahn*s,
nach welcher für die Absorption 0*16ri» Luft äquivalent
10-* Aluminium zu setzen ist, so folgt, daß für unseren Fall
bei allen erhaltenen Kurvenpunkten die zugehörigen Schicht-
dicken Aluminium um etwa l-5.10-*rw zu vermehren sind.
Daher wurde auch in Tabelle 4 entsprechend zu allen
angewendeten Schichtdicken der Summand 1 '5. 10*"* t:w hinzu-
gefügt.
In der Tabelle bedeutet J den Sättigungsstrom der Ge-
samstrahlung, J^. den der a-Strahlung gehörigen, Jp^^ den der
ß- und Y-Strahlung gehörigen Teil des Sättigungsstromes.
Die beobachteten absoluten Werte der Stromstärke wurden
der Übersichtlichkeit wegen stets auf / = 100 für die Schicht-
dicke 0 reduziert.
Die Kurven für den Zusammenhang der log •/« und
log J^j^^ mit der Schichtdicke sind in Fig. 2 gezeichnet.
Wie man sieht, ordnen sich die beobachteten Punkte unter
Berücksichtigung der eben besprochenen geringen Absorption
Uran X und seine a-Strahlung.
117
durch die dünne Luftschicht zwischen Präparat und Aluminium-
folie leicht zu einer Kurve, welche die charakteristische Form
aller log /«-Kurven aufweist. Log Ja nähert sich etwa bei der
Schichtdicke 6-7. lOr-^ cm asymptotisch dem Werte — oo, d. h.
der Range oder die Extinktionsdicke der a-Strahlung
90
m
<
TO
*>
TSC
Ml
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1
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Ol t 3 ^ S 6 7 B 9 tO U IZ 13 Ik^ IS 16 n 18 19 2Ö ZI tt 23 2^
-> Sckickiäickc Aluminium in cm, 10"^,
Fig. 2.
Absorption der Strahlung von UJT durch Aluminium.
von UX ist etwa 6'7 .10'^ cm Aluminium, also bedeu-
tend geringer als der Range der a-Strahlen des
Uraniums selbst. Es ist also
die Extinktionsdicke o für a-Strahlen von \JX
in Aluminium o = 6'7.10~*cw,
mithin (nach Mc. Clung und O. Hahn)
in Luft 0 =r 1'07 cm.
Die a-Strahlung von Uif ist daher die weichste
aller bisher bekannten a-Strahlungen.
118
V. F. Hess,
Tabelle 4.
Absorption der Strahlung von Uranium X durch Aluminium.
Schichtdicke
in cmAQr^
Aluminium
Gesamt-
strahlung
/
a-Strahlung
log/o
p-hf-Strahlung
log/f
P+7
^+T
0
1
•82
2
•14
2
•46
2
"78
3
•10
3
•7Ö
5
90
8'
10
12"
50
14
70
16"
'90
23
50
100-0
90-75
86-2
83-7
82-2
80-1
74-9
62-8
56-9
54-8
53-5
52-1
49-2
1-591
1-479
1-415
1-373
1 • 348
1 • 3096
1-190
0-681
390
30-15
26-0
23-6
22-3
20-4
15-5
4-8
<
1-785
1-782
1-780
1-779
1-777
1-776
1-774
U-763
1-755
1-739
1-728
1-717
1-692
61-0
60-6
60-2
60-1
59-9
59-7
59-4
58-OJ
56-9
54-8
53-5
52-1
49-2
X
Recht anschaulich wurde mir diese leichte Absorbierbarkeit
der a-Strahlung zum Bewußtsein gebracht während einer Beob-
achtungsreihe, die ich mit einem nach der Levin'schen Methode
hergestellten UX-Präparate ausführte; zufälligerweise war die
veraschte Tierkohle in etwas dickerer Schicht als gewöhnlich
auf der Platte verteilt. Man erschließt leicht, daß infolge der
Absorption in der aktiven Schicht selbst alle nicht von der
Oberfläche selbst ausgehenden a-Teilchen bereits mit bedeutend
geminderter Geschwindigkeit austreten, infolgedessen wird die
Absorption anfangs eine abnorm rapide sein. Wirklich lagen,
wie aus Tabelle 5 und Fig. 3 ersichtlich, die durch Absorption
mit den dünnsten Folien erhaltenen drei ersten Punkte be-
deutend unterhalb der richtigen Kurve. (Der Abstand der aktiven
Schicht von den Folien war bei diesem Präparat etwa l'Sww,
also ist zu den wirklichen Schichtdicken Aluminium 1 . 10"* cm
addiert.)
Uran X und seine a-Strahlung.
119
Tabelle 5.
Schicht-
dicke
Aluminium
in
0
1-32
1-64
1-96
3-20
5-40
7-60
34-4
19-8
16-4
151
12-0
4-2
0
1-536
1-297
1-215
1-179
1079
0-623
— oo
rso
iVO
^aso
o
t
\
r
o\
O T
o
\
t
1
c
1 \
I
— 1 —
t
t
— ' — \ — 1
n
I
1
l
1
r - T
1 1
! 1
1
' ; 1
\
1
\
1
1 — . —
1 — 1 —
1
I
^
1 —
1
__
1
1
1
i
~tr
1 1
1 1
Ji-
i
—4- -{
1
)
. 1
L —
1
4
0 » JO
Schichtäicke Aluminium in cm . 10~^.
Fig. 3.
Die p. 117 ermittelten Extinktionsdicken der a-Strahlung
von U-X in Luft werden, wie aus Tabelle 5 ersichtlich, auch
durch diese Beobachtungsreihe bestätigt.
Aus dem nach oben konvexen Verlauf der logarithmischen
•/a-Kurve in Fig. 2 läßt sich sofort ersehen, daß der Mechanismus
der Absorption der a-Strahlung von \JX ein ganz analoger
ist wie bei allen anderen a-Strahlungen : Abnahme der
Penetrationskraft mit zunehmender absorbierender
Schichldicke.
Die Kurven der Absorptionskoeffizienten X
müssen also mit wachsender Schichtdicke ;i; rapiden
Anstieg zeigen und asymptotisch dem Werte 4-oo
sich nähern. Dies ist auch wirklich beim VX der
Fall, wie aus Tabelle 6 und Fig. 4 ersichtlich.
120
V. F. Hess,
Da Ja = ^~^*, SO folgt
J« dx
(lognat Ja).
dx
0/0
040
050
1
1
J
/
/
/
V
/
«b '
»30
/
/
•
t OiO<
"00
<
<»y
/
^
y
> J
\ :
i J
\ 4
% i
i i
t 7
-► Schichtäicke in cm . /(7~*.
Fig. 4.
Abhängigkeit des Absorptionskoeffizienten X von der Schichtdicke bei UX.
In Tabelle 6 sind die Werte ^® log Ja durch direkte Ab-
lesung aus Fig. 2 von Punkt zu Punkt gewonnen und aus
d
diesen (log nat Ja) =■ X durch Umrechnung ermittelt
dx
Auch aus der X-Kurve ersieht man, daß die Extinktions-
dicke o der a-Strahlen von U-Y in Aluminium keinesfalls gröfier
Uran X und seine a-Strahlung.
121
als 7. 10~* cm ist, was mit den Ergebnissen von p. 1 17 überein-
stimmt
Tabelle 6.
Darstellung von X.10~^ (llcm).
Schichtdicke
X
in cmAQr^
0
1
2
3
4
5
6
log Ja
10
1-591
1-530
1-438
1-313
1-125
0-907
0-625
log nat /o
X.10-*
3-663
3-523
3-311
3 023
2-590
2-088
1-439
0-140
0-212
0-288
0*433
0-502
0-649
Durch Extrapolation findet man für die Schichtdicke 0 aus
der Kurve Fig. 4 den Wert
also
10-*.)^ = 0-110
)^ = 1100
für Absorption der a-Strahlen von VX durch Aluminium bei
imendlich dünner Schicht.
in. Messung der Abklingung der Strahlung des
Uraniums X.
Nachdem einmal das Vorhandensein einer a-Strahlung bei
UX festgestellt und dieselbe durch die genaue Messung ihrer
Absorbierbarkeit (Abschnitt II) näher charakterisiert war, mußte
noch durch Messung der Abklingung festgestellt werden, ob
die a-Strahlung des Uraniums X nach derselben Periode ab-
nimmt wie die ß-Strahlung, respektive ob die a-Strahlung nicht
etwa von einem Zerfallsprodukt von anderer Lebensdauer als
der des UX herrühre.
122 V. F. Hess,
Es wurden mehrere, auf verschiedene Art gefällte
Uranium X-Präparale durch Wochen in ihrer Abklingung
untersucht.
Außer den gewöhnlichen Ablesungsfehlem kommt hiebei
eine unangenehme, kaum ganz zu vermeidende Fehlerquelle
in Betracht. Die in Pulverform in möglichst homogener dünner
Schicht auf Metallschälchen verteilten Präparate dürfen auch
nicht die geringste Erschütterung erleiden, da eine kleine Ände-
rung der Verteilung sofort eine Änderung des der a-Strahlung
zugehörigen Teiles des Sättigungstromes und daher auch eine
Störung bei der Gesamtintensität bewirkt.
Das UX Pulver auf einer klebenden Oberfläche zu fixieren,
ging nicht an, weil alle Klebemittel hygroskopisch sind und
dadurch eine neue Fehlerquelle involviert würde.
Daher zog ich es doch vor, die gewöhnliche Verteilung
des U-Y-Pulvers zu belassen und durch peinlichste Achtsamkeit
beim Auflegen und Abnehmen der Schälchen am Elektroskop-
tischchen nach Möglichkeit jede Störung zu verhüten.
Die ß-Aktivität wurde bestimmt, indem auf das Schälchen
mit dem Präparat fünf Aluminiumfolien von ä 2*2.10~*cw,
also zusammen 11*0. 10~* cm Dicke gelegt und dann der Strom
gemessen wurde. Die so direkt erhaltene ß-Intensität ist zu klein,
da durch Absorption in dem Aluminium und der zwischen
Präparat und Folien gelegenen Luftschicht doch auch ein Teil
der ß-Aktivität verschluckt wird. Aus der ß-Kurve in Tafel I ist
zu entnehmen, daß die auf die eben beschriebene Art beob-
achtete ß-Aktivität um etwa 15'77o zu erhöhen ist, um ihre
wirkliche Anfangsintensität zu erhalten.
Es wurden daher alle beobachteten ß- Intensitäten um
diesen Betrag erhöht.
Die Resultate der Abklingungsmessungen sind in Tabelle 7
bis 10 und die zugehörigen logarithmischen Kurven in Fig. 5
bis 8 verzeichnet.
Die Intensität der a-Strahlung wurde durch Subtraktion
gewonnen. Die geringe Intensität der ^-Strahlung ist stets in
Jß einbegriffen.
Uran X und seine a-Strahlung.
123
Die Halbierungskonstante HC bei den einzelnen Versuchs-
reihen wurde auf graphischem Wege durch Aufsuchung des
Punktes [log J(/=o) — log 2] ermittelt.
Die Stromstärken, deren Logarithmen in Tabelle 7 bis 10
angeben sind, sind in Volt/Minuten gemessen.
Versuchsresultate über die zeitliche Abklingung der Aktivität
von Uran X.
Tabelle 7.
Präparat Nr. 1, gefallt durch Ferrihydrozyd aus einer Lösung von Uran-
nitrat in Aceton.
Tage
log -^«+3
log/^
log/a
0
2-194
1-916
1-868
1-80
2-166
1-884
1-844
4-95
2-126
1-827
1-823
6-80
2-102
1-807
1-793
12-80
2-043
1-770
1-711
14-80
2-009
1-737
1-677
18-90
1-933
1-682
1-575
23-80
1-861
1-603
1-514
Halbierungskonstante der Gesamtstrahlung HCa+^ z=: 2 1 • 4 Tage
» ß-Strahlung HC^ = 22'Z »
» a- Strahlung HCa = 20'b *
t
10
TM
90
«0
10
60
i-so
♦■
1 —
1
1
t
1 1
■ —
1
t
-*-.
--^
_ ^
;^
r ^
^^
- —
■ —
I^
^ »
=^
^
^
0 :
i ^
t i
i i
1
0 l
Z J
4 1
6 l
8 2
0 2
Z Z
fr a
6
Tage
Fig. 5.
124
V. F. Hess,
Tabelle 8.
Präparat Nr. 2, gef&llt durch Ferrihydroxyd aus einer Lösung von Uran-
nitrat in Aceton.
0
1-8
4-95
6-80
12*80
14-80
19-00
24-80
2* 192
2-142
2-099
2-079
2-024
1-9895
1-919
1-847
1-855
1-826
1-779
1-744
1-724
1-690
1-635
1-525
1-924
1-855
1-816
1-809
1-722
1-687
1-600
1-566
i/Ca+ß=:21-6Tage
HCß = 22-2 »
HC. = 20-8 »
-♦ T^
Fig, 6.
Uran X und seine a-Strahlung.
125
Tabelle 9.
Präparat Nr. 3» Uran X durch Tierkohle absorbiert.
0
3-1
7-3
13-0
21-3
1-986
1*935
1-861
1-779
1-666
1-799
1-763
1-699
1-607
1-483
1-5295
1-451
1-354
1-293
1-202
i/Ca+3 = 20-0 Tage
i/Q = 20-6 »
HCa=l9'7 *
19 U 20 2t S» U
-* Tage
Fig. 7.
126
V. F. Hess,
Tabelle 10.
Präparat Nr. 4, Uranlmn X aus MethylacetaÜdsung von Uran durch Ferri-
bydroxyd geHUlt.
Tage
log -^a+p
Jog-^p
log/a
0
2-299
2-151
1-759
3-05
2-258
2-111
1-716
11-10
2-125
1-972
1-598
18-0
2-021
1-878
1-468
HCa+fi ==-
19-8 Tage
/fCß— 19-6 »
HCa=20'2 »
40
w
{
20
1
1
■
90
~— -
-
i
60
.-_^
«0
"^ ^
,_.
„.^^
s
1
bO
.2 20
t
TOO
•
0 z ii 0 3 w iz IM 1$ tß zo tz zk ze
-► Tage
Fig. 8.
Vereinigt man so die erhaltenen Werte der HC zu einem
Mittel, so ergibt sich:
Uran X und seine a<Strablung. 127
1 21-4 22-3 20-5
II 21-6 22-2 20-8
III 20-0 20-6 19-7
IV 19-8 19-6 20-2
Mittel... 20-7 21- 1 20-3
Der Unterschied in der Abklingung der a- und ß-Aktivität
liegt unterhalb der wahrscheinlichen Fehlergrenze. Wir re-
sümieren also:
Die vom Uran ium -ST ausgehende a- Strahlung klingt
nach derselben Periode wie die ß-Strahlung ab. Als
Mittelwert der Halbierungskonstante ergab sich
ÄC = 20-7 Tage.
^ .,%*., > lognat 2 .. ^
Der entsprechende Mittelwert von X = ergibt
sich zu ^^
X = 0-0335 {-^^—] = 3-87 . 10"' f—
^Tage/ nS®c>
Zusammenfassimg der wichtigsten Resultate.
I. Durch die Trennungsmethoden von Moore und
Schlundt (Lösen des Uransalzes in Aceton, Methylacetat u. a.
unter Beifügung von frischem Ferrihydroxyd) kann eine
praktisch vollkommene Abtrennung des Uraniums X vom
Uranium erreicht werden.
Ohne Beifügung von Ferrihydroxyd ist die Trennung bei
keinem der Lösungsmittel eine vollständige.
Die Levin'schen Adsorptionsmethoden (Kochen einer Uran-
lösung mit Ruß oder Tierkohle) befreien die Uranlösung nicht
vollständig von UA", können jedoch in einfacher Weise zur
Herstellung von UX-Präparaten gebraucht werden.
IL Uranium X sendet nicht nur ß- und ^-Strahlen,
sondern auch a-Strahlen aus, die sich in ihrer Ab-
sorbierbarkeit von denen des reinen Uraniums unter-
scheiden.
128 V. F. Hess, Uran X und seine a-Strahlung.
Die a-Strahlung des Uraniums -Y ist die weichste
aller bekannten a-Strahlungen.
Als Extinktionsdicke für die a-Strahlen von \}X in
Aluminium ergab sich nämlich
Die Extinktion für \JX erfolgt also bei beträchtlich
geringerer Schichtdicke als für Uran selbst (für Uran ist
o= ll-10-*cfw).
Der Absorptionskoeffizient für unendlich dünne Schichten
ergab sich zu
Xo = iioof— ).
\cmj
III. Die a-Aktivität des UX klingt nach derselben
Periode ab wie die (ßH-Y)-Aktivität. Als Halbierungs-
konstante ergab sich der Mittelwert
/fC=r 20-7 Tage
und die entsprechend radioaktive Konstante
\= 3-87.10-7(— \
vsec/
129
Untersuchung der Kanalstrahlen von
Sauerstoff
von
Dr. Karl Siegl.
Aus dem II. physikalischen Institut der Universität Wien.
(Vorgelegt in der Sitzung am 28. Februar 1907.)
Zur Erzeugung der Kanalstrahlen in Sauerstoff dienten
zunächst Röhren von der Form, wie sie Prof. Stark und der
Verfasser bei der Untersuchung der Kanalstrahlen in Kalium-
und Natriumdampf verwendet hatten.^ Die Kathode bestand aus
einem Aluminiumdeckel, welcher mit sehr vielen Löchern ver-
sehen war und den ganzen Querschnitt des 4 bis 5 cm weiten
Geißlerrohres ausfüllte. Diese Röhrenform erwies sich aber als
unpraktisch. Es treten nämlich an den Berührungsstellen der
Elektrode mit der Glaswand bei etwas größerer Stromdichte
sehr leicht kleine Lichtbogen auf, wenn sich an diesen Stellen
Aluminiumoxyd gebildet hat. Diese Lichtbogen erhitzen das
Glas derart, daß es den Strom zu leiten beginnt und von dem-
selben zersetzt und durchbohrt wird. Paßt ferner die Elektrode
nicht genau in die Röhre hinein, so zieht sich die negative
Glimmschicht sehr leicht nach rückwärts durch den engen
Zwischenraum zwischen Glaswand und Elektrode. An dieser
Stelle besitzt dann die negative Glimmschicht eine sehr große
Lichtintensität und hohe Temperatur. Die Folge ist wieder, daß
die Glaswand von einem Lichtbogen durchbohrt und das Rohr
dadurch unbrauchbar wird. Wegen dieser Übelstände halten
solche Röhren einen stärkeren Strom höchstens 1 5 bis 20 Stunden
1 J. Stark und K. Siegi, Die Kanalstrahlen in Kalium- und Natrium-
dampf, Ann. d. Phys., 21, 457 bis 461 (1906).
Sitzb. d. mathcm.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. II a. Ö
130 K. Siegl,
aus. Von dieser Zeit geht aber die Hälfte für die Expositionszeit
verloren, da das Rohr 8 bis 10 Stunden durch Erhitzung mittels
kräftigen Stromes entgast und fortwährend mit Wasserstoff
gespült werden muß. Es kam sehr häufig vor, daß die Röhre
schon gleich nach der ersten Stunde der Expositionszeit aus
den oben angeführten Gründen unbrauchbar wurde, wodurch
die zeitraubende Reinigung und Entgasung des Rohres jedesmal
umsonst vorgenommen war.
Probeweise wurde eine Röhre hergestellt, bei welcher die
negative Elektrode durch einen mit Glas überzogenen Alumi-
niumstift in 1 bis 2 cm Abstand von der Glaswand freigehalten
wurde. Dieses Rohr erwies sich jedoch als vollkommen un-
brauchbar, weil die negative Glimmschicht sich sowohl vor
wie hinter der Kathode symmetrisch ausbildete und dadurch
das Entstehen der Kanalstrahlen gänzlich verhindert wurde.
ff
Die Röhren wurden deshalb schließlich ähnlich konstruiert,
wie sie B. Straßer und M. Wien verwendeten.^ Die Kathode
besitzt wie bei der zuletzt erwähnten Röhre einen Abstand von
1 bis 2 cm von der Glaswand. Sie ist aber auf ein Glasrohr auf-
gesetzt, welches sich in seinem rückwärtigen Teile erweitert
und dort mit der äußeren Röhrenwand verschmolzen ist. Der
Raum hinter der Kathode kann also nicht über den äußeren
Rand der Elektrode mit dem vorderen Raum kommurfizieren,
sondern bloß durch die Öffnung in der Mitte der Elektrode.
Durch diese Anordnung kann sich auch die negative Glimm-
schicht nicht mehr nach rückwärts ziehen und die allenfalls
noch auftretenden Lichtbogen sind ungefährlich, weil sie die
äußere Glaswand nicht mehr erreichen können. Eine un-
angenehme Eigenschaft besitzen die Kanalstrahlen immer.
Selbst wenn die Kathode vollkommen eben ist, konvergieren
sie hinter derselben und erhitzen die Glaswand so stark, daß
sie erweicht und von dem darauf lastenden äußeren Luft-
drucke an dieser Stelle eingedrückt wird. Die Elektrode wurde
deshalb konkav gemacht, so daß die Kanalstrahlen hinter der-
selben parallel fortgingen oder sogar divergierten. Die Erhitzung
1 B. Straßer und M. Wien, Anwendung der Teleobjektivmethode auf
den Dopplereffekt in Kanalstrahlen; phys. Zeitschr. 21, 744 (1906).
Kanalstrahlen von Sauerstoff. 131
der Glaswand ist dann, selbst wenn die Länge des Rohres
hinter der Kathode bloß 4 bis 5 cm beträgt, so gering, daß auch
bei starkem Strome noch kein Fall vorkam, in welchem die
Glaswand geschmolzen wäre. Endlich zerstäuben die KanaU
strahlen die Elektroden und schwärzen dadurch die Glaswand.
Die Schwärzung ist um so stärker, je mehr Kanalstrahlen aus
der Kathode austreten können. Nun ist es aber für die Spektral-
aufnahmen gar nicht notwendig, daß ein sehr breites Kanal-
strab lenbündel aus der Kathode austritt. Es wurde deshalb in
die Elektrode bloß ein 1 mm breiter und 1 cm langer Spalt
geschnitten. Das schmale Kanalstrahlenbündel schwärzte nun
die Glaswand bedeutend weniger und hauptsächlich nur außer-
halb jener Stelle, wo die Kanalstrahlen direkt auf das Glas auf-
fielen. Dieses spaltförmige Bündel wurde mittels einer Linse
auf den Spalt des Spektrographen projiziert. Röhren von der
beschriebenen Form halten starken Strom über 100 Stunden aus.
Zur Aufnahme der Spektrogramme diente der Prismen-
spektrograph des Verfassers.* Aufnahmen mit einem Rowland-
schen Konkavgitter von 15 Fuß Krümmungsradius und einer
Gitterkonstante von 20000/Zoll waren sämtlich unbrauchbar.
Bei der langen Expositionszeit von 20 bis 40 Stunden änderte
sich nämlich durch Erschütterungen und Temperaturschwan-
kungen die Stellung des Gitters so stark, daß die Spektrallinien
verschwommen wurden. Doch mußte selbst bei den Aufnahmen
mit rotempfindlichen Platten mittels des Prismenspektrographen
die Expositionszeit bis 15 Stunden ausgedehnt werden. Kamen
während dieser langen Zeit größere Temperaturschwankungen
im Arbeitsraume vor, so änderte sich der Brechungsexponent
der Thalliumflintprismen und damit die Dispersion des Spektro-
graphen, wodurch die Spektrogramme verwaschen oder doppelt
wurden. Deshalb verwendete der Verfasser außer den rot-
empfindlichen Perortoplatten Spezialrapidplattenvon Schleuß-
ner und die hochempfindlichen E-Platten von Lumiere. Bei
diesen Aufnahmen mußte man freilich auf das Gebiet von
5206 -4 bis i/(i verzichten, dafür konnte aber die Expositions-
zeit bedeutend herabgesetzt werden. Sie betrug in der Regel
i Deutsche Mech. Ztg. 21, 201 (1906).
9*
132 K. Siegl,
4 bis 5 Stunden. Man erhielt auf diese Weise vollkommen
scharfe Spektrogramme. Entwickelt wurden dieselben mit
Hydrochinon in zwei- bis dreifacher Verdünnung. Einige Platten
wurden mit Sublimatlösung verstärkt.
Zum Evakuieren der Kanalstrahlenröhren diente eine
Jaumann'sche Quecksilberpumpe, welche für diese Zwecke
leider etwas langsam arbeitet.
Den elektrischen Strom lieferte in Ermanglung von Hoch-
spannungsbatterien ein Induktorium von 40 cm Schlagweite,
welches zuerst mit einem Qucksilberstrahlunterbrecher und
einem Wehnelt-Unterbrecher betrieben, dann aber direkt mit
Wechselstrom gespeist wurde, ferner ein Hochspannungs-
transformator mit einer Maximalspannung von 10000 Volt. Das
Arbeiten mit direktem Wechselstrom hat das Angenehme, daß
man von den Unregelmäßigkeiten, die bei langer Tätigkeit des
Unterbrechers stets auftreten, vollständig befreit ist. Freilich
gehen die Entladungen nach beiden Seiten durch die Röhre,
von welchen die Hälfte nutzlos verloren geht, nur überflüssiger-
weise die Röhre erhitzt und die Glaswände mit Zerstäubungs-
produkten der Elektroden schwärzt. Um diesen nutzlosen Teil
des Stromes möglichst unschädlich zu machen, wurde als
Anode ein Aluminiumstift gewählt. Da derselbe einen viel
kleineren Querschnitt als die Kathode besitzt, wirkt er als
elektrisches Ventil und die Entladungen gehen hauptsächlich
nur in jenem Sinne durch die Röhre, für welchen der Stift
Anode ist. Um denselben vor übermäßiger Erhitzung durch die
konvergierenden Kathodenstrahlen der Konkavkathode zu
schützen, wurde das Rohr so lang gewählt, daß die Kathoden-
strahlen sich schon in der Mitte des Rohres durchkreuzten,
was bei einem Elektrodenabstand von zirka 25 cm der Fall
war. Die Spannung des Wechselstroms wurde mit einem
Braun'schen Elektrometer und einer parallel geschalteten
Funkenstrecke gemessen. Sie betrug gewöhnlich 4000 bis
7000 Volt, in einigen Fällen auch 12000 bis 15000 Volt. Die
Stromstärke wurde schätzungsweise durch ein Weston-Milli-
amperemeter ermittelt und betrug durchschnittlich 10 bis
20 Milliampere.
Kanaistrahlen von Sauerstoff. 133
Der zur Untersuchung dienende Sauerstoff wurde einem
Gasometer von 20/ Inhalt entnommen, welcher aus einer käuf-
lichen Sauerstoffbombe gefüllt worden war. Dieser Sauerstoff
enthielt noch ein wenig Stickstoff.
Die Beobachtungen ergaben folgende Resultate: Die Kanal-
Strahlen von Sauerstoff kommen zur merklichen Emission bei
einer Minimalspannung von 2000 bis 3000 Volt und sind weiß.
Bei einer Länge des Dunkelraumes von 4 bis 5 rw und einer
Spannung von 5000 Volt verzeichnete der Spektrograph den
größten Teil der Funkenlinien von 5555*2 bis 4153-6. Das
Spektrum ist sehr lichtschwach. Mit wachsendem Dunkelraume
und steigender Spannung nimmt die Gesamtintensität ab, jedoch
treten die Tripletserienlinien im Vergleiche zu den übrigen
Linien etwas stärker hervor. Die Zerstäubung der Elektroden
nimmt zu, wobei der Sauerstoff sehr rasch absorbiert wird,
so daß bei den Aufnahmen alle 2 bis 3 Minuten etwas Sauerstoff
eingelassen werden mußte. Sonst kam in dem Spektrum immer
mehr der Wasserstoff zur Geltung, was stets mit einem kleinen,
geradsichtigen Spektroskope kontrolliert wurde. Die Kanal-
strahlen erhielten in diesem Falle eine rötliche Färbung. Nach
einiger Zeit gaben merkwürdigerweise die Elektroden eine
große Menge von absorbierten Gasen frei, wodurch das Vakuum
schlecht wurde und im Spektrum besonders die Quecksilber-
linien intensiv hervortraten. In einem solchen Falle wurde der
Spalt des Spektrographen verdeckt und das Rohr unter Strom-
durchgang so lange ausgepumpt, bis die Glaswände zu fluores-
zieren begannen. Dann wurde frischer Sauerstoff eingelassen,
bis die alte Länge des Dunkelraumes wieder hergestellt war,
und jetzt die Exposition fortgesetzt. Da die Quecksilberpumpe,
wie erwähnt, langsam arbeitet und das Vakuum des Rohres
sich immer in einem labilen Zustande befindet, so wurde
aus diesen Gründen das Arbeiten ein sehr mühsames, und die
Expositionen dauerten infolge der wiederholt notwendigen
Unterbrechungen sehr lange. Die Serienlinien des Wasserstoffes
sowie die intensiven Quecksilber- und Stickstofflinien erschienen
stets auf den Platten, doch schadete dies weiter nichts, sie
waren im Gegenteil als Vergleichslinien für die Ausmessung
unter dem Komparator erwünscht. Als störend erwies sich
134 K. S i e g 1 , Kanalstrahlen von Sauerstoff.
dagegen das Viellinienspektrum des Wasserstoffs, welches bei
der geringen Lichtstärke des linienreichen Sauerstoffspektrums
stark zur Geltung kao).
Ein Vergleich der Parallel- und Normalaufnahmen der
Kanalstrahlen ergab, daß die von C. Runge und F. Paschen
beobachteten Serienlinien,^ welche von 5555 • 2 bis 4368 • 5 auf
den Spektrogrammen identifiziert werden konnten, den Doppler-
effekt zeigen, wenn ihre Intensität genügend groß ist. Der
Spektrograph des Verfassers ist in dem Spektralgebiete um Hi^
am lichtstärksten, während er gegen Violett hin schon merklich
absorbiert. An den in diesem Gebiete liegenden Sauerstoff-
triplets konnte der Dopplereffekt konstatiert werden. So an den
Linien 4773*9, 4773-1, 4772*7 und 4673-9, 46729 und
4590-1, 4589 • 2 und 4523 • 7, 4523 '0. Bei diesen Triplets war
die erste gegen Rot liegende Linie scharf. Die nach Violett
folgenden flössen ineinander und waren gegen Violett ver-
waschen, indem sich die verwaschenen Streifen des Doppler-
effektes der einzelnen Linien übereinander lagerten. Wegen
der geringen Lichtstärke des Dopplereffektes und wegen der
großen Zahl der eng aneinander stehenden Linien erwies es
sich als unmöglich, die Größe des Effektes genau zahlenmäßig
zu bestimmen. Durch Vergleich mit dem Dopplereffekt von
i/ß und jKf erkennt man, daß der Effekt bei der ersten Triplet-
serie des Sauerstoffes mindestens dreimal kleiner ist als beim
Wasserstoff und da er der Wurzel aus dem Atomgewichte
umgekehrt proportional ist, so dürften die Träger der ersten
Tripletserie des Sauerstoffes dieselbe Wertigkeit besitzen wie
die Träger der Nebenserie des Wasserstoffes. Ob der Effekt
bei den Linien der zweiten Tripletserie größer ist als bei den
Linien der ersten, konnte nicht ermittelt werden, da die Inten-
sität des Dopplereffektes bei der zweiten Tripletserie geringer
ist als bei der ersten.
^ C. Runge und F. Paschen, On the Series Spektra of Oxygen, Sulphur
and Selenium, Astroph. J., 5, 70 bis 101 (1898), und Ann. d. Phys., 61, 641 bis
686 (1897).
135
Zur Theorie der Drehungen und Quatemionen
von
W. Fr. Meyer in Königsberg i. Pr.
(Vorgelegt in der Siuung am 28. Februar 1907.)
Die schon vielfach behandelten Theorien der Drehungen
des Raumes um einen festen Punkt einerseits, der Quaternionen
andrerseits, nebst ihren Beziehungen zueinander haben in dem
Werke von F. Klein und A. Sommerfeld Ȇber die Theorie
des Kreisels«* eine wesentliche Förderung erfahren. Indessen
fuhren die Verfasser gleich zu Beginn ihrer Entwicklungen
imaginäre Elemente ein. So schön und durchsichtig sich die
damit begründete Theorie der Drehungen und Quatemionen
insbesondere vom Standpunkt der modernen Geometrie aus
gestaltet, so dürfte es doch angemessen erscheinen, zu den
Klein-Sommerfeld'schen Ergebnissen auch auf einem direkten,
elementaren und reellen Wege zu gelangen. Die Einführung
des Imaginären erweist sich erst am Schlüsse als notwendig,
wenn man den Übergang von den Hamilton'schen Quater-
nionengrößen A,B, QD zu den Klein'schen Parametern o, ß, y, 8
vollziehen will.
Die nachstehenden Entwicklungen, die sich in mancher
Hinsicht als eine Umkehrung der von Klein-Sommerfeld
eingeschlagenen charakterisieren lassen, gehen davon aus, daß
die drei Diagonalkoefiizienten einer orthogonalen Substitution
zunächst als Parameter gewählt werden; weiterhin behufs ein-
deutiger Gestaltung einer vieldeutigen Darstellung die Größen
^ Eine ausfuhrlichere Bearbeitung dieser Note wird in der Zeitschrift für
Mathematik und Physik erscheinen.
2 Leipzig; Heft 1, 1897; Heft 2, 1898; Heft 3, 1903. Für das Folgende
kommen hauptsächlich die §§ 2, 3, 4, 5, 7 des ersten Heftes in Betracht
136 W. Fr. Meyer,
Ay By C, D und endlich behufs formaler Vereinfachung weiterer
Rechnungen die Größen a, ß, 7, 8.
§ 1. Bestimmung der Drehachse. Erste Einführung der Quater-
nionen.
Es sei durch ■
y = o^X+?,Y-^^,z\ (1)
eine orthogonale Substitution S mit der Determinante A = + 1
gegeben. Es bestehen die bekannten Relationen:
a«+a2+a|=l, a,^,+c^^^+<t^% = 0,]
a?+ß?+T? = 1, ai«2+ßiß2+TiT2 = 0,
» )
(2)
«1 = ß2T8— ß8T2» «2 = ßsTi— ßiTs etc. (3)
Diejenigen Raumpunkte (a,b,c), die, jeder für sich, beim
Übergange (1) ungeändert bleiben, bestimmen sich durch die
Bedingungen:
a(a,— 1)+Z^ß, +rTi =0|
^«2 +*(ß2— 1)+^T2 =0 J (4)
In der Tat bestehen diese drei in den a, b, c linearen und
homogenen Gleichungen zusammen, da die Determinante der
Koeffizienten auf Grund von (3) verschwindet.
Der Ort der Punkte (a, ^, c) ist daher eine durch den
Anfangspunkt O laufende Gerade d. Diese Gerade d erweist
sich geometrisch leicht als die »Drehachse« von S, d. h. jeder
Raumpunkt P(J¥*, y, Z) geht vermöge S (1) in einen solchen
Punkt pix^y^ 2) über, daß die beiden von P und p auf d gefällten
Lote gleich lang sind, denselben Fußpunkt auf d besitzen und
der Winkel beider Lote stets ein und derselbe »Dreh-
winkel« «ö ist.
Theorie der Drehungen und Quatemionen. 137
Die den Größen a, b^ c proportionalen Richtungkosinus der
Drehachse d seien jetzt selbst mit a, h, c bezeichnet. Setzt man
zur Abkürzung:
ai + ß2+Ts = <3» o— 1==T (5)
und versteht unter r, sy/ drei Proportionalitätsfaktoren, so liefert
die Auflösung je zweier der Relationen (4):
5a=zaj-+-ßi, s& = 2ß3— T, 5(7 = P8+Ta, [ (6)
Die Substitution S hängt nur von drei wesentlichen Para-
metern ab; als solche wählen wir die drei Diagonalkoeffizienten
Oj, 3j, Yj und drücken alle übrigen Größen durch sie aus. Man
erhält zunächst für r, s, /, indem man die Gleichungen je einer
Reihe in (6) quadriert und addiert, mit Hilfe von (2) und (3):
r« = (3-a)(2fl4-T), 5« = (3-o)(2ß,-r),
/3rz(3-o)(2Ts-t).
Da 3 — 0 nicht negativ werden kann, folgen aus (I) die
Determinationen :
tti^ß^+Ts— 1» ßa^Oi+Ts— 1» T3^ai+ß2— 1- (V
Die Einsetzung von (I) in (6) ergibt:
aV3— a = \/2ai— X
i, V3^^ = \/2K^ J (H)
c\/3— o = \/273— t.
Das Verschwinden von 3 — o oder auch das simultane
Verschwinden von 20^ — t, 2ß2 — x, 27^ — t entspricht dem Falle
der identischen Substitution S; r, s, / sind dann Null und die
Drehachse wird unbestimmt (mit dem Drehwinkel Null), wie
es sein muß.
Hiebei darf das Vorzeichen von \/3 — 0 positiv gewählt
werden; die Vorzeichen der drei anderen Radikale sind beliebig.
Da aber ein gleichzeitiger Wechsel aller drei Vorzeichen die
Drehachse als Ganzes ungeändert läßt, kann man sich auf vier
138 W. Fr. Meyer,
verschiedene Vorzeichenkombinationen beschränken; die vier
zugehörigen Drehachsen hängen so zusammen, dafi aus irgend
einer von ihnen die drei anderen durch Spiegelung an den
Koordinatenebenen hervorgehen.
Die Formeln (II) lauten genauer:
h \/Z—'j = Sa V2ß2-r (s,- = ±1, 8,8363 = + 1) } (HO
cVS— o = 63 V2ys— t,
wo nunmehr alle Radikale positiv zu nehmen sind.
Um jetzt die o^jß,; 03,71; ßjjTa durch o^ß^j-fj auszudrücken,
entnehme man aus (6) unter Benützung von (I), (IV) die Summen
Og+ß, = e3\/2ai— T. >/2ß^ t
Oj+Yi =e3\/2ai— T. \/2^ri^ } (8)
ßs+Ta = ßi >/2ß8^. V273— T.
Andrerseits liefert (3) die Produkte o^ß^, OjYi, ßsTa^
«aßi = «ißa— Ts» «sTi = «iTs-ßa» ßsTa = ßaTs" «i- (9)
Aus (8) und (9) berechnen sich die o^, ß^; a^ytil ßj, T2
wie folgt:
{2? = H\/2a,—T. V2ßa-t±>/^Tl. V2Ts— t
I2 = e, \/2 ßg— T. >/273— T =t Vo 4- 1 . \/2fl4— r.
(10)
Die Zuordnung der Vorzeichen in der Mitte rechts wird
durch Betrachtung eines Spezialfalles, etwa 04 = ß^ = Yj =: 0
entschieden.
Es zeigt sich, daß das obere Vorzeichen (+) gerade den
«2, Ti> ßa entspricht, das untere Vorzeichen ( — ) den ßj, Oj, y,.
Theorie der Drehungen und Quaternionen. 1 39
Bedient man sich der Abkürzungen:
J = — 8iV2ai— t, 5 = — e,>/2ß,— t, C = — «,V2t,— t,
Ct £1 ^
Z) = — TqVa+l (8,,i(i = ±l, 818,83 = +1, (III)
SO werden die acht verschiedenen Lösungssysteme (10) durch
die Darstellung umfaßt :
Y, = 2(i4C+5Z?), 03 = 2{AC-BI)) \ (11)
ßj = 2{ßC-ArAD\ Ta = 2(J5C— >1Z)). )
Zwischen den vier Größen i4, 5, C, D besteht die Identität:
^«+fi«+C«+Z)« = l (IV)
und die Auflösung der Formeln (III) nach den 04, ß^, Ys liefert:
o, = 2(i4«-hZ?«)— 1 = (^«+I>«)— (5^4-C«), ]
ß, = 2(524-1?«)— 1 = (5«+Z)«)— (^«+C«), > (12)
Y3 = 2(C«+D«)— 1 z= (C«+Z)«)— (i4«+5«). I
Führt man jetzt die i4, 5, C, Z) statt der «j, ßj, Yj als Para-
meter einer Substitution S ein, so bietet sich der wesentliche
Vorteil, daß, während einem beliebig gegebenen Wertsystem
der Oj, ß,, 7, noch acht durch (10) angegebene Substitutionen (1)
entsprachen, nunmehr zu einem einschließlich der Vorzeichen *
beliebig gegebenen Wertsystem der -4, 5, C, D nur eine einzige
durch (11) und (12) angegebene Substitution gehört.
In diesen neuen Parametern A, B, C, D gewinnen, da
— \/3^ = \/l^^^^ (13)
* ^
die Relationen (11^ die einfachere Gestalt:
a\/\—D* = A, h\J\—D^ = B, c\J\—D* = C, (II'O
1 Die Vorzeichenbeschränkung s^ t2 «3 = 1 in (11') bedeutet jetzt, dafi das
Produkt ABC positiv zu nehmen ist. Sieht man von dieser Beschränkung
ab, so wird der Drehachse zugleich ein bestimmter Sinn beigelegt und (10)
repräsentiert dann 16 verschiedene Lösungssysteme.
140 W. Fr. Meyer,
WO Vi — D'^ positiv ZU nehmen ist. Es liegt nahe, einen Hilfs-
winkel V innerhalb der ersten zwei Quadranten eindeutig durch
die Festsetzung zu bestimmen:
D = cos V, 4- Vl'^^^^' = sin v. (14)
Es ist zu erwarten, daß dieser Winkel v in enger Beziehung
zum Drehwinkel (o stehen wird; in der Tat wird sich in § 2
zeigen, daß v mit — zusammenfällt.
2
Die in (III) eingeführten Größen -4, B, C, D heißen die
»Komponenten einer Einheitsquaternion«.
Kombiniert man mit F. Kl e i n die orthogonale Substitution (1)
mit einer Ähnlichkeitstransformation (Streckung), bei
festgehaltenem O, vom Vergrößerungsverhältnis T^:
X=T^X^, Y=T^Y^, Z=rZ^, (15)
so erweitert sich (1) zu einem Übergange vom System (x,y,z)
zum System {X^, 1\, Zj), wobei nur sämtliche neun Koeffi-
zienten in (1) den Faktor 7^ angenommen haben.
Damit erhalten aber die Größen A,B,QD den Faktor J,
wo T noch positiv oder negativ gewählt werden kann, und
gehen dadurch in vier allgemeinere Größen -4i, -Bj, Q, Di über:
A, = TA, B, = TB, C,= TC, D^= TD, (IIIj)
zwischen denen die Identität besteht:
Al+Bl-h Cl+Dl = TK (IVj)
Diese vier neuen Größen -4^, B^^ Q, D^^ die man umgekehrt
als vier unabhängige Variable ansehen kann, heißen die
»Komponenten einer allgemeinen Quaternion« und T
der Tensor der Quaternion.
§ 2. Bestimniung des Drehwinkels.
Gemäß (4) sind die Koeffizienten der a, fc, c in irgend einer
der drei Gleichungen (4) die Koordinaten (sei es im alten oder
neuen System) eines Punktes, der in O auf der Drehachse d
senkrecht errichteten Ebene. Wählt man etwa die erste
Theorie der Drehungen und Quatemionen. 141
Gleichung (4) und faßt den zugehörigen Punkt P als einen
Punkt {XYZ) auf, so ist:
X=a,-1, y=ß„ Z=Tr (16)
Der Radiusvektor R von P bestimmt sich wegen (2) durch:
R^ = (04— l)2+pf+7f = 2(1-04). (17)
Vermöge (1) geht P(XYZ) über in einen Punkt p{xyz)\
;ri=04(04— l)+ßißi-fTiTi = l— «1 |
>'=«2(ai— l)+ß2ßi+T2Ti= —«2 I (18)
- = «3(a4--l) + ß3ßi+T3Ti = -03.)
Bezeichnet man mit r den Radiusvektor von p, wo die
Länge von r gleich der von R ist, so ist der Winkel «0 zwischen
den Richtungen von R und r der gesuchte Drehwinkel und
man hat: _. ^ ^r r, /.r.\
R} cos CO = xX-^t-yY-^t-zZ (19)
oder mit Einsetzung von (16), (18) und mit Benützung von (3):
0 1 T
cos CO = =1: — y (V)
2 2
Hieraus folgt für den halben Drehwinkel:
CO I ^ . CO
2 cos — = \/3-4-l, 2 sin — = \/3— 0/ (VO
2 2
CO
Die Vergleichung mit (13), (14) lehrt, da auch — den
Spielraum von zwei Quadranten hat, daß der dort eingeführte
Hilfswinkel v mit — identisch ist und die Gleichungen (IrO,
2
(14) nehmen die durchsichtigere Gestalt an:
CO ^1..^ D -^ r^ ^ T\ f\7^\
asm — = -4, &sm — rz 5, csm — =r C, cos — = J9. (VI)
2 2 2 2
1 Bedeutet P'(X'Y'Z') den der zweiten Gleichung (4) entsprechenden
Punkt mit der Koordinaten 02, ßg — 1, ^2 ^"^ operiert man mit einem beliebigen
Punkte der Geraden PF' analog wie im Texte mit dem Punkte P, so ergibt
sich die rechnerische Bestätigung, daß der Drehwinkel tu für alle Punkte des
Raumes ein und derselbe ist.
142 W. Fr. Meyer,
Der Sinn des Drehwinkels co wird in der üblichen Weise
festgelegt.
§ 3. Zusammensetzung zweier orthogonalen Substitutionen
und der zugehörigen Quaternionen.
Führt man zwei Substitutionen von der Natur (1) hinter-
einander aus, führt also erst ein System (xyz) mittels Koeffi-
zienten (flti, ßi, Ti»- • •) über in ein System (XYZ), sodann das
letztere mittels Koeffizienten (oj, ß^, yJ,. . .) über in ein drittes
System (X'Y'Z'), so vollzieht sich der direkte Übergang vom
ersten System in das dritte durch eine Substitution (1) mit
Koeffizienten a^', ßj', tI'»- • •> wo ersichtlich:
< = fl4a;-hßi(<+Tx< (20)
Um die entsprechende Zusammensetzung der resultie-
renden Quaternionenkomponenten A'^, B", C", D" aus den
»zusammensetzenden« AyB,C,D; A', B\ C, D' zu erhalten,
bedarf man unter den Relationen (20) nur der für irgend ein
Diagonalelement, also etwa der für a^'.
Auf Grund von (III), (11), (12), (IV) geht die erste Re-
lation (20) über in:
'^2(AB—CD){A'B'+aD')-h2{AC'hBD){A'a—B'D').(2\)
Bildet man rechts einmal das Aggregat der Quadrate
AW^^ u. s. f., sodann das der doppelten Produkte 2AD'.BC'
u. s. f. und setzt zur Abkürzung:
A'' = (AD'^DA')'{'(Ba—CB') ]
B"= (5Z)'-fZ>50 + (C^'— i4C0
T" = (CZ)'+Z)C0 + (^5'— 5^0
^" = DD'—{AA''i•BB'-^CC'), j
so stellt sich die Formel (21) nebst den entsprechenden für
5//2+£)//2^ Cfi^Dff2 folgendermaßen dar:
A"^-\-D"'^ = A''2+A''-
B"^+D"^ =1 B''2+A''2 ) (23)
(22)
Theorie der Drehungen und Quatemionen. 1 43
oder auch, unter M eine Unbekannte verstanden:
2)//8_A//8 = _M. j ^ ^
Hieraus folgt durch Addition der drei ersten Gleichungen:
>I"«+5"«+ a'^ = A"8+B"2+F'2+3M; (25)
andrerseits durch Addition aller vier Gleichungen (24) mit
Rücksicht auf (IV):
1 = (A"2+B''2+r'«+A''2)+2M. (26)
Aber man kann sich leicht überzeugen, daß:
1 = A''a+B''2+r'2+A''l (27)
Denn führt man die rechte Seite von (27) auf Grund von
(22) aus, so zerstören sich die doppelten Produkte, während
das Aggregat der Quadrate das der Einheit gleiche Produkt
(4«+Ba+C2+2)«)(.4'2+5'«+C'2+J9'«) ergibt.
Die Vergleichung von (26) mit (27) lehrt, daß M = 0 ist,
wodurch sich die Formeln (24) reduzieren auf:
A"=±:X, B"=±:W\ C"=d=r\ Zy'zrdrA, (28)
womit zugleich gezeigt ist, daß:
= (^«+5«4-C«+Z>2)(^'2+B'2+c''2+Z)'2) =1. (29)
Um noch in (28) die Vorzeichen zu bestimmen, spezialisiere
man die erste Substitution (-4, -B, C, D) zur Identität, so daß
« rz 0 wird, während a, by c willkürlich bleiben. Dann ver-
schwinden nach (VI) A, B, C, während D gleich 1 wird. Da
aber jetzt die A^', B", C", D", respektive mit den A', B\ C\ D'
zusammenfallen, so erweisen sich im Hinblick auf (22) die
positiven Vorzeichen auf den rechten Seiten von (28) als die
richtigen. Demnach findet die Zusammensetzung (»Multi-
plikation«) zweier orthogonaler Substitutionen mit den Para-
metern A, B, C, D; A!, B\ C\ D' ihren Ausdruck in den
Formeln:
144 W. Fr. Meyer,
A"= Aiy+BC'—CB'+DA'
B" = —AC'+BD'+CA'+DB'
C" = AB'—BA'+ CD'+DC
D" = —AA'—BB'—CC'+DD'.]
(VII)
Diese Multiplikationsformeln bleiben ungeändert, wenn
man die Komponenten A, B, C, D; A', B\ C, D'; A", B", C", D"
von Einheitsquaternionen ersetzt durch die entsprechenden
^i,J5i, Q,Z)i; A[,B[,C[,D[\ A'l, B[', C[\ D[' von allgemeinen
Quaternionen mit den Tensoren T, J', T"; die letzteren be-
folgen offenbar das gewöhnliche Multiplikationsgesetz:
T"=TT, (30)
»Die Formeln (VII) stellen das Multiplikations-
theorem der Quaternionen dar.«
Trotz ihrer Durchsichtigkeit sind diese Formeln noch
vereinfachungsfähig. Dazu bieten sich in erster Linie zwei
Wege dar, die durch die Namen W. R. Hamilton und F. Klein
gekennzeichnet sind.
Hamilton hat das System der gewöhnlichen komplexen
Größen von der Form a-M'& erweitert auf solche mit drei
komplexen Einheiten i, j, f :
Ö = tA+i5i+fQ+Z>„ (VIII)
wo Ay^y J5j, Q, Z>i die »Komponenten der Quaternion Q*
heißen. Beim Addieren und Subtrahieren spielen diese neuen
Einheiten die Rolle von nicht aufeinander zurückführbaren
Faktoren ; die Gleichheit zweier Quaternionen ist gleichbedeutend
mit der Gleichheit ihrer entsprechenden Komponenten. Die
Multiplikation 0''= QQ' soll zwischen den Komponenten von
Qy Q'y Q" gerade die Relationen (VII) ergeben. Zu dem Behuf
hat man offenbar die Einheiten i, j, f den Multiplikationsregeln
zu unterwerfen:
l.iz=i.l, l.imj.l, l.fuzf.l;
ii = ii = fl=:_l; \ (IX)
Theorie der Drehungen und Quatemionen. 1 45
Klein-Sommerfeld betonen, daß eine Quatemion die
aus einer Drehung und einer Streckung zusammengesetzte
Bewegung darstellt, und bezeichnen in diesem Sinne eine
Quatemion als eine »Dreh Streckung«.
Die gewöhnlichen Vektoren xA^+iB^+t^C^ ordnen sich
als spezielle Quatemionen mit Dj = 0 unter; da ö^ ^= 0 mit
« z= Ä gleichbedeutend ist, d.h. mit einer »Wendung« (Um-
klappung) des Raumes um die Drehachse, so stellt ein Vektor
nach Klein-Sommerfeld eine »Wendestreckung« dar.
Das Produkt zweier Vektoren als spezieller Quatemionen
liefert gemäß (VII) eine Quatemion, deren vektorieller Teil
ii4f+iJ5{'-#-fC(' das »äußere« Produkt der Vektoren ist, das
freie Glied Z>" dagegen, abgesehen vom Vorzeichen, dessen
»inneres« Produkt.
Ober die zweite Art, die Multiplikationsgleichungen (VII)
auf einen einfacheren Algorithmus zu bringen, soll § 4 Auf-
schluß bringen.
§ 4. Die IQein'schen Parameter a, ß, Yt S-
Klein-Sommerfeld führen das Rechnen mit den
Hamilton'schen Quatemionen auf ein solches mit den gewöhn-
lichen komplexen Größen zurück. Es genügt die Betrachtung
der Einheitsquaternionen.
Man trenne die vier Komponenten A, B, C, D in zwei Paare,
etwa C und Z), A und B, und bilde aus jedem Paare eine kom-
plexe Größe nebst ihrer Konjugierten; Klein setzt:
(X)
SO daß a und 8, ß und — y konjugiert werden.
Die Auflösung von (X) gibt:
D=:^:*±, ^ = :ttL]
(X'>
2« 2i J
Sttxb. d. matliein.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 10
146 W. Fr. Meyer,
Führt man diese neuen Parameter o, ß, y, 8 an Stelle der
A,ByC,D ein, so geht die Identität (IV) über in:
a8-ßT = l, (XI)
andrerseits das System der Multiplikationsformeln (VII) in:
a" = aa'+ßT', ß" = aß'+ß80
T'' = Ya'+8T', 8''iz:Yß'+88'.j
Diese Formeln (XII) sind aber aus der Theorie der linearen
Substitutionen zweier homogenen Variabein wohl bekannt.
Bedeuten (X^, Xg), (XJ,X^), (XJ'jXJf) drei Paare homogener Variabein,
so setzen sich die beiden linearen Substitutionen S, S':
\
= aX;+ßX;, Xi = a'XJ'+ß'Xn
= T)^i+8X'„ XJ = /M'+8')4' /
zusammen zu dem »Produkte« S"=: SS':
X, = a''Xi'+ßX X, = 7"X^+8"X^, (32)
wo die cf!', ß", ^'^ 8" aus den o, ß, y, 6 und a', ß', /, 8' eben nach
der Vorschrift (XII) gebildet sind, und es gilt die Identität:
a"8''— ß'Y' ^ («8— ßY)(a'8'— ß'rO. (33)
Sind also die Koeffizienten von S und S' der Relation (XI)
unterworfen, so auch die Koeffizienten von S"; dies ist das
Analogon zu (29).
Man wird daher erwarten, daß sich eine orthogonale
Substitution (1) durch eine Substitution S von der Art (31)
ersetzen läßt.
Zu dem Behuf führe man in den Formeln (11) und (12).
mittels deren die neun Koeffizienten von (1) durch die A,B,QD
ausgedrückt wurden, statt der letzteren Größen die a,ß,T,8 ein.
Theorie der Drehungen und Quatemionen. 147
Sodann wird man folgerichtig auch aus den Variabein x^^yZ;
XyYyZ geeignete komplexe Verbindungen herstellen, am ein-
fachsten xzhtyy X±iY. Man setze mit Klein:
i = x+iy, ri = —X'{-iy, C = — «, 1
S = X+iY, H = —X-^iY, Z = — Z. /
(XIII)
Daraus rechnen sich (11), (12) und damit (1) um in: '
£ = a«S+ß2H + 2aßZ,
7, = Y« S +88 H +278Z, ) (XIV)
C« = aYS+ß8H+(a8-f-ßT)Z.
Vergleicht man die rechte Seite der ersten dieser Relationen
mit der elementaren Multiplikationsformel:
(aA+ß)(aA'+ß) zu a«AA'+ß«+2aß^5^^t^,
E Z
so wird man veranlaßt, die Verhältnisse — , — als Produkt
H H
und halbe Summe zweier neuen Variabein A, A' aufzufassen
und die entsprechende Beziehung zwischen — , — und X, X'
festzusetzen :
A = XX'. A = ^±^; S =AA', A=A±A:. (XV)
•n i\ 2 H H 2
Dividiert man demgemäß die erste und dritte der Re-
lationen (XIV) durch die zweite, so kommt:
(34)
10*
148 W. Fr. Meyer,
Aus (34) geht hervor (indem man eventuell in der Be-
zeichnung X mit X' vertauscht), daß:
Verfolgt man den eingeschlagenen Weg rückwärts, so
erkennt man zuvörderst, daß die linken Seiten von (XIV) und
damit auch von (1) den entsprechenden rechten Seiten bis auf
einen Proportionalitätsfaktor gleich werden; der letztere erhält
aber mit Rücksicht auf A =: 1 den Wert der positiven Einheit.
Wie leicht ersichtlich, lassen sich die Substitutionen (XVI)
auch in die homogene Form (31) setzen.
Es erübrigt noch die Frage, ob nicht von den beiden
Darstellungen (XVI) eine überflüssig ist.
Gemäß (XV) erhält man für X, X' die Werte:
fX^ Cd=VC^-£7i ^ (35)
IX' 7}
Für r als den Radiusvektor des Punktes (xyz) wird mit
Rücksicht auf (XIII):
r^ = x^^y^^z^ = ti^^iyi, gT] = (C— r)(C+r), (36)
wodurch (35) übergeht in:
Xzz-i-, X' = -^, (37)
C+r C— r
während A, A' die analogen Werte annehmen:
A = -^, A' = -^. (370
Daß hier in der Tat die in (37), (37^ angegebenen Werte
von X, A, respektive X', A' in (XVI) einander zuzuordnen sind,
lehrt wieder ein Spezialfall, z. B. der Fall der identischen Sub-
stitution (a=8=:l, ß = Y = 0).
Theorie der Drehungen und Quatemionen. 140
Man suche endlich die zu X konjugtert^komplexe Größe X.
Auf Grund von (36) kommt sukzessive:
"■ C+r ~ C+r ~ €(C+r) ^ €(C+r)
p--— ^---- (38)
und entsprechend A z=
Ersetzt man demgemäß in der ersten Formel (XVI) links
wie rechts jede der auftretenden Größen durch ihre Konjugierte,
so wird man, da a und 8, ß und — y je zueinander konjugiert
sind, gerade zu der zweiten Formel (XVI) geführt. Das ist der
Klein'sche Satz: »Die orthogonale Substitution (1) ist
bereits durch irgend eine der beiden Substitutionen
(XVI) eindeutig dargestellt«.
Zum Schlüsse möge auch der Rückweg von einer der
Formeln (XVI) zu (XIV) explicite durchlaufen werden. Be-
zeichnet man durchwegs die zu einer Größe Konjugierte durch
einen darübergesetzten horizontalen Strich, so forme man mit
Rücksicht auf (37), (370 die Darstellung (XVI) um, wie folgt:
^_ £ _aA+ß _ (aA+ß)(tÄ+8)
"" C+r ^ T A+8 ■" (yA+8) (tÄ+8)
_ aS-l-ß(Z+r) ßH+a(Z+r)
"" TS+8(Z+r) ' pH+a(Z+r) '
y_ i _ aßBH-f-a«B(Z+r)-4-ßgH(Z+r)-4-«ß(Z-f-r)g
""C+r~ ßY2H+aYS(Z+r) + ß8H(Z+r)+a8(Z+r)«* ^ ^
Da aber SH = (Z-f r)(Z— r), hebt sich rechts in (39) der
Faktor Z+r heraus und man hat wegen a8 — ßT = 1:
S _ a«S+ß2H+2aßZ ^^^^
C+r aYS+ß8H+(a8-hß7)Z-4-r
150 W. Fr. Meyer, Theorie der Drehungen und Quatemionen.
Versteht man unter x einen Proportionalitätsfaktor, so
zerlegt sich (40) in die beiden Gleichungen:
e = x{a«a+p«H+2aßZ}, )
C = x{aTS+ß8H+(a8+ß7)Z}+r(x-l). j
Da indessen C in E, H, Z homogen sein muQ, muß das
Glied r(x — 1) in Wegfall kommen, d. h. x = l sein.
Damit gehen (41) über in die erste und dritte der Glei-
chungen (XIV), und ersetzt man in der ersten Gleichung (41),
mit x=l, jede daselbst auftretende Größe durch ihre Kon-
jugierte, so entsteht auch die zweite Gleichung (XIV).
1
Wei9 E., Über die Stchfbarkeitsverhiltiiisse des Kometen 1905 IV im Februar
und März 1907.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. lltf (1907), p. 3— 1<(.
1905 IV, Sichtbarkeitsveriiältnisse im Februar und März 1907.
Weifl E., Site. Ber. ^er Wiener Akad., Ha. Abt., Bd. 110 (1907),
p. 3—16.
« «
Pemter «I. IL, Zur Theorie der »schönsten 'der Haloersdiefnuftgen«.
Sits. Ber. der Wiener Akad., Ha. Abt, Bd. 1 10 (1W7), p. 17---4g.
CireaiBzciitthaler Bogen von Bravais.
Pernter J. M., Si6i. Bor. der VNhiw JUbbA» üil AM^ Bd. 116
(1907X p. 17-^48.
Baiihrwmgsbogwi von 46* Sonnenabstand.
PeraterJ. U,, ,SiU. B«r. dar Wiener Aka4« IIa. Abt, Bd. 116
(IW7]b p. 17-.4&.
Haloers^einiu^.
Pernter J. M.. Sitz, ßer, der Wiener Akad./Ua. Abt. Bd. 116
(1907), p. 17—48.
Haloersdieiflaageii, Die schönste der — .
Pernter J. M., Sits. &er, der Wiener Akad., jla. Abt^ Bd. 116
(1907), p. 17-46.
£^ Ober das Ohm'sche Gesetz und die Elektronentheorie.
Sitz. Ber. der Wiener Akad^ 0 a. Abt, Bd. 116 (1907), p. 49-60.
inSüberdraht
Lecher E^ Sitz. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 49—60.
Ata.II«,
isuids'^ mt VI dOQ\ nsIdmoM eob d<i<emHÄHi9V(>lt9}liAdirfoi2 9tb tsdÜ ,.3 QidW
.VOet sibM bnu
.ai — 8 .q ,(T0G1) Ol 1 .ba ,.i6A .«11 ,.b«jlA i5nwW lab .»8 .sii2
.T06I cs'iiJM bnu iBuids'*! m\ a^ainiläriidVPjtd^iBdiridiS ,VI £Oet IsrnoX
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ail .ba ,.idA .bII ,.bB;JA i9n9iW 19b .198 .liiS ,.M .1 I9ini9l
.8*— 71 .q ,(TO«t)
.;|fioiilail08i9oUH 9l8fittibS
dit .ba ..idA .bII ,.bfiilA i9n9iW 19b .198 .«ii2 ,.M .1 i9Jni9<I
.8^—71 .q ,(70ei)
. — 19b »Isnörioe 9iQ (a9siuMii9flD8t9oUH
On .ba ,.idA .bII ,.bB]IA i9n9iW 19b .198 .xii2 ..M .1 i9ini9S
.81^-. VI .q ,(VOei)
.9ho9ilJn9noil3l9l3 9tb bnu si9890 9d98'rnri0 ?Bb i9dO <.S I9il99%l
Od— ei- .q ,(V061) 811 .b8 «.IdA .6 II «.bB3lA i9n9iW I9b .198 .sli2
JdBib-i9dIi2 ni aiiloibmoTtBUiBizAM
/ToOl) (M I bH ,jdA .Bll ,.bBjlA i9n9iW 19b .198 .xii2 »»S i9d99J
.08— O*' .q
Ohm'sches Geaets bei gröfilen StrQmdIcbten..
Lech#r E., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 49— 60.
NIessl G^ V., Babnbestimmang der Meteore vom 1^. )ännef and 29. Juni 1905.
SiU. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 61 — 107.
Bjümbestiflunui^ der Meteore vom 19. Jänner und 20. Juni, 1905.
Kiessl G., V., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 61—107.
< I >» '
Meteore vom 19. JKnner und 29. Jnni 1905. Bahnbestimmung derselben.
Niessl G., V., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116(1907),
p. 61-107.
m , •
Hess V. F., Ober das Uran X und die Absorption seiner tt-Strahlung.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907), p. 109—128.
Urmn X, Ober das — und die Absorption seiner a-Strahlung.
Hess V. F., SiU. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 1 16 (1907),
p. 109—128.
Eise neue a^Strahlniig bei Uran X, deren Abklingung und Absorption.
Hess V. F., Sitz. Bot. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 109—128.
Absorption der orStnMung von Uran X.
Hess V. F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 109—128.
Siegt K., Untersuchung der Kanatstrahten von Sauerstoff.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 1 16 (1907), p. 129—184.
h
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.Oei — Ö8! .q /TOei)
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DE WISSENSCHAFTER
■ATHEIATISCH-NATDRWISSENSCHAFTUCHB KUSSE.
CXVI. BAND. IL HEFT.
ABTEILUNG n a.
EMTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
11
153
Ober die Bestimmung der quadratisehen
Teiler algebraischer Formen
von
F. Hocevar in Graz.
(Vorgdei^t in der Sittung am 28. Pebramr 1907.)
Die linearen Terler algebraischer Formen lassen sich,
wie ich nachgewiesen habe,^ stets durch Ausdrücke darstellen,
welche nach der Nomenklatur der Formentheorie als Polaren
erster Ordnung der Form zu bezeichnen sind. Zu jeder
dieser Polaren gehört eine Nullstelle des entsprechenden
linearen Teilers als Pol. Dieses Resultat veranlaSte mich zur
Untersuchung, ob auch zwischen den Teilern höheren Grades
und den Polaren höherer Ordnung ein Zusammenhang besteht
und ob sich dieser zur Berechnung der Teiler verwenden läfit.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung, soweit sie quadratische
Teiler betrüTt, bilden den Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Es zeigte sich, daß man jeden quadratischen Teiler
einer Form durch Polaren erster und zweiter Ordnung
der Form in Bezug auf zwei gewissen Bedingungen ent*
sprechende Nullstellen des Teilers darstellen kann. Mit Hilfe
dieses Satzes und des eingangs erwähnten über lineare Teiler
kann man die linearen und die quadratischen Teiler jeder
beliebigen Form durch verhältnismäßig einfache Rechnung
bestimmen und daher auch jede Form von niedrigerem als
dem sechsten Grade in ihre im komplexen Zahlengebiet
irreduktiblen Faktoren zerlegen. Vergleicht man den damit
verbundenen Rechnungsaufwand mit jenem, welchen die
^ Ober die Zerlegbarkeit algebraischer Formen in lineare Faktoren, diese
Sitzangsberichte, 1904, p. 400 bis 428; Ober die Bestimmung der linearen Teiler
einer algebraischen Form, Verhandlungen des dritten intern. Math.-Kongr. in
Heidelberg, 1904, p. 151 bis 156.
11*
154 F. Hocevar,
bekannten Methoden ^ zur Zerlegung der Formen in irreduktible
Faktoren erfordern, so überzeugt man sich leicht, daß das hier
mitgeteilte Verfahren innerhalb der angegebenen Grenzen in
jenen Fällen, in denen es sich um die wirkliche Durchführung
der Rechnung handelt, weitaus den Vorzug verdient.
§ 1. Hilfissatz aus der Polarentheorie.
Wir gehen von der Gleichung
f=i^v (1)
aus, in welcher f=if{x)y u = u(x) und v = v(x) Formen der
Variablen x^, x^,. . .Xn bedeuten sollen, und finden
8/ 9v iu'
8«/ 8^1; ^u 8(; ^u 8t; Vu
ixiixk ixiixk ^Xi Zxk ixk ixi ixiixk
und allgemein
8^/ _ y I Y / 8^^ i^'-^v \(
iXiiXk^Xi. . . "" Zj I Zj \ixaixfi.. . 8:rx8;r^. . . /( *
(2)
In dieser Gleichung ist die innere Summe in folgender
Weise zu berechnen: Sind i, *,/,... verschiedene Zahlen der
Reihe 1, 2,. . .«, so setze man für a, ß,. . . alle Kombinationen
^ter Klasse aus den Elementen i, *,/,... und für X, jt, . . . in jedem
Falle die übrigbleibenden dieser Zahlen. Kommen hingegen
unter den Zahlen i, ^, /,. . . einander gleiche vor, so mache man
sie zunächst, etwa durch Anhängen von Zeigern, voneinander
verschieden, berechne dann die Summe wie im ersten Falle und
beseitige schließlich durch Weglassen der Zeiger die vorüber-
gehend angenommene Verschiedenheit. Somit ist in jedem
dieser beiden Fälle die Anzahl der Summanden = ( jJ*
Ersetzt man nun in der Gleichung (2) die Variablen
x^^ x^,. . , Xn durch ^„ >'2>* • • y^i multipliziert beide Seiten der
1 Siehe Enzyklopädie der math. Wiss., I. B 1 2^, p. 259, oder Netto,
Vorlesungen über Algebra, II, p. 14 und 17.
L_
Quadratische Teiler algebraischer Formen. 1 55
SO transformierten Gleichung mit Xi Xk Xi. . .^ d. h. mit dem
Produkt ebenderselben Variablen, nach denen bei der Ableitung
der Gleichung (2) dilRFerenziiert wurde, und summiert für
/, i, /,. . . = 1, 2,. . . ff, so ergibt sich
*» *»*f • • •
oder auch, wenn
*y ff y Wf • • •
gesetzt wird,
r
A5/(^) = 2 {ASfi(>.) . Ar^t;(^)}. (3)
Da man bekanntlich A!|^cp(^) oder auch einen dieser Größe
proportionalen Ausdruck als die Polare r^er Ordnung der
Form ff{x) in Bezug auf den Pol (y) ~ {y-i^y^y • -^n) bezeichnet,
so zeigt also die Gleichung (3), welche die Grundlage der
nachfolgenden Entwicklungen bildet, wie die Polare irgend
einer Ordnung des Produktes zweier Formen durch die Polaren
der Faktoren dargestellt wird.
Es mögen hier noch jene Eigenschaften der Polaren
hervorgehoben werden, welche in dieser Arbeit zur Anwendung
gelangen :
Ist ^{x) eine Form vom Grade /;, so hat man
A5(p(^) = Aj"X;r), wenn 0<r</7, (4)
A*t(>') = t(^),
A*?0') = 0, wenn r>/?.
156 F. Hoccvar,
. 2. Anwendung auf lineare Teiler.
Man setze in der Gleichung (3)
yi = ai (1=1,2,...«)
und wähle diese Konstanten so, daß die Bedingungen
»(a) = 0, v{a)z^O (5)
erfüllt sind. Führt man noch zur Abkürzung die folgenden
Bezeichnungen ein:
so geht die Gleichung (3) in die folgende über:
Nun sei der Teiler u der Form / linear, also mit Rücksicht
auf die Relationen (4)
Uj^ = u, C7g = C/j == . . . = 0.
Dann erhält man aus der Gleichung (6)
Fr — uVr^l
und speziell für r = 1
Da Vf^ konstant ist, so führen diese beiden Gleichungen
zu folgenden Sätzen:
Jeder lineare Teiler einer Form ist zugleich ein
Teiler sämtlicher Polaren der Form in Bezug auf
irgend eine Nullstelle (a) des linearen Teilers als Pol.
Unter diesen Polaren ist jene der ersten Ordnung ein
Teiler der gegebenen Form, vorausgesetzt, dafi kein
anderer Teiler dieser Form an der Stelle (a) ver-
schwindet.
Der letzte Satz läßt sich, wie ich in der zweiten der ein-
gangs zitierten Arbeiten nachgewiesen habe und wie auch aus
dem § 5 der vorliegenden Arbeit hervorgeht, zur Bestimmung
aller linearen Teiler irgend einer Form verwenden.
Quadratische Teiler algebraischer Formeiu 157
§ 3. Anwendung auf quadratische Tetten
Nun sei der Teiler u der Form / vom zweiten und letztere
vom ifften Grade. Man hat dann mit Rücksicht auf die Re-
lationen (4)
Aus der Gleichung (6) folgt daher, wenn man der Reihe
nach r =r 1, 2, 3,. . .m — 2, m — 1 setzt,
Fi = U,V„
F, = U^V,+uV„
m
Durch Elimination von U^ ergibt sich daraus :
F V
F — *^ I mV
•^0
F — ^^^' I uV
•^0
F^.2 = ^i^^+»V^-A.
F f
F^L^i = -— ^ — + uV^^
(7)
Nun kann man noch die Größen V^, V^, . . . Vin— 3 elimi-
nieren, indem man die Gleichungen (7) der Reihe nach mit
, p^ f_JLY ( ^» Y~'
uv^' \ hvJ'---\ uvJ
multipliziert und hierauf addiert. Es zeigt sich, daß im
Resultat u und V, nur in der Verbindung uV^ vorkommen,
158 F. HoceTar,
was für den Erfolg dieser Untersuchung von entscheidender
Bedeutung ist Setzt man also
so gelangt man auf dem angegebenen Wege zur Gleichung
+ (— l)«-2^-«iSn_l«+(— 1)«-»F«-V=0, (8)
in welcher nun z als ein an der Stelle (a) verschwindender
quadratischer Teiler der Form angesehen werden kann, da ja Vq
konstant und nach der Voraussetzung nicht gleich Null ist
Hat also eine Form /des wten Grades einen qua-
dratischen Teiler z, welcher an der Stelle (a) ver-
schwindet, während alle anderen Teiler der Form
an dieser Stelle von der Null verschieden sind, so
ist z eine Wurzel der Gleichung (8).
Alle übrigen Wurzeln dieser Gleichung sind jedoch nicht
Teiler der Form /, da sie an der Stelle (a) verschwinden. Denn
an dieser Stelle sind, wie man sich leicht überzeugt^ sämtliche
in der Gleichung (8) vorkommende Polaren gleich Null.
§ 4. Explizite Darstellung des quadratischen Teilers durch
Polaren.
Es handelt sich nun darum, den durch die Nullstelle (a)
bestimmten quadratischen Teiler z der Form / aus der
Gleichung (8) zu berechnen. Offenbar ist dies auf algebraischem
Wege im allgemeinen nicht möglich und es bleibt daher nur
der funktionentheoretische Weg übrig, das ist die Entwicklung
in Potenzreihen. Für diesen Zweck ist die Stelle
unbrauchbar, denn für die angenommenen Werte der Variablen ;r
verschwinden die Koeffizienten sämtlicher Glieder der Gleichung
außer dem ersten. Wir führen daher ein zweites System von
speziellen Werten ein:
X^ — *^if ^2 — ^2»* ' '^n — ^1
fi)
Quadratische Teiler algebraischer Formen. 1 39
von dem wir voraussetzen, dafi an der Stelle (b) der quadra-
tische Teiler z verschwindet, hingegen der Koeffizient der
ersten Potenz der Unbekannten in der Gleichung (8) von der
Null verschieden ist Letzteres findet dann und nur dann statt,
wenn die Bedingungen
F,(b)4:0, F^,^(b)z^O (9)
erfüllt sind.
Die weitere Rechnung läfit sich mit Hilfe der ersten
Gleichung im System (7) erheblich abkürzen. Setzt man nämlich
und beachtet, daß uV^ z= z ist, so verwandelt sich jene
Gleichung in die folgende
z = F^+F^fu (10)
und man erkennt, dafi hiedurch die Berechnung des quadra-
tischen Teilers z auf jene des linearen Ausdruckes fv zurück-
geführt ist. Nun hat man
1=1 /=i
femer mit Rücksicht auf die Gleichung (10)
iz iF^ ^ ifv iF.
und daher
iXi 2xi ^ ixi ixi
iz 8-Fo ifv 3F.
ibi ibi ^^ ' Ui ^ ' Ui
Um hieraus -r^- bestimmen zu können, muß man zuvor
8z *
mit Hilfe der Gleichung (8) berechnen. Diese läßt sich
hbi
durch Auflösen nach der ersten Potenz der Unbekannten auf
die Form
F P
160 F. HoSevar,
bringen, wo P eine ganze Funktion der Variablen »i,*,,. ..Xn,z
bedeutet Es ist also
8« F, ^f . l f F, \ P _ 8s
ix{ F„-t Zxi •' ixi \F„-iJ F'^-'F^i Ui
iXiKF^-^Fn^xl'
und daher
Ui - F„-r(b) U{ ^'""^
Aus der Gleichung (10) erhält man femer durch die Sub-
stitution X{ = b{ (i = 1,2,...«)
0 = F^(b)+F,(b).w(b),
somit
Führt man die in (13) und (14) erhaltenen Werte in die
Gleichung (12) ein und löst nach -r^— auf, so erhält man
obi
U{ - F„-x{b) ib, ^ \F^(P)\' Ui F,ib) Ui ^ ''^
oder auch wegen
3^1 _ 8^1 _ 8/
dbi ^Xi idi
Zbi Z_i * ioiiat * Sa* '
8n» 1 8/ F,(&)
8*, -/-„_,(&) 8i>, ' [Fi(&)]«
8/
8 a/
F,(b) '*'' 8 a,
Nun substituiere man diesen Wert in die Gleichung (11).
Es ist dann
Quadratische Teiler algebraischer Formen. 16 1
oder endlich wegen
X(b) = Mfia),
F^_,(*) = A-^«/(a) = A«/(t)
^_4r/W , Mf(a).£L,f(a) A.A,/(a)
•^ - A<./(i>) •*■ [A»/(a)]« A*/(a) * ^"'^
Wir sind somit zu folgendem Resultat gelangt :
Hat eine Form / einen quadratischen Teiler z,
der an den Stellen (a) und (b) verschwindet, ist ferner
Aa/(ft)4:0 und A>/(a)i^O (17)
[vergl. die Bedingungen (9)] und verschwindet an der
Stelle (a) kein anderer Teiler der Form, so ist
z = Mf(ß) +
Eine einfachere Form dieses Resultates ergibt sich aus
der Bemerkung, daß man die rechte Seite der Gleichung (15)
auch erhält, wenn man die gebrochene Funktion
/ F,
%
Fm—1 Pi
nach Xi differentilert und hierauf X( = bi substituiert Setzt
man also
fix) Mf{a) _
so ist
«i=rA|/(a)+A;,/(a).A,(p(&).
§ 5. Berechnung der quadratischen Teiler einer Form.
Es sei nun die Aufgabe gestellt, die quadratischen Teiler
einer Form/(;irj, x^^, . . Xn) des f»ten Grades zu bestimmen. Man
kann annehmen, daß diese Form keine vielfachen Teiler besitzt
162 F. Hocevar,
und das Glied mit x^ enthält, denn jeder andere Fall läßt sich
auf einen solchen zurückführen, in welchem diese beiden
Voraussetzungen erfüllt sind.^ Nun setze man
und wähle die Zahlen a derart, daß alle m Wurzeln der
Gleichung .. s r. /in\
voneinander verschieden sind. Dies kann auf unendlich viele
Arten geschehen und es ist in der Regel auch möglich, die
Gleichung (19) durch entsprechende Wahl der Zahlen a zu
einer leicht auflösbaren zu machen. Bezeichnet man die
Wurzeln mit
a(i) a(2) a^*«)
1 ' 1 > 1 >
so hat man auf diese Weise m Nullstellen der Form f^ nämlich
x^ = a^\ x^ = Äj,. . .Xn = Ä« (20)
(X = l, 2,. ..w)
gefunden, welche zur Berechnung der linearen und der
quadratischen Teiler der Form / benützt werden können.
Um die linearen Teiler zu finden, berechne man die
Polaren erster Ordnung der Form in Bezug auf die Null-
stellen (20) als Pole. Nach § 2 ist jeder lineare Teiler mit
einer dieser Polaren identisch.
Nun verwende man jede mögliche Ambe der übrigbleibenden
Nullstellen, d. i. jener, denen kein linearer Teiler entspricht,
zur Berechnung des Ausdruckes (18). Dann ist jeder
quadratische Teiler der Form mit einem dieser Aus-
drücke identisch. Um zu beweisen, daß in der Tat je zwei
der Nullstellen (20), die wir der bequemeren Schreibweise
wegen auch weiterhin mit (a^, ag,. . .a«) und (b^yb^,- - -K)
bezeichnen wollen, den Bedingungen (17) genügen, und um
gleichzeitig die Formel (18) zu vereinfachen, berücksichtigen
wir, daß im voriiegenden Falle die Gleichungen
^2 = ^2» ^3 = ^8, . • • ^n = ö«
1 Vergl. die erste der beiden oben zitierten Arbeiten, p. 408 bis 411.
Quadratische Teiler algebraischer Formen. 163
erfüllt sind. Da nun
1=1 1=1
und
i,k caiöak
(i, *i=l, 2,...«)
ist, so hat man
/=i f=i ^
A./(*)=j;a,|£-|]*,|£=(a,-&j|^. (22)
f=l •=! ' ^
Nach der Voraussetzung sind nun a^ und b^ zwei
verschiedene einfache Wurzeln der Gleichung (19), somit sind
die Bedingungen (17) in der Tat erfüllt.
Man findet femer
^ 1 ,=2 ^ '
und da
ist, so folgt
A|/(a) = i.(*,-^,).^ + («,-l)(^-a,)^ .
Endlich ist
(23)
164 F. Ho2cvar,
Zbk J^ = y a» J^— + (*i— a,) J^
*=i »=i *
= (««—1)1=^ + (*i— a,) . ; ,
K^tfia) = («»_i)A^/(a)+(&i-ai) A,^^ . (24)
Setzt man nun die in (21) bis (24) erhaltenen Ausdrücke
in die Gleichung (18) ein, so findet man
somit
z
wo
= A«/(ö)+ A,/(a) . {.4A,/(a)+SA,/(d)+ CA, ^~], (25)
3»/
2 18^>' ^ ~ '^ 8^ ä^
Es ist nun klar, daß diese Formeln zur Bestimmung der
quadratischen Teiler der Form / in der oben angegebenen
Weise benützt werden können, denn jeder quadratische Teiler
von / verschwindet für zwei der Wertsysteme (20), während
dieselben zwei Wertsysteme keinen anderen Teiler der Form
annullieren und außerdem die Bedingungen (17) erfüllen.
Zur Abkürzung der Rechnung hat man zu beachten, daß
die Zahl b^ in der Gleichung (25) nur in dem Gliede
Bii^fib)
vorkommt. Man hat somit nur dieses Glied zu ändern, wenn
der den Nullstellen (a) und (b) entsprechende Ausdruck z kein
Teiler der Form ist und daher die erstere Nullstelle mit einer
anderen kombiniert wird. Geht man in dieser Weise vor, so hat
man z. B. bei biquadratischen Formen im ungünstigsten Falle
nur drei Kombinationen von Nullstellen zu benützen.
Schließlich sei noch bemerkt, daß die mit der Bestimmung
der quadratischen Teiler verbundene Rechnungsarbeit haupt-
sächlich vom Grade der Form abhängt und nur unbedeutend
mit der Anzahl der Variablen zunimmt.
Quftdimtische Tetlar algebnuscher Fonneiu 165
Erstes Beispiel.
Setzt man ^ =:], 1:3 nl, so geht die Gleichung /=:0 in
it}—5*f 4-4 = 0
über und hat die Wurzeln 1, —1, 2, — 2. Nun sei
^1 = ^ ^ = 1> ^8 = ^
Dann erhält man
^xf(ä) = — 6(;r,+;r,— 2*,),
A,/(&) = 6(;r,-;r,+2;r,),
AI/(a) = ;r«— 4;ri;r,— le^tTiiTj— ll;K|+8^,;r3+22;»r|,
A;,^^ = 2(;r— 2;r,-8;r,),
^ = — , 5 = — , C = — ,
36 12 6
2 = — 3(:t«+^— 24).
Durch Division überzeugt man sich, dafi ^rj+^f — 2^ in
der Tat ein Teiler der Form / ist
Zweites Beispiel.^
f=^x^+xl{xl-^x^x^)-hx^(^+x!lx^-hxf)+xl:^'hXj^^,
Hier liegt der Fall vor, daß eine Form des vierten Grades
keine Variable in der vierten Potenz enthält. Trotzdem kann
das oben abgeleitete Verfahren direkt angewendet werden,
weil f bezüglich x^ vom dritten Grade ist. Wenn also / in
quadratische Faktoren zerfällt, so muS der eine bezüglich x^
vom zweiten Grade sein.
1 VergL Netto, Algebra, II, p. 18.
166 F. Ho5cvar, Quadratische Teiler algebraischer Formen.
Setzt man :rg=:l, x^= — 1, so erhält man die Gleichung
^—^1 = 0
mit den Wurzeln 0, 1, — 1. Aus den Annahmen
a^ = 0, a, = 1, öj = —1
J,=:l, &, = 1, &8 = — 1
ergibt sich, daß der Ausdruck
ein Teiler der gegebenen Form ist.
167
Untersuchung über die Bestrahlung der Erde
durch die Sonne mit Berücksichtigung der
Absorption der Wärmestrahlen durch die
atmosphärische Luft nach dem Lambert'sehen
Gesetze
von
Dr. Friedrieh Hopiher.
I. litMlnig: Analyttsehe Bebandlng des Problems.
(Mit 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 7. Fe)>ruar 1907.)
I. Literatur. — Streo^e Fassung des geßtellten Problems.
Die OberflftQhe der Erde erhält von vier Wärmequellen,
deren Intensität jedoch eine sehr verschiedene ist, unaus-
gesetzt Wärme zugesendet. Gegenwärtig und vielleicht ßwh
für alle Zeiten unme^b^r/ weil genz minimal, sind die Wärme-
mengen, welche von den mei.sten Fixsternen und Planeten -r-
von letzteren alß reflektierte Sonnenwärme — der Erde zu-
gestrahlt werden. Auch eine Bereehnung dieser Wärmemengen
ist nach Maurer^ ganz auseiehtslos. Ebensowenig kommt
beim dermaligen Stande der Meteorologie der Einfluß der
Mondstrahlung für eine Berechnung der dem Erdballe zu-
gestrahlten Wärmemengen in Betracht; sendet uns doch nach
^ Langley, Researches on solar heat, Washington, 1884, p, IZZ- Über
die WänBesir^blung voe Arkturus, Veg», JupJ^r, Si^tyrn lese man Nichols,
Ajs^pbysNMÜ Jpumd, vol. XIJI, ^901, p, ^01 IT. Referat hierüber Mel. Zeit-
s^r.. 1902, p. Äie,
' Maurer, Zur Frage der Sternstrahlung. Met. ^itschr., 1890, p. 18.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 12
168 F. Hopfner,
Langley* der Mond wenig mehr als den hunderttausendsten
Teil der Sonnenwärme zu.
Von größerer Bedeutung bereits für die Erwärmung der
Erdoberfläche ist der konstante Wärmestrom, welcher aus dem
warmen Erdinnern von den tieferen Erdschichten gegen die
Erdoberfläche hinfließt und damit dieser unausgesetzt Wärme
zuführt. Bei einem wahrscheinlichen Temperaturgradienten
von 2*8** pro 100 m Tiefe und einem mittleren Wärmeleitungs-
koeffizienten der oberen Erdschichten von 0*0006 (rw—sec.)
berechnet sich die Wärmemenge, welche pro Quadratzenti-
meter und Sekunde der Erdoberfläche zugeführt wird, zu
0" 000001 7^ kleinen Kalorien, daher in einem Jahre von
31557000 mittleren Sekunden zu beiläufig 54*2 Gramm-
kalorien. Nach Trabert^ erhöht sich hiedurch die Mittel-
temperatur der Erde um O'l bis 0*2°, also nur um einen sehr
geringen Betrag. Zu dem kommt, daß die gleichmäßige Zufuhr
von Wärme in allen Zonen der Erde und zu allen Zeiten des
Jahres hinsichtlich ihres Effektes sich bei jeder Untersuchung
über die relative Verteilung der der Erdoberfläche zuge-
sandten Wärmemengen von selbst eliminiert. Dieser Umstand
im Verein mit der Geringfügigkeit der Wärmemengen aus dem
Erdinnern ist die Ursache, daß man bisher auch diese Wärme-
quelle der Erdoberfläche vernachlässigt hat. Es bleibt daher
als einzige und im Vergleiche zu den bisher aufgezählten als
ganz unverhältnismäßig große Wärmequelle der Erde die
Sonne allein übrig; mit der Berechnung der von ihr den
einzelnen Breiten der Erde zugestrahlten Wärmemengen be-
fassen sich allein alle Untersuchungen, welche ein Bild von
der Verteilung der Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche
geben. Von diesen seien die Nachstehenden besonders an-
geführt:
1 Langley, The temperature of the Moon. National Academy of sciences,
1887, vol. IV.
2 Nach Hann, Lehrbuch der Meteorologie, Leipzig, 1901, p. 23.
s Trabert, Die Bedeutung der inneren Erdwärme für die Mitteltemperatur
der Erdoberfläche, Met. Zeitschr., 1897, p. 151; in der Abhandlung wird der
genaue Wert 0" 16* gefunden.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 69
Halley, A discourse conceming the proportional heat of
the Sun in all latitudes... (Phil. Transactions for the year 1693,
vol. XVII).
Lambert, Pyrometrie. Berlin, 1779.*
Poisson, Theorie mathematique de la chaleur. Paris,
1835.«
Brenner, Die astronomische Wärme- und Lichtverteilung
auf der Erdoberfläche (Grunert's Archiv der Mathematik und
Physik, 1851).
Meech, On the relative intensity of the heat and light of
the Sun etc. (Smithsonian contributions to Knowledge, vol. IX,
Washington, 1856).
Plana, Memoire sur la loi de refroidissement des corps
spheriques et sur l'expression de la chaleur solaire dans les
latitudes circumpolaires de la Terre (Comptes rendus de TAca-
demie des Sciences, t. LVIII, Paris, 1864).
G. Lambert, Loi de Tinsolation (Comptes rendus de
TAcademie des Sciences, t. LXV, Paris, 1867).
Chr. Wiener, Über die Stärke der Bestrahlung der Erde
durch die Sonne in den verschiedenen Breiten und Jahres-
zeiten (Schlömilch's Zeitschrift für Mathematik und Physik,
1877, T. 22; siehe auch Zeitschrift der österr. Gesellschaft für
Meteorologie, Bd. XIV, Wien, 1879).
Sam. Haughton, New Research es on Sun Heat and
Terrestrial Radiation (Trans. Royal Irish Academy, vol. XXVIII,
Dublin, 1881, Part I, IL Part III in Royal Irish Academy Cun-
ningham Memoirs No. III, Dublin, 1886).
Angot, Recherches theoriques sur la distribution de la
chaleur ä la surface du globe (Annales du Bureau Central Met.
de France, Memoires de 1883, Paris, 1885).
W. Zenker, Die Verteilung der Wärme auf der Erd-
oberfläche. Berlin, 1888.
R. Hargreaves, Distribution of Solar Radiation on the
surface of the Earth and its Dependence on Astron. Elements
(Cambridge, Phil. Trans., vol. XVI, Part I, Jan. 1896).
1 p. 305 ff.
« p. 473 ff.
12*
170 F. Hopfner,
Ebenso hat der Verfasser in den folgenden drei Mono-
graphien die Bestrahlung der Erde durch die Sonne behandelt^
aber ohne Berücksichtigung des modifizierenden Einflusses
der Atmosphäre auf die Wärmestrahlen :
Die Verteilung der solaren Wärmestrahlung auf der Erde
(diese Sitzungsberichte, Bd. CXIV, Abt. IIa, 1905).
Über die Größe der solaren Wärmemengen, welche in
gegebenen Zeiten beliebigen Breiten der Erde zugestrahlt
werden (Met. Zeitschr., 1 906, p. 385 ff.).
Die tägliche solare Wärmestrahlung auf einer in beliebiger
Breite fest gegebenen Flächeneinheit (Met. Zeitschr., 1906,
p. 396 ff.).
Die oben angeführten chronologisch geordneten Mono-
graphien teilen sich in zwei Gruppen, je nachdem nämlich der
Einfluß der die Erde umgebenden Atmosphäre auf die sie
passierenden Wärmestrahlen von den Autoren berücksichtigt
wurde oder nicht. Mit der Besprechung der Ergebnisse der
beiden wichtigsten zur ersten Gruppe zählenden Abhand-
lungen wird sich ein späterer Abschnitt dieser Untersuchung
eingehend befassen.
Viel wichtiger für die richtige Behandlung des ganzen
Problems als diese Scheidung der Autoren in zwei Gruppen
aber ist folgende:
Obwohl fast keiner der aufgezählten Verfasser ein Gewicht
darauf legt, ja sogar nur wenige sich dessen überhaupt bewußt
sind, erkennt man dennoch bei einem vergleichsweisen Studium
obiger Monographien unschwer, daß in der Stellung und
Behandlung des vorliegenden Problems zwei Auffassungen
bestehen, die, wesentlich voneinander verschieden, zu Ergeb-
nissen* führen, die nur richtig bleiben bei strenger Festhaltung
jener Fassung des Problems, unter der sie ermittelt wurden.
Der Vergleich der einzelnen Abhandlungen miteinander zeigt
nämlich, daß die einen von den Autoren jene wirklichen
1 Siehe hiezu die Ergebnisse des Vergleiches der Bestrahlung von
Äquator und Pol in der von der Wiener Akademie veröffentlichten Abhandlung
des Verfassers, p. 1344 ff.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 171
Wärmemengen zu berechnen suchen, welche im Laufe eines
Tages einer auf beliebiger Breite festgegebenen
Flächeneinheit zugestrahlt werden, und von diesen wirk-
lichen Wärmemengen, die sie für verschiedene Tage des Jahres
berechnen, auf den jährlichen Gang der Wärmestrahlung auf
der angenommenen Breite überhaupt schließen, die zweite
Gruppe der Autoren aber von einer solchen festgegebenen
Flächeneinheit ganz abstrahiert und jene durchschnitt-
lichen Wärmemengen zu ermitteln trachtet, die pro
Flächeneinheit einer beliebigen Breite in gewissen
Zeitabschnitten zugestrahlt werden und auf Grund dieser
Wärmemengen den jährlichen Verlauf der Wärmestrahlung
auf der angenommenen Breite untersucht.
Diese Unterscheidung ist für die exakte Behandlung des
vorliegenden Problems grundlegend; es wird daher zweck-
mäßig sein, sie mathematisch zu begründen und astronomisch
zu veranschaulichen.
Zu diesem Zwecke wollen wir überlegen, von welchen
Faktoren die Wärmemenge abhängt, die in jedem Zeitmoment
auf eine Flächeneinheit an der Erdoberfläche auffällt. Nach
dem allgemeinen, für jede Strahlung gültigen Gesetz ist die
Wärmemenge einmal von der Entfernung der Sonne von der
betrachteten Flächeneinheit und dann von dem Winkel ab-
hängig, unter dem die Sonnenstrahlen auf sie auffallen. Da
jedoch die Strahlen nicht direkt zu der Flächeneinheit gelangen,
sondern vorher noch die die Erde umgebende atmosphärische
Luft zu passieren haben, in der sie eine Schwächung ihrer
Intensität erfahren, so wird die Menge der zugestrahlten
Wärme auch abhängig sein von dem Einflüsse der Luft auf
die Wärmestrahlen. Es ist uns jedoch einstweilen gestattet,
von diesem Einflüsse der Atmosphäre auf die Wärmestrahlen
ganz abzusehen, ohne daß hiedurch die Allgemeinheit unserer
Betrachtung eine Einbuße erfahrt. Dann ist also die der an-
genommenen Flächeneinheit in jedem Zeitmoment zugestrahlte
Wärmemenge allein abhängig von der Entfernung der Erde
von der Sonne und von dem Winkel, unter dem die Wärme-
strahlen auf die Flächeneinheit auffallen. Es berechnet sich
dann die unendlich kleine Wärmemenge äq^ welche in der
172 F. Hopfner,
unendlich kleinen (mittleren) Zeit dt der Flächeneinheit zu-
gestrahlt wird, aus der Gleichung
dq = F(r,h)dt,
wenn r die Entfernung der Flächeneinheit vom Sonnenmittel-
punkte, Ä die Erhebung der Sonne über deren Horizont dar-
stellt.
Durch die Angabe der Entfernung r ist aber die gewählte
Flächeneinheit nicht in eindeutiger Weise in ihrem Orte in der
Erdbahn festgelegt, da ja demselben Radiusvektor r zwei Erd-
orte symmetrisch zur Apsidenlinie der Erdbahn entsprechen.
Es wird sich daher für eine eindeutige Bestimmung empfehlen,
ein anderes Element der jährlichen Bewegung der Erde in
ihrer Bahn als unabhängig Veränderliche obiger Gleichung
zu wählen. Als solche eignet sich die Länge 0 der wahren
Sonne am besten, da sie vom Frühlingspunkte von 0 an-
gefangen die ganze Erdbahn im Sinne der Erdbewegung hin-
durch bis 360** gezählt wird, derart, daß einem bestimmten 0
immer nur ein Erdort entspricht. Ebenso steht es mit dem
Winkel Ä, da zweimal im Tage, am Vor- und Nachmittage, die
Sonne dieselbe Höhe über dem Horizont erreicht. Praktischer
ist es für eine eindeutige Bestimmung, den Stundenwinkel der
wahren Sonne t zu verwenden, den wir, dem allgemeinen
Brauche folgend, am Vormittage negativ, am Nachmittage
positiv zählen wollen.
Führen wir diese neuen eindeutigen Veränderlichen an
Stelle der alten ein, so ist die Wärmemenge, welche im Laufe
einer gewissen Zeit von t^ bis / der betrachteten Flächen-
einheit zugestrahlt wird, gegeben durch das nachstehende
Integral
Hierin sind beide Veränderliche 0 und t mit der mittleren
Zeit variabel. Trotz dieser Gemeinsamkeit besteht jedoch der
große, astronomisch begründete Unterschied zwischen ihnen,
daß die erstere Veränderliche ein Element der jährlichen
Bewegung der Erde um die Sonne ist, also die Stellung der
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 73
Flächeneinheit auf der Erde in deren Bahn fixiert, während
der Stundenwinkel als Element der scheinbaren täglichen
Bewegung der Sonne um die Erde die Stellung ersterer
während des Tages für jeden Zeitmoment dt gegenüber der
angenommenen Flächeneinheit festlegt.
Soll nun die angezeigte Operation des Integrierens auf
der rechten Seite obiger Gleichung tatsächlich durchgeführt
werden, so ist erforderlich, daß nur eine unabhängige Ver-
änderliche unter dem Integralzeichen auftrete. Und da ist es
nun ohne weiteres klar, daß sich der Untersuchung zwei
.Möglichkeiten darbieten; entweder wählt man nämlich den
wahren Stundenwinkel t der Sonne als unabhängig Veränder-
liche oder die wahre Länge der Sonne O als solche. Im
ersteren Falle wird man die wahre Länge der Sonne O als
Funktion des wahren Stundenwinkels t, im zweiten Falle aber
umgekehrt den wahren Stundenwinkel t als Funktion der
wahren Sonnenlänge 0 darzustellen haben. Auf diese Weise
gelangt man aber zu zwei Integralen von nachstehender Form:
rV,(t)Jt und p/,(0)rf0,
deren verschiedene physikalische Bedeutung auf den ersten
Blick schon daraus erhellt, daß die erstere von den beiden
Wärmemengen nur abhängig ist von der scheinbaren täg-
lichen Bewegung der Sonne um die Erde, während die zweite
Wärmemenge — von dieser scheinbaren Bewegung ganz
unabhängig — nur bestimmt ist durch die jährliche Stellung
der Erde in ihrer Bahn innerhalb der Integrationsgrenzen.
Damit ist der mathematische Beweis erbracht, daß die
Losung des Problems auf zwei Wegen angestrebt werden
kann; die besondere Fassung, die hiedurch in jedem Falle das
Problem erfährt, und die physikalische Bedeutung der auf
jedem der beiden Wege ermittelten Wärmemengen läßt uns
aber die Astronomie erkennen.
Wir schicken voraus, daß gemäß der geometrischen Be-
deutung eines jeden Integrals als Flächeninhalt einer Kurve
die beiden Funktionen f^ und f^j die sogenannten Strahlungs-
174 F. Hopfner,
funktionen, Gleichungen von Kurven sind, deren physikalische
Bedeutung sich gemeinsam mit jener der beiden Integrale
ergibt.
Behufs Erkenntnis dieser verschiedenen physikalischen
Bedeutung der beiden durch obige Integrale bestimmten
Wärmemengen denken wir uns einmal auf eine FUlchen-
einheit, welche in beliebiger Breite (ausgenommen die beiden
Pole) fest angenommen ist, und danti in den Sonnei^mittel-
punkt versetzt.
Auf der in beliebiger Breite fest angenommenen Flächen-
einheit ist die Größe der Wärmemenge, welche in jedem
Zeitmoment äi zugestrahlt wird, abhängig von dem Stande
der Sonne über dem Horizonte dieser Flächeneinheit Diese
Wärmeni^nge ist um so größer, je höher sich die Sonne über
dem Horizonte befindet; sie wächst daher mit zunehmender
Sonnenhöhe und wird kleiner mit abnehmender Sonnenhöhe.
In jenen Breiten, auf welchen die Sonne untergeht, hört die
Wärmestrahlung mit Anbruch der Nacht auf der Flächen-
einheit ganz auf. Das sind, weil alltägliche Erscheinungen,
bekannte Tatsachen. Sie lehren aber, daß die Wärmestrahlung
auf einer solchen festen Flächeneinheit von beliebiger Breite
abhängig ist von der scheinbaren täglichen Bewegung der
Sonne. Es wird deshalb die Strahlungsfunktion, welche den
Verlauf der Wärmestrahlung auf einer solchen Flächeneinheit
angibt, ein Element der scheinbaren täglichen Bewegung als
unabhängig Veränderliche enthalten müssen und damit die
Wärmemenge, welche innerhalb einer gegebenen Zeit dieser
Flächeneinheit zugestrahlt wird, durch ein Integral über eine
so beschaffene Strahlungsfunktion gegeben sein.
Wenn wir uns also in dem Integrale, von dem
wir ausgegangen sind, das Element der jährlichen
Bewegung, nämlich die Länge der wahren Sonne,
durch den Stundenwinkel der wahren Sonne ersetzt
denken, so berechnen wir damit jene Wärmemenge,
welche einer in beliebiger Breite festgegebenen
Flächeneinheit zugestrahlt wird.
Im besonderen wird dies die im Laufe eines ganzen Tages
zugestrahlte Wärmemenge sein, wenn in unserem allgemeinen
Bestrahlung der Erde durth die Sonne. 175
Integral t^ den Stundenwinkel des Sonnenaufganges, t, den
des -Unterganges vorstellt.
Will man daher jene Wärmemenge berechnen, welche
dieser Flächeneinheit innerhalb einer längeren Zeit, welche
die Dauer eines Be^trahlungstages überschreitet, zugesandt
wird, so hat man diese in eine Summe von Strahlungstagen
und Nächten 2u zerlegen und für die Strahlungstage durch
Integration auf die eben besprochene Weise die zugestrahlten
Wärmemengen zu berechnen, die dann zu summieren sind.
Es ist somit für einen längeren Zeitabschnitt als den eines
Tages die Berechnung der der fest angenommenen Flächen-
einheit 2Ugestrahlten Wärmemenge nicht durch eine blo6e
Integration ausführbar. Sie hat vielmehr aligemein in der Form
1 2i7-l
zu erfolgen, wenn t^, tj, t^, . , . t2y_i die Stundenwinkel der
Sonnenaufgänge, t^, t^, tg, . . . tgr die der Sonnenuntergänge in
r aufeinander folgenden Tagen vorstellen.
Obige Summenformel gewinnt an Klarheit durch eine geo«
metrische Betrachtung, bei welcher wir uns auf den speziellen
Fall des Äquators beschränken wollen. Es ist dann nicht
schwer, für diesen den allgemeinen Charakter der Funktion
/j(t) anzugeben. Denken wir uns nämlich die Sonne als Fix-
stern, für welchen dann sowohl Deklination als Radiusvektor
konstant genommen werden muß, so ist einfach bis auf eine
multiplikative Konstante f^ (t) =r cos t. Da nun die Eigen-
bewegung der Sonne, also ihre Deklinations- und Distanz-
änderung, im Laufe eines Tages relativ klein ist, so wird auch
bei ihr genähert die obige Gleichung gelten.
Geometrisch betrachtet, heißt das aber nichts anderes, als
daß der funktionale Verlauf der täglichen Wärmestrahlung auf
einer am Äquator festgegebenen Flächeneinheit näherungs-
weise durch eine Sinuslinie gegeben ist; die Wärmemenge
aber, welche im Laufe eines Tages ihr zugesandt wird, durch
den Flächeninhalt, welcher von dieser Kurve und einer Achse
des gewählten Koordinatensystems eingeschlossen wird.
176 F. Hopfner,
Hiebei schneidet diese Kurve die Achse der Stunden-
winkel in den Punkten t^ und tg, also den Stundenwinkeln des
Sonnen-Auf- und -Unterganges. Denken wir uns nun diese
Stundenwinkel auf dieser Stundenachse für eine ganze Reihe
von Tagen aufgetragen und für die Strahlungstage unsere
Kurve konstruiert, so wird die Gesamtwärme, welche in dieser
Zeit der Flächeneinheit zugestrahlt wird, nicht durch eine
einzige Integration bestimmbar sein, da sie geometrisch nicht
durch eine einzige zusammenhängende Fläche, sondern durch
eine Anzahl diskret liegender Flächen repräsentiert ist. Man
wird daher den Inhalt einer jeden einzelnen dieser Flächen
durch eine besondere Integration bestimmen und diese Inhalte
dann summieren. Das besagt aber obige Summenformel.
Eine wesentlich andere Bedeutung kommt jener Wärme-
menge zu, welche sich aus dem zweiten allgemeinen Integrale
mit der Länge der wahren Sonne als unabhängig Veränder-
liche bestimmt. Diese wird erkannt, wenn wir unseren Stand-
ort im Sonnenmittelpunkte wählen.
Von diesem aus sehen wir die der Sonne zugekehrte
Hälfte der Erde als leuchtende Scheibe, etwa so, wie wir bei
Vollmond von der Erde aus den Mond sehen. Von sämtlichen
Breitenkreisen der Erde, wenn wir vorläufig die in der Polar-
2one ausschließen, wird ein bestimmtes Stück auf der Licht-,
ein anderes auf der Schattenseite liegen, nämlich auf dem von
der Sonne abgekehrten Teile der Erde, der unbeleuchtet und
von unserem Standort im Sonnenmittelpunkt aus unsichtbar
ist. Doch wird nicht stets dasselbe Stück des Breitenkreises
beleuchtet, beziehimgsweise unbeleuchtet sein, sondern infolge
der Rotation der Erde um die Achse treten immer andere
Punkte des Parallelkreises vom Licht in den Schatten und
umgekehrt.
Denken wir uns also, von der Sonne aus gesehen, die
Erde ihre Bahn innerhalb der beiden Bahnpunkte A und B
durchlaufen, so sind während dieser Zeit die betrachteten
Breitenkreise ununterbrochen bestrahlt, zwar nicht ihrem
ganzen Umfange nach, aber doch innerhalb der Lichtgrenze.
Es wird ihnen daher auch ununterbrochen auf diesem Wege
Wärme zugestrahlt. Denkt man sich diese einem Breiten-
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 177
kreise zugesandte Wärmemenge durch seinen Um-
fang dividiert, so erhält man damit die diesem Breiten-
kreis auf dem Wege von A nach B pro Flächeneinheit
zugestrahlte mittlere durchschnittliche Wärmemenge.
Diese Definition beschränkt sich zunächst auf Breiten-
kreise innerhalb der Zone zwischen den beiden Polarkreisen.
Doch ist es klar, daß sie auch für jeden Parallelkreis außer-
halb dieser beiden Grenzen gelten muß, welcher auf dem
Wege von A nach B zwar nicht seinem ganzen Umfange
nach, aber doch zum Teile bestrahlt ist. Ja, noch weiter wird
sie auch für alle Breitenkreise gelten müssen, welche auf dem
Wege von A nach B ihrem ganzen Umfange nach bestrahlt
worden sind. Es gilt daher obige Definition ganz allgemein
für jede Breite der Erde, welche auf dem Wege von A nach B
ihrem ganzen Umfange nach oder nur zum Teile bestrahlt
worden ist.
Wie beschaffen wird nun die unabhängig Veränderliche
der Strahlungsfunktion sein, welche den Verlauf dieser mitt-
leren Wärmestrahlung auf einer beliebigen Breite angibt? Ein
tägliches Element wird diese nicht sein können, da die mittlere
Wärmemenge ganz unabhängig von einer scheinbaren täg-
lichen Bewegung ist, was am besten einleuchtet, wenn man
bedenkt, daß die oben für sie gegebene Definition auch dann
gültig bleibt, wenn die Erde keine Rotation um ihre Achse aus-
führen würde. Eben daraus folgt aber weiter, daß diese Wärme-
menge nur abhängig ist von dem von der Erde in der Ekliptik
zurückgelegten Wege. Es muß daher die unabhängig Ver-
änderliche ihrer Strahlungsfunktion ein Element der jährlichen
Bewegung sein.
Wenn also in dem unserer Betrachtung zu Grunde
liegenden Integrale der Stundenwinkel eliminiert
und die Länge der wahren Sonne als alleinige unab-
hängige Variable eingeführt wird, so gibt das Integral
jene mittlere durchschnittliche Wärmemenge, welche
pro Flächeneinheit der betrachteten Breite zuge-
strahlt wird. Während bei der früheren Fassung des Pro-
blems die Strahlungsfunktion infolge ihrer Abhängigkeit von
der scheinbaren täglichen Bewegung diskontinuierlich wurde.
178 F. Hopfnef,
wenn man über den Zeitraum eines Strahlungstages hinaus-
ging (denn sie blieb für ganze Stundenwinkelintervalle Null)
und daher das Integral höchstens über diesen erstreckt werden
durfte, kann bei der Strahlungsfunktion dieser mittleren Wärme-
strahlung eine Diskontinuität aus diesem Grunde nicht ein-
treten und daher, ihre sonstige Stetigkeit vorausgesetzt, ihre
Integration innerhalb beliebiger Grenzen vorgenommen werden.
Es wird daher im Gegensatze zum früher besprochenen Falle
die Berechnung jener Wärmemengen, welche in beliebigen
Zeiträumen der betrachteten Breite pro Flächeneinheit zuge-
strahlt werden, stets durch eine bloße Integration möglich sein.
Eine besondere Stellung unter allen Breiten nimmt der
Pol ein. Für ihn als Punkt fällt die mittlere Wärmemenge pro
Flächeneinheit naturgemäß zusammen mit jener Wärmemenge,
welche der auf ihm gegebenen Flächeneinheit wirklich zu-
gestrahlt wird.
Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden^
daß unter diesem Gesichtspunkte dem bestrahlten Pol und allen
Breiten, ausschließlich natürlich der gänzlich unbestrahlten
Parallelkreise in der Polarzone der augenblicklichen Winter-
hemisphäre, innerhalb der Bahnstrecke von A bis B die gleiche
Strahlungszeit zukommt.
In der vorliegenden Abhandlung soll das Problem der
Bestrahlung der Erde durch die Sonne nur in der letzteren
Fassung, welche für die Meteorologie die ungleich wichtigere
ist, behandelt werden, also stets nur von jenen mittleren,
durchschnittlichen Wärmemengen die Rede sein,
welche pro Flächeneinheit einer beliebigen Breite
in gewissen Zeiten zugestrahlt werden.
Zum Schlüsse seien noch zwei Autoren, die beide die
Verteilung der solaren Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche,
also jener Wärmestrahlung, welche die Erdoberfläche bei
Fehlen einer Atmosphäre ti^ffen würde, behandeln, als typische
Beispiele einander gegenübergestellt, daß sich das vorliegende
Problem tatsächlich unter beiden Auffassungen behandeln läßt.
Wir vergleichen die beiden eingangs zitierten Abhandlungen
Meech's und Wiener's miteinander. Der erstere benützt die
gebräuchliche, allerdings mathematisch nicht ganz strenge
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 79
Formel zur Berechnung der Wärmemenge, welche im Laufe
eines Tages einer auf beliebiger Breite festgegebenen Flächen«
einheit zugestrahlt wird, für seine Rechnungen^ und bestimmt
mit ihr die Wärmemengen, welche der angenommenen Flächen-
einheit in einer Reihe von Tagen im Jahre zugestrahlt werden,
und schliefit aus deren Veränderlichkeit von Tag zu Tag auf
den Verlauf der solaren Strahlung während des ganzen Jahres
auf der betrachteten Breite überhaupt. Anders Wiener; auch
er geht zwar von derselben Formel aus, die Meech seiner
Untersuchung zu Grunde legt, jedoch drückt er die in ihr auf*
tretende Variable der scheinbaren täglichen Bewegung, den
Stundenvvinkel, durch Veränderliche der jährlichen Bewegung
aus, so dafi dann in der Formel für die Wärmemenge eines
Tages nur Elemente der jährlichen Bewegung als unabhängige
Variable auftreten. Diese so umgewandelte Formel für die
Berechnung der Wärmesumme eines Tages definiert nun
Wiener — allerdings nicht in einwandfreier Weise* — als
den DifTerentialquotienten der mittleren Wärmemenge nach der
mittleren Zeit, welche pro Flächeneinheit der angenommenen
Breite zugestrahlt wird. Trotz des fundamentalen Unterschiedes,
welcher zwischen den von beiden Verfassern dem Problem
gegebenen Fassungen besteht, sind beide Abhandlungen den-
noch, sowohl was die analytische Behandlungsweise als auch
die erhaltenen Resultate anbelangt, ohneweiters miteinander
verglichen worden,' wie wenn beide Untersuchungen genau
1 Nämlich die bekannte Formel
C
H^ == 2 — (cos 0 cos «p sin /q 4- ^o ^i^ o sin 9),
c
in welcher /q der Stundenwtnkel des Sonnen-Auf-, beziehungsweise -Unter-
ganges ist Es enthält somit die Formel ein Element der scheinbaren täg-
lichen Bewegung als unabhängig Veränderliche; es können daher nach unseren
vorigen Betrachtungen die mit ihrer Hilfe berechneten Wärmemengen nur
solche sein, welche in der Breite <p einer festgegebenen Flächeneinheit, in
deren Mittag die Sonne die Deklination d erreicht, zugestrahlt werden.
s Bezügtieh der sich an die Wiener'scbe Definition knüpfenden Bedenken
lese man die Einleitung der von der Wiener Akademie publizierten Abhandlung
des Veriassers.
' Z. B. F. Roth, Die Sonnenstrahlung auf der nördlichen im Vergleiche
mit derjenigen auf der südlichen Hemisphäre. Halle, 1885.
180 F. Hopfner,
denselben Gegenstand betreffen würden, was der Klarheit auf
diesem Gebiete der Meteorologie nicht eben forderlich war.
Auch der Verfasser hat das Problem der solaren Wärme-
strahlung unter beiden Auffassungen behandelt, und zwar in
der ersten Fassung in der letzten der angeführten Abhand-
lungen, wie übrigens schon deren Titel besagt, in der zweiten
Fassung aber in ausführlicher Weise in den beiden ersteren
Abhandlungen.
II. Einige Sätze über die Verteilung der solaren Wärme-
strahlung auf der Erdoberfläche.
In den folgenden Abschnitten wird die Untersuchung über
die Verteilung der Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche und
die Berechnung der Wärmemengen, welche nach Passieren der
atmosphärischen Luft pro Flächeneinheit auf sie auffallen, auf
Grund der Ergebnisse durchgeführt werden, zu denen der
Verfasser bei Behandlung des Problems der solaren Wärme-
strahlung gelangt ist. Diese Art der Untersuchung setzt nicht
nur die Vertrautheit mit einigen Gleichungen, welche in der
diesbezüglichen, von der Wiener Akademie veröflFentlichten
Abhandlung abgeleitet worden sind, voraus, sondern auch die
genaue Kenntnis der Verteilung der solaren Wärmestrahlung
auf der Erdoberfläche überhaupt. Es soll daher in diesem
Abschnitte alles für die spätere Entwicklung Notwendige in
Kürze zusammengestellt werden.
Das Gesetz der Verteilung der solaren Wärmestrahlung
auf der Erdoberfläche spricht nachstehende Gleichung aus:^
'dW\ /dW\ fdW\
= cos^p-i- 1 sm®. (1)
1 Wir gebrauchen im nachstehenden folgende Bezeichnungs weise:
W solare Wärmemenge; q Wärmemenge, welche nach erfolgter Absorption
in der Atmosphäre auflallt; C Proportionalitätsfaktor; <p Polhöhe; h Höhe;
T Stundenwinkel der wahren Sonne; B Sonnendeklination; 0 Länge der wahren
Sonne; L Länge der mittleren Sonne; c Flächenkonstante; m Masse der Erde;
r Radiusvektor; a halbe grofie Achse; e Exzentrizität; ic Periheldistanz der
Erdbahn; e Schiefe der Ekliptik.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne.
181
Sie besagt, daß die unendlich kleine mittlere solare Wärme-
menge, welche einer beliebigen Breite pro Flächeneinheit auf
jeder unendlich kleinen Längendifferenz dQ zugestrahlt wird,
bekannt ist, wenn die mittleren solaren Wärmemengen gegeben
sind, die auf derselben unendlich kleinen Längenänderung dem
Äquator und dem Pole zugestrahlt werden. Die Differential-
quotienten dieser Wärmemengen nach der wahren Sonnenlänge
lassen sich aus folgenden Gleichungen bestimmen, nämlich
(
dW\
^0/9 = 90
1 c
± — p sin 0, f? riz 2 — sin 8
2 c
(äW\
^J0/f = o
— **o
00
1
(2)
wobei sich die Konstanten dieser Fourier*schen Reihe bis auf
kleine Glieder dritter Ordnung in der Exzentrizität der Erd-
bahn, wie folgt, aus deren Elementen zusammensetzen:
a, =
C cos* —
2 / 1 e
(l—e^-^ ^«cos2ir tg« —
c \ S 2
C cos» —
e cos « tg» 1 e^ cos ic-
c \ 2 4
e^ cos IC tg*
8 2
— ^'cos3ictg* —
24 2
e
a» =
C cos« —
2/8 8
tß* ^* tg« be^ cos 2ic. . .
c \ 2 2
8
fl. =:
C cos" —
2
f — ^COSIC tg* h -^^' COS ff tg*-^^
8
e^ COS 3ff . . .
4
182 F. Hopfner,
a^ =
C COS« —
2
f — €^ COS 2« tg« — • • • j
^ V8 2
C cos» —
^5 =
e' cos Sic tg* — • • • 1
24 2 /
2_^_
24
> (3)
Ccos« ^
&i zz — ^ sm ff tg* 1 e^ sm ic+
^ <; \ 2 4
H e^ sin iü tg*
8 2
e^ sin 3ic tg* — • • • ]
24 2 /
24
C cos» —
2
^2 = {fi^ sin 27C . . .)
C cos» —
c \ 2 8 2
^^ sinSTt . , .
4
C cos» —
^4 = ( — ß» sin2ip tg» — • • • )
^ \8 2 /
C cos» —
( ^»sinSfftg» — •••)
V 24 2 /
Von dem Doppelzeichen in den beiden Gleichungen (2)
ist dfts positive Zeichen zu wählen, wenn der Nordpol, das
negative, wenn der Südpol bestrahlt ist; es ist also das obere
Zeichen zu gebrauchen für Sonnenlängen im Intervalle von 0*
bis 180*, das untere aber für Längen im Intervalle von 180*
bis 360^
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 83
Diesen Gleichungen (1) bis (3) sind nachstehende Sätze
über die Größe der den einzelnen Breiten der Erde zuge-
strahlten Wärmemengen entnommen worden.
Der Nordpol der Erde erhält in P ebensoviel Wärme
zugestrahlt als in II; der Südpol in III ebensoviel wie in IV.
Da die den Polen in I zugestrahlte Wärmemenge ebenso groß
ist wie die in IV und die in II ebenso groß wie die in III, so
folgt, daß jeder Pol in dem einen halben Jahre seiner Bestrah-
lung ebensoviel Wärme zugestrahlt erhält wie der andere Pol
in dem anderen Halbjahre seiner Bestrahlung.
Der Äquator erhält in I ebensoviel Wärme zugestrahlt
wie in IV, in II ebensoviel wie in III. Dagegen ist die in I
zugestrahlte Wärmemenge größer als jene in II und die in IV
größer als jene in III. Wohl aber erhält der Äquator in I+II
ebensoviel Wärme zugesandt wie in Ill-hlV. Es erhält daher
der Äquator in dem einen Halbjahre von einem Äquinoktial-
punkte bis zum anderen ebensoviel Wärme zugestrahlt wie im
anderen Halbjahre. In den einzelnen Vierteljahren dieser Halb-
jahre ist jedoch die solare Strahlung nicht die gleiche.
Für die einzelnen Breiten der Erdoberfläche haben sich
folgende Sätze ergeben.
Betrachten wir vorerst dieselben Breiten auf einer und
derselben Halbkugel.
Die gleichen Breiten der nördlichen Halbkugel erhalten
in I mehr Wärme zugestrahlt als in II, ebenso in IV mehr
als in III.
Das Gleiche gilt von den Breiten der südlichen Hemi-
sphäre in den verglichenen Quadranten.
Vergleichen wir weiter dieselben Breiten, aber auf ver-
schiedenen Halbkugeln.
1 Quadrant I Weg der Erde in ihrer Bahn von 0^ Länge bis
90" Länge;
Quadrant II Weg der Erde in ihrer Bahn von 90^ Länge bis
ISO* Länge;
Quadrant III Weg der Erde in ihrer Bahn von 180* Länge bis
270* Unge;
Quadrant IV Weg der Erde in ihrer Bahn von 270* Länge bis
360* Länge.
Sltzb. d. matbem.-naturw. KL; CXVI. Bd., Abt. IIa. 13
184 F. Hopfner,
Die Breiten der nördlichen Hemisphäre erhalten in I eben-
soviel Wärme wie die Breiten der südlichen in IV, ebenso die
Breiten der nördlichen Hemisphäre in II gleichviel Wärme wie
die der südlichen in III. Weiter erhalten die Breiten der süd-
lichen Halbkugel in I gleichviel Wärme wie die der nörd-
lichen in IV, ebenso die Breiten der südlichen Halbkugel in II
ebensoviel wie die der nördlichen in III.
Dagegen hat sich ergeben: Die Breiten der nördlichen
Hemisphäre erhalten in I mehr Wärme zugestrahlt als die
Breiten der südlichen in III; dagegen die letzteren in IV mehr
als die Breiten der nördlichen Hemisphäre in II. Ebenso er-
halten die südlichen Breiten in I mehr als die nördlichen in III,
dagegen diese in IV mehr als jene in II.
Diese Ungleichheiten in der solaren Strahlung auf den
Breiten beider Hemisphären in den vier Quadranten der Erd-
bahn sind allein bedingt durch die Ungleichheiten der solaren
Strahlung am Äquator in diesen. Da nun der Einfluß der äqua-
torialen Strahlung mit dem Kosinus der Polhöhe abnimmt, so
ist es klar, daß die oben besprochenen Ungleichheiten im
solaren Wärmegang einer Breite um so schwächer hervor-
treten, je näher sie an einem der Pole liegt, auf dem diese
Ungleichheiten verschwinden.
Weiter ergab sich: Die Breiten der nördlichen Hemisphäre
erhalten in I+II ebensoviel Wärme zugestrahlt wie die süd-
lichen in III +IV, ebenso wie die der nördlichen Halbkugel in
Ill-hlV gleichviel Wärme erhalten wie die Breiten der süd-
lichen Hemisphäre in I-f-II.
Es bekommt daher die eine Hemisphäre in dem einen
Halbjahre, während sich die Erde von dem einen Äquinoktial-
punkte bis zum anderen bewegt, ebensoviel Wärme zugestrahlt
wie die andere in dem anderen Halbjahre. Daraus ergibt sich
aber der wichtige, schon viel diskutierte Satz, daß im Laufe
eines ganzen Jahres jede Halbkugel gleichviel Wärme zu-
gestrahlt erhält.
Diese Sätze sind nur der Bequemlichkeit des sprachlichen
Ausdruckes wegen für ganze Erdbahnquadranten, also ganze
Vierteljahre ausgesprochen worden. Sie können ohne weiteres
für beliebige Zeiten, d. i. für beliebige Bahnstrecken, in den
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 85
Ekliptikquadranten verallgemeinert werden, wenn nur die in
den vier Quadranten einander entsprechenden Endpunkte
dieser Bahnstrecken paarweise die gleiche Längendifferenz
symmetrisch gegen die Knotenlinie der Erdbahn aufweisen.
Kehren wir zur Gleichung (1) zurück. Als allgemeines
Gesetz der Verteilung der solaren Wärmestrahlung auf der
Erdoberfläche beschreibt sie nicht nur den Verlauf der solaren
Strahlung auf jeder beliebigen Breite während eines Jahres,
sondern sie gibt auch die Verteilung der solaren Strahlung zu
einem angenommenen Zeitpunkte, d. i. zu einer bestimmten
Sonnenlänge, von Polhöhe zu Polhöhe an, also die Verteilung
in meridionaler Richtung. Sie fixiert daher einmal für jede
Breite den Eintritt der Jahreszeiten und deren Dauer, dann
aber begrenzt sie auch die meteorologischen Zonen auf der
Oberfläche der Erde.
Zur detaillierten Herleitung der einschlägigen Sätze ist
hier nicht der Platz; in dieser Hinsicht sei auf die bereits
wiederholt angeführte Abhandlung des Verfassers hingewiesen.
Doch sollen wenigstens die aus Gleichung (1) abgeleiteten
Bedingungsgleichungen angegeben werden, die den Ausgangs-
punkt für die Herleitung dieser Sätze über die Verteilung der
solaren Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche bildeten; und
diese nur aus dem Grunde, weil ihre Kenntnis für eines der
späteren Kapitel notwendig ist.
Im Interesse der einfacheren und übersichtlicheren Schreib-
fdW\
weise wird es sich empfehlen, den DifTerentialquotienten ( 1
^dQ)'?
als Funktion der Polhöhe 9 und der Länge O der wahren Sonne
mit einem bloflen Funktionszeichen, etwa mit ^(7, 0), oder
noch kürzer mit dem Buchstaben ^ zu bezeichnen.
Bei der Untersuchung über die Verteilung der solaren
Strahlung in meridionaler Richtung ist ^ als alleinige Funktion
der Polhöhe (p zu betrachten. Als Bedingungen ergaben sich da
für das Aufhören, dann für den Eintritt des Maximums der
solaren Strahlung folgende Gleichungen:
♦ = 0, 7^ = 0, (a)
13*
186 F. Hopfner,
welche, nach der Veränderlichen ff aufgelöst, jene Breiten zu
berechnen erlauben, auf welchen bei gegebener Sonnenlänge
die solare Strahlung Null wird, beziehungsweise ein Maximum
erreicht.
Darnach ist die Verteilung der solaren Wärmestrahlung in
meridionaler Richtung zu einem gegebenen Zeitpunkte geo-
metrisch durch eine Kurve repräsentiert, welche in der Breite
(Abszisse) ^ =i =F(90** — 18|) die Abszissenachse schneidet,
bis zur Breite fp = ± 8 ansteigt, hier ihr Maximum erreicht,
um dann kontinuierlich bis zu einem gewissen Werte in der
Breite ^ = ± 90" zu fallen. Letzterer, nichts anderes als der
spezielle Wert unseres Differentialquotienten ^(cp, ©) für den
Pol, also ^ z= ± 90**, ist stets kleiner als der spezielle Wert,
den unsere Funktion ^ für den Äquator, also für cp = 0 an-
nimmt; d. h. es ist die dem Äquator auf jeder unendlich kleinen
Längenänderung dQ pro Flächeneinheit zugestrahlte mittlere
solare Wärmemenge immer größer als jene, welche der Pol auf
derselben Längenänderung zugesandt erhält. Das Verhältnis
dieser beiden Wärmemengen zueinander macht die nach-
stehende Gleichung ersichtlich:
= cotg 8, (4)
wobei 8 die augenblickliche Sonnendeklination ist. Da nun für
die Sonne immer cotg 8 > 1 ist, so folgt, daß auch immer die
Ungleichung
bestehen muß. Da diese für jede Sonnendeklination gilt, so
muß sie auch für jede Sonnenlänge gelten. Daraus folgt aber
nach einem bekannten Satze über bestimmte Integrale, daß
überhaupt immer W^ = o>W^^qo sein muß. Es ist also die
dem Äquator pro Flächeneinheit zugesandte Wärmemenge^
stets größer als die dem Pole in der gleichen Zeit zugestrahlte*
Für die Diskussion des Verlaufes der solaren Strahlung
auf einer gegebenen Breite während eines Jahres ist in der
1 Siehe hiezu Anmerkung auf p. 170.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 87
Funktion ^(9, 0) nun die Polhöhe cp als konstant, die Sonnen-
länge 0 aber als veränderlich zu betrachten. Die Bedingungs-
gleichungen für das gänzliche Aufhören der solaren Strahlung,
beziehungsweise für den Eintritt eines Maximums, Minimums
sind analoge wie vorhin, nämlich
♦=0, ^=0, (P)
nur mit dem Unterschiede, daß diese jetzt nach der Sonnen-
länge und nicht nach der Polhöhe aufzulösen sind. Der Dis-
kussion dieser Gleichungen ließen sich folgende Sätze ent-
nehmen:
Für jede Hemisphäre existieren drei voneinander ver-
schiedene Typen im solaren Wärmegang eines Jahres.
Der erste Typus, der äquatoriale, tritt auf bei allen Breiten
zwischen dem Äquator und der Breite cp^.^ Er ist charakterisiert
1 Der Verfasser hat in seiner von der Wiener Akademie veröffentlichten
Abhandlung p. 1349 diese Breite nur für eine Kreisbahn berechnet. Für eine
elKptische Erdbahn, wie sie den wirklichen Verhältnissen entspricht, läßt sich
diese Berechnung, wie folgt, durchführen.
Die Breite <pQ gehört bereits zu den Breiten der sogenannten gemäßigten
Zone, auf denen der solare Wärmegang dadurch charakterisiert ist, daß auf
der nördlichen Hemisphäre das Maximum der solaren Strahlung — auch unter
Annahme einer elliptischen Bahn — für die Sonnenlänge 90®, das Minimum
aber für die Länge 270*^ eintritt. Andrerseits aber läßt sich diese Breite als
Grenze zwischen der äquatorialen und gemäßigten Zone auch dadurch kenn-
zeichnen, daß auf ihr die beiden Maxima der äquatorialen Zone vor und nach
dem Sommersolstitium der betreffenden Hemisphäre in ein Maximum zusammen-
fallen. Dieses vorausgeschickt, bilden wir den Differentialquotienten =
8 vt) d ^2
für die nördliche Halbkugel (0® <: 0 <: 180®) und setzen ihn gleich Null; man
erhält dann mit Rücksicht auf die Gleichungen (1) und (2):
— 2^ sin 2 0 cos «p -h — p cos 0 sin <p
-h [ — fl| sin O — 3^8 s^" 3® — ^^i sin 4 •) — . . .
-h bi cos 0 -h 22^2 cos 20 + Zb^ cos 30 -h ^b^ cos 40 -4-. . .] cos f = 0,
wenn man gleichzeitig jene Glieder in der ersten Klammer zusammenfaßt,
welche auch dann nicht Null werden, wenn man auf eine Kreisbahn übergeht,
188 F. Hopfner,
durch zwei Maxima und zwei Minima im Laufe eines Jahres.
Die Maxima treten im Sommer der betreffenden Hemisphäre
also die Erdbahnexzentrizität gleich Null seizt Wir heben nun aus diesem
GHede cos 0 heraus und multiplizieren gleichzeitig den zweiten Klammer-
COS0
ausdruck, den wir der Kürze halber mit r(0) bezeichnen wollen, mit ,
cos 0
so daß sich ergibt:
r 1 1 ♦'(®)
cos © — 4^2 sJn 0 cos 9 H p sin « I -4- cos 0 cos © = 0.
L 2 J COS0
Es zerfftUt somit die Gleichung in zwei andere Gleichungen, nämlich
cos O = 0 I
[
r(0)
4^2 sin © —
cos 0
1
cos 9 /rsinf = 0. 11
Die erstere Gleichung gibt, wie sich bei der Untersuchung für eine Kreis-
bahn gezeigt hat, die Bedingung für den Eintritt der Maxima und Minima in
der solaren Strahlung auf den Breiten der gemäßigten Zone, die zweite aber
jene für die Breiten der äquatorialen Zone. Wir erhalten nun die gesuchte
Breite ^^ die Grenze zwischen der äquatorialen und der gemäfiigten Zone,
wenn wir beide Bedingungsgleichungen miteinander verbinden, so zwar, dafi
wir, wie sich aus dem eingangs dieser Fußnote Gesagten ergibt, jene Wurxel
der Gleichung I, für welche sich auf den Breiten der gemäßigten Zone ein
Maximum ergibt, also für die nördliche Halbkugel © = 00^, in die Bedin-
gung II einsetzen, der sie genügen muß. Dadurch wird aber in dieser Gleichung
r(0)
sinO = l, während der Bruch für diese Wurzel in die unbestimmte
Q cos 0
Form — übeigehen muß, da sich jedenfalls ?o ^ ' ergeben muß. Man erhält
somit für tpp die Bestimmungsgleichung
4
«2 — Hm
,., = 900 Lcos0J
1
und da lim = [r'(0)]Q ^ g^«
0=900 [cos ^/J ^ "^
%?0 =
1
Mit Benützung der vom Verfasser in der Met. Zeitschrift (1906, p. 385)
veröfifentlichten numerischen Werte der Konstanten der Fourier'schen Reihe
berechnet sich f^ hieraus zu 21^ 43' 38".
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 S9
vor und nach der Sonnenwende auf, die Minima zur Zeit der
Solstitien selbst. Dabei fallt das tiefere Minimum, das Haupt*
minimum, in das Wintersolstitium, das flachere in das Sommer«
solstitium der betreffenden Halbkugel.
Der zweite Typus (Typus der gemäßigten Zone) im
solaren Wärmegange tritt auf zwischen den Breiten ff^ (ein*
schliefllich) und der Breite 90* — s. Hier weist der solare
VVärmegang ein Maximum und ein Minimum auf, ersteres zur
Zeit des Sommersolstitiums, letzteres im Wintersolstitium der
betreffenden Hemisphäre.
Der dritte Typus, der polare, zeigt sich in den Breiten von
90'' — 8 (einschließlich) bis zum Pole. Hier sind die Breiten
eine gewisse Zeit im Jahre unbestrahlt; das Maximum der
Strahlung fallt in das Sommersolstitium der betreifenden Hemi-
sphäre.
Hiemit ist die Zusammenstellung der für die weitere Ent-
wicklung notwendigen Sätze und Gleichungen beendet. Diese,
der folgenden Untersuchung zu Grunde gelegt, ermöglichen
eine ungemein einfache Lösung des Problems der Verteilung
der solaren Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche bei Exi-
stenz einer Wärmestrahlen absorbierenden Atmosphäre.
m. Das Lambert'sche Absorptionsgesetz. Besondere Formen
desselben.
Ehe die Wärmestrahlen der Sonne an die Oberfläche der
Erde gelangen, müssen sie die atmosphärische Luft passieren.
In dieser erfährt ihre Energie eine Schwächung teils durch
molekulare Absorption, teils durch innere Reflexion.
Letztere schalten wir aus unserer Betrachtung gänzlich
aus. Zwar wird ja gerade durch sie die Atmosphäre selbst eine
licht- und wärmespendende Hülle für die Oberfläche der Erde.
Doch erstreckt sich die vorliegende Untersuchung nach dem
Vorbilde Angot's nur auf die direkt von der Sonne der Erde
zugestrahlten Wärmemengen, so daß alle sekundären Wärme-
quellen der Erdoberfläche keine Berücksichtigung erfahren
mögen.
190 F. Hopfner,
Mehr Aufmerksamkeit^ müssen wir dafür der ersteren
Ursache der Schwächung der Energie der Wärmestrahlen in
der atmosphärischen Luft schenken. Durch die molekulare
Absorption werden einerseits gewisse Strahlengattungen im
Wärmespektrum der Sonne überhaupt nicht von der Luft
durchgelassen, so daß an deren Stelle im Wärmespektrum
Streifen und Bänder entstehen, die sogenannten »kalten
Bänder«, andrerseits erfahren alle Strahlengattungen über-
haupt eine Schwächung in ihrer Intensität. Die den Wärme-
strahlen entzogene Energie verstärkt jene der Luftmoleküle,
erhöht also ihre Temperatur, wodurch die Luft gegenüber der
Erdoberfläche wieder zu einer sekundären Wärmequelle wird-
Gegenüber diesen Ergebnissen Langley's^ gelangt
F. Paschen* durch seine Untersuchungen zu dem übrigens
wahrscheinlicheren Resultat, daß durch die Absorption der
Atmosphäre nur in den »kalten Bändern« gewisse Strahlen-
gattungen im Wärmespektrum der Sonne geschwächt und
ganz ausgelöscht werden, dagegen alle übrigen Strahlen-
gattungen durch sie überhaupt keine Schwächung in ihrer
Intensität erfahren, sondern nur durch die diffuse Reflexion
J- Gelegentlich der Behandlung einer anderen Frage unterzieht Nils
Ekholm die Absorption der Wärmestrahlen durch die Atmosphäre einer ein-
gehenden Besprechung. Man beachte seine Abhandlung in der Met. Zeit-
schrift, 1902, p. 1 ff. : »Über Emission und Absorption der Wärme und deren
Bedeutung für die Temperatur« (mit mehreren Fortsetzungen), in welcher er
»eine übersichtliche Darstellung der bis jetzt bestätigten Tatsachen und Schluß-
folgerungen« auf Grund der bis dahin erschienenen Gesamtliteratur über diesen
Gegenstand gibt. Im Obigen kann auf dieses viel umstrittene Problem der
Meteorologie natürlich nur soweit eingegangen werden, als zur Beurteilung der
Vereinfachungen, welche bei der Aufstellung des Lambert'schen Absorptions-
gesetzes gemacht werden, und zur Beurteilung seiner Gültigkeit unbedingt
notwendig ist. Weiter beachte man: Melander, Über die Absorption der
Atmosphäre, Helsingfors, 1901; Angström, Öfversigt K. Vetensk. Akad.
Porh., 1901, p. 371 flf. und p. 381 flf.; J. Koch, ibid., p. 475 ff.; Rubens und
Ladenburg, Verhandlungen der deutschen Physikalischen Gesellschaft, VII,
1903, p. 171 ff.
3 Researches on solar heat.
8 F. Paschen, Über die Emission erhitzter Gase, Wiedemann's Annalen,
Bd. 50, p. 409 flf.; Über die Emission der Gase, ibid., Bd. 51, p. 1, und Bd. 52,
p. 209; Referat von Trabert, Met. Zeitschr., 1894, p. 236 ff.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 191
in der Atmosphäre. Die Entscheidung dieser Frage ist für
das vorliegende Problem insofern belanglos, als im folgenden
nicht die Schwächung jeder einzelnen Strahlengattung von
bestimmter Wellenlänge, sondern nur die Schwächung des
Effektes des ganzen Wärmespektrums der Sonne durch die
Absorption in Rechnung gezogen wird.
Bereits die grundlegenden Untersuchungen von Langley
haben ergeben, daß die meisten dieser Absorptionsstreifen und
Bänder im roten Ende und darüber hinaus in jenem Teile des
Sonnenspektrums liegen, welches keine Lichtempfindung auf
der Netzhaut des Auges hervorruft. Es ist also vorzugsweise
die dunkle Strahlung der Sonne, welche durch die Luft eine
Absorption erfährt, eine ungemein wichtige Tatsache, da damit
auch die von der erkaltenden Erde gegen den Weltraum aus-
gesandten Wärmestrahlen (dunkle, langwellige Strahlen) von
der Atmosphäre absorbiert werden, wodurch diese wie eine
Decke die Erde vor rascher Auskühlung schützt.
Die atmosphärische Luft ist ein Gasgemisch, dessen haupt-
sächlichste Bestandteile die für die in der Atmosphäre auf-
tretenden Druck- und Temperaturverhältnisse permanenten
Gase Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure sind; hiezu kommt
noch als wichtiger Bestandteil der Wasserdampf, jedoch als
nicht permanentes Gas. Es fragt sich nun, in welcher Weise
sind die einzelnen Gase an der Absorption der Wärmestrahlen
beteiligt; denn da wir über die vertikale Verteilung dieser Gase
in der Atmosphäre unterrichtet sind, so ist mit der Beant-
wortung dieser Frage auch bereits Aufschluß gegeben, in
welchen Höhenschichten sich vorzugsweise die Absorption der
Wärmestrahlen abspielt.
Nach den gegenteiligen Resultaten mancher anderer haben
die speziell zur Beantwortung dieser Frage angestellten Unter-
suchungen K. Angström's^ und F. Paschen's zuerst un-
zweifelhaft ergeben, daß die Absorption von Wärmestrahlen
durch Stickstoff, Sauerstoff und durch trockene, von Kohlensäure
freie Luft kaum nachweisbar ist gegenüber ihrer Absorption in
1 K. Angström, Beobachtungen über die Strahlung der Sonne. Wied.
Annalen, Bd. 39 (1890).
192 F. Hopfner,
Kohlensäure und (nicht kondensiertem) Wasserdampf. Es ist
also das Absorptionsvermögen der Atmosphäre allein durch das
Zusammenwirken dieser beiden letzteren Gase bedingt, welche
trotz der geringen Mengen, in denen sie im Vergleich zu den
anderen Gasen in der Atmosphäre auftreten, dennoch infolge
ihres relativ großen Absorptionsvermögens gegen Wärme-
strahlen im Wärmespektrum der Sonne sich bemerkbar machen.
Nach dem Dalton'schen Gasgesetze kann die Kohlensäure
nur in den untersten Schichten der Atmosphäre, diese voll-
kommen ruhend gedacht, auftreten. Desgleichen erfolgt die
Abnahme des Wasserdampfgehaltes * der Atmosphäre sehr
rasch mit der Höhe. Es sind daher gerade die untersten
Schichten der Atmosphäre, in welchen die stärkere Absorption
der Wärmestrahlen erfolgt.
Lambert,* dem bei dem damaligen Stande der Physik in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts diese Tatsachen nicht
bekannt waren, nahm bei der Aufstellung seines Absorptions-
gesetzes die Luft als ein homogenes Mittel an, welches er sich
in Schichten geteilt dachte, derart, daß der in jeder Schichte vom
betrachteten Wärmestrahlen zurückgelegte Weg gleich lang ist.
Unter dieser Voraussetzung muß dann in jeder Schichte dem
Wärmestrahl die gleiche Menge an Energie durch Absorption
entzogen werden. Wird demnach in der ersten dieser Schichten
von der an der Grenze der Atmosphäre auffallenden solaren
Wärmemenge W der (1 — p)^ Teil absorbiert, so tritt in die
zweite Schichte nun die Wärmemenge p,W ein, von welcher
wieder der (1 — /7)te Teil absorbiert wird, so daß nun die
Wärmemenge /?*.W auftritt u.s.w. Es wird also nach Passieren
der «ten Schichte auf die Erdoberfläche nur die Wärmemenge
p^,W auffallen. Wird nun der in einer Schichte durchlaufene
Weg gleich 1 gesetzt, so ist n gleich dem ganzen Wege 5 des
1 Hann, Lehrbuch der Meteorologie, Leipzig, 1901, p. 220 ff.
3 Seine Photometria ist in Ostwald's Klassikerausgaben in deutscher
Obersetzung als Nr. 31 und 32 neu erschienen; seine Ansichten über die
Schwächung der Sonnenstrahlung durch die Atmosphäre findet man im 5. Teile
(Nr. 32, p. 64 ff.) niedergelegt. Unabhängig von Lambert hat Booguer in
seinem Traite d'optique sur la gradation de la lümiere, Paris, 1760, dasselbe
Absorptionsgesetz aufgestellt.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 193
Wänhestrahles in der Atmosphäre. Es ist daher nach Lambert
die nach erfolgter Absorption in der Atmosphäre auf die
Erdoberfläche auffallende Wärmemenge gegeben durch die
Gleichung
Hierin ist der Faktor p, der sogenannte Transmissions*
koeffizient, der Natur der Sache nach stets ein positiver, echter
Bruch. Wird er gleich 1 angenommen, so heifit das, die Atmo-
Sphäre absorbiert überhaupt keine Wärmestrahlen; q wird
dann identisch mit Wy der solaren Wärmemenge; für /? = 0
wird die rechte Seite der Gleichung auch gleich Null; es läßt
für diesen Wert des Transmissionskoefßzienten die Luft keine
Wärmestrahlen hindurch.
Gemäfi den vorausgeschickten physikalischen Betrach-
tungen ist es klar, daS dieses von Lambert aufgestellte
Gesetz nur als eine, wenn auch, wie sich aus zahlreichen
Beobachtungen^ ergeben hat, grofie Annäherung an die wirk-
lichen Verhältnisse bezeichnet werden darf. Vor allem ist die
Atmosphäre kein so homogenes Medium, wie Lambert an-
genommen hat Denn da, wie hervorgehoben, die Absorption
der Wärmestrahlen hauptsächlich durch die in der Luft befind-
liche Kohlensäure und den Wasserdampf erfolgt, so sind die
unteren Luftschichten der Atmosphäre an der Absorption un-
gleich stärker beteiligt als die an der Grenze der Atmosphäre
befindlichen. Aber selbst wenn die Luft nicht als Gasgemisch
verschieden absorbierender Gase, sondern als einfaches Gas
betrachtet werden dürfte, so müßte dennoch, abgesehen von
den Einflüssen der vertikalen Temperaturverteilung, in den
unteren Luftschichten eine stärkere Absorption der Wärme-
strahlen stattfinden als oben, da ihre Dichte von oben nach
unten zunimmt und die Absorption der Gase gegen Wärme-
strahlen, wenn auch langsam, mit dieser wächst.
Weiter nimmt Lambert keine Rücksicht darauf, daß die
Atmosphäre, wie bereits erwähnt, die Wärmestrahlen von ver-
schiedener Wellenlänge in den einzelnen Teilen des Wärme-
^ Pouillet, Pogg. Annalen, 4S, 30.
194 F. Hopfner,
Spektrums verschieden absorbiert. Da infolge dieser Eigenschaft
der Atmosphäre (»selektive« Absorption) jeder Strahlengattung
von bestimmter Wellenlänge ein besonderer Absorptionskoeffi-
zient zukommt, so gilt obige Formel, streng genommen, nur
für eine bestimmte Wellenlänge. Will man aber dennoch diese
Formel auf den Effekt des gesamten Wärmespektrums der
Sonne anwenden, so wird man für p einen mittleren Wert aus
allen im Spektrum vorkommenden Absorptionskoeffizienten
wählen müssen, dessen Bestimmung jedoch über eine gewisse
Grenze der Genauigkeit nicht hinauskommen wird.
Trotz dieser physikalischen Einwände hat sich das Lam-
bert'sche Absorptionsgesetz als das einzige, allgemein praktisch
verwendete Gesetz für die Absorption der Wärmestrahlen durch
die Luft gut bewährt und allen Beobachtungen hinlänglich ent-
sprochen. Die Ursache hiefür liegt darin, daß bei der geringen
Absorption, welche die Wärmestrahlen gerade in den obersten
Schichten der Atmosphäre erfahren, man einfach annehmen
kann, in diesen finde überhaupt keine statt und sie beginne
erst mit dem Moment, in welchem die Wärmestrahlen in die
Kohlensäure-Atmosphäre der Erde und in die wasserdampt-
haltigen Luftschichten eintreten. Deren vertikale Erhebung
über dem Erdboden ist aber im Vergleich zu den Erddimen-
sionen eine derart geringe, daß die Kohlensäure -Atmosphäre
und die wasserdampfhaltige Luft als eine einzige durchaus
homogene Schichte der gesamten Atmosphäre, welche als
unterste unmittelbar am Erdboden aufliegt, betrachtet werden
kann. Es ist dann s nur als der Weg anzusehen, welchen die
Wärmestrahlen in dieser untersten Luftschichte zurücklegen.
Der Ermittlung dieser Weglänge legte Lambert die eben
klargelegte Anschauung auch tatsächlich zu Grunde. Die
Lösung dieser Aufgabe ist ein Problem der kosmischen Physik
und nur mittelbar der Meteorologie, mit dem sich bei Beob-
achtung größerer oder geringerer Strenge von Laplace an-
gefangen eine ganze Reihe von Forschern befaßt hat Es ist
klar, daß man bei der Bestimmung dieser Weglänge für die
Zwecke des Lambert'schen Absorptionsgesetzes nicht die
größte Strenge fordern wird, sondern sich mit einer Genauig-
keit begnügen kann, welche den bei der Aufstellung dieses
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 95
Gesetzes gemachten Vereinfachungen in der Annahme der
wirklichen Verhältnisse entspricht.
Zu diesem Zwecke zerlegen wir die Atmosphäre (die
Erde hiebei als Kugel vorausgesetzt) in unendlich dünne,
homogen gedachte, mit der Erde konzentrische Kugelschalen,
so zwar, daß die Dichte von Schichte zu Schichte gegen die
Erdoberfläche hin zunimmt Dringt nun ein Wärmestrahl in
eine so vorbereitete Atmosphäre ein, so wird er an der Grenz-
fläche je zweier solcher Schichten eine Brechung nach den
Gesetzen der Optik erfahren und dies von Grenzfläche zu
Grenzfläche, so daß der Weg des Wärmestrahles die Ein-
hüllende aller jener unendlich kleinen Wege ist, die der Strahl
in jeder der angenommenen Schichten geradlinig zurücklegt.
Diese geometrische Anschauung erlaubt eine einfache
Gleichung aufzustellen. Betrachten wir den Strahl in einer
beliebigen Schichte vor seiner Brechung beim Eintritt in die
nächst dichtere Schichte. Dann ist sein Einfallswinkel i ein-
fach der Winkel zwischen dem Wege des Strahles in der
betrachteten Schichte und jener Geraden, welche den Erd«
mittelpunkt mit jenem Punkte an der Grenze beider Schichten
verbindet, in welchem der Strahl von der einen in die andere
Schichte übertritt. Die Entfernung dieses Punktes vom Erd-
mittelpunkte sei p. Es schließe nun weiter diese letztere
Gerade mit einer beliebigen Achsenrichtung durch den Erd-
mittelpunkt den Winkel v ein. Dann besteht für unsere Ein-
hüllende in Polarkoordinaten die bekannte Gleichung der
Differentialgeometrie
dp
da der Einfallswinkel i nichts anderes ist als der Winkel,
welchen die Tangente an die Einhüllende mit deren Radius-
vektor p einschließt. Zur Bestimmung der Bogenlänge addieren
wir die beiden aus obiger Beziehung sich unmittelbar er-
gebenden Gleichungen
(p Jt;)« = tg8 f (Jp)«
{dpY = (dpy
196 F. Hopfner,
und erhalten:.
ds. = \\/(pdvy +(Jp)* I = secidp.
Es ist daher der Weg, den der Strahl in der Atmosphäre
zurücklegt, gegeben durch das Integral
s = ( sec idp.
=ß
Hierin ist nun der Winkel i eine Funktion von der Größe p,
da der Einfallswinkel als Funktion der Dichte abhängig ist von
der Annahme der Höhe des betrachteten Punktes in der Atmo-
sphäre. Hier ist nun eine Vereinfachung gestattet, welche im
Einklänge steht mit den vereinfachenden Annahmen bei Ab-
leitung des Lambert'schen Absorptionsgesetzes.
Lambert setzte alle Schichten der Atmosphäre unter-
einander als homogen voraus. In solchen findet aber nach den
Gesetzen der Optik an ihren Grenzflächen keine Brechung
statt. Es bleibt daher der Einfallswinkel / von Schichte zu
Schichte ungeändert, also unabhängig von der Größe p.
Bei dieser Annahme wird aber die obige Integration sehr
einfach. Ebenso ergeben sich die Grenzen des Integrales von
selbst. Untere Grenze ist jedenfalls der Erdradius a, obere
Grenze die Summe aus ihm und der Höhe der absorbierenden
Atmosphäre, also a+rf. Es ergibt sich also mit hinlänglicher
Genauigkeit die gesuchte Wegstrecke aus der bekannten
Gleichung
s ziz d sec I.
Hierin ist nun, wie bereits hervorgehoben, i der Winkel,
welchen der einfallende Strahl mit jener Geraden einschließt,
welche den Mittelpunkt der Erde mit jenem Punkte verbindet,
in welchem der betrachtete Strahl von einer Luftschichte in
die nächst dichtere eintritt. In unserem vereinfachten Falle
kann daher der Winkel i gleich gesetzt werden jenem Werte,
welchen f an der Grenze der Atmosphäre hat, wo der Strahl
vom »leeren« Raum in die Erdatmosphäre eintritt, oder gleich
jenem Werte, welchen i beim Auffallen des Strahles auf den
festen Erdboden angenommen hat. Im ersteren Falle ist i
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 197
gleich der wahren Zenithdistanz der Sonne, im letzteren Falle
aber gleich der scheinbaren Zenithdistanz der Sonne im Beob-
achtungsorte.
Da die durchzuführende Untersuchung im engen Anschluß
an jene Gleichungen durchgeführt werden soll, welche der
Verfasser bei Behandlung des Problems der solaren Wärme-
strahlung abgeleitet hat, wollen wir konsequenterweise den
Winkel i gleich der wahren, auch von der Parallaxe des Beob-
achtungsortes befreiten Zenithdistanz z der Sonne setzen, da
in den für die solare Strahlung gültigen Gleichungen nur
von der Refraktion und der Parallaxe befreite astronomische
Elemente auftreten.
Jenes Plus an Wärmemenge, welches infolge der astro-
nomischen Refraktion dem Beobachtungsorte mehr zugestrahlt
wird, läßt sich nach dem Vorbilde Zenker's durch besondere
Formeln in einfacher Weise bestimmen, doch gehen wir hier
nicht weiter darauf ein.
Setzen wir weiter in obiger Gleichung noch d, welches
physikalisch nichts anderes ist als die Länge des Weges des
Strahles bei senkrechtem Eintritt in die Atmosphäre, gleich 1,
so erhalten wir schließlich für das Lamberfsche Absorptions-
gesetz die Gleichung
q =p^^^.W.
Damach erhält man die Wärmemenge, welche nach Pas-
sieren der Erdatmosphäre auf die Erdoberfläche auffallt, wenn
man die solare Wärmemenge, also jene, welche bei Fehlen
einer Atmosphäre unter gleichen Strahlungsverhältnissen auf
die Erde gelangen würde, mit dem Faktor p^^^^ multipliziert.
Da nun die unendlich kleine solare Wärmemenge dW, welche
in der unendlich kleinen (mittleren) Zeit di auf eine an der
Erdoberfläche gegebene Flächeneinheit auffallt, durch die
Gleichung
dW C . .
=: — sm h
dt H
bestimmt ist, so berechnet sich die unendlich kleine Wärme-
menge dq, welche nach Passieren der Atmosphäre auf die
198 F. Hopfner,
gegebene Flächeneinheit in jeder unendlich kleinen Zeit di
auffallt, aus der Gleichung
dq ^ "SIHT sinÄ
-77 — ^'P ' — r~' ^^^
dt r*
wenn man berücksichtigt, daß h = 90* — z ist.
Diese beiden Gleichungen bilden den Ausgangspunkt für
die weitere Untersuchung. Wir eliminieren aus der letzteren
mit Hilfe der ersteren Gleichung die Sonnenhöhe und erhalten
jC 1
f« ' dW
dq dW ^ -JT
dt dt
Beachtet man nun, daß
dq dq dQ
dt "" ^O dt
und ebenso
dW _ dW d(D
dt "" ^0 dt -
ist, ferner, daß das zweite Keppler'sche Gesetz, welches besagt,
daß die von den Radienvektoren überstrichenen Flächen den
Zeiten proportional sind, durch die Differentialgleichung
dt ~" r2
gegeben ist, so erkennt man leicht, daß obige Gleichung sich
auch schreiben läßt:
c 1
c ' dW
dq _ dW -jj:
-^ p .
dO dQ
Drückt man hierin noch die Konstante p durch ihren
natürlichen Logarithmus aus, so ergibt sich als schließliche
Form des transformierten Lambert'schen Absorptionsgesetzes
Inp
dq _ dW ^ do
dQ dQ
c -^ dW
(I)
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 1 99
In dieser Gleichung ist die Wärmemenge q als Funktion
dW
des Differentialquotienten und des Absorptionskoeffi-
zienten p dargestellt. Dieser Differentialquotient ist gemäß den
Gleichungen des Abschnittes II als alleinige Funktion der
Länge O der wahren Sonne zu betrachten, also als eine
Funktion eines Elementes der jährlichen Bewegung der Erde
um die Sonne. Es ist daher auch q durch obige Gleichung als
eine Funktion eines Elementes der jährlichen Bewegung der
Erde in ihrer Bahn dargestellt. Wir berechnen daher nach
den Ausführungen des ersten Abschnittes, wenn wir diese
Gleichung der weiteren Untersuchung zu Grunde legen, mitt-
lere, durchschnittliche Wärmemengen, welche pro Flächen-
einheit beliebigen Breiten zugestrahlt werden.
Es sollen noch einige besondere Formen, auf die sich
obige Gleichung bringen läßt, mitgeteilt werden.
Beachtet man, daß
dq _ dq dW
dO dW d(z>
ist und
1 J©
dW dW
JO
gesetzt werden darf, wenn man q und 0 sich als Funktionen
von W denkt, so ergibt sich unmittelbar als Form (II) des
Lambert'schen Absorptionsgesetzes
c . dO
dq^-T'^v^-m^ (II)
dW
eine Gleichung, in welcher W als alleinige unabhängige Ver-
änderliche auftritt.
Diese letzte Gleichung ist die Ausgangsgleichung für eine
dritte Form des Lambert'schen Absorptionsgesetzes, welche
eine schöne Analogie zu dem Gesetze der Verteilung der
solaren Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche (siehe Glei-
chung 1) ist
Sitxb. d. matti6m.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. Ilr. 14
200 F. Hopfner.
Logarithmiert man nämlich Gleichung (II), so erhält man
dW C , 1
In p
dO ^ . äq
In
dW
Wir bilden diese Gleichung für nachstehende spezielle
Fälle:
ldW\ C , 1
V^0/9 = o c ^ / dg \
\ dwK = o
fdW\ C , 1
1 = in p
Vd©/9 = 90o c ^ / dq \
Diese Gleichungen und die vorige in die linke Seite des
solaren Strahlungsgesetzes eingesetzt, ergeben sofort die dritte
Form des Lambert'schen Gesetzes, nämlich^
1 1
:=z cos (p +
in 13\ (,n ^)
dWh ^ dWJ-9 = o
1
In-A^^
sin cp, (III)
dwK = ^
eine Differentialgleichung, welche, wie wir sehen werden, das
Gesetz der Verteilung der durch Absorption in der Atmo-
sphäre geschwächten Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche
zum Ausdrucke bringt.
In einem späteren Abschnitte wird das Lambert*sche Ab-
sorptionsgesetz noch in einer vierten Form dargestellt werden.
IV. Die Verteilung der durch Absorption in der Atmosphäre
geschwächten Wärmestrahlung auf der Oberfläche der Erde.
Der Untersuchung über die Größe der Wärmemengen,
welche nach Passieren der atmosphärischen Luft auf die
p^U
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 20 1
Oberfläche der Erde auffallen, und ebenso der Diskussion über
die Verteilung dieser Wärmemengen auf der Erde legen wir
die Forni (I) des Lambert'schen Absorptionsgesetzes zu Grunde.
/dW\
Für den Differentialquotienten ( 1 wollen wir wieder die
früher vorgeschlagene Schreibweise gebrauchen; das Produkt
C
— Inp bezeichnen wir kurzer Hand mit dem Buchstaben ji;
dann haben wir uns mit der Gleichung
^_
= ^e * (6)
^9 _ ... . V
dQ
zu befassen.
Vor allem sieht man, da gemäß der physikalischen Ab-
leitung dieser Gleichung immer e ^ <\ sein muß, daß die
Wärmemengen, welche nach Passieren der Atmosphäre auf
die Erdoberfläche auffallen, kleiner sind als die unter gleichen
Verhältnissen in der gleichen Zeit zugestrahlten solaren Wärme-
mengen; hiebei sind die ersteren Wärmemengen um so kleiner,
je näher |t an + oo liegt, je stärker also der Absorptionskoeffi-
zient ;; gegen die Null konvergiert. Es sind daher die nach
Passieren der Luft auffallenden Wärmemengen um so kleiner,
je stärker die Atmosphäre Wärmestrahlen absorbiert.
Weiter erkennt man, daß gemäß der besonderen Form der
rechten Seite obiger Gleichung der Differentialquotient — —
dQ)
für einen bestimmten Wert der Sonnenlänge 0^ immer größer,
gleich oder kleiner sein muß als für einen besonderen Wert
der Sonnenlänge O^, wenn der der ersteren Sonnenlänge ent-
sprechende Wert von ^ größer, gleich oder kleiner ist als der
der zweiten Sonnentänge entsprechende Wert von ^] d. h.
wenn die Beziehung
*0 = 0,il'0=.r.
besteht, so gilt auch immer für dieselben Werte der Sonnen-
länge die Beziehung
dq_\ ^ fdq\
14*
(•
202 F. Hopfner,
Wenn daher in der Untersuchung über die solare Strahlung
der Nachweis erbracht wurde,^ daß ^ für alle Werte der Sonnen-
länge in einem Erdbahnquadranten größer, gleich oder kleiner
sei als für sämtliche in bestimmter Weise zugeordnete Werte
der Sonnenlänge in einem anderen Erdbahnquadranten, so gilt
dieser Nachweis auch für den DifFerentialquotienten — ^- für
dQ
Sonnenlängen gleichen Intervalles. Es gelten somit alle bei der
Untersuchung über die solare Strahlung hinsichtlich der Ver-
schiedenheit der Stärke der Bestrahlung in den einzelnen Erd-
bahnquadranten ausgesprochenen Sätze unverändert auch
für die durch Absorption geschwächte Strahlung. Es können
daher die in Abschnitt II wiedergegebenen Sätze über die solare
Strahlung ohne weiters auf die Größe der nach Passieren der
Atmosphäre auffallenden Wärmemengen angewendet werden.
Darnach erfahren also die von der Sonne der Erde in den
einzelnen Zeiten zugestrahlten Wärmemengen durch die Ab-
sorption absolut zwar eine Verringerung, im relativen Verhält-
nis der Größe dieser Wärmemengen in den einzelnen Erdbahn-
quadranten ändert sich aber nichts.
Hiemit ist die Untersuchung über die Größe der bei
Vorhandensein einer Atmosphäre auffallenden Wärmemengen
erledigt. Gehen wir zum zweiten Teile unserer Aufgabe, zur
Untersuchung über die Verteilung der Wärmestrahlung auf
der Erdoberfläche über.
Die unabhängig Veränderlichen in unserer Ausgangs-
gleichung (6) sind die Länge der wahren Sonne und die Pol-
höhe. Betrachten wir analog wie im zweiten Abschnitte dieser
Abhandlung einmal die Sonnenlänge als konstant und die Pol-
höhe als veränderlich, so gibt uns die Gleichung, wie bekannt,
die Verteilung der Wärmestrahlung in meridionaler Richtung
zu einem bestimmten Zeitpunkte; betrachten wir dann um-
gekehrt die Polhöhe als unveränderlich und die Sonnenhöhe
als variabel, so ist die obige Beziehung die Gleichung des
jährlichen Wärmeganges auf der angenommenen Breite. Kennt
1 Hopfner, Die Verteilung der solaren Wärmestrahlung, p. 1339 und
p. 1352.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 203
man aber sowohl diesen als auch die Verteilung in meridio-
naler Richtung, so sind alle Fragen nach der Verteilung der
Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche beantwortet
a) Verteilung der Wärmestrahlung in meridionaler
Richtung.
Diese ist charakterisiert, wenn wir die Breiten kennen, in
welchen die Wärmestrahlung Null wird und ihr Maximum
erreicht Man findet als Bedingung für das Nullwerden der
Wärmestrahlung *
* = 0. (aO
Um auch die Bedingungen für den Eintritt des Maximums
der Wärmestrahlung zu erhalten, bilden wir den ersten Diffe-
da
rentialquotienten unserer Funktion — ^— und setzen diesen
^ dQ
gleich Null; es ergibt sich dann als zu erfüllende Bedingung:
H,-»
hil = o.
Hierin kann nun offenbar der Klammerausdruck nicht
gleich Null werden, da in ihm nur wesentlich positive Größen
auftreten. Ebenso ist die Gleichung ^ := 0 nicht zulässig, da
sie, wie wir eben gefunden haben, die Bedingungsgleichung
für jene Breiten ist, für welche die Wärmestrahlung Null wird.
Es ergibt sich daher als einzig mögliche Bedingung für den
Eintritt eines Maximums in meridionaler Richtung die Gleichung
9(p
1 Wenn wir die andere noch mögliche Bedingung, nämlich ji = -hoo, hier,
^ie im später zu behandelnden Falle, gleich im vorhinein ausschließen, da für
diesen Wert die Atmosphäre für keine Polhöhe und keine Sonnenlänge Wärme-
strahlen durchläßt. Es werden ja sowohl bei der Untersuchung über die Ver-
teilung der Wärmestrahlung in meridionaler Richtung als auch bei der Unter-
suchung über ihren Verlauf während eines Jahres Bedingungsgleichungen ver-
^sngt, die, wie schon im Abschnitt II hervorgehoben, eine Auflösung nach den
Veränderlichen (p und 0 zulassen; p. ist aber als Konstante von diesen ganz
unabhängig.
204 F. Hopfner,
Die weitere Diskussion dieser beiden Bedingungsgleichun-
gen wird zweckmäßig erst vorgenommen, wenn die analoge
Untersuchung auch für den folgenden Fall durchgeführt
worden ist.
b) Verlauf der Wärmestrahlung auf einer beliebigen
Breite während eines Jahres.
Auch hier ergibt sich als Bedingung für das Aufhören der
Wärmestrahlung auf der angenommenen Breite, wie vorhin,
die Gleichung
* = 0. (ßO
Während aus der ersteren der Gleichungen {a!) die Pol-
höhe zu bestimmen ist, für welche bei gegebener Sonnenlänge
die Wärmestrahlung Null wird, ist aus dieser die Sonnenlänge
zu berechnen, für weiche auf der gegebenen Breite die Wärme-
strahlung aufhört.^
Für den Eintritt der Extreme in der Wärmestrahlung ergibt
sich hier die Bedingungsgleichung
H.-f
8©
h^]=°-
die sich aus denselben Gründen wie im früher behandelten
Fall auf die einfachere Gleichung
9©
reduziert.
In den Gleichungen («') und (ß') sind bereits alle Gesetze
über die Verteilung der durch Absorption geschwächten Wärme-
strahlung auf der Erdoberfläche enthalten. An ihnen fällt sofort
auf, daß sie alle frei sind von der Größe (jl, daher frei sind vom
Absorptionskoeffizienten der Luft; das besagt aber, daß die
Verteilung der Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche dieselbe
1 Reelle Werte werden sich für die Sonnenlänge aus dieser Gleichung
natürlich nur für Polhöhen ergeben, die der Bedingung <p^90 — c genügen.
Siehe hiezu Hopfner, diese Sitzungsberichte, Bd. CXIV, p. 1348.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 205
bleiben muß, welche Werte der Absorptionskoeffizient der Luft
auch immer annimmt in seinem Variabilitätsbereiche von 0 bis 1,
die letztere Grenze mit eingeschlossen. Es ist daher die Ver-
teilung der Wärmestrahlung ganz unabhängig davon, ob eine
Wärmestrahlen absorbierende Atmosphäre existiert oder nicht.
Tatsächlich sind auch die Bedingungsgleichungen (a') und (ß')
genau dieselben wie jene, welche wir bereits in Abschnitt II für
die Verteilung der solaren Wärmestrahlung auf der Erdober-
tläche angegeben haben.
Absolut genommen sind freilich, wie wir eingangs dieses
Abschnittes gesehen haben, die nach Passieren der Atmosphäre
auf den Erdboden gelangenden Wärmemengen abhängig von
der Größe des Absorptionskoeffizienten; der Eintritt der Ex-
treme jedoch in meridionaler Richtung und im Wärmegange
einer Breite während eines Jahres, dann das gänzliche Auf-
hören der Strahlung bleiben ganz unbeeinflußt sowohl hin-
sichtlich des Zeitpunktes als auch hinsichtlich der Polhöhe
ihres Eintrittes vom Vorhandensein einer Wärmestrahlen ab-
sorbierenden Atmosphäre. Wenn daher die Erdatmosphäre
stärker oder schwächer die sie durchdringenden Wärme-
strahlen absorbiert, so wird dadurch die Wärmestrahlung zwar
insofern beeinflußt, daß im ersteren Falle weniger, im letzteren
aber mehr Wärmemengen an die Erdoberfläche gelangen;
dagegen wird die Verteilung und Ausdehnung der meteoro-
logischen Zonen auf der Erdoberfläche, dann die Eintrittszeit
der verschiedenen Jahreszeiten auf den einzelnen Breiten durch
einen verschiedenen Absorptionskoeffizienten in keiner Weise
berührt.
Diese Unabhängigkeit der Verteilung der Wärmestrahlung
auf der Erdoberfläche vom Absorptionskoeffizienten der Luft
ist unmittelbar ersichtlich aus der Form (III) des Lambert-
sehen Strahlungsgesetzes, aus welcher der Absorptionskoeffi-
zient, beziehungsweise sein Logarithmus ganz herausgefallen
ist. Gerade dieser Umstand erlaubt noch folgende wichtige
Sci^lüsse.
Wir haben den Absorptionskoeffizienten der Luft mit
Lambert als Konstante betrachtet, trotzdem es außer aller
Frage steht, daß er von der Polhöhe abhängig und eine
206 F. Hopfner,
periodische Funktion der Sonnenlänge ist, da die Mengen der
beiden am stärksten Wärmestrahlen absorbierenden Gase in
der Erdatmosphäre, nämlich die Kohlensäure und der Wasser-
dampf, örtlich und zeitlich gesetzmäßigen Veränderungen
unterworfen sind. Es gibt somit die Form (III) des Lambert-
schen Absorptionsgesetzes nur genähert die Verteilung der
Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche an. Wäre jedoch der
Absorptionskoeffizient nur eine Funktion der Sonnenlänge
allein und nicht auch gleichzeitig der Polhöhe, so wäre die
dritte Form des Lamberfschen Gesetzes dennoch die strenge
Gleichung der Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche, wie sich
sofort aus der Ableitung dieser Form ergibt. Das beweist aber,
daß die Wärmeverteilung unabhängig ist von den periodischen
Änderungen des Wasserdampfgehaltes der Luft mit der Zeit
während eines Jahres und nur abhängig ist von seiner Ver-
änderlichkeit in meridionaler Richtung. Es ist daher das Gesetz
von der Unabhängigkeit der Wärmeverteilung auf der Erd-
oberfläche vom Absorptionskoeffizienten der atmosphärischen
Luft in etwas allgemeinerer Weise gültig, als die der voran-
stehenden Untersuchung zu Grunde gelegten Annahmen ge-
statten.
Von weiterem Interesse ist die Beantwortung der Frage,
ob und in welcher Weise eine Beeinflussung der jährlichen
Wärmeschwankung, d. i. der Differenz aus dem Maximum
und Minimum der Wärmestrahlung einer Breite, stattfindet.
Denn wie eben hervorgehoben, erfahren die Extremwerte der
Wärmestrahlung einer Breite hinsichtlich des Zeitpunktes
ihres Auftretens keine Verschiebung durch die Absorption der
Atmosphäre, wohl aber hinsichtlich ihrer Intensität. Und da
fragt es sich nun: Geschieht die Schwächung in der Intensität
der Extreme derart, daß ihre Differenz auch unabhängig ist
vom Absorptionskoeffizienten oder ist sie eine Funktion des-
selben? Behufs Beantwortung dieser Frage bilden wir für eine
willkürliche Breite (p, auf der jedoch die Wärmestrahlung
während des ganzen Jahres nicht NulP wird, die Gleichung
der Jahresschwankung, nämlich
1 Also <p^90«— e.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 207
\dQJma \dQLi ^ ^
und fragen: Für welchen Absorptionskoeffizienten wird diese
ein Maximum? Als Bedingung für den Eintritt eines solchen
ergibt sich
e *'— ^ *« = 0,
eine Gleichung, welche den Annahmen |Jl = 0, |i, m oo gleich-
zeitig genügt. Die letztere Bedingung kommt wieder nicht in
Betracht. Anders liegt es mit der ersten Bedingung, welcher
der Wert /? = 1 des Absorptionskoeffizienten entspricht. Diesen
Wert nämlich in den zweiten Differentialquotienten der Jahres-
schwankung eingesetzt, nämlich in den Ausdruck
macht diesen negativ. Es existiert somit für |i = 0 ein Maxi-
mum in der Jahresschwankung.
Übertragen wir dieses analytische Ergebnis ins Physi-
kalische, so folgt, daß die Jahresschwankung am größten ist,
wenn überhaupt keine Wärmestrahlen absorbierende Atmo-
sphäre vorhanden ist, und weiter, daß die Jahresschwankung
um so kleiner wird, je stärker die Luft Wärmestrahlen absor-
biert Es wirkt somit die Atmosphäre ausgleichend auf den jähr-
lichen Gang der Wärmestrahlung in den einzelnen Breiten ein.*
Wichtig insbesondere für die folgende Besprechung der
Untersuchungen Angot's ist der Vergleich der Intensität der
Bestrahlung des Äquators und des Poles. Bereits bei der Unter-
suchung der solaren Wärmestrahlung auf Pol und Äquator
sind wir zu dem Resultate gelangt, daß in gleichen Zeiten
letzterem stets mehr Wärme pro Flächeneinheit zugestrahlt
1 Zu demselben Resultate gelangt man nach einer analog durchzuführen-
den Untersuchung hinsichtlich der Differenz aus je zwei entsprechenden Werten
des Differentialquotienten in verschiedenen Quadranten der Erdbahn. Siehe An-
merkung auf p. 202.
208 F. Hopfner,
wird als ersterem. Wie zu erwarten, ergibt sich auch bei Vor-
handensein einer absorbierenden Atmosphäre der gleiche Satz.
Bildet man nämlich den Quotienten der beiden Gleichungen
so ergibt sich mit Rücksicht auf Gleichung (4) der solaren
Strahlung
eine Gleichung, deren rechte Seite für jede Deklination, daher
auch für jede Sonnenlänge größer als 1 ist. Es ist daher stets
(AI.) > (Al\
und somit für gleiche Längendififerenzen in der Erdbahn, d. h.
für gleiche Zeiten immer
Es wird daher auch bei Vorhandensein einer Wärme-
strahlen absorbierenden Atmosphäre in gleichen Zeiten dem
Pole nie mehr Wärme pro Flächeneinheit zugestrablt als dem
Äquator. Der Unterschied in der Bestrahlung wird um so
größer, je stärker die Luft Wärmestrahlen absorbiert.
Fassen wir die Ergebnisse dieses Abschnittes zusammen.
Durch die Absorption der Erdatmosphäre werden die
zugestrahlten Wärmemengen auf ihrem Wege durch diese
geschwächt, so daß unter gleichen Verhältnissen der Erd-
oberfläche weniger Wärme zugestrahlt wird als dann, wenn
keine Lufthülle vorhanden wäre. Die Eintrittszeiten der Ex-
treme im Wärmegange einer beliebigen Breite, dann die Ein-
trittszeiten des gänzlichen Aufhörens der Wärmestrahlung
auf gewissen Breiten erfahren durch die Absorption keine Ver-
schiebung; ebenso sind die Breiten, für welche in meridionaler
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 200
Richtung die Wärmestrahlung ein Maximum erreicht oder Null
wird, ganz unabhängig davon, ob eine Absorption stattfindet
oder nicht, und im ersteren Falle ganz unabhängig davon, ob
sie stärker oder schwächer ist Es erfahren daher weder die
drei meteorologischen Zonen auf jeder Hemisphäre noch die
Jahreszeiten auf jeder Breite irgend eine Veränderung. Es ist
somit die Verteilung der durch Absorption in der Atmosphäre
geschwächten Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche genau
dieselbe wie jene der solaren Wärmestrahlung. In der Jahres-
schsvankung wirkt die Atmosphäre ausgleichend ein, und zwar
um so mehr, je größer ihr Absorptionsvermögen ist. Das Bild
über die Verteilung der solaren Wärmestrahlung auf der Erd-
oberfläche zeigt demnach die denkbar extremsten klimatischen
Verhältnisse.
Nach Ermittlung dieser allgemeinen Verhältnisse erübrigt
noch die tatsächliche Berechnung der Wärmemengen, welche
nach Passieren der Atmosphäre auf die einzelnen Breiten der
Erde pro Flächeneinheit auffallen, eine Aufgabe, mit der sich
einer der folgenden Abschnitte beschäftigt.
Zum Schlüsse sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß
die diskutierten Gleichungen (a') und (ß') von keinerlei Voraus-
setzung über den speziellen Charakter der Funktion c}> abhängig
sind. Es sind daher auch die gewonnenen Resultate ganz
unabhängig von dem besonderen Charakter des zu Grunde
gelegten solaren Strahlungsgesetzes. Aus dieser Allgemeinheit
der Untersuchung und der erhaltenen Resultate ergeben sich
später noch wichtige Schlüsse.
V. Die Untersuchungen W. Zenker 's und A. Angot's.
Vor Angabe des Weges, auf welchem die Berechnung der
Wärmemengen möglich ist, welche nach Passieren der Erd-
atmosphäre auf die Erdoberfläche auffallen, wollen wir von
den eingangs angeführten einschlägigen Untersuchungen jene
beiden einer Besprechung unterziehen, deren Ergebnisse die
Grundlage unserer heutigen Kenntnis über die Verteilung der
Wärmestrahlung bei Vorhandensein einer Atmosphäre auf der
Erde bilden. Es sind dies die Abhandlungen W. Zenker 's
210 F. Hopfner,
und A. Angot*s. Bei dieser Besprechung wird zunächst darauf
zu achten sein, inwieweit ein jeder der Forscher den Einfluß
der Atmosphäre auf die Wärmestrahlen der Sonne berück-
sichtigt hat; weiter soll festgestellt werden, was für Wärme-
mengen jeder Autor berechnen wollte, nämlich was für eine
physikalische Bedeutung gemäß den Auseinandersetzungen
des ersten Abschnittes den von ihnen ermittelten Zahlenwerten
zukommt.
Zenker 's Abhandlung, eine Preisschrift der Pariser Aka-
demie, behandelt das Problem in denkbar eingehendster und
umfassendster Weise. Er berücksichtigt nicht nur die Absorp-
tion der Wärmestrahlen durch die Luft, sondern auch ihre
diffuse Reflexion in dieser. Er zieht somit in den Kreis seiner
Rechnungen auch die Wärmestrahlung der Atmosphäre selbst
gegen die Erdoberfläche. Weiter untersucht er die Größe der
Wärmemengen, welche infolge der astronomischen Dämmerung
dem Erdboden zugestrahlt werden, auch wenn die Sonne sich
bereits unter dem Horizonte der betrachteten Flächeneinheit
befindet. Doch damit nicht genug; von den Wärmestrahlen,
welche die primären und sekundären Wärmequellen zustrahlen,
fällt ein Teil auf festen Erdboden, ein anderer Teil auf Wasser-
flächen und ein dritter Teil endlich auf Schneeflächen auf Von
diesen Bodenunterlagen werden die Wärmestrahlen in ver-
schiedener Menge absorbiert und reflektiert. Zenker berechnet
nun in seiner gründlichen Untersuchung jene Wärmemengen,
welche von jeder dieser drei Bodenunterlagen absorbiert werden
und ausschließlich zur Erwärmung der obersten Erdschichten
Verwendung finden. Es berücksichtigt somit Zenker alle Ein-
flüsse, denen die Wärmestrahlen in der atmosphärischen Luft
und an der Erdoberfläche selbst unterworfen sind, ehe sie ihre
Energie an diese abgeben. So umfassend ist das Problem weder
vor ihm noch nach ihm behandelt worden; es wird daher diese
Abhandlung, was die physikalische Seite des Problems anbe-
langt, für alle späteren Untersuchungen einerseits als Vor-
bild, andrerseits als Anknüpfungspunkt dienen. Anders ist es
bedauerlicherweise mit der analytischen Seite des Problems
bestellt. Zenker, der mittlere Wärmemengen berechnet, legt
seiner Untersuchung die von Wiener abgeleiteten Zahlenwerte
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 211
und Gleichungen zu Grunde, bezüglich deren der Verfasser
bereits gelegentlich der Behandlung des Problems der solaren
Strahlung nachzuweisen in der Lage war, daß ihnen eine auf
unrichtigen Voraussetzungen basierende Ausgangsgleichung
zu Grunde liegt.^ Damit sind natürlich die von Zenker
berechneten Zahlenwerte und das von ihm entworfene Bild
über die Verteilung der Wärmestrahlung bei Vorhandensein
einer Atmosphäre auf der Erdoberfläche nicht zutreffend. Doch
ist damit das große Verdienst Zenker*s um die Klarlegung
des so komplizierten Problems der Wärmestrahlung in keiner
Weise geschmälert. Denn wenn auch die schließlich von ihm
ermittelten Wärmemengen nicht den tatsächlichen Verhält-
nissen entsprechen, so wird doch die umfassende physikalische
Untersuchung, die scharfe Trennung der verschiedenen der
Erdoberfläche wärmespendenden Ursachen der Abhandlung
die gebührende, bleibende Beachtung immer sichern.
Von Angot wird das Problem nicht in so umfassender
Weise behandelt. Er berücksichtigt nur die Absorption, welche
die Wärmestrahlen in der Luft erfahren, ebenso wie es in den
vorigen Kapiteln geschehen ist. Auch er legt seiner Unter-
suchung das Lambert'sche Absorptionsgesetz zu Grunde. Man
sieht, in den physikalischen Voraussetzungen stimmen die
Angofsche und die vorliegende Untersuchung vollkommen
überein. Was nun die analytische Behandlung des Problems
anbelangt, so wird es nötig sein, den von Angot eingeschla-
genen Weg näher zu besprechen.
Ausgangsgleichung ist die auch unserer Rechnung im
Abschnitt III zu Grunde gelegte Gleichung (5). Aus ihr berech-
net Angot vorerst durch graphische Integration für 15 Tage
des Jahres die Wärmemengen, welche auf 19 verschiedenen
Breiten festgegebene Flächeneinheiten während eines Tages
zugestrahlt erhalten.
Zu diesem Zwecke hatte er viele langwierige Rechnungen
auszuführen. Er wählte 15 verschiedene Deklinationen der
Sonne, nämlich 0\ ± 4% ± 8% ± 12% d= 16% d= 20% ± 22%
d= 8 (Schiefe der Ekliptik); für jede dieser Deklinationen
1 Siehe die Fußnote aufp. 179.
212 F. Hopfner,
berechnete er aus der bekannten Formel für die Höhe der
Sonne über dem Horizonte diese von Stunde zu Stunde an
dem betreffenden Tage, und zwar für jeden zehnten Breiten-
grad. Mit Hilfe dieser Höhen berechnete er wieder für jede
Stunde des Tages den Faktor/?^*"*, wobei er/? der Reihe nach
gleich 1, 0*9, 0*8, 0*7, 0*6, 0-5 annahm und schließlich das
1
Produkt jpsin h sin Ä.
Denkt man sich nun die Tagesstunden auf einer Achse
als Abszissen, die Werte dieses Produktes als zugehörige
Ordinaten aufgetragen und ihre Endpunkte durch eine Kurve
miteinander verbunden, so ist es klar, daß die von der Kurve
und der Abszissenachse eingeschlossene Fläche proportional
ist der Wärmemenge, welche der festgegebenen Flächeneinheit
während eines Tages zugestrahlt wird. Auf diese Weise erhielt
Angot für jeden zehnten Breitenkreis und für 15 Tage des
Jahres entsprechend den angenommenen 15 Sonnendeklina-
tionen je fünf Flächeninhalte gemäß den der Rechnung zu
Grunde gelegten fünf Werten des Absorptionskoeffizienten.
Diese Flächeninhalte, mit einem Planimeter ausgemessen,
geben nun allerdings für 15 Tage des Jahres die gesuchte
Wärmemenge, aber eben nur für 15 Tage, und Angot strebte
doch eine allgemeine Lösung des Problems an, die ihm ermög-
lichte, nicht nur für jeden Tag des Jahres die diesem zu-
gestrahlte Wärmemenge zu berechnen, sondern es ihm auch
erlaubte, für längere Zeitabschnitte die Größe der zugesandten
Wärmemengen zu berechnen.
Behufs Erreichung dieses Zieles dachte er sich das Integral
über das Produkt
1
X
p ,s\n hat
(/j, /g Stundenwinkel des Sonnen-Auf-, beziehungsweise -Unter-
ganges) in eine Fourier'sche Reihe entwickelt, von der Er-
wägung ausgehend, daß sin h periodisch sei, da es wieder
denselben Wert annehme, wenn sich die Sonnenlänge um 2z
geändert habe.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 213
Diese Reihe
a^ -f-a^cos2© -Ha^cos40 +...,
± *i sin O ± ^3 sin 3 0 ± . . .
in welcher das positive Zeichen für Flächeneinheiten der nörd-
lichen Halbkugel, das negative aber für solche der südlichen
zu nehmen ist, setzte er nun jedesmal einer einem bestimmten
Absorptionskoeffizienten und einer bestimmten Breite ent-
sprechenden Serie von 15 Tageswärmen gleich. Auf diese
Weise erhielt er fünfmal 19, je 15 Gleichungen umfassende
Gleichungssysteme, aus denen er mit Hilfe der Methode der
kleinsten Quadrate die Konstanten obiger Reihe berechnen
konnte, natürlich wieder jede Konstante zu fünfmal 19 Werten,
entsprechend den fünf angenommenen Absorptionskoeffizienten
und 19 Breitenkreisen.
Bei diesen Rechnungen ist noch nicht die wechselnde
Entfernung der Erde von der Sonne berücksichtigt worden.
Auch diese wird noch in Rechnung gebracht, wobei Angot
gleichzeitig an Stelle der wahren Sonnenlänge die mittlere
Anomalie M der Sonne als unabhängig Veränderliche in seine
Reihe einführt. Er kommt schließlich auf die Fourier'sche Reihe
q= — / /?^'"*. sin Ä^/ zr ^0 + ^1 cos i\f+^ cos 2A/+...
rfcSi sinMdb-B2 sin2iT/±. . .,
in welrher die Koeffizienten wieder für jeden Absorptions-
koeffizienten und jede Breite separat berechnet werden mußten.
Für ein bestimmtes M gibt diese Reihe sofort die Wärme-
menge, welche der auf einer der 15 angenommenen Breiten
festgegebenen Flächeneinheit an einem Tage zugestrahlt wird,
während dessen Dauer ihre mittlere Anomalie dem in die
Reihe eingesetzten Werte gleich ist.
Damit war das eine Ziel Angot's erreicht, nämlich für
jeden Tag im Jahre die einer festgegeb^nen Flächen-
einheit zugestrahlte Wärmemenge berechnen zu können.
Nun handelte es sich noch darum, die in längeren
Zeiträumen den einzelnen Breiten zugestrahlten Wärme-
214 F. Hopfner,
mengen zu berechnen. Zu diesem Zwecke bestimmte Angot
aus voranstehender Reihe für eine Anzahl gleich weit von-
einander abstehender Werte von M die Wärmemengen, welche
Flächeneinheiten von dieser mittleren Anomalie im Laufe eines
Tages zugestrahlt erhalten; nun trug er wieder die mittlere
Anomalie als Abszissen, die zugehörigen Tageswärmen als
Ordinaten in einem Koordinatensystem auf und bestimmte
den durch die erhaltene Kurve und die Abszissenachse ein-
geschlossenen Flächeninhalt auf graphischem Wege. Diese
Operation führte er für jede der 15 Breiten und für jeden der
fünf Absorptionskoeffizienten aus und berechnete auf diesem
Wege die Wärmemengen, welche während der 12 Monate und
während des ganzen Jahres einer jeden der 19 Breiten, und
zwar deren ganzem Umfange zugesendet werden.
Für diesen Vorgang ist Angot folgende, auch bei Zenker
in seiner oben besprochenen Abhandlung^ auseinandergesetzte
Auffassung des Problems maßgebend gewesen.
Angot war im stände, mit Hilfe seiner Fourier'schen
Reihe für jedes beliebige M jene Wärmemenge zu berechnen,
welche einer auf bestimmter Breite festgegebenen Flächen-
einheit während eines Tages zugestrahlt wird. Auf dieser
wird nun im allgemeinen durch den Anbruch der Nacht die
Strahlung unterbrochen. Wollen wir daher die Wärmemenge
berechnen, welche während eines längeren Zeitraumes als
eines Strahlungstages dieser Flächeneinheit zugestrahlt wird,
so müssen wir für jeden einzelnen Strahlungstag in diesem
Zeitraum die Tageswärme berechnen und diese dann sum-
mieren. Hiebei wird sich natürlich die mittlere Anomalie, die
während der Dauer eines Tages in der Fourier'schen Reihe
immer konstant angenommen wird, von Tag zu Tag sprung-
weise ändern.*
Einfacher als durch diese umständliche Summation, näm-
lich durch eine bloße Integration, läßt sich al>er nach Zenker
diese Rechnung durchführen, wenn wir sie nicht für eine
einzelne Flächeneinheit, sondern für eine unendliche Menge
1 p. 185 ff.
^ Vergt. hiemit die Ausführungen des ersten Abschnittes, p. 174.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 215
solcher Flächeneinheiten anstellen, weiche in gleichen Ab*
ständen auf der angenommenen Breite liegen. Denn in diesem
Falle ändert sich dann die mittlere Anomalie, da die Flächen-
einheiten unendlich nahe beieinander liegen, kontinuierlich
von Flächeneinheit zu Flächeneinheit. Denken wir uns also
für jede dieser Flächeneinheiten die Wärmemenge eines Tages
berechnet und diese dann summiert, so wird ihre Summation
mit Rücksicht auf die kontinuierliche Änderung der mittleren
Anomalie von Flächeneinheit zu Flächeneinheit in eine Integra-
tion nach der mittleren Anomalie übergehen. Und was für
Wämnemengen werden auf diesem Wege berechnet? Nach
Ansicht Zenker's und auch Angot's, dessen graphisches
Verfahren ganz mit der Zenker'schen Auffassung des Pro-
blems sich deckt, jene Wärmemengen, welche der ganzen
Breite während einer gewissen Zeit, bestimmt durch die Ände-
rung der mittleren Anomalie in ihr, zugesendet werden.
Es läßt sich nun zeigen, daß der eben geschilderte Vor-
gang bei der Integration nicht einwandfrei ist und daher nicht
zu dem angestrebten Ziele führt. Zu diesem Zwecke wollen
wir uns die analytische Seite der Angot'schen Rechnungen
genauer vor Augen führen.
Aus -der Grundgleichung (5) des Abschnittes III berechnet
sich die Tageswärme einer auf beliebiger Breite festgegebenen
Flächeneinheit aus dem Integral
i
•^'^ iS^ sin h
p , ^^^
r«
wobei wir, ohne damit die Strenge unserer Diskussion zu
beeinträchtigen, der Einfachheit halber annehmen wollen, die
Stundenwinkel des Sonnen-Auf- und -Unterganges sind, abso-
lut genommen, einander gleich. Dieses Integral denkt sich
Angot in eine Fourier'sche Reihe mit der mittleren Ano-
malie als unabhängig Veränderliche entwickelt; wir wollen
diese kurz mit/(Af) bezeichnen. Dann gibt nach Angot das
Integral über diese innerhalb der Grenzen M^ und Af^ die
Wärmemenge, welche der ganzen betrachteten Breite in dem
diesen Grenzen entsprechenden Zeitraum zugestrahlt wird;
Sitzb. d. raathem.- naturw. KL; CXVI. Bd., Abt. IIa. 15
216 F. Hopfner,
nennen wir diese Wärmemenge ö, so haben wir also die
Beziehung
Q= f(M)dM.
Wir brauchen für unsere Betrachtung den Differential-
quotienten von Q nach der mittleren Anomalie M\ folgende
Gleichung ist dann unsere Ausgangsgleichung
^ö rfji^\ nC^^* ihTÄSinÄ
dM
Nach der Auffassung Angot's verlangt also die linke
Seite der Gleichung, daß auf der rechten Seite jene unendlich
kleine Wärmemenge dQ ausgedrückt sei, welche in der unend-
lich kleinen Änderung der mittleren Anomalie dM dem ganzen
Breitenkreise von der Polhöhe cp zugestrahlt wird*
Diese Gleichung unterwerfen wir folgenden Transforma-
tionen. Wir führen einmal an Stelle der mittleren Anomalie
mittlere Zeit ein auf Grund der bekannten Gleichung
M=i,ii-n
wobei |A die mittlere siderische Bewegung der Erde an einem
mittleren Tage, t' aber die Perihelzeit der Erde ist; dann ist
dM =z \idt. Um ferner obige Gleichung mit dem allgemeinen
Wärmestrahlungsgesetze vergleichbar zu machen, wollen wir
die Wärmemenge dQ auf die Flächeneinheit beziehen. Zu
diesem Zwecke dividieren wir die rechte Seite der Gleichung
durch den Umfang u^ des Breitenkreises <p. Wir erhalten dann
folgende Gleichung:
dQ' _ V /-T"^^* ^nr* sinjr_^^
dt
in welcher die linke Seite verlangt, daß auf der rechten jene
unendlich kleine Wärmemenge dQ' stehe, welche in der unend-
lich kleinen (mittleren) Zeit dt pro Flächeneinheit der Breite tp
zugestrahlt wird.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 217
Gehen wir nun zum allgemeinen Strahlungsgesetze über.
Dieses besagt, dafi man aus der Wärmemenge, welche in der
Zeiteinheit der Flächeneinheit zugestrahlt wird, jene Wärme-
menge, welche bei Unveränderlichkeit aller Verhältnisse ihr im
Zeiträume / zugesandt wird, erhält, wenn man die Wärme*
menge der Zeiteinheit mit der Zeit t einfach multipliziert. Ist
daher m^ die in der Zeiteinheit zugestrahlte Wärmemenge, so
ist, die Gleichheit aller Verhältnisse vorausgesetzt, die im
Zeiträume t der Flächeneinheit zugestrahlte Wärmemenge «>/
gegeben durch die Gleichung
«/ = »0 ^
daher die unendlich kleine Wärmemenge ^o»/, welche in der
unendlich kleinen Zeit dt der Flächeneinheit zugestrahlt wird,
bestimmt durch die Gleichung
diüi = tü^dt.
Hierin ist, wie nochmals betont sei, cog die Wärmemenge
der Zeiteinheit, nämlich jenes Zeitraumes, welcher der Zählung
von dt zu Grunde gelegt ist.
Wenden wir dieses Ergebnis auf unsere transformierte
Gleichung an. Damach muß also
-1- ' I.
sinA sm n
p — —dt
jene Wärmemenge sein, die in der Zeiteinheit, nämlich jener
Zeit, welche der Zählung der unendlich kleinen Zeit dt \m
dO'
Nenner unseres Differentialquotienten — ^^ als Einheit zu
Grunde gelegt ist, der angenommenen Breite pro Flächen-
einheit zugestrahlt worden ist.
Der Ableitung gemäß ist aber die durch das Integral
gegebene Wärmemenge jene, welche in der Zeit
/ dt = 2/o
15'
218 F. Hopfner,
einer in der Breite f festgegebenen Flächeneinheit zugestrahlt
worden ist Diese Zeit 2/^ ist nun aber von Angot nicht in
der Zählung des dt im Nenner des Differentialquotienten
di
als Einheit verwendet worden, sondern er zählt diese Zeit, das
beweist die Verwendung der mittleren Anomalie, in dem in der
Astronomie gebräuchlichen Maße, nämlich in mittlerer Zeit.
Hätte er die Zeit 2/^ seiner Rechnung als Zeitmaß zu Grunde
legen wollen, so hätte er^ das im Nenner des Differential-
dO'
Quotienten — ^^ befindliche dt durch diese dividieren müssen.
dt
Einwandfrei würde dann die Gleichung lauten:
dQ' _ (t ^ 1 r + '» ihTÄSinÄ
dt
2u^ tXt. r^
Führen wir wieder die mittlere Anomalie ein und be-
rechnen mit Angot wieder die Wärmemengen, welche dem
ganzen Breitenkreise zugestrahlt werden, so erhalten wir
dQ _ ^^ ^f-^^» ihr* sinÄ ^^ _ ^ f(M)
£
dM 2M J^t, r» 2 M
und daraus als Wärmemenge, wenn die mittlere Anomalie
von Afj bis M, gewachsen ist,
_ V- r^''f(AI)
0 = 1/
M
dM.
Es gibt also ein wesentlich anderer analytischer Aus-
druck, als ihn Angot bei seiner Rechnung verwendet, die
gesuchte Wärmemenge.
Fragen wir uns, für welche Zeit, beziehungsweise für
welche mittlere Anomalie Angot seine Berechnung durch-
geführt hat. Wir finden diese aus dem Integral
2jf S^/ = /|-/J = -L(3/|_A/f).
t**
1 Abgesehen von einer multiplikattven Konstanten.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 219
Hätte nämlich Angot zur Messung von dt den Zeit-
raum 2/ als Einheit benützt, so würde obiges Integral in die
Form
dt (t nun im neuen Zeitmaße)
i
übergegangen sein und die Berechnung wäre für die von
Angot gewünschte Zeit durchgeführt worden.
Setzen wir in der Gleichung (7) dieses Abschnittes den
Absorptionskoeffizienten p z=z 1, so würde nach Angot die
Gleichung
dQ _ ^ f "^ '• sin A
dt
jene unendlich kleine solare Wärmemenge geben, welche der
ganzen Breite von der Polhöhe ^ in der unendlich kleinen
Zeit dt zugestrahlt wird. Von Interesse ist nun der Hinweis,
daß Wiener in seiner eingangs zitierten Abhandlung ganz
genau dieselbe Beziehung als Ausgangsgleichung für seine
Untersuchung über solare Wärmemengen verwendet, nur mit
dem Unterschiede, daß er obigen Differentialquotienten dahin
definiert, dQ sei jene unendlich kleine mittlere solare Wärme-
menge, welche pro Flächeneinheit der Breite <p zugestrahlt
wird. Dies wäre ein Beweis für die Unsicherheit der Autoren
selbst hinsichtlich der physikalischen Bedeutung der von ihnen
berechneten Wärmemengen. Es bedarf wohl keiner weiteren
Erwähnung, daß, abgesehen von den Einwänden, welche der
Verfasser bereits in seiner Abhandlung über die solare Strahlung
bei der Ableitung dieses Differentialquotienten gegen Wiener
erhoben hat, bei der Integration dieses Differentialquotienten
auch in der ihm von Wiener beigelegten Bedeutung das-
selbe wie eben bei Angot geäußerte Bedenken ausgesprochen
werden müßte.
Die Gründlichkeit in der Besprechung der Angot'schen
Abhandlung verlangt, daß noch die folgende, mögliche Even-
tualität in Betracht gezogen werde, nämlich die, daß Angot
durch sein Verfahren habe mittlere Wärmemengen berechnen
wollen, indem er sich in der Fassung des gestellten Problems
220 F. Hopfner,
Wiener anschloß, was nicht ganz ausgeschlossen ist,^ da er
sich über die physikalische Bedeutung der von ihm berech-
neten Wärmemengen nicht präzis ausspricht und daher in
dieser Hinsicht den Leser im Unklaren läßt. In diesem Falle
würde von Angot's Abhandlung das eben von der Wiener-
schen Untersuchung Gesagte gelten. Sie wäre dann aus zwei
Gründen nicht einwandfrei, nämlich einmal hinsichtlich der
Definition des Differentialquotienten als mittlere Wärmemenge
überhaupt, dann aber hinsichtlich der Verwendung von zweierlei
Zeitmaßen in der weiteren Rechnung.
Eine dritte physikalische Bedeutung läßt sich aber den
von Angot berechneten Wärmemengen nicht beilegen. Es sind
daher die Angot'schen Untersuchungen nicht einwandfrei, mag
er mittlere Wärmemengen in der Wienerischen Auffassung be-
rechnen wollen oder Wärmemengen, welche nicht pro Flächen-
einheit, sondern dem ganzen Umfange der betrachteten Breite
in einer gewissen Zeit zugestrahlt werden.
Aber selbst wenn man Angot 's Verfahren bei der Be-
rechnung der Wärmemengen für längere Zeitabschnitte billigen
wollte, würde er nicht in einwandfreier Weise die Wärme-
mengen berechnen, welche den beiden Polen der Erde in
längeren Zeitabschnitten zugestrahlt werden. Auf jedem Breiten-
kreise der Erde, auch wenn sein Radius noch so klein ist,
lassen sich unendlich viele, unendlich nahe Flächeneinheiten
annehmen, so daß die mittlere Anomalie von einer zur anderen
sich kontinuierlich ändert. Anders wird es jedoch, wenn dieser
Radius Null wird, also der Breitenkreis in einen Punkt zu-
sammenschrumpft, wie es auf den beiden Polen der Fall ist.
Da hat man es dann nur mit einer einzigen Flächeneinheit zu
tun. Und auf dieser ändert sich dann von Tag zu Tag (diesen
natürlich nach einem Hauptmeridian der Erde gerechnet) die
mittlere Anomalie sprungweise, da diese nach Angot in seiner
Fourier'schen Reihe während eines Tages konstant genommen
1 Der Verfasser hat nur aus dem Grunde angenommen, Angot habe die
Wärmemengen berechnen wollen, welche dem ganzen Umfange der betrachteten
Breite innerhalb einer gewissen Zeit zugcstrahlt werden, um den Nachweis
erbringen zu können, daß auch bei dieser Fassung des Problems der von
Angot eingeschlagene Weg nicht einwandfrei ist.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 22 1
werden muS. Mit der Diskontinuität von M ist aber eine Integra-
tion der Reihe ausgeschlossen und dennoch integriert sie
Angoty indem er sich desselben graphischen Verfahrens bei
den Polen wie bei den einzelnen Breiten bedient
Bei der Diskontinuität von M und daher von fiM) hätte
Angot nur in der Weise die Wärmemenge des bestrahlten
Poles während eines längeren Zeitraumes» beispielsweise eines
halben Jahres, ermitteln können, dafi er für jeden Tag (gezählt
nach einem Hauptmeridian der Erde) des Halbjahres die mittlere
Anomalie des Poles berechnet, diese Werte von M der Reihe
nach in f{M) einsetzt und die erhaltenen Tagessummen addiert;
oder, da Angot das graphische Verfahren bevorzugt, hätte er
folgenden Weg einschlagen können. Er hatte nicht nötig, die
mittlere Anomalie für jeden einzelnen Tag des Halbjahres zu
bestimmen, sondern nur für einzelne wenige Tage, etwa für
jeden zehnten Tag, und hätte nur für diese wenigen Werte
von M den Wert von f{M) berechnen müssen. Die einzelnen
Werte von M hätte Angot nun als Abszissen, die zugehörigen
Werte von f{M) als Ordinaten auftragen und deren Endpunkte
dann durch eine Kurve verbinden können. Das hat nun auch
Angot tatsächlich getan. Doch nun maß er den Flächen-
inhalt der Kurve mit einem Planimeter aus. Das durfte nicht
geschehen. Denn damit integrierte (er eine diskontinuierliche
Funktion. Er hätte vielmehr diese Kurve nur dazu benützen
dürfen, für die zwischen jedem zehnten Tage liegenden Tage
die dem Pole zugestrahlte Tageswärme durch graphische
Interpolation zu ermitteln, indem er in den diesen Tagen
entsprechenden Punkten der Abszissenachse Senkrechte bis
zu ihrem Schnitte mit der Kurve einzeichnete. Denn die
Länge einer solchen Geraden ist proportional der Tages-
wärme. Dadurch nun, daß er die den auf der Abszissenachse
markierten Tagen des halben Jahres entsprechenden Ordi-
naten addierte, hätte er einwandfrei die Wärmemenge erhalten
müssen, die dem bestrahlten Pole in einem halben Jahre zu-
gesendet wird.
Trotz der großen Rechenarbeit hat Angot sein Ziel nicht
erreicht, denn die Wärmemengen, die in längeren Zeiträumen,
sei es nun pro Flächeneinheit, sei es dem ganzen Umfange
222 F. Hopfner,
nach einem Breitenkreise zugestrahlt Werden, hat er nicht
berechnet. Bis zur Entwicklung der Formel zur Berechnung
der Tageswärme in eine Fourier*sche Reihe sind seine Schlüsse
einwandfrei. Alle Ergebnisse, welche sich auf diesem ersten
Teile seiner Entwicklung aufbauen, sind daher auch unanfecht-
bar. Es sind das alle Sätze über die Größe der Tageswärnie in
den einzelnen Breiten bei verschiedener mittlerer Anomalie
und verschiedenem Absorptionskoeffizienten. Auch die von
ihm konstruierten Kurven, von denen er irrtümlicherweise
annimmt, sie repräsentieren den Verlauf der Wärmestrahlung
auf der gegebenen Breite während eines Jahres, sind brauch-
bar, da sie es gestatten, auf graphischem Wege, wie wir es
eben beim Pole gesehen haben, die Tageswärme für jede
mittlere Anomalie zu ermitteln.
Alles Weitere ist aber nicht mehr einwandfrei. Vor allem
das Bild, das Angot über die Verteilung der Wärmestrahlung
auf der Erdoberfläche entwirft. So erhält, wie wir in Ab-
schnitt IV gesehen haben, zu keinem Zeitpunkte der Pol,
welche Größe auch immer der Absorptionskoeffizient haben
mag, mehr Wärme pro Flächeneinheit zugestrahlt als inner-
halb der gleichen Strahlungszeit der Äquator. Es ist daher
auch die Wärmemenge, welche der Äquator seinem ganzen
Umfange nach zugestrahlt erhält,^ immer größer als jene,
welche gleichzeitig der Pol zugesandt erhalten hat.** Wenn
Angot findet, daß dies nur bei einem Absorptionskoefflzienten
p^O'7 möglich ist, so ist das eine Folge seiner Unstrenge
in der analytischen Behandlung des Problems. Auch für Ab-
sorptionskoeffizienten p>0'7 und die solare Strahlung hat
dieser Satz Gültigkeit. Überhaupt hat sich bei den Unter-
suchungen Angot's — die eben besprochenen Strahlungs-
verhältnisse auf Pol und Äquator sind ja nur ein spezieller
Fall hievon — ergeben, daß die Verteilung der Wärmestrahlung
auf der Erdoberfläche abhängig sei vom Absorptionskoeffi-
zienten der Atmosphäre, während wir gerade das Gegenteil im
Abschnitte IV als richtig erkannt haben.
1 Diese wird gefunden, wenn man seine mittlere Wärmemenge mit seinem
Umfange multipliziert.
2 Siehe Anmerkung p. 170.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 223
Weiter ist auffallend das Ergebnis Angot's, daß die
Wärmestrahlung in den Sommermonaten einer Hemisphäre^
wenigstens für Absorptionskoeffizienten in der Nähe von 1 mit
wachsender Breite sehr stark zunimmt. Vergleicht man damit
die von Angot einwandfrei gefundene Verteilung der Wärme-
strahlung an einem Tage der Sommerhemisphäre von Breite
zu Breite, so wird man eine auffallige Übereinstimmung finden,
die jedoch kein Beweis für die beiderseitige Richtigkeit ist;
denn wie schon anfangs dieser Abhandlung bemerkt wurde,
dürfen Resultate, welche für einen bestimmten Punkt auf ver-
schiedenen Breitenkreisen ermittelt wurden, nicht verglichen
oder identifiziert werden mit Resultaten, welche für ganze
Breitenkreise gelten; vielmehr zeigt uns diese auffällige Über-
einstimmung die Ursachen, warum Angot auch bei längeren
Zeiträumen, als es ein Strahlungstag ist, zu einem ähnlichen
Resultat wie für einen einzelnen Tag kommen mußte: es ist
die von Angot nicht aus seinen Formeln eliminierte Strahlungs-
zeit 2 t eines Bestrahlungstages, welche auf der Sommerhemi-
sphäre mit wachsender Breite bis schließlich zu 24 Stunden
anwächst, welche den Einfluß der verschiedenen Tageslänge
in seine Fourier'sche Reihe hineinbringt, die nach den Erläute-
rungen des ersten Abschnittes überhaupt unabhängig sein
sollte von den Erscheinungen der scheinbaren täglichen Be-
wegung.
Hiemit soll die Besprechung der Angot'schen Arbeit ab-
schließen. Es folgt nun die Lösung des noch übrig gebliebenen
Teiles unserer Aufgabe.
VI. Die vierte Form des Lambert'schen Absorptionsgesetzes.
Die Wärmemengen, welche nach erfolgter Absorption in
der atmosphärischen Luft pro Flächeneinheit auf eine beliebige
Breite innerhalb einer gewissen Zeit auffallen, d. i. innerhalb
einer gewissen LängendifTerenz ©j — O^, erhält man, wenn man
die Form (I) des Lambert'schen Absorptionsgesetzes innerhalb
1 Das von Angot ermittelte Verhältnis in der Bestrahlung von Pol und
Äquator steht hiemit im engsten Zusammenhange.
224 F. Hopfner,
dieser Grenzen integriert; es ergibt sich daher für die Berech-
nung der gesuchten Wärmemengen die Gleichung:
0. -^
^e ^ dO.
Der Versuch, die angezeigte Operation des Integrierens
direkt auszuführen, führt auf langwierige Rechnungen auch
dann, wenn man ^ 4* in bekannter Weise durch die Reihe
y (± \iY 1
r\ Y
ausdrückt, welche für jeden endlichen Wert von
unbedingt
konvergent ist. Es geht dann nämlich obige Gleichung in die
Form
über, in welcher die Fourier'sche Reihe, durch welche gemäß
den Gleichungen des Abschnittes II die Funktion ^ dargestellt
worden ist, in der (r — l)ten Potenz im Nenner auftritt.^
Diese langwierigen Rechnungen lassen sich dadurch ver-
meiden, daß wir das Lambert'sche Absorptionsgesetz noch in
einer vierten Form darstellen, welche in relativ einfacher Weise
die auszuführende Integration ermöglicht.
Zu diesem Zwecke wollen wir uns den Weg vor Augen
führen, der einzuschlagen wäre, wenn wir jene solare Wärme-
menge zu berechnen hätten, welche innerhalb einer gegebenen
1 Man könnte auf den ersten Blick meinen, es sei praktischer, die
Form (II) des Lambert'schen Absorptionsgesetzes für die auszuführende In-
tegration zu verwenden; doch stößt man auf große analytische wie rech-
nerische Schwierigkeiten bei dem Versuche, die Länge 0 der wahren Sonne
als Funktion der solaren Wärmemenge W darzustellen.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 225
Zeit dem Äquator pro Flächeneinheit zugestrahlt wird. In
diesem Falle ist die Fourier*sche Reihe (Gleichung 2) des
Abschnittes II innerhalb der Grenzen 0^ bis ©, einer Integra-
tion zu unterziehen, bei welcher folgende geometrische Be-
trachtung am raschesten zum Ziele führt
Vom Standpunkte der Geometrie aus ist diese Fourier'sche
Reihe nichts anderes als die Gleichung einer Kurve, welche
durch ihren Verlauf den Gang der solaren Wärmestrahlung
am Äquator während eines Jahres wiedergibt. Nehmen wir an,
die Erde bewege sich in einer Kreisbahn, setzen also die Erd-
bahnexzentrizität e gleich Null und nehmen weiter an, auch
die Schiefe der Ekliptik e sei gleich Null, so wird einfach
l dW\
\ J = Konst. Geometrisch ist dann der Verlauf der
solaren Strahlung am Äquator durch eine Gerade repräsen*
tiert, welche in einer gewissen Entfernung parallel mit der
Abszissenachse des gewählten Koordinatensystems verläuft.
Die Wärmemenge nun, welche dem Äquator unter diesen ver-
einfachten Verhältnissen auf einem gewissen Bahnstück in der
Ekliptik zugestrahlt wird, ist dann geometrisch durch den
Flächeninhalt eines Rechteckes gegeben, dessen Höhe die
I dW\
Ordinate ( ) = Konst., dessen Grundlinie die dem ge-
gebenen Bahnstück entsprechende Abszisse ist.
Wie liegen nun die Verhältnisse, wenn weder die Exzen-
trizität der Erdbahn noch die Schiefe der Ekliptik Null ist? In
diesem Falle treten zu dem konstanten Gliede a^ noch eine
Reihe von periodischen Gliedern hinzu. Wie ist dies geo-
metrisch aufzufassen? Nicht anders, als daß wir uns über der
(— ) =
Geraden ( ) zz Konst. jedes einzelne dieser periodi-
schen Glieder — geometrisch eine Anzahl Sinuswellen von
verschiedener Amplitude, Phase und Periode — konstruiert
denken; die den wahren Verlauf der solaren Strahlung am
Äquator repräsentierende Kurve wird dann erhalten, wenn die
der gleichen Abszisse entsprechenden Ordinaten der Geraden
und der einzelnen Wellen algebraisch addiert und die sich
so ergebenden Punkte verbunden werden, also, physikalisch
226 F. Hopfner,
ausgedrückt, wenn die einzelnen Wellen zur Interferenz ge-
bracht werden.
Damit ist auch bereits angedeutet, auf welche Weise
die dem Äquator auf einer gegebenen Längend ifferenz zu-
gestrahlten Wärmemengen oder, geometrisch ausgedrückt, der
von zwei Ordinalen begrenzte Flächeninhalt unserer Kurve
bestimmt wird. Man hat einfach den Flächeninhalt einer jeden
einzelnen dieser Wellen zu berechnen, welchen sie innerhalb
/dW\
der beiden Grenzordinaten mit der Geraden 1 =
\ ^0/9 = 0
= Konst. einschließen, und diese Flächeninhalte zu dem
Flächeninhalte des von der Geraden und den beiden Grenz-
ordinaten bestimmten Rechteckes zu addieren, beziehungs-
weise von diesem zu subtrahieren, je nachdem die Flächen-
inhalte der Wellen von positiven, beziehungsweise negativen
/dW\
Ordinalen — bezogen auf die Gerade = Konst. —
V ^0/9 = 0
erfüllt werden.
In der Figur sind über der Geraden { 1 =: jP(0) =
= Konst. als Abszissenachse jene Wellen konstruiert, deren
Amplituden bei einer fünfstelligen Rechnung berücksichtigt
werden müssen.^
An der Hand dieser Figur und mit Rücksicht auf die
oben gegebenen Anleitungen ist es nun nicht schwer, jene
Wärmemengen zu berechnen, welche dem Äquator auf einer
beliebigen Längendifferenz, beispielsweise auf Bahnstücken zu
je 30 Längengraden, zugestrahlt werden. Denkt man sich näm-
lich unsere Fourier'sche Reihe innerhalb dieser willkürlichen
Längendifferenz integriert, so erhält man allgemein für die
Wärmemenge, welche dem Äquator auf diesem Längeninter-
vall zugestrahlt wird:
1 Bis auf die Amplitude a^, welche 60 mal verjüngt in die Figur ein-
gezeichnet werden mußte, sind die Amplituden aller anderen Wellen in den
sich aus der Rechnung ergebenden Verhältnissen konstruiert worden. Hin-
sichtlich der numerischen Berechnung der Amplituden sehe man nach Meteorol.
Zeitschrift, 1906, p. 385 fT.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne.
227
IC
6
wenn mit fv^, w^, w, und fv[, tt/^, n/^ die den Wellen niit den
Amplituden a^, öj, äj, beziehungsweise b^y b^, b^ entsprechenden
Flächeninhalte auf je 30 Längengraden bezeichnet werden.
Aus der Figur erkennt man leicht, daß diese Flächen-
inhalte im geometrischen Sinne in den angenommenen Längen-
differenzen wie folgt algebraisch zusammenzufassen sind:
228
F. Hopfner,
0«— 30«
30« -60«
60«— 90«
330« 360«
300« 330«
270«— 300«
IC
IC
IC
-4-«/^— M/jH-Ws
90«— 120«
120«— 150«
150«— 180«
240«— 270«
210«— 240«
180«— 210«
IC
— Wi — W2 — ^8
IC
IC
Man sieht, daß die zugestrahlten Wärmemengen berechnet
sind, wenn man die numerischen Werte der Flächeninhalte der
sechs Wellen kennt.
Gehen wir nochmals auf die Gleichung für [U^]^ao zurück.
Physikalisch besagt diese Gleichung nichts anderes, als daß die
Wärmemenge, welche dem Äquator auf einer gewissen Längen-
differenz zugestrahlt wird, als eine algebraische Summe von
Komponenten aufgefaßt werden darf, also als eine Summe von
Teilwärmemengen, welche je nach dem Bahnstücke, für das
die Gesamtwärmemenge zu berechnen ist, positiv oder negativ
zu nehmen sind. Hiebei kann den negativ einzuführenden
Wärmemengen insofern auch eine physikalische Bedeutung
beigelegt werden, als man annimmt, diese Teilwärraemengen
werden dem Äquator auf der angenommenen LängendifiFerenz
durch irgend eine Ursache entzogen, und zwar nach dem-
selben Gesetze, auf Grund dessen in einem anderen, ebenso
1 Wie leicht einzusehen ist, mufl für unsere Rechnung in diesen Längen-
diiferenzen M'2 ^=^ 0 sein.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 229
langen Bahnstücke dieselbe Wärmemenge dem Äquator zu-
gestrahlt wird.
Und nun wollen wir annehmen, es sei eine Atmosphäre
gegeben, welche nach dem Lambert'schen Gesetze die sie
durchdringenden Wärmestrahlen absorbiert; die Aufgabe aber
sei dieselbe wie vorhin. Welche Veränderungen erfahren nun
hiedurch einmal der Verlauf der Wärmestrahlung am Äquator
während eines Jahres, dann aber auch der Verlauf einer jeden
einzelnen Teilwelle?
Ober diese Fragen geben uns die Ergebnisse des Ab-
schnittes rv Aufschluß. Dort hat sich gezeigt, daß der Ver-
lauf der Wärmestrahlung für eine beliebige Breite, daher im
besonderen auch für den Äquator, durch die Existenz einer
Wärmestrahlen absorbierenden Atmosphäre nur insofern be-
einflußt wird, daß die Jahresschwankung eine Verkleinerung
erfährt, die Eintrittszeiten der Maxima und Minima in der
Bestrahlung aber keine Verschiebung erfahren. Wie ist es nun
aber mit den einzelnen Teilwellen bestellt bei Annahme einer
solchen Atmosphäre? Auch da gibt uns der genannte Abschnitt
Aufschluß.
Die Untersuchungen sind, wie bereits am Schlüsse des
Abschnittes hervorgehoben worden ist, ganz allgemein durch-
geführt worden ohne Rücksicht auf die spezielle Form der
Funktion ^. Nichts hindert uns, diese als die Gleichung einer
der Teilweiien bei Existenz einer Wärmestrahlen absorbie-
renden Atmosphäre zu betrachten. Darum müssen auch alte
Ergebnisse des Abschnittes IV unverändert für jede einzelne
Teilwelle Gültigkeit haben.
Es wird daher jede Teilwelle für dieselbe Länge 0 der
Sonne dort ihr Maximum, beziehungsweise Minimum haben,
wo sie einen solchen Extremwert bei solarer Strahlung er-
reicht. Ferner wird sie für dieselbe Sonnenlänge die Gerade
(— ) =
Konst. schneiden, für welche dieser Schnitt bei
Fehlen einer Atmosphäre eingetreten ist; denn die Bedingung
^ = 0 ist unabhängig vom Absorptionskoeffizienten, weil frei
von der Konstanten (i. Nur die Differenz zwischen den dem
Maximum und dem Minimum der Teilwelle entsprechenden
230 F. Hopfner,
Ordinaten wird eine Verkleinerung erfahren. Rein geometrisch
gesprochen, besagen diese Ergebnisse nichts anderes, als daß
die einzelnen Teilwellen weder in ihrer Phase noch in ihrer
Periode eine Änderung erfahren bei Existenz einer Atmo-
sphäre, sondern nur in ihrer Amplitude.
Diese Ergebnisse berechtigen nun zu folgenden, die durch-
zuführende Berechnung ungemein vereinfachenden Schlüssen.
Da die Teilwellen durch die Absorption der Wärmestrahlen in
der Atmosphäre weder in ihrer Phase noch in ihrer Periode
eine Änderung erfahren, wohl aber eine kleinere Amplitude
[ dW\
erhalten, so fallen die von ihnen und der Geraden 1 =
Wo /f = 0
= Konst. eingeschlossenen Flächen für jede LängendifTerenz
ganz innerhalb jener Flächen, welche von den Wellen gleicher
Phase und Periode und dieser Geraden bei solarer Strahlung
auf derselben LängendifTerenz gebildet werden. Es ist daher
der Flächeninhalt einer solchen Teilwelle bei Existenz einer
Atmosphäre positiv, beziehungsweise negativ in die Rechnung
einzuführen, wenn der durch die Teilwelle bei solarer Strahlung
f dW\
mit der Geraden zr Konst. gebildete Flächeninhalt
\ ^0/^ = 0
positiv, beziehungsweise negativ in der Rechnung verwendet
wurde. Gelingt es daher, für jede einzelne Teilwelle bei Exi-
stenz einer Atmosphäre den Flächeninhalt für jede beliebige
Längendifferenz zu bestimmen, so sind diese Flächeninhalte
auf dieselbe Weise algebraisch zusammenzufassen, um den
Flächeninhalt der aus ihnen resuUierenden Hauptwelle zu
berechnen, wie die Flächeninhalte der Teilwellen bei solarer
Strahlung auf derselben LängendifTerenz.
Übertragen wir diese Schlüsse ins Physikalische, so be-
sagen sie folgendes: Wir erhalten die Gesamtwärmemenge,
welche auf einer gewissen LängendifTerenz unter Annahme
einer nach dem Lambert'schen Gesetze absorbierenden Atmo-
sphäre pro Flächeneinheit auf den Äquator in einer gewissen
Zeit auffällt, wenn wir für jede Komponente der solaren
Wärmemenge, welche auf der gleichen Längendififerenz unter
gleichen Verhältnissen dem Äquator zugestrahlt wird, die nach
erfolgter Absorption durch die Atmosphäre übrigbleibende
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 231
Wärmemenge bestimmen und diese als Komponenten der
durch die Absorption reduzierten Wärmestrahlung ebenso
algebraisch zusammenfassen wie die Komponenten der solaren
Strahlung auf derselben LängendifTerenz.
Diese Ergebnisse gewinnen an Klarheit, wenn wir sie ana-
lytisch zum Ausdrucke bringen. Wir haben die Kurve, welche
den Verlauf der solaren Strahlung am Äquator während eines
Jahres angibt, dadurch, daß wir den Differentialquotienten
/dW\
\ ) in eine Fourier'sche Reihe entwickelt haben, dar-
gestellt als Interferenzwelle aus einer unendlichen Anzahl von
Wellen. Ist nun eine Wärmestrahlen absorbierende Atmo-
sphäre vorhanden, so erfahren diese Wellen nur in ihrer
Amplitude, nicht aber in ihrer Phase und Periode eine Ver-
änderung. Lassen wir also diese durch die Absorption modi-
fizierten Wellen interferieren, so muß notwendig ihre Inter-
ferenzwelle jene Kurve sein, welche den Verlauf der WäiTne-
strahlung am Äquator bei Existenz einer Atmosphäre in einem
Jahre angibt. Analytisch wird diese Interferenz der einzelnen
Wellen dadurch zum Ausdrucke gebracht, daß wir die Glei-
chungen dieser Wellen algebraisch addieren. Diese sind aber,
wie sich unmittelbar aus der ersten Form des Lambert'schen
Absorptionsgesetzes ergibt, von folgender Form:
—^ = 4»,^ ♦*, ^^ = c^cos%e (x = 0,l,2...r)
^"^^ = 4^;r*i, ^i = d=&xsinx0 (x = l,2,3...r)
dO
wenn wir durch Hinzufügen des Indexes k die Teilwellen von
der Hauptwelle f — —) und untereinander durch Anbrin-
gung eines Akzentes unterscheiden, je nachdem wir es im
letzteren Falle mit einer Sinus- oder Kosinuswelle zu tun
haben. Für das Vorzeichen im Exponenten auf der rechten
Seite obiger Gleichungen ist aber die folgende Bemerkung von
VV^ichtigkeit. Solange die linke Seite der Gleichungen positiv
ist, wird dem Äquator Wärme zugestrahlt; wird sie aber
negativ, so läßt sich das analog den negativen Teilwärme-
SiUb. d. mathem.-naturw. KI. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 16
232 F. Hopfner,
mengen bei der solaren Strahlung physikalisch so aufTassen,
als würde dem Äquator nach dem gleichen Gesetze wie bei
der Zustrahlung Wärme entzogen. Die Atmosphäre spielt bei
dieser Auffassung in jedem der beiden Fälle eine ganz ent-
gegengesetzte Rolle. Im ersten Falle schützt sie den Äquator
vor jener starken Einstrahlung, wie sie beim Fehlen einer
Atmosphäre stattfinden würde; sie wirkt also vermindernd
auf die zugestrahlten Wärmemengen ein. Im zweiten Falle
aber schützt sie vor jenem starken Wärmeentgange, wie er
bei der solaren Strahlung durch die negativen Teilwärme-
mengen verursacht wird; es wirkt daher im letzten Falle die
Atmosphäre relativ vergrößernd auf die Wärmemengen
des Äquators ein. Analytisch kommt dieses verschiedene Ver-
halten der Atmosphäre in beiden Fällen dadurch zixtn Aus-
drucke, daß der Logarithmus des Absorptionskoeffizienten {t
gleichzeitig mit der linken Seite der Gleichungen sein Zeichen
wechseln muß. Da aber mit dieser auch der Nenner im
Exponenten der Basis e der natürlichen Logarithmen sein
Vorzeichen ändert, so bleibt das Vorzeichen des ganzen
Exponenten von diesen beiden Zeichenwechseln unbeeinflußt.
Für die praktische Anwendung obiger Gleichungen ergibt
sich daher die einfache Regel, daß sowohl [i als auch der
Nenner im Exponenten stets nur ihrem absoluten Betrage
nach in die Rechnung einzuführen sind. Man erhält somit als
Gleichung des Verlaufes der Wärmestrahlung am Äquator bei
Existenz einer Atmosphäre
oo
= a,e ^-
'^(a.e ^"^^^'^^cosxOzfcftx^ ** ^^" *^ sin x0)
Das Integral^ über diese Gleichung innerhalb der Grenzen
©j bis ©2 gibt die Wärmemengen, welche in der diesen
Grenzen entsprechenden Zeit pro Flächeneinheit auf den
Äquator auffallen, wobei ebenso, wie wir beim Beispiele der
1 Die gleichmäßige Konvergenz dieser Reihe läßt sich ohneweiters aus
der physikalischen Bedeutung des Differentialquotienten schließen.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. 233
solaren Strahlung gesehen haben, auf die verschiedene Periode
der einzelnen Glieder der Reihe Rücksicht zu nehmen ist.
Dieselben Schlüsse wie für den Äquator gelten auch für
den Verlauf der Wärmestrahlung und für die Berechnung der
auffallenden Wärmemengen bei Existenz einer Atmosphäre
am bestrahlten Pole. Den Verlauf der Wärmestrahlung auf
ihm stellt die Gleichung ^
dar, deren Integral innerhalb der Grenzen von ©^ bis ©, die
gesuchte Wärmemenge gibt.
Es fragt sich nun, wie die Verhältnisse liegen, wenn wir
auf eine beliebige Breite von der Polhöhe (p übergehen. Gemäß
der Gleichung (1) des zweiten Abschnittes erhalten wir den
Verlauf der solaren Strahlung auf dieser Breite, wenn wir die
Welle des Poles, deren Amplitude mit dem Sinus der Polhöhe
der angenommenen Breite zu multiplizieren ist, mit der Welle
des Äquators, deren Amplitude mit dem Kosinus der Polhöhe
zu multiplizieren ist, zur Interferenz bringen. Da letztere Welle
aber selbst eine Interferenzwelle aus einer unendlichen Anzahl
von Wellen ist, so hat man die auf die Breite (p reduzierte
Welle des Poles mit dieser unendlichen Anzahl von Teilwellen»
deren Amplituden jedoch vorher mit dem Kosinus der Polhphe
zu multiplizieren sind, interferieren zu lassen. Bei Existenz
einer Atmosphäre erfahren alle diese Wellen weder in ihrer
Phase noch in ihrer Periode, sondern nur in ihrer Amplitude
eine Veränderung. Die Gleichungen dieser durch Absorption
modifizierten Wellen ergeben sich analog wie bei Äquator und
Pol unmittelbar aus Form (I) des Lambert'schen Gesetzes;
deren algebraische Summe stellt die Interferenzwelle für die
Polhöhe ff dar. Man erhält somit als Gleichung des Verlaufes
der Wärmestrahlung auf einer beliebigen Breite bei Existenz
einer Wärmestrahlen absorbierenden Atmosphäre
^dQ/f
1 (IV.)
16*
234 F. Hopfner, Bestrahlung der Erde durch die Sonne.
wenn zur Abkürzung gesetzt wird:
Ar. = öx cos cp (x = 0, 1, 2, . . . r)
J?i = i±: \h^ cos cp H p sin cp j
\ 2 '
J3x = ± frx cos f (x = 2, 3, 4, . . . r).
Diese Gleichung gibt das Lambert'sche Absorptionsgesetz
in einer vierten Form. Diese zeichnet sich vor den anderen
Formen dieses Gesetzes dadurch aus, daß sie ähnlich wie eine
Fourier'sche Reihe die Kurve, welche den Verlauf der Wärme-
strahlung auf einer beliebigen Breite bei Existenz einer Atmo-
sphäre darstellt, als das Resultat einer Interferenz aus einer
unendlichen Anzahl von Wellen zum Ausdrucke bringt. Diese
Art der Darstellung wird dort gute Dienste leisten, wo es sich
darum handelt, die Eigentümlichkeiten im Verlaufe der Wärme-
strahlen in ihrer Abhängigkeit von den Elementen der Erdbahn
zu studieren. Für unseren Zweck aber, nämlich für die auszu-
führende Integration, ist diese Form aus dem Grunde besonders
geeignet, da in ihr bei den der Integration zu unterziehenden
Funktionen eine möglichst einfache Form erzielt worden ist.
Wendet man nämlich auf diese Funktionen die bereits eingangs
dieses Kapitels gebrauchte Reihenentwicklung an, so reduziert
sich die auszuführende Integration auf folgende einfache Inte-
grale: ^0, ^0 , ro« J0
p._^^_ und r
X, (cosxO)''-^ J0.
(sin xO)»--!
Damit ist der Weg angegeben, welcher bei der Berechnung
jener Wärmemengen einzuschlagen ist, welche nach Passieren
der Luft auf eine beliebige Breite innerhalb einer gewissen
Zeit pro Flächeneinheit auffallen. Mit Rücksicht auf das bereits
in den früheren Abschnitten gegebene Bild über die Verteilung
der Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche bei Existenz einer
Atmosphäre darf durch die Ableitung der vierten Form des
Lambert'schen Absorptionsgesetzes das gestellte Problem für
die Meteorologie als gelöst betrachtet werden. Denn die noch
auszuführende Integration beansprucht nur noch ein rein mathe-
malisches Interesse; mit ihrer Ausführung und der numerischen
Berechnung der auffallenden Wärmemengen werden sich die
folgenden Abschnitte beschäftigen.
235
Die Herstellung von Karten und Plänen auf
photographisehem Wege
von
Theodor Scheimpflug,
it. M. i^. Hauptmann d. R, und Kapitän l. F.
(Mit 6 Textflguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 7. März 1907.)
I. Überblick über die leitenden Gesichtspunkte der Methode.
Das hier zu erläuternde Verfahren beruht auf der Aus-
wertung von Photogrammen des Terrains zu Karten oder
Plänen, unterscheidet sich aber von den bekannten photo-
grammetrischen Methoden wesentlich dadurch, daß diese Aus-
wertung nicht punktweise durch Messung, Rechnung und
Zeichnung erfolgt, sondern daß bei derselben die Bilder in.ihrer
Gänze oder zum mindesten größere Teile derselben auf einmal
systematisch verändert und durch rein optische, beziehungs-
weise photographische Prozesse in Teile von Karten oder Plänen
übergeführt werden.
Der theoretische Grundgedanke, der dem Verfahren zu
Grunde liegt, läßt sich kurz dahin formulieren, daß sowohl
die Photographien als die Karten ebene und projektive Bilder
des Terrains sind und sich nur dadurch voneinander unter-
scheiden, daß im allgemeinen jedes einzelne Element der
Photographie einen anderen Maßstab hat als das ihm ent-
sprechende Element der Karte. Es muß also möglich sein,
durch Prozesse, welche diese Maßstabsverschiedenheiten be-
seitigen, die Photographien in Karten überzuführen.
Allerdings ist der Standpunkt, von dem aus die Photo-
graphie des Terrains aufgenommen wurde, im allgemeinen ein
236 Th. Scheimpflug,
niedriger; es wird bei selber in der Regel nicht nur der Vorder-
grund viel zu groß und detailreich, der Hintergrund viel zu
klein und detaiiarm erscheinen, sondern es wird, und das ist
prinzipiell viel bedenklicher, der Vordergrund große und wich-
tige Partien des Hintergrundes verdecken. Was in der Photo-
graphie fehlt, aber in der Karte nicht fehlen darf, kann nur aus
anderen Bildern ergänzt werden. Solange die Standpunkte
niedrig sind und das Terrain nahezu enfilieren, wäre aber eine
Unzahl von Bildern dazu nötig und die zu ihrer Verarbeitung
nötige Mühe stände in keinem Verhältnis zum Resultat.
Erst wenn und in dem Maße, als man hohe Standpunkte
wählt, wird die Sache diskutabel.
Es kommen also im weiteren nur Aufnahmen von hohen
terrestrischen Standpunkten, Hochgebirgsaufnahmen und Bal-
lonaufnahmen in Betracht.
Einfache Überlegungen zeigen, daß die Maßstabsverschie-
denheiten zwischen Photographie und, Karte zweierlei Art
sind; und zwar ist die erste Art bedingt durch die Lage der
Projektionsebene und die zweite Art bedingt durch die Plastik
des Terrains.
Die Maßstabsverschiedenheiten der ersten Art sind hie-
be! bedeutend größer und weitaus störender als jene der
zweiten Art.
I. Ist die Projektionsebene der Photographie vertikal oder
geneigt, wie das gewöhnlich der Fall ist, die Projektionsebene
der Karte horizontal, so ist es klar, daß das zu bedeutenden
Maßstabsverschiedenheiten führen muß. Man kann in erster
Annäherung, d. h. wenn man von den Maßstabsverschieden-
heiten der zweiten Art vorläufig absieht, sagen, Photographie
und Karte entstehen dadurch, daß ein und dasselbe den Stand-
punkt mit dem Objekt verbindende Strahlenbüschel Von zwei
Ebenen verschiedener Lage geschnitten wird. Sobald man
aber an dieser Annahme festhält, können die perspektivischen
Verschiedenheiten zwischen Photographie und Karte ohne
Schwierigkeit mit Hilfe des vom Verfasser konstruierten
Photoperspektographen (siehe »Photographische Korrespon-
denz«, November 1906, Nr. 554 der ganzen Folge) beseitigt
werden.
Photographische HersteHnng Ton Karton. 237
Nur ist hiebe! noch folgendes zu beobachten :
Bei Ballonaufnahmen hat das in Betracht kommende
Strahlenbüschel beinahe stets eine solche Lage im Räume,
daß ein horizontaler Schnitt durch dasselbe ein reelles Bild
ergibt. Anders bei Hochgebirgsaufnahmen. Bei diesen kommt
es häufig vor, daß das photographierte Objekt mindestens teil-
weise höher ist als der Standpunkt Dann gibt ein horizontaler
Schnitt durch das primäre Strahlenbüschel kein brauchbares
Bild mehr.
Das Verfahren wird scheinbar undurchführbar.
Erst durch die Verwertung der mathematischen Beziehun-
gen zwischen räumlich kollinearen Gebilden läßt sich diese
Schwierigkeit umgehen.
E. DevillCy Surveyor General of Dominion Lands, gibt
in seinem Werke: »Photographic Surveying including the
Elements of Descriptive Geometry and Perspective 1895«
höchst elegante Konstruktionen an, um aus den Perspektiv-
bildem (Photographien) ebener Figuren deren Horizontal-
projektionen abzuleiten.
Diese Konstruktionen sind im wesentlichen Transforma-
tionen des Standpunktes, der Bildebene und der Projektions-
ebene.
Da sich aber jedes räumliche Gebilde durch Führung
paralleler Schnitte in eine Schar ebener Figuren auflösen läßt
und für diese Schar ebener Figuren die Transformationen des
Standpunktes und der Bildebene stets gemeinsam sind, die
Transformationen der Projektionsebenen aber in ihrer Gesamt-
heit eine Umformung des Originalterrains in ein zu demselben
räumlich kollineares Gebilde, »das transformierte Terrain«, dar-
stellen, so ist es leicht, die Deville*schen Konstruktionen auch
für räumliche Gebilde anzuwenden und dadurch die obange-
deuteten Schwierigkeiten zu überwinden.
Rein mathematisch genommen, entspricht der Photographie
1', 2', 3' und ihrem Standpunkte S vor der Transformation das
gegebene Terrain 1, 2, 3, 4, 5, nach der Transformation ent-
spricht dem verschobenen Standpunkte S^ und der eventuell
verschobenen Bildebene 1'2'3" ein transformiertes Terrain
r'2"3"4"5''(Fig. 1).
238
Th. Scheimpflug,
Das ursprünglich gegebene und das transformierte Terrain
haben bei richtiger Durchführung der Deville'schen Konstruk-
tionen die gleiche Horizontalprojektion. Denn sie sind zu-
einander räumlich affin und ihre Affinitätsrichtung ist die
Vertikale.
Die Horizontalprojektion (Karte) der Hochgebirgsland-
schaft in erster Annäherung wird dadurch zum horizontalen
Schnitt eines Strahlenbüschels, welches vom transformierten
Standpunkte und der eventuell^ verschobenen Photographie
Fig. 1.
bestimmt ist. Es ist also wieder möglich, mit Hilfe des Photo-
perspektographen die Photographie der Hochgebirgslandschafl
ohne weiteres in eine Horizontalprojektion derselben bei Ver-
nachlässigung der Mafistabsdifferenzen zweiter Art zu trans-
formieren.
Wurde bei der ursprünglich vollkommen freien Wahl der
Ebenenschar, welche die Hochgebirgslandschaft in eine Schar
^ In dem durch Fig. 1 dargestellten Spezialfälle bleibt die Bildebene
unverrückt an ihrem Platze, was die Anschaulichkeit ungemein erhöht. Im allge-
meinen mufl jedoch auch die Bildebene verschoben werden.
Photographische Herstellung von Karten. 239
ebener Figuren auflösen sollte, die Vorsicht gebraucht, diese
Ebenen sich dem allgemeinen Verlauf des Terrains möglichst
anschmiegen zu lassen (daher der Name Schmiegungsebene),
so ist die Terrainplastik auch bereits in ihren Hauptzügen
berücksichtigt und spielen daher die MaßstabsdifTerenzen
zweiter Art keine große Rolle mehr.
Betreffs der MaßstabsdifTerenzen zweiter Art, welche durch
die Terrainplastik bedingt sind, zeigt wieder eine einfache
Überlegung, daß selbe, sobald man einmal die Photographien
auf horizontale Projektionsebenen transformiert hat, d. h. die
Maßstabsdifferenzen erster Art weggeschafft hat, nur mehr
Funktionen des senkrechten Abstandes jedes einzelnen Terrain-
punktes von der Vergleichsebene (bei Anwendung der Deville-
schen Konstruktionen, von der mittleren Schmiegungsebene)
sind.
Alle Terrainteile gleicher Höhe, respektive gleichen Ab-
standes von der Schmiegungsebene erscheinen also im gleichen
Maßstabe, Terrainteile verschiedener Höhe, respektive ver-
schiedenen Abstandes von der Schmiegungshöhe in verschie-
denem Maßstabe. Was dem Standpunkte näher liegt, erscheint
größer, was vom Standpunkte entfernter ist, erscheint kleiner.
Ist man also in der Lage, den Schichtenplan des Terrains
(bei Anwendung der Deville'schen Konstruktionen, des trans-
formierten Terrains) zu ermitteln, so kann man aus dem
Schichtenplan auch den Maßstabfehler jeder einzelnen hori-
zontalen Zone berechnen und durch eine photographische
Reproduktion beseitigen.
Die Ermittlung dieses Schichtenplanes aus je zwei von
verschiedenen Standpunkten aus aufgenommenen Bildern des-
selben Terrains läßt sich aber, sobald selbe einmal auf hori-
zontale Projektionsebenen transformiert sind, ohne Schwierig-
keit und mit großer Genauigkeit mit dem Stereokomparator
von Dr. Pulfrich, Firma Zeiß (Jena), durchführen, worauf die
Beseitigung der Maßstabdifferenzen zweiter Art ohne weiteres
mit einem beliebigen photographischen Reproduktionsapparat
besorgt werden kann und nur aus Gründen der Bequemlich-
keit und Genauigkeit mit einem eigens hiezu konstruierten
Zwillingsapparat, dem Zonentransformator, geschieht.
240
Th. Scheimpflug,
II. Die geodätische Orientierung der Ballonbilder und ihre
Transformation in horizontierte Vogelperspektiven mit Hilfe
des Photoperspektographen.
Das ganze Verfahren bliebe aber ein bloQes Luftschloß,
wenn es nicht möglich wäre, die geodätische Orientierung der
Ballonaufnahmen, die stets das wichtigste Rohmaterial des
Verfahrens bilden werden, auf genaue und einfache Weise zu
ermitteln.
Die einschlägigen Methoden, welche wir den grund-
legenden Arbeiten Prof. Dr. S. Finsterwalder's, München,
\
\
Fig. 2.
verdanken, sind, soweit sie einfach sind, wie sein graphisches
Verfahren zur Ermittlung des Ballonortes nach Pothenot und
seine Anwendung vom Ballonäquator herabhängender Not-
leinen zur Bestimmung des Nadirpunktes der Ballonphoto-
graphien, bloß Näherungsmethoden Und, sobald sie die Methode
der kleinsten Quadrate zu Hilfe nehmen, um die Genauigkeit
der Resultate auf das unbedingt erforderliche Maß zu erhöhen,
bei weitem zu mühsam und zeitraubend für die praktische
Arbeit in großem Stile.
Es ist demnach von Wichtigkeit, daß der Photoperspekto-
graph nicht bloß dazu benützt werden kann, einen ebenen
Photographische Herstellung von Karten.
241
Schnitt eines Strahlenbüschels in einen anderen ebenen Schnitt
desselben Strahlenbüschels überzuführen, sondern auch dazu
dienen kann, die Ballonbilder genauestens zu orientieren.
Zur Erläuterung dieser beiden Funktionen des Photo-
perspektographen dienen die Figuren 2 und 3.
Fig. 2 zeigt die geometrischen Beziehungen des Objektes -45
(des Terrains) des mit der Neigung i aufgenommenen Original-
bildes El und der horizontierten Vogelperspektive En zur Brenn-
weite F des bei der Aufnahme verwendeten Objektives, zur
Flg. 3.
Höhe H des Standpunktes und zu der für den Maßstab der
Transformation maßgebenden Fokaldistanz h der horizon-
tierten Vogelperspektive.
Fig. 3 zeigt die geometrischen Beziehungen der Original-
aufnahme ab (E^) und der horizontierten Vogelperspektive
c^V {E^ zur Brennweite / des in dem Photoperspektographen
eingebauten Reproduktionsobjektives.
Die Schnittgerade oder das gemeinsame Element Af(Afi,Mii)
beider Bilder sowie die Horizontlinie oder Fluchtgerade V der
Originalaufnahme ab {E^ und die Verschwindüngsgerade der
242 Th. Scheimpflug,
Bildränder oder kurzweg Fluchtgerade R der horizontierten
Vogelperspektive a'l/ (Eu) finden sich in beiden Figuren.
Macht man mit einem Objektiv beliebiger Brennweite F
mit beliebiger Neigung i des Apparates eine Ballonaufnahme,
so ist die Lage der Horizontlinie oder Fluchtgeraden V der
Originalaufnahme, d. h. der Schnittgeraden der durch das
Objektiv gelegten Horizontalebene mit der Bildebene, bereits
durch F und i bestimmt.
Weiters bestimmen der optische Mittelpunkt O des Objek-
tives und die Photographie zusammen ein Strahlenbüschel
O
Schneidet man dasselbe in beliebigem Abstand h von O
durch eine Horizontalebene, so ist es klar, daß der Maßstab
der dadurch entstehenden Schnittfigur, der horizontierten
Vogelperspektive, von der Größe h abhängen wird. Aber nicht
nur der Maßstab der horizontierten Vogelperspektive, sondern
auch die Lage der Schnittgeraden M derselben mit der Ori-
ginalaufnahme auf letzterer, d. h. der Abstand MV des gemein-
samen Elementes M von der Horizontlinie oder Flucht-
geraden V ist von h abhängig. Dagegen ist die analoge
Größe MR auf der horizontierten Vogelperspektive von h
völlig unabhängig. Man vergleiche die Formeln:
MR = OV= -^ und MV z= OR = — —
sm t sm t
Jedenfalls sind in einem gegebenen Falle durch die Größen
F, i und h auch die Abstände MV und MR völlig eindeutig
bestimmt.
Hat man mit Hilfe des Photoperspektographen die Über-
führung der Originalaufnahme in die horizontierte Vogel-
perspektive tatsächlich durchzuführen, so müssen die beider-
seitigen Fluchtgeraden V und R in die Gegenachsen des
Apparates zu liegen kommen, weil sie nur dann, wie es sein
soll, in die Unendlichkeit projiziert werden, dagegen muß das
Pbotographtsche Herstellung von Karten. 243
gemeinsame Element M (Afi, Mn) beider Bilder in die beiden
Ebenen der doppelten Brennweite /zu liegen kommen, weil nur
dort eine Abbildung in natürlicher Größe stattfindet Da aber die
Brennweite /des Reproduktionsobjektives des Photoperspekto-
graphen eine bestimmte unveränderliche Größe hat, so sagen
uns die Gleichungen ilf 7 sin a =/=: Afi? sin ß, daß die
Neigungswinkel a und ß, welche Original und Transformation
mit der Objektivebene einzuschließen haben, durch die Größen
M V und MR bereits bestimmt sind. Da aber weiters im Sinne
der Theorie der schiefen Abbildung (siehe »Photographische
Korrespondenz«, November 1906, Nr. 554 der ganzen Folge)
die beiden Bildebenen und die beiden Gegenebenen ein Parallelo-
piped bilden müssen, so ist die Lage der beiden Bilder im
Apparat genauestens festgelegt.
Die Größen MV und MR können an eigenen Teilungen
des Photoperspektographen eingestellt, beziehungsweise abge-
lesen werden.
Sind in einem bestimmten Falle jP, i und h gegeben, so
können Af Fund MRy a und ß berechnet und darnach die Ein-
stellungen am Apparat bewerkstelligt werden.
Ist dagegen, wie es wohl die Regel sein wird, bloß die
Brennweite F des Aufnahmsobjektives und das Maßstabs-
verhältnis d : D der gewünschten Karte zur Natur bekannt,
dagegen i und h unbekannt, so genügt es, die genaue Lage
von drei Punkten 1, 2, 3 der Natur, die sich auf der Ballon-
photographie gut identifizieren lassen, zu kennen und im Maß-
stabe d: D in perspektivischer Projektion auf der Mattscheibe
des Photoperspektographen aufzutragen und die Originalphoto-
graphie mit ihren drei identen Bildpunkten auf diese drei vor-
gezeichneten Fixpunkte zu projizieren. Eine größere Anzahl
identer Bildpunkte, respektive bekannter Fixpunkte gewährt
erwünschte Kontrollen, ohne die aufzuwendende Arbeit wesent-
lich zu steigern, im Gegensatze zu der in ähnlichen Fällen sonst
angewendeten Methode der kleinsten Quadrate.
Nachdem die identen Bildpunkte I, II, III der Original-
aufnahme hiebei mit den auf der Mattscheibe vorgezeichneten
Fixpunkten IMF IIP' optisch zur Deckung gebracht werden,
ist das hier angedeutete Verfahren einer großen Genauigkeit
244 Th. Scheimpflug,
fähig. Es werde fernerhin als die M^hode der »optischen
Koinzidenz« bezeichnet.
Die Lesungen für die Größen MV und MRy die nach
erfolgter optischer Koinzidenz der Apparat ergibt, gestatten
nach den Formeln:
F
sini =:
MR
MV
MR
MV cosi=z S'R
h\H=d:D
die Ermittlung des Neigungswinkels i der Originalaufnahme,
der Fokaldistanz h der horizontierten Vogelperspektive,
der Höhe H des Ballonortes,
des Bildes S' des Ballonortes in der horizontierten Vogel-
perspektive im Fußpunkte des Lotes vom optischen Mittel-
punkt 0 auf dieselbe.
Durch Identifikation dieses Bildpunktes S' in der Natur
findet sich dann die Horizontalprojektion des Ballonortes 5.
Sind solcherart die Originalaufnahmen sämtlich geodätisch
orientiert und in horizontierte Vogelperspektiven transformiert,
so ist zum Zwecke der Wegschaffung der Maßstabfehler zweiter
Art, welche durch die Terrainplastik bedingt werden, ein ge-
nauer Schichtenplan des Terrains zu entwerfen.
in. Die Ermittlung des genauen Schichtenplanes des Terrains
aus den horizontierten und geodätisch orientierten Vogel-
perspektiven. Über die Verwendung des Stereokomparators
hiezu.
A Ermittlung des Schichtenplanes ohne besondere
instrumenteile Hilfsmittel.
Es wird angenommen, daß die Ballonaufnahmen gegen
ein genau eingemessenes Netz identer und auf die Matt-
scheibe des Photoperspektographen im gewollten Maßstab der
PbotograpJbische Heiateliung von Karten. 245
Karte aufgetragener Terrainpunkte horizontiert und geodätisch
orientiert wurden.
Die Bilder sind somit bereits sämtlich auf den gleichen
Mafistaby d. h. auf den Maßstab des gegebenen Punktnetzes
gebracht. Die Ballonörter sind durch optische Koinzidenz ge-
nau bestimmt Die Bilder sind streng und nicht bloß genähert
horizontal, was eventuell dadurch mit Hilfe der Hauck'schen
Kernpunkte kontrolliert werden kann, daß man aus den be-
kannten Ballonörtern die Lage der Kernpunkte auf jedem Bilde
berechnet, für eine Anzahl identer Punkte die Kemstrahlen
zieht und nachsieht, ob die so entstehenden Strahlenbüschel
zusammengehöriger Bilder sich decken. Da nämlich die Bilder
sämtlich durch optische Koinzidenz nicht nur horizontiert,
sondern auf denselben Maßstab reduziert wurden, so liegen
sie alle in einer Ebene. F'ür zwei Bilder aber, die in derselben
Ebene liegen, fallen die beiden Kernpunkte zusammen und
decken sich die zusammengehörigen Kernstrahlen.
Diese Kontrolle wird am besten rechnerisch durchgeführt.
Grobe Fehler sind zu beseitigen, kleine Fehler eventuell empi-
risch auszugleichen.
Um die Bilder weiter verarbeiten zu können, bezieht man
jetzt jedes derselben auf ein dreiachsiges Koordinatensystem
durch die Horizontalprojektion des Ballonortes als Ursprung,
Man kann hiezu entweder die Verbindungslinie der beiden
Ballonörter (Basis) als Abszissenachse (:i;-Achse), die Senk-
rechte darauf als Ordinatenachse (Y-Achse), das Lot auf die
Bildebene im Ballonort als s- Achse wählen; oder man kann
die Ost — 'West-Linie als Abszissenachse (;i?- Achse), die Nord —
Süd-Linie als Ordinatenachse (>'- Achse) und wieder das Lot
im Ballonort als «-Achse benützen. Das erstere dürfte bei einer
geringen Anzahl von Bildern, das letztere bei einem umfang-
reichen Bildermaterial das Vorteilhaftere sein.
Nachdem unter B bei der Verwendung des Stereokompara-
tors vorwiegend der erstere Fall Besprechung finden wird, beide
Arbeitsmethoden jedoch gleichwertig sind, sei hier dem zweiten
Arbeitsvorgange die größere Aufmerksamkeit zugewendet.
Die Lage der Nord — Süd-Linie kann aus dem Triangu-
lierungsnetz ermittelt und mit Hilfe der in jedem Bilde ent-
246
Th. Scheimpflug,
haltenen Triangulierungspunkte in die Bilder übertragen und
an den Bildrändern durch Marken festgelegt werden. Die
Nord — Süd- und Ost — West-Linie werden dabei am besten
bei jedem Bilde durch den Fußpunkt des Lotes vom Ballon-
ort gelegt.
Dann ist der senkrechte Abstand der Nord — Süd-Linien
zweier Aufnahmen A-Y^: — , wobei a r= AX cos 9 die Längen-
abweichung der beiden Ballonörter ist.
0.
Fig. 4.
Weiters ist der senkrechte Abstand der Ost — West-Linien
A©
zweier Aufnahmen A^ =: — ^, wobei Acp der Breitenunter-
schied der beiden Ballonörter ist.
Endlich ist noch Aa; = Aft von Wichtigkeit. Aus der Pro-
d
portion H:h -= D:d folgt, wenn Vz= — und das Verjüngungs-
^ h
Verhältnis V, wie vorausgesetzt, bekannt ist, V z=z — und
Aä ^
weiters auch V=z
AH
Photographische Herstellung von Karten. 247
äH ist der Höhenunterschied der Ballonörter in der Natur,
AH
= Aä = A« ist der verjüngte Höhenunterschied der
Projektionszentra der verwendeten Bilder,
sind die Koordir
natenunterschiede
der beiden Ballon-
örter.
a AX cos p .
— = =-111 A^=: X. — Ar«-*-»j
(Die Zeichen von x^, x^, y^, y^y ^^> ^^> Px und py sind
algebraisch zu nehmen.)
Px = dx^—dx^
Py = <^yi—^y%
dh\h^-=z i
dhih^ = dx^ : x^
h'^l
dh = A, '^*>
t^:x^
dh - Ä_ '^*»
dx^
dx^
A.*i
(dx^ — dx^) : dx^ : dx^ =z (Äj«, — h^x^) : Äg*j : Äj«,
dx, =r ^'*^*»
Äj iTj '^1^9
dx, = ^'*^*«
Äg*^ ^Äj*j
</* =
_ PxKh, _ Pyh^h,
*2^i— AiJ*«
rf>-.= PAA
Sitzb. d. math«in.-3aturw. Kl.; CXVI. Bd.; Abt. IIa. 17
248 Th. Scheimpflug,
Durch diese sechs Formeln sind die Raumkoordinaten
jedes einzelnen Terrainpunktes aus den Bildern leicht bestimm-
bar. Das setzt stillschweigend voraus, daß die sieben Seiten-
bilder des Ballon apparates^ mit dem Mittelbilde zu einem
Gesamtbilde vereinigt wurden oder wenigstens sämtliche
Seitenbilder jedes für sich je nach Anwendung von Arbeits-
vorgang 1 oder 2 entweder gegen die Basis (Verbindungslinie
der beiden Ballonörter) oder gegen die Nord — Süd- und
Ost — West-Linie orientiert und die KoordinatendifiFerenzen der
Hauptpunkte der Seitenbilder gegen den Ballonort genauestens
ermittelt wurden.
B. Ermittlung des Schichtenplanes mit Hilfe des
Stereokomparators.
Der Stereokomparator von Dr. C. Pul f rieh (siehe dessen
Broschüre: »Neue stereoskopische Methoden und Apparate für
die Zwecke der Astronomie, Topographie und Metronomie«)
ist ein Instrument, welches eine logische Fortbildung und sinn-
gemäße Ergänzung des stereoskopischen Entfernungsmessers
der Firma Zeiß in Jena darstellt und dazu dient, das Prinzip
der stereoskopischen Distanzmessung auf photographische
Bilder anzuwenden.
In der Form, in der er heute von der Firma Zeiß her-
gestellt wird, ist er ein wissenschaftliches Präzisionsinstrument
ersten Ranges. Fig. 5, zu welcher die Firma Zeiss das Klische
gütigst zur Verfügung stellte, zeigt seinen Aufbau.
Die beiden Stereoskopbilder (Glasbilder, nach Belieben
Negative oder Positive) werden in ihre Halter geklemmt und
können gemeinsam mittels des Triebes H nach rechts und
links bewegt werden, während das am Träger T befestigte
Mikroskop mittels des Triebes V nach auf- und abwärts
bewegt werden kann.
Beide Platten sind bei den neueren hier in Betracht
kommenden Apparaten auf Drehscheiben und Kreuzschlitten
1 Siehe Photographische Korrespondenz, 1903. Scheimpflug, Über
österreichische Versuche, Ballonaufnahmen geodätisch zu verwerten, und deren
bisherige Resultate.
Pbotographiache Herstellung von Karten. 249
montiert Es liegt aber die Drehscheibe der rechten Platte P,
auf dem Kreuzschlitten und macht alle Bewegungen desselben
mit, während links die Platte Pj im Kreuzschlitten liegt und
mit diesem Kreuzschtitten auf der Drehscheibe montiert ist
und daher der Kreuzschlitten alle Bewegungen der Drehscheibe
mitmacht.
Durch die Schraube M, welche zum rechtsseitigen Kreuz-
schlitten gehört, können die Abstände der beiden Dreh-
scheibenmittelpunkte voneinander verändert werden und dient
die Teilung a, die sogenannte ParaUaxenteilung, dazu, diese
Veränderungen zu messen.
Dagegen lassen sich die Abszissen M und Ordinaten A''
der linken Platte P, am AbszissenmaSstab A und am Ordi-
250
Th. Scheimpflug,
natenmaßstab B ablesen, welche dazu dienen, die durch die
Triebe H und V bedingten Verschiebungen zu messen.
Den Strahlengang des Mikroskops, das 4 — 6— 8 fache
Vergrößerungen hat, zeigt Fig. 6.
In der Fadenkreuzebene des linken Mikroskops ist eine
fixe, in der Fadenkreuzebene des rechten Mikroskops ist eine
bewegliche, mit Hilfe einer Mikrometerschraube verschiebbare
Marke eingesetzt.
P
Fig.6,
SträkU»gamg im Mikroskopsicnoskop.
L
s^ f 1*^1 \ /^H^ f /&
R
Di9 Bilder der beiden Marken vereinigen sich für den
Beobachter im binokularen Sehen zu einer einzigen, der
sogenannten wandernden Marke, welche in das Gesichts-
feld des Instrumentes (Terrain) hinausprojiziert ist und welche
je nach der Stellung, die die bewegliche Marke momentan im
rechten Mikroskop einnimmt, ihre scheinbare Distanz vom
Beschauer ändert.
Steht die rechte Marke, ebenso wie die linke, im
Kreuzungspunkte der Fäden, so scheint die wandernde Marke
in die Unendlichkeit zu rücken, d h. sie entspricht der Lage
von Punkten, die so weit sind, daß man ihre Distanz nicht
Photographisehe Herstellung von Karton. 251
mehr messen kann. Verrflckungen der beweglichen Marke aus
dem Kreuzungspunkte der Fäden heraus nach links bewirken
ein scheinbares Näherkommen' der wandernden Marke im
Ten'ain und stehen die Verschiebungen der Marke im Mikro-
skop mit den Bewegungen der wandernden Marke im Terrain
in einem gesetzmäSigen Zusammenhange.
Verschiebungen der beweglichen Marke nach rechts sieht
der Beobachter als ein scheinbares Femerrücken der wan-
demden Marke im Terrain. Überschreitet hiebei die beweg-
liche Marke den Vertikalfaden, indem sie auf die rechte Seite
desselben tritt, so würde das rein geometrisch einer wan-
dernden Marke entsprechen, die aus der Unendlichkeit dem
Beobachter von rückwärts näher kommt. Nach rückwärts aber
sieht man bekanntlich nicht Offenbar aus rein physiologischen
Gründen, die auch bei verschiedenen Beobachtern sehr ver-
schieden sein dürften, bemerkt das Auge des Beobachters den
Fehler nicht immer gleich. Blickt man aber auf und sieht dann
mit ausgeruhtem Auge wieder ins Instrument, so sieht man die
Marke doppelt, d. h. sowohl die fixe als die bewegliche Marke
getrennt, und nicht mehr körperlich zur wandernden Marke
vereint.
Wichtig ist noch die merkwürdige Erscheinung, daß es
für den Effekt gleichgültig ist, ob die photographischen Bilder
stehen und die Marke im Mikroskop bewegt wird oder ob die
Marke im Mikroskop steht und die photographischen Bilder
bewegt werden.
In der Praxis benützt man das dazu, sich von dem
beschränkten Gesichtsfelde des Mikroskops unabhängig zu
machen, indem man große Bewegungen mit der Platte P^
durchführt und auf der Parallaxenteilung a des Instrumentes
mißt und nur kleine Bewegungen (Differenzmessungen) mit
der Mikrometerschraube der Marke durchführt und an der
Mikrometerteilung abliest.
Die Erfahrung hat weiters gezeigt, daß bei plastischen
Gebilden die Basis, d. h. der Abstand der beiden Aufnahms-
standpunkte im Verhältnis zur Entfernung des Objektes (d. h.
der sogenannte Winkel am Objekt oder die Parallaxe des
Objektes oder mit noch anderen Worten der Winkel, unter
252 Th. Scheimpflug,
welchem die beiden Aufnahmsstandpunkte vom Objekt aus
gesehen werden), nicht zu groß gewählt werden darf. Das
Objekt wird sonst von zu verschiedenen Seiten angesehen
und lassen sich dann, weil das auf den beiden Bildern Ent-
haltene nicht mehr leicht identißziert werden kann, die beiden
ebenen Ansichten nicht mehr gut zu einem räumlichen Bild
vereinigen.
Das ist bei Ballonaufnahmen wichtig, wo man versucht
sein könnte, um Platten zu sparen, zu große Aufnahms-
distanzen zu wählen.
Da aber andrerseits das Terrain in der Regel eine relativ
zur Ballonhöhe geringe Plastik zeigt, braucht man wieder,
wenn man nicht gerade Hochgebirge unter sich hat, dies-
bezüglich nicht allzu ängstlich zu sein.
Eine mittlere Horizontaldistanz der einzelnen Ballonörter
gleich der mittleren Ballonhöhe wird vielleicht das Richtige
sein. Bleibt man aber mit der Horizontaldistanz innerhalb
60 7o der Ballonhöhe, so erleichtert das die gegenseitige Orien-
tierung der Bilder im Stereokomparator ungemein, weil dann
stets die Ballonörter der Nachbaraufnahmen noch auf das Mittel-
bild fallen. Die Parallaxe ist in diesem Falle zirka 30*.
Zweitens ist beim Stereokomparator aus praktisch-kon-
struktiven Gründen die Bedingung zu erfüllen, daß die beiden
verwendeten Bilder bei der Aufnahme in einer Ebene liegen
oder nachträglich auf eine Ebene reduziert werden, weil dieses
Instrument nur für diesen einfachen Spezialfall, d. h. für die
stereoskopische Ausmessung von Bilderpaaren, die in einer
Ebene liegen, gebaut ist.
Dieser Bedingung ist durch die Orientierung der Ballon-
biider in eine Horizontalebene und auf gleichen Maßstab durch
optische Koinzidenz bereits Genüge geleistet. Jedoch empfiehlt
es sich, die Richtigkeit und Genauigkeit der Durchführung
dieser Orientierung dadurch zu kontrollieren, daß man, wie
schon in diesem Kapitel sub A gezeigt wurde, nachsieht, ob
die Kernstrahlenbüschel der beiden zu vergleichenden Bilder
sich decken.
Allerdings verursacht die Erdkrümmung (Kugelgestalt der
Erde) einen systematischen Fehler, welcher durch die Strahlen-
Photographische Herstellung von Karten. 253
brechung bloß um ein Geringes vermindert wird. Der ungefähre
Betrag der Summe beider Einflüsse ist
8 (Bogenminuten) = ^V^g B (Seemeilen),
wenn B die Horizontaldistanz der Ballonörter, in Seemeilen
ausgedrückt, ist.
Nach Oberst v. Hübl beseitigt man diese Verschwenkung
am besten durch eine Verschiebung der Ordinatenachse der
rechten Platte p^ um den Betrag t;"*" = Äg""" 8', wenn Ag die
Bildweite des rechten Bildes ist
Die dritte Bedingung für die Verwendung des Stereo-
komparators, daß die beiden Bilder gleiche Bildweiten haben
sollen, ist zwar ursprünglich, wenn die zu vergleichenden
Aufnahmen nacheinander mit demselben Apparat ausgeführt
wurden, streng erfüllt, jedoch wird die Reduktion der Ballon-
bilder in eine und dieselbe Horizontalebene und auf gleichen
Maßstab in der Regel nicht möglich sein, ohne die Bildweiten
ungleich zu machen, weil die Ballonhöhe in der Praxis nicht
konstant erhalten werden kann. Infolgedessen ist diese Bedin-
gung im vorliegenden Falle nicht erfüllbar.
Man könnte nun zwar das von Prof. Karl Fuchs, Preß-
burg (siehe Mitteilungen des k. u. k. militärgeographischen
Instituts, XXIV. Bd., 1904), angegebene Verfahren anwenden,
müQte aber dann die Bilder, die bereits in einer Ebene liegen,
wieder auf gleiche Bildweiten umphotographieren. Das scheint
nicht praktisch zu sein.
Oder aber man stützt sich auf dieselben geometrischen
Grundlagen, die bereits sub A entwickelt wurden.
Da muß man sich aber vorher vergewissem, ob das über-
haupt tunlich und in welcher Weise dann die Arbeit durch-
führbar ist.
Streng genommen, dient der Stereokomparator bloß dazu,
bei zwei zusammengehörigen Bildern die Lagenverschieden-
heiten (Koordinatendifferenzen) identer Bildpunkte auf das
genaueste zu ermitteln.
Hat man zwei Bilder, welche sowohl die gleichen Bild-
weiten haben als auch bei ihrer Aufnahme in einer Ebene
gelegen waren, so bestimmen die KoordinatendiiTerenzen a
identer Bildpunkte im Verein mit der bekannten Bildweite /
254 Th. Scheimpflug,
stets ganz unzweideutig die Parallaxe, d. h. den Winkel, unter
welchem die beiden Aufnahmsstandpunkte von dem in Frage
kommenden Terrainpunkte aus gesehen wurden.
Deshalb nennt Dr. Pulfrich auch die auf den Bildern
gemessenen, in die Richtung der Verbindungslinie der Mikro-
skop-Okulare des Stereokomparators fallenden Koordinaten-
differenzen identer Bildpunkte schlechtweg Parallaxen und
bestimmt aus ihnen mit der Formel D=:—^ die Distanzen
a
der einzumessenden Punkte von der Basis B der Verbindungs-
linie der Aufnahmsstandpunkte (Objektive).
-Sobald aber die Bild weiten verschieden sind, bestimmen
besagte Koordinatendififerenzen der identen Bildpunkte nicht
mehr die oben definierte Parallaxe, ermöglichen aber noch
immer eine sehr genaue Ermittlung der Distanzen der einzelnen
Terrainpunkte.
Im Falle ungleicher Bildweiten, jedoch in eine Ebene
fallender Bilder sind die geometrischen Orte aller identen
Bildpunktpaare gleicher Koordinatendifferenzen Zylinderflächen,
deren Erzeugende senkrecht auf der durch die optischen Achsen
der beiden Objektive gelegten Ebene stehen und deren Leit-
linien durch eine Schar äußerst schwach gekrümmter, Geraden
ungemein nahekommender Hyperbelstücke dargestellt werden.
Nur in der Nähe des gemeinsamen Kernstrahles treten
starke Krümmungen auf. Auch wird dort wegen der spitzen
Winkel am Objekt (schiefen Schnitte) die Punktbestimmung
sehr ungenau. Die Umgebung des Kernpunktes ist daher aus
anderen Bildern zu bearbeiten, was bei dachziegelartigem
Übergreifen der Bilder stets möglich sein wird.
Hiebei zerfallen im Sinne der in A entwickelten Formeln
die Koordinatendifferenzen in zwei Teile, einen größeren kon-
stanten Teil — , welcher der gewählten Vergleichsebene ent-
spricht, und einen bei weitem kleineren variablen Teil p,
welcher eine Funktion der senkrechten Abstände der einzelnen
Terrainpunkte von der Vergleichsebene ist, für die Vergleichs-
ebcne selbst Null wird und für jede der in der Figur angedeuteten
Zylinderflächen einen konstanten Wert annimmt.
Photographische Herstellung von Karten. 255
Man kann also den großen konstanten Wert — ein- für
V
allemal durch die Einstellung der Parallaxenteilung am Instru-
mente berücksichtigen und den kleinen variablen Wert p
mikrometrisch mit Hilfe der wandernden Marke ausmessen
und nach den bereits in A gegebenen Formeln die Lage der
einzelnen Terrainpunkte bestimmen.
Praktisch gestaltet sich dabei die Arbeit wie folgt:
Das Vorrichten und Justieren der Platten,
Man beginnt mit den Mittelplatten der beiden Aufnahmen
und identifiziert gegenseitig die Ballonörter, welche, wenn
die zwischen den beiden Aufnahmen durch fahrene Distanz
(Basis B) nicht zu groß ist, B^O'QH auf beiden Mittel-
bildem aufzufinden sein müssen. Bekanntlich ist der Stereo«
komparator zu derartigen Identifikationen zusammengehöriger
Bildpunkte auf zwei Bildern ganz besonders geeignet.
Man dreht jetzt jede der beiden Platten so, daß die beiden
Ballonörter beim Hin- und Herbewegen der Bilder mit dem
Trieb H die Meßmarke passieren, und reißt endlich mit einer
zu diesem Zwecke am Instrument angebrachten, in der Ebene
der beiden optischen Achsen der Mikroskope liegenden Nadel
an den Plattenrändern deutlich sichtbare Marken in die Schicht
der beiden Platten.
Um die Richtung der Basis jetzt auch auf den Seiten-
bildem zu markieren, beläßt man das Mittelbild der einen
Aufnahme als rechte Platte Pg am Stereokomparator und kom-
biniert es mit einem der Seitenbilder derselben Aufnahme als
linke Platte P^.
Man macht jetzt einen markanten Bildpunkt, den das
Mittel- und Seitenbild gemeinsam haben, also einen Punkt
ihrer bei der Konstruktion des Ballonapparates vorgesehenen
Überdeckung, zum Gegenstande der Aufmerksamkeit.
Man stellt die Meßmarke auf Unendlich, bringt das Seiten-
bild P, mit dem ausgewählten Bildpunkt über den Mittelpunkt
der Drehscheibe (das geschieht mit dem links über der Dreh-
scheibe angeordneten Kreuzschlitten und wird durch Drehungen
256 Th. Scheimpflug,
der Drehscheibe, bei welchen besagter Objektpunkt stehen
bleiben muß, geprüft). Sodann bringt man diesen Bildpunkt
mit Hilfe der Triebe V und H mit der Meßmarke des linken
Mikroskops zur Deckung.
Jetzt bringt man den identen Bildpunkt der rechten Platte Pj
(des Mittelbildes) mit Hilfe des rechten Kreuzschlittens mit der
Meßmarke des rechten Mikroskops zur Deckung.
Sodann wählt man einen zweiten markanten Punkt der
Überdeckung, welcher möglichst weit vom ersten entfernt ist,
und bringt lediglich mit Hilfe der Triebe H und F, jedoch ohne
einen der beiden Kreuzschlitten oder die rechte Drehscheibe
zu berühren, das Bild dieses Punktes auf der rechten Platte P^
mit der Meßmarke des rechten Mikroskops zur Deckung.
Sonach bringt man lediglich mit Benützung der linken
Drehscheibe, jedoch ohne einen Kreuzschlitten, die rechte
Drehscheibe oder die Triebe H und V anzurühren, das Bild
des besagten Punktes auf der linken Platte Pg mit der Meß-
marke des linken Mikroskops zur Deckung. Ist das geschehen,
so sollen sämtliche Punkte der Überdeckung beider Bilder
mit der auf Unendlich eingestellten »wandernden Marke« in
gleicher Entfernung erscheinen und bei Benützung der Triebe
H und V stets idente Punkte an die Meßmarken der Mikro-
skope kommen.
Sobald das zutrifft, hat das Seitenbild den gleichen Posi-
tionswinkel wie das Mittelbild. Nachdem aber laut Voraus-
setzung das Mittelbild mit seiner Basisrichtung parallel zur
Verbindungslinie der beiden Mikroskopokulare gestellt war
(die Meßmarke passierte bei der Bewegung des Triebes H die
beiden Ballonörter und die in die Schicht eingerissenen Basis-
marken), so ist jetzt auch das Seitenbild so eingestellt, daß
seine Basisrichtung parallel zur Verbindungslinie der Okulare
steht. Man hebt oder senkt jetzt das Mikroskop so weit, bis
seine Meßmarke beim Hin- und Herbewegen der Bilder mit
dem Trieb H den durch die einkopierten Rahmenmarken defi-
nierten Hauptpunkt der Seitenbilder ungefähr passiert, und
reißt jetzt mit der schon erwähnten Nadel entsprechende
Marken in die Schichtseite der Ränder der Seitenbilder.
Damit ist auf diesem Bilde die Basisrichtung festgelegt.
Photographische Herstellung von Karten. 257
Dasselbe macht man mit allen übrigen Seitenbildern dieser
Aufnahme.
Dann wechselt man die Mittelbilder, stellt das neue Mittel-
bild wieder so ein, daß die Meßmarke beim Bewegen der
Platten mittels des Triebes H die beiden Ballonörter passiert,
und orientiert in der soeben beschriebenen Weise alle zu
diesem Mittelbilde gehörigen Seitenbilder; u. s. f. für alle Auf-
nahmen.
Sobald dies mit den Bildern geschehen ist, und zwar mit
jeder Aufnahme bezüglich aller Nachbaraufnahmen, mit denen
sie verglichen werden soll, so beginnt die Justierung zweier
zu vergleichender Bilder stets damit, daß man sie mittels der
Drehscheiben derart im Apparat orientiert, daß beim Hin- und
Herbewegen der Platten mit dem Trieb H die Meßmarken des
Mikroskops die Basismarken an den Bildrändern passieren.
Sodann stellt man die rechte Platte P, stets gleich auf den
Teilstrich — des Parallaxenmaßstabes.
V
Hierauf sucht man einen der eingemessenen Kontroll-
punkte heraus, mittels deren die Bilder durch optische Koinzi-
denz horizontiert worden waren, berechnet den senkrechten
Abstand dh desselben von der Vergleichsebene, mißt am linken
Bilde die Abszisse Af, am rechten Bilde die Abszisse N des
Bildpunktes, berechnet p mit der Formel p =. — ^ i — ^
und stellt p auf der Mikrometerteilung ein.
Jetzt bringt man mittels der Triebe H und V, also durch
Verschieben beider Platten, das Bild des Kontrollpunktes auf
der rechten Platte an die Meßmarke des rechten Mikroskops
und verschiebt mittels des linken Kreuzschlittens die linke
Platte Pj so lange, bis das stereoskopische Bild mit der bereits
eingestellten Meßmarke gleich weit zu sein scheint.
Die so gewonnene Einstellung kontrolliert man noch mit
Hilfe der anderen auf beiden Platten etwa vorhandenen Kon-
trollpunkte und beseitigt eventuell übriggebliebene Fehler.
Stimmt endlich die Probe, so sind die Platten richtig
justiert und kann die Ausmessung beginnen.
258 Th. Scheimpflug,
Das Ausmessen der Platten.
Das Ziel der Arbeit ist die Herstellung eines möglichst
genauen Schichtenplanes sowohl in perspektivischer als in
orthogonaler Projektion für die Ausdehnung der linken Platte P^.
Wie die Formeln
Äj M—k^N
ph^M
dM =
dR = R
h^M—h^N
dh
K
zeigen, sind die senkrechten Abstände dh der einzelnen Terrain-
punkte von der Vergleichsebene ebenso wie die Abszissen-
differenzen dM und die OrdinatendifFerenzen dR der einzelnen
Bildpunkte des linken Bildes zwischen der perspektivischen
und orthogonalen Projektion von den drei Veränderlichen ilf,
JV und p abhängig.
Es ist aber M — iV-+-» = — . Man kann also eine von
V
ihnen, am besten N, weil am Apparat nicht direkt ablesbar,
eliminieren {N ist die Abszisse des Bildpunktes am rechten
Bilde Pj).
Arbeitet man weiter nach Af-Profilen, d. h. stellt man die
linke Platte P^ auf eine bestimmte Abszisse M ein und mißt
nacheinander alle Terrainpunkte aus, welche das gleiche M
haben oder, was dasselbe ist, die auf der gleichen Af-Ordinate
liegen, so nehmen die Formeln für ein derartiges Profil die
Form an:
dh ___ dM __ dR _ ph^ __
h^ " M "" "p" "" h^M—h^N "" ^
Man findet also für jeden einzelnen Punkt die Verbesse-
rungen.
dh=pUh^ als senkrechten Abstand des Terrainpunktes
von der Vergleichsebene ;
Photographische Herstellung von Karten.
259
dM = pUM als Abszissendißerenz ein und desselben
Bildpunktes in der perspektivischen und orthogonalen Pro-
jektion;
dR = pUR als Ordinatendifferenz ein und desselben
Bildpunktes in der perspektivischen und orthogonalen Pro-
jektion.
Man hätte also dann die Ausmessung derart vorzunehmen,
daß man erstens die Platte P- auf den Teilstrich — der Parall-
* V
axenteilung stellt, beide Platten gemeinsam so einstellt, daß die
Platte Pj auf den Teilstrich M des Abszissenmaßstabes so lange
stehen bleibt, bis die ganze Ordinate ausgemessen ist, und jetzt
mit dem Trieb V das Mikroskop längs des Bildes vertikal nach
auf- oder abwärts bewegt und sukzessive für verschiedene
Werte der Abszissen R die Größe p mit Hilfe der wandernden
Marke und der Mikrometerteilung am Mikroskop ausmißt.
Diese Messungsresultate lassen sich dann leicht in eine
Tabelle folgender Form bringen:
1
^1
M^
Mq
M^
Ri
P
N
ü
dh
dM
dR
je.
Ä,
260 Th. Scheimpflug,
Die Werte p werden laut Messung in die vorbereitete
Tabelle eingesetzt. Die anderen fünf Werte N, U, dh, dM, dR
werden nachträglich auf Grund der Formeln
N =: M-^p
V
U= *«
dh = pUh^
dM = pUM
dR = pUR
gerechnet.
Auf Grund dieser Tabelle unterliegt es dann keiner
Schwierigkeit, sowohl den perspektivischen als den ortho-
gonalen Schichtenplan für das Bild P^ in beliebigem Maßstabe
zu zeichnen.
Pp sind die Koordinaten eines Punktes des
perspektivischen Schichtenplanes.
Po sind die entsprechenden Koordinaten des-
selben Punktes im orthogonalen Schichten-
plane.
r ist eine Korrektur, welche dem Umstände Rechnung
trägt, daß die Höhen bisher tatsächlich auf eine Tangential-
ebene an die Niveaufläche (die Vergleichsebene) bezogen
wurden, während sie richtigerweise auf die kugelig gekrümmte
Nullniveaufläche hätten bezogen werden sollen. Selbstverständ-
lich wächst r mit dem radialen Abstände von der Horizontal-
projektion des Ballonortes der Platte P^, für welche der
Schichtenplan gilt, und kann ein- für allemal berechnet und
in eine Tabelle gebracht werden.
Sind diese Schichtenpläne gezeichnet, so unterliegt es
wieder keiner Schwierigkeit, sie photographisch zu reprodu-
zieren, und zwar reduziert man den perspektivischen Schichten-
plan genauestens auf die Größe der Platte P^ (der horizontalen
Vogelperspektive), den orthogonalen Schichtenplan auf den
Maßstab der gewünschten Karte.
Photograplüsche Herstellung von Karten. 26 1
Ist das geschehen, so sind mit den erhaltenen Negativen
die Grundlagen für die Zonentransformation, siehe Kapitel IV,
gegeben.
Es ist klar, daS ebenso wie hier die Bilder nach der
Basisrichtung orientiert wurden, sie ebenso wie in A auch
nach Ost — ^Wcst und Nord — Süd orientiert werden können.
Die Orientierung der Bilder nach den Weltgegenden müßte
aus dem Triangulierungsnetz, d. h. den Kontrollpunkten, er-
mittelt werden und hätte man bei genügender Netzdichte die
Möglichkeit, jedes einzelne Bild unabhängig von anderen zu
orientieren und nur das gerade zu vergleichende Bilderpaar
betreffs der Obereinstimmung dieser Orientierung zu prüfen
und eventuelle Differenzen auszugleichen.
Man hätte dann bei der Orientierung nach der Ost — ^West-
Richtung nach Nord — Süd-Profilen, bei der Orientierung nach
der Nord — Süd-Richtung nach Ost — West-Profilen zu arbeiten,
hätte an der Parallaxenteilung im einen Falle die Größe
tix =z 2_ ijn anderen Falle die Größe A_y :;= — — ein-
V V
zustellen und würde an der Mikrometerteilung in einem Falle
die Größe px^ im anderen Falle die Größe py ablesen. Hieraus
würde sich dann ergeben:
dh =
_ PxKh — Py^i^
2
*2*i""*i^« *«>'i"~*i.ya
dx^ ==
_ Pxh^x^
h^X^ ^1^2
IV. Die zonenweise Oberführung der horizontalen Vogel-
perspektiven in Orthogonalprojektionen.
Wie schon im Kapitel I gezeigt wurde, erscheinen in
der horizontalen Vogelperspektive, respektive in einem nach
E. Deville erhaltenen perspektivischen Grundriß einer Hoch-
gebirgslandschaft bei vollster Aufrechterhaltung der Ähnlich-
keit jene Terrainteile, welche bei der Aufnahme dem Objektiv
262 Th. Scheimpflug,
näher waren als der Vergleichshorizont (die mittlere Schmie-
gungsebene), zu groß, dagegen jene Terrainteile, welche ent-
fernter waren, zu klein. Denkt man sich das Terrain durch
eine Schar zum Vergleichshorizont (zur Schmiegungsebene)
paralleler Ebenen in dünne Zonen zerschnitten, so kann man
den mittleren Mafistabfehler für jede dieser Zonen bestimmen
und durch photographische Vergrößerung oder Verkleinerung
beseitigen.
Das geschieht unter Zugrundelegung des nach Kapitel III
gewonnenen Schichtenplanes mit Hilfe des Zonentransfor-
mators.
Selber ist nichts anderes als ein gut gearbeiteter Zwillings-
Reproduktionsapparat, in welchem vorne links die zu trans-
formierende horizontale Vogelperspektive mit Schicht auf
Schicht aufgepaßtem perspektivischen Schichten plan, vorne
rechts der perspektivische Schichtenplan allein eingelegt wird,
während rückwärts auf der Seite der Ballonaufnahme die
Kassette mit der empfindlichen Platte, auf der anderen Seite
der orthogonale Schichtenplan eingesetzt wird.
Bei der Arbeit wird nun rechts eine Zone des perspek-
tivischen Schichtenplanes nach der anderen mit der ent-
sprechenden Zone des orthogonalen Schichtenplanes zur
Deckung gebracht.
Gleichzeitig wird links der ganze Schichtenplan auf der
Rückseite mit leicht wegwischbarer, aber gut deckender Farbe
undurchsichtig gemacht und nur jedesmal die gerade rechts in
Deckung gebrachte Zone freigelassen und exponiert.
Wenn diese allerdings etwas zeitraubende Geduldarbeit
vollendet ist, wird die empfindliche Platte entwickelt und gibt
die vollkommen korrekte Orthogonalprojektion, wobei die
Schichtenlinien als zarte, hellere oder dunklere Linien er-
scheinen, je nachdem die betreflFenden Terrainteile konvex
oder konkav waren, also ihre Bilder verkleinert oder ver-
größert werden mußten, daher benachbarte Zonen entweder
nicht ganz aneinander anschließen oder aber sich gegenseitig
etwas übergreifen.
Photographische Herstellung von Karten. 263
V. Die Herstellung der Karte auf photographischem Wege.
Nachdem in den ersten vier Kapiteln die Bausteine des
neuen Verfahrens zusammengetragen wurden, sei hier gestattet/
dieselben zu einem Ganzen zu vereinigen.
Man kennt heute verschiedene Mittel, um photographische
Apparate in große Höhen zu heben, und zwar
1. den bemannten Freiballon,
2. den Sondierballon,
3. die Drachen,
4. den lenkbaren Luftballon (Graf Zeppelin, Santos-
Dumont, Deutsch, La Patrie, Conte da Schio etc.),
5. den Fesselballon,
6. Raketen.
Von diesen Hilfsmitteln ist entschieden der Freiballon am
leistungsfähigsten. Man kann bis in ungeheure Höhen (nahezu
10.000 m) steigen, man kann große Fahrten bei nahezu jedem
Wetter machen. Der einzige Übelstand ist, daß der Ballon nicht
lenkbar ist.
Da der bereits vor Jahren vom Verfasser konstruierte
siebenfache Ballonapparat (siehe »Photographische Korrespon-
denz«, 1903) eine Kreisfläche, deren Durchmesser ungefähr
der fünffachen Ballonhöhe gleichkommt, mit einem Male auf-
zunehmen gestattet, kann schon mit einer einzigen Fahrt,
wenn man schönes, klares Wetter hat, mit Leichtigkeit ein
Geländestreifen von 10 bis 15 im Breite und 50 bis 100 km
Länge aufgenommen werden, also 500 bis 1500 km' mit einem
Schlage.
Bei der großen Ruhe des Freiballons hat man auch die
größten Chancen, gute Bilder zu erzielen, viel größere als bei
allen anderen Behelfen. Da sich die Aufnahmen zu langen
Ketten aneinander reihen, die sich mit Hilfe der Hauck'schen
Kernpunkte leicht verknüpfen lassen, so dürften die aus diesen
Bildern gewonnenen Resultate auch sehr genau werden.
Wegen seiner großen Leistungsfähigkeit und relativen
Betriebssicherheit ist der bemannte Freiballon auch bis jetzt
entschieden das billigste Mittel zur Hochnähme von photo-
graphischen Apparaten.
SiUb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa. 18
264 Th. Schcimpflug,
Nur muß man, da er nicht lenkbar ist, um ein Land plan-
mäßig zu vermessen, Wind und Wetter studieren und klug
benützen. Man wird prinzipiell nur bei schönstem, klarstem
Wetter fahren und darauf achthaben, was für ein Wind bei
solchen Wetterlagen in verschiedenen Höhen vorherrscht. Dann
wird man, auf die Kenntnis der bei schönem, klarem Wetter
vorherrschenden Windverhältnisse gestützt, die Aufstiegsorte
des Ballons derart verändern, daß nach und nach das ganze
zu vermessende Land sozusagen abschraffiert wird. Selbst-
verständlich wird das nicht vollkommen gelingen. Es werden
Lücken bleiben und andrerseits vieles mehrfach aufgenommen
werden. Durch Verwendung und Beobachtung der Flugbahnen
von Pilotballons vor jedem Aufstiege nach der Methode Dr. de
Quervain kann diese Arbeit ungemein erleichtert und ver-
billigt werden.
Zur Ausfüllung der unvermeidlichen Lücken verwendet
man dann am besten, wenn Wind ist, Drachen, wenn kein
Wind ist, Sondierballons.
Insbesondere Sondierballons sind durch die neuen, von
Prof. Dr. Hergesell erdachten Einrichtungen und Verbesse-
rungen für die hier ins Auge gefaßten Zwecke besonders
geeignet. Nur ist ihr Betrieb etwas teuer, weil jede einzelne
Aufnahme einen Gummiballon (zirka 200 bis 300 Kronen)
kostet Obendrein werden die Apparate durch den Wind ver-
tragen und hat man stets mit der Wahrscheinlichkeit zu
rechnen, daß Unberufene den Apparat in die Hände bekommen
und die kostbaren Aufnahmen aus Unverstand belichten oder
sonst Schaden machen.
Bei Drachen ist das letztere nicht zu befürchten. Dagegen
ist ihr Betrieb ohne fahrbare, maschinell betriebene Winde
{vier bis sechs Pferdekräfte) nicht rationell und ist eine solche
Winde ein sehr teures Stück. Auch sind sie nur bei stetigem
Winde verwendbar, der häutig gerade dann nicht vorhanden
ist, wenn man klares Wetter und eine gute Beleuchtung hat.
Das lenkbare Luftschiff kommt vorläufig noch nicht in
Betracht, weil es erstens noch nicht sichergenug funktioniert,
zweitens zu kostspielig ist und drittens in den bisher aus-
geführten Formen nicht im stände ist, größere Höhen' zu
P^iotographische Herstellung von Karten. 265
erreichen, während doch gerade in dem Erreichen grofier Höhen
die eventuelle Rentabilität der hier besprochenen Methode be-
gründet ist.
Auch der Fesselballon ist minder empfehlenswert, erstens,
weil er in der Regel zu unruhig ist, um gute Bilder zu ermög-
lichen, und zweitens, weil auch er nicht dazu taugt, größere
Höhen zu erreichen.
Die Rakete endlich ist ein ganz neues. Hilfsmittel, photo-
graphische Apparate bis. in größere Höhen, angeblich bis zu
1000 m, hinaufzutreiben. Wegen ihrer Billigkeit hätte sie ent-
schieden sehr große Zukunftschancen, insbesondere als Ersatz
des Sondierballons; sie ist aber noch nicht genügend erprobt,
um voriäufig hier in Betracht zu kommen.
Obigeis vorausgeschickt, sei jetzt der normale Arbeits-
vorgang bei einer ballonphotogrammetrischen Neuvermessung
eines großen Gebietes in seinen großen Zügen entwickelt
Man trachtet, durch eine Reihe von Ballonfahrten mög-
lichst lückenlos womöglich das ganze aufzunehmende Land
mit dachziegelartig sich übergreifenden Ballonaufnahmen zu
überdecken. Die unvermeidlichen übrig bleibenden Lücken
werden entweder mittels Sondierballons oder durch Drachen-
aufnahmen ausgefüllt.
Mit jeder Aufnahme wird eine möglichst genaue Neigungs-
messung verbunden.
Die Bilder werden vorerst mit konstanter Brennweite nach
Maßgabe der beobachteten Neigungen in die Horizontalebene
transformiert und dienen vor allem als Rekognoszierungsbehelf
für die Auswahl der einzumessenden Triangulierungspunkte.
Dieselben werden so gewählt, daß je drei auf einer Auf-
nahme sichtbar sind und der Ballonort weitab von der Peri-
pherie des durch sie bestimmten Kreises liegt, weiters daß sie
leicht in der Natur aufgefunden werden können und daß sie
sich gegenseitig sehen (wo brauchbare ältere Karten oder
Triangulierungsnetze vorliegen, können dieselben eventuell
benützt werden). Die gewählten Punkte sind in der Natur auf-
zusuchen, zu bezeichnen und einzumessen.
Nach Maßgabe, als das geschehen ist, werden die Bilder
durch optische Koinzidenz mit Hilfe des Photoperspekto-
18*
266 Th.Scheimpflug, Photographische Herstellung von Karten.
graphen genau horizontiert und auf den gewünschten Mafi*
Stab gebracht.
Sodann wird die Güte der Arbeit mit Hilfe der Hauck-
sehen. Kernpunkte dadurch kontrolliert, daß man die Lage der
Kernpunkte, die jedes Bild mit seinen Nachbarbildem gemein*
sam haben soll, aus den bereits bekannten Ballonörtem rechnet
und nachsieht, ob die von ihnen zu einer Anzahl identer Bild-
punkte gezogenen Strahienbüschel sich in den in Betracht
kommenden Bildern auch tatsächlich decken.
Eventuell dadurch aufgedeckte Fehler sind zu beseitigen.
Nachdem so ein homogenes, horizontales, richtig orien-^
tiertes und maSstabrichtiges Bildermaterial geschaffen ist,
welches das ganze zu vermessende Land überdeckt, werden
die Bilder in passender Weise gepalart, um zur Ermittlung des
Schichtenplaneä mit oder ohne Hilfe des Stereokomparators
zu dienen.
Diese Ermittlung des Schichtenplanes erfolgt nach Kapi-
tel III. Sodann hat nach Kapitel IV die Zonentransformation zu
erfolgen, d. h. die Übarfiihrung der Perspektivbilder in Ortho-
gonalprojektionen. .
Endlich schließt die Kartierung die Rechnung ab. Selbe
kann entweder dadurch erfolgen, daß man die orthogonalen
Kopien der Einzelaufnahmen belzüglich ihrer Begrenzungen
den gegebenen Vorschriften entsprechend zusammenfügt und
beschreibt oder, wenn der Charakter der Photographie nicht
gewünscht und die bisherige symbolistische Terraindarstellung
vorgezogen wird, an der Hand obiger Teilbilder die eigentliche
Karte zeichnet.
Inhaltsübersicht.
I. Oberbltck über die leitenden Gesichtspunkte der Methode.
II. Die geodätische Orientierung der Ballonbilder und ihre Transformation in
horizontierte Vogelperspektiven mit Hilfe des Photoperspektographen.
III. Die Ermittlung des genauen Schichtenplanes des Terrains aus den hori*
zontierten und geodätisch orientierten Ballonaufnahmen.
A. Ermittlung des Schichtenplanes ohne besondere instrumentelle Hilfsmittel.
B. Ermittlung des Schichtenplanes mit Hilfe des Stereokomparators.
IV. Die zonenweise Überführung der horizontalen Vogelperspektiven in Ortho-
gonal Projektionen.
V. Die Herstellung der Karte auf photographiscbem Wege.
267
über das Vorkommen der seltenen Erden auf
der Sonne
von
Dr. Georg Hofbauer.
Aus dem 11. physikalischen Institute der Universität Wien.
(Vorgelegt in der Sitzung «na 28. Februar 1007.)
Rowland hat in seinen Wellenlängentabellen des Sonnen-
spektnims^ die seltenen Erden nur unvollständig und teilweise
auch ungenau identifiziert, da ihm von diesen entweder gar
keine Proben oder bloß unreine Präparate vorlagen. Noch am
vollständigsten sind die Elemente Lanthan, Neodym, Scandium
und Yttrium mit ihren starken Linien vertreten, mangelhafter
Cer und besonders Erbium; die wenigen Linien, die Rowland
in dem von mir durchsuchten Teile des Sonnenspektrums als
dem Erbium gehörig angibt, erweisen sich als starke Ytterbium-
linien. Vollkommen fehlen in den Tafeln: Erbium, Europium,
Dysprosium, Gadolinium, Neoholmium, Praseodym, Samarium,
Terbium, Thorium, Thulium und, von den falschen Ytterbium-
identifikationen abgesehen, auch Ytterbium. Eine Revision der
Rowland'schen Wellenlängentafeln bezüglich der seltenen Erden
wird erstens die Frage entscheiden, ob die daraufhin noch
nicht untersuchten Elemente Er, Eu, Dy, Gd, Ho, Fr, Sa, Tb,
Th, Tm und Yb auf der Sonne vorkommen und zweitens die
Zahl der unbekannten Fraunhofer'schen Linien erheblich ver-
mindern.
Eine vorläufige Durchsicht der stärksten und charakteri-
stischen Spektrallinien der seltenen Erden ließ erkennen, daß
1 H. A.RowIand, A preliminaiy table of solar spectrum wave-lengths.
Chicago 1898.
268 G. Hofbftuer,
diese auch auf der Sonne nicht häufig auftreten, und eine
genaue Untersuchung des Funken- und Bogenspektrums von
Lanthan bestätigte dann meine Vermutung, daß die schwächsten
Linien aller dieser Elemente im Sonnenspektrum nicht mehr
vorhanden sind. Es war daher eine erlaubte Vereinfachung^
wenn ich alle Linien, die Exner und Haschek in ihren
Spektraltafeln ^ mit der Intensität 1 und 2 angeben, ganz ver-
nachlässigte.
Bei der Aufstellung der folgenden Tabelle ging ich von
der Haupttabelle aus dem genannten Werke Exner's und
Hasch ek's aus, so zwar, daß ich das Funken- und Bogen-
spektrum parallel benützte. Denn es würde nicht genügen, nur
das Bogen- oder Funkenspektrum zum Vergleich heranzuziehen
wegen der gänzlich unbekannten Bedingungen, unter denen
sich die Metalldämpfe auf der Sonne befinden. Am ehesten
wird im Sonnenspektrum eine Linie dann zu erwarten sein,
wenn sie sich im Bogen und Funken zugleich vorfindet und
somit dem Element unter verschiedenen Leuchtbedingungen
charakteristisch ist.
Zum genaueren Vergleich nahm ich noch die Messungen
Kayser's und seiner Schüler über die Bögenspektren einiger
seltener Erden hinzu,' in wenigen Fällen Zahlen aus dem
Tantalspektrum von Morsch^ und aus den Messungen der
dritten Cyanbande von Jungbluth,^ falls die Identifikationen
Rowland's zweifelhaft waren.
1 F. Exner und E. Haschek, WellenlängentabeUen. I. Funkenspektren»
1902; II. Bögenspektren» 1904.
2 H. Kay ser. Die Bögenspektren von Yttrium und Ytterbium. Berlin 1903.
— J.Kellner, Das Lanthan Spektrum. Inaug.-Diss., Bonn 1904. — E. Wolff,
Das Lanthanspektrum. Inaug.-Diss., Bonn 1905; Zeitschr. f. wiss. Phot, III,
Heft 10 (1905). -^ Chr. Rütten, Das Bogenspektrum von Samarium. Inaug.-
Diss., Bonn 1905; Zeitschr. f. wiss. Phot., III, Heft 5 (1905). — M. Bertram»
Die Bögenspektren von Neodym und Praseodym. Inaug.-Diss., Bonn 1905;
Zeitschr. f. wiss. Phot., IV, Heft 1 und 2 (1906).
< H. Morsch, Das Bogenspektrum von Tantal. Inaug.-Diss.» Bonn 1905;
Zeitschr. f. wiss. Phot., III, Heft 5 (1905).
^ Fr. Jungbluth, Gesetzmäßigkeiten in dem Bau der dritten Cyanbande.
Inaug.-Diss., Bonn 1904; Astroph. Journal, 20, 237 (1905).
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne. 269
Diese Bonner Messungen sind unter möglichst gleichen
Versuchsbedingungen ausgeführt und daher wohl miteinander
vergleichbar. Sie geben noch die dritte Dezimale einer Ang-
strömeinheit an, bei einer Meßgenauigkeit von rtO'005 A. E.
bis ±0'01 A. E., während die Exner-Haschek'schen Tafeln
zweistellig sind und ihre Fehlergrenze bei ±0*02 A.E. liegt.
Die Intensitätsangaben bei Exner-Haschek, Kayser
und Rowland basieren auf ungleichen Skaten, was einen
wechseiweisen Vergleich dieser Zahlen ausschloß. Um nun die
Intensität einer Linie möglichst genau und leicht vergleichbar
zu fixieren, ordnete ich ihr die Intensitätszahl bei, die sie bei
Exner-Haschek im Funken hat, dann die Zahl aus dem
Bogenspektrum, drittens die Intensitätsangabe der Bonner
Bogenmessungen und schließlich die Intensität, mit der sie im
Sonnenspektrum auftritt. Statt einer Zahl hatte nun jede Linie
eine viergliederige Intensitätenreihe von der eben geschilderten
fixen Anordnung der Glieder. Diese Reihen hatten den Vorteil,
daß sie sich gliedweise vergleichen ließen; also warder Schluß
erlaubt, daß Spektrallinien eines Elementes, bei denen die drei
ersten Glieder übereinstimmten oder wenig voneinander ab-
wichen, auch im letzten Gliede gleich oder wenig abweichend
sein werden, kurz, daß solche Linien auch im Sonnenspektrum
gleich, respektive ähnlich stark auftreten werden. Weiter wählte
ich von jedem Element die stärksten Spektrallinien mit den
zugehörigen Intensitätsreihen aus und vereinigte diese zu einem
Intensitätenschema. Durch die vierte Kolumne eines solchen
Schemas war mir die obere Grenze der Intensität gegeben, mit
der die Linien eines Elementes in der Sonne auftreten konnten.
Ebenso verfuhr ich mit den schwächsten Linien, die nicht mehr
im Sonnenspektrum bemerkbar sind, und bekam so die untere
Grenze der geringen Intensitäten im Funken und Bogen, denen
ein eben noch merkbarer Betrag im Sonnenspektrum entspricht.
Diese Feststellung der beiden Grenzen besorgte ich bei jedem
Element, weil so ein schneller und sicherer Überblick zu ge-
winnen war, ob und wie stark eine Linie in der Sonne auftreten
könne. Eine gute Übereinstinmiung mit der wirklich von Row-
land angegebenen Zahl war mir außer der Übereinstimmung
der Wellenlängen Voraussetzung für eine sichere Identifikation.
270 G. Hofbauer,
Waren derart die Schwierigkeiten vermieden, die die In-
tensitätsvergleiche boten, so traf ich nun bei der Vergleichung
der Wellenlängen auf Störungen, die oft eine sichere Identifi-
kation erschwerten, wenn nicht unmöglich machten, nämlich
Differenzen in den Wellenlängen. Jewell^ fand zuerst, daß die
Wellenlängen der Fraunhofer'schen Linien, die Rowland
veröffentlichte, oft nicht mit den entsprechenden Metallinien
im Bogen übereinstimmten, was er mit den verschiedenen
Temperaturbedingungen, Druck und Dichte, unter welchen die
Lichtemission auf der Sonne und im Bogen stattfindet, erklärte.
Versuche von Humphreys und Mo hier* zeigten unzweifel-
haft den Einfluß des Druckes des umgebenden Gases auf die
Wellenlänge im Bogenspektrum. Die Linienverschiebungen, die
nun Exner und Haschek bei ihren Messungen der ultra-
violetten Spektren der Elemente fanden, ließen sich nicht allein
durch den Gasdruck erklären, es mußte noch ein Einfluß der
Dampfdichte auf die Wellenlänge angenommen werden.
E. Haschek^ fand Proportionalität zwischen Partialdichte und
Verschiebung.
Der letztere Einfluß ist indessen nicht unbestritten. Vor-
züglich Kayser* leugnet, wenigstens beim Bogen, einen Ein-
fluß der Dichte des leuchtenden Dampfes auf die Wellenlänge
gemerkt zu haben und führt die gegenteiligen Resultate auf
falsche Deutungen einseitiger Linienverbreiterungen zurück.
Außerdem führen Eder und Valenta* photographische Schein-
Verschiebung infolge Überexposition als Fehlerquelle bei den
Exner-Haschek'schen Messungen an, ein Einwand, der höch-
stens bei den sehr starken Linien zutreffen kann, Verschiebungen
schwacher Spektrallinien aber nicht erklärt, ebensowenig wie
die Verschiebungen von Umkehnmgen. Neuerdings hat Kent*
Differenzen zwischen den Wellenlängen im Funken und im
1 Astropbys. Journal, 3, 89 bis 113 (1896).
2 Ebenda (1866, 1897 und 1905).
8 Spektraianalytische Studien. Diese Sitzungsber., 110, IIa (1901) und
111, IIa (1902).
4 Handbuch der Spektroskopie, II, 310 (1902).
& Diese Sitzungsber., 112, IIa, 1291 bis 1304.
« Astrophys. Journal, 17, 286 bis 299 (1903) und 22, 182 bis 198 (1905).
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne.
271
Bogen konstatiert und Exner und Haschek^ beim Ca, Sn
und Zn die Inkonstanz der Wellenlängen im Funken und
Bogen nachgewiesen.
Die WellenlängendiflFerenzen, die ich fand, überstiegen
auch beim Vergleich von Bogenmessungen oft O'Ol A. E.
Mithin muß entweder zugegeben werden, daß die Angabe einer
dritten Dezimale illusorisch ist oder man muß das Vorhanden-
sein von Linienverschiebungen auch beim Bogenspektrum an-
erkennen, falls die Fehlergrenze tiefer liegt. In der folgenden
Tabelle, die eine Genauigkeitsprobe geben soll, ist eine Reihe
von Lanthanlinien aus dem Sonnenspektrum Rowland's zu-
sammengestellt Dann folgen die Differenzen gegenüber den
Wertangaben Exner's und Haschek's beim Funken und
beim Bogen (E. H.), weiter gegenüber den Bogenmessungen
Kellner's, Wolffs, Bertram's (der das La als Verunreinigung
im Pr-Spektrum mißt) und Rowland's.* Die Diff'erenzen bei
Exner-Haschek mußte ich in Hundertsteln von Angström-
einheiten angeben, wobei die Rowland'schen Zahlen zweistellig
korngiert verwendet wurden. Die anderen Angaben sind drei-
stellig.
Falls die Identifikation von mir herrührt, ist dies durch
ein * gekennzeichnet.
X in 0
E.
H.
Kellner
1
Wolff
Bertram
Rowland
Fu
Boi
Bo^
ÄOj
Bo^
B05
3337-630
-4-04
+03
4-007
—019
-010
000
44-655
-+-05
H-08
4-057
4-027
4-032
4-050
76-471
—02
-♦-Ol
—004
—020
—045
4-001
81-026
-4-07
4-07
4-032
002
4-017
4-020
3574-559
4-04
-^01
4-015
4-002
—029
4-006
3705-968*
-h05
—03
—018
000
—022
1 Diese Sitzungsber., 115, IIa (1906).
» H. A. Rowland and C. N. Harrison, Are spectra of Zirconium and
Lanthaoum. Astropbys. Journal, 7, 387 bis 389 (1898).
272
G. Hofbauer,
E.
H.
Kellner
Wolff
1
Bertram
•
Rowland
X in 0
^^^
Fu
ßo,
B02
B03
B04
So,
3759
•215
H-U
00
000
-+-012
-4-026
-+-002
94
•909
-+-08
—Ol
-4-009
-^007
-4-022
—005
3840
•893*
H-03
—Ol
—034
—062
—027
—
49
•140
-+-06
00
-4-027
—
71
•785*
-MO
-4-01
—007
—021
—
— 154
3916
■207
00
—05
011
—021
025
49
199
H-02
-+-07
-+-055
-4-041
-4-043
-^057
4015
•532*
-^-03
Ol
—004
-4-025
-4-024
-hOOl
37
'268*
-^-08
Ol
^-086
-4-103
-+-100
—
43
054
-*-13
—Ol
-+-02 1
-h012
-h014
-+-016
4141-
910
-Ol
-hOl
—015
—039
—035
—038
52"
108
-h06
-+-03
-4-035
000
-4-037
-+-01 1
52
927
H-04
-+-01
003
—012
-+-027
—
4204'
163
H-07
-4-02
-+-05 1
-4-032
-4-030
-+-055
87-
159
—07
—06
—047
—022
040
—031
4364
827*
H-02
—03
-4-009
-+-018
—006
—
4430'
070
-*-03
-+-02
-+-016
006
-+-008
-+-005
4522-
539*
-^-07
-+-01
001
-+-01 1
—
H-005
75-
075*
00
—05
—028
—002
016
4613-
544
-4-03
—Ol
-4-014
-+-032
—
H-013
55-
634*
-4-08
-+-04
-+-020
-1-080
—
-4-033
62-
693*
-♦-04
00
012
-+-025
—
—015
Die Tabelle zeigt deutlich, daß auch analoge und unter
gleichen Versuchsbedingungen angestellte Bogenmessungen,
wie die von Kellner, Wolff und Bertram, nicht selten Diffe-
renzen bis zu 0*03 A. E. ergeben.
Sicher war eine Identifikation dann erst, wenn außer der
Koinzidenz auch die Intensität im Sonnenspektrum sich den
durch die Intensitätsschemen gezogenen Grenzen gut einfügte.
Sehr häufig war diese Intensitätsangabe zu hoch. Dann war
eine mehrfache Koinzidenz mit noch anderen Elementen vor-
handen oder zu vermuten. Auffällig war es, wenn von manchen
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne. 273
Elementen sehr oft schwache Linien, die im Sonnenspektrum
kaum oder überhaupt nicht sichtbar sein sollten, noch merklich
auftraten, ohne daß ich eine Koinzidenz mit anderen Elementen
fand. (Auch hier vernachlässigte ich die schwächsten Linien
mit den Intensitäten 1 und 2, was aber diese Untersuchung
recht unsicher macht; denn immerhin können mehrere sich
deckende Linien, auch wenn sie einzeln sehr schwach sind, im
Sonnenspektrum einen namhaften Betrag der Intensität aus-
machen.) In der Tabelle sind alle diese Linien, die wider Er-
warten im Sonnenspektrum merkbar auftreten, durch eine ( )
kenntlich gemacht, z. B. (Gd). Eine zweite Anomalie war es,
wenn bei einem Element, dessen Vorhandensein auf der Sonne
durch eine große Reihe von Koinzidenzen erwiesen war,
stärkere Linien im Sonnenspektrum nicht zu finden waren.
Meist erklärte sich dieses Fehlen aus der Nachbarschaft einer
verbreiterten oder starken Linie, die die immerhin schwachen
Linien des seltenen Elementes überdeckte.
Es gelang mir bei allen eingangs erwähnten seltenen
Erden, den Nachweis für ihr Vorkommen auf der Sonne zu
erbringen. Am häufigsten — mit den relativ stärksten und
meisten Linien — kommen vor: Y, Sc, La, Nd, Ce. Die übrigen
Erden treten auch auf der Sonne nur spärlich auf. Tb fehlt nach
der Ansicht Eberhard's^ im Sonnenspektrum, dagegen fand
ich die stärkeren Terbiumlinien, wenn auch schwach, in den
Rowland'schen Tafeln. Auch für die Dysprosiumlinien und die
paar Neoholmiumlinien, die Eberhard anführt, fand ich
Koinzidenzen bei Rowland. Doch ist den Angaben über die
beiden letztgenannten Erden höchstens der vorläufige Wert
beizumessen, den ihnen Eberhard beilegt. Beim Vergleich der
genannten Messungen Eberhard's mit denen von Exner-
Haschek, das »Holmium« von A. Langlet betreffend, zeigte
es sich, daß das von letzteren untersuchte Präparat haupt-
sächlich Dysprosium und Neoholmium enthielt, in geringerer
Menge Terbium. Eine Reihe von stärkeren » Holmium «linien
ließ sich übrigens mit keiner der bis nun bekannten Linien
1 G. Eberhard, Spektroskopische Untersuchung der Terbiumpräparate
von Dr. G. Urbain, Sitzungsber. d. k. preufi. Akad. d. Wiss., XVIII (1906).
274
G. Hofbauer,
des Tb, Dy und Ho identifizieren; solche Fälle, in denen
unbekannte Linien aus dem Exner-Haschek'schen »Holmium«-
Spektrum mit Linien im Sonnenspektrum gut übereinstimmten,
sind hier aufgezählt.
Rwl.
Rwl.
3156
62
70
3388
3447
74
94
04
3506
46
63
78
80
95
3620
29
40
48
3708
•565
•916
•117
•994
•089
•410
•654
•871
•980
•974
•855
•138
•227
•161
•295
•492
•403
•898
•327
Fe?i
1
0
0000
00
0
0000
0
000
0
000
0000
0000
00
0000
0000
000 JV
0000
0000
000
3753
53
92
3810
41
48
53
89
3957
91
4014
4103
03
63
86
4201
11
56
4612
667
893
041
854
486
840
184
077
939
459
827
470
967
144
955
486
350
469
446
C?
000
00
000 AT
000
00
00
00
0
00
00 .V
00
0
00 A''
000
0000
0
OAT
00
000
1 Keine Fe-Linie.
Die Anordnung obiger Tafel ist ganz analog der folgenden
Haupttabelle. Diese schließt sich möglichst an die Wellenlängen-
tabellen des Sonnenspektrums von Rowl and an. Es befindet
sich unter
X die Wellenlänge, die Rowl and im Sonnenspektrum mifit;
Hfb. meine Identifikation der Linie mit den seltenen Erden;
i Intensität und Charakter einer Linie;
Rwl. die Identifikation, die von Rowl and herrührt.
Vorkommen selteiier Erden auf der Sonne. 275
Femer sind von Röwland*schen Bezeichnungen zu nennen :
Ein Beistrich zwischen zwei Symbolen (z. B. Gr, Nd)
bedeutet voilkommene Koinzidenz;
Ein Bindestrich (z.-B. Cr-Nd) bezeichnet unvollkommene
Koinzidenz, so zwar, daß dem violetten Rand der Absorptions-
linie Cr, dem roten Rand Nd entspricht. Dementsprechend
heißt z. B. Fe- oder -Ni, daß| auf den violetten Linienteil Fe
(respektive auf den roten Teil Ni) entfällt, während' der restliche
Teil nicht identißziert ist Schließlich wird ein Fall wie beispiels-
weise Ce,- heißen, daß nach der zu großen Intensitätszahl zu
urteilen noch eine oder mehrere Linien genau an derselben
Stelle wie Ce liegen dürften.
Zur Charakterisierung der Linien dienen die Abkürzungen:
N =z eine unscharfe Linie, die ^vielleicht zusammengesetzt ist,
ohne sich aber auflösen zu lassen.
d? {trT) -=. eine unsicher als doppelt (dreifach) ierscheinendp
Linie.
d (jtr) •=. eine gewiß doppelte (dreifache) Linie.
Als Intensitätsskala bedient sich Rpwland; einer Reihe
aufsteigend von 0000, 000, 00, 0, 1 bis 1000, wobei die mit
Nullen versehenen Linien solche bezeichnen, die' nur schwer
und unter günstigen Verhältnissen zu sehen sind.
An' alle* diese Bezeichnun^sweisen habe ich i mich in der
Haupttabelle gehalten. Eingetragen sind womöglich nur sichere
Koinzidenzen; waren in: manchen Fällen die Identifikationen
Rowland's falsch, so ist dies durch ein beigefügtes ^ kenntlich
gemacht Fehlt in der Kolumne »Rwl.« dieses Zeichen ♦, während
sich unter >Hfb.« ein Strich befindet, so heißt dies, daß den
richtigen Identifikationen : R o w 1 a n d's nichts hinzu-
zufügen war. ; ;
Einige Bemerkungen zur Tabelle befinden sich am
Schlüsse.
276
G. Hofbauer,
X
Hfb.
1
Rwl.
. 2977-021
Pr,-
00 Nd}
^^
88-333
Th,-
OOON
—
99- 136
Gd
0000
—
3005-852
Yb.-
2d
-, Co ?
10-277
Gd
0
—
17-691
Yb,-
INd}
Co, Cr
19*426
Sc,-i
.1
^"^**
27-717
Gd
0
•^
29-661
Yb
000
—.
32-971
Gd
0000
*.
34-166
Gd, (Th)
00
—
53-031
Sc
00
—
55051
Eu,-
0
Zr
58-072
Yb
00
—
63-152
Cc, (Th)
0000
—
70-145
Tb
0
—
70-902
Er,(Th)
0
—
77-747
Yb-
1
—
78-932
Th
000
^
79-022
Tb
00
—
82 - 142
Gd«
1
Mn?*
93-229
Va. Er
2N
—
93-989
Yb,Ta
1
—
98-070
Th
000
—
3100-629
Gd
000
—
02-079
Dy
00 JV
—
04-676
La,-
2N
—
08-369
Th
00 N
■ —
09-909
Dy
0000
— .
11-530
Eu
0000
—
17-998
Gd«
2
—
22 • 774
Er
00
—
31-350
-, Tm
0
Cr,-
39-781
Tb,-
1
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne.
277
X
Hfb.
•
1
Rwl.
3141-053
Yb
00
^_
41-221
Dy
00
—
45-641
Gd2
0
—
53-985
Yb
0000
—
68-392
Pr
0000
—
69-187
Yb
000
: Co?
71-776
La, (Fe)
1
Fe?
72-963
Tm
000
—
75-821
(Th)
0000
—
85-333
(Er)
' OOOON
. —
88-310
Thi
0000
■ —
93-029
Yb.-
IN
Fe?
94-961 .
Cc«
0
—
95-705
2
Y-Ni
98-213
Cr, Yb
000
Cr?
3200-407
—
2Nd}
Y,-
01-239
Yb
0000
Fe?*
01-834
Ce,-
000 iV
—
03-435
—
1
Y
15-292
Dy,-
1
—
16-659
Th
0
— .
16-807
•^BM»
1
Y
20-079
Tb
0000 JV
—
23-479
(Er)
00
—
27-292
:(Er)
0000
^^^
30-708
: Er
00
—
32-193
Tb, (Er)
0000
—
38-205
S(Th)
0
Cr
40-381
,<ßT)
0000 iV
1
40-616
(Er)
0000.
-^ .-
42-395
—
1
Y
45-257
La
00 JV
—
45-907
CTh)
0000
—
49-497
La,-
1
2
Ti
Vorkommen seltaner Erden auf der Sonne.
279
X
Hfb.
•
i
Rwl.
3351
379
Th
0000
-~
53
•875
—
4
Sc,-
57
816
(Pr)
0000
—
58
•771,
Gd
00
—
59
-823
Sc
o
—
61-
421
Sc
2
—
62
087
Sc
2
n*
62
402
Gd
2d}
—
62-
782
Tm, -
1
—
64-
232
Er
0000
—
67-
687
(Pr)
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—
67-
953
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—
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314
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72-
901
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10
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2
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—
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Yb
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—
99
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0
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153
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—
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13
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Ho
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16
•
•914
(Eu)
00
■
1
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. 11 a.
19
tencr Erden auf der Sonne.
283
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0000
3
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1
1
0000
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0000
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2
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—
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2
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—
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—
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—
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—
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—
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1
La
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—
76
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3
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—
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1
—
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682
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5
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1
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—
2
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-105
- Gd
6
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—
90'
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2
—
90
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Sc
2
—
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0000
—
92
-819
Gd, (Fe)
3
Fe
93
-049
—
0
Y
98
-167
Nd
0000
—
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne.
283
X
Hfb.
■
i
Rwl.
3600
•513
Tb, Dy
0000
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•880
—
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1
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•419
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(Er)
0000
—
06
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Dy, Tb
0000
—
07
•264
(Gd)
0000
^
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Gd, Tm
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2
—
09
'853
(Co)
0000 i^
—
09
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000 JV
—
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-189
—
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—
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- Gd
2
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4
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•159
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0000
—
15-
949
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0000
-^
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•315
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—
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0
—
19
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Gd
0000
— .
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•110
Y
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21
-340
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2
—
22
•694
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—
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28
•847
—
2
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28
•967
—
2
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•652
(Gd)
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—
30
•374
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0
—
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30
•876
•918
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4
3
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33
1
•277
—
2
Y
i
«
274
G. Hofbauer,
des Tb, Dy und Ho identifizieren; solche Fälle, in denen
unbekannte Linien aus dem Exner-Haschek'schen »Holmium«-
spektrum mit Linien im Sonnenspektrum gut übereinstimmten,
sind hier aufgezählt.
3156-565
62-916
70-117
3388-994
3447-089
74-410
94-654
94-871
3506-980
46 - 974
63-855
78-138
80-227
95-161
3620-295
29-492
40-403
48-898
3708-327
1 Keine Fe-Linie.
Rwl.
Fe?i
1
0
0000
00
0
0000
0
000
0
000
0000
0000
00
0000
0000
000 JV
0000
0000
000
3753
53
92
3810
41
48
53
89
3957
91
4014
4103
03
63
86
4201
11
56
4612
-667
-893
-041
-854
-486
-840
-184
-077
-939
-459
-827
-470
•967
-144
-955
•486
•350
-469
-446
Rwl.
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00
000 jsr
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00
00
00
0
00
00 JV
00
0
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000
0000
0
OJV
00
000
Die Anordnung obiger Tafel ist ganz analog der folgenden
Haupttabelle. Diese schließt sich möglichst an die Wellenlängen-
tabellen des Sonnenspektrums von Rowl and an. Es befindet
sich unter
X die Wellenlänge, die Rowland im Sonnenspektrum mißt;
Hfb. meine Identifikation der Linie mit den seltenen Erden;
i Intensität und Charakter einer Linie;
Rwl. die Identifikation, die von Rowland herrührt.
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne. 275
Femer sind von Rowland*schen Bezeichnungen zu nennen:
Ein Beistrich zwischen zwei Symbolen (z. B. Gr, Nd)
bedeutet vollkommene Koinzidenz;
Ein Bindestrich (z-B. Cr-Nd) bezeichnet unvollkommene
Koinzidenz, so zwar, dafi dem violetten Rand der Absorptions-
linie Cr, dem roten Rand Nd entspricht. Dementsprechend
heißt z, B. Fe- oder -Ni, daß; auf den violetten Linienteil Fe
(respektive auf den roten Teil Ni) entfällt, während der restliche
Teil nicht identifiziert ist Schließlich wird ein Fall wie beispiels-
weise Ce,- heißen, daß nach der zu großen Intensitätszahl zu
urteilen noch eine oder mehrere Linien genau an derselben
Stelle wie Ce liegen dürften.
Zur Charakterisierung' der Linien dienen die Abkürzungen:
N = eine unscharfe Linie, die |vielleicht zusammengesetzt ist,
ohne sich abei* auflösen zu lassen.
d? (trT) = eine unsicher als doppelt (dreifach) 'erscheinende
Linie.
d (ir) = eine gewiß doppelte (dreifache) Linie.
Als Intensitätsskala bedient sich Rpwland' einer Reihe
aufsteigend von 0000, 000, 00, 0, 1 bis 1000, wobei die mit
Nullen versehenen Linien solche bezeichnen, die' nur schwer
und unter günstigen Verhältnissen zu sehen sind.
An- alle' diese Bezeichnun^sweisen habe ich ■ mich in der
Haupttabelle gehalten. Eingetragen sin4 womöglich nur sichere
Koinzidenzen; waren in. manchen Fällen die Identifikationen
»
Rowland's falsch, so ist dies durch ein beigefügtes * kenntlich
gemacht. Fehlt in der Kolumne »Rwl.« dieses Zeichen*, während
sich unter »Hfb.« ein Strich befindet, so heißt dies, daß den
richtigen Identifikationen ! Rowland's nichts hinzu-
zufügen war. ;
Einige Bemerkungen zur Tabelle befinden sich am
Schlüsse.
274
G. Hofbftuer,
des Tb, Dy und Ho identifizieren; solche Fälle, in denen
unbekannte Linien aus dem Exner-Haschek'schen »Holmium«-
Spektrum mit Linien im Sonnenspektrum gut übereinstimmten,
sind hier aufgezählt.
3156
62
70
3388
3447
74
94
94
3506
46
63
78
80
95
3620
29
40
48
3708
565
916
117
994
089
410
654
871
980
974
855
138
227
161
295
492
403
898
327
Rwl.
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0
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00
0
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0
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0
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00
0000
0000
000 iV
0000
0000
000
3753
53
92
3810
41
48
53
89
3957
91
4014
4103
03
63
86
4201
11
56
4612
667
893
041
854
486
840
184
077
939
459
827
470
967
144
955
486
350
469
446
Rwl.
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00
0
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000
0000
0
OJV
00
000
1 Keine Fe-Linie.
Die Anordnung obiger Tafel ist ganz analog der folgenden
Haupttabelle. Diese schließt sich möglichst an die Wellenlängen-
tabellen des Sonnenspektrums von Rowland an. Es befindet
sich unter
X die Wellenlänge, die Rowland im Sonnenspektrum mißt;
Hfb. meine Identifikation der Linie mit den seltenen Erden;
i Intensität und Charakter einer Linie;
Rwl. die Identifikation, die von Rowland herrührt.
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne. 275
Femer sind von Rowlantfschen Bezeichnungen zu nennen:
Ein Beistrich zwischen zwei Symbolen (z. B. Cr, Nd)
bedeutet voilkommene Koinzidenz.
Ein Bindestrich (z,.B. Cr-Nd) bezeichnet unvollkommene
Koinzidenz^ so zwar, dafi dem violetten Rand der Absorptions-
linie Cr, dem roten Rand Nd entspricht Dementsprechend
heißt z, B. Fe- oder -Ni, daß^ auf den violetten Linienteil Fe
(respektive auf den roten Teil Ni) entfällt, während' der restliche
Teil nicht identifiziert ist Schließlich wird ein Fall wie beispiels-
weise Ce,- heißen, - daß nach der zu großen Intensitätszahl zu
urteilen noch eine ' oder mehrere Linien genau an derselben
Stelle wie Ce liegen dürften.
Zur Charakterisierung der Linien dienen die Abkürzungen:
N z=z eine unscharfe Linie, die ;vielleicht zusammengesetzt ist,
ohne sich aber auflösen zu lassen,
rf? (trf) = eine uniicher als doppelt (dreifach) (erscheinende
Linie.
d (tr) = eine gewiß doppelte (dreifache) Linie.
Als Intensitätsskala bedient sich Rpwland! einer Reihe
aufsteigend von 0000, 000, 00, 0, l bis 1000, wobei die mit
Nullen versehenen Linien solche bezeichnen, die' nur schwer
■
und unter günstigen Verhältnissen zu sehen sind.
An' alle diese Bezeichnungsweisen habe ich : mich in der
Haupttabelle gehalten. Eingetragen sind womöglich nur sichere
Koinzidenzen; waren in. manchen Falten die Identifikationen
Rowland's falsch, so ist dies durch ein beigefügtes * kenntlich
gemacht Fehlt in der Kolumne »Rwl.« dieses Zeichen*, während
sich unter »Hfb.« ein Strich befindet, $o heißt dies, daß den
richtigen Identifikationen . R o w 1 a n d's nichts hinzu-
zufügen war. ;
Einige Bemerkungen zur Tabelle befinden sich am
Schlüsse.
282
G. Hofbautr,
3542
'9Yiy
43
•143
45
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49
-151
49
•513
51
•800
54
-598
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•204
57
•370
58
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•796
63
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68
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682
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Vorkommen seltener Erden auf der Sonne.
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19
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•847
28-
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-374
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•876
30
•918
33
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46
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•491
48
-461
50
•507
51
337
51
-940
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•023
53
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55
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•548
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Vorkommen seltener Erden auf der Sonne.
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—
27
274
Gd,-
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Nd, (Fe)
2
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589
Pr
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—
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Sa
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—
29
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306
G. Hofbauer,
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—
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Sa
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—
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2
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2
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328
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0
—
58-
-879
—
0
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59
-236
Pr
000
— -
Vortcommen seltener Erden auf der Sonne.
307
4359
•907
60
■067
61
-091
61
219
62
198
63
-629
64
-349
64
•827
66
572
68
224
68-
462
68
-801
71
748
74-
628
75
-103
75
-216
78'
-419
80'
521
82
045
82
325
82
-928
83
-332
84
'284
84
•873
84
-986
85
•406
85
•833
86
•616
90
•034
91
■123
91
•306
91
•642
91
•823
93
•974
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Tm
(Gd)
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Sa
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-, La
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308
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—
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Pr,-
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00
•555
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•241
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—
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—
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—
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Ce
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—
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•240
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Cr-
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-, Nd
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Pr
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—
14
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(Gd)
000
—
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Sc
3
—
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•740
Sa
00
—
18'
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Cc
00 JV
—
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Pr?, U
00 JV
—
19
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(Sa)
00 iV
—
19'
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Er, Pr
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—
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Sa
00
Zr
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Sa
00 AT
—
22
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Er
00
—
22
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—
3
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24'
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Sa
00
—
24'
748
Pr-
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—
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(Ce), -
2
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760
—
000
La
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Ce
00 JV
—
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•070
—
00 JV
U
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525
Sc,-
0
—
32
•477
Pr, Nd
0000
—
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne.
309
X
Hfb.
•
Rwl.
4433
089
Th
000 iV
34
•057
Sa
000
—
34
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Sa
00
—
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Yb
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—
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U
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—
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Sa
0
—
44
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Ce
00
—
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Nd
00
—
47
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Pr
0000
—
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Ce
00
49
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Dy
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—
50
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Ce
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—
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•171
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La
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— .
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00
—
54
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Sa
00
—
55
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2
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•690
Sa
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Cr
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...
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Nd
00
—
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(Th),-
0
Cr
65
775
Nd
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—
66
147
Pr,-
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—
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Gd
000
—
67
498
Sa
00
—
68
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Dy
000 JV
—
68
800
Pr
000
—
69
150
LA
OON
—
69
441
Nd
0000
—
71
408
Ce
0
Ti
72"
571
Sa
000
—
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792
Sa
OON
—
310
G. Hofbauer,
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Rwl.
4478
-982
Bi-
-195
sa
513
84*
078
87
•076
87"
-685
88
-852
97
268
99
-666
4500
-932
Ol"
946
06-
092
06'
-497
06"
776
10'
-344
10'
708
13
-491
14'
-662
15
'273
17'
■764
19'
806
22
539
22
802
23
-250
24
090
26'
269
27«
954
28'
•647
34'
340
36
•094
36'
675
38'
138
41-
483
42
234
Gd
Gd
Gd
Ce
Ce
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(Gd)
Sa
Er
Nd
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Gd
Nd
Pr
Th
Nd
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Pr
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Sa
La
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Sa
Nd-
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00
000
000
000
000
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0000
000
000
0
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000
00
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3
0
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0
0
ON
1
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00
00 JV
0
000
Co
Cr
Cr
Ti
Vorkommen seltener Erden *uf der Sonne.
311
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•
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—
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54
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Sa-
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Th
000
—
58
640
La
00
—
60
•457
Ce
00
—
60
■589
Sa
00
61
145
Ce
00
—
62
541
Ce
0
—
63
•413
Nd-Er
00
—
66
•031
(Ce)
000
—
66
-414
Su
OON
—
72
•457
Ce
00
—
75'
075
U
00Nd7
77'
868
Sa
00
79
062
Nd
00
79
506
Nd
0
—
80
228
-La
3
Cr
82
683
(Ce)
00 JV
—
85
001
Sa,-
2
93
-704
Sa, -
1
#
94
-113
Ce
0
—
97
211
(Gd), Nd
. 00
—
4606
574
Ce
00 AT
—
06
-687
Sa
000 N
—
13
544
—
3
Cr, La
15
896
Sa
00
—
20
072
La
0000
—
27
•392
Eu
00 iV
—
28
•335
Ce
0
—
42
424
Sa
00
—
45
•483
U
000
—
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa.
21
312
G. Hofbauer,
Hfb.
Rwl.
4655-634
62-693
69 • 568
69 - 829
70-590
75-053
75-785
77-096
82-529
92 - 699
4704-587
44-008
La
La
Sa
Sa
Sc, -
Y
Er
Sa
Y-
La
Sa
Sc
000 Nd}
0
000
00
2
000
0
00
1
00 JV
00
000
Ti*
-Co
* Unrichtige Identifikation bei Rowland.
1 Große Differenz der X im Funken und Bogen.
3 Tritt im Sonnenspektnim zu stark auf.
s Im Sonnenspektrum viel zu stark ; eine andere Koinzidenz aber nicht
auffindbar.
^ Eine der stärksten Yb-Linien.
^ Starke Funkenlinie des Th.
^ Tritt im Sonnenspektrum aufTällig schwach auf.
7 Im Sonnenspektrum viel zu stark. Die Pt- Linie gehört zu den
schwächsten.
8 Wahrscheinlich Sc; möglicherweise kann aber auch 3567-835 die
fragliche Sc-Linie im Sonnenspektrum sein.
9 Im Sonnenspektrum viel zu stark. Eine andere Koinzidenz als etwa
mit der schwachen Rh-Linie war nicht auffindbar.
10 Eine der stärksten Sc-Linien.
11 Wegen großer Differenz der X im Funken und im Bogen ist es unsicher,
welche Linie die Sc-Linie ist.
i2 Stärkste Gd-Linic.
18 Sehr starke Eu-Linie.
1^ Bei Bertram tritt die Ce-Linie als Verunreinigung außerordentlich
stark hervor.
1^ Dieser Wert liegt im Sonnenspektrum zu hoch.
i<J Diese Yb-Linie tritt im Sonnenspektrum aulTallend schwach hervor
(besonders stark im Bogen).
17 Die Fe-Linie ist viel zu schwach, um im Sonnenspektrum mit der
Intensität 5 auftreten zu können.
Vorkommen seltener Erden auf der Sonne. 313
19 Zr, welches Rowland angibt, gehört wohl zu 4050 '643.
19 Die Fe-Linie gehört zu den schwächsten, kann also im Sonnenspektrum
nur einen geringen Betrag der Intensität haben.
20 Va hat die Wellenlänge 4U8-347 sUtt 4118*307.
u Stärkste Eu-Linie.
23 Tritt im Sonnenspektnim schwach aul.
28 Eine der stärksten Pr-Linien.
24 Bei 4192-258 und 4192*356 gibt Rowland La? an. Beide Linien
gehören dem La nicht an.
25 Zwei übereinanderliegende starke Linien des Sa und Pr, die im Sonnen-
spektrum auflälltg schwach auftreten.
26 Starke Gd-Linie.
27 Eventuell kann auch 4280*647 sUtt obiger Linie Gd sein.
28 Da Bertram den Wert 4334*072 anfuhrt (um 0* 1 A. E. tiefer), so ist
eventuell 4334*063 im Sonnenspektrum als Fr anzusehen.
29 Eine der stärksten Th-Linien. Das Mn, das Rowland hier irrtümlich
angibt, soll in der vorigen Zeile bei 4381 *875 stehen.
30 Rowland gibt fälschlich 4522*418 als La an.
>i Liegt im Sonnenspektrum zu tief.
>2 Rowland fOhrt hier eine sehr schwache Ce-Linie an.
21*
315
Untersuchungen über radioaktive Substanzen.
(VIII. Mitteilung.)
Über ein radioaktives Produkt aus dem Aktinium
von
Dr. Stefan Meyer und Dr. Egon Ritter v. Schweidler.
Aus dem Institut für theoretisdie Physik und dem ü. physikalischen Institut der
k. k. Universität in Wien.
(Mit 2 Textflguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 28. Febraar 1007.)
Schon im April des vorigen Jahres* konnten wir über
einige Erscheinungen berichten, welche sich ergaben, wenn
man ein Blech der induzierenden Wirkung von Aktinium-
emanation durch lange Zeit aussetzt. Man erhält dann bei der
Messung der Aktivität des so induzierten Körpers zunächst
den einfachen logarithmischen Gang des Abfalles, wie er der
Halbierungskonstante von Ac-4 + AcJB, d. i. einem Wert von
rund 36 Minuten, entspricht, aber der weitere Verlauf unter-
scheidet sich von der früher geltenden Annahme, daß diese
Aktivität nach gleichem Gesetze restlos verschwinde — bloß
in einem Falle hatten wir bei 48tägiger Exposition eine kleine
Restaktivität nachweisen zu können geglaubt* — dadurch,
daß Restaktivitaten nachweisbarer Menge erübrigten.
Diese Restaktivitäten nehmen mit der Zeit an Wirksamkeit
ab und wir konnten seither trotz des leider noch nicht in
ausreichender Menge verfügbaren Aktiniums wenigstens noch
einige Beobachtungsreihen über den zeitlichen Gang der
1 Anz. der kais. Akad. der Wiss. in Wien, Nr. XII vom 26. April 1900.
2 Diese Sitzungsber., 114 (IIa), 1157 (1905).
316
st Meyer und E. v. Schweidler,
Aktivitätsabnahme machen, die, wenn auch noch kein definitives,
so doch ein vorläufiges Charakteristikum der neuen Substanz
bieten.
Die folgenden Tabellen liefern einige Beispiele. Die Zeit t
ist vom Moment des Abhebens des Bleches von dem flachen
Gefäß, welches das Aktiniumpräparat enthielt und dem es als
Deckel diente, gerechnet. J ist der gemessene Sättigungsstrom,
Joo ist derselbe nach langer Zeit.
1. Platinblech, 102 Tage aktiviert.
in Tagen
in Volt,
'Minuten /-
-/oo
log (/— /oo)
0
•8
6
•70
5
•10
0
•708
2
■8
6
•40
4
•80
0
•681
6
■9
5
•70
4
■10
0
•613
8
•9
5
•10
3
•50
0
•544
13
•1
4
•30
2
•70
0
■431
15
•2
4
■00
2
•40
0
■380
16'
■8
3
•95
2
•35
0
371
20
•1
3
40
1
■80
0
■255
•20'
•8
3
■40
1
•80
0
■255
*»20
•9
3
•20
1
■60
0
•204
21'
•9
3
•20
1
•60
0
■204
31
1
2-
42
0'
82
0-
■914—1
36-
8
2-
30
0
■70
0-
845—1
43-
8
2-
11
0'
51
0-
708—1
49-
8
2-
00
0'
■40
0-
602 1
53-
8
99
0-
39
0
591 1
58-
8
98
0-
38
0^
580 1
65-
9
90
0-
30
0-
477 1
73-
8
80
0-
20
0^
301—1
87- 1
1-65
005
HC =
12-3 Tage
X =
0-056 1/Tage
t
—
17-7 Ta
ge
Radioaktives Produkt aus dem Aktinium.
317
2. Kupferblech, 22 Tage aktiviert.
/
in Tagen in Volt/Minuten / — /oo
0-8 2-82 2-71
2-8 2-34 2-23
4-8 1-90 1-79
6-8 1-80 1-69
11-8 1-34 1-23
13-9 1-24 113
16-8 103 0-92
19-8 1-00 0-89
23-8 0-80 0-69
31-8 0-55 0-44
325— 011 —
Iog(/— /oo)
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
433
348
253
223
090
053
964-
949-
1
1
839—1
644-1
HC= 12-4 Tage
X =0056 1/Tage
T =17-8 Tage
3. Platinblech, 202 Tage aktiviert.
Tai
Sen
in Volt/Minuten
J-
-/oo
log(/-/oo)
0
•8
205
•85
0
267
1
■0
2 03
83
0
•263
1
8
1-79
•59
0
•201
2-
1
1-77
57
0'
■196
3
■9
1-54
34
0
•127
5'
■9
1-35
•15
0
•061
7-
1
1-29
09
0
•037
9'
1
1-23
03
0'
•013
12'
•1
1-01
0
81
0
•909—1
12-
9
0-96
0'
•76
0
882 1
16'
9
0-82
0'
•62
0'
•792—1
19'
9
0-68
0'
■48
9'
■679 1
22'
8
0-59
0
39
0'
593—1
25
•9
0-51
0
31
0
•497 1
33
•8
0-405
0
■20.
0
■312—1
44-1
0-32
012
0-068-1
(«
')
(0-2)
318
St. Meyer und E. v. Schweidler,
/fC= 10-8 Tage
X =0-064 1/Tage
t =15*6 Tage
t 10 ti n m u ZO tt it t* tt io n *t M M 40 *i M4fMM TagK
Fig. 1.
Der abgezogene Endwert, der nach langer Zeit erreicht
war, Joo, scheint nicht konstant zu sein, sondern nimmt viel-
mehr selbst langsam ab. Da uns aber mit Rücksicht auf die
Kleinheit der Effekte hierüber genauere Angaben zu machen
unmöglich ist, so erhellt daraus, daß in der Wahl des Wertes
für Joo eine gewisse Willkürlichkeit und Ungenauigkeit liegen
muß.
Es erscheint nicht unmöglich, daß durch die Annahme
eines zweiten langsam zerfallenden Produktes sich einige der
Abweichungen der gemessenen Punkte von den in der Fig. 1
eingezeichneten Geraden erklären ließen. Speziell die Kurven
II und III, die unter sehr verschiedenen Bedingungen und zu
sehr verschiedenen Zeiten aufgenommen wurden, zeigen auf-
fallend übereinstimmenden Gang der Abweichungen in den
ersten Tagen, der leicht als von der Type:
Radioaktives Produkt aus dem Aktinium. 319
Zdl -*
Fig. 2.
aufgefaßt werden könnte, die sich für die Koexistenz mehrerer
Phasen (etwa AcC, AcZ). . .) ergeben müßte.
Zumindest in erster Annäherung aber wird man die Er-
gebnisse der Fig. 1 als durch einen logarithmischen Abfall
charakterisiert und die Kurven als Gerade auffassen dürfen,
wobei sich aus JzzzJ^er-^^ für die Zerfallskonstanten im Mittel
X = 0-059 1/Tage
die Halbierungskonstante HC =11-8 Tage
die mittlere Lebensdauer c . . . = 17*0 Tage
ergeben.
Außer durch ihre Zerfatlskonstanten wird man eine radio-
aktive Substanz durch ihre Strahlenart, ihre Verdampfungs-
temperatur, eventuell durch die von ihr erzeugten weiteren
Produkte zu kennzeichnen trachten.
Ober die Strahlen können wir nur aussagen, daß sie
sicher wenig durchdringlich sind, indem sie von sehr geringen
Aluminiumschichten bereits absorbiert erscheinen.
Durch Erhitzen bis zur Dunkelrotglut (dasselbe ist bei
Präparat 1, Tabelle 1, zur Zeit zwischen 20* 1 und 20*8 Tagen
markiert durch *) und nochmals bis zur Hellrotglut (markiert
320 St. Meyer und E. v. Schweidler,
durch **) konnte eine wesentliche Beeinflussung der Aktivität
und des weiteren Abfalles nicht festgestellt werden. Das Produkt
verdampft demnach vermutlich erst über der Temperatur der
hellen Rotglut.
Versuche an einer längere Zeit in unmittelbarer Nähe des
untersuchten Präparates gebrachten Messingplatte eine indu-
zierte Aktivität nachzuweisen, ergaben trotz Anwendung einer
Untersuchungsmethode von bedeutend vergrößerter Empfind-
lichkeit (Quadrantelektrometer, das noch eine Aktivität von
0*004 Volt/Minuten in dem in den Tabellen angegebenen
Maße hätte erkennen lassen) ein durchaus negatives Resultat.
* Es ist daraus zu schließen, daß eine induzierende Emanation
von der untersuchten Substanz nicht abgegeben wird.
Berechnet man mit Hilfe der Halbierungskonstante
HC = 36 Minuten die Aktivität J von hcB im Momente des
Abhebens des induzierten Bleches vom induzierenden Aktinium-
präparat und vergleicht damit den Restwert R nach etwa
24 Stunden, so ergibt sich für die verschiedenen Präparate, die
durch eine Zeit Z der Aktivierung ausgesetzt gewesen waren:
z
Tage
Volt/Minuten
R
Volt/Minuten
1. Platinblech
102
50000
6-8
2. Kupferblech . . . ,
3. Kupferblech . . . .
4. Aluminiumblech
, 22
. 22
. 27
43000
1200
1000
2-8
0-2
0-2
5. Kupferblech . . . ,
6. Platinblech
, 27
.202
250
52000
008
2-3
Zur Deutung der beschriebenen Erscheinungen lassen
sich die folgenden Hypothesen aufstellen:
1. Es wäre die Möglichkeit vorhanden, daß eines der
Produkte Aktinium, Radioaktinium oder Aktinium X verdampfe
und sich auf dem Deckelblech zugleich mit der induzierten
Aktivität niederschlage; dann könnte es entweder (für Ac) in
der Weise, wie dies Voller für Radium gefunden hat, allmählich
durch Sublimation oder (für RaAc und Ac-X) außerdem noch
durch den radioaktiven Zerfall verschwinden.
Abgesehen davon, daß über eine Flüchtigkeit der genannten
Substanzen bei Zimmertemperatur bisher nichts bekannt ist,
spricht gegen eine solche Annahme die oben erwähnte Einfluß-
Radioaktives Produkt aus dem Aktinium. 321
losigkeit des Glühens sowie der Umstand, daß Induktions-
wirkungen nicht erhalten werden konnten (vergl. p. 320).
2. Eine andere mögliche Annahme ist diejenige, daß hier
ein weiteres Zerfallsprodukt des Aktiniums vorliege, also Ac C,
eventuell AcC-h AcD mit Rücksicht darauf, daß auch das
Produkt mit der Halbierungskonstante von rund 12 Tagen
nicht restlos verschwindet.
Doch ist bei dieser Annahme noch die Voraussetzung
hinzuzunehmen, daß das Produkt keine a-Partikel von ähnlicher
Geschwindigkeit aussende, wie sie Ac5 besitzt. Dies ist
gefordert durch das beobachtete Verhältnis von R zu 7. Bei
gleicher ionisierender Wirkung müßte nach sehr langer
Expositionsdauer (also für HC =: 12 Tage, bei Z= 102 oder
202 Tage praktisch erreicht) die Aktivität i? gleich der Aktivität/
sein, bei der kürzeren Expositionszeit Z =: 22 bis 27 Tage
R ungefähr V4 J betragen. Tatsächlich ist das Verhältnis aber
von der Größenordnung 10""*. Nimmt man aber an, daß diese
Substanz bei ihrem Zerfall sehr langsame a-Strahlen, deren
Geschwindigkeit knapp über der Grenzgeschwindigkeit ioni-
sierender Wirkung liegt, oder sehr weiche ß-Stahlen aussendet, so
stünde obige Hypothese mit den Tatsachen nicht in Widerspruch.
Die Annahme, daß der untersuchte Rest aus der indu-
zierenden Aktiniumemanation entstanden ist, führt zu der
folgenden Konsequenz. Berechnet man mittels der Halbierungs-
konstante HC=: 12 Tage aus dem gefundenen Wert R nach
der Expositionszeit Z den Wert i?oo, den man nach der Expo-
R^
sitionszeit Z zu 00 erhalten hätte, so muß —j- konstant sein.
Tatsächlich findet man:
/?oo ./
1. Platinblech 1-4 • 10^^
2. Kupferblech • 0-9 ' 10"
3. Kupferblech 2-2 • 10"
4. Aluminiumblech 2-4 • 10~^
5. Kupferblech 4*0 • 10"
6. Platinblech 0-44- 10"^
Daß hier keine bessere Übereinstimmung vorliegt, mag,
abgesehen von der Kleinheit der Wirkung und der darin
begründeten Ungenauigkeit der Bestimmung, auf den Umstand
322 St. Meyer und E. v. Schweidler, Radioaktives Produkt etc.
zurückgeführt werden, daß der Absorptionskoelfizient und
somit die Abgabe der kurzlebigen Aktiniumemanation aus den
Aktiniumpräparaten außerordentlich stark von der Konsistenz,
der Temperatur und der Feuchtigkeit des Präparates abzuhängen
scheint und sonach während der langen Expositionszeit der
Emanationsgehalt in der Umgebung des zu induzierenden
Bleches variieren kann.
3. Es ist naturgemäß nicht ausgeschlossen, daß das bisher
dargestellte Aktinium begleitet ist von einem noch unbekannten
Radioelemente.^ Die von verschiedenen Beobachtern fest-
gestellten relativ starken Schwankungen der Abfallskonstanten
von Ac^ — Ac5 könnten als Hinweis dafür gelten.
Die von uns als Restaktivitäten des Aktiniums bezeichneten
Produkte könnten dann Zerfallsprodukte eines solchen Beglei-
ters des Aktiniums sein.
4. Ob nun die Annahmen 2 oder 3 zutreffend sind, jeden-
falls kann man aussagen, daß die beschriebenen radioaktiven
Substanzen nicht unmittelbar der Radiumfamilie angehören,
eine Annahme, die durch die Untersuchungen Boltwood's
und Rutherford's,^ welche Radiumemanation aus Aktinium in
mit der Zeit steigender Menge aufgefunden haben, als möglich
zu gelten hätte.
Wäre das beschriebene, aus dem Aktinium erzeugte Produkt
Radium selbst, so müßte sich eine induzierende Wirkung zeigen,
die wir nicht finden konnten.
Die von Rutherford l. c. ausgesprochene Vermutung,
daß Radium ein Zerfallsprodukt des Aktiniums oder eines
Begleiters desselben sei, aber erst nach der Einschaltung von
Zwischenprodukten, wird dadurch natürlich nicht tangiert.
Genauere Angaben über die Natur der aufgefundenen
Produkte und ihrer Strahlung waren uns bisher wegen der
Geringfügigkeit der Wirkungen noch nicht möglich und müssen
einer Zeit vorbehalten bleiben, in der größere Mengen reineren
Aktiniums zur Verfügung stehen.
1 Vergl. hiezu auch E. Rutherford, Nature, 75, 270 (1907).
2 B. Boltwood, Nature, 75, 54 (1906); — E. Rutherford, Phil, trans.
A. S., 169 (1904); — E. Rutherford, Nature, 75, 270 (1907).
323
Über die Verschiebung der Spektrallinien
von
Prof. Fr. Eimer, w. M. k. Akad., und Dr. Ed. Haschek.
(Vorgelegt in der Sitzung am 7. MSrz 1907.)
Zur Frage der Linienverschiebungen in den Bogen- und
Funkenspektren sind in der letzten Zeit einige Arbeiten er-
schienen, die indes die wünschenswerte Klärung nicht gebracht
haben. Während N. Kent* und F. Exner und E. Haschek*
Verschiebungen an einer Reihe von Linien verschiedener
Elemente finden und Bedingungen nachweisen, unter denen
die Variabilität der Wellenlängen auftritt, ergibt sich als
Resultat einer Untersuchung von Chr. Keller* die völlige
Konstanz der Wellenlänge. Dieser Gegensatz in den Ergeb-
nissen der verschiedenen Untersuchungen ist gewiß ein sehr
auffälliger. Zweck der vorliegenden Arbeit wird es sein, die
Ursachen hiefür aufzudecken und einen Versuch zur Klärung
der ganzen Frage zu bringen. Dabei wäre es natürlich aus-
sichtslos, neuerdings in derselben Art, wie es bisher geschah,
die Wellenlängen von verschiebungsverdächtigen Linien unter
verschiedenen Umständen im Bogen oder Funken mit tun-
lichster Genauigkeit zu bestimmen oder direkt Verschiebungen
messen zu wollen. Es müssen vielmehr Methoden gewählt
werden, die von den bisher angewendeten völlig verschieden
sind und daher auch mindestens eine Anzahl von Fehlerquellen
vermeiden. Solche sind vor allem anderen geringe Ungenauig-
keiten in der Justierung der Gitter, die nötige lange Expositions-
1 Astroph. Joum. (1905).
2 Diese Sitzungsber., Bd. 115, Abt. IIa (1906).
8 Zeitschr. f. wiss. Photogr. etc., Bd. 4 (1906).
324 F. Exner und E. Haschek,
zeit bei der photographischen Aufnahme, die uns nur Zeitmittel
des Aussehens der Linien gibt, sowie die Unsicherheit einer
Bestimmung des Intensitätsmaximums. Wh* haben zwei der
möglichen Wege beschritten. Der eine ist ein Vergleich von
Messungen verschiedener Autoren, die unter tunlichst gleichen
Umständen mit gleicher indizierter Genauigkeit dasselbe
Spektrum maßen. Die zweite besteht in einem Studium des
Aufbaues der Linien im Stufengitter. Über die Resultate dieser
beiden Versuche soll im folgenden referiert werden.
I.
Für die erste Untersuchung lagen uns zunächst die
Messungen des Lanthanspektrums vor, die von den Herren
J. Kellner^ und E. Wolf^ an reinen Lanthanpräparaten mit
Hilfe des großen Gitterapparates in Bonn gemacht wurden.
Ferner die Tabelle jener Lanthanlinien, die M. Bertram^ in
den Spektren von Neodym und Praseodym nachweisen konnte.
Diese drei Reihen sind unter möglichst gleichen äußeren
Bedingungen auf drei Dezimalen der Angström'schen Einheit
durchgeführt.
In den Bonner Arbeiten über das Lanthanspektrum wird
für die in den Tabellen angeführten Linien angegeben, daß
die Wellenlängen, die übrigens Mittelwerte aus mindestens
acht Einstellungen unter dem Komparator sind, auf 0 * 005 bis
höchstens 0*010 A. E. zuverlässig sind. Dabei ist natürlich
klar, daß die Wiederholung der Messungen, welche von Wolf
durchgeführt wurde, genauere Zahlen liefern mußte, da ja die
Möglichkeit vorlag, die Resultate zu vergleichen und Ab-
weichungen zu kontrollieren. Wir haben nun versucht, uns
etwas genauer über die Präzision dieser Zahlenreihen Auf-
schluß zu verschaffen, als es die in den drei angeführten
Arbeiten mitgeteilten Kolonnen der Einzelmessungen ermög-
lichen. Wir suchten zu diesem Zwecke die mittlere Ab-
weichung A der einzelnen gemeinsamen Wellenlängenangaben
zu bilden. In den Tabellen von Kellner und Wolf sind
J Diss. Bonn (1904).
2 Zeitschr. f. wiss. Photogr. etc., Bd. III (1905).
Ä Diss. Bonn (1905).
Verschiebung der SpektraIHnien. 325
228 Linien identisch (zwei Zahlen bei Kellner sind offenbar
durch Druckfehler entstellt). Bildet man da die Differenzen
ohne Rücksicht auf das Vorzeichen, so erhält man den Wert
A rr 0'0145 A. E. Zu erwarten wäre gemäß der angegebenen
Genauigkeit höchstens ein Wert A = 0*010 A. E., das Doppelte
des mittleren Fehlers der Messung.
Bertram gibt in seiner Arbeit über die Spektren von
Neodym und Praseodym eine Tabelle jener Lanthanlinien an,
welche als Verunreinigung auftraten. Vergleicht man auch hier
wieder die Zahlen mit jenen Kellner's, respektive Wolfs,
so ergeben sich die bezüglichen mittleren Abweichungen
Az= 0*0179 A. E. für die Vergleichung Kellner-Bertram
(109 Linien) und An: 0-0136 A. E. für die Zahlen Wolf-
Bertram (112 Linien).
Aus diesen Zahlen glauben wir übrigens wieder den
Schluß ziehen zu dürfen, daß die Angabe der dritten Dezimale
der Angström'schen Einheit für Identifikationszwecke wertlos
und daher gar nicht anzustreben ist. Daß eine entsprechende
Genauigkeit auch in den vorliegenden Messungen nicht erreicht
wurde, scheint zur Genüge aus diesen Angaben hervorzugehen.
Nur in Ausnahmsfällen, zum Studium des Verhaltens einzelner
Linien, wird sich eine Präzision in der Wellenlängenangabe
von einigen Tausendsteln erreichen lassen, allgemein gewiß
nicht.
Es scheint uns dies übrigens auch aus den Angaben
hervorzugehen, die J. Kellner über die Dispersion seines
Gitters macht. Demgemäß kamen bei seinen und wohl auch bei
allen anderen hier zunächst in Frage stehenden Aufnahmen
auf 1 mm ungefähr 2*4 A. E. Das besagt aber, daß 1 A. E.
Wellenlängenunterschied ein linearer Abstand auf der Platte
von etwa 0*417 mm entspricht, und soll eine Wellenlänge auf
0-005 A. E. bestimmt werden, so muß das Fadenkreuz des
Mikroskopes auf 0*002 ww genau eingestellt werden. Das ist
wohl für die scharf begrenzten Striche eines Maßstabes mög-
lich; es scheint uns aber zweifelhaft, ob es bei der Einstellung
auf Linien erreichbar ist, die wie die Lanthanlinien eine
durchschnittliche Breite von 0*2 bis 0*3 A. E., also rund das
öOfache der verlangten Einstellungsweite, haben.
326
F. Exner und E. Haschek,
Daß aber doch vielleicht nicht so sehr eine ungenaue
Messung der gegebenen Platten diese großen Werte der
Abweichungen hervorbrachte, sondern daß mindestens teil-
weise reell variierende Stellungen der Linien gegen die
Standards, also Linienverschiebungen zur Erklärung heran-
zuziehen sind, dürfte aus den nachfolgenden Zusammen-
stellungen der beobachteten Differenzen hervorgehen. Die
weiter oben gegebenen Werte für A sind so bestimmt, daß ^ie
einzelnen Differenzen in Tausendsteln der Angström sehen
Einheit addiert und die Summen durch die Zahlen der gemein-
samen Linien dividiert wurden. Kürzt man nun der leichteren
Übersichtlichkeit halber die Einzelwerte der Differenzen auf
Hundertel der Angström'schen Einheit ab, so kann man eine
Tabelle zusammenstellen, welche die Häufigkeit der einzelnen
Abweichungen darstellt. Es ist dies in der folgenden Über-
sicht geschehen. Darin sind unter A. E. die vorkommenden
Differenzen, in den weiteren Kolonnen ihre Anzahl für die
gemeinsamen Linien in den Arbeiten von Kellner (Ke)^
Wolf (Wo) und Bertram (Be) angegeben.
A. E.
Ke-Wo
Kc'Bc
Wo-Be
0-00.'.
0-01
0-02
003
0-04
0-05
006
46
05
51
25
10
1
2
16
32
34
15
0
2
1
32
31
32
10
6
1
0
Linienzahl . .
Ä
228
0-0145
109
00179
112
0-0136
Man sieht, daß Differenzen, welche die angegebene Meß-
genauigkeit übertreffen, so oft vorkommen, daß sie nicht bloß
als zufällige Fehler betrachtet werden können, um so mehr,
als Wolf und Bertram alle auflalligen Differenzen wohl
Verschiebung der Spektrallinien. 337
lieh Linienbreiten von 0-02 A. E. an und kaum einmal dürfte
0*1 A. E. erreicht werden. Treten nun neben der Hauptlinie
noch Trabanten auf, so liefert jeder für sich auch beim Row-
land'schen Gitter sein Beugungsmaximum. Doch müssen sich
selbst für den Fall, daß die Trabanten gemäß dem Auflösungs-
vermögen noch trennbar wären, die Intensitätskurven min-
destens teilweise überlagern und für die visuelle oder photo-
^aphische Beobachtung eine resultierende Intensitätsverteilung
liefern. Daß dabei, sobald, wie aus unseren Beobachtungen
folgt, die roten Trabanten in der Summation überwiegen, eine
Unsymmetrie sich ergeben muß, ist sofort klar. Aber ebenso
leuchtet ein, daß der Fall vorkommen muß, daß das Maximum
der resultierenden Intensitätskurve sich verschiebt, sobald
einerseits die Helligkeit der Trabanten rascher ansteigt. Es
folgt also aus unseren Beobachtungen, daß die Linien-
verschiebungen tatsächlich vorhanden sind, sobald man mit
Apparaten von mäßigem Auflösungsvermögen arbeitet, und
daß sie allen jenen Umständen parallel gehen, welche die
Dampfdichte verändern, da mit dieser die rotseits stehenden
Trabanten vorzugsweise variieren.^
Aus unseren Beobachtungen folgt aber auch die Erklärung,
warum Eder und Valenta* und Keller keine Linien-
verschiebungen konstatieren konnten. Eder und Valenta
gingen bei ihrer Untersuchung von der Annahme aus, daß die
Inkonstanz der Stellung der Linien vielleicht durch zu lange
Exposition der Platten, vielleicht auch durch fehlerhafte Ent-
wicklung hervorgerufen sein könnte. Sie exponierten daher
möglichst kurz, um nur das Intensitätsmaximum zu erhalten
und konnten dann Verschiebungen nicht konstatieren. Das ist
aber selbstverständlich, da bei der geringen Belichtungszeit
eben nur die Hauptlinie zur Geltung kommt, die Trabanten
aber nicht. Aus demselben Grund konnte auch Keller die
Linienverschiebungen nicht beobachten, da er die Linien nach
1 Aus der Tatsache dieser Verschiebungen folgt aber keineswegs, und
darauf wollen wir noch besonders aufmerksam machen, eine Veränderlichkeit
der Wellenlängen der einzelnen Strahlungen. Eine solche ergibt sich bloß für
das Intensitätsmaximum des nicht aufgelösten Linienkomplexes.
« Diese Sitzungsberichte, Bd. 112, Abt. n a (1903).
328 F. Exner und £. Haschek,
Abweichungen jene der negativen übertrifft und sobald auch
ihre Zahl größer ist.
Zu diesem Zwecke können wir wieder zunächst die
Lanthanmessungen heranziehen. Da wir aber früher schließen
mußten, daß die Messungen Wolfs die genaueren sind, so
wird der etwaige Schluß auf Verschiebungen zwingender
werden, wenn wir bloß diese mit den Zahlen Bertram's ver-
gleichen. Dabei rechnen wir gemäß dem früheren Ansätze die
Abweichung positiv, wenn Wolf, der das Spektrum reinen
Lanthans, also bei höherer Dampfdichte stärkere Linien mißt,
die höhere Wellenlänge angibt. Wir erhalten so 58 positive
Differenzen mit der Gesamtsumme von 0 * 880, gegen 54 negative,
deren Summe 0*648 beträgt. Wir dürfen also gewiß den Schluß
ziehen, daß auch nach den Messungen Wolfs und Bertrames
Verschiebungen mindestens im Lanthanspektrum nachweisbar
sein müssen. Noch zwingender wird der Schluß, wenn wir
gemäß der indizierten Meßgenauigkeit nur jene Differenzen als
reell rechnen, welche nach der Abkürzung auf zwei Dezimalen
größer sind als 0* Ol A. E., also alle von 0*015 A, E. an. Dann
ergibt sich die Summe der positiven Abweichungen zu 0*744
in 33 Fällen, die Summe der negativen aber zu 0'419 in
20 Fällen. Ähnliches ergibt sich, wenn man die sicheren
wechselweisen Verunreinigungen im Nd und Pr nach den
Messungen Bertram's benützt. Wir bekommen da als Summe
der positiven Abweichungen 0*229 aus 19 Linien, als Summe
der negativen nur 0*119 aus 13 Linien. Dabei ist aber zu
berücksichtigen, daß gemäß dem allgemeinen Verhalten beim
Neodymspektrum entsprechend seiner großen Linienzahl durch-
schnittlich kleinere Verschiebungen und diese seltener, zu
erwarten sein werden.
Aus dieser statistischen Untersuchung ergibt sich also,
daß auch nach den Messungen der Spektren von Neodym und
Lanthan, die von Kellner, Wolf und Bertram in Bonn aus-
geführt wurden, Verschiebungen in der von uns angegebenen
Art existieren, daß also die Differenzen in den Wellenlängen,
welche wir in den Bogen- und Funkenspektren konstatieren
konnten, nicht bloß auf Meßfehler oder auf die Wahl einer zu
ungenauen Meßmethode zurückzuführen sind. Übrigens zeigt
Verschiebung der Spektrallinien. 329
ein Blick auf die für unsere Messungen seinerzeit gegebene
Tabelle^ der A, daß die Bonner Messungen, obwohl sie Mittel-
werte sind, die unserigen an Genauigkeit nicht wesentlich
übertreffen.
Man sieht aus diesen Zahlen, daß auch bei den unter mög-
lichst identischen Verhältnissen vorgenommenen Messungen
in Bonn sich Diskrepanzen ergeben, die, wenn die angegebene
Meßgenauigkeit der Wirklichkeit entspricht, sich nicht durch
Zufälligkeiten erklären lassen; dieselben scheinen uns vielmehr
deutlich auf das Vorhandensein von Linienverschiebungen
hinzuweisen. Wir haben schon früher^ Gelegenheit gehabt, auf
ganz ähnliche Umstände in den Messungen Rowland's hin-
zuweisen, wo z. B. in Bezug auf 46 Linien des Lanthans in der
Sonne und im Bogen sich Abweichungen im mittleren
Betrage A=: 0*020 A. E. ergeben, was weit außerhalb der
möglichen Meßfehler bei Rowland liegt.
So sind wir denn vor die Alternative gestellt, entweder
anzunehmen, daß selbst bei gut definierten Linien, wie sie den
obigen Bonner Messungen zu Grunde lagen, die Meßgenauigkeit
nicht über eine mittlere Abweichung von zirka 0*010 bis
0-015 A. E. hinausgeht, wobei Differenzen von 0*03 bis
0*04 A. E. in den Einzelbestimmungen gar nicht selten vor-
kommen ^ oder die Ursachen dieser Differenzen tatsächlich
in einem verschiedenen Werte der Wellenlänge derselben
Linien je nach den Bedingungen der Aufnahme suchen zu
müssen. Wie im folgenden gezeigt werden soll, hat die letztere
Annahme alle Wahrscheinlichkeit für sich und es erklären
sich durch sie auch die auseinander gehenden Ansichten
verschiedener Beobachter über die Existenz der Linienver-
schiebungen auf das einfachste.
II.
Es sind in der letzten Zeit von verschiedenen Forschern
Untersuchungen mit stark dispergierenden Apparaten an-
1 Exner und Haschek, Bogenspektren der Elemente, I.
s Diese Sitzungsberichte, Bd. 115, Abt. IIa (1906).
S Vergl. übrigens auch die Messungen von H. Kayser und H. A. Row-
land an den Platimnetallen, deren Linien zu den bestdefinierten gehören.
22*
330 F. Exner und E. Haschek,
gestellt worden, die lehrten, daß die Spektrallinien, die wir mit
Prismen oder Gittern beobachten, häufig nicht einfach sind,
sondern sich noch weiter in komplizierte Spektren auflösen
lassen. Dabei zeigen sich aber recht bedeutende Abweichungen
in den Angaben verschiedener Beobachter über die Struktur
gleicher Linien; es schien uns daher möglich, daß wir auf
diesem Wege Aufschluß über den Mechanismus der Linien-
verschiebungen erhalten könnten. Mag auch ein Teil dieser
abweichenden Beobachtungen erklärbar sein durch Einflüsse
der verwendeten Apparate, so sind doch die Diskrepanzen in
den Beobachtungen zu groß, als daß sie bloß dadurch hervor-
gerufen sein könnten. Es weist auch L. Janicki^ gelegentlich
darauf hin, daß er in den relativen Intensitäten der Kom-
ponenten öfter Änderungen bemerkte, die bei nicht genügend
auflösenden Apparaten Linienverschiebungen vortäuschen
konnten. Auch aus den Angaben von P. G. Nutting* geht
hervor, daß das Aussehen der Linien mit den variablen
Bedingungen des Leuchtens veränderlich ist. Nähere Daten
aber konnten wir nirgends finden, namentlich darüber nicht,
ob die Variationen sich vorzugsweise oder ausschließlich auf
gewisse Gruppen der Trabanten beschränken, in welcher
Weise sie mit den Bedingungen in der Strombahn zusammen-
zuhängen scheinen u. a. m.
Wir unternahmen es also, uns selbst darüber durch eine
Untersuchung Klarheit zu verschaffen. Leider stand uns zu
diesem Zwecke kein größeres Stufengitter zur Verfügung, als
eines mit 14 Platten, das wir seinerzeit vonHilger bezogen
hatten. Es war uns daher nicht in allen Fällen möglich, trenn-
bare Komponenten auch wirklich aufzulösen. Doch glauben
wir, daß dieser Mangel keinerlei Einfluß auf die Resultate
haben kann, soweit sie zur Deutung der Linienverschiebungen
herangezogen werden können. Die Aufstellung des Apparates
war die gewöhnliche. Ein Spektroskop mit konstanter Ab-
lenkung entwarf ein reelles Bild der Linie auf den Spalt des
Sekundärkollimators, der auf Unendlich eingestellt paralleles
1 Feinere Zerlegung der Spektrallinien etc. Inaug.-Diss. Halle (1905).
2 Line Structure, I. Astroph. Joum., XXIII (1906).
Verschiebung der Spektrallinien. 33 1
Licht durch das Stufengitter sendet. Die Interferenzerscheinung
wurde im Fernrohr beobachtet und das Gitter so gestellt, daß
der Beugungs Winkel ein Minimum, also fast die ganze Hellig-
keit in ein Spektrum konzentriert war. Als Lichtquelle diente
uns der Bogen, den wir zwischen Metallstäben oder zwischen
Kohlenstiften erzeugten, die mit dem fraglichen Material be-
schickt wurden. Die Stromstärke war zwischen etwa 2 und
20 Ampere variierbar. Unter diesen Umständen erhielten wir
immer genügend definierte Linien, wenn nur die Dampfmenge
im Bogen unter ein gewisses Maß herabsank. Die Funken-
iinien sind leider zu unscharf, um brauchbare Beobachtungen
mit dem Stufengitter zu ermöglichen. Doch werden wir wohl
voraussetzen dürfen, daß sie im ganzen und großen ein ana-
loges Verhalten zeigen werden wie die Bogenlinien und daß
wir die für diese abgeleiteten Regeln mit einiger Vorsicht auch
auf die Funkenlinien werden anwenden dürfen.
Wir haben unsere Beobachtungen vorzugsweise an
solchen linienarmen Elementen angestellt, bei denen wir
schon früher Verschiebungen konstatiert hatten. Es schien
uns diese Wahl auch deshalb nützlich, da bei der geringen
Dispersion des Primärspektroskopes eine sichere Orientierung
in linienreichen Elementen schwer gewesen wäre. Übrigens
lehrt auch eine Durchsicht der Angaben Nuttin g's, daß gerade
bei den linienarmen Elementen Variationen am ehesten zu
erwarten sind. Erwähnt sei hier bereits die auch von anderer
Seite registrierte Erfahrung, daß die Spektrallinien am schärf-
sten von der Kathode emittiert werden und daß sie im kurzen
Bogen unscharf erscheinen. Das im folgenden öfter erwähnte
Flackern oder Spritzen des Bogens ist stets von einer
momentanen Erhöhung der Stromstärke begleitet und dürfte
davon herrühren, daß der Bogen von einem reduzierten Metall-
kömchen abgeht, das für kurze Zeit eine größere Menge
Dampf in den Bogen liefert.
Wir wollen im folgenden unsere Beobachtungen. wieder-
geben, wobei die untersuchten Elemente nach steigendem
Atomgewichte geordnet sind.
332 F. Exner und £. Haschek,
Lithium.
Untersucht wurden nur die roten Linien; bei X6103 sind
an der Kathode bei größerer Dampfdichte und daher großer
Helligkeit 7 gleich starke Linien sichtbar, die sich bei geringen,
nicht definierbaren Änderungen im Bogen auf 3, 4, 5 und
6 Linien reduzieren. Dabei sind die Linien manchmal ziemlich
gleich stark, manchmal überwiegen die kleineren Wellenlängen
in der Intensität. An der Anode ist bloß ein kontinuierlicher
Hintergrund sichtbar; veränderte man bei geringerer Dampf-
dichte, so daß 6 Linien sichtbar waren, die Stromstärke im
Bogen von 2 auf 5 und 12 Ampere, so änderte sich die relative
Helligkeitsverteilung der Linien so, daß bei 2 Ampere von
Violett her gerechnet die zweite und dritte Linie am stärksten
erschien, während bei 5 und 12 Ampere die zweite Linie ver-
schwand und die dritte und fünfte am intensivsten war.
Es wanderte also der Schwerpunkt der Intensität dabei
gegen Rot.
Ein komplizierteres Verhalten zeigte die Linie X 6708.
Hier ist bei sehr dichtem Dampf bloß eine ziemlich breite
Umkehrung zu sehen, bei dünnerem Dampf erscheint die
schmale scharfe Umkehrung auf der Seite der größeren
Wellenlängen von einer hellen Linie begleitet, deren Intensität
sehr zunimmt, sobald der Bogen zischt. Dabei treten beider-
seits der Hauptlinie, aber intensiver auf der roten Seite, noch
3 bis 5 weitere Linien auf. Nimmt die Dampfdichte noch
weiter ab, so daß die Bogenfarbe vom Lithiumgehalt nichts
mehr erkennen läßt, so bleibt im Spektrum bloß eine helle
Linie übrig, die schmal und scharf bei langem Bogen, sehr
breit und verwaschen bei kurzem Bogen erscheint. Verstärkten
wir jetzt den Strom von 2 auf 5 Ampere, so waren 2 starke
Linien zu sehen. Dabei war die Linie mit der größeren Wellen-
länge schwächer; zwischen diesen Linien war eine schwache
sichtbar. Wurde jetzt der Bogen verkürzt, so veränderte sich
das Bild so, daß statt der Emissionslinien zwei Umkehrungen
auftraten, von denen jene auf der roten Seite die intensivere
war. Beim Zischen des Bogens traten statt dessen etwa
5 ziemlich gleich intensive helle Linien auf.
Verschiebung der Spektrallinien. 333
Calcium.
Bei der Linie X 4527 trat bei dichtem Dampf eine Um-
kehrung auf, bei dünnerem erschien sie doppelt. Wir konnten
nicht entscheiden, ob auch da die Umkehrung noch bestand,
da manchmal auch bloß eine einfache Linie sichtbar war. Beim
Flackern des Bogens trat mitunter für Augenblicke auf der
roten Seite der Linie ein Trabant auf Die Linie X 4578 erschien
stets einfach, meistens scharf begrenzt, manchmal auch ver-
waschen. Auch X 4586 erwies sich als einfach, verbreiterte sich
aber gemäß dem Fluktuieren des Dampfes im Bogen manchmal
deutlich nach Rot. Die Linien X 4878 und X 5349 sahen wir
einfach und unveränderlich mit den variierenden Bedingungen
des Leuchtens. Die Linie X 5270 erschien dreifach, und zwar
war bei schwachem Strom die mittlere die hellste, während bei
stärkerem Strom die beiden nach Rot stehenden Linien gleich
intensiv und viel stärker als die brechbarere waren.
Kupfer.
Die Kupferlinie X5218 ist bei dichtem Dampf sehr diffus
und läßt Einzelheiten nur schwer erkennen. Bei geringer
Dampfdichte sieht man an der roten Seite der verwaschenen
Linie einen Begleiter absplittern, dessen Intensität mit der
Stromstärke deutlich rascher wächst als die Helligkeit der
Hauptlinie. Bei sehr geringer Menge von Kupferdampf im
Bogen ist X 52 18 scharf und erscheint als Triplet, die Haupt-
linie ist von einem näher stehenden violetten und dem etwas
weiter abstehenden roten Trabanten begleitet. Die relative
Helligkeit der Begleiter wächst mit Steigerung der Stromstärke
und jedem Zischen des Bogens. Die Linien X 5253 und X 5292
sahen wir stets einfach, ohne Trabanten, X 5780 und X 5782
scharf doppelt, ohne entscheiden zu können, ob es sich um
Duplets oder Umkehrungen handelt.
Zink.
Die violette Zinklinie X 4680 zeigte mit den Variationen
im Bogen, also Flackern und Erhöhung der Stromstärke, eine
deutliche Verbreiterung nach Rot; dabei trat gleichzeitig auf
334 F. Exner und E. Haschek,
dieser Seite auch ein Begleiter auf. Die beiden Linien X 4722
und X 4810 zeigten einen solchen Begleiter nicht, hingegen
sehr deutlich die unsymmetrische Verbreiterung, und zwar
X 4722 in geringerem Grade. Die Struktur in den Umkehrungen,
die Nutting sah, konnten wir wohl deshalb nicht konstatieren,
weil unser Stufengitter bedeutend geringere auflösende Kraft
besaß.
Strontium.
Die Linie X 4872 sahen wir doppelt, eine Umkehrung an
der violetten Seite, einen hellen Trabanten an der roten. Bei
starkem Strom und viel Dampf fließt der Begleiter mit der
Linie zusammen, die Umkehrung bleibt dabei erhalten.
Silber.
Von Silberlinien fanden wir X 4476 und X 4668 von den
Variationen im Bogen unabhängig und stets als einfache
Linien. Das grüne Paar bei X 5209 und 5465 war breit und
unscharf. Beim Flackern des Bogens spalteten sich manchmal
beiderseits Begleiter ab, aber stets leichter und deutlicher auf
der roten Seite.
Cadxnium.
Die Linie X 4413 ist eine helle, scharfe Linie mit einem
näher stehenden violetten und einem weiter abstehenden roten
Begleiter. Beim Zischen des Bogens werden die Trabanten
fast ebenso hell wie die Hauptlinie. X 4678 ist für gewöhnlich
bei schwachem Strom einfach, bei starkem Strom und beim
Flackern des Bogens tritt auf der roten Seite ein Begleiter auf.
Zinn.
Die Linie X 4524 sahen wir stets einfach hell oder um-
gekehrt, X5631 manchmal einfach umgekehrt, manchmal auch
drei getrennte Umkehrungen. Der Absorptionsstreifen war
breit oder schmal und schien gleichsam zu atmen mit den
leichten Veränderungen im Bogen, öfter trat auch nach Rot
vom Hauptstreifen eine Umkehrung hervor.
Verschiebung der Spektrallinien. 335
Baiyum.
Die Linie X 4432 sahen wir stets einfach, variabel war bloß
die Linienbreite. X 4554 ist scharf oder verwaschen, hell oder
umgekehrt, die Umkehrung ist schmal und scharf oder breit
diffus, stets aber ist die Linie symmetrisch und frei von Be-
gleitern. Ebenso zeigten sich als einfach die Linien X 4934 und
X 5519, welch letztere auch als Umkehrung frei von Trabanten
blieb. X 5535 erschien bei geringer Dampfdichte als Duplet oder
Triplet, wobei die dritte Linie bei Erhöhung der Stromstärke
auf der violetten Seite auftrat. Bei dichtem Dampf sahen wir
fünf äquidistante Linien; jene mit der größten Wellenlänge war
am schwächsten und wuchs in der Helligkeit rascher als die
übrigen, sobald der Bogen zischte. Die Linie X 5853 ist bei
dichtem Dampf einfach umgekehrt, doch ist die rote Kom-
ponente der Umkehrung heller und verbreitert sich stärker als
die violette. Bei dünnem Dampf treten zwei Umkehrungen auf,
deren rote länger persistierte. Manchmal treten beiderseits der
Linie zwei bis drei Trabanten auf, stets leichter und heller
auf der Seite der größeren Wellenlängen. Bei extrem dichtem
Dampf erheilt sich der ganze Hintergrund und zeigt fünf
ziemlich gleichmäßige Maxima. Die Linie X 5907 sahen wir als
Umkehrung mit je einem Begleiter auf der roten und violetten
Seite. Beim Zischen des Bogens oder bei Verstärkung des
Stromes traten auf der roten Seite noch zwei bis drei Trabanten
auf Die Linie X 6142 ist eine einfache helle Linie, die sich beim
Zischen des Bogens umkehrt und dabei nach Violett einen
nahen, nach Rot einen weiter abstehenden Begleiter zeigt. Die
Linie X 6497 zeigt sich als Triplet, eine helle oder umgekehrte
Hauptlinie mit zwei gleichen und äquidistanten Begleitern zu
beiden Seiten. Der rote Trabant überwiegt bei Verstärkung des
Stromes oder beim Zischen des Bogens, gleichzeitig taucht
zwischen ihm und der Hauptlinie noch ein zweiter Trabant auf
und ebenso erhellt sich hier der Hintergrund.
Wismuth.
Zur Beobachtung gelangten die Linien X 4722 und X 4733.
Beide sind umgekehrt und verändern sich nicht mit den
336 F. Exner und E. Haschek,
Variationen im Stromkreise; X4722 ist ein Duplet, X4733
einfach.
Außerdem beobachteten wir eine Reihe heller Linien in
den Spektren von Cr, Fe, Ti. Außer Umkehrungserscheinungen
oder Änderungen der Linienbreite mit der Intensität konnten
wir keinerlei auffällige Erscheinungen sehen, die nicht schon
von Nutting beschrieben wären. Namentlich sahen wir keinerlei
einseitige Intensitätsänderungen und kein einseitiges Auf-
tauchen von Trabanten.
in.
Eine Durchsicht der Beobachtungsergebnisse lehrt nun,
daß in allen jenen Fällen, wo Trabanten mit variabler Intensität
oder in wechselnder Anzahl neben der Hauptlinie beobachtet
werden konnten, stets die rote Seite bevorzugt war. Da nun
die allgemein benutzten Rowland'schen Gitter das Auflösungs-
vermögen selbst unseres kleinen Stufengitters nicht erreichen
und vor allem anderen nie so scharf definierte Linien wie dieses
zu liefern im stände sind, so muß sich eine Veränderlichkeit
ergeben, die stets die rote Seite der Linie bevorzugt Wir über-
blicken heute in den violetten und ultravioletten Bogen- und
Funkenspektren ein Material von rund 80.000 Linien. Unter
allen diesen wird man fast nur die Angabe einer Unsymmetrie
der Linie nach Rot finden, da in kaum zehn Fällen eine ein-
seitige Abschattierung nach Violett konstatiert werden konnte.
Die Erklärung für diese Erscheinung ist nach unseren Beob-
achtungen eine sehr einfache; denn da die Linienverschiebungen
vorwiegend an Linien auftraten, die einseitig, und zwar nach
Rot verbreitert sind, so wird der Einfluß der Bevorzugung der
rotwärts stehenden Trabanten aus folgendem klar. Das Row-
land'sche Gitter liefert für eine homogene Linie ein Beugungs-
maximum von einer bestimmten Breite und Intensitätsverteilung.
Die Kurve hiefür ist eine vollkommen symmetrische, ihre
Basisbreite aber bedeutend größer als dem reellen Wellen-
längenunterschiede der Ränder entsprechen würde. Beobachtet
man doch an halbwegs kräftigen Linien kaum je eine geringere
Breite als etwa 0*2 A. E. Nun gibt aber Nutting durchschnitt*
Verschiebung der Spektrallinien. 337
lieh Linienbreiten von 0'02 A. E. an und kaum einmal dürfte
O'l A. E. erreicht werden. Treten nun neben der Hauptlinie
noch Trabanten auf, so liefert jeder für sich auch beim Row-
land'schen Gitter sein Beugungsmaximum. Doch müssen sich
selbst für den Fall, daß die Trabanten gemäß dem Auflösungs-
vermögen noch trennbar wären, die Intensitätskurven min-
destens teilweise überlagern und für die visuelle oder photo-
graphische Beobachtung eine resultierende Intensitätsverteilung
liefern. Daß dabei, sobald, wie aus unseren Beobachtungen
folgt, die roten Trabanten in der Summation überwiegen, eine
Unsymmetrie sich ergeben muß, ist sofort klar. Aber ebenso
leuchtet ein, daß der Fall vorkommen muß, daß das Maximum
der resultierenden Intensitätskurve sich verschiebt, sobald
einerseits die Helligkeit der Trabanten rascher ansteigt. Es
folgt also aus unseren Beobachtungen, daß die Linien-
verschiebungen tatsächlich vorhanden sind, sobald man mit
Apparaten von mäßigem Auflösungsvermögen arbeitet, und
daß sie allen jenen Umständen parallel gehen, welche die
Dampfdichte verändern, da mit dieser die rotseits stehenden
Trabanten vorzugsweise variieren.^
Aus unseren Beobachtungen folgt aber auch die Erklärung,
warum Eder und Valenta" und Keller keine Linien-
verschiebungen konstatieren konnten. Eder und Valenta
gingen bei ihrer Untersuchung von der Annahme aus, daß die
Inkonstanz der Stellung der Linien vielleicht durch zu lange
Exposition der Platten, vielleicht auch durch fehlerhafte Ent-
wicklung hervorgerufen sein könnte. Sie exponierten daher
möglichst kurz, um nur das Intensitätsmaximum zu erhalten
und konnten dann Verschiebungen nicht konstatieren. Das ist
aber selbstverständlich, da bei der geringen Belichtungszeit
eben nur die Hauptlinie zur Geltung kommt, die Trabanten
aber nicht. Aus demselben Grund konnte auch Keller die
Linienverschiebungen nicht beobachten, da er die Linien nach
1 Aus der Tatsache dieser Verschiebungen folgt aber keineswegs, und
darauf wollen wir noch besonders aufmerksam machen, eine Veränderlichkeit
der Wellenlängen der einzelnen Strahlungen. Eine solche ergibt sich bloß für
das Intensitätsmaximum des nicht aufgelösten Linienkomplexes.
t Diese Sitzungsberichte, Bd. 112, Abt. II a (1903).
338
F. Exner und E. Haschek,
den durch den Astigmatismus erzeugten Spitzen bestimmt.
Diese entsprechen der Lage der Hauptlinie, der Linie maximaler
Intensität, aber nicht dem Intensitätsmaximum des Konglo*
merateSy das wir im Rowland*schen Gitter als Linie beobachten
und messen müssen.
Ob wir mit der vorstehenden Erklärung der Linien-
verschiebungen das Richtige getroffen haben, ließe sich am
einfachsten entscheiden, wenn man die in unseren früheren
Spektraluntersuchungen als verschoben oder unverschoben
bezeichneten Linien auf ihr Verhalten im Stufengitter prüfen
würde. Da sich unsere früheren Messungen nur auf einen
kleinen Bezirk im sichtbaren Teil des Spektrums erstreckten,
die Beobachtungen im Stufengitter aber wegen des momentanen
Wechsels im Aussehen der Trabanten subjektiv gemacht
werden müssen, so ist die Anzahl der zum Vergleiche heran-
zuziehenden Linien nur eine sehr geringe. Wir haben in dem
für beide Messungsreihen sich deckenden Bereich nur zwei
von uns früher als unverschoben bezeichnete Linien: BaX 4432
und X 4554. Beide Linien zeigten sich in unserem Stufengitter
einfach und symmetrisch. Linien, die wir seinerzeit als ver-
schoben oder stark nach Rot verbreitert angegeben haben, sind
nebst ihrem Verhalten im Stufengitter in der folgenden kleinen
Tabelle zusammengestellt.
Element
X
Verschiebung
Verhalten im Stufengitter
Ca
4527
Verwaschen nach Rot
Beim Flackern des Bogens roter
Trabant.
Ca
4578
0-lOA. E.
Einfach, manchmal verwaschen.
Ca
4586
0-09 A. E.
Verbreitert sich nach Rot
Zn
4680
Verwaschen nach Rot
0-07 A. E.
Verwaschen nach Rot, manchmal
roter Begleiter.
Zn
4722
Umgekehrt, 007 A. E.
Unsymmetrisch nach Rot verbreitert
Zn
4810
Verwaschen nach Rot
0-08 A. E.
Sehr unsymmetrisch nach Rot ver-
breitert
Über weitere fünf Linien des Cd, Ag und Sn, die beiden
Untersuchungen gemeinsam sind, läßt sich nichts aussagen, da
Verschiebung der Spektrallinien. 339
unsere früheren Messungen bezüglich einer Verschiebung
keine Angaben enthalten. Soweit sich aus den wenigen vor-
stehenden Daten etwas entnehmen läßt, widersprechen die-
selben jedenfalls nicht der von uns geäußerten Ansicht,
scheinen sie vielmehr zu bestätigen. Sehr dankenswert wäre
es, wenn vielleicht von anderer Seite mit Hilfe eines wesentlich
größeren Stufengitters ein derartiger Vergleich zwischen
Komplexität und Verschiebung der Linien durchgeführt würde.
Von verschiedenen Beobachtern sind schon ähnliche
Untersuchungen wie die vorstehende, doch mit Hilfe größerer
Dispersionen ausgeführt worden. Alle beweisen die Existenz
teils einfacher unveränderlicher, teils sehr komplexer und ver-
änderlicher Linien. So fand R. A. Houstoun ^ die Zusammen-
setzung der Spektrallinien sehr variabel mit der Art des
Brennens des Bogens, und J. Barnes^ kam zu denselben
Resultaten bezüglich der Spektren des Bogens, von Flammen
und Vakuumröhren; er kommt zu dem Schlüsse, daß bei so
hoher Auflösung die Linien nur für ganz spezielle Verhältnisse
des Brennens definiert sind. Bestätigt werden diese Ergebnisse
von Chr. F a b r y * gelegentlich einer Untersuchung des
Cadmiumspektrums, der unter anderem bei der Linie X 5086 je
nach der Art der Entladung im Vakuumrohr einen roten
Satelliten auftreten und verschwinden sah. L. Janicki* fand
bei seinen ausführlichen Untersuchungen mit dem Stufengitter
zwar niemals eine Veränderung der Wellenlänge der Satelliten
durch die Bedingungen des Leuchtens, wohl aber häufig Ver-
änderungen ihrer relativen Helligkeit und erwähnt schon, daß
durch diesen Umstand bei nicht genügender Dispersion Linien-
verschiebungen beobachtet werden können. Die ausführlichsten
Untersuchungen über diese Frage liegen von P. G. Nutting^
vor. Er findet eine große Variabilität im Aufbau der Linien und
behauptet nicht nur Veränderungen in der relativen Helligkeit,
sondern auch in der relativen Lage je nach dem Brennen des
1 Phil. Mag., VII (1904).
*^ Astroph. Journ.. 19 (1904).
» C. r., 138 (1904).
« Diss. Halle (1905).
ö Astroph. Journ., 23 (1906).
340 F. Exner und £. Haschek,
Bogens an Satelliten beobachtet zu haben. Leider findet sich
bei all diesen Beobachtungen kaum einmal eine Angabe, auf
welcher Seite der Hauptlinie die Veränderungen besonders
sichtbar werden.
Direkte Beobachtungen an Funkenspektren mit stark
dispergierenden Apparaten liegen nicht vor, da für diese die
Funkenlinien mit zu großer Breite auftreten. Doch ist wohl zu
vermuten, daß bezüglich einer Zusammensetzung der Linien
und namentlich des Verhaltens der Trabanten, abgesehen von
dem voraussichtlichen Ineinanderfließen derselben, das gleiche
gelten wird wie beim Bogen.
Ob die starken Verschiebungen bei hohem äußeren Druck,
die W. B. Anderson ^ bei umgekehrten Linien und G. Haie
und N. A. Kent ^ bei Eisenlinien bis zu 0*22 A. E. gefunden
haben, auch nur bei komplexen Linien auftreten, können wir
nicht entscheiden; es ist aber wohl anzunehmen, daß durch
hohen äußeren Druck die Emission des Funkens ähnlich be-
einflußt wird wie durch Änderung der Stromstärke, Kapazität
etc., so daß komplexe Linien auch hier bei einer eventuellen
Bevorzugung der rotseitigen Trabanten eine Verschiebung des
resultierenden Intensitätsmaximums nach größeren Wellen-
längen erkennen lassen müssen.
Wenn unsere im vorhergehenden geäußerte Anschauung
richtig ist, so wäre es müßig, darüber zu streiten, ob die Ver-
schiebungen reell sind oder nicht; ist die Dispersion keine
genügende, so daß eine komplexe und variable Linie einheitlich
erscheint, so wird ihr Intensitätsmaximum je nach den Ver-
suchsbedingungen mit verschiedener Wellenlänge bestimmt
werden. Und in diesem Sinne sind die Verschiebungen, wie wir
und andere Beobachter sie gefunden haben, reell. Dabei ist es
aber doch möglich, daß jede einzelne Komponente der Strahlung
eine invariable Wellenlänge besitzt und insofern sind die Ver-
schiebungen unreell. Wenn es sich aber um spektralanalytische
Untersuchungen handelt, die mit Apparaten ausgeführt werden
mit nicht größerer Dispersion als sie Gittern gewöhnlich zu-
1 Astroph. Journal, 24 (1906).
2 Ebenda, 17 (1903).
Verschiebung der Spektrallinien. 34 1
kommt, wird man immer mit diesen Verschiebungen zu
rechnen haben; in noch höherem Maße natürlich bei An-
wendung von Prismenapparaten, wie sie bei astrophysikalischen
Untersuchungen benützt werden. Wir haben schon bei einer
früheren Gelegenheit darauf hingewiesen und wollen es hier
nochmals tun, daß bei Anwendung des Doppler'schen Prinzipes
zur Bestimmung von Sterngeschwindigkeiten diese Verschie-
bungen eine sehr unangenehme Rolle spielen müssen. Es ist
gar nicht zu verwundern, daß bei Bestimmung dieser Ge-
schwindigkeiten aus verschiedenen Linien sich eben infolge
der Verschiebungen Differenzen ergeben, die die Meßfehler
übersteigen. Wir verweisen diesbezüglich auf eine Unter-
suchung von A. Belopolsky,^ aus der das eben Gesagte
deutlich hervorgeht. Die Geschwindigkeiten desselben Objektes,
wie sie aus verschiedenen Linien berechnet werden, differieren
untereinander regellos um Beträge von solcher Größenordnung,
wie sie den von uns beobachteten Verschiebungen unter den
verschiedenen Bedingungen des Leuchtens entsprechen. Eine
richtige Bestimmung der Geschwindigkeit würde nur aus der
Beobachtung solcher Linien zu folgern sein, die auch bei der
stärksten Auflösung sich als einfach erweisen.
1 Astroph. Journ., 19 (1904).
1
Um&mtut F,t Obtr die Besüamiungi dtf quairalisclMtt TaHer algebraischer
Poinien.
Süx.Ber» der Wiener Almd.» IIa. Abt.» Bd. 116 (1907); p. 153—166.
Formeoi Ober die Bestimmung der quadratischen Tetler derselben.
Hocevar F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd» 116 (1907),
p. 153-166.
T«iler, Ober 4f<e Bestimmtmg der quadratischen Teiler der algebraischen
Formen.
Hocevar F., Sitz. Ber. der Wiener Aiud., IIa. Abt., Bd. U6 (1907),
p. 153—166.
Hopftier F., Untersuchung über die Bestrahlung der Esde -durch die Sonae mit
Berücksichtigung der Absorption der Wärmestrahlen durch die aCmo-
sphärische Luft nach dem Lambert'schen Gesetze. (I. Mitteilung: Ana-
lytische Behandlung des Problems.)
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 167—234.
Bestrahlung der Erde durch die Sonne. Untersuchung darüber mit Berück-
sichtigung der Absorption der Wärmestrahlen durch die atmosphärische
Luft nach dem Lambert'schen Gesetze. (I. Mitteilung.)
Hopfner F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 167—234.
Erde, ihre Bestrahlung d^ech die Sonne. Untersuchung darüber mit BmrüCk-
sichti&ung der Absorption der Wärmestrahlen durch die atmosphärische
Luft nach dem Lamberf sehen Gesetze. (I. Mitteilung.)
Hopfner F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 167— 2a4.
Sonne, Untersuchungen über die Bestrahlung der Erde durch diese mit Berück-
sichtigung der Absorption der Wärmestrahien durch die atmosphärische
Luft nach dem LaAiberf sehen Gese^e. (I. MftteÜung.)
Mopfner F., Sftz. Ber. der Wlen^lr Akad., IIa. Abt., Öd. f 15 (1907),
p. 167—234.
Abt. IIa, Februar.
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•}laüi9fl tim aeaib dDiub abiH i^b ^nuIdaiJsaU arb ladu na^nuriaueiain' I .annoci
odasriädqeofTita aib doiub naldaiJzannJiW lab nobqioadA lab ^nu^iidore
('.^nuItaJüM .1; .asiaeaD nadaa'JiadmaJ mab doBti fiud
,(TOGn SM .ba ,,JdA all ..barfA lanaiV/ lab .laa ,sJi2 ,,H lanlqoH
.1^82— TÖl .q
Sebesmpfliig Hl, Pjf HersteUuni;^ von Kart^a uod Pl&nea auf photographi-
schem Wege. •, ^
SAU, Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 235^266.
BaUonphotogranunetriei Auswertung von Ballonphotographien zu Karten und
Plänen auf photographischem Wege.
Scheimpflug Th., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 235-266.
Landesvermessmig auf photographischem Wege vom Ballon aus.
Scheimpflug Th., Sitz." Ber. der Wiener Akad., IIa. AbL, Bd. 116
(1907), p. 235-266.
Photoperspektograph, photographischer Reproduktionsapparat durch Durch-
führung schiefer Abbildungen.
Scheimpflug Th., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116
(1907), p. 235—266. '
Schiefe Abbildung, Theorie derselben.
Scheimpflug Th.,mz.*h^: <Mr Wiener Akad., IIb. Abt., Bd. 116
(1907). p. 335— «66. -
Hofbauer G.| ÜbAr das Vorkommen der seltenen Erden auf der Sonne.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. llß (1907), p. 267—313.
Seltene Erd^tn, Über. deren Vorl^omm^ auf der Sonne.
HofbauerG-x^jlz- Ber, der Wiener Akarf., Ha. Abt., ßd. 116 (1907),
p. 267—313.
Erden, seltene. Ober deren Vorkommen auf der Sonne.
Hofbauer G!^ Sitii Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 267—313.
Sonne, Ober das Vorkommen der seltenen Erden auf derselben.
Hofbauer 0., Sitz. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 267-313.
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,<\Oyi) öll .ba ,.ldA .ß U ..bßiiAiWötW 19b .laÜ .sJi2 ».Oi^ü^dloH
.ei€-Tdß .q
Spektrum der Sonne, bezüglich der seltenen Erden untersucht.
Hofbauer G., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 267—313.
Meyer St. und Schweidler E., v., Untersuchungen über radioaktive Sub-
stanzen. (VIII. Mitteilung.) Ober ein radioaktives Produkt aus dem
Aktinium.
SiU. Ber.;;44r iViei|eTAlM^'i(i« AU.4 6d^ 11^ (1907),p. 315—322.
Schweidler E., v. und Meyer St., Untersuchungen über radioaktive Sub-
standet). (yi^L. Mittpifup^ , p)>er pia. ra()^o^tiye^ frodtikt ,aus.(len>
Aküttium. '■'*'•••/' 1 :' '.' 1^.' •/ ' -',;':• ^
SiU. Ber. der Wiener Akad!, Ha. Abt.', Bd. 1 16 (1907)', p. '315— 322.
■• /~ . •
Aktiniulo, Zfidi^lsproduktev^xlesseljbeOr
Meyer St. und Seh weid'ler E., v.'/ Sitz. Ber. der Wiener Akad.,
II a. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 316—322.
RadioaktiveB Produkt aus dem Aktinium.
Meyer St. und Schweidler E.. v., Sitz. Ber. der Wiener Akad.,
IIa. Abt, Bd. 116 (1907), p. 315—322.
Exner F. und Haschek Ed., Über die Verschiebui\g; der Spektrallinien.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1908), p. 323—341.
Haschek Ed. und Exner Ff Über die Verschiebung der Spektrallinien.
Sitz. Ber. der Wiener Akad.. IIa. Abt.^ Bd. 1 16 (1907), p. 323—341.
Spektrallinien, Ober die Verschiebungen der — .
Exner F. und Haschek Ed., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt.,
Bd. 116 (1907), p. 323—341.
8
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Jh.— €i:^. .q ^('OGr. ÖII .bS
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERUCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATORWISSENSCHAFTUCHE BXASSE
CXVC BAND. m. HEFT.
ABTEILUNG Uo.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
23
345
Über die Berechnung einer Ellipse aus zwei
Radien und dem eingeschlossenen Winkel
von
Prof. E. Weiss,
w. M. k. Akad.
(Vorgelegt in der Sitzung: a™ 14. MSn 1907.)
Bei der Berechnung der Bahn eines Asteroiden geht man
bekanntlich so vor, daß man sich mit Hilfe der Keppler'schen
Gesetze Näherungswerte für die Dreiecksflächen zwischen
dem ersten und zweiten, dem ersten und dritten und dem
zweiten und dritten Orte bildet. Damit ist man in der Lage,
einen Näherungswert für den mittleren Radius r^ und aus
diesem die geozentrischen Entfernungen p^ und p^ bei der
ersten und dritten Beobachtung zu ermitteln. Aus p^ und pg
und den beobachteten geozentrischen Positionen ergeben sich
nach bekannten Formeln leicht die heliozentrischen Koordi-
naten und aus diesen die Bahnlage (A und i) und die Argu-
mente der Breiten, womit auch der zurückgelegte heliozen-
trische Bogen (i^j — i/j) bekannt wird.
Es tritt nun die Aufgabe heran, aus den Stücken r^, r^
und i/j — v^ den Kegelschnitt zu berechnen, den der Himmels-
körper beschreibt.
Gauss* löst dieses Problem durch Einführen des Ver-
hältnisses y des vom Himmelskörper beschriebenen Sektors
zum Dreiecke. Der Weg, zu dem man auf die Gleichungen
kommt, von denen Gauss ausgeht, ist, in allgemeinen Um-
rissen skizziert, der folgende:
^ C. F. Gauss, Theoria motus corponim coelestium, §§ 88 — 93.
23*
346 £. Weiss,
Werden die Gleichungen der Planetentheorie:
/— V / E
\/r sin — =: \/a{l-he) sin —
s/r cos — = va(l — e) cos —
r = a{\ — e cos E)
P
— = 1+^ cost;
r
MzzMo+-^fc^ = £— sin£
für den ersten (Z^, r^, i/^, -Bj) und dritten Ort (/„ r,, t;,, JS^) in
Anspruch genommen und durch eine leicht ersichtliche Kom-
bination der so entstandenen Gleichungen die Relationen für
\/r^ cos — (t;,— t;J, \/f^ cos — {v^+v^), r^ +r„
^ dl
/7 und Kh—h)
gebildet, so gewinnt man die folgenden Ausdrücke:
S/r^r^ cos/= a(cosg — ^ cosG) 1)
S/r^r^ cos F = a (cos G — e cos g) 2)
ri+fj = 2a(l — ^cos^cosG) 3)
^i-»-^8^_
^1^8
/? = 2(1 +tf cos/ cos jF) 4)
6
— ^ = 2{g — e sing cos G). 5)
In denselben bedeutet k die Charakteristik des Sonnen-
systems Oog * = 8*2355814), /? den Parameter der Bahn
[p = a{l — e^) = q{l+e)] und
2f=v^—v, 2g = E,—E,
2F=v^-hVj^ 2G = E^'hE^
e = *(/3-o.
Berechnung einer Ellipse etc. 347
Löst man 1) und 2) nach cos G und cos F auf, setzt man
die so erhaltenen Werte in die übrigen Gleichungen ein und
schreibt man zur weiteren Abkürzung unter einem:
N = f^+r, — 2 V^r^fj cos g cos/ =
= Vn^
\^i \/U y^.4sin«— /H-4 cos/ sin«— ^
V^ j 2-" 2"^
, 6)
so erhält man:
N =2a sin«^ 7)
JV> = 2rir3 sin«/ 8)
9 « . « 2 \/r,r. sin ^ cos/
— = 2^— sm 2^ + V ^ ' '^ ^ 9)
Vernachlässigt man die Masse des Planeten der Sonnen-
masse gegenüber, so ist die Fläche F des von ihm beschriebenen
Sektors
und wenn mit^y sein Verhältnis zur Dreiecksfläche (— ^i^s ^in 2/j
bezeichnet wird:
e>/p = j/.rjrj sin 2/ 10)
Durch Elimination von N aus 7) und 8) und Eintragen
des so erhaltenen Wertes von /7 in 10) entsteht:
1 _ 4r^r3COs«/cos«^ ^
a fl2 -^ •
Setzt man diesen Wert von a in 9) ein und außerdem
in 8) den aus 10) folgenden von /?, so gelangt man zu den
beiden Grundgleichungen:
''A^ E. Vciis,
y =
3^ y- =
2r.r.Szyi*f
6-» -li—i^Zg
• j^
I e;«. ^s
-Oiä/^r.r,.' sn^
tcechanisnms zur Ermh-ung der beiden UnbekÄfsnies ^ uaAr
z::js diesen Gleichungen zu finden. Zu diesem Zwecke fuhren
'Air folgende H.Iisgr'j2cn und Bezeichnungen e:n:
4 r,
6*
i;2vr,r,cös/;»
/= ti:*2if+s:n* — / 5<
•^ A«r»-i-^.ij — ^y j sec^ 11»'
L 2 J
jr nz sin' — g, W^
9
Damit wird (Gleichung 6^
.V = 4 v/r[r, cos/J-hx) V)
und die Grundgieichurgen 12) und 13) gewinnen die Fonn
2^ — sin 2j?
Zunächst wird nun (Theoria motus, § 90)
Y_ 2^— sin 2^
sin^*
14)
1 Gauss setzt: m ^ ; ich habe aber vorgezogen, das
(2 v/^ cos/)«
Quadrat dieser Grdfle mit m zu bezeichnen, damit man die drei Quantitäten:
m,l und X als der gleichen Größenordnung angehörend ansehen kann.
Berechnung einer Ellipse etc. 349
1
in die nach steigenden Potenzen von x-=, sin* — g fortschrei-
2
tende Reihe
X=± + ±^x + ±^x^^tM^^^... 14»)
3 3.5 3.5.7 3.5.7.9
entwickelt und weiter angenommen:
5
, 10 A 3 ^ 9 xr\
i = 1 Xh xX] =
QX\ 4 10 /
2 J, 26 692 , 29544^ . \ ,.,
= — x^(\-^ x-^ ^«H x^... • 15)
35 V 45 1925 125125 J
Wird nun noch
h = Q
6
geschrieben, so geht aus der Verbindung von A und B mit
Berücksichtigung der Gleichung C) hervor:
1
VH
9
Man hat also y mittels der Gleichung dritten Grades D)
aus h zu suchen und dann x aus A), Die Rechnung ist zwar
eine indirekte, da h unter seinen Bestandteilen in € schon eine
5
Funktion von x enthält die aber nicht nur — , sondern auch /
6
gegenüber einer höheren Ordnung angehört, wie 15) erkennen
läßt. Man vernachlässigt daher anfänglich £ entweder ganz
oder, was vorteilhafter ist, setzt als Näherungswert (nach 15)
2 1
für dasselbe — sin* — f ein, da bei mäßigen Exzentrizitäten
35 2
und mäßigen heliozentrischen Bewegungen g und/ nur wenig
C. Weiss,
.^,%v*»o^en. Mit dem so erhaltenen y bekommt
,..ic»i >ehr genäherten Wert von x^ aus dem man
s.u .N:tvAnnten Verfahren sukzessive den strengen
^ ^ >.i»* Oteichung 15) für 6 nur den Parameter x und die
u.. ^ v^uhält, hat Gauss zur Erleichterung der Rechnung
tacin entworfen: die eine, welche S mit dem Argumente ar,
ou* andere, welche logj/* mit dem Argumente A liefert.
l\ia):i ist die Auflösung der Aufgabe auf die Entnahme der
viiv^i^on S und y aus zwei Hilfstafeln reduziert, die Auflösung
UvVi häufig eine indirekte.
Ich benütze diese Gelegenheit, um ein anderes sehr ein-
laches Verfahren bekanntzumachen, nach welchem man, wie
nur scheint, erheblich einfacher zum Ziele gelangt
Schreibt man:
^__ 2^— sin 2^ _ \^^
sin^' 3
»« ^ k
so verwandeln sich die Grundgleichungen A und B in
l+x = 2« AJ
2H z^ = 2\/fnX[. BJ
X^ als bekannt vorausgesetzt, läßt sich die letzte Gleichung
mit Hilfe der Barker'schen Tafel berechnen, worauf man aus
der ersten sofort x erhält.
Bei einer Berechnung nach dieser Methode ist aber die
für X^ von Gauss gewählte Reihenform wegen ihrer sehr
geringen Konvergenz für größere Werte von x nicht bequem.
Eine weit rascher konvergierende Reihe, welche wenigstens in
den ersten Gliedern, auf die allein es ja ankommt, wohl über-
haupt die rascheste Konvergenz aufweisen dürfte, die erreich-
bar ist, erhält man, wenn man nach steigenden Potenzen von
C = tg* — g entwickelt
r w
~ "1 ■» ~
\n ii^z=i l'ij,l
■j*"^.. ^r X2£mr TTTr"T!T T tj**'?y*"^.f^ t'p" •►i»" ^ ■Ü-It'—IT -^
I'— anl/^Xsn,'«
■< ■ ^ m^^i^ai^.».
T Jti
:rer
T »
^ -X
yimnn: »m* thh ur X i*s 5±'h:in: :r^ ir.
= ^
&: rswTa:
mmiiTT^ ^'iT' A. r«i
a— -^-
— . = I«,— :«-.—
-gl*-- ^
*• = — r
I« —
« X —
- 1 — :
3 3.
352 E. Weiss,
Geht man zur Berechnung von X^ von dem Näherungs-
werte Co = tg' — / aus, so wird man zum Erreichen des
Strengen Wertes von x wohl kaum je nötig haben, die Glei-
chungen A^) und B^) mehrmals durchzurechnen.
An dem Algorithmus von Gauss sind im Laufe der Jahre
mehrfach Vereinfachungen angebracht worden; die erheb-
lichste davon aber von Hansen.^ Hansen geht ebenfalls von
den Gleichungen A) und B) aus, eliminiert aber x mittels A
aus B und erhält so zunächst:
y^iy — 1) = ( — m w/h ml^.., ] •+•
V3 5 35 /
/ 16, \ 64 f»» , ,
1 /... )h (!...) + •••
V 7 / 35 V*
+ — ~(1 — — /...) + — •-^(1...) + ..- 16)
5 JV* V 7 / 35 y
Indem er nun füry die Reihenform stipuliert:
y = (l-haw-^-ßw^-fYWg- • O+w^Cß'+Tf'^- • •)-+■
und die Größen a, ß, T- • •> ß'- • • nach der Methode der un-
bestimmten Koeffizienten ermittelt, erhält er
fi ^4 88 , 5312 ,
^ 3 45 945
• ■ •
8 ,A 64 \ 64 ,,,. .
5 V 21 / 35
16*)
Um die Glieder m^ und ml wegzuschaffen und die Koeffi-
zienten der übrigen herabzumindern, wird statt m die Größe X
substituiert mittels der Relation
6
1 P. A. Hansen, Über die Bestimmung der Bahn eines Himmelskörpers
aus drei Beobachtungen. Ber. d. kgl. sächs. Gesellsch. d. Wiss. math.-phys.
Klasse, 1863, p. 83.
Berechnung einer Ellipse etc. 353
Daraus gdit hervor
, 10, /340 ,, 8 ,,, 8 , J\
y = H X— X» X«Zh XP +
9 V5103 63 105 /
/8830 ,^ 16,,, 16 ,.„ 128, „\
+ X* X'/ X*/*H \P]
W5927 63 945 945 /
/2339900,, 20480,^, 1168 ,,„
— X* X*/ X*P+
H546773 56133 31185
8576
X2/»+l^X/*W... 16*)
ßQ3 /
93555 693
Die Koeffizienten der Glieder höherer Ordnung sind sämt-
lich so klein, daß es in den weitaus meisten Fällen hinreicht,
anzunehmen:
j^ = l+— X. 18)
9
Man erhält also jetzt X aus der quadratischen Glei-
chung 17) und damit y aus 18) und hierauf ;r aus A),
Die Auflösung der Gleichung 17) läßt sich leicht trigono-
metrisch oder noch etwas einfacher mittels des Kettenbruches:
X = - *"
I + -A0
19)
I---Ä0
1 + , . .
bewerkstelligen. Femer möge noch darauf hingewiesen werden,
daß mit \ (17) die von Gauss eingeführte Größe h (C) für
{ = 0 bezeichnet wurde.
Die Vereinfachung besteht also darin, daß man zur Berech-
nung von y keine Hilfstafel und auch keine zweite zur Ent-
nahme von Korrektionsgrößen bedarf.
354 E. Weiss,
Auf einem einfacheren Wege gelangte Tietjen^ zu dem-
selben Resultate, indem er in die Gleichung D) direkt sub-
stituiert:
y = 1+0. 20)
Damit verwandelt sie sich in:
(l + 0-92J)Ä = 0'9z{l + zy =
= 0-9«[(l + 0-9«)(l + M2) + 0-01««]
oder mit Vernachlässigung von 0*01 «• in die Gleichung:
2j(l + M«) = — Ä, 21)
y
welche unmittelbar auf den Hansen'schen Kettenbruch hin-
führt.
In meiner Abhandlung über Bahnbestimmung eines
Himmelskörpers ^ habe ich in § 8, dem Gedankengange
Hansen's folgend, durch Einführung von
w' = 7= 22)
6(N/r,r3COs/)»
statt m:=z : , fw'zz — mj und Annahme von:
6«
(2\/f^cos/)»' V 3
x(l + Mx) = — = h' 23)
1 + 1-2/
y reduziert auf:
y = l+x. 24)
Die Berechnung nach diesem Schema gestaltet sich in
mehrfacher Beziehung etwas bequemer, weil die hiebei auf-
tretenden Koeffizienten einfacher sind, namentlich dann, wenn
1 Tietjen, Zusammenstellung aller für die Berechnung einer Planeten-
bahn aus drei vollständigen Beobachtungen erforderlichen Formeln, nebst
Rechnungsschema. Berl. Jahrb., 1879, Zusatz p. 20.
2 £. Weiss, Ober die Bestimmung einer Bahn aus drei Beobachtungen.
Denkschr. der kaiserl. Akad. der Wissensch., LX, p. 345 — 304.
Berechnung einer Ellipse etc. 355
man die Berechnung von % (23) vornimmt, durch den Ketten-
bruch:
""-l^Vlk^ 25)
l + MA'
1 + . . .
Übrigens sind begreiflicherweise die Formeln von Hansen,
Tietjen und mir nicht wesentlich voneinander verschieden.
So erhält man insbesondere aus meinen Ausdrücken sofort die
von Tietjen und Hansen, wenn man h' durch — k ersetzt.
^ 9
Encke^ hat den von Hansen eingeschlagenen Weg schon
einige Jahre früher betreten, blieb aber bei der Gleichung 16)
stehen, kehrte die Reihe um und entwickelte schließlich log^
in eine Reihe, in welcher er durch Einführung des Hilfs-
winkels 7 durch:
cos Y = -^ -v 1 3 YJ\
einige die Berechnung von m und / und der Reihenglieder
erleichternde Modifikationen anbrachte. In dieser Reihe sind
aber die Koeffizienten so beträchtlich, da6 sie nur bei kurzen
Zwischenzeiten mit Vorteil verwendet werden kann.
Alle diese Methoden haben das gemeinsam, daß man zur
Ermittlung der Größe x =: sin^ — g, die man sucht, zuerst das
Verhältnis^ des Sektors zum Dreiecke berechnet und erst mit
Hilfe dessen auf x übergeht. Da man aber^ zu weiter nichts
benötigt, ist dies ein Umweg, den man ersparen kann.
Gehen wir auf die Gleichungen V)^ 7) und 9) zurück und
setzen wir N aus V) :
iV = 4>/r^ cos/(/-4-^)
ein in die Gleichung:
U—lasxvfig, 7)
^ Encke, Ober die Bestimmung einer elliptischen Bahn aus drei voll-
ständigen Beobachtungen. Berl. Jahrb., 1854, § 17.
356 E. Weiss,
SO erhalten wir:
1 sin* g
^ 2v^V^cos/(i+jr)
7»)
Dies liefert, eingetragen io:
ö « . « 2 \Jr.r. sin ^ cos/
-r = 2/— sin 2/+ ^ ' * 2 i^, 9)
sofort die gewünschte Gleichung für (/+^), welche, entsprechend
geordnet, lautet:
? ^._i_ = lH.?£=£Ül2#(/+,). 9-)
(2\/f^cos/)' s/l+x sin^
^ ^ . ^ . 2^ — sin 2g
Quadnert man sie, ersetzt man unter emem: -^ —
sin^*
durch die Reihe 14*) und nennt man abkürzungsweise:
6*
w! = -, 22)
6 ( V^ cos/)<
so ergibt sich:
Z ml , 8 ,, , / 6 48 , 32 , \
4 /+* 3 V 5 35 21 /
16 „ ,,/, 12 732 , N
9 V 5 175 ]
oder geordnet nach Potenzen von:
z = l+x 26)
?i afi 9.1 /
3 w' . 8
— = iH z
4 « 3 ^ 5 35 21
,/224 1216, 1472,- >
V 45 105 75
«•
'832 _ 4736
105
r736, \ ./18112 \ „>
175 / V 1575 /
Berechnung einer Ellipse etc. 357
Um die späteren Operationen zu erleichtern und die Koeffi-
zienten der verschiedenen Potenzen von / herabzumindern, sub-
stituieren wir:
w. = 28)
^ l-hl-2;
2 = 2i(l + l-2/) 29)
und erhalten dann:
3 /8 32 _ 512 „ \ ,.
4. * \3 175 157fi / ^
175 1575
,'224 64 , 2624
45 175 2625
'832 256
+ I h
Z«...)««
6,...),j^(JHil..U. 27«)
105 175 / * V 1575 /
Durch Umkehrung dieser Reihe folgt für die gesuchte
Größe 2^:
3 f, A 24 „ 128 „ \
2, = — w. 1 — 2 /*H P... )tn.+
4 l \ 175 525 /
'26 36
Ä7fS / ^
5 175 875
/537 36. \ . / 34157 \ 4 1 om
\35 25 / ' V 700 / ' J
In dieser Gleichung bleiben die Koeffizienten aller Glieder,
die Potenzen von / enthalten, mit Ausnahme des Koeffizienten
des Gliedes wj/, der auf nicht ganz 1*5 ansteigt, weit unter
der Einheit, sind also so klein, daß sie die Konvergenz der
Reihe nicht beeinträchtigen können. Mit den Koeffizienten der
verschiedenen Potenzen von tn^ ist dies jedoch nicht der Fall;
sie wachsen bei den höheren Potenzen sehr rasch und in pro-
gressivem Maße. Diesem Übelstande kann man aber auf sehr
verschiedene Art abhelfen.
Das Zweckmäßigste ist es jedenfalls, die Glieder der
niedrigsten Ordnung, nämlich innerhalb der Klammer: — 2m^
358 E. Weiss,
26
und H wj ganz wegzuschaffen, was erreicht wird durch die
5
Substitution:
m^ = 5 31)
1— 2m2 + l-2fnJ
Es resultiert dann:
3 _^ M8 ,3 27 , 1 2^ 2
' 4 * Vi75 175 * 7 V «
(
QO Q 07 IQ
■^/« ^/2|««— -^/w| + -^f«»)wl+... 32)
175 875 175 2800 '
Die Koeffizienten der verschiedenen Potenzen von m^ sind
jetzt ebenfalls sehr klein und es wurden nebstbei auch die
größten Koeffizienten der Potenzen von / noch wesentlich
herabgedrückt, so daß jetzt keiner der vorhandenen Koeffi-
zienten der Glieder höherer Ordnung den Wert 0 • 2 erreicht.
Die Größen m'^ l und x und damit natürlich auch fw^ m^^
z und «1 werden gewöhnlich als Größen zweiter Ordnung be-
trachtet; es steigt daher in allen Formeln jede spätere Glieder-
gruppe gleich um zwei Ordnungen an, so daß die Gleichung 32)
bis auf Glieder 11. Ordnung einschließlich streng richtig ist. In
den Entwicklungen bis dahin zu gehen, wäre offenbar nicht
nötig gewesen, ich habe dieselben aber so weit fortgeführt, um
die Überzeugung zu gewinnen, daß auch die Koeffizienten der
Glieder 10. Ordnung noch klein bleiben.
Werden in der Gleichung 32) alle Glieder außer dem
ersten vernachlässigt, bleibt man also einfach stehen bei
3
z^ = — Wg, 32*)
4
so begeht man einen Fehler 8. Ordnung. Wir wollen uns daher
zunächst über die Bedeutung einer solchen Vernachlässigung
orientieren.
Heutzutage wird man wohl eine erste Bahnbestimmung
nie mehr erst dann vornehmen, wenn die äußeren Beob-
achtungen schon mehr als 40 Tage auseinanderliegen. Nehmen
Berechnung einer Ellipse etc. 359
wir daher für /g*"^! == 40 Tage an und suchen wir unter dieser
Voraussetzung Grenzwerte für f, r^—r^, l und m^.
Die Winkelbewegung: zz — ^^ eines Planeten um
dt r«
die Sonne beläuft sich im Perihel r = zz a(\ — e)u wo
sie am raschesten erfolgt, auf:
(^)=
Setzen wir nun voraus, der Planet hätte sich die ganze
Zwischenzeit /j — i^ hindurch mit dieser Geschwindigkeit fort-
bewegt, so wäre :
Vg— Vi = 2/= k{t^—h)\/\ + e.q'*' = es/l^eq'K 33)
Von Eros abgesehen, besitzt unter den Asteroiden Brucia
die kleinste Periheldistanz ^ = 1 * 56. Ferner finden sich
unter den 602 im Berliner Jahrbuch für 1909 veröffentlichten
elliptischen Bahnen der Planeten dieser Gruppe nur 8 oder
l'3Vo> deren Exzentrizität — um ein geringes übersteigt,
o
wobei zu bemerken kommt, daß einige dieser Exzentrizitäten
noch sehr unsicher sind. Setzen wir daher wie oben t^ — t^ -=.
= 40 Tage, ^i=:l-56 und ^ = — ein, so wird der für 2/
o
erhaltene Wert nur ganz ausnahmsweise als zu klein sich
herausstellen. Er lautet:
2/=:23U f=\V7 J-/= 5-9.
Für eine Überschlagsrechnung können wir daher sin — /
mit dem Bogen vertauschen und nach 33) als Grenzwert für
sin* — f betrachten:
2
sin«— /=— (l+e)Ö«^». 34)
2 16
Silzb. d. mathera.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 24
360 E. Weiss,
Der zweite Bestandteil: ( ^^^~X^"1 von / (6, 1, III)
läßt sich, wie ich in meiner Abhandlung über Bahnbestimmung
aus drei Beobachtungen in § 8 * gezeigt habe, mit einer für
unsere Zwecke mehr als hinreichenden Genauigkeit durch
±A Li_ wiedergeben. Durch Einführen dieses Wertes
wird / umgeformt in:
/ =
L . ^^^ '^»-^ + sin« — / sec /. III*)
Die rascheste Änderung des Radiusvektors tritt vermöge
der DiflFerentialformel = ;=— für v = 90* ein. Setzen
dt \f^
wir nun wieder den ungünstigsten Fall voraus, daß die wahre
Anomalie i; = 90* auf die Mitte der Zwischenzeit /, — t^ ge-
fallen wäre und daß v^ =z 90 — ff und v^ = 90-l-(p war, so wird:
(rj — Tg)« ^-(cost^g — cosi;i)*
^1 ^3 (l +e cos v^)(\ -he cos i;3)
4e^ sin* ©
= ^ = 4e« sin« (p. 35)
1 — d«sin*«p
Um einen Näherungswert für cp zu erhalten, wenden wir
uns an die Reihe, welche die mittlere Anomalie durch die
wahre ausdrückt, nämlich:
M =z V — 2e sin i;-4 ^« ( 1 H . . . sin 2v —
4^6/
e^i 1 H e^. . . ) sin 3t; H e^(l . . .) sin 4«; + . . .
3^8 / 32
Nehmen wir sie einmal für v^ :=. 90+(p und dann für
v^ :=z 90 — <p in Anspruch und ziehen wir beide so erhaltenen
Reihen voneinander ab, so resultiert:
1 Denkschriften der kaiserl. Akad. der Wissensch., LX, p. 373.
Berechnung einer Ellipse etc.
361
M—M^ =
_ Ht^—i,) _
= 2,-|..(l + f..)
sin 2«p H ^(1 ...) sin 4(p. 36)
Da cp jedenfalls erheblich kleiner als / ist, kann man die
Sinus mit dem Bogen vertauschen und erhält:
-T V 9.
2 8
•••)?•
Das Glied mit e* als belanglos weglassend, das übrigens f
verkleinem würde, haben wir:
«P
6
('-f-)»'
37)
in unsere Gleichung 35) einzusetzen und erhalten
ir-r,Y _
«»8«
n»'»
(l-|e«)V
35»)
Damit wird, cosy= 1 angenommen,
16
>a
i(
Die Größe wf =
1- A ,.^=^
2
6«
(1-^)»
e«
a'
36)
erreicht ihr Maximum,
6(n/^i^sCOs/)»
wenn der Planet möglichst nahe dem Perihel steht. Nehmen
wir also für r, und r^ die Periheldistanz: a{\ — e) selbst an, so
können wir cos/ um so unbedenklicher der Einheit gleich-
setzen, als ja der Planet nicht in beiden Beobachtungen sich
im Perihel befinden kann. Wir haben dann als Grenzwert für ntf:
m! = — e«^
6
—3
37)
24*
362 E. Weiss,
Aus den Formeln 29) und 32) geht hervor, daß m^ von
Wj und m' nur um Größen zweiter Ordnung abweicht; wir
können daher bei dieser Überschlagsrechnung m^ ohneweiters
mit m' identifizieren.
Übersichtlich zusammengestellt, erhielten wir für sin* — fy
l und Wg die nachstehenden Maximalwerte:
6
sin«— /= — (1 4-^). P = 0-01039 34)
2 8
36)
37)
Führen wir, um diese Quantitäten auszuwerten, in die-
selben die schon einmal besprochenen Werte q:=z 1*56 und
1 '
ez=z — ein, die wenigstens bisher nur in sehr seltenen Fällen
3
und nie gleichzeitig in jener Richtung überschritten worden
sind, welche sie vergrößert hätten, so ergeben sich für t^ — ^^ —
=: 40 Tage, die oben beigeschriebenen Zahlenwerte.
Der größte zu befürchtende Fehler, welcher der Annahme
3
2i=: — fWg (32*) entspringt, setzt sich nach 32) zusammen aus:
4
^ {27 l+2b m^)ml = — (0-0149+0-0267) = —0-0416
/=3
8
r, e«(i «)» 1
1 1 /» 1
P = 0-01076
1 "T"C' T^
(1 1-5 c«)«
m^ =
:P — 0-02079
175
und
18 ^
^J^l'i^l -- +0-055.
175 '
Die über der ersten Null nach dem Dezimalpunkte stehende
Ziffer zeigt die Anzahl der Nullen an, welche der ersten
zählenden Stelle vorangehen.
Berechnung einer Ellipse etc.
363
Reduziert man den Betrag des letzten Gliedes, das den
numerischen Wert der Summe der beiden ersten Posten ver-
8 7
kleinert auf 0*016, so stellt sich der Fehler auf 0*04, bei einem
3
Werte von — w-, der sich auf 0*0156 beläuft. Derselbe kann
4 *
daher schlimmstenfalls eine Einheit der siebenten Stelle des
Logarithmus austragen. Es dürfte also schwerlich je vor-
kommen, daß durch diese Vernachlässigung ein irgendwie
merkbarer Fehler in die Bahnbestimmung hineingetragen
werden könnte.
Die Berechnung von m^ aus 31) führt auf die quadratische
Gleichung:
1-1-9. 4M 1
= 0. 31*)
ml =
l-h2fw, 1
l'2m^
1*2
Dieselbe kann wohl leicht genug trigonometrisch oder
mittels des Kettenbruches:
tn.
ffia =:
l4-2Wi— l*2wj
l4-2»fi— l*2wf
H-2Wi— l*2wf
H-2f«i.
aufgelöst werden, bequemer aber noch auf folgende Art:
Von den beiden Wurzeln der Gleichung ist für unser
Problem nur die eine brauchbar, nämlich:
w,=
l + 2wt— \/(l+2wt)g— 4*8wf _
2*4Wi ""
_ l-4-2Wi
2'4fn^
1— v/1 —
V
4*8wf
(l+2wi)^
w,
1+2^1
4-1-2
m.
1+2^1
+2*88/'
^1 y
l-h2Wi/
8*64/'-
fw,
\ l+2Wi
+ ...
364 E. Weiss,
Bereits das zweite Reihenglied, das genähert V2fHl gesetzt
werden kann, erreicht bei Wg =:0*02 knapp den Betrag von
5 8
0*01 und das dritte kaum noch 0*01. Der nach dem ersten
Gliede zurückbleibende Rest kann daher, wenn es erforderlich
ist, leicht in Rechnung gezogen oder einer kleinen Tafel mit
dem Argumente :
l + 2Wi l-4-l-2/-4-2fff'
entnommen werden. Eine solche Tafel ist der Abhandlung bei-
gegeben.
Es erübrigt uns jetzt noch, aus den vorstehenden Ent-
wicklungen die Formeln zusammenzustellen, welche durch-
zurechnen sind, wenn man nach dieser Methode x = sin* — g
sucht. Es sind die nachstehenden:
e = *(/»— ^i) = 8-2355814 {t^—Q 2/= v,— «,
tg(45+«)=^/^ I)
8
/ = (sin« — /-htg« 2 wj sec/ III)
m' = 22)
6(n/^cos/)^
m', = ^ "^^ , 28), 39)
fWg = w'g-hn 39)
l-^x = — (l-4-l-2/)w2. 27), 29), 32*)
4
Die Berechnung von / läßt sich durch Einführen des Hilfs-
winkels Y (VI) etwas vereinfachen, nämlich
2 cos/, v/r- n
^1 + ^3
/ =: sin* — 7 sec Y.
9
Berechnung einer Ellipse etc. 365
Die Korrektionsgröße:
(1 = l-2i«'a« + 2-88wJ*-4-...
kann man der der Abhandlung beigegebenen Tafel entlehnen,
aus der man auch auf den ersten Blick übersieht, ob das
Anbringen derselben der Mühe lohnt.
Bei der Vergleichung der oben zusammengestellten F'or-
meln mit den von Hansen, Tietjen und mir in meiner
schon mehrmals angezogenen Abhandlung entwickelten er-
kennt man unschwer, daß sie in mancher Beziehung ein-
facher, bequemer und rascher sich berechnen lassen. Wesent-
lich kürzer aber sind sie als die von Gauss, selbst abgesehen
davon, daß die letzteren schon bei relativ kurzen Zwischen-
zeiten eine indirekte Rechnung erfordern, da (nach 15) die
Korrektionsgröße £ nur um zwei Ordnungen höher ist als x.
Die erstgenannten Methoden liefern allerdings nur einen Nähe-
rungswert von Xy während die von Gauss durch sukzessive
Näherungen stets dessen genauen Wert zu ermitteln gestattet,
so lange noch die Größe Xn: (2^— sin 2^).sin^-^ sich mit
Vorteil in Reihen entwickeln läßt. Dieser Vorzug hat indes seit
der letzten Hälfte des vorigen Jahrhundertes nur noch eine
theoretische Bedeutung. Ehe nämlich in der Mitte desselben
die Asteroidenentdeckungen sich häuften, verschob man die
Bahnberechnungen nicht selten monatelang und benützte
schon vorhandene nur zur Bildung von Normalorten, aus
denen dann die Elemente so berechnet wurden, als ob sie
noch ganz unbekannt wären. Da hätte es allerdings zuweilen
vorkommen können, daß selbst bei meiner Methode, obwohl
sie erst Größen achter Ordnung vernachlässigt, die Annäherung
noch nicht weit genug getrieben ist, was aber heute, wie nach-
gewiesen wurde, wohl nie mehr vorkommen dürfte. Sollte es
übrigens eintreten, so würde man mit ihr jedenfalls einen so
genäherten Wert für x erhalten, daß dessen Einsetzen in die
von mir für X^ (14ö) entwickelte Reihe und Modifikation des
Verfahrens von Gauss (Gleichung A^ und B^) sofort den
genauen Wert von x liefern würde.
366
E. Weiss, Berechnung einer Ellipse etc.
Tafel für (ju
Mq
0
1
2
3
4
1
5
6
7
8
9
IHq
0-001
1
1
1
2
2
3
4
5
6
8
0-001
2
10
11
13
15
17
19
21
24
27
30
2
3
33
36
40
43
47
51
56
61
66
71
3
4
77
83
89
95
102
109
117
125
133
141
4
5
150
159
168
178
188
199
210
222
234
246
5
6
259
272
285
299
313
328
344
350
377
394
6
7
411
429
447
466
485
505
526
547
569
591
7
8
614
637
661
686
711
737
763
790
818
846
8
0-009
875
904
934
965
997
1029
1062
1096
1130
1165
9
0010
1201
1237
1274
1312
1350
1389
1429
1470
1512
1555
10
11
1598
1642
1686
1732.
1778
1825
1873
1922
1972
2023
11
12
2074
2126
2179
2233^
2188
2244
2301
2359
2417
2477
12
13
2637
2699
2761
2824'
2888
2953
3019
3086
3154
3224
13
14
3294
3366
3438
351l'
1
3585
3661
3737
3815
3893
3972
14
15
4052
4134
4216
4300
1
4385
4472
4559
4647
4736
4827
15
16
4918
5011
5105
5200
5296
5394
5493
5593
5694
5797
16
17
5900
6004
6110
6218
6327
6437
6547
6659
6773
6887
17
18
7003
7121
7240
7360
7481
7604; 7729
1
7854
7981
8009
18
19
823S
8369
8501
8635'
1
8770
8907 9044
9183
9324 9466
19
0-020
1
9609
\
1
1
1
1
1
Die Zahlen der Tafel sind in Einheiten der neunten Dezi-
male zu verstehen.
367
Ober die ünterschiedsempfindliehkeit für Ton-
höhen in verschiedenen Tonregionen
von
Dr. Norbert Stücker.
Aus dem II. physikalischen Institute der Universität Wien.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 7. MSrz 1907.)
Mit dem kleinsten eben noch wahrnehmbaren Unterschiede
zweiernacheinander erklingender Töne haben sich die Physiker
im allgemeinen noch sehr wenig beschäftigt.
Die Arbeiten von Delezenne/ Wilhelm Weber,*
Sauveur^ und A. Seebeck* erstrecken sich sämtlich nur
über einen einzigen Ton; Delezenne und Sau veur arbeiteten
mit Monochordsaiten und berichteten nur, um welches Stück sie
eine der beiden Saiten verkürzen mußten, um gerade noch
einen Unterschied in der Tonhöhe wahrnehmen zu können»
ohne zu bedenken, daß damit die Schwingungszahlen noch
nicht gegeben waren. Seebeck gab an, auf 1000 Schwingungen
eine noch wahrzunehmen, ohne jedoch mitzuteilen, in welcher
Tonregion die Versuche angestellt wurden. Nur Weber schreibt
deutlich, bei einem Tone von 200 Schwingungen in der Sekunde
noch eine Schwingung unterscheiden zu können. Der erste
Physiker, welcher den Gegenstand einer genaueren Prüfung
unterzog, warPreyer;* derselbe benützte einen sogenannten
1 Recueil des travaux de la Societe des Sciences de Lille, 1826 bis
1827, p. 1 f.
2 Pogg. Annalen, J4, 398 (1828).
s L. c. Memoires, p. 395.
« Pogg. Annalen, 144, 4ß2 (1»46).
5 Grenzen der Tonwahrnehmung, p. 26 ff. Jena 1876.
368 N. Stücker,
Tondifferenzapparat und bestimmte mit diesem sowohl die
relative als auch die absolute Unterschiedsempfindlichkeit von
Tönen mit zirka 500, 1000, 1024, 2048 und 4096 Schwingungen
in der Sekunde; nach ihm bleibt die letztere in den mittleren
Regionen der musikalisch gebrauchten Töne nahezu gleich,
während die erstere mit der Tonhöhe zunimmt. Im übrigen
muß auf die Originalarbeit verwiesen werden.
L.W. Stern^ verwendete als Tonerreger eine angeblasene
Flasche ohne Boden, die in Wasser tauchte, dessen Niveau
verändert werden konnte; er untersuchte, wie weit man einen
kontinuierlichen Ton allmählich verändern kann, bis ein
Unterschied wahrgenommen wurde, und gelangte zu dem
Resultat, daß die Wahrnehmbarkeit allmählicher Veränderungen
um so feiner sei, je langsamer dieselben erfolgen.
Von M. Mayer" stammen Beobachtungen über die Töne
von 400, 600 und 1200 Schwingungen, welche an Herrn Prof.
Stumpf als Versuchsperson angestellt wurden.
E. Luft* untersuchte Töne mit einer Schwingungszahl
von 64 bis 1024 in der Sekunde; seine Werte dürften wohl die
genauesten sein, da er sowohl die eine der beiden Gabeln, vom
Einklang ausgehend, allmählich verstimmte, als auch, von einer
Differenz ausgehend, sie langsam zur Konsonanz brachte, ferner
die verstimmbare Gabel abwechselnd höher und tiefer als die
andere stimmte und endlich auch bald die eine, bald die andere
Gabel zuerst anschlug; hiedurch ergaben sich für jeden Ton
acht Beobachtungsreihen. Die relative Unterschiedsempfind-
lichkeit wird auch bei Luft mit der Tonhöhe größer.
Cornu und Mercadier,* Preyer,^ Schischmanow*
und Stumpf befaßten sich mit der Empfindlichkeit des Inter-
vallensinnes; geradeso wie zwei wenig voneinander verstimmte
^ Zeitschrift für Psychol. und Physiol. der Sinnesorgane, 11, 1 (1801).
2 Wundt, Philos. Studien, 4, 511 ff. (1888).
8 Id., 16, 352 ff. (1898).
4 Compt. rend., 68, 301 f., 424 f. (1869).
^ Grenzen der Tonwahmehmung, p. 38 ff.
« Wundt, Philos. Studien, 5, 558 f. (1889).
7 Zeitschrift für Psychol. und Physiol. der Sinnesorgane, 18, 373
(1898).
UnterschiedsempfincUichkeit für Tonhöhen. 369
Töne werden auch Intervalle besser beurteilt, wenn die Töne
aufeinanderfolgen.
Da wir im folgenden einige Beziehungen zwischen der
Unterschiedsempfindlichkeit und der absoluten Hörschärfe
treffen werden, so will ich kurz die Arbeiten von Helmholtz*
sowie von Quix und Minkema* erwähnen; der erstere ent-
deckte ein Maximum der Hörschärfe im Umkreis des vier-
gestrichenen g, während die letzteren die Beobachtung machten,
daß dieselbe innerhalb einer Oktave Veränderungen unterworfen
ist, welche in jeder folgenden Oktave periodisch wiederkehren,
eine Erscheinung, auf die wir später noch zu sprechen kommen.
Meine Beobachtungen erstrecken sich bezüglich der ge-
brauchten Töne innerhalb des Intervalles von 72 und 35000
Schwingungen in der Sekunde, also auf fast 9 Oktaven;
während ich in der eingestrichenen Oktave für jeden Ton der
C-dur-Skala eine Stimmgabel vorrätig hatte, stand mir jedoch
in den tieferen Regionen nur eine Gabel für jede Oktave zur
Verfügung. Folgende Töne (nach der Bezeichnung von Sond-
hauß) kamen bei meinen Untersuchungen in Verwendung:
J~S r®, c^y alle Töne der C-dur-Skala bis c^^ ferner a^, a^, g^
(von hier forlaufend bis c% endlich g^, r', ^' und c®. Bis inklusive
c^ wurden die Töne mit Stimmgabeln erzeugt, für ä^ und a*
verwendete ich Monochordsaiten und für die übrigen Töne die
Galtonpfeife. Die Gabeln ä^ und c^ verstimmte ich mittels Kleb-
wachses, die übrigen durch Befestigen von Laufgewichten;
bei den Saiten wurde der Ton durch Verrückung des Steges
abgeändert. Bei jeder Versuchsreihe stellte ich zuerst eine große
Differenz in der Schwingungszahl der beiden Gabeln her, die
ich sodann allmählich kleiner werden ließ ; ferner wiederholte
ich jeden einzelnen Versuch einige Male, wobei die Töne in
wechselnder Reihenfolge erzeugt wurden, bis ich die Grenze
der Unterscheidbarkeit genau bestimmt hatte. Das Zeitintervall,
welches zwischen dem Erklingen der beiden Töne verstrich,
betrug bei allen Versuchen ungefähr eine Sekunde. Die Gabein
mußte ich während des Anschlagens stets einen Augenblick
1 Lehre von den Tonempfindungen, p. 176.
« Archiv für (Anat. und) Physiol., 1905, Suppl. 305 bis 319.
370 X. Stücker,
am unteren Ende der Zinken berühren, um das Mitschwingen
von Obertönen zu verhindern.
Das Hervorbnngen der Töne der achtgestrichenen Oktave
ist auf zweifache Art ausführbar. Entweder kann man die
Pfeife nach der von Edelmann berechneten Tabelle auf den
gewünschten Ton selbst einstellen oder man kann denselben
unter gewissen Umständen als harmonischen Oberton eines
tieferen Tones erhalten. Das letztere ist nur auf folgende Weise
gelungen: Die Erzeugung der einzelnen Töne der Galtonpfeife
hängt bekanntlich von zwei Größen ab: von der Pfeifenlänge
und von der sogenannten Maulweite; die erstere bedingt die
Höhe, die letztere die Reinheit des Tones, jeder Pfeifenlänge
entspricht aber eine bestimmte Maulweite, bei welcher der Ton
am besten anspricht. Wenn wir nun auf die Pfeifenlänge irgend
eines Tonesder fünfgestrichenen Oktave einstellen^die Maulweite
aber möglichst klein machen, so wird bei vorsichtigem Drücken
des Gummiballes statt des erwarteten Tones ein um drei
Oktaven höherer, also ein in der achtgestrichenen Oktave
liegender Ton erklingen. Die auf diese Art erzeugten Töne
haben den Vorzug, daß sie infolge ihrer großen Intensität viel
leichter noch gehört werden können; doch ergaben sich bei der
Messung der Hörgrenze keine nennenswerten Unterschiede.
Im folgenden bringe ich nun eine Übersicht über die an
50 Personen gemessene Unterschiedsempfindlichkeit in ver-
schiedenen Tonregionen; dieselbe ist in Tabelle I und II
in Schwingungen (absolute Unterschiedsempflndlichkeit), in
Tabelle III und IV in Prozenten der Schwingungszahl des
tieferen Tones (relative Unterschiedsemptindlichkeit) und in
Tabelle V in Bruchteilen eines ganzen Tones der gleich-
schwebend temperierten Skala angegeben. In Tabelle I ist
außerdem die Hörgrenze erwähnt. Zum Schlüsse folgt eine
graphische Darstellung der typischen Empfindlichkeitskurven
für die relative Unterschiedsempfindlichkeit (siehe die nächst-
folgenden Seiten).
Unterschied empfindlich he it Tür Tonhöhen.
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8: H
5 I
Unterschiedsempfindlichkeit für Tonhöhen.
373
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Unterschiedsempfindlichkeit für Tonhöhen.
379
Tabelle IV.
Eben merkliche Differenz, in Prozenten der Schwingungszahl
angegeben.
1. Für die eingestrichene Oktave.
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0-22
0-17
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0-07
0-08
0-04
Dr. E. H
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0-82
0-80
0-72
0-59
0-53
0-51
0-34
Hofrat W
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0*54
0-46
0-43
0-34
0-30
0-29
0-21
Frau L. W
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0-60
0-54
0-46
0-31
0-28
0-29
0-20
OLR. K
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0-58
0-46
0-43
0-34
0-28
0-33
0-20
Dr. J. N
0-46
0-54
0-54
0-46
0-36
0-35
0-37
0-27
Prof. F. E
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0-24
0-22
0-17
0-08
0-09
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2. Für g^ bis Ä* und die fünfgestrichene Oktave.
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0-43
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UnterschiedsempfindUchkeit für Tonhöhen.
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382 N. stücker.
Betrachten wir die in den Tabellen I bis V enthaltenen
Resultate, so ergeben sich folgende Gesetzmäßigkeiten:
1. Weder die absolute noch die relative Unter-
schiedsempfindlichkeit zweier Töne bleibt in ver-
schiedenen Tonregionen konstant.
2. Die relative Unterschiedsempfindlichkeit ist
im allgemeinen in der ein- und zweigestrichenen
Oktave am größten; in manchen Fällen liegt jedoch das
Maximum derselben in der drei- und viergestrichenen Oktave.
3. Bei einem Drittel sämtlicher Versuchspersonen
ist die relative Unterschiedsempfindlichkeit in der
zweiten Hälfte der eingestrichenen Oktave nahezu
gleich (nämlich 0*20 bis 0*30); vergleicht man von diesen
die einzelnen Empfindlichkeitskurven, so liegen die Maxima
der Empfindlichkeit bei musikalischen Individuen oberhalb
dieser Tonregion, während sie bei Unmusikalischen im all-
gemeinen unterhalb derselben liegen.
4. Die Empfindlichkeit ist innerhalb einer Oktave
Schwankungen unterworfen, die sich in jeder Oktave
in demselben Verhältnis wiederholen; sie ist für c am
größten, hierauf folgt g und zum Schlüsse /und A. Die Gründe
hiefür werde ich versuchen, im folgenden auseinanderzusetzen.
5. Eine Anzahl Personen weisen in der großen
Oktave ein sekundäres Maximum der Empfindlich-
keit auf.
6. Eine ungewöhnlich große Empfindlichkeit in
hohen Tonregionen ist für musikalische Personen
charakteristisch.
Ehe ich auf die einzelnen Empfindlichkeitskurven näher
eingehen will, möchte ich die Gründe für die Schwankungen
innerhalb einer Oktave kurz besprechen. Hei mholtz entdeckte
gelegentlich einer Untersuchung über die Perzeptionsfähigkeit
des menschlichen Ohres, daß die Intensitätsschwelle eines
Tones, um als solcher gehört zu werden, für g^ und die
benachbarten Tonregionen am kleinsten ist, und erklärte diese
Erscheinung damit, daß g^ ein Eigenton des menschlichen
Ohres sei und daß somit durch die Resonanz, welche beim
Erklingen des Tones g^ im Ohre eintritt, der Ton so verstärkt
Unterschiedsempfindlichkeit für Tonhöhen. 383
wird, daß eine geringere Intensität schon genügt, um denselben
über die Merklichkeitsschwelle zu bringen. Quix und Min-
ie ema stellten genaue Versuche über die Hörschärfe in
verschiedenen Regionen an, wobei sich zeigte, daß die
Empfindlichkeit für alle c stets größer sei als für die g. Es mußte
mich nun mit Recht interessieren, daß ich bei der Bestimmung
der Unterschiedsempfindlichkeit ähnliche Erscheinungen beob-
achtete. Ausgehen will ich von dem von Musikern allzeit an-
erkannten, sogenannten absoluten Klangcharakter jeder Tonart.
Die Physiker lassen denselben nicht ohneweiters gelten, indem
sie die hellen Klänge der Kreuztonarten bei den Streich-
instrumenten auf die häufige Verwendung der leeren Saiten
und beim Klavier auf die der Untertasten zurückführen, da
nach Helmholtz die Obertasten infolge ihrer kürzeren Tasten-
länge Töne mit anderer Klangfarbe geben müßten. Nun weiß ich
aus eigener Erfahrung, daß dies nicht der Fall ist. Wenn ich
z. B. auf einem Klavier, das um mehr als einen Viertelton zu
hoch oder zu tief in Bezug auf die mittlere Stimmung der
meisten Klaviere gestimmt ist, ein Stück in C-dur spiele, so
habe ich sofort den ganz bestimmten Eindruck, in Des-diiv,
beziehungsweise in H-dur zu spielen. Jeder Musikbetreibende
weiß nun, daß C-dur eine der härtesten und am grellsten
klingenden Tonarten ist, während das benachbarte Des-dur
wiederum eine der weichsten, wenn nicht vielleicht die weichste
Tonart ist. Ein ähnliches Verhältnis, nur gemildert, besteht
zwischen G-dur und As-dur. Wenn ich z. B, jetzt einen Ton c
nehme und denselben gegen des verändere, so wird sich
entsprechend der großen Verschiedenheit des absoluten Klang-
charakters der beiden Töne auch der absolute Charakter eines
Tones, der allmählich von c nach des gestimmt wird, schneller
ändern als z. B. von h nach c, da diese beiden Töne einen
ziemlich ähnlichen Klangcharakter haben. Mit dieser Er-
klärung stimmen meine Beobachtungen überein; wenn ich
einen Ton c und einen etwas höheren erklingen ließ, so
bedurfte es aus den erwähnten Gründen einer viel kleineren
Schwingungsdififerenz, um einen Unterschied wahrzunehmen,
als bei anderen Tönen. Hiemit wird die Beobachtung erklärt,
daß die Empfindlichkeit für c bedeutend vermindert wurde.
384 N. Stücker,
wenn man den zweiten Ton in der Richtung gegen h
verstimmte. Es könnte nun freilich jemand einwenden, die
Normalstimmung sei etwas Konventionelles, so daß die
besprochenen Erscheinungen keine Erklärung fanden, wenn
man eine andere Stimmung einführen würde. Dieser Behauptung
gegenüber läßt sich jedoch entgegnen, daß seit der Zeit, als der
absolute Klangcharakter der Tonarten bei der Wahl derselben
in der Musik eine Rolle zu spielen begann (also ungefähr seit
Mitte des XVIII. Jahrhunderts), die verschiedenen Stimmungen
überhaupt nur um weniges voneinander abweichen und daß
das Ohr die Fähigkeit zu besitzen scheint, den absoluten Klang-
charakter eines Tones, z. B. c, nach mehrmaligem Hören
unbewußt im Gedächtnisse festzuhalten und von diesem c
aus — da ich zu Beginn jeder Versuchsreihe die eine Gabel
fast einen halben Ton höher stimmte, war ja der Klangfarben-
unterschied der beiden Gabeln leichter zu erkennen — - die
anderen Töne zu beurteilen. Hiefür spricht die Tatsache, daß
diese Erscheinung um so deutlicher hervortrat, je öfter man die
Versuche wiederholte.
Nun will ich zu der Besprechung der einzelnen Kurven
übergehen (siehe die Tafel). Aus den erwähnten Gründen habe
ich bei denselben die Werte für c^, c^, c' und c^ nicht berück-
sichtigt.
Da die Kurven für Dr. J. R. (Nr. 1), Fräulein Db. und
Dr. E. H. die einzigen sind, die miteinander einige Ähnlichkeit
zeigen, und dieselben außerdem ungefähr die Mittelwerte aller
gegebenen Kurven bilden, so will ich mit diesen beginnen.
Bei den beiden ersteren steigt die Empfindlichkeit von der
großen Oktave langsam, um gegen das Ende der eingestrichenen
Oktave das Maximum zu erreichen und zuerst langsam, von
der fünfgestrichenen Oktave an aber rasch abzunehmen und
nach c'' überhaupt unmeßbar zu werden. Dr. E. H. zeigt außer-
dem ein sekundäres Maximum in der großen Oktave; diese
Erscheinung wurde außerdem beim Verfasser, bei Dr. V. H. und
einigen anderen Personen beobachtet (Nr. 2).
Wenden wir uns nun zu den Kurven von Frau Gst und
Frau H. H., welche die Extreme in der Unterschiedsempfind-
lichkeit bilden, so finden wir bei ersterer (Nr. 3) das Maximum
UnterschiedsempfindUchkett für Tonhöhen. 385
erst bei c^; innerhalb der vier Oktaven von a* bis g^ nähert sich
die Kurve einer Geraden, während sich in tieferen Regionen wie
bei den meisten fein Hörenden keine abnorme Empfindlich-
keit vorfindet. Bei Frau H. H. (Nr. 4), deren minimum
perceptibile sehr groß ist, zeigt sich ein deutliches Maximum
in der eingestrichenen Oktave, dagegen nimmt die Empfind-
lichkeit nach beiden Richtungen rasch ab. Wie verschieden die
Empfindlichkeit des menschlichen Ohres für Tonunterschiede
sein kann, erhellt am besten aus den Werten von Tabelle V
für g^y wo sich die Empfindlichkeit der obgenannten Versuchs-
personen wie 410:1 erhält. Beim Verfasser bleibt die Empfind-
lichkeit mit Ausnahme des erwähnten Minimums in der kleinen
Oktave in allen Tonregionen bis c^ nahezu die gleiche.
Ein deutliches Beispiel für den Unterschied zwischen
Musikalischen und Unmusikalischen geben die Kurven von
Fräulein Ph, (Nr. 5) und Fräulein Kl. (Nr. 6). Bei ersterer, welche
musikalisch ist, ist die Empfindlichkeit in der Tiefe ziemlich
gering, während sie bei c^ ein hohes Maximum zeigt; bei
letzterer scheint das Maximum jenseits der großen Oktave zu
liegen, da die Empfindlichkeit stets abnimmt und in der
dreigestrichenen Oktave sehr kleine Werte besitzt. Die gleiche
Eigentümlichkeit weisen die Kurven für Prof. E. und Prof.
V. Schw. auf (ersterer ist musikalisch, letzterer nicht). Es muß
wohl bemerkt werden, daß ich genug Fälle beobachtete, in
denen musikalisch Begabte auch in tiefen Oktaven eine große
Unterschiedsempfindlichkeit an den Tag legten; dagegen konnte
man mit Sicherheit darauf rechnen, daß Personen, deren Gehör
in der Höhe sehr ausgebildet ist, musikalisch waren.
Bei manchen Personen, und zwar hauptsächlich bei
solchen, die etwas schwerhörig sind, zeigt die Kurve in den
höheren Oktaven plötzlich eine starke Abbiegung nach oben.
Als typisches Beispiel seien hier Frau Seh. und Herr F. L.
erwähnt (Tab. III und V); letzterer ist ohrenleidend, hat aber
innerhalb der angegebenen Grenzen ein sehr feines Unter-
scheidungsvermögen für qualitative Unterschiede.
Eine eigentümliche Anomalie zeigt Herr Sk. Seine Unter-
schiedsempfindlichkeit bleibt von ^""^ bis g^ nahezu gleich, nur
für a^ ist sie auffallend klein; dadurch, daß ich auch die Werte
I
386 N. stücker,
für g^ und /t* bestimmt habe, die sich den übrigen Werten voll-
kommen anpaßten, ist also erwiesen, daß diese Anomalie, infolge
welcher die Empfindlichkeit für den Ton a> achtmal geringer ist,
als sie berechnet wurde, nur für diesen Ton allein gilt.
Hofrat Sk. zeigt in der eingestrichenen Oktave eine ganz
besondere Unterschiedsempfindlichkeit, indem er sowohl für c^
als auch für a^ 0*1 Schwingungsdifferenz noch erkennt; dies
gibt die enormen Werte von rund V3201 beziehungsweise Vs«
eines ganzen Tones der temperierten Skala; nach beiden
Richtungen nimmt die Empfindlichkeit jedoch rasch ab und
bewegt sich in der großen sowie außerhalb der viergestrichenen
Oktave unter dem Mittel.
Betrachtet man in Tabelle III die Werte des Barons E. E.,
so sieht man deutlich, daß die Unterschiedsempfindlichkeit für
alle c relativ größer als für alle g ist; diese Eigentümlichkeit
wurde nahezu bei allen Versuchspersonen, in so auffallender
Weise aber nur bei musikalisch Gebildeten beobachtet. Be-
sonders hervortretend ist der Unterschied in den hohen Oktaven,
wahrscheinlich aus dem Grunde, daß im Gegensatz zu den c
die g schon für manche Ohren zu schwach sind, um noch
genau beurteilt werden zu können. Doch ist das Beobachtungs-
material zu gering, um hierüber allgemein gültige Gesetze
aufzustellen.
Anschließend bringe ich die Mittelwerte für die Empfind-
lichkeit zwischen d~-^ und g'^\
Tonhöhe dr^ c^ c^ ai «2 ^3 g^ g^
Wahrnehmbare Dififerenz... 0-94, 0*74, 0*49, 0*32, 0*30, 0*44, 0'86, 4*91
Man sieht, daß das Maximum der relativen Unterschieds-
empfindlichkeitzwischenÄ^ und a^, also in der zweigestrichenen
Oktave, ungefähr bei e^ liegen muß. Aus diesen Mittelwerten
sind natürlich die Beobachtungen ausgeschaltet, bei denen sich
irgend welche Anomalien ergaben, sowie diejenigen, welche in
der sechs- und siebengestrichene Oktaven angestellt wurden, da
bei vielen Personen die Unterschiedsempflndlichkeit schon
unmeßbar klein wird, so daß man keine Mittelwerte mehr
berechnen kann.
Übrigens spielt die Übung bei der Unterscheidung von
Tonhöhen eine große Rolle. Während beim Verfasser selbst sich
Unterschiedsempfindlichkeit für Tonhöhen. 387
die Empfindlichkeit im Laufe der Arbeit um das Vierfache
steigerte, so zeigt sich dies bei Dr. F. Eh. noch viel deutlicher;
obwohl seine Unterschiedsempfindlichkeit in der großen und
von der viergestrichenen Oktave an unter dem Mittel liegt, so
ist sie offenbar infolge des Umstandes, daß sich Dr. F. Eh. viel
mit der Eichung von Normalgabeln beschäftigt, in der einge-
strichenen Oktave so groß, daß derselbe von zwei -4-Gabeln
noch die höhere erkennt, wenn sie in ihrer Höhe um 0-05
Schwingungen pro Sekunde oder eines ganzen Tones
1100
von einander verschieden sind.
Endlich will ich noch erwähnen, daß ich großes Augen-
merk auf die Reihenfolge legen mußte, in welcher die beiden
Töne erklangen; während es z. B. für a^ ganz gleichgültig
war, welchen Ton man zuerst hörte, wurden die Unterschiede
in tieferen Regionen weitaus richtiger beurteilt, wenn der
zweite Ton der tiefere war, während in höheren Regionen
das Gegenteil der Fall war; es scheint daher, als ob die
Beobachtung erleichtert würde, wenn sich die Töne von der
am häufigsten gehörten Tonregion der ein- und zweigestrichenen
Oktave entfernen, als wenn sie sich derselben nähern. Bei
etlichen Personen wiederholte ich die Versuche an verschiedenen
Tagen. Merkwürdigerweise lieferten Unmusikalische stets fast
die gleichen Resultate, während bei musikalisch Gebildeten die
Unterschiedsempfindlichkeit großen Schwankungen unter-
worfen war.
Auch in Betreff" der Hörgrenze haben sich einige Gesetz-
mäßigkeiten ergeben. Sie lag bei musikalischen, sowie bei den
meisten etwas nervösen Individuen sehr hoch; ferner scheint
der Umfang des Hörvermögens mit zunehmendem Alter der
Versuchspersonen nach der Tiefe wenig, nach der Höhe zu
aber stark abzunehmen.
N. Stüeker: Unterschiedsempfindlichkeit für Tonhöhen.
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Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
389
Strahlungen in starken elektromagnetischen
Feldern
von
G. Jaumann,
k. M. k. Akad.
(Vorgele^ in der Sitzung am 28. Februar 1007.)
Der erste Teil der elektromagnetischen Theorie des Ver-
fassers behandelt die elektromagnetischen Vorgänge in
bewegten Medien.* Die diesem Teile der Theorie zu Grunde
liegende Idee ist, daß die Bewegung keinen direkten Einfluß auf
elektromagnetische Vorgänge hat, sondern daß nur die durch
die Bewegung bewirkte Deformation des Mediums elektro-
magnetische Wirkungen hat.
Die vorliegende Mitteilung behandelt die Strahlungen
in Medien allgemeinen Verhaltens. Die diesem Teile der
Theorie zu Grunde liegende Idee ist, daß alle elektromagne-
tischen Strahlen von chemischen Schwingungen begleitet
werden, d. h. daß die stofflichen Eigenschaften des Mediums,
insbesondere der dielektrische Koeffizient und die Leitfähigkeit
desselben, in einem durchstrahlten Medium sehr kleine, aber
rasche periodische Änderungen erfahren.
Der Verfasser hat sich bemüht, seine Theorie in nüchterner
Art auf ein System sehr einfacher Differentialgleichungen zu
gründen und hält sie dadurch der Lorentz'schen Theorie für
überlegen, um so mehr als seine Theorie eine weit größere
Zahl fundamentaler Beobachtungen ungezwungen darstellt.
1 Vorläufige Mitteilung: Diese Sitzungsber, Bd. CXIV, p. 1635 (Dezem-
ber 1905); ausführliche IL Mitteilung: Diese Sitzungsber., Bd. CXV, p. 337
(März 1906); gekürzte Mitteilung: Ann. d. Phys., Bd. 19, p. 881 (Jänner 1906).
390 G, Jaumann,
Als ein Experiment, welches geeignet ist, zwischen beiden
Theorien zu entscheiden, führt der Verfasser seine grund-
legenden Versuche über die elektrostatische Ablenkung der
Kathodenstrahlen an und fordert zur unbefangenen Würdigung
dieser Versuche auf.
1. Einleitung.
1. Das entferntere Ziel, welchem meine sämtlichen theo-
retischen Arbeiten zustreben, ist, eine auf dem Minimum will-
kürlicher Vorstellungen beruhende Theorie der chemischen
Vorgänge und der Wärmeleitung zu schaffen. Es ist mir
gelungen, auf diesem Wege die Theorie der mit diesen Vor-
gängen zusammenhängenden elektromagnetischen Er-
scheinungen nicht unwesentlich zu fördern.
Mein erster Versuch einer chemischen Theorie auf ver-
gleichend-physikalischer Grundlage^ ist verfrüht und hat wenig
mehr als Kuriositätswert. Das Ziel desselben, das stöchio-
metrische Gesetz als das Eliminationsresultat aus zwei Gesetzen
ganz anderen Inhaltes darzustellen, ist an sich sehr erstrebens-
wert, aber noch unerreichbar. Dennoch hat diese Arbeit ein
nicht unwichtiges Resultat zu Tage gefördert: es zeigte sich,
daß, von jeder Theorie abgesehen, die Grundlage des
heutigen chemischen Systems nicht mit den Tatsachen über-
einstimmt. Die Atomtheorie führt zu einem wahrscheinlich
ganz unrichtigen Gasvolumgesetz und die Folge davon ist, daß
die Chemiker in fast allen Fällen, in welchen der Druck der
Elemente sowohl als ihres Verbindungsproduktes im Dampf-
zustande oder in verdünnter Lösung gemessen werden kann,
genötigt sind, die Fundamentalvorstellungen der Chemie auf-
zugeben und entweder die Elemente als dimere Verbindungen
oder die Verbindungen als vollkommen dissoziiert anzusehen.
Ich habe nochmals an anderer Stelle ^ hierauf hingewiesen,
ohne Beachtung zu finden.
2. Es ist gegenwärtig deshalb nicht möglich, eine befriedi-
gende Theorie der chemischen Ausgleichsvorgänge zu finden,
1 Diese Sitzungsber., Bd. CI, p. 487 (1892).
2 Zur Theorie der Lösungen, Ann. d. Phys., Bd. 3, p. 613.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 39 1
weil man diese Vorgänge nur von einer Seite her kennt oder
untersucht hat. Der Ausgleich der Ladungen zweier Kon-
duktoren ist ebenfalls lange irrtümlich für einen einfachen
Vorgang angesehen worden und erst als man die oszillatorische
Natur dieses Vorganges erkannte und die simultanen magne-
tischen Vorgänge beachtete, konnte die Theorie wesentlich
fortschreiten.
Nun kennt man wohl die Elektrolyse, den Peltier- und
Thomsoneffekt, welche die bei allen Wärmelei tungs- und
chemischen Vorgängen wesentlich mitspielenden elektromagne-
tischen Vorgänge erkennen lassen. Doch sind solche stationär
ablaufende Prozesse wenig geeignet, das Gesetz des zeit-
lichen Ablaufes dieser Wirkungen erkennen zu lassen.
Diesem Zwecke können wohl nur oszillatorisch ab-
laufende Vorgänge dienen, denn solche lassen das ihnen zu
Grunde Hegende Differential- und Nahewirkungsgesetz stets
unmittelbar erkennen. Aber wo gibt es chemische Oszilla-
tionen?
3. Hier förderte mich der Vorschlag einer chemischen
Lichttheorie von E. Mach in seinen »Beiträgen zur Analyse
der Sinnesempfindungen «.^ Die photochemischen Wirkungen
legen die Vermutung, daß die Lichtschwingungen chemische
Oszillationen sind, ebenso nahe, wie die photoelektrischen
Erscheinungen die Vermutung der elektromagnetischen Natur
der Lichtschwingungen nahelegen. Mach faßte diese Idee vor
dem Bekanntwerden der elektromagnetischen Lichttheorie.
Meiner Ansicht nach kann wohl die Mach'sche Theorie die
Maxweirsche Theorie niemals ersetzen, jedoch sind beide
Theorien gleichzeitig wahr. Die elektromagnetischen Schwin-
gungen werden in jedem Lichtstrahl im allgerpeinen begleitet
von chemischen Schwingungen und von Temperaturschwin-
gungen.2
Meine Versuche, diese Lichttheorie direkt auszubilden,
sind aber zunächst vollkommen gescheitert, wieder deshalb,
weil die beobachteten photochemischen Erscheinungen keinen
1 Jena 1886, p. 42.
2 Diese Sitzungsber., Bd. CIV, p. 795 (1895).
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. Ha. 26
392 G. Jaumann,
oszillatorischen Charakter haben. Die spektralanalytischen Ge-
setze waren damals noch nicht bekannt.
4. Doch wurde ich durch Beobachtung des Entladungs-
vorganges und der Hittorf'schen Strahlen auf den richtigen
Weg gewiesen.^ Schwingungen der elektrischen Kraft,
welche unmittelbar an der Kathode und in der Normalrichtung
derselben stattfinden, sind eine wesentliche Bedingung des Auf-
tretens der Entladung und der Kathodenstrahlen. Hiedurch
wird der Gedanke sehr nahe gelegt, daß die Kathodenstrahlen
longitudinale elektrische Wellen sind.
Ferner entdeckte ich^ die hellen Interferenzflächen im
blauen Kathodenlichte, später die dunklen Interferenzflächen
und die Wirkung der Phasendifferenz der elektrischen Schwin-
gungen an den beiden die interferierenden Strahlen aus-
sendenden Kathoden.* Hienach ist die Schwingungsdauer der
Kathodenstrahlen jener der anregenden Drahtwellen gleich, also
viel größer als die des Lichtes.
Mich wundert, daß sich die Mehrzahl der Fachgenossen
schwer entschließt, die Beweiskraft dieser zahlreichen, nach
gleicher Richtung deutenden Tatsachen für meine Theorie und
gegen die Elektronentheorie auch nur einigermaßen unbefangen
zu würdigen.
5. Bald nach der ersten Untersuchung der Interferenz-
flächen im blauen Kathodenlicht erkannte ich die Ursache
dieser Lumineszenz der verdünnten Luft. Nicht die elek-
trischen Schwingungen des Kathodenstrahles regen das viel
rascher schwingende blaue Licht an. Aus dem Auftreten der
Interferenzflächen in der ganzen Erstreckung der Symmetrie-
ebene zwischen den zwei Kathoden erkennt man, daß es sich
um die Interferenz zweier skalarer (oder dyadischer) Wellen
handelt, das blaue Licht zeigt also nicht die Schwingungen des
elektrischen Vektors, sondern die periodischen Schwin-
gungen der Skalaren (beziehungsweise dyadischen) Eigen-
schaften des Mediums, seine chemischen Schwingungenan.
1 Diese Sitzungsber., Bd. XCVII, p. 765.
2 Wied. Ann., Bd. 57, p. 152.
« Diese Sitzungsber., Bd. CVII (1S98), und Wied. Anw., Bd. 67, p. 742.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 393
Diese chemischen Schwingungen müssen aber ebenfalls
mit der Schwingungsdauer des Kathodenstrahles erfolgen, also
viel langsamer als die Schwingungen des blauen Kathoden-
lichtes. Die langsamen chemischen Schwingungen im Kathoden-
strahle regen also nicht jede einzelne Schwingung des blauen
Lichtes an, sondern jede einzelne chemische Schwingung des
Kathodenstrahles regt einen ganzen Wellenzug rasch ab*
klingenden blauen Lichtes an.
Lommel zuerst, sodann unabhängig von diesem und von-
einander auf ganz verschiedenem Wege gleichzeitig Garbasso
und ich^ haben erkannt, daß eine verbreiterte Spektral-
linie nicht auf der Emission einer unendlichen Zahl unge-
dämpfter Lichtwellen verschiedener Schwingungsdauer beruht,
sondern auf der Emission einer einzigen Schwingungsdauer,
wobei aber diese monochromatische Welle rasch abklingt, von
einer stark gedämpften Schwingung des emittierenden Körpers
ausgeht.
Ich habe ferner geschlossen: Da die elektromagnetische
Schwingung der Körper, welche (durch Lumineszenz oder Glut)
verbreiterte Spektrallinien emittieren, rasch abklingt, so muß
auch eine Ursache vorhanden sein, welche diese emittierende
Schwingung stets von neuem exzitiert. Wenn diese Exzitation
streng periodisch ist, dann ist die abklingende, aber stets peri-
odisch exzitierte emittierende Schwingung wieder eine peri-
odische Funktion der Zeit und die emittierte Lichtwelle muß
nach dem Fourier'schen Theorem sich in eine große Zahl äqui-
distanter Spektrallinien zerlegen, wobei die Differenz der
Schwingungszahlen zweier aufeinanderfolgender Linien dieser
Spektralbande ein ganzzahliges Vielfaches der geringen
Schwingungszahl der exzitierenden Schwingung ist. Alle
Spektren müssen Banden-(oder Serien-)spektren sein, es dürfte
keine wirklich kontinuierlichen Spektren geben.
Diese exzitierende, langsame Schwingung ist wohl die
gesuchte chemische Schwingung. Im Kathodenstrahle hat sie
die langsame Schwingungsdauer dieses Strahles und ihre
1 Diese Sitzungsber., Bd. CHI (Mai 1904), p. 318; Wied. Ann., Bd. 53,
p. 832.
26*
394 G. Jaumann,
Intensität ist erkenntlich aus der Stärke des blauen
Lichtes.
Mit der Auffindung longitudinaler elektrischer Strahlen
eröffnete sich ein gangbarer Weg zur Ausbildung der ange-
strebten elektrochemischen Theorie der Strahlungen. Jede
Schwingung oder Welle besteht in periodischen Umsetzungen
mindestens zweier verschiedener physikalischer Zustände des
Mediums ineinander. Ist die Welle transversal, so sind aller-
dings diese beiden Zustände vektorisch. Ist aber die Welle
longitudinal, so muß der eine Zustand skalar (oder dyadisch)
sein. Eine longitudinale Welle des elektrischen Vektors e wird
von der Welle eines Skalars o begleitet sein, dessen Fluxion
der Divergenz dieses Vektors proportional ist.
8a
= f^a div e (%a konstant). (1)
dt
Und nun ist der Gedanke unabweislich, da6 dieser Skalar o
durch die Abweichung des chemischen Zustandes und des
Wärmezustandes des Mediums von dem Ruhewert bestimmt ist.
Magnetische Kräfte können in einer solchen longitudinalen
elektrischen Welle nicht auftreten, die MaxwelFschen Glei-
chungen reduzieren sich daher auf:
^ (8.c)=^0, (2)
it
0 ^ rot e,
in welcher e den dielektrischen Koeffizienten des Mediums
bedeutet. Kleine Änderungen desselben können jedenfalls den
Änderungen von a proportional gesetzt werden:
da ^ tfQ'dB (^Q konstant). (3)
Hieraus folgt:
Sq. — -e-4-aroClive = 0,
worin e^ der normale Wert von 8 und Co die im Vergleiche zum
variablen Vektor der Welle (e — Cq) große statische Stärke eines
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 395
Feldes ist, in welchem dieselbe fortschreitet. Die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit c der Welle bestimnit sich also durch eine
Gleichung ersten Grades:
= -^V (4)
^0
Dies ist der erste Erfolg dieser Theorie, denn hiedurch ist
die Einseitigkeit der Fortpflanzung der Kathodenstrahlen erklärt,
sie können nur von der einen Elektrode ausgehen, da nach (4)
ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit in der in Bezug auf Cq
entgegengesetzten Richtung negativ wäre.
6. Nun förderte mich H. Poincare durch einen bemerkens-
werten Einwand.^ Aus (1) und (2) folgt:
8/ ß
Hieraus schließt Poincare, daß jeder Wert von s sich mit
der Geschwindigkeit ae/e im Felde bewegen, also stets in der
Richtung der negativen Feldstärke verschieben müßte. Die
Kathodenstrahlen müßten also elektrostatisch ablenkbar
sein, was damals durch die Versuche von Hertz ganz aus-
geschlossen schien.
Ich kann nicht zugeben, daß man durch einen solchen
Schluß etwas über die Strahlrichtung erfahren kann, doch
schien auch mir sicher, daß der Strahlengang von Wellen,
deren Fortpflanzungsgeschwindigkeit wesentlich von der elek-
trostatischen Kraft Co des Feldes abhängt, nicht von dieser
ganz unabhängig sein kann, daß also die Kathodenstrahlen
elektrostatisch ablenkbar sein müssen.
Warum haben aber frühere Beobachter hievon nichts be-
merkt und warum verlaufen die Kathodenstrahlen dann über-
haupt meist merklich geradlinig? Hieraus muß geschlossen
werden, daß das elektrische Feld im Innern des Entladungs-
rohres stets ein gleichförmiges Feld sein muß, was eine ent-
sprechende Ladung der Grenzfläche des Kathodendunkelraumes,
Anhäufung negativer Ladung vor der Anode und Ladung der
1 H. Poincare, C. R. 122, 520 (1896).
306 G. Jaumann,
Glaswand voraussetzt. Diese muß eine Wi rkung der Kathoden-
strahlen sein. Je stärker also die Kathodenstrahlen sind, desto
rascher müssen dieselben das Feld durch Ladung oder Ent-
ladung der Glaswand gleichförmig machen und sonach gerad-
linig verlaufen und desto weniger müssen sie durch äußere
elektrostatische Kräfte ablenkbar sein.
Ich machte sonach den Versuch mit sehr schwachen
Kathodenstrahlen und entdeckte die elektrostatische Ab-
lenkung derselben.^
Meine Versuche beweisen auch die Tatsache, daß die
Kathodenstrahlen durch Änderung der Ladung der Glaswand
das Feld gleichmäßig machen und sich strecken. Ein von außen
der Entladungsröhre genäherter, negativ geladener Körper zog
die Strahlen nur vorübergehend an, sehr bald strecken sich
dieselben ungeachtet der dauernden Nähe des ablenkenden
Körpers wieder. Ein positiv geladener Körper wirkt umgekehrt
Befinden sich aber die ablenkenden Elektroden im Innern
des Entladungsrohres, so sind damit unveränderliche Grenz-
bedingungen gegeben und die Ablenkung der Strahlen kann
eine dauernde sein. Eine Dauerablenkung durch innere
Elektroden wurde schon viel früher von Goldstein entdeckt,
sie ist aber so viel weniger charakteristisch als meine vorüber-
gehende Ablenkung durch von außen erzeugte elektrostatische
Felder, daß niemand früher diese Dauerablenkung durch innere
Elektroden für eine elektrostatische Ablenkung hielt.
Im folgenden Jahre wiederholte J. J. Thomson* meine
Versuche, aber nur mit inneren Elektroden. W. Wien® ließ die
Strahlen vor der Ablenkung durch ein Lenard'sches Fenster
gehen. Er entdeckte ferner die elektrostatische Ablenkung der
Kanalstrahlen. Die von diesen Herren beobachteten Ablenkungen
hatten den umgekehrten Sinn wie die von mir beobachtete,
was weiter unten völlig aufgeklärt werden wird. Zufolge dieses
1 Diese Sitzungsber., Bd. CV, Apnl 1806; Wied. Ann., Bd. 59, p. 252;
abgedruckt im »Electrician«, London 1896; Corapt. rend. 122 (1896).
2 J. J. Thomson, Phil. Mag., 5, 293 (1897).
8 W. Wien, Verh. d. phys. Ges. zu Berlin, p. 165 (1897); ibid. (1898),
p. 10.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 397
zufalligen Umstandes konnte es geschehen, daß nneine Ent*
deckung, die doch einen Erfolg der Undulationstheorie der
Kathodenstrahlen bildet, nicht dieser, sondern der Emissions-
theorie Ansehen verschaffte.
7. In dieser ihrer ersten Form stellt meine Theorie noch
einige weitere Eigentümlichkeiten der Kathodenstrahlen einiger-
maßen zutreffend dar. Insbesonders dreht nach derselben ein
transversal wirkendes magnetisches Feld die Wellenebene
dieser elektrischen Longitudinalwellen im richtigen Sinne.
Poincar6 bestritt aber, daß hier die Strahlrichtung und die
Wellenfläche orthogonal seien, und behauptete, daß auch im
magnetischen Felde die Strahlrichtung in die Richtung der
elektrostatischen Kraft falle.
Mit diesem Einwände traf Poincare jenen Punkt, in
welchem die weitere Spekulation einsetzen mußte. Ich bin aber
erst jetzt, nach zehn Jahren, in der Lage, diese Frage mit
Sicherheit zu entscheiden.
Eine jede Undulationstheorie kann die Strahlrichtungen
nur mit Hilfe des Energieflusses bestimmen. Als elektro-
magnetischer Energiefluß war nur der Poynting'sche Energie-
fluß bekannt. Da die elektrischen Longitudinalwellen keine
magnetischen Schwingungen mitführen, so hätten sie also
überhaupt keinen Energiefluß, keine Strahlrichtung und keine
Wännewirkung. Außerdem bemerkte ich jetzt, daß die Maxwell-
schen Gleichungen mit dem Energieprinzip überhaupt nicht
im Einklänge stehen, wenn man die Veränderlichkeit von e
berücksichtigt. Diese Erfahrung lehrte mich für die Folge die
richtige Beachtung und Anwendung der physikalischen Prin-
zipien.
2. Bemerkungen über das Prinzip der Energie, des Energie-
fiusses und der Realität der Dyaden.
8. Die physikalischen Prinzipien sind nicht wie die Nahe-
wirkungsgesetze (Zustandsgieichungen und Differentialgesetze)
Gleichungen, welche den Zusammenhang spezieller physi-
kalischer Variablen angeben, sondern sie dürften als Gesetze
über die Form der Nahewirkungsgesetze aufzufassen sein, sie
sind hienach aus der Form bekannter Nahewirkungsgesetze
398 G. Jauxnann,
abstrahierte Voraussagen über die Form der noch zu suchenden
Nahewirkungsgesetze.
Hienach haben also die Prinzipien vornehmlich heuristi-
schen Wert, in ihnen konzentriert sich alle heuristische Er-
fahrung und sie werden nur mehr historischen Wert haben,
wenn alle zwischen den physikalischen Variablen bestehenden
Beziehungen, alle Nahewirkungsgleichungen bekannt sein
werden.
Von geringerer Wichtigkeit ist die Verwendbarkeit mancher
Prinzipien als Ersatz für noch unbekannte Nahewirkungs-
gleichungen und als Hilfsätze zur Durchführung schwieriger
Deduktionen.
9. Das Prinzip der Realität der Dyaden läßt sich
in folgender Weise formulieren: Die meisten physikalischen
Größen, welche man bisher für Skalare hielt, sind tatsächlich
Dyaden und sehr vielen bisher nur in skalarer oder vektorischer
Form bekannten Nahewirkungsgesetzen liegen höhere ein-
fachere dyadische Gesetze zu Grunde.
Der mathematische Begriff der Dyaden wurde von Heavi-
side und Gibbs aus ähnlichen und sogar allgemeineren
symbolischen Begriffen seiner physikalischen Anwendbarkeit
wegen endgültig hervorgehoben. Doch erkennt Gibbs die
physikalische Realität der Dyaden keineswegs. Er sagt:^
»The indeterminate product (dyad) is neither vector nor
scalar, it is purely symbolic and acquires a determinate
physical meaning only when used as an Operator«. Er defi-
niert auch die kompletten Dyaden nicht anders als »the sym-
bolic sum of three dyads«.
Im Gegensatze hiezu muß die vollkommen selbstän-
dige physikalische Realität vieler Dyaden betont werden. Den
physikalischen Inhalt dieses Begriffes kann man durch An-
schauung kennen lernen. Ein Beispiel einer physikalischen
Dyade ist die Leitfähigkeit eines Kristalls, sie ist weder Vektor
noch Skalar, aber doch eine reale physikalische Größe.
Die physikalischen Dyaden sind ferner einheitliche
physikalische Zustände. Nicht die neun Koeffizienten oder die
1 Gibbs, Vectoranalysis, New- York und London 1902, p. 272 und 265.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 399
drei Tensoren einer Dyade sind als elementare physikalische
Variable anzusehen, sondern die Dyade selbst, gerade so wie
nicht den Komponenten eines Vektors, sondern diesem selbst
physikalische Realität zugesprochen werden muQ.
Damit daß man weiß, daß viele Naturgesetze direkte Be-
ziehungen verschiedener Dyaden zueinander feststellen, ist der
Spekulation eine neue und für die nächste Zeit sehr lohnende
Richtung gewiesen.
Ich habe^ betont, daß auch die Spannungsdyaden bei
allen Bewegungsvorgängen (ponderomotorischen Wirkungen)
durch direkte dyadische Naturgesetze bestimmt sind. Die Kräfte
sind nichts anderes als die derivierten Vektoren der unmittel-
bar gegebenen Spannungsdyaden, alle vektorischen Gesetze,
welche sich direkt auf Kräfte beziehen, sind veraltet Diese
Auffassung dürfte noch heuristische Wirkung haben. Sucht
man das Gesetz einer beschleunigenden Wirkung, so hat man
ein dyadisches Gesetz, welches die Spannungsdyade bestimmt,
nicht aber ein vektorisches Gesetz, welches die Kräfte be-
stimmt, zu suchen.
10. Das Energieprinzip fasse ich zum mindesten auf
als eine Voraussage über die Fonn der skalaren Gleichungen,
welche man erhält aus jenen vektorischen Nahewirkungs-
gesetzen, welche die Fluxion gewisser Vektoren bestimmen.
Wahrscheinlich sind dies überhaupt nur drei ganz bestimmte
Vektoren: der elektrische Vektor c, der magnetische Vektor m
und die Geschwindigkeit n des Mediums.
Multipliziert man nach Poy nting die elektromagnetischen
Gleichungen, welche die Fluxion von c und m bestimmen,
beziehungsweise mit e und nt, ferner auch die Bewegungs-
gleichungen, welche die ponderomotorischen Wirkungen im
elektromagnetischen Felde, die elastischen und Zähigkeits-
beschleunigungen, kurz die Fluxion von H bestimmen, mit ti
und verbindet die so erhaltenen Gleichungen, falls sie gleich-
zeitig gelten, so erhält man die Energiegleichung.
Obgleich die vektorischen Gleichungen für die Fluxion
von c, m und 9 noch ganz strittig sind, herrscht nur eine
1 Jaumann, Grundlagen der Bewegungslehre, Leipzig 1905, p. 410.
400 G. Jftumann,
Meinung über die Form dieser skalaren Energiegleichung,
welcher man sogar im thermochemischen Gebiete, wo die Nahe-
wirkungsgleichungen noch unbekannt sind, Geltung zusprechen
muß. Die Energiegleichungen haben folgende Form:
^ E-hQ+dWe^zzzO. (5)
9/
Hierin bedeutet E eine Funktion der Vektoren e, nt und )$
sowie der Materialkonstanten, welche man besser chemische
Variable nennen kann. Man nennt diese skalare Funktion der
Feldvariablen, deren Fluxion in der Energiegleichung vor-
kommt, den Energie Inhalt E pro Volumseinheit des Mediums,
derselbe stellt sich außerdem als die Summe einfacherer Werte
(der Bewegungsenergie, potentiellen und inneren Energie) dar.
Ferner bedeutet Q eine andere Funktion derselben
Variablen, von welcher beobachtungsgemäß nachv^eisbar sein
muß, daß sie die pro Zeit- und Volumseinheit nach außen ab-
gegebene Wärme, also die Divergenz des Wärmestromes dar-
stellt. Endlich wird die Energiegleichung noch die Divergenz
eines anderen Vektors d' enthalten, der sich hiedurch als
Funktion derselben Variablen berechnet und welchen man deh
Energie fluß nennt. Auch Q und Ä' zerfallen in eine Summe
spezieller Funktionen der Feld variablen.
Damit ist der Inhalt des Energieprinzips so sehr als
möglich eingeschränkt und man muß nun auf der genauen Er-
füllung desselben bestehen. Dennoch leistet dies, so viel ich
sehen kann, keine der früheren elektromagnetischen Theorien,
auch die Hertz'sche und Lorentz'sche nicht, mit wirklicher
Präzision. Da ich früh genug bemerkt habe, daß auch die erste
Form meiner Theorie den gleichen Mangel hat, habe ich mich
für die Folge der Führung dieses Prinzips überlassen und wurde
durch die heuristische (auswählende) Wirkung dieses Prinzips
sehr gefordert.
11. Das Prinzip der Realität des Energieflusses.
Ich gestatte mir, jedoch nur einschaltungsweise, hier ein noch
nicht allgemein anerkanntes Prinzip zu erörtern. Zunächst ver-
lasse ich den unangreifbaren Standpunkt des § 10 und
schließe mich der Annahme an, daß das Energieprinzip nicht
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 40 1
nur eine nach dem Poynting'schen Verfahren zu errechnende
Gleichung, sondern ein selbständiges Naturgesetz ist, daß dem-
selben also eine Nahewirkungsgleichung zu Grunde liegt, in
welcher sämtliche darin vorkommende Variable selbständige
physikalische Bedeutung haben. Dies muß dann aber auch von
dem Vektor d gelten.
Um nun dieses vermutete Energiegesetz auf die einfachste
Form zu bringen, müßte man allerdings zunächst bestreiten,
daß diö Spezialgesetze der Wärmeproduktion Q, also das
Gesetz der Reibungswärme, Joule'schen Wärme, Peltier'schen
und Thomson'schen Wärme, der chemischen Wärmetönung etc.
selbständige Grundgesetze sind. Statt dessen möchte ich die
Realität des Wärmestromes annehmen und diesen als durch
unabhängige Nahewirkungsgesetze bestimmt annehmen, von
welchen eines weiter unten in Kapitel 4 angegeben wird:
Das Energiegesetz nimmt dann die einfache Form an:
^ +div«z3 0. (6)
8/
Hierin ist E ein physikalischer Skalar, der so mit den
übrigen Feld variablen zusammenhängt, daß man ihn der
Energiedichte meist gleichsetzen darf. Femerist § ein neuer
realer physikalischer Vektor, den ich, allerdings nur ungern,
mit dem unpassenden, aber gebräuchlichen Namen des ge-
samten Energieflusses bezeichne. Der Wärmestrom
ist eine Komponente des ganzen Energieflusses.
Dieser setzt sich zusammen aus einer Komponente d', welche
meist richtig nach dem Poynting'schen Verfahren § 10 zu
berechnen sein dürfte, also aus der Summe des elektromagne-
tischen Energieflusses und des Flusses der Bewegungsenergie
besteht, und aus dem Wärmestrom ^ — Ä'. Alle diese Kom-
ponenten des Energieflusses sind durch selbständige Nahe-
wirkungsgesetze mit den Feldvariablen verbunden zu denken.
Poynting spricht davon, daß man sich die Energiedichte
als die Dichte eines Fluidums und den Energiefluß als dessen
Strömungsgeschwindigkeit vorstellen könnte. Dies ist, selbst
wenn man es nur bildlich nehmen wollte, völlig unzulässig.
402 G. Jaumann,
Wäre es auch nur formal zulässig, so müßte die Energie*
gleichung die Form der Kontinuitätsgleichung haben:
4-div£Ä = 0,
8/
was nach (6) keineswegs richtig ist. In der richtigen Energie-
gleichung (6) kommt die Divergenz des Vektors ^ und nicht
des Vektors JE* vor und deshalb ist der Vergleich, von welchem
der Name des Energieflusses herrührt, irreführend. Am deut-
lichsten erkennt man den Unterschied der Energiegleichung
und der Kontinuitätsgleichung, wenn man an ein Medium
denkt, in welchem die Energiedichte E einen negativen Wert
hat^ was bekanntlich nicht ausgeschlossen ist. Dann würde
die Kontinuitätsgleichung ein Anwachsen, die Energiegleichung
ein Absinken der Energiedichte bestimmen, wenn die Divergenz
des Energieflusses in dem betrachteten Punkte positiv ist
Da man die Nahewirkungsgesetze, welche den Vektor 9
mit den Feldvariablen verbinden, nur unvollkommen kennt, so
gibt es gegenwärtig keine selbständige Meßmethode dieses
Vektors, keine selbständige Deflnition und keine selbständige
klare Vorstellung desselben. Dies würde bald nachgeholt
werden, wenn es sich bestätigen sollte, daß 9 ein realer physi*
kalischer Vektor ist. Man hat auch von anderen physikalischen
Vektoren anfänglich nur die Divergenz als physikalisch
wichtig erkannt, so wie jetzt allgemein nur anerkannt ist, daß
die div ö, d. i. die Fluxion der Energiedichte, hohe Realität hat
Das beste Beispiel ist der elektrische Vektor, dessen Realität
Faraday zur Befremdung seiner Zeitgenossen behauptete, da
man vorher nur die Divergenz dieses Vektors, d. i. die elek-
trische Ladung, beachtete und für eine physikalische Realität hielt
Am anschaulichsten ist die Realität des Vektors d bei der
Wärmeleitung. Was ist denn der Wärmestrom, wenn nicht
ein lange bekannter und doch nicht richtig vorgestellter
physikalischer Vektor? Man könnte einwenden, daß der Wärme-
strom nichts anderes als das Produkt der Wärmeleitungsfähig-
keit und des Temperaturgefälles ist. Dies läuft auf die oft
vorkommende Frage hinaus, ob eine Beziehung zwischen*
physikalischen Variablen als ein Naturgesetz oder als die
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 403
Definitionsgleichung für eine derselben aufgefaßt werden darf.
Letzteres ist nur gestattet, wenn man diese Beziehung willkür-
lich allgemein aufrecht erhalten kann. Dies trifft aber im vor-
liegenden Falle keineswegs zu. Ich erinnere nur an das Kohl-
rausch'sche Gesetz, daß jeder galvanische Strom von einem pro-
portionalen Wärmestrome begleitet wird. Dieser Wärmestrom
hat mit der Verteilung des Temperaturgefälles nichts zu tun.
Ferner ersieht man die Realität des Vektors i^ daraus, daß
derselbe die Strahlrichtung bestimmt, welche von der
Wellenrichtung und den Differentialgleichungen des Wellen-
vorganges ganz unabhängig ist, und zwar bestimmt man bei
Kenntnis des Energieflusses die Strahlrichtung nicht nur be-
quemer, sondern auch verläßlicher, als dies eine komplizierte
Berechnung der Strahlgrenzen eventuell vermöchte. Es ist
hervorzuheben, daß der gesamte Energiefluß mit Ein-
schluß des Wärmestromes, jedoch mit Ausschluß des
Flusses der Bewegungsenergie, die Strahlrichtung be-
stimmt. Man erkennt dies aus der Tatsache, daß ein Strahl an
einen Körper, dessen Oberfläche er nur streift, keine andere
Energie, auch keine Wärme, wohl aber Bewegungsenergie
abgibt, da er einen Zug (eventuell auch einen Druck) auf die
von ihm gestreifte Oberfläche ausübt (der Fluß der Bewegungs-
energie ist das Produkt der Spannungsdyade und Geschwindig-
keit).
Betrachten wir einen ebenen, nahezu ungedämpft fort-
schreitenden Wellenzug von unregelmäßiger Form, z. B. einen
abgebrochenen oder intermittierenden Zug von Sinuswellen
oder eine nicht periodische Welle.
Es muß nach der Euler'schen Regel:
hc-VJS;=0,
dt
was nichts anderes aussagt, als daß sich der Zustand E unver-
ändert mit der Wellengeschwindigkeit c fortpflanzt Aus der
Energiegleichung (6) folgt nun :
div« — c-VJS = 0
oder
div («— c£) = 0. (7)
404 G. Jaumftnn,
Da nach dieser Gleichung die Welle des Vektors («— c£)
divergenzfrei ist, so ist sie transversal. Hätte dieser Vektor
eine longitudinale Komponente, so müßte diese nach (7) kon-
stant sein. Da aber dieser Vektor eine Funktion der Variablen
der Welle ist und diese der Annahme nach unregelmäßig ist,
so kann dieser Vektor keine von Null verschiedene konstante
Komponente haben. Er ist also transversal oder es ist:
n-(ö— cJB) = 0,
worin n = 1/c die reziproke Wellengeschwindigkeit ist. Hieraus
folgt:
tt.d = £. (8)
Ergibt eine elektromagnetische Theorie Wellen, welche
diese Beziehung nicht hinreichend erfüllen, so würde dies auf
einen Mangel der Grundgleichungen derselben deuten, und so
wirkt auch hier das Prinzip des Energieflusses heuristisch.
Keinesfalls dürfte man behaupten, daß Wellen, welche die
Gleichung (8) nicht erfüllen, die Ursache von Strahlungen
sein können.
Aus Gleichung (8) folgt, daß der Energiefluß mit der
Wellengeschwindigkeit immer einen spitzen Winkel einschließt,
wenn der Energieinhalt E ein positiver Wert ist.
12. Die Erkenntnis, daß die physikalischen Zustände an
einem bestimmten Orte und ihre räumlichen und zeitlichen
Derivationen sich gegenseitig völlig bestimmen, ist ebenfalls
heuristisch sehr wirksam. Dieses Nahewirkungsprinzip gilt
selbstverständlich nur mit einer wichtigen Einschränkung. Die
\'orgänge an einem bestimmten Orte oder die sie bestimmenden
Nahewirkungsgleichungen sind insoferne nicht ganz unab-
hängig von der weiteren Umgebung dieses Ortes, weil sich die
die Orts-, Richtungs- und Zeitbestimmungen wesentlich auf
weit entferntere Zustände und Vorgänge beziehen. Ich habe
bei Aufstellung der elektromagnetischen Nahewirkungsglei-
chungen für bewegte Medien bemerkt, daß die Orts- und Rich-
tungsmessungen in sämtlichen Nahewirkungsgesetzen nicht
auf den Fixsternhimmel bezogen werden dürfen. Diese An-
nahme ist zu speziell und gilt nur für den speziellen Fall der
Strahlungen in elektromAgnetischen Feldern. 405
astronomischen Bewegungsvorgänge. Allgemein muß das Ko-
ordinatensystem festgelegt werden in der hinreichend starren,
hinreichend indifferenten Grenzschale, welche jeden be-
grenzten Vorgang abschließen muß und welche für verschiedene
Vorgänge ganz verschieden ist.^
An sich enthält die Energiegleichung nicht den Satz der
Erhaltung der Energie und das Prinzip der Realität der
Spannungsdyaden (§ 9) nicht den Satz der Erhaltung der
Bewegungsgrößen. Wohl ist dies aber der Fall, wenn man hinzu-
zieht, daß in der erwähnten Grenzschale der Energiefluß und
die Spannungsdyaden Null sein müssen, da diese sonst eben
das Feld nicht abschließen würde. Hält man daran fest, daß die
Kräfte nicht direkt bestimmt, sondern Derivationen der Span-
nungsdyaden sind, so muß also das Gegenwirkungsprinzip
unbedingt erfüllt sein.
3. Begründung der Theorie.
13. Meine Theorie geht von der Vorstellung aus, daß
einige der Materialkonstanten (stofflichen Variablen) in variablen
elektromagnetischen Feldern merklich variabel sind und daß
die Rückwirkung dieser Variabilität der stofflichen Eigen-
schaften auf den elektromagnetischen Vorgang das eigentüm-
liche elektromagnetische Verhalten verschiedener Medien be-
wirkt.
Wenn aber die Materialkonstanten in den Maxweirschen
Gleichungen, insbesondere der dielektrische Koeffizient e und
der diamagnetische Koeffizient |i variabel sind, so widersprechen
dieselben dem Energieprinzip. Bildet man nach der Poynting-
schen Methode die Energiegleichung, so fehlt in derselben der
integrierende Summand:
1 8e 1 8a
— c- — -en ui--^-itt (9)
2 0/2 8/
für die Fluxion der Energie. Da nun e zweifellos, zum mindesten
zufolge von Temperatur und Volumsänderungen variabel
1 Siehe diese Sitzungsber., II. Mitteilung, Bd. CXV, p. 346 ff.
406 G. Jaumann,
ist, SO müssen die Maxwell'schen Gleichungen (für ruhende
Medien) in folgender Weise vervollständigt werden:
[e]. h hTJ • e =^ Co rot«, (10)
Hierin ist f die elektrische Leitfähigkeit, i die stets unge-
mein kleine magnetische Leitfähigkeit, Cq die Lichtgeschwindig-
keit in einem Medium, in welchem e zu p. =r 1 ist [e] und [|i]
sind die symmetrischen Anteile der dyadischen Werte e und |jl
des im allgemeinen als kristallisch vorausgesetzten Mediums.
Schon durch diese ohnehin notwendige Vervollständigung
der Maxwell'schen Gleichungen entfallt der in § 6 mitgeteilte
Einwand Poincare's.
14. Ehe Ich mich zu dieser Abänderung der Maxwell'schen
Gleichungen entschloß, habe ich ohne Erfolg versucht, ob der
Betrag (9) nicht einer besonderen Art der Wärmeproduktion
zufolge der Deformation des Mediums im elektromagnetischen
Felde äquivalent angenommen werden könnte. Sodann habe
ich die Deformationswärme im unelektrischen Felde ziemlich
unbeholfen in Beziehung zur Joule'schen Wärme zu setzen
gesucht^ und es blieb seither die Wärmeproduktion in zähen
Flüssigkeiten im Gesichtskreise meiner Theorie. Das Studium
der Bewegungstheorie deformierbarer Medien führte mich zur
Aufstellung des Prinzips der Realität der Spannungsdyaden
und gleich darauf zur Aufstellung des allgemeinen Prinzips
(siehe § 9). Als ich dieses nun nach langer Pause, wieder zu
meiner elektromagnetischen Theorie zurückkehrend, auf diese
anwendete, entwickelte sie sich binnen kurzer Zeit zu der
weitaus vollendeteren Form, in welcher sie nun vorliegt.
15. Dyadischer (kristallischer) Charakter der
Änderungen des dielektrischen Koeffizienten e in
isotropen Medien. Der charakteristische (in heuristischer
Beziehung wertvollste) Mangel der ersten Form meiner Theorie
1 Ann. d. Phys., Bd. 8, p. 752 (1902).
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 407
ist, daß sie nur einen Einflufi der elektrostatischen und magne-
tischen Feldstärken e^ und nto auf longitudinale elektrische
Strahlen, aber keinen Einfluß auf das transversale Licht ergab,
also die elektrische Doppelbrechung und magnetische
Drehung der Polarisationsebene unerklärt ließ. Die Ur-
sache davon liegt in der skalaren Form der Gleichungen (1)
und (3), da die skalare Derivation div e in transversalen Strahlen
Null ist. Diese Gleichungen haben also die allgemeine dyadische
Form* zu erhalten:
'da „
~ To^^> ^'^ (To ^^^ * konstant), (12)
da^—<fQ^ds, (13)
Gemeinverständlich kann man den Sinn dieser Gleichungen
in folgender Weise darstellen: Ein Medium, in welchem rasche
elektromagnetische Veränderungen auftreten, welches z. B.
durchstrahlt ist, nimmt kristallische Eigenschaften an, auch
wenn es im normalen Zustand isotrop ist. Dies gilt auch für
Flüssigkeiten, ja selbst für verdünnte Gase. Doch sind diese
kristallischen Veränderungen sehr gering, mit der Zeit und von
Ort zu Ort sehr veränderlich. Im einfachsten Falle nimmt das
durchstrahlte isotrope Medium in jeder ungeradzahligen halben
Wellenlänge die Natur eines sehr schwach positiv einachsigen,
in den geradzahligen halben Wellenlängen eines negativ ein-
achsigen Kristalles an. An einem bestimmten Orte wechseln
also diese Eigenschaften periodisch und sehr rasch. In allge-
meineren Fällen nimmt aber das Medium allgemeinere kristal-
lische Eigenschaften an, ja der dielektrische Koeffizient e wird
sogar vorübergehend unsymmetrisch, was bei Kristallen im
Ruhezustande noch nie beobachtet wurde.
Es ist dies eine so einfache Vorstellung und hat sich
derart bewährt, daß ich von ihrer vollkommenen Wahrheit
überzeugt bin.
s Der Autor gestattet sich, dieselbe vektoranalytiscbe Ausdrucks- und
Bcxctchnitiigsweise wie in seinen voibergehenden Publikationen zu ver-
Sitzb. d. iiuUhem..oatarw. KL ; CXVI. Bd., Abt. II a. 27
408 G. J au mann,
16. Die allgemeine derivierte Dyade der elektrischen
Vektorverteilung, welche in Gleichung (12) abgekürzt bezeichnet
ist, hat folgenden Wert:
aV, e-c=^aiV*(s«c)+a2(s-e)*V-4-a3Zdive-e,
worin a^, ag und a^ Materialkonstanten sind.
Die aus (12) und (13) folgende Gleichung:
^^ +aV,s.c^O (14)
dt
bedarf jedoch noch der Ergänzung in folgender Form:
-4-aV,e.C:^a^(s~eo), (15)
8/
weil V, s-e nur im gleichförmigen elektrischen Felde Null ist
und doch auch ungleichförmige Felder statisch bestehen
können. Die Konstante a^ muß sogar meist sehr groß sein,
da auch in ungleichförmigen statischen Feldern e von seinem
Ruhewert e^ nicht stark abweichen darf, da sonst eine besondere
elektrische Doppelbrechung im ungleichförmigen Felde
leichter zu beobachten sein müßte, als dies tatsächlich der
Fall ist.
17. Die von Mach und Kundt nachgewiesene Doppel-
brechung deformierter Medien kann ebenfalls durch eine
dyadische Veränderung des dielektrischen Koeffizienten des
Mediums erklärt werden und das Gesetz dieser Doppelbrechung
wird dargestellt durch eine Gleichung von derselben Form
wie (15), in welcher statt der allgemeinen derivierten Dyade
der elektrischen Vektorverteilung aV, e-e die symmetrische
derivierte Dyade der Geschwindigkeitsverteiiung [V, ö], d. i. die
Deformationsgeschwindigkeit, eingesetzt ist.
Hier ergibt sich also ein Zusammenhang zwischen der
Bewegung des Mediums und einem elektromagnetischen
Strahlungsvorgange. Da, wie in § 2 erwähnt, die Strahlungs-
vorgänge und Oszillationen den Charakter der Gesetze der
zeitlichen Veränderungen der Feldvariablen weit sicherer er-
kennen lassen als alle langsam ablaufenden Vorgänge, messe
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 409
ich dem Kundt'schen Phänomen eine höhere theoretische
Bedeutung bei als dem Faraday'schen Induktionsgesetze für
bewegte Leiter.
Aus der Tatsache, daß die Translation und Rotation des
Mediums kaum merklichen Einfluß auf die Lichtfortpflanzung
hat, wohl aber die Deformation des Mediums, schloß ich, daß
die Bewegung des Mediums überhaupt nur insofern Einfluß
auf elektromagnetische Vorgänge hat, als sie die Ursache der
Deformation des Mediums ist. Diese Deformationstheorie
der elektromagnetischen Vorgänge findet zunächst nur
Stützen in der Doppelbrechung deformierter Medien, der
Piezoelektrisierung und der Reibungselektrisierung.
Leicht erkennt man, daß das Rowland'sche und Röntgen'sche
Phänomen auf die Wirkung der raschen Torsion der Luft-
schichten zurückzuführen ist, welche zwischen den mit ver-
schiedener Winkelgeschwindigkeit rotierenden, das elektrische
Feld begrenzenden Platten befindlich sind Und daß die Uni-
polarinduktion sowie der Wilson'sche Versuch sich eben-
falls durch die Torsion von Luftschichten im magnetischen
Felde erklären.
Hingegen scheinen die ponderomotorischen Wir-
kungen, die Faraday'sche Induktion, die Aberration des
Lichtes und das Fizeau'sche Phänomen ganz zu Ungunsten
dieser Deformationstheorie zu sprechen, insbesonders scheint
die Wirkung der Stromgeneratoren mit rotierendem Anker
dagegen zu sprechen, daß die Rotation des Mediums elektro-
magnetisch gleichgültig ist und die Aberration des Lichtes
ein Beweis zu sein, daß die Translation des Mediums nicht
gleichgültig ist.
Und doch bewährte sich meine Deformationstheorie, nach-
dem die Gleichungen derselben völlig entwickelt waren, auch
in diesen Punkten ohne weiteres Zutun auf das vollkom-
menste. Ich habe diese Theorie in den »Ann. d. Phys.«^ und
später ausführlicher in diesen Sitzungsberichten^ dargestellt
1 Ann. d. Phys., Bd. 19, p. 881.
2 Diese Sitzungsber., Bd. CXV (1906), p. 337.
27*
410 G. Jaumann,
und beschränke mich hier darauf, die Herleitung der Gleichungen
derselben soweit anzugeben, als es für die Zwecke der vor-
liegenden Abhandlung erforderlich ist.
18. Zunächst mußte entschieden werden, welche der
Materialkonstanten des Mediums es ist, die zufolge der De-
formationsgeschwindigkeit [V, ö] desselben einen abnormalen
Wert annimmt, wodurch die elektromagnetische Wirkung der
Bewegung sich erklärt. Am wichtigsten ist die Veränderung
der Leitfähigkeiten, welche im ruhenden Medium die
Werte Yq und 6q haben, im bewegten Medium aber durch
T^To-v^^'^^*"' (16)
Li
i^h^-~SPM'^ (17)
bestimmt werden. Hieraus folgt, daß die Joule'sche Wärme in
einem rasch deformierten Medium um den (kaum merklich
kleinen) Betrag:
C*[V, ti].e.c ili-[V,ti].|X.iii (18)
von der Stromwärme in ruhenden Medien verschieden ist,
d. h. daß die Deformation im elektromagnetischen Feld eine
eigentümliche kleine Wärmewirkung hat.
Würde man den Faktor — in (16) und (17) weglassen, so
könnten durch diese Annahme der Veränderung der Leitfähig-
keiten durch die Deformation des Mediums bereits fast alle
wichtigen elektromagnetischen Wirkungen der Bewegung des
Mediums erklärt werden, aber nicht die Kundt'sche Doppel-
brechung.
Diese läßt eine Abhängigkeit der dielektrischen Dyade s
von der Deformationsgeschwindigkeit erkennen, wodurch eine
der beiden für die Fluxion von 6 bestimmenden Beziehungen
(13) oder (15) abgeändert wird. Würde man annehmen, daß
sich dieser Einfluß der Deformationsgeschwindigkeit in Glei-
chung (15) äußert, so würde man den ganzen Vorteil der in
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 411
§ 13 angegebenen Abänderung der Maxweirschen Gleichungen
verlieren und das Energieprinzip könnte dann keinesfalls mit
hinreichender Genauigkeit erfüllt sein.
Mit Rücksicht auf die Energieverwandlungen ergibt sich
also, daß 8 nicht ausschließlich von dem chemischen Zustande a
nach Gleichung (13) abhängt, sondern daß in dieser Beziehung
auch die Deformationsgeschwindigkeit [V, ö] erscheint, wodurch
sie allerdings in rasch deformierten Medien einen wesentlich
anderen Charakter annimmt. Ich setze statt (13):
9a
,,^9.-{\y,^]-^-~)- (19)
In Gleichung (16) und (17) hat [V, ö] folgende Bedeutung:
[V,li]:i=V.ö+V>ct>. (20)
In Gleichung (19) bedeutet aber [V, ö] möglicherweise
eine andere symmetrische derivierte Dyade der Geschwindig-
keit. Jedenfalls ist dies in festen Medien der Fall, wie die ver-
schiedenen Werte der Mach'schen Doppelbrechung für ver-
schiedene feste und gallertige Medien beweisen.^ In Flüssig-
keiten und Gasen hat aber, wenigstens wenn sehr starke
Volumsänderungen ausgeschlossen werden, [V, ö] merklich
den gleichen Wert in sämtlichen Gleichungen (16), (17) und (19).
Setzen wir zur Abkürzung:
-^0-'—=^^- (21)
19. Von den abgeänderten MaxweH'schen Gleichungen (10)
und (11) gehe ich dadurch zu den für bewegtje Medien
geltenden allgemeinen elektromagnetischen Gleichungen über,
de
daß ich Tf) statt -^ und ferner f statt 7^ setze. Selbstverständ-
3e
hch muß dann auch in Gleichung (15) t) statt -^~ gesetzt
ot
werden.
1 Vergl. diese Sitzungsber., Bd. CXV, p. 379.
412 G. Jaumann,
So ergibt sich das vollständige Gleichungssystem meiner
Theorie :
[s]~ + (i-T)+YJ -0 1= Corot»», (I)
'^''^' ^ "*■ (■2' ^ "^ ^) '"' ^ ~^° ''°' '' ^"^
i^i,-\^M'^ (IV)
jL_?i
8^
JL ^1^
[V,ti].e, (V)
C=ä=^_[V,»,].|i, (VI)
7]+aV,e.c=^a,(s-eo), (VII)
CH-&V,s.c=i=&^(|i-[i^). (VIII)
Die Gleichung (VI) wurde nach Analogie der Gleichung (V)
nach dem Grundsatze der Dualität der elektrischen und magne-
tischen Erscheinungen gebildet. Dieser Grundsatz ist scheinbar
beim Übergang von Gleichung (VII) zu Gleichung (VIII) durch-
brochen. Diese beiden Gleichungen sind also vereinfachte
Formen zweier analoger, aber komplizierterer Gleichungen. Ich
habe der Einfachheit wegen jene Materialkonstanten in
diesen beiden Gleichungen, welche bei keinem sehr wichtigen
Experiment in irgend einem Medium einen von Null verschie-
denen Wert erkennen lassen, schon hier gleich Null gesetzt.
C ist eine Hilfsvariable.
Diese Gleichungen stellen alle in bewegten Medien beob-
achteten Erscheinungen, so viel ich sehen kann, genau dar.
Hervorzuheben ist, daß sie auch die Reibungselektrisie-
rung exakt erklären. Die wichtigsten Deduktionen aus den-
selben wurden in den »Ann. d. Phys.« mitgeteilt, die Deduk-
tionen bezüglich der Mach'schen und Kundt'schen Doppel-
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 413
brechung sowie bezüglich der Piezoelektrisierung wurden
jedoch erst in diesen Sitzungsberichten mitgeteilt.
Das Faraday'sche Induktionsgesetz für bewegte Leiter
folgt nicht aus meiner Theorie, wohl aber stellt dieselbe sämt-
liche beobachtbare Induktionserscheinungen präzise in der-
selben Weise dar wie die Maxwell-Hertz'sche Theorie, welche
direkt auf das Faraday'sche Gesetz gegründet ist.
Die Translation des Mediums hat keinen Einfluß auf die
Lichtfortpflanzung, aber aus (l) und (II) folgt, wenn man nach
der Poynting'schen Methode die Energiegleichung berechnet,
daß der Energiefluß ^' nicht ausschließlich durch den Poyn-
ting'schen Vektor bestimmt wird, sondern den Wert hat:
Ö'=^roCxm— £ti; (22)
dies erklärt die Aberration des Lichtes.
Das Fizeau'sche Experiment erklärt sich dadurch, daß in
dem strömenden Wasser selbstverständlich die totale Fluxion
von e konstant ist, während in meinen Gleichungen auch in
bewegten Medien nur die lokalen oder partiellen Fluxionen
auftreten. Dies ergibt nach der Euler'schen Regel einen kleinen
sekundären Einfluß der Bewegung des Wassers.
20. Es muß jedoch beachtet werden, daß dieser für die
Theorie der elektromagnetischen Erscheinungen erfolgreiche
Weg, der deshalb eingeschlagen wurde, weil er sich unvorher-
gesehenerweise als gangbar erwies, vom ursprünglichen Ziele
der Untersuchung der elektrochemischen Erscheinungen ab-
gelenkt hat. Ich beabsichtige deshalb, auf den Ausgangspunkt
zurückzukehren. Zu diesem Ende erkläre ich die Gleichung (21),
obwohl dieselbe oft gültig ist, für im allgemeinen ungültig.
Die Variable t\ verliert hiedurch die bestimmte physikalische
Bedeutung, sie ist von nun an, ebenso wie Ci nur eine Hilfs-
variable und die Grundgleichungen (I) bis (VIII) haben keine
direkte Beziehung zu den chemischen Vorgängen.
Andrerseits können wir die Versuche, ein Gesetz für die
Fluxion des chemischen Zustandes o zu finden, unbe-
hindert von neuem beginnen.
414 G. Jaumann,
21. Nur einen heuristisch wirksamen und sehr über-
raschenden Ausblick vom Standpunkte der Gleichung (V)
möchte ich hiebei nicht in Vergessenheit geraten lassen:
In Gleichung (13), § 15, hat da die Bedeutung der Ab-
weichung des chemischen und Wärmezustandes des Mediums
von seinem normalen Zustande, doch gilt diese Gleichung nur
für kleine und immer wieder auf Null zurückkehrende (z. B.
periodische) Änderungen des Mediums. In der allgemeineren
Gleichung (19) hat do dieselbe Bedeutung, wenn das Medium
undeformiert bleibt. Finden aber kleine (beliebig rasche), aber
immer wieder auf Null zurückkehrende (z. B. periodische)
Deformationen statt, so ist, wie a. a. O.^ berechnet wurde, der
Skalar tj^ der Dyade tj annähernd proportional der Fluxion
der elastischen Energie des Mediums. Daß zwischen den
ponderomotorischen Wirkungen der Deformation (den inneren
Beschleunigungen) und den elektromagnetischen Vorgängen
Beziehungen bestehen, liegt nach meiner Theorie auch im
übrigen sehr nahe und wird durch die Elektrostriktion, die
Beziehungen zwischen Magnetisierung und Deformation, die
elektrokapillaren Wirkungen u. a. erwiesen.
In einer stark, rasch und fortschreitend deformierten
Flüssigkeit ist, wie a. a. O.* berechnet wurde, der Skalar der
Dyade yj genau proportional dem Skalar des Quadrates der
Deformationsgeschwindigkeit:
7), = x[V, öjl, (23)
also genau und allgemein proportional der pro Zeit- und
Volumseinheit produzierten Reibungswärme. Aus der Form
des Konstanten x ergibt sich hiebei in Übereinstimmung mit
den Tatsachen, daß die Reibungselektrisierung und das Kundt-
sche Phänomen in zähen Flüssigkeiten stärker auftreten muß.
22. Die unvorhergesehene Tatsache, daß der Skalar tQs der
Dyade t] eine Energieproduktion quantitativ bestimmen
kann, läßt nur eine einzige Deutung zu. Es müßte tj durch eine
1 Diese Sitzungsber, Bd. CXV, p. 387.
2 Ibid., p. 380.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 415
besondere Nahewirkungsgleichung als die derivierte Dyade
eines Energieflusses d^ bestimmt sein:
Hienach muß der Skalar -rj, der Divergenz eines Energie-
flusses und also einer Energieproduktion proportional sein.
Tatsächlich ist zu vermuten, daß eine Gleichung von
dieser Form, nämlich :
Sa
9/
^ V, «„ (IX)
in manchen Medien, zu welchen auch die verdünnten Gase
gehören, und bei manchen Vorgängen, zu welchen vornehmlich
die chemischen Vorgänge gehören, gültig ist. Mit ^^ bezeichnen
wir den Energiefluß in diesen speziellen Fällen. Denn ohne
Zweifel bedeutet die Änderung des chemischen Zustandes a
eine Änderung des Energieinhaltes des Mediums, so daß
die Gleichung (IX) sehr verläßlich zu sein scheint. Dieselbe hat
einige Wichtigkeit für die vorliegende Strahlungstheorie, denn
der Energiefluß 9^ ist der gesamte Energie fluß in den
elektrischen Longitudinalstrahlen.
23. Vorläufig möchte ich mitteilen, daß sich nicht nur die
glühenden, lumineszierenden und radioaktiven Körper, sondern
auch die Gase im leitungsfähigen Zustande in andauernder
gesetzmäßig gedämpfter chemischer Oszillation befinden.
Auch plane ich nun, mich der Untersuchung der Exzitation
des Lichtes zuzuwenden, welche nach § 5 durch die lang-
samen chemischen Schwingungen des Mediums bewirkt werden
dürfte.
Betrachten wir ein Medium, welches ursprünglich homogen
sein mag und in welchem kleine Abweichungen seines chemi-
schen Zustandes a von dem normalen Zustand bewirkt worden
sind, so werden die weiteren chemischen Vorgänge wohl oft
nach Art der Wärmeleitungsvorgänge oder Diffusionsvorgänge
ablaufen, also bald zu einem Ausgleiche führen. In einem
solchen Medium dürfte also ein Gesetz von der Form des
Fouri er* sehen Gesetzes:
416 G. Jaumann,
80
div V*a =
8/
mit hinreichender Annäherung gelten. Es dürfte aber auch
Medien geben, in welchen einmal gegebene Abweichungen des
chemischen Zustandes von dem normalen Zustande sich
nicht aperiodisch ausgleichen, sondern zu fast ungedämpften
chemischen Oszillationen führen. Insbesonders rechne
ich alle glühenden Stoffe, aber auch alle sehr lumineszenz-
fähigen Stoffe, also auch die verdünnten Gase zu diesen
Medien. In solchen Medien dürften die Änderungen von o durch
das Gesetz:
V, V.o:^— (X)
bestimmt sein. Jedes Gesetz von solcher Form ist das Elimina-
tionsresultat aus zwei einfacheren Gesetzen, da jede Schwin-
gung in einer gleichzeitigen gegenseitigen Verwandlung zweier
physikalischer Zustände besteht. Im vorliegenden Falle muß
der zweite noch unbekannte Zustand vektorisch sein. Die
elektrolytischen Erscheinungen legen die Vermutung nahe, daß
der Leitungsstrom 7*c nahe Beziehungen zu den chemischen
Zustandsänderungen hat. Möglicherweise gilt das einfache
Gesetz:
kV,f't^— (fe konstant). (24)
8/
Aber dieses und das Gesetz (IX) können nicht allgemein
in jedem Medium gleichzeitig gültig sein, es scheint dies nur in
sehr guten Leitern zuzutreffen.
Ich vermute, daß die Gleichung (X) nicht präzise richtig
dargestellt ist, sondern daß o auf der linken und rechten Seite
noch etwas abweichend interpretiert werden muß. Es ist die
Unterscheidung zwischen chemischer Energie und chemi-
schem Zustande notwendig, es sind dies möglicherweise
voneinander unabhängige Variable, obwohl sie sich oft pro-
portional ändern. Der Sicherheit wegen gebe ich o auf der
linken Seite der Gleichung (X) dieselbe Bedeutung wie in
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 417
Gleichung (IX), hingegen (J auf der rechten Seite der Glei-
chung (X) dieselbe Bedeutung wie in Gleichung (24). Es ist
dies weit vorsichtiger, als wenn die unbedingte Gültigkeit aller
drei Gleichungen angenommen würde. Immerhin folgt nun aus
diesen Gleichungen:
V.V,«.=^* — (t-c) (25)
ein Gesetz über den Zusammenhang der Verteilung des Energie-
flusses und der Änderung des Leitungsstromes, das sich für
die verdünnten Gase bestens bewährt hat.
Ich habe mich entschlossen, mit diesen vorläufigen Mit-
teilungen so weit zu gehen, weil ich voraussetze, daß man den
Beweis verlangen wird, daß der Energiefluß der Longitudinal-
strahlen, wenigstens bei Abwesenheit einer ablenkenden
magnetischen Kraft, auf der Wellenfläche senkrecht steht.
Diese Strahlen haben aber nun einmal in Gasen keinen anderen
Energiefluß als den chemischen Energiefluß ^^j.
Nach Lenard sind auch die Metalle für Kathodenstrahlen
durchdringlich. Hier ist es leicht, das Gesetz des Energieflusses
anzugeben, welcher in denselben wohlbekannte Wärmewir-
kungen veranlaßt. Ich gestatte mir, im nächsten Kapitel 4 ein-
schaltungsweise die Gesetze dieses Wärmestromes zu ent-
wickeln.
4. Der EnergiefluS der Wärmeleitung, des Peltier- und
Thomsoneffektes.
24. Das Fourier'sche Gesetz der Wärmeleitung
9r
—€-=- =6wkVT
kann nicht als ein fundamentales Nahewiikungsgesetz an-
erkannt werden, sondern muß als das Elin^nationsresultat aus
zwei Gesetzen ganz anderen Inhaltes aufgefaßt werden, und
zwar aus folgenden Gründen:
1. Das Fourier'sche Gesetz enthält nur eine physikalische
Variable, es setzt die Fluxion der Temperatur T in Beziehung
zu ihrem Gefälle. Physikalische Vorgänge bestehen aber immer
418 G. Jaumann,
in der simultanen Verwandlung zweier verschiedener Zustände.
Auch bei der Wärmeleitung werden also nicht bloß Temperatur-
änderungen eintreten, sondern gleichzeitig Änderungen einer
zweiten bisher unbeachteten physikalischen Variablen.
2. Dementsprechend ist das Fourier'sche Gesetz eine
Differentialgleichung zweiter Ordnung, welche sich zerlegen
läßt in zwei Differentialgleichungen erster Ordnung, welche
die Beziehungen dieser zwei Variablen zueinander darstellen.
Das eine dieser zwei Gesetze kann ohneweiters angegeben
werden. Es lautet:
sr
Es stellt die Beziehung zwischen dem Energiefluß d^ (dem
Wärmestrom) und der Fluxion des Wärmeinhaltes dar. Hierin
bedeutet c die Wärmekapazität der Volumseinheit.
Sonach hat das zweite gesuchte Gesetz die Form:
^^J=ifeVr. (26)
Dieses ist aber kein selbständiges Gesetz, sondern dürfte
folgen aus einem Gesetze der in ungleichförmig temperierten
Medien auftretenden sogenannten kontaktelektromotorischen
Wirkung und aus einer in diesem Falle gültigen Beziehung des
Energieflusses ^^ zu den elektromagnetischen Feldvariablen.
Ich habe für die kontaktelektromotorische Wirkung bei
der Berührung von Lösungen verschiedener Konzentration in
einer früheren Abhandlung,^ auf welche ich hier hinweisen
muß, auf wesentlich neuer Grundlage das Nernst'sche Gesetz
abgeleitet. Dieses hat im wesentlichen ganz ähnliche Form wie
folgendes Gesetz, welches ich für die kontaktelektromotorische
Wirkung in inhomogenen guten Leitern aufrecht halten möchte:
g.(@_c)J=jfe'V.(Tr). (27)
«I
Hierin bedeutet (£ die elektrische Feldstärke oder
elektrische Kraft im gewöhnlichen Sinne, also nach Maxwell
gemessen in einem dünnen, an dem betrachteten Orte in ihrer
1 Zur Theorie der Lösungen. Ann. d. Phys., Bd. 3, p. 599.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 419
Richtung in dem Medium ausgesparten Luftkanal. Hingegen
bedeutet e, wie stets, den elektrischen Vektor, für welchen
die elektromagnetischen Grundgleichungen gelten. Diese beiden
Vektoren (£ und t sind in homogenen, gleichmäßig temperierten
Medien identisch, in inhomogenen oder ungleichmäßig tem-
perierten Medien aber aus dem a. a. O. angegebenen Grunde
wesentlich verschieden, und eben dieser Unterschied macht die
kontaktelektromotorischen Wirkungen aus.
Die Gleichung (27) erklärt eine Seite des Wärmeleitungs-
phänomens. Es handelt sich also nur noch um die präzise
Bestimmung des Energieflusses d^ und man erkennt nun leicht,
daß für Metalle nicht Gleichung (25) gilt, sondern daß für
diese:
«1=^*18.6. (28)
Hierin ist i^ ein universeller, nicht von der Natur des
Metalles abhängender Reduktionsfaktor. Hiemit ist die Wärme-
leitung befriedigend erklärt, ja sogar merklich besser dar-
gestellt als durch das Fourier'sche Gesetz. Aus (27) und (28)
folgt die folgende Form des Wärmeleitungsgesetzes:
— c -^ = *i div *'t • V r+*i div e . e. (29)
Das Wärmeleitungsvermögen k ist hienach
k = k^kft. (30)
Dasselbe ist (nach dieser Auffassung der Wärmeleitung)
keine besondere spezifische Konstante des Materials, sondern
nur das Produkt der elektrischen Leitfähigkeit y und der Kon-
stanten *' der kontaktelektromotorischen Wirkung.
Die Abweichung der Gleichung (29) von dem Fourier-
schen Gesetz ist der elektrischen Ladung dive-c proportional,^
welche allerdings in homogenen Leitern unmerklich klein bleibt.
1 AuBerdem folgt noch für das Wärmegleichgewicht in inhomogenea
Leitern die vom experimentellen Standpunkt aus ganz bedeutungslose Be-
ziehung:
div*'rv.T = <^-
420 G. Jaumann,
Immerhin folgt, daß im Wärmegleichgewicht jene Stellen,
welche verschieden geladen sind, in einem Halbleiter spur-
weise verschieden temperiert sein müssen.
25. Der von der ersten Potenz der Temperatur
abhängige Teil des Peltiereffektes. Große elektrische
Ladungen treten nur in inhomogenen durchströmten Leitern
auf, weil nicht der Vektor 8»e, sondern der Leitungsstrom y-c
divergenzfrei verteilt ist. An den Lötstellen verschiedener Leiter
wird deshalb die Abweichung von dem Fourier'schen Gesetze,
welche aus Gleichung (29) folgt, deutlich zu beobachten sein.
Die Wärmeproduktion für V 7 = 0, welche nach dem
Fourier'schen Gesetze Null sein sollte, hat nach (29) den Wert:
— ^— = K div ec = \ div — TC = k, [V — j .(tc), (31)
denn der Leitungsstrom ist dlivergenzfrei:
div Ye = 0.
Die Leitfähigkeit y der Metalle nimmt mit steigender Tem-
peratur ab, und zwar ist im einfachsten Falle mit Annäherung:
T=:— , also: V— = TS7 — . (32)
T T To
Nach dem Ohm'schen Gesetz ist:
^•c^Cq rotm
und somit ergibt sich schließlich:
-c — = Cr,k, rV— •rotm. (33)
Integriert man diese Gleichung über eine geschlossene
Fläche, welche die Lötstelle einschließt, so erhält man den
Wert dieser Wärmeproduktion in der Lötstelle, welche einen
Teil des Peltiereffektes erklärt, nämlich jenen, welcher linear
von der Temperatur abhängt. Derselbe ergibt sich nach (33)
proportional dem rot m, also proportional der ersten Potenz der
Stromstärke und der ersten Potenz der Temperatur und ferner
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 42 1
proportional der Differenz der Werte von s/to in den beiden
Metallen. In Wirklichkeit wird das Gesetz dieser Wärmepro-
duktion etwas komplizierter sein, weil die Gleichung (32) nicht
allgemein und streng gilt.
26. Der Thomsoneffekt und der vom Quadrate
der Temperatur abhängende Teil des Peltiereffektes.
Der Energiefluß ^^ stellt nicht den ganzen Wärmestrom & — ä'
in Metallen dar, sondern dieser hat noch eine zweite Kom-
ponente dg. Es ist
Nach F. Kohlrausch wird der galvanische Strom von
einem proportionalen Wärmestrom begleitet, wodurch der
Peltiereffekt ganz, der Thomsoneffekt aber nur zum Teil erklärt
wurde.^ Meine Auffassung steht jener von Kohl rausch ganz
nahe. Nur definiere ich den Wärmestrom präziser als eine Kom-
ponente des Energieflusses und will durch diesen Kohlrausch-
schen Energiefluß nicht den ganzen Peltiereffekt erklären,
sondern nur dessen quadratischen Teil, hingegen erkläre
ich hiedurch den Thomsoneffekt zur Gänze.
Dieser Energiefluß ög ^^^ ^^" Wert:
h^Kvt. (34)
Die Konstante ifeg ist eine Materialkonstante, welche für die
meisten Metalle dem Quadrate der absoluten Temperatur
proportional sein muß:
k^ = xr. (35)
Der Thomsoneffekt tritt nur in guten Leitern auf, nicht
aber in allgemeinen Medien, er folgt nämlich nur dann aus (34),
wenn man:
^.^A=Cq rotni
setzt, was nur für gute Leiter gestattet ist. x ist eine von der
Temperatur unabhängige spezifische Konstante der Metalle.
Es folgt aus (34) und (35) :
1 Vergl. hierüber und über die Abhängigkeit dieser Effekte von der Tem-
peratur: A. Szarvassi, Ann. d. Phys., Bd. 17, p. 248.
422 G. Jaumann,
div «g =1 2coxrvr-rot m-hc^T^Vx^rot w. (36)
Das erste Glied der rechten Seite dieser Gleichung stellt
den Thomsoneffekt vollkommen dar, diese Wärmeproduktion
ist dem Temperaturgefalle VT, der ersten Potenz der Strom-
dichte Cq rot m und femer der ersten Potenz der absoluten
Temperatur T proportional, wie dies tatsächlich für den
Thomsoneffekt von Batelli beobachtet, beziehungsweise von
Szarvassi (1. c.) aus dem Entropieprinzip erschlossen wurde.
Das zweite Glied der Gleichung (36) stellt jenen großen
Teil des Peltiereffektes dar, welcher dem Quadrate der
Temperatur proportional ist. Der lineare Teil des Peltiereffektes,
vielleicht auch ein kleiner Bruchteil des quadratischen Teiles
des Peltiereffektes wird hingegen nach § 25 durch den Energie-
fluß «1 erklärt
Der ganze Wärmestrom der Wärmeleitung, des Peltier-
und Thomsoneffektes hat den elektromagnetischen Wert:
«— «'«^*i8-ff-4-;^Y-e. (37)
5. Elektromagnetische Grundgleichungen für ruhende
allgemeine Medien.
27. Durch die Gleichungen (III) und (IV), § 19, welche nur
für Medien gelten, bei welchen zufolge der elektromagnetischen
Vorgänge Änderungen des chemischen Zustandes nicht ein-
treten, ist eine wesentliche Abhängigkeit der Leitfähigkeiten f
und 6 von der Deformationsgeschwindigkeit festgestellt. Aber
auch in ruhenden (undeformierten) Medien ist y und 6 ver-
änderlich, wenn sich der chemische Zustand oder die Tem-
peratur ändert. Medien, in welchen solche Änderungen zufolge
der rasch ablaufenden elektromagnetischen Vorgänge in elek-
trischen Strahlen vorkommen können, sollen nun betrachtet
werden.
Wir haben zunächst das Gesetz der Änderungen von y
und i, d. h. zwei Gleichungen für diese Variablen aufzustellen,
welche für ruhende allgemeine Medien an Stelle der Gleichungen
(III) und (IV) gelten. Da es sich nur um kleine Änderungen
dieser Variablen handelt und wir das Gesetz, nach welchem
Strahlungen in elektronagiietischen Feldern. 423
sich andere stoffliche Variable hiebet ändern, bereits kennen,
macht dies keine Schwierigkeiten.
Die zwar sehr kleinen, aber raschen Veränderungen von s
und Y, um welche es sich handelt, dürften hauptsächlich durch
Änderungen des chemischen Zustandes des Mediums bewirkt
werden, diese Variablen sind also Funktionen eines und des-
selben Zustandes, also sind sie Funktionen voneinander. Da
es sich nur um kleine Änderungen dieser Variablen aus ihren
normalen Ruhewerten % und Sg handelt, so können diese ein-
ander proportional gesetzt werden. Die gesuchten Glei-
chungen lauten also:
T— To'^/'Ce-eo). (XI)
i-^^q(V—Vv)> (XII)
worin p und q Materialkonstante sind.
28. Unter einem allgemeinen Medium verstehe ich ein
solches, in welchem einige der Materialkonstanten a^a^a^a^
h^h^b^b^pq, welche die stofflichen und Temperaturänderungen
während rasch ablaufender elektromagnetischer Vorgänge und
deren Rückwirkung auf diese Vorgänge bestimmen, von Null
verschieden sind. Es ist kein Medium von ganz allgemeinem
Verhalten bekannt, sondern für alle bisher untersuchten
Medien ist a^ = 0 und fcj =i 0, für alle Gase ist ferner a, = 0
und &2 ziz 0, endlich ist für alle chemisch schwer veränderlichen
Stoffe, welche keine andere Eigentümlichkeit als die elektrische
Doppelbrechung und die Drehung der Polarisationsebene zeigen,
p z=.0 und q =iO.
Sechs dieser Materialkonstanten bestimmen die spezielle
Form der allgemeinen derivierten Dyaden, welche in
den Grundgleichungen eine große Rolle spielen. Hier, im
früheren und im folgenden sind dieselben abgekürzt bezeichnet.
Es bedeutet:
aV, e=^aiV;e-|-agejV-4-aj/divc, (38)
JV, t ^ b^V^, e+&aCy Vh- b^I div c.
29. Setzen wir in dem nach den oben angegebenen
Methoden gewonnenen System der elektromagnetischen Grund-
Sttzb. d. matbem.-OAturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 28
424 G. Jaumann,
gleichungen, welches in § 19 zusammengestellt ist, H^O, und
eliminieren die Hilfsvariablen t] und C aus (VII) und (VIII) mit
Hilfe von (V) und (VI), so ergibt sich folgendes System von
Grundgleichungen für ruhende allgemeine Medien:
-, ac /i as \ -
T— To —P(^—h\ (Q
€-€o=^?Öi— Pp), (DJ
+aV,s.e=^a^(8— e^), ^;
+&V,e.e^*^(jt— |i^). (F)
30. Multipliziert man die Gleichungen (A) und (^£^ mit e»
beziehungsweise m, und addiert, so ergibt sich die Energie-
gieichung für ruhende allgemeine Medien:
he-T-eH-«-6»iii+Co div ex « = 0, (39)
ot
worin die potentielle elektromagnetische Energie E den Wert:
E= — (e*8.e+iii-|i-iii) (40)
hat. e»Y«e und iit«£*iit sind die Strom wärmen. Der Energiefluß
hat den Poynting'schen Wert, es kommt jedoch noch der
Wärmestrom hinzu.
31. Geringe rasche Veränderungen in starken
Feldern. Dieses Gleichungssystem ist, entsprechend dem
nichtsuperpositorischen Charakter der elektromagnetischen Er-
scheinungen, nicht linear, läßt sich aber bedeutend vereinfachen,
wenn man sich darauf beschränkt, Vorgänge zu betrachten,
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern.
425
welche in starken statischen Feldern stattfinden und nur sehr
geringe, aber rasche Veränderungen derselben bewirken.
Dann kann man (s— e^) gegen 8^, (|i— ft,) gegen n^, t—t^
gegen e^ und m— «q gegen m^ vernachlässigen und setzen:
[8]..
8e
8/
i
8o-
8c
8/'
[{«.]•
8m
8/
^
fS)-
8m
8/'
de
8/
• e
JL
8s
8/
•«0.
¥
• • ttl
iJU
8|L
• m.
zt
ii
(41)
Femer betrachten wir meist nur Medien, welche im nor-
malen Zustande nichtleitend sind, so daß
To = eo = 0,
rot
i
Endlich berücksichtigen wir, daß alle endlichen Glieder
sich im Ruhefall, also auch im betrachteten Falle aufheben
müssen, also aus diesen Gleichungen herausfallen. Es ist:
öV,eo.Co=^a^(eo— Soo).
(43)
Hierin bedeutet, wie stets im folgenden, 8^ die dielektrische
Dyade im statischen ungleichförmigen elektrischen Felde Cq,
während e^o den ganz normalen Wert derselben im unelek-
trischen Felde oder gleichförmigen elektrischen Felde be-
zeichnet. Die Abweichung (e^ — e^o), d. i. die Doppelbrechung
im ungleichförmigen elektrischen Felde, ist aber wegen der
bedeutenden Größe der Konstanten a^ wohl meist unmerklich
klein.
Die Grundgleichungen nehmen für geringe rasche Ände-
rungen in starken elektromagnetischen Feldern für im normalen
Zustande magnetisch nichtleitende Medien die lineare Form an:
28*
426 G. Jaum«nn,
«0
8c / 1 St \
+ eo.&V,(e-Co)=i=*,(FL-|i^). ^;
8/
"37
Ob es sich auch für Strahlen kleiner Wellenlänge bewähren
wird, im zweiten Gliede von (E) und (F) e^ statt e zu setzen,
scheint mir nicht gewiß, doch nötigt uns die Rücksicht auf die
möglichste Einfachheit der Rechnung vorläufig zu dieser ein-
facheren Annahme.
6. Strahlungen in starken elektromagnetischen Feldern.
32. Diese Gleichungen gelten auch für elektromagnetische
Wellen und Strahlen kleiner Amplitude, welche sich in starken
statischen Feldern fortpflanzen. Da diese Gleichungen in den
Variablen der Welle linear und homogen sind, superponieren
sich verschiedene im selben statischen Felde fortschreitende
Strahlen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen, hingegen
erfahren sie von Seite der Feldvektoren Zq und m^, welche als
Konstante in diese Gleichungen eintreten, charakteristische
Beeinflussungen, welche wir nun berechnen wollen.
33. Wir betrachten jenes Integral dieser Gleichungen,
welches eine allgemeine ebene Sinusvvelle genannt werden
kann, und berücksichtigen auch die Dämpfung. Es sei c die
Wellengeschwindigkeit, n ihr reziproker Wert, r die Schwin-
gungsdauer, X die Dämpfungskonstante. Ferner bezeichne t den
von einem beliebigen ruhenden Nullpunkt aus gezählten Orts-
vektor, so daß
n-r = konst.
die Gleichung einer Wellenebene ist Wir setzen:
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern.
427
2c
Si = e * sin {t — ^11. t),
Sj = ^ ^ COS (/ — ^ll-?).
(44)
(45)
Ferner bezeichnen wir mit dem Index 1, beziehungsweise 2
konstante Vektoren, beziehungsweise Dyaden, welche die
Amplituden der Variablen der Welle darstellen.
Die allgemeinste ebene gedämpfte elektromagnetische
Sinuswelle wird dargestellt durch:
T— To — TiSi+TaSa.
(46)
(47)
Dieser reelle Ansatz bietet folgenden Rechenvorteil: Offen-
bar erhält man ganz dasselbe Integral, wenn man die mit dem
Index 1 versehenen Amplituden durch die mit dem Index 2
versehenen Amplituden ersetzt und umgekehrt, dieses letztere
aber unter Vorzeichenwechsel. Zufolgedessen kann man
zu jeder für diese Amplituden berechneten Gleichung eine
zugeordnete Amplitudengleichung mit vertauschten Indizen
angeben und erspart die halbe Rechnung.
34. Die Derivationen der Variablen nach dem Orte t
werden gebildet, indem man Vu^t^n an die Stelle von V
setzt und S^, beziehungsweise Sg nach n-r differenziert.
Setzen wir die Werte (46) und (47) in die Grundgleichungen
(A^) bis (F^J ein und trennen die mit Sj, beziehungsweise Sg
behafteten Glieder, so ergeben sich die Amplitudengiei-
chungen, welche die 84 Komponenten der Amplituden der
allgemeinen Welle bestimmen:
428 G. Jaumann,
«0
••»+(t^^-^27^«)-'»+2¥^<'-'»-
2
^ — Cf, ÜXUi — Cg XKX«, , (A 1)
li^P^i, (Cl)
Hiezu kommen noch die zugeordneten Gleichungen (A2)
bis (F2). Hierin bedeutet:
an, Ci'^ain;Ci+agei;n+a,/n'Ci,
bvi, Cl =^ &i«;ei4-*jei;B+&,/n.ei.
Aus (El) und (^2; folgt:
Si =2=/.an, Ci+/'.aB, e, (48, I)
und die zugeordnete Amplitudengleichung (48, 2), worin:
/=6„-=^... /' = 6o-*^... r=-^a^. (49)
1+r* 1+r* 2«
Aus (Fl) und ^/^2; ergibt sich :
H,=8=^.&n,ei+^'.6n,e, (50,1)
und die zugeordnete Gleichung, worin:
2%% , 2ic .
In (51) wurde gleich berücksichtigt, daß es in keinem
Medium (ausgenommen das Eisen, welches wir nicht betrachten
werden) vorkommen kann, daß sich zufolge der geringen vor-
ausgesetzten chemischen Änderungen |i wesentlich von seinem
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 429
Ruhewerte ji^ unterscheidet, denn erfahrungsgemäß hat die
diamagnetische Dyade |t für die meisten Stoffe nahezu denselben
Wert wie für Luft, sie hängt also überhaupt nicht stark von
dem chemischen Zustande des Mediums ab und deshalb muß
die Konstante Ä^ in Gleichung (F) einen ungemein großen
Wert haben. Dies vereinfacht das Verhalten der Medien, was
sich darin ausdrückt, daß die Werte (51) einfachere Gestalt
annehmen als die sonst ganz analogen Werte (49). Es wurde
in (Fi) [tj gegen die anderen Glieder vernachlässigt.
Besonders hervorgehoben muß werden, daß die Glei-
chungen (E^) und (F^) den mit Genauigkeit geltenden Glei-
chungen (E) und (F) fast völlig gleich sind, es gelten also
die Gleichungen (El) und (Fl) nicht nur für Strahlen in
starken elektromagnetischen Feldern, sondern mit hinreichender
Genauigkeit für jeden gedämpften Sinusstrahl auch bei Ab-
wesenheit eines statischen elektromagnetischen Feldes. Es
geben also die Gleichungen (48) und (50) eine allgemein gültige
Beziehung für Strahlungen in Medien allgemeinen Verhaltens.
Nach (48) ist die Amplitude der Schwingungen
der dielektrischen Dyade bei gegebener Amplitude
der elektrischen Schwingungen desto größer, je
kleiner die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Strahles ist, denn n ist die reziproke Fortpflanzungs-
geschwindigkeit. Kennt man also das Verhältnis dieser Ampli-
tuden, so kann man auch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
des Strahles beurteilen.
Nach (Cl) und (Dl) erhält man :
Ti ^pf^au, t^-hpf-an, e^, (52, 1)
ii^qg'in,ti-^qg'^bn,t^, (53, 1)
35. Setzen wir die Amplituden der stofflichen Variablen
in die elektromagnetischen Amplitudengleichungen (AI), (A2),
(Bl), (B2) ein, so ergeben sich die vier vektorischen Glei-
chungen, welche die Amplituden der elektrischen und magne-
tischen Schwingungen bestimmen:
430 G. Jaamami,
2s
m*«i+4-(&«,c)-«^+4/-(*«,c,).«o — +r^j»x(c,+»c^ (55,1)
Hierin ist:
Y=-i-/-^/jr, (56)
2 2x
9'=i-y^+^/;/, (57)
2 2x
*= V^-^?^, (58)
2 2«
f =-^^'+^^^. (59)
2 2s
Um noch die magnetischen Amplituden zu eliminieren,
multiplizieren wir (55, 1) rotorisch mit —^nx und (55,2) mit
c ^
X— ^«x und subtrahieren sie von (54, 1).
Die Gleichungen für die elektrischen Amplituden lauten:
e5*ei+T-(a»,ei)-Co+<|/-(a«,Cj)-Co+-;^To*^+
2ic
-hn;»iix(&ii, ei)-iito+«/-»x(ftit,Cj)-Jiio+
+ -^(1— «*)ity«.e.+2-^x«y«.e,iO, (60,1)
wonn:
w = -^^ ^^^ + ?(l-x«) , (61)
(62)
Die planare Djrade n ^ n tritt durch die Assoziationsände-
rung der Faktoren des vektorischen Tripelproduktes auf. Es ist:
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 431
ll:5:ll-e^=ä«tix(ux ej, (63)
ii?ii-e,=^ttx(jiKCj). (64)
' Diese planare Dyade läßt sich auch als Differenz einer
linearen und einer proportionalen isotropen Dyade darstellen,
so wie sich z. B. eine Qu^kontraktion durch eine Längsdilata-
tion und darauffolgende isotrope Volumsverkleinerung ersetzen
läßt Es ist:
u X ti =i= tt .11—11 V. (65)
Wir wollen noch die allgemeinen Dyaden an, Cj und bn, t^
ausfuhrlich schreiben. Es ist:
an,ei-eo = a^n(t^-tQ)-ha^t^(n*tQ)'^aj^{t^'n)tQ. (66)
Dann ordnen wir die Gleichungen (60) nach den charakte-
ristischen Richtungen des Feldes und der Welle und erhalten
schließlich:
(eo+^?»-«o+-7r-(l— *')tt^tt)•el-^-
(^B?'n'^o
-hft8(n;n*Ci-+-«/n*t2)-iixmo =^0. (67, 1)
Hiezu kommt noch die zugeordnete Amplitudengleichung
(67, 2), welche man aus (67, 1) erhält, indem man Cg statt tj und
— e, statt t^ setzt. Von diesen Gleichungen werden wir bei den
folgenden Deduktionen meist ausgehen.
36. Die weitere Rechnung führt zur Bestimmung der
Wellengeschwindigkeit c und Dämpfung x. Doch verwenden
wir im folgenden die Resultate dieser allgemeinen Berechnung
nicht und können uns daher mit einer kurzen Darstellung der-
selben begnügen.
432 G. Jaamann,
Die Gleichungen (67) können in die Form gebracht werden :
<I>i-Ci+4>,.c,^0, (68,1)
*i-^— *2-ei^0, (68,2)
woraus folgt:
y.Ci^O, V.ej=«=0. (69)
Hierin ist:
worin t, i, f orthogonale Einheitsvektoren sind und die übrigen
Vektoren leicht aus (67) berechnet werden können.
Nach (69) kann e^ und e^ nur dann verschiedene Richtung
haben, wenn V eine lineare Dyade ist; nur in diesem Falle ist
also die elektrische Schwingung elliptisch. Stets mu8 aber der
dritte Skalar V, verschwinden. Dieser zerfallt aber der Ver-
tauschbarkeit der Indices wegen in die Summe zweier Quadrate:
9^3 = Ar«+iV«. (70)
Diese Schlußgleichung ist also äquivalent den zwei Glei-
chungen :
M = 0, N=0, (71)
worin :
Die Gleichungen (71) bestimmen die Größe der Wellen-
geschwindigkeit und der Dämpfung und sind in beiden Unbe-
kannten vom sechsten Grade.
Die Wellenfläche zerfällt aber meist in eine Fläche vierten
Grades, welche zum Ursprung symmetrisch ist, und in eine
Fläche zweiten Grades, welche unsymmetrisch zum Ursprung
ist. Erstere entspricht den im wesentlichen transversalen
Strahlen, letztere den im wesentlichen longitudinalen Strahlen.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 433
Zweiter Teil.
Longitudinale Strahlen in starken elektromagnetischen
Feldern.
7. Strahlungen in verdünnten Gasen.
37. Longitudinale elektrische Strahlen können nach meiner
Theorie besonders leicht in verdünnten und glühenden Gasen
auftreten. Die Gase verhalten sich zwar in elektromagnetischer
Beziehung einfacher als alle dichteren Stoffe, weil vier von
den acht spezifischen Konstanten a und h aller Gase unmerk-
lich klein sind, und zwar ist:
a, =:0, «3=0, fc, =0, h^ = 0, (73)
während in dichteren Stoffen oft a^ und b^ merklich von Null
verschieden sind.
Daß in verdünnten Gasen dennoch eigentümliche Strah-
lungen, insbesondere die Kathoden- und Kanalstrahlen
auftreten, wird nach meiner Theorie dadurch erklärt, daß die
verdünnten Gase schon durch kleine Energieänderungen
(Wärmeänderungen, chemische Änderungen) große Eigen-
schaftsänderungen erfahren. Insbesondere sind die Schwin-
gungen der Leitfähigkeiten y und S, welche wohl direkt
von den chemischen und Temperaturänderungen des Mediums
abhängen, in durchstrahlten verdünnten Gasen, wenn auch
immer noch äußerst klein, so doch in ihren Wirkungen sehr
merklich, obwohl die Gase im normalen Zustande keine
Leitfähigkeit haben. Aber auch die Schwingungen der
dielektrischen und diamagnetischen Dyade s und |jl, welche
zufolge der Ungleichförmigkeit des elektrischen Strahlungs-
feldes auftreten, bewirken einen Teil dies merkwürdigen Ver-
haltens dieser Strahlen. Dichtere Medien können durch die
Strahlung nicht in ebenso starke chemische und Temperatur-
schwingungen versetzt werden, der großen Kapazität ihrer
Volumseinheit für diese Energien wegen, und insoferne ver-
halten sich hinwieder diese Medien einfacher als die verdünnten
Gase.
434 G. Jaumann,
Von allen dichten Medien lassen die Metalle am besten
longitudinale elektrische Strahlen hindurch, weil bei diesen,
ihrer großen Leitfähigkeit wegen, schon geringe chemische
und Temperaturschwingungen verhältnismäßig große Schwin-
gungen der Leitfähigkeit nach sich ziehen. Diese Strahlen in
dichten Medien, besonders in Metallen, sollen weiter unten in
§ 80 näher betrachtet werden. Hier beschränken wir uns auf
die Untersuchung des Verhaltens der verdünnten Gase.
38. Für diese nehmen die elektrischen Amplituden-
gleichungen (67, 1) und (67,2) unter Berücksichtigung von (73)
die einfache Form an:
(8o-*--f-(l-x«)iiyii).Ci-*.2-^xttytt.c,-4-
+<»i(T«o-«i+?'<o-<«)«+
+ ft,(«;tt-ei+ft/u«e,)itxmgiO. (74,1)
V IS) ' ro
+«i(?eo*«»— ?'eo-0"+
+bi(wn't, — n/ B« Ott X «0^.0. (74,2)
Hierin ist nach (56), (57) und (49):
_ l—rs—*(s+r)
2(l4-f«)
wonn:
r=+-^a^... s=+-lp. (77)
2« ^
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 435
39. Zunächst mögen die nach diesen Gleichungen mög-
lichen elektrischen Longitudinalstrahlen betrachtet werden,
von welchen gezeigt werden kann, da6 sie sämtliche Eigen-
schaften der Kathodenstrahlen^ beziehungsweise Kanal-
strahlen haben.
In einem Longitudinalstrahle ist:
Femer setzen wir zunächst voraus, daß:
dafi also keine starke statische magnetische Kraft
vorbanden ist. Die Gleichungen (74) reduzieren sich dann auf:
8o-«i+T^i^o-«itt — 0» (78, 1)
^'^ito-Ci 11=3=0. (78,2)
40. Die Gleichung (78, 2) kann nur dadurch erfüllt werden,
daß:
(p' = 0. (79)
Wir wollen zunächst die Bedeutung dieser für Longitudinal-
strahlen charakteristischen Bedingung klarlegen.
Nach (48, 2) ist:
Nach (52, 1) ist:
Es ist also nach (79) und (57) :
^h—ti^O. (80)
Dies bedeutet, dafi der den elektrischen Schwingungen
gleichphasige Anteil des Stromes [-^-kt +t) '^o stets Null
ist, daß also in Longitudinalstrahlen kein Strom, auch nicht der
de
elektrische Verschiebungsstrom 8o"ör> ^^^ ^®^ elektrischen
Schwingungen gleichphasig ist.
436 G. J au mann,
Die Bedingung (79) bestimmt die Dämpfung der Longi-
tudinalstrahlen. Es ist nach (79) und (76):
x=-^- (81)
rs — 1
Setzt man diesen Wert der Dämpfung in (49) ein, so er-
geben sich die für die Amplituden der stofflichen Variablen
bestimmenden Werte:
■^"" l—rs ' ^ - 1
z^s
Die Dämpfungskonstante ist nur für die Strahlen extrem
großer und extrem kleiner Schwingungsdauer sehr klein und
wir werden der Einfachheit wegen meist nur die Eigenschaften
dieser zwei extremen Strahlehgruppen berechnen und hieraus
auf die Eigenschaften der Strahlen mittlerer Schwingungsdauer
schließen. Die Werte r und 5 sind nämlich nach (77) beide der
Schwingungsdauer proportional, die Materialkonstanten a^ und/?
sind nach § 43 und 37 groß. Die Dämpfung ist klein, wenn die
Schwingungsdauer so groß ist, daß r und 5 weit größer als 1
sind, sie ist aber auch wieder klein, wenn die Schwingungs-
dauer so klein ist, daß r und s gegen 1 verschwinden. Die
Dämpfung ist unendlich groß für jene Schwingungsdauer, für
welche r5 = 1, und sie ist sehr bedeutend für die mitüeren
Schwingungsdauern, für welche weder 1 gegen rs noch rs
gegen 1 verschwindet. Wir werden die Eigenschaften der
Strahlen extremer Schwingungsdauern getrennt untersuchen
und mit den Strahlen großer Schwingungsdauer beginnen.
41. Ersetzen wir in (78,1) Cj durch die gleichgerichtete
Wellengeschwindigkeit c, so ergibt sich:
c=^— e^-^-T^ito, (82)
worin :
die Projektion von c^ auf c, also jene Komponente der Feld-
stärke Co ist, welche in die Wellennormale fällt.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 437
Nach (75) und (81) folgt:
^o-^-'=2ir^- («3>
Für die sehr langsam schwingenden Longitu-
dinalstrahlen verschwindet 1 gegen 5* und rs. Diese haben
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit:
c-^ + ^^i^o^-f-^iV (84)
Hingegen verschwindet für die sehr rasch schwingen-
den Longitudinalstrahlen 5* und rs gegen 1, und diese
haben also die Fortpflanzungsgeschwindigkeit:
c=a= — — a,Co. (85)
2
Es liegt nun nahe, die eine dieser Strahlengruppen als
die Kathodenstrahlen^ die andere Strahlengruppe als die
Kanal- und Anodenstrahlen anzusehen. Da letztere sich in
Bezug auf das elektrostatische Feld t^ in umgekehrter Richtung
fortpflanzen als erstere, so muß a^ und p gleiches Vorzeichen
haben.
Die Grenze zwischen Kathodenstrahlen einerseits und
Kanalstrahlen, beziehungsweise Anodenstrahlen andrerseits
liegt bei der durch
2iü«
rs :=: \ oder t
2 —
pa^
bestimmten Schwingungsdauer. Die Longitudinalstrahlen dieser
Schwingungsdauer haben unendliche Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit und unendliche Dämpfung x pro Wellenlänge, aber
immer noch endliche Dämpfung pro Längeneinheit. Die auf
beiden Seiten benachbarten Strahlen mittlerer Schwingungs-
dauer haben also sehr große Fortpflanzungsgeschwindigkeit,
aber mäßige Dämpfung pro Längeneinheit.
438 G. Jaumana,
8. Fortpflanzung, Dämpfung und Lumineszenz der
Katbodenstrahlen.
42. Die Kathodenstrahlen haben viel größere Schwingungs-
dauer als das Licht. Meine Interferenzversuche ^ wurden aus-
geführt mit Kathodenstrahlen, welche durch langsame Oszilla-
tionen in verzweigten Drahtsystemen angeregt wurden und die
Schwingungsdauer 10~® bis 10~^ Sekunden hatten. Ihre Wellen-
länge betrug einige Zentimeter.
Die nach Lenard durch ultraviolettes Licht oder nach
Wehnelt durch glühendes Bariumoxyd angeregten Kathoden-
strahlen müssen ebenfalls weit größere Schwingungsdauer als
das Licht haben. Diese Anregung ist keineswegs ein rein
elektromagnetischer Vorgang, wie die Anregung durch der
Kathode zugeleitete Drahtwellen, welche tatsächlich einfach
die elektromagnetischen Grenzbedingungen für das Auftreten
der longitudinalen elektrischen Strahlen liefern. Wahrscheinlich
regt das ultraviolette Licht oder die Glut eine sehr langsame
(chemische) Schwingung in dem Kathodenmaterial an, welche
ihrerseits die Kathodenstrahlen direkt anregt, aber auch das
Fluoreszenzlicht, beziehungsweise Glutlicht exzitiert, welches
die Kathode gleichzeitig aussendet und dessen Exzitations-
periode tatsächlich weit größer ist als die Schwingungsdauer
des Lichtes.*
43. Die Konstante a^ ist im hohen Vakuum sehr groß, bei
mäßiger Verdünnung aber weit kleiner. Man erkennt dies
daraus, daß in hohem Vakuum ungleichförmige elektro-
statische Felder sehr wohl bestehen können, wenn auch ein
eigentümlicher Einfluß magnetischer Felder auf diesen Ruhe-
zustand bemerkt worden ist und auch die schließlich eintretende
Entladung diesem Ruhezustand ein Ende macht. Während des-
selben ist das Vakuum nicht merklich elektrisch doppel-
brechend, also kann s nicht weit von dem Ruhewert s^
1 Diese Sitzungsber., Bd. CVII (1898), im Auszuge mitgeteilt Wied. Ann.,
Bd. 67, p. 741.
3 Zur Kenntnis des Ablaufes der Lichtemission; diese Sitzungsber.,
Bd. cm (1894). Wied. Ann., Bd. 53, p. 832.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 439
abweichen, woraus nach (E), § 29, folgt, daß a^ sehr groß sein
muß. Es gibt aber allerdings einen mäßigen Verdünnungsgrad,
bei welchem statische ungleichförmige Felder wenig
beständig sind, was man am besten an der Selbststreckung
der Kathodenstrahlen (vergl. § 6) erkennt. In wenig verdünnten
Gasen können sich also auch Ladungen nicht halten. So muß
sich aber nach (E) ein Medium verhalten, in welchem a^ sehr
klein ist und doch e nicht viel von e^ abweichen kann. In
höherem Vakuum ist aber a^ sehr groß und da die Schwin-
gungsdauer t der Kathodenstrahlen nicht übermäßig klein ist,
so ist anzunehmen, daß r eine sehr große Zahl ist.
Die Dämpfung der Kathodenstrahlen ist nach (81), da
wir 1 gegen rs vernachlässigen dürfen:
1 1 27C / 1 \\
r s X \a^ 2p I
Die Dämpfung hängt also von der Natur des Gases, ins-
besondere von dem Verdünnungsgrade ab. Ferner ist die
Dämpfung der Schwingungsdauer verkehrt proportional. Ich
halte es für sicherstehend, daß die Kathodenstrahlen, welche
sich in einem starken elektrostatischen Felde c^ fortpflanzen,
während des Fortschreitens fortwährend an Energiegehalt
zunehmen. Sie treten mit vielleicht sehr geringer Amplitude c^
aus der Kathode aus, werden aber, indem sie das Kathoden-
gefalle durchlaufen, immer intensiver und treten mit größerer
Amplitude aus dem Kathodengefälle in das schwache kathoden-
ferne Feld, als sie beim Austritt aus der Kathode hatten. Da
also ihre Amplitude in ihrer Fortpflanzungsrichtung nicht ab-
nimmt, sondern vielmehr zunimmt, so muß ihre Dämpfungs-
konstante negativ sein. Es muß also angenommen werden,
daß a^ und p, welche nach § 41 gleiches Vorzeichen haben
müssen, beide negativ sind.
Die Emission eines Strahles ist der zur Absorption ent-
gegengesetzte Vorgang. Sind Strahlen irgend welcher Art ein-
mal ausgesendet und pflanzen sich im indifferenten Medium
fort, so sind sie selbstverständlich positiv gedämpft, sie werden
allmählich absorbiert. Innerhalb des emittierenden Mediums
dürften sie im Gegenteile negativ gedämpft, d. i. mit stets
Sitzb. <J. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 29
440 G. Jaumann,
zunehmender Amplitude verlaufen und hiebei die Energie, die
sie dann zufolge ihrer Aussendung dem emittierenden Körper
entführen, während ihres kurzen Laufes innerhalb dieses
Körpers aufsammeln.
Jedenfalls befinden sich die Kathodenstrahlen nach meiner
Theorie innerhalb des Kathodengefalles in diesem Zustande
der Emission oder negativen Dämpfung. Im sehr schwachen
elektrischen Felde, für welches unsere Rechnung nicht gilt,
sind sie aber selbstverständlich positiv gedämpft.
44. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit c der Kathoden-
strahlen ist nach (84):
Diese Strahlen pflanzen sich erfahrungsgemäß nur in
spitzem Winkel zu der negativen elektrostatischen Feld-
stärke fort. Sie müssen aber nicht gerade von der Kathode aus-
gehen, sondern können auch von der Glaswand, welche der
Anode gegenüberliegt, zu dieser gehen, wenn die exzitierenden
elektrischen Schwingungen heftig genug sind.^
Die charakteristische, vom Felde abhängige Fortpflan-
zungsart der Kathodenstrahlen, welcher sie auch ihren Namen
verdanken, wird durch (87) richtig dargestellt. Die Wellen-
geschwindigkeit c der Longitudinalstrahlen meiner Theorie
hängt von der ersten Potenz der Feldstärke Cq ab, kehrt
sich also um, wenn diese umgekehrt wird. Da beobachtungs-
gemäß die Projektion Cq der Feldstärke auf die Fortpflanzungs-
richtung c entgegengesetzte Richtung hat wie diese, muß nach
(87) a^ eine negative Konstante sein.
Nach jeder einen stumpfen Winkel mit Cq bildenden Richtung
pflanzen sich die Kathodenstrahlen als reine elektrische
Longitudinalstrahlen fort, die elektrischen und magnetischen
Transversalschwingungen, welche die elektrischen Longitu-
dinalschwingungen begleiten, sind von höherer Ordnung als
diese klein gegen die statische Feldstärke.
1 Wied. Ann., Bd. C4, p. 277.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern.
441
45. Die blaue Lumineszenz der verdünnten Luft
scheint mir ein wichtiges Kriterium der Amplitude der Schwin-
gungen der stofflichen Variablen in dem Kathodenstrahle zu
sein. Als Ursache der blauen Lumineszenz möchte ich die
chemischen Schwingungen bezeichnen, welche nach § 5 die
elektrischen Schwingungen des Strahles begleiten und welche
das viel rascher schwingende blaue Lumineszenzlicht ex-
zitieren.
Ein Maß dieser chemischen Schwingungen sind die
Schwingungen der Leitfähigkeit y, vorausgesetzt, daß keine
starken Temperaturschwingungen in dem Strahle vorkommen.
Die Stärke des blauen Lumineszenzlichtes, welches
den Weg des Strahles erkennen läßt, ist also gleich-
zeitig ein Maß für die Amplitude der Schwingungen
der Leitfähigkeit in demselben.
Hiedurch lassen sich die ganz bestimmten Angaben meiner
Theorie über die Abhängigkeit dieser Amplitude von der Feld-
stärke, den Verdünnungsgrad und der Schwingungsdauer kon-
trollieren.
Diese Amplituden sind nach (52), (49) und (81), (82) all-
gemein für elektrische Longitudinalstrahlen:
^ JL 260/7 1
1+5' to
T2
j^ ^ '^hPS 1
1+5« Cn '^^
sr — 1 ^
sr — 1 ^
(88)
also speziell für Kathodenstrahlen, d. i. für Longitudinalstrahlen
großer Schwingungsdauer:
g 2so7cg 1
^ P h
9 2eoic 1
2eo7c2aj
z^a^
2eq%P
ta.
nj<i.
«je,.
(89)
Diese Amplituden und damit die blaue Lumineszenz
wachsen natürlich mit der elektrischen Amplitude c^ und schon
aus diesem Grunde wird die blaue Lumineszenz nicht in
29*
442 G. Jaumann,
unmittelbarer Nähe der Kathode am stärksten sein, sondern mit
der Entfernung von der Kathode zunehmen, so lange der Strahl
negativ gedämpft ist und erst im schwachen, kathodenfernen
Felde, wo der Strahl positiv gedämpft ist, wieder abnehmen.
Hiezu kommt aber noch, daß die Amplitude der Schwingungen
der Leitfähigkeit der Feldstärke c^ verkehrt proportional ist,
so daß deshalb in der Nähe der Kathode, wo die Feldstärke
größer ist, die blaue Lumineszenz umso geringer sein wird.
Die Lumineszenz wird in mäßiger Entfernung von der Kathode
ein Maximum erreichen und im weiteren Verlaufe des Strahles
wieder abnehmen, wie dies tatsächlich, insbesondere bei
mäßiger Verdünnung stets zu beobachten ist. Die Ausbildung
des scharf gegen das blaue Kathodenlicht begrenzten
Kathodendunkelraumes wird in § 53 und § 54 erklärt werden.
Da die Feldstärke sowie das Entladungspotential bei
mäßiger Verdünnung viel kleiner ist, so wird die blaue
Lumineszenz der Kathodenstrahlen bei gleicher Amplitude bei
mäßiger Verdünnung sehr stark, im hohen Vakuum aber sehr
gering sein, wie dies ebenfalls den Tatsachen völlig ent-
spricht.
Cet. par. lumineszieren die Kathodenstrahlen großer Wellen-
länge schwächer als die rascher schwingenden Strahlen.
Über die Fortpflanzung elektrischer Longitudinalstrahlen
im unelektrischen Felde vergleiche § 50. Nach der nicht-
linearen Form der für diesen allgemeineren Fall geltenden
Gleichungen muß man schließen, daß die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit dieser Strahlen nicht allein durch Material-
konstante des Mediums bestimmt wird, sondern von den Ampli-
tuden der Variablen des Strahles abhängt. Nach § 35 bestimmt
aber jedenfalls das Verhältnis der Amplituden s^ und c^
oder 7i und tj die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Strahles.
Trifft ein in einem starken elektrostatischen Felde fort-
schreitender Kathodenstrahl ein Lenard'sches Fenster, d. i. eine
dünne Platinfolie, welche das starke Feld von einem unelek-
trischen Felde trennt, so müssen, wenn man von der Reflexion
des Strahles oder von dem Fenster ausgehenden sekundären
Strahlen absieht, die Amplituden des durch das Fenster tretenden
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 443
Strahles fast genau dieselben Werte haben wie die Amplituden
des einfallenden Strahles.
Es hat also der durch das Fenster ausgetretene Strahl in
seinem weiteren Verlauf in dem unelektrischen Felde jene Ge-
schwindigkeit, welche der einfallende Strahl in dem starken
Felde hatte und welche der Feldstärke dieses Feldes pro-
portional ist. Hieraus erklären sich auch die Versuche von
Des Coudres und Lenard, nach welchem durch eine longi-
tudinale elektrostatische Kraft dem Kathodenstrahl eine höhere
Geschwindigkeit erteilt wird.
Auch durch die scharfe Trennungsschicht, welche das
starke Kathodengefälle von dem oft fast unelektrischen ka-
thodenfernen Felde trennt, tritt also, wenn man von sekundären,
von der Grenzschicht ausgehenden Strahlungen absieht, der
Strahl ohne Geschwindigkeitsänderung, verläuft also im ganzen
kathodenfernen Felde ungefähr mit jener Geschwindigkeit,
welche er im Kathodengefälle hatte.
9. Energieinhalt und mechanische Wirkungen der Kathoden-
strahlen.
46. Wenn in einem statischen Felde von der endlichen
Stärke e^ zufolge einer schwachen Strahlung die kleinen Ände-
rungen:
e— to'S^e', 8— So=ä=s'
der Feldvariablen auftreten, so erfahrt der Energie inhalt E der
Volumseinheit Änderungen, welche von derselben Größenord-
nung klein sind. Diese Energieänderungen erster Ordnung
können wir aber außer acht lassen, da uns hauptsächlich der
mittlere Energieinhalt einer Wellenlänge der Strahlen
interessiert und die Energieänderungen erster Ordnung in jeder
geradzahligen halben Wellenlänge umgekehrtes Vorzeichen
haben als in den ungeradzahligen, sich also in wenig gedämpften
Wellen im Mittel völlig aufheben.
Der mittlere Energiegehalt der Strahlung £,„ bestimmt sich
also ausschließlich durch jenen Teil £' der Energieänderungen
des Feldes, welcher von zweiter Ordnung klein ist, und in
444 G. Jaumann,
einem Longitudinalstrahl, der keine magnetischen Schwingungen
mitführt, den Wert hat:
E' = — e'.eo-c'+eo-s'-e'. (90)
Beziehen wir uns auf den Querschnitt n-t = 0 des
Strahles, so ist:
c' =^ Cj sin a, ^ ^z^ sin a+Sg cos a, a = /.
Der mittlere Energieinhalt der Strahlung pro Volumsein-
heit ist:
1 r^*
Bei der Integration ist zu berücksichtigen, daß
»2ic
sin acos adaz= 0,
f
I sm^aaa rz i
Jo ^0
»2« /»2jc
rz 1 cos^a Ja r= ic.
Es haben also die um eine Viertelwellenlänge gegen die
elektrischen Schwingungen verschobenen Schwingungen der
dielektrischen Dyade mit der Amplitude e^ überhaupt keinen
Einfluß und man erhält:
Em= — Soe2-4-— Co-ei-Ci. (91)
4 2
Nach (48) und § 40 ist:
Der mittlere Energie inhalt elektrischer Longitudinalstrahlen
ist also:
£„.= -is,(l-2a.«.fo-^-^-j-)c?.
(92)
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 445
Da (sr) für die langsam schwingenden Kathodenstrahlen
insbesondere im höheren Vakuum sehr große Werte hat, ist s^
verschwindend klein und es ist der mittlere Energie inhalt der
Kathodenstrahlen :
£^ =—£,€?. (93)
4
47. Mechanische Wirkungen der Longitudinal-
strahlen. Sämtliche ponderomoforischen Wirkungen im elektro-
magnetischen Felde werden auch nach meiner Theorie bestimmt
durch die Maxwell'sche Spannungsdyade 0, welche bei Ab-
wesenheit magnetischer Kräfte den Wert:
2 2
hat. Die Kraft pro Volumseinheit, welche das Medium erfährt,
ist gleich dem derivierten Vektor V*9, die Flächenkraft, welche
an einer das Feld begrenzenden Fläche f wirkt, ist gleich 0-f,
wobei f stets von der Oberfläche des die Flächenkraft er-
fahrenden Körpers nach außen positiv zu zählen ist.
Die mechanischen Wirkungen der Strahlen werden durch
den Mittelwert des variablen Teiles der Spannungsdyade be-
stimmt, welcher sich wieder ausschließlich durch jenen Teil der
Spannungsdyade bestimmt, welcher von zweiter Ordnung klein
ist und sich ebenso berechnet wie der mittlere Energie inhalt,
nur daß hier dyadische Produkte der elektrischen Vektoren
auftreten. Der Mittelwert der Spannungsdyade ist für einen
beliebigen Querschnitt eines Longitudinalstrahles:
+Si-Co>:ei + ei-ei>^Co). (94)
Die mittlere Kraft, welche die Volumseinheit des durch-
strahlten Mediums erfährt, ist gleich dem derivierten Vektor
V«9^ der mittleren Spannungsdyade, welchen man nach § 34
so bildet, daß man Ö^ mit it multipliziert und nach tt-r diffe-
renziert. In einem ungedämpften Longitudinalstrahl erfährt das
446 G. Jaumann,
Medium keine Kraft, in einem gedämpften Strahl erfährt es im
Querschnitte ti.r z= 0 die Kraft pro Volumseinheit:
+2ei.Coyej— 2siCo-Ci). (95)
In einem Kathodenstrahle, in welchem nach § 46 die
gleichphasigen Schwingungen von s verschwindend kleine
Amplitude e^ haben, erfährt also das Medium die Kraft:
V.e^=3=— — eoXttC?. (96)
Da die Dämpfung x des Strahles innerhalb des Kathoden-
gefälles negativ, darüber hinaus aber positiv ist, so wird das
Medium im Kathodendunkelraüm in der Richtung des Strahles
angetrieben, außerhalb desselben aber in der umgekehrten
Richtung mit einer Kraft angetrieben, welche die Größenord-
nung 10~^ bis 10-^ Dyne pro Kubikzentimeter haben mag. Da
aber die Dichte des verdünnten Gases 10~^ bis 10"'^ glcm^ ist
so erfährt dasselbe Beschleunigungen von 10~^ bis 10+* cm/sec'.
Jedoch auch die Gegenströmung des verdünnten Gases in dem
kathodenfernen Teile des Strahles muß sich unter Umständen
in bedeutender Stärke etablieren. In der Tat kann man in einem
Kathodenstrahl, welcher die bestrahlte Glaswand hinreichend
erhitzt, spektroskopisch das Auftreten der Natriumlinie nach-
weisen, was sich nur so erklären läßt, daß eine Strömung des
verdünnten Gases von der bestrahlten Glasfläche innerhalb des
Kathodenstrahles und entgegengesetzt zu seiner Fortpflanzungs-
richtung stattfindet.
48. Die Flächenkraft, welche ein Kathodenstrahl auf
eine Fläche f , auf welche er auffällt, ausübt, ist:
e„,.f ^ — eo(Ci(f-ei) — Cix(fxci)).
4
Diese Kraft Hegt in der Einfallsebene des Strahles und ist
dem Quadrate der Amplitude e^ proportional. Die erste Kom-
ponente der Kraft ist gegeben durch die Projektion des Flächen-
vektors f auf die Strahlrichtung, stellt also einen Zug dar, den
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 447
der Strahl auf die Fläche ausübt und der auf 10""® bis 10~® Dyne
pro Quadratzentimeter geschätzt werden kann. Die zweite Kom-
ponente wird bestimmt durch die negative Projektion des
Flächenvektors auf die Wellenebene und stellt einen Strahlungs-
druck dar.
Ein senkrecht auf eine Fläche auffallender Kathodenstrahl
übt also nicht einen Druck, sondern einen Zug auf die Fläche
aus, der allerdings unmeßbar klein ist. Der sehr große, von
Crookes entdeckte scheinbare Strahlungsdruck der Kathoden-
strahlen beruht bekanntlich nicht auf elektromagnetischen,
sondern auf radiometrischen Wirkungen, welche wohl haupt-
sächlich auf die starke Wärmewirkung der Strahlen zurück-
zuführen sind, und läßt sich nach Stark durch geeignete
Anordnung des Versuches selbst bei starken Kathodenstrahlen
bis auf lO"^'* Dyne pro Quadratzentimeter herabsetzen. Leider
verhindert diese radiometrische Nebenwirkung die Messung
des theoretisch sehr wichtigen Strahlungszug es. Seine Kon-
statierung wäre nicht nur ein Entscheidungsexperiment der
Undulationstheorie gegen die Emissionstheorie der Kathoden-
strahlen, sondern seine Messung würde auch die Amplitude
des Strahles und damit mittelbar eine der Konstanten a^d^p
bestimmen.
10. Transversalschwingungen an der Mantelfläche begrenzter
Longitudinalstrahlen.
49. Transversale elektromagnetische Strahlen üben be-
kanntlich einen Druck auf eine Fläche aus, welche sie senk-
recht treffen, und einen Zug auf eine Fläche, welche sie streifen.
Ein Teil des zu erwartenden Strahlungszuges, welchen die
elektrischen Longitudinalstrahlen bei senkrechter Inzidenz aus-
üben, könnte auch verdeckt werden durch den Druck, welchen
die transversalen Komponenten der elektrischen und magne-
tischen Schwingungen, die an den Oberflächen von Longi-
tudinalstrahlen begrenzten Querschnittes auftreten müssen, auf
die bestrahlte Fläche ausüben.
Die Kathodenstrahlen werfen Schatten und können durch
Diaphragmen als scharf begrenzte Strahlenbündel treten. In
■
i
448 G. Jaumann,
der Nähe der Mantelfläche dieser Strahlen nimmt die Amplitude
der longitudinalen elektrischen Schwingung radial nach außen
zu ab. Dort ist also:
rote 4=0;
es ist notwendig ein elektrischer Wirbel vorhanden, welcher
den Strahl peripher umkreist. Nach der Grundgleichung (BJ,
§ 29, müssen also dort starke magnetische Kräfte m auftreten,
welche ebenso wie rot c in peripherer Richtung die Strahlachse
umkreisen und mit der Schwingungsdauer des Strahles oszil-
lieren. Hiedurch werden aber die Verhältnisse an der Strahl-
oberfläche kompliziert und es bleibt dort auch die elektrische
Schwingung nicht rein longitudinal. Die genauere Berechnung
dieser Transversalkomponenten habe ich nicht durchgeführt.
Viel wichtiger ist es, den axialen Teil des Longitudinal-
strahles genauer, als dies bisher geschehen ist, zu untersuchen.
Da die magnetischen Kraftlinien kreisförmig die Strahlachse
umschließen, ist auch :
rot m 4= 0,
d. h. die Stromdichte nicht Null, sondern hat longitudinale
Richtung. Mindestens die Ränder des Strahles haben also die
Eigenschaft, eine bestrahlte Fläche zu laden und wieder
zu entladen, was abwechselnd in jeder halben Schwingungs-
dauer stattfinden, also im Mittel nicht merkbar sein dürfte. Die
Ränder eines abklingenden Strahles, d. h. eines durch eine
gedämpfte Schwingung exzitierten Strahles, müßten aber eine
auch im Integral merkbare ladende Wirkung haben.
Damit kann man sich aber nicht begnügen, denn auch der
axiale Teil eines Kathodenstrahles hat erfahrungsgemäß eine
charakteristische ladende Wirkung. Nun ist es aber ganz wohl
möglich, daß auch im axialen Teile des Strahles diese für die
Ränder nachgewiesenen Stromschwingungen vorhanden sind,
allerdings können sie höchstens von zweiter Größenordnung
klein sein, denn bis auf Größen dieser Ordnung haben wir die
exakt gültigen Grundgleichungen (AJ und (B), § 29, bereits
integriert und keine magnetische Stromdichte rotm in elek-
trischen Longitudinalstrahlen vorgefunden. Es würde aber
auch völlig ausreichen, wenn in der Achse des Strahlen Strom-
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 449
Schwingungen von dieser Größenordnung stattfinden, denn die
ladende Wirkung der Strahlen ist tatsächlich (ebenso wie die
Wärmewirkung und die mechanischen Wirkungen derselben)
von zweiter Ordnung klein, dem Quadrate der Amplitude pro-
portional. Es schien mir anfanglich schon als ein erstrebens-
werter Erfolg der Theorie, wenn es überhaupt gelingen würde»
Stromschwingungen in der Achse der Longitudinalstrahlen
nachzuweisen, denn wenn auch die ladende Wirkung dieser
Stromschwingungen auf die bestrahlte Fläche für ungedämpfte
Strahlen sich im Mittel wohl aufheben würde, so wäre dann
doch die ladende Wirkung abklingender Kathodenstrahlen
erklärt. In dieser Hoffnung begann ich die Rechnung und der
Erfolg ging über alle Erwartungen hinaus.
50. Da es sich um die Berechnung einer Größe handelt,
welche von zweiter Ordnung klein ist, können wir uns nicht
länger auf die nur in erster Annäherung gültigen Gleichungen
(A!) und (B')y § 32, beziehen, sondern müssen die Integration
der Grundgleichungen (A) und (B), § 29, ohne Vernachlässi-
gung der Größen zweiter Ordnung versuchen. Die allgemeine
Integration dieser Gleichungen ist wohl auch erreichbar. Sie
sind zwar nicht linear in den abhängigen Variablen, aber linear
in den unabhängigen Variablen (der Fortpflanzungsrichtung
und der Zeit), gestatten also die Anwendung der Ampere-
Riemann'schen Integrationsmethode. Insbesondere wäre auch
die nur so durchführbare Berechnung der elektrischen
Longitudinalstrahlen in unelektrischen und schwa-
chen elektrischen Feldern, welche offenbar auch möglich
sind, von großem Interesse. Für das vorliegende theoretisch
wichtigere und mathemalisch einfachere Problem ist aber die
Durchführung dieser schwierigen Rechnung entbehrlich.
Es handelt sich nur um die Integration dieser nicht linearen
Gleichungen für den axialen Teil eines Longitudinalstrahles
mit Berücksichtigung der Größen, welche von zweiter Ordnung
klein sind, aber unter Vernachlässigung der Größen, welche
von dritter Ordnung klein sind.
Zu letzteren gehört aber glücklicherweise auch der magne-
tische Vektor nt selbst, obgleich es sich gerade um die Berech-
nung seines Rotors rot nt handelt.
450 G. Jaumann,
51. Wir betrachten wie bisher einen elektrischen Longitu-
dinalstrahl von endlichem Querschnitt, welcher gleich-
förmig ist, d. h. dessen elektrische Amplitude im ganzen Quer-
schnitte mit erster Annäherung konstant und longitudinal ist.
Doch muß diese Amplitude radial nach außen proportional dem
Quadrate des Radius abnehmen um Beträge, welche von zweiter
Ordnung unendlich klein sind. Auch elektrische Transversal-
komponenten können auftreten, diese werden radiale Richtung
haben und mit der Entfernung von der Achse des Strahles zu-
nehmen, bleiben aber ebenfalls von zweiter Ordnung klein. Der
elektrische Wirbel, welcher hiedurch gegeben ist, umkreist die
Strahlachse, ist der Entfernung von der Achse gerade pro-
portional und von zweiter Ordnung unendlich klein.
Nach der Grundgleichung (B) müssen also in diesem
Strahle magnetische Schwingungen m vorhanden sein, welche
diesem elektrischen Wirbel rot c proportional und gleich-
gerichtet sind, also wie dieser in peripherer Richtung die Achse
umkreisen und dem Abstände von derselben gerade proportio-
nal sind. Der magnetische Wirbel hat dann longitudinale
Richtung und im ganzen Querschnitte konstante Größe. Der
ganze Querschnitt des elektrischen Longitudinal-
strahles ist also von longitudinalen Stromschwin-
gungen rotut erfüllt, deren Größe bis auf Größen dritter
Ordnung von der Entfernung von der Achse unabhängig ist.
Es genügt deshalb, diese Slromschwingungen in unmittel-
barer Nähe der Achse genau zu berechnen. Da der elektrische
Wirbel dem Abstände von der Achse proportional und in
größerer Entfernung von derselben immer noch von zweiter
Ordnung klein ist, so ist er in unmittelbarer Nähe der Achse
von dritter Ordnung unendlich klein. Das gleiche gilt also auch
für die magnetischen Schwingungen m in dem betrachteten,
unendlich dünnen, axialen Strahlbündel. Alle Glieder der Glei-
chung (B) sind sonach verschwindend klein und diese braucht
also nicht berücksichtigt zu werden. Selbstverständlich liegt
darin kein Widerspruch, daß in dem dünnen Strahlbündel m
von dritter Ordnung klein, rot vx aber wie in dem ganzen Strahl
von zweiter Ordnung klein ist, da sich nach dem Stokes*schen
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 45 1
Satze rot nt zu m wie der Umfang zu dem Querschnitte des
unendlich dünnen Bündels verhält.
Da in diesem die elektrischen Schwingungen bis auf
Größen dritter Ordnung konstant sind, bestimmen sich die
Schwingungen der stofflichen Variablen e und y nach den
linearen Grundgleichungen (C) und (E) oder (C) und (E') bis
auf Größen dritter Ordnung sowie bisher durch die Amplituden-
gleichungen (48) und (52), welche allerdings nur für gedämpfte,
aber nicht abklingende Strahlen berechnet wurden. Wir haben
es aber auch nicht nötig, abklingende Strahlen zu betrachten.
Es sind also alle Grundgleichungen erfüllt bis auf (A),
welche Gleichung wir auf folgende Form bringen:
[8o+8^. — - + (— T- +T)-(eo+eO=^<^o rotilt, (97)
ot ^ 2 0* '
worin die Variablen:
d. h. die Schwingungen des elektrischen Vektors, der dielek-
trischen Dyade und der Leitfähigkeit bekannt sind.
Aus dieser Gleichung bestimmt sich also die gesuchte
Stromdichte rot m, womit das Problem gelöst ist, weil die so
für das unendlich dünne axiale Strahlbündel berechnete Strom-
dichte in dem ganzen endlichen Querschnitte des elektrischen
Longitudinalslrahles denselben Wert hat.
11. Ladende Wirkung der elektrischen Longitudinalstrahlen.
52. Aus Gleichung (97) ersieht man, daß, wenn sich nicht
etwa die Glieder zweiter Ordnung auf der linken Seite bei der
Mittelbildung ganz wegheben, auch ein konstanter, nicht ab-
klingender, ja sogar ein ungedämpfter Longitudinalstrahl
ladende Wirkung haben muß.
Wenn wir unser durch (46), (48) und (52) bestimmtes
Integral in Gleichung (97) einsetzen, so heben sich die Glieder
erster Ordnung weg und es bleibt:
r rot m ^ s'. — + f— — 4-t) -e'. (98)
452 G. Jaumann,
Hierin ist für den Querschnitt n-r = 0;
e' =^ Ci sin a,
e' ^ Sj sin an-Sg cos a, a = — ^ /
7 =^ Yi sin a+T2 cos a.
Setzt man dies in (98) ein, so ergibt sich:
c^rotm=^(^e2+ — Tj-e,4-(-^Si + — TJ-CiSin2a+
+ [-—h Ti)*«i cos2oL (99)
\ 2t 2 '
Die longitudinale Stromdichte rotm führt also Schwin-
gungen von der doppelten Schwingungsdauer als die
übrigen Variablen des Strahles aus. Diese Stromschwingungen
sind aber unwichtig, da sie wechselnde Ladungen, also im
Integral keine Ladung bewirken.
Außer diesen Schwingungen hat die Stromdichte rotut in
einem elektrischen Longitudinalstrahl noch den von der Zeit
unabhängigen Anteil £:
Ein elektrischer Longitudinalstrahl wird also
notwendig von einem konstanten Strome begleitet
und hat deshalb entsprechende ladende Wirkung.
Die Stromdichte hat unabhängig vom Abstände von der Achse
des Strahles in dessen endlichem Querschnitte nach §51 überall
denselben Wert, vorausgesetzt, daß auch die elektrische Ampli-
tude desselben im ganzen Querschnitte konstant ist.
Der Strahl geht von der strahlenden Fläche bis zu der
bestrahlten Fläche und ebenso der den Strahl begleitende
magnetische Wirbel. Dieser muß aber bekanntlich aus geo-
metrischen Gründen geschlossen sein, der den Strahl begleitende
Strom muß also durch gewöhnliche Leitungs- oder Verschie-
bungsströme geschlossen sein, welche von der bestrahlten
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 453
Fläche zur strahlenden Fläche meist weit außerhalb des Strahl-
weges zurückführen. Die beiden Flächen werden also entweder
durch den Longitudinalstrahl entgegengesetzt geladen und
ihre Ladung nimmt proportional der Zeit zu, oder wenn sie
teilweise leitend verbunden sind, so tritt in dem Schließungs-
draht der entsprechende Leitungsstrom auf.
Nach (80) ist aber:
so daß sich das Gesetz des Ladungsstromes, welcher alle elek-
trischen Longitudinalstrahlen begleitet, auch in der einfacheren
Form darstellen läßt:
2i^e,.e,i7i-er (101)
Jener Teil des Verschiebungsstromes, welcher her-
rührt von den elektrischen Schwingungen c^ und den ym eine
Viertelwellenlänge verschobenen Schwingungen der dielek-
trischen Dyade, welche die Amplitude e, haben, hat in aufein-
anderfolgenden halben Wellenlängen, da er das Produkt
zweier gleichphasiger Schwingungen ist, gleiches Vorzeichen,
er hat den maximalen Wert ^2'^v ^^^o den Mittelwert
— ßa-tj. Dieser Verschiebungsstrom bestimmt also
den ganzen Ladungsstrom, welcher den Kathodenstrahl
begleitet. Derselbe ist übrigens nach (101) gerade doppelt so
groß als der Mittelwert des Leitungsstromes -;^Ti*^i-
Nach (88) erhält man für allgemeine Longitudinalstrahlen:
g j^ hP^. c? n =^ — f-^ 4- 1\ (102)
1— sr ^ 1-4-52 Co ^
und nach (89) speziell für Kathodenstrahlen:
£^-— i^l-c^tt^-— ''^— e2. (103)
x-a^ -z^p Co
454 G. Jaumann,
Der Ladungsstrom der Kathodenstrahlen hat
also die gleiche Richtung wie die elektrostatische
Feldstärke t^ und somit die entgegengesetzte Rich-
tung wie die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Strahles. Jene Fläche, auf welche der Strahl auffällt,
wird negativ geladen.
Ferner ist derselbe desto größer, je kleiner die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit dieser Strahlen ist, übrigens dem
Quadrate der Amplitude e^ der elektrischen Schwingungen pro-
portional -und bei Kathodenstrahlen kleiner Wellenlänge aus-
giebiger als bei langsamer schwingenden Kathodenstrahlen.
Dies ist ein großer Erfolg der Undulationstheorie der
Kathodenstrahlen. Gerade die ladende Wirkung der Kathoden-
strahlen schien vielen Physikern zu Gunsten der Elektronen-
theorie zu entscheiden. W. Wien sagt 1897:^ »Wenn die
Kathodenstrahlen Vorgänge im Äther sind, können sie keine
Ladung erzeugen, denn welcher Art man sich diese Zustände
auch denken möge, so haben wir doch an der allgemeinen An-
schauung festzuhalten, daß das elektrische Quantum nur in
Verbindung mit einem ponderablen Träger vorkommen kann
und daß es nicht durch Vorgänge im Äther erzeugt oder ver-
nichtet werden kann«. Was hier als nach der allgemeinen
Anschauung undenkbar bezeichnet ist, hat meine Theorie
geleistet.
53. Das Kathodengefälle. Da wir nun die ladende
Wirkung der Kathodenstrahlen kennen, so kann versucht
werden, die Ausbildung des starken Potentialgefälles an der
Kathode, welches doch nur eine Folge der ladenden Wirkung
der Kathodenstrahlen sein kann, zu berechnen.
Wenn die Kathode negativ geladen ist, ohne daß noch
durch zugeleitete Drahtwellen Kathodenstrahlen angeregt
werden, so ist ihr statisches Feld, weil die Kraftlinien desselben
meist ein wenig divergieren werden, in der Nähe der Kathode
ein wenig stärker als in größerer Entfernung von derselben.
Wenn man nun Kathodenstrahlen anregt, so verlaufen die-
selben in der Nähe der Kathode in einem etwas stärkeren Feld
1 Verhandl. d. phys. Ges. zu Berlin, 1897, p. 165.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 455
und führen also nach (103) einen schwächeren Ladungs-
strom mit sich. In größerer Entfernung von der Kathode finden
sie ein schwächeres Feld und flihren deshalb einen stärkeren
Ladungsstrom mit sich.
Dieser Unterschied des Kathodenraumes und des kathoden-
fernen Feldes wird anfänglich sehr klein sein, aber er muß sich
mit Notwendigkeit bei längerer Dauer der Strahlung bis ins
Extreme verstärken.
Der Ladungsstrom hat negative Richtung, d. h. er trans-
portiert in der Strahlrichtung negative Ladung. Da er in der
Nähe der Kathode etwas schwächer ist als in größerer Ent-
fernung, so muß sich die mittlere Schicht des Mediums positiv
laden. Dies verstärkt aber den Unterschied der statischen Feld-
stärke Co vor und hinter der positiven Schicht. Im Kathoden-
raum entsteht ein stärkeres Potentialgefälle, im kathodenfernen
Feld ein schwächeres Potentialgefälle. Damit wird der Ladungs-
strom im Kathodenraume noch schwächer, im kathodenfernen
Strahle noch stärker, so daß sich die positive Mittelschicht
rasch weiter ladet, was den Unterschied stets weiter verstärkt.
Eine Grenze wird diesem Prozesse bei andauernder Strah-
lung erst gesetzt, wenn die positive Mittelschicht so stark
geladen ist, daß zufolge mangelhafter Isolation derselben sich
Leitungs- oder Entladungsströme ausbilden, welche der auf-
ladenden Wirkung der Kathodenstrahlen schließlich stationär
das Gleichgewicht halten. Kommt diese sekundäre Ableitung
nicht in Betracht, so erreicht dieser Prozeß erst ein Ende, wenn
die Feldstärke in dem kathodenfernen Felde so sehr gesunken
ist, daß sie nicht mehr gegen die Amplitude e^ des Kathoden-
strahles sehr groß ist. Dann gelten die Voraussetzungen
unserer Rechnung nicht mehr. Der Kathodenstrahl tntt dann
beim Passieren der positiv geladenen, scharf entwickelten
Grenzschicht plötzlich aus einem starken elektrostatischen
Feld in ein sehr schwaches oder ganz unelektrisches Feld.
Dieser Fall wurde in § 46 erörtert. Der Strahl tritt ohne große
Geschwindigkeitsänderung und ohne Änderung seiner Ampli-
tuden Yj und Cj, oder doch ohne Änderung seines mitgeführten
Ladungsstromes Yi • t^ durch die Grenzschicht, ohne sie weiter-
hin beträchtlich aufzuladen oder zu erwärmen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CX\1. Bd., Abt. IIa. 30
456 G. Jaumann,
Das starke Potentialgefalle im Kathodenraum und das sich
unmittelbar anschließende sehr schwache Potentialgefalle im
kathodenfemen Felde, welche sonach befriedigend erklärt sind,
bilden einen verläßlichen Beweis, daß die ladende Wirkung der
Kathodenstrahlen, so wie es Gleichung (103) verlangt, desto
stärker ist, je schwächer das elektrostatische Feld ist, voraus-
gesetzt, daß letzteres immer noch viel größer ist als die Ampli-
tude Cj des Strahles.
54. Der Kathodendunkelraum. Nach § 45 muß die
Lumineszenz des durchstrahlten Gases desto stärker sein, je
größer die Schwingungen der Leitfähigkeit cet. par. sind, denn
aus der Größe dieser Schwingungen kann man auf die Größe
der sie verursachenden chemischen Schwingungen schließen,
welche das blaue Lumineszenzlicht exzitieren.
Beide Amplituden f^ und y^ der Schwingungen der Leit-
fähigkeit Y sind aber nach (89) der Feldstärke verkehrt
proportional.
In demselben Kathodenstrahl (also bei gegebener Ampli-
tude Ci und Schwingungsdauer) wird also die blaue Lumines-
zenz sehr verschieden sein je nach der Stärke des elektro-
statischen Feldes, welches er durchstrahlt. In dem Kathoden-
raume wird der Strahl der bedeutenden Stärke des Feldes Cq,
d. i. des Potentialgefälles wegen nur sehr wenig lumineszieren,
der Kathodenraum bleibt dunkel, obgleich er offenbar
ebenso intensiv durchstrahlt ist als das kathodenferne Feld.
Beim Passieren der scharf entwickelten, positiv geladenen
Grenzschicht kommt der Strahl plötzlich in das schwache
kathodenferne Feld, muß also plötzlich von da ab stark blau
lumineszieren. Hiemit ist erklärt, daß sich das blaue Kathoden-
licht auf das kathodenferne Feld beschränkt und scharf von
dem Kathodendunkelraum, welcher gleichzeitig der Raum des
starken Kathodengefälles ist, getrennt ist.
12. Energieflufi, Strahlrichtung und Wärmewirkung der
Longitudinalstrahlen.
55. In elektrischen Longitudinalstrahlen, deren Amplitude
im ganzen Querschnitt einigermaßen konstant ist, kommen
keine magnetischen Schwingungen vor, welche von gleicher
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 457
Größenordnung mit den elektrischen Schwingungen wären,
stets vorausgesetzt, daß kein starkes magnetisches Feld m^
vorhanden ist. Es ist also kein Poynting'scher Energiefluß vor-
handen und der Energiefluß dieser Strahlen ist ausschließlich
durch jenen Teil des elektromagnetischen Energieflusses
bestimmt, welchen wir in § 11 als Wärmestrom bezeichnet
haben, dessen Divergenz aber nur in kalten Metallen stets
Wärmeproduktion, in chemisch leicht veränderlichen Medien
aber auch chemische Energieänderungen bestimmt.
Die Größe des Energiefiusses wird durch Gleichung (8),
§11, bestimmt. Der mittlere Energiefluß ^m der Longitudinal-
strahlen ist:
»m^E„,t^—Botit (104)
4
oder
8„ = -Li<>^ef?o. (105)
4 "4
Der mittlere Energiefluß ist gleich der auf die Zeit- und
Querschnittseinheit des Strahles bezogenen Wärmemenge
(in mechanischem Maße), welche ein bestrahlter Körper ge-
winnt, so daß wir auch über die Wärmewirkung der Longi-
tudinalstrahlen unterrichtet sind.
Ober die Richtung des Energieflusses sind wir aber
hiedurch nicht unterrichtet und diese ist sehr wichtig, weil sie
die Strahlrichtung bestimmt, die insbesondere, wenn der
Longitudinalstrahl schief gegen die elektrostatische Feld-
stärke Co fortschreitet, nicht mit der longitudinalen Richtung,
d. i. die Richtung der Wellennormalen zusammenfallen müßte.
Dies kann durchaus nicht anders entschieden werden, als
indem das Nahewirkungsgesetz aufgefunden wird, welches den
Energiefluß unabhängig als Funktion der Feldvariablen
bestimmt. Dieses Gesetz haben wir in Gleichung (25), § 23,
ausgesprochen und wollen es nun prüfen. Dasselbe lautet:
V-V,ö,=^i— -(t-c). (106)
Ol
30*
458 G. Jaumann»
Nun ist durch diese Differentialgleichung allerdings der
Energiefluß 1^1 nicht völlig bestimmt, wohl aber sein Mittel-
wert d^w im Strahle, auf welchen es allein ankommt. Wir dürfen
deshalb in dieser Gleichung alle Glieder vernachlässigen, welche
dem statischen Felde angehören, ferner auch jene, welche von
erster Ordnung unendlich klein sind, weil diese im Zeitintegral
über die Schwingungsdauer bei einem rein periodischen Strahle
sich aufheben, endlich vernachlässigen wir gleich noch alle
Glieder, welche von zweiter Ordnung unendlich klein sind, aber
sich im Zeitintegral aufheben. Dann können wir setzen:
T*^ — Ti'ti sin^a,
«1 ^ 2»ni sin« a . . . V. Vy«. ^ — ^^ «^ sin« a.
Der mittlere Energiefluß eines elektrischen Lon-
gitudinalstrahles hat also den nach Größe und Richtung
völlig bestimmten Wert:
Er ist dem Ladungsstrome proportional, welcher nach
(101) gleich Yi*ti ist, hängt aber ferner vom Quadrate der Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit ab.
Die Wärmewirkung der Kathodenstrahlen, welche durch i9w
bestimmt ist, ist aber erfahrungsgemäß einigermaßen (mit Ab-
weichungen von 5 bis 157J dem Produkte der Potentialdiffe-
renz des Dunkelraumes und des Ladungsstromes proportional.
Würde dies genau gelten, so würde daraus folgen, daß die
Wärmewirkung der Kathodenstrahlen beim Auftreffen auf die
Glaswand nicht erkauft wird durch eine entsprechende Ab-
kühlung des Kathodendunkelraumes, sondern durch die Strom-
arbeit, also von außen her, geliefert wird, was ja an sich sehr
wahrscheinlich ist.
Da c« in Gleichung (107) ersetzt werden kann durch das
Quadrat des Kathodengefalles, so würde folgen, daß die Aus-
dehnung des Kathodendunkelraumes in der Strahlrichtung dem
Kathodengefälle Cq proportional ist, ein nicht unwahrschein-
liches Resultat.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 459
Nicht unwichtig ist, daß die Gleichung (107) mit der auf
völlig anderem Wege, nämlich aus (8), § 11, bestimmten Glei-
chung (105) präzise übereinstimmt, wenn man setzt:
z=-*-^. (108)
Es erfüllen also nur jene Kathodenstrahlen die Gleichung
(8), welche eine vom jeweiligen Druck abhängende bestimmte
Schwingungsdauer haben. Diese sind also wohl zur Strahl«
bildung besonders geeignet und dürften scharfe Schatten
werfen. Daß alle Kathodenstrahlen die Gleichung (8) präzise
erfüllen, ist nicht zu erwarten, weil diese Gleichung nur für
ungedämpfte Strahlen gilt.
Nun werde ich wohl, ohne einen Einwand fürchten zu
müssen, folgenden Satz aufstellen dürfen:
Die Strahlrichtung dm elektrischer Longitudinal-
strahlen steht bei Abwesenheit eines starken magne-
tischen Feldes oIq auf der Wellenfläche senkrecht,
gleichgültig, welchen Winkel diese mit der elektro-
statischen Feldstärke Cq einschließt.
13. Die Kanalstrahlen und Anodenstrahlen.
56. Wir kehren nun zu den allgemeinen Gleichungen
für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit c und Dämpfung x der
longitudinalen elektrischen Wellen (§ 40) zurück. E^ ist nach
(82) und (83):
und nach (81):
x=z-^±^. (110)
rs — 1
Die Dämpfungskonstante % muß, wenn sie positiv ist, eine
gegen 1 kleine Zahl sein, wenn die Strahlung als solche leicht
erkennbar sein soll und nur solche gut beobachtbare Strahlen
ziehen wir in den Kreis unserer Betrachtung.
460 G. Jaumann,
Die Werte r und s sind der Schwingungsdauer nach (77)
proportional:
*'=^^*' ^= T^- ^^''>
Die drei Materialkonstanten a,, a^ und/?, welche das Ver-
halten der elektrischen Longitudinalstrahlen im unmagnetischen
Felde völlig bestimmen, sind nach dem Verhalten der
Kathodenstrahlen, d. i. der langsam schwingenden Longi-
tudinalstrahlen (§ 43, 44 und 52) als sehr grofie, durchaus
negative Werte erkannt worden.
Außer den langsam schwingenden Kathodenstrahien
werden aber auch alle sehr rasch schwingenden Longi-
tudinalstrahlen wenig gedämpft, also leicht beobachtbar
sein und die Eigenschaften dieser Strahlen wollen wir nun
berechnen.
Für Strahlen hinreichend kleiner Schwingungs-
dauer t sind r und 5 kleine Werte, so daß wir rs gegen 1
vernachlässigen können. Diese Strahlen haben also die Dämp-
fung:
« = — (s-^r). (112)
Da r und s negative Zahlen sind, so sind diese Strahlen
positiv gedämpft, d. h. ihre Amplitude wird in der Fortpflan-
zungsrichtung immer kleiner, sie verhalten sich also in dieser
Hinsicht ganz normal wie alle Strahlen, ausgenommen die
Kathodenstrahlen im Kathodengefälle.
57. Die Wellengeschwindigkeit der rasch schwin-
genden Longitudinalstrahlen ergibt sich nach (109), wenn
wir 5* gegen 1 vernachlässigen:
1
t^--a^t^, (113)
Da a^ negativ ist, pflanzen sich diese Strahlen stets in der
Richtung der positiven Feldstärke c^ oder in spitzem
Winkel zu derselben fort und müssen deshalb mit den Kanal-
strahlen und Anodenstrahlen identifiziert werden.
Die raschschwingenden Longitudinalstrahlen können von
der der Kathode gegenüberliegenden Glaswand gegen die
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 461
Kathode gehen und (wenn diese durchlöchert ist) durch sie
hindurch in das hinter ihr liegende Feld^ vorausgesetzt, daß in
diesem Felde die Feldstärke dieselbe Richtung hat wie vor der
Kathode oder daß hinter der Kathode die Feldstärke sehr klein
ist. Die so verlaufenden Strahlen wurden von Gold stein ent-
deckt und Kanalstrahlen genannt.
Diese raschschwingenden Longitudinalstrahlen können
aber auch von der Anode zu der dieser gegenüberliegenden
Glaswand gehen, ebenfalls in der Richtung der positiven Feld-
stärke, und dann nennt man sie Anodenstrahlen. Diese
wurden von Gehrcke und Reichenheim* in jüngster Zeit
entdeckt. Doch hätte ich sicher auch ohne Kenntnis dieser
Entdeckung die Möglichkeit dieser Strahlen behauptet.
58. Die ladende Wirkung der raschschwingenden Lon-
gitudinalstrahlen bestimmt sich nach (102) durch:
i^hP^itin^'-2B,p — ti. (114)
Der Ladungsstrom der Kanal- und Anodenstrahlen
hat hienach die gleiche Richtung wie ihre Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit und wie die elektro-
statische Feldstärke t^. Jene Fläche, auf welche
diese Strahlen auffallen, wird positiv geladen. Dies
stimmt vortrefflich mit den Tatsachen.
59. Der mittlere Energieinhalt Em der Kanal- und
Kathodenstrahlen ist nach Gleichung (92) :
Em= le,(H-2a,tt.eo)e2. (115)
4
Nach (113) ist aber:
also ergibt sich merkwürdigerweise:
£m=— — eoef. (116)
4
^ Veiliandl. d. Deutschen phys. Ges., Bd. VlII, p. 559.
462 G. Jaumann,
Der Energieinhalt dieser Strahlen ist wesentlich
negativ.
Das Energieprinzip fordert nach Gleichung (8), § 11, daß
n*»^ = E„,. (117)
Wenn also der Energie inhalt eines Strahles negativ ist, so
muß der Energiefluß ^m desselben mit der Fortpflanzungs-
geschwindigkeit einen stumpfen Winkel einschließen. Da
nach § 55 der Energiefluß sämtlicher Longitudinalstrahlen
longitudinal ist, so muß er in den Kanal- und Anodenstrahlen
genau entgegengesetzt der Fortpflanzungsgeschwindigkeit
sein.
Man kann aber ferner nach (107), also auf ganz anderem
Wege, den Energiefluß der Kanal- und Anodenstrahlen direkt
berechnen. Derselbe ist nach (107) für Kathodenstrahlen und
somit für alle Longitudinalstrahlen von wesentlich entgegen-
gesetzter Richtung als der Ladungsstrom:
2
Nach (1 14) folgt noch ausführlicher für Kanal- und Anoden-
strahlen:
k
Es muß also:
2pa^
und es ergibt sich, daß alle Kanal strahlen, von der größten
Schwingungsdauer bis zur Schwingungsdauer Null die Glei-
chung (8) oder (117) dem Vorzeichen und der Größe nach
genau erfüllen, so daß über Vorzeichen und Größe ihres
Energieflusses kein Zweifel bestehen kann. Am einfachsten ist
es, diesen Schluß auf die Richtung des Ladungsstromes 2 zu
gründen. Da dieser in den Kanal- und Anodenstrahlen die
Richtung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit hat, so hat der
Energiefluß dieser Strahlen wirklich nicht die Richtung des
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 463
Strahles, sondern die genau entgegengesetzte, was vom Stand-
punkte der Strahlungstheorie durchaus zulässig ist.
Jedoch möchte ich daraus schließen, daß die Kanal- und
Anodenstrahlen, soweit sie im starken elektrostatischen Felde,
also in ihrem Emissionsraume, verlaufen, und dies ist ja die Vor-
aussetzung unserer Rechnung, ebenso wie die Kathoden-
strahlen im Kathodengefälle dem Medium Energie ent-
ziehen, welche durch äußere Zufuhr ersetzt werden muß. Die
Kathodenstrahlen tun dies, obwohl sie positiven Energie Inhalt
haben, weil sie negativ gedämpft sind (vergl. § 43). Die Kanal-
und Anodenstrahlen verhalten sich ebenso, obwohl sie positiv
gedämpft sind, weil sie negativen Energieinhalt haben.
Daß letzteres wirklich der Fall ist, kann man sehr anschau-
lich machen, wenn man die mechanischen Wirkungen dieser
Strahlen betrachtet.
60. Die mechanischen Wirkungen bestimmen sich nach
§ 47 durch die MaxwelKsche Spannungsdyade, welche
geradeso wie die Energie sich durch ein Produkt des Vektors
€•€ mit dem elektrischen Vektor c darstellen läßt (vergl. Glei-
chung 93). Da der Energie Inhalt negativ ist, so hat auch die
Spannungsdyade notwendig das umgekehrte Vorzeichen und
es müssen also die mechanischen Wirkungen der Kanal- und
Anodenstrahlen gerade umgekehrt wie jene der Kathoden-
strahlen sein und dieses kann nur dann eintreten, wenn der
Energieinhalt negativ ist. Einige dieser mechanischen Wir-
kungen sind aber deutlich und rein zu beobachten.
Da in den rasch schwingenden Strahlen e^ merklich von
Null verschieden ist, bestimmt sich die Spannungsdyade
nach (94) etwas kompliziert, beschränken wir uns aber auf
Kanal- und Anodenstrahlen, welche in der Richtung Zq fort-
schreiten und senkrecht auf eine Fläche fallen, so verhält sich
die Kraft, welche sie ausüben, zu jener, welche Kathoden-
strahlen ausüben würden, wie die Energie inhalte dieser
Strahlen, also wie — 3 zu 1. Die Kanalstrahlen müssen also
einen verhältnismäßig großen, aber immer noch nicht rein
beobachtbaren Druck auf die bestrahlte Fläche ausüben.
Sehr wichtig ist hingegen die mechanische Wirkung auf
das durchstrahlte verdünnte Gas.
464 G. Jaumann,
Die Kraft pro Volumseinheit, welche dieses erfährt, ist
nach (95) und (115):
V.8«^ — — eo%nc2(l-h2öiit.Co).
t
Also wenn wir z. B. nur Kanal- und Anodenstrahlen be-
trachten, welche in der Richtung Cq fortschreiten:
Diese Kraft hat also stets dieselbe Richtung wie die
Strahlung und sie erzeugt Beschleunigungen des verdünnten
Gases, welche oft größer als 10*^w/sec^ sein dürften. Diese
Strahlen werden also von heftigen Strömen des ver-
dünnten Gases begleitet, so daß mitgerissene leuchtende
Dämpfe den Dopplereffekt zeigen.
Die Kanal- und Anodenstrahlen erzeugen an sich nach
§ 54 ebenso wie die Kathodenstrahlen eine Lumineszenz des
durchstrahlten Gases. Die Kanalstrahlen, welche von der Glas-
wand gegen die Kathode gehen, sind aber kaum sichtbar,
da auch die Strömung des verdünnten Gases, welche sie be-
gleiten muß, keine leuchtenden Salzdämpfe führt. Dort, wo
diese aber auf die Kathode aufprallt, wirbelt sie die Natrium-
dämpfe auf und es entsteht die gelb leuchtende Schicht an der
Kathode. Hat diese ein Loch, so dringen nicht nur die Kanal-
strahlen hindurch, sondern auch der sie begleitende Gasstrom,
welcher jetzt ziemlich viel Salzdämpfe aufgenommen hat, so
daß das schwach blau lumineszierende Kanalstrahlenbündel
nun hinter der Kathode eine Strecke weit von einer mattgelben
Flamme begleitet wird.
Noch viel günstiger liegen die Verhältnisse bei den Anoden-
strahlen. Gehrcke und Reichenheim regen dieselben in der
Wehnelt'schen Weise durch glühende Salze an, mit welchen
die Anode überzogen ist. Diese kräftigen Anodenstrahlen müssen
von einem starken Strome des verdünnten Gases begleitet sein,
welcher ebenfalls von der Anode ausgeht und deshalb große
Mengen leuchtender Salzdämpfe mitreißt. Tatsächlich be-
schreiben die Beobachter die Anodenstrahlen als leuchtende
I
I
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 465
Fackeln, deren Farbe und Spektrum durch das auf der Anode
glühende Salz bestimmt wird.
14. Elektrostatische Ablenkung der Kathodenstrahlen und
Kanalstrahlen.
61. Es wurde in § 55 nachgewiesen, daß der Energiefluß
der elektrischen Longitudinalstrahlen longitudinal ist, d. h. auf
der Wellenfläche senkrecht ist, vorausgesetzt, daß kein magne-
tisches Feld nto vorhanden ist. Eine Richtungsänderung dieses
Energieflusses und damit des Strahles kann also nur dadurch
zu Stande kommen, daß sich die Wellenfläche dreht.
Es sei f der Flächenvektor eines kleinen Teiles der Wellen-
fläche. Dieser Vektor hat dieselbe Richtung wie die Wellen-
geschwindigkeit c in dem betrachteten Punkte des Feldes. Nach
einer kleinen Zeit 8/ hat sich dieses Stück der Wellenfläche um
die Strecke c8/ fortgepflanzt und dabei gedreht, so daß jetzt
der Flächenvektor den Wert f-t-8f hat, welcher übrigens bis
auf Größen höherer Ordnung sich nur durch seine Richtung
von dem ursprünglichen Werte f unterscheidet, so daß 8f nahezu
senkrecht auf f steht. Es dreht sich auch die Wellengeschwindig-
keit c und die Strahlrichtung mit und die Strahlen, welche die
Orthogonaltrajektorien des Systems der Wellenflächen sind,
werden im allgemeinen gekrümmt sein.
Wir haben den Krümmungsradius r^ des Strahles
zu berechnen, welcher durch das betrachtete Flächenelement
dringt. Rechnen wir den Krümmungsradius des Strahles von
dem Krümmungsmittelpunkt desselben aus positiv, so ist:
— =^ — xf— X8f). .(118)
h c8/ Vf 7
Die Änderung 8f der Größe und Richtung der Fläche f
wird durch die Verteilung der Geschwindigkeit c ihrer Punkte
bestimmt Nach einem von mir aufgestellten sehr verwendbaren
Integralsatze ^ ist:
'^* =ä=— f.Vxc
dt
1 Jaumann, Grundlagen der Bewegungslehre. Leipzig 1905, p. 254. —
Vergl. auch Ann. d. Phys., Bd. 19 (1906). p. 909.
466 G. Jaumann,
und somit:
-^^(jX(f.V:^C))xtt. (119)
Hiemit ist der Krümmungsradius des Strahles bestimmt,
denn die Verteilung der Wellengeschwindigkeit c ist als Funk-
tion der gegebenen Feldstärke Cq und der Richtung der Wellen-
fläche bekannt. Es ist nach (82) und (83):
c=^*eo, (120)
worin:
1+5«
fc -=. a. .
2(rs— 1)
Diese Beziehung ist allerdings nur abgeleitet worden für
ein gleichförmiges Feld Cq und für ebene Wellenflächen, aber
man darf dieses Resultat ebenfalls auf einen Teil eines un-
gleichförmigen Feldes übertragen, welcher hinreichend klein
ist und für jedes unendlich kleine Flächenelement einer ge-
krümmten Wellenfläche anwenden.
Wir nehmen der Einfachheit wegen an, daß die Wellen-
fläche an dem betrachteten Punkte kugelförmig gekrümmt ist,
und verlegen den Ursprung der Ortsmessung in ihren Krüm-
mungsmittelpunkt, von welchem aus wir den Ortsvektor r
zählen. Der Operator V wird definiert durch:
V-rJ=/ oder Vxr=^— 2/.
Mit Iq haben wir die Projektion von Cq auf die Wellen-
normale c bezeichnet. Da es nur auf die Verteilung der Wellen-
geschwindigkeit c in der betrachteten Wellenfläche ankommt,
in dieser aber die Vektoren c und x gleiche Richtung haben, so
können wir setzen:
c=^*(feo)Y (121)
und wir erhalten:
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 467
Nun ist:
V(t-Co)=^V.t.Co+V.eo-t=^eo-+V.eo-r
und:
Das mit dieser linearen Dyade behaftete Glied fällt bei der
nachherigen rotorischen Multiplikation mit -=- ganz weg. Es ist
also:
l.^k[jx ((fX(eo+V.c,.r)) X y)j X tt
und wenn wir uns nun auf die Betrachtung eines Punktes der
Wellenfläche beschränken, in welcher diese den Krümmungs-
radius tj hat, so können wir in (121) x^ statt des Ortsvektors r
setzen und erhalten schließlich :
(122)
oder:
J- i i (_L X Co) X tt + *(c X (Co j V.tt)) X «. (123)
Bei der Umgestaltung des zweiten Gliedes wurde berück-
sichtigt, daß Co ein Potential hat, also die derivierte Dyade c^yV
symmetrisch ist und daß c und x^ gleiche Richtung haben.
Aus (123) ersieht man, daß die Krümmung — der elek-
trischen Longitudinalstrahlen abhängt einerseits von der Krüm-
mung — ihrer Wellenfläche, andrerseits von der Ungleich-
st
fönnigkeit Cq^V des elektrostatischen Feldes, in welchem sie
fortschreiten, und daß diese beiden Einflüsse voneinander
unabhängig sind und sich einfach addieren. Wir können des-
halb diese beiden Einflüsse getrennt voneinander betrachten.
468 G. Jaumann,
Für Kathodenstrahlen hat, da man für diese 1 gegen rs
und s^ vernachlässigen darf, k den negativen Wert:
k=^^. (124)
Für Kanal- und Anodenstrahlen hat, da man für
diese rs und s^ gegen 1 vernachlässigen darf, k den positiven
Wert:
* = — — a,. (125)
2
62. Elektrostatische Ablenkungen im gleichför-
migen elektrischen Felde. In einem gleichförmigen elektro-
statischen Felde ist Co;V=^0 und der Krümmungsradius ti der
Strahllinie bestimmt sich also durch :
^ ^^^(^^Xt^Xn. (126)
Der Krümmungsradius der Strahlen ist also cet. par. dem
Krümmungsradius tg der Wellenfläche proportional und wech-
selt mit diesem das Vorzeichen. Strahlen mit ebenen Wellen-
flächen werden im gleichförmigen Felde selbstverständlich
gerade verlaufen.
Die Strahlen werden ferner desto stärker gekrümmt, je
kleiner ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist, denn n ist die
reziproke Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Ferner ist die Ab-
lenkung der transversalen ablenkenden elektrostatischen Kraft
proportional, sie ist nämlich desto stärker, je stärker das elektro-
statische Feld Cq ist und je größer der Sinus des Winkels
zwischen diesem und der Wellennormale ist und wechselt
auch mit diesem Winkel das Vorzeichen.
Wir wollen nun die hiedurch bedingten Erscheinungen im
einzelnen verfolgen.
63. Krümmung der Randstrahlen eines Kathoden-
strahl enbüschels. Wir betrachten die Fortpflanzung eines
dünnen Kathodenstrahlenbüschels in der Richtung der negativen
Feldstärke. Das Büschel möge aus einer planen oder etwas
konvexen Kathode austreten oder ein Lenard'sches Fenster
]
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 469
passiert haben. Jedenfalls sind dann die Wellenflächen von
Anfang etwas konvex, ihr Krümmungsradius hat also die Rich-
tung der Wellengeschwindigkeit. Nun wollen wir untersuchen,
ob diese anfanglich gegebene geringe Divergenz der Strahl-
richtungen dieses Bündels beim Fortschreiten desselben größer
oder kleiner wird.
Nach (126) ist:
i^+ifv (.27,
worin e^ die Projektion von e^ auf die Wellenfläche ist. Da
der axiale Strahl des Bündels in der Richtung — e^ fortschreiten
möge, ist für ihn Cq gleich Null und er bleibt also geradlinig.
Für alle Randstrahlen des Bündels ist e^ desto größer, je weiter
sie von der Achse abstehen, diese krümmen sich also desto
stärker. Die Projektion e^ hat, da Cq nach der konkaven Seite
der Wellenfläche gerichtet ist, die Richtung radial nach außen,
da aber k bei Kathodenstrahlen nach (124) negativ ist, so hat
der Krümmungsradius x^ der Randstrahlen die Richtung radial
nach innen und die Strahlen sind also nach außen konkav
gekrümmt, und zwar desto stärker, je schiefer sie gegen die
negative Feldstärke oder die Achse des Bündels verlaufen. Die
anfänglich vorhandene kleine Divergenz des Strahl-
bündels verstärkt sich also beim Fortschreiten des-
selben immer mehr, das Bündel nimmt immer größeren
Querschnitt an und seine Wellenflächen werden immer stärker
nach vorne konvex.
Ein von Anfang an schief gegen die negative elektro-
statische Kraft fortschreitendes dünnes Kathodenstrahlenbündel
krümmt sich ebenfalls nach außen, so daß der Winkel seiner
Fortschreitungsrichtung gegen die Richtung — t^ immer größer
wird, denn nach (127) ist auch der axiale Strahl dieses Bündels
nach außen gekrümmt. Der anfänglich kreisrunde Querschnitt
des Bündels vergrößert sich beim Fortschreiten und wird in
radialer Richtung länglich, weil die am meisten radial nach
außen verlaufenden Strahlen am stärksten gekrümmt werden.
Nimmt man aus einem Kathodenstrahlenbündel, das axial
symmetrisch in der Richtung der negativen Feldstärke verläuft,
470 G. Jaumann,
durch einen Schirm den zentralen Teil weg, so verlaufen doch
die übrigbleibenden Randstrahlen nach außen konkav. Das
gleiche gilt auch für zwei diametral gegenüberliegende Strahlen
dieses Büschels, wenn man diese allein bestehen läßt und die
anderen Strahlen dieser hohlen Strahlröhre abblendet Denn
immer noch sind beide Strahlen schief und symmetrisch gegen
die Feldstärke. Die beiden Strahlen scheinen also sich gegen-
seitig abzustoßen. Blendet man aber noch den einen derselben
ab, so kann die Selbststreckung (vergl.§ 6) des übrig bleibenden
Strahles zur Geltung kommen. Er ladet die Seite der Glaswand,
welche er trifft, stärker negativ, wird abgestoßen und streckt
sich. Damit ist die scheinbare Abstoßung zweier Ka-
thodenstrahlen, welche Crookes beschrieben hat, genügend
erklärt.
Wenn jedoch das Kathodenstrahlenbüschel von einer Hohl-
kathode ausgeht, so sind seine Wellenflächen anfanglich kon-
kav. Dann hat die Projektion Zq die Richtung radial nach innen,
da aber auch der Krümmungsradius der Wellenfläche nun ent-
gegengesetzte Richtung hat wie n, so ist der Krümmungsradius
der Strahlen t^ abermals radial nach innen gerichtet, die
Strahlen wieder nach außen konkav gekrümmt. Die anfanglich
vorhandene starke Konvergenz des Strahlbündels und der
Querschnitt desselben verkleinern sich so lange, bis weit außer-
halb des Krümmungsmittelpunktes der Hohlkathode die Strahlen
parallel geworden sind und das Bündel sich ungemein ver-
schmälert hat. Ist das elektrostatische Feld präzise gleich-
förmig, so bewahrt das Strahlbündel weiterhin seinen kleinen
Querschnitt und seine ebenen Wellenflächen. In Wirklichkeit
gelangt es jedoch bald über diesen toten Punkt. Die zentralen
Strahlen pflanzen sich spurweise rascher fort, weil doch das
Feld in der Achse stets am stärksten sein wird. Damit ist eine
spurweise Konvexität der Wellenfläche gegeben, welche sich
dann nach obigem rasch verstärkt
Alles dies stimmt trefflich mit der Beobachtung. Die Ver-
schmälerung des Strahlbündels einer Hohlkathode und die
federbuschartige sehr bedeutende Krümmung der Randstrahlen
desselben nach außen ist bekannt und wurde von mir u. a. mehr-
fach beschrieben und abgebildet. Diese Erscheinung darf nicht
]
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 47 1
verwechselt werden mit der Kreuzung von Kathodenstrahlen
großer Amplitude im Krümmungsmittelpunkte der Hohlkathode.
Diese Strahlen, welche den Crookes'schen Brennpunkt zeigen,
dürften auch verhältnismäßig kleine Wellenlängen haben,
denn sie werfen scharfe Schatten und sie dürften inkohärent
von den verschiedenen Punkten der Kathodenoberfläche
exzitiert werden. Die kohärenten Kathodenstrahlen kleiner
Amplitude, welche bei nicht allzu niedrigem Drucke durch
Zuleitung von Drahtwellen zu der Kathode angeregt werden,
verhalten sich in der berechneten Weise, sie kreuzen sich nicht
und werfen sehr unscharfe Schatten.
Die schmälste Stelle dieses von einer Hohlkathode aus-
gehenden Strahlbüschels bildet sehr oft einen langen, dünnen
Stiel, welcher den Teil, in welchem die Wellenflächen konkav
sind, mit dem entfernteren Teile des Strahlbüschels, in welchem
die Wellenflächen konvex sind, verbindet. Dieser Stiel sitzt
sogar meistens unmittelbar auf der Kathodenoberfläche auf, so
daß also der Teil des Büschels, in welchem die Wellenflächen
konkav sind, meist ganz unterdrückt ist. Ich werde deshalb
im folgenden nur solche Strahlen betrachten, deren Wellen-
flächen nach vorne konvex oder eben sind, denn alle Versuche
über elektrostatische Ablenkung wurden mit solchen Strahlen
gemacht.
64. Elektrostatische Ablenkung divergenter Ka-
thodensirahlen .im gleichförmigen elektrostatischen
Felde. Die grundlegenden Versuche, welche die elektrosta-
tische Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen entgegen der damals
allgemeinen Überzeugung bewiesen haben, rühren von mir
her.^ Sie nehmen auch in allen anderen Beziehungen gegenüber
den späteren bestätigenden Experimenten von J. J. Thomson
und W. Wien eine Sonderstellung ein.
Zunächst möchte ich die weitverbreitete und auch von
unbefangener Seite ausgesprochene Ansicht widerlegen, als
wären meine Versuche nicht völlig rein oder nicht beweis-
kräftig.
1 Vcrgl. § 6.
Sitzb. d. mathem.-natunv. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 31
472 G. Jaumana,
Daß die Strahlen, welche ich abgelenkt habe, echte
Kathodenstrahlen sind, kann nicht bestritten werden und wird
nicht bestritten.
Daß diese Strahlen bei meinen Experimenten zufolge der
Ablenkung gekrümmt werden, wurde von E. Wiedemann
ohne triftige Gründe bestritten und dieser unberechtigte Ein-
wand von mir experimentell völlig widerlegt*
Da diese starke Krümmung der Kat hodenstrahlen von mir
durch Annäherung eines geriebenen Hartgummistabes von
außen erzielt wurde und ein geriebener Glasstab die umge-
kehrte Krümmung bewirkt, so ist dies eine elektrostatische
Wirkung auf die Kathodenstrahlen. Meine Experimente sind
also beweiskräftig.
Femer ist das Vorzeichen der elektrostatischen Ablenkung
der Kaihodenstrahlen, welche ich beobachtet habe, das um-
gekehrte, wie es aus der Emissions (Elektronen) theorie der
Kathodenstrahlen folgt und deshalb bilden meine Experimente
einen schlagenden Gegenbeweis gegen diese Theorie.
Begreiflicherweise behaupten also die Elektronentheo-
retiker, daß meine Versuche einen Fehler haben. Welchen
Fehler sie aber haben, hat keiner von ihnen gesagt. Im Gegen-
teile werde ich sogleich nachweisen, daß meine Versuche weit
überzeugender sind als die späteren von Thomson und Wien.
Daß erstere der herrschenden Theorie widersprechen, erklärt,
aber rechtfertigt es nicht, daß man selbst in historischen Refe-
raten das Verdienst meiner Versuche zu schmälern gesucht hat.
Die elektrostatische Ablenkung der Kathodenstrahlen war
bei meinen \'ersuchen eine vorübergehende Erscheinung.
Die Strahlen krümmen sich sofort bei Annäherung des ge-
riebenen Stabes, aber sie strecken sich sehr bald trotz der
dauernden Nähe des geriebenen Stabes wieder. Gerade dies
beweist die Reinheit meiner Versuche. Es ist eine sekundäre
Wirkung vorhanden, welche die elektrostatische Ablenkung der
Strahlen stört, nämlich die ladende Wirkung derselben,
zufolge deren die Glaswand des Rezipienten sehr bald, aber
nicht sogleich, eine solche Ladungsänderung erfährt, daß die
1 Wicd. Ann., Bd. 64 (1S98). p. 2ÖS.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 473
elektrostatische Wirkung des genäherten Stabes im Innern des
Rezipienten aufgehoben wird. Auf diese Erklärung dieser sekun-
dären Wirkung kommt aber nichts an. Sicher steht, daß sie
vorhanden ist, denn man kann mit dem Auge ihre Wirkung
verfolgen, man sieht, wie die anfangliche Ablenkung des
Kathodenstrahles trotz dauernder Nähe des ablenkenden Körpers
allmählich zurückgeht. Umso augenscheinlicher ist es, daß die
anfangliche Ablenkung des Kathodenstrahles eine reine elek-
trostatische Wirkung des genäherten geriebenen Stabes auf
den Kathodenstrahl ist. Ich fordere die Elektronentheoretiker
auf, zum Versuche der Verteidigung ihrer, wie ich glaube, un-
haltbaren Theorie bestimmt anzugeben, welche störende Ursache
die Richtung der elektrostatischen Krümmung der Kathoden-
strahlen bei meinen Versuchen beeinflußt haben könnte.
Von dem Werte der Versuche Thomson's und Wien's
bin ich überzeugt und will durchaus kein Bedenken erheben
oder andeuten, doch sind dieselben nicht reiner, sondern im
Gegenteile weniger vollständig und charakteristisch als meine
Versuche. Es handelt sich bei jenen Versuchen um Dauer-
ablenkungen der Strahlen durch innere Elektroden. Dauer-
ablenkungen, und gar solche durch innere Elektroden, lassen
aber nicht unterscheiden, was elektrostatische Wirkung und was
sekundäre Beeinflussung infolge der Entladungsvorgänge ist.
Dauerablenkungen der Kathodenstrahlen durch elektrostatischen
Einfluß und durch innere Elektroden wurden ja schon vor
30 Jahren von Gold stein beobachtet und niemand erkannte
dieselben als elektrostatische Wirkungen.
Man wird mit Recht darauf hinweisen, daß bei den Gold-
stein'schen Versuchen die Umkehrung der Ablenkung bei
Umkehrung der ablenkenden elektrostatischen Feldstärke nicht
aufgewiesen werden kann und daß erst diese Umkehrung den
Beweis der elektrostatischen Ursache der Ablenkung der Ka-
thodenstrahlen erbringt. Ganz richtig, aber dieser Beweis
rührt ausschließlich von mir her und ist ein Gegen-
beweis gegen die Elektronentheorie. Weil man die wahrhaft
elektrostatische Natur der Ablenkung an dieser Umkehrung
des Ablenkungssinnes erkennt, so sind meine Versuche be-
weisend. Sollte aber noch eine Nebenwirkung mitspielen, so
31*
476 G. Jaumann,
^ ^*(nx(ea;V.c))x«. (129)
«1
Die Ungleichförmigkeit des Feldes bestimmt den Wert der
derivierten Dyade tojV der Feldstärite. Der Vektor:
4^ieo!V.ci(cV)eo
dt
kann die partielle Derivation des Vektors Cq nach dem Vekor c
genannt werden. Er hat folgende anschauliche Bedeutung. In
einem mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit c des Strahles
im elektrostatischen Felde bewegten Punkte ändert sich der in
demselben jeweils vorhandene vektorische Wert von Cq um dt^
dt
in der Zeit dt und man bezeichnet —^ als die totale vekto-
dt
rische Fluxion von e^ in diesem bewegten Punkte. Diese
Fluxion Cq-V*c bestimmt nach (129) die Krümmung des
Strahles.
dtQ
Bezeichnen wir mit -=^ die Projektion dieser Fluxion auf
dt
die Wellenfläche, so ist nach (129):
J=*u8 -^- (130)
rj dt
Die Krümmung des Strahles ist also wieder cet. par. der
ersten Potenz der Fortpflanzungsgeschwindigkeit verkehrt pro-
portional. Die Krümmung des Strahles ist nicht nur dann Null,
wenn das Feld gleichförmig ist, sondern auch wenn die Strahl-
richtung gerade in eine Hauptrichtung der Dyade Cq^V fällt,
dt
weil dann -37- auf der Wellenfläche senkrecht steht.
dt
Bei den Versuchen von Thomson und Wien ist das
durch das Diaphragma tretende Kathodenstrahlenbündel sicht-
lich parallelstrahlig. In der Braun'schen Röhre, die allgemein in
Verwendung ist, kann man sehen, daß diese Strahlenbündel
auf einem sehr langen Wege sich kaum merklich verbreitern.
Gleich nach dem Durchtritte durch das Diaphragma geht
der Strahl zwischen zwei parallelen kleinen, innerhalb der
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 477
Vakuumröhre befindlichen entgegengesetzt geladenen Platten
hindurch, befindet sich also zunächst in einem gleichförmigen
elektrostatischen Felde und wird nicht abgelenkt. Sobald er
aber die ablenkenden Platten passiert hat, gelangt er in ein
transversales Feld von stets abnehmender Stärke. Die
Fluxion -^ ist also transversal gerichtet und da die trans-
versale ablenkende Kraft Cq von der positiven Seitenplatte weg
gerichtet ist und in der Strahlrichtung abnimmt, so ist 77
dt
gegen die positive Platte gerichtet, und da k in (130) negativ
ist, so ist der Krümmungsradius des Strahles von der positiven
Platte weggerichtet, derselbe verläuft konkav gegen die positive
Platte gekrümmt und diese scheint ihn also anzuziehen, wie
Thomson und Wien beobachtet haben.
Es besteht aber noch ein wichtiger Unterschied zwischen
meinen Versuchen und jenen von Thomson und Wien. Meine
Strahlen verlaufen im starken elektrischen Felde (Cq ungefähr
gleich 500 Volt pro cm\ hingegen ist in dem Räume hinter
dem Lenard*schen Fenster bei dem Wien'schen Versuche über-
haupt keine longitudinale elektrostatische Kraft vorhanden.
Man hat es also mit dem komplizierten Falle zu tun, in welchem
die Grundgleichungen in den abhängigen Variablen nichtlinear
sind (vergl. § 50). Sicher kann man nach meiner Theorie an-
nehmen, daß der Strahl, wenn die Platinfolie des Lenard*schen
Fensters ungemein dünn wäre und wenig reflektieren würde,
mit eben jener Geschwindigkeit, mit denselben Amplituden
und mit derselben ladenden Wirkung durch das Fenster treten
müßte, mit welcher er aus dem Emissionsfelde vor dem Fenster
anlangt. Es scheint mir auch sehr wahrscheinlich, daß die
Gleichung (130) für den Krümmungsradius des Strahles, welche
die longitudinale Feldstärke gar nicht enthält, auch für diese
Strahlen, die mit großer Geschwindigkeit transversal zur
elektrostatischen Kraft gehen, gilt. Immerhin befindet man sich
hier nicht mehr auf dem Boden der exakten Rechnung wie bei
der Deutung meiner Versuche.
66. Elektrostatische Ablenkung der Kanal- und
Anodenstrahlen. Für diese Strahlen hat die Konstante k
476 G. Jaumann,
^ ^-fe(nx(eo.V.c))xn. (129)
«1
Die Ungleichförmigkeit des Feldes bestimmt den Wert der
derivierten Dyade CpjV der Feldstärke. Der Vektor:
4^ieo5V.ci(cV)eo
dt
kann die partielle Derivation des Vektors Cq nach dem Vekor c
genannt werden. Er hat folgende anschauliche Bedeutung. In
einem mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit c des Strahles
im elektrostatischen Felde bewegten Punkte ändert sich der in
demselben jeweils vorhandene vektorische Wert von Cq um dt^
in der Zeit dt und man bezeichnet —t~ als die totale vekto-
dt
rische Fluxion von Cq in diesem bewegten Punkte. Diese
Fluxion Co-V*c bestimmt nach (129) die Krümmung des
Strahles.
d%
Bezeichnen wir mit -=- die Projektion dieser Fluxion auf
dt
die Wellenfläche, so ist nach (129):
=L*u8 ^. (130)
t^ dt
Die Krümmung des Strahles ist also wieder cet. par. der
ersten Potenz der Fortpflanzungsgeschwindigkeit verkehrt pro-
portional. Die Krümmung des Strahles ist nicht nur dann Null,
wenn das Feld gleichförmig ist, sondern auch wenn die Strahl-
richtung gerade in eine Hauptrichtung der Dyade eo?V fällt,
weil dann -rr auf der Wellenfläche senkrecht steht.
dt
Bei den Versuchen von Thomson und Wien ist das
durch das Diaphragma tretende Kathodenstrahlenbündel sicht-
lich parallelstrahlig. In der Braun*schen Röhre, die allgemein in
Verwendung ist, kann man sehen, daß diese Strahlenbündel
auf einem sehr langen Wege sich kaum merklich verbreitern.
Gleich nach dem Durchtritte durch das Diaphragma geht
der Strahl zwischen zwei parallelen kleinen, innerhalb der
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 477
Vakuumröhre befindlichen entgegengesetzt geladenen Platten
hindurch, befindet sich also zunächst in einem gleichförmigen
elektrostatischen Felde und wird nicht abgelenkt. Sobald er
aber die ablenkenden Platten passiert hat, gelangt er in ein
transversales Feld von stets abnehmender Stärke. Die
Fluxion -^ ist also transversal gerichtet und da die trans-
versale ablenkende Kraft Cq von der positiven Seitenplatte weg
~ Ao
gerichtet ist und in der Strahlrichtung abnimmt, so ist -~-
dt
geg^n die positive Platte gerichtet, und da ife in (130) negativ
ist, so ist der Krümmungsradius des Strahles von der positiven
Platte weggerichtet, derselbe verläuft konkav gegen die positive
Platte gekrümmt und diese scheint ihn also anzuziehen, wie
Thomson und Wien beobachtet haben.
Es besteht aber noch ein wichtiger Unterschied zwischen
meinen Versuchen und jenen von Thomson und Wien. Meine
Strahlen verlaufen im starken elektrischen Felde (Cq ungefähr
gleich 500 Volt pro cm), hingegen ist in dem Räume hinter
dem Lenard*schen Fenster bei dem Wien'schen Versuche über-
haupt keine longitudinale elektrostatische Kraft vorhanden.
Man hat es also mit dem komplizierten Falle zu tun, in welchem
die Grundgleichungen in den abhängigen Variablen nichtlinear
sind (vergl. § 50). Sicher kann man nach meiner Theorie an-
nehmen, daß der Strahl, wenn die Platinfolie des Lenard'schen
Fensters ungemein dünn wäre und wenig reflektieren würde,
mit eben jener Geschwindigkeit, mit denselben Amplituden
und mit derselben ladenden Wirkung durch das Fenster treten
müßte, mit welcher er aus dem Emissionsfelde vor dem Fenster
anlangt. Es scheint mir auch sehr wahrscheinlich, daß die
Gleichung (130) für den Krümmungsradius des Strahles, welche
die longitudinale Feldstärke gar nicht enthält, auch für diese
Strahlen, die mit großer Geschwindigkeit transversal zur
elektrostatischen Kraft gehen, gilt. Immerhin befindet man sich
hier nicht mehr auf dem Boden der exakten Rechnung wie bei
der Deutung meiner Versuche.
66. Elektrostatische Ablenkung der Kanal- und
Anodenstrahlen. Für diese Strahlen hat die Konstante k
478 G. Jaumann,
nach (125) einen positiven Wert und deshalb hat die elektro-
statische Krümmung der Kanal- und Anodenstrahlen durch
eine transversale ablenkende Kraft das umgekehrte Vorzeichen
wie für Kathodenstrahlen, wie dies zuerst von W. Wien kon-
statiert wurde.
Hingegen hat die Krümmung der Randstrahlen eines
Anodenstrahlenbüschels nach Gleichung (127) dasselbe Vor-
zeichen wie für Kathodenstrahlen, da in dieser Gleichung Iq
nicht die transversale ablenkende Kraft, sondern die Projektion
der Feldstärke auf die Wellenfläche ist. Da die Anodenstrahlen
im spitzen Winkel gegen die Feldstärke fortschreiten, hat Cq
in (127) umgekehrtes Vorzeichen als für Kathodenstrahlen und
da auch k umgekehrtes Vorzeichen hat, so muß sich auch die
Divergenz der Strahlen eines im starken elektrischen Felde
fortschreitenden Anoden Strahlenbüschels fortschreitend ver-
größern, die Randstrahlen verlaufen federbuschartig nach außen
konkav gekrümmt.
Stark divergente Anodenstrahlen im starken elektrostati-
schen Felde sollen, wenn sie sehr kleine Amplitude haben,
nach meiner Theorie von einem von außen genäherten gerie-
benen Hartgummistab abgestoßen, von einem Glasstab an-
gezogen werden, denn in Gleichung (128) hat tg^CQ das um-
gekehrte Vorzeichen wie für Kathodenstrahlen.
15. Longitudinale Strahlen in starken magnetischen Feldern.
67. Wir kehren nun zu den allgemeinen, für verdünnte
Gase geltenden elektrischen Amplitudengleichungen (74) zurück
und betrachten die Strahlung in einem Felde, in welchem außer
den elektrostatischen Kräften Cq auch starke statische magne-
tische Kräfte m^ gegeben sind. Dann sind longitudinale Strah-
lungen streng genommen nicht möglich, sondern jede im
wesentlichen longitudinale Strahlung in diesem Felde weist,
wenn auch verhältnismäßig kleine, so doch merkliche trans-
versale elektrische und magnetische Schwingungen auf. Die
überwiegende Größe der-longitudinalen Schwingungen bietet
aber einen Rechenvorteil, wir können die longitudinalen und
transversalen Schwingungen getrennt berechnen, was so ge-
schehen kann, daß man die Gleichungen (74, 1) und (74, 2)
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 479
einerseits mit c- skalar, andrerseits mit cx rotorisch multi-
pliziert So erhält man die vier Gleichungen:
SoC.ei+ai((pCi-4-(p'c2)-Co -0, (131, 1)
e^cxCi ^ux(ei + 2xc2)— ^3ii*(w/Ci+ft/c2)i«o=^0, (132, 1)
eoC-C2 + ^i(Tt2— T'ei).eo=:0, (131,2)
CoCxta ^ttx(c2— 2xei) — *8tt*(n;Ca — nft^m^^Q, (132,2)
Wo
Die Projektion der magnetostatischen Feldstärke vx^ auf
die Wellenfläche ist:
iiio=^— cx(ttxmo),
nur diese erscheint in diesen Gleichungen, die longitudinale
Komponente von vx^ hat keinen Einfluß auf die elektrischen
und stofflichen Schwingungen in der Welle, auch nicht auf
ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit und Dämpfung.
Die Konstanten w und «/ der Welle hängen nach (61)
und (62) von ihrer Schwingungsdauer ab. Es ist:
n/= io^f_JL + 2x^). (134)
Die Materialkonstante h^ ist ungemein groß, viel größer
als a^ weil, wie schon in § 35 erwähnt wurde, die diamagne-
tische Dyade erfahrungsgemäß sehr wenig von dem chemischen
Zustande des Mediums abhängt und also {t — (Iq auch in
Kathodenstrahlen stets äußerst klein bleibt. Die Schwingungen
der magnetischen Leitfähigkeit € sind aber keineswegs klein,
obwohl der Ruhewert dieser stofflichen Variablen Null ist. Des-
halb ist q ein Wert von gleicher Größenordnung wie h^.
Für die langsam schwingenden Kathodenstrahlen ist h^z
noch eine sehr große Zahl. Der kleinen Dämpfung wegen ver-
schwindet auch das zweite Glied von «/, was die Rechnung
480 G. Jaumann,
sehr vereinfacht. Es darf also für die Kathodenstrahlen
gesetzt werden:
^> *4 > (135)
Dies dürfte auch noch für die Anodenstrahlen und
Kanalstrahlen gelten, obwohl dieselben eine viel kleinere
Schwingungsdauer als die Kathodenstrahlen, aber wohl meist
eine größere als das Licht haben.
Wir dürfen uns ferner noch einige Vereinfachungen der
Rechnung gestatten. Die Dämpfung x der Strahlen ist jedenfalls
sehr klein, für Longitudinalstrahlen im unmagnetischen Felde
ist <p' = 0 und fg ^ 0 (siehe § 40).
Auch für Longitudinalstrahlen im magnetischen Felde
werden also x, cp' und Cj sehr kleine Werte haben und wenn wir
sie auch nicht selbst vernachlässigen dürfen, so dürfen wir
doch jedenfalls ihre Produkte miteinander vernachlässigen.
Wir vernachlässigen:
(p'Cg gegen tft^ ]
und > (136)
2x^2 gegen t^. J
Ferner haben wir schon in den Gleichungen (131) und
(132) %^ gegen 1 vernachlässigt. Diese nehmen hiedurch die
einfache Form an:
eoC-fi+a.^ti.Co^O, (137, 1)
e^cxei ^uxti— &3n-(wCi-4-n/c2)iiio=^0, (138, 1)
SoC • C8-4-ai((pe,— (p'Ci).Co = 0, (137, 2)
BoCxe^ o.„^(j^_2xej) — b^n*{fvt^^n/t^)mQ^O. (138,2)
Diese Gleichungen gelten nur für Longitudinalstrahlen.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 48 i
Femer können wir nach (135) in (138, 1) n/ gleich Null
setzen und erhalten:
(ßoC« ^) ttxe^— w>t.fi nio ^ 0. (139)
Diese Gleichung dient zur Bestimmung der transversalen
Komponente von e^, also jener transversalen Schwingung,
welche mit der longitudinalen gleichphasig ist. Es gibt aber
auch noch eine um eine Viertelwellenlänge verschobene
elektrische Schwingung in dem Strahle, welche transversal ist
und deren Amplitude Cg aus (138, 2) berechnet werden kann.
Man ersieht aus dieser Gleichung, daß Cg mit c^ und tt koplanar
ist. Die Ebene dieser Vektoren steht nach (138, 1) auf OTq senk-
recht, in dieser Ebene finden also die elliptischen Schwingungen
des elektrischen Vektors statt. Die Schwingungsellipse ist sehr
stark exzentrisch und ihre große Achse weicht wenig von der
longitudinalen Richtung ab, so daß der Strahl nahezu longi-
tudinal genannt werden kann.
Wenden wir die Rechenregel:
e^-Co = ti-CiC-Co+tixCi-cxeo
auf (139) an, so ergibt sich:
(soC*— -^)(ti-eo— cfiit-eo)— ^3n;c-Citito-(Jixeo) = 0, (140)
worin Mq die totale magnetische Feldstärke ist. Wir setzen:
3 (141)
hc'—^
und erhalten somit aus (137, 1):
c=^— e^^aj(pc.tt-(Co+25(eoxmo)). (142)
Der Wert z, welchem der Einfluß der magnetostatischen
Kraft auf den Strahl proportional ist, ist der Differenz der
Quadrate der Geschwindigkeit c des betrachteten Longitudinal-
strahles und der Lichtgeschwindigkeit c^Js/z^ verkehrt pro-
portional. Longitudinalstrahlen, deren Geschwindigkeit die
482 G. Jaumann,
Lichtgeschwindigkeit eben erreichen würde, würden also eine
ungemein große Einwirkung von Seite magnetischer Kräfte nto
erfahren, doch dürfte ihre Geschwindigkeit meist viel kleiner
sein.
Der Wert (p ist durch (75) bestimmt, hängt also von der
Dämpfung ab, welche im magnetischen Felde spurweise anderen
Wert hat als im unmagnetischen Felde. Dieser Unterschied ist
aber ganz unmerklich klein. Tatsächlich hängt für die von uns
ausschließlich betrachteten Strahlen sehr großer oder sehr
kleiner Schwingungsdauer, da man entweder 1 gegen rs und 5*
oder umgekehrt vernachlässigen darf, cp überhaupt nicht von
der Dämpfung ab. Es verschwindet x (s-hr) stets, und zwar im
ersten Falle gegen rs, im zweiten Falle gegen 1. Stets ist für
Kathodenstrahlen :
T =
^4
und für Anoden- und Kanalstrahlen:
h
Wir können also nach (124), beziehungsweise (125) all-
gemein schreiben:
cJ=*c;tt-(eo-4-2;(Coxmo)). (143)
16. Magnetische Ablenkung der Kathodenstrahlen, Anoden-
und Kanalstrahlen.
68. Magnetische Krümmung der Kathodenstrahlen.
Wir berechnen nun in derselben Weise wie in § 61 den Krüm-
mungsradius eines allgemeinen Longitudinalstrahles, jedoch für
den allgemeinen Fall, daß sich derselbe unter der gleichzeitigen
Wirkung eines starken statischen elektrischen Feldes c© und
magnetischen Feldes nto fortpflanzt.
Wir erhalten nun statt (121), da nun das Gesetz (143) für
die Wellengeschwindigkeit zu Grunde gelegt werden muß,
folgende Gleichung:
c=Lir.(Co+:j(Coxmo)) — . (144)
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 483
Wir haben also einfach in der ganzen Rechnung statt Cq
zusetzen (Co+2^(eo5<i»o))-
Man erhält also statt (123) für den Krümmungsradius r^
eines Longitudinalstrahles im allgemeinen Felde:
— - ^ *(— X Co) Xti+*(cx(Co?V.n))Xn+
+*25^— X(eoXiiio)) Xtt+A2(cx((eoXmo)?V.it))xit. (145)
Die ersten zwei Glieder sind dieselben wie in (123), stellen
also die eventuell gleichzeitig mit der magnetischen Ablenkung
eintretende elektrostatische Ablenkung der Strahlen dar. Das
dritte Glied bestimmt die magnetische Ablenkung von Strahlen,
deren Wellenfläche die Krümmung — hat im gleichförmigen
magnetischen Felde m^, das vierte Glied bestimmt die Krümmung
von parallelstrahligen Longitudinalstrahlen im ungleichförmigen
elektromagnetischen Felde.
Wir berechnen nun die magnetische Krümmung des
Strahles für den wichtigsten Fall, daß das elektrostatische
sowohl als das magnetostatische Feld gleichförmig sind und
daß der Strahl in der Richtung ±Cq fortschreitet, so daß keine
elektrostatische Ablenkung eintritt. Dann sind alle Glieder
in (145) Null außer dem dritten Gliede und dieses nimmt, da
nach (144):
. • 1
die einfache Form an:
i:
— h'
1 JL
'«•«0
(146)
Der Krümmungsradius t^ des Strahles ist also parallel der
Projektion (tQ^m^) des Vektors (Co^itto) auf die Wellenfläche,
der Strahl ist also in einer zur magnetischen Kraft
senkrechten Ebene gekrümmt, wie dies den Tatsachen
484 G. Jaumann,
entspricht. Das Vorzeichen der Krümmung wird durch das Vor-
zeichen von Zy also wh^ bestimmt, aus der beobachteten Rich-
tung der magnetischen Krümmung ergibt sich, daß
qb^b^< 0.
Die Größe der magnetischen Ablenkungen hängt
nach (133) einigermaßen von der Schwingungsdauer des
Strahles ab, so daß eine merkliche Dispersion stattfinden muß,
und wächst mit dem Werte 2j sehr stark, wenn sich die
Geschwindigkeit des Strahles der Lichtgeschwindig-
keit nähert.
Da erfahrungsgemäß die im unelektrischen Felde sich fort-
pflanzenden Kathodenstrahlen mit der Lichtgeschwindigkeit
vergleichbare Geschwindigkeiten haben, so werden sie beträcht-
lich magnetisch abgelenkt, obgleich sie meist wenig divergieren.
69. Magnetische Krümmung der Kanalstrahlen
und Anodenstrahlen. Ist ein elektrostatisches Feld Cq und
magnetostatisches Feld iWo gegeben, so pflanzen sich in dem-
selben Kathodenstrahlen in spitzem Winkel, Anoden- und
Kanalstrahlen in stumpfem Winkel zur negativen elektro-
statischen Kraft fort, für diese zwei Strahlenarten hat also Tg «Co
entgegengesetztes Vorzeichen und deshalb werden sie nach
(146) in entgegengesetzter Richtung magnetisch ab-
gelenkt, wie dies den Tatsachen entspricht.
Die Größe der magnetischen Ablenkung hängt aber von:
ab, man muß also schließen, daß p viel größer als a^ ist, so daß
die Kanalstrahlen eine weit geringere Fortpflanzungs-
geschwindigkeit c als die Kathodenstrahlen haben,
wodurch sich nach (146) ihre außerordentlich kleine
magnetische Ablenkung erklärt.
Da die Anodenstrahlen von Gehrcke und Reichenheim
in einem sehr starken elektrostatischen Felde fortsch ritten, ist
kein Grund abzusehen, warum ihre Fortpflanzungsgeschwindig-
keit, die nach (144) der Feldstärke proportional ist, ebenso
klein gewesen sein soll wie die der Kanalstrahlen. Im Gegenteil
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 485
ist ZU en-varten, daß diese Anodenstrahlen weit stärker
magnetisch ablenkbar sein mußten, und dies haben auch
Gehrcke und Reichenheim konstatiert, allerdings mit
einigem Widerstreben, weil es der Elektronentheorie wider-
spricht.
70. Magnetische Richtungsänderung der Longi-
tudinalstrahlen. Außer der Krümmung erfahren die Longi-
tudinalstrahlen aber noch eine Richtungsänderung zufolge
der transversalen magnetischen Kraft hIq. Es ändert sich näm-
lich zufolge des Vorhandenseins des magnetischen Feldes der
Energiefluß ^ der Strahlen, derselbe ist nicht mehr genau longi-
tudinal und also fällt auch die Strahlrichtung nicht mehr in die
Richtung der Wellengeschwindigkeit c. Dies hat aber keinen
merklichen Einfluß auf die oben berechnete Krümmung der
Strahllinien. Allerdings haben wir nur die Drehung der Wellen-
fläche, also die Krümmung der Vektorlinien der Wellen-
geschwindigkeit c berechnet, mit welchen die Strahllinien nicht
zusammenfallen. Doch schneiden sich diese zwei Kurven-
scharen in jedem kleinen Teile des Feldes unter konstantem,
sehr kleinem Winkel, den wir sogleich berechnen werden. Der
Krümmungsradius ist also bis auf Größen höherer Ordnung für
die Orthogonaltrajektorien der Wellenflächen ebenso groß und
nahezu ebenso gerichtet wie für die Strahllinien.
Im magnetischen Felde werden die elektrischen Longi-
tudinalstrahlen von transversalen magnetischen Schwin-
gungen begleitet, so daß der Poynting'sche Energiefluß nicht
Null ist. Derselbe ist im Mittel transversal gerichtet und dies
bedingt die Abweichung der Strahlrichtung von der Wellen-
normale.
Die Amplituden m^ und m^ der magnetischen Schwingungen
ergeben sich aus (55, 1) und (55, 2). Wir können die geringen
transversalen Anteile der elektrischen Schwingungen vernach-
lässigen und nur die transversalen magnetischen Schwingungen
berücksichtigen.
Dann ist:
486 G. Jaumann,
Der mittlere Poynting'sche Energiefluß ist also:
«'=^ 4^o(eiXt»i)=^ v('oC«— ^)^ef(ttxm,). (147)
Verglichen mit (146) ergibt sich, daß dieser transversale
Energiefluß allgemein genau die entgegengesetzte Richtung
hat wie der Krümmungsradius x^ der Strahllinie. Für Kathoden-
strahlen hat zwar tt die entgegengesetzte Richtung als Cq, dafür
ist aber auch t2'^o negativ. Für Kanal- und Anodenstrahlen
hat n die Richtung Cq, aber r^* c^ ist positiv.
Für Kathodenslrahlen verstärkt also die Ablenkung des
Strahles aus der Wellennormale die Ablenkung des Strahles
zufolge der Krümmung der Strahllinien. Für Kanal- und
Anodenstrahlen hat aber der longitudinale Energiefluß die ent-
gegengesetzte Richtung und deshalb gilt für diese das um-
gekehrte. Jedoch ist diese Abweichung aus der Strahlrichtung
aus der Wellennormale verhältnismäßig sehr klein.
Der longitudinale Energiefluß hat für Kathodenstrahlen
nach (104) den Wert:
4
Die Tangente des Ablenkungswinkels der Strahlrichtung
gegen die Wellennormale hat also den vektorischen Wert:
-?^=^2-^M(ttxttlo)xtt. (148)
71. Magnetische Torsion der Kathodenstrahlen.
Hingegen ist es ausschließlich diese für gewöhnlich kleine Ab-
lenkung der Strahlrichtung aus der Wellennormale, welche den
bekannten schraubenförmigen Verlauf von Kathoden-
strahlen erklärt, welche in einem sehr starken magnetischen
Felde ungefähr in der Richtung der magnetischen Feldstärke
oder in der gerade entgegengesetzten fortschreiten.
Der axiale Strahl eines Kathodenstrahlenbüschels verlaufe
genau in der Richtung ±i»o. Nach (147) weicht dieser nicht
von der Wellennormale ab. Die Randstrahlen dieses Büschels
divergieren aber, die Wellenflächen sind nach vorne konvex.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 487
Proportional ihrem radialen Abstände von der Achse vergrößert
sich also der Wert nxnto, weil der Winkel zwischen n und der
stets der Achse parallelen Feldstärke Mq wächst. Zufolge dessen
ist die Abweichung der Strahlrichtung der Randstrahlen aus
der longitudinalen Richtung nach (147) ihrem radialen Abstände
von der Achse proportional.
Die Richtung dieser Abweichung ist aber nach (147) peri-
pher, nämlich senkrecht auf der Richtung m^ der Achse des
Buscheis und auf der Wellennormale n des Randstrahles. Also
verlaufen die Randstrahlen in Schraubenlinien, deren Gang-
höhe für alle Randstrahlen gleich ist, während die Wellen-
normalen ein nicht tordiertes, federbuschartiges Büschel ebenso
wie bei Abwesenheit des magnetischen Feldes bilden.
Blendet man die axialen Strahlen und alle Randstrahlen
bis auf ein dünnes Bündel ab, so kann man dessen schrauben-
förmigen Verlauf leicht beobachten. Die Bedingungen für den
Verlauf desselben haben sich nämlich durch das Abblenden
der übrigen Strahlen nicht wesentlich geändert, da das elektro-
statische Feld nach wie vor der Achse parallel bleiben
dürfte.
72. Magnetische Dispersion der Kathoden- und
Kanalstrahlen. Die sämtlichen Wirkungen der magnetischen
Feldstärke auf die Longitudinalstrahlen sind dem Werte fv pro-
portional, welcher nach (135) mit Annäherung als eine Material-
konstante angesehen werden kann. Strenge genommen fet dies
aber nicht der Fall, sondern dieser Wert fv hängt nach (133) von
der Schwingungsdauer t des Strahles ab. Zufolge dessen
müssen alle magnetischen Ablenkungen der Longitudinalstrahlen
von ihrer Schwingungsdauer einigermaßen abhängen und
ein inhomogenes Strahlbündel erfährt bei der magnetischen
Ablenkung eine Dispersion, indem die Strahlen kleinerer
Schwingungsdauer stärker abgelenkt werden.
Das der Schwingungsdauer verkehrt proportionale Glied
des Wertes fv ist sehr charakteristisch, da es nicht nur die
Dispersion der magnetisch abgelenkten Kathodenstrahlen, son-
dern, wie weiter unten nachgewiesen wird, auch die Dispersion
der magnetischen Drehung der Polarisationsebene des Lichtes
und den ZeemanefTekt erklärt
Sitzb. d. matbem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 32
488 G. Jaumann,
17. Longitudinalstrahlen in Metallen.
73. In festen und flüssigen Stoffen ist im allgemeinen
weder a^ noch a^ Null, doch haben beide Materialkonstanten
oft sehr kleine Werte. In elektrisch doppelbrechenden Medien
ist dies aber nicht der Fall.
Bezüglich der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Longi-
tudinalstrahlen macht dies keinen wesentlichen Unterscliied
aus, es tritt nur an Stelle der Konstanten a^, falls a^ nicht Null
ist, die Konstante a^ + ^j. In elektrisch doppelbrechenden
Medien könnten hienach elektrische Longitudinalstrahlen recht
wohl fortschreiten. Sind dieselben aber Nichtleiter, so ist die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit dieser Strahlen verschwindend
klein, der Kleinheit der Konstanten p wegen. Die Dämpfung
derselben pro Wellenlänge ist nach (86) viel größer als im
Vakuum, und weil der kleinen Fortpflanzungsgeschwindigkeit
wegen die Wellenlängen ungemein klein sind, so werden die
Longitudinalstrahlen schon auf sehr kurzen Weglängen beim
Eindringen in feste oder flüssige Nichtleiter völlig bis zur Un-
merklichkeit gedämpft.
Anders aber in Metallen. Obwohl auch in diesen wie in
allen dichten Medien zufolge der großen Kapazität ihrer Volums-
einheit für alle Energien, durch den Strahl ungs Vorgang nur
sehr kleine Änderungen (Schwingungen) ihres chemischen und
Wärnlezustandes bewirkt werden können, so reichen diese, der
bedeutenden Leitungsfähigkeit der Metalle wegen, aus,
um merkliche Änderungen dieser Leitfähigkeit zu bewirken.
Für Metalle kann also die Konstante/? der Gleichung (XI) Werte
haben, welche mit dem großen Werte derselben im Vakuum
einigermaßen vergleichbar sind und deshalb können Kathoden-
strahlen sich in Metallen rascher fortpflanzen und auch weiter
eindringen als in dichten Nichtleitern.
Da jedoch kalte Metalle wenig lumineszenzfähig sind,
dürfte der Energiefluß in denselben sich nicht durch Gleichung
(25) bestimmen. Ich habe deshalb das Gesetz des Energie-
flusses in Metallen besonders studiert und in Gleichung (37)
aufgestellt. Es ist hienach kein Zweifel, daß nach meiner
Theorie eine beträchtliche Energiemenge durch Strahlung in
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 489
einem elektrischen Longitudinalstrahl eine Metallfoiie passieren
kann, womit der Lenard'sche Versuch erklärt ist.
Der Ladungsstrom der Kathodenstrahlen, welche das
Lenard'sche Fenster passiert haben, ist nach W. Wien noch
sehr merklich. Dieser Strom kann nach meiner Theorie die zur
Erde abgeleitete Metallfoiie als Ladungsstrom des Strahles
durchdringen und muß sie nicht etwa notwendig als Leitungs-
Strom in dem Metalle passiert haben.
Dritter Teil
Transversale Strahlen in starken elektromagnetisehen
Feldern.
18. Strahlungen in festen und flüssigen Nichtleitern.
74. Die festen und flüssigen Nichtleiter verhalten sich
insofern einfacher als die Gase, insbesondere die verdünnten
Gase, als bei ersteren kleine Energieänderungen nur kleine
Eigenschaftsänderungen herbeiführen können, was bei ver-
dünnten Gasen nicht gilt.
Da also der chemische und Wärmezustand der dichten
Nichtleiter zufolge der Strahlung nur ganz geringe periodische
Änderungen erfährt, so bleiben die Leitfähigkeiten y und S stets
unmerklich klein und man kann
p=zO und ^ = 0 (149)
setzen.
Hingegen verhalten sich die dichten Medien insoferne
komplizierter als die Gase, als in ersteren nicht nur die Kon-
stanten a^ und 2^3, sondern auch die Konstanten a^ und b^ nicht
selten einen merklich von Null verschiedenen Wert haben, wo-
durch sich die elektrische Doppelbrechung im gleichförmigen
elektrischen Felde und die magnetische Drehung der Polarisa-
tionsebene erklärt.
Hingegen habe ich kein Anzeichen, daß b^ in irgend einem
Stoffe von Null verschieden ist, und fehlen noch die Experi-
mente, welche Aufschluß über den Wert a^ geben können, doch
werden solche Experimente weiter unten vorgeschlagen.
32*
490 G. Jaumann,
Die elektrische Doppelbrechung im gleichförmigen
elektrischen Felde ist wohl zu unterscheiden von einer anderen
Art der elektrischen Doppelbrechung, jener im ungleich-
förmigen elektrischen Felde, welche auf gänzlich anderen
Ursachen beruht und gänzlich andere Beeinflussung des Licht-
strahles bewirkt.
Bestimmt beobachtet und wohl untersucht ist bisher nur
die erstere Art der elektrischen Doppelbrechung, welche wir im
folgenden Kapitel behandeln werden.
Indes fehlen Gegenbeweise gegen die Doppelbrechung im
ungleichförmigen Felde. Es ist wahrscheinlich, daß manche
dichten Medien diese Erscheinung wohl erkennen lassen, es
können dies auch Stoffe sein, welche die eigentliche elektrische
Doppelbrechung im gleichförmigen Felde nicht zeigen.
Die elektrische Doppelbrechung im ungleichförmigen Felde
ist eine gewöhnliche kristallische Doppelbrechung. Nur die
Ursache des kristallischen Verhaltens des für gewöhnlich iso-
tropen Mediums folgt aus der Grundgleichung (E), § 29, meiner
Theorie. Im statischen Zustand und im ungleichförmigen Felde
zeigt nach (E) die dielektrische Dyade s des Mediums eine
dyadische Abweichung von ihrem Ruhewerte e^,, welcher auch
isotrop sein kann. Das Medium hat also die optischen Eigen-
schaften eines Kristalles und hieraus folgt nach der gewöhn-
lichen Maxwell'schen Theorie dann weiter die Doppelbrechung.
Die elektrische Doppelbrechung im ungleichförmigen Felde
kann also auch ein Medium zeigen, dessen Konstante a^ Null
ist, wenn nur die Konstante a^ keinen sehr großen Wert hat.
Es ist also für feste und flüssige Medien zulässiger als für
Gase, der Konstanten a^ einen verhältnismäßig kleinen Wert
zuzuschreiben. Da überdies für Lichtstrahlen die Schwin-
gungsdauer T viel kleiner ist als für alle Kathodenstrahlen, ja
sogar kleiner als jene der langwelligeren Kanalstrahlen, so
können wir mit noch mehr Recht als für letztere
z
2« *
als eine gegen 1 verschwindende Zahl betrachten.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 49 1
Ferner betrachten wir zunächst nur vollkommen durch-
sichtige Nichtleiter, so daß wir die Dämpfungskonstante x als
verschwindend klein gegen 1 annehmen können.
Hiedurch nehmen die Konstanten einer elektromagnetischen
Welle in einem festen oder flüssigen Nichtleiter nach (49), (61),
(62) und (149) folgende Werte an:
T=-|-, ?'=-|r, (150)
w = 0, n/=— -^^^. (151)
Die Amplitudengleichungen (67) nehmen hiedurch folgende
Gestalt an:
+ —0360(11. ei+rtt-e2)-Co+fc2**^"''*^^^^"*"
-^b^ft/n^t^nxm^^O, (152, 1)
+ -2"^8eo(ii*Ca— rii.ei)*eo— fe2n/ll.»otlxCl—
— &8f!/ii.ei Äxnio ^ 0. (152, 2)
Aus diesen Gleichungen folgen mehrere neue experimen-
telle Anregungen. Wir wollen jedoch hier nur die wichtigsten
Deduktionen durchführen.
19. Elektrische Doppelbrechung im gleichförmigen
elektrischen Felde.
75. Im unmagnetischen Felde, also für iHo — 0, darf
gesetzt werden. Das Licht kann also fast genau linear schwingen,
doch werden die elektrischen Schwingungen e^ im allgemeinen
nicht genau transversal sein.
492 G. Jaumaan,
Es verschwinden nämlich sämtliche Glieder der Gleichung
(152, 2) mit hinreichender Annäherung, der Kleinheit von r
wegen. Ganz präzis gilt aber e, = 0, wenn die elektrischen
Schwingungen tj auf der elektrostatischen Feldstärke tp senk-
recht stehen.
Es bleibt nur Gleichung (152, 1) übrig, welche die einfache
Gestalt annimmt:
"*i
uxnj . Ci+ ySo^i^o- «1»+ ■2-Soa3tt.CiCo=^0. (154)
Da das zweite Glied longitudinal gerichtet ist, kann die
elektrische Schwingung c^ nur dann rein transversal sein, wenn
to- tj = 0, d.h. wenn sie gegen die elektrostatische Feldstärke Cq
transversal ist. Um den longitudinalen Anteil von Cj von dem
transversalen zu trennen, multiplizieren wir (154) einerseits
skalar mit c-, andrerseits rotorisch mit ex. So ergibt sich:
(
l+Yö,eo-ttjc.e, + Yaieo-«i = 0. (155)
c^\ 1
SoC» — --^lcxe,+ -2-eoa,c-eitxeo=2=0. (156)
Es sind hienach linear polarisierte Strahlen in diesem Felde
nur möglich, wenn die Schwingungsebene eine von zwei ganz
bestimmten Orientierungen hat, so daß ein aus einem indiffe-
renten Medium einfallender Lichtstrahl sich in zwei linear-
polarisierte Strahlen, deren Schwingungsebenen aufeinander
senkrecht stehen, spalten muß.
Die Gleichungen (155) und (156) können nur in folgenden
zwei Fällen erfüllt sein :
1. Wenn Cq-Ci = 0 ist, d. h. wenn die elektrischen Schwin-
gungen Ci auf der elektrostatischen Feldstärke Cq senkrecht
stehen.
Dann ist nach (155) auch c-Cj =: 0, d. h. die elektrischen
Schwingungen stehen auf der Richtung der Wellennormale
senkrecht, die Welle ist präzis linear und transversal.
Dann verschwindet aber das zweite Glied von (156) und
es folgt:
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 493
C«=-^, (157)
Soft)
d, h. die Fortpflanzungsgeschwindigkeit eines Licht-
strahles, dessen elektrische Schwingungen senk-
recht zu der beliebig gerichteten elektrostatischen
Feldstärke gerichtet sind, ist gleich der normalen
Lichtgeschwindigkeit. Der so polarisierte Strahl erfährt
keinerlei Beeinflussung von Seite des elektrostatischen Feldes.
Die Gleichungen (155) und (156) können aber auch erfüllt
werden, wenn;
2. Ci*cxCo =: 0, also cxCi parallel cxCq ist, d. h. wenn die
elektrischen Schwingungen in der Ebene der elektrostatischen
Kraft und der Fortpflanzungsrichtung liegen.
Dann folgt aus (155):
c>e,=— /tto-gi , (158)
Führen wir diesen Wert in (156) ein und bezeichnen zur
Abkürzung:
so ergibt sich:
(soC«— -^jCxti-liCxCoCo-Ci. (160)
Nun berücksichtigen wir, daß:
cxCoeo-ei^cxc^eg— CoXCiC-eo.
Das zweite Glied auf der rechten Seite von dieser Gleichung
kann noch sehr wichtig werden, wenn man die Doppelbrechung
für schief zur elektrostatischen Kraft fortschreitende Strahlen
beobachtet, um die Konsequenzen meiner Theorie mit den Tat-
sachen zu vergleichen. In der bisherigen experimentellen Praxis
war es aber Null, da stets die elektrostatische Kraft Cq auf der
Fortpflanzungsrichtung des Strahles c senkrecht stand. In
diesem Falle ist:
494 G. Jaumann,
und es folgt aus (160):
ro
oder:
c =
^0
V^ol^ 2i
^^^--^l^
^ 1
V/^om 8^0
Der linear polarisierte Strahl, dessen elektrische Schwin-
gungen in der Ebene der elektrostatischen Kraft und Wellen-
normalen liegen, hat also eine andere Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit als der hiezu senkrecht polarisierte, womit die elektrische
Doppelbrechung erklärt ist.
Der Gangunterschied beider Strahlen ist cet. par. dem
Quadrate der elektrostatischen Feldstärke pro-
portional, wie dies tatsächlich durch die Messungen des Ent-
deckers dieser Erscheinung, Kerr, und anderer Beobachter
festgestellt ist.
76. Sehr wichtig und charakteristisch ist die Folgerung
meiner Theorie, daß das senkrecht zu der elektrostatischen
Kraft schwingende, linear polarisierte Licht keinerlei Einfluß
von Seite des elektrostatischen Feldes erfahrt. Der ganze Gang-
unterschied kommt also ausschließlich durch die Beeinflussung
des anderen Strahles zu stände.
Tatsächlich hat Kerr beobachtet, daß der senkrecht zu
der Ebene der elektrostatischen Kraft und der Fortpflanzungs-
richtung schwingende Strahl keine erkennbare Einwir-
kung von Seite des elektrostatischen Feldes erfahrt, wobei
seine Interferenzexperimente so empfindlich waren, daß ihm
eine solche Einwirkung, wenn sie nur Yioo ^^^ Einwirkung auf
den anderen Strahl erreichen würde, nicht hätte entgehen
können. Dies ist eine sehr zu Gunsten meiner Theorie
sprechende Tatsache.
Nur im Nitrobenzol, welches auch eine ganz ungewöhn-
lich starke elektrische Doppelbrechung zeigt, findet eine Aus-
nahme statt. In diesem Stoffe erfährt auch der sonst unbeein-
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 495
flußte Strahl einen Einfluß von Seite des elektrostatischen
Feldes, der allerdings kleiner ist als auf den anderen Strahl.
Eine der Voraussetzungen unserer Rechnung trifft also speziell
für diesen offensichtlich eine besondere Stellung einnehmenden
Stoff nicht zu. Vielleicht ist a^ für denselben nicht ver-
schwindend klein.
77. Die elektrische Doppelbrechung ist ferner proportional
dem Produkte der Konstanten a^ und a^. Ein Stoff, in welchem
also nur eine dieser Konstanten Null ist, zeigt keine elektrische
Doppelbrechung. Das Vorzeichen der elektrischen Doppel-
brechung hängt von dem Vorzeichen dieser beiden Konstanten ab.
Für die Gase ist a^ präzise gleich Null, deshalb zeigen
diese präzise keine elektrische Doppelbrechung, obgleich a^ für
verdünnte Gase beträchtlichen Wert hat.
78. Schließlich möge darauf aufmerksam gemacht werden,
daß ein Strahl, welcher die Einwirkung von Seite des elektro-
statischen Feldes erfahrt, da seine elektrische Schwingung c^
den Poynting'schen Energiefluß bestimmt, selbstverständlich
ein rein transversaler Strahl bleibt. Jedoch fällt die Strahl-
richtung nicht in die Wellennormale, so daß die dem Strahle zu
Grunde liegende Welle teilweise longitudinal ist.
Die Abweichung der Strahlrichtung von der Wellennormale
ist ungemein klein und aus (161) und (158) leicht zu berechnen.
Die Tangente dieses Ablenkungswinkels ist:
2
Cxti 2 CpXC
20. Magnetische Drehung der Polarisationsebene des Lichtes.
79. Wir gehen nun wieder zu den Amplitudengleichungen
(152) zurück und nehmen jetzt an, daß Co — 0, daß also kein
starkes elektrostatisches Feld vorhanden ist. Dann hindert
nichts, anzunehmen, daß:
n-tj = 0
und
«•Ca = 0.
496 G. Jaumann,
Es sind also rein transversale elektromagnetische
Wellen in diesem Falle möglich und die Amplitudengleichungen
(152) nehmen die einfache Form an:
So ^tt*)ei+&2Wtt-ttiottxc,=3-0, (164,1)
(eo— — tt»)cj— &,«/«. Wo« xCi^O. (164,2)
Es hat also in diesem Falle nur die longitudinale Kom-
ponente des statischen magnetischen Feldes nto Einfluß auf den
Strahl.
Man ersieht ferner, daß diese zwei Gleichungen in Bezug
auf die Amplituden e^ und Cg der beiden um eine Viertelwellen-
länge gegeneinander verschobenen Schwingungen des elek-
trischen Vektors ganz symmetrisch sind, daß femer c^ und c,
stets zueinander senkrecht sind. Es ist also kein anderes als
Zirkular polarisiertes Licht in einem Medium möglich,
dessen Konstante b^ von Null verschieden ist
Multiplizieren wir jede der beiden Gleichungen (164) mit
dem Faktor, welchen e, in ihr hat, und addieren, so ergibt sich:
eo- -^it« = dob^n/n^m^, (165)
ro
worin mo=^Ctt-mo.
Setzt man dies in (164, 1) ein, so ersieht man, daß bei
gegebener Richtung c^ die andere Amplitude Cg ihr Vorzeichen
wechselt, je nachdem man das obere oder untere Vorzeichen
in (165) wählt, es ist also eine rechtszirkulare ebensowohl als
eine linkszirkulare Welle möglich.
Aus (165) folgt:
c«=-^db-«— itto. (166)
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der rechtszirkularen,
beziehungsweise linkszirkularen Welle weichen also um gleiche,
aber entgegengesetzte Beträge von der normalen Lichtgeschwin-
digkeit ab. Der Gangunterschied wird nur durch die longi-
tudinale Komponente m^ der magnetischen Feldstärke bestimmt.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 497
SO daß er cet par. desto kleiner ist, je schiefer die Strahlen
gegen die magnetische Feldstärke verlaufen. Werden beide
Strahlen gespiegelt, so daß sie auf dem eben zurückgelegten
Weg in umgekehrter Richtung zurückkehren, so ist der rechts-
zirkulare Strahl nun linkszirkular und umgekehrt Aber auch Wq
in Gleichung (166) hat nun umgekehrte Richtung, so daß der
auf dem Hinwege vorauseilende Strahl auch auf dem Rück-
wege vorauseilt und sich also der Gangunterschied weiter ver-
stärkt.
Hiemit ist die Drehung der Polarisationsebene des Lichtes
vollkommen erklärt.
21. Dispersion der magnetischen Drehung der Polarisations-
ebene.
80. Nun möge der Gangunterschied der beiden entgegen-
gesetzt zirkularpolarisierten Strahlen ausführlicher berechnet
werden. Nach (166) ist:
c= .fl— d= — 8. (167)
N/eoft) 2
Bezeichne Sq die longitudinale Komponente der magne-
tischen Feldstärke m^, so ist:
--U
^■• = -T\/^^"" <'»">
die Differenz der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der beiden
Wellen. Diese Differenz muß der ersten Potenz der Schwingungs-
dauer t verkehrt proportional sein, weil nach (151) n/ in dieser
Weise von der Schwingungsdauer abhängt. Es ist:
n/ = — JLlo£o_ (jgg)
Aus der Differenz der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten
ergibt sich die Drehung der Polarisationsebene d für
die Längeneinheit in folgender Weise:
t 4
498
G. Jaumann,
Es ergibt sich also schließlich:
4=r e.
Ä
2
.2
2
/iiLAi«.
C? *. "^ ~ X« V ft) *4
«0
(170)
worin X die Wellenlänge ist.
Es muß also die Drehung der Polarisationsebene dem
Quadrate der Schwingungszahl n des Lichtstrahles
gerade proportional sein.
Es ist dies bekanntlich wirklich mit großer Annäherung
der Fall. Keine andere einkonstantige Formel als eine von
der Form (170) stellt die Dispersion der Rotationspolari-
sation hinreichend dar. Um das ungünstigste Beispiel anzu-
führen ist für Schwefelkohlenstoff nach Verdet:
Fraunhofer-
linie
n 10-1*
«2 10-28
d
beobachtet
J.T«.10»8
C
0-460
0-211
0-59
2-80
D
0-513
0-263
0-76
2-90
B
0-581
0-338
1-00
2-96
F
0-621
0-386
1-23
3-19
G
0-685
0-469
1-70
3-52
Wenn auch die Zahlen der letzten Kolonne einen deut-
lichen Gang zeigen, so sind sie doch in erster Annäherung
merklich konstant.
Der Umstand, daß diese einkonstantige Dispersionsformel
(170) ganz ohne alle Zusatzhypothesen, ja sogar unter mög-
lichst vereinfachter Rechnung aus meiner Theorie folgt,
spricht sehr zu Gunsten derselben.
Die natürliche Dispersion und auswählende Absorption
sind in meiner Theorie nicht berücksichtigt. Kein Zweifel, daß
diese Eigentümlichkeiten des Mediums auch auf sein magneto-
optisches Verhalten nicht ohne Einfluß sind, wodurch sich der
Gang obiger Zahlen erklären mag. Umso bemerkenswerter ist
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 499
aber, daß nach meiner Theorie die Dispersion der Rotations-
polarisation im wesentlichen unabhängig ist von der natür-
lichen Dispersion und auswählenden Absorption und nach
meinen Differentialgleichungen auch in vollkommen durch-
sichtigen und geringe Refraktionsdispersion zeigenden Medien
eintreten muß.
22. Dichroismus der Zirkularpolarisation in absorbierenden
Medien.
81. Schließlich möge der Einfluß der auswählenden
Absorption des Mediums auf sein magnetooptisches Ver-
halten untersucht werden. Die auswählende Absorption erklärt
sich durch chemische Eigenschwingungen des Mediums. Diese
Absorption des Lichtes im unelektrischen und unmagnetischen
Felde ergibt sich aber nicht nach meinen Differentialgleichungen
wenigstens nicht besser als nach der Maxwell'schen Theorie,
nämlich nur durch Annahme einer natürlichen Leitfähigkeit Yq
des Mediums, welche die Dämpfung r^ des Lichtes bewirken muß.
Die auswählende Dämpfung kann man in der Weise in die
Differentialgleichungen einführen, daß man annimmt, daß diese
Leitfähigkeit Yo eine entsprechende Funktion der Schwingungs-
zahl H ist:
Yo = 2ir«v (171)
Will man z. B. die auswählende Absorption eines Stoffes
in die Differentialgleichungen einführen, welcher bei der
Schwingungszahl n^ einen Absorptionsstreifen hat, so kann
man setzen:
Xo =: Jfe ^r-^(«-»«)* (k und c konstant). (172)
Je größer die Konstante c angenommen wird, desto
schmäler ist die Absorptionslinie. Freilich ist dies nur ein Not-
behelf. Aber man geht doch weit sicherer, wenn man sich für
denselben entscheidet, als wenn man die auswählende Absorp-
tion gar nicht in die Gleichungen einführt, da man sie nach-
träglich doch berücksichtigen muß. Hingegen können wir immer
nachträglich Yo gleich Null setzen, so daß die Annahme (171)
in ihren Wirkungen kontrolliert und eventuell nachträglich
fallen gelassen werden kann.
500 G. Jaumann,
89. In einem absorbierenden Medium ist die Dämpfungs-
konstante x der Lichtwellen nicht klein und dies hat einen
merklichen Einfluß auf das Verhalten des Lichtes
in starken elektromagnetischen Feldern, weil die
Konstanten cp, tp', tv und *f/ der Welle nach (56), (57), (61)
und (62) von der Dämpfung x abhängen.
Dies ist die Ursache, warum wir, ohne den Rahmen dieser
Theorie zu überschreiten, auf die auswählende Absorption
Rücksicht nehmen müssen.
Die magnetooptischen Wirkungen der Absorption beruhen
darauf, daß wegen des beträchtlichen Wertes von x nach (61)
die Konstante fv auch in einem gewöhnlichen Medium, welches
selbst nur vorübergehend keine magnetische Leitfähigkeit
anzunehmen vermag, für welches also ^ = 0 ist, den Wert:
fv=—-^'-^x (173)
hat, während iv für ein durchsichtiges Medium nach (151) den
Wert Null hat.
Ferner dürfen wir nun in den elektrischen Amplituden-
gleichungen (67) ebenfalls die mit x behafteten Glieder nicht
vernachlässigen. Dieselben nehmen bei Abwesenheit eines
elektrostatischen Feldes und für transversale Strahlen, also für
Co=^0, tt.Ci=0, tt-Ca = 0 (174)
die Form an:
{h
+&2(^«^ei-f-n/iixea)tt*mo=^0, (175, 1)
•{•b^{fvn>^t2 — w'nxCi)tt-tiio=^0, (175, 2)
in welchen Gleichungen ferner berücksichtigt wurde, daß die
Leitfähigkeit y^ als von Null verschieden angenommen werden
soll.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 501
Trennen wir die Glieder dieser Gleichungen, welche die
Richtung c^, bezüglich c, haben, unter der Voraussetzung, daß
wieder diese beiden gegeneinander um eine Viertelwellenlänge
verschobenen Schwingungen aufeinander senkrecht stehen, so
ergibt sich:
('
" h,
2-tt»lei+&jn/wxejtt-mo-ä=0, (176,1)
T c5
Toe2— 2-^xtt2ej4-*2w«xei«.moiO, (177,1)
2i: ■"'' {lo
So—-^n*]t,-b,tt/tt^t,tt'Xtto^O, (176,2)
1*0
YoCi+2-® xii2ei-f-&2«;nxe8tt*nto=^0. (177, 2)
2ic •« ^ ft)
Tatsächlich können, obgleich nun doppelt so viel Glei-
chungen als Unbekannte gewonnen sind, dennoch diese Glei-
chungen leicht erfüllt werden, woraus folgt, daß die Annahme,
daß Cj und tg aufeinander senkrecht stehen, richtig ist.
Die Gleichungen (176,1) und (176,2) sind identisch mit
(164, 1) und (164, 2). Das Medium zeigt also wieder magne-
tische Drehung der Polarisationsebene, d. h. es sind in
demselben nur zirkuläre Lichtwellen möglich, auch die Dis-
persion der Drehung der Polarisationsebene berechnet sich so
wie in Kapitel 21. Hienach hätte die auswählende Absorption
des Mediums keinen Einfluß auf die Dispersion der Rotations-
polarisation, dies ist aber nur in erster Annäherung richtig.
Wir haben nämlich in den Gleichungen (176), obwohl wir
die Dämpfung x nicht vernachlässigen durften, doch x* gegen 1
vernachlässigt, was nur in erster Annäherung gestattet ist, so
daß strenge genommen die Gleichungen (176) nicht ganz
identisch mit den Gleichungen (164) sind, was gerade die Dis-
persion der Rotationspolarisation ein wenig beeinflussen muß.
Die Gleichungen (177, 1) und (177,2) sind identisch, wenn
man berücksichtigt, daß c^ und Cg gleiche Größe haben und
502 G. J au mann,
aufeinander senkrecht stehen. Multiplizieren wir (177, 1) skalar
mit e, [oder auch (177, 2) skalar mit ej, so ergibt sich:
Yo— 2-^-xtt2)cf+&2wn-(eiXCa)it-iiio = 0. (178)
27C " |lo
Nun ist:
t,xt,^±tln-^^-.. (179)
v/
Soft)
Hiemit ist nur ausgedrückt, da6 e^ und e^ gleich groß sind,
aufeinander und auf n senkrecht stehen und daß die reziproke
Fortpflanzungsgeschwindigkeit n mit für diesen Zweck weitaus
hinreichender Annäherung die Größe ^^ hat. Das obere
Vorzeichen in (179) gilt für den rechtszirkularen,
das untere Vorzeichen für den linkszirkularen Strahl.
Setzt man (179) in (178) ein, so ergibt sich jene Bedingung
für die Konstanten, welche die Dämpfung x der beiden ent-
gegengesetzt Zirkularen Strahlen bestimmt. Es ist:
-^To-~2goXd=fr,n;^'^'^ n-moz^o. (180)
Die beiden entgegengesetzt zirkulären Strahlen
werden verschieden stark absorbiert. Es muß jedes
Medium, dessen Konstante b^ von Null verschieden ist, welches
also überhaupt Drehung der Polarisationsebene zeigt, auch
Dichroismus der beiden entgegengesetzt zirkulären
Strahlen zeigen, wenn nur aus irgend einem Grunde die Kon-
stante fv von Null verschieden ist.
Die Undurchsichtigkeit des Mediums ist allerdings meist
der Grund, warum nach (173) tv von Null verschieden ist, doch
ist diese Rolle der auswählenden Absorption des Mediums
offenbar nebensächlich.
Führen wir den Wert (173) in (180) ein, so ergibt sich:
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 503
worin :
*4 V IS)
Diesen Dichroismus der Rotationspolarisation zeigt nach
neueren Untersuchungen besonders das Eisen sehr deutlich.
Gerade bei diesem könnte die bedeutende Größe des Wertes fv
auch von der Größe des Wertes q herrühren, also von der
magnetischen Leitfähigkeit des Eisens. Doch ist, wie aus
obigem hervorgeht, auch für magnetisch nicht leitfähige Sub-
stanzen in der Nähe einer Absorptionslinie Dichroismus bei der
Zirkularpolarisation zu erwarten.
23. Der Zeemaneffekt.
82. Die Ausführungen des vorhergehenden Kapitels gelten
für alle absorbierenden Stoffe, also auch für alle dichten Gase
und glühende Metalldämpfe. Auch diese zeigen, wenn auch in
geringem Maße, magnetische Drehung der Polarisationsebene,
ihre Konstante b^ ist also von Null verschieden, wenn auch oft
äußerst klein. Dafür muß nach (173) die Konstantem in der
Nähe einer Absorptionslinie sehr große Werte annehmen.
Die dichten Gase und glühenden Metalldämpfe werden
also, wenigstens in der Nähe einer Absorptionslinie, Dichrois-
mus der Rotationspolarisation zeigen und hiedurch
erklärt sich das Zeeman*sche Phänomen.
Es muß die Dämpfung der Lichtstrahlen mit den Schwin-
gungszahlen w, welche in der Nähe der in der Absorptionslinie
am stärksten absorbierten Schwingungszahl Hq liegen, durch
ein Gesetz von ungefähr der Form (172) bestimmt sein. Jeden-
falls muß die Absorption durch eine gerade Potenz von
(n — «0) mit einem scharfen Maximum bei n — n^ = 0 bestimmt
sein. Darauf allein kommt es hier an und nur dies setzen wir
voraus.
Wenn aber das Licht sich in der Richtung einer starken
magnetischen Kraft fortpflanzt, so ist nach (181) seine natür-
liche Dämpfung x^ um einen Bruchteil vermehrt, welcher der
magnetostatischen Feldstärke m^ gerade und der Schwin-
gungsdauer t verkehrt proportional ist. Die Ursache
Sitzb. d. mAthem.-naturw. Kl. ; CXV7. Bd., Abt. II a. 33
504 G. Jaumann,
davon liegt in den Grundlagen der Theorie und ist nicht durch
eine Zusatzannahme hinzugekommen. Wenn man dieser Ur-
sache nachgeht, so findet man, daß die Konstante der Welle tv
deshalb der Schwingungsdauer verkehrt proportional ist, weil
nach der Grundgleichung (F), § 29, die Abweichung der dia-
magnetischen Dyade (x von ihrem Ruhewerte \Iq durch eine
Derivation der elektrischen Vektorverteilung bestimmt ist. Auch
muß hier daran erinnert werden, daß aus der gleichen Ursache
sich nach Kapitel 21 die Dispersion der magnetischen
Drehung erklärt.
Nach (181) ist:
x = Xo (1 dtm^n), (182)
Zufolge dieser von der Schwingungszahl abhängenden
magnetischen Dämpfung liegt nun das Maximum der Absorption
nicht mehr bei der Schwingungszahl Kq, d. h. die Absorp-
tionslinie verschiebt sich zufolge der magnetischen
Wirkung.
Um die neue Lage des Absorptionsmaximums zu be-
rechnen, differenzieren wir Gleichung (182) nach n und erhalten
für die Schwingungszahl n^ des Absorptionsmaximums im
magnetischen Felde:
<^{^i - Wo) (1 =b Wo ff) =b Wo = 0. (1 83)
welche Gleichung sich hinreichend genau in der Form schreiben
läßt:
AM
«i-«o = =F-^; (184)
von dem Doppelvorzeichen bezieht sich das obere auf den
rechtszirkularen, das untere auf den linkszirkularen Strahl. Für
diese beiden Strahlen ist also das Absorptionsmaximum in ent-
gegengesetzter Richtung zufolge der magnetischen
Wirkung aus dem natürlichen Absorptionsmaximum ver-
schoben.
In jedem Medium, ausgenommen die sehr verdünnten
Gase, kann also in der Richtung einer starken magnetischen
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 505
Kraft im allgemeinen nur zirkuläres Licht fortschreiten. Der
rechtszirkulare und linkszirkulare Strahl sind stets etwas ver-
schieden stark gedämpft und dieser Unterschied der magne-
tischen Feldstärke proportional. Die Absorptionslinien in dem
rechtszirkularen, beziehungsweise linkszirkularen Spektrum
sind aus ihrer natürlichen Lage in entgegengesetztem Sinne
verschoben.
Umgekehrt sendet nach dem KirchhofT'schen Prinzip ein
leuchtender Dampf in der Richtung der starken magnetischen
Kraft des Feldes, in welchem er sich befindet; statt einer natür-
lichen Emissionslinie nach (184) das Zeeman*sche Duplet
von zwei in entgegengesetzter Richtung im Spektrum ver-
schobenen, entgegengesetzt zirkularpolarisierten Linien aus.
Hiemit ist der Zeeman'sche Longitudinaleffekt im
Prinzip befriedigend aus den Differentialgleichungen meiner
Theorie ohne jede besondere Zusatzannahme erklärt.
Aus (181) folgt, daß die Distanz der beiden Linien des
Duplets der magnetischen Feldstärke proportional ist.
Ferner ist nach (184) der Zeeman'sche Longitudinaleffekt
dem Werte c verkehrt proportional, also nach (172) desto
größer, je weniger scharf, je stärker verbreitert die
Emissionslinie ist. Deshalb erfahren nur die Linien der-
selben Serie miteinander vergleichbare Zerlegungen, weil die
Linien verschiedener Serien desselben Elementes oder isolierte
Linien verschieden stark verbreitert sind.
Endlich ist nach (184) die Differenz der Schwingungs-
zahlen der beiden Komponenten des Duplets für Linien der-
selben Serie gleich, was bekanntlich experimentell hinreichend
bestätigt ist. Nach (184) sind die Verschiebungen beider Kom-
ponenten gleich und entgegengesetzt, wie dies meist beob-
achtet wird. Die seltener beobachteten unsymmetrischen Ver-
schiebungen derselben könnten durch unsymmetrische Ver-
breiterung der Spektrallinie erklärt werden. Überhaupt kann
man die genaue Form des Gesetzes (184) nur für symmetrisch
verbreiterte Spektrallinien aufrecht halten, weil dieselbe von
der speziellen Form der Absorptionsfunktion (172) abhängen
könnte, besonders wenn letztere unsymmetrisch ist, d. h. die
Spektrallinie einseitig verbreitert ist.
33*
506 G. J au mann,
Der Zeemaneffekt erklärt sich also aus meinen Differential-
gleichungen durch den Dichroismus der magnetischen Rotations-
polarisation, also durch die Abhängigkeit des Wertes tu von der
Dämpfung der Strahlen, ohne dafi man gezwungen ist anzu-
nehmen, daß das magnetische Feld eine direkte Wirkung auf
die chemischen Eigenschwingungen des Mediums hat, welche
die Ursache der Emission der Spektrallinie ist.
24. Die magnetischen Transversalwirkungen auf trans-
versales Licht.
83. Nach den Amplitudengleichungen (67) werden die
Effekte einer transversal gerichteten magnetostatischen
Kraft Wo durch die Glieder:
&3(n;tt-ti-4-fi/tt*C2)ttxWo,
beziehungsweise :
bestimmt. Ist also das Licht präzise transversal, d. h. ist
tt*Ci = 0 und tfC2=:0,
so hat eine transversal gerichtete magnetische Kraft nach
diesen Gleichungen keinen Effekt.
Eine longitudinale Komponente nimmt aber nach den-
selben das Licht nur an, wenn eine elektrostatische Kraft
vorhanden ist und die Lichtschwingungen nicht senkrecht zu
derselben erfolgen. Obgleich diese longitudinale Komponente
der Lichtschwingungen meist ungemein klein sein wird, könnte
sie doch merkliche Wirkungen der transversal gerichteten
magnetischen Kraft ermöglichen.
Hieraus folgt ein neues experimentelles Motiv. Es muß
eine elektromagnetische Doppelbrechung und elektro-
magnetische Zirkularpolarisation geben, das sind Wir-
kungen, welche in manchen Medien deutlich sein dürften und
davon abhängen, daß sich das Licht in einem Felde fortpflanzt,
in welchem eine starke elektrostatische Kraft c^ und eine starke
magnetostatische Kraft nto gleichzeitig vorhanden sind, und
zwar am besten so, daß e^ zu nto senkrecht ist.
Strahlungen in elektromagnetischen Feldern. 507
84. Bei Abwesenheit einer elektrostatischen Kraft ist aber
nach den Gleichungen (67) keine Ursache vorhanden, warum
das Licht teilweise longitudinal sein müßte und also können
diese Gleichungen keinen rein magnetischen Trans-
versaleffekt darstellen.
Die Ursache davon liegt in einer Vernachlässigung, welche
wir uns der dadurch bedingten außerordentlich großen Er-
leichterung der Rechnung wegen gestattet haben. Es dürfte
aufgefallen sein, wie einfach die Rechnung in Kapitel 6 sich
gestaltete, obgleich es sich doch um die Lösung von nicht
weniger als 42 simultanen Differentialgleichungen handelt.
Für diese Einfachheit der Rechnung habe ich die Möglich-
keit der Erklärung der rein magnetischen Transversalefifekte
geopfert. In § 19 wurde hervorgehoben, daß der Einfachheit
wegen darauf verzichtet wurde, die Gleichungen (VII) und (VIII)
ganz symmetrisch auszugestalten. Es wurden die derivierten
Dyaden
a'V, w und ft'V, m
der magnetischen Vektorverteilung m, welche offenbar nach
dem Prinzip der Dualität in (VII), beziehungsweise (VIII) ihren
Platz finden sollten, einfach weggelassen, was nur für solche
Medien gestattet ist, in welchen die zugehörigen sechs Kon-
stanten a' und V Null sind. So kommt es, daß aus den Ampli-
tudengleichungen wohl die wichtige elektrische Doppelbrechung
erklärt wird, aber die dual entsprechende, allerdings viel
seltener zu beobachtende magnetische Doppel-
brechung unerklärt bleibt, was doch sicherlich nicht meiner
Theorie, sondern der bezeichneten Vernachlässigung zur Last
zu legen ist.
Der Zeeman'sche Transversaleffekt beweist, daß
Licht, dessen elektrische Schwingungen in der Richtung der
magnetostatischen Kraft fallen, keine Wirkung erfährt. Die
so linear polarisierte Komponente des emittierten Lichtes bildet
deshalb die mittlere Linie des Triplets. Hingegen dürfte das
senkrecht zur magnetostatischen Kraft schwingende Licht auch
bei Abwesenheit einer elektrostatischen Kraft eine longitudinale
Komponente annehmen und zufolgedessen nach obigen Aus-
führungen der magnetischen Transversalwirkung unterliegen.
508 G. Jaumann, Strahlungen in elektromagnetischen Feldern.
25. Elektrische Konvektion des Lichtes.
85. Schließlich möge es gestattet sein, noch auf ein neues
experimentelles Motiv hinzuweisen. Im obigen wurde stets die
Konstante a^ gleich Null gesetzt, da in einem Medium, in
welchem diese Konstante einen merklichen Wert hat, ein eigen-
tümlicher, noch nie beobachteter elektrischer Longitu-
dinaleffekt nachweisbar sein müßte.
Nun ist aber ein zwingender Grund nicht vorhanden,
warum diese Konstante a, in keinem Medium von Null ver-
schieden sein sollte, so daß anzunehmen ist, daß dieser Longi-
tudinalefTekt nur deshalb nicht gefunden wurde, weil er noch
nicht gesucht worden ist
Nach den Amplitudengleichungen (67) muß in einem
Medium, in welchem a^ einen beträchtlichen Wert hat, das
Licht in der Richtung der elektrostatischen Kraft
des Feldes mit anderer Geschwindigkeit sich fortpflanzen,
als in der gerade entgegengesetz:en Richtung, ein Unterschied,
der sich durch Ipterferenzversuche, eventuell durch Reflexions-
\*ersuohe leicht feststellen üeße. Insbesor.dere das Nitrobenzol
wänf daraufhin zu untersuchen.
509
Ober das Potential der Spannungskräfte in
elastischen Körpern als Maß der Bruehgefahr
von
Dr. Rudolf Girtler,
Assistent ßlr Physik an der k. k. Technischen Hochschule in Wien.
(Mit 2 Tafeln und 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 28. Februar 1907.)
I.
Die Festigkeit eines bestimmten Stoffes, d. h. der Wider-
stand gegen eine Trennung seiner Moleküle ist für den Physiker
in demselben Maße interessant wie für den Ingenieur, wenn
auch beide ihre Untersuchungen zu einem anderen Endzweck
ausführen. Der Techniker betrachtet in der Regel in erster
Linie Materialien, welche ihrer Form und ihrem Inhalte nach
für seine technischen Konstruktionen von Wichtigkeit sind
und legt gewöhnlich den Anschauungen, inwieweit seine
Resultate mit den anderen physikalischen Eigenschaften in
Zusammenhang stehen, weniger Wert bei. Aber gerade dem
letzteren muß der Physiker, der nach einem einheitlichen Natur-
bilde strebt, die größte Beachtung schenken. Liegen schon
deswegen über das, was bei einer bestimmten Angriffsweise
von Oberflächen- und äußeren Massenkräften, welche auf den
gegebenen Körper wirken, für das Zustandekommen des Bruches
maßgebend sei, einander widersprechende Anschauungen beider
oben bezeichneten Richtungen vor, so wird die Zahl der
Meinungen über diesen Gegenstand noch vermehrt durch die
Schwierigkeit der Frage an sich.
510 R. Girtler,
Die Mannigfaltigkeit der Einflüsse, welche bei den Experi-
mentaluntersuchungen zu berücksichtigen sind, die Schwierig-
keit der Beobachtung, die wirkliche Herstellung jener Bedin-
gungen, welche man theoretisch voraussetzt, sind daran haupt-
schuldtragend. Auf den letzten Umstand hat Prof. Föppl^
sehr nachdrücklich hingewiesen. Er hat durch Versuche gezeigt,
daß, wenn ein Würfel zwischen zwei Druckplatten gepreßt
wird, keine reine Druckelastizitätswirkung eintritt, sondern daß
infolge der an den Würfelflächen auftretenden Reibung ein
sehr komplizierter Beanspruchungsfall entsteht. Dadurch werden
auch alle jene Folgerungen, welche daraus in der falschen
Meinung, es liege reine Druckelastizität vor, für die Druck-
festigkeit des gepreßten Stoffes gezogen wurden, hinfällig. Da
die Reibung nie ganz durch Schmiermittel zu eliminieren ist,
so ist die Herstellung reiner linearer Druckelastizität so gut wie
unmöglich.
Die Unzulänglichkeit der molekularen Theorie fester
Körper, welche bei Gasen ein so schönes Bild ihrer Gesetze
gezeitigt hat, läßt es gar nicht erwarten, daß in absehbarer Zeit
jene Gesetzmäßigkeit in obige Frage gebracht wird, welche von
einer nach allen Richtungen ausgebauten Theorie zu erwarten
ist, die auf unzweifelhaften Beobachtungstatsachen im Vereine
mit wertvollen Hypothesen ruht. Es muß Schritt für Schritt
weiter gekämpft werden und einen solchen Schritt möchte ich
im Folgenden gerne unternommen haben.
II.
Ich werde zuerst möglichst kurz die heute gebrauchten
Anschauungen über das Maß der ßruchgefahr einer Betrachtung
unterziehen.
Unter allen diesbezüglichen Annahmen erfreut sich die
von Kavier* aufgestellte und in der Folge von de Saint-
Venant und in Deutschland besonders von F. Grashof ver-
fochtene, wegen ihrer verhältnismäßigen Einfachheit der
1 A. Föppl, Mitteilungen aus dem mech.-techn. Laboratorium in München,
Heft 27 bis 29.
2 L. M. H. Kavier, Resistence des corps solides.
Potential der Spannungskräfte. 511
weitesten Verwendung. Sie besagt, dafi die Bruchgefahr in
einem Punkte eines Körpers um so größer sei, je größer die in
diesem Punkte auftretende größte Hauptdilatation ist.
Die Erfahrung hat gezeigt — insbesondere sind hier die
Versuche W. Voigt's^ und Wehage's* zu erwähnen — daß
diese Anschauung bei einem nichtlinearen Spannungszustande
sicher falsch ist, und daß bei einem Spannungszustande mit
zwei gleichen Hauptdilatationen beide Hauptdilatationen in das
Maß der Bruchgefahr eintreten müssen. Voigt zerriß ein Stein-
salzprisma und in der Folge ein Stäbchen aus einem Gemische
von Stearin, Palmitinsäure und Paraffin zuerst in Luft und dann
in komprimierter Kohlensäure und fand die Zerreißungslast in
beiden Fällen gleich. Wehage fand, daß ein Stahlzylinder, der
normal zur Achse von innen durch eine Flüssigkeit gepreßt
wurde, bei gleichzeitigem Zuge parallel zur Achse des Zylinders
bei einem kleineren Zuge zerriß, als in dem Falle, wo der Zug
parallel zur Achse allein vorhanden war. Das Versuchsresultat
Voigt's stimmt also mit dem von Wehage nicht überein, denn
nach Wehage müßte der Paraffinstab in Kohlensäure bei einer
größeren Last als der in Luft zerrissen worden sein. Voigt zieht
aus seinen Versuchen den Schluß, daß die Differenz zwischen
den beiden gleichsinnig gerechneten Hauptspannungen normal
und parallel zum Zerreißungsquerschnitt eine für den Moment
des Zerreißens charakteristische Konstante sein müsse.
Zu einer allgemeineren Ansicht kommt Prof. Mohr,® der die
Diff'erenz der größten und kleinsten Hauptspannung als Krite-
rium der Beanspruchung betrachtet und sie aus den Versuchs-
reihen, welche Bausch inger in München angestellt hatte,
schloß.
IIL
Es fragt sich nun, inwieweit man überhaupt berechtigt ist,
die Deformationsgrößen allein als Maß der Beanspruchung hin-
1 W. Voigt, Wied. Ann., Bd. 53, 1894, p, 43 bis 56; Bd. 67, 1899, p. 452
bis 458.
> Wehage, Mitteilungen der techn. Versuchsanstalt zu Berlin, 6. Jahrg.,
1888.
> O. A. Mohr, Zivilingenieur, 1882.
512 R. Girller,
zustellen. Die Anstrengung in einem Punkte eines festen Stoffes
muß offenbar durch eine Funktion der infolge einer Belastung
seiner Oberfläche auftretenden Veränderungen im allgemeinen
und der physikalischen Eigenschaften im besonderen gemessen
werden. Diese Veränderungen werden aber bei einem Körper
von bestimmter chemischer Beschaffenheit unter sonst gleichen
Umständen verschieden sein, je nachdem seine Temperatur zu
Anfang des Versuches variiert, die Art und Zeit der Wirksam-
keit der äußeren Kräfte verschieden ist und insbesondere, wenn
durch der Zeit nach vorhergehende Beanspruchungen seine
molekulare Beschaffenheit geändert wurde. Auf das letztere, zu
dem auch die sogenannte elastische Nachwirkung zu rechnen
ist, hat Prof. Föppl in bereits zitierter Abhandlung hingewiesen
und unter dem Namen »Vorgeschichte des Materials« zu-
sammengefaßt. Die genannten Veränderungen sind der Haupt-
sache nach: Auftretende innere Reibung /?, Temperatur-
erhöhung, beziehungsweise Erniedrigung und Deformationen X,
die mit der inneren Reibung in einer unbekannten Beziehung
stehen müssen. Die innere Reibung zu beurteilen, liegt bis
heute außer dem Bereiche der Möglichkeit, ihr Einfluß wird
jedoch bei manchen Körpern, wie z. B. bei Blei, ein sehr
bedeutender werden. Sie wird bei jenen Eigenschaften eines
Stoffes, welche man als zäh, dehnbar etc. bezeichnet, neben
den Kohäsionskräften eine wichtige Rolle spielen. Die infolge
Volumsänderung auftretenden Änderungen der Temperatur des
Körpers ist sicher von zu vernachlässigendem Einfluß. Wenn
wir also annehmen, daß ein Körper vorliegt, dessen innere
Reibung sehr klein ist, so kann man sagen, daß das Maß der
Beanspruchung in einem Punkte eines Körpers eine Funktion
der dort auftretenden Deformationen X sein müsse, was wir
symbolisch mit
V = m (1)
bezeichnen. Sind die Größen X in Gleichung (1) nur elastischer
Natur, dann verstehen wir unter ihnen die aus den elastischen
Grundgleichungen folgenden Hauptdilatationen \,\9\9 durch
welche ja der Deformationszustand in einem Punkte vollkommen
definiert ist. Die elastischen Grundgleichungen berücksichtigen
Potential der Spannungskräfle. 513
bekanntlich die innere Reibung nicht. Die Größen X können
aber auch unelastischer Natur sein, d. h. die äußeren, auf den
Körper wirkenden Kräfte sind so groß geworden, daß die
Elastizitätsgrenze überschritten wurde.
Unelastische Deformationen können bis heute theoretisch
nicht verfolgt werden. Der Zusammenhang zwischen Deforma-
tionen und Spannungen ist dann sicher kein linearer, es werden
die in einem Punkte des Körpers auftretenden Hauptspannungen
Pi9 P%9 Ps ^^ einem anderen als dem linearen Funktional-
zusammenhange mit den drei Hauptdilatationen \i\y\ stehen.
Im Bereiche der unelastischen Deformationen wird die innere
Reibung, wenn sie überhaupt in Rechnung gezogen werden
muß, von bedeutenderem Einfluß sein als im Gebiete der
elastischen Formänderung.
Für elastische Deformationen nimmt man, den Deduktionen
Navier's^ und Poisson's* folgend, an, daß die Hauptspan-
nungen linear abhängig seien von den Hauptdilatationen. Es
wurde durch J. O. Thompson^ experimentell gezeigt, daß eine
solche Abhängigkeit nur annähernd besteht, und Prof. Finger*
entwickelte dementsprechend eine Theorie, in welcher die
Spannungen auch neben den ersten Potenzen der Deformations-
elemente solche in der zweiten Potenz enthalten. Ich erwähne
das hier kurz, um mich weiter unten darauf berufen zu können.
Unter den oben näher auseinandergesetzten Beschränkungen
ist also das Maß der Beanspruchung in einem Punkte eines
festen Körpers eine Funktion der Größen, welche die Deforma-
tion in diesem Punkte charakterisieren. Für gewöhnlich führt
man in dieses Maß nur die elastischen Deformationen ein und
setzt seine Gültigkeit oberhalb der Elastizitätsgrenze voraus,
obwohl in diesem Gebiete bereits nichtelastische Deformationen
1 L. M. H. Kavier, Memoire sur requilibre et le monoement des corps
solides elastiques. Memoires de I'Acad. d. Sciences 1824, VII.
2 S. D. P^oisson, Memoire sur requilibre et le monoement des corps ela-
stiques. Memoires de TAcad. d. Sciences 1828, VIII.
8 J. O. Thompson, Ober das Gesetz der elast. Dehnung. Wied. Ann.
1891, Bd. 44.
^ J. Finger, Das Potential der inneren Kräfte etc. Diese Sitzungsber..
Bd. cm, Abt. IIa, 1894.
514 R. Girtler,
vorhanden sind. Man sagt also, es sei das Maß der Bean-
spruchung unterhalb der Elastizitätsgrenze auch ein Maß für
die Bruchgefahr.
Das ist darin begründet, — ganz abgesehen davon, daß
man berechenbare Größen braucht — daß bei vielen Körpern
ein Anwachsen der bestimmten, die Anstrengung des Materials
ausdrückenden Größe an gewissen Stellen unterhalb der
Elastizitätsgrenze für das unelastische Gebiet eine Verminde-
rung der Widerstandsfähigkeit vorbereitet, wodurch an diesen
Stellen der Bruch herbeigeführt wird. Das kann man besonders
von feingekühlten Gläsern voraussetzen, überhaupt spröden
Körpern, deren Elastizität gering ist.
Nach dem Vorgeschickten würde man meinen, daß man in
der Geschichte unserer Frage von allem Anfang an V als
Funktion der drei Hauptdilatationen (als jenen Größen, welche
die Deformation in einem Punkte charakterisieren) angesehen
hätte. Das ist, wie wir in Teil II gezeigt haben, nicht der Fall,
mit einer einzigen Ausnahme, die ich jetzt nachträglich be-
sprechen werde.
IV.
E. Beltrami^ hat zuerst den Gedanken ausgesprochen,
daß das Potential der Spannungskräfte pro Volumseinheit als
Maß für die Bruchgefahr eines Körpers für einen bestimmten
Punkt desselben angesehen werden müsse, ohne daß diese
Anschauung zu einer Verbreitung gekommen wäre.
Ehe ich die Gründe entwickle, warum ich mich für
Beltrami erkläre, möchte ich noch einzelne Bemerkungen an
den Teil II knüpfen. Der Schluß, den Prof. Voigt aus seinen
Versuchen zog, ist als der einfachste der am nächsten liegende;
man könnte aber ebenso schließen, das Maß der Beanspruchung
müsse für jeden einzelnen Körper eine Funktion der Haupt-
spannungsdifferenz in dem dort bezeichneten Sinne sein. Der
Versuchsanordnung liegt auch ein spezieller Spannungszustand
zu Grunde, es sind nämlich zwei Hauptspannungen gleich; bei
1 E. Beltrami, Sülle condizioni di resistenza dei corpi elastici. Lomb.
Ist. Rend. (2) XVIII (1885); Beiblätter z. d. Ann. d. Physik, 1885.
Potential der Spannungskräfte. 515
dem allgemeinsten Spannzustande, wo die drei Hauptspan-
nungen verschieden sind, braucht dasselbe Kriterium für die
Bruchgefahr nicht zu gelten, es steht dann vielmehr zu erwarten^
daß alle drei Hauptspannungen in die Funktion für die Bruch-
gefahr eintreten müssen.
Der einfachste Ausdruck, in welchem alle drei Haupt-
spannungen vertreten sind, ist die kubische Dilatation, sie hat
die Eigenschaft, daß sie bei isotropen elastischen Körpern,
welche beliebigen äußeren Oberflächenkräften ausgesetzt sind,
wenn die Volumskräfte Gravitationskräfte Newton'scher Art
sind, nur an der Oberfläche ihren Maximalwert erlangen kann.^
Es ist aber selbstverständlich, daß auch bei isotropen Körpern
der Bruch nicht immer an der Oberfläche beginnen muß,
obwohl man das oft beobachten kann.
Anders ist es aber mit dem Potential der Spannungskräfte.
Die oben genannten Veränderungen repräsentieren nach dem
Prinzip der Erhaltung der Energie eine Energiegröße, die gleich
der von den wirkenden Kräften geleisteten sein muß. Hat man
also Reibung und Erwärmung vernachlässigt, so kann man
sagen, die Energie der äußeren Kräfte setzt sich in potentielle
Energie der Spannungskräfte allein um, welche für den Bereich
der elastischen Deformation für isotrope Körper pro Volums-
einheit die Formel :
/= _ür[x2+x|+x|+e(Xi+x,+x,)«] (2)
besitzt, wobei K, 0 die Kirchhoff'schen Elastizitätskoeffizienten,
^> ^ y ^ di^ Hauptdilatationen vorstellen.
Wenn die potentielle Energie der Spannungskräfte einen
bestimmten Wert in einem gegebenen Punkte des Körpers
erlangt hat, so tritt in diesem Punkte die Trennung der Teilchen,
d. h. der Bruch ein. Es fragt sich nun, ob dort, wo das Potential
ein größeres ist, auch die Gefahr für die Trennung der Teilchen
eine größere ist. Das ist nämlich die Behauptung Beltrami*s^
das letzte Wort kann nur durch sehr viele Versuche gesprochen
werden.
1 R. Girtler, Zeitschrift für Math, und Physik, Bd. 53, 1906.
516 R. Girtler,
Abgesehen davon, daß es von vornherein sehr verständlich
ist, zu behaupten, ein Teilchen sei mehr angestrengt, je mehr
Arbeit verwendet wurde, um es zu deformieren, — es ist das
gewissermaßen das Prinzip der Erhaltung der Energie auf
unser Problem angewendet — hat das Potential der Spannungs-
kräfte noch andere Eigenschaften, welche es für die Beurteilung
unserer Frage tauglich erscheinen lassen: es enthält die Eiasti-
zitätskonstanten explizit, sein Differential hat man mit gutem
Grunde als vollständiges anzunehmen, d. h. es ist eine Größe,
deren Endwert von dem Wege, auf welchem er erreicht wurde,
unabhängig ist; ferner kann man durch entsprechende Zusatz-
glieder, über die Prof. Finger^ eingehend geschrieben hat,
die schon vor der äußeren Belastungsaufbringung im Körper
vorhandenen Spannungen und die Abweichungen vom Hook-
sehen Gesetze, wie ich schon oben erwähnte, zum Ausdrucke
bringen. Das Potential enthält also in sich alles, was das
elastische Verhalten eines Stoffes charakterisiert.
Kurz will ich hier noch erwähnen, daß nach unserer An-
schauung für eine einfache Zugbeanspruchung die Bean-
spruchung nicht der ersten Potenz der Hauptdilatation, sondern
dem Quadrate derselben proportional ist, denn es ist dann:
f=-KXl±^. (3)
14-28
Ob die Versuchsresultate von Prof. Voigt zu der Ansicht,
daß das Potential der Spannungskräfte die Beanspruchung
messe, ein Widerspruch sind, läßt sich nicht sagen, da wir über
das Potential der Spannungen jenseits der Elastizitätsgrenze
nichts Allgemeines wissen; wir können nur sagen, daß es als
eine Funktion der herrschenden Spannungen ausdrückbar sein
muß, also im Falle der geschilderten Beanspruchung des
Paraffinstäbchens als eine Funktion zweier Hauptspannungen.
Würde nachgewiesen werden können, daß die fragliche Funk-
tion eine solche der Differenz der beiden Hauptspannungen ist,
1 J. Finger, Das Potential der inneren Kräfte. Diese Sitzungsber.,
Bd. cm, Abt. IIa, 1894.
Potential der Spannungskräfle. 517
SO stellte sich die Ansicht von Voigt als spezieller Fall der-
jenigen von Beltrami dar. Das Paraffin ist übrigens ein Körper,
der sich dadurch dem Kautschuk nähert, daß seine Poisson'sche
Konstante m nahezu nach den Versuchen von Mallock^
gleich 2 ist. Dieses ganz besondere Verhalten von Paraffin ist
vielleicht einer der Gründe, warum das Versuchsresultat von
Prof. Voigt in direktem Widerspruche zu dem von Wehage
steht.
Wir legen uns nun die Frage vor, ob die Annahme, das
Potential der Spannungskräfte sei für die Bruchgefahr maß-
gebend, nicht im Widerspruche mit der Erfahrungstatsache
stehe, nach welcher ein von allen Seiten gleichmäßig gedrückter
Körper (in Flüssigkeit unter hohem Druck) erst bei einer im
Vergleiche zur reinen Druckfestigkeit sehr großen Belastung Q
pro Flächeneinheit oder überhaupt gar nicht zerdrückt werden
kann.
Die Versuche von Prof. Föppl* in dieser Richtung haben
ergeben, daß sehr poröse Körper, wie z. B. Zementwürfel, bei
welchen man annehmen kann, daß die Druckflüssigkeit in die
Poren eindringt und eine Art Sprengwirkung hervorruft, zer-
drückt werden konnten, während sehr dichte Körper, wie Glas,
Blei, Kupfer, Zinn unter noch so hohem Flüssigkeitsdrucke
nicht zerstört werden konnten und entweder gar keine oder
nur eine geringe Deformation konstatiert wurde. Durch reine
Druckwirkung — ein Kreiszylinder werde zwischen zwei
Druckplatten normal zur Achse gepreßt und die Reibung werde
durch Schmierung der Basisflächen so viel als möglich elimi-
niert — sind die meisten Stoffe zerstörbar oder zum mindesten
einer sehr starken bleibenden Deformation zugänglich.
Bei allseits gleichem Flüssigkeitsdrucke -^ sind die drei
Hauptspannungen untereinander gleich -^ und gegeben durch
die Gleichung
0 = — 2X^(1 4-3e)X (a)
1 Mallock, Proc. royal Soc. of London, 1879.
2 FÖppl, Mitteilungen aus seinem Laboratorium, 27 bis 29.
518 R. Girtler,
und das Potential der elastischen Kräfte ist für jeden Punkt
dasselbe und hat den Wert
/•-_A_öL_ fj,)
Für reine Druckbeanspruchung -^^ erhalten wir für das
CfH
elastische Potential
/--._J.0«_L±2?__ fc)
•^«~" 2 ^»(i+3e)j5r' ^^
Sind öl und Q^ einander gleich, so ergibt sich aus (b)
und (c)
/i = — ^ — /«• r^^
' 2(1+26) "
Solange wir uns innerhalb der elastischen Deformationen
befinden, wird, weil 6 für die meisten Stoffe zwischen 1 und -jr-
1 3
liögtj fi zwischen — f^ und — f^ liegen.
Wir sehen also, daß, wenn der Flüssigkeitsdruck gleich
der linearen Druckbelastung wird, das Potential f^ zwar kleiner
als f^ ist, aber nicht in dem Maße, als die Erfahrung verlangt,
nach welcher der Flüssigkeitsdruck bedeutend viel größer sein
muß als die reine lineare Druckfestigkeit, um ein Zerdrücken
des Materials herbeizuführen.
Wir stehen daher vor einem Widerspruche, der sich aber
löst, wenn man bedenkt, daß nach der bestehenden Anschauung
über die Konstitution der Materie die Bewegung der Moleküle
gegeneinander, wie sie bei Flüssigkeitsdruckwirkung auf die
Oberfläche eines Körpers auftreten muß, nur bis zu einer
bestimmten Grenzlage möglich sein wird, d. h. die Zusammen-
drückbarkeit eines beliebigen festen Stoffes wird um so
geringer werden, je größer der allseits wirkende Flüssigkeits-
druck wird. Mathematisch ausgedrückt heißt das, die Poisson-
sche Konstante m wird bei allseits unter Flüssigkeitsdruck
stehenden Körpern mit dem fortgesetzten Zusammendrücken
Potential der Spannungskräfte. 5 1 9
sich der Größe 2 nähern, wodurch f^ in (b) weniger rasch
wachsen wird als f^ in (c)^ denn bei reiner linearer Druck-
wirkung ist eine rapide Abnahme der Konstanten m bei
zunehmendem Druck nicht nötig, weil ein seitliches Ausweichen
des Materials möglich ist. Bei allseits gleichem Flüssigkeits-
druck wird also infolge der Konstitution der Materie das
Potential der Spannungskräfte nur bis zu einem bestimmten
Grenzwerte F wachsen können, während bei reiner Druck-
beanspruchung dem fortgesetzten Anwachsen von f^ nichts
entgegensteht. Ist der Grenzwert F nicht genügend groß, um
ein Zerstören der Materie herbeizuführen, so wird, abgesehen
von sekundären Einflüssen, wie die oben erwähnte Spreng-
wirkung, bei vollkommener Isotropie des Materials ein Bruch
überhaupt nicht eintreten können. Die verschiedene Variabilität
der Poisson'schen Konstanten w, folgend aus der Konstitution
der Materie, mit der Art der Beanspruchung des Materials und
der Zunahme der äußeren Kräfte, wird insbesondere bei Druck-
beanspruchungen von großer Bedeutung sein. Daß die
Elastizitätskonstanten bei Voraussetzung der Gültigkeit des
Hook'schen Gesetzes überhaupt nicht als konstant zu betrachten
sind, daraufhaben in neuerer Zeit Prof. Finger und Thomp-
son in bereits zitierter Abhandlung hingewiesen. Man findet
dort auch die diesbezüglichen Literaturangaben.
Wir gehen nun daran, einen der häufigst vorkommenden
Fälle der Beanspruchung exakt nach der Elastizitätstheorie für
isotrope Körper zu berechnen, die Maximalkurven des elastischen
Potentials aufzustellen und hierauf experimentell an eigens zu
dem Zwecke hergestellten Versuchskörpern zu zeigen, inwieweit
sich die Erfahrung mit der Theorie decke, beziehungsweise
decken kann.
V.
Ein isotroper Kreiszylinder von der Höhe 2c werde
zwischen Druckbacken so gepreßt, daß sich die Druckiast — Q
gleichförmig auf die Zylinderbasen verteilt, die infolge der
zwischen ihnen und den Druckbacken auftretenden Reibung
gehindert seien, normal zur Achse auszuweichen. Die Mantel-
Sltzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 34
520 R. Girtier,
fläche des Zylinders sei frei von Kräften, die Schwerkraft werde
vernachlässigt
Wir haben also als wirkende Oberflächenkräfte:
1. Druck — Q gleichmäßig auf die Basen des Zylinders ver-
teilt.
2. Schubspannung an den Basisflächen von zu bestimmender
Verteilung.
Als Oberflächenbedingungen bestehen:
1. Längs der Mantelfläche seien die Schubspannungen r
parallel zur Zylinderachse gleich Null.
2. Die in die Richtung des Radius a fallenden Spannungen Rr
verschwinden längs der Mantelfläche.
3. Die Druckspannung längs der Zylinderbasen sind konstant
gleich — Q.
4. Die Peripheriekreise der Basen behalten infolge der auf-
tretenden Reibung ihre Größe unverändert bei.
N. G. Filon^ hat einen ähnlichen Fall behandelt, er nahm
aber als Oberflächenbedingung, daß die Basisebenen des
Zylinders bei der elastischen Deformation eben bleiben müssen,
woraus sich ergab, daß die Druckverteilung über die Basis*
ebenen nicht gleichmäßig sein konnte. Wie wir weiter unten
sehen werden, ist es bei gleichmäßiger Druckverteilung aus-
geschlossen, daß die Basen eben bleiben. In den Fällen der
Praxis wird im Bereiche der elastischen Deformation ein Mittel-
ding zwischen dem von Fi Ion gelösten und dem von uns zu
betrachtenden Fall eintreten, d. h. es werden die Basen weder
eben bleiben, noch wird die Druckverteilung über sie eine
gleichförmige sein. Um exakt vorzugehen, wären bei jedem
einzelnen Fall auch die Elastizitätsverhältnisse des drückenden
Körpers heranzuziehen. Da aber nach meiner Meinung eine
gleichförmige Druckverteilung durch passende Wahl von Druck-
platten- und Zylindermatenal eher zu erreichen ist als das
Ebenbleiben der Zylinderbasen durch passende Wahl der
1 N. G. Filon, »On the elastic cquilibrium of circular cylinders under
ceitain practica! syslems of loads.« Phil, Trans. 1902. 198 A.
Potential der Spannungskräfte. 52 1
Druckverteilung über dieselben und es daher im ersten Fall
leichter ist, die der Theorie entsprechenden Voraussetzungen
praktisch wirklich herzustellen, wählte ich als eine der Grenz-
bedingungen gleichmäßige Druckübertragung. Aber noch ein
anderer Beweggrund leitete mich bei der Stellung des Problems:
Durch die längs der Basisflächen auftretenden Schubspannungen
wird eine Größe definiert, welche als statische Reibung
bezeichnet wird. In der Definition dieser Reibung kommt ja
immer die gleichmäßige Druckübertragung als Voraussetzung
vor. Nach dem oben Gesagten ist es klar, daß man nicht für
alle Körper von einer Reibung in diesem Sinne sprechen kann.
Je gleichartiger die beiden einander reibenden Körper sind, desto
angenäherter wird die von uns abzuleitende Beziehung
zwischen Druck und Reibung richtig sein.
Was die Methode der Lösung betrifft, so verweise ich in
dieser Hinsicht auf die Abhandlungen von N. G. Filon,^ von
Chree* und von Pochhammer.®
Wir werden uns also gestatten, die einleitenden Glei-
chungen mit Hinweisung auf die Quellen kürzer auszulegen
und erst bei Verwendung der Oberflächenbedingungen ein-
gehendere Betrachtungen zu pflegen.
Bei Einführung zylindrischer Koordinaten lauten die
elastischen Grundgleichungen :
^ ^ , 8v Fl 3S 8951 „ i^u
) (4)
8v f 1 arS 1 aal
8«w
8/2
1 N. G. Filon, On the elastic equilibrium of circular cylinders under
certain practical Systems of Load. Phil. Trans, of London, 1902. 198 A.
' Ch. Chree, The equations of an isotropie elastic solid in Polar- and
cylindrical coordinates, their Solution and application. Cambr. phil. trans.»
vol. 14.
> L. Pochhammer, Beitrag zur Theorie der Biegung von Kreiszylindem.
Crslle's Journal, 1876.
34*
322 R. Girtler,
Für den Fall, daß die rechten Seiten dieser Gleichungen
verschwinden, haben Chree und Pochhammer die allge-
meinen Lösungen dieser Differentialgleichungen angegeben. In
ihnen ist:
^_ iv^ 1 8n;
8r iz '
H,Vyfv stellen die Verschiebungen parallel zur Zylinder-
achse, normal und parallel zum Radius vor, f , r, z sind die
Punktkoordinaten, X, |i sind die Lame*schen^ Elastizitätskon-
stanten, V bedeutet die kubische Dilatation, i^, ^q, Z^ sind die
Komponenten der Volumskräfte, welche wir vernachlässigen
wollen. Die n, u*Ebene ist in der halben Zylinderböhe liegend
gedacht, die M*-Achse fallt mit der Achse des Zylinders zu-
siunmen.
Für unser Problem gilt also
da r verschwindet.
Die kubische Dilatation v, deren allgemeiner Ausdruck
i^t. hat hier den Wert
^ ~ V er '•^ cT *
i M. O l«m«. l*^oas «r :* ä.v*» ie :
Potential der SpannungskrSfle.
523
Wir erhalten daher aus (4):
8*»
J3»» 1 dH\ (
8r«
_l_8w\
r ir /
4-(X+2|i.)
3«w
82«
= 0.
(40
Die auftretenden Spannungen reduzieren sich wegen der
herrschenden Symmetrie auf
Z, = Xv4-2|i-g^,
Z, = i?. = t=tt^_ + -^j
(5)
Durch Einsetzen von v in (5) gehen diese Gleichungen in
/?,= (X+2ft)-j^ + X- + X— ,
„ ,3« . u ^ „ V 3w
^ = X -j^ + X — +(X+2 |t) -j^ ,
... /> « » »* X 3« , Sw
r/ = (x+2n)y + x-j^ + x
8z '
'^\3r ^ 3a/
(50
Ober. Die Lösung der Gleichungen (4') läßt sich auf die Lösung
der Differentialgleichung
(»»+Z)»)y=8
(6)
524 R. Girtler,
iu ifV
zurückführen, wenn man für Y -r— , beziehungsweise -r— setzt
OZ OT
a 1 8 8<
und d* die Operation ^ r— r und D^ die Operation -r-^
bedeutet
Die Gleichung führt aber für zwei Systeme partikulärer
Integrale im Prinzip auf die Lösung der zwei Differential-
gleichungen
^-:|-^-(^--)«. = °. 1
+Jfe«Z, = 0,
(7)
wobei das Produkt R^ Z^ der Differentialgleichung
(*«+Z)«)i?,Zi = 0 (8)
genügt, i?i eine Funktion von r allein, Z^ eine Funktion von z
allein und i eine zu bestimmende Konstante bedeutet.
Die erste der beiden Gleichungen (7) ist die Bessel'sche
Differentialgleichung, fuhrt also auf Zylinderfunktionen zweiter
Art, die zweite ist linear homogen zweiter Ordnung und führt
auf trigonometrische Funktionen.
Chree^ hat die allgemeine Lösung für u und v aus (4^ in
zwei Lösungsformen angegeben. Die eine derselben ist eine
unendliche Reihe, welche nach Potenzen von r und z fort-
schreitet Durch eine geistreiche Kombination eines partikulären
Falles dieser Lösungsform von Chree mit den partikulären
Lösungen von n und t;, wie sie sich aus (7) und (8) ergeben,
fand Filon die für unser Problem ebenfalls tauglichen par-
tikulen Integrale von (40*
Berücksichtigt man noch, daß u bei unseren Bedingungen
nur eine gerade Funktion von c, w nur eine ungerade Funktion
von z sein kann, so vermögen wir die Lösungen für u und v in
folgender Form zu schreiben :
^ Ch. Chree, Cambr. phil. trans., vol. 14^. Sect. X seiner Abhandlung.
Potential der Spannungskräfte. 525
K ' K
fv =z gZ'^-hjs^'hiz^'^kr^Z'i-lr^z^+mr^Z'h
+v
^ /o (Kr) + -^ r/, (JiTr)] sin (üä),
(9)
wonn
f = oo
'"<^'-' = Z ¥J
(^^)»H-25
2«+25n(5)n(s+ii)
und ä, b, dy dy ^,/ gy Ä, i, i, /, w, >lj, -4^ , Q, ^ zu bestimmende
Konstante sind.
Aus der Bedingung, daß (9) den Gleichungen (40 genügen
müssen, ergeben sich die Bedingungen:
(10)
2(X4-n)^+2*n.+3(X4-2n)Ä = 0, (11)
4(X+n)^+8w|t+3(X4-2(Ji)/ = 0, (12)
2(X+{i)/+5i(X+2(JL) + |i./ = 0, (13)
4(X+2|t)i^-H^{i+(X+|i)t z= 0, (14)
12(X+2|i)c4-<?|i.+ 2fw(X+{i) = 0, (15)
4(X4-2|i.)^+3(X+{i)Z+6/iJL =: 0. (16)
Die Gleichungen (5^ gehen über in:
Z, = 2Xa+(X+2n)^+2;*[2/X+5i(X+2|i.)]+
+2«[2JX+3Ä(X+2{i)]-l-rV[4^X-f-3/(X+2|i.)] +
+r»[4feX-i-*(X+2|i)]+r*[6cX-i-(X4-2|JL)w]-H
+2{(>^+2^)i43-X^,-X-^|/,(ü:r) cos (Äi) +
+2nO/i(Ä:r)cos(Äi),
526 R. Girtler,
Rr = 2(X+n.)a4-X^+r2[2&C2X+3(JL)+*X]+
+r*[2c(3X4-5|i.)r4-wX]-|-z«[2^(X+n.)+3ÄX]-H
-♦-«V«[2(2X+3(JL)<j+3X/]+2*[2/(X+[i)+5A] +
{2X+3\l) Äi+[i.AAlQ(Kr) cos (Kz) +
Z-^iÄrf^^-^^f^^^'+f^^l^o
+2\i.{^ Cr\I^(Kr) cos (Kz),
^i^-'^}
Tt = 2(X+|j.)ä+X^+r2[2fc(2X4-(Ji)+iSjX]4-
+r*[2(3X+2(i.)^4-wX]+rV[2^(2X+|i.)+3/X]
4-«*[2J(X+|Ji) + 3ÄX]-4-«*[2/(5^+|J^)+5;X] +
-^^o(^^>-xT^}^^^^^
(17)
T = \i[2(d+k)rz'h2(l + 2f)rz^+2(e+2fn)r^z]-^
^\Ll{A^+A^)I^(Kr) sin (Äi)4-2Cr/o(Xr) sin (Äs). J
Aus den Oberflächenbedingungen ergibt sich:
Wenn 2rz:±^, muß Zs= — ö für jeden Wert von r,
d. h. es müssen die folgenden vier Gleichungen bestehen:
K-=, — ; Ä (w eine ganze positive Zahl), (18)
2 c
w(X+2(i)+6rX=:0, (19)
(X4-2|i)(3/^«+*)+X(4&+4^c») = 0, (20)
2X5+(X+2|i)^4-2X(Jc2 + <7V)4-
-4-(X+2(Ji)(3Atr2+5i(7*) = — ß. (21)
Es muß ferner, wenn a der größte Zylinderradius ist, t für
r '=z a verschwinden, d. h.:
Potential der Spannungskräfle. 527
0 = 2(rf+*)a«+2(/+2/)a2;»+2(ö+2m)a»«+
oo
+ y [(A+ A) A {Kä)^2CaI^(Kä)] sin (Ü5s), (22)
0
und zwar für jeden Wert von z. Wir entwickeln z und z^ in
eine Fourier'sche Reihe:
z
oo
0
-1)«
8g
(2M+1)*««
-sin
2«+l
2g '
• '
z^
oo
0
-1)-
24 g»
(2M+1)''««
.(,.
8
(2«+l)«
•
. 2i
sin —
•«+1
icz.
(23)
2g
Mit der Bedingung (18) ergibt sicli daraus die Beziehung:
8g
( — iy[2(d+k)a+2(e+2m)a*]
(2«+l)»it
1*8
+ 2(/+2/)a. — fl ](—iy =
(2«+l)«ic»\ (2»4-l)''ic»/
= — [(^1 + A) A (^ö) + 2 G»/o (/(Ta)] . (24)
Weiters soll Rr für r =: a für jeden Wert von z ver-
schwinden, was, weil nach (18) cos (Kc) für jeden Wert von n
Null ist, die drei Bedingungen :
2(\+^)ä+Xg = —a»[2b(2\+3^)+k\]—
• —a*[2^(3\+5v.)+mXl (25)
(—l)» If! (i § V2(X-t-lt)^+3AX+
(2«+l)ir V (2«+l)»w»/
+a*{2(2X+n)c+3/X}]-f-
■,(-i)..-J;^[,_ ■^ -H^gl— ]x
(2«+l)it L (2h+1)H* (2m+1)*ic*J
528
R. Girtter,
rAJ,(Ka) ^Ka,U^ ]
L Ka 2 X+2|t ' ^ J
2(X+|i)J+X^+a«[26(2X+3|i.)+*X]+
+a*[2^(3X+5ji)4-wX]+c^[2rf(X+|t)+3ÄX]+
+£:«a«[2(2X-H3|i)^+3X/]+r*[2/(X+|i)+5fX] = 0 (27)
nach sich zieht.
(25) und (26) ergeben sich leicht, wenn z^ und :^ in eine
Fourier'sche Reihe entwickelt worden sind:
= y(_i) — lf!_(i_
8
(2«+l)'
'it«/
2»+l
• cos KZ,
2c
OO
«* =
= X(-')'
4r*
(i ii_
(2ii+l)ic ^ (2ii+l)
384 \ 2«4-l
H 1 cos ««
(2«+l)*ic*/ 2c i
(250
und dabei auch die Bedingung (10) beachtet wurde.
Endlich soll die Größe m für r = a und 2; = r, um auch
Punkt 4 (siehe oben) der Oberflächenbedingungen zu erfüllen,
einer bestimmten Länge a gleich sein; setzen wir o gleich Null,
so tritt unsere Aufgabe in Erscheinung.
o = äa+6a*+ca*+ Jac«+^a*^-l-yac*.
(28)
Hiemit wären die Oberflächenbedingungen erschöpft
Aus den Gleichungen (10) bis (28) können die Konstanten
gerechnet werden.
Zunächst ergibt sich aus (19):
c =
m X-f-2tt
6 X
(«)
Potential der Spannungskräfle. 529
aus (15):
^=^(3X+4^), (ß)
aus (12):
Sm 3X+2pi
(T)
aus (16):
aus (13):
/= ~-^(5X+6|t), (8)
*-=:^-^(5X+4h.). (e)
Infolge (25) lautet (27):
[2rf(X+|i,)+3ÄX]+a«[2(2X+3{t)«+3X/]+
+c»[2/(X+{t)+5iX] = 0. (27 a)
Eliminiert man aus (27a) und (1 1) das h, so erhält man
die erste Beziehung zwischen d und k. Verbindet man (20) mit
(14) unter Berücksichtigung von (a) bis (e), so ergibt sich durch
Elimination von b die zweite Beziehung zwischen d und k. Es
können also d und k berechnet werden; das Resultat ist:
_ 4fH<:»(45X«+70X{H-24n»)
dz=
3X(5X+4jt)
2»»a«(13X+ 12n)(3X+4|i)
X(5X+4ii)
(0
4«wc«(55X«+102ttX+48ti«) 2wa«(13X+12n)
~ 3X(5X+4n) (5X+4|i,) ' ^
b ergibt sich aus (14):
. m<:»(55X«+92aX+36u.«)
b zzi +
3X(5X+4{t)
♦«a»(13X+12{t)(X+2ti)
2X(5X+4n)
(*)
530 R. Girtler,
Endlich folgt aus (11):
_ 8wg«(45X«4-80|iX4-36|i*)
""~ 9X(5X+4|jl)
4wa«(13X-4- 12[Ji)(3X+2ti)
**" 3X(5X+4n)
Setzt man in (25) die Werte (a) bis (e) ein, so erhalten wir:
2wa*(109X«-4-196[tX-4-88|i.«)a .
2(X+tt)a+x^z=: ^^ ^ «izi:l +
^ (3X(5X+4(i.)
2wg'flV(145X»+252|JLX+108{t«)
"*" 3X(5X+4|i)
und aus (21) folgt durch Substitution derselben Werte:
3X(5X+4ji)
16f«a«c«tt(13X4-12ti.)(tt+X) ^ ^^^
X(5X+4|i.)
Aus (25a) und (21a) folgt:
__ -wa*(X4-2ti.)(109X»+196[tX4-89tt^
"~ 3X(5X+4ti)(3X+2i])
_80w£*(X+jiO wc«a»(145X«+252[iX+108n')(X-l-2[i)
3(5X+4|i) 3X(5X+4j«.)(3X+2|i)
8wa''g''(13X+12tt)((t4-X) \Q
(5X+4|j.)(3X+2n) 2n(3X+2tt) '
_ 2»«a*(109X«+196|iX+88n«) I60mc*(\-*-^)*
~ 3(5X+4|j.)(3X+2n) 3X(5X+4n)
(X4-n)Ö 16f»a«<:«(13X+12n)(X+n)»
{t(3X+2n) X(5X+4{t)(3X+2|i.)
2>wc»a«(145X«+252ttX+108t«.')
3(5X+4n)(3X+2ji)
iv)
Potential der SpannungskrVfte.
531
Aus (26) folgt mit Benützung von (25), (27) und («) bis (x):
64mc*^(7\+6v.) f 28 Ifl
-3X(2»-t-l)« \ (2«+l)»i:» (2i»+l)*«
X+2|t
2n+X
— [ — ^ — /o (Äa)+ nÄi» ^^tlL / (Äa)1 A. (A)
(2{i+X)
X+2{t
Aus (24) ergibt sich mit Hinblick auf (10):
(-!)•
8
<2i»+l)»x«
[
8f»^a(99X«+172|tX+72|t*)
3X(5X-h4|i)
X(5X+4|i)
-]-
1024mat*(k+f.) f
a(2«+1/x* '«
1 —
8
(2n+ l)*x
-I .<-iy
: wir fA/ -'"-- ^^J '-• -*r abgekürzten Form:
4«..v = ^,g+^Ä;
/yiV
rh-
j
jf=
-'-.*. <-^', *
-;« ««-^- X
^*
- V/
'V>
■V
532 R. Girtler,
N = (-1)- ^.^
(2«+l)«w«X(5X+4n)
^.'(99X«.M72,X^.72,«) _,,^,^^^y^ _
_(_!)« (l § )
V (2«+l)««»/
256(X+K.)a^^ (30)
(2«+l)»«»/ X(2i«+1)*««
O = _ — L(2X+3p.)/o(Ä-a)+ 11!i/,(ü:«)+
2n.+X Äi»
^^:KaO^^ (31)
X+2|t
P = ^^ L (Ka)—}f.Ka J±l!^ / (iCä), (32)
2|H-X "^ '^ X+2n *
Ö = ^^(^^P-) I^(Ka)-I,(Ka), (33)
i? = - ^^(^+1^) l^iKa)-I,{Kä). (34)
X+2|i.
Also ist abgekürzt geschrieben:
A=:4w , (v)
' OR^PQ
A=z4w ^^^ — , (p)
^ OR—PQ ^
worin die Werte von (29) bis (34) einzusetzen sind. Bis jetzt
wurden alle Konstanten durch m ausgedrückt, m aber kann
aus (28) gefunden werden.
Setzt man darin die Werte für ä, b, c, d, e^f ein, so erhält
man m:
=-ih
2|j.(3X+2(t) /
6X(5X+4 n) (3 X+ 2 n)
10aV(7X«+34|i>>*+34ii«X»+12|t»)+a»(X+2|i.)(X+n)x(29X+28ti.)
(t)
Potential der Spannungskräfle. 533
Die Spannungen ergeben sich aus (17) mit Hilfe der ge-
fundenen Werte:
\ 3X(5X+4|t)
4a»<:«a(13X+12u,)(u,+X) 16a(X+{i,) ,
(5X+4n)X 3X
4(X+jt)|t
3X(5X+4n)
[3a«(13X4-12n)— 2c«(25X+18n)]«»—
X X
Hä4^'«^'>-^<'^'>'.H-<^>
X+2n X+2p.
Z Ä i' [- x-^/- <^''- ^ *^'-^' H) ■- H (ä^)
i?^=: 4f«/ —
(109X«+196ttX+88|i.«)
6X(5X+4tt)
a«c»H(145X»+252nX+108n«)
6X(5X+4n)
r»g«H(145X«+252ttX+108[t«)
6X(5X+4n)
a«r«H(91X»+162nX+72[t«) r*iJi(llX+10|i)
4X(5X+4|i) 12X
22»<;«n(7X+6n) «»a«{i(13X+12|j.)
3X X
g«r»n(13X+12tt) 22*ti(7X+6(i)
3X
+
LJ^Am\.Kr X+2n ' 2n+X J
534 R. Girtler,
(109X»+ 196n?i+88n«)n
+
6X(5X+4n)
6X(5X+4|j.)
»'•c:«H(35X«+68nX+36{t« a»r« tt(65X«+86|i>^t-24ji^
6X(5X+4|t) 4X(5X+4n)
r«tt(7X+2pi.) , 2tt(7X+6n) g«a«;i.(13X+12tt)
12X 3X X
^r«.V(7X-4-4,x)_^^
X 3X ^
X+2(Ji JiTr
8
-ä^<^"tÄ;:>««<*>J-<''>
} cos (Kz) \
_ _ _ . 2c:«(99X»+172nX+72n«)r«
T —
^ 4|j.»«/
3X(5X+4n)
_4a«(13X+12|t)(X-htt)rz_32^ ^ ^^,^4(X+p.)^^^
X(5X+4n) 3X X
-^"^[^[It^^ hiKr) + I,(Kr)^Xsm{Kz)\. (38)
Wir wollen jetzt unsere Formeln für den Fall reiner Druck-
beanspruchung, wobei also von der an den Zylinderbasen auf-
tretenden Reibung abgesehen wird, spezialisieren. Dann sind
die drei Hauptdilatationen
^ g(X^(i) , , ^ XQ
H(3X+2|t) ' ^ ^ 2p.(3XH-2|i) '
Potential der Spannungskräfte. 535
Für Xg können wir aber schreiben
x. = — = ^Ö
dr 2|Ji(3X4-2|Ji)
Integrieren wir die letzte Gleichung von 0 bis 0, so erhalten
wir die Verschiebung eines Punktes der Zylindermantelfläche
in der Richtung des Radius, wenn auf die Zylinderbasen die
gleichmäßig verteilte Last — Q wirkt
X ~ ' ~X 2{t(3X+2K.) - 2n(3X+2ti) '
Für diesen Wert von o wird aber aus (35) bis (38), wenn
der Wert für m aus (t) eingesetzt gedacht ist:
Z, = —Q, Rr=Tt = T = 0,
was eine Probe für die Richtigkeit unserer Rechnung ist.
Nun gehen wir daran, unseren allgemeinen Fall auf ein
besonderes Beispiel anzuwenden. Für die leichtere Berechnung
der Besserschen Funktionen zweiter Art empfieht es sich, mit
Rücksicht auf Gleichung (18), die Höhe 2 c des Zylinders
gleich %a zu setzen. Das Verhältnis der Höhe des Zylinders
zum Durchmesser ist dann 1 -57 : 1.
a nehmen wir Punkt (4) unserer ursprünglichen Oberflächen-
bedingungen folgend gleich 0.
Femer sei
X = 2|t,
was 0 = 1 und in :=3 entspricht, wenn in die sogenannte
Poisson'sche Konstante ist.
Mit diesen Werten ergeben sich;
aö 0-2003 ^ öQ 0-0834
32|t a* 40 a^
aO 1015
1= -^ — ;
16{t a*
S«ixb. d. malhcni.-iialunr. KL; CXVI. ::d., AM. IIa. 35
536
R. Girtler,
_ aQ 1-0682 ^_ aQ 2-136
— T : — > / — — r^ : — >
16(1 a
w, =
_ aQ 2-2497
24 |j. a'
b = —
_ aQ 5-0104
* =
16|i a»
a = —
/ =
32
a» '
ff/, =
' 40t»,
9347
aQ 1-
5338
24 |i
a» '
<i =
aÖ 1
16{t
•3295
aQO-
8|t
1323
1-
a
ö
8n '
_ öÖ
1-0256
3g
K39)
8|t a 8(1.
Zur Berechnung von ^, und A^ benötigen wir die Werte
(29) bis (34):
„ / ,XH -^aV / » 28« 192 \ ]
"'"« + n^ (2« + l)> (2«+l)*a/
10,
3(2« + l)
N
2a* [n* 1
= (_1)» fi^^ JL . 203— 144 —
(2m4-1)«.7icL3 J
V (2«+!)« / (2M+1)«
0 =
P =
(2»i+l)tt / (2m+1)'
7|lr/o ,^ . 8 + 3(2«+!)* ,_ . ,,
— --p/o(2«+l)+n--— -i -^/,(2«+l),
4 4(2«+l)
--^/o(2«+l)— ?-p,(2„+l)/,(2«+l),
4 4
Q = — /,(2«+l) + — (2«+l)/o(2«+l),
4
i? = -/i(2»i+l) 3(2«* + l) /^(2«+i).
(40)
Potential der Spannungskräfte.
537
Die daraus sich ergebenden Werte von A^ und A^ sind in
folgender Tabelle zusammengestellt; es ergab sich leider dabei
die Notwendigkeit, verschiedene Werte von I^ und I^ zu
berechnen, da die Bessel'schen Funktionen zweiter Art, soweit
mir bekannt, nur bis zum Argumentwerte 6 berechnet sind. Die
berechneten Funktionswerte sind:
W) =
168-594904,
A(7) =
156 039096,
/o(9) =
1093-590156,
7,(9) =
1030-918409,
/o(ll) =
7268-431797,
/tOl)
6948-858628,
/o(13) =
49433-14485,
7,(13) =
47502-98721,
/oa5) =
339651-567,
7,(15) =
328129-904,
/o(17) =
2353951-893,
7,(17) _
2284589-231.
Ferner ergeben sich aus (35) bis (38):
Z..= -Q+
8 L
5-8859 1 -60242* 6 -3391z»
a
a'
a
8
2-4036*-«z« 5-9301
_gQ [2-4142 2-1471r^ 0-2671f^ 0-51:
8 L a a' a^ a
(35 a)
12g«
8
3'8057gV« l-3353g^1 ag y
a'
a'
8
(36 a)
y, _ aQf 2-414 0-511!
' "" 8 I- a a»
22J« 3-80572^2 1- 3353 g*
_H
a'
a'
aQ r 6-29:
8 L a3
0- 1030^2 0-1335r* aß V /o^ x
a^ a^ 8 ^--'
l'2018y^g I
a* J
2920 3-2048f'g»
8 ^^
(38 a)
35*
r^^is
R. Girtler,
Tabelle 1
'2c
= «a.
m
H "
0
1
2
3
4
.\/
13-85708
-24-43001
18-390334
- 13-91947
1 1 • 085049
<l'|l.
N
19-075770
9-952667
- 2-930639
2 - 05430
1-254891
0
- 0-661429
2-989274
53-323138
568-746791
5274-00925
V-
P
- 0-740385
-10-115281
- 98-068626
- 861-354041
- 7232-096739
?-
Q
0-384391
7-028414
77-813878
729-084182
6350-815459
R
- 1-514709
-14-935154
- 126-485162
-1041-162374
- 8412-652277
•
MR
-20-989449
364-865962
-2326-104338
14492-428792
-93254-662965
-XP
14-123414
100-674023
- 385-472366
1769-479604
- 9075-49306
<j*a
OX
-12-617267
29-751249
- 209-594006
1168-376531
- 6618-306804
flljJL
-Q.\f
- 5-326537
171-704224
-1431-023206
10148-465371
-70399-101007
•
OR
1-001872
-44-645268
-6744-585642
-592157-7728
-44368406 • 467
1^
0-284597
71-094383
7631- 100100
627999-6039
45929711-8199
Q
- 1-069337
3-5255492
- 0-612655
+ 0-090878
- 0-0131278
8|i.l._,
Q
- 2-793804
- 1-525638
- 0-370683
+ 0-063245
- 0-0098806
Potential der Spannungskrälle.
539
für A^ und ^tg.
Xzr 2(1, orzO.
6
-0-176815
0-837344
45871-75645
- 59145-191399
53015-703697
- 66913-420953
6 14052 085534
49524-870813
38410-439656
486515-307703
-30694361^-24
3135623939-079
+ 0-002008
+ 0-001588
8
- 7-817420
" 0-606107
383954 07653
- 475512-419212
434470-16679
- 529476-14821
-4139137-36635
- 288211-4063
- 232717-2555
-3396435 - 796
-203294524215-65
206595961954-5
-0-000269
-0-0Ö02201
-6 8036785
0-456036
3140821-8071
-3776374-312
3492950-236
-4149210-044
28229890 • 868985
1722162-6302
1432327-8103
23764910-177
-13031929220778
13190687366459
0-0000377906
+ 0-0000317896
6-020128
0-355475
25277872-087
-29717000-6857
27728297-392
32297475-854
-194434933-57
- 10563650-93
- 8985651-5492
-166927897-162
-816411438973200
824001829677297
- 0-0000054096
- 0-00000^6421
540
R. Girtler,
Die Punkte nach den Summenzeichen ersetzen die aus
Tabelle 1 zu berechnenden Ausdrücke, in welche noch folgende
aus Tabellen nicht entnehmbare BesseFsche Funktionswerte
eintreten:
'. (f ) =
'• (?) =
97-73492,
123-463482,
506-43374,
(f) =
2
27
107-01052,
= 133-817911,
(?) =
540-32436.
Die Hauptspannungen sind:
Pi = T,,
H41)
Daraus folgen die drei Hauptdilatationen \, X,, \ mit den
Werten :
"^ = i ['^-
3X4-2(1
2u. L
(Pi+Ps+Pi
.)] =
2|J,
(3X+2{i)
(r,+z,+/?J,
Ni
= i:[^«-
3X+2|i
(;?i+Ä+P8)j = -
2(1.
2 ^ 3X+2n
Za-4-i?r
2|i
(r,+z,+i?,)],
\,
= i^ [^»-
3X4-2(1
(/»i+Pg+P»)
_ 1 \Z,—Rr
211.1- 2
— - \/(z,— 2?r)»+4t« — (r<+z,+;? J .
(42)
Potential der Spannungskräfte.
541
Daher ist das elastische Potential
/= -PL [x;+x|+>^+ ^ (Xj +X,+ X,)«] :
/=-
2(3X+2n)«
{Tt+Z,+Rr)'—
|2(X+H.) X 12
[3X+2n^*~3X+2it^^'~^^^J
1 1 r X«
8[i
2|i. L(3X+2|i.)'
4(3X+2n)
Ist X = 2 [1, so wird
x,= l^[3r,-z.-i?,],
(3X+2ii)'
(42)
X, = g^ [/?,+z,-r,+2 V(^,-ier)«+4t«] ,
op»
X, = -^ \R,+Z^T,-2 v/(Z.-i?,)«+4t«],
> (41ö)
und
/•=
— g^ [(3 T,-Z,-Rr)'+2(Rr+Z^- Tt)'+
8(Z,— Är)"+32t«+(J?,+2',+ r,)»]. (42a)
Wir setzen
3 Tt—Z^—Rr
Z,—Rr
Rr+Zz'^Tt
A, ]
B,
C,
E,
D. J
(43)
542
R. Girtler,
Daher können wir schreiben:
/ =
64 n»
[i4»+25*+8 Ch- JS«+32Z)''] .
(42 ft)
A, B, C, E ergeben sich aus (35 a) bis (38 a) mit:
31672» 100152V
^sfi \
^ aQ\ 10575 5-31C
8 L a a»
4-27306S« 40919r» 0-1334rM oQ y
a» a» a* J" 8 ^"'
^ aQ [5-8859 l-6024s* 6-33912»
L ö a» a»
3-8859y» 0-1336r*1 aQy
a» a» J 3 ^""
8
2-4036r»=»
8 L <»
2 -93772* 5-82782»
6-2093r»:» 80772r»
+0-2671
a'
8 ^-J
=-..^(
5-2078c^r«
u
10-7142 ^ OAI.I-' l'068c*
/ •3615
3^6800 _ 0-4006 r*1 oOy
(43a)
In folgender Tabelle 2 sind die Werte von A Ä QD^E,/, u,
n\ T: nach v4oj\ v*^«"»'^ ^^^ C^\^ ^^ verschiedene Werte von r
und r zusammengestellt.
Die Zahlen der folgenden Tabelle 2 sind dann, wenn für
sie die Berechnung Bessel'scher Funktionswerte not^*endig
war, nur bis zur zweiten Derinialstelle als richtig ru betrachten.
Potential der Spanntingskräfle.
543
In den beiden folgenden Zeichnungen sind die Kurven
gleichen elastischen Potentials (Fig. 1) und die Gestalt des
Zylinders nach der elastischen Deformation (Fig. 2, p. 546} dar-
gestellt.
t
z
m 4h71
O-H Ott
iH6
0^
(HS
&7t
IL
X = 2|ji, 0 = 0.
Fig. 1.
In Fig. 1 wurde die Maximalkurve des elastischen Paten-
ö
2
tials, das die Größe — 0*81 ^^ besitzt, stark hervorgehoben. Aus
dem Vorlauf der Kurven ersieht man, daß die Flächen gleichen
Potentials gegen die Basen des Zylinders zu teilweise annähernd
Kegelflächen mit der Zylinderachse als Rotationsachse sind,
544
X = 2|i.
R. Girtler,
Tabelle 2
z
r
A:Q
B:Q
C:Q
D:Q
0
0
0-8678
-0-2643
-0-5660
—
0
a
4
1-2108
-0-9173
-1-0453
0
0
a
T
1-1618
-0-9173
-1-0453
0
0
3a
4
1-0905
-0-9779
-1-0759
0
0
a
1-0834
-1-3262
-1-4462
0
c
T
0
0-9576
-0-3815
-0-6696
0
c
4
3a
T
1-506
-1-0052
-1-1124
0-1864
c
4
a
1-5203
-1-3364
.1-2446
0
c
0
1-0901
-0-6761
-0-8756
0
c
2
a
4
2-4841
-1-3372
-1-8565
0-1258
c
2
a
"2"
2-5072
-1-2394
-1-7236
0-2280
c
2
3a
4
2-5139
-1-0729
-1-5777
0-1932
c
2
a
2-6657
-0-4445
-0-6660
0
3r
T
0
0-7614
-0-9766
-0-8696
0
Zc
T
3a
T
3-3618
-1-0648
-2-1122
-0-1835
3ff
4
a
3-8445
-0-5945
-0-9734
0
tf
0
-0-7440
-0-9972
-0-1276
0
c
a
4
-0-5831
-1-0158
-0-1840
-0-3416
c
a
-0-1015
-1-0647
-0-3062
-0-6576
c
3a
T
0-6964
-1-1451
-0-6265
-1-0710
e
a
1-804
-1-2683
-l-OOO
0
Potential der Spannungskräfte.
für/, u, w und T<.
545
0 = 0
E.Q
u : —
w:
T-rß
0-3392
-0-055
0
0
0-3018
-0-568
-0-1716
—
—
0-1574
-0-6744
-0-1846
—
—
01227
-0-9112
-0-205
—
—
0 0563
-1-4920
-0-3713
-0-1292
0
-0-1214
0-1936
-0-0756
—
—
0-2879
0-5600
-0-2437
—
—
0-2505
0-600
-0-2827
—
—
0-0918
-0-2792
-0-1262
—
—
0-207
-0- 1984
-0-5988
—
—
0-5734
+0-0264
-0-5422
—
—
0-6339
0-3632
-0-4608
—
—
0-7205
0-9832
-0-1450
0-4005
-0-1450
1-1105
1-1944
-0-1556
—
—
-0-1084
1-1360
-0-8051
—
—
1-1304
2-7224
-0-4754
—
—
1 - 6303
-2-7432
-0-1594
0
-0-0962
-0-8721
-2-6120
-0-2058
—
—
-0-7995
-2*224
-0-3407
-0-0349
-0-5037
-0-5827
-1-5984
-0-7102
—
—
-0-2146
-0-7312
-0-2344
0
-0-2973
0-2698
m
546
R. Girtler,
gegen die Mitte zu jedoch Zylinderflächen ähneln mit derselben
Achse wie die genannten Kegel. Dieses theoretische Ergebnis
steht in einer merkwürdigen Obereinstimmung mit der Tatsache,
daß annähernd homogen hergestellte Würfel, deren Basen einer
analogen Druckwirkung ausgesetzt werden^ wie wir bei
unserem Zylinder angenommen haben, beim Bruch in solche
Kegel und Zylinder zerfallend Bevor ich nun die Versuchs-
resultate mitteile, welche ich selbst erhalten habe, möchte ich
noch einiges über die Reibung an den Zylinderbasen sagen.
1 C. Bach, ElastizUäU- und Festigkeitslehre, p. 156.
Potential der Spannungskräfte. 547
Nach dem eingangs dieses Teiles Gesagten können wir von
Reibung nur in einem beschränkten Sinne sprechen, nämlich
nur von jenen Fällen, in welchen längs der Berührungsfläche
der reibenden Körper eine gleichmäßige, normal auf sie stehende
Druckübertragung stattfindet. Nehmen wir also solche Stoffe,
für welche eine gleichmäßige Druckübertragung annähernd
möglich ist, so wird die Reibung R als Integral der über die Be-
rührungsflächen verbreiteten Schubspannung aufgefaßt werden
können, in unserem betrachteten Beispiel also als Integral der
Schubspannungen über die Basisfläche des Zylinders. Die in
Formel (38) nach Einsetzen von m aus (t) vorkommende
Größe o ist selbst offenbar eine Funktion von Q und müßte der
Zusammenhang mit Q durch Beobachtungen festgestellt
werden, o wird für die zwei drückenden Materialien charak-
teristisch sein.
Die Sache allgemein zu packen, d. h. die theoretische
Herleitung der Reibung für nicht gleichmäßige Druckübertragung,
ist mit ungeheueren theoretischen Schwierigkeiten verknüpft.
Nach (38) ist
'= (^-^ o ll^o )z{rS^Tr^+'^rVI,{Kr)-^
\ 2[t(3X-h2(i.j /
-k-WI^(Kr)y (44)
Z, S, r, F, W sind nur Funktionen von a, c, also der
Dimensionen des Zylinders und der Elastizitätskonstanten X, (Ji,
und haben die Bedeutung
6tiX(5X-h4(Ji)(3X4-2tx)
~ 10a8£r«(7X3+34jiX2-f34[i*^X^+12|t3)-fa*(X-f-2[x)(X-f-|x)(29X+28|Ji) '
2g»(99X«-hl72{iX+72ti^ 4ag(13X-hl2|A)(X-f|i)r 32^»
3X(5X+4|i) X(5X-+-4(i.) 3X ^ "^^^^
4(X-h[i)r
X '
MR—NP RiX-hy.) ON—QMKQ.-\-v)
" OR—PQ X4-2|JL '^ OR—PQ X4-2(JL '
^_ MR—NP . ON—QM
Z =
OR—PQ OR—PQ
(45)
548 R. Girtler,
M, iV, O, P, Qy R Sind aus (29) bis (34) entnehmban
Nach Obigem ist die Reibung
na
xdrdff .
Zur Ausführung des Integrals / rlQ(Kr)dr berücksichtige
man, daß
daher
C"" Krl^dr= C'' Krl[dr+ f^^h^r
Jo Jo Jo
und das erste Integral rechts partiell integriert:
= aI^{Ka)-r I^{Kr)dr+ ^ I^{Kr)dr,
Jo Jo
daher
rrI,(Kr)dr=^I,{Kr),
Jo A.
Ferner ist, da I^ = /^ ist:
Jo Jo K K
Demgemäß erhalten wir, wenn wir auch noch die übrigen
leicht zu berechnenden Integrale auswerten:
2(i(3X+2[i.) J L 2 2
"^TC W V 1
S F--- ö7, (Aa) + --^ 2ic /o(/i:ö)J • (46)
Der zweite eckige Klammerausdruck ist bei gegebenem
Zylinder konstant und sei gleich A gesetzt; daher:
/?=L ^ÜÖ Ja, (46a)
worin 3 als experimentell zu bestimmende Funktion von Q
betrachtet werden muß.
Potential der Spannungskräfte. 549
Da o sicher dem Drucke Q nicht proportional ist, so ist R
auch nicht dem Druck proportional. Nur bei sehr hohen
Drucken, wo man annehmen kann, daß a verschwindet, wird R
dem Q proportional gesetzt werden dürfen. Aus den Ausdrücken
(36) bis (38) für Rr, Tt\ t sehen wir, daß diese Spannungen der
Reibung R proportional sind.
Fassen wir das Vorhergehende kurz zusammen, so
ergab sich:
1. Die Annahme, daß das Potential der Spannungskräfte
ein Maß für die Beanspruchung in einem Punkte eines Körpers
sei, für die Erwägungen physikalischer Natur sprechen, braucht
in keinem Widerspruche mit den bisherigen Versuchsresultaten,
insbesondere den von Prof. Voigt erhaltenen, zu stehen; um
jedoch gewisse Erscheinungen, die am Schlüsse des Teiles IV
besprochen wurden, näher zu erklären, ist die Annahme der
Nichtkonstanz der Poisson'schen Größe m notwendig.
2. Eine gleichmäßige Druckübertragung auf die Basen
eines Zylinders zieht eine .Krümmung derselben notwendig
nach sich, während das Ebenbieiben der Basen die Voraus-
setzung ungleichmäßiger Druckübertragung in sich schließt
(Gleichung 18, Fig. 2, Hinweis auf N. G. Filon).
3. Die Reibung, als Integral der Schubspannungen längs
einer Berührungsfläche von Zylinder und einem zweiten gleich-
mäßig den Druck übertragenden Körper betrachtet, ist dem
Druck nicht proportinal (Gleichung 46 a).
4. Die bei einer im Teil V näher geschilderten Belastung
eines isotropen Kreiszylinders auftretenden Spannungen Rr Tt
und T sind der Reibung an den Basisebenen proportional [(36)
bis (38) und Gleichung (46 a)].
VI.
Wir haben im Teil V die Kurven gleichen elastischen
Potentials eines Zylinders unter den dort näher auseinander-
gesetzten Oberflächenbedingungen und Kraftwirkungen be-
rechnet, wobei das Verhältnis des Basisdurchmessers des
Zylinders zur Höhe d:h= 1 : 1 -57 und X == 2(1, also m = 3
war.
550 R. Girtler,
Im Folgenden bringen wir die Resultate von Versuchen, die
wir mit Glaszylindern, deren Basisdurchmesser zur Höhe
angenähert oder genau in demselben angegebenen Verhältnisse
stand, erhalten haben. Wir wählten als Material Glas, weil man
von diesem Material, wenn es feingekühlt wie Jenenser Glas
ist, am ehesten Isotropie voraussetzen kann; femer ist nach den
Versuchen von Winkelmann mit Jenenser Glas die Poisson-
sche Größe m für die meisten Sorten zwischen 2 • 5 und 3 gelegen,
wodurch wir uns dem berechneten Spezialfall nähern. Drittens
hat das deformierte Glas erfahrungsgemäß sehr kleine Dila-
tationen selbst bei sehr hoher Belastung, wodurch eine der
Voraussetzungen der angewendeten Elastizitätsgleichungen
sehr angenähert bis zum vollkommenen Bruche des Materials
bestehen bleibt, daher die aus den Versuchen gezogenen
Schlüsse gesicherter erscheinen als bei Verwendung von vielen
anderen, technisch wichtigen Stoffen, bei welchen die Um-
stände, welche das Potential der Spannungskräfte bestimmen,
viel komplizierter liegen. Man kann auch sagen, daß bei Glas
Elastizitätsgrenze und Bruch sehr nahe aneinander liegen
werden.
Freilich setzen die Elastizitätsgleichungen auch die
Gültigkeit des Hook'schen Gesetzes voraus, das sicher auch
innerhalb der Elastizitätsgrenzen nur angenähert besteht; aber
die hiedurch notwendig werdenden Korrekturen werden bei
sehr kleinen Dilatationen sicher weniger ins Gewicht fallen als
bei verhältnismäßig großen, wie z. B. den bei Gußeisen. Femer
kann man bei Glas das erste Auftreten der Sprünge und das
Fortschreiten der Zerstörung des Materials bei wachsendem
Druck sehr gut verfolgen.
Da endlich nach unserer Anschauung der Hauptgrund der
nicht gleichmäßigen Druckübertragung zwischen Druckplatte
und Zylinder in der Verschiedenartigkeit der Krümmung von
Druckplatte und Zylinderbasen zu suchen ist, so muß, um eine
gleichmäßige Druckübertragung der theoretischen Voraus-
setzung gemäß praktisch wirklich angenähert herzustellen, ein
Material gewählt werden, deren Krümmung überhaupt nicht
sehr ins Gewicht fällt; und dafür halte ich wieder homogenes
Glas am tauglichsten.
Potential der Spannungskräfte. 55 1
Die Druckplatten bestanden aus gehärtetem Stahl und
hatten einen Durchmesser von 7 '9 cm. Die untere der Druck-
platten war durch Kugelkontakt beweglich gemacht, die obere war
normal auf ihre Fläche beweglich. Der Druck wurde hydraulisch
hergestellt. Es ergab sich aus den Versuchen, daß die geringste
Nichtparallelität der Druckplatten schon eine sehr bedeutende
Exzentrizität des Druckes längs der Zylinderbasen zur Folge
hatte. Die verwendeten Glaszylinder waren aus verschiedenen
Glassorten hergestellt:
a) aus Flaschenglas,
b) aus böhmischem Kristallglas,
c) aus Jenenser Glas O Nr. 3452.
Die Basisflächen wurden bei den unter bj und c) genannten
Gläsern vom Optiker parallel zueinander und normal auf die
Erzeugenden geschliffen. Die Untersuchungen wurden mit der
Druckfestigkeitsmaschine des mechanisch-technischen Labora-
toriums des Prof. Kirsch der hierortigen technischen Hochschule
ausgeführt und bin ich dem Konstrukteur dieses Institutes Herrn
Dr. Gessner für seine diesbezüglichen Bemühungen zu Dank
verpflichtet.
Bevor ich zur Spezialbetrachtung übergehe, will ich jetzt
über das Allgemeine in den von mir vorgenommenen Versuchen
berichten. Die Zylinder aus Flaschenglas brachen bei 10 bis
15 Tonnen Druck auf eine Druckfläche von 19 cm^ mit einer
kleinen Detonation plötzlich in tausend nach allen. Seiten aus-
einanderspringende Trümmer. Der Grund davon wird in den
schon von allem Anfang an im Glase vorhandenen Spannungen
zu suchen sein und war auch eine Gesetzmäßigkeit des Zer-
springens nach bestimmten Flächen deswegen von vornherein
nicht zu erwarten. Böhmisches Kristallglas und insbesondere
das Jenenser Glas O Nr. 3452 zeigten, wenn die Stahidruck-
platte ohne Zwischenlage direkt mit den Basen der Zylinder in
Berührung stand, auf eine Fläche von 16 bis 17 cm^ die ersten
Sprünge, welche entweder — und das in den weitaus meisten
Fällen — an der Basisfläche selbst oder — und das höchst
selten — in der Mantelfläche in einer zur Basisfläche parallelen
Ebene in der unmittelbaren Nähe des Basiskreises lagen.
Silzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 36
552 R. Girtler,
Die ersten Sprünge an den Basisflächen hatten mehr oder
weniger konzentrische Richtung (siehe Tafel I, Fig. 3 und 4). Bei
weiterer Druckzunahme setzten sich zuerst die konzentrischen
Sprünge der Basen längs des gegen die Basisflächen zu liegen-
den Teiles der Mantelfläche in Zylindererzeugenden fort und
drangen auch längs konaxialen Ebenen gegen die Mittel- oder
zu ihr parallelen Achse des Zylinders hin v^or, und zwar um so
weiter, je mehr sie sich von den Basen entfernten (siehe Tafel II,
Fig. 7, die Parallelen zur Zylinderachse). Erst bei ziemlich hohem
Druck trat zu den konzentrischen Sprüngen ein mehr oder
weniger kreisförmig angeordneter Sprung in der Basisebene mit
beiläufig um einen halben Zentimeter kleineren Radius als der
Umfangskreis, und zwar ausnahmslos bei den Versuchen mit
Jenenser Glas hinzu; bei böhmischem Kristallglas zeigte sich
der kreisförmige Sprung in der Mehrheit der Fälle (siehe Tafel I,
Fig. 4, 5, 6).
Nach dem Auftreten dieses Kreises sprang das Glas auch
an der Mantelfläche in zu den Basiskreisen mehr oder weniger
parallelen Linien (siehe Fig. 7, Tafel II, die Parallelen zum
Basiskreis).
Man konnte so den Druck bis 40 / und etwas darüber fort-
setzen, ohne daß das Glas vollkommen in Trümmer auseinander
fiel. Weiter wurde mit Ausnahme zweier Fälle, von welchen
der eine weiter unten beschrieben ist, die Belastung nicht
geführt, um der vollständigen Zertrümmerung auszuweichen,
wodurch eine Wiedergabe der Sprungfiguren unmöglich ge-
worden wäre.
Aus dem Vorhergehenden glauben wir Folgendes schließen
zu dürfen : Die konzentrischen Sprünge zu Anfang des Versuches
deuten darauf hin, daß die Druckverteilung keine gleichmäßige
gewesen ist, sondern daß im Zentrum der Sprünge anfänglich
ein maximaler Druck herrschte. Dieser maximale Druck war
auch oft etwas exzentrisch, wie aus den Abbildungen deutlich
zu ersehen ist. Erst bei gesteigerter Druckzunahme wurde die
Druckverteilung eine gleichmäßigere und es trat dann auch
immer an den Basisflächen der bereits beschriebene Kreis auf,
welcher nach unserer Anschauung dem dort vorhandenen
maximalen Potential entspricht (siehe Fig. 1). Dementsprechend
Potential der Spannungskräfte. 553
müssen auch die aus Fig. 7, Tafel II, ersichtlichen, zum Basiskreis
parallelen Linien Kurven gleichen Spannungspotentials für
gleichmäßige Ehiickübertragung sein.
Wurde zwischen Zylinderbasen und Druckplatten eine
0'58cm starke Bleiplatte von etwas größerem Durchmesser als
der der Basis eingeschaltet, so zeigte sich im Gegensatz zu früher
bis 40 1 auf eine Fläche von 1 7 cm' überhaupt kein Sprung, nur
die Bleiplatten virurden schüsseiförmig deformiert (siehe Tafel II,
Fig. 9). Bei etwas über 40 1 trat der Bruch plötzlich ein, und
zwar zerfiel der Zylinder längs der Mantelfläche in einzelne
Säulen A, B, Q Z), E (siehe Fig. 8, ein Teil der Säulen ist leider
herausgefallen), und gegen die Zylinderachse nahm die Zer-
splitterung immer mehr zu. Die Bleiplatten haben also insofern
einen günstigen Einfluß, als sich bis 40 / Belastung überhaupt
keine Trennung des Materials längs Sprüngen zeigte. Die
mutmaßlichen Gründe für dieses merkwürdige Verhalten
werden wir in dem speziellen Teil geben, zu dem wir uns nun
wenden.
Wir heben aus der größeren Anzahl von Versuchen, die
wir anstellten, die Haupttypen heraus:
1. Zylinder aus grünem Flaschenglas. Basisdurchmesser
50 cm, Höhe 9'0 cm, Druckplatten direkt mit den Basen in
Berührung. Totale Zersplitterung bei 8 /.
2. Zylinder aus Jenenser Glas O Nr. 3452. Basisdurch-
messer d = 44-7 mm, Höhe h = 70*2 mm, d:h =\: 1 -57;
Druckplatten direkt mit den Basen in Berührung. Bei 15 /
Belastung Auftreten der radialen Sprünge (siehe Tafel I, Fig. 3).
Druckverteilung nicht gleichmäßig.
3. Zylinder aus Jenenser Glas O Nr. 3452. Basisdurch-
messer ^ zz 45- 1 mm, Höhe h z=z 70*85 mnf, d:h =zl:l'57;
Druckplatten direkt mit den Basen in Berührung. Bei 36 t
Belastung Sprungfiguren auf den Basen wie Fig. 4 und 6,
Tafel II, zeigt. Druck war etwas exzentrisch. Sprungfiguren auf
der Mantelfläche, siehe Tafel II, Fig. 7, in welcher deutlich
die mit den Erzeugenden zusammenfallenden und auf ihnen
normalen Sprünge ersichtlich sind.
36*
554 R. Girtler,
4. Zylinder aus böhmischem Kristallglas. Durchmesser
4 • 7 ctUy Höhe h=z7'l cm, d:h z=zl:l'5l. Druckplatten direkt
mit den Basen in Berührung. Druck 40 1 und etwas exzentrisch,
dementsprechend auch der Sprungkreis nicht geschlossen.
5. Zylinder aus böhmischem Kristallglas. Zwischenlage von
Bleiplatten, deren Durchmesser 5' 49 cm und Höhe 0 • 58 rm sind.
Durchmesser des Zylinders dz=z 4 '925 cm, Höhe A = 7*312 cm,
d:h=: 1:1' 48, Der Zylinder brach bei 40 / anscheinend plötz-
lich. Die aus Fig. 9, Tafel II, ersichtliche deformierte Bleiplatte
zeigte an den Stellen, welche um die Achse des Zylinders (an
der Stelle B) lagen, eine größere Dicke als gegen den (an den
Stellen A) Rand zu. Das Blei hat bekanntlich die Eigenschaft,
unter hohem Drucke wie eine zähe Flüssigkeit zu fließen.
Betrachtet man Fig. 2, nach welcher bei gleichmäßiger Druck-
verteilung der Teil der Basen, der um die Achsen sich befindet,
höher liegt als jener in der Nähe der Mantelfläche, so ist die
besprochene verschiedene Dicke der Bleiplatte — gleichmäßige
Druckverteilung vorausgesetzt — damit zu erklären, daß das
Blei infolge der Gestalt des deformierten Zylinders gegen die
Ränder zu abfließen konnte, gegen die Achse des Zylinders
aber am Abfließen gehindert war. Da& die Druckverteilung
aber im letzten Augenblick ■ vor dem Bruche eine nahezu
gleichförmige war, dafür spricht Fig. 8, wo wir deutlich die
kreisförmige Anordnung der äußeren Säulen wahrnehmen
können. Vor dieser gleichförmigen Druckverteilung muß wieder
eine solche vorhanden gewesen sein, welche die radialen, aus
der Figur deutlich ersichtlichen Sprünge bewirkte. Zum Unter-
schied aber von den Fällen 2, 3, 4 muß die Zeitdauer während
der Wechsel von ungleichmäßiger in gleichmäßige Druck-
verteilung sehr kurz gewesen sein, so kurz, daß es dem Beob-
achter beinahe plötzlich vor sich zu gehen schien.
Was vor diesem Wechsel für eine Druck- und daher
Reibungsverteilung auf den Zylinderbasen herrschte und die
Ursache war, daß das Glas erst bei 40 1 jäh zerbrach, kann aus
den Beobachtungen nicht einmal vermutet werden. Der Voll-
ständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, daß die Zylinder-
basen in allen beschriebenen Versuchen an den Basen unpoliert
gewesen sind.
Potential der Spannungskräfte. 555
ScUufi.
Wir können uns nicht verhehlen, daß die im vorher-
gehenden ausgesprochene Behauptung, nach welcher die Glas-
zylinder nach Kurven gleichen Spannungspotentials gesprungen
seien, insofern etwas Hypothetisches anhaftet, als wir über
die Druckverteilung auf den Basen eigentlich nur Vermutungen
aussprechen konnten. Allerdings kann diesen Vermutungen
durch keine beobachtbare Tatsache widersprochen werden und
es wäre gewiß höchst absonderlich, wenn es noch eine andere
ungleichmäßige Druckverteilung, respektive bei gleichmäßiger
Druckverteilung geometrische örter anderer Funktionen geben
würde, die so ganz der Theorie entsprechend sich praktisch
wirklich zeigen. Der volle Beweis für die Richtigkeit unserer
Anschauung, daß das Potential der Spannungskräfte wirklich
als Maß der Bruchgefahr gelten könne, müßte durch weitere
Beobachtungsweisen unter anderen Verhältnissen erbracht
werden. Doch glaube ich, wenigstens einen kleinen Ansporn
nach vorwärts gegeben zu haben.
•• •
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• *
557
Büschel- und oszillierende Spitzenentladung
in Helium, Argon und anderen Gasen
von
Dr. Karl Przibram.
Aus dem Institute für theoretische Physik an der k. k. Universilät in Wien.
(Mit 5 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 21. MSrx 1907.)
Frühere Untersuchungen^ über die Büschelentladung
haben zu dem Schlüsse geführt, daß das positive Büschel das
negative um so mehr an Ausdehnung übertrifft, je rascher sich
in dem betreffenden Gase^ die negativen Ionen im Verhältnis
zu den positiven bewegen, ein Verhalten, daß sich etwa so
erklären läßt: je rascher sich die Ionen von einer Elektrode,
an der sie erzeugt werden, wegbewegen, umso unwahrschein-
licher ist es, daß an dieser Elektrode ein genügend großes
Potentialgefälle eintritt, um eine größere Strecke des Gases zu
durchschlagen.
Es hat nun Edmunds' die Beweglichkeit der Ionen in
Helium bestimmt und für die positiven Ionen i;^ 3= 1 -42, für die
negativen i/« = 2*03 gefunden; das Verhältnis also — = 1 • 43.
Wenn der oben ausgesprochene Satz richtig ist, so müßte also
in diesem Gase das positive Büschel das negative eher noch
mehr übertreffen, als dies in Luft der Fall ist, da in Luft das
Verhältnis der Beweglichkeiten nach Zeleny* — = 1 375 ist.
^-f
1 Diese Sitzungsberichte, US, 464 (1904); U3, 1491 bis 1507 (1904).
s In schlechtleitenden Flüssigkeiten scheint eine ähnliche Beziehung zu
bestehen: Diese Sitzungsberichte, 114, 1461 bis 1476 (1905).
8 J. J. Thomson, Conduction of Electricity through Gases, 2. Auflage,
Cambridge 1906, p. 80.
^ Ebenda, p. 58.
558 K. Przibram,
Ich habe deshalb die Büschelentladung in Helium untersucht
und bei dieser Gelegenheit die ganze Frage nochmals auf-
genommen, indem ich teils ältere Versuche wiederholte, teils
auf neue Gase ausdehnte. Da ferner nach v. Wesen donk^ die
merkwürdigen, an Spitzen, die mit einem Teslapol verbunden
sind, beobachteten polaren Wirkungen mit dem Überwiegen
des positiven Büschels zusammenhängen, so muß auch bei
diesen Versuchen die Reihe der Gase, wie sie schon Himstedt
aufgestellt hat, sich mit derjenigen decken, die man erhält, wenn
man sie nach fallenden anordnet, so daß auch diese Ver-
suche zur Prüfung herangezogen werden können. Ich bemerke
gleich hier, daß die zu schildernden Versuche die aufgestellte
Behauptung durchaus bestätigen. Zur Ausmessung der Büschel
wurde wie in einer älteren Arbeit* die Entladung direkt über
die photographische Platte geschickt. Als Elektrizitätsquelle
dient eine kleine Wimshurstmaschine von 26 an Scheiben-
durchmesser mit zwei Verstärkungsflaschen von zirka Acm
Durchmesser und 8 cm Beleghöhe. Die Versuchselektroden
sind mit den äußeren Belegen verbunden, die inneren mit den
Konduktoren der Maschine (Kugeln von 12 mm Durchmesser),
so daß bei jedem Funken zwischen den letzteren auch eine
Entladung über die Platte geht. Die Änderung des Abstandes der
Konduktoren gestattet, die zur Wirkung kommende Spannung
beliebig zu regulieren. Der Rezipient, in welchem die Aufnahme
gemacht wird, ist ein flaches Glasgefaß von 14 cm Höhe,
10 5cw Breite und O'öcm Tiefe; es ist unten offen und trägt
oben einen Dreiweghahn, der eine Verbindung mit der Atmo-
sphäre oder mit einem Gasbehälter herstellen läßt. Die photo-
graphische Platte wird in das Gefäß eingeführt und durch einen
nachgeschobenen kleinen Kautschuk propfen festgehalten. Die
Elektroden sind Platindrähte, die sich federnd auf die Platte
legen. Das Gefäß wird in einen größeren Behälter mit Queck-
silber eingesenkt, wobei die Luft verdrängt wird. Dann wird
der Hahn umgelegt, das Gas bis zur Erreichung des Atmo-
1 Phys. Zcitschr., 4. 465 (1903).
2 Diese Sitzungsberichte, 108, 1161 bis 1171 (1899).
Büschel- und Spttzenentladung. 559
Sphärendruckes eingelassen und nach erfolgter Entladung
wieder in den Gasbehälter zurückgepreßt. Hierauf wird der
Hahn wieder umgelegt und das Gefäß aus dem Quecksilber
herausgehoben, die Platte herausgenommen und entwickelt.
Das wiederholte Versenken der Platte in Quecksilber beein-
trächtigt zwar die Schönheit der Bilder vom photographischen
Standpunkte ein wenig, übt jedoch keine wesentliche störende
Wirkung aus.
Zur Untersuchung der Spitzenausströmung dient ein
Apparat, der einem früher beschriebenen^ ähnlich ist. Die Spitze
ist ein bis auf wenige Millimeter in Glas eingeschmolzener
Platindraht, der mit einem Pol einer kleinen Teslaanordnung
verbunden ist. (Der andere Pol ist isoliert.) Ihr gegenüber
befindet sich ein verstellbares Quecksilberniveau, dessen
Ladung mittels eines wenig empfindlichen Elektroskopes
geprüft wird. Die Gasfüllung geschieht wieder durch Queck-
silberverdrängung. Störend wirken die starken Wandladungen.
Das Gefäß konnte aber wegen der geringen Gasmengen, die
zur Verwendung kamen, nicht weiter genommen werden und
bei Verwendung eines die Spitze ganz umschließenden Metall-
zylinders als zweite Elektrode wäre die sehr wünschenswerte
Möglichkeit, den Abstand zu verändern, weggefallen. Da es
sich femer bei diesen Versuchen bloß um Vergleichung der
Gase untereinander und nicht um absolute Messungen handelt,
so genügt der angegebene Apparat vollkommen.
Das Helium wurde von Thomas Tyrer & Co. in London
in Röhren zu 100 cw* bezogen. Gleich der erste Versuch, die
Büschelentladung in diesem Gase zu photographieren, schien
die gehegte Erwartung zu erfüllen. Die Entladung war, der
geringen elektrischen Festigkeit* des Heliums entsprechend,
sehr ausgedehnt, das sehr schön verästelte positive Büschel
übertraf das rundliche, unzerteilte negative eher mehr als in Luft.
Es stellte sich jedoch heraus, daß bei diesem Versuche eine
beträchtliche Menge Luft eingedrungen war; er mußte daher
1 Phys. Zeitschr., 4, 581 bis 583 (1903).
2 Ramsayft Collie, Strutt, siehe J. J.Thomson, 1. c, p. 449; Ewers,
Ann. d. Phys., 17, 781 bis 860 (1905).
560 K. Przibram,
mit einer frischen Heliumprobe .wiederholt werden. Die größere
Reinheit des Gases äußerte sich in einer noch größeren Aus-
dehnung der ganzen Entladungserscheinung, es erschien aber
jetzt gegen alle Erwartung das negative Büschel auf Kosten
des positiven vergrößert
Allein die Ähnlichkeit der so erhaltenen Ejitladungsbilder
mit den Bildern in verdünnter Luft (Verschwommenheit, Breite
der Büscheläste etc.) sowie der Umstand, daß von Stellen des
Anodendrahtes, die weiter von der Kathode entfernt sind, sehr
lange positive Büschelfäden ausgehen, weckten die Vermutung,
daß man es hier mit einer Zurückdrängung des positiven
Büschels durch die von der Kathode herkommenden Ionen*
schwärme zu tun hat. So wird bei Verdünnung der Luft das
positive Büschel immer mehr zurückgedrängt, ^ was sich nach
den hier vertretenen Anschauungen leicht erklärt, da durch die
Ionen, welche die negative Entladung in die Nähe der Anode
bringt, hier durch bloße Leitung ein reichlicher Elektrizitäts-
ausgleich stattfindet, so daß das Gefälle nicht mehr für so lange
Büschel ausreicht Ist dies auch im Helium der Fall, so muß
das richtige Verhältnis der Liüschel zu erhalten sein, wenn man
beide Büschel für sich allein, ohne Beeinflussung von Seite
des anderen, beoba* :itet Es wurde deshalb jetzt nur eine
Elektrode mit der Maschine verbunden, die andere isoliert
gehalten. Und jetzt ergab sich in der Tat das erwartete Resultat:
die Anode gdb ein prachtvolles verästeltes Büschel (Fig. 1),
die Kathode nur einen runden Fleck (Fig. 2). Die größte Aus-
dehnung des positiven Büschels betrug 4Qfnm^ des negativen
7 mm, das Verhältnis also gleich 7. Der Versuch wurde mit
gleichem Resultate wiederholt; das Verhältnis der Büschel
ergab sich zu 7 - 5. Vergleichsaufnahmen in Luft lieferten unter
gleichen Bedingungen die Zahlen 24mm, 3' 5 mm, 6*8 (Fig. 3).
Der Abstand der Konduktoren der Maschine war in diesen
Fällen lern.
In Übereinstimmung zeigte sich femer das Verhalten des
Heliums gegen die oszillierende Spitzenentladung. War der
oben beschriebene Apparat mit Luft gefüllt, so empfing das
1 Diese Sitzungsberichte, 108, 1165 (1899); iiJ, 461 (1904).
Büschel- und Spiteenaotladung.
561
Quecksilber bei einem Abstand von zirka 33mm von der Spitze
stets eine starke positiv« Ladung. Ein beiläußges MaQ für die
Aufladung gibt die Zeit, die vom Einschalten des Tesla-
Flg. 1.
apparates bis zum Anschlagen der Elektroskopblättchen an die
SchutKplatten vergeht. Wurde nun Helium eingefüllt, so war
^
Ü¥^
Fig. 2.
Fig, 3.
die Aufladung auch positiv. Im folgenden gebe ich einige
Messungen der angegebenen Zeit:
Luft . stark -
Helium ,
Luft . . .
Helium
Luft . . .
Helium
Blättchen schlagen an nach zirka 3"
. 2", 3"
1-5^,2"
3-5"
l-ö", 2-5"
1".
Aus diesen und ähnlichen Versuchen geht hervor, daß
Helium die positive Spitzenausströmung in ganz ähnlicher
Weise begünstigt wie die Luft, wie nach dem Verhältnis ^
und nach der Untersuchung der Büschelgröße zu erwarten war.
Es dürfen bei diesen Versuchen die leuchtenden Büschel,
welche man im Dunkeln von der Spitze ausgehen sieht, nicht
ganz bis zum Quecksilber hinüberreichen, da sonst Unregel-
mäßigkeiten auftreten. Bei der Leichtigkeit, mit der die Ent-
ladung im Helium erfolgt, ist hier besonders darauf zu achten.
Um möglichst viele untereinander vergleichbare Resultate
zu erhalten, wurden die schon früher untersuchten Gase: Luft,
Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlendioxyd wieder geprüft. Die
folgende Tabelle gibt unter A die Funkenlänge zwischen den
Maschinenkonduktoren in Millimetern, unter B+ und B_ die
Durchmesser des positiven, respektive negativen Büschels, senk-
recht zur Verbindungslinie der Elektroden gemessen, in Milli-
metern, unter -H^ schließlich das Verhältnis der beiden Größen.
Die mit der oszillierenden Spitzenentladung in diesen
Gasen erhaltenen Resultate decken sich mit denen von Harvey
& Hird '■ und Himstedt. " Es ergaben sich nämlich die
folgenden Ausschläge:
1 Phil. Mag. (5). 36. 45 (1893).
t Wied. Ann., S2, 473 (1894).
Büschel- und Spitzenentladung.
563
Luft stark +, in zirka 2" an,
O2 +, » » 13'' »
H« sehr schwach — , schlägt nicht an.
COa stark — , in zirka 8'' an.
In der ersten Arbeit von Zeleny ^ über das Verhältnis der
lonenbeweglichkeiten ist dieses Verhältnis noch für N2O und
C2H2 angegeben. Es wurden deshalb auch diese Gase unter-
sucht. Es ergaben sich die folgenden Zahlen:
il s= 10 mm
20 mm
B^
B_
B^
B^
B^
B_
B^
B^
N20
12
8-5
4
4
3
2-1
10
15
10
13
1-0
1-2
v^ rla ••■...••••..•
■ 4 •••••••••••••
Die zu verschiedenen Malen in N2O erhaltenen Bilder
weichen stark voneinander ab. In Acetylen muß, seiner großen
Festigkeit" entsprechend, zur Erzielung guter Büschel A groß
gewählt werden. Es treten hiebei leicht Funken auf, welche
die Platte schwärzen, wodurch die r^yy.
Wiedergabe der Bilder erschwert b
Fig. 4.
wird. Fig. 4 gibt wenigstens in den 4.
wesentlichsten Zügen die Umrisse
einer solchen Entladung in Acetylen.
Die Ähnlichkeit der beiden Büschel ist hier sehr auffallend.
Bei der oszillierenden Spitzenentladung gibt N2O eine sehr
schwache positive Ladung, C2H2 eine sehr starke negative, wie
von den untersuchten Gasen sonst nur CO2.
Berücksichtigt man noch die Angaben Himstedt's^ über
das Verhalten von NHs und Leuchtgas gegen die oszillierende
1 Phil. Mag., 46, 120 (1898); J. J. Thomson, 1. c, p. 52.
2 Natterer, diese Sitzungsberichte, 98, 990 bis 1001 (1889).
3 L. c.
564
K. Przibram,
Spitzenentladung, so sind alle Gase untersucht, für welche
das Verhältnis der lonenbeweglichkeiten bisher wenigstens
annähernd bekannt ist. Auf den Stickstoff komme ich später
noch zu sprechen.
Um einer weiteren Prüfung der eingangs aufgestellten
Behauptung vorzuarbeiten, wurde die Büschel- und oszillierende
Spitzenentladung auch noch in Kohlenoxyd und in Argon
untersucht.
In CO sind die erhaltenen Bilder recht undeutlich. Das
beste ergibt bei A= 10mm, B^= 11, B-=:4, ^ = 2 -8. Die
oszillierende Spitzenentladung gibt eine schwache positive
Ladung, aber sehr schwankend und launenhaft.
Das Argon wurde von derselben Quelle bezogen wie das
Helium. Die Büschelentladung ist sehr schön entwickelt, in der
Ausdehnung^ zwischen Luft und Helium stehend. Die Ver-
größerung gegen Luft betrifft jedoch fast nur das positive
Büschel; das negative ist unscheinbar und übertrifft kaum das-
jenige in Luft. Drei Aufnahmen ergaben folgende Resultate:
■
A = ^mm
lOmm
B^
B_
B^
B^
B_
Argon
40
1
8
5
46
50
6
6
7-7
8-3
Eigentümlich ist auf diesen Bildern das Auftreten schöner
Schichtungen in den Büschelästen, wie sie sonst bei Atmo-
sphärendruck nur sehr selten zu beobachten sind (Fig. 5).
Wird in Argon die oszillierende Spitzenentladung ein-
geleitet, so schlagen die Blättchen des Elektroskopes sofort
heftig an, so daß die Zeit mit der Stopuhr kaum mehr fest-
1 über die elektrische Festigkeit des Argons siehe Bouty, Compt. rend.,
13S, 616 bis 618 (1904). Minimumpotenüal : Ewers, 1. c.
Büschel- und Spitzenentladung. 565
zustellen ist. Die Aufladung ist positiv und nach der Heftigkeit
der Ausschläge stärker als in Luft und Helium.
Die mitgeteilten Zahlen sollen nun zur Prüfung der ein-
gangs aufgestellten Behauptung verwendet werden, wobei auch
noch die älteren Ergebnisse herangezogen werden mögen.
Besteht der behauptete Zusammenhang, so muß die Reihe der
Fig. 5.
Gase, geordnet nach fallendem — =^, sich decken mit der Reihe,
B ^"^
geordnet nach fallendem -^^. Eine flüchtige Prüfung zeigt
zunächst, daß in der Tat den größten Werten von
B^
^+
(Luft, He) die größten Werte von -z~^ entsprechen, und den
kleinsten Werten von (COj, C2H2) die kleinsten. Zur voll-
ständigen Einordnung ist aber noch folgendes zu bemerken.
G. Wiedemann^ hat daraufhingewiesen, daß, da das negative
Büschel im allgemeinen das kleinere ist, jede Größenänderung
an ihm weniger hervortreten wird und daß sich daraus die
größere Ähnlichkeit beider Büschel in den schwerer zu durch-
schlagenden Gasen, wie Sauerstoff, Leuchtgas oder Chlor-
wasserstoff erklären ließe. Wohl reicht dieser Umstand zur
Erklärung nicht aus, da z. B. auch bei gleicher Größe des
1 Elektrizität, IV. Bd., § 836.
566 K. Przibram,
negativen Büschels in Luft und CO2 doch das positive im erst-
genannten Gas weit größer ist als im zweiten, oder in Wasser-
stoff trotz seiner geringeren Festigkeit die beiden Büschel
ähnlicher sind als in Luft, doch ist der ungleichen Ausdehnung
oder der verschiedenen elektrischen Festigkeit der Gase Rech-
nung zu tragen. Man hat also nicht die Büschel bei gleichem A^
sondern bei gleichem jB_ zu vergleichen. Bei den älteren Auf-
nahmen, bei denen ^ in der Regel größer als 20mm war, wurde
die verschiedene Festigkeit schon teilweise durch Veränderung
von A kompensiert, so daß sie untereinander vergleichbare
Resultate lieferten. Würde man bei gleichem A vergleichen, so
fiele z. B. der Sauerstoff ganz aus der Reihe. Damit dürfte ein
scheinbarer Widerspruch aufgeklärt sein, der zwischen der hier
aufgestellten Behauptung und den Angaben Faraday's über
die Büschel in verschiedenen Gasen besteht. Die Stelle, * aus
der so ziemlich alle späteren Angaben über den Einfluß der
Gasart auf die Büschelentladung geschöpft sind, lautet: »In Luft
ist die Überlegenheit des positiven Büschels wohl bekannt.
In Stickstoff ist sie ebenso groß oder sogar größer als in Luft.
In Wasserstoff verliert das positive Büschel einen Teil seiner
Überlegenheit, indem es nicht so gut ist als in Stickstoff oder
Luft, während das negative Büschel nicht beeinträchtigt
erscheint. In Sauerstoff ist das positive Büschel gedrungen und
ärmlich, während das negative nicht kleiner wird. Die beiden
waren so ähnlich, daß das Auge häufig eines vom anderen
nicht unterscheiden konnte, und diese Ähnlichkeit blieb bestehen,
wenn der Sauerstoff allmählich verdünnt wurde. In Leuchtgas
sind die Büschel schwer zu erzeugen im Vergleich zum Stick-
stoff und das positive dem negativen nicht sehr überlegen in
seinem Charakter, weder bei gewöhnlichen, noch bei niedrigen
Drucken. In Kohlensäuregas trat diese Annäherung im Charakter
auch auf In Chlorwasserstoffgas war das positive Büschel nur
wenig besser als das negative und beide schwer zu erzeugen
im Vergleich zur Leichtigkeit in Stickstoff und Luft.« Zahlen
sind nicht angegeben, so daß man es hier wohl nur mit sub-
jektiven Schätzungen zu tun hat. Es dürfte daher dem Vergleiche
1 Experimcntal Rcsearches, I. Bd., § 1476.
Büschel- und Spitzenentladung. 567
desselben Büschels in verschiedenen Gasen weniger Gewicht
beizulegen sein als dem Vergleiche beider Büschel im selben
Gas. Ich habe stets gefunden, daß unter sonst gleichen Um-
ständen auch das negative Büschel in O2 kleiner ausfiel als
in Luft, was bei den Faraday'schen Versuchen wohl nur wegen
der Schwierigkeit des direkten Vergleiches nicht festgestellt
werden konnte. So finde ich auch stets in Wasserstoff eine
Vergrößerung des negativen Büschels gegen Luft, während
nach Faraday keine wesentliche Änderung eintritt.
Vergleicht man nun die Büschel in verschiedenen Gasen
nicht bei gleichen äußeren Bedingungen, sondern bei gleicher
Ausdehnung der negativen Büschel, so ergibt sich -«^in Sauer-
ß—
Stoff lange nicht so klein, als nach Faraday zu erwarten
wäre und es ist anzunehmen, daß Faraday bei verstärkter
Elektrizitätszufuhr auch einen größeren Unterschied zwischen
den beiden Büscheln im Sauerstoff beobachtet hätte. Reit-
linger^ hat gezeigt, daß die Lichtenberg'schen Figuren in Luft,
O2, H2 und CO2 mit den zitierten Faraday'schen Beobachtungen
übereinstimmen. Ich habe die Versuche wiederholt, wobei ich
die zur Anwendung kommende Spannung variierte, und erhielt
Resultate, die sich mit den photographischen Bildern vollständig
decken.
In der folgenden Tabelle sind die Gase nach fallendem — ^
geordnet. Die erste Kolumne gibt den Namen des Gases, die
zweite das Verhältnis —^ nach den älteren Angaben Zeleny's,
die dritte di« neueren Werte nach Zeleny und den Wert
JD
für He nach Edmunds, die vierte das Verhältnis - — für
A = 10mm, die fünfte dasselbe für A=: 20 mm, die sechste
die früher erhaltenen Werte dieses Verhältnisses, wobei, wie
schon bemerkt, A größer als 20 mm war und nach der Festigkeit
des Gases verändert wurde. Die siebente und achte geben das
Verhältnis bei gleicher Größe des negativen Büschels, und zwar
für einen Durchmesser zwischen 5 • 5 und 7 mm und zwischen
1 Diese Sitzungsberichte, 43, S5 (1861).
Silzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 37
568
K. Prsibram,
10 und 12 mm. Die Zahlen der neunten Kolumne schließlich
bedeuten Ordnungszahlen, welche das Verhalten der Gase
gegen die oszillierende Spitzenentladung charakterisieren sollen,
indem die an der Spitze stehenden Gase bei einer bestimmten
Elektrodendistanz starke positive Ladungen vermitteln, die
letzten starke negative.
B^
B^
s
S
Gas
v_
v_
S
S
S
s
S
«'+
v+
S
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S
CD
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7-2
—
—
8
7-5
1
He
? 2
Luft
1-24
1-375
4-7
4-3
45
4-7
4-3
/
0,
1-24
1-32
2
31
4-1
31
—
3
N2
1-23
—
—
3-2
6
Leuchtgas . .
115
—
—
}'
H2
1-14
1-19
31
3-5
20
31
NgO
1-105
—
2-5
—
—
4
NH3
1-045
—
—
—
)
CO2
1-00
1-07
1-8
—
2-6
1-8
—
7
C2H2
0-985
—
—
1-1
—
—
10
1
Ein Blick auf die letzten drei Kolumnen lehrt, wie weit-
gehend die Übereinstimmung im Verhalten der Gase gegen
Büschel- und oszillierende Spitzenentladung ist: je länger das
positive Büschel im Vergleich zum negativen ist, umso größer
die positive Ladung, die ein Leiter in einem bestimmten Abstand
von der Spitze am Teslapol erhält, womit die Anschauung
V. Wesendonk's vollkommen gerechtfertigt erscheint.
Aber auch der Zusammenhang mit dem Verhältnis der
Beweglichkeiten scheint mir unverkennbar. Wenn man auch
vielleicht den geringen Unterschieden unter den mittleren
Gliedern der Reihe nicht allzuviel Gewicht beilegen darf — bei
Büschel- und Spitzenentladung. 569
dem etwas unsicheren NgO kommt hier auch eine Umstellung
vor — so ist doch die übereinstimmende Stellung der ersten
und letzten Glieder sehr auffallend und ich lege daher
besonderes Gewicht auf die in He und CbHs gewonnenen
Resultate als neue Stützen der aufgestellten Regel.
Das Verhalten des Stickstoffes muß noch erörtert werden.
Nach Farad ay sind in diesem Gase die polaren Unterschiede
der Büschel dieselben, wenn nicht noch gröfiere, als in Luft.
Meine älteren Bilder ergaben aber ein kleineres Verhältnis. Die
Himstedt'schen Versuche sprechen auch für ein Zurückdrängen
des positiven Büschels im Stickstoff. Der Zeleny'sche Wert
1 -23 für -^^ ist kaum kleiner wie der für Luft; dies wäre mit
der Faraday'schen Beobachtung in Übereinstimmung, während
die neueren Versuche einen kleineren Wert erwarten ließen.
Die Ursache dieser Widersprüche ist wohl darin zu suchen, daß
alle Entladungserscheinungen gerade im Stickstoff außer-
ordentlich stark von Verunreinigungen, besonders durch Sauer-
stoff, beeinflußt werden.^ Es muß übrigens noch erwähnt
werden, daß die hier angeführten Werte von — ^ gar nicht die
wirklich maßgebenden sein müssen. J. Frank' hat gezeigt, daß
bei der Spitzenentladung die lonenbeweglichkeit in der Nähe
der Spitze eine weit größere ist als die von Chattock^
gefundene und daß das Verhältnis für Luft, im Felde der
Entladung selbst gemessen, sich zu 3*8 ergibt Es ist nun sehr
gut denkbar, daß dieses Verhältnis der anfänglichen Beweglich-
keiten von Gas zu Gas nicht streng parallel verläuft mit dem
gewöhnlichen Beweglichkeitsverhältnis. Leider liegen voll-
ständige Angaben nur für Luft vor. Für Stickstoff konnte nur
die Beweglichkeit der positiven Ionen = 9*2 bestimmt werden;
1 Warburg, Ann.d.Phys., 2, 307 (1900); Strutt, siehe J.J. Thomson,
1. c, p. 448.
2 Aim. d.Phys., 21, 972 bis 1000 (1906).
s Phil. Mag., ^8,401 (1899); mit Walker und Dixon, Phil. Mag. (4), /,
79 (1901).
37*
570 K. Przibram, Büschel- und Spitsenentladung.
von der Beweglichkeit der negativen ließ sich nur aussagen,
daß sie größer als 16 ist.
In der Tabelle findet sich auch das Argon eingetragen.
Wenn die bisher gefundene Obereinstimmung als stichhältig
betrachtet werden kann und das Verhältnis der lonenbeweglich-
keiten also wirklich immer der ausschlaggebende Faktor
für die polaren Unterschiede der Büschel ist (daß es e i n Faktor
ist, scheint mir nicht mehr bezweifelt werden zu können), so
ist aus den Beobachtungen in Argon zu schließen, daß dieses
Gas auch in Bezug auf das Verhältnis — an der Spitze steht
und daß dieses Verhältnis größer als 1-43 gefunden werden
wird. Die mit CO erhaltenen Resultate sind zu unsicher, um
diesem Gase einen bestimmten Platz in der Reihe anzuweisen,
doch dürfte es sich zwischen O2 und H2 einordnen.
Die Ergebnisse der vorliegenden und früherer Arbeiten
zusammenfassend, läßt sich der Satz aussprechen: Ordnet man
die Gase nach fallenden Verhältnissen der Beweglichkeiten der
negativen und positiven Ionen — ^, so fällt in dieser Reihe im
großen und ganzen auch das Verhältnis der Ausdehnung des
positiven Büschels zu der des negativen -^^ und nimmt
gleichzeitig auch der positive Charakter der Teslaausströmung
ab. Eine ionentheoretische Begründung für dieses Verhalten ist
früher gegeben worden.^ Die Gültigkeit des Satzes vorausgesetzt,
v_
läßt sich vorhersagen, daß — für Argon sich größer ergeben
1;+
wird als für irgend eines der bisher untersuchten Gase.
1 Diese Sitzungsberichte, 113, 1491 bis 1507 (1904).
571
Absolute Messungen der näehtliehen Aus-
strahlung in Wien
von
J. Kr6mäf' und Dr. R. Schneider.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 21. März 1907.)
Um zur Lösung der Frage über den Gang der nächtlichen
Ausstrahlung beizutragen, haben wir an der k. k. Zentralanstalt
für Meteorologie und Geodynamik in Wien, Hohe Warte, einige
kontinuierliche Reihen von Messungen in wolkenlosen Sommer-
nächten ausgeführt.
Bei den Messungen wurde das Ängström*sche elektrische
Kompensationsaktinometer^ benützt, bei dem die Intensität der
Ausstrahlung in Grammkalorien pro Quadratzentimeter und
Minute gegeben ist durch
Ö=i:konst.f«(l-ha/),
wo
i =: Intensität des Kompensationsstromes in Milliampere,
a =1 Temperaturkoeffizient des Widerstandes der Streifen,
/ = die Temperatur derselben in Graden Celsius.
Bei dem Apparate Nr. 1,^ mit dem die Messungsreihen
vom 31. Juli bis 1. August und 14. bis 15. August 1906 aus-
1 Knut Angström, Über die Anwendung der elektrischen Kompensations-
methode zur Bestimmung der nächtlichen Ausstrahlung. Nova acta reg. soc.
scient Upsal. Ser. IV, vol. I, Nr. 2.
2 Derselbe wurde als erster derartiger Apparat von Herrn Prof. Angström
in Upsala dem Direktor der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geo-
dynamik, Herrn Hofrat Prof. J. M. Pernter, freundschaftlich verehrt.
572
J. Krcmär und R. Schneider,
geführt wurden, betrug die Konstante nach vorläufigen Angaben
des Herrn Prof. Ängström 16-4; die Änderungen des Wider-
standes der Streifen mit der Temperatur wurden hier nicht
berücksichtigt.
Bei dem zweiten Apparate, Nr. 7, mit dem am 31. August,
1. bis 2., 2. bis 3., 3. bis 4. und 4. September gemessen wurde,
beträgt die Konstante 10*5 und a == 0 0022.
Es sei hier noch erwähnt, daß der Apparat Nr. 1 schon
längere Zeit vorher in Verwendung stand und dadurch die
berußten Plättchen etwas durch Staub gelitten haben, was
aber, wie sich zeigte, keinen merklichen Einfluß auf den
Gang der Ausstrahlung hat.
Bei den Messungen wurde der Apparat zirka 26 tn hoch
über dem Erdboden auf dem Turme des Observatoriums so
exponiert, daß er noch zirka 2 m über die höchste Plattform
hinausragte. Die Seehöhe der Anstalt beträgt 202 m. Der Hori-
zont von dieser Stelle aus ist nach allen Richtungen fast frei,
nur in W — N durch ganz niedrige Berge unbedeutend
beschränkt.
Was die Beobachtungen anbelangt, möge folgendes bemerkt
werden. Es wurde jede Viertelstunde gemessen, und zwar fünf
ganze Nächte hindurch und drei halbe, wo die weiteren Mes-
sungen durch Eintritt der Bewölkung verhindert wurden. Der
Gang der Ausstrahlung ist aus den vollständigen Nächten
berechnet worden, und zwar umfaßt er die Zeit von 8** p. bis
3*» 45™ a. (Wiener Zeit).
Bei der Berechnung des mittleren Ganges haben wir zu-
erst die ersten zwei, mit dem Apparat Nr. 1 gemessenen Reihen
ausgelassen und nur die drei mit dem Apparat Nr. 7 ge-
wonnenen benützt, die folgenden mittleren Gang zeigen:
Zeit
Ausstrahlung
S'OO"?...
.. 0-164
8 15 ..
.. 0168
8 30 ..
.. 0-171
8 45 ..
.. 0-171
9 00 ..
.. 0169
9 15 ..
. . 0-174
Zeit
Ausstrahlung
9" 30°?...
. . 0-173
9 45 ...
. . 0-166
10 00 ...
. . 0-168
10 15 ...
. . 0-169
10 30 ...
. . 0-165
10 45 ...
, . 0165
Nächtliche Ausstrahlung in Wien.
573
Zeit
Ausstrahlung
Zeit
Ausstrahlung
IfCO^p..
. ... 0-162
l''30"a....
. 0-
145
11 15
... 0-160
1 45 ...
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143
11 30
... 0-158
2 00 ...
,. 0
144
11 45 .
... 0-154
2 15 ...
. . 0'
136
12 00
. ... 0 146
2 30 ...
, . 0
•133
0 15 a.
.... 0-146
2 45 ...
.. 0'
•132
0 30
... 0 147
3 00 ...
, . 0'
•132
0 45
. ... 0-147
3 15 ...
,. 0
•130
1 00
... 0-146
3 30 ...
,. 0
•129
1 15
. ... 0-143
3 45 ..
.. 0
•129
Die Untersuchung der ersten zwei in dieser Tabelle aus-
gelassenen Nächte ergab denselben Gang, so daß auch die-
selben in die weitere Betrachtung eingezogen wurden. Die so
gewonnenen Werte sind in der nächsten Tabelle enthalten,
denen zugleich der korrespondierende Gang der Lufttemperatur,
der relativen Feuchtigkeit und des Dampfdruckes beigefügt ist.
Diese Elemente wurden in der Turmhülte, 21 '3 m über dem
Erdboden, jede Stunde direkt abgelesen und für die Zwischen-
termine aus den sich dort befindlichen Registrierinstrumenten
gewonnen.
Die Nächte fallen ziemlich nahe aneinander und die Sonne
ging an diesen Tagen durchschnittlich um 6^ 58"* unter und
um 5^* 6" auf. Die Werte beginnen also zirka eine Stunde nach
Sonnenuntergang. Die Ausstrahlung hat hier eine ziemlich
stark ansteigende Tendenz bis gegen 9** p., wo sie ihr Maximum
erreicht. Zwischen 1 1 bis 12^p. zeigt sich eine rasche Abnahme
derselben, dann bleibt sie bis 2^ a. gleich und nimmt sogar
einen kleinen Anlauf zu einem sekundären Maximum, nach
dem dann eine kontinuierliche Abnahme bis gegen Sonnenauf-
gang folgt. Bei den einzelnen Messungsreihen, wie man in den
Tabellen sieht, wird diese Abnahme zirka drei Viertelstunden
vor Sonnenaufgang auffallend rascher und ebenfalls zirka drei
Viertelstunden nach dem Sonnenuntergang erfolgt ein ganz
symmetrischer, rascher Anstieg der Ausstrahlung. Es liegt nahe,
anzunehmen, daß das in der Strahlung der oberen Luftschichten
seinen Grund habe, denn die mit dem Ausstrahlungsapparate
574
J. KrSmaf und R. Schneider,
Zeit
Ausstrahlung
Temperatur
(Grad Celsius)
Relative
Feuchtigkeit
Dampfdruck
81» 00™ p.
8 15
8 30
8 45
9 00
9 15
9 30
9 45
10 00
10 15
10 30
10 45
11 00
11 15
11 30
11 45
12 00
0 15 a.
0 30
0 45
1 00
1 15
1 30
1 45
2
2
2
2
3
3
3
3
00
15
30
45
00
15
30
45
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0
151
22
6
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154
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21
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•155
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•1
0
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•9
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19
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0
139
19
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19'
•0
0
•134
18
•9
0-
•134
18'
•8
0
133
18
6
0'
133
18'
5
0-
132
18
6
0'
132
18
5
0'
132
18
•2
0
133
17
•9
0-
•127
17
•5
0
•124
17
•3
0
124
17
•2
0
•124
17
1
0
•123
17
•0
0
121
16
-9
0
•120
16
5
56
58
59
59
60
62
63
64
65
65
66
66
67
68
69
70
70
71
72
72
72
72
74
76
77
79
79
79
79
80
82
83
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
l
1
l
1
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1
1
1
l
1
1
l
1
1
l
1
4
6
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6
6
7
8
8
8
8
8
9
9
7
7
6
5
5
6
5
5
5
8
8
8
7
6
6
6
7
8
7
Nächtliche Ausstrahlung in Wien. 575
gewonnenen Werte sind bekanntlich die Differenzen der abso-
luten Strahlung S und der Himmelsstrahlung H. Diese Strah-
lung der noch nach dem Sonnenuntergänge bestrahlten Luft-
schichten nimmt mit der alimählich unter den Horizont
sinkenden Sonne immer mehr und mehr ab, so daß das S immer
größer wird. In analoger Weise wird sich schon einige Zeit vor
dem Sonnenaufgang die Strahlung der bestrahlten Luftschichten
durch die Verminderung der Ausstrahlungswerte S bemerkbar
machen.
Betrachtet man den korrespondierenden mittleren Gang
der Lufttemperatur, so sieht man, daß im allgemeinen mit ab-
nehmender Temperatur die Ausstrahlung abnimmt. Bei den
einzelnen Tagen zeigen sich in dem Zusammenhang einige
Details, die später erwähnt werden.
Die relative Feuchtigkeit steigt im allgemeinen während
der in Betracht gezogenen Zeit und dort, wo die Ausstrahlung
gleich bleibt, scheint auch die Feuchtigkeit konstant zu bleiben.
Der Dampfdruck ändert sich im Laufe der Nacht so wenig,
daß ein Einfluß des Wasserdampfgehaltes der Atmosphäre auf
den Gang der Ausstrahlung in einzelnen Nächten nicht ge-
nügend ersichtlich ist.
Von den einzelnen Messungsreihen sei folgendes hervor-
gehoben :
Der Eintritt des Maximums der Ausstrahlung schwankt
zwischen der neunten und zehnten Stunde abends. Die rasche
Abnahme vor Mitternacht ist nicht in allen Nächten gleich
stark ausgeprägt und in der Nacht vom 1. auf den 2. September
hat sie sich erst zwischen 1 bis 2^ a. eingestellt. In der Regel
hat dieser Abfall der Ausstrahlung ein deutliches, etwas ver-
spätetes Sinken der Temperatur zur Folge. Mit der steigenden
relativen Feuchtigkeit scheint die Intensität der Ausstrahlung
abzunehmen, ebenso mit dem steigenden Wasserdampfgehalte
der Luft. Das wurde deutlich bei Gelegenheit anderer Messungs-
reihen (besonders am 17. Juli 1906) beobachtet, wo der Dampf-
druck um 1** a. um mehr als 11% gesunken ist und die Aus-
strahlung gleichzeitig um 177o stieg. Der Himmel war dabei
wolkenlos, erst zirka eine Stunde darauf fing die Wolken-
bildung an.
576 J. Krömär und R. Schneider,
Die Windgeschwindigkeit wie auch die Windrichtung
änderten sich im Laufe der Messungen sehr unbedeutend,
doch erwies es sich, daß die kleinsten Werte so wie bei den
ersten mit dem Apparat Nr. 1 ausgeführten Messungsreihen, so
auch bei den mit dem zweiten Apparat ausgeführten auf die
Windstille fallen. Bei Nordwind ist die Ausstrahlung größer als
beim Südwind, der von der Stadt herkommt und viel Rauch
und Staub mit sich bringt.
Ein interessantes Beispiel dafür bietet uns die Nacht vom
2. auf den 3. September, wo sich der schwache Wind nach 3** a.
plötzlich von Süden nach Norden gedreht hat Die Ausstrahlung
ist gleichzeitig, ganz gegen ihren normalen, zu dieser Zeit ab-
fallenden Verlauf, bedeutend gestiegen. Näheres darüber, wie
auch über den Zusammenhang der anderen meteorologischen
Elemente mit der Ausstrahlung, läßt sich wohl erst auf Grund
weiterer Messungen sagen, die in Ausführung begriffen
sind.
Aus den drei letzten vollständigen Messungsreihen wollen
wir auch die Summe der von einer horizontalen Fläche von
einem Quadratzentimeter ausgestrahlten Wärme für die ein-
zelnen Stunden bestimmen (siehe nachfolgende Tabelle).
Es hat also im Mittel in diesen drei Septembernächten
71-1 ^-Kal. pro Quadratzentimer in den 7^1^ Stunden von 8** p.
bis 3*^ 45" a. ausgestrahlt. Die einzelnen Nachtsummen nehmen
ab, während die mittlere Temperatur und Dampfdruck steigen.
Aus der mittleren Summe der nächtlichen Ausstrahlung ergibt
sich pro Minute und Quadratzentimeter der Wert 0- 153^-Kal.
Es möge der Wert mit ähnlichen Messungen verglichen
werden, wobei selbstverständlich auf die Verschiedenheit der
Umstände (Apparate, Jahreszeit, Seehöhe, Temperatur etc.),
unter welchen diese Messungen angestellt wurden, Rücksicht
zu nehmen ist:
Maurer^ fand im Mittel aus drei Juninächten bei einer
mittleren Temperatur seiner kalorimetrischen Platte von 15* C
1 J. Maurer, Über die nächtliche Strahlung und ihre Gröfie in absolutem
Mafie. Sitzungsber. der kgl. Preufl. Akad. der Wiss., mathem.-natun*'. Klasse,
Berlin 1887, p. 502.
Nächtliche Ausstrahlung in Wien.
577
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hat Homen* zu derselben Jahreszeit im Jahre 1896 in Wik-
karais im südlichen Finnland seine kontinuierlichen Messungen
angestellt, wobei er viel niedrigere Werte bekommen hat, und
zwar betrug in der Nacht vom 1. auf den 2. September die
mittlere Intensität der Ausstrahlung in der Zeit von 5** 20" p.
bis 5" 50" a. 0-067^-Kal. pro Minute und Quadratzentimeter,
in der Nacht vom 2. auf den 3. September in der Zeit von
5*'40™p. bis 5*" 10" a. 0-084 ^-Kal., wogegen am 14. bis
15. August in der Zeit von 6** 10" p. bis 6** 20" a. 0- 158^-Kal.
gefunden wurden.
In neuester Zeit hat F. M. Exner* im Juni am Sonnblick
im Mittel 0*19^-Kal. bekommen bei mittlerer Temperatur von
— 1'1**C.; das Maximum der Ausstrahlung scheint dort auf
1*^ a. zu fallen.
Zum Schlüsse möge auf Grund des früher berechneten
Wertes der Ausstrahlung £ = 0* 153 ^-Kal. pro Minute und
Quadratzentimeier diejenige Wärmemenge bestimmt werden,
v/elche eine horizontale Fläche pro Quadratzentimeter und
Minute in einer klaren Septembernacht durch Rückstrahlung
von der nicht erleuchteten Atmosphäre wieder empfängt.
Es ergibt sich nämlich nach der Stefan'schen Formel für
die absolut ausgesandte Strahlung der Plättchen bei 18*6' C.
der Wert (a = 0-00367):
S= 0-723xlO-i«x273Vl+aö)* = 0-523 ^-Kal. {cm', Min.),
so daß also für die Wärmestrahlung der Atmosphäre pro
Quadratzentimeter und Minute:
S— 2 = 0-37^-Kal.
resultieren, ein Wert, der mit dem von Maurer* auf einem
ganz anderen Wege gefundenen (0-39) gut übereinstimmt und
1 Homen Theodor, Der tägliche Wärmeumsats im Boden und die Wärme-
Strahlung zwischen Himmel und Erde. Leipzig 1897, p. 141.
3 Exner Felix M., Messungen der Sonnenstrahlung und der nächtlichen
Ausstrahlung auf dem Sonnblick. Meteorol. Zeitschr., 38, 1903, p. 409.
' Annalen der schweizerischen meteorol. Zentralanstalt, 1885, Bd. XXIL
Näehüiche Ausstrahlung in Wien. 579
natürlich höher ist als die für den 3095 m hohen Sonnblick
von J. M. Pernter und F. M. Exner berechneten Werte.
Berechnet man weiter die absolute Strahlung für jede
Stunde, indem man in die Stefan'sche Formel die entsprechen-
den Temperaturen einsetzt, so zeigen die gewonnenen Werte
einen mit der beot>achteten Ausstrahlung ziemlich parallel ab-
fallenden Veriauf, mit Ausnahme des Anfanges bis zirka 10*^ p.,
wo vielleicht der normale Verlauf der Ausstrahlung durch die
schon früher erwähnte Strahlung der oberen Luftschichten
gestört wird.
Da an der meteorologischen Zentralanstalt auch die
Sonnenstrahlung mit dem Angström'schen elektrischen Kom-
pensationspyrrheliometer regelmäßig gemessen wird, so bietet
sich die Gelegenheit, einen Vergleich zwischen der Sonnen-
strahlung und der Ausstrahlung zu ziehen. Auf Grund jener
Messungsreihen der Sonnenstrahlung wurde die gesamte, einer
horizontalen Fläche pro Quadratzentimeter in diesen Tagen
von der Sonne zugekommenen Wärme berechnet und es
ergaben sich für den 1. September 318, für den 2. September 321
und für den 3. September 311 ^-Kal. direkter Insolation pro Tag.
Berücksichtigt man, daß die diffuse Wärmestrahlung
(nach Trabert*) zirka 40 Prozent der direkten Insolation
beträgt, so erhält man für die erwähnten Tage 445, respektive
449 und 435 ^-Kal.
Und wenn man zur genäherten Berechnung der gesamten,
in 24 Stunden ausgestrahlten Wärme die in der Nachtzeit von
8^p. bis 3*^ 45" a. gefundene mittlere Intensität der Ausstrahlung
annimmt, so bekommt man für die erwähnten Tage folgende
Summen der ausgestrahlten Wärme:
Für den 1. September 230^- Kai. pro Quadratzentimeter.
» » 2. » 221 » »
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Man erhält also für den 1. September eine positive Wärme-
bilanz von 2 15^- Kai., für den 2. September 228 und für den
3. September 225, im Mittel also 223^-Kal. pro Tag.
1 Trabert W., Benützung des täglichen Temperaturganges zur Er-
mitUung der diffusen Wärmestrahlung. Hann-Band d. Met. Zeit., 1006, p. 336.
580
J. Krcmir und R. Schneider,
Zusammenfassung.
In wolkenlosen Septembemächten zeigt die Ausstrahlung
in Wien ein Maximum zwischen 9 bis 10^ p., eine raschere
Abnahme gegen Mitternacht und dann langsames Sinken bis
zum Sonnenaufgang. Der Zusammenhang des Ganges mit den
meteorologischen Elementen ist aus den bisherigen Messungs-
reihen noch nicht genügend klar.
Im Mittel aus drei klaren Nächten hat eine horizontale
Fläche von 1 cm' in der Zeit von 8^ p. bis 3^ 45" a. 71 • 1 ^-Kal.
ausgestrahlt, was der Intensität von 0"153^-Kal. pro Quadrat-
zentimeter und Minute entspricht.
Daraus ergibt sich für die Strahlung der nicht erleuchteten
Atmosphäre der Betrag von 0"37^-Kal. gegen eine horizontale
Fläche von 1 cm' pro Minute.
Wenn man auch für den Tag die gleiche Intensität der
Ausstrahlung annimmt wie in der Nacht, so war in diesen
Tagen die mittlere Wärmebilanz +223^-Kal. pro Quadratzenti-
meter.
Wien, im März 1907.
K. k. Zentral&nstalt für Meteorologie
und Geodynamik.
Nächtliche Ausstrahlung in Wien.
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Krömär J. und Sehneider R.: Nächtliche Ausstrahlung in Wien.
Mittlerer Gang der nächtlichen Ausstrahlung.
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Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
• • •
601
Über die niehtarehimedisehen Größejisysteme
von
Hans Hahn in Wien.
(Vorgelegt in der SiUung am 7. MBrz 1907.)
Das Studium der nichtarchimedischen Größensysteme geht
zurück auf P. Du Bois-Reymond^ und O. Stolz.* Ausführ-
lich finden sich einige hieher gehörende Fragen behandelt in
der von der Accademia dei Lincei preisgekrönten Schrift von
R. Bettazzi: Teoria delle grandezze.* In seinen mathematisch
und philosophisch bedeutungsvollen »Fondamenti di geo-
metria«* baute sodann G. Veronese eine Geometrie auf ohne
Benützung des archimedischen Axioms und kam später, anläß-
lich verschiedener gegen sein Werk gerichteter Einwände,
wiederholt auf den Gegenstand zurück.* Weitere Unter-
suchungen über nichtarchimedische Größensysteme rühren
von T. Levi-Civita her,® der sich eine arithmetische Dar-
stellung des Veronese'schen Kontinuums zum Ziele setzte und
dabei zu Resultaten von großer Allgemeinheit geführt wurde.
Femer sei hier noch eine Arbeit von A. Schoenflies genannt,'
von der weiter unten eingehender zu sprechen sein wird.
Unter einem nichtarchimedischen Größensystem wird im
folgenden ein System einfach geordneter Größen verstanden,
in dem eine gewissen sechs Forderungen genügende Addition
definiert ist und in dem das Axiom des Archimedes nicht gilt.
1 Math. Ann.. 8 (1875), 11 (1877).
2 Math. Ann., 18 (1881), p. 269; 22 (1883); 39 (1891).
3 Pisa, 1891.
* Padua, 1891, deutsch von A. Schepp, Leipzig, 1894.
5 Math. Ann., 47 (1896); Rend. Line. (5), 6 (1897); (5), 7 (1898).
6 Atti ist. Ven. (7), 4 (1892/93); Rend. Line. (5), 7 (1898).
7 Jahresber. deutsch. Math. Ver., 15 (1906).
39*
602 H. Hahn,
Die Größen eines solchen Systems lassen sich dann so in
Klassen zusammenfassen, daß innerhalb jeder einzelnen Klasse
das Axiom des Archimedes gilt. Diese Klassen bilden nun selbst
eine einfach geordnete Menge, deren Ordnungstypus ich als
den Klassentypus unseres nichtarchimedischen Größensystems
bezeichne. Es besteht dann (§ 1) der Satz, daß es nicht-
archimedische Größensysteme von beliebig vor-
gegebenem Klassentypus gibt.^
Beispiele nichtarchimedischer Größensysteme von end-
lichem Klassentypus liefern, wie seit langem bekannt, die
komplexen Zahlen mit n Einheiten, wenn man zwischen ihnen
eine geeignete Ordnungsbeziehung festsetzt Umgekehrt hat
Bettazzi in seiner oben genannten Preisschrift gezeigt, daß
jedes nichtarchimedische Größensystem vom endlichen Klassen-
typus n sich arithmetisch durch komplexe Zahlen mit n Ein-
heiten darstellen läßt. Ich zeige nun in § 2 allgemein, daß
jedes nichtarchimedische Größensystem sich arithmetisch dar-
stellen läßt durch komplexe Zahlen, deren Einheiten eine (im
allgemeinen unendliche) einfach geordnete Menge bilden* —
der Ordnungstypus dieser Menge ist der Klassentypus unserer
Größensysteme — , wobei in jeder einzelnen solchen Zahl die
Einheiten, deren Koeffizient von Null verschieden ist, eine
»absteigend wohlgeordnete« Menge bilden,^ d. h. eine Menge,
welche bei Umkehrung der Ordnungsbeziehung zwischen ihren
Elementen in eine w*ohIgeordnete Menge im Sinne von G. Can tor
übergeht Über die Art meiner Beweisführung muß ich einige
Worte vorausschicken; sie beruht nämlich auf der Annahme,
daß jede Menge wohlgeordnet werden kann. Die Frage nun,
ob der von E. Zermelo* für diese Behauptung publizierte
Beweis bindend ist, ist bekanntlich kontrovers und besonders
1 Dies Resultat deckt sich inhaltlich mit den Überlegungen von Levi-
Civita, Rend. Line. (5), 7'1, p. 113 flf.
3 Auch Veronese bezeichnet die von ihm aufgestellten Zahlen gelegent-
lich als komplexe Zahlen mit unendlich vielen Einheiten.
^ Ein Hinweis auf die Möglichkeit von Zahlen, die mit Hilfe solcher
absteigend wohlgeordneter Mengen gebildet sind, findet sich in der genannten
Arbeit von Schoenflies.
* Math. Ann., 59 (1904).
Nichtarchimedische Gröflensysteme. 603
schwerwiegend sind die Bedenken, die in letzter Zeit Poincare^
gegen diesen Beweis geltend gemacht hat. Es muß daher
besonders darauf hingewiesen werden, daß das Resultat von § 2
nur unter der Voraussetzung gewonnen ist, daß es eine Wohl-
ordnung der Größen unseres Systems gibt. Es ist übrigens
nicht zum ersten Mal, daß von dem Wohlordnungssatze in
Fragen, die nicht direkt die Mengenlehre berühren, Gebrauch
gemacht wird: G. Hamel* hat diesen Satz verwendet, um
die Existenz unstetiger Lösungen der Funktionalgleichung
/(^+^) =.f(x)'^f(y) nachzuweisen.
In § 3 werden die nichtarchimedischen Größensysteme in
vollständige und unvollständige unterschieden. Bekannt-
lich ist die Dedekind'sche Stetigkeitsforderung in nicht-
archimedischen Größensystemen unerfüllbar. Veronese hat sie
durch ein System von zwei Forderungen ersetzt, deren erste
die Dedekind'sche Stetigkeit innerhalb jeder einzelnen Klasse
verlangt, während die zweite festsetzt, daß zwischen zwei
gegen einander konvergierenden Größen des Systems, deren
Differenz kleiner wird als jede Größe des Systems, immer noch
eine Größe des Systems liegt.* Man erkennt nun leicht, daß
unsere vollständigen Systeme auch immer stetig sind im
Sinne von Veronese, während das Umgekehrte nicht zutrifft:
es gibt Systeme mit Veronese*scher Stetigkeit, die nicht voll-
ständig sind.* Hilbert hat für archimedische Größensysteme
die Dedekind'sche Stetigkeitsforderung in zwei Forderungen
gespalten/ deren erste das Axiom des Archimedes enthält,
während die zweite — das sogenannte Vollständigkeits-
axiom — verlangt, es solle nicht möglich sein, das System
durch Hinzufügung neuer Größen so zu erweitern, daß auch im
erweiterten Systeme alle übrigen Axiome — die Axiome der
Verknüpfung, die Axiome der Anordnung und das archi-
1 Revue de metaphysique et de morale, 1905.
2 Math. Ann., 60 (1905).
3 Schoen flies untersucht 1. c. die Tragweite der zweiten Forderung,
wenn man die erste nicht als erfüllt voraussetzt.
^ Zum Beispiel die von Levi-Civita 1. c. angegebenen.
^ Grundlagen der Geometrie, 2. Aufl., p. 26; Jahresber. deutsch. Math.
Ver., 8 (1900).
604 H. Hahn,
medische Axiom — weiter gelten. Schoenflies spricht nun
in seiner oben genannten Arbeit die Vermutung aus, es könne
keine nichtarchimedischen Größensysteme geben, für welche
ein Vollständigkeitsaxiom gilt. Diese Behauptung ist sicher
richtig, wenn man hier dem Vollständigkeitsaxiom den Inhalt
geben will, es solle nicht möglich sein, das System so zu
erweitern, daß die Axiome der Verknüpfung und Anordnung
erhalten bleiben.
Man beachte aber, daß die Frage noch in andrer Weise
gestellt werden kann. Das Vollständigkeitsaxiom, wie es für
archimedische Systeme formuliert ist, verlangt auch Weiter-
bestehen des archimedischen Axioms im erweiterten Systeme,
und man kann ihm also auch die Form geben, es solle nicht
möglich sein, daß die Axiome der Verknüpfung und Anordnung
weiter bestehen und jede der neu hinzugekommenen
Größen mit einer Größe des ursprünglichen Systems
in dieselbe Klasse gehört. In dieser Form nun gestattet
das Vollständigkeitsaxiom sofort eine Übertragung auf nicht-
archimedische Größensysteme und damit diese Forderung
erfüllt sei, ist notwendig und hinreichend, daß das Größen-
system ein vollständiges ist. Archimedische und nicht-
archimedische Größensysteme unterscheiden sich dann nur
mehr durch das archimedische Axiom. Diesem Axiom kann
man aber die Form geben: Unser Größensystem soll vom
Klassentypus 1 sein. Für ein nichtarchimedisches Größen-
system tritt dann an Stelle dieser Forderung die Festsetzung
des Klassentypus dieses Systems, etwa: Das System soll vom
Typus o)*-4-ö) sein oder es soll vom Ordnungstypus des Kon-
tinuums sein, so daß also vollständiger Parallelismus für archi-
medische und nichtarchimedische Größensysteme erreicht ist.
Im letzten Paragraphen wird gezeigt, daß für vollständige
nichtarchimedische Größensysteme, zwischen deren Klassen
sich eine allen Regeln der gewöhnlichen Addition der reellen
Zahlen genügende Addition definieren läßt, eine allen Regeln
der gewöhnlichen Multiplikation der reellen Zahlen genügende
Multiplikation definiert werden kann, die also auch eine inverse
Operation zuläßt: die Division. Es ist dies deshalb bemerkens-
wert, weil dadurch gezeigt ist, daß der für komplexe Zahl-
Nichtarchimedische GröOensysteme. 605
Systeme mit einer endlichen Anzahl von Einheiten gültige
Satz von der Unmöglichkeit einer allen Regeln der gewöhn-
lichen Arithmetik genügenden Multiplikation für komplexe
Zahlen mit unendlich vielen Einheiten seine Gültigkeit ver-
liert. Hierauf ist schon von Veronese hingewiesen worden.
Hier nun wird die Fragestellung in voller Allgemeinheit be-
handelt.
Auf die Behandlung einiger spezieller nichtarchimedischer
Größensysteme, insbesondere solcher, die sich zur arithmeti-
schen Darstellung des Veronese'schen Kontinuums verwenden
lassen, hoffe ich bald zurückkommen zu können.
§1.
Wir werden im folgenden ein System von Dingen als ein
Größensystem bezeichnen, wenn zufolge irgend einer Regel
zwei beliebige Dinge des Systems a und b als einander gleich
(a = b) oder ungleich (a z^ b) definiert sind. An die Definition
der Gleichheit werden dabei nur die folgenden zwei Forde-
rungen gestellt:
1. Es muß zufolge dieser Regel jedes Ding des Systems sich
selbst gleich sein (a = ä),
2. Wenn zwei Dinge des Systems einem und demselben
dritten gleich sind, so müssen sie untereinander gleich
sein (wenn a =z b^ b = c, so ist auch a z= c).
Wir werden es nur mit einfach geordneten Größen-
systemen zu tun haben. Wir nennen ein Größensystem einfach
geordnet, wenn von zwei auf Grund der obigen Regel als
ungleich definierten Dingen a, b zufolge einer weiteren Regel
das eine (a) als das kleinere, das andere (p) als das größere
definiert ist (a<b oder b > a). An die Definition der Zeichen
> und < stellen wir dabei nur die folgenden zwei Forde-
rungen:
1. Wenn a>b, b>c ist, so muß auch a>c sein.
2. Wenn d>b und a = a\ bz=iV^ so muß auch a'>V sein.
Wir werden weiter voraussetzen, daß in unseren Größen-
systemen sich eine Addition definieren läßt, d. h. eine Operation,
der die folgenden Eigenschaften zukommen:
606 H. Hahn,
1. Sie gestattet, aus irgend zwei Dingen a und b des Systems
in eindeutiger Weise ein drittes Ding a+Ä des Systems
herzuleiten.
2. Wenn az=i a! und hznV^ so ist a-^h =z a'+K
3. Sie ist assoziativ: (a-h^)-hr ^ a-^(b-hc),
4. Sie ist kommutativ: a+b =z b-ha.
5. Sie läßt eine eindeutige Umkehrung (die Subtraktion) zu,
d. h. wenn a und c zwei beliebige Größen des Systems
sind, so gibt es stets eine Größe b, derart, daß a-hb = c
ist und für jede andere Größe ^, für die ebenfalls a+&'=: c
besteht, gilt: b z= b^,
6. Aus b>b' folgt a+&>a-h^.
Die Subtraktion drücken wir wie gewöhnlich durch das
— Zeichen aus, so daß, wenn a-hb =: c ist, b,=z c — a gesetzt
wird. Man beweist leicht, daß für irgend zwei Größen a und b
des Systems a — a m b — b wird. Diese Größe des Systems —
sowie jede ihr gleiche — wird mit 0 bezeichnet. Sie ist die
indifferente Größe (der Modul) der Addition: aH-0 = a.
Diejenigen Größen des Systems, welche >0 sind, heißen
positiv, diejenigen, welche <0 sind, heißen negativ. Die Größe
0 — a heißt die zu a entgegengesetzte und wird auch kurz mit
— a bezeichnet. Die zu einer positiven Größe entgegengesetzte
ist negativ und umgekehrt. Für jedes positive b gilt: a-^-b^Uy
für jedes negative b gilt a-4-^<a. Die Summe aus n einander
gleichen Summanden a bezeichnen wir mit na und nennen
sie ein Vielfaches von a (dabei bedeutet n eine natürliche
Zahl).
Wir unterscheiden die einfach geordneten Größensysteme,
in denen eine unseren Forderungen genügende Addition besteht,
in archimedische und nichtarchimedische, je nachdem
in ihnen das sogenannte Postulat des Archimedes erfüllt
ist oder nicht. Dasselbe lautet:
Es seien a und b zwei beliebige positive Größen des
Systems und a<ib. Dann gibt es stets ein solches Vielfaches na
von a, daß na^b.
Die Gesamtheit der reellen Zahlen bildet ein archimedisches
Größensystem; Beispiele nichtarchimedischer Größensysteme
werden wir im folgenden in großer Zahl aufstellen.
Nichtarchimedische Gröfiensysteme. 607
Sei uns ein beliebiges nichtarchimedisches Größensystem
gegeben und seien a und h irgend zwei positive Größen des-
selben. Dann bilden die folgenden vier Möglichkeiten eine
vollständige Disjunktion.
I. Zu jedem Vielfachen na von a gibt es ein Vielfaches mh
von fc, so daß mb>na und umgekehrt zu jedem Viel-
fachen m'b von b ein Vielfaches f^a von a^ so daß
n'a^m'b.
II. Zu jedem Vielfachen na von a gibt es ein Vielfaches mb
von b, so daß mb>na, aber nicht umgekehrt.
III. Zu jedem Vielfachen m'b von ^ gibt es ein Vielfaches n'a
von a, so daß n'a>m'b, aber nicht umgekehrt.
IV. Es gibt weder zu jedem Vielfachen na von a ein Viel-
faches mb von &, so daß mb^na, noch zu jedem Viel-
fachen m'b von ^ ein Vielfaches n'a von a, so daß
nfa'>m'b.
Im Falle I wollen wir sagen, a und b sind von derselben
Höhe, in Zeichen ar^b. Es ist offenbar, wenn a -= a' ist, auch
ar^a' und wenn a^s^fr und ^r^r, so auch a^v^r.
Im Falle II sagen wir, a sei von geringerer Höhe als &, in
Zeichen a-^b oder & 8- a und haben demgemäß im Falle III
zu schreiben b-^a oder a^b. Man erkennt, daß sich die
Zeichen 0-^^ -3, £- gegenseitig ausschließen. Es ist ferner leicht
zu sehen, daß im Falle II jedes Vielfache von a kleiner als b
(na<b für jedes n und daher auch na<mb für jedes n
und w), im Falle III jedes Vielfache von b kleiner als a sein
muß. Denn wäre etwa im Falle II na>b, so wäre auch (nach
Eigenschaft 6 der Addition) mna>mb für jede natürliche
Zahl m und es gäbe zu jedem Vielfachen von b ein größeres
Vielfaches von a entgegen der Voraussetzung, daß Fall II
vorliegt.
Fall IV endlich kann überhaupt nicht auftreten. Denn
wenn es nicht zu jedem Vielfachen von a ein größeres Viel-
faches von b gibt, so muß, wie eben gezeigt, für jedes n die
Ungleichung bestehen na<b, speziell für « rr 1 erhält man
a < fe. Gäbe es nun auch nicht zu jedem Vielfachen von b ein
größeres Vielfaches von a, so müßte ebenso b<ia sein, was
unmöglich ist.
608 H. Hahn,
Wir sehen also, daß, wenn a und h irgend zwei positive
Größen unseres Systems sind, immer eine und nur eine der
drei Beziehungen stattfindet:
a^K^b, a-iby ai- b.
Femer haben wir erkannt, daß aus a-^b immer auch
folgt a<b und aus airb auch a>b^ aber nicht umgekehrt.
Ist eine der beiden Größen a und b negativ, etwa a, so
ersetzen wir sie durch die entgegengesetzte — a, die dann
positiv ist und setzen fest, daß zwischen a und b diejenige
unserer drei Ordnungsbeziehungen bestehen möge, welche
zwischen — a und b besteht. Sind a und b beide negativ, so
ersetzen wir sie durch — a und — b und setzen wieder für a
und b die zwischen — a und — b bestehende Ordnungs-
beziehung fest. Nunmehr besteht zwischen irgend zwei von
Null verschiedenen Größen unseres Systems eine und nur eine
der drei Ordnungsbeziehungen r^, -3, £-.
Nun fassen wir alle Größen unseres Systems, die unter-
einander gleiche Höhe haben, in eine Größenklasse zusammen
und fügen jeder einzelnen Größenklasse noch die Null hinzu.
Jede Größe unseres Systems mit Ausnahme der Null steht also
in einer und nur einer Klasse, die Null hingegen in jeder
Klasse.
Seien nun A und B zwei verschiedene Größenklassen
imseres nichtarchimedischen Größensystems — man erkennt
leicht, daß jedes nichtarchimedische Größensystem mindestens
zwei verschiedene Klassen enthalten muß — sei a eine von
Null verschiedene Größe aus A^ b eine von Null verschiedene
Größe aus b. Dann ist entweder a-ib oder a £- fr, und die-
selbe Ordnungsbeziehung wie zwischen a und b besteht dann
zwischen irgend einer von Null verschiedenen Größe aus A
einerseits und irgend einer von Null verschiedenen Größe aus B
andrerseits. Wir setzen dieselbe Ordnungsbeziehung zwischen
den Klassen A und B selbst fest. Zwischen irgend zwei von-
einander verschiedenen Klassen A und B unseres Größensystems
besteht also eine der beiden Ordnungsbeziehungen >1 -3 -B und
Ai-B, von denen jede die andere ausschließt Femer folgt
aus Ai-B und JBf-C offenbar AirC. Die Klassen unseres
Nichtarchimedische Gröflensysteme. 6G9
Größen Systems bilden daher — nach der Terminologie von
G. Cantor — eine einfach geordnete Menge, der somit ein
bestimmter Ordnungstypus zukommt. Wir bezeichnen ihn als
den Klassentypus unseres nichtarchimedischen Größen-
systems.
Jedes archimedische Größensystem besteht nur aus einer
einzigen Klasse^ und hat somit den Klassen typus 1.
Ein nichtarchimedisches Größensystem vom Klassen-
typus 2 bilden die gemeinen komplexen Zahlen a-^bi, wenn
man zwischen ihnen die nachstehende Ordnungsbeziehung
festsetzt:
a-\'bi>a''^Vi, wenn a>a'
a'hbi>a+Vi, wenn b>V,
Dann wird die Klasse geringerer Höhe gebildet von allen
rein imaginären Zahlen, die höhere Klasse von den Zahlen mit
nicht verschwindendem reellen Teile.
Ebenso erhalten wir ein nichtarchimedisches Größen-
system von beliebigem endlichen Klassentypus n durch
Bildung eines komplexen Zahlsystems mit n Einheiten: ä^^j-i-
+^2^8+- . • +^»^«» in dem die Addition definiert ist durch:
und die folgenden Ordnungsbeziehungen festgesetzt sind:
^i^i+^2^2"*"- • •"♦"^»^«>Mi+^2^2+ • • •'*"*«^«> wenn a^>b^
oder im Falle
a^ziz &^, . . ., cii—i = fti—i, wenn ai>bi.
Die M Klassen sind dann der Reihe nach gebildet aus
den Größen: a«^«, a»_i^„-i4-an^» (a„_i zJiO),..., a2^a+--- +
-ha»^n(a, =^ 0), ai^j+ag^2-4- . . . -4-a«^„ (a^ dfi 0), während die
Null selbst in allen Klassen steht.
1 Von diesem Standpunkt aus kann man die archimedischen Größen-
systeme als Spezialfall der nichtarchimedischen auffassen, nämlich als nicht-
archimedische Gröfiensy Sterne vom Klassentypus 1.
610 H. Hahn,
Wir können aber auch nichtarchimedische Größensysteme
von überendlichem Klassentypus angeben und es gilt der Satz :
Sei eine beliebige einfach geordnete Menge F
gegeben. Dann gibt es stets nichtarchimedische
Größensysteme, deren Klassentypus mit dem Ord-
nungstypus von r übereinstimmt.
Wir bezeichnen die Elemente von F mit 7, 7^. . .. Eine der
Menge F ähnlich geordnete Menge bilden dann die Symbole
e^, ^' . . . (wir werden sie im folgenden als »Einheiten« be-
zeichnen), wenn wir festsetzen:
e^-ie^', wenn t-3t'-
Das gesuchte nichtarchimedische Größensystem erhalten
wir nun in der folgenden Weise: Wir greifen aus den Sym-
bolen e^, e^' . . . eine beliebige endliche Menge heraus: ^,, ^,,
. > . y e^ , die wir uns nach absteigendem Range geordnet
n
denken (e^^ 8- ^^, f-. . .E- ^^ ) und bilden das Symbol:*
WO 04,,^^,,...^^ reelle Zahlen bedeuten. Wir machen die
Gesamtheit der so erhältlichen Symbole zu einem Größen-
system durch die folgende Festsetzung: Zwei unserer Sym-
bole — sie mögen mit A und B bezeichnet werden — heißen
dann und nur dann einander gleich, wenn
1. jede in A, nicht aber in B vorkommende Einheit e^ in A
den Koeffizienten Null hat und umgekehrt, und
2. jede sowohl in A als in B vorkommende Einheit in A
und B denselben Koeffizienten hat
Auf Grund dieser Gleichheitsdefinition sieht man, daß,
wenn irgend zwei Symbole A und B gegeben sind, man sie
immer so schreiben kann, daß jede in A auftretende Einheit
1 Es wäre logisch richtiger, die einzelnen Glieder dieses Symbols nicht
von vornherein durch das Zeichen -t- der Addition zu verbinden, sondern durch
irgend ein anderes Zeichen, das nicht schon von vornherein eine Bedeutung
hat, doch zeigt die Art, wie weiter unten die Addition unserer Symbole ein-
geführt wird, daß hiedurch keine Zweideutigkeit entstehen kann, da taUächlich
das Symbol a-j,^^,-!-. . .-h ^t„^t» ^'^ Summe der n Symbole: ^7,^7,, <iTt«7, • • •»
fl^ e^ wird.
Nichtarchimedische Größensysteme. 611
auch in B auftritt und umgekehrt. Ist etwa e^ eine in -4, nicht
aber in B auftretende Einheit, so kann man ja in B an der
geeigneten Stelle das Glied o.e^ hinzufügen, wodurch nach
unserer Gleichheitsdeßnition B nicht geändert wird.
Um nun zu definieren, welches von zwei ungleichen
Symbolen A und B größer heißen soll, denken wir uns A
und B in der angegebenen Weise mit Hilfe derselben Ein-
heiten angeschrieben. Es können dann nicht alle Einheiten
in A und B denselben Koeffizienten haben und unter denen,
die verschiedene Koeffizienten haben, muß es eine von höch-
stem Range geben, etwa e-^. Als das größere der beiden Sym-
bole wird dann dasjenige bezeichnet, in dem e^ den größeren
Koeffizienten hat. Auf Grund dieser Definitionen bilden unsere
Symbole ein System einfach geordneter Größen.
Um die Addition unserer Größen zu definieren, denken
wir uns wieder A und B durch dieselben Einheiten dargestellte
und setzen fest:
A-^B = (a^^4-^.)^7,4-(fl7.-^feT>7.+ . . . +(^7„+\) V
Es ist klar, daß diese Addition alle sechs Bedingungen
erfüllt, die wir eingangs an eine Addition gestellt haben. Ins-
besondere erkennt man, daß eine Größe dann und nur dann
gegenüber unserer Addition indifl"erent ist, wenn ihre sämt-
lichen Einheiten e^ die Koeffizienten Null haben. Alle diese
Größen sind einander gleich, wie es sein muß, und werden
mit 0 bezeichnet.
Man erkennt nun sofort, daß zwei Größen A und B dann
und nur dann in dieselbe Klasse gehören, wenn in beiden die
Einheit höchsten Ranges, deren Koeffizient von Null ver-
schieden ist, übereinstimmt. Sind hingegen diese beiden Ein-
heiten verschieden, in A etw e^, in B aber ^', dann hat die
Klasse von A geringere oder größere Höhe als die von 5, je
nachdem t-Jt' o^^^ tE-t'- Die Klassen unseres Großensystems
bilden somit eine Menge, die ähnlich geordnet ist der Menge
612 H. Hahn,
der Einheiten e^ und somit auch ähnlich ist der ursprünglichen
Menge F, so wie wir behauptet hatten.
Doch ist das hier angegebene Größensystem nur ein
spezieller Fall viel aUgemeinerer Grofiensysteme vom selben
Klassentypus. Um sie zu erhalten, gehen wir folgendermaßen
vor: Wir bilden aus der Menge T Teilmengen A^ mit den nach-
stehenden Eigenschaften:
1. Die Menge N enthält ein Element höchsten Ranges.
2. Jede Teilmenge von N enthält ein Element höchsten
Ranges.
Wie man sieht, wird die Menge N wohlgeordnet, wenn
man zwischen je zweien ihrer Elemente die Beziehung ir
durch -3 ersetzt. Wir wollen eine solche Menge »absteigend
wohlgeordnet« nennen. Jedenfalls ist jede absteigend wohl-
geordnete Menge einer wohlgeordneten Menge äquivalent, ihre
Mächtigkeit daher ein «. Wir greifen nun aus der Menge T nur
solche absteigend wohlgeordnete Teilmengen N heraus, deren
Mächtigkeit kleiner ist als ein beliebig vorgegebenes «, etwa N,t.
Seien
die Elemente von N (der Index a wird alle Ordinalzahlen zu
durchlaufen haben, die kleiner sind als eine bestimmte, der
Zahlklasse Z(ft*^) vorangehende Ordinalzahl ß). Aus den ent-
sprechenden Einheiten:
bilden wir dann das Symbol:^
1 Auch hier wäre es korrekter, die Glieder des Symbols nicht gerade
durch das Zeichen + der Addition zu verbinden, doch kann auch hier keine
Zweideutigkeit entstehen, aus denselben Gründen wie oben, wenn unsere
absteigend wohlgeordnete Menge sich auf eine endliche Menge reduziert; ist
aber diese absteigend wohlgeordnete Menge transfinit, so aus dem Grunde, weil
eine Summe aus transßnjt vielen Summanden in unserem Grüfiensystem über-
haupt nicht definiert wird.
Nichtarchimedische Größensysteme. 613
WO die Koeffizienten cu reelle Zahlen bedeuten und die Summa-
tion sich über alle Ordinalzahlen a zu erstrecken hat, die der
Zahl ß vorangehen.
Sei dann:
B =z bf e^'-{-b-f ^-j'-f" . . . -f-&-j' ^' -4- . . . (a •< ßO
ein analog gebautes Symbol^ so definieren wir: Das Symbol A
heiße gleich dem Symbol B, wenn:
1. Jede in A nicht aber in B vorkommende Einheit e^ in
A den Koeffizienten Null hat {a^ = 0) und umgekehrt, und
wenn
2. jede sowohl in A als in B vorkommende Einheit {e^ = e^' )
in A und B denselben Koeffizienten hat (a =: &y ).
Speziell werden wir dann und nur dann -4 = 0 setzen,
wenn die Koeffizienten sämtlicher Einheiten von A Null sind.
Auch hier dürfen wir immer annehmen, daß jede in A
vorkommende Einheit auch in B, jede in B vorkommende
Einheit auch in A vorkommt Seien in der Tat A^' und N" zwei
absteigend wohlgeordnete Teilmengen von F, deren Mächtigkeit
kleiner ist als k^. Die Vereinigungsmenge N'-^N" in der durch
r gegebenen Anordnung der Elemente bildet dann selbst, wie
unmittelbar ersichtlich, eine absteigend wohlgeordnete Menge.
Da nun bekanntlich, wenn [jl'<(i.'' ist, M|i'H-«^" = ft^^" ist, so
folgt aus |i'< |i, {!.''< |JL auch:
und somit gehört die Menge ^'-hiV" als absteigend wohl-
geordnete Menge von einer Mächtigkeit < N,i auch zu den
von uns betrachteten Teilmengen von F. Statt nun bei Bildung
von A über die Menge N' zu summieren, kann man ebensogut
über die Menge N'+N" summieren, wenn man nur jeder in
N'-hN'', nicht aber in N' vorkommenden Einheit den Koeffi-
zienten Null erteilt, und Analoges gilt für B.
Um nun. zu definieren, welches von zwei Symbolen A
und B das größere heißen soll, denken wir uns A und B in der
angegebenen Weise aus denselben Einheiten gebildet. Wenn
A und B nicht gleich sind, so gibt es eine Teilmenge ihrer
614 H. Hahn,
Einheiten, welche in A und B verschiedene Koeffizienten haben.
Nach den Eigenschaften der zur Bildung unserer Symbole
verwendeten Teilmengen von F muß es unter diesen Einheiten
eine von höchstem Range geben, etwa e^ . Größer heiße dann
dasjenige der beiden Symbole, in welchem ^ den größeren
Koeffizienten hat. Unsere Symbole bilden nunmehr ein einfach
geordnetes Größensystem.
Um die Addition unserer Symbole zu definieren, denken
wir uns wieder A und B aus denselben Einheiten gebildet:
^ = ^.^.+^,^.+ • • • +^a^„+ • • • («<ß)
B = ^•^•+^.^.+. . +^.^>+• • • («<?)
und setzen fest:
A+B = (<^,+ftJ^-r.+(<^,+&T,)^,+ . . . +
Man erkennt wieder, daß eine Größe unseres Systems
dann und nur dann indifferent gegenüber dieser Addition ist,
wenn ihre sämtlichen Einheiten den Koeffizienten Null haben,
und daß alle diese Größen einander gleich sind. Sie werden
wieder mit 0 bezeichnet.
Daß das so erhaltene nichtarchimedische Größensystem
wieder den gewünschten Klassentypus hat, zeigt man wie oben.
Man erhält das früher behandelte spezielle Größensystem, indem
man für das Nji unserer allgemeinen Erörterungen speziell
t^Q wählt
Bemerkenswerte nichtarchimedische Größensysteme erhält
man, wenn man für die geordnete Menge F etwa die Menge der
rationalen Zahlen in ihrer natürlichen Reihenfolge oder das
Kontinuum wählt Man erhält dann verschiedene Systeme, je
nachdem man für das N^i unserer allgemeinen Theorie »^ oder
Kj wählt
§2.
Wir wollen nun beweisen, daß die eben angegebenen
nichtarchimedischen Größensysteme die allgemeinsten sind.
Genauer gesprochen: Wir wollen zeigen, daß den Größen eines
Nichtarchiinedische Gröfiensysteme. 615
beliebigen nichtarchimedischen Größensystems sich in ein-
deutiger Weise Symbole von der Form:
ItO^e^ (1)
zuordnen lassen, wo die a^ reelle Zahlen bedeuten, die ^ aber
Symbole für eine Rangordnung (»Einheiten«) sind und die
Summation sich über absteigend wohlgeordnete Mengen er-
streckt. Und zwar wird diese Zuordnung die folgenden Eigen-
schaften haben:
(a) Ungleichen Größen des Systems entsprechen verschiedene
Symbole. Dabei sollen — übereinstimmend mit § 1 — zwei
Symbole dann und nur dann als nicht verschieden be-
trachtet werden, wenn jede Einheit, die im einen vorkommt,
im anderen aber nicht, im ersteren den Koeffizienten Null
hat, und wenn jede Einheit, die in beiden vorkommt, auch
in beiden denselben Koeffizienten hat.^
(P) Haben die beiden Größen g und g' des Systems die
Symbole:
g= la^e^ g' = la'^e^, (2)
so hat die gleichfalls im System vorkommende Größe
g+g' das Symbol
(t) Ist g die größere der beiden Größen (2), so ist unter allen
Differenzen a^ — a^ die erste von Null verschiedene positiv.
Sei uns also irgend ein nichtarchimedisches Größen-
system G gegeben. Ferner sei uns eine einfach geordnete
Menge T von Elementen y gegeben, deren Ordnungstypus der
Klassentypus von G ist. Wir denken uns — für den Fall, daß
zwischen den Klassen von G und den Elementen von F mehr
als eine ähnliche Beziehung möglich sein sollte — eine derselben
festgehalten. Jeder Klasse von G entspricht also in eindeutiger
Weise ein Element y von F, dem wir eine Einheit e^ zuordnen.
1 Auf Grund dieser Festsetzung können wir wie in § 1 immer annehmen,
daß zwei vorgegebene Symbole der Form (1) genau dieselben Einheiten e-^ ent-
halten, wovon bei Formulierung der Eigenschaften (ß) und (y) Gebrauch
gemacht ist
Sitzb. d. mathero.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 40
616 H, Hahn,
die wir zur Bezeichnung der Klasse verwenden wollen; wir
bezeichnen die betreffende Klasse kurz als die Klasse ^.
Wie schon in § 1 bemerkt, muß es im System eine gegen
die Addition indifferente Größe geben. Wir bezeichnen sie mit 0
oder einem Symbol der Form (1), in dem alle Koeffizienten a^
Null sind.
Gebrauch machend von dem Satze, daß jede Menge einer
wohlgeordneten Menge äquivalent ist, denken wir uns nun die
von Null verschiedenen Größen von G eineindeutig auf eine
geeignete wohlgeordnete Menge bezogen. Die dadurch zwischen
den Größen von G festgesetzte Rangordnung denken wir uns
zunächst noch in nachfolgender Weise modifiziert. Unter allen
positiven Größen der Klasse e^ gibt es eine vom niedrigsten
Range (wegen einer bekannten Eigenschaft der wohlgeordneten
Mengen). Nehmen wir nun in jeder Klasse e^ das positive Element
niedersten Ranges, so bilden diese Elemente als Teilmenge einer
wohlgeordneten Menge selbst eine wohlgeordnete Menge Afj,
und das gleiche gilt aus demselben Grunde für die nicht in M^
enthaltenen Größen von G; diese zweite wohlgeordnete Menge
nennen wir M^, Ebenso ist die Menge M zu M^-i-M^ wohl-
geordnet (wenn jedes Element von M^ hinter jedes Element
von M^ geordnet wird, die Elemente von' M^ untereinander,
ebenso wie die von Afg ihre Rangordnung behalten). Die durch
die Menge M gegebene Wohlordnung von G denken wir uns
nun für das Folgende festgehalten :
In Afi steht aus jeder Klasse von G eine und nur eine
Größe. Die der Klasse e-^ angehörige Größe von M^ bezeichnen
wir mit dem Symbol 1 . e-^ oder kurz mit e^ selbst.
Allen Größen von M^ ist somit ein Symbol zugeordnet.
Die Zuordnung von Symbolen zu den übrigen Größen voll-
ziehen wir durch Induktion: Wir nehmen an, allen Größen
von G, die in M einer bestimmten Größe g vorangehen, seien
bereits Symbole zugeordnet und setzen sodann fest, welches
Symbol der Größe g zuzuordnen ist.
Wir führen folgende Bezeichnung ein: Eine Größe ^ heiße
darstellbar durch die vorhergehenden, wenn eine Relation
besteht:
ng = Wi^i-hWj^g-h. . .-hntigiy
Nichtarchimedische Größensysteme. 617
^'0 g^fg^j. . >fgi eine endliche Anzahl von Größen ist, die in
M der Größe g vorangehen und n,ini,m^,, . .^mi von Null
verschiedene ganze (positive oder negative) Zahlen bedeuten.
Eine Größe g heiße durch die vorhergehenden darstellbar
bis auf Größen der Klasse e^, wenn sich eine endliche Anzahl
von Größen g^, g^y *,giy die in Af der Größe g vorangehen,
sowie von Null verschiedene ganze (positive oder negative)
Zahlen «, m^^ m^,, > -,^i so aufßnden lassen, daß die Differenz
ng—m^g^—m^g^—. . .—ntigi
eine Größe wird, deren Klasse nicht höher ist als die Klasse ^.
Sei nun g eine Größe aus ilfg. Wir setzen voraus, den der
Größe g in M vorangehenden Größen seien bereits Symbole
der Form (1) zugeordnet, und zwar so, daß folgende Forderungen
erfüllt sind:
1. Es seien g^, g^,. . .,gi eine endliche Anzahl von Größen,
die in M der Größe g vorangehen und zwischen denen eine
Relation von der Form :
^lÄ + ^2 Ä + • • • -^^igi = 0 (3)
besteht (wo die w,- nicht verschwindende ganze Zahlen be-
deuten). Ferner sei a^*) der Koeffizient von ^ im Symbol von gk,
beziehungsweise sei a^*) =z 0, wenn e^ im Symbol von gjt nicht
auftritt; dann soll stets auch :
Wi a^^^+ Wjj a\^'^ . . . +mi a^O = 0 (4)
sein und umgekehrt, wenn die Relation (4) für alle y gilt, so soll
auch die Relation (3) bestehen.
2. Allemal, wenn zwischen den Größen g^^, ^2>- • •> <?» ®^^^
Relation von der Form besteht:^
^1^1 + »*? Ä + • • • -^^igi = g*y (^)
so soll für alle y derart, daß die Klasse e^ höher ist als die
Klasse von g* die Relation bestehen:
Wi <^+ Wj, a\^'-¥- . . . ^mid^ = 0 (6)
1 Dabei kann g* eine beliebige Größe von G sein und muß nicht in M
vor g stehen.
40*
618 H. Hahn,
und umgekehrt, wenn die Relation (6) für alle 7 besteht, für
welche ^f-^, soll auch eine Relation von der Form (5)
bestehen, wo g* höchstens von der Klasse e^ ist.
3. Sei g' eine beliebige Größe von G, die in M vor g steht,
und es sei in dem ihr zugeordneten Symbol al^ der Koeffizient
von ^, beziehungsweise sei fl(= 0, wenn e^ in diesem Symbol
nicht auftritt. Dann lassen sich zu einem vorgegebenen 7* eine
endliche Anzahl Größen ^1, Ä»- • -»^ö ^'® *^ ^ vor g stehen,
sowie ganze Zahlen n , m ^ m^, . . . , f» / so auffinden, daß für
jedes t£-T*-
für Y zz Y* aber und für jedes 7 -3 y*-
m^c^^^-^m^a^-^^'h . . . +i«,a<*) = 0
wird. Dabei bedeutet aW den Koeffizienten von ^ im Symbol
von gky beziehungsweise die Null, wenn e-^ in diesem Symbol
nicht auftritt.
4. Seien gitg^i- - -ygi Größen von G, die in M vor g
stehen, und m^jm^^ . ., w^ irgendwelche ganze Zahlen, femer
habe a(*> dieselbe Bedeutung wie oben. Ist dann die sicher in
G vorkommende Größe
positiv, so ist auch unter den reellen Zahlen
die erste nichtverschwindende positiv [daß es unter den nicht-
verschwindenden Größen (7) eine erste geben muß, d. h. eine
in der 7 den höchsten Rang hat, folgt sofort aus den bekannten
Eigenschaften der wohlgeordneten Mengen].
Daß für die bereits vollzogene Zuordnung von Symbolen
zu den Größen von M^ diese vier Forderungen erfüllt sind, liegt
auf der Hand. Nun gehen wir dazu über, auch der Größe g
ein Symbol von der Form (1) zuzuordnen. Wir unterscheiden
drei Fälle:
Nichtarchimedische Gröfiensysteme. 619
I. Die Größe g sei darstellbar durch vorhergehende Größen;
etwa:
^g = *»*iÄ+*«aÄ+ • • • -^^igi-
Hat dann wieder a^*) die mehrmals verwendete Bedeutung,
so habe im Symbol von g die Einheit e^ den Koeffizienten:
Dieser Koeffizient ist dadurch eindeutig festgelegt. Denn sei :
^g = <ä'+<ä'+ • • • +^jgj
eine andere Darstellung von g durch vorhergehende Größen,
so ist:
n'fH^g^'^n'm^g^+. . . -^n'migi—nm'^gl—nm'^g^—. . .—
—nmjgj = 0
somit nach der Forderung 1:
wo a'W für gk dieselbe Bedeutung hat wie aW für gk> Hieraus
folgt die Behauptung.
Daß diejenigen Einheiten e^, welche hiebei einen von Null
verschiedenen Koeffizienten erhalten, eine absteigend wohl-
geordnete Menge bilden, ist evident. Es ist also der Größe g
ein Symbol der Form (1) zugeordnet.
II. Sei e^^ die Klasse von g und g sei nicht darstellbar
durch vorhergehende Größen, auch nicht darstellbar bis auf
Größen einer Klasse e^, wo t -3To- Dann gehen wir so vor:
In M^ steht eine und nur eine Größe der Klasse e^; sie
werde bezeichnet mit g^. Mit g bezeichnen wir die Größe g
selbst oder die ihr entgegengesetzte, je nachdem g positiv oder
negativ ist. Die Größe g ist also jedenfalls positiv. Es läßt sich
daher eine ganze positive Zahl n^ (die auch Null sein kann) so
finden, daß:
620 H. Hahn,
Sei nun d eine ganze Zahl >1. Dann läßt sich wieder
eine ganze Zahl n^ (^0 und <d) so bestimmen, daß:
sodann eine ganze Zahl n^ (^0 und <.d)^ so daß:
(n^d^+n^d-^n^)g^<d^g<{n^d^+n^d'¥n^ + \)g^.
Allgemein, wenn in dieser Weise «q, «j,. . ., «,-1 bestimmt
sind, läßt sich Hi so bestimmen, daß:
<(#*orf^+Wirf*-*H-. . .+«,_id4-if, + l)^o
wird, wo alle Hj^, ausgenommen n^, nicht negative ganze
Zahlen < d bedeuten und n^'^O ist. Gleichheitszeichen können
bei diesem Prozeß nie auftreten, weil sonst g durch g^ dar-
stellbar wäre, entgegen der Voraussetzung.
Wir bilden nun den unendlichen systematischen Bruch:
und geben der Größe g das Symbol ä^^e^^ oder — ^öf^^e^^, je
nachdem g'=-g oder ^ = — g war. Die Größe g hat somit
ein Symbol von der Form (1) erhalten.
III. Sei wieder e^ die Klasse von g, und g sei zwar nicht
exakt durch vorhergehende Größen darstellbar, wohl aber bis
auf Größen von niedrigerer Klasse als e^^, etwa in der Form :
^& = ^iÄ+^aÄ+ • • • -^^igi^g^^K (8)
wo die Klasse von g^^^ von geringerer Höhe ist als ^^. Sei nun
e^j^ die erste Klasse von geringerer Höhe als ^^, deren Koeffizient
im Symbol von gt nicht Null ist. Auf Grund von Forderung 3
können wir dann unter den der Größe ^ in ilf vorausgehenden
Größen die Größen gi,ky g2,k,' --, gij^^k so auswählen, daß für
geeignete ganze Zahlen nk,fH\^ki ^2,^- - -, »w,-^,* die Beziehung:
Nichtarchimedische Gröfiensysteme. 621
für alle *)f£-T* gilt, während für alle t^T* cli© Beziehung:
gilt. Daraus folgt unmittelbar unter Benützung von Forderung 2,
daß die Differenz der beiden Größen :
«jL^g. . . «/Wi^i+Wi«,. . . w^Wj^g-4- . . . +n^n^. . . HifHigi
und:
«aUg- • • «<»^i(wi,i^i,i4-fW2, 1^2,1+ . . . +iw,-,,i^,„i)+
. . . + M^fla . . . «,_i W,- (Wi, ,• ^1, i + W2, ,• ^2, 1 + . . . + W/ ., / gi.^ i) (9)
von geringerer Klasse als e-^^ ist. Mithin ist auch die Differenz
von nn^n^. > .fiig und der Größe (9) von geringerer Klasse
als e^^. Daraus schließen wir:
Ist eine Darstellung der Form (8) möglich, so ist auch
stets eine analoge Darstellung:
^g = Wi^i+W2^2+ . . . ^rngj-^g^^^
möglich, derart, daß für jedes t-JTo-
^i^"+^4"^+ • • • +wrä<') = 0 (10)
wird. Wir nehmen daher an, die Darstellung (8) habe von
vornherein die durch (10) ausgedrückte Eigenschait, so daß
also für T -9 To •
^i^7*^+^8^?^+ • • • +w,^<'^ =: 0
ist. Dieselbe Relation besteht aber — wegen Forderung 2 —
für t£"Toj w®'1 i^ ^®r Gleichung:
die rechts stehende Größe von der Klasse e^^ ist. Hingegen
ist die Zahl:
a^=-??^a<» + -?^a«>+... + -^a(') (11)
022 H. Hahn,
gewiß nicht Null, weil sonst nach Forderung 1 die Beziehung
bestehen müßte:
während ng—g^^> als Differenz zweier Größen verschiedener
Klasse nicht Null sein kann. Die durch (11) definierte Zahl a^
sei der Koeffizient von e^^ im Symbol der Größe g (während
jede höhere Einheit ^ den Koeffizienten Null habe).
Durch diese Festsetzung ist der Koeffizient o^ eindeutig
festgelegt. Dann sei:
n'g = m[gi+fn',gi+ . . . ^m^gj+g'(^) (12)
eine andere Darstellung von g, wo wieder g'^^^ von niedrigerer
Klasse als e^^ sei, dann ist:
«'wj^i 'hn'in^g^'^...'^n'fnigi—nm[g['-Hm'^g^—...'-nm^gJ =
= ngni)—n'g(^)
ebenfalls von niedrigerer Klasse als e^^ und mithin wegen
Forderung 2 :
n' '• n' •• n' ^
wie behauptet. Hat ferner die Darstellung (12) ebenfalls die
Eigenschaft:
w;a;">-4-mia(«>+ . . . +iifja^O) = 0 für t "^ To. (»3)
so folgt aus Forderung 1, daß:
ist.
Wir bilden nun die Differenz:
Nicht&rcbimedische Größensysteme. 623
bezeichnen mit e^^ die Klasse von g^^^ — wo also Ti "3 To — ^^^
unterscheiden wieder zwei Fälle:
Erster Fall. Die Größe g sei nicht durch Größen, die ihr
in M vorangehen, darstellbar bis auf Größen einer geringeren
Klasse als e^^. Dasselbe gilt dann offenbar von g^^^ und wir
können wie im Falle II einen unendlichen systematischen
Bruch bestimmen:
^' ^ d d^ d^
derart, daß (unter g^^^ die Größe ^<^> oder ihre entgegengesetzte
verstanden, je nachdem g^^^ positiv oder negativ und unter
g^^^ diejenige Größe der Klasse e^\, die in M^ steht) für jedes i:
<(fio^'+«i^'-^+ . . . +ni^id+ni + l)g^^y
Femer können wir immer annehmen, in (8) sei die ganze
Zahl n positiv. Je nachdem nun ^<^> =: ^<^> oder ^W = — g^^\
wählen wir — ^ oder als Koeffizienten a^^ von e», im
Symbol von g, während alle Einheiten ^^, die im Range zwischen
e^^ und dyj stehen, sowie alle, die von niedrigerem Range als ^^,
sind, in diesem Symbol nicht vorkommen sollen.
Die Zuordnung eines Symbols der Form (1) zur Größe g
ist somit vollzogen, nur ist wieder zu zeigen, daß auch die
Bestimmung von a^^ eindeutig ist. Wären wir nun statt von der
Darstellung (8) von einer anderen, etwa (12), ausgegangen, für
welche die Gleichungen (13) gelten sollen und in der wir
wieder »' positiv annehmen dürfen, so ergäbe sich:
und somit wegen (14):
^^/(i) -. ^/^(i)^ (15)
Hieraus folgt zunächst, daß, wenn g^^^ nicht darstellbar ist
bis auf Größen von niedrigerer Klasse als e^^, dasselbe von g'^^^
624 H. Hahn,
gilt Geht man nun weiter mit g'^^^ so vor wie eben mit g^^\ so
gelangt man zu einem systematischen Bruche:
a' = «' 4- -^ + -^ + . . . H h . . .
und unsere Behauptung geht dahin, daß:
Wäre etwa nä(^^>n'ä^^, so müßte sich k so wählen
lassen, daß:
wird. Aus:
w'^(i)<{,i'no^*+w'Wi J*-i+ . . . +>»'(«* + 1)}4*>
würde dann folgen: ng'^^^ > n'£(^\ entgegen der Gleichung (15).
Unser Beweis ist somit erbracht.
Zweiter Fall. Die Größe g sei durch Größen, die ihr in M
vorangehen, darstellbar bis auf Größen, deren Klasse niedriger
ist als ^^. Sei etwa
n(2)^ = fnf)gp+fHf)g^^)+ . . . +f»?'^4*'+^<2) (16)
eine solche Darstellung, wo die Klasse ^, von g^ geringeren
Rang hat als e^^. Wir können wie oben annehmen, daß für
alle t-BTi^
mf>af'^^+mf>af^^+ . . . -hm^^af^^ = 0 (17)
ist. Ferner muß, da auch (16) eine Darstellung von g von der
Form (12) ist:
n(2> ^* «(2) 1f» ,|(2) T» ^
Nichtarchimedische Größensysteme. 625
sein, und analog erkennt man, dafl für alle anderen 78-Ti ^i^
Gleichung (17) bestehen muß. Als Koeffizienten von e^^ im
Symbol von g wählen wir dann die Zahl:
^' «(2) Ift „(2) Ti ^(2) T.
und überzeugen uns ähnlich wie oben, daß diese Definition
von der Wahl der Darstellung (16) unabhängig ist. Sodann
unterscheiden wir, analog wie oben, zwei Fälle. Wir bezeichnen
mit d^, die Klasse von g^^ und haben den ersten Fall, wenn
eine Darstellung von g bis auf Größen von geringerer Klasse
als ^, unmöglich ist; in diesem Falle ist mit diesem Schritte
die Bestimmung des Symbols für g abgeschlossen. Der zweite
Fall hingegen tritt ein, wenn eine Darstellung von g bis auf
Größen geringerer Klasse als e^, möglich ist; in diesem Falle
ist dasselbe Schlußverfahren nochmals anzuwenden.
Wir gehen sogleich ganz allgemein vor und nehmen an, es
seien im Symbol von g bereits für eine absteigend wohl-
geordnete Menge von Klassen ^7,, ^,. . .^t . . ., wo der Index a
kleiner sei als eine gewisse Ordinalzahl ß, die zugehörigen
Koeffizienten fl^^ ö^,,. . ., 0^ ... bestimmt,* und zwar so, daß zu
jeder dieser Klassen e^ sich eine Darstellung von g durch
vorhergehende Größen bis auf Größen einer niedrigeren Klasse
als e, angeben läßt:'
+«,(.«+!) tf(«+l) +^(«+«) (18)
derart, daß für T = Ta ^"^ für jedes y£- Ta
+fw(«+^>a<«+^''«+i> (19)
<a+l T ^ ^
1 Jede Einheit e-^, die höheren Rang als irgend ein c^ hat, ohne aber mit
einem anderen ^ übereinzustimmen, habe den Koeffizienten o^ = 0.
3 Wenn es eine solche Darstellung gibt, so müssen für jede andere Dar-
stellung der Form (18) ebenfalls die Gleichungen (19) gelten, woraus sofort
folgt, dafi eine andere unseren Forderungen genügende Wahl der Klassen e-^
und der Koeffizienten a^ unmöglich ist.
626 H. Hahn,
und wir wollen zeigen, daß sich dann die Aufstellung des
Symbols für g entweder zum Abschluß bringen oder in ein-
deutiger Weise um einen Schritt weiter führen läfit. Es sind
zwei Hauptfalle zu unterscheiden.
Erster Hauptfall. Es sei nicht möglich, g durch vorher-
gehende Größen darzustellen bis auf Größen, deren Klasse
niedriger ist als alle e^ (A<ß)* In diesem Falle geben wir im
Ol
Symbol von g jeder Klasse, die niedriger ist als alle e^ {aL<^\
den Koeffizienten Null, und die Aufstellung des Symbols fQr g
ist fertig. Es ist klar, daß dieser Fall nur auftreten kann, wenn
die Ordinalzahl ß eine Grenzzahl ist^ (d. h. keine unmittelbar
vorhergehende besitzt), denn im entgegengesetzten Falle gäbe
es unter den e^ ein niederstes und es ließe sich nach Voraus-
Setzung g darstellen bis auf Größen von niedrigerer Klasse
als e^ .
Zwe it er Hauptfall. Es sei möglich^^durch vorhergehende
Größen darzustellen bis auf eine Größe g^^\ deren Klasse
niedriger ist als alle e^ (a<ß):
n<^)g = mfg!p+mfg^^)+ . . . + f«(ß)^(P)+^(P) . (20)
Wir dürfen dann wieder annehmen, diese Darstellung sei
bereits so gewählt, daß für jede Klasse ^^ die niedriger ist als
alle e^ :
W»a<P.i)+f«(?)a(?-2)+ . . . +»»(?' aC-'p) = 0 (21)
ist. Ist dann:
eine zweite solche Darstellung, für die ebenfalls für jedes y, das
niedriger ist als alle y^:
1 Das ist der Grund, warum in den schon erledigten Fällen ß ss 0 imd
ß = 1 dieser Fall nicht auftrat
Nichtarchimedische GröOensysteme. 627
SO gilt für jedes 7:
= «(l')(»»i(f')a;<f>.«+. . . +««'.(P)a'(ß.>?)),
denn für ein y> das höheren Rang hat als irgend ein y«» gilt diese
Gleichung, weil dann jede der beiden Seiten gleich wird
jf(ß)n'(Wa^; für ein f, das im Range niedriger ist als alle 7^ aber
gilt sie, weil dann ihre beiden Seiten Null sind. Es ist also:
und somit:
^/(P)^(P) -_. „(p)^/(P),
•
Die Klasse von g'^^ ist also dieselbe wie die von g^^\ wir
bezeichnen sie mit e^' sie sei die erste auf alle e^ folgende
Klasse, die im Symbol von g einen von Null verschiedenen
Koeffizienten habe; diese Klasse ist somit eindeutig festgelegt
Es ist nun zunächst der Koeffizient a^^ von e^^ im Symbol
von g zu bestimmen. Hiezu unterscheiden wir zwei Unterfälle:
Erster UnterfalL Eine Darstellung von g bis auf Größen
niedrigerer Klasse als e^^ sei nicht möglich. Dann werde der
Koeffizient von ^^ wie im analogen Falle oben, durch Zuhilfe-
nahme eines unendlichen systematischen Bruches definiert.
Daß diese Bestimmung eine eindeutige ist, zeigt man wie oben.
Jede Einheit, die im Range niedriger ist als e^., erhält den
Koeffizienten Null, und die Definition des Symbols von g ist
somit auch hier abgeschlossen.
Zweiter Unterfall. Es sei eine Darstellung von ^ bis auf
Größen von niedrigerer Klasse als e^^ möglich, etwa:
n<?+^)g z=z m<P+i)^(P+i)+ . . . + w<P+|)^p+^^)+^(?+i) . (22)
Den Koeffizienten o^^ bestimmen wir dann aus:
ff(H-i)a^^ =: miP+i)fl<P+i'i>4- . . . +wj?+i)a^(?+^' 'ß+D (23)
und überzeugen uns auf dem schon wiederholt angewendeten
Wege, daß auch diese Bestimmung eindeutig, d. h. von der
speziellen Wahl der Darstellung (22) unabhängig ist.
628 H. Hahn,
Wir befinden uns nun in genau denselben Verhältnissen,
von denen wir ausgegangen sind, nur daß die absteigend wohl-
geordnete Menge e^^, e^^. . .e^ ... ein Glied mehr umfaßt, da der
Index a nun alle Ordinalzahlen <ß4-l durchläuft. In der Tat
sind die dort gemachten Voraussetzungen auch für unsere um
ein Glied vermehrte absteigend wohlgeordnete Menge erfüllt.
Um dies behaupten zu können, brauchen wir nur folgendes zu
zeigen: Es läßt sich eine Darstellung von g bis auf Größen von
niedrigerer Klasse als e^,^
pi * PI'*
so angeben, daß für t =: Yß und jedes T 8- Tß-
w(P+i)a, = w(Hi)a(P+i, 1)+ . . . +fw(?+i) a(^i' »>+i> (24)
Man erkennt leicht, daß die Darstellung (22) eine Dar-
stellung der Eigenschaft (24) ist. Daß dies stattfindet, sobald y
von höherem Range als irgend ein Ta(*<ß) ^st, ist klar, weil
ja (22) gleichzeitig eine Darstellung der Form (18) ist. Für
7 =: Y3 ergibt Gleichung (23) die gewünschte Eigenschaft,, und
es ist (24) daher nur noch als richtig zu erweisen für solche 7,
die im Range zwischen 73 und allen 7« liegen. Aus (20) und (22)
folgt aber:
p p
_«(P)(w(?+iM?+i)+ . . . +m<?+i)tf (?+!)) =
*ß4-l 'ß+1
=: M(?)^(ß+l)_«(ß+l)^(?),
wo die rechte Seite von der Klasse e^o ist. Daher für 78- Tp-
w(ß+i)(wf a^^3,i)+ . . . ^ntf a<?'*?)) =
= w(?)(mi?+i)a(?+^0+ . . . + fw(;+J) a(P+^»P+i>)
und daher wegen (21) sobald T"3To für jedes a:
wie behauptet.
Nichtarchimedische Größensysteme. 629
Wir sehen also folgendes: Sind im Symbol für ^ die
Koeffizienten Äj^a^,,. .., Äj ... (a<ß) einer absteigend wohl-
geordneten Menge von Einheiten ^,,^,,.-.,^7 ...(a<p) so
bestimmt, daß die durch (18) und (19) ausgedrückte Eigenschaft
besteht, so läßt sich bei einem folgenden Schritte entweder die
Bestimmung des Symbols von g zu Ende führen (erster Haupt-
fall und erster Unterfall des zweiten Hauptfalles) oder es läßt
sich die erste auf alle Einheiten e^ (« < ß) folgende Einheit ^^^
auffinden, deren Koeffizient im Symbol von g nicht Null ist und
dieser Koeffizient in eindeutiger Weise so bestimmen, daß die
durch (18) und (19) ausgedrückten Eigenschaften auch für die
absteigend wohlgeordnete Menge e^ (a^ß) bestehen. Dann
aber kann das ganze Verfahren wieder angewendet werden.
Hieraus aber folgt weiter, daß einmal bei Fortführung
dieses Prozesses der erste Hauptfall oder der erste Unterfall des
zweiten Hauptfalles eintreten muß. Denn träte bei jedem neuen
Schritte immer wieder der zweite Unterfall des zweiten Haupt-
falles ein, so ließe sich der Prozeß so lange fortsetzen, bis die
Mächtigkeit der absteigend wohlgeordneten Menge e^ (a < ß)
ein beliebig vorgegebenes k wird. Das ist aber unmöglich, da
eine solche Menge als Teilmenge von V nie die Mächtigkeit
von r übertrefifen kann. Sobald aber einmal nicht der zweite
Unterfall des zweiten Hauptfalles eintritt, wird beim nächsten
Schritte die Bildung des Symbols von g abgeschlossen, so daß
also auch im Falle III der Größe g ein Symbol der Form (1)
zugeordnet ist.
Wir behaupten nun weiter, daß auch für jenen Abschnitt
der wohlgeordneten Menge M, der aus allen der Größe g
vorangehenden Größen und der Größe g selbst besteht, die
Forderungen 1, 2, 3 und 4 erfüllt sind.
Für die erste Hälfte der Forderung 1 ist dies evident. Denn
besteht eine Relation
f»! ^1 +f«2 Ä + • • • + mgi+fni^i g = 0,
so ist g darstellbar durch vorhergehende Größen, wir befinden
uns im Falle I und dann wurden ja die Koeffizienten a^ gerade
aus dieser Relation bestimmt.
630 H. Hahn,
Die zweite Hälfte von Forderung 1 aber verlangt um-
gekehrt, daß wenn unter den der Gröfie ^ in Af vorangehenden
Größen sich eine endliche Anzahl g^^ g%," *fgi so finden läßt,
daß für alle 7:
m^aü^ -^-m^a^ '\' . . . H-w,a<*>+f#f,.4-ia^ = 0, (25)
wo m^^m^,. . .,mi,fni^i ganze Zahlen sind, auch die Be-
ziehung gilt:
^1Ä + *«2Ä+ • • • +W|^i + W,H.l^ = 0. (26)
Nehmen wir zuerst an, wir befinden uns im Falle I und es
bestehe die Relation:
^g = Kä'+Kä'+ • • • +^jgJ' (27)
Dann ist für alle ^:
i+X ^ J
und somit wegen Forderung 1:
m+i(fn[gi'hfn'^g^+ . . . ^m^gj)-i-
woraus in Verbindung mit (27), (26) folgt.
Im Falle II können wir zeigen, daß Relationen der
Form (25) nicht für alle y bestehen können. Sei in der Tat e^ die
Klasse von g und sei wieder g gleich g oder gleich — g, je
nachdem g positiv oder negativ ist. Wir bilden die Größe:
WiÄ+»^2Ä+ • • • ^^igi+f^i+ig = g* (28)
die notwendig auch in der Klasse e^^ steht; denn in einer
höheren Klasse kann g* nach Forderung 2 nicht stehen, weil
fürT£-T.:
m^ai^^'k'm^ai^^+ . . . -^mid') = 0,
Nichtarchimedische Größensysteme. 63 1
in einer niedrigeren Klasse kann aber^* nicht stehen, weil
sonst — entgegen der Voraussetzung — g durch vorhergehende
Größen darstellbar wäre bis auf Größen von geringerer Klasse
als e^^. Wir bezeichnen nun wieder mit g den absoluten Betrag
von g und schreiben (28) in der Form,
wo wir offenbar iw/^i positiv annehmen dürfen. Unter Bei-
behaltung der oben benützten Bezeichnung haben wir dann:
= a.. in «0 -< — ^ + — - + ... H h . . . ,
'• "^ d d' d^
wo:
w,^.i(i«o^*4-«i^*-^-h . . . 'hnk-id+nk)gQ<ini^id^g<
Andrerseits ist aber auch wegen Forderung 4:
fni^i(nQd^+n^d^-^+ . . . +«*_i^4-«ik)^o<
Daraus würde nun folgen, daß für jedes k:
d^\g*\<fni^igQ
sein muß, was unmöglich ist, wenn g* in derselben Klasse wie
g^ steht Die Relation (25) kann also für 7 = To nicht bestehen.
Liege endlich der Fall III vor, so können wir wieder
zeigen, daß die Relationen (25) nicht für alle 7 erfüllt sein
können. Je nachdem dann unter den Einheiten e. , die im
Symbol von g einen von Null verschiedenen Koeffizienten
haben, eine niedrigste vorhanden ist oder nicht, befinden wir
uns im zweiten Hauptfall (und zwar im ersten Unterfall) oder
im ersten Hauptfall.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 41
632 H. Hahn,
Nehmen wir also zuerst an, wir befinden uns im ersten
Hauptfall. Dann gibt es zu jedem a (<ß) eine Darstellung:
+ „,(a+l)^(a+l)^.^(a-Hl)^
WO ^(*+^> von niedrigerer Klasse als e^ und für jedes TfcTa-
ft — —
Hingegen gibt es keine Darstellung von g bis auf Größen,
deren Klasse niedriger ist als alle ^ .
'OL
Wir bilden die Größe:
Dann ist für T^Ta-
Somit gilt nach Forderung 2 die Relation:
wo ^<'«+^)* von niedrigerer Klasse als e^ ist. Somit gilt auch:
nti^ig = —(in^gt-hm^g^^,. . +^,-^0+^^*'^^^** (29)
wo ^'«+1)** ebenfalls von niedrigerer Klasse als e^ ist, und zwar
gilt diese Formel für jedes a (< ß). Es wäre also durch (29) eine
Darstellung von g bis auf Größen von niedrigerer Klasse als
alle e-^ geliefert, was unmöglich ist.
Befinden wir uns hingegen im zweiten Hauptfall, und
zwar im ersten Unterfall und ist e^. die niederste Einheit mit
von Null verschiedenem Koeffizienten, so gibt es eine Dar-
stellung:
«^ß\^ = mfg[^^'h . . . +f«(ß)^/?)+^(P),
Nichtarchimedische Größensysteme. 633
WO g<^^ von niedrigerer Klasse als alle e^ (a < ß) und wo für
jedes Y derart, daß für irgend ein a: TfcTa> die Gleichung
besteht:
für jedes y hingegen, das niedrigeren Rang als alle 7^ hat:
fnfaf^)^ . . . +w(ß) a(P''>) z= 0.
Dann ist e^^ die Klasse von g^^'> und es gibt keine Dar-
stellung von g bis auf Größen von niedrigerer Klasse als e^ .
Wir setzen nun:
— *f<?)(f»i^i+i«g^2-4- . . . -hntigi) —
-mi^,{mfg^^)^mfgi^)+ . . . +f«g>4?)) =
= ffti^ig^^^^g* (30)
und erkennen, daß g* ebenfalls von der Klasse e^^ sein muß.
In der Tat, von höherer Klasse kann g* nicht sein, da für
jedes f- 7p:
+w,-^i(wf a^P'i)+w^?)a<ß.2)+ . . . +w^)a(?'»ß>) = 0
ist, somit nach Forderung 2 die linke Seite von Gleichung (30)
höchstens von der Klasse e^^ ist Von niedrigerer Klasse als e^^
aber kann g* auch nicht sein, weil sonst g^^'> und somit auch g
darstellbar wäre bis auf Größen von niedrigerer Klasse als e^^ .
Wir bezeichnen nun mit g^^^ den absoluten Betrag von g^^\
bestimmen mi^i so, daß ffti^ig^^^ =:mi^ig^^'^ wird und dürfen
immer annehmen, die Zahl:
— ff(P)(Wia^i^+f»2^7ß^"^ • • • 4-fn,a(0) z= fHi^iä^o
sei positiv. Dann ist wegen Forderung 4 auch die linke Seite
von (30) positiv. Durch Betrachtung des systematischen Bruches:
41*
034 R Hahn,
gelangt man wie oben zu einem Widerspruch. Das Fortbestehen
von Forderung 1 ist somit allgemein nachgewiesen.
Wir gehen nun dazu über, das Fortbestehen von Forde-
rung 2 zu beweisen. VV^ir haben also zunächst zu zeigen,
daß wenn
WO g* von der Klasse e^ sei, für alle y f- 7* die Relationen
bestehen :
Wir können uns selbstverständlich auf den Fall 7*-3To
beschränken, wenn ^^ die Klasse von g bedeutet Wir gehen
wieder die einzelnen Fälle durch.
Befinden wir uns im Falle I, so haben wir:
^g = K^i+'''2<?2+ • - • +»'./<?/
und:
Nun ist aber'
n(m^g^-h > . .'¥mig;)+mi^i(tH[g['h . . .-htn'jgj) = n.g*
und somit nach Forderung 2 für alle ti-t*:
was zu beweisen war.
Im Falle II ist eine Darstellung der Form (31) unmöglich.
Befinden wir uns im Falle III und werden wieder mit e^
die Einheiten bezeichnet, die im Symbol von g von Null ver-
schiedene Koeffizienten haben, so ist im ersten Hauptfall die
Relation (31) gewiß nur möglich, wenn für irgend ein a: 7*8-7«.
Nun aber ist:
n'-'-^ g = m\^^^ gr'^^^'-h . . . 4-m'^-^^Vf»-^i'+;^'«+> (32)
wo ^<'«+'> von niedrigerer Klasse als e, und für alle T^Ta
Nichtarchimedische Größensysteme.
635
Aus:
«(«+i)(Wi^^+ . . . +W/^,) +
w,4.iK«+i)^(«+i) + . . . +w^+;>^4-+;>) =
= «(«+1)^*— W,-4.i^(«+l)
folgt aber wieder für alle t £- T*
wie zu beweisen war.
Befinden wir uns endlich im zweiten Hauptfalle von III
(und zwar dann im ersten Unterfall), so gibt es unter den Ein-
heiten, die im Symbol von g nicht verschwindende Koeffizienten
haben, eine niedrigste e-^^ und es gilt:
(33)
wo g^^^ von der Klasse ^^^. Da nun offenbar in diesem Falle 7*
nicht von niedrigerem Range als Yß sein kann, folgt aus (33)
auf dem obigen Wege das gewünschte Resultat.
Nun ist noch die zweite Hälfte von Forderung 2 nach-
zuweisen: Wenn unter den der Größe g vorangehenden Größen
sich giyg^y ' -ygi so wählen lassen, daß für alle y8-T*'
w,<>
.(2)
fHaa^-^
-¥-fnia)l>-\'fni.^ia^ = 0,
(34)
dann ist:
rf*
WiÄ+W2^8+ • • • +Wi,?»+W»4-l^ = g y
(35)
wo die Klasse von g* nicht höher als e-^ ist. Wir können uns
wieder ohneweiters auf 7*-3To beschränken.
Im Falle I haben wir:
ng = m[g[-hm'^g^^
ntjg'j^
wo für alle 7:
na^ = m\a\^^ '\'m\a\'^ -k- . . . 4-mja^O).
636 H. Hahn,
Daher ist für t8"T*-
woraus nach Forderung 2 in der Tat (35) folgt.
Im Falle II kann, wie schon bewiesen, die Relation (34)
für T = To nicht erfüllt sein.
Im ersten Hauptfall von Fall III kann — wie ebenfalls
schon bewiesen — jedenfalls nicht y*"3To ^^^ ^^^^ ^ sein. Wir
haben daher für ein geeignetes a: T*8-Ta- ^^ zweiten Hauptfall
hingegen kann nicht y* -3 Tß sein. Mit Hilfe von (32), beziehungs-
weise (33) schließt man dann weiter wie eben im Falle I.
Wir kommen zum Beweis für das Fortbestehen von
Forderung 3. Hier ist zu zeigen: Es lassen sich, wenn y*
gegeben ist, unter den der Größe g vorangehenden Größen
gv Ä»- • •> ^» so finden, daß für t f- T*:
für T^Tf*:
Wir können uns offenkundig auf y* -3 To beschränken.
Im Falle I haben wir:
n'g = ntf^g^^m'^g^-h . . . -^fn^gj. (36)
Nach Forderung 3 kann man nun #i*\ ^i,*\ . . . , //*^ so
wählen, daß:
^ ' ^ ' '* ^ \0 für TdT*
Hieraus aber folgt in Verbindung mit (36):
Ä<2)w<3). . .niJ) m;(^i)ä(i'i)+w^i)ä0.2)+ . . . +^(.1) ä(i.».))-H
4-Ä<^>«(3>. . .«<>> wj(wf a(2.i)+^^) ^(2.2)^. ^ ^ ^ +mP)ä<2'0)4- . . .
+«<!). . .«<>-^>wj(w<>)ä(>'i)+^>)äa'2)+. . .^^(y^ ~
_ r «^iH7<2) ^ ^ ^ ^(Ow'a^ für Y £- T
""io fürY^t
womit in diesem Falle die Behauptung erwiesen ist.
*
*
Nichtarchimedische Größensysteme. 637
Im Falle II ist die ganze Fragestellung trivial. Im ersten
Hauptfall des Falles III können wir uns ersichtlich beschränken
auf den Fall, daß nicht für alle a: T*"3Ta' Sei etwa «^ die erste
unter den Ordinalzahlen a derart, daß nicht y* -3 y«- W'ir haben
schon gesehen, daß es dann eine Darstellung gibt:
wo:
^(-.)a(-..i)+ . . . +«.(«•) a(-.W = [ "'^'^ ^""^ ^ ^ ^^
' ' '«• ^ \0 für tJt«.
Diese Darstellung liefert offenbar das Verlangte.
Im zweiten Hauptfall von Fall III (erster Unterfall) können
wir annehmen, es sei 7*tT?> wenn e^^ die letzte Einheit mit
von Null verschiedenem Koeffizienten im Symbol von g be-
deutet. Dieselbe Schlußweise führt dann zum Ziele.
Wir kommen zu Forderung 4. Hier ist zu beweisen: Wenn
•
^iÄ+^2Ä-*- • • • '^^igi+^i+\g>0 (37)
ist, so ist der erste nichtversch windende Ausdruck:
nt^a^^^-^m^a^-^^'i' . . . +mia^*^-\-mi^ia^ (38)
positiv.
Befinden wir uns zunächst wieder im Falle I, so haben wir:
ng = wUi+<ä'+ • • • -^^jgj^
wo wir n als positiv annehmen können und wo für alle 7:
Aus (37) folgt dann:
+fni-}.t(fn[g[+m'^gi'{- . . . +m^'gj)>0
und somit ergibt Forderung 4, daß in der Tat der erste nicht-
verschwindende unter den Ausdrücken:
«(WiO^^+Wg^*^-*- • • • +»^i ^^'0 +
+w,.+i(mX'''+wX'''+ . . . +wX<^>) =
positiv sein muß, wie behauptet.
G38 H. Hahn,
Wir gehen zu Fall II über. Ist der Index *(* des ersten
nichtverschwindenden Ausdruckes (38) von höherem Range
als Yo (^'O e^^ die Klasse von g), so reduziert sich dieser Aus-
druck auf:
m^a{V + f»2 alS^ + . . . + nti a^^ , (39)
so daß die Größe:
von höherer Klasse als g wird. Soll dann (37) gelten, so muß
(40) positiv sein und somit nach Forderung 4 auch (39) positiv
sein, womit die Behauptung erwiesen ist
Ist hingegen (39) für alle 7 £-To gleich Null, so ist der erste
nichtverschwindende Ausdruck (38):
w jöl]^ + tn^ a^J^ -h . . . H- ffti a^|) + W/4.1 a^^ , (41)
denn dieser Ausdruck kann, wie schon bewiesen, nicht ver-
schwinden.
Hierin hat a^^ das Zeichen von g. Ist nun:
so ist die Größe (40) von geringerer Klasse als gy mithin gilt
die Ungleichung (37), wenn mi^ig > 0. Dann aber ist auch
mi^\a^^>Oy was wieder der Behauptung entspricht. Ebenso
folgt unmittelbar, daß, wenn sowohl (40) als nti^ig positiv sind,
der Ausdruck (38) positiv ausfällt. Es bleibt also der Fall, daß
von den beiden Größen (40) und ifii^xg die eine positiv, die
andere negativ ausfallt; etwa:
Wegen Ungleichung (37) ist dann:
Wi^i+«*2i^2+- ••+^*<?»>^/>i^- (42)
Wir betrachten die systematischen Brüche:
^ni^x
- 7, u. *l ^ *2 . . ^* .
— '»o^ r r . . . H + . . .
d d^ d"
\
Nichtarchimedische Größensysteme. 639
und:
a^. z= n^H — ^ H — ^^ -4- . . . H
d d^ d^
wo beidemale die linken Seiten positive Zahlen sind. Mit g^
werde die Größe 1 ,e^^ bezeichnet. Nach F'orderung 4 ist dann
für alle k\
iüij^iQt^d^ -{- . . . '^hit-\d-hhk)gQ ^ d^i^hSi-^ - • • +^»^0 ^
^ tw,+i(Äo^*+ . . . +hk_id'hhk-h 1)Ä)
und nach Definition von ä^^:
fni+i{nQd^+ . . . +w*_i^+«*)^o < ^* w/+i^<
<iw,+i(;io^*+ . . . -^nk-.id-hfik'h l)^o-
Wäre nun:
so wäre für alle genügend großen k:
und demnach:
nii^ig > fn^g^-^nt^g^-h . . . -hmigi,
entgegen der Ungleichung (42). Es ist also auch in diesem Falle
(Gleichheit zwischen diesen zwei Zahlen ist ja ausgeschlossen)
oder was dasselbe ist:
was wieder der Behauptung entspricht, die somit auch für Fall 11
vollständig bewiesen ist.
Liege der erste Hauptfall von Fall III vor. Dann kann der
Ausdruck (38), wie schon bewiesen, nicht für jedes y ver-
schwinden, das höheren Rang als irgend ein y« ^^^ (wenn e^ wied er
diejenigen Einheiten bezeichnet, deren Koeffizient im Symbol
von g von Null verschieden ist). Es gibt also solche y„, welche
640 H. Hahn,
von niedrigerem Range als y* sind; sei 7«^ das erste unter
denselben.
Wir benützen, wie schon wiederholt, die Relation:
wo ^(«0-+-^) von niedrigerer Klasse als e^ und daher auch von
niedrigerer Klasse als e-f ist. Die ganze Zahl wK+i) kann positiv
angenommen werden. Die Größe:
^1 Si + Wg Ä + • • • + W/^,-f w,+i g (43)
hingegen ist genau von der Klasse e-^ (wegen Forderung 2).
Die Größe:
«<-^+*)(Wi^i+Wa^a+ . . . +W/^)+
hat daher das Zeichen von (43) und ist somit nach (37) positiv.
Hier aber ergibt Forderung 4, daß dann:
nK+i)(Wja^l>4- . . . -htniO^O+nti^ia^)
positiv sein muß, wie behauptet.
Es bleibt der zweite Hauptfall von Fall III zu betrachten,
und zwar der erste Unterfall. Ist ^p die letzte Einheit, die im
Symbol von g einen von Null verschiedenen Koeffizienten
hat, so wissen wir bereits, daß nicht 7*-3Tp sein kann.
Ist zunächst T*E-Tßi so gehen wir aus von der Darstellung:
«(P) g = mfg<^)+ . . . + wf) ^P>+^<» , (44)
wobei wir immer annehmen dürfen, daß n(^> positiv ist und daß
für alle y> <^i6 niedrigeren Rang haben als sämtliche dem e^o
vorausgehenden Einheiten, die im Symbol von g einen von Null
verschiedenen Koeffizienten haben, die Gleichungen erfüllt sind:
w,(ß)a(ß»i)-+. . . . H-wWa(^'p) = 0.
Nichtarchimedische Größensysteme. 641
Dann ist ^^P) genau von der Klasse ^g und somit von
niedrigerer Klasse als die Größe (43) und wir können weiter
schließen wie im ersten Hauptfall.
Ist hingegen T* = Tp> so folgt aus (37) und (44):
m(?>(w,^i+W2^2-4- . . . +w,-^,) +
+w,+i(w<P)^(P)+ . . . -4-fM(ß>^(P))-4-w,^_i^(P)> 0
und die im Falle II verwendete Argumentation lehrt, daß der
Ausdruck:
«<?)(Wia^V+ . . . +w,a<'>)+iw,-4.i(f»ff>a<P'^)+ . . . +w<P) a<?'''ß>)+
'P Tß ' ••^ Tß 'p Tß
«(P)(Wiö4J^+ . . . -4-w,a<'^+fW/+ia^p)
•
positiv sein muß, so daß unsere Behauptung auch hier be-
wiesen ist.
Wir sehen also: Sind allen der Größe g \n M vorher-
gehenden Größen Symbole zugeordnet, so daß die Forderungen 1,
2, 3, 4 erfüllt sind, so läßt sich auch der Größe g ein Symbol
so zuordnen, daß auch in dem von der Größe g und allen
vorhergehenden gebildeten Systeme unsere vier Forderungen
erfüllt sind. Hieraus aber folgt unmittelbar, daß sich allen in
der wohlgeordneten Menge M enthaltenen Größen Symbole
zuordnen lassen, derart, daß für alle diese Größen die
Forderungen 1, 2, 3, 4 bestehen. In der Tat, wäre das nicht der
Fall, so gäbe es eine erste, der sich kein den vier Forderungen
genügendes Symbol zuordnen ließe, während für alle vorher-
gehenden dies der Fall ist. Dies aber steht in Widerspruch mit
dem eben ausgesprochenen Resultat.
Damit ist aber der zu Beginn dieses Paragraphen an-
gekündigte Satz bewiesen. In der Tat bilden in dem einer
Größe ^ zugewiesenen Symbol die Einheiten e^, deren Koeffizient
nicht Null ist, eine absteigend wohlgeordnete Menge. Forde-
rung a) und ß) sind nur Spezialfälle unserer Forderung 1,
Forderung 7) aber ist ein Spezialfall von Forderung 4.
Wir können dieses Resultat in den Satz zusammenfassen:
Die Größen eines beliebigen nichtarchimedischen
642 H. Hahn,
Größensystems lassen sich ausdrücken durch kom-
plexe Zahlen, deren Einheiten eine geordnete MengeF
bilden, deren Ordnungstypus der Klassentypus
unseres Größen Systems ist. In jeder dieser komplexen
Zahlen bilden die Einheiten mit von Null verschie-
denem Koeffizienten innerhalbFeine ab steigend wohl-
geordnete Menge. Die Addition erfolgt, indem man
die Koeffizienten gleicher Einheiten addiert. Von
zweien dieser komplexen Zahlen gehört diejenige
zur größeren Größe, in welcher die erste Einheit, die
nicht in beiden komplexen Zahlen gleichen Koeffi-
zienten hat, den größeren Koeffizienten besitzt.
§3.
Wir wollen nun definieren, wann ein nichtarchimedisches
Größensystem G als ein vollständiges bezeichnet werden
soll. Sei wieder F eine Menge von geordneten Elementen y»
deren Ordnungstypus übereinstimmt mit dem Klassentypus
von G. Man ordne nach obigem Verfahren den Größen von G
Symbole (komplexe Zahlen mit den Einheiten e^) zu. Nun bilde
man eine beliebige absteigend wohlgeordnete Menge aus den
Elementen e-^ und gebe jedem in dieser absteigend wohlgeord-
neten Menge enthaltenen e^ eine beliebige reelle Zahl a^ als
Koeffizienten. Wenn dann jede auf diesem Wege erhältliche
komplexe Zahl unter den zur Bezeichnung der Größen von G
verwendeten Symbolen vorkommt, heiße das Größensystem G
ein vollständiges.
Die gewöhnlichen komplexen Zahlen mit n Einheiten:
bilden, wenn man sie in der auf p. G09 angegebenen Weise
ordnet, ein vollständiges nichtarchimedisches Größensystem vom
(endlichen) Ordnungstypus «, vorausgesetzt, daß a^ a^,. . .,a„
alle reellen Zahlen durchlaufen. Würden Uy^, a^,» , ., a^ etwa
auf die ganzen oder die rationalen Zahlen beschränkt, so hätten
wir ein unvollständiges nichtarchimedisches Größensystem vom
Ordnungstypus n. Auch die p. 613 angegebenen Größensysteme
Nichtarchimedische Größen-^ysteme. 643
können unvollständig sein. Desgleichen im allgemeinen die
nach den Vorschriften des Herrn Levi-Civita gebildeten
Größensysteme.
Da das einer Größe unseres Systems zugeordnete Symbol
verschieden ausfällt, je nach der Wohlordnung der Größen
von G, von der wir ausgehen, muß zunächst bewiesen werden,
daß die Eigenschaft, vollständig oder unvollständig zu sein,
von der Wahl dieser Wohlordnung unabhängig ist.
Seien also zwei Wohlordnungen von G gegeben; aus-
gehend von der ersten erhalte eine Größe g von G das Symbol:
g=zila,j^^, (45)
ausgehend von der zweiten das Symbol:
^=^^^J^a^ (46)
wo die Summation beide Male über eine absteigend wohl-
geordnete Menge sich erstreckt. Kommt der Index y unter
den Y« nicht vor, so sei 0^ = 0; analog, wenn ? unter den 7^
nicht vorkommt: äf =1 0.
Es sei bekannt, daß bei Zugrundelegung der ersten Wohl-
ordnung jedem Symbol der Form (45) auch umgekehrt eine
Größe von G entspricht. Wir wollen zeigen, daß dann bei Zu-
grundelegung der zweiten Wohlordnung auch jedem Symbol (46)
eine Größe von G entspricht.
Wir bemerken zunächst, daß es zu jeder Größe g eine
Größe g^ :=z— gibt, derart, daß ng' = g. In der Tat, hat g im
ft
ersten System das Symbol IiU^e^, so ist g' die Größe, deren
Symbol E— ^^^ ist. Sodann zeigen wir, daß jedem Symbol
ä^^e^^ eine Größe entspricht. Das ist sicher richtig für ä-^^=i\
nach der Art der Einführung unserer Symbole. Es sei dies die
Größe ^0 und im ersten System von Symbolen sei:
wo offenbar das erste e^ mit von Null verschiedenem a^
ebenfalls ^, ist. Dann entspricht aber auch, sobald ä^^ rational
644 H. Hahn,
ist, dem obigen Symbol eine Größe, nämlich diejenige, welche
im ersten System das Symbol
hat. Sei endlich ä^^ irrational. Wir betrachten wieder die im
ersten System durch (47) symbolisierte Größe. Sie habe im
zweiten System das Symbol:
wo offenbar das erste e^^. nichts anderes als c^ der Koeffizient b^^
aber — wegen Forderung 4 — gleich ö^ sein muß. Nach
Forderung 3 aber können wir g^, g^^ ,gi so bestimmen, daß:
für alle übrigen 7
wobei m.,frf., yfi/, ft ganze Zahlen und ö*,*^ der Koeffizient
von ^ im Symbol des zweiten Systems der Größe gt bedeutet
Die Größe ^igi-^nt^g^-^- -^n^igi hat dann im zweiten
System das Symbol 11 J,^^,^; der i/teTeil dieser Größe hat daher
das Symbol ä^^e^^ und unsere Behauptung ist erwiesen.
Aus der Ausführbarkeit der Addition folgt dann sofort, daß
auch jedem Symbol:
wo die Zahl der Summanden endlich ist, eine Größe entspricht.
Sei nun das Symbol des zweiten Systems:
Sü-A (48>
gegeben, wo wie^ier 7^ eine absteigend wohlgeordnete Menge
durchläuft. Wir nehmjcn an, es sei für jedes ?<a* bewiesen,
daß dem Svmbol:
TK'-.. (49)
wo 7„ also nur einen Abschnitt der obigen absteigend wohl-
geordneten Menge durchläuft, eine Größe zugehört und be-
weisen, daß dann dasselbe vom Symbol:
Nichtarchimedische Größensysteme. 645
z
- 'a 'a
o < a*
gilt.^
Wir drücken zunächst die dem Symbol (49) entsprechende
Größe ^(?> durch ein Symbol des ersten Systems aus. Sei a(P>
der Koeffizient der Einheit e^ in diesem Symbol.
Ist dann ß<p'<a* und g^^'^ die dem Symbol
a <ß'
entsprechende Größe, so ist ^<P) — g^^'^ höchstens von der
Klasse e^^. Stellen wir auch g^^ durch ein Symbol des ersten
Systems mit den Koeffizienten a^'^ dar, so ist demnach für
Wir bezeichnen diesen gemeinsamen Wert mit a^, so daß
die Zahl a^ für jedes t^To* definiert ist und diejenigen 7, für
welche flj4^0 eine absteigend wohlgeordnete Menge bilden.
Wir setzen noch a^ =: 0 für 7 ^ Ya*. Durch diese Werte der a^
ist ein Symbol des ersten Systems gegeben; die zugehörige
Größe nennen wir ^<**) und drücken sie durch ein Symbol des
zweiten Systems aus, dessen Koeffizienten ä(**> heißen mögen.
Aus der Definition von ^(«•^ folgt, daß die Größe ^(«*>— ^<?>
höchstens von der Klasse e^^ ist, somit haben wir für jedes y>
das höheren Rang hat als irgend ein fp:
Nach Forderung 3 aber lassen sich ^1, Ä»* • •><?» ^^ ^®"
bestimmen, daß:
in = i ^^T
' 10
je nachdem y höheren Rang hat als irgend ein Tß(ß<0
oder T niedrigeren Rang hat als sämtliche T3(ß<a*).
1 Wir beschränken uns dabei auf den Fall, daß a* eine Grenzzahl ist,
da andernfalls die Behauptung evident ist.
646 H. Hahn,
Das im zweiten System der Größe fn^^gi + fn^gi-^ ••• +^igi
zugehörende Symbol ist also:
2
a < a*
•a 'a
und der «te Teil dieser Größe ist die gewünschte.
Hieraus aber folgt nach den Eigenschaften wohlgeordneter
Mengen unmittelbar, daß auch dem Symbol (48) eine Größe
zugehört.
Ob ein System nichtarchimedischer Größen vollständig
oder unvollständig ist, ist also von der zugrunde gelegten Wohl-
ordnung dieses Systems unabhängig, es ist eine Eigenschaft
des Systems selbst.
Wir erinnern nun daran, daß unter einem nichtarchimedi-
schen Größensystem ein einfach geordnetes Größensystem
verstanden wurde, zwischen dessen Größen eine sechs Forde-
rungen genügende Verknüpfung, die Addition, möglich ist. Auf
Grund dieser Forderungen ließ sich innerhalb dieses Systems
der Begriff der Größenklasse definieren.
Unter allen nichtarchimedischen Größensystemen lassen
sich dann speziell die archimedischen hervorheben durch
Hinzufügung der weiteren Forderung:
A. Unser Größensystem soll vom Klassentypus 1
sein, welche nur eine andere Formulierung des sogenannten
archimedischen Axioms ist.
Um nun unter diesen Systemen weiter die voUstän-digen
hervorzuheben, braucht man noch eine Forderung, welche
D. Hubert als Vollständigkeitsaxiom bezeichnet und der
wir hier die Form geben:
B. Es soll nicht möglich sein, durch Hinzufügung
neuer Größen zu den Größen unseres Systems ein
um fassende re s ein fachgeordnetesSystem zu er halten,
in dem wieder eine unseren sechs Forderungen ge-
nügende Addition möglich ist,^ ohne daß dadurch
neue Größenklassen entstehen.
1 Dabei ist angenommen, daß die Ordnung des erweiterten Systems für
die auch im ursprünglichen System enthaltenen Grö£en die ursprüngliche sei
und ebenso die Addition.
Nichtarchimedische Größensysteme. 647
Den Größen eines auch den Forderungen A) und B) ge-
nügenden Größensystems lassen sich die reellen Zahlen so
zuordnen, daß gleichen Größen dieselbe Zahl, verschiedenen
Größen aber verschiedene Zahlen entsprechen, und zwar der
kleineren Größe auch die kleinere Zahl und so, daß die der
Summe zweier Größen entsprechende Zahl die Summe der den
beiden Größen entsprechenden Zahlen ist. Diese Größensysteme
sind also vom Standpunkt der Arithmetik aus von dem System
der reellen Zahlen nur unwesentlich verschieden.
Man erkenntnun,wiediese Verhältnisse auf die allgemeinen
nichtarchimedischen Größensysteme zu übertragen sind. An
Stelle der Forderung Ä) tritt die Forderung:
A'. Unser Größensystem soll einen gegebenen
Kiassentypus haben und um aus allen Systemen des
gegebenen Klassentypus die vollständigen herauszuheben, dient
wieder die Forderung J5).
Indem man den Größen eines solchen Systems nach dem
in § 2 angegebenen Verfahren komplexe Zahlen zuordnet, sieht
man wieder, daß alle vollständigen Größensysteme von gleichem
Ordnungstypus nur unwesentlich verschieden sind, insofern
sie sich ja arithmetisch durch dieselben komplexen Zahlen
darstellen lassen.
Aus diesen Überlegungen geht hervor, daß die allgemeinen
nichtarchimedischen Größensysteme sich im Hinblick auf das
Vollständigkeitsaxiom durchaus nicht anders verhalten als die
archimedischen Größensysteme.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß man nicht an Stelle
von JB) die Forderung aufstellen darf, es solle unmöglich sein,
das System so zu erweitern, daß der Klassentypus erhalten
bleibt (für den Klassentypus 1 sind diese beiden Forderungen
identisch), da diese letztere Forderung im allgemeinen nicht
erfüllbar wäre.
§4.
Von nun an beschränken wir uns auf vollständige nicht-
archimedische Größensysteme G, deren Klassentypus noch
obendrein folgender Bedingung genügt: Sei F eine einfach
geordnete Menge, deren Ordnungstypus der Klassentypus von
Sitzb. d. mathem.'Daturw. Kl. ; CXVL Bd., Abt. IIa. 42
648 H. Hahn,
G ist, und seien y ihre Elemente; die Einschränkung, die wir
dem Klassentypus von G auferlegen, ist die, daß für die
Elemente 7 eine unseren sechs Forderungen genügende Addi-
tion^ definiert sein so!!.
Unter diesen Voraussetzungen werden wir be-
weisen, daß sich für die Größen von G eine Multi-
plikation definieren läßt, der folgende Eigenschaften
zukommen.
1. Sie gestattet, aus zwei Größen des Systems g^ und g^
in eindeutiger Weise eine dritte, g^^g^, herzuleiten.
2. Wenn g^-g[ und ^ =4» so ist g^.g^=glgl
3. Sie ist assoziativ: {g^g^)g^ =<?iCää)-
4. Sie ist kommutativ: ^1-^2 — Ä-Ä-
5. Sie ist in Verbindung mit der Addition distributiv:
(^i + ä)Ä=<?iÄ+ÄÄ und ^i(ä+ä)=Ää+ÄÄ-
6. Ihre Umkehrung, die Division, ist eindeutig ausführbar
außer durch die Null (die gegenüber der Addition indifferente
Größe), d. h. wenn g^ und g^ beliebige Größen des Systems
sind, und g^ ^0, dann gibt es stets eine Größe g^, derart, daß
g^.g^ = g^ und für jede andere Größe g^^ für die ebenfalls
gl • <?2 = Ä ist, gilt g'^ = g^.
7. Aus g^>g[ und g^>0 folgt: g,g^>g[g^.
Wir denken uns den Größen unseres Systems nach der
in § 2 durchgeführten Art komplexe Zahlen zugeordnet; dann
genügt es offenbar, nachzuweisen, daß es im System dieser
komplexen Zahlen eine unseren Forderungen genügende Multi-
plikation gibt.
Zunächst definieren wir, was unter dem Produkt zweier
Zahlen der Form a^^e^^ und a\>e^ verstanden werden soll. Wir
setzen fest:
wo auch die rechts stehende Zahl unserem System angehört,
da nach Voraussetzung die Summe zweier Elemente von V
wieder ein Element von F liefert.
^ Dabei ist in diesen Forderungen das Zeichen > durch ^ zu ersetzen.
Nichtarchimedische Gröfiensysteme. 649
Seien rma allgemein :
A =: ItO^ e^ und -4' zu S a'^ e^' (50)
'a 'a 'a 'a
zwei komplexe Zahlen unseres Systems, wo also die Summa-
tion sich über absteigend wohlgeordnete Mengen erstreckt.
Wir bilden allgemein die Einheiten ^ ^^' ^, wo f^ sowohl
als 7^, jedes für sich die entsprechende absteigend wohl-
geordnete Menge durchlaufe. Wh" behaupten: Die so ent-
stehende Menge von Einheiten ist selbst absteigend wohl-
geordnet.
In der Tat, wäre sie es nicht, so enthielte die Menge der
To+T^' ®^^® Teilmenge ohne höchstes Element und es ließen
sich daher unendlich viele Paare Ya und ^'af finden, so daß:
Da nun die Ya einer absteigend wohlgeordneten Menge
entnommen sind, so gibt es unter ihnen eines von höchstem
Range, etwa x« . Unter allen Ya (« > »i) gibt es wieder eines
von höchstem Range, es heiße Yo,, u. s. w. Wir haben dann:
neben:
Ta„j fc Ta„j, fc • • • fc To«^ fc • • • >
woraus folgen würde :
'^« "^ "^«K "3 • • • ^ T^«; -^ . . . ,
was unmöglich ist, da auch die y«* einer absteigend wohl-
geordneten Menge angehören und es daher unter ihnen ein
höchstes geben muß. Unsere Behauptung ist somit erwiesen.
Wir behaupten weiter: In den beiden absteigend wohl-
geordneten Mengen der Zahlen (50) kann es nur eine endliche
Anzahl von Paaren Ya und y^' geben, derart, daß Ya-^^Tfi' ^'^
42*
650 H. Hahn,
vorgegebenes Element y von F ergibt. In der Tat, gäbe es
unendlich viele solche Paare Ya , 7^' derart, daß:
so können wir, da die ■/« einer absteigend wohlgeordneten
Menge angehören, immer annehmen, es sei:
To, C" T««j t~ » • . t Y«^ c~ • • • >
woraus sofort wieder folgen würde:
Tri; "5 T*: "3 • • • "^ 7o' "^ . . . ,
was unmöglich ist.
Wir können nun definieren, was wir unter dem Produkt
AA'^i B der beiden Zahlen (50) A und A' verstehen wollen. Um
den Koeffizienten zu bestimmen, den die beliebige Einheit tf^
in B hat, gehe man so vor: .Man stelle 7 auf alle möglichen
Weisen als Summe Ya+Ta' ^^r, wo sowohl y« als yJi» der ent-
sprechenden absteigend wohlgeordneten Menge (50) angehören.
Es ist dies nur auf eine endliche Anzahl Arten möglich, etwa:
Der Koeffizient b^ von e^ in B sei dann:
beziehungsweise sei K=:0, wenn eine Darstellung y = Ya+Y^'
überhaupt unmöglich ist.
Die Einheiten ^«^, deren Koeffizient b-^ von Null verschieden
ausfällt, bilden dann, wie oben gezeigt, eine absteigend wohl-
geordnete Menge, so daß durch diese Vorschrift das Produkt B
von A und A' wirklich als Zahl unseres Systems definiert ist.
Man erkennt zunächst, daß diese Multiplikation assoziativ
ist. Seien in der Tat A, ß, C drei Zahlen unseres Systems:
A z=z ^a^e^ B z= I^b^' e^'
C= ^c^i^^.
Nichtarchimedische GrÖfiensysteme. 651
dann erhält man zur Bildung von {AB)C sowohl als von A{BC)
die Vorschrift: Man stelle f auf alle möglichen Weisen dar
als Summe Ta-f-T^+T?, etwa:
und nehme als Koeffizienten von e^ den Ausdruck:
'» '''•
beziehungsweise die Null, wenn keine Darstellung von y in der
Form Ta+Tß+T«' niöglich ist.
Daß unsere Multiplikation kommutativ und in Verbindung
mit der Addition distributiv ist, ist ohneweiters klar. Eigen-
schaft 7) (p. 648) weist man in folgender Weise nach:
Sei A>A' und B>0. Sind dann e^^ e^'^ e^" die höchsten
Einheiten mit von Null verschiedenem Koeffizienten in A, A', B,
so ist b^n>0 und entweder To £"To ^^^^ ^^ Falle To^^To wenig-
stens a^^>a{'. Die höchsten Einheiten mit von Null verschie-
denem Koeffizienten in den Produkten AB und A'B sind dann
e^^^Y' ^^^ ^+f"> i^^® Koeffizienten off'enbar a^^ b-f^* und a!f b^^
und es ist entweder e^^^' f- ^+v' oder im Falle ^,+f' "=■ ^'-f-y
wenigstens a^Jj^^^ a'-^b^*, so daß die Behauptung bewiesen ist.
Es ist nun noch zu zeigen, daß auch die Forderung 6
erfüllt und somit die Division (außer durch Null) allgemein
ausführbar ist.
Seien also:
zwei Zahlen unseres Systems (die Summation erstreckt sich
beide Male über eine absteigend wohlgeordnete Menge). Gesucht
wird eine Zahl B, derart, daß C = AB ist.
Wir setzen :
und bilden:
^7.
^1 — C'-B^A _ c"^^^^ V^^4'' \^''^ ' ' ' "^^^'^ V
652 H. Haha,
ist dann Q = 0, so ist B^ die gesuchte Zahl B, Ist hingegen
Q 4i0> so können wir immer annehmen, es sei r^)=^0. Jeden-
falls ist dann Q von niedrigerer Klasse als C (fj^^ -3 y©)- Wir
setzen:
und bilden:
Cg = C Sgil = c^y) ^^)+^7ö) ^fii}'^ • • • "^^7{»^Ty "*" • ' '
Ist dann C^ = 0, so ist B^ die gesuchte Größe. Ist C^ =^0,
kann man annehmen: c%d^O und hat To^^-ifi^^ Wir setzen
dann:
Sg =: 5jj + — - c^2)_^, = — ^-^•+ -r- ^ii^-T.+ "T" ^i«-T-
**Tf« '^T« "!• "l% ^
Entweder kommt man auf diesem Wege für irgend einen
endlichen Index n zu einer Zahl:
so daß:
Cn = C—BnA = 0
wird, und dann ist Bn die gesuchte Zahl B oder C — 5« -4 ist für
alle endlichen Indices n von Null verschieden. Im letzteren
Falle können wir die Zahl 5« bilden:
WO die Summation sich über alle endlichen Indices n erstreckt
und Yo't-T;'^&-...E-Tr&----
Wir bilden weiter:
Nichtarchimedische Gröflensysteme. 653
Ist Cm =: 0, SO ist B^ die gesuchte Zahl B. Ist hingegen
CwH^O, so kann man wieder annehmen c%=^0 und es läßt
sich beweisen, daß yJ"> -3 t^^ für jedes endliche n, und der
Prozeß läßt sich dann wieder um einen Schritt weiterführen.
Wir gehen gleich allgemein vor. Sei ic irgend eine trans-
finite Ordinalzahl und:
wo die Summation sich über alle Ordinalzahlen < it erstreckt,
und:
^■yj ?" ^1) £"...?" c^) f- . . .
Ist f eine Ordinalzahl <ic, so werde unter Bp diejenige
Zahl verstanden, die nwin erhält, wenn in (51) die Summation
nur über alle Ordinalzahlen < p erstreckt wird, und es sei für
alle p<ic:
C, = C—B,A = c^J, ^g»+^;<p) ^ifW- . . - + ^Ji)^w-h . . . ,
wo c^iyd^O und die Summation sich über eine absteigend
wohlgeordnete Menge erstreckt.
Wir bilden:
Ist dann (^ =: 0, so ist if« die gesuchte Zahl B. Ist hin-
gegen de 4=0, so können wir annehmen c^(«)4=0 und beweiS'Oi,
daß für jede Ordinalzahl p<ic:
Setzen wir in der Tat:
Brt •=• J5p+5J,
so haben wir:
654 H.Hahn,
Femer haben wir:
C, = C—(B,+B;)A = C,—BIA
und da das Glied höchsten Ranges in Cp und B^A überein-
stimmend ^Tp)^t<p) ist, so ist gewiß die Klasse e^ von C« von
geringerem Range als die Klasse e^m von Cp, wie behauptet.
Wir sehen also: Sind die Zahlen J5p gegeben und wird 5,
gebildet nach (51), so ist die Differenz C — B^A gewiß von
niedrigerer Klasse als alle Differenzen C — B^A, wo p<ic.
Ist nun C — BicA == 0, so ist Ä die gesuchte Zahl B, ist
hingegen C — B^^Az^O, so kann der Prozeß fortgesetzt werden.
Er gestattet Zahlen B^ zu berechnen, deren Indices immer
höhere Ordinalzahlen sind und wird nur aufgehalten, wenn
für eine Ordinalzahl tCq die Differenz C — B^c^A Null wird, dann
aber ist 5«^ die gesuchte Zahl Ä Und dieser letztere Fall muß
einmal eintreten, jedenfalls bevor die Ordinalzahl ic die Anfangs-
zahl der Zahlklasse Z(fctv) erreicht, wenn Nv die auf die Mäch-
tigkeit von r unmittelbar folgende Mächtigkeit bedeutet; denn
ist eu) die Klasse von C — Bj^A, so hätte sonst die absteigend
wohlgeordnete Menge, die von den 7§^) gebildet wird, höhere
Mächtigkeit als die Menge F, was unsinnig ist.
Es ist also in der Tat möglich, eine Zahl B zu bestimmen,
derart, daß A.B^z C ist, und es bleibt nur noch zu zeigen,
daß es nur eine solche Zahl geben kann.
Um das zu zeigen, beachte man, daß offenbar bei unserer
Multiplikation ein Produkt nur verschwinden kann, wenn ein
Faktor verschwindet, so daß, wenn C =: 0 ist, auch B =:0
sein muß. In der Tat, ist Az^O, Bz^O, a^^e^ das höchste Glied
von -4, fc^o^i das höchste Glied von B mit nicht verschwin-
dendem Koeffizienten, so kommt in C das Glied o^^fc^J^^^+^J, vor
und es ist daher auch Cz^O, Ist daher AB z= C und AB'=i C,
so ist A{B — B')z=:0 und wegen der Voraussetzung -44=0
muß B:=B' sein.
Für die von uns definierte Multiplikation gelten also alle
sieben auf p. 648 gestellten Forderungen.
Da innerhalb der Menge F eine den sechs Forderungen
von p. 606 genügende Addition bestehen soll, so gibt es in F
Nichtarchimedische Größensysteme. 6o5
ein Element 7^, das gegenüber dieser Addition indifferent ist.
Man sieht sofort, daß dann die Zahl \.e^^ gegenüber unserer
Multiplikation indifferent ist.
Man kann nun die reellen Zahlen in unser System kom-
plexer Zahlen einordnen, indem man festsetzt, die reelle Zahl a
soll gleich heißen unserer komplexen Zahl a,e^^. Jede positive
Zahl unseres Systems, deren Klasse von höherem Range als e^^
ist, ist dann größer als jedes Vielfache na; man kann sie daher
als aktual-unendlich groß bezeichnen. Jedes Vielfache
einer positiven Zahl, deren Klasse von geringerem Range als e^^
ist, ist hingegen kleiner als jede positive reelle Zahl; eine solche
Zahl kann daher als aktual unendlich klein bezeichnet
werden.
Sitzb. d. mainem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 43
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,800-986 .q
.nlM^n JdA
Zeemaneifekt, Theorie des — .
iaU4*«nn C, Site. ßer. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 1 IG (1907),
p. 389—508.
Winneletiu«^ Patftier'- und Tliofnaonelfekt, Zur Theorie decseiben.
Jaumann G., SiU. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd 116 (1907),
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Girtler R., Über das Potential der Spannungskräfte in elastischen Körpern als
Maß der Bruchgefabr.
Site. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 509—555.
Bruchgefahfy Das Potential der Sponnungskräfte in elastischen Körpern als
Maß derselben.
Girtler R., Site. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 509—555.
Potential, Über das — der Spahnungskräftc m elastischen Körpern als Maß
der Bruchgefahr.
Girtler R., Sitz. Ber, der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 509—555.
Spannungskräfte, Das Potential der — in elastischen Körpern als Maß der
Brachgefahr.
Girtler R., Sits. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. HB (1907),
p. 509^555.
Przibram K., Büschel- und osaillierenda SpiUeneolUduog in Heliumi Argon
und anderen Gasen.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 1 16 (1907). p. 557—570.
Entladung, Büschel- und oszillierende Spitzen- — , in Fielium, Argon und
anderen Gasen.
Pcf^ibra» K„ Sits. ßer.der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 557--i570. ■
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.070— ^Of. .q
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, bii>l/. -ton'jiV/ lüb .tjH .xJirl ,.>I r^jb i v/idu«' bnu .L ujinJiM
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f.bßilA ion^»V/ lob .r^M xJiH ,.H T>biirrdjr* bnu L i r. < r t 'j i M
.<'"H (7'" q .(TO^I; Ht r .bH ,.MA .iill .
.'jtu'jir- /"ivjiiini) 'jd';'irb'jnndo!i>Jif'jin ladU ,.H nfljiH
i .f« rii/» .f| .(7.»<'l ) iU I bH ,.ldA i; II ..b/.>IA ivfi«)!'// tyb .loH .xJi2
«
,(7<»'I),»M bH ,.)dA kW ..bi JA unoiV/ uu uH .s)ie ,.»! ndÄH
aeo— lOö .q
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DE WISSENSCHAFTER
MATHEHATISCH-NATORWISSENSCHAFTUCHE KLASSE.
CXVI. BAND. IV. HEFT.
ABTEILUNG U a.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
-«*>-
44
657
Der Peltiereffekt Eisen-Konstantan zwischen
0 und 560' C.
von
Dr. Paul Cermak.
(Mit 2 Textfiguren.)
Aus dem physikalischen Institut der k. k. deutschen Universit&t in Prag.
(Vorgelegt in der Sitzung am 21. MIrz 1907.)
Der Peltiereffekt Eisen-Konstantan wurde mit Hilfe
des von Professor L e c h e r ^ angegebenen thermoelektrischen
Kalorimeters zwischen 0 und 560* C. gemessen.
Figur 1 gibt ein in der Vertikalrichtung verkürztes Bild
des für die nachfolgenden Untersuchungen benützten Kalori-
meters im elektrischen Ofen mit den in sein Inneres reichenden
Drahtkombinationen.
Das Kalorimeter bestand aus zehn hintereinander
geschalteten Thermoelementchen, die in einem Kreise von
1-2 cm Durchmesser angeordnet waren. (In der Figur, die einen
Durchschnitt darstellt, sind nur zwei davon: T^N^^ und T^N^
gezeichnet) Die unteren zehn Lötstellen (J) tauchten in
ein kleines Bad von Petroleum (B), die oberen zehn (N) befanden
sich außerhalb der Badflüssigkeit in ebenfalls kreisförmiger
Anordnung. Die Therihoelementchen waren aus 0'5mm dickem
Eisen- beziehungsweise Konstantandrahte von je 12 cm Länge
hergestellt und mit hartem Silberlote verlötet. Kupferne
Leitungsdrähte führten vom Kalorimeter zu einem Edel-
mann'schen Drehspulengalvanometer hoher Empfindlichkeit
mit objektiver Ablesung. Die Thermoelementchen waren von-
einander gut isoliert, mit einem aus Wasserglas und Mennige
1 E. Lecher, Diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa, p. 1506 (1906).
44*
658
P. Cermak,
Fig. 1.
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p
c
o
c
c
o
hergestellten Kitte
auf ein Glasrohr
gekittet und nach
außen sowohl wie
nach innen durch
weitere Glasröhren
geschützt (Nicht ge-
zeichnet.)
Bei Anwendung
höherer Tempera-
turen wurde als Ka-
lorimeterflüssigkeit
(B) zunächst Reten,
bei den höchsten zur
Beobachtung be-
nutzten Tempera-
turen Chrysen ver-
wendet. Die Flüssig-
keitsmenge war so
gewählt worden, daß
die unteren Enden T
der Thermoelement-
chen etwaSfwm ein-
tauchten.
In das Innere des
Kalorimeters ragten
die zur Bestimmung
des Peltiereflfektes
dienenden Draht-
kombinationen. (Sie
sind in der Figur
stark gezeichnet.)
Ein Eisendraht war
mit einem Konstan-
tandrahte hart ver-
lötet; beide hatten
einen Durchmesser
von 2mm (Fe^; Kon.)
Peltiereffekt Eisen-Konstantan. 659
An diese Drähte sind weit außerhalb des Kalorimeters (in etwa
80 cm Entfernung) Kupferdrähte angelötet^ die zu einer
Akkumulatorenbatterie (4 Volt) führen. In derselben Leitung
befinden sich noch ein Amperemeter, Widerstände und ein
Stromwender.
Um das Kalorimeter für jede Messung eichen zu können,
wurde der Jouleeffekt in einem dünnen Drähtchen bei bekannter
Stromstärke gemessen. Zu diesem Zwecke war an den ins
Innere des Kalorimeters führenden Eisendraht Fe^ ein dünnes
Konstantandrähtchen (JJ (0*06 mm Durchmesser und zirka
1 cm Länge) hart angelötet, dessen zweites Ende mit einem
2 mm dicken Eisendrahte (Fe^) verbunden war. Das Drähtchen
befand sich ganz in der Kalorimeterflüssigkeit Eine einfache
Schaltvorrichtung gestattete, mit ein und demselben Ampere-
meter die Stromstärke bei Bestimmung des Peltiereffektes und
der Joule'schen Wärme zu messen. Ferner ermöglichten eine
Zweigleitung zum Galvanometer und ein in den Stromkreis
geschalteter Normalwiderstand, den Widerstand des Konstantan-
drähtchens bei jedem Versuche zu bestimmen.
Das ganze Kalorimeter mit den hineinragenden Draht-
kombinationen befand sich in einem 40 cm langen eprouvetten-
artigen Glasgefaße (in der Figur E) von 2 cm lichter Weite,
an das ein kleiner Rückflußkühler angesetzt war. (In der Figur
nur teilweise gezeichnet.) Dieses Glasgefaß wurde in einen
vertikal gestellten elektrischen Ofen gebracht, dessen Länge
(65 cm) so gewählt war, daß das Kalorimeter sich ungefähr in
der Mitte des Ofens befand. (In der Figur verkürzt.)
F. Meißner^ hat gezeigt, wie überraschend schnell in
den Öfen gewöhnlicher Konstruktion die Temperatur von der
Mitte gegen die Enden abnimmt, wenn dieselben von dickeren
Drähten durchsetzt werden. Um diese Fehlerquelle wenigstens
abzuschwächen, wurde statt des üblichen Porzellanrohres beim
Baue des Ofens ein Messingrohr verwendet, in der Annahme,
daß das gut wärmeleitende Messing die Temperatur im Ofen
1 F. Meißner, Diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa, p. 847 ff.
(1906).
660 P- Ccrmak,
besser ausgleichen werde und auf diese Weise die 12 cm von-
einander entfernten Enden der Thermosäule (7 und N) möglichst
gleiche Temperatur haben würden. Auf das Messingrohr wurde
nach entsprechender Isolation mit Asbestpappe als Heizdraht ein
Nickeldraht von 0*5 mm Dicke aufgewickelt, und zwar bifilar,
um magnetische Wirkungen zu vermeiden. Diese Wickelung
wurde nach außen durch Asbest- und Luftschichten gegen
Wärmeabgabe geschützt und schließlich wurde der ganze Ofen
mit einer dicken Wattehülle umgeben.
An dem oben erwähnten Thermoelement Eisen-Konstantan
(Fe^—Kon), durch welches der Peltiereffekt gemessen werden
sollte, war noch eine Zweigleitung zum Galvanometer ange-
bracht. Außerdem war ein zweites aus genau denselben Drähten
bestehendes Thermoelement, das ebenfalls zum Galvanometer
geschaltet werden konnte, in einem zweiten elektrischen Ver-
gleichsofen eingebettet, der ein bis 550** C. geeichtes Queck-
silberthermometer enthielt. Mit diesen beiden Anordnungen
konnte leicht die Temperatur im Kalorimeter gemessen werden.
Den Ausgleich der Temperatur in der Kalorimeterflüssigkeit
bewirkte eine magnetische Rührvorrichtung nach Art der im
Beckmann'schen Gefrierapparate verwendeten. (In der Figur
nicht gezeichnet.)
Beobaehtungsweise.
Vor dem Beginne des jeweiligen Versuches galt es, die
Temperatur des Kalorimeters im Ofen zu bestimmen. Nachdem
die Nullage des Galvanometers festgestellt war, wurde das
Konstantan-Eisenelement des Hilfsofens in den Galvanometer-
kreis geschaltet. Das Galvanometer mußte durch Vorschalt-
widerstände unempfindlich gemacht werden. Der Ausschlag
wurde angemerkt und dazu die Temperatur erstens des Thermo-
meters im Hilfsofen, zweitens des Thermometers an der
zweiten Lötstelle (Eisen-, beziehungsweise Konstantan-Kupfer)
abgelesen. Dann wurde das Thermoelement des Versuchsofens
in den Galvanometerkreis geschaltet. Durch Proportional-
setzung der erhaltenen Ausschläge konnte die Temperatur des
Kalorimeters berechnet werden.
Peltiereffekt Eisen-KonsUntan. 66 1
War dies geschehen, so wurde der Widerstand des dünnen
Konstantandrähtchens bestimmt, mit dem die Joule'sche Wärme
gemessen werden sollte. Auch dies geschah galvanometrisch
durch Proportionalsetzung jener Ausschläge, die erhalten
wurden, wenn ein und derselbe Strom geringer Stärke einmal
durch das dünne Drähtchen, das andere Mal durch einen
Normalwiderstand von 1 Ohm floß.
Das hier mit 30.000 Ohm belastete Galvanometer diente
dann als Voltmeter. Für die folgenden Messungen wurden diese
30.000 Ohm durch Abbiendung ausgeschaltet
Nach Beendigung dieser Vorbestimmungen wurden die
zehn Thermoelementchen des Kalorimeters dauernd mit dem
Galvanometer verbunden. Da die oberen und unteren Enden
der Thermosäule (F und N) trotz aller Sorgfalt nie genau die
gleiche Temperatur hatten, mußte eine Vorrichtung getroffen
werden, um den Lichtfleck des Galvanometers immer im
mittleren Skalenbereiche zu halten. Zu diesem Zwecke wurde
ein Widerstand von etwa 0' 1 Ohm in die Galvanometerleitung
geschaltet und an die Enden dieses Widerstandes wurde ein
Hülfsstromkreis (Beutelelement mit vorgeschaltenen zirka
1000 Ohm Widerstand) angebracht. Durch Änderung dieses
Widerstandes gelingt es leicht, den Galvanometerausschlag auf
eine beliebige Stelle der Skala zu bringen.
Nun wurde zunächst, um das Kalorimeter zu eichen, der
Jouleeffekt während sechs halber Minuten bestimmt. Ein
Strom, dessen Stärke so gewählt war, daß die zu stände
kommende Erwärmung der Erwärmung, beziehungsweise Ab-
kühlung beim später zu messenden Peltiereffekte ungefähr
gleichkam, wurde durch das System Eisendraht-Konstantan-
drähtchen-Eisendraht {Fe^-J-Fe^ geschickt. Vor dem Versuche
und nach dem Versuche wurde der Gang des Galvanometer-
ausschlages eine Zeit lang beobachtet und aus diesen Beob-
achtungen wurden die Ausschläge des Hauptversuches korri-
giert. Die Art der Messung war dieselbe, wie sie Prof. Lech er ^
angibt. Während der Vorperiode, des Hauptversuches und der
Nachperiode wurde der Stand des Galvanometerausschlages
1 E. Lecher, 1. c, p. 1512.
662 P. Cermak,
alle halben Minuten nach dem Schlage einer genauen Pendeluhr
abgelesen und verzeichnet. Die Nachperiode setzte nicht
sofort nach dem Ausschalten des Stromes ein, doch nahm diese
Verzögerung bei höheren Temperaturen ab.
Sodann wurde der Peltiereffekt gemessen. Der Gang
des Galvanometers wurde zunächst wieder vier halbe Minuten
(Vorperiode) beobachtet, dann ein bestimmter Strom sechs
halbe Minuten durch das System Eisen-Konstantan (Fe^-Kon)
geschickt. Nach Abwarten der Nachperiode und einer neuer-
lichen Vorperiode wurde die Beobachtung mit umgekehrter
Stromrichtung wiederholt Da die beiden Ausschläge nach ent-
gegengesetzter Richtung erfolgten^ erhielt man durch Addition
ihrer korrigierten absoluten Beträge und durch Division mit
zwei den Ausschlag, der dem Peltiereffekt der jeweiligen Strom-
stärke während sechs halber Minuten entsprach.
Die Auswertung geschah in folgender Weise: Man rechnet
nach der bekannten Formel
0-239, i^.w.t
den Wert des Jouleefifektes für 3 Minuten in Grammkalorien aus.
Entspricht diesem Werte A ein Ausschlag von a cnty so ent-
sprechen den bcm Ausschlag die bei der Bestimmung des
Peltiereffektes während 3 Minuten gefunden wurden
Ab
B = Grammkalorien.
a
Dividiert man noch B durch den Betrag der Stromstärke
(in Ampere) und die Sekundenzahl der Beobachtungszeit, so
erhält man den Peltiereffekt in Grammkolarien pro Coulomb.
War nun der Peltiereffekt gemessen, so wurde noch eine
zweite Bestimmung des Jouleetfektes zur Kontrolle vor-
genommen und am Schlüsse des Versuches zum zweiten Male
die Temperatur im Kalorimeter bestimmt.
Zur Verdeutlichung der Beobachtungsweise sei mir ge-
stattet, den Verlauf eines Versuches mittlerer Güte als Beispiel
hier vollständig anzuführen.
Die Temperaturbestimmungen des Versuches ergaben
160** C; die Widerstandsbestimmung für w \'77 Ohm.
Peltiereffekt Eisen-Konstantan.
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P. Cermak,
EFgebnisse.
Die ersten Versuche wurden bei Zimmertemperatur aus-
geführt. Sie ergaben, wie aus den nachfolgenden Tabellen
ersichtlich ist, den Wert 3 '6. 10~^ Grammkalorien pro Sekunde.
Dieser Wert steht in guter Übereinstimmung mit dem von
Prof. Lecher^ gefundenen 3*4.10~^
In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse bei 0* C,
20^ 130% 240% 320** und 560^ C. verzeichnet. Als Kalorimeter-
flüssigkeit diente bei 0% 20% 130^ Petroleum, bei 240^ Reten,
bei 320"* und 560° C. Chrysen. Bei 0"* C. befand sich das ganze
Glasgefaß, welches das Kalorimeter enthielt, in schmelzendem
Schnee, bei den übrigen Temperaturen im elektrischen Ofen.
Bei 0° C. und bei Zimmertemperatur wurden je 10 Beob-
achtungen gemacht, aus denen das Mittel genommen wurde,
bei den höheren Temperaturen mußten meist mehr Beob-
achtungen erfolgen, unter denen nur jene zehn ausgewählt
wurden, die um nicht mehr als ± 5** C von der angegebenen
Durchschnittstemperatur abwichen.
Temperatur
0*C.
20« C.
130« C.
240« C.
320« C.
560« C.
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1
2"
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4-11
6-08
7-11
U-9
3
•06
3-63
4-65
5-97
8-40
13-1
Einzelne
Werte
2-
3'
"98
04
3-70
3-64
4-63
5-24
6-16
6-84
7-91
9-02
12-2
11-7
in Gramm-
3'
•06
3-40
4-47
6-21
8-70
12-4
kalorien
3-
11
3-65
4-39
6-52
7-76
11-6
1
10-3
2-
99
3-74
4-33
6-29
7-96
13-8
1
3
•69
3-70
4-48
5-88
8-03
12-9
2
•89
3-71
4-37
5-98
8-30
12-6
3
•03
3-60
4-36
6-43
8-00
12-8
1
Mittelwert . . .
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1
3-6
4-5
6-2
8-2
12-5
1 £. Lecher, 1. c, p. 1520.
Peltiereffekt Eisen-Konstantan.
667
Bis zu den Temperaturen von 160* C. wurde der elek-
trische Ofen mit dem Gleichstrome der Hausbatterie (30 Akku-
mulatoren), bei höheren mit dem Wechselstrom der städtischen
Leitung geheizt. Bei letzterem traten leider oft größere Strom-
schwankungen ein, die wohl zur etwas größeren Abweichung
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300
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Fig. 2.
der einzelnen Werte bei höheren Temperaturen beigetr'agen
haben dürften.
Trägt man die so gefundenen Werte in ein Koordinaten-
system ein, wobei als Einheit der Abszisse 100** C, als Einheit
der Ordinate 10~"' Grammkalorien genommen werden, so erhält
man von der Abhängigkeit des Peltiereffektes von der Tem-
peratur das Bild in Fig. 2.
668 P. C e r m a k , Peltiereffekt Eisen-KonsUmtan.
Dieses Bild weicht ziemlich stark ab von demjenigen, das
E. Bausenwein^ angegeben hat; doch erklärt sich die Ab-
weichung aus der weit geringeren Zuverlässigkeit seiner
Methode.
Für vielfache Anregung und Förderung während der
Arbeit bin ich Herrn Prof. Lech er zu größtem Danke ver-
pflichtet
1 E. Bausenwein, Diese Berichte, Bd. CXIV, Abt. IIa, p. 1632 (1905).
669
Zur algebraischen Behandlung eines v. Staudt-
sehen Fundamentalsatzes der Geometrie der
«
Lage
von
V/. Fr. Meyer in Königsberg i. Pr.
(Vorgelegt in der Sitzung am 14. MSrz 1907.)
Um das »Harmonische« ohne MaßbegrifTe zu begründen,
bedient sich v. Staudt^ des Fundamentalsatzes:
»Werden die Ecken zweier Vierecke einer Ebene einander
paarweise zugeordnet und treffen sich fünf Paare entsprechender
Seiten beider Vierecke auf einer und derselben Geraden g, so
treffen sich auch die sechsten Seiten auf gy und beide Vierecke
liegen zueinander perspektiv.«
V. St au dt leitet diesen Satz aus einem entsprechenden
Satze über zwei ebene, aber in verschiedenen Ebenen befind-
liche Vierecke her. Es ist aber von besonderem Interesse, die
erstere Konfiguiation einer direkten Untersuchung zu unter-
ziehen, die unter Voraussetzung des Koordinatenbegriffs die
notwendigen und hinreichenden Bedingungen für die Existenz
jener Konfiguration verfolgt und die zugleich die Gültigkeits-
grenzen des obigen Satzes festzulegen im stände ist.
Dies wird im wesentlichen erreicht durch Aufstellung einer
Identität, die den geometrischen Gehalt der Figur erschöpft.
Die linke Seite der Identität ist eine (identisch verschwindende)
simultane Invariante der beiden Vierecke und einer willkür-
lichen Geraden der Ebene. Die vom Verfasser bei anderer
Gelegenheit' aufgestellte analoge Identität für die entsprechende
1 Geometrie der Lage, Nürnberg 1847, p. 40.
9 Wiener Monatshefte für Mathematik und Physik, XVIII, p. 138 (1907),
insbesondere p. 152.
670
W. Fr. Meyer,
räumliche Figur von zwei Vierecken, respektive Tetraedern
ist trotz ihrer äußerlichen Ähnlichkeit von wesentlich anderem
Charakter, da die linke Seite der für den Raum geltenden
Identität eine Simultaninvariante der beiden Vierecke allein ist.
§ 1. Eine Hilfsidentität.
Versteht ntän unter X/, X^, X/, X,„; X,-, Xi, X/, X{» zwei Reihen
von vier Variabein, so werde irgend eine der sechs aus der
Matrix
X|, Xjk, X/, X,„
X', Xjk, X/, X{„
(1)
zu entnehmenden zweireihigen Determinanten bezeichnet mit
Pik =
X/, Xjt
X/, Xi
(2)
Die vier Indices /, i, /, m lassen sich auf drei Weisen in
zwei Paare teilen: (ik)(lfn), (il)(kfn), (im) (kl). Nennt man die
vier Größen PihPkm, Pik, Pmi die der Teilung (ik)(lnt) »ent-
sprechenden«, so überzeugt man sich sofort von der Richtigkeit
der Identität:
Pil^k^+Pnti^kh+Plkh^m+Pkmh^l = 0,
(I)
wo die Faktorenprodukte XjtX,„ etc. auch durch die aus den X'
analog gebildeten XiX{„ etc. ersetzbar sind. Im folgenden wird
nur der Fall in Betracht kommen, daß sämtliche acht Größen
X,X' endlich und von Null verschieden sind. Setzt man zur
Abkürzung:
qi = ^ (i = i,k,l,m\ (3)
so wird Qi — qk = .^'* und die Identität (1) nimmt die triviale
Gestalt an: ' *
(*»—?/)+(«*—?«) = («I— 9«t)+(?*— «/).
(4)
Verschwinden daher irgend drei der Differenzen ^, — q^
Qm — ?», Qi — Qki 9k — 9my so verschwindet stets auch die vierte
Behandlung eines v. Staudf sehen Satzes. 671
und da ctlsdann ^/ = ^t=^/=^«, auch jede der beiden übrigen
Differenzen qi — ^», qi — qm. Entsprechend zieht das Ver-
schwinden von irgend drei der Größen Piu Pmu Pik^ Pkm stets
dasjenige der vierten und damit auch das der beiden übrigen
Pik, Pim nach sich.
Diese Aussage wird aber gerade durch das Bestehen der
Identität (I) [sowie der beiden, den Teilungen (il)(km\ (int) (kl)
korrespondierenden] zusammengefaßt
§ 2. Die mit zwei Vierecken einer Ebene verknüpfte Identität
bei einer kanonischen Lage des Koordinatendreieckes. Der
V. Staudt'sche Satz.
Es mögen in einer Ebene zwei beliebige Vierecke vor-
liegen. Beide Vierecke seien jedoch eigentliche, d. h. die vier
Ecken je eines Viereckes sollen voneinander verschieden sein
und keine drei sollen auf einer Geraden liegen.
Überdies wird vorläufig angenommen, daß auch keine
Ecke des einen Viereckes mit einer solchen des zweiten Vier-
eckes koinzidiert.
Die Ecken beider Vierecke seien einander eineindeutig
zugeordnet und in diesem Sinne mit i, *, /, w; V,Vyl',m* be-
zeichnet. Damit entsprechen sich dann auch die Seiten (/*),
(i'k') etc. beider Vierecke und damit auch die Ecken beider
Hauptdreiecke (die »Hauptecken«) und deren Seiten (die
»Hauptgeraden«).
Das Koordinatendreieck ABC werde so gewählt, daß sich
die Geraden (ik)y (i'k^ in der Ecke 5(0,1,0) und analog die
Geraden (/w), (l'm^ in der Ecke C (0,0,1) treffen, so daß die
Gerade BC mit x=:0 zusammenfallt, wenn unter x,y,z die
Dreieckskoordinaten eines beliebigen Punktes der Ebene ver-
standen werden. Die Lage der Ecke A wird beliebig gelassen.
Ferner sei 0(ahc) der Schnittpunkt (ik\ (Im) una analog
0'(a'l/c') der Schnittpunkte (ViT), (l'm^.
Unter den angegebenen Voraussetzungen über die beiden
Vierecke läßt sich die Bezeichnung ihrer Ecken stets so
wählen, daß 5, C, O, O' vier verschiedene Punkte sind, die ein
eigentliches Viereck bilden, mit alleiniger Ausnahme des
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa. 45
672 W. Fr. Meyer,
singulären Falles, daß jede der drei Hauptecken des einen
Viereckes (iklm) mit der entsprechenden des zweiten Vier-
eckes {VÜVm^ zusammenfällt (siehe § 4).
Fiir die Koordinaten der Ecken beider Vierecke hat man
dann die Darstellung:
i) a, *+X/, c\ i') a\ y+XJ, c'\ \
k) a, ^-4-X,, c\ V) a\ V^V^, c'\ (
V) a\ V, c'+XJ; [
(5)
wo X,-, X;fe, X/, X,„; X{, Xi, X/, XJ« acht Parameter bedeuten, die
endlich und von Null verschieden sind.
Legt man dem Schnittpunkt der Geraden {il) mit der
Geraden J9C(;i;=:0) die Koordinaten Q^yn^zn bei, entsprechend
dem Schnittpunkt von {VI') mit ^=0 die Koordinaten 0,>'J/, r'/
u. s. f., so folgt aus (5):
yn __ X| ^ii Mi
Zu kl Zu Kl
Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß
sich die Geraden {il) und {j'l') auf der Geraden BC begegnen,
lautet demnach:
[/,/]-X,X{-XzM::-p,-;ziiO. (7)
Nach (I) gilt somit zwischen den vier Ausdrücken [/, /],
[w, i\ \kym\ [/,jfe] die lineare Identität:
7: . [r, /]X,X„, + [*, >;x]X,X/+[m, /]XA/+[/, fe]X,Xm - 0 (10
und damit der Satz:
I. »Die Identität (lO, die für zwei eigentliche Vier-
ecke (der Ebene) mit getrennten Ecken bei geeigneter
Lage des Koordinatendreieckes besteht — ausgenom-
men den singulären Fall, daß jede Hauptecke des
einen Viereckes mit der entsprechenden des anderen
Viereckes zusammenfällt — ist der algebraische Aus-
drucK des v. Staudt'schen Satzes, daß, wenn sich
Behandlung «nes v. StflUdVdchen Satzes. 673
fünf Paare entsprechender Seiten beider Vierecke auf
ein und derselben Geraden treffen, dies auch für das
sechste Paar zutrifft.c
Die durch Satz I charakterisierte Lage zweier Vierecke
werde die »v. Staudt'sche Lage« derselben genannt.
Es seien jetzt die Bedingungen (7) dieser Lage erfüllt
gedacht, so daß die vier Verhältnisse tj » TT » TT* » \r ^®^
nämlichen Wert besitzen, der gemäß (3) mit q bezeichnet sei:
Gemäß (5) sind die Koordinaten eines beliebigen Punktes
der Geraden (ii^ von der Form a — v,a', (b+\i) — v^(fc'+X(),
c — v^c', wo v/ einen Parameter bedeutet; für ViZ=:q werden also
diese Ausdrücke wegen (70:
a — qa'y b — qb', c^qc', (8)
Entsprechendes gilt für die Geraden {kk!), (11% {mm%
Das ist der Inhalt des v. Staudt'schen Korollars zum
Satze I:
I'. »Befinden sich zwei Vierecke einer Ebene in
v. Staudt'scher Lage, so liegen die Vierecke zuein-
ander perspektiv.« »Das Perspektivitätszentrum P
besitzt die Koordinaten (8).«
Es werden nunmehr die beiden Hauptdreiecke der Vier-
ecke in Betracht gezogen.
Ein erstes Paar entsprechender Hauptecken wird durch
0, O' gebildet; die Verbindungsgerade {00') enthält den
Punkt P (8). Ein zweites Paar 0^0[ entsprechender Haupt-
ecken sind die Schnittpunkte der Geraden (//), {km), respektive
(f'/O, {Vfn!), Setzt man zur Abkürzung:
7c,,n = X/ X^ — \kh , ^m = X{X;„ — Xi X{ , (9)
wo diese beiden Größen it,-,«, vfim vorderhand als von Null
verschieden vorausgesetzt werden, so berechnen sich die
45*
674
W. Fr. Meyer,
Koordinaten x^.y^^z^, beziehungsweise x[,y[,z[ von Oi,Oj auf
Grund von (5) zu:
Hieraus geht das dritte Paar Og, O^ entsprechender Haupt-
ecken, die Schnittpunkte der Geraden (im) (kl), respektive
(i'm^ (kfl^ hervor, indem man die Indices / und m miteinander
vertauscht.
Hiebei werden wiederum die nach der Vorschrift (9) ge-
bildeten Größen ic,/, n'n vorderhand als von Null verschieden
angenommen.
Ein beliebiger Punkt der Geraden (0^0^ hat die Koordi-
naten x^'h'^xl, y^+zy^y z^+zz[, unter t wiederum einen Para-
meter verstanden. Mit Rücksicht auf (10) und (T') erhalten jene
Koordinaten die Werte:
''^im ( ^
Ä
xa'
xV
im
t:
9
zc
im
q*
rS
(11)
Bestimmt man hier z durch die Forderung:
T zu — ^«,
(12)
so werden die Ausdrücke (11) denen in (8) respektive pro-
portional.
Der analoge Schluß gilt für das Haupteckenpaar Oj, Og.
Somit hat man unter der Voraussetzung, daß die Größen
Äiwo '^'im'y '^ih '^ii (9) von Null Verschieden sind, den Satz:
II. »Sind zwei Vierecke einer Ebene in v. Staudt-
scher Lage, so sind auch die beiden Hauptdreiecke
der Vierecke perspektiv und ihr Perspektivitäts-
Zentrum fällt mit dem der beiden Vierecke zu-
sammen.«
Dieser Satz bleibt erhalten, wenn auch die Größe ir,ni (9)
und damit zugleich icfm (oder auch st// und i^i) verschwinden,
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes. 675
während «,/, w}/ (respektive ic^«, ic{^) von Null verschieden
sind. Denn dann fallen die entsprechenden Hauptecken 0,, 0[
(respektive O^, O^ zusammen, aber die beiden Hauptdreiecke
besitzen immer noch ein bestimmtes Perspektivitätszentrum
und dieses ist mit P identisch.
Verschwinden dagegen gleichzeitig «,•»,, ic,/ und damit
auch Tsfitny icj/, fallen also die entsprechenden Hauptecken O^, O^;
Og, Og zusammen, so wird das Perspektivitätszentrum der
beiden Hauptdreiecke auf der Geraden (0 O') unbestimmt und
der Satz II ist dann dahin einzuschränken, daß die Verbin-
dungsgerade der beiden nicht koinzidierenden entsprechenden
Hauptecken O, O' durch das Perspektivitätszentrum der beiden
Vierecke laufen muß.
In dem oben ausgeschlossenen singulären Falle, daß jede
Hauptecke des einen Viereckes mit der entsprechenden des
anderen Viereckes zusammenfällt, ist offenbar die v. Staudt*sche
Lage beider Vierecke überhaupt unmöglich.
Wir fragen jetzt bei der v. Staudt'schen Lage beider Vier-
ecke nach der Perspektivitätsachse der beiden Hauptdreiecke
(00,03), (cyo(o,o.
Gemäß (10) trifft die Hauptgerade 00^ die Gerade BC(x = 0)
in demjenigen Punkte cog, für den:
Für den Schnittpunkt der entsprechenden Hauptgeraden
(yO[ mit x:=0 hat man in (13) statt der X die X' einzusetzen;
hiebei behält aber die rechte Seite von (13) wegen (7^ ihren
Wert bei. Die beiden entsprechenden Hauptgeraden (00^),
(O'O^ schneiden sich demnach auf der Geraden ;tr~0 im
Punkte (Og (13).
Analog treffen sich die beiden entsprechenden Haupt-
geraden (00g) und (O'OgO auf ;r = 0 in dem Punkte ooj, für den:
y_^ hhjKn — X/) ,
c """ X/X,,(X,— Xk) ^ ^
676 W. Fr. Meyer,
Endlich schneiden sich die dritten Hauptgeraden (OjOjj),
(0[0^ auf ;i: =: 0 in dem Punkte (o mit:
h^k 2X| — (X/+X,„)
^/^m X/ — X/
(15)
Damit ist der Satz bewiesen:
III. Befinden sich zwei Vierecke {i,kJ,m),{i'^h',V,nt')
einer Ebene in v. Staudt'scher Lage, so daß die
Schnittpunkte Pik, Pim\ Pih Pkm\ Pim. Pki zugeordneter
Seiten auf ein und derselben Geraden ^, derPerspek-
tivitätsachse beider Vierecke liegen, so ist diese
zugleich die Perspektivitätsachse der beiden Haupt-
dreiecke. Ist O -= {ik) {Im) irgend eine der drei Ecken
des ersten Hauptdreieckes, so treffen die beiden von
O auslaufenden Seiten des Dreieckes die Gerade g
in einem zum Paare (Pik,Pim) harmonischen Paare.«
Der Satz III gilt auch dann noch, wenn Pu mit Pkm oder
Pi,n mit Pki zusammenfällt oder auch, wenn beides zugleich
stattfindet.
Hier ordnet sich auch der bekannte Satz von Desargues
ein, daß die drei Punktepaare {PikyPim\ (PihPkm), {Pim,Pki)
y
auf g einer Involution angehören. Denn die Koordinate -^ = 4
z
auf ;r = 0 für jene drei Paare besitzt die Werte (0, oo),
X,- Xjt\ / X/ \k
, ^ /, \ ^ , — T")' Bedeuten demnach 5, V zu-
sammengehörige Werte, so ist die Gleichung der Desargues-
schen Involution:
5S' = -rV^=r const. (16)
Schwieriger ist die Umkehrung der Sätze I', II, III, d. h. die
Beantwortung der Frage, welche von den dort ausgesprochenen
Perspektivitätseigenschaften beider Vierecke und ihrer Haupt-
dreiecke bereits hinreichen, um die v. Staudt'sche Lage der
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes. 677
Vierecke zu charakterisieren. Diese Frage soll später (in § 5)
bei einer anderen Wahl des Koordinatendreieckes wieder auf-
genommen werden.
§ 3. Aufstellung der Identität (I^) bei beliebigem Koordinaten-
dreieck.
Das Koordinatendreieck liege jetzt beliebig. Die aufeinander
bezogenen Ecken der beiden Vierecke seien wieder /, k, /, m;
i\k\ V.in!. Man verbinde wie oben die Punkte Pik =: {ik){Vk^)
und Pim = {lnt){Vm') durch eine Gerade gikjm = g-
Die vier weiteren Schnittpunkte entsprechender Seiten
seien analog Pu, Pkml Pmt, Pik- Versteht man ferner unter
A//, \km\ ^mi, ^ik die vier dreireihigen Determinanten aus den
Koordinaten der Punkte P,*, P/^ und respektive P,/, Pjt,„;
Pmiy Pik, so sagt deren Verschwinden aus, daß respektive der
Punkt P,7, Pkm, Pntiy Pik ^lit den beiden Punkten P,jt, P/„t
auf einer und derselben Geraden, nämlich g, liegt. Zwischen
den vier Ausdrücken A,/, A^^m, ^mi, ^ik wird dann als Ver-
allgemeinerung von {V) eine lineare Identität bestehen, deren
Inhalt wieder der v. Staudt'sche Satz I ist.
Man konstruiere die fragliche Identität schrittweise: man
frage vorerst nach der geometrischen Bedeutung des Ver-
schwindens der in (X) auftretenden Koeffizienten, stelle darauf-
hin bis auf gewisse unbekannte Faktoren die Form der
gesuchten Identität fest und ermittele endlich durch Rückgang
von dem beliebigen Koordinatendreiecke zu dem kanonischen
des § 2 jene Faktoren.
Die in (!') auftretenden Koeffizienten sind Produkte von
zweien der vier Größen X/, Xjt, X/, X^.
Die Gleichung X/ '=: 0 besagt, daß die Ecke {i) auf der
Seite {Im) liegt. Umgekehrt berechnet sich die dreireihige, aus
den kanonischen Koordinaten der Ecken /, /, m gebildete
Determinante {Um) auf Grund von (5) zu a'ki{\i—\m) und analog
die drei weiteren Determinanten {klm)y {lik), {mik).
{Um) -=2 aXi{\i — X;„), {klm) ^=
{lik) = —a X/()., — X*), (m
m) = a\kQ^i—\m)y ) ,j^.
ik) = — aX;„(X/— X;t). J
678 W. Fr. Meyer,
Die Multiplikation der linken Seite J von (iO mit
führt somit zu der Umformung
a2(X, — X,)(X/ — X^).J-7, = [/,/](*/m)(wi*) +
+[*,w](//w)(/i*) + [w,i](ife/m)(//*)+[/,*](«7w)(wi*). (18)
Die Bedingung ri,/]?^p,7 = 0 hat denselben Inhalt, wie
jetzt, bei beliebigem Koordinatendreieck, die Bedingung A,/ = 0.
Umgekehrt trage man in die Bildung A,/ die kanonischen
Koordinaten (5) der Ecken beider Vierecke ein und stelle den
Faktor fest, mit dem [/,/] =/?,/ dabei behaftet erscheint Versteht
man unter a,-,^i,t;i, respektive a\^Viydi die allgemeinen Koordi-
naten der Ecke (i), respektive (f) u. s. f.; unter (frc),*, (Vc')i^
die Ausdrücke biCk — ^jkQ, Vidk — &4c{ u. s. f., so erhält der
Punkt Pik als Koordinaten die Determinanten der Matrix:
{bc)ik, {ca)ik, {ab)n I
{Vd)ik. {(^a%, {a'V)iu \ '
Gemäß (5) werden dann die kanonischen Koordinaten der
Punkte P,*,P/„,:
Pik) O, (X,— X,)(X{-Xi)(^a'— acO,
Plm) 0, O, (X;~X,„)(X
"" \ (20)
während man von den Koordinaten von Pn nur die erste
braucht, die sich als — aa'pa ergibt.
Demnach erhält A^/ den kanonischen Ausdruck:
A,/=;?,/[aa'(X,— X,)(X{-Xi)(X;-X,„)(X{-X;„)(^^'-Ä'^)(a^/-a'<7)]
-piiF, (21)
wo der Faktor F von pu für alle vier Determinanten A,/, A*;„,
A„,i, A/* ein und derselbe ist. Man multipliziere daher den
Ausdruck J^ (18) noch mit h\ wodurch J^ entstehe:
FJ^ L_ Jj. (22)
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes. 679
»Dann geht dieser Ausdruck J^ beim Übergange
von dem kanonischen Koordinatendreieck des § 2 zu
dem jetzt zu Grunde gelegten beliebigen bis auf eine
Potenz der Substitutionsdeterminante über in die
linke Seite der gesuchten Identität, so daß diese
lautet:
+ljj,{ilm) (mik) = 0.* (II)
Die Gestalt von (II) wird übersichtlicher, wenn man die
(klm) u. s. f., d. s. die Determinanten der aus den allgemeinen
Koordinaten der Ecken i,k,l,m gebildeten Matrix bezeichnet,
wie folgt:
ilfn) = Di, (ikm) = (mik) = Dl, ) .
Um) = —Dt, iikl) = (lik) = — A«. j
(klm) =
(
Da A// =: — A/,- u. s. f., so gewinnt damit die Identität (II)
das Aussehen :
A//A A+A*mö*A«+A,-;„ AA„+AwZ>*Z>/ = 0, (11')
wo nunmehr die Indices stets die natürliche Reihenfolge beob-
achten.
Der so erweiterten Identität (II') stehen zwei analog
gebaute zur Seite, indem man die bisher ausgezeichnete Paar-
einteilung (ik)y (Im) ersetzt durch die beiden anderen (//), (km),
respektive (im), (kl).
Andrerseits sind nach § 1 die Di, Dk, Di, Dm auch mit den
aus den X(-, Xi, X/, X{,t entsprechend gebildeten Größen Z)/, Dl,
Dl, Ufn vertauschbar.
Indem wir uns auf die ersteren drei Typen der Identität (II')
beschränken, können wir dieselben durch einen einzigen, hin-
sichtlich aller vier Ecken gleichmäßig konstruierten Typus
zusammenfassen.
Fügt man jedem Faktor A// u. s. f. die jeweils zu Grunde
gelegte Paareinteilung als obere Indices hinzu, so lauten die
drei Typen von (II'):
680
W. Fr. Meyer,
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J
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes. 681
IV. »Der allgemeinste algebraische Ausdruck des
V. Staudt'schen Satzes für zwei Vierecke einer Ebene
wird durch die Identität (III) angegeben.«
Hiebet umfaßt ihrer Herleitung nach die Identität (III) alle
Fälle, in denen überhaupt die v. Staudt*sche Lage zweier
eigentlicher Vierecke einer und. derselben Ebene möglich ist.
Denn in dem einzigen Falle, wo jene Lage nicht eintreten
kann, wenn nämlich jede Hauptecke des einen Viereckes mit
der entsprechenden des anderen Viereckes zusammenfällt,
verschwindet jeder der sechs Klammerfaktoren in (III) identisch,
d. h. für alle u^, u,^, Wg.
Man bemerke die eigentümliche Analogie, die der Aufbau
der Identität (III) mit der vom Verfasser^ für den Raum auf-
gestellten aufweist, die aussagt, daß, wenn von zwei ebenen
oder räumlichen, aber im ersteren Falle nicht in einer und
derselben Ebene gelegenen Vierecken, fünf Paare zugeordneter
Kanten sich treffen, dies auch für das sechste Paar gilt.
§ 4. Singulare Fälle.
Die Identität (III) versagte, wenn beide Vierecke ein ge-
meinsames Hauptdreieck besitzen und wenn überdies jede
Hauptecke mit ihrer zugeordneten koinzidiert; dann war aber
auch die v. Staudt'sche Lage beider Vierecke unmöglich.
Dagegen erhebt sich die Frage, ob nicht doch bei gemeinsamem
Hauptdreieck die Ecken der beiden Vierecke 4örart einander
zugeordnet werden können, daß die v. Staudt'sche Lage mög-
lich wird.
Das gemeinsame Hauptdreieck (A^A^A^) werde als Koordi-
natendreieck gewählt; die Koordinaten eines beliebigen Punktes
seien mit x^, x^^ x^ bezeichnet. Dann besitzen die Ecken beider
Vierecke Koordinaten von der Form:
i) <J^vP2yPz)'^ ^) (-PvP2yPs)>
i') {Pv Pv rö; ^) i-Pv P^v ^3); I (24)
d {Pv — /^2»rs); ^^0 {PvP2^ -Pz)'^ j
i') (Pv -P2^ pO' ^') (Pv p^v -rö; -
1 Wiener Monatshefte für Mathematik und Physik, XVIII (1907), p. 138,
insbesondere p. 150.
682
W. Fr. Moyer,
WO die Größen p^, p^, p^\ ^tJ, j/^^ /^ im übrigen willkürlich
gewählt werden können, nur so, daß keine von ihnen ver-
schwindet, da beide Vierecke als eigentliche vorausgesetzt
werden. Es sei A^ •= {ik){lin), A =: (il)(km\ A^ = (im){kl)\
die Zuordnung der Ecken des zweiten Viereckes zu denen des
ersten bleibe noch vorbehalten.
Da die vier Ecken des zweiten Viereckes gleichberechtigt
sind, so dürfen wir annehmen, daß, während die Ecken i, ky /, m
des ersten Viereckes festgehalten werden, etwa der ersten
Ecke / die erste Ecke i' fest zugeordnet wird.
Dann sind nur drei Typen A, B, T von Zuordnungen
möglich:
A)
B)
r)
k
y
k
v
k
V
l m
\
1
/ m
** m'
\
l m
m' V
•
25 a)
25?)
25 T)
Die 24 Zuordnungen der beiderlei Ecken, die im ganzen
möglich sind, verteilen sich auf die drei Typen A, B, F derart,
daß der erste Typus 4, der zweite 4.3, der dritte 4.2 jeweils
gleichberechtigte Zuordnungen umfaßt.
Die drei Typen A, B, F lassen sich einfach dahin charak-
terisieren, daß beim ersten Typus jede Hauptecke sich selbst
entspricht, beim zweiten Typus zwei Hauptecken sich wechsel-
seitig entsprechen, die letzte sich selbst, z.B. {A^^Ä^y (-4^,-4,),
(-43,^13), während beim dritten Typus die Hauptecken sich
zyklisch entsprechen, z. B. {A^, ^), {A^, A^y (.4j, A^.
Beim ersten Typus bleibt das Perspektivitätszentrum beider
Dreiecke gänzlich unbestimmt, beim zweiten Typus auf einer
Hauptgeraden unbestimmt, während beim dritten Typus über-
haupt kein Perspektivitätszentrum existiert.
Die Verbindungsgerade einer Ecke i mit einer Ecke k
heiße ^,t, die einer Ecke r' mit einer Ecke s' heiße grs- Dann
berechnen sich die Koordinaten u, v, w der sechs Seiten des
ersten Viereckes ohneweiters wie folgt:
Behandlung eines v. Staudl'schen Satzes.
683
»
V
^.»;
0
—Pa
gim)
0
Pa
gn)
Pi
0
gim)
Pa
0
gim)
Pt
Px
gkl)
Pa
Pi
(26)
Pt
Pi
■Px
Px
0
0,1
aus denen die Koordinaten der Seiten glu u. s. f. des zweiten
Viereckes durch Akzentuierung der p^, p^j p^ hervorgehen.
Da der Typus A erledigt ist, sind noch die Typen B und T
zu untersuchen.
Der Typus B.
Aus (26) entnimmt man die Koordinaten der Punkte
S = (gik, gli) und C = (gim, gim):
Ay P2Pzy -Ps/^i);/
B) (PsP'v PtP'i^ /'«/'sX
Q iPzP\
(27)
während andrerseits die Punkte 0=z(giit^gim) und 0'=:{gihgim)
mit den Koordinatenecken A^, A^ zusammenfallen. Die (wie in
§ 2 bezeichneten) Punkte B, C, 0, O' bilden daher ein eigent-
liches Viereck, so daß die Voraussetzungen des § 2 erfüllt sind-
Gemäß (27) liegen die Punkte B, C auf einer Geraden g,
deren Gleichung ist:
g) ^iPiP'B—^iPzP'i = 0,
(28)
und zwar harmonisch getrennt durch A^ und x^zizO.
Der Punkt (il), (i'^f) hat die Koordinaten PiP'^, PtPsy PbPs»
liegt also dann und nur dann auf der Geraden g (28), wenn:
Für den Punkt (km), (l'm^ mit den Koordinaten p^p'^y
P2PS9 — P^Ps wird die Bedingung, der Geraden g (28) an-
zugehören^ gleichfalls durch (29) angegeben.
684 W. Fr. Meyer,
Die beiden weiteren Punkte (ifw), (i'fn^ und (kl), (tfl^ sind
mit A^ identisch, liegen also von selbst auf g.
Andrerseits fragen wir nach der Bedingung, unter der
sich die vier Verbindungsgeraden entsprechender Ecken (ii'},
{fnm\ {kl% {IV) in einem und demselben Punkte treffen.
Mittels der Kürzungen:
PtP^^'-PtP^i = \^ PsPi'^PiP'i = Kf PiPt—PiPi = \y
P2Pz'^PsP2 = Kl» PsP^l-^PlPi = V^
}
(30)
erhalten die Koordinaten der Geraden (ii^, O^fw'), (*/'), (k^i)
die Werte:
(ii^: Q^y\f\)f (ntfn^: (X^, X^, — \)y\ ,oi\
(*/0: (\>n,h,\); (*'/)
SO daß die Koordinaten der Schnittpunkte (ii^. (mm^ und
(*/0, (/*0 werden :
(iiO, (wwO: (— Xg, Xj, 0), \
(kn {^^
: (_x^, x„ 0), )
Beide Punkte gehören also der Koordinatenseite ^r, zz 0 an;
sollen sie zusammenrücken, so entsteht die Bedingung
Xj [i, — \ {tj = 0 oder entwickelt, gerade die Bedingung (29).
Ist diese erfüllt, so besitzen beide Vierecke das Perspektivitäts-
zentrum P:
PJ (PiP's^PzP'v^)' (33)
Das Perspektivitätszentrum beider Hauptdreiecke {A^A^A^\
(^jA^s) ^^^^ ^^f der Geraden ;r3 zr: 0 unbestimmt und diese
läuft durch P, in Übereinstimmung mit § 2.
Der Typus F.
Die Punkte 5, C und damit die Gerade g, desgleichen die
Punkte O, 0' sind die nämlichen wie beim Typus B. Für den
Punkt (il)(i'M') wird 3_ — _^^ für den Punkt (*#»)(/'*')
dagegen — - =: ^r- Sollen daher beide Punkte der Geraden^
(28) angehören, so müßte gleichzeitig Ag*; z= i^ifcj = — *3*^
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes. 685
sein, mithin i^ij == 0, was bei zwei eigentlichen Vierecken
nicht eintreten kann.
Demnach ist das Ergebnis:
V: »Besitzen zwei eigentliche Vierecke der Ebene
ein gemeinsames Hauptdreieck, so verteilen sich die
24 Möglichkeiten, die Ecken beider Vierecke ein-
ander zuzuordnen, zu je 4, 12, 8 auf drei Typen A,B, F.
Beim Typus A, wo jede Hauptecke sich selbst ent-
spricht, sowie beim Typus F, wo sich die Hauptecken
zyklisch entsprechen, ist die v. Staudt'sche Lage der
Vierecke unmöglich. Dagegen ist beim Typus B, wo
zwei Hauptecken sich wechselseitig entsprechen, die
dritte sich selbst, für das Eintreten der v. Staudt'schen
Lage die einzige Bedingung (29) notwendig und hin-
reichend und dies ist zugleich die Bedingung dafür,
daß die vier Verbindungsgeraden zugeordneter Ecken
beider Vierecke durch einen und denselben Punkt
laufen.«
Nunmehr bietet sich der Fall dar, wo die beiden Vierecke
zwei gemeinsame Hauptecken Af B besitzen, während die
dritten, C und C, getrennt sind. Die Zuordnung beider Vier-
ecke kann dann eine dreifache sein; entweder entspricht jede
der beiden Hauptecken A, B sich selbst oder aber diese ent-
sprechen sich wechselseitig oder endlich es findet keines von
beiden statt.
Da die beiden letzteren Unterfälle genau nach der Vor-
schrift des § 2 zu behandeln sind und im übrigen keine singu-
lären Eigenschaften aufweisen, so können wir uns auf den
ersteren Unterfall beschränken.
Es ist dieser Spezialfall eben derjenige, der bei v. St au dt
zur Definition des Harmonischen dient. Trotzdem er rein geo-
metrisch keine Schwierigkeiten bietet, ist es doch von Interesse
das analytische Äquivalent in Betracht zu ziehen.
Man wähle jetzt ein Koordinatendreieck, von dem ^(1,0,0)
und J3 (0,1,0) zwei Ecken sind, während die dritte Ecke
beliebig bleibe. Es mögen sich in B die Geraden (/Ä),
{i'V), {Im), {Vifif) trefifen, in A die Geraden (i/), {i'l'), (km),
(Vm').
686
W. Fr. Meyer,
Dann erhalten die Ecken beider Vierecke Koordinaten x,y,z
der Gestalt:
(34)
i) (m> v-v 0; ^) (>^. m. 1); i) (^, jii. 1); *») (^, t>«. 0: )
wo der Akzent wiederum die Zuordnung angebe.
Die Geraden (im), (kl), (i'm% (Vl^ schneiden die Gerade
^=: ^5 (z = 0) in den Punkten:
(im): —
y
(ifni>): —
y
IH— fts'
X
J
X
y
(kl): — = —
(Vn. ~ =
_ \-\
Kl— m
K-h4
(35)
Die Bedingung, daß sich (im), (i'm') auf g in einem
Punkte Pim begegnen, ist dieselbe wie die, daß sich (kT), (*'/')
auf^ in einem Punkte Pa begegnen, nämlich:
= n = o.
(36)
Ist diese Bedingung der v. Staudt'schen Lage erfQllt, so
bilden Pf», und Ptt gemäß (35) mit A, B zwei harmonische
Punktepaare.
Andrerseits ergeben sich für die Verbindungsgeraden (ii')
u. s. f. zugeordneter Ecken die Gleichungen :
(ii^): ar({ij-
(**'): x(iLt-
(II'): ;r(ji,-
(mm'): x(^-
■v-[)-y(}^—K)+={\hQ^i-K)-\(v-i
\>0-y(}^~K)+^{\hQ^—K)-K(}h
K)-yih—K)+='{v-i(^—K)—\(v-i
vO-y(h—K)+^{v^(h-K>-h (\^
—K)—-L(iu—v')\ = 0.i
i4)}
K)}
0 1
0
0
(37)
Bezeichnet man die mit abwechselnden Vorzeichen ge-
nommenen dreireihigen Determinanten aus der Matrix der
Koeffizienten von (37) respektive mit A,, A», A/, A„, so liefert
einfache Umrechnung das durchsichtige Gesetz:
^i = (m- vO (K— K) n, A» = (F4- K) (K—K) n.
A, = ({«,— |i4) (\—x[) n, A,„ = (m— ni) (Xi— xj)n
i)n. /
(38)
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes.
687
Da die Ecken beider Vierecke getrennt sein sollen, darf
keiner der Faktoren X^ — X[ u. s. f. verschwinden. Demnach
können die vier Größen A^, Aj^, Ai, A^ dann und nur dann
verschwinden, d.h. die vier Geraden (ii%. . ,(fnm') durch einen
und denselben Punkt P laufen, wenn die Bedingung (36) der
V. Staudt'schen Lage erfüllt ist.
Berechnet man noch aus (34) die Koordinaten der dritten
Hauptecken C, C:
Q
X,+Xg ji^+ji.
1
aj (^-
K
^i+
^,i),
(39)
sowie andrerseits aus (37), unter der Voraussetzung 11 = 0,
die Koordinaten von P:
• (i^i— 1^)— (K— p-O»
so erkennt man, daß die Gerade (CC), auf der das Perspek-
tivitätszentrum der beiden Hauptdreiecke unbestimmt wird,
durch das Perspektivitätszentrum P der beiden Vierecke läuft,
so daß auch in diesem Falle der allgemeine Satz des § 2 seine
Gültigkeit behält. Somit lautet das Ergebnis:
VI. »Besitzen zwei eigentliche Vierecke derEbene
mit getrennten Ecken zwei gemeinsame Hauptecken
A,B, während die dritten Hauptecken C, C getrennt
sind, so ist eine dreifache Zuordnung beider Vier-
ecke möglich. Hiebei entsprechen sich entweder A
undjB je selbst oder aber wechselseitig, oder endlich
es tritt keines von beiden ein. Die beiden letzteren
Fälle befolgen das allgemeine Gesetz des § 2 und
sind im übrigen nicht als singulär anzusehen. Im
ersten Falle, der bei v. Staudt zur Definition des Har-
monischen dient, ist für das Eintreten der v. Staudt-
schen Lage nur eine Bedingung 11 = 0 notwendig und
hinreichend, und diese Bedingung fällt zusammen mit
der, daß die vier Verbindungsgeraden zugeordneter
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; XVI. Bd., Abt. II a. 46
(40)
688 W. Fr. Meyer,
Ecken durch einen und denselben Punkt P laufen.
Dieses Perspektivitätszentrum P beider Vierecke
liegt dann auf der Verbindungsgeraden der dritten
Hauptecken C, C«
Es erübrigt der Fall, wo nur eine gemeinsame uod
zugleich sich selbst^ entsprechende Hauptecke ^=(fifc)(/«i) =
(i'V)(ym') existiert.
Man wähle B als eine Koordinatenecke (0, 1, 0), den
Schnittpunkt C=: (i7), {Vl^ als eine zweite (0,0,1). Die Ecken
(i), (lO seien die Punkte (ahc\ {a'Vc^. Dann hat man die
Koordinatentabelle:
' ^^' 1 (41)
l) {a.b.c+h)] m) (a, fr+X«,
während bei den zugeordneten Ecken die akzentuierten Größen
eintreten. Die Bedingungen der v. Staudt'schen Lage, daß sich
respektive die Geraden {kl), {k!l')\ {im), {i'm^; {km), {kfn/) auf
der Geraden g = {BC) treffen, sind unter Beibehaltung der
Bezeichnungen des § 2:
Pii = 0, pi„t = 0, pki-^pim = 0, (42)
deren linke Seiten offenbar an die Identität geknüpft sind:
. {Pkl+Plm)—Pkl—Plm ^^ 0. (43)
Sind zwei der Bedingungen (42) erfüllt, so auch die dritte
und es wird y^ = ^ zz: -^, d. i. ^ik = ^/ = ^,„ =: q.
Die beiden Vierecke besitzen dann ein Perspektivitäts-
zentrum P mit Koordinaten wie in § 2:
P) a—qa', b—qV, c—qd, (44)
Andrerseits ergibt sich für die beiden weiteren Haupt-
eckenpaare 0^ = {il),{km), 0[ = {Vl'),{k!m') und 0^ = {im),{kl),
(y^ = {i'm'),{k'V):
1 Der Fall, daß die gemeinsame Hauptecke sich nicht selbst entspricht,
bietet wiederum nichts Besonderes dar.
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes.
689
(
Oy) \a,b,c +
hh
^'^> {^^''^^y
oj
oi)
u
(^ + -^ — — ^ — I c +
(45)
Aus (45) geht wieder hervor, daß das Perspektivitäts-
zentrum der Vierecke mit dem der beiden Hauptdreiecke
zusammenfällt.
Der besondere Fall X*=:X,n (und damit Xi = X{„), respektive
Xt=z — X^ (und damit Xj^zr — X{„) führt auf den oben erledigten
zurück, da dann eine zweite gemeinsame und sich selbst
entsprechende Hauptecke Oj = 0(, respektive Og = O^ auf g
existiert. Es gilt also:
VII. »Haben beide Vierecke nur eine gemeinsame
und sich selbst entsprechende Hauptecke, so gilt der
v. Staudt'sche Satz; die beiden Bedingungen für das
Eintreten der v. Staudt'schen Lage sind zugleich die
eines Perspektivitätszentrums P beider Vierecke und
dieses fällt mit dem der beiden Hauptdreiecke zu-
sammen.«
Eine andere Klasse singulärer Erscheinungen bietet sich
dar, wenn beide Vierecke eine, respektive zwei entsprechende
Ecken gemeinsam besitzen.
Es möge zuvörderst nur eine gemeinsame und sich
selbst^ entsprechende Ecke {i) = («0 existieren. Man wähle
diese als eine Koordinatenecke 5(0,1,0), den Schnittpunkt
{lm),{Vm^ als eine zweite, C (0,0,1). 0{a,b,c), 0'{a',V,c')
seien die Schnittpunkte {Bk), {Im), respektive {BW), {Vm'),
1 Entspricht die Ecke (i) nicht der mit ihr zusammenfallenden (/'), .so
Hegt wieder der Typus des allgemeinen Falles des § 2 vor.
46*
690 W. Fr. Meyer,
Die Voraussetzung des § 2 versagt hier, da die dortigen
Parameter X,-, XJ jetzt unendlich groß werden. Dagegen haben
die Ecken *, /, m, kf, /', m' Ausdrücke von der unter (5) an-
gegebenen Form. Soll die v. Staudt'sche Lage eintreten, so daß
sich die Geraden {kl), (ä70; (kni\ (ft'wO auf g=BC begegnen,
so hat man die beiden voneinander unabhängigen Be-
dingungen:
/7« = XA{— X/Xi = 0, Pkm^hK—'^'kKt = 0, (46)
Sind diese erfüllt, so ist -r^ z= -yJ- =: ^r > ^- '• 9k=^9i=^9m
= q und die Vierecke besitzen dann wieder ein Perspektivitäts-
zentrum P von der Form (44), das auf der Verbindungsgeraden
der beiden zugeordneten Hauptecken O, O' liegt.
Ein zweites Paar entsprechender Hauptecken wird gebildet
durch Ol =: (il), (km); 0[ = {i'l% {tfm'). Man findet für sie die
Koordinaten :
00 [a, &-^(X,-X^), c-fX,],
) (47)
0[) [a',y— ^(XJ-X;.),c'.^X{J
Auf Grund von (46) gehört P auch der Geraden {0^0^ an
und das Nämliche gilt von dem letzten Haupteckenpaar O^, O'^y
das aus (47) durch Vertauschung von X/ mit X,„ entsteht.
Besitzen beide Vierecke noch ein zweites Paar zusammen-
fallender und sich entsprechender Ecken, etwa {m) z=z (m^, so
tritt nur eine geringe Modifikation ein.
Seien 5 = (f) = (tO = (0,1,0) und C=(w) = (fifO = (0,0, 1)
zwei Koordinatenecken und 0(abc\ 0'{a'Vc^ die Schnitt-
punkte (5*), (C/) und (ßkf), (Cl'). Die Koordinaten der Ecken
(Jfe), (/), (äO, (/O sind wieder von der Form (8) in § 2.
Die V. Staudt'sche Lage, die aussagt, daß sich (i/), (Jf/O
auf .< = BC in einem Punkte Pki treffen, erfordert die einzige
Bedingung pui = 0, d. i. qt^=z qiz= q, und wenn diese erfüllt
ist, existiert wieder ein Perspektivitätszentrum P beider Vier-
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes. 69 1
ecke von der Form (44). Ein erstes Paar zugeordneter Haupt-
ecken besteht aus O, 0'; ein zweites fallt in P«, und für das
dritte Paar O^, Og erhält man die Darstellung:
OJ (a, b+h, c^h); OiJ (a', y+X4, c'+XJ). (48)
Mit Rücksicht auf pki = 0 ist also P der Schnittpunkt
von (00% (0^0^, Somit ist das Ergebnis:
VIII. »Besitzen beide Vierecke ein einziges Paar
zugeordneter, zusammenfallender Ecken, so sind die
beiden für das Eintreten der v. Staudt'schen Lage
erforderlichen und hinreichenden Bedingungen von-
einander unabhängig, und sind zugleich die für die
Existenz eines Perspektivitätszentrums P beider
Vierecke, das dann mit dem Perspektivitätszentrum
beider Hauptdreiecke zusammenfällt. Existiert noch
ein zweites Paar zugeordneter, zusammenfallender
Ecken, so tritt nur die eine Änderung ein, daß sich
die obigen zwei Bedingungen der v. Staudt'schen
Lage auf eine einzige reduzieren.«
Der Fall VIII ist insofern bemerkenswert, als bei ihm der
V. Staudt'sche Satz seine Eigenart verliert; in der Tat zieht
hier das Sichtrefifen von fünf Paaren entsprechender Seiten
beider Vierecke auf einer und derselben Geraden g die nämliche
Eigenschaft des sechsten Paares nicht mehrnach sich.
Die bisher verwendeten Hilfsmittel reichen auch aus, um
die Fälle zu diskutieren, wo nicht mehr sämtliche Ecken beider
Vierecke reell sind; auf die Aufzählung der einzelnen hiebei
auftretenden Möglichkeiten soll indessen verzichtet werden.
§ 5. Die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für die
V. Staudt'sche Lage zweier Vierecke.
Das Gesamtergebnis der bisherigen Entwicklungen war,
daß stets, wenn sich zwei eigentliche Vierecke einer Ebene in
V. Staudt'scher Lage befinden, sie auch ein Perspektivitäts-
zentrum P besitzen, und dieses zugleich ein Perspektivitäts-
zentrum der beiden Hauptdreiecke ist; wird im besondem das
692
W. Fr. Meyer,
letztere auf einer Geraden unbestimmt, so läuft diese durch P
hindurch.
Wir denken uns jetzt umgekehrt die Bedingungen der
Perspektivität beider Vierecke bereits erfüllt, so daß die Ver-
bindungsgeraden zugeordneter Ecken (i/'), (ifcjfe'), (//'), {mm^
durch einen und denselben Punkt P gehen, und fragen nach
einer weiteren* notwendigen und hinreichenden Bedingung für
das Eintreten der v. Staudt*schen Lage. Das Koordinatendreieck
sei vorderhand beliebig.
Sei P (a, &, c) das Perspektivitätszentrum der beiden Vier-
ecke; die Ecken iyk,l,fn des ersten Viereckes mögen die
Koordinaten a„ fe/, c, {i = i, k, /, m) besitzen, dann haben die
der zugeordneten Ecken i\ V, l', m' des zweiten Viereckes
Koordinaten von der Form aX/+ai, Z?X,-f-&i, rXj-f-c:,-.
Die Koordinaten der Geraden (P,i) = ^,-, d. s. die Determi-
a ^ c '
I , nennen wir «,, t;,, w,; die Koordi-
Ui bi Ci.
naten der Geraden g^c = (i, *), gU = (4 V) seien mit «,*, i;«, Wi»,
respektive w/^, t;^, fv%k bezeichnet, und endlich die ihres Schnitt-
punktes Pik mit Xikyyik, Zik.
Die »rt, i;/t, fUik sind die Determinanten der Matrix
Ui bi Ci
nanten der Matrix
Ä* bk Ck
, die «i/t, i;/jk, w/* diejenigen der Matrix
a \i -^ai, b "ki + bif cXi -f-r,-
ah+aky b\k+bky cXk-^c^
oder entwickelt:
Uik +X/%— Xjfe«,
t'i* +X,t;ik— Xtt;,
(49)
Hieraus erhält man die Koordinaten ^/ifejjv«, 2i* von P,*,
z. B. Xik',
Xik = X|
Vik Vk
fVik Wk
—h
Vik Vi
fVik Wi
1 Die in § 4 behandelten Fälle, wo eine weitere solche Bedingung über-
flüssig ist, bleiben, als erledigt, im folgenden ausgeschlossen.
Behandlung eines v. Staudt*schen Satzes.
693
oder, wenn man sich der Abkürzung bedient:
^ik =
b c
bi d
bk Ck
(50)
nach einfacher Umrechnung:
Xik = iiik(}^iak—\itai),
ya = ^ik(^ibjt—hbi)y
oder auch, da für eigentliche Vierecke A^^^O:^
^1* = h^k — ^k^i, yik = \bk — y^kbi, Zik =. hCk — ^*^j. (51)
Aus (51) ist unmittelbar ersichtlich, daß die Determinante
der Koordinaten von P,*, P«, Ph verschwindet, wie es sein
muß, da die Dreiecke (i, k, l) und (i', kf, l') perspektiv liegen.
Sei p^ die Perspektivitätsachse beider Dreiecke; versteht
man unter (kbc)ni die Determinante:
(kbc)
m
\i Xjfc X/
bi bt bi
Ci Ck Ci
(52)
so ergeben sich auf Grund von (51) die Koordinaten Um,Vm,Wm
von p^ als:
U„, = (kbcU V„, = (kcaU W„, = (kab)^. (53)
Bildet man daher die Determinante:
A =: li dby^iCikbiC
mj
(54)
so sind die Koordinaten Umy Vf„, W^ von p^ proportional den
ersten Minoren km, B,„, F,« der Elemente a^, &m, ^m von A, so
daß die Gleichung von p^ wird:
1 Es kann hn besonderen vorkommen^ dafl ein einzelnes der A^^^, z. B. A^q,
verschwindet, wenn nämlich die beiden Punktepaare (11')» (22') auf der näm-
lichen Geraden liegen. Von den übrigen A kann dann eventuell auch noch A34
verschwinden, während die vier verbleibenden A wieder von Null verschieden
sind. Die Schlufiweise des Textes wird dadurch nur unwesentlich modifiziert.
L^-i:
Pm =-
w.
Fr. Meyer,
X,-
\k h 0
Äi
ajt ai X
h
bk bi y
Ci
Ck Ci z
= 0.
(55)
Die Bedingungen des Zusammenfallens zweier Geraden
/*/. Pm bestehen in dem Verschwinden der Determinanten der
Matrix :
A, B, r,
A». B
= 0.
(56)
'fft
m
m
Nach einem elementaren Determinantensatz ist aber z. B.:
A; B; I ^ ^ X, \
'm
B
> = tiZik.
m
Ci Ck
(57)
Solange also A (54)4=0, ist der Schnittpunkt der Geraden
PhPm der Punkt P,* (51). In der Tat kommt ja bei beiden Drei-
eckspaaren (ikl)y {i'Ül^ und (ikm), (i'kfm') der Schnittpunkt
(ik), {i'V) z=z Pa vor.
Verschwindet aber A und nur dann, so wird der Schnitt-
punkt von irgend zweien der vier Dreiecksperspektivitäts-
achsen pi unbestimmt, d. h. diese vier Achsen fallen in eine
einzige, die Perspektivitätsachse p beider Vierecke, zusammen.
In der Tat gilt für A = 0:
A„,:B^:r« = A,:B/:r/ = A,:B*:r, = A/:B,:r, (58)
und die rechten Seiten (55) von pm, Ph Pk, Pi werden einander
proportional.
Gibt man dem Koordinatendreieck eine kanonische Lage,
so daß die Ecken x, ft, /, m die Einheitspunkte werden — also
das Koordinatendreieck das Hauptdreieck des ersten Vier-
eckes — nach dem Schema;
i
k
;
m
1
\
0
0
1
0
1
0
1
0
0
ii
(59)
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes. 695
SO nimmt A (54) den einfachen Wert an:
A = — X/+X»+X/-f.X^ (60)
und für A = 0 wird die Gleichung der Perspektivitätsachse p:
^(X/+X«)+>'(X^+X0+2(Xjk+X/) zz 0. (61)
Nunmehr werden die linken Seiten der Bedingungen auf-
gestellt, daß irgend drei der sechs Punkte P,* auf einer Geraden
liegen. Da der Typus (P,*, P/,-, P«) schon erledigt ist (die
betreffende Bedingung ist identisch erfüllt), so verbleiben noch
zwei Typen: (P,*, P,;, P,m) und (P,*, P/^, P/,).
Auf Grund von (51) kommt ohneweiters:
(P,*, P,v, Pim) = X?A; (62a)
(P^*, P/m, P//) = XA*A. (62 &)
Mit Rücksicht auf (57) und (62) gilt also der Satz:
IX. »Liegen zwei Vierecke (iklm), {i'VVtf^ einer
Ebene perspektiv, so daß die Verbindungsgeraden
(i»'), (ktf), (11% (mm') zugeordneter Ecken durch einen
und denselben Punkt P laufen, so ist für das Ein-
treten der V. Staudt'schen Lage notwendig und hin-
reichend, daß entweder irgend zwei der vier Perspek-
tivitätsachsen der Dreieckspaare (/*/), (i'kfl') u. s. f.
zusammenfallen oder daß von den sechs Punkten
Pii=:(ik),(i'kr) irgend drei Punkte des Typus Pik, Pu, Pim
oder aber des Typus Pik, Pimy Pn auf einer Geraden
liegen.
In allen drei Fällen ist dann die betreffende
Gerade die Perspektivitätsachse p beider Vierecke.«
Nunmehr schreiten wir zur Bedingung für die perspective
Lage beider Hauptdreiecke.
Behufs Kürzung der Rechnung bedienen wir uns der
kanonischen Lage (59) des Koordinatendreieckes, das zugleich
das erste, durch Oi*, O,/, 0,m bezeichnete Hauptdreieck dar-
stellt. Dann führt einfache Rechnung zu folgenden Tabellen.
696
W. Fr. Meyer,
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Ä ^ Ä '^ S-
^ r< f< ^ r<
+ + + + +
-^ ^ -^ CVJ C^l
II II II II II
698 W. Fr. Meyer,
SO daß zwischen den Ausdrücken ^k, ^i, \hn9 M die Relation
herrscht:
2 Af— ([i*+|t/-f-|tm) = 1, (64)
und berücksichtigt, daß durch gleichzeitige Vertauschung von
b mit c, X/ mit X,„ der Wert von c^ in den von yU übergeht
u. s. f., so gewinnt man für die bei der vorliegenden Frage
allein in Betracht kommenden Koordinaten jv/*, zU, z'u, x'n,
Xifn,y!m der Hauptecken Oä, O//, Olm die Werte:
yU = ^ic—b[Lk)'hb(kl^^Xnt)M
zfk = A(^ — cfi.*)+r(X/+X«)Af
x'ii =r A(r — a(i./)+a(X„+X;t)3f
x'un = Mb—a^n)+a(kk+h)M
y!,n = A(a— &[!,„)+& (Xt4-X;)Af
11
}
]
(65)
Die notwendige und hinreichende Bedingung für die
Perspektive Lage beider Hauptdreiecke wird geliefert durch das
Verschwinden des Ausdruckes P:
P = ^ik xhyL—yh zin xU . (66)
Dieser Ausdruck ist vom dritten Grade in A; wie man
jedoch sofort erkennt, verschwindet das freie Glied, so daß der
Faktor A heraustritt.
Damit ist zunächst von neuem der erste Teil des Satzes II
des § 2 bewiesen, daß sich bei der v. Staudtschen Lage zweier
Vierecke einer Ebene auch die beiden Hauptdreiecke in
perspektiver Lage befinden.
Weiter erhält man aus je zwei zusammengehörigen der
Gleichungen (65) durch Elimination von M:
cy!,-bz!, = ^(b^-c^,\
hxl^—ayU = A(a2— &2), > (67)
az't — cxli =: A(c:* — a^. ]
Bei der gewählten Lage des Koordinatendreieckes sind die
drei Differenzen b^ — c\ a^ — ?>*, c^ — a^ von Null verschieden.
Somit folgt aus (67) nicht nur der zweite Teil des Satzes II
des § 2, daß bei der v. Staudt'schen Lage zweier Vierecke
Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes.
699
deren Perspektivitätszentrum mit dem der beiden Hauptdreiecke
zusammenfällt, sondern auch der engere Satz:
X. »Für das Eintreten der v. Staudt'schen Lage
zweier Vierecke einer Ebene ist notwendig und hin-
reichend, daß einmal die Verbindungsgeraden zu-
geordneter Ecken durch ein Perspektivitätszentrum P
laufen, sodann, daß irgend eine einzelne der Ver-
bindungsgeraden zugeordneter Hauptecken durch P
geht«
Schließlich ist der ergänzende Satz für die gemeinsame
Perspektivitätsachse der Vierecke und ihrer Hauptdreiecke
abzuleiten. Dazu bedarf man noch der jeweiligen dritten
Koordinate ^/t,J///,«/m der Punkte 04, 0//, OL- Die Tabelle (Z>)
ist daher noch zu ergänzen durch die Werte (bei denen
wiederum der Faktor 2 unterdrückt ist):
Vik
Vltn
fVik
fVim
Vik
Vi
i mk wi
^Vi„,
Vi
^Im
fVi
= -4,
= 2a-f-fc — c,
= 2a— &— t:.
= — 2a+b—c,
= 2a+b + c.
(DO
Vik Vm
Wik W^
VlmVk
fVimn^k
Auf Grund von (49) und der Tabellen (-4), . . . (D^ gewinnt
man z. B. für Xijt die Darstellung:
—x!m = 4+2a(X.— Xft+X/+X,„)-f-(&+^)(X,-f-Xk— X/-f-X^)
-^a{a(X,— XA)(X/+X«)+&(X,X^+X*X/)+r(X,X,+X4X«)}. (68)
Hier ist der in geschweiften Klammern eingeschlossene
Faktor von a schon oben bei zU betrachtet worden ; er hat den
Wert A(l — fijk)-^-(Xjk-<-X«)(ilf — 2). Drückt man auch in dem
übrig bleibenden Teile der rechten Seite von (68) vermöge (60)
X,- durch A und X*, X/, X^ aus, so erfährt (68) die Umgestaltung:
—xlk = —^(a+b'^C'ha]l.k)+M{a(kl'hlm)'^2}. (680
Entsprechendes gilt für die yli^zltn* Setzt man noch zur
Abkürzung:
a-^b'hc = s, X,+X;„=:v*, X,„+X* = v;, X*-<-X/ = Vm, (69)
<650
700 W. Fr. Meyer, Behandlung eines v. Staudt'schen Satzes.
SO vervollständigt sich die Tabelle (65) zu der folgenden:
x' y'
Oll) A(c—a\ii)'ha^iM, — A(5+i?{t/)4-Jtf(&v/4-2),
0}m) ^(b—a\inn)'^ayfnMy £i(a'^b^m)+bVfnM,
z'
0!k) Mp—c^k)-^c^kM
Oll) A(fl — c^i)'^c^iM
OL) — A(5-f-c(t;^)+Af(cv,„+2).
Hieraus entnimmt man sofort die Gleichungen der Haupt-
geraden des zweiten Hauptdreieckes. Man hat z. B. für
(Oü, OL)'.
{Oh, OL): — :«^(6v/+^v^-h2)4-a>v/+a5v,n = 0. (70)
Der Schnittpunkt dieser Hauptgeraden mit der zugeordneten
(O//, 0,',„) i. e. X = 0 des ersten Hauptdreieckes bestimmt sich
somit durch: ^^^^^^ . = _v;. (71)
Dieser Punkt liegt aber auf der Geraden (61), d. i. der
Perspektivitätsachse beider Vierecke. Damit ist der Satz III
des § 2 von neuem bewiesen und zugleich vervollständigt.
XI. »Im Falle der v. Staudt'schen Lage zweier
Vierecke einer Ebene fällt die Perspektivitätsachse
der beiden Vierecke mit der der beiden Haupt-
dreiecke zusammen; es ist indessen bereits hin-
reichend, daß sich auf der als existierend voraus-
gesetzten Perspektivitätsachse beider Vierecke
irgend ein einzelnes Paar entsprechender Haupt-
geraden trifft.«
Im vorstehenden ist mit den einfachsten Hilfsmitteln ein die
V. Staudt'sche Lage zweier Vierecke einer Ebene unter Berück-
sichtigung aller besonderen Fälle beherrschender algebraischer
Apparat hergestellt.
Es sei dem Leser überlassen, hieraus weitere Eigenschaften
der für den Aufbau der projektiven Geometrie fundamentalen
Konfiguration abzuleiten.
701
üntersuehungen über radioaktive Substanzen.
(X. Mitteilung).
Ober die Zerfallskonstante von Radium D
von
Dr. Stefan Meyer und Dr. Egon Ritter v. Schweidler.
Aus dem Institut für theoretische Physik und dem II. physikalischen Institut der
k. k. Universität in Wien.
(Vorgelegt in der Sitzung am 2. Mai 1907.)
Über die Zerfallsgeschwindigkeit von Radium D, des
primären Bestandteiles des Radioblei, liegen bisher nur spärliche
Angaben vor. E. Rutherford* fand aus dem Vergleiche der
ß-Strahlung von RaC mit derjenigen von RblE (eigentlich RaJE2)
für die Halbierungskonstante des RaZ) zirka 40 Jahre, ein
Wert, an dem er noch in neuester Zeit* keine Änderung
angebracht hat. Wir fanden' aus dem Vergleiche der a-Strahlung
von RaC mit derjenigen von Polonium (RaF) den niedrigeren
Wert von zirka 24 Jahren, der bei Berücksichtigung der
verschiedenen ionisierenden Wirkung der beiden Strahlenarten
noch zu verkleinern gewesen wäre. Da aber die Versuchs-
bedingungen für diese Bestimmungen nicht gut vergleichbar
waren, maßen wir unserer Zahl kein entscheidendes Gewicht bei.
Wir sahen uns jedoch dadurch veranlaßt, der Frage weiter
nachzugehen, um unmittelbar nach beiden Methoden (Verhältnis
der a-Strahlungen und Verhältnis der ß-Strahlungen) direkt
vergleichbare Resultate zu erhalten.
1 E. Rutherford, Radioaktivity, 2. Aufl., p. 405 und 409 (1905); Phil,
mag. (VI), 8, p. 641 (1904).
2 E. Rutherford, Phil. mag. (VI), 13, p. 112 (1907).
3 St. Meyer und E. v. Schweidler, diese Sitzungsberichte, US, IIa,
709 (1906).
702 St Meyer und E. v. Schweidler,
Theorie der Versuche.
In einem abgeschlossenen Räume» dessen Gehalt an
Radiumemanation konstant sei, werde ein Körper durch eine
Zeit A aufbewahrt, dann aus diesem Räume entfernt und auf
seine Aktivität geprüft. Bereits wenige Stunden nach dem
Beginne der Expositionszeit befindet sich auf der Oberfläche
des Körpers eine Menge von Ra C, die mit Q bezeichnet werden
soll und die weiterhin bis zum Herausnehmen des Körpers aus
dem emanationshaltigen Räume konstant bleibt.
Bezeichnet t die mittlere Lebensdauer des nächstfolgenden
Umwandlungsproduktes, Rai), so ist inzwischen eine Menge
von RslD gebildet worden, die gegeben ist durch
-A A
D^ =. -Doo(l — ^ 0 = annähernd Dqo ,
t
wenn A klein gegen t ist. [Die Abweichung des Näherungswertes
/A\2
ist von der Größenordnung I — 1 ]. Doo bezeichnet dabei jene
Menge von RaZ), die bei unendlich langer Expositionszeit
gebildet würde, also mit der Menge Q von Radium C im
radioaktiven Gleichgewichte steht.
Ist A zugleich groß gegen die mittlere Lebensdauer von
Ra£ (beziehungsweise RslE^ und RaJSs), so kann die Menge
dieses Produktes E^, die sich in der Zeit A gebildet hat, auf-
gefaßt werden als mit der Menge D^ im Gleichgewicht stehend.
Bezeichnet man weiters mit £oo jene Menge, die mit Dqo und
daher auch mit Cq im Gleichgewichte stehen würde, so ist
£a = — jBoo.
Für Polonium (Ra.F) ist infolge seines langsameren
Zerfalles eine analoge Annahme nicht mehr zulässig. Zur
Zeit A ist eine Menge Fi gebildet, die gegeben ist durch die
Formel:
Fl = Fi[l--
g-yy
XA
Untersuchungen über radioaktive Substanzen. 703
Hierin ist wieder F^ jene Menge, die mit D\ im Gleich-
gewicht stünde; X die Zerfallskonstante von Polonium (RaF).
[Für die Halbierungskonstante des Polonium HC=i 138-6 Tage,
die dem gefundenen Mittelwerte sehr nahe liegt,* wird X gerade
gleich 5*00. 10~' ]. Man erhält diese Formel, indem man
Tage
unter Vernachlässigung der kurzlebigen Zwischenphasen Ra£^
und RaE^, die aus der nahezu linear ansteigenden Menge
Doo
Dt = 1 gebildete Menge F' gleichsetzt:
A
und
-P
Fi= l a — - e-^(^-'>dt
/'i = -f Z)i.
Jene Menge, die mit Dqo und Q im Gleichgewicht steht,
ist dann — F^=: Foo-
A
Es sind also Q, Dqo, ^oo und Foo die Mengen der
aufeinanderfolgenden Zerfallsprodukte, die im Verhältnisse des
radioaktiven Gleichgewichtes stehen würden.
Tatsächlich sind am Ende der Expositionszeit A vorhanden
die Mengen:
von Radium C Q
A
D Z>A=— Z>oo
r
• » E E^ = — E
A ^
X
»
t V XA /
Nach Beendigung der Expositionszeit A sinkt dann die
Menge von RaCab nach der Curie-Danne'schen Formel,* D und
1 Vcrgl. st Meyer und E. v. Seh weidler, Jahrb. der Radioaktivität und
Elektronik, III, 394 (1007).
2 Vergl. den Anhang.
Sitsb. d. mathem.-natunft'. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 47
704 St. Meyer und E. v, Schweidler,
damit E bleiben praktisch konstant, F steigt infolge Nach-
erzeugung noch langsam an.
Geht man von der vereinfachten Annahme aus, daß die
verschiedenen radioaktiven Substanzen für den Zerfall jedes
Atomes bei gleicher Strahlenart (a-, respektive ß-Strahlung) die
gleiche ionisierende Wirkung hervorbringen, mit anderen
Worten, daß die verschiedenen Umwandlungsprodukte im
radioaktiven Gleichgewichte die gleiche Strahlungsintensität, /,
besitzen, so folgt aus obigen Formeln :
MC,)=-^ME,) oder t^aÄI
und
MC,)=--MF,) oder ^ = ^^^.
Berücksichtigt man aber, daß je ein a-, beziehungsweise
ß-Partikel je nach der Anfangsgeschwindigkeit, die bei den
verschiedenen Substanzen verschieden ist, auch eine ver-
schiedene Anzahl von Ionen erzeugt, so gehen die Formeln
über in:
-'' Jp(£).*(p,C)~ Ja{F),k{aL,Cy
wobei k die Anzahl der Ionen bezeichnet, die je ein Partikel
(a oder ß) der betreffenden Substanz im Versuchsraum erzeugt.
j
— ist dann die Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenden
k
Atome.
Für die a-Strahlung läßt sich nun diese Korrektur leicht
durchführen, wenn man dem Versuchsraum, in dem die ioni-
sierende Wirkung der Strahlen gemessen wird, derartige
Dimensionen gibt, daß die a-Strahlen vollkommen in der Luft
absorbiert werden. Aus der von Mc Clung^ angegebenen
Kurve für die lonisierungsstärke der a- Strahlen des RaC
(Range = zirka 7 cm) in verschiedener Entfernung von der
1 Mc Clung, Phil. mag. (VI), 11, p. 131 (1906).
Untersuchungen über radioaktive Substanzen. 705
Strahlenden Oberfläche und der übereinstimmenden Angabe
verschiedener Autoren, daß der Range der Poloniumstrahlen
4 cm betrage, berechnet sich auf graphischem Wege das Ver-
hältnis:
k (a, C) 26 • 1
Der nach der ersten vereinfachten Methode gefundene
Wert wird also hier durch die Anwendung der exakteren Formel
verkleinert.
Bei der ß- Strahlung dagegen ist diese Rechnung praktisch
kaum durchführbar. Da nämlich die ß-Strahlung im Versuchs-
raum nur teilweise absorbiert wird, ist k abhängig von den
Dimensionen dieses Raumes und bei gegebenen Dimensionen,
falls diese nicht sehr groß sind, größer für eine weiche als für
eine harte ß-Strahlung. Da nun RslE eine relativ sehr weiche,
hingegen RaC eine harte ß-Strahlung aussendet, wird die
exaktere Formel zu einem höheren Werte der mittleren Lehens-
dauer führen als die vereinfachte erste Formel. Eine genauere
Berechnung des Verhältnisses der beiden k scheitert aber daran»
daß die ß-Strahlung von RaC nicht homogen ist, also keinen
definierten Absorptionskoeffizienten besitzt. Ferner ist zu be-
rücksichtigen, daß an der beobachteten ionisierenden Wirkung
auch die an den Wänden des Versuchsgefößes durch die
ß-Strahlung erzeugten Sekundärstrahlen in einem nicht ab-
schätzbaren Betrage beteiligt sind, endlich daß nach den
neueren Untersuchungen die ß-Strahlung von RslB nicht voll-
kommen vernachlässigt werden darf.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich von vornherein, daß
die auf die Messung der a-Strahlen von RaC und Rai*
gegründete Berechnung zu verläßlicheren Werten füi
die mittlere Lebensdauer von RslD führt als diejenige
die auf die Messung der ß-Strahlen von RaCund RaE'g
gegründet ist.
Versuchsergebnisse.
Im geschlossenen Gefäße, zusammen mit zirka O'bg
Radium-Bariumbromid ('schätzungsweise zirka G07o Radium-
4"*
I •
706 St. Meyer und E. v. Schweidler,
bromid, 40% Bariumbromid) wurde ein Platinblech durch eine
Expositionszeit A =: 263 • 6 Tage aufbewahrt.
Nach dem Herausnehmen aus dem AktivierungsgefäO
wurde das Platinblech in drei Stücke I, II, III zerschnitten, und
zwar unter Anwendung größtmöglicher Vorsicht, damit hiebe!
nicht auf mechanischem Wege ein Verlust des an der Ober-
fläche niedergeschlagenen radioaktiven Belages eintrete. I wurde
unbedeckt bezüglich seiner Gesamtstrahlung, III in dreifacher
Umhüllung von Stanniol (Gesamtdicke = 0*0318 mw Sn) be-
züglich seiner ß-Strahlung untersucht; II diente bloß zu Kontroll-
versuchen; seine Gesamtstrahlung war ungefähr die gleiche
wie die von I, seine ß-Strahlung ebenso ungefähr gleich der
des Stückes III. Aus den beiden Werten folgte, daß bei Ver-
suchsstück I die ß-Strahlung gegenüber der Gesamtstrahlung
vernachlässigt werden konnte.
Bei der großen Intensität der vorhandenen Strahlung
konnte zu ihrer Messung eine galvanometrische Methode an-
gewendet werden; für die hohen Anfangswerte der qt-Strahlung
bei Stück I wurde direkt der Dauerausschlag des Galvano-
meters (1 Pars = 3'31 . 10~*® Ampere) beobachtet bei einer
Spannung von zirka 1500 Volt, die nach Kontroll versuchen
ausreichte, um Sättigungsstrom zu erzielen. Die kleineren
Werte des Stromes für die a-Strahlung von I, nach dem Ver-
schwinden von Ra C sowie diejenigen für die ß-Strahlung von
Stück III wurden nach einer ballistischen Methode bestimmt.
Der Strom führte durch eine gemessene Zeit einem Glimmer-
kondensator von I Mikrofarad Kapazität und zu vernachlässi-
gender Leitung und Rückstandsbildung eine Ladung zu, die dann
durch das Galvanometer entladen und durch den ballistischen
Ausschlag gemessen wurde (ballistisch 1 Pars = 13-9. 10"^**
Coulomb).
Die unmittelbaren Ergebnisse der Messung waren die
folgenden:
1 . a-Strahlung von Stück I.
Wird die Zeit t vom Moment der Entnahme aus dem
Aktivierungsgefäß gerechnet, so war:
Untersuchungen über radioaktive Substanzen. 707
für / = 23 Minuten 7 = 227 Partes
60 » 131
120 » 40
>24 Stunden 2-95
Indem man diesen Restwert gleich der Strahlung von Fi
setzt und mittels der Curie-Danne'schen Kurve (vergl. die
Tabelle des Anhanges) aus den ersten drei Werten den Betrag
der Ra C-Strahlung für /=:0 extrapoliert, erhält man
Co = 253, beziehungsweise 256 und 264; im Mittel: 257.
Femer findet man:
1 Fi
1 ^-XA 0'44o
1
XA
und daraus nach der ersten vereinfachten Annahme gleicher
ionisierender Wirkung der verschiedenen Produkte die mittlere
Lebensdauer:
t = A ^ = 10270 Tage = 28- 1 Jahre
und daraus die Halbierungskonstante HC = 19' 5 Jahre.
Unter Berücksichtigung der geringeren ionisierenden
Wirkung der Polonium (RaF) Strahlung und Einsetzung des
oben erwähnten Faktors 0'631 erhält man endlich den ver-
kleinerten Wert
t= 17-2 Jahre
/ifC=ll-9Jalire.
2. ^Strahlung von Stfick III.
Die Intensität der ß-Strahlung (in anderen Einheiten wie
die der «-Strahlung der vorhergehenden Messungsreihe aus-
gedrückt) ergab sich:
für / = 80 Minuten 7=150
für / > 24 Stunden J = 060.
708 St. Meyer und E. v. Schweidler,
Daraus bestimmt sich:
Q = 42-7
Ex= 0-60
und weiters
T zzz 18790 Tage = 51 -5 Jahre
//C = 35-7 Jahre.
Diese Zahl stimmt gut überein mit der nach gleicher
Methode erhaltenen E. Rutherford's (zirka 40 Jahre). Die
Korrektion für die verschiedene ionisierende Wirkung der RaC-
und RaJSg-Strahlung kann, wie oben erwähnt, praktisch nicht
durchgeführt werden, hätte aber die Tendenz, den gefundenen
Wert zu vergrößern.
Wie sich hieraus ergibt, besteht also eine be-
deute n de, die Be ob ach tu ngs fehler weit übersteigende
Differenz zwischen den Werten der mittleren Lebens-
dauer, beziehungsweise den Halbierungskonstanten
von Radium Z), die man aus dem Vergleich der a-Strah-
lungen und die man aus dem der ß-Strahlungen
erhält.
Auf Grund der oben ausgeführten Überlegungen halten
wir die aus der a-Strahlung abgeleiteten Resultate für die
zuverlässigeren.
Daß die Methode der Vergleichung der ß-Strahlungen zu
einem zirka dreimal so großen Werte führt, ist möglicherweise
in folgenden Umständen begründet:
Der Rechnung liegt die Voraussetzung zu Grunde, daß
RaCein einheitlicher Körper sei; wenn aber im sogenannten
RaC zwei oder mehr ß-strahlende, in der Umwandlungsreihe
aufeinanderfolgende Zerfallsprodukte vorhanden wären, so
müßte auch der gefundene Wert für die mittlere Lebensdauer
des RslD sich im Verhältnis zum richtigen Werte verdoppeln,
beziehungsweise vervielfachen. Für eine solche Annahme
sprechen nun in der Tat auch anderweitige Gründe.
Während im allgemeinen für eine bestimmte radioaktive
Substanz Gleichartigkeit der von ihr ausgesandten Strahlen
beobachtet wurde, ist die ß-Strahlung von RaC komplex und
Untersuchungen über radioaktive Substanzen, 709
nach H. W. Schmidt^ in zwei homogene Strahlengruppen mit
bestimmten Absorptionskoeffizienten zerlegbar; dies macht
auch eine komplexe Natur der strahlenden Substanz selbst
wahrscheinlich. Zu einer analogen Annahme gelangt auch
E. Rutherford^ auf Grund der Beziehungen zwischen der
Zerfallsgeschwindigkeit der radioaktiven Stoffe und der Anfangs-
geschwindigkeit der von ihnen ausgesendeten a-Partikeln.
Wird also tatsächlich die ß-Strahlung von Ra£ mit der von
zwei oder (unter Hinzurechnung der Strahlung von RaB) drei
Zerfallsprodukten verglichen, so ist das Auftreten eines
Multiplums des richtigen Wertes erklärlich.
Eine Bestätigung unserer Annahme, daß der kleinere Wert
für die Halbierungskonstante des RaD der richtige sei, lieferten
Beobachtungen über die Änderungen der a-Aktivität alter
Präparate, in denen RajPaus RaZ> nacherzeugt wurde.
Denkt man sich zur Zeit t z^O eine Menge Dq von RaZ?
abgetrennt, so wird das daraus entwickelte Quantum von RaF
als Funktion der Zeit dargestellt durch die Formel:
F erreicht ein Maximum zur Zeit:
/- r= ^' log^
Q.p — \d) log e \d
E. Ruther ford^ berechnet J zu 2-6 Jahren = 949 Tagen
unter der Annahme HC=z 40 Jahre. Setzt man aber HC= 12 J,
so wird 7= 714 Tage.
Eine Eisenplatte, die im Jahre 1905 durch einige Wochen
in Radiumemanation aktiviert worden war, zeigte folgenden
zeitlichen Gang ihrer a-Aktivität:
1 H. W. Schmidt, Ann. d. Phys. (4) 21, 611 (1906).
2 E. Rutherford, Phil. Mag. (6), Jänner 1907, p. 116.
3 E. Rutherford-Aschkinass, Die Radioaktivität, p. 421 (1907).
710 St Meyer und E. v. Schweidler,
21. Juni 1905 J z=i 3-75 ^
Minuten
27. Juni 1905 4-13
23. Oktober 1905 8-50
7. April 1906 11-58
7. Jänner 1907 12-93
28. April 1907 12*50
Durch Extrapolation berechnet sich der Zeitpunkt, für
welchen J= 0 ist, zu 40 Tage vor dem Beginne der Messungen
gelegen (also 12. Mai 1905). Am 28. April 1907, also 717 Tage
später, ist das Maximum bereits überschritten. Mit dem oben
aus der Halbierungskonstante von 12 Jahren berechneten
Werte r=714 Tage steht dieses Resultat in guter Über-
einstimmung.
Eine Bleiplatte, die im Mai 1905 in heißer Lösung von
Radiobleichlorid aktiviert worden war/ zeigte einen analogen
Gang; die zunächst ansteigende a-Aktivität hat bereits ihr
Maximum überschritten, so daß wieder r< 2 Jahre ist.
Für eine genaue Bestimmung der HC des RaZ) ist diese
Methode der Beobachtung des Maximums des entwickelten
RaF nicht sehr geeignet, einerseits, da bei der langsamen zeit-
lichen Änderung die Lage des Maximums nicht scharf fest-
zustellen ist, andrerseits, weil beträchtliche Variationen des
Wertes für HC die Zahl T relativ wenig verändern (für
ifC = 10 Jahre: r=680Tage; für i?C = 12 Jahre: 7=714
Tage; für ifC= 15 Jahre: 7=754 Tage). Immerhin aber
ergeben diese Messungsreihen, daß die Halbierungskonstante
des RaZ? von der Größenordnung 10 bis 12 Jahre ist, und
bestätigen so die Richtigkeit der aus der a-Strahlung abgeleiteten
Resultate.
Zusammenfassung der Resultate.
Die Halbierungskonstante von RaZ> läßt sich berechnen,
indem man an einem in Radiumemanation aktivierten Körper
entweder 1. die auf RaC und auf Polonium (Rajp) entfallenden
1 St. Meyer und E. v. Schweidler, diese Sitzungsberichte, 114, IIa,
1202 (1905).
Untersuchungen über radioaktive Substanzen. 7 1 1
Beträge der a -Aktivität oder 2. die auf RaC und auf Ra£
entfallenden Beträge der ß-Aktivitäten vergleicht. Die darauf
bezüglichen Formeln wurden abgeleitet. Ferner wurde gezeigt,
in welcher Weise die verschiedene ionisierende Wirkung der
einzelnen Strahlenarten die Resultate beeinflußt. Die daraus
sich ergebenden Korrektionen wurden für die a- Strahlung
von RaC und Rai^ numerisch durchgeführt, während für die
ß-Strahlungen infolge von Komplikationen, die durch Sekundär-
strahlen, Inhomogenität der Strahlung des RaC etc. bedingt
sind, diese praktisch undurchführbar erscheinen.
An einem durch 263 • 6 Tage über einem starken Radium-
präparat aktivierten Platinblech wurden durch direkte galvano-
metrische Bestimmungen der a-, beziehungsweise ß -Aktivität
folgende Werte für die Halbierungskonstante von Rai9 ge-
funden:
1. aus a- Strahlung unkorrigiert 19 "5 Jahre, korrigiert
11-9 Jahre;
2. aus ß-Strahlung unkorrigiert 35*7 Jahre, korrigiert
größer als 35 • 7 Jahre.
Die Nichtübereinstimmung der nach beiden Me-
thoden erhaltenen Werte ist erklärbar unter der An-
nahme, daß RaCkein einheitlicher Körper sei, sondern
aus zwei aufeinanderfolgenden, ß-strahlenden Pro-
dukten bestehe und eventuell auch die Strahlung
von Ra.B zu berücksichtigen sei.
Der Wert, der sich nach der ersten Methode ergibt,
erscheint demnach als der verläßlichere.
Er findet eine weitere Stütze in Beobachtungen über den
zeitlichen Gang der Entwicklung von Ra^F und RaZ). Nach
der Theorie würde ein Maximum der Aktivität erreicht nach
949 Tagen für HC =40 Jahre, nach 7 1 4 Tagen für HC =12 Jahre.
Tatsächlich wurde in zwei Fällen beobachtet, daß das Maximum
zu einer Zeit von 700 Tagen schon überschritten ist.
712 St. Meyer und E. v. Schweidler,
A n h a n gf •
Da die zuerst von P. Curie und J. Danne^ berechnete
Kurve für die Abklingung der induzierten Radiumaktivität viel-
fach für Reduktionen herangezogen werden muß, mit Rücksicht
auf die neueren Konstantenbestimmungen für den Zerfall von
RaAf Ra5 und RaC aber einer Rektifikation bedarf, geben wir
im folgenden eine auf Grund der von F. v. Lerch^ bestimmten
Halbierungskonstanten berechnete Tabelle für den zeitlichen
Abfall der Aktivität von RaC nach unendlich langer Exposi-
tionszeit in Radiumemanation.
Die Theorie ergibt die Formel: '
=q{
.-.'II- "^ ■ ^^
(a-ß)(Y-ß) (a-ß)(T-a)
-»-
(a-ß) (T-P) ^ (a-ß)(a-Y)/ '
worin C die Menge des zur Zeit t vorhandenen RaC, Cq die-
selbe zur Zeit /=zO; a, ß und y die Zerfallskonstanten von
RaA, RslB, RaC sind.
Der Berechnung liegen zu Grunde die Annahmen für die
Zerfallskonstanten, respektive die Halbierungskonstanten:
a=zO-2310 ! ;HC= 3-0 Minuten für Ra^
Minuten
ß 3=0-02596 » ;HC= 26-7 » * RslB
Yi=0-03555 » ; HC= 19'0 » » RaC.
Daraus ergibt sich :
C
Q
= — ^-T'. 3 -19935 -h^J^'. 4 -17632 +^-«'. 0-023029.
Das dritte Glied hat nach 10 Minuten den Wert von
0-00229, nach 20 Minuten 0-00023, nach 30 Minuten 0-00002.
ist also praktisch schon nach kurzer Zeit zu vernachlässigen.
1 P. Curie und J. Danne, C. r., 136, 364 (1903); vergl. auch H. W.
Schmidt, Ann. d. Phys. (I\0, 21, 620, 628 (1906).
2 F. V. Lerch, diese Sitzungsberichte, HS, IIa, 197 (1906).
Untersuchungen über radioaktive Substanzen.
713
Abklingung des Radium C
Minuten
C
t
Minuten
'0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
70
80
90
100
110
120
130
140
150
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00000
99686
98156
95298
91376
86701
81552
76152
70672
65243
599 öS
54883
50064
41291
33724
27327
21999
17615
14039
11145
OSSI 9
06959
160
170
180
190
200
210
220
230
240
250
260
270
280
290
300
310
320
330
340
350
360
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
05477
04301
03371
02638
02061
01608
01254
00976
00758
00590
00458
00355
00276
00214
00166
00129
00099
00077
00060
00046
00035
7T5
Änderung des Peltiereffektes Ni-Cu zwischen
20 und 800* C.
von
Karl Rziha.
Aus dem physikalischen Institut der k. k. deutschen Universität in Prag.
(Mit 3 Textflguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 26. April 1907.)
Die vorliegende Arbeit hat die Aufgabe, die Abhängigkeit
des Peltiereffektes eines Ni-Cu-Elementes von der Temperatur
festzustellen.
Der Verlauf der thermoelektromotorischen Kraft eines
solchen Elementes wurde schon zu wiederholten Malen unter-
sucht und es hatte sich gezeigt, daß dieselbe nicht proportional
der Temperatur ansteigt. Die thermoelektromotorische Ge-
schwindigkeit ändert sich vielmehr entsprechend den zwei
Knickungen der Ni-Linie im Tait*schen Diagramm bei zirka
230 und 360'' C. In der vorliegenden Arbeit nun handelt es sich
vor allem darum, zu untersuchen, ob auch die Kurve für den
PeltiereflFekt den Änderungen der thermoelektromotorischen
Geschwindigkeit entsprechende Änderungen erfährt.
Die Methode der Untersuchung, bei der es besonders
darauf ankam, durch Bestimmung vieler Punkte die thermo-
elektromotorische Kraft, den Peltiereffekt und die Temperatur
möglichst gleichzeitig zu messen, schloß sich im allgemeinen
an die seinerzeit von E. Bausenwein^ bei Bestimmung
der Abhängigkeit des Peltiereffektes von Fe-Cu, Fe-Ag und
1 E. Bausenwein, diese Sitzungsberichte, Bd. 113, Abt. IIa, p. 663,
und Bd. 114, Abt. IIa, p. 1625.
704 St Meyer und E. v. Schweidler,
damit E bleiben praktisch konstant, F steigt infolge Nach-
erzeugung noch langsam an.
Geht man von der vereinfachten Annahme aus, daß die
verschiedenen radioaktiven Substanzen für den Zerfall jedes
Atomes bei gleicher Strahlenart (a-, respektive ß-Strahlung) die
gleiche ionisierende Wirkung hervorbringen, mit anderen
Worten, daß die verschiedenen Umwandlungsprodukte im
radioaktiven Gleichgewichte die gleiche Strahlungsintensität, J,
besitzen, so folgt aus obigen Formeln :
J^(C,)=-^ME,) oder , = ^:^^
und
MC,) = ^MF,) oder t^A^yft-
Berücksichtigt man aber, daß je ein a-, beziehungsweise
ß-Partikel je nach der Anfangsgeschwindigkeit, die bei den
verschiedenen Substanzen verschieden ist, auch eine ver-
schiedene Anzahl von Ionen erzeugt, so gehen die Formeln
über in:
Jp(C).fe(ß,£)__ Ja(C).fe(a,F)
- "^ ME),k(?, C) "" Ja(F).k(a, C) '
wobei k die Anzahl der Ionen bezeichnet, die je ein Partikel
(a oder ß) der betreffenden Substanz im Versuchsraum erzeugt.
j
— ist dann die Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenden
k
Atome.
Für die a-Strahlung läßt sich nun diese Korrektur leicht
durchführen, wenn man dem Versuchsraum, in dem die ioni-
sierende Wirkung der Strahlen gemessen wird, derartige
Dimensionen gibt, daß die a-Strahlen vollkommen in der Luft
absorbiert werden. Aus der von Mc Clung^ angegebenen
Kurve für die lonisierungsstärke der a- Strahlen des RaC
(Range z= zirka 7 cm) in verschiedener Entfernung von der
1 Mc Clung, Phil. mag. (VI), 11, p. 131 (1906).
Untersuchungen über radioaktive Substanzen. 705
Strahlenden Oberfläche und der übereinstimmenden Angabe
verschiedener Autoren, daß der Range der Poloniumstrahlen
4 cm betrage, berechnet sich auf graphischem Wege das Ver-
hältnis:
k(ai,F) 16-0
k(ji,C) 26-1
= 0-613.
Der nach der ersten vereinfachten Methode gefundene
Wert wird also hier durch die Anwendung der exakteren Formel
verkleinert.
Bei der ß- Strahlung dagegen ist diese Rechnung praktisch
kaum durchführbar. Da nämlich die ß-Strahlung im Versuchs-
raum nur teilweise absorbiert wird, ist k abhängig von den
Dimensionen dieses Raumes und bei gegebenen Dimensionen,
falls diese nicht sehr groß sind, größer für eine weiche als für
eine harte ß-Strahlung. Da nun Ra£ eine relativ sehr weiche,
hingegen RaC eine harte ß-Strahlung aussendet, wird die
exaktere Formel zu einem höheren Werte der mittleren Lehens-
dauer führen als die vereinfachte erste Formel. Eine genauere
Berechnung des Verhältnisses der beiden k scheitert aber daran*
daß die ß-Strahlung von RaC nicht homogen ist, also keinen
definierten Absorptionskoeffizienten besitzt. Ferner ist zu be-
rücksichtigen, daß an der beobachteten ionisierenden Wirkung
auch die an den Wänden des Versuchsgefäßes durch die
ß-Strahlung erzeugten Sekundärstrahlen in einem nicht ab-
schätzbaren Betrage beteiligt sind, endlich daß nach den
neueren Untersuchungen die ß-Strahlung von RaB nicht voll-
kommen vernachlässigt werden darf.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich von vornherein, daß
die auf die Messung der a-Strahlen von RaC und Rai*
gegründete Berechnung zu verläßlicheren Werten füi
die mittlere Lebensdauer von RaZ) führt als diejenige
die auf die Messung der ß-Strahlen von RaCund RaSg
gegründet ist.
Versuehsergebnisse.
Im geschlossenen Gefäße, zusammen mit zirka 0-5^
Radium-Bariumbromid (schätzungsweise zirka 607o Radium-
47*
704 St. Meyer und E. v. Seh weidler,
damit E bleiben praktisch konstant, F steigt infolge Nach-
erzeugung noch langsam an.
Geht man von der vereinfachten Annahme aus, daß die
verschiedenen radioaktiven Substanzen für den Zerfall jedes
Atomes bei gleicher Strahlenart (a-, respektive ß-Strahlung) die
gleiche ionisierende Wirkung hervorbringen, mit anderen
Worten, daß die verschiedenen Umwandlungsprodukte im
radioaktiven Gleichgewichte die gleiche Strahlungsintensität, 7,
besitzen, so folgt aus obigen Formeln :
J^(C,)=^ME,) oder t^aÄI
und
MCo) = ^Ja(F,) Oder z = ^:^^.
Berücksichtigt man aber, daß je ein a-, beziehungsweise
ß-Partikel je nach der Anfangsgeschwindigkeit, die bei den
verschiedenen Substanzen verschieden ist, auch eine ver-
schiedene Anzahl von Ionen erzeugt, so gehen die Formeln
über in:
" Jß(£) .*(ß, C) ~ Ja(F).k(aL, C) '
wobei k die Anzahl der Ionen bezeichnet, die je ein Partikel
(a oder ß) der betreffenden Substanz im Versuchsraum erzeugt.
j
— ist dann die Anzahl der pro Zeiteinheit zerfallenden
k
Atome.
Für die a-Strahlung läßt sich nun diese Korrektur leicht
durchführen, wenn man dem Versuchsraum, in dem die ioni-
sierende Wirkung der Strahlen gemessen wird, derartige
Dimensionen gibt, daß die a-Strahlen vollkommen in der Luft
absorbiert werden. Aus der von Mc Clung^ angegebenen
Kurve für die lonisierungsstärke der a- Strahlen des RaC
(Range r= zirka 7 cm) in verschiedener Entfernung von der
1 Mc Clung, Phil. mag. (VI), 11, p. 131 (1906).
Untersuchungen über radioaktive Substanzen. 705
Strahlenden Oberfläche und der übereinstimmenden Angabe
verschiedener Autoren, daß der Range der Poloniumstrahlen
4 cm betrage, berechnet sich auf graphischem Wege das Ver-
hältnis:
k(ai,F) _ 16-0 _
ife(a,C) ""26-1
0-613.
Der nach der ersten vereinfachten Methode gefundene
Wert wird also hier durch die Anwendung der exakteren Formel
verkleinert.
Bei der ß-Strahlung dagegen ist diese Rechnung praktisch
kaum durchführbar. Da nämlich die ß-Strahlung im Versuchs-
raum nur teilweise absorbiert wird, ist k abhängig von den
Dimensionen dieses Raumes und bei gegebenen Dimensionen,
falls diese nicht sehr groß sind, größer für eine weiche als für
eine harte ß-Strahlung. Da nun RaE eine relativ sehr weiche,
hingegen RaC eine harte ß-Strahlung aussendet, wird die
exaktere Formel zu einem höheren Werte der mittleren Lehens-
dauer führen als die vereinfachte erste Formel. Eine genauere
Berechnung des Verhältnisses der beiden k scheitert aber daran^
daß die ß-Strahlung von RaC nicht homogen ist, also keinen
definierten Absorptionskoeffizienten besitzt. Ferner ist zu be-
rücksichtigen, daß an der beobachteten ionisierenden Wirkung
auch die an den Wänden des Versuchsgefäßes durch die
ß-Strahlung erzeugten Sekundärstrahlen in einem nicht ab-
schätzbaren Betrage beteiligt sind, endlich daß nach den
neueren Untersuchungen die ß-Strahlung von RaS nicht voll-
kommen vernachlässigt werden darf.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich von vornherein, daß
die auf die Messung der a-Strahlen von RaC und Rai*
gegründete Berechnung zu verläßlicheren Werten füi
die mittlere Lebensdauer von RaZ) führt als diejenige
die auf die Messung der ß-Strahlen von RaCund RrE^
gegründet ist.
Versuchsergebnisse.
Im geschlossenen Gefäße, zusammen mit zirka 0*5^
Radium-Bariumbromid (schätzungsweise zirka 607o Radium-
47*
720
K. Rziha,
Fe-Kon
10-3 Volt
Temperatur
in
Celsiusgraden
Cu-Ni,
willkürliches Mafi
T. E. K.
n
21-74
428
26-08
914
22-26
447
26-86
9-53
24-10
473
28-64
10-21
25-75
490
30-61
11-02
28-41
546
34-24
11-57
30-23
584
35-8
12-05
35-50
650
42-46
13-58
43-34
770
53 - 02
13-23
44-75
800
55-49
11-43
Die erste Vertikalreihe enthält die Werte der Thermo-
spannung zwischen Fe-Kon in Millivolt. Diese Werte liefern
aus der p. 7 1 8 zitierten Tabelle die entsprechenden Temperaturen
in Celsiusgraden, welche in der zweiten Reihe stehen. Die
dritte Kolumne unter T.E.K. enthält die beobachteten Galvano-
meterausschläge der Thermospannung Cu-Ni bei der ent-
sprechenden Temperatur der einen Lötstelle Ni-Cu, während
die zweite Lötstelle Cu-Ni desselben Stromkreises auf Zimmer-
temperatur (IS"* C.) gehalten wurde, in Teilstrichen der Skala.
Die vierte Kolumne gibt die Werte des Peltierefifektes ebenfalls
in Teilstrichen der Skala; die beiden letzten Maße sind also
willkürlich.
Die diesen gefundenen Werten entsprechende graphische
Darstellung zeigt Fig. 3.
Die Abszissenachse gibt die Temperaturen in Celsius-
graden, die Ordinaten geben die thermoelektromotorische Kraft
und den Peltiereffekt in willkürlichen, voneinander unabhängigen
Maßen.
Was nun die Thermokurve anlangt, so zeigt sie bei den
Temperaturen von zirka 250 und 350** C. die den Umkehrungen
der Nickellinie des Tait'schen Diagrammes entsprechenden
Knickungen, zwischen diesen beiden Punkten und außerhalb
Änderung des Peltiereflfektcs.
721
derselben verläuft sie vollkommen geradlinig. Eine dritte
Knickung wurde nicht beobachtet.
Die Kurve des Peltierefifektes steigt zunächst an bis zu
der ersten Knickung der Thermokurve bei zirka 250° C.
Dieser Teil der Kurve, nach rückurärts verlängert, schneidet die
Abszissenachse entsprechend der Theorie bei — 273° C. Von
250** C. an fallt sie dann wieder, und zwar etwas steiler ab bis
zur zweiten Knickung der Thermokurve bei zirka 350° C, um
dann wieder geradlinig anzusteigen. Die letzten zwei Beob-
achtungen bei 770 und 800° bedingen zwar noch eine dritte
«00 ÜOO «oo
TeiHfteratur im frlsiasgraden/
Fig. 3.
Umkehrung, doch scheinen mir diese beiden Punkte sehr
unzuverlässig zu sein, da infolge der bereits sehr starken Oxy-
dation der dünnen Fe-Drähte die Leitungsfähigkeit derselben
beträchtlich herabgemindert wurde. Übrigens zeigt auch die
Thermokurve keine entsprechende Knickung.
Auf große Genauigkeit kann die angewendete Methode
zwar keinen Anspruch erheben, da besonders zwei Fehler-
quellen nicht berücksichtigt wurden. Es wäre nämlich eine
Korrektur für den Wärmeverlust durch Ausstrahlung während
der Wirkungszeit des Hauptstromes anzubringen, da dieselbe
Korrektur bei verschiedenen Temperaturen vielleicht ver-
schieden ist. Viel wichtiger erscheint aber der durch Änderung
der spezifischen Wärme mit der Temperatur verursachte Fehler.
4S*
722 K. Rziha, Änderung des Peltiereffektes.
Diese Änderung der spezifischen Wärme von Cu und Ni bis
zu so hohen Temperaturen ist noch nicht untersucht Trotzdem
aber eignet sich die angewendete Methode sehr gut dazu,
Wendepunkte zu bestimmen und so den allgemeinen Verlauf
der Kurven festzustellen.
In diesem Sinne hoffe ich, daß die vorliegenden Beob-
achtungen als Vorarbeit für spätere absolute Messungen gute
Dienste leisten können.
Zum Schlüsse sei es mir noch gestattet, Herrn Prof. Dr.
Ernst Lech er, auf dessen Anregung hin ich diese Unter-
suchung vornahm, für seine vielseitigen Ratschläge und die
liebenswürdige Überliassung der notwendigen Präzisionsinstru-
mente meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
723
Gewitterbeobaehtungen und Gewitterhäufig"-
keit an einigen meteorologischen Beobaeh-
tungsstationen der Alpen, insbesondere an
Gipfelstationen
von
Albert v. Obermayer,
k. M. k. Akad.
(Mit 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 26. April 1907.)
Im Jahre 1869 hat Wilhelm von Bezold in einer Abhand-
lung: »Ein Beitrag zur Gewitterkunde«* die von den Versiche-
rungsanstalten des Königreiches Bayern 1844 bis 1856 auf-
gezeichneten Blitzschäden nach halbmonatlichen Perioden
geordnet und dabei im Sommer zwei Maxima der Gewitter-
häufigkeit aufgefunden, von dem das eine auf die erste Hälfte
des Monats Juni, das zweite, und zwar das absolute, auf die
zweite Hälfte des Monats Juli fällt. Dieses Resultat fand er in
der 52 Jahre umfassenden Gewitterbeobachtungsreihe am
Hohenpeissenberge bestätigt. W. v. Bezold weist bei dieser
Gelegenheit auch darauf hin, daß die halbmonatlichen Tem-
peraturmittel gleichfalls zwei Maxima zu jenen Zeiten auf-
weisen.
In einer späteren Abhandlung: »Das doppelte Maximum
in der Häufigkeit der Gewitter während der Sommermonate «*
wird dieses Resultat bestätigt.
1 Pogg. Ann. der Phys. und Chem., Bd. 136, p. 513.
2 Sitzungsber. der kgl. bayr. Akad. der Wissenschaften, mathem.-physik.
Klasse, Juli 1875.
724 A. V. Obermayer,
In einer Abhandlung: »Die Gewitterperioden in Wien«^
hat Dr. J. Hann gezeigt, daß auch in Wien jene doppelte
Periode der Gewitterhäufigkeit Geltung besitzt und daß sich
eine solche Doppelperiode auch in den Hagelfallen ausspricht,
wie Prettner für Kärnten und Fournet für das RhonetaP
nachgewiesen haben. Hann sagt dortselbst: »Da diese Ge-
witterperioden unstreitig mit den Störungen im jährlichen
Wärmegange, namentlich mit den großen Kälterückfallen in der
zweiten Junihälfte zusammenhängen, wäre eine eingehende
Untersuchung derselben an vielen Orten Europas von Interesse.
In der Gewitterfrequenz scheinen sich die Wärmerückgänge,
wie die Unterbrechungen der Regenperioden deutlicher abzu-
spiegeln, wie in den Mittelwerten der meteorologischen Ele-
mente selbst«.
Bei einer Zusammenstellung der Gewitterbeobachtungen
auf dem Hohen Sonnblick nach Drittelmonaten, d. i. nach der
in den meteorologischen Jahrbüchern gebräuchlichen Einteilung,
anschließend an die im internationalen meteorologischen Kodex
empfohlene Beibehaltung des bürgerlichen Monats, haben sich
zwei solche Maxima sehr deutlich ergeben, und zwar eines für
das erste Drittel des Monats Juni, ein zweites für das dritte
Drittel des Monats Juli. Das zwischenliegende Minimum fiel
ausgesprochen während des in Betracht gezogenen Zeit-
abschnittes 1888 — 1906 auf das zweite Drittel des Monats Juni,
in welchem im jährlichen Gange der Temperatur nach Pentaden-
mitteln* ein Rückgang der Temperaturmittel bis zu 1*5' C.
gegen den Anfang Juni stattfindet. Wie nicht anders zu er-
warten, wurde ein gleiches Resultat auch für die Gewitter-
häufigkeit der Fußstation des Sonnblick im Lehneitiäusl in
Bucheben gefunden.
Ich habe hienach auch die Gewitterbeobachtungen der
anderen österreichischen Gipfelstationen, d. s. Schmittenhöhe
(1935 m) bei Zell am See, Schafberg (1776 m) bei St. Wolfgang
und Hochobir (2044 m) in Kärnten, und als deren Fußstationen
1 Meteorolog. Zeitschr., Bd. XXI, 1886, p. 237.
2 Meteorolog. Zeitschr., Bd. VIII, 1875, p. 161 und 172.
8 X\^ Jahresbericht des Sonnblick-Vereines, p. 34, 1906.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 725
Kremsmünster (389 m) und Klagenfurt (448 w), dann die lang-
jährige Beobachtungsreihe auf dem Hohenpeissenberg in
Bayern und zum Vergleiche jene von München, in der gleichen
Weise geordnet, und für den Zeitschnitt seit 1856 gefunden,
daß jenes sekundäre Minimum der Gewitterhäufigkeit durch-
wegs im zweiten Drittel des Monats Juni eintritt, nur Klagenfurt
zeigt dasselbe im ersten Drittel dieses Monats.
Wie aus der graphischen Darstellung der Gewitterhäufig-
keit in Fig. 1 und 2 entnommen werden kann, weisen diese den
jährlichen Gang der Gewitterhäufigkeit darstellenden Kurven
während der Sommermonate drei Maxima auf, oder sie zeigen
wenigstens an Stelle des dritten Maximums einen verzögerten
Abfall. Die Lage des ersten Maximums fällt in allen in Betracht
gezogenen Stationen auf das erste Drittel des Monats Juni, nur
in Klagenfurt tritt es schwach ausgesprochen im dritten Drittel
des Monats Mai ein. Auf dem Hohenpeissenberg wird dasselbe
zum Hauptmaximum und in München hat es denselben Betrag
wie das spätere Maximum im Juli. Das erste Minimum im
zweiten Drittel des Juni ist allen Stationen gemeinschaftlich,
nur in Klagenfurt tritt es bereits im ersten Drittel dieses Monats
ein.
Der Obir und der Hohenpeissenberg zeigen das zweite
Sommermaximum im dritten Drittel des Juni, bei allen anderen
Stationen fällt es als Hauptmaximum in den Juli.
Sonnblick, Bucheben und Schmittenhöhe zeigen einen
sehr ähnlichen Verlauf der jährlichen Gewitterhäuflgkeit, ebenso
verhalten sich Schaf berg und Kremsmünster, Hohenpeissenberg
und München ähnlich, Obir und Klagenfurt scheinen aber merk-
lich voneinander abzuweichen.
In Fig. 2 sind aus der Beobachtungsreihe 1857 — 1904 von
Kremsmünster zehnjährige Mittel des jährlichen Ganges der
Gewitterhäufigkeit gebildet. So verschieden die so erhaltenen
fünf Kurven sind, so zeigen sie alle im zweiten Drittel des Juni
eine mehr oder minder ausgesprochene Einsenkung. Das erste
Maximum hält sich bis 1895 im ersten Drittel des Juni, in dem
Zeitabschnitt 1896 — 1904 rückt es auf den Mai zurück. Das in
den Juli fallende Hauptmaximum aller fünf Zeitabschnitte
scheint vom dritten Drittel des Juli auf das erste zurück-
72ß
A. V. Obermayer,
gewichen und dann wieder auf das dritte Drittel vorgerückt zu
sein. Das darauffolgende sekundäre Maximum ist bald mehr^
^Bn^tiheiv I ^4-/ I I [ 1 \4. Ü^^^T^-*^^^
J. Fb Mk. Jp. ^f. Jan. Jul. Aug. Sep 0k. sVov. Dez.
Fig. 1.
bald weniger ausgebildet. Zum Vergleich ist in Fig. 2 die der
ganzen Periode 1857 — 1904 entsprechende Häufigkeitskurve
oberhalb angefügt. Auch sind in Fig. 2 Hohenpeissenberg und
München aufgenommen.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen.
727
Die Schwierigkeiten, welche der Erlangung einwurfsfreier
Gewitterbeobachtungen entgegenstehen, sind von J. Hann*
und von W. v. Bezold* erörtert, von letzterem die Unzuver-
lässigkeit vieler Angaben betont und die diesbezüglichen
Mängel einzelner Beobachtungsreihen nachgewiesen worden.
Fb. Mm,- A/k M. Jan.* Jnl. Atuf. Sep. Ok . Xfio. Hex.
Fig. 2.
Aus diesem Grunde ist es auch schwer, mit Sicherheit
festzustellen, ob die Zahl der Gewittertage im Laufe der Zeit
zugenommen hat oder nicht.
1 Ober die Gewitterperioden in Wien. Meteorolog. Zeitschr. 1886, p. 337.
2 Über die gesetzmäßigen Schwankungen in der Häufigkeit der Gewitter
während längerer Zeiträume. Sitzungsber. der Münchener Akad. der Wissensch.,
mathem.-physik. Klasse, Juni 1874, p. 284 bis 322. Ges. Abhandlungen p. 35.
728 A. V. Obermayer,
In den beiden, sich bezüglich der Gewitter ähnlich ver-
haltenden Stationen Hohenpeissenberg und Kremsmünster
betragen, aus verschiedenen Zeitabschnitten gerechnet, die
mittleren Zahlen der Gewittertage im Jahre:
GewitterUge
0
Kremsmünster 1763—1799 18
1802—1850 27
1856—1904 30
Hohenpeissenberg 1795 — 1810.... 36
1795—1850 25
1879—1898 35
3
0
Ol
0
0
Es ist kaum anzunehmen, daß Hohenpeissenberg durch
einen Zeitabschnitt doppelt so viele Gewittertage hatte als
Kremsmünster. Die Art, in welcher die Gewittertage gezählt
werden, spielt hiebei sicher eine große Rolle. Bezold hielt für
den richtigsten Maßstab zur Beurteilung, ob ein Tag als
Gewittertag zu zählen ist, den Beschluß des Wiener Meteoro-
logenkongresses, wonach dafür entscheidend sei, ob Donner
gehört wurde. Nach dem internationalen meteorologischen
Kodex (G. Hellmann und H. H. Hildebrandson) soll als
Gewittertag nur ein solcher bezeichnet werden, an welchem
Blitz und Donner beobachtet worden. Blitze ohne Donner sollen
als Wetterleuchten eingetragen werden, allerdings wird unter 4,
p. 18, auch empfohlen, nach Möglichkeit die Zahl der Tage für
jeden der Fälle, daß Donner gehört, Blitze wahrgenommen,
Blitz und Donner beobachtet wurden, gesondert anzuzeigen.
Auf Hochgipfeln, welche zu Gewitterzeiten in Nebel gehüllt
sind, mag es wohl vorkommen, daß von einem entfernten
Gewitter der Donner gehört, aber der Blitz nicht wahrgenommen
wird.
In den zur vorliegenden Untersuchung benützten Gewitter-
beobachtungsreihen dürften solche wechselnde Anschauungen
über die Bezeichnung als Gewittertage auch zur Geltung ge-
langt sein; indessen scheint der Einfluß dieser Ungleichmäßig-
1 Ohne 1799.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 729
keiten bezüglich der Darstellung des jährlichen Ganges der
Gewitterhäufigkeit von keiner wesentlichen Bedeutung zu sein,
wofür die Gleichartigkeit des Verlaufes der Häufigkeitskurven
für die verschiedenen Beobachtungsorte spricht.
Begegnet die einwurfsfreie Feststellung der Zahl der
Gevvittertage bereits an den meteorologischen Observatorien ge-
wissen Schwierigkeiten, so ist dies in noch ausgesprochenerem
Maße auf den Gipfelstationen der Fall. Gewöhnlich sind dort
wissenschaftlich ungeschulte Beobachter, zu Zeiten das Dienst-
personal des Hotelbesitzers mit solchen Beobachtungen be-
traut, oder die Beobachter selbst durch die Bewirtschaftung der
mit dem Observatorium verbundenen Schutzhütte während der
Sommermonate in Anspruch genommen. Die häufigen Wechsel
der Beobachter sind einer gleichförmigen Aufzeichnung sehr im
Wege, auch sind die Beobachter mitunter nicht sehr schreib-
gewandt, so daß es recht beschwerlich fällt, die Aufzeichnungen
zu entziffern. Die besten derlei Beobachtungen sind übrigens
seit dem Jahre 1881 auf dem Hochobir gesammelt worden.
Der nachfolgenden Untersuchung sind, wo es möglich ist,
die Gewittertage zu Grunde gelegt und bei den einzelnen Beob-
achtungsstationen ist darauf hingewiesen, auf welchem Wege
die angeführten Zahlen gewonnen sind. Von den besonderen
Bemerkungen, welche in den Beobachtungsbögen angefügt
sind, habe ich diejenigen, die mir besonders beachtenswert
scheinen, hier aufgenommen.
Auf dem Hohen Sonnblick begannen regelmäßige Auf-
zeichnungen von Gewittern mit dem Jahre 1888 durch den
Beobachter Peter Lech n er und wurden von ihm bis zum Jahre
1894 fortgeführt. In der Zeit vom 20. Juli 1890 bis zum 30. Juni
1902, dann vom Februar 1893 bis zum Mai 1894 stellte er über
Anregung der Herren Elster und Geitel Beobachtungen über
Elmsfeuer an,^ welche in diesen Sitzungsberichten veröffentlicht
wurden. Allerdings führte er zu diesem Zweck ein eigenes
1 Elster Julius und Geitel Hans, Elmsfeuerbeobachtungen auf dem
Hohen Sonnblick. Diese Sitzungsber., Bd. CI, Abt. IIa, p. 1485 bis 1504. —
Elektrische Beobachtungen auf dem Sonnblick. Diese Sitzungsber., Bd. CIV,
Abt. IIa, p. 37 bis 45.
730 A. V. Obermayer,
Protokoll und es sind nicht alle von ihm beobachteten Elms-
feuer in die Beobachtungsbögen der k. k. Zentralanstalt ein-
getragen. Peter Lechner machte hiebei auch die Wahrnehmung,
daß nach blauen Blitzen negatives Elmsfeuer, nach rötlichen
Blitzen positives Elmsfeuer auftritt, eine Erscheinung, welche
Elster und Geitel während ihres Aufenthaltes auf dem Sonn-
blick bestätigt fanden und der sie besondere Aufmerksamkeit
widmeten.*
In den Beobachtungsbögen finden sich im Jahre 1889 Be-
merkungen, wie:
2. August 1889 Gewitter von 5 bis 9^p., Hagel, rote und
bläuliche Blitze, positives und negatives Elmsfeuer
bis 1^ a.,
oder:
1. September Gewitter von 6 bis 7^ p. mit lichtroten
Blitzen, Regen. Gewitter von 7 bis 9** p. mit bläulichen
Blitzen, Schnee, von 10** p. bis Mitternacht negatives
Elmsfeuer.
Dagegen heißt es im Jahre 1890:
Am 22. Juni Gewitter von 10** p. bis 4** a. bei positivem
und negativem Elmsfeuer; nach den roten Blitzen
kommt positives, nach den bläulichen negatives Elms-
feuer.
Vom Jahre 1894 an wurden die Gewitterbeobachtungen
von den späteren Beobachtern und deren Gehilfen fortgesetzt
und wenn nach den sonstigen besonderen Aufzeichnungen
geschlossen werden soll, mit keiner besonderen Sorgfalt. Ins-
besondere fällt in Tabelle III auf, daß in den Jahren 1899 bis
1902 auf dem Sonnblick merklich weniger Gewitter auf-
gezeichnet sind, als in der Fußstation, im Lehnerhäusl, in
Bucheben (1200 1»), die etwa 7500 w vom Sonnblick entfernt
ist. Die Bedeckung des Gipfels mit Nebel dürfte wohl dazu bei-
tragen, daß entfernte Gewitter übersehen werden, dagegen
1 Diese Sitzungsber., Bd. XCIX, p. 1025. und Bd. CI, p. 1501, Tab. II.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 731
genießt der Sonnblick den Ausblick nach Süden, welcher für
Bucheben durch den Tauernkamm völlig abgeschnitten ist. Die
in dem Zeiträume von 1888 bis 1906 gewonnene Zahl von
314 Gewittertagen ist zur Berechnung der mittleren Zahl der
Gewitter im Jahre, um die 8 Gewittertage des Jahres 1896, für
welches die Junibeobachtungen fehlen, zu vermindern. Es
ergeben sich dann 17 Gewittertage auf das Jahr. Aus den oben
angeführten Gründen schätze ich diese Zahl für zu niedrig,
wofür der Umstand spricht, daß Bucheben 21 Gewittertage im
Jahre im Mittel aufweist und daß in den Beobachtungsbögen
der beiden Stationen die Tage, an denen Gewitter verzeichnet
sind, nicht völlig übereinstimmen.
Während der von Prof. Karl Prohaska in der meteoro-
logischen Zeitschrift beschriebenen Wetterstürze in den Alpen
am 12. und 13. Juli 1890, am 3. und 7. August 1890, am 25. und
26. August 1890, am 21. und 22. August 1892, am 4. September
1894, am 5. und 7. August 1896, am 9. August 1898, am 21. und
28. Mai 1904, am 3. Juli 1906 sind auch auf dem Sonnblick
mehr oder weniger heftige Gewittererscheinungen beobachtet
worden.
Das Zittelhaus auf dem Sonnblick ist so ziemlich blitz-
sicher. Solche Blitzschläge in das Haus, wie dieselben im
folgenden bezüglich des Obir und des Schafberges angeführt
werden, oder wie dieselben auf dem verhältnismäßig gewitter-
armen Ben Nevis in Schottland (etwa 7 Gewitter im Mittel im
Jahre) vorkommen, sind auf dem Sonnblick nicht verzeichnet
worden. Es ist dies wohl der dortselbst angewendeten Blitz-
sicherung zuzuschreiben. Dieselbe ist zum Teil nach dem
Melsens'schen System angeordnet. Es sind Drahtlitzen unter-
halb des Dachrandes um das ganze Haus geführt und eben-
solche Litzen rund um das Haus herum eingegraben worden.
Diese beiden Litzen sind durch Drähte mehrfach untereinander
und an den geeigneten Stellen mit den drei Auffangstangen der
Blitzableiteranlage, dann mit den Eisenstangen verbunden,
mit welchen das Holzhaus gegen den Untergrund nieder-
gezogen ist Die Erdleitung führt über den Gletschersattel
zwischen dem Goldberggletscher und dem Kleinen Fleißkers
zum Goldbergspitz und von dort zum Pilatussee; sie ist
732 A. V. Obermayer,
ungefähr 2250 m lang und dient auch zur Erdung des Tele-
phons, welches durch zwei hintereinander geschaltete Blitz-
platten gesichert, aber doch vorsichtshalber ausgeschaltet wird,
so oft zwischen den Zacken der Blitzplatte schnalzende Funken
überzugehen beginnen.
Seitenentladungen in das Haus sind wohl selten beob-
achtet worden, dagegen kommen solche außerhalb des Hauses,
in der Nähe der ei-wähnten Eisenstangen vor. So ist im Sommer
1906 der auf dem Sonnblick zu Triangulierungszwecken be-
schäftigt gewesene Hauptmann Julius Gregor des k. u. k.
Militärgeographischen Instituts von einer solchen Seitenent-
ladung getroffen worden, ohne indes Schaden zu nehmen.
Die Blitzschläge, welche das Haus treffen, schmelzen
häufig die außerhalb desselben befindlichen Kupferdrähte,
welche zur Telephonleitung führen und beschädigen auch
diese, so daß die telephonische Verbindung gestört ist. Solche
Blitzschläge sind aufgezeichnet am 20. Mai 1888, am 25. Juni
1888, am 21. August 1890, am 4. Juli 1891, am 4. und 5. Sep-
tember 1891; am 30. Juni 1892, auch mit Beschädigung der
Luftleitung vom Sonnblick herab und Beschädigungen des Tele-
phons in Kolm-Saigurn und im Badehause verbunden; am
21. August 1892 mit etwa 20 Blitzschlägen in die Leitung, durch
welche die überflüssigen (noch immer empfohlenen) Platin-
spitzen der Blitzableiter abgeschmolzen wurden (Meteorolog.
Zeitschr., 1892, p. 23); am 9. Juli 1893, am 4. August 1894, am
19. Juli 1898. Ferner sind angeführt am 26. Juni 1904 6 bis 8,
am 9. August 1896 6, am 5. September 1906 9 Blitzschläge in
die Leitung.
Über das Jahr verteilen sich die aufgezeichneten 23 Fälle
von Blitzschlägen in das Haus, deren Zahl sicher zu gering ist,
in folgender Weise:
Mai 1
Juni 5
Juli 8
August 6
September . . 3
Der jährliche Gang der Gewitterhäufigkeit ist in Tabelle I
und Fig. 1 ersichtlich gemacht. Die Ermittlung des täglichen
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 733
Ganges ist mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, da in den
Beobachtungsbögen die Bezeichnungen: »Den ganzen Tag
Gewitter«, »Nachmittags Gewitter« u. dgl. vorkommen. Derselbe
ist in Tabelle II mitgeteilt.
Im Lehnerhäusl in Bucheben (1200 w) wurden die
Gewitterbeobachtungen im Jahre 1898 durch Peter Lech n er
begonnen und bis zu seinem Tode, im Jänner 1901, fortgeführt.
Seither beobachtet sein Ziehsohn Makarius Janschütz und
liefert auch in anderer Beziehung recht brauchbare Aufzeich-
nungen. Der jährliche und der tägliche Gang der Gewitter-
häufigkeit ist aus den Tabellen I und II zu entnehmen. Die in
der Zeit von 9 Jahren verzeichneten 190 Gevvittertage geben im
Mittel 21 Gewittertage im Jahre.
Auf der Schmittenhöhe (1935 w) bei Zell am See wurden
die meteorologischen Beobachtungen im Jahre 1880 durch den
Gasthofbesitzer Albert Hu binger begonnen und bis 1894
fortgeführt. Von diesem Jahre an beobachtete Karl Hasch ke.
Bis zum Jahre 1888 scheinen die Gewitteraufzeichnungen nicht
in gleichmäßiger Weise geführt zu sein, sie fehlen überdies für
drei Jahre. In den 18 in Betracht kommenden Jahren, von 1888
bis 1905, wurden 424 Gewittertage angegeben, woraus im
Mittel 23 bis 24 Gewittertage im Jahre folgen. Da die Eintritts-
zeiten der Gewitter nur in einzelnen Fällen mitgeteilt sind, ließ
sich der tägliche Gang der Gewitterhäufigkeit nicht ermitteln.
Die meteorologischen Beobachtungen auf dem Schafberg
bei St. Wolfgang (1776 w) wurden am 7. September 1870 von
Wolfgang Grömer, Gasthofbesitzer in St. Wolfgang und Eigen-
tümer des Hotels auf dem Schafberg, begonnen, während
seiner Anwesenheit auf dem Gipfel in den Sommermonaten
durch ihn selbst, in den Herbst-, Winter- und Frühjahrsmonaten
aber durch seine Bediensteten fortgeführt. Bei der isolierten
Lage des Schaf berges und dem vollständigen Mangel an Wasser
bis tief unterhalb des Gipfels konnte für das Haus nur ein ganz
ungenügender Blitzschutz erzielt werden, so daß vielfache Ent-
ladungen in das Haus selbst stattfanden, welche von Grömer
zunächst kurz beschrieben wurden. Seine Aufzeichnungen über
die Zahl der Gewitter und über die Zeit ihres Eintritts scheinen
sehr vollständig zu sein. Nicht das gleiche läßt sich von den
734 A. V. Obermaycr,
bezüglichen Aufzeichnungen seiner oft gewechselten Gehilfen
behaupten. Es fehlen aus den Jahren 1872, 1873, 1874, 1875,
1877, 1879, 1887 und 1892 die Beobachtungsbögen für einzelne
Monate, von 1893 an aber für mehrere Monate im Jahre. Von
1900 bis 1902 liegen überhaupt keine Gewitterbeobachtungen
vor, erst im Jahre 1903 beginnen dieselben wieder. Nach dem
Bau eines neuen Hotels auf dem Gipfel des Schaf berges begann
Franz Humer im Jahre 1894 zu beobachten. Mit dem Jahre
1904 schließen diese Beobachtungen, das Hotel brannte 1906 ab.
In dem Zeiträume von 1871 bis 1904, d. i.- von 34 Jahren,
finden sich 18 Jahre, für welche die Gewitterbeobachtungen als
brauchbar angesehen werden können und darunter smd 1874
mit 7 und 1882 mit 5 Gewittertagen zweifelhaft. Aus diesen
18 Jahren kann auf eine Zahl von 19 Gewittertagen im Jahre
geschlossen werden.
Auch diese Zahl glaube ich für zu niedrig halten zu
sollen. Trotz der Lückenhaftigkeit dieser Beobachtungen ergeben
dieselben den jährlichen und täglichen Gang der Gewitter-
häufigkeit einigermaßen befriedigend.
In der Tabelle I sind die aus der Beobachtung folgenden
Zahlen in den Monatsdritteln eingetragen und dann die durch
ein sehr einfaches Verfahren auf 34 Jahre umgerechneten
Zahlen. Es ändert dies am jährlichen Gange nichts wesentliches,
nur die Zahl der Gewittertage vermehrt sich. Der jährliche
Gang der Gewitterhäufigkeit ist in Fig. 1 mit Hilfe der korri-
gierten Zahlen dargestellt worden.
Die in den Beobachtungsbögen angegebenen 103 Blitz-
schläge in das Haus oder in dessen Nachbarschaft verteilen
sich wie folgt über das Jahr:
März 1
•April 7
Mai 19
Juni 29
Juli 31
August 9
September 6
Oktober 1
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 735
Aus den sehr ausführlichen besonderen Bemerkungen
Grömer's seien die folgenden herausgehoben:
Bemerkenswerte Blitzschläge und Gewitter.
5. Jänner 1873: Blitzschlag in das Haus, einen Mann am Auge
beschädigt, das Gold der Etiketten der Vöslauerflaschen in
das Glas eingebrannt.
6. September 1876: Intensiv blaue Blitze.
6. Juli 1877: Dunkelblaue Blitze.
10. September 1880: Blaue Farbe der Blitze.
4. Juni 1882: Farbe der Blitze tiefviolett.
22. Juli 1887: Blaue Blitze (in Bayern Gewitter).
14. Juni 1889: 200 Schritte vom Hotel eingeschlagen, die Erde
gebrannt.
12. Juli 1889: l'^a. blaue Blitze.
28. August 1889: Die Telegraphenglocken läuten von selbst.
3. September 1889: 12^ 30°" p. sind im Gebäude von der Tele-
graphenleitung starke Funken am Boden übersprungen.
Die Apparate in St. Wolfgang wurden durch den gleichen
Blitzschlag beschädigt, die Leitung unterbrochen.
23. Juni 1890: Schlägt ein schwacher Blitzstrahl ein, der Knall
wie der einer starken Kapsel.
25. August 1890: Von Mittag an mehrere Gewitter. Wettersturz
vom 25. und 26. August 1890 in den Ostalpen. ^
22. Mai 1895: Der Blitz schlägt zuerst auf der höchsten Spitze
der Wand in das Gebäude und geht von da ins Haus,
durch zwei Mauern zum Blitzableiter.
8. August 1898: Nachmittags Gewitter, Südweststurm, 8,
nachts starker variabler Wind.
9. August 1898: Nachmittags zeitweise Donner bei Nebel und
Regen, die auch den 10. anhielten (Gewitter und Hagel in
den Ostalpen).*
21. November 1903:' Den ganzen Tag Sturm und Schnee-
gestöber, die ganze Nacht Sturm, 9, von 12^15"*p. bis
i Meteorolog. Zeitschr., 1892, p. 161.
2 Prohaska Karl, Meteorolog. Zeitschr., 1899, p. 224.
3 Prohaska Karl, Gewitter und Stürme in der Nacht vom 21. zum
22. November 1903. Meteorolog. Zeitschr., 1903, p. 573.
Sitzb. d. maihem.-nalurw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 49
736 A. V. Obermayer,
12**25™p. öfter Gewitter mit Hagel, um l'^p. abermals
Gewitter. Zuerst fiel abends das Barometer sehr rasch, die
Temperatur wird viel höher, in der Frühe wieder tiefer.
Barometer am 20., 9**p.: ßloöntm, am 21., 9^p.: 609*0 ww,
am 22., 7**a.: 613-Oww; Temperatur am 21., 7^^a.: — 6* C,
am 21., 9**p.: — 3* C, am 22., 7^ a.: —8** C. In Deutsch-
land und WestösteiTeich herrschten heftige Stürme und
Gewitter mit zündenden Blitzen.
Kugelblitzähnliche Erscheinungen.
9. September 1872: Sprang ein elektrischer Funken im Ge-
bäude in der Flur von der Mauer in den Boden über. Der-
selbe war von der Größe einer Haselnuß, der Knall wie
jener einer großen Kapsel, bei 35 cm Schlagweite.
2. September 1880: 1^^ 30'" p., 20 Schritte von hier einge-
schlagen; gleich darauf, 50 Schritte weit, unmittelbar auf
diesen Schlag, heftiger elektrischer Ausgleich zweimal vor
der Türe, Funkengröße wie ein Ei. Ausgleichshöhe zwi-
schen Nebel und Erde 4 Zoll, Geräusch wie beim Los-
gehen eines großen Pulverhaufens. Am Boden, im Gebäude
im hinteren Teile Funkensprühen.
29. Juli 1890: ll*'30™p., 50 Schritte von hier eingeschlagen,
gleich darauf das Telephon zerstört; von der Leitung im
Gebäude flogen kleine Kugelblitze auf Lampe und Glocke
und am Boden herum.
Elmsfeuer.
1865, Juni, am Dreifaltigkeitssonntage: Im Inneren des Hauses
eine 2 m hohe, flammenartige Elmsfeuererscheinung,
welche von K. Prohaska beschrieben wurde.^
23. Mai 1875: Sausen der Blitzableiter.
16. Juli 1884: 10^* Elmsfeuer auf der Triangulierungspyramide
und auf dem Flaggenstocke.
16. September 1888: Schönes, großes Elmsfeuer 1000 Schritte
vom Gipfel entfernt.
1 Meteorolog. Zeitschr., 1893, p. 223.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 73«
11. Juli 1889: 11** p. bis 0M5°*a. Elmsfeuer an den Finger-
spitzen von der Gröfie eines Nadelkopfes, an der Flaggen-
stange ungewöhnlich starkes Sausen.
12. Juli 1889: 1** 30™ a. Elmsfeuer an der Flaggenstange.
12. Juli 1890: Nach einem von S^ 20™ p. bis 10** p. währenden
Gewitter* um 10**15™p. an der Flaggenstange ein 2 m
langes. 30 cm dickes Elmsfeuer bei heftigem Sausen.
2. Juli 1891: An der Flaggenstange heftiges Sausen zufolge
elektrischer Ausströmung.
4, September 1892:« 7»» 30™ a. Schnee, um lM5™p: Schnee-
gestöber, dichter Nebel und Donner hörbar, um 2** 30™ p.
dasselbe gegen Südwesten, dauert ununterbrochen fort,
um 6** p. starkes Blitzen, gewaltige und langrollende
Donnerschläge, um 7** p. langanhaltender Blitz, furchtbarer
Donner, starke Elmsfeuer am Flaggenstock und Blitz-
ableiten Entfernung des Gewitters 1500 bis 1800m. Dichter
Nebel, massiger Schneefall, an der Flaggenstange intensives
Sausen, 8**p. Entfernung des Gewitters, dauerte bis 9''45"p.
Die ganze Zeit variabler Wind, 1.
Brände während des Gewitters entstanden und vom
Schafberg beobachtet.
3. August 1871 : Über der Donau.
15. August 1871 : In Zell am Moos.
8. Juli 1875: Drei Brände gegen Westen, ein Brand gegen
Süden, unmittelbar am Fuße des Dachsteins.
12. Juni 1877: Brand durch Blitzschlag gegen Braunau.
20. Juli 1881 : 9'*p. Brand in Bayern; im Umkreise sechs Brände
durch Blitzschlag.
16. Juli 1884: Brand am Inn, dann in Nordwesten und bei
Schwanenstadt (ein Gewitter, welches ganz Deutschland
durchzog, für welches Börnstein die Isobroten veröffent-
lichte).
1 Prohaska Karl, Der Wettersturz vom 12. und 13. Juli 1890 in den
Ostalpen. Meteorolog. Zeitschr., 1800, p. 456.
* Prohaska Karl, Die Gewitter und der Wettersturz vom 4. September
1892 in den Ostatpen. Meteorolog. Zeitschr., 1894, p. 249.
49*
738 A. V. Obermayer,
22. Juli 1887: Brand in Nußdorf am Attersee, ausgedehnter auch
in Bayern beobachteter Gewitterzug.
1. August 1887: Brand in Hof und im Norden.
16. August 1887: Brand in Trum, im Salzburgischen, nächst
Schärding, am Meierhof berg, gegen Neubau und Enns.
13. August 1890: lO^p. Brand im Norden, lO'' IS^p. ein zweiter
Brand in gleicher Richtung, lO*" 20" p. ein Brand in
Bayern.
Auf der Sternwarte des Stiftes Kremsmünster werden
die Gewitter seit 1763 mit geringfügigen Unterbrechungen fort-
laufend aufgezeichnet. Im I. Jahrbuche der k. k. Zentralanstalt
für Meteorologie in Wien sind die Zahlen der Gewittertage in
den einzelnen Monaten von 1763 bis 1850 veröffentlicht.
W. V. Bezold^ führt in seiner Abhandlung: »Über gesetz-
mäßige Schwankungen in der Häufigkeit der Gewitter« an, daß
nach Angabe Dr. Augustin Reslhuber*s in dem Zeiträume
1802 bis 1833 Gewitterzahlen eingetragen seien, während vor
und nach diesem Zeiträume die Gewittertage angegeben werden.
Für den Zeitabschnitt 1763 bis 1799 gibt Karl Kreil im
I. Jahrbuch als mittleren Wert der Zahl der Gewittertage im
Jahre 18-0, für den Zeitabschnitt 1802 bis 1850 27 '3 an.
Zur Ableitung der Gewitterzahlen für die Monatsdrittel
wurden verschiedene Originalmitteilungen benutzt* und mir
die fehlenden 3 Jahre durch den Herrn Direktor der Sternwarte,
P. Thiemo Schwarz, in dankenswerter Weise ergänzt.
Der jährliche Gang der Gewitterhäufigkeit ist für Krems-
münster für je 10 Jahre in Tabelle I aufgenommen und es sind
in Fig. 2 die entsprechenden Kurven gezogen; es ist auch der
aus der ganzen Reihe folgende jährliche Gang gerechnet und
graphisch in Fig. 1 und 2 dargestellt.
Die 1485 Gewittertage in dem Zeiträume von 1856 bis 1904
ergeben 30 Gewittertage auf das Jahr.
1 Ges. Abhandlungen, p. 37.
- Von 1856 bis 1871. P. Augustin Reslhuber, Resultate aus den auf der
Sternwarte zu Kremsmünster angestellten Beobachtungen; — von 1872 bis 1898
die Beobachtungsbögen der k. k. Zentralanstalt; von 1899 bis 1903. P. Thiemo
Schwarz, Resultate aus den auf der Sternwarte zu Kremsmünster angestellten
Beobachtungen.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 739
In Tabelle II wird der von P. Koloman Wagner ermittelte
tägliche Gang der Gewitterhäufigkeit angeführt.
Das mehrfache Maximum der Gewitterhäufigkeit während
der Sommermonate ist von Prof. P. Koloman Wagner in dem
nach Dekaden geordneten jährlichen Gange der Gewitterzahlen
nachgewiesen worden.^ Es stellt sich dabei ein merklicher
Unterschied zwischen den Zeitabschnitten 1802 — 1840 und
1840—1887, aber auch ein Unterschied mit der von mir nach
Drittelmonaten geordneten Reihe der Gewittertage von 1857
bis 1904 heraus. Ich führe die in Betracht kommenden Zahlen
aus der Abhandlung P. Wagner's hier an:
1802—1840 1840—1887 1802—1887
11. Mai bis 20. Mai 66 81 147
21. » » 30. » 79 82 161
31. » » 9. Juni 66* 169 235
10. Juni - 19. » 93 152 245
20. » » 29. » 114 147* 261
30. » * 9. Juli 95 155 250
10. Juli » 19. » 80* 157 237*
20. » » 29. «► 91 156 247
30. » » 8. August ... 105 142 247
9. August» 18. * .,. 81 120 201
Das für den jährlichen Gang der Gewitterhäufigkeit in den
letzten 50 Jahren so charakteristische Minimum des zweiten
Drittels Juni findet sich in der älteren Reihe 1802 bis 1840 aus-
gesprochen im ersten Drittel dieses Monats, während in die
ältere Beobachtungsreihe des Hohenpeissenberges dieses Mini-
mum auf das dritte Drittel des Monats Juni fallt.
Auf dem Obir (2044 m) bei Klagenfurt hat der um die
Meteorologie Kärntens so verdiente Jos. Prettner meteoro-
logische Beobachtungen eingerichtet.^ Dieselben bezweckten
1 Programm des k. k. Obergymnasiums zu Kremsmünster, 1888. Nieder-
schläge und Gewitter in Kremsmunster.
3 Temperaturbestimmungen in verschiedenen Höhen am Berge Obir in
Kärnten. Aus den Berichten über die Mitteilungen der Freunde der Naturwissen-
schaften in Wien, herausgegeben von Wilhelm Haidinger. V. Bd., März 1849,
p. 218.
740 A. V. Obermayer,
die Ermittlung der Temperaturänderung mit der Höhe und des
Ganges der Temperatur in den höheren Luftschichten und
wurden in drei Berghäusern, welche zu den 13 Bleibergbauen
der Gebrüder Komposch gehörten, durch die Vorsteher an-
gestellt und von dem Hutmanne Andreas Ortner in Kappe)
überwacht und kontrolliert. Diese Beobachtungsstationen waren
die folgenden:
Obir 1, 3879 Wiener Fuß, Vorsteher Mathias Weiß nigg;
Obir II, Seealpe, 5091 Wiener Fuß, Vorsteher Jobst, und
Obir III, 6462 Wiener Fuß, datiert mit Asterz.
Von Obir I schreibt Prettner: Dasselbe ist ein Berghaus»
von kahlen Bergflächen und Schutthalden, Kalkgerölle, um-
geben, welche durch Insolation sich selbst und die Luft stark
erwärmen, es ist daher diese Station nicht viel wert. 1868
gingen mit der Pensionierung Weißnigg's die Beobachtungen
daselbst ein. Das Berghaus Obir III ist am 11. Mai 1865 ab-
gebrannt.
Die Beobachtungen scheinen an einer anderen Station
fortgesetzt worden zu sein, welche der Beobachter Mal In er
mit Obir II/III bezeichnet und für welche Prettner den Namen
»Hochobir« vorschlug, unter welchem dieselbe in den Beob-
achtungsbögen weitergeführt ist. Prettner gibt die Höhe der-
selben zu 6441 Wiener Fuß = 1044 Toisen, d. i. 286 Wiener
Fuß = 46'4 Toisen unter dem Gipfel, an.
Aufzeichnungen von Gewittern finden sich vereinzelt in
den Beobachtungsbögen, die mit 1851 beginnen, schon im
Jahre 1852, woselbst am 21. Juli Blitz und Donner, »schauder-
liches Gewitter« notiert ist, aber zusammenhängende Beob-
achtungen sind erst vom Jahre 1866 von Lorenz Mallner vor-
handen. Mit dem Beobachterwechsel 1870 werden dieselben
unvollständig, von 1872 bis 1875 liefern sie die Zahl der Ge-
witter; von 1876 und 1877 sind überhaupt keine Beobachtungs-
bögen vorhanden. Brauchbare Gewitterbeobachtungen beginnen
erst 1880 durch Em m er] in g, aber erst 1881 sind auch die
Eintrittszeiten der Gewitter und die Zugrichtungen angegeben.
In gleicher Weise wurden die Beobachtungen bis zum Oktober
1883 von Ferdinand Jamnigg und weiter bis zum Oktober
1888 durch Anton Pissonitz und von dieser Zeit an bis zur
Gewitterbeobachtungen in den Alpen, 74 1
*
Gegenwart durch Johann Mattevveber in mustergültiger
Weise fortgeführt.
Die Station beim Berghause am Obir wurde 1882 durch
den Berg- und Hüttenverwalter Raimund Prugger unter Bei-
hilfe der k. k. österreichischen Gesellschaft für Meteorologie in
eine Station I. Ordnung umgewandelt und im Jahre 1891 durch
den Bau der Hannwarte auf dem Gipfel ergänzt. Es unterliegt
wohl keinem Zweifel, daß die von Prugger gegebenen An-
leitungen wesentlich zu der mustergültigen Führung der Beob-
achtungen auf dem Hochobir beigetragen haben.
In dem Zeiträume von 1880 bis 1905 sind auf dem Hoch-
obir 663 Gewittertage notiert worden, was im Mittel 25 bis
26 Gewittertage im Jahre ergibt.
Von Pissonitz sind am 11. Oktober 1884, am 6. März
1885 und am 8. Mai 1885 Elmsfeuer an der Windfahne vor
dem Berghause während oder nach Gewittern beobachtet
worden.
Blitzschläge in die Signal- und Fahnenstangen, in die
Telephonleitung, ohne größeren Schaden, sind von Pissonitz
am 29. Mai 1884, am 21. Juni 1887; von Matteweber am
27. Juli 1889, am 12. Juni 1894, am 22. Juli 1897 (die Detona-
tion glich der einer Dynamitpatrone); am 19. August 1903 (der
Blitz schlug in das Telephon, beschädigte die Fahnenstange
am Gipfel und mehrerer Telephonslangen) und am 8. Oktober
1904 aufgezeichnet worden.
Am 17. Juni 1897 bei einem Gewitter von 9*' 45'" bis
11*^ p. zündete der Blitz im Schutzhause unter dem Dachfirst.
Durch rasches Eingreifen konnte das Feuer erstickt werden.
»30 Fensterscheiben fielen zum Opfer«.
Am 21. Juli 1897, nach einer größeren Zahl von Gewittern
seit Mittag, schlug bei dem letzten derselben um 9** 55" p. der
Blitz iq die Telephonleitung, »wo derselbe die Erde 3 m lang,
^/g m breit und V4 ^'* hoch aufgeworfen hat, eine zentner-
schwere Steinplatte, welche bei der Instrumentenhütte lehnte,
in drei Stücke zerriß und dieselben fortschleuderte«.
Am 20. Mai 1901 schlug der Blitz am Gipfel, an der Süd-
seite, 2 m von der Warte entfernt, ein, warf Steine bis zu 5 kjf
an die Oberfläche, Erde und Rasen lagen auf 50 Schritte
742 A. V. Obermayer,
zerstreut. Im Wohnzimmer schlug der Blitz, »durch die Leitung
gekommen«, 3 m vom Apparat entfernt, in die Mauer, machte
dortselbst ein handgroßes Loch und schleuderte den Mörtel im
Zimmer umher. Der Beobachter selbst hatte in den Füßen die
Empfindung, als ob ihn jemand elektrisiert hätte.
Am 14. Juni 1905, während eines Gewitters von 12^ 15°*p.
bis 12^ 40"* p., schlug der Blitz in das Wohnzimmer des Beob-
achters. Zwei Mauerseitenwände wurden stark beschädigt, am
Plafond entstanden vier Löcher, die Glasscheibe vom Wirt-
schaftstarife wurde zersplittert, in der Küche waren im Plafond
zwei Löcher entstanden, in der Vorlauben der Boden auf-
gerissen, dann ging die Blitzspur durch den Speisekasten und
den Ofen in das Gesellschaftszimmer, welches gleichfalls be-
schädigt wurde.
Die 11 aufgezeichneten Blitzschläge verteilen sich wie
folgt über das Jahr:
Mai 2
Juni 5
Juli 2
August 1
September .... 0
Oktober 1
Über die meteorologischen Beobachtungen in Klagenfurt,
zirka \1 lim vom Obir nordnordwestlich gelegen, finden sich
1854 und 1855 Berichte über mehrere Stationen umfassende
Beobachtungen vor mit der Aufzeichnung eines Wintergewitters
um 6*' bis 8*" p. am 6. Jänner 1854, mit neun starken Blitz- und
Donnerschlägen und reichlichem Schneefalle. Diese meteoro-
logischen Beobachtungen wurden von Josef Prettner^ geleitet
und späterhin für Klagenfurt fortgeführt. Die Gewitter scheinen
sehr sorgfältig aufgezeichnet zu sein, aber die Tagesstunden,
1 Die Zahl der Gewittertage ist den Beobachtungsbögen der k. k. Zentral-
anstalt in Wien entnommen. W. v. Bezold weist in seiner Abhandlung: »Die
Schwankungen der Gewitterhäufigkeitc, Ges. Abhandl., p. 38, darauf hin, daß
die in den Jahrbüchern der k. k. Zentralanstalt veröffentlichten Zahlen mit den
von Prettner im Jahrb. des naturhist. Landesmuseums in Kärnten, XI, 1S73,
in »Klima von Kärntenc veröffentlichten Zahlen nicht übereinstimmen.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 743
ZU welchen dieselben eintraten, sind nur in einzelnen Fällen
angegeben.
Die Beobachtungsbögen enthalten zahlreiche Notizen über
Gewittererscheinungen und Blitzschläge, von denen einige hier
angeführt und dabei auf die gleichzeitig auf dem Obir notierten
Erscheinungen hingewiesen werden soll.
Am 13. Juli 1864 ein Hagelwetter mit Nordweststurm,
währenddessen zahllose Bäume entwurzelt und an 50000
Fensterscheiben eingeschlagen wurden; auf dem Obir ist am
1 2. Juli abends Gewitter angegeben.
Am 28. Februar 1866 fiel während eines heftigen Gewitters,
worüber vom Obir nichts gemeldet wird, von 5^ 30"^ bis 10'' p.
Schnee von rostbrauner Farbe. 20 Maß Schmelzwasser ergaben
13 Wiener Gran (0*95^) Bodensatz.
Die Beobachtungsbögen von 1867 bis 1874 fehlen, erst
von 1875 an sind dieselben wieder vorhanden und von 1877 an
ist Bergrat Ferdinand Seeland als Beobachter eingeschrieben.
Aus den besonderen Bemerkungen der aus den folgenden
Jahren stammenden Beobachtungsbögen seien die folgenden
hervorgehoben.
Am 12. Juli 1877 (von Obir fehlt der Beobachtungsbogen),
nachmittags wolkenbruchartiger Regen, in IV2 Stunden Slfnnt,
Im Nordwesten von Klagenfurt ein starkes Hagelwetter und eine
Windhose, welche die stärksten Bäume entwurzelte und Gebäude
abdeckte. Die Längenachse dieser Sturm- und Hagelregion er-
streckte sich von Wölfnitz bis Viktring, die kurze Achse von
Krumpendorf zur westlichen Stadtgrenze.
Am 25. Februar 1879^ fiel zwischen 1'^ 30" und 3*^ p. bei
Südoststurm rotgelber Schnee aus einer roten Wolke, welche
über Lesina heraufzog und afrikanischen Wüstenstaub enthielt.
Am Hochobir herrschte Südoststurm, vom 23. bis zum 25. Fe-
bruar fiel 229 mm Niederschlag.
Über den großen Staubfall am 10. März 1901 ^ ist ange-
geben: 3^ a. Hagel mit Sturm. Die Schneedecke zeigte morgens
punktierte Vertiefungen und eine gelbliche Färbung. Sonnblick
1 Meteorolog. Zeitschr., 1879, p. 141 und 146.
2 Meteorolog. Zeitschr., 1902, p. 180, 463, 533.
744 A. V. Obermayer,
berichtete hierüber erst am 25. März: »Wunderschönes Wetter
mit herrlicher Aussicht auf die mit rötlichem Schnee bedeckten
Gebirge.«
Zum Teil besonders bemerkenswerte Blitzschläge sind in
Klagenfurt aufgezeichnet:
Am 14. August 1884 zwei Blitzschläge in die Südostecke
des Südbahnhofes. Obir notiert 4^ 30" bis 5^ 10"* p. Gewitter
in Nordwesten.
Am 27. September 1885, 8^ a. Blitzschlag in den Bene-
diktinerturm. Am Obir sind an diesem Tage drei Gewitter
aufgezeichnet: 1^ bis 5^ a. in Südwesten, 8*^ 40*" bis 9^ 10" a. in
Südwesten, 4*" 20" p. zwei Blitze und Donner in Südwesten.
Am 23. Juli 1887 während der Gewitter von 10^ a. bis 5** p.
Blitzschläge in einen Blitzableiter bei Kazettl und in die Tabak-
fabrik; Obir notiert Gewitter von 1 1*" a. bis 12*^ in Norden und
Süden, 12^ bis 2^ p. in Westen und Osten; 3^ bis 6** p. ent-
ferntes Gewitter.
Am 15. Juni 1892 während eines Gewitters von 3** p. bis
7^ p. (Sonnblick meldet: Gewitter von 4** bis 7^ 30" a. mit
starken Blitzschlägen; Obir: Gewitter um 6^15"p. in Süd-
westen und Osten) aus Nordwesten, fuhr der Blitz in eine hohe
Pappel an der Nordwestecke des Suppangartens, sprang auf
das Ziegeldach der Gartenmauer, zum Bleche des Glashauses,
dessen aufstehender Rand zweimal gelocht wurde, endlich zum
Blechsaume und zur Dachrinne des Wohnhauses nach dem
Wasserabfallrohre, durch drei Erdlöcher nächst dem Trottoir
zum Straßenkanal. Die Hausbewohner blieben unversehrt, trotz-
dem sie ganz von elektrischen Funken umzingelt waren, die
eine an der Gartenmauer stehende Fichte schwärzten und den
wilden Wein am Glashause verbrannten.
Am 7. Juni 1895 meldet Obir kein Gewitter, dagegen
Klagenfurt sehr heftiges Gewitter mit Blitzschlägen in den
Blitzableiter des Stadtturmes und südöstlich des Lendkanals,
wo nächst der Maut ein Feldarbeiter getötet wurde.
Am 4. Juli 1903 meldet Obir kein Gewitter, dagegen schlug
in Klagenfurt der Blitz in den Heustadl des Tischlermeisters
Bloth bei Franzensmühl und zündete; in St. Rupprecht wurden
zwei Schornsteine und der Oberboden demoliert, der Blitz-
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. i 45
ableiter des Hauses Nr. 19 am Bismarckringe umgebogen, die
Blätter des an der Westseite stehenden Trompetenbaumes
wurden auf der Nordseite welk und fielen ab, noch mehr die
von dem außerhalb des Gartens stehenden Kastanienbaume
auf der Ringstraße, die an der Ostseite ganz verdorrten.
Am 23. Juni 1904 meldet Obir von Z^ 30" bis 6*^ 40*" p.
Gewitter in Nordwesten und Südwesten, Klagenfurt Gewitter
von 2** 30™ bis 8*" 15°* p. und Hagel in Krumpendorf, woselbst
ein Mann durch den Blitz getötet wurde.
Am 5. Juli 1904 meldet Obir: Gewitter von 6** bis 6^ 18'" p.
in Norden und Osten; Klagenfurt meldet: Hinter Predigtstuhl
schlug während eines Gewitters von 4** 50*" bis 7'' p. der Blitz
ein und zündete zwei Objekte. In der Landwehrkaserne wurde
ein Kugelblitz beobachtet.
Am 18. Juli 1904 meldet Obir Gewitter von 3^ 15*" p. bis
3^ 45"* p. Nordwesten bis Süden, 7^' 30"* bis 8^ 45"* p. Nordosten
bis Südosten; Klagenfurt Gewitter um 2** 35"* p. und 7^ 30'" p.
in Zell durch Blitzschläge zwei Gehöfte abgebrannt.
Am 21. Juli 1904 meldet Obir Gewitter von 3^15"*p. bis
4'' 10" p. in Nordwesten bis Südwesten Hagel und Regen;
Klagenfurt Gewitter von 2'* 30"* bis 3** 15°* p. und um 7'' p. Ge-
witter in Stein bei Viktring, woselbst eine Magd vom Blitze
getötet wurde.
Von den bemerkenswerten in Klagenfurt aufgezeichneten
Hagelfällen vom 18. Juli 1880 mit haselnußgroßen geschichteten
Hagelkörnern, vom 14. Juli 1884 und vom 24. August 1894
mit Hagelkörnern von 10 bis 22 mm Durchmesser, meldet Obir
nichts Bemerkenswertes. Dagegen wurde während des am
25. August 1890 in Klagenfurt beobachteten, von 5^ 50"* p. bis
5** 55"* p. währenden Hagelfalles mit Hagelkörnern von 50 mm
in der großen Achse, von denen 80 auf ein Zollpfund gingen,^
auf dem Obir um 4** p. entfernte Gewitter in Südwesten und
Nordosten, von 7** bis 8** 30"* p. heftige Gewitter auf allen
Seiten, Südostslurm und Neuschnee notiert.
Am 16. Juli 1902 meldet Obir Gewitter von 3^ 15"* p. bis
3** 45"* p. mit Nordwest- und Südweststurm, während in Klagen-
1 Meteorolog. Zeitschr., 1902, p. 161.
746 A. V. Obermayer,
furt während eines Gewitters von 2^ 40"* bis 3*^ 30"* p. nußgroße
und taubeneigroße Hagelkörner fielen und viel Schaden an-
richteten, insbesondere Nordfenster einschlugen.
Während eines am 21. Mai 1904* in Klagenfurt von 7** p.
bis 8^ p. notierten Gewitters mit Sturm, Wolkenbruch und
Hagelfall berichtet Obir: Gewitter von 7^*30°* bis 8^p. in Norden
und Südwesten.
Es ist noch anzufügen, daß in Klagenfurt von 1896 bis
1897 E. Janezic beobachtete und im April 1901 Prof. Jäger
zu beobachten begann, welcher die Gewitter mit Angabe der
Zeit und der Weltgegend sorgfältig aufzeichnete. Aus diesen
fünf vollständigen Jahrgängen ist der tägliche Gang der Ge-
witterhäufigkeit abgeleitet worden; derselbe ist in Tabelle II
eingetragen.
In dem Zeiträume 1857 bis 1866 sind 273, in jenem 1875
bis 1905 966, zusammen 1239 Gewitter aufgezeichnet worden,
was im Mittel 30 Gewittertage auf das Jahr ergibt.
Die seit 1884 angeführten 11 Blitzschläge verteilen sich
wie folgt über das Jahr:
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Juli 6
August 1
September .... 1
Auf dem Hohenpeissenberg (989 w) sind meteoro-
logische Beobachtungen von der »Societas Palatina«, welche
der Kurfürst Karl Theodor 1780 begründet hatte, durch den
geistlichen Rat und Aufseher der kurfürstlichen Kunstkammer
der Naturlehre, Johann Jakob Hemmer, im Jahre 1871 ein-
geleitet worden. Die Beobachtungen wurden von den dem
Kloster Rottenbuch zugehörigen Pfarrern unter Beihilfe der
Schullehrer begonnen und später unter staatlicher Aufsicht
durch diese Persönlichkeiten weitergeführt. Die seit 1792 ge-
sammelten Beobachtungen sind von Lamont im I. Supplement-
bande zu den Annalen der Münchener Sternwarte, 1851, bis
zum Jahre 1850 veröffentlicht worden. Die Gewitter sind nach
1 Meteorolog. Zeitschr., 1905, p. 177.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 747
den Beobachtungsstunden notiert, ich habe sie nach Gewitter-
tagen geordnet.
Es haben sich auf diese Art 1330 Gewittertage in 53 Jahren,
aus denen Beobachtungen vorliegen, ergeben, was im Mittel
25 Tage mit Gewittern im Jahre ausmacht.
W. V. Bezold war der Ansicht, daß die Gewitterbeob-
achtungen auf dem Hohenpeissenberg nicht nach einheitlichen
Gesichtspunkten geführt sind und benützte dieselben nicht bei
seinen Untersuchungen über die gesetzmäßigen Schwankungen
in der Häufigkeit der Gewitter.^
Die Gewitterbeobachtungsreihe des Hohenpeissenberges
ist mit dem Jahre 1850 unterbrochen und beginnt erst wieder
mit dem Jahre 1879; sie ist bis zum Jahre 1898 veröffentlicht.^
Die in diesen 20 Jahren aufgezeichneten 699 Gewittertage
ergeben im Mittel 35 Gewittertage auf das Jahr. Die in Sonder-
abdrucken der Augsburger Abendzeitung erscheinenden monat-
lichen »Übersichten über die Witterungsverhältnisse im König-
reiche Bayern« ergeben von 1899 bis 1906 247 Gewittertage,
somit im Mittel 31 Gewittertage auf das Jahr.
In Tabelle I ist der jährliche Gang nach der älteren und
neueren Beobachtungsreihe in Drittelmonaten angegeben und
in Fig. 2 ist derselbe, der neueren Beobachtungsreihe ent-
sprechend, graphisch dargestellt.
Zum Vergleiche sind von mir auch die Gewitterbeobach-
tungen in München herangezogen worden.
Die Zahl der Gewittertage für die Jahre 1842 bis 1859
beträgt nach Dr. Ph. CarP 339, somit auf das Jahr 19. Die
neuere Reihe von 1879 bis 1898* ergibt 627 Gewittertage und
jene von 1899 bis 1906* 293 Gewittertage, somit 31 und
37 Gewittertage auf das Jahr.
Im Mittel geben von 1879 bis 1906 der Hohenpeissen-
berg 34 und München 33 Gewittertage auf das Jahr.
1 Ges. Abhandlungen, p. 43.
2 Beobachtungen der meteorologischen Stationen im Königreiche Bayern.
3 Pogg. Ann. der Phys. und Chemie, Bd. 112, 1862, p. 107.
^ Beobachtungen der meteorologischen Stationen im Königreiche Bayern*
^ Übersicht über die Witterungsverhältnisse. Separatabdruck aus der
Augsburger Abendzeitung.
748 A. V. Obermayer,
Aus der Reihe 1879 bis 1898 ist der jährliche Gang in
Drittelmonaten abgeleitet, in Tabelle II angeführt und in Fig. 2
graphisch dargestellt.
Prof. Karl Prohaskain Graz hat im Jahre 1885 mit Unter-
stützung des Naturwissenschaftlichen Vereines für Steiermark
ein Gewitterbeobachtungsnetz in Steiermark, Kärnten und
Krain eingerichtet. Die Meldungen sind eingelaufen in den
Jahren 1885 bis 1892 und 1896 bis 1902, d. i. während 15 Jahren.
In der Meteorologischen Zeitschrift, 1906, p. 134, sind die
gefundenen Ergebnisse in einer Mitteilung: »Ober die jährliche
und tägliche Periode der Gewitter und Hagelfälle in Steiermark,
Kärnten und Krain« zusammengestellt,
Nach Dekaden geordnet führe ich hieraus die folgenden
Zahlen der Gewittermeldungen an, welche den Rückgang der
Gewitterhäufigkeit im zweiten Drittel des Monats Juni so, wie
er sich auch an den im vorhergehenden in Betracht gezogenen
Stationen ergeben hat, zum Ausdrucke bringen:
11. Mai bis 20. Mai 4988
21. Mai » 30. Mai 7938
31. Mai » 9. Juni 14409
10. Juni » 19. Juni 8915*
20. Juni » 29. Juni 11314
30. Juni > 9. Juli 13160
10. Juli » 19. Juli 15228
20. Juli » 29. Juli 14205
30. Juli . 8. August 13653
9. August » 18. August 9947
In der Tabelle II ist der tägliche Gang der Gewitterhäufig-
keit für Sonnblick, Bucheben, Schafberg, Kremsmünster, Hoch-
obir und Klagenfurt angeführt und zum Schluß eine diesbezüg-
liche Zusammenstellung Karl Pro haska's^ beigefügt. Dem in
der letzteren ausgesprochenen Morgenmaximum in der Stunde
1 ** bis 2** a. begegnet man wieder im täglichen Gange der Ge-
witterhäufigkeit von Kremsmünster und des Zeitabschnittes
1 Ober die jährliche und tagh'che Periode der Gewitter und HagelfüIIe in
Steiermark, Kärnten und Krain. Meteorolog. Zeitschr.. 1906, p. 134.
Gewitterbeobachtungen in den Alpen. 749
1881 bis 1890 auf dem Obir. Das Hauptminimum von 4^ a.
bis 8*' a. der Prohaska'schen Reihe scheint in Kremsmünster
etwas verspätet, auf den Gipfelstationen auf eine frühere Stunde
zu fallen, was indessen nur vermutet werden kann. Das Haupt-
maximum von 3*" bis 5^ p. findet sich am Schaf berg, in Krems-
münster, am Obir und in Klagenfurt. Auf dem Sonnblick und
in Bucheben ist es auf 5^^ bis 6^ p. verschoben. Auf dem Sonn-
blick erscheinen überhaupt die Stunden 4** bis 10'' p. bezüglich
der Gewitterhäufigkeit nur wenig voneinander verschieden.
Schafberg und Kremsmünster zeigen noch ein zweites sekun-
däres Maximum von 8** bis 9** p. und von 7** bis 9** p.
In der Tabelle III ist eine Zusammenstellung der Zahl der
Gewittertage im Jahre für solche Stationen, von denen
längere Beobachtungsreihen vorliegen und der im vorher-
gehenden betrachteten Gipfelstationen versucht. Die eingeklam-
merten Zahlen entsprechen Jahren, in welchen die Beob-
achtungen für einzelne Monate fehlen.
In Kremsmünster sind von 1856 bis 1870 die Zahlen den
Reslhuber*schen Mitteilungen, von 1871 bis 1897 den Beob-
achtungsbögen der k. k. Zentralanstalt, von 1898 bis 1904 der
Mitteilung von P. Thiemo Schwarz entnommen. Für Hohen-
peissenberg und München sind von 1899 an die Beobachtungen
aus den Übersichten über die Witterungsverhältnisse aus der
Augsburger Abendzeitung entnommen.
Die großen Unterschiede in den Gewitterzahlen einzelner
Jahre in benachbarten Stationen lassen wohl vermuten, daß die
Gewitterbeobachtungen nicht nach den gleichen Gesichts-
punkten geführt sind.
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Gewitterbeobachtungen in den Alpen.
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758
A. V. Obermayer, Gewitterbeobachtungen in den Alpen.
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16
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•
•
759
Zur Rotation von Gasmolekülen
von
Dr. Rudolf Girtler,
Assistent für Physik an der k. k. technischen Hochschule in Wien.
(Vorgelegt in der Sitzung am 10. Mai 1907.)
Um sich die Differenzen zwischen der unter Voraus-
setzung alleiniger fortschreitender Bewegung der Moleküle
berechneten spezifischen Wärme eines Gases und experimen-
tellen Ergebnissen zu erklären, nahm Claus ius neben der
fortschreitenden kinetischen Energie der Moleküle auch eine
potentielle Energie der ein Molekül zusammensetzenden Be-
standteile an, indem er eine intramolekulare Kräftefunktion
einführte, durch deren entsprechende Wahl allein schon die
Verschiedenartigkeit des Verhältnisses x der beiden spezifi-
schen Wärmen eines Gases erklärt werden könnte. Maxwell
fand (Phil. Mag., IV, 20, 1860), daß die Rotationsenergie eines
elastischen Gasmoleküls von beliebiger Gestalt seiner Trans-
lationsenergie im Mittel gleich sein müsse, und schloß aus
seiner Untersuchung, daß eine derartige Annahme über die
Art der Moleküle mit den Erfahrungstatsachen in Bezug auf x
nicht in Vereinbarung zubringen sei. Boltzmann (Gastheorie,
II. Bd.) verband die Anschauungen von Clausius und Max-
well und schrieb jedem Gasmolekül eine fortschreitende kine-
tische Energie Q^ und eine intramolekulare Energie Q^ zu, von
welchen die letztere sich zusammensetzt aus der kinetischen
und potentiellen Energie Q^ und Q^\ für die kinetische Energie
der Atome Q^ kommt insbesondere auch die Rotation derselben
760 R. Girtler,
um irgend eine Achse in Betracht. Boltzmann stellte dann
seine berühmte Formel für
auf,, worin bekanntlich pi die Anzahl der Freiheitsgrade des
Moleküls und s das Verhältnis der gesamten intramolekularen
Energie zur Erhöhung der potentiellen Energie der Atome bei
Erwärmung des Gases vorstellt. Durch nähere Bestimmung
von (1 und s in jedem einzelnen Falle ist eine große Mannig-
faltigkeit der Werte von x gegeben. Da e im allgemeinen von
der Temperatur abhängig sein wird, so ergibt sich x aus (1)
als eine Funktion der Temperatur. Boltzmann sagt aber
selbst, daß eine Betrachtung vieler spezieller Fälle wohl nicht
schwierig, jedoch überflüssig erscheine, solange nicht um-
fassenderes experimentelles Material vorliege.
Wir wollen im folgenden zur Bestimmung von x einen
unseres Wissens neuen Weg einschlagen, nämlich den der
Herleitung von x aus dem von Clausius aufgestellten Virial-
begrifT. Wir fassen zunächst die Moleküle als absolut glatte,
elastische Körperchen von vorerst beliebiger Gestalt auf, zwi-
schen denen weiter keine Kräfte als die im Momente des
Stoßes zur Tätigkeit gelangenden Abstoßungskräfte wirken
sollen. Sie werden dann neben der fortschreitenden kinetischen
Energie auch eine Rotationsbewegung besitzen müssen und es
wird sich das Virial dementsprechend in ein solches der fort-
schreitenden und rotierenden Bewegung Vf und Vr teilen
müssen. Das Gesamtvirial V ist daher
V=Vf^Vr, (2)
Für 7hat Clausius (Wied. Ann., Jubelband, 1874, p.422)
den Ausdruck
y^L^d(U.-T.) ^^^2. ^^/^vg- (3)
2 dq^ 2 dt
aufgestellt. Darin ist f/^ das Kräftepotential, Jv die lebendige
Kraft des Systems, q^ repräsentiert die generalisierten Koordi-
Rotation von Gasmolekülen. 761
naten eines Teilchens und p^ -=. -= — . Die Querstriche bedeuten,
daß die Mittelwerte der Summen £ über eine genügend große
Zeit / genommen werden sollen. Für Vf fand schon Clausius
Vf = —^Y.X, + Yy^Z,, (4)
Vr folgt aus (3): Die lebendige Kraft T^^ eines Teilchens ist
T: = Jilf,^^,+ Jitf.J^.+J'il/.rfd,, (5)
wenn wir ein rechtwinkliges Koordinatensystem x, y, z zu
Grunde legen und Af^, My^ Mz die auf diese Achsen bezüg-
lichen Drehungsmomente, ^xt *>-, *» aber die in einem be-
stimmten Sinne genommenen Drehungswinkel bedeuten. Da
nach unserer Voraussetzung über die wirkenden Kräfte C/v = 0
ist und bei einer stationären, d. h. einer solchen, für welche
nach einer genügend großen Zeit immer genau dieselben
dp Q
Werte *x, ^y, *« wiederkehren, ^ ' = 0 gesetzt werden
kann, so ergibt sich aus (3) unter Berücksichtigung von (5)
2 d^x ^^y d^2
und daher
1
Vr=: S Mx»x+My»y+M:»: . (7)
Die gesamte mittlere lebendige Kraft während einer ge-
nügend großen Zeit wird daher nach (4) und (7)
1 „t: r: — — 1
V — S^* + Yy-¥Zz — — S Mxbx-^My%.-¥M.M . (8)
Die Gleichung (7) kann auch direkt aus den dynamischen
Grundgleichungen hergeleitet werden, ohne auf Gleichung (3)
zurückzugreifen. Um die Gleichung (7) etwas durchsichtiger
zu gestalten, werden wir das im folgenden kurz tun.
762
R. Girtler,
Die allgemeinste Bewegung eines Körpers setzt sich be-
kanntlich aus einer Rotation um eine durch den Anfangs-
punkt O des Koordinatensystems gehende Achse und einer
fortschreitenden Bewegung des Schwerpunktes zusammen.
Die zu den drei Achsen ;r, jv, z parallelen Geschwindigkeits-
komponenten der Rotationsgeschwindigkeit eines materiellen
Teilchens |i. des Körpers sind:
dx
dt
dy
dt
dz
dt
= zq — yr = A
= xr — zp = B
'^ yp — ^i = c
d^r
dt
—
•
P
d^y
dt
=
?
d»^
♦•
dt
(9)
Die gesamte mittlere Rotationsenergie unseres Gases ist also
2
Die Rotationsenergie eines Moleküls ist
Vr =
2
2 Lv dt
ä^A\>
PJ +
d»^
dt
M^)^-
n-
r ^^v dd-i
dt dt
yz-h
dt
d^x d^s
dt dt
xz-^
d^x d^*^
dt
dt
xy^
Pxi pyj 9z bezeichnen die Größe der Drehungshalbmesser
des Teilchens |jl bezüglich der Achsen x^y^ z.
Aus den Gleichungen (9) folgt
dz dy d^x
y ^zz=. — —
dt dt dt
(y+»«)_;,(i^^^ + i^,), (10)
^ dt dt ^
wozu noch zwei analoge Gleichungen durch zyklische Ver-
tauschung von Xyyy z entstehen.
Rotation von Gasmolekülen.
763
ja
Aus (10) erhalten wir durch Multiplikation mit — ^
2 dt
die Gleichung:
iL / dz
— [y
2 V di
dy\d»^ _
dtJ dt
2
d^x V ,
dt
xy
dd'y d^X
dt dt
— xz
d^z d^j^
dt dt
d^A
di J
Über die Werte der zuletzt aufgeschriebenen Gleichung
nehmen wir die Zeitmittelwerte für eine genügend große
Zeit T, d. h.
^ 2 X \ dt
dv\ d^~
dtl dt
dt —
= TfX'[(
dt I dt dt
xz
d^z d^i
dt dt
^^^L//. (1
dt J
1)
Die linke Seite von (11) können wir durch partielle
Integration umformen:
X ^ dt dtl dt
-i
' dz d^r T' dv d^r
Jq
dt dt Jq dt dt
=[»-f]:-r»'(
dy dz — , - -
-•^ y-y ]dt
dt dt dt^l
— ) dt— Wz
dy
dt^
0
Also ist:
.C\(^iy.+.^)ät
1 \dt dt dt^l
m-
dy
~dt
dz
d^
dt
dt —
=K^f-f)H'»'(^'|f-
z^y-\dt. (12)
dt^l
764 R. Girtler,
Denken wir uns den zuletzt gefundenen Ausdruck in (11)
eingesetzt und ist die Rotation eine stationäre, d. h. liegen die
den Bewegungszustand eines Teilchens (t charakterisierenden
Größen in einem solchen Bereiche, daß sie nach einer genügend
großen Zeit immer wiederkehren, so verschwindet der erste
Ausdruck auf der rechten Seite von (12) und wir erhalten dem-
gemäß aus (1 1), wenn wir über alle Teilchen |i. summieren
2z J^ L\ dt I dt dt dt di J
Das Zeichen S bezieht sich auf die Summierung über ein
Molekül. Zu den zuletzt aufgeschriebenen Gleichungen gibt
es zwei analoge Gleichungen bezüglich der y- und c-Achse.
Addiert man diese Gleichungen zu (11, IIa) und bedenkt, daß
als Zeitmittelwert der auf ein Molekül wirkenden äußeren
Momente angesehen werden kann, so ergibt sich bei Summa-
tion über alle Moleküle der Ausdruck
was wir bereits gefunden haben.
Es verdient bemerkt zu werden, daß die Gleichung (7)
nach einem bekannten Satze der Mechanik auch richtig bleibt,
wenn x.y^ z die Koordinaten in einem Achsensystem bedeuten,
das mit dem betreffenden Molekül fortschreitet und seinen
Ursprung im Schwerpunkte des Moleküls hat. Da sich also
ergibt, daß die Rotationsenergie des Gases unabhängig von der
Wahl des Koordinatensystems ist, kann geschlossen werden,
daß jede Rotationsachsenrichtung im Räume gleich wahrschein-
lich ist.
Rotation von Gasmolekülen.
765
Nach unserer Annahme wirkt als äußere Kraft der auf die
Begrenzungsfläche o) des Gasvolumens v sich gleichmäßig ver-
teilende Druck p pro Flächeneinheit.
Für diesen Druck p geht die Gleichung (7) über in
Vr =
--f
2 Jco
pdiü[y cos (ms) — z cos(«^)] arctg
1 r X
— / pd(ü[z cos (nx) — ,r cos (ws)] arctg —
2 Joi *^
(13)
2 X
y
pdiü\x cos {ny) — y cos (« x)\ arctg ^^
wobei wir uns erinnern, daß
M^—yZ—zY, My = zX—Zx, AU = xY—yX.
n bedeutet die nach innen gezogene Normale der Fläche w,
die Integrale sind über die ganze Fläche ««> zu nehmen.
(13) kann auch so geschrieben werden:
VrZ=
2X
pdtü cos {nx)
X
z arctg y arctg
(13a)
i]
l pä(ü COS (ny) X arctg ^ — z arctg —
/ odo) cos (W2J) y arctg -^^ ;»; arctg —
2 J«, L-" y ^ J
Nun lautet ein Satz der Mathematik, durch welchen man
von einem Oberflächenintegral auf ein Volumintegral über-
gehen kann:
\ dv = — I Fcos(fi;r)^
(0
und zwei entsprechende Gleichungen für die y- und 2-Achse.
Setzen wir F, was eine stetige Funktion bedeuten muß, be-
ziehungsweise gleich den eckigen Klammerausdrücken in (13 a),
so erhalten wir die folgenden Gleichungen:
766
R. Girtler,
P \ V ^^^^8":: y arctg—j COS («;»:) du) =
= i''X(^+^5^)''"
-^'JS
y
X arctg ^ s arctg — ) cos {ny) dm ^
i^X(^
-|-y2 y2
dv
— p l f^ arctg -^^ « arctg — 1 cos («2)^(0 =
= —P
i>>
.2
\^^y
2_L^2
Z^-^X^
\dv
Addiert man die Gleichungen (14), so erhält man
(14)
(15)
Die Gleichung (7) gilt, wie schon erwähnt, auch, wenn
man die dort vorkommende Summe £ Mx^x+My^y-^M^^z auf
jedes einzelne Molekül in Bezug auf ein mit dem Molekül fest-
verbundenes Achsensystem nimmt und über alle Moleküle
summiert. Sind die Moleküle Rotationskörperchen, so ver-
schwindet das Produkt ilf*, das sich auf die Rotationsachse
bezieht, z. B. M^^j. für jedes Molekül. Daraus erkennt man,
daß auch für ein außerhalb der Moleküle liegendes festes
Achsensystem, für den Fall, daß die Moleküle Rotations-
körperchen sind, die Gleichung (7) die Form
annehmen kann.
Um aber keinen Zweifel an der Richtigkeit von Gleichung
(7a) unter den angeführten Umständen aufkommen zu lassen,
führen wir folgende Betrachtung durch. Das mit jedem Molekül
fest verbundene Achsensystem habe die Bezeichnung x,y,z.
Rotation von Gasmolekülen.
767
das von der Bewegung der Moleküle unabhängige Achsen-
system heiße x', y', z'. Das System x^ y^ z kann für jedes
Molekül gegenüber dem System x\y\z^ durch drei Winkel
d,/, (p festgelegt werden, von welchen 0 von Null bis ic, / von
Null bis 2ä, ^ von Null bis 2ä läuft.* Die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß für die Achsen x^y^ z der Winkel * zwischen ^ und
^•\-d^^ /zwischen / und f'¥df und <p zwischen ^ und <p+ Jcp
sin ^d^df dtp
hegen, ist — ~ — ^•
Die Transformationsgleichung für die beiden Achsen-
systeme lautet beispielsweise für die Momente bezüglich der
«'-Achse:
Mi = filcos (xx')X'^cos (xy')Y'^cos (xz^) Z] —
— € [cos (xy') X-h cos (yy') Y-^ cos (zy') Z] +
-f-cos (zx')Mx'^cos (zy')My^cos (zz')Mz, (A) *
worin yj, S die Koordinaten des Schwerpunktes des heraus-
gehobenen Moleküls im x'^y'^z'-Sysi^m bedeuten.
Da nun
cos {xx') ■=. — cos ff cos/ cos b — sin 9 sin/
cos {xy') =z — cos?p sin / cos d + sin 9 cos/
cos (xz') = cos ff sin S*
cos ( xy')
cos (yy')
cos (zy')
cos (zx')
cos (zy')
cos (zz')
— sin ff cos/ cos d
— sin (p sin/ cos *-
sin ff sin ^
cos/ sin d
sin / sin ft
cosd
cos 9 sin/
cos 9 cos/
(BJ
1 Kirchhoff, Vorlesungen über mathem. Physik, Mechanik, fünfte Vor^
lesung.
Sitzb. d. mathem.-oaturw. KL; CXVI. Dd., Abt. IIa.
51
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R. Girticr,
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H- 1 (A^
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P c
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Rotation von Gasmolekülen.
769
In (13) verschwindet also, wenn die Moleküle Rotations-
körperchen sind, das dritte Integral und wir erhalten nach
analoger Ordnung wie früher:
^2
2
dv
-^x'
> (14a)
P j ^ eLTCtg— cos (Hx)diA r= — p j -
"ir^ I -^arctg-^cos(«>')^ü) := —p l — —
p rf_y arctg-^^ ;»; arctg^jcos (w-:)dci) =
Durch Addition der Gleichungen in (14a) ergibt sich
Vf r= pv, (15a)
Sind die Moleküle Kugeln, so wird, wie leicht zu ersehen,
Fr=:0.
(15fe)
Da das Virial der äußeren Kräfte für die fortschreitende
Bewegung gleich — ^ ist, so ergibt sich mit Hilfe der bekannten,
von Kirchhoff (Vorlesungen über theoretische Physik, Wärme,
p. 169) für X aufgestellten Formel
x = 1 +
V,
/
3 Vf + Vr
(16)
in welcher Vf die Energie der fortschreitenden, Vy die der
rotierenden Bewegung ist, unter Voraussetzung der Gültigkeit
von (15)
x = 1+ — •— = 1-33,
3 2
unter Voraussetzung der Gültigkeit der Gleichung (15a)
I 2 1-5
X = 1 H ==: 1*4
3 2-5
51*
770 R. G i r 1 1 e r, Rotation von Gasmolekülen.
und wenn die Moleküle Kugeln sind,
x = 1-66,
da dann F^ = 0 ist.
Aus dem Vorhergehenden ersehen wir, daß es nicht not-
wendig ist, um zu den bekannten Werten von x für einatomige
und zweiatomige Gase zu kommen, auf die Wahrscheinlich-
keit einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit eines Mole-
küls einzugehen, sondern daß diese Werte direkt aus dem
erweiterten Virialbegriflfe fließen.
771
Über einige physikalische Eigenschaften der
Kolloide
von
Dr. N. Stücker.
(Mit 1 Tafel und 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitxang am 25. April 1907.)
So sehr sich in den letzten Jahren unsere Kenntnis über
das chemische Verhalten der Kolloide erweitert hat, so ist dies
mit derjenigen ihrer physikalischen Eigenschaften nicht in
demselben Grade der Fall.
Auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. E. Wiedemann
habe ich zunächst in Erlangen einige elektrische imd optische
Eigenschaften kolloidaler Metalle, soweit ich darüber in der
Literatur keine Angaben fand, untersucht; und zwar .stellte ich
meine Beobachtungen an Silber und Gold (letzteres in der roten
und blauen Modifikation) sowohl in festem als auch in gelöstem
Zustand an. Ober die Darstellung der von mir benützten
Metalle finden sich die erforderlichen Angaben in den Arbeiten
von Herrn Prof. Dr. Paal,^ welcher mir auch die Kolloide zu
meinen Untersuchungen in liebenswürdigster Weise zur Ver-
fügung stellte, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen
besten Dank ausspreche.
Zur Untersuchung der elektrischen und optischen Eigen-
schaften der kolloidalen Metalle mußten von denselben möglichst
gleichförmige Schichten auf Glasplatten aufgetragen werden.
Um dies zu erreichen, verfuhr ich folgendermaßen: Ich löste die
Metalle in warmem Wasser, welchem einige Tropfen Ammoniak
1 >Über kolloidales Silber«, Ber. der Deutschen ehem. Ges., 35, 2224
(1902), und »Ober kolloidales Golde, ebenda, 35, 2236 (1902).
772
N. Stück er,
zugesetzt waren, und goß die Lösung auf eine Glasplatte,
auf welcher sie sodann vorsichtig zur Trockene eingedampft
wurde. Leider war die Schicht, insbesondere beim Silber, oft
ungleichmäßig, ein Umstand, der die Genauigkeit dieser Ver-
suche beeinträchtigte. Die Dicke der Metallschicht wurde aus
Wägungen gefunden.
Das elektrische Leitungsvermögen der Kolloide.
Um zu untersuchen, ob die festen, auf Glas niedergeschla-
genen Kolloide ein elektrisches Leitungsvermögen besitzen,
OaedegU^er
Fig. 1.
verwendete ich eine dicke Glasplatte von 3 cm Breite und
8 cfH Länge, die anhaftende Metallschicht hatte eine Dicke
von 0' 0008 mtn. An den beiden Enden derselben (siehe die
Figur) waren zwei durchbohrte Korke befestigt, in welche
Quecksilber gegossen wurde. Die ganze Vorrichtung wurde
sodann in einen elektrischen Stromkreis von 220 Volt Span-
nungsdifferenz eingeschaltet; da sich unter diesen Umständen
selbst bei einem empfindlichen Galvanometer kein Ausschlag
zeigte, so war die Leitfähigkeit eine sehr kleine. Dies kann
davon herrühren, daß die einzelnen kolloidalen Metallteilchen
durch das Eiweifi voneinander isoliert sind. Nehmen wir als
Grenze für einen eben bemerkbaren Ausschlag 1 mm an, so
lag demnach die Leitungsiahigkeit der Platte unter 6.10~^
wenn die Empfindlichkeit des Galvanometers 2*8. 10"** betrug.
Spätere Versuche in Graz ergaben, daß die Leitfähigkeit von
der Größenordnung 10~*^ war.
Physikalische Eigenschaften der Kolloide. 773
Das optische Verhalten der Kolloide.
Da von den optischen Eigenschaften dieser Substanzen
die diffuse Reflexion und die hiebei auftretenden Polarisations-
erscheinungen bereits früher eingehend untersucht worden sind
(die Arbeit von Vannino habe ich erst lange nach Abschluß
der meinigen zu Gesicht bekommen), so habe ich die elliptische
Polarisation an der Oberfläche fester Kolloide sowie die Ab-
sorption in festen und gelösten Kolloiden ermittelt.
A. Die elliptische Polarisation.
Die Messungen über elliptische Polarisation führte ich mit
dem Babinet'schen Kompensator aus, und zwar, da es sich hier
nur um Orientierungsversuche handelt, für rotes, gelbes und
grünes Licht, wobei eine Lithium-, Natrium- und Thalium-
flamme als Lichtquellen dienten. Dabei wurden die Werte für
den Haupteinfallswinkel ^ und das Hauptazimut A ermittelt.
Mit Hife der bekannten Formeln^ berechnete ich hierauis
den Brechungsexponenten, das Reflexionsvermögen und den
E^xtinktionskoeffizienten.
Für das Absorptionsvermögen ergibt sich:
tg2^
1 +
oder näherungsweise, indem wir den Nenner gleich 1 setzen,
X iz: tg 2 ^.
Für den Brechungsexponenten und das Reflexions-
vermögen erhalten wir:
sin 4> tg 4>
n -= —
l+n«(lH-tg^2^)-2«
~ l-h«2(l-4-tg2 2^)-4-2«
1 Kohlrauschy Lehrbuch der praktischen E^hysik, p. 298.
774 N. Stücker,
Außerdem sei der Extinktionskoeffizient g = n%. Experi-
mentell ist g durch folgende Formel gegeben:
worin J die Intensität des eintretenden, J' die des austretenden
Lichtes, X die Wellenlänge im Vakuum und d die Dicke der
absorbierenden Schicht bedeuten; X ist in Mikron, d in Zenti-
metern gemessen.*
B, Der Extinktionskoeffizient.
Die Messungen führte ich mit dem Spektrophotometer
von Glan aus; bei der Untersuchung wurde genau nach der
in dem Buche von Wiedemann-Ebert angegebenen Methode
verfahren. Die beiden Spalte wurden durch eine Nernstlampe
gleichmäßig beleuchtet und mittels eines Stativs die beiden
Schichten vor den Spalthälften befestigt. Für die Versuche
mit Flüssigkeiten verwendete ich einen Glastrog mit einem
sogenannten Schulz'schen Körper. Hiebei zog ich diejenige
Schichtdicke d in Rechnung, welche dem Metall eigen wäre,
wenn es sich in festem Zustande befände. Es seien p Gramm
des Metalles in v Kubikzentimetern Wasser gelöst, 5 sei das
spezifische Gewicht des Metalles und 6 die Dicke der Lösung,
so ist
SV
Die Messungen an festen Kolloiden sind weit weniger
zuverlässig als die an flüssigen, da es kaum möglich war, stets
gleiche Oberflächen herzustellen; auch haben sich bei der
Dickenbestimmung mancherlei Schwierigkeiten ergeben.
Um eine Kontrolle über die Versuchsresultate zu erhalten,
habe ich von jedem Metall zwei Reihen von Beobachtungen
mit verschieden konzentrierten Lösungen und verschieden
^ Zunächst wurden die von Prof. E. Wiedemann untersuchten Kupfer-
und Messingspiegel nochmals geprüft, die Konstanten der elliptischen Polari-
sation ermittelt und mit den früher gefundenen Werten gut übereinstimmend
gefunden.
Physikalische Eigenschaften der Kolloide. 775
dicken Schichten ausgeführt; dieselben ergaben gute Über-
einstimmung (vergl. Tabelle 2). Die so gewonnenen Resultate
sind in den folgenden Tabellen zusammengestellt, und zwar
für die Versuche mit Silber, rotem und blauem Golde, wobei ein
jedes in festem und gelöstem Zustande untersucht wurde.* Die
weiteren Tabellen geben eine Übersicht über die Werte
von <t>, Aj n, R und g (letzteres beobachtet und berechnet). In
Tabelle 3 befinden sich sämtliche Daten einer Beobachtungs-
reihe für rotes gelöstes Gold, in Tabelle 4 endlich die
Mittelwerte von g für alle untersuchten Metalle. Die Kurven
auf der Tafel enthalten eine graphische Darstellung der für die
Extinktionskoeffizienten gefundenen Werte.
Diskussion der Versuchsdaten.
A, Die elliptische Polarisation.
Die optischen Konstanten, welche bei den meisten Metallen
nur wenig voneinander abweichen, haben gerade bei den Edel-
metallen sehr verschiedene Werte; so z. B. ist der Brechungs-
exponent sehr klein, während das Reflexionsvermögen den
Betrag von 90% erreicht. Diese Eigenschaften treff'en wir
jedoch bei diesen Metallen in der kolloidalen Modifikation
nicht an. Ihre Haupteinfallswinkel sind nahezu gleich denen
der Metalle in gewöhnlichem Zustande, ihre Hauptazimute
hingegen bedeutend kleiner; dies hat nun wieder ein Zunehmen
des Brechungsindex sowie ein Abnehmen des Reflexions-
vermögens zur Folge. Das Reflexionsvermögen erreicht für
rotes Gold im gelben Lichte sein Maximum, beim Silber nimmt
es mit abnehmender Wellenlänge überhaupt zu. Die beiden
Modifikationen des Goldes weichen in ihren Werten nicht
wesentlich voneinander ab. Beim blauen Golde konnte ich
wegen der schlechten Beschaffenheit meiner Spiegel nur für
gelbes Licht einigermaßen verläßliche Werte erhalten.
1 Da von vielen, besonders älteren Forschem nicht der Extinktions-
1 /
koeffizient, sondern die Absorptionskonstante a = — log — angegeben ist,
d J'
so teile ich auch die Werte für diese Größe mit.
776
N. Stücker,
Gold
Silber
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a
Physikalische Eigenschaften der Kolloide.
777
Tabelle 2.
Übersicht über die Werte für a und g bei verschiedener
Konzentration, beziehungsweise Schichtdicke.
a) Silber (fest).
Zwei Beobachtungsreihen.
p. gemessen
1
a
g
m
I
II
Mittel
I
1
II
Mittel
0-708
4-7545
4-8074
4-781
0-563
0-571
0-57
674
5-4418
5-5774
5-510
0-614
0 629
0-62
647
6-3326
6-4983
6-415
0-684
0-702
0-69
619
7-4599
7-4946
7-477
0-766
0-773
0-77
595
8-5398
8-7368
8-638
0-851
0-870
0-86
580
10-1030
10-0609
10-082
0-981
0-977
0-98
562
1 l • 8043
1 1 • 7832
11-794
1-110
1-108
111
531
15-1761
15*4989
15-337
1-349
1-377
1-36
503
21-9655
22-0656
22-016
1-849
1-858
1 • 85
486
—
—
—
—
—
2-35
470
—
1
—
—
4-45
b) Silber (gelöst).
Zwei Beobachtungsreihen.
X
in {JL gemessen
a
g
I
II
Mittel
I
II Mittel
0-708
674
647
619
595
580
562
531
1-1444
1 - 2504
1-5031
2-1468
2 - 7647
3 - 8005
6 • 0690
1-0544
1-1311
1-2569
1-5144
2-1659
2-7254
3-8327
5-9710
1-054
1-139
1-254
1-509
2-156
2-745
3-817
6013
0-142
0-148
0-171
0-234
0-294
0-392
0-591
1
0-137
0-140
0-149
0172
0-236
0-290
0-396
0-582
0-137
0-141
0-149
0-171
0-235
0-292
0-394
0-587
77«
N. Stücker,
Tabelle 3.
Beobachtete Daten und aus denselben berechnete AA^erte
von a und g ftir rotes Gold in gelöstem Zustande.^
X (in ji)
o-ros
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«»x>
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41*»42'
2-0746
39»5'
3-7382
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4*2633
37*»18'
4-8397
34*I9'
6-63SS
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0-462
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0-913
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2-799
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Physikalische Eigenschaften der Kolloide.
779
Tabelle 4.
Übersicht über die Werte von g.
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(inji)
0-758
708
674
647
619
595
580
568
555
531
503
486
470
446
419
397
Silber
gelöst
fest
Gold (rote
Modifikation)
gelöst
fest
Gold (blaue
Modifikation)
gelöst
0-14
0-57
0'
26
0-62
105
0-14
0-62
0'
'44
1-20
1-26
0-15
0-69
0"
49
2-40
1-48
0-17
0-77
0-
55
2-04
1-29
0-24
0-86
0«
73
1-72
1-16
0-29
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0-59
1-36
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1-15
0-64
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1-85
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•00
0-78
0-41
—
2-35
1
•57
0-51
0-10
—
4-46
1
•19
0-38
0-04
—
—
0
•93
0-13
—
—
0
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—
0-29
—
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0-58
fest
0-92
1-08
1-16
1-22
1«39
1-47
1-35
1-04
0-84
0-78
0-71
0-60
0-33
0-48
1 X = 0-402 [1.
r^ ' N. Stücker,
B. Die Extinktionskoeffizienten.
Im folgenden sollen die Extinktionskoeftizieriten an der
Hand der nach ihnen konstruierten Kurven sowie die auf-
tretenden Farben der festen Körper und Lösungen näher
besprochen werden:
1. Silber. Bei demselben verlaufen die Kurven für den
gelösten und festen Zustand ziemlich ähnlich. Beide steigen
vom Rot bis gegen die C-Linie fast unmerklich, sodann wächst
der Extinktionskoeffizient mit abnehmender Wellenlänge un-
verhältnismäßig stark, die Beobachtungen reichen nur bis zur
jF-Linie, da die allzugroße Absorption die Versuche im Violett
unmöglich machte.
2. Gold, rote Modifikation. Im Gegensatze zu Silber
zeigen hier die Kurven für den gelösten und festen Zustand
große Verschiedenheiten. Die Kurve für den ersteren steigt im
Rot stärker, bleibt im Orange mehr konstant, steigt sodann von
der D-Linie bis jenseits der £-Linie, wo sich das Maximum
befindet, um das Vierfache ihrer Höhe, um bei der jF-Linie
wieder auf die gleiche Höhe wie bei der Z)-Linie herabzusinken.
Die Kurve für das feste Gold hingegen steigt rasch zu einem
Maximum im Orange und fällt dann allmählich gegen das
Violett hin. Die Verschiedenheit dieser beiden Kurven ist durch
die Farbe der Modifikation bedingt: Im durchgehenden Lichte ist
das eistere rubinrot, das letztere blau, im reflektierten aber
olivengrün, beziehungsweise goldgelb. Da das rote Gold beim
Eindampfen einen Farbenumschlag in Blau aufweist, so müßte
eine solche Schicht durch Zuführen von Feuchtigkeit wieder rot
werden. Dies war nun in der Tat bei einigen MetaJlspiegeln der
Fall, die durch Anhauchen sofort rot wurden und, nachdem die
gebildeten Wassertröpfchen verdampft waren, wieder ihre
ursprüngliche blaue Farbe zeigten. Bei einigen Spiegeln trat
jedoch der erwähnte Farbenumschlag nur von Blau in Rot ein,
welche dann eine violette Farbe beibehielten, während andere,
besonders solche, die schon auf sehr hohe Temperaturen
erhitzt worden waren, ihre Farbe überhaupt nicht veränderten.
Endlich erhielt ich beim Eindampfen der Goldlösung einmal
einen Spiegel von grüner Farbe im durchscheinenden Lichte
Physikalische Eigenschaften der Kolloide.
781
welcher hierin an das gewöhnliche Metall erinnert; mit diesem
gemeinsam hatte er auch die Eigenschaft, sich in Wasser oder
Ammoniak nicht mehr aufzulösen. Wegen der Ungleichmäßig-
keit dieses Spiegels konnte ich jedoch nur eine ungefähre
Angabe des Extinktionskoeffizienten geben.
3. Gold, blaue Modifikation. Die Kurve für das
gelöste Gold zeigt ein ausgeprägtes Maximum im Orange und
ein auffallend tiefes Minimum im Blau, während sie gegen das
Violett hin wieder rasch steigt. Die Kurve für das feste Gold
ist die konstanteste aller besprochenen; sie steigt ganz
langsam bis ins Gelb und sinkt wieder allmählich gegen
das Ende des sichtbaren Spektrums. Eigentümlich ist die
Cd
Ag
rot
Au
blau
Fig. 2.
Erscheinung, daß beim roten festen und beim blauen gelösten
Golde das Maximum im Orange liegt, beim blauen festen Golde
aber im Gelb, obwohl alle drei Modifikationen im durchgehenden
Lichte dieselbe Farbe, nämlich die blaue, zeigen. Im reflektierten
Lichte ist das blaue gelöste Gold dunkelbraun, das feste gold-
gelb mit einem Stich ins Braun.
Die im vorhergehenden besprochenen Erscheinungen über
die Absorption werden bestätigt durch die photographischen
Aufnahmen ihrer Spektren, welchen ich das Funkenspektium
des Cadmiums als Vergleichsspektrum beigefügt habe. Das
Silber, welches die roten, nicht aber die grünen Strahlen
hindurchläßt, zeigt fast gar keine hellen Stellen, da die roten
Strahlen die Platte nicht angreifen und im Grün die Absorption
sehr groß ist; erst im Blau findet ein Durchgang des Lichtes
782
N. Stücker,
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Physikalische Eigenschaften der Kolloide. 783
statt. Das Gold in roter Modifikation besitzt für die roten und
gelben Strahlen eine große Durchlässigkeit; die starke Ab-
sorption im Grün zeigt sich auch hier wieder sehr deutlich.
Die blaue Modifikation läßt in dem Spektralgebiet vom Orange
bis zum Blau überall fast gleich viel Licht hindurch, was mit
der verhältnismäßig geringen Absorptionsverschiedenheit für
die verschiedenen Wellenlängen zusammenhängt. Die Fig. 2
m
zeigt uns die eben besprochenen Erscheinungen.
Auf p. 782 gebe ich eine Übersicht über die Oberflächen-
farben der festen Kolloide, wenn dieselben von verschiedenen
Flüssigkeiten umgeben sind, und zwar sowohl mit als auch
ohne dichroskopische Lupe betrachtet; man sieht deutlich die
bei verschiedenen Einfallswinkeln auftretenden Farbenunter-
schiede.
Zum Schlüsse erlaube ich mir, meinem hochverehrten
Lehrer, Herrn Prof. Dr. E. Wiedemann sowie Herrn Prof. Dr.
Reiger, welche mich bei meinen Versuchen in Erlangen mit
ihrem Rate unterstützten, meinen aufrichtigsten Dank aus-
zusprechen. Leider konnte ich die Arbeit in dem Erlanger
Institute nicht zum Abschluß bringen; daher danke ich auch
verbindlichst Herrn Hofrat Dr. L. Pfaundler, welcher mir zur
Anstellung der endgültigen Messungen bereitwilligst sein Labo-
ratorium zur Verfügung stellte.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. J>2
Stucker,N.= Physikalische Eigenschaften der Kolloide.
IxhiiKlJünsKonffjzitTi/en
I
I
r
I
Zeichen erkläruna :
1) Silber L) GoM (roteModJ 5.) Gold (bbueMod.)
gelöst gdöst fest (violeft) gclojst
— fest ..^^^fest ..._ fest((frun) fest
UÜLAxutLrlh.BHMmßnaihyrten.
Sitzungsberichte d.k2iis.Akud.d.WLs.s.,niaiIirJiatunv. Klasse, Bd.CXVI.^th.lLa 1907.
785
Über die Legendre'schen Symbole für quadra-
tische Reste in einem imaginären quadrati-
schen Zahlkörper mit der Klassenanzahl 1
von
£. Dintzl.
(Vorgelegt in der Sitzung am 2. Mai 1907.)
1.
Sowie für kubische und biquadratische Reste im Gebiete
der aus den dritten und vierten Einheitswurzeln gebildeten
Zahlen lassen sich auch für quadratische Reste in einem
beliebigen imaginären quadratischen Zahlkörper, sofern nur
seine Klassenanzahl 1 ist, Legendre'sche Symbole definieren
und durch elliptische Funktionen darstellen.^ Scheibner
leitete das allgemeine quadratische Reziprozitätsgesetz für
diese Symbole mit Hilfe der Jacobi'schen Funktion tg am u
her. Er beschränkte sich hiebei jedoch auf sogenannte nor-
male binomische Zahlen, das sind ganze komplexe Zahlen von
der Form a+bx, wo t die Basis des betreffenden Körpers
bedeutet und a = 1 (mod 2), fc = 0 (mod 2) ist. Für den be-
sonderen Fall des kubischen Kreisteilungskörpers leitet auch
1 Eisenstein, Applications de I'algebre a rarithmetique transcendante .
Crelle's Journal, Bd. 29; v. Dan t scher, Bemerkungen zum analytischen Be-
weise des kubischen Reziprozitätsgesetzes, Math. Annalen, Bd. XII ; Scheibner,
Zur Theorie des Legendre- Jacobi'schen Symbols f — j , Abhandlung II im
XXVII. Bande der Abhandl. der math.-phys. Klasse der königl. sächsischen
Gesellschaft der Wissenschaften ; Mertens, Ober die Darstellung der Legendre-
schen Syml>ole der biquadratischen kubischen und bikubischen Reste durch
Thetareihen. Diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa, Okt. 1906.
52*
786 E. üintzl,
Mertens das quadratische Reziprozitätsgesetz mittels der aus
den Thetareihen gebildeten Funktion ^ , ^j) w. , s ab.
Im folgenden werden aus der Transformation der Weier-
straß'schen ^q- und a-Funktionen* Darstellungen der Legendre-
schen Symbole für quadratische Reste zunächst unter Zu-
grundelegung eines beliebigen quadratischen Zahlkörpers mit
der Klassenanzahl 1, sodann für die speziellen Körper k(\/ — 1),
k{\/ — 3) und insbesondere für *(\/ — 2) hergeleitet.
2.
Es bedeute D eine ganze rationale negative Zahl, die durch
kein Quadrat außer 1 teilbar ist. Die quadratische Gleichung
x'^—D z= 0
bestimmt dann einen imaginären quadratischen Zahlkörper
k(\/D), Als Basis dieses Körpers können die beiden Zahlen:
(3 — l+V^
1,T =
gelten, wo o zz 2 oder 1 ist, je nachdem D = l (mod 4) ist oder
nicht.
Das Periodenverhältnis der hier zur Anwendung kommen-
den elliptischen Funktionen sei, wenn 2« und 2»' die beiden
Perioden bezeichnen:
0) a
Bedeuten ferner p = a-k-bx eine ungerade komplexe Prim-
zahl des Körpers und
p' = a-hbv', p =zpp' :=z a^+--^ ^-ab ^ ^— - b^
1 Die Bezeichnungen sind der von Schwarz herausgegebenen Sammlung
von »Formeln und Lehrsätzen zum Gebrauche der elliptischen Funktionen nach
Vorlesungen von Weierstraß« entnommen.
Legendre'sche Symbole für quadratische Reste. 787
deren Konjugierte, beziehungsweise Norm, so lassen sich stets
zwei ganze rationale Zahlen c und d so bestimmen, daß:
2d) = a.2(i)-hfe.2a)', 2öJ = c.2a)+^.2<o' (ad—bc = 1)
ein primitives Periodenpaar bilden. Das neue Periodenverhältnis:
(b a+bz p
2(3—1) ^ D—('3—\y _
/ = ac: + - ^ -bc ^ —bd
)
genügt sowie das ursprüngliche der Bedingung, daß der imagi-
näre Bestandteil positiv ist.
Aus den allgemeinen Eigenschaften der Funktion:
U . 1 /l*
a, & = 0, ±1, ±2, . . . ifcoo
fv = a.2ü)-hfc.2ö>'
ausgenommen fV :=:0
folgt daher:
Da auch 2 o) =: 2 ö5, /. 2 co H- 2 <o' = 2 öi' ein primitives
Periodenpaar bilden, so liefert die allgemeine Transformation
/7ter Ordnung folgende Produktdarstellung:
/A.25' ^ A //f. 25' _ A
Ol — u] «0,0)' l.a ( — h u; <o, a>' >
= p.^®«\o(«).nÄ ^ ^
Jfe.25^ . A
^ « fh.2üi' \ , «—1
788 E. Dintzl,
oder, da — -= — =. ist und (<i),ö>0 durch (w.o)') ersetzt
p p p V ' / \ » /
werden können,
o(pw; CO, ü)') =: C,e®»\(j(u).Una(u-i- ^^(^"^^^) . 2a>; w,«')
C = '-" " 6=:±l,±2,...±.t=l.
Wenn A ein anderes Restesystem mod p durchläuft, so
daß sich stets je zwei Reste bloß durch das Zeichen von-
einander unterscheiden, so ändert sich in der obigen Formel
nur der Wert der Konstanten C Insbesondere kann man
//(c-frft) durch hz ersetzen und erhält:
a(pw) = C.^^'^"'o(w).nÄa(«+ *'-"*' , co, co'V (1) ^
Vermöge der Gleichung:
i^{n)-(p{v) = ;
a^(«)(3*(i;)
kann man (1) auch derart umformen:
o(pn; (0,0)0 = p.^««\o^(«).nÄ|ii>(«)— p(-^ -]}•
Daher hat die Funktion:
die Perioden 2<o, 2o)'. Daraus kann man Ausdrücke zur Berech-
nung von & ableiten; so folgt z. B. aus/(fi+2<o) z=zf{u):
ÖJco* zz — (aT, + Z?7]')(^ö>-4-&(o') /?^<«>, (2)
1 Die Herleitung dieser Formel ist dem von Mertens zur Darstellung
von J^i(p«) angewandten Verfahren nachgebildet. Scheibner gewinnt den
Ausdruck durch Umformung der Produklformel für c(tt).
Legendrc'sche Symbole für quadratische Reste. 789
WO
^ " o(ü)) ' ^ "■ o(a>0
bedeuten.
In den aus den vierten und dritten Einheitsvvurzeln ge-
bildeten Körpern *(\/— 1) und k{\/ — 3), wo z ■=. i und
l+/\/3
, ü)' = To), Y)' = t't] ist,^ folgt mit Hilfe der Legendre-
^ 1
sehen Relation yi'co— ina>' = — icf insbesondere:
2
® = 0.
Für eine ungerade reelle Primzahl q des betreffenden
Körpers k(\/D) gilt eine ähnliche Gleichung wie (l). Denn aus
erhält man durch zweimalige Transformation ^ter Ordnung:
/ f\ n ^ \u f . Ä.2co+*.2a)' /
A, t = 0, d=l, =t 2, . . . dz— ; ausgenommen h ^z k =iO.
Um auch für Oi(pw; co, w'), a2(p«; w, co'), <53(p«; co, co') ana-
loge Ausdrücke wie für o{pu) abzuleiten, ersetze man in (1)
fi der Reihe nach durch w+©, «-hco' und «-+-o>'' (o)" = cd+o)').
Da p eine ungerade komplexe Primzahl bedeutet, so lassen
sich die Größen po), po)' und pva" stets auf die Form bringen:
pco = a.2a)-hß.2cö'+a>x, pw' = a'.2ci)-4-ß'.2<i)'-|-ü)^,
pa>" z= (x".2a)+ß".2a)'+ö>,,
wo a und ß ganze rationale Zahlen sind und co,, o)^, w., abge-
sehen von der Reihenfolge mit co, <o', w" übereinstimmen. Be-
zeichnet man die den co entsprechenden Werte von — t-t- mit
'^ a(w)
1 Siehe u. a. Burkhardt, Elliptische Funktionen, 2. Teil, § 89 und § 90.
^,X.' Physikalische Eigeiiöchaften der Kolloide.
ExtüiKhüjisKonllhzieiilen
Zeichen erklänma :
^r 2.) Gold (rote ModJ 5.) Gold (bJaueMod)
gelöst (gelöst fest (violett) gdöst
fest ..„^^fesi .-._ fest i <)riin) fest
LiÜL Aiurt.r.Th.Baniiwiut)t,Wien .
•erichte d.k2iLS.Akiid.d.Wiss.,maiiLriiaturvv.Kla.S8e, Bd.CXVI.AbÖi.lIa 1907.
780
r die Legendre'sehen Symbole für quadra-
le Reste in einem imaginären quadrati-
hen Zahlkörper mit der Klassenanzahl 1
von
E. Dintzl.
(Vorgelegt in der Sitzung am 2. Mai 1907.)
1.
>owie für kubische und biquadratische Reste im Gebiete
US den dritten und vierten Einheitswurzeln gebildeten
n lassen sich auch für quadratische Reste in einem
igen imaginären quadratischen Zahlkörper, sofern nur
Klassenanzahl 1 ist, Legendre'sche Symbole definieren
iurch elliptische Funktionen darstellen.* Scheibner
das allgemeine quadratische Reziprozitätsgesetz für
Symbole mit Hilfe der Jacobi'schen Funktion tg am u
•> beschränkte sich hiebei jedoch auf sogenannte nor-
jinomische Zahlen, das sind ganze komplexe Zahlen von
orm a+bz, wo t die Basis des betreffenden Körpers
tet und a = \ (mod 2), b = 0 (mod 2) ist. Für den be-
ren Fall des kubischen Kreisteilungskörpers leitet auch
Eisenstein, Applications de l'algebre a 1* arithmettque transcendante .
Journal, Bd. 29; v. Dantscher, Bemerkungen zum analytischen Be-
:s kubischen Reziprozitätsgesetzes, Math. Annalen, Bd. XII; Scheibner,
sorie des Legendre-Jacobi*schen Symbols \ ') > Abhandlung II im
Bande der Abhandl. der math.-phys. Klasse der königl. sächsischen
hafl der Wissenschaften; Mertens, Ober die Darstellung der Legendre-
ymbole der biquadratischen kubischen und bikubischen Reste durch
hen. Diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa, Okt. 1906.
52*
786 E. Dintzl,
Mertens das quadratische Reziprozitätsgesetz mittels der aus
den Thetareihen gebildeten Funktion r. . .J) !^ , . ab.
Im folgenden werden aus der Transformation der Weier-
straß'schen f?- und o-Funktionen^ Darstellungen der Legendre-
schen Symbole für quadratische Reste zunächst unter Zu-
grundelegung eines beliebigen quadratischen Zahlkörpers mit
der Klassenanzahl 1, sodann für die speziellen Körper k(\/ — 1),
k{\/ — 3) und insbesondere für k{\/ — 2) hergeleitet.
2.
Es bedeute D eine ganze rationale negative Zahl, die durch
kein Quadrat außer 1 teilbar ist. Die quadratische Gleichung
x^-^D = 0
bestimmt dann einen imaginären quadratischen Zahlkörper
k(\/D). Als Basis dieses Körpers können die beiden Zahlen:
0 — l + V^
1,T =
gelten, wo o = 2 oder 1 ist, je nachdem D = 1 (mod 4) ist oder
nicht.
Das Periodenverhältnis der hier zur Anwendung kommen-
den elliptischen Funktionen sei, wenn 2 a) und 2 a)' die beiden
Perioden bezeichnen:
0) a
Bedeuten ferner p = a+bx eine ungerade komplexe Prim-
zahl des Körpers und
a— 1— VS \
'= ö J'
1 Die Bezeichnungen sind der von Schwarz herausgegebenen Sammlung
von »Formeln und Lehrsätzen zum Gebrauche der elliptischen Funktionen nach
Vorlesungen von Weierstraß« entnommen.
Legendre'sche Symbole für quadratische Reste. 787
1 Konjugierte, beziehungsweise Norm, so lassen sich stets
ganze rationale Zahlen c und d so bestimmen, daß:
z a.2a)-f i?.2co', 2(a' = c.2ü)-t-^.2a>' (ad—hc = 1)
rimitives Periodenpaar bilden. Das neue Periodenverhältnis:
&' _
& ~
c+dz
a+bx
—
l+v
P
2(a-
--'l ,r
D
-(a-
3»
-1)*
l z=z ac-\ bc ^; <—bd
^t sowie das ursprüngliche der Bedingung, daß der imagi-
Bestandteil positiv ist.
Aus den allgemeinen Eigenschaften der Funktion:
a(«; ü>, CO') = «.n'(l— ^) ^^"^^-Ti;^
a,fe=i:0,±l,±2,...±oo
IV := a.2(ü+b,2(ü'
ausgenommen w =iO
daher:
Da auch 2a>^2«5, /.2ö> + 2<o' = 2 5)' ein primitives
denpaar bilden, so liefert die allgemeine Transformation
»rdnung folgende Produktdarstellung:
U), w') =
i.25' _ A /Ä.25)' _ _,\
«; Wjw'l.o I +«; WjO)')
p.e®«'.o(«).nft^ ^
0«
/h.2B' _ .\
@ = Sft^ f — ^ , S, S'j /« =r 1, 2, . . .
790
E. Dintzl,
■"Ix» ''iii' "^^i SO erhält man aus (2) folgende Ausdrücke, welche
für die weitere Rechnung bequemer sind als (2):
@0}>
@<o'«
@(0
= 2 («'t) + ßV + i-Tj J (o'o) + ßV + -1 <o^) — i-
' = 2 (a"T)+ß'Y+ — \] fa"<üH-ß'V+ — <i>,l —
/>1J0>
pr/tü'
2
2
—prf'oi"
2
(3)
Setzt man in (1) zunächst statt w: w-hco, so erhält man, da
0(^+0)^; 0), co') ^ a(a)j3.^V'.0j^(«^;iü, ö)')
und
o(it-f/;. 2(0+^.20)') =
) W
^ ( l)l'+«+P^.^2(i?>J-fjT/)(M+/»0)+^<0') g^^^
ist:
Ersetzt man @a)^ durch seinen Wert aus (3) und berück-
sichtigt, daß:
1
T^" 1
a((o) == e-- .c^, q = -j— =-jp=^
ist, so geht (5) über in:
TT / Ä.2a>'\
(6)
Legendre*sche Symbole itir quadratische Reste.
791
Ebenso erhält man, wenn man in (1) statt u: w+co', be-
ziehungsweise w+co" setzt:
.03(^)11*03 (^w+ — —j
1
/^-l .
H (y] (ö — TfiV ) + ^^^ . iic
iji~ji
^ (7)
— T.'m'
. 2 '
(j(<o') = ie .c', c' =: —
>}'e8— «j . >y^i— «s
und
3
,(p») = (—1)«"+ ?'•+«•••?••. c«".c"P-i. l^^.C.e«"'-.
a(o),)
. ag(«) . IT* Og (^» + — — j
^ (8)
+ Y(1v"-VV')+^-»«
/
a(«") = \fie
.c", c"
1
>y^— «, "i/e^—e^
Da die Funktion (»'(u) der Bedingung genügt:
<»'(«) =
SO folgt aus der Verbindung der Gleichungen (1), (6), (7) und (8;:
i = Z
£ = y a^OH-gu>^^(i;C./,^ ^ -- 5(^.8'+«".
fsl
Da T„«t — T,t«, entweder 0, + -^^ oder ^ ist, so
ist ^^ eine Potenz von i: t\ Endlich läßt sich das Produkt
792 E. Dintzl.
cc'c" rr (\/^i— ^2 ^^1 — ^8 ^^8 — ^s)* durch ^^ ersetzen, wo
G •= — (^2""27^|) und ^g, ^j die Invarianten von g^(tt) sind;
16
daher:
</(piO =(-l)^/^(Y.>5^G")''"^«y(fO.^*p'(fi+ (9)
3.
Es seien p = a+tt und q = a'-^Vz zwei ungerade kom-
plexe Primzahlen des Körpers k(^D), dessen Klassenanzahl 1
ist; p und q bedeuten die Normen dieser beiden Primzahlen.
Ist nun :
ein halbes Restesystem mod q, so durchläuft auch:
pmi,pW2,...pw j
abgesehen vom Vorzeichen dasselbe Restesystem mod q.
Daher ist:
p . n iHi r^ Y) . n w/ (mod q)
und das Legendre'sche Symbol für quadratische Reste in
diesem Körper ist durch:
=(|.^)
definiert.
Zur Darstellung dieses Zeichens mittels elliptischer Funk-
tionen sei im folgenden die ungerade Funktion i^(u) benützt.
Mit Hilfe derselben läßt sich das Legendre'sche Symbol in der
Form ausdrücken:
^^,(mi.2i»>
Legen dre'sche Symbole für quadratische Reste. 793
oder nach (9)
'-' . ^-^ ^ - \|(/'-i)(^-i)
(i..)=<_„--..-'.(|^;
.npM— ^- — ±-^-—
\ q , p
wo w,- und «jt halbe Restesysteme mod q und mod p durch-
laufen. Ebenso ist:
(i.2) = (_„^-.,.^''(i.^)^"-'«-'>.
V q p
wo s' und p' sich aus der Formel für ^(q w) analog wie s und p
aus i^ipu) ergeben. Daraus folgt
{i^){h^)=
= (—1) ^ ^ - 2 ^. 2 . ^jQj
Diese Formel läßt noch weitere Vereinfachungen zu, wenn
man besondere Zahlkörper untersucht, z. B. k(\/ — 1) und
k(\/ — 3), das sind die Körper der aus den vierten und dritten
Einheitswurzeln gebildeten Zahlen. In diesen beiden Fällen
läßt sich jede ungerade komplexe Primzahl durch Multiplika-
tion mit einer Einheit des betreffenden Körpers auf die Form
bringen p zu a+bz, v/o a = 1 (mod 2), b 3 0 (mod 2) ist. Daher
stimmen die Größen (o^, (o^, co^ auch der Reihenfolge nach mit
«0, ü)', »'' zusammen und die Größen o, ß, ?l erhalten folgende
Werte:
a — ,1^ — — , X — — • ,
2 2 2 cj^
^. a — 1 b 2(a — 1) ., , ^,, ^ ^,
2 2^
794 E. DJntzl,
St = — ß , 31' = «' h- vt.
W = («"— ß«) • — + ^—^ zi
2 2 2 V ^ o«
Ebenso erhält man :
) (mod2)
, p' a'—l V 2{ri—\) Z)— (0—1)8 \
e' + — = 1 [— ^H ^ ^ + 1 (mod2)
2 2 2 ^ ^ "^ /
und wegen der Kongruenzen:
p—\ ^ h^ 2(a — 1)
2 ~ T ö
^—1 _ ^/ 2(0—1)
(mod 2),
(mod 2)
2 2 a "
folgt:
Insbesondere ist für D •=. — 1 : o z= 1,/? = 1, ^ = 1 (mod 4):
{\-)={\4
4.
Im Körper *(V— 2) ist jede ungerade komplexe Primzahl
von der Form:
p = a+i?T (a zz 1 (mod 2), t = V— 2);
die Norm derselben ist eine reelle Primzahl von der Form
8/1+1 oder 8ii+3.
1 Mertens, I. c, p. 14, und Scheibner, 1. c, p. 708.
Legendre'sche Symbole für quadratische Reste. 795
Zur Darstellung des Legendre'schen Zeichens eignet sich
in diesem Falle am besten die Funktion:^
Dieselbe ist eine ungerade elliptische Funktion mit den
Perioden: 4a), 2cü'. Es ist ferner:
pw' =: a'.2w-hß'.2a>'-h< a' = -^, ß' = ^^ ;
daher folgt aus (1) und (7), wenn man überdies h.2tü' durch
liAiü' ersetzt und berücksichtigt, daß ^^(^n) mit OgCp»*) zu-
sammenfällt:
4(a-l)(&-l) / Ä 4ö)'\
7(pti) = (-i)' ./-^c'i'-^tp(«).n(p(^ii+-Y-j- (11)
Das Legendre'sche Symbol für quadratische Reste läßt
sich dann auf die Form bringen:
/ miAtü'
TP
(i,2) = ni:^ '—L,
1 Aus der Transformation der ^9 (ii) - Funktion lassen sich fiir diesen
besonderen Fall in einfacher Weise Relationen zwischen den Größen Ci = ^0 (tu),
^2 = p(tt>"), Cq = p(iü') und den Invarianten g^ ^"^ «fa herstellen. Wenn man
nämlich in der Gleichung:
iP(iV2«; «,, a>') = - -i i^ U; - ^ , J = - i.
3*^3— 4- <^2
^^(«)
1
4
beiderseits die Koeffizienten von «o und u^ berechnet, so erhält man:
2 g 6 jj
— ^2 ^ 3^3» "^«fa — — 3^3-
Daraus folgt insbesondere der Wert für die absolute Invariante:
... gl 125
j{x) = — = .
79(5 E. Dintzl,
WO p = a-^-hsf^^ und q = a'+i/v/— 2 zwei ungerade kom-
plexe Primzahlen bedeuten und m/ ein halbes Restesystem
mod q durchläuft.
Aus (11) folgt:
|,2] = (-1)^ .1 - .c'^
.n, »-tif!:
(wii . . . halbes Restesystem mod q, »* . . . halbes Restesystem mod p).
Ebenso ist:
(-.2) = (-l)' ., - ..'-
Wegen :
^^— - fc« (mod 4), ^~^- = y* (mod 4),
l(a_l)(&_l)(^-l)+l(a'-l)(d'-l)(/,— 1)-
4 4
= -^^f^ (>_l)y+ -^Lzi (ft'_i)6 (med 2)
und da man jede Primzahl p und q durch Multiplikation mit
einer Einheit ±1 derart umformen kann, daß a = l, a' = l
(mod 4) ist, erhält man :
-,2J = (-!)- - ^^ - -^•(|.2).
5.
l
Um den auf die Primzahl i\/2 des Körpers *(>/ — 2) sich
beziehenden Ergänzungssatz zu erhalten, gehe man von den
folgenden Transformationsgleichungen aus:
Legendre'sche Symbole für quadratische Reste. 797
(i\/2w; (0,0)0 = /\/2of«;— — ,ft)j =
i
\\J2 4-'i«*-V«
o(a>0
2
• e .5(«)o(«+a)') ==
1
= i\/2,e^ o(w)33(«). (12)
Ersetzt man darin w durch w-h2(ü und vergleicht die neue
Gleichung mit (12), so bekommt man die Relation:
^gö) =: T]'.i\/2 — 2y] oder ^goxo' = 7j'(o+t](i>'. (13)
Ferner folgt aus (12) für w = co und zufolge (13):
-• Tj'oa' — TJCO — T)'01
o(a>0^ = i\f2^e^ .(3(a>)a(ü>'0- (14)
0)'
Aus (12) gehen, wenn man « durch «+a), i* und
0)' 2
w+o) ersetzt, folgende Gleichungen hervor:
'33(/ y 2 w) = ^ . Oi(») . a2(«)
oder
j2(/ V2u) = ^^.« • a(«) + ^Oq(a)-iOq(a>^^4-u)q((«)^^-tO
•' a2(ü))a«((o")
ferner:
Oj(/ v2 li) =: e
a(a))a(<i)')
^2
fV2 T^^^-'ö-'^"*
a((o03(a)'0
-2^*«* / ü)' \ / ü>'
.olcoH h«)ou "
798
E. Dintzl.
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Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a.
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80()
E. Dintzl, Legendre'sche Symbole für quadratische Reste.
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2fc
801
Nr. X der Berichte der Phonogramm- Arehivs-
Kommission der kaiserl. Akademie der Wissen-
schaften in Wien.
Zweiter Bericbt Ober meine plionograpliisclien Aobalimen in Heu-6ninea (Britiscli-
Nen-6uinea vom 7. Oiitober 1905 bis znm 1. Februar 1906)
von
Dr. Rudolf Pöch.
rMit 1 Tafel und 3 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 10. Mai 1 907.)
Den zweiten Archiv-Phonographen, der mir von dem
Phonogramm-Archiv der kaiserl. Akademie der Wissenschaften
zur Verfügung gestellt war, fand ich bei meiner Ankunft in
Sydney am 21. Juni 1905 schon vor. Es war einer der neuen
leichten Apparate aus Magnalium, ferner waren zwei Kistchen
mit zusammen 72 Wachsplatten zur Aufnahme und eine
größere Anzahl von Membranen beigegeben worden.
Ich hatte zwischen den Besuch des deutschen und des
britischen Schutzgebietes von Neu-Guinea diese Reise nach
Australien eingeschaltet, um meine Ausrüstung für das zweite
Jahr zu ergänzen und zu verbessern und dann auch, um zum
Vergleiche mit den Papuas australische Ureinwohner zu sehen.
Da mir wenig Zeit dafür zur Verfügung stand, entschied
ich mich für die Eingeborenen von Neu-Süd- Wales und ver-
zichtete darauf, das nördliche Queensland oder Westaustralien
aufzusuchen, wo die Ureinwohner allerdings noch viel zahl-
reicher sind. Der Kurator des »Australian Museum c in Sydney,
R. Etheridge jun., lenkte meine Aufmerksamkeit auf den
Clarence-Distrikt; er sagte mir, ich würde dort noch einige
reinrassige Ureinwohner von Neu-Süd-Wales vorfinden, ein
53*
802 R. Poch,
gutes Material zu physisch-anthropologischen Untersuchungen,
aber von einem Studium der Sitten und Gebräuche könnte
unter diesen letzten Resten versprengter Stämme, die schon
stark von europäischer Kultur beeinflußt sind, keine Rede mehr
sein. So nahm ich mir von vornherein vor, mich im Clarence-
Distrikt ganz auf die physische Anthropologie zu beschränken
und ließ bei meiner Abreise von Sydney am 16. Juli den
Phonographen auch zurück. Wie sehr ich damit recht getan
hatte, sah ich gleich bei meinem ersten Aufenthalte in Copman-
hurst am Clarence-River. In einem kleinen Lager fand ich dort
drei Eingeborene vor, von denen jeder eine andere Mutter-
sprache hatte, also Vertreter von drei verschiedenen, wohl zum
größten Teile, vielleicht sogar bis auf diesen letzten Mann,
verschwundenen Stämmen. Ich hätte also ohne jegliche
Kontrolle, ohne jemand anderen Sprachkundigen und ohne
Dolmetsch, ganz auf das Belieben und Verstehen eines einzelnen
Eingeborenen angewiesen, Aufnahmen zu machen gehabt, die
wohl von zweifelhaftem wissenschaftlichen Werte gewesen
wären, so daß es besser war, daß sie ganz unterblieben sind.
Ähnliche Sprachverhältnisse waren in den freien Lagern von
Grafton und in einem entfernter gelegenen »Aboriginal Home«,
wo es außerdem viele Mischlinge gab. Dagegen konnte ich die
physisch-anthropologischen Untersuchungen mit über einem
Dutzend genauer Messungen und photographischer Aufnahmen
befriedigend abschließen.
Am 10. September verließ ich das Festland von Australien
ganz und erreichte nach einer Bereisung der britischen
Salomons-Inseln am 7. Oktober Samarai an der Ostspitze von
Britisch - Neu - Guinea. Mein Ziel war die neugegründete
Regierungsstation Cape Nelson in der North-Eastern Division.
Die erste Gelegenheit zu phonographischen Aufnahmen boten
große Tanzfeste, welche bald nach meiner Ankunft dort statt-
fanden. Der Regierungsbeamte, Resident Magistrate G. O.
Manning, hatte Boten an viele Stämme seines Distriktes aus-
gesandt und sie zu Tänzen eingeladen. Es war das zweite Mal,
da die Station erst seit 4 Jahren besteht. Die Leute kamen
ganz in ihrem ursprünglichen Schmuck und die Tänze und
Gesänge spielten sich ebenfalls in der vollständig Ursprung-
Phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 803
liehen Weise ab. Außer einem Missionar und zwei Regierungs-
beamten gibt es in dem ganzen Bezirke, der so groß wie Nieder-
österreich ist, keine Europäer. Viele Leute waren Tagereisen
weit längs der Küste oder aus dem Innern herbeigekommen.
Solche Reisen und gemeinsame große Tänze sind eine papuani-
sche Sitte, die Regierung (und zwar die englische wie auch die
deutsche) hat sie klug adoptiert und erhöht dadurch ihr Ansehen
und Vertrauen unter den Eingeborenen.
Die Aufnahmen auf den Platten Nr. 505 bis 530 stammen
fast alle von Gesängen, die unmittelbar zu diesen Tänzen
gehören. Tanz und Gesang sind fast immer vereint, nur bei
den sehr lebhaften Tänzen vom Mambari River, die in der
Kompliziertheit der Leistungen an unsere Bailettaufführungen
erinnern, unterbleibt der Gesang. Liedern, die ohne Tanz
gesungen werden, habe ich in dieser Gegend nicht begegnet.
Die Platten Nr. 505 bis 508 betreffen Leute aus dem
Westen, die Onjöb und Oian, und einzelne Leute, die in der
Nähe des Mambari wohnen. Die letzteren befanden sich als*
Polizeisoldaten auf der Regierungsstation, die anderen waren
schon fmher gekommen, so daß ich diese Aufnahmen noch in
voller Ruhe machen und gleichzeitig auch die günstigsten
Bedingungen dazu herausfinden konnte. Da bei den Tänzen von
allen Tänzern zugleich im Chor gesungen wird, habe ich die
Aufnahmen auch immer als Chorgesang gemacht in der Weise,
daß ich eine größere Reihe von Leuten um den Trichter treten
ließ. Bei der Gruppierung nahm ich auf die lauten und guten
Stimmen besondere Rücksicht, bei einigen Gesängen gibt es
einen »Führer«, eine Art Vorsänger (z. B. Platten Nr. 529
und 530), der natürlich in den Vordergrund kommen muß. Die
Gesänge und Tänze werden immer von Trommelschlag begleitet
mit den Handtrommeln (Abbildung 1, Beschreibung siehe
unten). Diese mußten, so gut es ging, auch noch in dem Bereiche
des Trichters gehalten werden. Die Leute aus dem Westen
benützen ein Tritonshorn zur Begleitung außer den Hand-
trommeln. Ein kleiner Knabe bläst es, der Ton wiederholt sich
immer in denselben Intervallen, der Knabe geht dabei um die
Tanzenden in weitem Kreise herum. Diese Töne mit auf die
Platte zu bekommen, bot einige Schwierigkeiten, da der Junge
804 R. Pöch,
immer, wie er es beim Tanz zu tun pflegt, in größerer Ent-
fernung von den Singenden bleiben wollte. So kommt das
Tritonshorn bei den Mambari-Leuten auf Platte Nr. 507 noch
wenig zur Geltung, besser gelang es bei den Okena auf Platte
Nr. 521. Wie bei den ersten Aufnahmen bei den Monumbo in
Deutsch-Neu-Guinea ^ machte ich auch hier bei den Stämmen
um Cape Nelson in Britisch-Neu-Guinea die Erfahrung, daß es
zu wirklich guten Aufnahmen unerläßlich ist, das Verständnis
und Interesse der Leute selbst an diesen Aufnahmen wach-
zurufen und dann zu benützen. Zu diesem Zwecke hatte ich
in Potsdamhafen (Monumbo) einen kleinen Edison -Phono-
graphen mit, der auch für Aufnahmen eingerichtet war; diese
Walzen brauchten nicht geschont zu werden und ich repro-
duzierte sie beliebig oft zur Unterhaltung der Monumbo-Leute.
Dort wußten dann die Leute selbst genau, worauf es bei einer
guten Aufnahme ankommt. Im zweiten Jahre hatte ich von
Sydney diesen Apparat leider nicht mehr mitgenommen, da
mein Gepäck durch einen Kinematographen ohnehin vergrößert
war und ich, um mobil zu bleiben, auf manches weniger Not-
wendige verzichten mußte.
Ich half mir nun in Britisch-Neu-Guinea in der Weise, daß
ich die Platten zweimal abhorchen und dabei die Papuas die
Hörschläuche benützen ließ. Zwischendurch mußte ich wieder
abhorchen und in der Eile war es oft nicht möglich, die Oliven
der Hörschläuche früher zu reinigen, was ja seinen Nachteil
hat bei den meist recht schmutzigen Ohröffnungen der Papuas.
Doch gehört das zu der Kategorie jener Unannehmlichkeiten,
die ein im Felde draußen arbeitender Ethnograph vollständig
übersehen lernen muß, will er sich nicht in seinen Arbeiten
fortwährend behindert fühlen.
Als die große Menge der Gäste versammelt war, begannen
die Tänze und Gesänge jeden Tag gegen 10 Uhr morgens.
Stamm für Stamm fand sich auf dem Tanzplatze ein und bald
war das ganze große Grasfeld vor dem Wohnhause des
Regierungsbeamten voll von tanzenden Gruppen. Die meisten
* Nr. V der Berichte der Phonogrnmm-Archivs-Kommission der kniserl.
Akademie der Wissenschaften in Wien.
Phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 805
waren mit ihren schönen Kopfputzen aus Paradiesvogelfedern,
Nashornvogelschnäbeln und Kasuarfedern geschmückt, es war
ein äußerst buntes und lebendiges Bild, die verschiedenen,
gleichzeitig vorgebrachten Gesänge und der Trommelschlag
erfüllten die Luft.
In den heißesten Stunden trat Ermüdung ein, am späten
Nachmittag war aber wieder alles in vollster Lebendigkeit und
gegen 1 1 Uhr nachts mußte den Leuten von dem Beamten das
Zeichen zur Ruhe gegeben werden. Obzwar es vielfach mit-
einander wenig bekannte Stämme waren, kam die ganze Zeit
keine Streitigkeit vor.
Tagsüber machte ich kinematographische Aufnahmen. Sie
erfüllen nicht nur den Zweck, die Tanzfiguren genau wieder-
zugeben, sondern sie halten überhaupt Lebensäußerungen einer
Kultur fest, die vor der vordringenden europäischen Zivilisa-
tion rasch verschwunden sein wird.
Zu den phonographischen Aufnahmen wählte ich den
dunklen und kühlen Abend. Ich machte alle Aufnahmen im
Freien, denn im Hause oder auch unter der gedeckten Veranda,
ja in der bloßen Nachbarschaft einer Hauswand wurde die
Aufnahme durch den Widerhall beeinträchtigt. Außerdem, daß
ich die helle Zeit für den Kinematographen brauchte, wäre die
Manipulation mit dem Phonographen im prallen Sonnenlichte
auf dem Grasfelde eine unnötige Erschwerung gewesen. Ich
glaube auch, daß sich die Leute in dem Dunkel der Nacht
leichter dem Hineinsingen und dem Abhorchen hingegeben
haben. Es hatte nur den einen Nachteil, daß ich bei der mangel-
haften Beleuchtung einer Windlaterne viermal die Platten schief
auflegte, wodurch in diesen vier Fällen die Aufnahmen leider
unbrauchbar wurden.
Schon bei den ersten vier Aufnahmen, die, wie schon
erwähnt, noch in aller Ruhe vor dem Erscheinen der großen
Menge der Gäste gemacht werden konnten, hatte es sich
gezeigt, daß der Papiermachetrichter des Archiv-Phonographen
für die Aufnahme eines Chorgesanges von etwa einem halben
Dutzend Leuten nicht ausreicht. Es wurde ein Ansatz impro-
visiert, wodurch die Öffnung des Trichters mehr als doppelt
vergrößert erschien. Die Verlängerung der Trichterwand war
806 R. Poch,
aus mehrfach übereinandergelegten Packpapierlagen hergestellt,
die in Ermanglung eines anderen Klebemittels mit Arrow root
zusammengekleistert wurden. Die Abbildung auf der Tafel ist
eine photographische Aufnahme einer Gruppe von Baifa-Leuten
in dem Augenblicke, da sie in den Trichter hineinsingen. Im
Vordergrunde steht der Archiv-Phonograph auf einem Stuhl,
auf dem Boden liegen die Kassetten mit den Wachsplatten und
die Hörschläuche. Der Apparat wird beaufsichtigt von dem
Motu-Manne Tämotu, dem Diener des Regierungsbeamten. Da
derselbe schon für verschiedene Dienstleistungen für den
Europäer abgerichtet war, wurde er mir für schwierigere Dinge
stets zur Verfügung gestellt. Er hat auch den Stuhl gezimmert,
auf welchem der Archiv-Phonograph steht Die Baifa-Leute,
welche im Bogen singend und ihre Handtrommeln schlagend
den Trichter des Apparates, der schon den oben besprochenen
Ansatz trägt, umstehen, waren die weitest gereisten Gäste. Sie
waren vom oberen Laufe des Musa-River mehrere Tage weit
herbeigekommen. Der eine von ihnen, ganz am rechten Ende,
trägt einen Zopf. Obzwar aus verschiedenen Dorfschaften
stammend und auch nicht einheitlich geschmückt, hatten diese
Baifa-Leute ihre Tänze besonders gut einstudiert, sie sollen auch
unterwegs noch geübt haben und tanzten auch immer mit
besonderer Genauigkeit.
Bei den Aufnahmen konnte ich wiederholt beobachten,
wie die Leute während des Singens tanzen mußten. Sie
konnten nicht stille halten und machten wenigstens stampfende
oder wiegende Bewegungen mit den Beinen. Ebenso wurde
natürlich stets die Trommel geschlagen.
Als ich die Texte der Gesänge aufnahm und dann die
Bedeutung zu ermitteln suchte, konnte ich meist die bei den
Monumbo zuerst gemachte Wahrnehmung bestätigen, daß die
Texte der Lieder den Leuten heute in der Regel unverständlich
sind, daß sie also wahrscheinlich alten, toten Sprachen
angehören. Doch gilt diese Regel hier durchaus nicht so all-
gemein, wie es bei den Monumbo der Fall war. Der Text des
Gesanges auf Platte Nr. 509 (Maissin), den ich auch von den
Kworafi gehört habe, besteht aus zwei Worten, »Karinanda
Genembo«, die verständlich sind. In der Kworafi-Sprache heißt
Phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 807
kari eine rote Blüte, nanda ist ein Possessivsuffix, genembo
heißt Mensch.
Bei einigen Gesängen wurde übrigens von einem Nieder-
schreiben des Textes abgesehen, wenn ich bemerkte, daß die
Leute dadurch ermüdeten und die Lust verloren. Denn schließlich
schienen mir diese Chorgesänge vor allem zu späteren musika-
lischen Untersuchungen wichtig. In Bezug auf den Text konnten
kaum mehr neue Dinge zum Vorschein kommen.
Die Gesänge um Cape Nelson an der Nordostküste von
Britisch-Neu-Guinea erscheinen dem europäischen Ohre zweifel-
los viel melodischer als die der Monumbo, welche den Haupt-
bestandteil der ersten Serie der Phonogrammaufnahmen bilden.
Sie sind überhaupt die angenehmsten Melodien, welche ich
auf meiner Reise in Neu- Guinea und den umliegenden Inseln
zu hören bekam.
Oft hat es die ersten zwei oder drei Takte, mit denen ein
Lied beginnt, den Anschein, als ob sich ein kompliziertes Motiv
entwickeln wollte. Da bricht die Melodie aber plötzlich ab und
das Lied besteht aus einer endlosen monotonen Wiederholung
eines solchen Motivansatzes. Als besonders melodiös empfand
ich während der Tänze das Lied »wöse wose däraiyo« (Platte
Nr. 51 1) der Maissin, musikalisch interessanter ist Platte Nr. 510.
Eine ähnliche Wiederholung wie die Melodien zeigen auch
die Texte. Sie bestehen meist nur aus wenigen Worten, die
immer und immer in derselben Weise wiederkehren, bisweilen
sogar nur aus einem einzigen Worte, wie das Lied »Alinamburo«
der Baifa-Leute auf Platte Nr. 523 und 524.
Merkwürdige musikalische Leistungen sind die Gesänge
Nr. 512 der Maissin- und Nr. 530 der Yassi- Yassi-Leute. Beides
sind Gesänge nach einem erfolgreichen Kriegszug. Der Melodie
folgen einige gellende Aufschreie »eh-eh«, die Zahl derselben
soll der Zahl der erbeuteten Feinde entsprechen.
Angenehm zu hören waren auch die Gesänge der Moküro,
namentlich die Aufnahmen auf Platte Nr. 514 bis 517. Bei
Nr. 514 kommt auch die Handtrommel am besten zur Geltung.
Einige Lieder der Yassi-Yassi-Leute (Dorf Irewowöna)
haben die Eigentümlichkeit, daß sie gegen Schluß immer leiser
R. PSch,
und leiser werden, um schließlich ganz zu verklingen, so als
ob die Sänger immer weiter und weiter fortziehen würden.
Etwa zwei Wochen nach Beendigung der Tänze war ich
mit dem Regierungsbeamten in dessen Kutter nach dem Osten
gefahren. Wir lagen auf der Reede von Yassi-
Yassi und hörten die Leute aus dem nahen
Dorfe Irewowona singen. Es waren wieder
dieselben Melodien mit dem allmählichen
Verhallen des Gesanges. In der Stille der
Nacht kamen die Lieder gut zur Geltung
und wir beide waren darüber einig, daß sich
auch ein europäisches Ohr trotz der Mono-
tonie dieser Gesänge nicht ihrer beabsichtigten
Wirkung entziehen konnte.
Noch bei ihrer Anwesenheil auf Cape
Nelson hatten die Leute von Irewowona
(Yassi-Yassi) uns zwei eigentümliche Gesänge
zum besten gegeben, die auf Platte Nr. 529
und 530 festgehalten sind. Es sind Gesänge
nach einem Kriegszuge, wie schon früher
erwähnt, mit dem Schrei eh-eh (wie Nr.5 1 2 der
Maissin). Außerdem ruft aber ein Vorsänger
ein Rezitativ hinein. Die Worte dazu bedeuten
nach der Angabe, die mir gemacht wurde, daß
der Fischadler angerufen wird. Man sagt ihm
gewissermaßen Dank für den glücklich be-
endeten Kriegszug. Ich fand an dieser Küste
vielfach Spuren eines Totemkultes, so daß
diese Beziehung der Yassi-Yassi-Leute zu dem
Seeadler als ihrem schützenden Tiere ohne
weiteres verständlich wird.
Mit Platte Nr. 531 schließen die phonographischen Auf-
nahmen, die anläßlich dieser Tänze in Cape Nelson gemacht
worden waren. Zum Schlüsse soll das Musikinstrument
beschrieben werden, welches bei diesen Tänzen und Gesängen
zur Begleitung und zum Takthalten dient. Es ist eine Hand-
trommel (siehe Fig. 1) von sanduhrförmiger Gestalt, ein Musik-
instrument, das verschieden variiert eine sehr weite Verbreitung
Fig. 1. Hand-
Irommel von der
Nordostküsle
von Brilisch-Neu-
(Vg nal. Gröüe.)
Phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 809
auf Neu-Guinea hat. Die Sanduhrform hat keine direkte
Beziehung zu dem ursprünglichen Holzstück, aus dem die
Trommel gemacht ist. Ich habe die Herstellung im Dorfe Uiäku
bei den Maissin gesehen: Ein rein zylindrisches Holzstück
wird aufrecht auf den Boden gestellt, rings herum mit Prügeln,
die in den Boden getrieben werden, fixiert, dann wird das Loch
gebohrt und die Außenfläche zugeschnitten. Die Trommeln an
der Nordostküste in der Gegend von Cape Nelson und in der
Callingwood-Bai haben keinen Henkel, sondern werden einfach
mit der Hand um die Einschnürung in der Mitte umfaßt und
gehalten. Überspannt ist die Trommel mit einem Stück Fell
einer großen Waraneidechse. Die Haut wird naß über die
Trommelöffhung gezogen und an das Holz mit Baumharz fest-
geklebt. (An der Nordküste in Deutsch-Neu-Guinea wird ein
Ring über das Fell gezogen und dieses in der Art befestigt wie
der Stoff auf einer Sticktrommel.) In der Gegend von Cape
Nelson werden auf das Waranfell oben einige Halbkugeln aus
Wachs aufgeklebt. Ich sah öfters, wie vor dem Tanze eine
solche Halbkugel dazugeklebt oder eine weggenommen wurde,
um das Instrument zu »stimmen«. Geschlagen wird die
Trommel mit dem flachgehaltenen zweiten, dritten und vierten
Finger der rechten Hand.
Nach Beendigung der Tänze schloß ich mich dem
Regierungsbeamten auf einer Inspektionsreise in die Colling-
wood- und Goodenough-Bai an. Im Zusammenhange damit
stehen die Aufnahmen auf Platte Nr. 533 bis 535. Wir benützten
zur Fahrt den Segelkutter »Murua«, der zur North-Eastern
Division der Kolonie gehört. Ein besonderer Kapitän war zur
Zeit nicht engagiert, sondern der Beamte selbst befehligte die
Mannschaft, die durchwegs aus Papuas bestand, Steuermann
war Lagiöa, der vom Ostkap von Neu-Guinea herstammte.
Wir hatten die Übergangszeit zwischen Südost- und Nordwest-
monsum gewählt, denn nur zu jener Zeit kann man die
betreffende Strecke hin- und zurücksegeln, während man im
eigentlichen Monsum zu sehr von der herrschenden Wind-
richtung beherrscht ist. Die Übergangszeit hat dafür die Un-
annehmlichkeit häufiger Windstillen. Wenn die »Murua« nun
810
R. Poch,
' (
0
Fig. 2, Flöte,
»higo«, vom Ost-
kap von Neu-
Guinea.
(I/4 nat. Grüße.)
Stundenlang auf dem bleiernen Meeresspiegel
dalag, mit Segeln, die schlaff herabhingen,
ließ Lagiöa bisweilen eine Beschwörungs-
formel vernehmen, um den Südostwind herbei-
zurufen. Sie ist auf Platte Nr. 533 und 534
festgehalten. Dem Winde wird genau der
Weg vorgesagt, den er aus dem Südosten zu
uns einzuschlagen hat, alle die Inseln werden
genannt, die er entlang streifen muß. Der
eigentliche Lockruf besteht in einem hinaus-
geschmetterten »ga-ga-ga«. Lagiöa hatte
immer Erfolg mit seiner Beschwörung, denn
er rief seine Zauberformel niemals früher, ehe
er nicht im Südosten am Horizont jenen
schmalen dunklen Streifen bemerkte, der das
Kräuseln der Wellen bedeutet und ein Heran-
nahen der Brise verkündet. Vor der anderen
papuanischen Mannschaft aber war Lagiöa's
Ruf als mächtiger Windzauberer zweifellos.
Von demselben Manne rühren auch die
Aufnahmen auf den Platten Nr, 535 und 537
her, wo sein Flötenspiel festgehalten ist. Die
Flöte {Fig, 2) ist ein 53 cm langes, sehr festes
Rohr, oben ist eine Öffnung zum Hineinblasen,
ihr gegenüber eine kleine Gegenöffnung, dann
gibt es unten zwei seitliche Öffnungen. Bei
der Aufnahme mußte die untere Öffnung der
Flöte in den Aufnahmstrichter hineingehalten
werden, einmal wurde das übersehen, Lagiöa
hielt die Flötenöffnung unter den Trichter,
diese Aufnahme wurde zu leise und unbrauch-
bar. Der Name des Instrumentes ist in der
Suäu-Sprache »higo«. Lagiöa wußte damit,
namentlich des Abends, melancholische Melo-
dien zu blasen. Nach unserer Rückkehr nach
Cape Nelson verkaufte er mir die Flöte. Später
aber wurde er sehr traurig und sagte, er sei
jetzt ganz ohne Flöte, weil das Rohr, aus dem
Phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 811
sie gemacht war, nur in seiner Gegend (d. i. beim Ostkap)
wächst.
In der Gegend von Cape Nelson war ich nicht mehr in
ganz derselben glücklichen Lage in Bezug auf die Sprache wie
bei den Monumbo, wo mir ein Pater F. Vor mann, ein Missionar,
zur Seite gestanden war, der sich durch vier Jahre intensiv
mit dem Studium der Monumbo-Sprache und der Abfassung
einer Grammatik beschäftigt hatte. Die Regierungsbeamten in
Britisch -Neu-Guinea sprechen mit den Eingeborenen in der
Regel in der Motu-Sprache, der Sprache von Port Moresby, und
diese Sprache soll allgemeine Verkehrssprache für die Kolonie
werden. Außerdem hatte der Resident Magistrate von Cape
Nelson seit kurzer Zeit begonnen, die Kworafi-Sprache zu
studieren. Auch ich hatte ein Vokabular aufgenommen und
einige Phrasen ermittelt. Die Platte Nr. 540 zeigt einige Proben
dieser Sprache. Außer Zahlwörtern, einigen Verwandtschafts-
namen u. s. w. habe ich versucht, an einigen Wörtern einen
Laut zu zeigen, der guttural ist und zwischen r und ch steht.
Platte Nr. 538 bringt einige Worte aus der benachbarten
Winiäpi-Sprache.
Von Cape Nelson fuhr ich, einer Einladung des Gouverneurs
Kapitän F. R. Barton folgend, nach Port Moresby und verblieb
dort einige Wochen. Trotz der relativ kurzen Zeit konnte ich
wieder 36 Aufnahmen machen, womit dann mein ganzer Vorrat
an Platten erschöpft war.
Sehr glücklich war der Umstand, daß gerade zur Zeit
meinerAnwesenheit dieLakatoi derMotu-Leute aus dem Westen
zurückkehrten. Die Lakatoi sind große Segelfloße, welche die
Motu-Leute bauen. Sie sind aus vielen, oft mehr als einem
Dutzend mächtigen Einbäumen zusammengebunden. Jedes
Floß trägt zwei Mattensegel mit einem eigentümlichen elip-
tischen Ausschnitte am oberen Ende. Am Ende der Trockenzeit,
wenn die Nahrung schon knapp wird, segeln die Boote, noch
vom Südostmonsum getrieben, nach dem Westen. Ihre Ladung
sind Töpfe, eine Industrie, welche von den Motu-Frauen in
großer Vollkommenheit geübt wird. Das Ziel sind die Fluß-
niederungen im Golf von Papua. Diese Gegenden sind sago-
reich, man kennt aber dort nicht die Töpferei. Der Sago wird
von den Motu-Leuten gegen die Töpfe ein-
getauscht und die mitgebrachte Nahrung
behebt die Hungersnot, die jährlich um diese
Zeit droht Alle drei Dörfer in der Nähe Port
Moresbys, Hanuabada, Eliwara und Tanu-
bada, hatten dieses Jahr ein Boot ausgesendet
und ich sah alle drei zurückkehren.
Die Motu-Leute haben viele Lieder, welche
sich auf dieLakatoi beziehen, und auch solche,
die nur während der Fahrt gesungen werden.
Sie sind auf den Platten Nr. 469, 498 bis 500
und 502 enthalten. Nr. 469 ist ohne Instru-
mentalbegleitung aufgenommen, bei allen
übrigen wurde die sogenannte Sede geschlagen
(Fig. 3). Das ist ein großes Bambusrohr mit
einerArt Zunge wie eine Maultrommel. Gerade
auf diese Zunge wird mit einem Klöppel
geschlagen. Der Ton ist laut, weil das ganze
mächtige Bambusrohr als Resonanzkasten
dient. Sehr sonderbar ist die Ausnehmung des
Bambusrohres unten, wodurch es in der Gestalt
entschieden etwas an die im Golf übhchen,
mit Waranfeil überzogenen Holztrommeln
erinnert.
Der erste Lakatoi-Gesang Nr. 469 wurde
von einem Koitapu-Manne gesungen; die
übrigen durchwegs, oder wenigstens vor-
wiegend, von Motu-Leuten. Die Lakatoi sind
Motu-Erfindung, daher die Lieder auch von
ihnen herrührend und in ihrer Sprache. Bei
den Fahrten tun aber auch die Koitapu mit,
es leben überhaupt in vielen Dörfern Koitapu
und Motu so eng nebeneinander, daß nur der
Eingeweihte an kleinen Merkmaien des Hauses,
Flg. 3. Die ^jgg Giebels u. s. w. merkt, wo die Koitapu-
l^katoi- Trommel, . , ., . „ . ,, , ,.
• sede- d Mot Abteilung im Dorf aufhört und die Motu-Ab-
Leute. teilung anfangt. Die Koitapu sind ursprünt'-
(Vg nat. Größe.) liche Inlandbevölkerung, die Motu sind zur
Fhonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 813
See eingewandert und haben ihre Häuser vorwiegend in
den Lagunen erbaut, schließlich haben sich beide Stämme
in einer so eigentümlichen engen Weise vereinigt. Und doch
sind beide Sprachen ganz verschieden. Es gibt in jedem dieser
Dörfer Leute, welche die Sprache der anderen Gruppe der
Dorfangehörigen gar nicht sprechen oder verstehen. Ahuia,
der Sänger auf Platte Nr. 469, ist z. B. ein sehr intelligenter und
angesehener Koitapu-Mann, der auch in der Motu-Abteilung
seines Dorfes viel gilt. Er spricht die Motu-Sprache vollkommen,
aber bei diesen Lakatoi-Liedern, die offenbar alte Motu-Tradition
sind, erklärte er sich für inkompetent und brachte mir immer
lieber Motu-Leute herbei; es sind die letzten Gesänge. Dazu
wurden drei Sede geschlagen. Interessant war noch das folgende
Detail bei der Aufnahme: bei Nr. 498 hatte ich die Leute, wie ich
es von früher gewohnt war, mit den Sede in der Hand um den
Trichter herumgestellt. Die Aufnahme kam nicht so gut heraus,
wie es sein sollte, und schließlich erklärten die Leute, sie können
es nicht gut machen, weil man bei Lakatoi-Liedern immer sitzt!
Sie werden eben während der Fahrten auf dem Segelfloß ge-
sungen. Nr. 502, wo ich ihnen gern diese Freiheit gönnte, ist
viel besser ausgefallen. Bei allen diesen Gesängen ist ein un-
angenehm heiserer Ton in der Stimme der Sänger auffallend.
Das rauhe Singen ist in diesen Fällen affektiert und gehört zu
der vorgeschriebenen Technik. Platte Nr. 500 enthält einen
Gesang, der sich mit dem Mythus über Edai, den Erfinder der
Lakatoi, beschäftigt.
Außerdem spielt in der Erzählung auch eine Wasser-
gottheit eine Rolle, die den Edai zu sich herabzieht und ihm
die Geheimnisse des Baues der Lakatoi anvertraut. Eigen-
tümlich ist, daß dieser Mythus, der in recht poetischer Weise
beginnt, schließlich mit einer ganz prosaischen, höchst genau
in alle Einzelheiten eingehenden Anleitung zum Baue der
Lakatoi endet. Der Mythus wurde auf die Platte Nr. 504 ge-
sprochen. Auf Platte Nr. 485 wurde noch von einem Motu-
Manne einiges über die diesjährige Ankunft des Lakatoi erzählt
und in sehr gewissenhafter Weise alles erwähnt, was das
Lakatoi mitgebracht' hat.
814 R. Poch,
In der Trockenzeit, bevor die Lakatoi ausziehen, werden
die Angelegenheiten des Dorfes in Sitzungen geordnet, an
denen angesehene Leute teilnehmen. Der Ort, wo das statt-
findet, ist eine Plattform auf Pfählen, die »Dubu«, welche nicht
in der Lagune, sondern am festen Lande erbaut ist. Platte
Nr. 501 bringt ein Lied, das zur Zeit der Dubu-Sitzungen ge-
sungen wird. Es ist begleitet von einer Holztrommel, die mit
Eidechsenfell überzogen ist, ganz ähnlich wie die Trommeln
der Nordostküste. Nr. 503 bringt das Ausrufen zu einer solchen
Sitzung. Der Ausrufer spricht den Mann, welcher zur Beratung
erscheinen soll, an; er zählt dann alle Dinge auf, welche man
ihm im voraus für seine Mühe schenkt, durchwegs Lebens-
mittel. Das sind also gewissermaßen die »Diäten« dieser
primitiven Parlamentarier. Das Ausrufen endet mit dem »ku-i«
oder »u-i«, dem in Australien und auch in vielen GegendenNeu-
Guineas üblichen Ruf (einen ganz ähnlich klingenden Ruf
hörte ich bei den Kai auf dem Sattelberg in Deutsch-Neu-
Guinea).
Die anderen Aufnahmen bringen verschiedene Gesänge
und auch Sprachproben in verschiedenen Sprachen der Süd-
küste.
Die Lieder aller Stämme dieser Küste sind sehr wenig
melodiös und stehen damit in grellem Kontrast zu den Liedern
der Nordostküste.
Nr. 471 und 472 sind die Gesänge zweier Motu-Mädchen,
Nr. 477 bis 481 sind Lieder von Motu-Männern. Nr. 478 ist ein
Liebeslied, Nr. 479 und 480 sind Klagelieder, das erste drückt
die Trauer eines Mannes um die Frau aus, die er verloren hat.
Der Sänger von Platte Nr. 481 wurde mir als ein besonders
guter bezeichnet; alle anderen traten sofort vor ihm zurück, als
er kam. Die Platte zeigt aber deutlich, daß er eine viel
schlechtere Stimme hatte als die Vorhergehenden, dagegen
zeigte er sich in den Texten besonders beschlagen und wußte
viel mehr Gesänge. Das sind also die Eigenschaften, nach
denen ein Sänger unter diesen Leuten beurteilt wird. Zu den
Gesängen wurden mir häufig Übersetzungen gegeben. Die
Übersetzung besorgte ich entweder selbst mit Hilfe des Pidgin-
English oder mit Unterstützung eines Beamten, die ja alle der
Phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 815
Motu-Sprache mächtig sind. Dagegen wurde mir zu der Auf-
nahme auf Platte Nr. 496 gesagt, daß der Sänger Rähu, ein
junger Motu-Mann, das Lied nicht verstehe, dagegen wohl
ältere Leute. Nr. 497 ist ein Gesang der Motu-Leute beim
Fange des Dugong. Der Dugong, Seekuh (Halicore), ist an der
Südküste Neu-Guineas nicht selten.
Noch monotoner als die Motu-Gesänge sind die Lieder
der Hula und besonders der Maiwa, beides ebenfalls Stämme
der Südküste. Nr. 484 und 490 sind zwei Maiwa-Lieder, die
aber von einem Koitapu- Jüngling gesungen wurden. Auch die
Hula(Hura)gesänge Nr. 482 und 486 wurden von einem
Koitapu gesungen. Nr. 494 ist ein Gesang der Koitapu-Leute,
gesungen von einem Koitapu. Trotzdem erklärt er, daß ihm die
Worte vollständig unverständlich seien.
Ein Winiapi-Mann, Bauru, der von der Nordostküste als
Soldat mit nach Port Moresby gekommen war, lieferte die
Aufnahmen Nr. 487 bis 489. Seine für diese Gegend typischen
Lieder (auf Platte Nr. 487 und 489) lassen hier, mitten unter
denen der Südküste, den Gegensatz im Charakter besonders
hervortreten. Während dieser Aufnahmen wurde Bauru von
Heimweh befallen und begann laut zu weinen, aber noch nicht
beim Hineinsprechen, sondern erst dann, als er das Lied selbst
abhörte. Befragt, warum er weine, drückte er sein Heimweh
sehr merkwürdig in der Weise aus, daß er sagte, er sehne sich
nach den Tarofrüchten seiner Heimat, die in dem trockenen
Port Moresby nicht wachsen. Die mittlere Platte Nr. 488 hat
Bauru besprochen; er erzählt, wie er von Cape Nelson nach
Port Moresby gekommen ist, redet aber, seiner momentanen
Stimmung entsprechend, viel zu leise. Auf Platte Nr. 492 ist
nochmals ein Gesang der beiden Motu-Mädchen, auf Platte
Nr. 493 schwatzen und lachen sie in ganz ungezwungener
Weise. Hiezu möchte ich bemerken, daß das papuanische
Lachen für mich niemals den eigentümlichen Beiklang des
»Nigger-Lachens* hatte.
Nr. 491 ist eine Aufnahme in der Koitapu-Sprache. Der
Sprecher Kabüa zählt auch. Die Motu-Leute haben ein aus-
gebildetes Zahlensystem, das wahrscheinlich aus Polynesien
herstammt. Kabua's Zählen ist wertlos. Er hat es in der Schule
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 54
816 R. Pöch,
gelernt und geübt und schnarrt es in unkenntlicher Weise
herunter, so wie Schulknaben das überall mit gut auswendig
gelernten Lektionen zu tun pflegen.
Die Platten Nr. 475 und 476 bringen Aufnahmen mit einer
Maultrommel, »Susap« genannt. Es ist aber nicht die ein-
heimische Maultrommel, sondern ein in Europa gemachtes,
eingeführtes Instrument und »Susap« ist aus dem englischen
»jews-harp«, Judenharfe, verdorben. Dieses aus einer Messing-
»Harfe« und einem eisernen Mundstück hergestellte Instrument
ist auch in Europa als Belustigung für Kinder bekannt. Die
Ware trug immer den Vermerk: »Made in Austria«. Wo sie
eingeführt wird, verdrängt sie rasch die einheimischen Maul-
trommeln aus Bambus, weil der Ton der eisernen viel heller
und lauter klingend ist. Es werden auf den »Susap« zunächst
genau dieselben Melodien vorgeführt wie auf den aJten ein-
heimischen Maultrommeln. Auf der Rückreise hörte ichMaiayen
auf denselben Instrumenten europäische Melodien wieder-
geben. Das Instrument wird mit dem zweiten und vierten
Finger der» rechten Hand an die halbgeöffnete Zahnreihe ge-
preßt, außerdem mit den Lippen festgehalten, der dritte Finger
versetzt die Zunge durch Zupfen in Schwingungen, die Ton-
höhe wird durch die willkürliche Vergrößerung und Ver-
kleinerung der Mundhöhle erzeugt.
So hatte ich in Port Moresby auch die zweite Serie der
Wachsplatten beschrieben und verpackte sie ebenso wie den
Phonographen zum Transport nach Wien. Ich fuhr nach
Thursday-Island und verschiffte von dort all mein großes
Gepäck nach Europa.
Ich hatte die Absicht, von Thursday-Island direkt über Java
heimzukehren. Meinen ursprünglichen Plan, auch Holländisch-
Neu-Guinea zu besuchen, hatte ich aufgeben müssen, da die
Verbindungen von Thursday-Island dahin nicht mehr be-
standen. Es war ein außerordentlicher Glücksfall, daß der
holländische Regierungsdampfer »Valk« gerade zur Zeit
meiner Anwesenheit dienstlich nach Thursday-Island kam.
Das war schon seit fast zwei Jahren nicht mehr geschehen.
Ich wurde in liebenswürdiger Weise nach Merauke mit-
genommen.
Phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea. 817
Da diese Reise unerwartet kam, traf sie mich auch in
vielem unvorbereitet; dazu gehört auch der Umstand, daß ich
mir für diesen Aufenthalt leider keine phonographischen Platten
mehr reserviert hatte. So konnte ich bei dem letzten und
interessantesten Volksstamme der Papuas, den ich kennen
lernte, den Tugeri oder Kaja-Kaja von Merauke, leider keine
phonographischen Aufnahmen mehr machen. Und doch wären
sie gerade hier besonders dankbar und wertvoll geworden. Die
Kaja-Kaja sind ein noch sehr wenig erforschter Volksstamm,
in vielen Dingen primitiver und auch abweichend von dem,
was ich bisher kennen gelernt hatte. Der Assistent Resident
von Holländisch-Süd-Neu- Guinea Hellwig hatte mir den an-
gestellten Dolmetsch zur Verfügung beigegeben. Es war ein
Papua aus Fak-Fak, der aber durch Jahre unter den Kaja-Kaja
wie ein Stammesgenosse gelebt hatte und deren Sprache voll-
ständig beherrschte, außerdem auch malayisch sprach. Da ich
auch malayisch gelernt hatte, konnte ich hier sehr rasch ein
reiches Vokabular aufnehmen. Zwei Eigentümlichkeiten der
Sprache seien hier kurz erwähnt: zur Bekräftigung kann allen
Worten ein kurzes »kö« angehängt werden, das hängt z. B.
auch an dem Worte »Merauke«. Dann begegnete ich der eigen-
tümlichen Gewohnheit, bei wichtigen Dingen absichtlich tiefer
zu sprechen, als die natürliche Stimme ist. Die Kaja-Kaja
kennen auch Maskentänze und haben Lieder dazu.
Von Merauke konnte ich mit einem holländischen Dampfer
nach Java gelangen und fuhr von dort mit dem Norddeutschen
Lloyd nach Hause.
Gleichzeitig mit mir kamen die Plattensendung von
Samarai und die zweite Hälfte der Platten mit dem Phono-
graphen von Thursday-Island in Europa an.
54*
• •
• ••
819
Grundzüge einer Theorie der synoptischen
Lufldruckveränderungen
(IL Mitteilung)
von
Dr. Felix M. Exner.
(Mit 3 Tafeln und 3 Textfiguren.)
(Vorgelegt In der Sitzung am 6. Juni 1907.)
Im vorigen Jahre wurde eine Arbeit unter dem obigen
Titel veröffentlicht,* in welcher der Versuch gemacht ist, einen
mathematischen Ausdruck für die zeitliche Änderung des Luft-
drucks an einem Orte der Erdoberfläche aufzustellen und an
den Tatsachen zu prüfen. Die vorliegende Arbeit enthält einige
neuere Rechnungen in engem Anschlüsse an die frühere und
mag daher unter demselben Titel als II. Mitteilung erscheinen,
obwohl die darin enthaltenen Anschauungen nur ein Ergebnis
der Rechnung sind und an der Erfahrung nicht ausreichend
geprüft werden konnten, weswegen ich dieselben lieber als
Hypothesen bezeichnet hätte.
Man mag solche Hypothesen vielleicht überflüssig flnden;
sie sind entstanden aus dem Bedürfnis, eine Anschauung
von den Vorgängen der täglichen Luftdruckschwan-
kungen zu erhalten und machen keinen Anspruch darauf,
als etwas anderes genommen zu werden; insbesondere ist an
eine Verwendung dieser Rechnungen für die tägliche Wetter-
prognose noch nicht gedacht worden. Ob sie für deren Ent-
wicklung einmal brauchbar werden können, mag die Zeit
lehren.
1 Diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa (1906).
820 F. M. Exner,
Um die Voraussetzungen der Rechnungen genau festlegen
zu können, bin ich gezwungen, auf die oben genannte Arbeit
zurückzugreifen und einiges daraus zu wiederholen, besonders
da die vorliegende von jener den Ausgang nahm.
Vergegenwärtigen wir uns den Erdball mit seiner Gashülle,
so ist die Höhe der letzteren so klein gegenüber dem Radius
der Erde, daß wir den Eindruck haben, die Erdoberfläche sei
von einer dünnen Schichte, der Atmosphäre, überzogen; finden
in dieser Bewegungen relativ zur Erde statt, so werden sie haupt-
sächlich parallel zur Erdoberfläche gerichtet sein; die vertikalen
Strömungen werden viel geringer sein. Diese Vorstellung von
unserer Atmosphäre als einer dünnen Schichte, welche die
große Erde umgibt, ist in der ersten oben genannten Mitteilung
benützt und auch in dieser zweiten beibehalten worden. Zwar
wissen wir, daß der vertikale Luftaustausch eine große Rolle
spielt, am auffalligsten vielleicht in der Zirkulation der Atmo-
sphäre vom Äquator zu höheren Breiten, doch konnte derselbe
in der vorhergehenden Arbeit nicht berücksichtigt werden und
wurde auch in dieser zwar nicht ausgeschlossen, aber beiseite
gelassen.
Da die Ausdehnung der Lufthülle nach dem Weltraum zu
eine unbegrenzte ist, war es, um mit bestimmten Luftmengen
und Lufttemperaturen zu rechnen, notwendig, die Atmosphäre
in zwei Schichten, eine untere und eine obere, geteilt zu
denken. Die untere erstreckt sich bis zu einer gewissen Höhe
oder einer bestimmten Niveaufläche des Luftdrucks, die obere
von dieser hinaus ins Unbegrenzte.
In der ersten Mitteilung ging ich nun von der Annahme
aus, daß sich die untere Luftschichte in all ihren Höhenlagen
gleichmäßig bewege, so daß die Bewegung am Erdboden die
gleiche Richtung und Größe habe wie in allen Schichten über
demselben bis hinauf zur Grenze jener unteren Atmosphären-
schichte. Die Geschwindigkeit dieser Bewegung sollte nach
der bekannten Guldberg-Mohn'schen Formel vom Luftdruck-
gradienten an der Erdoberfläche abhängen ; da noch die Reibung
an letzterer vernachlässigt wurde, so bewegte sich die Luft
parallel zu den Isobaren. Die Bewegung wurde als adiabatisch
angenommen. Aus gleichzeitigen Druck- und Temperatur-
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 82 1
Schwankungen in Nordamerika wurde eine durchschnittliche
Höhe der in Betracht kommenden unteren Atmosphären-
schichte berechnet, für welche die Annahme der gleichmäßigen
Strömung in allen Höhenlagen im allgemeinen ausreichend
und erlaubt war. Die obere Atmosphärenschichte sollte an den
unperiodischen Druckschwankungen, wie sie die Wetterkarten
zeigen, nicht mehr beteiligt sein.
Es ergab sich aus diesen Bedingungen eine Gleichung
für die zeitliche Luftdruckänderung an einem Orte der Erd-
oberfläche, und zwar wurde dieselbe als Funktion der hori-
zontalen Druck- und Temperaturgradienten daselbst gefunden.
Sie war der Größe nach verkehrt proportional der Fläche, welche
zwei benachbarte Isobaren mit zwei benachbarten Isothermen
der Mitteltemperatur an jenem Orte einschlössen ; dem Vorzei-
chen nach stieg der Druck, wenn die Luft aus kälteren in
wärmere Gebiete strömte, und fiel im umgekehrten Falle.
Da die an der Erdoberfläche beobachtete Temperatur für
die Mitteltemperatur der Luftsäule bis zur Grenze der unteren
Schichte nicht maßgebend ist, man diese Mitteltemperatur aber
aus dem Luftdruck und der Höhe jener Schichte berechnen
kann, so wurden statt der oben genannten Temperatur-
gradienten jene der Höhe eingeführt. Wurde hiezu die Höhe
der unteren Luftschichte als zeitlich konstant, aber von Ort
zu Ort variabel angenommen, so konnte die zeitliche Druck-
änderung als Funktion der horizontalen Gradienten des Druckes
und dieser Höhe berechnet werden. Unter einfachen Voraus-
setzungen über die Verteilung der Höhe konnte die gefundene
Differentialgleichung auch integriert werden, wodurch der
Dmck als Funktion von Ort und Zeit hervorging.
Jene Höhen bildeten eine Niveaufläche, in welcher ein
bestimmter Druck herrschte; da, wo die Mitteltemperatur der
Luftschichte geringer war, also z. B. im Winter über einem
Kontinent wie Nordamerika, mußte jener Druck tiefer liegen
als über wärmeren Orten, wie z. B. den Ozeanen im Westen
und Osten. Die genannten Höhen waren also über dem Kon-
tinente kleiner, über dem Meere größer. Aus den beobachteten
Lufttemperaturen an der Erdoberfläche konnten sie für Nord-
amerika ungefähr berechnet werden. Zur Integration der
822 F. M. Exner,
Differentialgleichung wurden die Linien gleicher Höhe als
Sinuslinien angenommen; damit ergab sich eine Druckwelle,
die von Westen nach Osten über den Kontinent hinwegzog,
derart, daß am Kontinent aus einer zonalen Anfangsverteilung
heraus der Luftdruck im Westen fiel, diese Depression in der
Mitte am stärksten wurde und sich auf dem Wege zur Ost-
küste wieder abflachte, um nach der Zeit einer Schwingung
wieder zonale Verteilung des Druckes zu erreichen.
Da es sich in jener Arbeit nur um ein Beispiel der Wirkung
ungleicher Temperaturen handelte, konnte das geschilderte
Resultat, die Entstehung einer derartigen Druckwelle, hin-
genommen werden.
Würden die tatsächlichen Verhältnisse den zuletzt dar-
gelegten gleichen, so wäre aber in der mittleren Druck-
verteilung während einer solchen Periode im Winter
der Druck in der Mitte des Kontinents tiefer als an
den Ost- und Westküsten, was den Tatsachen nicht
entspricht.
Es entstand daher die Aufgabe, die Annahmen für die
Rechnungen der obigen Arbeit so zu modifizieren, daQ sie
auch für die mittlere Druckverteilung über Land und Meer mit
der Erfahrung besser übereinstimmende Resultate ergeben als
bisher. Dies war der Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit.
In dieser wurde nun die Annahme von adiabatischer
Bewegung der Luft fallen gelassen, da es schien, als
wäre gerade diese Voraussetzung die Ursache für die oben
genannte Abweichung der Rechnungsresultate von der Er-
fahrung gewesen.
Die folgenden Rechnungen sind daher allgemeiner als jene
der ersten Mitteilung; im übrigen war ich genötigt, ähnliche
V^ereinfachungen zu machen wie im früheren Fall; die Be-
rechtigung hiezu hatte sich schon teilweise aus der Prüfung
jener Theorie an den Tatsachen ergeben, worauf hier noch
besonders verwiesen sei.
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 82 1
Schwankungen in Nordamerika wurde eine durchschnittliche
Höhe der in Betracht kommenden unteren Atmosphären-
schichte berechnet, für welche die Annahme der gleichmäßigen
Strömung in allen Höhenlagen im allgemeinen ausreichend
und erlaubt war. Die obere Atmosphärenschichte sollte an den
unperiodischen Druckschwankungen, wie sie die Wetterkarten
zeigen, nicht mehr beteiligt sein.
Es ergab sich aus diesen Bedingungen eine Gleichung
für die zeitliche Luftdruckänderung an einem Orte der Erd-
oberfläche, und zwar wurde dieselbe als Funktion der hori-
zontalen Druck- und Temperaturgradienten daselbst gefunden.
Sie war der Größe nach verkehrt proportional der Fläche, welche
zwei benachbarte Isobaren mit zwei benachbarten Isothermen
der Mitteltemperatur an jenem Orte einschlössen; dem Vorzei-
chen nach stieg der Druck, wenn die Luft aus kälteren in
wärmere Gebiete strömte, und fiel im umgekehrten Falle.
Da die an der Erdoberfläche beobachtete Temperatur für
die Mitteltemperatur der Luftsäule bis zur Grenze der unteren
Schichte nicht maßgebend ist, man diese Mitteltemperatur aber
aus dem Luftdruck und der Höhe jener Schichte berechnen
kann, so wurden statt der oben genannten Temperatur-
gradienten jene der Höhe eingeführt. Wurde hiezu die Höhe
der unteren Luftschichte als zeitlich konstant, aber von Ort
zu Ort variabel angenommen, so konnte die zeitliche Druck-
änderung als Funktion der horizontalen Gradienten des Druckes
und dieser Höhe berechnet werden. Unter einfachen Voraus-
setzungen über die Verteilung der Höhe konnte die gefundene
Differentialgleichung auch integriert werden, wodurch der
Druck als Funktion von Ort und Zeit hervorging.
Jene Höhen bildeten eine Niveaufläche, in welcher ein
bestimmter Druck herrschte; da, wo die Mitteltemperatur der
Luftschichte geringer war, also z. B. im Winter über einem
Kontinent wie Nordamerika, mußte jener Druck tiefer liegen
als über wärmeren Orten, wie z. B. den Ozeanen im Westen
und Osten. Die genannten Höhen waren also über dem Kon-
tinente kleiner, über dem Meere größer. Aus den beobachteten
Lufttemperaturen an der Erdoberfläche konnten sie für Nord-
amerika ungefähr berechnet werden. Zur Integration der
824 F. M. Exner,
Nach der barometrischen Höhenformel ist:
p=PHe^T^ (2)
Als zweite Annahme führen wir jetzt ein, daß H kon-
stant nach Ort und Zeit, pn aber mit der Zeit konstant, örtlich
variabel sei, d. h. wir betrachten eine Luftsäule von der Höhe H
und nehmen an, daß über einem Orte in dieser Höhe stets
derselbe Druck pn vorhanden, derselbe aber an verschiedenen
Orten verschieden sein könne. Diese Voraussetzung ist nur
formell von der in der ersten Mitteilung gemachten unter-
schieden, welche Konstanz des pn und örtliche Verschieden-
heit des i/ enthielt. Es ist notwendig, für eine derartige Rechnung
eine solche Annahme zu machen, um ein abgegrenztes Luft-
volumen zu haben.
Aus Gleichung (2) ergibt sich dann :
dp p dpH pgH äT
dt PH dt RT^ dt
und
dt gH ^ p dt ph dt
Der letzte Ausdruck in die Wärmegleichung (1) eingesetzt
stellt eine Beziehung der Wärmezufuhr zu den Druckände-
rungen in der Höhe H und an der Erdoberfläche dar,
und zwar:
dQ ^ RT dp fc.T ^ ^^\ CpR-p 1
dt p dt WH ) ^H Pf
^^ (3)
p dt \gH I gH Ph dt
Die Größe H bedeutet also die Höhe einer Luftsäule, über
welche hinaus sich (wegen Konstanz des pn) die sogenannten
aperiodischen Luftdruckveränderungen, welche uns durch die
synoptischen Wetterkarten angezeigt werden, nicht weiter in
die Höhe erstrecken. Eine derartige Annahme ist eigentlich
selbstverständlich, da mit der Entfernung von der Erde diese
Gebilde natürlicherweise schließlich verschwimmen müssen.
Als dritte Annahme führen wir ein, daß die Luftsäule
sich in allen Schichten bis zur Höhe H gleichmäßig bewege;
Theorie der synoptischen Lufldruckänderungen. 825
diese Bewegung wird einen Durchschnittswert repräsentieren,
indem in Wirklichkeit die Bewegung an der Erdoberfläche
meist infolge der Reibung eine einströmende, zum tiefen Druck
gerichtete, in größerer Höhe oft eine ausströmende (bezüg-
lich der Isobaren an der Erdoberfläche) sein wird. Durch die
dritte Annahme wird schon von selbst gefordert, daß die be-
trachtete Höhe H nicht zu groß sein darf, da die Annahme sonst
zu wenig genau sein wird.
Aus den Rechnungen der ersten Mitteilung ist schon eine
bestimmte Größenordnung von H für Nordamerika mit Hilfe
von Beobachtungsdaten wahrscheinlich gemacht worden. Wir
behalten diesen Wert auch hier bei und setzen H = 5000 m.
(Vierte Annahme.)
Es wurde auch versucht, die Wärmegleichung, wie dies
exakt wäre, nur auf eine dünne Luftschichte anzuwenden, die
Ungleichformigkeit der Bewegung in verschiedenen Höhen-
lagen zu berücksichtigen u. s, w. Doch wäre es da notwendig,
die von Ort zu Ort ungleiche Temperaturabnahme nach oben
in die Rechnung einzuführen, was nicht möglich ist und bei
den übrigen Vereinfachungen auch wohl die Arbeit nicht
lohnen würde.
Als fünfte Annahme soll die Bewegung der Luft parallel
zu den Isobaren an der Erdoberfläche vor sich gehen, was im
Hinblick auf das bei der dritten Annahme Gesagte und auf die
geringe Höhe von 5 km im Durchschnitt keine wesentlichen
Fehler mit sich bringen dürfte. Es wird also von der vertikalen
Bewegung abgesehen und die Reibung an der Erdoberfläche
vernachlässigt.
Man erhält dann aus den Bewegungsgleichungen für die
rotierende Erde mit Weglassung der horizontalen Beschleuni-
gungen (sechste Annahme), die durchschnittlich keine große
Rolle spielen werden, die Winkelgeschwindigkeit der Luft-
säule von der Höhe H durch folgende Gleichungen:
d'f _ RT dp d\__ RT 2p
dt 2a)r2/?sin?pcosY 9k/ dt 2 cor*/? sin rp cos ^ 3^
Hier ist co die Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation und r der
Erdradius. Aus der Annahme, daß die Geschwindigkeit stets
826 F. M. Exner,
senkrecht auf dem Gradienten steht, folgt, daß alle späteren
Überlegungen auf den Äquator und die Nähe des-
selben nicht angewendet werden dürfen, da dort für
jeden endlichen Gradienten die Geschwindigkeit unendlich
würde. Es wurde auch die Zentrifugalkraft in diesen Bewegungs-
gleichungen vernachlässigt, einfach darum, weil sich mit Bei-
behaltung derselben nicht rechnen ließ. Bekanntlich spielt sie
im allgemeinen gegen die ablenkende Kraft der Erdrotation
eine geringe Rolle, doch ist sie nach Ferrel in der Nähe der
Kalmengürtel von großem Einfluß, so daß wir bei ihrer
Weglassung auch über diese Gegend keine richtigen Auf-
schlüsse zu erhalten erwarten dürfen.
Zur Wärmegleichung (3) zurückkehrend, wollen wir nun
dp dpu
die totalen Differentialquotienten ~ und -~t~ in die partiellen
zerlegen und erhalten:
dp 8/? 8p d^ ^ 8/7 d[k
di 8/ 89 di 8X dt
und
dpH ipH , ^PH drf 2pH dk
— -r- -I
dt it 87 dt 8X dt
Über ph wurde schon die Annahme gemacht, daß es mit
der Zeit unveränderlich sei. Da die Temperatur der Luft vom
Äquator gegen die Pole abnimmt, so wird der Luftdruck /7h in
der Höhe H über dem Äquator größer sein als über höheren
Breiten, wenn nicht der Druck am Boden umgekehrt vom
Äquator zum Pol zunimmt, was nicht der Fall ist. Es wird also
8/7//
ein positives Gefälle "i — vom Äquator zum Pole vorhanden
sein. Wir wollen annehmen, daß auch der Einfluß der Länder
und Meere auf die Mitteltemperatur der Luftsäulen über ihnen
nicht höher als bis zur Höhe H reicht; dann wird in dieser
Höhe der Druck pn über jedem Breitenkreise einen konstanten
Wert haben. Wir können demnach für die Verteilung von pn
über der Erdoberfläche als siebente Annahme die einfache
Gleichung schreiben:
Pff =8-4-7 cos2?p.
Theorie der sj'^noptischen Lufldruckänderungen. 827
Es wird dann am Äquator/;// = s+y, am Pol e — y sein,
und für die DifTerentialgleichung (3) ergibt sich:
!^=,0, i^=- 2t sin 2^,^ = 0;
7 ist eine noch zu bestimmende Konstante.
In der ersten Mitteilung wurde die Atmosphäre nicht
durch die Höhe i/, sondern durch die Niveaufläche pn in zwei
Schichten getrennt gedacht. Der Unterschied ist nicht von
Bedeutung; doch wurde damals das variable i/ nicht nur als
abhängig von der Breite angesehen, wie hier jetzt pn, sondern
auch von der geographischen Länge. Durch diese Annahme
konnte damals der Einfluß des Kontinents in Rechnung gezo-
gen werden, führte aber, wie oben mitgeteilt, zu irrigen Resul-
taten bei Berechnung der mittleren Druckverteilung über Nord-
amerika. Um diesen Fehler zu vermeiden, wurde in dieser
Arbeit pn von X als unabhängig angenommeh und die Zu- und
Abfuhr von Wärme freigestellt.
dp
Setzt man nun in die obigen Gleichungen für -^— und
dt
dpfi d^ d)s
—— die Komponenten der Geschwindigkeit —7— und ~7~
dt dt dt
nach den Gleichungen (4) ein und benützt noch die siebente
Annahme, so wird, da
dp dff ip d\
ist, auch
8fp dt 8X dt
= 0
dp dp dpH 2^RT dp
und
dt dt dt (ür^p 8X
Die Wärmegleichung (3) lautet daher jetzt:
dQ RT fCpT ^\dp 2^CpR^T^ dp
=-v(^-)
oder
dt p \gH J dt (ür^gHppH d\
dp 2yCpRT^ dp
8/ "" "" (ür^pnfcp T+AgH) 8X
pgH dQ
Rticp T+AgH) ' dt
ip)
828 F. M. Exner,
Diese Gleichung (5) tritt nun an Stelle jener Differential-
gleichung in der ersten Mitteilung, welche die Gradienten von
Druck und Mitteltemperatur enthielt. Wird keine Wärme zu-
noch abgeführt, ist also ~— = 0, so bedeutet sie einfach,
9/7
daß bei positivem ~^y also auf der Nordhemisphäre bei süd-
liehen Winden, der Luftdruck an einem Orte um ein Bestimmtes
fällt, bei nördlichen Winden steigt, proportional dem Gradienten
oder der Windstärke. Bei einer Depression mit südlichen Winden
im Osten, nördlichen im Westen wird folglich der Druck im
Osten fallen, im Westen steigen, so daß es den Anschein
gewinnt, als bewege sich die ganze Depression von Westen
nach Osten; die gleiche Überlegung, auf ein Hochdruckgebiet
angewendet, ergibt auch dessen Wanderung nach Osten. Die
Geschwindigkeit der Bewegung wird durch den Faktor von
■~rr" bestimmt, wie später noch gezeigt werden soll.
cK
Ist die Bedingung adiabatischer Bewegung nicht mehr
erfüllt, also — ^ 0, so wird z. B. für den Fall, daß — zu O, bei
dt ax
Zufuhr von Wärme der Druck an einem Orte mit der Zeit
fallen, bei Entziehung von Wärme steigen. Ist — ^O, so hangt
8X
es ganz von dem Größenverhältnis der beiden Glieder der
rechten Seite von (5) ab, ob der Druck steigt, gleich bleibt oder
fällt. Aus der vorwiegenden Bewegung der kleineren Luftdruck-
gebilde von Westen nach Osten in den höheren Breiten läßt
sich schließen, daß das Glied mit -^^ daselbst im allgemeinen den
3X
Ausschlag gibt und durch die Wärmezufuhr meist nur Modi-
fikationen in der allgemeinen West-Ostbewegung der Druck-
gebilde hervorgebracht werden.
Es wird also alles darauf ankommen, die der Luftsäule
zugeführte oder entzogene Wärme zu kennen, um die Ände-
rung des Luftdruckes vorausbestimmen zu können.
Theorie der sjrnoptiscben Luftdruckänderungen. 829
Denken wir uns, es sei zu irgend einer Zeit auf einem
Gebiete der Erdoberfläche der Luftdruck am Boden überall der
gleiche, es werde der dort lagernden Luft aber, z. B. durch
eine besonders warme Erdoberfläche, Wärme zugeführt, dann
wird nach Gleichung (5) der Druck daselbst fallen. Über die
Ursache dieses Fallens gibt unsere Rechnung keine weitere
Aufklärung, doch stimmt das Resultat mit der Erfahrung. Ist
die Wärmezufuhr auf einen runden begrenzten Bezirk be-
schränkt, so wird nach Gleichung (5) ein Gebiet tiefen Druckes
daselbst entstehen, eine Depression.
Nach der ursprünglichen Wärmegleichung (1) ist einfach
mit Wärmezufuhr Temperaturerhöhung und Druckerniedrigung
verbunden. In Wirklichkeit wird bei Erwärmung der Luftsäule
diese sich ausdehnen, nicht nur nach den Seiten, sondern auch
nach oben; es wird gerade das vertikale Aufsteigen der Luft
und das seitliche Abfließen in der Höhe die eigentliche Ursache
der Druckerniedrigung sein. Vertikale Bewegung haben wir
hier aber nicht berücksichtigt, auch ausgeschlossen, daQ über
der Höhe H noch Veränderungen, wie seitliches Ausfließen
der Luft über einem besonders warmen Orte, vor sich gehen.
Wir haben in unserer Rechnung auch die Kontinuität der Luft-
massen nicht berücksichtigt. Aber gerade die letztere Tatsache
enthält die Möglichkeit, trotzdem mit unseren einfachen
Gleichungen im wesentlichen richtige Druckänderungen ab-
zuleiten; denn der Vorgang ist mit ihnen so dargestellt, als
wenn die Luft, durch deren Abfließen der Druck sinkt, einfach
verschwinden würde. Diese rohe Darstellungsweise scheint
aber für unseren Zweck doch zu genügen und ist auch nicht so
auffallend, wie auf den ersten Anblik erscheinen mag, wenn
wir uns wieder wie früher die Atmosphäre als eine sehr dünne
Luftschichte im Gegensatz zum Erdradius vorstellen.
Zugleich erklärt diese Vorstellung auch, wie es möglich
ist, die Entstehung von Gebieten hohen oder tiefen Druckes
ohne Berücksichtigung der vertikalen Bewegung abzuleiten,
nachdem doch M. Margules^ bewiesen hat, daß die Stürme
1 Über die Energie der Stürme. Jahrbücher der k. k. Zentralanstalt für
Meteorologie, Jahrgang 1903, Anhang.
830 F.M. Exncr,
und mit ihnen die Luftdruckgradienten nur durch vertikale
Bewegungen entstehen können und ihre Energie aus der
Arbeit der Schwerkraft schöpfen. Wir machen nämlich hier
von der Zu- oder Abfuhr der Wärme, die nach Margules die
Luftschichten aus dem Gleichgewicht bringt und sich als
potentielle Energie der Lage in ihnen aufspeichert, gleichsam
einen Sprung bis zur entstehenden Druckänderung und über-
gehen dabei die vertikalen Verlagerungen der Luftschichten ;
wir haben dieselben in unserer Rechnung nicht berücksichtigt,
aber wir haben sie auch nicht, etwa durch Verwendung der
Kontinuitätsgleichung, ausgeschlossen.
Diese schematische Darstellung der Luftbewegung in einer
Schichte scheint somit nicht nur für das Studium von Luft-
druckveränderungen und von Verschiebungen der Luftdruck-
gebilde geeignet zu sein, sondern auch für jenes der Ent-
stehung und Auflösung dieser Gebilde durch Wärmezu- und
-abfuhr an einzelnen Orten der Erdoberfläche.
dO
Die Größe -^ wird man sich im wesentlichen zusammen-
dt
gesetzt denken können aus der Wärme, welche die Luftsäule
von der Höhe H durch Konvektion von der Erdoberfläche,
über der sie lagert, erhält, ferner aus dem Anteil Sonnen-
strahlung, den sie absorbiert und aus der Ausstrahlung der
Atmosphäre gegen den Weltraum, wobei wohl die Konvektion
die Hauptrolle spielen wird. Nebstbei mag noch manches andere
in Betracht kommen, was sich ohne genaue Kenntnis der
Einzelsituation nicht feststellen läßt. Wie man sieht, ist jenes
dO
— , welchem nach unserer Gleichung ein so bedeutender Ein-
dt
fluß zukommt, eine bisher so gut wie unbekannte Größe; aus
der Theorie der atmosphärischen Zirkulation ist bekannt, daß
die Luft in niederen Breiten Wärme zugeführt erhält, hiebei
aufsteigt und gegen nördliche Breiten abfließt, um als Passat
wieder zurückzukehren, daß also diese zugeführte Wärme die
Hauptursache der großen Strömungen ist; über die Größen-
ordnung derselben hat man meines Wissens keine genaue
Theorie der synoptischen Lufldnickänderungen. 831
Vorstellung. Nachdem nun in dieser Arbeit die Reibung an der
Erdoberfläche vernachlässigt wurde, mithin die Ausdrücke (4)
für die Geschwindigkeit der Luftbewegungen auf die Nähe des
Äquators nicht anwendbar sind, so konnte hier jene haupt-
sächliche Äußerung der Wärmezufuhr am Äquator, durch
welche die großen Zirkulationen zwischen niederen und
höheren Breiten eingeleitet werden, keine Behandlung finden.
Wir sind gezwungen, uns auf höhere Breiten zu beschränken.
Auch in diesen wird die ungleiche Wärmezufuhr unter
verschiedenen Breitegraden eine Rolle spielen, aber bei der
vorwiegend westöstlichen Luftströmung, wie sie auch an der
Erdoberfläche am deutlichsten auf der Südhalbkugel zum
Ausdruck kommt, wohl eine viel geringere als in niederen
Breiten. Vielmehr dürfte in höheren Breiten für die Wärme-
zufuhr und -entziehung die Verteilung der Kontinente
und Meere von größtem Einfluß sein. Erstere sind im
Winter kalt, letztere warm. Eine von Westen nach Osten
strömende Luftmasse wird daher über den Kontinenten Abküh-
lung, über den Meeren Erwärmung erfahren. Auf diesen Einfluß
wurde hier das Hauptgewicht gelegt.
Einige Anhaltspunkte, welche für die Beurteilung dieser
Erwärmungen und Abkühlungen vorliegen, sind: die mittlere
Temperatur- und Druckverteilung, die in den höheren Breiten
der Nordhemisphäre im Winter Wärme und tiefen Druck auf
den Ozeanen, Kälte und hohen Druck auf den Kontinenten
zeigt, dann die Bevorzugung der Meere durch die Depressionen,
ferner die langsame Erwärmung einer großen Luftmasse bei
einem Kälteeinbiuch, bei dem die Luft aus kalten in wärmere
Gebiete strömt; gerade der letzte Fall würde sich vielleicht
am unmittelbarsten zu einem direkten Studium unserer Frage
eignen.
Leider sind unsere Kenntnisse der Wärmezufuhr, die eine
Luftsäule über einem Orte erfährt, völlig unzureichend,
um unsere Differentialgleichung (5) auf einen bestimmten Fall
direkt anzuwenden und so zu prüfen, ob die gemachten
Annahmen l bis 7 brauchbare Resultate liefern. Insbesondere
die Größenordnung der Faktoren in jener Gleichung wäre zu
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. 11 a. 55
832 F. M. Exner,
prüfen, das Vorzeichen der beiden Glieder der rechten Seite
dürfte viel eher als richtig erkannt werden.
Wie gesagt, ist dies leider nicht möglich, da wir von der
dQ
Größe — fast nichts wissen; wenn dieser Umstand nun auf
dt
das Studium der Wärmezufuhren deutlich hinweist, so wollen
wir doch unterdessen den Versuch machen, die Gleichung (5)
in schematischer Weise auszuwerten, indem wir von deren
direkter Verwendung absehen, eine einfache Voraussetzung
dQ
für den Verlauf von -^- einführen und die Gleichung inte-
dt
grieren. Mittels des Resultates wollen wir dann erst die Größe
von — selbst bestimmen und die Ergebnisse der Integration,
dt
soweit dies möglich ist, mit der Erfahrung vergleichen.
Wir betrachten zu diesem Zwecke die Zu- und Abfuhr
von Wärme als alleinig bedingt von dem Einfluß der Erd-
oberfläche, indem wir, ohne uns auf weitere Details einzu-
lassen, voraussetzen, daß die letztere der darüber lagernden
Luft Wärme zu- oder abführt ; von Strahlungsvorgängen sehen
wir ganz ab, also auch von einer etwaigen täglichen Periode
dQ
von — . Ferner denken wir uns zur Vereinfachung die Erde
dt
als ein Wärme- beziehungsweise Kältereservoir, dessen Inhalt
durch die an die Luft abgegebene oder von ihr aufgenommene
Wärme nicht geändert wird. Unter diesen Voraussetzungen
könnten wir z. B. die Annahme machen, die Wärmezufuhr -^
dt
sei der Differenz der mittleren Erdbodentemperatur (z. B. im
Winter) und der Temperatur der Luft über derselben pro-
portional. Die Temperatur der Luft würde sich dann mit der
Zeit so herstellen, daß keine Schwankungen mehr einträten;
die Gleichung 5 würde nämlich eine gedämpfte Schwingung
darstellen. Tatsächlich werden aber die Druck- und Temperatur-
schwankungen in unseren Breiten immerfort erneuert. Wir
gehen daher zu der einfacheren Voraussetzung über, daß jeder
Ort der Erdoberfläche (natürlich zu einer bestimmten Jahreszeit)
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 833
der Luft darüber eine bestimmte, konstante Wärmemenge
dO
zuführe oder entziehe. Es soll also —^ von der Zeit (innerhalb
dt
einer Jahreszeit) unabhängig und nur eine Funktion der geo-
graphischen Koordinaten sein.
Mit dieser einfachen Annahme ist aber noch eine Schwierig-
keit verbunden; es würde nämlich, wenn unter einer hohen
Breite fortwährend dieselbe Wärme entzogen, unter einer
niederen Breite fortwährend zugeführt würde, der Luftdruck im
Norden fortwährend steigen, im Süden fallen. Wir müssen
daher, wenn das Wärmereservoir der Erde unerschöpflich sein
soll, voraussetzen, daß über jedem ganzen Breitenkreise die
Summe der zu- und abgeführten Wärmen Null ist, eine Voraus-
setzung, die vielleicht für höhere Breiten nur wenig von den
Tatsachen abweicht. Die geographische Verteilung der
Wärmezufuhr wird dann nur von der Lage der Meere
und Länder bestimmt. Selbstverständlich ist hier stets von
jener Wärme die Rede, welche eine bestimmte Luftsäule erhält;
die Wärmeänderungen an einem Orte der Erde werden natürlich
auch von den verschieden temperierten Winden beeinflußt und
dieser Einfluß ist in der Differentialgleichung (5) schon in dem
Gliede mit -—- enthalten.
Da nun die Gliederung von Land und Meer auf der Erd-
Oberfläche sehr kompliziert ist, sei für die Rechnung die
folgende Vereinfachung benützt: Wir nehmen einen Weltkörper
an, auf dem die Land- und Wasserbedeckungen ganz sym-
metrisch verteilt sind. Es sei dies eine Kugel, deren Oberfläche
aus je zwei Meeren und Kontinenten bestehe, die, durch Meri-
diane begrenzt, je ein Viertel der Erdoberfläche einnehmen und
abwechselnd aneinandergereiht sind. Zwei Ebenen, die sich
unter 90° schneiden und deren Schnittlinie zugleich die Achse
des Weltkörpers sei, werden dann auf der Oberfläche die
Kontinente und Meere voneinander trennen und die Küsten
bilden. Im übrigen nehmen wir an, dieser Weltkörper rotiere
wie die Erde und habe auch deren Größe. Wenn wir mit dieser
Fiktion rechnen, so können die Resultate natürlich nur in Ana-
logien auf unsere Erde übertragen werden; den einen Kontinent
55*
834 F. M. Exner,
denken wir uns an Stelle Nordamerikas, den anderen an Stelle
Asiens (auf der Nordhälfte).
Wir wollen voraussetzen, daß zur kalten Jahreszeit die
Kontinente in niederen Breiten relativ warm, in höheren kalt,
die Meere umgekehrt temperiert seien, und daß ein bestimmter
Breitenkreis die Gegensätze voneinander scheidet. Demgemäß
ist die Wärmezufuhr in relativ warmen Gebieten positiv, in
kalten negativ. Die folgende Rechnung bezieht sich nur auf
den Winter.
dO
Über den Verlauf von —7- machten wir schon oben die
dt
Annahme, daß dessen Integral über einen ganzen Breitenkreis
Null sei, d. h. eine Luftsäule, die sich in einem Breitenkreise
über die beiden Kontinente und Meere hinweg bewegt, nimmt
auf den Meeren ebensoviel Wärme auf, als sie über den Kon-
tinenten abgibt oder umgekehrt, je nach der Breitenlage. Die
Luft kann dann doch im Mittel im Norden kälter, im Süden
wärmer sein; sie ist im Mittel in einem stationären Zustande.
Wie schon oben gesagt, soll für eine bestimmte Breite der
thermische Gegensatz zwischen Meer und Kontinent ver-
schwinden; südlich davon ist der Kontinent wärmer, nördlich
davon das Meer. Für diese kritische Breite nehmen wir 30* an.
Jener Gegensatz soll auch am Pol verschwinden. Für den
fingierten Weltkörper mit je zwei Kontinenten und Ozeanen
von gleicher Breite läßt sich die Wärmezufuhr dann am ein-
fachsten als eine Sinus- oder Cosinusfunktion der geo-
graphischen Länge darstellen; auf einem ganzen Breitenkreise
werden zwei ganze Wellen Platz finden.
Demnach setzen wir
dO
— =- zr B cos ^ (cos ff — cos 30) cos 2 X, (6)
dt
wo B eine vorläufig unbekannte Konstante sei.
Für X = 0 und ^p > 30* wird dann -^ ein Minimum auf
dem Breitenkreise sein; es soll daher der Anfang der Längen-
gradzählung in die Mitte des einen der Kontinente gelegt
werden.
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 835
% dO
Für X ^ — ist -^- positiv und ein Maximum, wie dies
M Off
für die Mitte jedes Meeres auch gefordert wird. Wenn <p < 30**,
dO
kehrt sich das Vorzeichen von -^ um. Das Maximum der
dQ
Schwankung von — ^ zwischen Meer und Kontinent liegt bei
dt
zirka 65* Breite.
Setzen wir nun den Ausdruck (6) in Gleichung (5) ein und
schreiben
i^r^PHippT^AgH)
= a
und
''" B = ?,
RT(CpT+AgH)
so ergibt sich
-^ = — 0L-~- — ß cos «(cos ff — COS 30) cos 2X. (7)
Nun machen wir noch die Vereinfachung, daß a und ß
konstant genommen werden, was sie der Größenordnung nach
auch sind; dann steht der Integration von Gleichung (7) nichts
im Wege. Wir haben nur für den Druck eine bestimmte
Anfangsverteilung vorauszusetzen, um ihn aus dieser Gleichung
als Funktion von Ort und Zeit zu erhalten.
Erste Anfangsverteilung. Es sei zunächst der Druck
zu Anfang (für / = 0) überall derselbe und habe den Wert a;
dann ergibt sich durch Integration
ß
p = a — -^ cos <p (cos (p — cos 30) [sin 2X — sin 2(X — a/)].
Wie man sich durch Differentiation leicht überzeugen kann,
entspricht dieser Ausdruck der Differentialgleichung und der
Anfangsbedingung.
Zweite Anfangsverteilung. Als zweites Beispiel sei
der Druck für / = 0 gegeben durch
Pq = a+ftcos 2^,
836 F. M. Exner,
er nehme also mit zunehmender Breite fortwährend ab, habe
bei 45* Breite den Wert ö, am Pole den Wert a — b\ dieses Bei-
spiel entspricht eher der rotierenden Bewegung um die Pole
des Weltkörpers, wie sie uns besonders von der südlichen
Halbkugel der Erde bekannt ist und auf der nördlichen in
größerer Höhe vorkommen muß. Das Integral lautet:
p zu a+b cos 2^ ^ — cos'f (coscp — cos 30)-
.[sin2X— sin2(X— ö/)].
Die Form des Integrals ist also in beiden Beispielen die-
selbe: Die Anfangs Verteilung wird überlagert von einer kon-
stanten Verteilung, die durch das Glied mit sin 2X gegeben ist,
und einer mit der Zeit fortschreitenden Welle sin2(X — a/).
Diese Welle bewegt sich nach wachsendem X, also nach Osten.
Ihre Schwingungsdauer ist — , die Wellenlänge ist ^, daher die
OL
Geschwindigkeit der Fortpflanzung a, ausgedrückt in Winkel-
maß. Zur Reduktion auf Längenmaß ist dieselbe mit r cos f zu
multiplizieren, daher
V zu ar cos ^
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle in Metern pro
Sekunde.
Die Größe a ist leicht zu berechnen. Da i/ =r 5000 m sein
soll, können wir die Mitteltemperatur finden, indem wir lineare
Temperaturabnahme nach oben zu annehmen und dieselbe 5*
pro lOOOnt setzen. Es handelt sich hier stets um Durchschnitts-
werte, da ja OL nicht eigentlich konstant ist. Sei die mittlere
Temperatur am Boden 273" absolut, so ergibt sich das mittlere T
zu 260°. Um ferner y zu finden, werde angenommen, daß die,
mittlere Jännertemperatur am Boden am Äquator 27** C, am
Pol — 30° C. betrage. Für den mittleren Luftdruck am. Boden
von durchwegs 760 mm findet man hieraus den Druck in der
Höhe von 5000 m (gleichfalls unter Voraussetzung linearer
Temperaturabnahme im obigen Ausmaße)
somit
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 837
am Äquator zu 419 mm,
am Pole zu 364 mm,
s = 392, Y = 28 mm
und ph im Durchschnitte zu 392 iww.
Setzt man noch
424
so ergibt sich der Durchschnittswert
a=z:3-3.10-«(sec-i).
Die Schwingungsdauer der oben berechneten Welle t =: —
OL
beträgt folglich 11-02 oder rund 11 Tage, Die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit V := ar cos fp wird beispielsweise für die Breite
von 50®:
V m 13*4 w/sec. = 48 km pro Stunde.
Die Größe ß enthält neben bekannten Werten die Un-
bekannte B; um einen beiläufigen Wert hiefür zu erhalten, kann
man folgendermaßen vorgehen:
Denken wir uns den Ausdruck für p nach der zweiten
Anfangsverteilung über eine ganze Schwingungsdauer t inte-
griert, so wird offenbar das Glied mit sin 2(X— o/) zu Null und
wir erhalten für den mittleren Druck während einer oder einer
beliebigen ganzen Zahl von Schwingungsdauern
ß
p z=z a-hb cos 2 9 =— cos ^ (cos cp — cos 30) sin 2X.
2a
Dies ist die Gleichung für die mittlere Druck-
verteilung, welche aus unseren Voraussetzungen hervorgeht,
am ehesten mit der wahren mittleren Druckverteilung im Jänner-
monate zu vergleichen. Hält man den Ausdruck (6) für die zu-
geführte Wärme dagegen, so ergibt sich neben der allgemeinen
Druckabnahme gegen den Pol eine Phasenverschiebung von
— 45* in der geographischen Länge des^ gegen — ^ • In der
Mitte der Kontinente, für X = 0 und X = 180, wird in Breiten über
838 F. M. Exner,
30** auf einem bestimmten Breitenkreise die meiste Wärme ent-
zogen; daselbst hat der Luftdruck einen mittleren Wert. Für
X 1= 45 wird auf demselben Breitenkreise — -^ = 0 sein, was
dt
einem mittleren Werte dieser Größe entspricht, während der
Druck dort ein Maximum hat; X = 45 (oder auch X — 225)
bezeichnet aber die Ostküsten der Kontinente. Analog hat der
Druck einen Mittelwert in der Mitte der Meere, wo die zuge-
führte Wärme am größten ist, einen Minimalwert aber an den
dO
Westküsten der Kontinente, wo — ^ =: 0 ist.
dt
Betrachtet man eine mittlere Isobarenkarte der Erde für
den Jänner auf der Nordhemisphäre, so findet man einige Ähn-
lichkeiten mit obigem Schema heraus. Freilich ist eine genaue
Übereinstimmung schon wegen der ungleichen Lagerung von
Wasser und Land auf der Nordhälfte unserer Erde gar nicht
möglich. Nach obiger Rechnung soll der tiefste Druck an den
Westküsten der Kontinente, der höchste an deren Ostküsten
liegen. In Wirklichkeit betragen die Verschiebungen des tiefen
Druckes von der Mittellinie der Meere, des hohen von jener
der Kontinente weniger als 45 "* und im allgemeinen haben in
den höheren Breiten die Kontinente im Winter hohen, die
Meere tiefen Druck; immerhin ist eine Verschiebung der Iso-
baren gegen Osten zu bemerken, besonders am europäisch-
asiatischen Kontinent und in dem flachen Verlaufe der Isobaren
an der Nordwestküstc Europas, dem steilen an der Ostküste
Nordamerikas.
Denken wir uns aber aus der Druckverteilimg p mittels
der barometrischen Höhenformel die Mitteltemperaturen be-
rechnet, so finden wir dort, wo auf^inem Breitenkreise der
Druck tief ist, die Mitteltemperatur hoch, dort wo er hoch ist,
dieselbe tief. Wir erhalten also dann Isothermen, welche die
höchste Temperatur an der Westküste der Konti-
nente, die tiefste an deren Ostküste bezeichnen, was
mit dem tatsächlichen Verlaufe der Winterisothermen schon
viel besser übereinstimmt. Freilich können weder die Isobaren
noch die Isothermen so einfache Kurven sein, wie unsere
Rechnung sie gibt.
Theorie der synoptischen Luitdruckanderungen. 839
Zur Berechnung der Größe ß wollen wir nun in Anlehnung
an die Jänner-Isobarenkarte der Erde annehmen, daß auf dem
Breitenkreise von 60** die ganze Schwankung des Luftdruckes
zwischen dem Minimum an der Westküste und dem Maximum
an der Ostküste des Kontinents 20 mm betrage. Es wird also
—2 . -;^ cos 60(cos 60— cos 30) = 20 mm
gesetzt. Daraus berechnet sich mit Verwendung des Wertes
von a die Größe ß = 3*7. 10~* und daraus mit Benützung von
T= 260, p = 760 im Durchschnitte die Größe 5 = 5 • 26 , 10"^
sie ist ausgedrückt in Kilogrammkalorien pro Sekunde.
Um eine Vorstellung von der so errechneten Größenord-
nung der zugeführten Wärme zu bekommen, wollen wir an-
nehmen, daß an dem Orte X = 0 und f =z 60® dieselbe Luft-
masse einen Tag lang der Wärmeentziehung durch den Kon-
tinent ausgesetzt wäre, wollen also in der Wärmegleichung, da
sie ftier nur für einen Ort verwendet wird, statt der totalen
Diflferentialquotienten nach der Zeit die partiellen schreiben,
ip iT ipH
durch -^-- ersetzen und, da 1^, zu 0, schreiben:
8/ 8/ ' U
dQ_ _ CpT^AgH ^ =5cos60(cos60-cos30).
dt T Tit
Daraus ergibt sich
= — 3*41 . 10"** Grade pro Sekunde
8f
8/
oder
8r
8/
=: — 2-9 Grade pro Tag.
Um diesen Betrag wird also die Mitteltemperatur einer
Luftsäule von 5000 m Höhe in 24 Stunden abnehmen infolge
des abkühlenden Einflusses der Mitte des Kontinents in 60"*
Breite. Es wurde hier als Beispiel fast das Maximum jener
Wirkung berechnet, da wir dasselbe oben bei zirka 65* Breite
fanden. In der Mitte eines Meeres wird infolge der Symmetrie,
840 F. M. Exner,
die unsere Gleichung ausdrückt, die Mittel temperatur der Luft
um den gleichen Betrag zunehmen. Der Luftdruck an der Erd-
oberfläche würde über dem Kontinent durch jene Abkühlung
um etwa 5 mm zunehmen, wie eine kurze Rechnung lehrt. Da
sich .die Schätzung auf den Zeitraum von 24 Stunden bezieht,
dürfte die Größenordnung keine unmögliche sein und folglich
auch die Konstante B keinen unwahrscheinlichen Wert haben.
Auf diese Weise sind die Konstanten a und ß der Diffe-
rentialgleichung (7) für die schematischen Voraussetzungen
unseres Weltkörpers bestimmt. Zu den Integralgleichungen für
den Druck als Funktion der Zeit zurückkehrend, welche für die
beiden Beispiele von Anfangsverteilungen gelten, läßt sich also
sagen, daß die Wirkung von Land und Wasser darin besteht,
daß der Druck nördlich vom 30. Breitengrade über Land steigt,
über Wasser fällt, daß aber diese Druckzunahme, beziehwngs-
weise -abnähme um einen Mittelwert oszilliert, d. h. der Druck-
unterschied zwischen Land und Wasser in einer gewissen
Breite ist zu Anfang der Schwingungsdauer Null, wird dann
1
nach — T eine positive Größe, die dem Mittelwert entspricht,
r
steigt weiter, bis er zur Zeit — ein Maximum erreicht, sinkt
^ 3
dann wieder zum Mittelwert, den er nach — x erreicht, und
sinkt schließlich weiter bis Null, um dann eine neue Schwin.
gung zu beginnen. Dieser Vorgang findet auch statt, wenn zu
Anfang der Zeit der Druck überall derselbe war (erste Anfangs-
verteilung). Wir haben also hier eine Welle, die wir, da sie rein
thermischen Ursprungs ist, als »thermische Welle« bezeichnen
können.
Dritte Anfangsverteilung. Als ein drittes Beispiel von
Anfangsverteilung wollen wir den Mittelwert der Druckvertei-
lung ^ des zweiten Beispiels einführen, also setzen:
ß
Pq == ^ + ^cos 2'f ^^— cos <p(cos tp — cos 30) sin2X.
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 84 1
Führt man die Integration für diese Anfangsbedingung
durch, so heben sich die Glieder, welche die Zeit enthalten,
weg, und es bleibt der Druck pznp^, die Anfangsverteilung
bleibt erhalten, sie ist ein Gleichgewichtszustand- Jener Mittel-
wert p, der den Isobaren im Monatsmittel entspricht, ist also
ein Zustaad, in welchem sich der Wechsel ungleich temperierter
Luft und die Zu- oder Abfuhr von Wärme das Gleichgewicht
halten. Strömt z. B. an einem Orte kalte Luft an die Stelle von
warmer, so steigt der Luftdruck trotzdem nicht, weil zugleich
der kalten Luft gerade genug Wärme zugeführt wird, um die
Temperaturerniedrigung wieder auszugleichen.
Wie schon anfangs erwähnt, wurde im ersten Teile dieser
Arbeit für die Bedingung adiabatischer Bewegung die Regel
abgeleitet, daß der Druck stets steigen oder fallen müsse, wo
zwei Isobaren und zwei Isothermen miteinander eine Fläche
einschließen, d. h. wo sich die beiden Kurvensysteme schneiden.
Wenn diese Regel auch im allgemeinen für die täglichen Druck-
schwankungen das richtige Vorzeichen ergab, so stimmte sie
doch nicht, wenn man sie auf die Monatsmittel von Druck- und
Temperaturkarten anwandte. Denn da geben z. B. am Atlan-
tischen Ozean die. gegen die Westküste Europas ansteigenden
Isothermen mit den daselbst nach Süden ausgebogenen Iso-
baren des isländischen Minimums ganz bedeutende Schnitt-
flächen und doch ist keine Rede davon, daß sich jenes Minimum
nach Osten bewegt, wie danach zu erwarten wäre.
Jene Isobaren und Isothermen repräsentieren eben nach
dem nunmehr gefundenen Resultat infolge der Zufuhr von
Wärme einen Gleichgewichtszustand, obwohl die Schnittflächen
vorhanden sind.
Dasselbe gilt auch für die aus unserer Rechnung hervor-
gehenden mittleren Druck- und Temperaturkurven. Es wäre
vielleicht umgekehrt möglich, gerade aus der Größe der Schnitt-
flächen und der hienach zu erwartenden Druckänderung und
der Tatsache des Gleichgewichtes einen Schluß auf die Zu-
und Abfuhr der Wärme zu ziehen, wie sie an den einzelnen
Punkten unserer Erde in den verschiedenen Monaten auftreten
muß.
842 F. M. Exner,
dO
Genau genommen wird allerdings die Größe —rr- auch
zur Zeit eines gewissen Sonnenstandes nicht stets dieselbe sein,
sondern von Bewölkung, Niederschlag, wohl auch den voraus-
gegangenen Witterungszuständen abhängen, sofern nicht die
Sonnenstrahlung selbst bedeutenderen Schwankungen unter-
liegt. Ein Studium der Menge der zu- und abgeführten Wärme
wäre also jedenfalls auch für die Kenntnis der Luftbewegungen
sehr wichtig.
Wir erhielten aus den beiden ersten Anfangsverteilungen
keine abgeschlossenen Zentren hohen oder tiefen Druckes, wie
sie doch die Wetterkarten täglich zeigen. Es dürfte dies wahr-
scheinlich daher rühren, daß die Entstehung dieser Gebilde an
ziemlich lokale Erwärmungs- und Abkühlungsgebiete gebunden
ist, die auf unserer Erde durch die komplizierte Struktur der
Festländer und Meere häufig gegeben sind. Ich erinnere nur an
die Entstehung von Depressionen im Mittelmeer oder die Aus-
bildung solcher im Süden unserer Alpen aus Föhnsituationen.
Es läßt sich aber untersuchen, wie einmal gegebene Maxima
und Minima sich unter dem Einflüsse der Wärmezufuhr durch
die großen Meere und Kontinente verhalten, wobei natürlich
die Wirkungen lokaler Wärmezufuhrsgebiete der oberwähnten
Art unberücksichtigt bleiben. Wir haben eben eine sehr ein-
fache Verteilung der Wärmezufuhr vorausgesetzt.
Vierte Anfangsverteilung. Wir wollen daher die Diffe-
rentialgleichung (7) noch unter der Annahme einer Anfangs-
verteilung integrieren, welche Depressionen und Antizyklonen
enthält. Eine solche möglichst einfache Anfangsverteilung ist
z. B. gegeben durch :
Pq =: a+b cos 2^+(; sin 2^ cos «X.
Hier bedeuten die ersten Glieder rechts wie früher eine
Abnahme des Druckes gegen den Pol; dazu kommt das dritte
Glied, welches eine Reihe von Hoch- und Tiefdruckgebieten
ausdrückt, die ihr Zentrum alle auf dem 45. Breitengrade haben;
die Amplitude dieser Cosinus welle ist ^.sin 2^, wird also am
Äquator und Pol zu Null. Die Zahl n ist voriäufig allgemein die
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 843
Zahl der Hochdruck- oder Niederdruckgebiete, die, in gleicher
Anzahl vorhanden, abwechselnd auf dem ganzen Umfange des
Weltkörpers, und zwar mit den Zentren auf dem 45. Breiten-
grad angeordnet sind. Die Verteilung wird noch allgemeiner,
wenn man statt cosnX schreibt: cos««(X+4»), wo ^ eine kon-
stante Phasenverschiebung bedeutet.
Die Integration der Gleichung (7) unter dieser Anfangs-
bedingung gibt:
p •=! a+b cos 2fp+c sin 2^ cos w(X+^— a/) —
— 1-^^il (cos »—cos 30)[sin 2X— sin 2(X— o/)] . (8)
«
Dieser Ausdruck für den Druck p enthält zwei Wellen,
welche sich mit der Zeit nach Osten bewegen, eine Welle, die
eine Fortbewegung der Anfangsverteilung bezeichnet und die
schon oben gefundene thermische Welle, durch ganz denselben
Ausdruck gegeben, der oben gefunden wurde. Die Schwingungs-
dauer der ersten beträgt t^ =: , die der zweiten (wie oben
Hl
schon) Tg =: — Ist n = 2, d. h. sind auf dem ganzen Umfange
des Weltkörpers zu Anfang nur zwei Depressionen und zwei
Maxima vorhanden, so ist t^ =: tg, die Schwingungsdauer der
Gesamtwelle p also die gleiche. Hat n aber einen beliebigen
anderen Wert (natürlich muß es eine ganze Zahl sein), so ist
die Schwingungsdauer der Gesamtwelle offenbar das kleinste
gemeinschaftliche Vielfache von t^ und tg, kann daher zu
anderer Größe anwachsen. In jedem Falle kann man sich den
Ausdruck über diese gesamte Schwingungsdauer t integriert
denken und den Mittelwert des Luftdruckes für dieselbe bilden;
derselbe ist dann gegeben durch:
p=z a+b cos 2fp — -^-cos 9 (cos 9 — cos 30) sin 2X.
Der mittlere Druck ist also genau derselbe, wie er bei der
vorher gewählten einfacheren zweiten Anfangsverteilung war,
die Hoch- und Tiefdruckgebiete, die superponiert wurden, haben
844 F. M. Exner,
auf denselben keinen Einfluß, weswegen ein Vergleich des-
selben mit dem tatsächlich aufder Erde bestehenden berechtigter
erscheint als bisher.
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der ersten Welle ist
wieder a, also dieselbe, wie die der zweiten »thermischen
Welle*.
Um in obiger Gleichung (8) das c kennen zu lernen, wurde
angenommen, daß in der Anfangsverteilung die Zentren der
Maxima und Minima einen um 20 mm verschiedenen Druck
(in 45*" Breite) haben; daraus folgt cz= 10 mm.
Es wäre nun am angenehmsten, die Gleichung (8) in der
Art zu verwenden, daß man z. B. die Bahnen der Maxima und
Minima berechnet. Hiezu wäre
^P ^ ^P ^Q
8cp 8X.
zu setzen, aus den beiden Gleichungen die Zeit zu eliminieren
und so die Gleichung jener Bahn aufzustellen. Man kommt
hiebei aber auf einen Ausdruck vierten Grades, weshalb dies
unterlassen wurde.
Wenn nicht mathematische Schwierigkeiten da wären,
könnten aus diesen beiden Gleichungen auch die Geschwindig-
keiten der Maxima und Minima berechnet werden.
So aber mußte ich mich darauf beschränken, die Gleichung
für p für einen Ort zu verschiedenen Zeiten und für ver-
schiedene Orte zu einer Zeit auszuwerten, also das zu berechnen,
was man sonst als Barographenkurven und Wetterkarten be-
zeichnet.
Hiezu muß eine Wahl über die Größe n getroffen werden.
(Erstes Beispiel.) Ist « nr 2, so ergibt sich p als eine
iz
Welle von der Schwingungsdauer tg = — , die schon oben zu
1 1 Tagen berechnet wurde. Die beiden Einzelwellen von Sinus-
form setzen sich zu einer neuen von der gleichen Form zu-
sammen. Wir erhalten daher für den Druck an einem Ort eine
einfache Sinuswelle mit der Zeit.
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 845
(Zweites Beispiel.) Für w = 4 bleibt die Schwingungs-
dauer der Gesamtwelle die gleiche, die Kurve ist keine Sinus-
welle mehr, sondern eine ziemlich einfache Kurve mit zwei
Maximis und Minimis. Je nach der angenommenen Phasen-
verschiebung 4> hat sie verschiedene Gestalt. Ein Beispiel für
ihren Verlauf zeigt die Fig. 1, p. 847; dabei wurde gesetzt:
« = 4, ^) =: 15, 9 = 50. X = 0.
Von der für einen Ort konstanten Größe a+b cos 2(f ist
abgesehen und nur die Schwankung des Luftdruckes dar-
gestellt worden.
(Drittes Beispiel). Für « z= 3 wird die Kurve schon viel
komplizierter. Hier ist t, =: -^-^, tg wie früher =. — Die ge-
oOL CK,
meinsame Schwingungsdauer der ganzen Druckwelle als das
kleinste gemeinschaftliche Vielfache der beiden Teilwellen ist
somit T =r ; in diese Zeit fallen drei ganze Wellen der
a
ersten, zwei ganze der letzten Art. Die Schwingungsdauer
beträgt also in diesem Falle 22 Tage. Ein Beispiel für diese
Schwankung ist in Fig. 2 dargestellt; hier wurde gesetzt:
w =: 3, ^ = 0, ^f = 50, X == 0.
An demselben Orte der Erde wie beim obigen Beispiel, unter
50"* Breite in der Mitte des einen Kontinents, zieht daher eine
Luftdruckwelle von der angegebenen Gestalt hinweg. In dem
einen Falle wiederholt sich die Kurve nach 1 1 Tagen, in dem
anderen nach 22 Tagen.
(Viertes Beispiel.) Da « eine ganze Zahl bleibt, so ist
die Schwingungsdauer für jede andere Annahme von n immer
2r
— = 22 Tage, solange für die Anfangsverteilung die Form
cos«(X-4-^ — at) gewählt wird. So erhält man für 5 Zyklonen
und Antizyklonen in der Anfangslage eine Barographenkurve,
wie sie die Fig. 3 darstellt; hiebei wurde gesetzt:
M = 5, (J> = 20, f = 50, X =: 0.
846 F. M. Exner,
Zeichnet man aus den täglichen Wetterberichten für
ein Wintermonat den Gang des Luftdruckes einer Station im
Innern Nordamerikas auf, so erhält man leicht ähnliche Kurven,
wie die von Fig. 3, wobei allerdings der große Unterschied
besteht, daß sich dieselben in Wirklichkeit nach einem be-
stimmten Zeiträume nicht wiederholen, wie dies hier der Fall
sein sollte. Es ist aber klar, daß man für etwas kompliziertere
Annahmen über die Wärmezu- und -abfuhr sowie über die
Anfangsverteilung, wie sie hier gemacht wurden, leicht sehr
unregelmäßige Barographenkurven mit langer Schwingungs-
dauer der Gesamtwelle erhalten würde; wenn sich dann während
des Ablaufes einer Periode die Jahreszeit ändert und mit ihr
dO
die Zu- und Abfuhr von Wärme — ^ , so kann auch die Periode
dt
sich nicht wiederholen und die Kurve wird unperiodisch und
vollkommen unregelmäßig. Der Zweck dieser Kurvendarstellung
konnte also nur der sein, die äußere Ähnlichkeit zwischen den
Resultaten der Rechnung und der Beobachtung zu zeigen, ohne
irgend welchen Anspruch darauf zu machen, den wirklichen
Gang des Luftdruckes durch solche einfache Funktionen dar-
zustellen.
(Fünfte Anfangsverteilung.) Um noch einen Begriff
von den aus der Superposition der Anfangswelle und der ther-
mischen Welle entstehenden Druckverteilungen nach gewisser
Zeit über der Oberfläche unseres Weltkörpers zu bekommen,
wurden einige Wetterkarten berechnet. Die bisher angenommene
Anfangsverteilung wurde hiezu ein wenig abgeändert; sie
wurde gesetzt:
Pq =: a-hb cos 2tf—c cos 3^ cos «(X-4-^).
Tritt nämlich — ^cos3^ an Stelle von crsin2cp, so er-
strecken sich die Druckdifferenzen der Maxima und Minima
nicht so weit zum Äquator, sondern verschwinden schon bei
30**. Da es sich hier stets nur um Breiten handelt, die dem
Äquator nicht zu nahe liegen, so spielt die Verteilung, welche
durch diesen Ansatz in Breiten unter 30** zu Anfang herrschen
würde, keine Rolle und wurde nicht weiter berücksichtigt.
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen.
847
/
1
V
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Ny^^
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§
9
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9)
Sitzb. d. math CID.- natu rw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa.
'■unuifTf
56
848 F. M. Exner,
Die Zentren des tiefen, beziehungsweise hohen Druckes der
Anfangsverteilung liegen jetzt bei 60" (für das Glied c cos 3^»
• cos «(X +<[))), am Pole verschwinden die Unterschiede. Über
diese Verteilung ist noch die Abnahme des Druckes gegen
den Pol a-^b cos 2?p gelagert. Wir wollen a = 755 mm,
b = 10 mm, c -=. 10 mm und ^p =: 0 setzen und damit zunächst
die Anfangsverteilung darstellen (Tafel 1). Die Wetterkarte
zeigt die angenommene Anfangsdruckverteilung für den Fall,
daß drei Minima und drei Maxima vorhanden sind, also für
n -=. 3. Sie stellt in Merkatorprojektion unseren Weltkörper von
30 bis 90** nördlicher Breite dar. Wie bisher werden auf dem-
selben zwei Kontinente und zwei Meere angenommen; das
Gebiet der letzteren ist auf der Karte mit Wellenlinien bedeckt.
Die Veränderung der Druckverteilung wird berechnet aus
der Integralgleichung
p =: a+b cos 2?p — c cos 3tp cos3(X — cä) —
P cos 9 (cos fp — cos 30)
2a
[sin2X-sin2(X— a/)].
Setzt man z. B. a/ = 45**, so erhält man die Druck-
t
Verteilung nach der Zeit — , oder, da t = 22 Tage, nach
o
2 • 75 Tagen. Das Resultat dieser Rechnung ist in Tafel 2 dar-
gestellt. Es zeigt sich, daß statt der drei Maxima und drei Minima
eigentlich jetzt nur mehr zwei vorhanden sind. Das östliche
Minimum hat im Westen eine Isobarenausbuchtung, die das
dritte verkümmerte Minimum nachweist. Auch das zwischen
den beiden anfangs gelegene Maximum ist verschwunden. Hin-
gegen hat sich das westliche Minimum vertieft, die beiden
Maxima sich erhöht, in ungleicher Weise.
Ferner fanden wir für die Geschwindigkeit der Bewegung
der Anfangsverteilung im früheren a =: 3*3. 10~*/sec~^ im
Winkelmaß oder im gleichen Maß pro Tag 0*285, was gleich
ist 16 '4 Längengraden. Dies gibt in 2 75 Tagen den Weg von
45 '1 Längengraden. Aus dem Vergleiche der Tafeln 1 und 2
sieht man, daß in dieser Zeit das mit I bezeichnete Minimum
tatsächlich etwa den Weg von 50* zurückgelegt hat, das mit III
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 849
bezeichnete einen solchen von nur 20**. Die Geschwindig-
keit der Bewegung der Depressionen, welche 45 Längengrade
betragen sollte, wird also durch die thermische Welle sehr ver-
ändert. Nebstbei hat das Minimum I sowie die Maxima westlich
und östlich davon auch eine von der Ost— West-Richtung ab-
weichende Bewegung eingeschlagen. Das Minimum ist etwas
gegen Süden gezogen, die Maxima gegen Norden. Wir beob-
achten also sowohl eine Intensitätsänderung als eine Änderung
der Geschwindigkeit und Zugrichtung der Gebiete hohen und
tiefen Dmckes.
Bei der Willkürlichkeit in der Wahl der Bedingungen wird
von einer weiteren Darstellung des Verlaufes der Druckver-
teilung abgesehen, da dies eine Beispiel genügen dürfte, um zu
zeigen, wie einfache Voraussetzungen schon so komplizierte
Veränderungen im Gefolge haben. Es muß aber noch darauf
hingewiesen werden, daß der Einfluß von Wasser und Kon-
tinent nicht bloß darin besteht, den Druck zu erniedrigen,
beziehungsweise zu erhöhen, sondern daß es ganz darauf an-
kommt, mit welcher Phasenverschiebung die thermische Welle
und die Druckwelle der Anfangsverteilung aufeinandertrefifen.
Zur Zeit Null ist die thermische Welle ausgeglichen. Dann
beginnt der Druck über dem Kontinent zu steigen, hiedurch
wird z. B. das Minimum III an der Westküste des einen Kon-
tinents in seiner Bewegung gebremst und bewegt sich in der
Zeit — eben nur um etwa 20 Längengrade statt um 45. Würde
o
das Minimum an der Westküste zu einer anderen Phase der
thermischen Welle auftrefifen, etwa, wenn auf dem Kontinent
der Druck durch sie zu fallen beginnt, so würde die Bewegung
des Minimums beschleunigt werden können. Die Depression II,
zu Anfang am Kontinente, wird durch Wärmeentziehung fast
ausgeglichen; es bleibt nur eine Isobarenausbuchtung zurück;
am Meere wird sie sich wieder ausbilden, wie eine Berechnung
t
für den Zeitpunkt — zeigt.
56*
850 F. M. Exner,
Auf Tafel 3 wurde noch die Verteilung des mittleren oder
normalen Luftdruckes p für den Verlauf einer Periode dar-
gestellt, wie sie sich aus der oben angeführten Integralgleichung
mit den gewählten Konstanten ergibt. Die Lage der Minima an
der Ostgrenze der Meere, der Maxima an der Ostgrenze der
Kontinente stimmt mit der Erfahrung, wie schon oben bemerkt
wurde, nicht überein. In Wirklichkeit liegen dieselben um
weniger als die halbe Breite des Meeres verschoben von der
Mittellinie der Meere und Kontinente entfernt Natürlich wird
hier die spezielle Gestaltung der Küsten von Einfluß sein; doch
kommt auch bei einer bloßen Berechnung dieser Lagen, wie sie
hier versucht wurde, die Voraussetzung, die über die zugeführte
Wärme gemacht wird, sehr in Betracht.
Man könnte z. B. diese Annahme, wie schon oben ange-
deutet, auch so formulieren, daß die Wärmezufuhr dem Unter-
schiede der normalen Oberflächentemperatur d des Weltkörpers
und der jeweiligen Lufttemperatur proportional gesetzt wird,
also
wobei
wenn 8 die Temperaturabnahme nach oben bezeichnet. Auf
diese Weise erhält man durch Integration eine Verschiebung
des normalen Druckes im obigen Sinne, die nicht gerade die
halbe Breite eines Meeres beträgt, sondern von der Konstanten a
abhängig ist.
Das hauptsächliche Resultat dieser Annahmen und Rech-
nungen ist der Nachweis, daß sich aus denselben die Entwick-
lung zweier Druckwellen von ungleicher Periode und Phase
ergibt, deren Übereinanderlagerung recht komplizierte und
langperiodische Schwingungen des Luftdruckes hervorrufen
kann. Hiebei ist die »thermische« Welle etwas Primäres, die
angenommene Anfangsverteilung, die sich nach Osten ver-
schiebt, etwas mehr Sekundäres.
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 85 1
Die Entstehung der Luftdruckgebilde, die in die Anfangs-
verteilung einzusetzen sind, ist vielleicht, wie schon oben
gesagt, auf unserer Erde durch recht geringfügige Details in
der Verteilung von Wasser und Land gegeben. Die thermische
Welle auf unserer Erde wird dagegen wesentlich von der Land-
und Wasserverteilung in großen Zügen abhängen, weswegen
es vielleicht bei genauerer Kenntnis der zu verschiedenen
Zeiten und an verschiedenen Orten zugeführten Wärmemenge
möglich sein wird, diese Druckwelle, wenigstens in ihrem
Wesen, auch für unsere Erde zu berechnen. Mit einer Kenntnis
derselben wird man dann an eine gegebene Anfangsverteilung
herantreten können, die wirklich beobachtet wurde, und die
Veränderungen, welche sie erleidet, auswerten können.
Es ist bisher kein Nachweis erbracht worden, daß eine
derartige thermische Welle wirklich existiert. Sie müßte unter
dem Kriterium gesucht werden, daß zu einer bestimmten
Jahreszeit und an einem Ort eine periodische Druckschwankung
von mehrtägiger Dauer aus dem Gange des Barometers ent-
nommen werden kann. Nach Abzug dieser Druckschwankung
müßte eine andere Welle übrig bleiben, welche sich gegen
Osten verschiebt; letzteres wäre nachzuweisen, indem derselbe
Vorgang für einen anderen Ort im Osten des ersteren ein-
geschlagen würde. Hier müßte gleichfalls die thermische Welle,
vielleicht von anderer Periode, berechnet und aus der Druck-
kurve eliminiert werden; das Übrigbleibende müßte dann jene
Welle vom westlich gelegenen Orte mit einer gewissen Phasen-
verschiebung sein. Daß es bei der Struktur unserer Erde mög-
lich ist, daß die thermische Welle in jeder Breite eine andere
Periodenlänge hat, ist wohl klar; sie kann vielleicht als Summe
mehrerer Sinuswellen dargestellt werden. Eine derartige Unter-
suchung wurde hier nicht durchgeführt. Sie könnte aber unter
Abwägung der wahren und nur scheinbaren Wellenlängen
vielleicht gemacht werden, wenn versucht würde, die Baro-
graphenkurve durch eine Fourier'sche Reihe darzustellen. Eine
dO
mehr physikalische Methode wäre es, die Größe von -^ durch
at
Messungen zu bestimmen, wobei freilich die Schwierigkeit
darin besteht, stets die Temperatur derselben Luftmenge zu
852 F. M. Exner,
messen. Diese Untersuchung wäre wohl auch abgesehen
von der weiteren Rechnung sehr nützlich, da die Anwendung
unserer Differentialgleichung (5) dann auch ohne Integration
schon praktische Verwendbarkeit hätte.
Eine kleine Andeutung für die Realität der errechneten
thermischen Welle scheint wenigstens in einem Falle vorhanden
zu sein. Die Depressionen, welche vom Stillen Ozean im Winter
gegen den nordamerikanischen Kontinent ziehen, bleiben ein-
mal an der Westküste zuweilen ein paar Tage lang stehen, ehe
sie auf den Kontinent wandern, ein anderes Mal bewegen sie
sich, scheinbar ohne Widerstand zu finden, über die Küste weg.
Dieser Vorgang erinnert geradezu an das oben besprochene Bei
spiel auf Tafel 2. Die zuweilen beobachtete Rückläufigkeit von De-
pressionen kann auch in der thermischen Welle begründet sein.
Ein schmälerer Kontinent und ein schmäleres Meer ver-
ursachen eine Verkleinerung der Länge unserer thermischen
Welle, eine Verbreiterung derselben eine Vergrößerung. Auf
unserer Erde, wo auf der Nordhälfte die Kontinente Nord-
amerika und Asien so verschiedene Ausdehnung haben, wird
die thermische Welle keine einfache Sinusschwingung mehr
sein. Ohne Rechnung ist zu erwarten, daß die Welle hier aus
einer kürzeren und einer längeren Periode bestehen wird, die
aufeinanderfolgen.
Was die Geschwindigkeit des Fortschreitens der thermi-
schen Welle wie der gegebenen Anfangsverteilung des Druckes
betrifft, so ist der für den Winter berechnete Wert kein unwahr-
scheinlicher; vermöge der in der Formel für a vorkommenden
Größe 7, der Druckabnahme gegen den Pol in der Höhe i/i
ergibt sich leicht, daß die Geschwindigkeit im Winter am
größten, im Sommer am kleinsten ist, da die Temperaturdiffe-
renzen zwischen Äquator und Pol denselben Gang haben; dies
stimmt mit der Erfahrung überein.
Der ganzen schematischen Rechnung wird man daher eine
gewisse Berechtigung nicht absprechen können. Auch ist die
Bedeutung der Wärmezu- und -abfuhr für die Bewegung der
Luft nicht zu leugnen. Da man aber bisher über diese Größen
wenig oder nichts weiß, so ist die Prüfung der Rechnungs-
ergebnisse nicht recht möglich.
Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen. 853
Die allgemeine Vorstellung, welche aus dieser Unter-
suchung gewonnen wurde, ist also folgende: Die Luftdruck-
gebilde (Maxima, Minima und alle Zwischenstadien) bewegen
sich ursprünglich mit einer ziemlich konstanten Geschwindig-
keit von Westen nach Osten, die aber von der Jahreszeit
abhängt. Sie werden modifiziert durch den erwärmenden, be-
ziehungsweise abkühlenden Einfluß der Meere und Kontinente
auf die über sie hinstreichenden Luftmassen. Durch diesen Ein-
fluß wird die mittlere Druck- und Temperaturverteilung über
Wasser und Land rechnerisch in ziemlich ausreichender Weise
erklärt, was die Größenordnungen betrifft. Die Meere und Kon-
tinente führen der Luft zwar zu einer Jahreszeit stets ungefähr
gleiche Wärmemengen zu (oder ab), aber trotzdem ist die da-
durch hervorgebrachte Wirkung auf den Luftdruck keine kon-
stante, sondern eine schwankende. Dies kommt daher, daß sich
mit Änderung des Luftdruckes auch die Bewegung der Luft-
massen ändert und mithin die Temperatur der Luft, welche im
Laufe der Zeit über einen Ort hinwegkommt. Die Schwankungen
des Luftdruckes nur unter dem Einflüsse von Wärmezufuhr
finden um einen Mittelwert herum statt, der einen Gleich-
gewichtszustand repräsentiert und in den mittleren Isobaren-
karten zum Ausdrucke kommt. Neben dieser »thermischen
Welle« wird der Luftdruck durch die vorhandenen Luftdruck-
gebilde bestimmt, die von Westen nach Osten sich bewegen.
Der tatsächliche Verlauf des Luftdruckes wird auf diese Weise
aus der thermischen Druckwelle und den von Westen her
sich verschiebenden Luftdruckgebilden, die sich durch peri-
odische Funktionen darstellen lassen, zusammengesetzt; die
Kombination beider Wellen gibt leicht komplizierte Perioden
von langer Schwingungsdauer, welche den Aufzeichnungen der
Barographen analog sein sollen. Die zu Anfang aufgestellte
Differentialgleichung (5), welche unter den sieben zitierten An-
nahmen abgeleitet wurde, enthält den wesentlichen Inhalt des
oben Gesagten ; sie ist aber allgemeiner als die Integralgleichung.
Die große Rolle, welche der »Anfangsverteilung« hier zu-
geschrieben wurde, wird sich in Wirklichkeit etwas anders dar-
stellen. Die kleineren Druckgebilde werden wohl wesentlich
durch lokale Wärmezu- und -abfuhr entstehen und vergehen.
854 F. M. Exner, Theorie der synoptischen Lufldruckändeningen.
d. h. die Funktion — ^ wird in Wahrheit viel komplizierter, auch
dt
von der Zeit abhängig sein. Dadurch werden die kleineren Druck-
gebilde die ihnen hier in der Anfangsverteilung vorgeschriebene
unbegrenzte Lebensdauer verlieren, und eine fortwährende Um-
und Neubildung derselben muß eintreten. Der äußerst einfache
Ansatz für -^# ist der formale Grund für die unbeschränkte
dt
Lebensdauer der Maxima und Minima unseres Beispiels. Wird
^, wie Oben angedeutet, von der Zeit abhängig, so können
neben der Dämpfung der Perioden des Druckes stets neue
Maxima und Minima durch lokale Wärme- und Kältezentren
entstehen. Die Welle der Anfangsverteilung wird dann als
gedämpfte Schwingung bestehen bleiben und daneben die
thermische Welle eine weitaus kompliziertere Form annehmen.
Somit ist es wohl klar, daß eine Kenntnis der Größe
—^- in diesem Stadium der Angelegenheit das zu sein scheint,
dt
was uns am meisten abgeht. Wäre für irgend einen Fall die
zugeführte Wärme bekannt, so ließe sich die Gleichung (5)
sofort prüfen; nach wenigen derartigen Proben könnte dann der
umgekehrte Weg eingeschlagen und diese Größe aus der beob-
achteten Druckänderung und dem beobachteten Gradienten
mittels jener Gleichung für jene Orte der Erdoberfläche bestimmt
werden, an welchen man nicht hoffen kann, durch direkte Mes-
sungen eine Vorstellung von der Wärmezufuhr und Abfuhr zu
erhalten.
Es sei zum Schlüsse nochmals betont, daß die gegebenen
Rechnungen nur als Hypothesen aufgefaßt werden sollen, daß
insbesondere eine Übertragung der gefundenen Resultate auf
die tatsächlichen Verhältnisse nur in Form von Analogien mög-
lich ist. Die Arbeit ist aus dem rein persönlichen Bedürfnis
entstanden, in dem Chaos der Luftdruckveränderungen an
Stelle keiner Vorstellung doch wenigstens eine schematische
zu setzen.
Exner F. M.: Theorie der synoptischen Luftdruckänderungen.
Tafel I.
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Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt IIa, 1907.
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855
Ober die Kältemisehung aus kristallisiertem
Natriumsulfat und konzentrierter Salzsäure
von
Lr. Szydlowski.
Aus dem physikalischen Institute der k. k. Universität Graz.
(Mit 3 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 2. Mai 1907.)
I. Vorbemerkungen,
Die Kältemischung aus Glaubersalz und konzentrierter
Salzsäure wurde schon vor mehreren Dezennien^ zur Er-
zielung von tiefen Temperaturen verwendet. Bevor die feste
Kohlensäure und die flüssige Luft bekannt und allgemein
zugänglich waren, wurde diese Kältemischung, wie auch
mehrere andere, häufig benützt, und zwar vorwiegend von den
Chemikern, da die Ausgangsmaterialien (kristallisiertes Natrium-
sulfat und konzentrierte Salzsäure) meistens bei der Hand und
in jeder, selbst in der heißen Jahreszeit gut haltbar sind.
Obwohl aber diese Kältemischung seit langer Zeit bekannt
ist, sind die Angaben über dieselbe sehr mangelhaft, zum Teil
auch, wie weiter unten dargelegt wird, unrichtig. Das meist-
verbreitete Rezept lautet: Die Kältemischung besteht aus acht
Teilen Glaubersalz und fünf Teilen konzentrierter Salzsäure und
erniedrigt die Temperatur von +12** auf — 18*.
^ Von wem und wann die Mischung zuerst angewendet wurde, konnte
aus der Literatur nicht ersehen werden. Es sei nur erwähnt, daß das angeführte
Rezept bereits in den Lehrbüchern der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts
enthalten ist, unter anderem in dem Lehrbuche der physikalischen Chemie
von H. Buff, H. Kopp und F. Zam miner, 1857 (bei Vieweg & Sohn),
p. 231.
85b L. Szydlowski,
Über den physikalisch-chemischen Vorgang, der die
Temperaturerniedrigung verursacht, war nur bekannt, daß das
Kristallwasser des Glaubersalzes verflüssigt wird und daß sich
dabei Natriumchlorid bildet.
Soweit die Angaben, welche sich in den meisten Lehr-
und Handbüchern finden.
Eine Ausnahme davon bildet nur die Abhandlung von
M. A. Ditte,^ in welcher die Theorie des Vorganges ein-
gehender erörtert wird. Obwohl nicht alle Ansichten Ditte's
richtig sind, so seien doch die wichtigsten Stellen aus seiner
Abhandlung im folgenden angeführt, weil nämlich dort der
ganze Komplex der einschlägigen theoretischen Fragen auf-
geworfen wird.
Die betreffenden Stellen sind einem Referate in »Jahres-
bericht über die Fortschritte der Chemie«, Bd. 33, p. 104 bis 107
(1880) entnommen und lauten folgendermaßen:
»M. A. Ditte erörtert die Kältemischungen aus einer Säure
und einem hydratwasserhaltigen Salze. Nach ihm hat bei der
Mischung von Glaubersalz und überschüssiger Salzsäure
folgender Vorgang statt:
Na2SO^.10H2O-4-2HCl = 'iNaCl+H^SO^-^-lOHaO,
fest flüssig fest flüssig
gemäß dem Prinzipe des Arbeitsmaximums, da das wasserfreie
Sulfat von Salzsäure unter Wärmeentbindung zersetzt wird.
Die Temperaturerniedrigung bei Anwendung des kristallisierten
Sulfats kommt daher, daß das gebildete Natriumchlorid wasser-
frei ist, folglich sämtliches vorher an das Sulfat gebundene
Wasser frei wird und nach der Reaktion, mit Ausnahme eines
Niederschlages von Kochsalz, alles flüssig ist. Der Einfluß der
Zustandsänderung des Wassers tritt deutlich hervor, wenn man
von ungefähr 33* ausgeht und in einem Falle festes und im
anderen in seinem Kristallwasser geschmolzenes Glaubersalz
anwendet. Im ersteren Falle sinkt die Temperatur plötzlich
1 M. A. Ditte, Sur les melanges refrigerants formes d'un acide et d'un
sei hydrate. Compt. rend., 90, 11C3 (1880).
Kältemischung aus Natnumsulfat und Salzsäure. 857
gegen — 8®, im zweiten bemerkt man nur eine schwache
Temperaturänderung; in beiden Fällen aber bilden sich die-
selben Produkte, nämlich gelöste Schwefelsäure und nieder-
geschlagenes Natriumchlorid. Mit 16 Teilen Glaubersalz und
12 Teilen Salzsäure des Handels, welche ungefähr ein Drittel
Chlorwasserstoff enthält und demnach der Zusammensetzung
HCI.4H2O entspricht, erhält man eine Abkühlung um un-
gefähr 33**.
Abgesehen von einigen Besonderheiten, finden ähnliche
Verhältnisse statt bei den Mischungen von Salpetersäure und
Natriumphosphat oder Natriumsulfat, von Salzsäure und Alaun
oder Natriumsulfat. Daher ist bei der Mischung eines hydrat-
wasserhaltigen Salzes mit einer Säure die Abkühlung nicht der
einfachen Lösung des Salzes zuzuschreiben, sondern es findet
stets eine doppelte Umsetzung statt, entsprechend dem Grund-
satze der größten Arbeit. Diese Umsetzung, welche nur dann
vollständig ist, wenn das neugebildete Salz in der sauren
Flüssigkeit sich nicht löst, ist gewöhnlich unvollständig und
durch den entgegengesetzten Vorgang begrenzt und mit einer
Wärmeentbindung verknüpft. Die beobachtete Temperatur-
erniedrigung rührt daher, daß die angewandten Salze eine
große Menge Wasser enthalten, welche bei der Bildung eines
wasserfreien Salzes von dem festen Salze abgespalten und
verflüssigt wird. Diese Zustandsänderung verschlingt die bei
der Reaktion entbundene Wärme und entzieht der Flüssigkeit
den Überschuß der zu ihrem Vollzuge nötigen lebendigen
Kraft.« — So weit Ditte.
»Berthelot* stimmt bezüglich dieser Erklärung der Kälte-
mischungen aus einer Säure und einem hydratwasserhaltigen
Salze im allgemeinen mit Ditte überein. Entsprechend dem
Prinzipe des Arbeitsmaximums findet der chemische Vorgang
unter Wärmeentbindung statt. Dieser wirken als Wärme
bindende Vorgänge in vierfacher Gestalt entgegen: Die
Dissoziation des Glaubersalzes, die Desaggregation durch das
Lösungsmittel (Gleichgewicht zwischen Natriumdisulfat und
1 M. Berthelot, Sur les melanges refrigerants formes par un acide et
un sei hydrate. Compt. rend., 90, 1191 (1880).
858 L. Szydlowski,
Wasser), die Lösung (welche bei Glaubersalz und Salzsäure
nur ein Mittelglied ist), endlich die Verflüssigung (des Kristall-
vvassers)«.
Wie man sieht, erblicken Berthelot und Ditte in dem
chemischen Vorgange bei unserer Kältemischung eine Be-
stätigung des Prinzips des Arbeitsmaximums. Und es sei daher
hingewiesen auf eine entgegengesetzte Auffassung von J. H.
van 't Hoff, der gerade in diesem Vorgange ein Beispiel einer
Reaktion sieht, die dem Prinzipe des Arbeitsmaximums wieder-
spricht.
J. H. van 't Hoffi sagt:
»Dennoch ist es nicht schwer, Beispiele anzuführen, bei
denen eine chemische Reaktion unter Wärmeabsorption erfolgt:
Die Kältemischungen, z. B. von Salzsäure und Glaubersalz,
welche auf Stattfinden einer chemischen Reaktion beruhen, im
gegebenen Falle:
Na2SO4.10H2O + 2HCl = 2NaCH-HaSO^-+-10HjO
zeugen von Tatsachen, welche dem »Principe^ du travail
maximum« widersprechen.«
Ich beschränke mich an dieser Stelle nur auf die Anführung
der Ansichten der vorerwähnten Autoren und überlasse die
Diskussion der betreffenden Fragen dem Schlußworte, wo
dieselbe an der Hand der gewonnenen Resultate der Unter-
suchung erfolgen kann.
Was den Gang der Untersuchung anlangt, so wurden
mir die kalorimetrischen Methoden vom Herrn Vorstande des
physikalischen Institutes der Universität Graz, Hofrat Prof.
L. Pfaundler, mitgeteilt, dessen Anregung die vorliegende
Arbeit ihre Entstehung zu verdanken hat. Auch Pfaundlers
»Über die Kältemischungen im aligemeinen etc.« und die
Arbeiten seiner Schüler Tollinger,^ Hammerl* und P. E.
1 Acht Vorträge über physikalische Chemie, p. 20 bis 21 (bei Vieweg &
Sohn, 1902).
2 To Hing er, Über die beim Lösen des salpetersauren Ammoniaks in
Wasser auftretenden Wärmeerscheinungen etc. Diese Sitzungsberichte, 72(1875).
3 Hammerl, Über die Kältemischung aus Chlorcalcium und Schnee.
Diese Sitzungsberichte, 78, 59 (1878).
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure. 859
Neumayr^ waren für mich in mancher Beziehung maßgebend,
und insofern schließt sich die vorliegende Abhandlung an die
Reihe der vorerwähnten Publikationen an. Dieselbe weist aber
auch, der Natur der untersuchten Prozesse entsprechend,
wesentliche Unterschiede von den zitierten Abhandlungen auf.
Es wurde nämlich der ganzen Untersuchung eine ausschließlich
experimentelle Grundlage gegeben und ein neues Kapitel, die
gewichtsanalytische Untersuchung der Reaktionsprodukte, den
früher angewandten Methoden hinzugefügt. Dagegen unterblieb
die mathematische Behandlung des Gegenstandes, da dieselbe
im vorliegenden Falle nicht gut anwendbar war. Und da ferner
die experimentelle Untersuchung allein die vollständige Auf-
klärung der in Frage stehenden Prozesse lieferte, so war die
mathematische Bearbeitung der Resultate auch ohne Belang.
Um die Fragen, die bei der Untersuchung in Betracht
kamen, zu beantworten, wurden folgende Bestimmungen und
Messungen ausgeführt:
1. Direkte Bestimmungen der Temperaturerniedrigungen.
2. Messungen des Kälteeffektes der Mischungen bei 0** in
Bunsen'schen Eiskalorimetern.
3. Messungen des Kälteeffektes oberhalb von 0**, und
zwar bei 6* und 15** nach der Mischungsmethode.
4. Quantitativ-analytische Untersuchung der nach be-
endigter Reaktion vorhandenen Gemische.
Was die erreichbare niedrigste Temperatur anbelangt, so
konnte dieselbe nicht in üblicher Weise bestimmt werden.
Näheres darüber in dem betreffenden Abschnitte.
Bei sämtlichen Versuchen wurde kristallisiertes Natrium-
sulfat in Form des feinen Kristallmehles angewandt, weil nur in
dieser Form das Salz den genauen Kristallwassergehalt von
10 Molekülen (55-907o) besitzt. Auf die Bestimmungen des
Kristall Wassers wurde besondere Sorgfalt verwendet und nur
diejenigen Proben des Salzes gebraucht, bei denen der ge-
fundene Kristallwassergehalt um nicht mehr als 0 -2070 ^^"
dem berechneten Werte, 55-907o» differierte. Meistens aber war
die Differenz nur 0-05 bis 0* lO^/o-
^ Neumayr, Über die Bestimmung von Lösungswärmen im Bunsen'schen
Eiskalorimeter. Ber. d. Innsbr. natur.-med. Ver., 1877.
860 L. Szydlowski,
IL Direkte Bestimmungen der Temperaturerniedri-
gungen.
Die folgenden Versuche haben hauptsächlich einen orien-
tierenden Wert und machen keinen Anspruch auf große Ge-
nauigkeit. Trotzdem sind dieselben angeführt, weil sie einige
nicht unwichtige Resultate lieferten, denen zufolge die bisherigen
Angaben über die Kältemischung modifiziert werden müssen.
Erstens war nämlich die beobachtete Temperaturemiedrigung
bei mehreren Versuchen um ein Beträchtliches größer als die
bis jetzt angegebene, und zwar statt 30** (von 4-12** bis — 18**),
im günstigsten Falle 39 -8 (von +21-2** bis —18-6**); allerdings
war dabei die Anfangstemperatur um zirka 9** höher.
Wenn man die Anordnung der Versuche in Betracht zieht,
so ist es klar, daß die gefundenen Werte für die Temperatur-
erniedrigungen wegen der unvermeidlichen großen »Kälte-
verluste« keinesfalls zu hoch, sondern nur zu niedrig sein
können.
Zweitens ersieht man aus den angeführten Verhältnissen
zwischen Salz und Säure, daß man, um das günstigste Resultat
zu erhalten, weniger Salzsäure braucht, als im Rezept angeführt
ist (auf 8 Teile Salz 5 Teile Säure), ein Resultat, welches auch
bei den kalorimetrischen Messungen bestätigt wurde.
Drittens wurde festgestellt, daß im allgemeinen die
Mischungen mit stärkster Säure die größten Temperatur-
erniedrigungen liefern.
Schließlich wurde gefunden, daß es Mischungsverhältnisse
gibt, bei denen, nachdem die Reaktionsprodukte wieder die
Anfangstemperatur erlangt hatten, fast kein fester Rückstand
in der Mischung zu finden, sondern beinahe alles gelöst war.
Solche Mischungsverhältnisse waren die günstigsten, d. h. bei
denselben wurden die größten Temperaturerniedrigungen beob-
achtet. Wie aus den Tabellen zu ersehen ist, sind es die Ver-
suche: Gruppe I, Nr. 3, Gruppe II, Nr. 3, und Gruppe III, Nr. 1
und 2.
Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt:
Das kristallisierte Natriumsulfat wurde in einem zirka 150 rw*
fassenden Kölbchen abgewogen, die Anfangstemperatur notiert,
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
861
dann möglichst rasch aus einer Bürette die erforderliche Menge
Salzsäure zugesetzt, innig gemischt, die niedrigste Temperatur
notiert und schließlich, nachdem die Mischung wieder die
Anfangstemperatur der Ausgangssubstanzen erreicht hatte, von
neuem gewogen. Außerdem wurde womöglich der Verlauf der
Reaktion und das Aussehen der Mischung nach Beendigung
des ganzen Prozesses beobachtet.
Das gebrauchte Thermometer war in Fünftelgrade ein-
geteilt und gestattete, Temperaturen bis auf O'l" deutlich
abzulesen.
Die Resultate sind in den folgenden Tabellen zusammen-
gestellt und es bedeuten:
p das Gewicht des Salzes;
g das Gewicht der Salzsäure;
p-^gz= m das Gewicht der Mischung;
100^ Salzsäure
p kristallisiertes Natriumsulfat
100p kristallisiertes Natriumsulfat
m
Mischung
in Prozenten ,
in Prozenten.
In der letzten Kolumne sind außerdem die Anmerkungen
über die Menge und das Aussehen des Niederschlages ent-
halten.
Tabelle I.
Gruppe I: Versuche mit 36'69prozentiger Salzsäure.
Nr.
P
100^
100;?
m
1
' 1
1 ■
1 /'** ■ It ■ Anmerkungen
1
l
47-30
6-13
12-96
88-53
20-1*
-15-6*»
35-7«
In der Reaktionmasse
beträchtlicher kri-
stallinischer Nie-
derschlag.
2
42- 15
916
21-73
82-15
20-2
-17-2
37-4
Kristallinischer Nie-
derschlag, weniger
als bei 1 .
3
45 06
11-62
25-79
79-49
21-2
-18-6
39*8
Fast kein Nieder-
schlag.
862
L. Szydlowski,
Xr.
g
\QOg
100/7
m
*o
A/
Anmerkungen
6
8
53-70
49-44
50-30
35-60
25-39
17-61
26-29
29-59
35-29
41-97
32-79
53-18
58-83
99-13
165-30
75-30
65-28
62-96
50-22
37-69
• :;o
21-5
21-4
21-6
21-6
21-2
-14-8**
-15-2
-15-3
— 1*>.9
- 8-1
36-3^
36-6
36-9
33-8
29-3
Geringer amorpher
Niederschlag.
Amorpher Nieder-
schlag.
Amorpher Nieder-
schlag.
Amorpher Nieder-
schlag.
Amorpher Nieder-
schlag.
Tabellen.
Gruppe II: Salzsäure — 30 137o HCl.
Nr.
P
g
100^ 100/7
p 1 m
1
<«
t"*
M
Anmerkungen
1
50-68
5-70
11-24
89-88
20-4*»
zirka
O«»
20 •4*»
Nur geringe Ver-
flüssigung.)
44-72
7-09
15-86
86-31
20-0
-12-6*»
32-6
Beträchtlicher kri-
stallinischer Nie-
derschlag.
3
43-60
9-22
21-14
82-54
19-9
-17-2
37-1
Fast kein Nieder-
schlag.
4
40-92
13-33
32-58
75-43
20-0
-14-8
34-8
Geringer Nieder-
schlag.
5
40-83
21-76
53 - 29
65-23
20-4
-15-6
36-0
Geringer amorpher
Niederschlag.
6
41-78
24-05
57-56
63-46
19-7
-14-4
34-1
Amorpher Nieder-
schlag.
7
35-04
35-41
101-05
49-74
19-7
-11-8
31-5
Amorpher Nieder-
schlag.
8
35-38
41-47
117-21
46-04
19-7
-11-8
31-5
Amorpher Nieder-
schlag.
1 Unc
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Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
Tabelle III.
Gruppe III: Salzsäure — 24-477o HCl.
863
Nr.
P
g
100/
P
100^7
m
/*
r»
A/
Anmerkungen
1
2
3
4
38-30
39-31
34-30
27-63
12-52
21-64
33 73
44-78
32-69
56-57
98-34
162-07
75-36
63-86
50-42
38-16
21 -O«
20-5
19-8
19-9
-11-8*
-12-0
-10-0
- 8-2
32 -8«
32-5
29-8
28- 1
Geringer kristallini-
scher Niederschlag.
Fast kein Nieder-
schlag.
Amorpher Nieder-
schlag.
Amorpher Nieder-
schlag.
III. Bestimmung des Kälteeffektes der Mischungen im
Bunsen'sohen Eiskalorimeter.
Der kalorische Effekt der untersuchten Kältemischung
hängt nicht nur von dem Mischungsverhältnisse zwischen kri-
stallisiertem Natriumsulfat und Salzsäure und von der Kon-
zentration der letzteren, sondern auch von der Anfangstempe-
ratur der Bestandteile ab. Infolgedessen mußte man, um das
günstigste Mischungsverhältnis und die günstigste Konzentra-
tion der Salzsäure zu finden, eine Reihe von Messungen bei einer
konstanten Temperatur vornehmen. Weil aber diese wichtige
Bedingung bei den kalorimetrischen Messungen nach der
Mischungsmethode schwer zu erfüllen ist, so wurden die
folgenden Messungen in Bunsen'sohen Eiskalorimetern aus-
geführt, und auf diese Weise konnte die Reaktionswärme genau
bei 0* bestimmt werden.
Außerdem handelte es sich bei den folgenden Messungen
um die Frage, ob und unter welchen experimentellen
Bedingungen sich das Bunsen'sche Kalorimeter zur Messung
der negativen Wärme (»Kälte«) eignet.* Denn, wie bekannt,
1 Die zitierte Abhandlung von Ne um ayr, welche auch die Bestimmung
des Kälteeffektes einer Kältemiscbung im Bunsen'schen Kalorimeter zum Thema
hat, lädt in dieser Beziehung manche Unklariietten übrig.
Sitzb. d. roathem.-naluru'. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 57
864 L. Szydlowski,
sind die direkten Messungen der negativen Wärme im Bunsen-
schen Kalorimeter infoige der Unterkühlungserscheinungen
nicht genau möglich. Infolgedessen habe ich nach Pfaundler^
bei den folgenden Versuchen die »Kältemenge« der Mischung
durch die Einführung einer bekannten Wärmemenge kompen-
siert und den Überschuß der letzteren bestimmt, woraus sich
die der Kältemischung entsprechende »Kältemenge« berechnen
ließ. Als Erhitzungskörper wurde Quarz (SiOg) gebraucht,
dessen spezifische Wärme sicher festgestellt ist (0"19) und
der von Salzsäure nicht angegriffen wird.
Was die verschiedenen Modifikationen des Bunsen'schen
Eiskalorimeters anbetrifft, so wurde diejenige von Schuller
und Wartha für den vorliegenden Zweck am geeignetsten
gefunden.^ Die gebrauchten Apparate waren auch im wesent-
lichen nach der Vorschrift von Schuller und Wartha her-
gestellt und mit Dreiwegehähnen nach Pfaundler versehen.
Die Apparate wurden zuerst in Gefäße mit destilliertem Wasser
und dann erst in Eis eingestellt. In das destillierte Wasser
wurden außerdem Stücke von chemisch reinem Eise geworfen,
um dadurch die Unterkühlungserscheinungen im Wasser zu ver-
hindern. Zur Erzeugung der Eishülle im Innern des Apparates
selbst wurden feste Kohlensäure und Alkohol verwendet. Die-
selben wurden in das Innere des eprouvettenförmigen Gefäßes
des Apparates hineingebracht, und zwar zuerst Alkohol, dann
mehrere Male in kleinen Portionen Kohlensäure, worauf die
Eishülle rasch und leicht entstand.
Eine wichtige Bedingung für das Gelingen der Messungen
ist die Art der Einführung der Substanzen in das eprouvetten-
förmige Gefäß des Kalorimeters. Es muß nämlich dabei sorg-
fältig vermieden werden, daß ein Teil der Substanz an den
Wänden des Gefäßes hängen bleibt; es muß sowohl das Salz
wie die Säure ohne Verlust bis auf den Boden des Gefäßes
1 Müller-Pfaundler's Lehrbuch der Physik, Bd. II, 2. Abt. (Wärme-
lehre), p. 312 und 449.
2 In Bezug auf den Grad der Genauigkeit der Messungen im Bunsen'schen
Eiskalorimeter mit Skalenrohr und demjenigen nach Schuller und Wartha
schließe ich mich der Ansicht Longuinin's an, der die Messungen im Schuller-
Wartha'schen Kalorimeter für genauer halt.
Kältemischung aus Natnumsuifat und Salzsäure. 865
gelangen. Ferner muß vermieden werden, daß das Natriumsulfat
in der Zeit, während welcher die Substanzen vor dem Versuch
im Innern des Kalorimeters verbleiben, Wasser anzieht. Um
diesen Hauptbedingungen zu entsprechen, wurden sowohl
kristallisiertes Natriumsulfat wie Salzsäure in dünnwandige
Glaskugeln eingeschmolzen, letztere an dünnen Zwimfäden in
das Innere des eprouvettenförmigen Gefäßes gebracht, dort
mehrere Stunden gelassen, bis mit Sicherheit anzunehmen war,
daß dieselben die Temperatur von 0* angenommen hatten, und
schließlich vor dem Versuch mittels eines dünnen Glasstabes,
welcher ebenfalls die ganze Zeit vor dem Versuch im Innern
des Gefäßes sich befand, zerbrochen. Die Substanzen wurden
innig gemischt und dann erst der auf den Siedepunkt des
Wassers erhitzte^ Quarz hineingeworfen. Um die Korrektion
zu bestimmen, wurde in üblicher Weise das Quecksilber in der
Vor- und in der Nachperiode gewogen.
Nach jedem Versuch wurden der hineingebrachte Quarz
und die Reaktionsprodukte entfernt und das Innere des eprou-
vettenförmigen Gefäßes mit Wasser, Alkohol und Äther ge-
waschen und vollständig getrocknet. Der nächste Versuch
konnte erst ausgeführt werden, nachdem das durch erwähnte
Operationen gestörte Gleichgewicht im Innern des Kalorimeters
wieder hergestellt war, d. h. nachdem die Zu-, beziehungs-
weise Abnahme des Quecksilbers möglichst gering und regel-
mäßig geworden war.
Bei den Berechnungen wurde die Kalorie 15** nach
Dieterici* angenommen, d. h.
^16 = 0-015460^ Hg.
Die Resultate sind in folgenden Tabellen zusammengestellt
und es bedeuten:
p das Gewicht des Salzes;
g das Gewicht der Säure;
p-hg = m das Gewicht der Mischung;
^ Im Pfaundler'schen Erhitzungsapparat.
2 C. Dieter ici, Ann. d. Physik, 1905, Nr. 4.
57*
866
L. Szydlowski,
100^ Säure . _
— in Prozenten;
P
lOOp
Salz
Salz
in Prozenten;
m Mischung
WE Reaktionswärme (negative) pro 1 g des Salzes;
W^E^ Reaktionswärme (negative) pro 1 g der Mischung.
Tabelle IV.
Die Versuche mit 36'60prozentiger^ Salzsäure.
Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
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5
5
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7599
7749
5445
5486
6950
8645
•8240
3458
'8120
9028
2
■3475
3551
2
5915
1307
3
•5082
1612
2
■2698
7102
3
■7949
5125
6
■1407
2210
12
■5148
1354
11
•7991
2134
12
•0552
m
WE
W,E,
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19-21
26
30
31
33
39
40
49
54
56
136-08
173-31
229-76
375-15
74
55
10
90
77
78
20
55
55
86-72
83-88
78-90
76-
76"
74"
71"
71'
67-
64
63
42
36
30
21
60
28
68
55
03
02
71
88
37
59
33
05
22-
25-
34-
35
36
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43
43
46
45
45'
31
30
30
28
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30
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26
66
23
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23
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27
27
27
30
31
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28
13
11
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6
44
52
43
28
43
85
08
19
Ol
55
89
15
15
17
09
Tabelle V.
Die Versuche mit 24*47 prozentiger Salzsäure.
8246
4970
9174
9719
9296
1-
2
3'
4
12
8811
5946
3197
2332
5689
27
39
47
60
181
56
93
99
72
38
78-40
71-46
67-57
62-22
35*54
25
35
40
43
35
77
99
23
13
66
20
25
27
26
12
21
72
18
84
67
1 Mittel aus drei Bestimmungen: 36*47, 36*65 und 36-d80'o.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
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868 L. Szydlowski,
Die Resultate der Versuche mit 36-60prozentiger Salz-
säure sind in der Fig. 1 graphisch dargestellt, wobei auf der
Abszissenachse die Prozente Säure auf 1 ^ Salz ( ^j auf-
getragen sind und die Ordinaten die entsprechenden Werte für
Kälteeffekte pro 1 g Salz darstellen (l^^E),
IV. Bestimmung des Kälteeffektes und der spezifischen
Wärme der Mischungen oberhalb von 0°.
Nachdem durch die vorhergegangenen Versuche der Kälte-
effekt der Mischungen und das günstigste Mischungsverhältnis
bei 0' bestimmt worden waren, war es weiter notwendig»
dasselbe auch bei anderen Temperaturen zu bestimmen, um
dadurch die Abhängigkeit der Reaktionswärme von der Tem-
peratur und die günstigste Anfangstemperatur der Ausgangs-
materialien finden zu können. Dabei wurde auch die spezifische
Wärme der Lösungen, welche die Mischungen mit Wasser
'lieferten, bestimmt. Die angewandte Methode läuft im wesent-
lichen auf die Messung der Lösungswärme hinaus, und zwar
wurde einerseits diejenige des kristallisierten Natriumsulfats
H-Salzsäure bestimmt, wobei dieselben, ohne miteinander
in Berührung zu kommen, gelöst wurden, andrerseits
wurde diejenige der Reaktionsprodukte gemessen, nachdem die
Mischung wieder die Anfangstemperatur der Materialien, und
zwar in beiden Fällen dieselbe Temperatur, erlangt hatte.
Die theoretische Grundlage für die angewandte Methode
bildet das bekannte Gesetz von Hess: »Die Energiedifferenz
zwischen zwei Zuständen eines chemischen Systems ist un-
abhängig von dem Wege, auf welchem es aus dem einen
Zustand in den anderen gelangt ist.«
In der untersuchten Kältemischung hat man in beiden
Fällen als Endzustand die Lösung der Ausgangssubstanzen
in Wasser.^ Im ersten Falle, wenn kristallisiertes Natrium-
^ Allerdings sind dabei die Dissoziationsverhältnisse in beiden Lösungen
verschieden, da im ersten Falle kristallisiertes Natriumsulfat und konzentrierte
Salzsäure unmittelbar in Wasser gelöst werden, im zweiten Falle aber die
aus den letzteren entstandenen Reaktionsprodukte. Diese Verschiedenheit in
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure. 869
sulfat+ konzentrierte Salzsäure gelöst werden, ohne mitein-
ander in Berührung zu kommen, geht das System kri-
stallisiertes Natriumsulfat + konzentrierte Salzsäure in dasjenige
der wässerigen Lösung unmittelbar über und die dabei auf-
tretende Lösungswärme stellt die gesamte mefibare Quantität
der EnergiedifTerenz dar.
Im zweiten Falle, d. h. wenn die Reaktionsprodukte der
Kältemischung gelöst werden, setzt sich die gesamte Energie-
difTerenz aus der Energie der Kältemischung und der Lösungs-
wärme der Reaktionsprodukte zusammen. In beiden Fällen muß
der Wert für die gesamte Energiedifferenz der gleiche sein.
Bezeichnet man mit A die Lösungswärme im ersten Falle (für
Säure und Salz getrennt), mit B diejenige im zweiten Falle und
mit X die Energie der Kältemischung (alle Werte einheitlich,
also z. B. pro 1 g des Salzes berechnet), so ist i4r=:A;4-Ä
In diesem Ausdruck ist ^ bei den in Betracht kommenden
Mischungsverhältnissen negativ. Dagegen ist B negativ nur
Säure
bis zum Verhältnisse -^— j — iz: 0 * 25 (annähernd) für eine 36 • 56-
prozentige Salzsäure. Bei mehr Säure wird B positiv, d. h.
die Reaktionsprodukte in ihrer Summe haben eine positive
Lösungswärme. Das bedeutet, daß der Vorgang in der Kälte-
mischung in Bezug auf den Wärmeverbrauch weiter geht als
derjenige beim Lösen des kristallisierten Natrium sulfats und
der Salzsäure (getrennt) im ersten Falle und infolgedessen
muß, um zu demselben Zustande zu gelangen wie im ersten
Falle, im zweiten Falle Wärme entwickelt werden.
Daher stellt der Ausdruck A-n-x-^z^B eine algebraische
Summe dar, wobei das Vorzeichen bei B sich ändert, je nach-
dem beim Lösen der Reaktionsprodukte ein Aufstieg oder ein
Abstieg des Thermometers beobachtet wurde. Der Kälteeffekt
der Mischung ist ;*; = i4d=J?, und zwar addiert man 5 zu ^ in
den Dissoziationsverhältnissen muSte aber, wenn eine solche bei derartigen
Messungen überhaupt berücksichtigt werden soll, ihren Ausdruck in der
Änderung des Wertes der spezifischen Wärme der betreffenden Lösungen
finden und, da die spezifische Wärme jedesmal bestimmt wurde, so wurde
damit der eventuelle Einfluß der Dissoziationsverschiedenheiten auch mit-
berücksichtigt.
870 L. Szydlowski,
allen denjenigen Fällen, wo die Reaktionsprodukte eine positive
Lösungswärme haben, und zieht von A ab, wenn letztere
negativ ist.
Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt:
1. Salz und Säure, jedes für sich in einer dünnwandigen
Glaskugel eingeschmolzen und genau gewogen, wurden in ein
mit Wasser gefülltes Platinkalorimeter gebracht und in diesem
eine längere Zeit (1 bis 2 Stunden) samt Thermometer und
Rührer bei einer möglichst konstanten Temperatur stehen
gelassen. Um die Lösungswärme zu bestimmen, wurden die
Kugeln zerbrochen, deren Inhalt in Wasser vollständig gelöst
und die Temperaturemiedrigung notiert. Außerdem wurde die
Vor- und Nachperiode beobachtet und die Korrektion für die
Hauptperiode nach Regnault-Pfaundler berechnet.
Der Lösungsvorgang dauerte höchstens 2 Minuten. Nach
Beendigung des Lösungsversuches wurde die spezifische Wärme
der entstandenen Lösung in üblicher Weise ^ mittels Quarz
(SiOa) bestimmt.
Aus den erhaltenen Zahlen wurde die Lösungswärme des
Systems kristallisiertes Natriumsulfat -f- konzentrierte Salzsäure
(getrennt) berechnet, und zwar pro 1 g des Salzes und pro 1 g
der Mischung.
2. Salz und Säure wurden in demselben Verhältnisse
wie bei 1. in ein und derselben Glaskugel zusammengemischt
und abgewogen.* Die zugeschmolzene Kugel wurde in das
Kalorimeter gebracht und die Lösungswärme wie bei L be-
stimmt. Auch die spezifische Wärme wurde in derselben Weise
und mit derselben Probe von Quarz bestimmt.
Die beiden Lösungsversuche (1 und 2) wurden womöglich
bei derselben Anfangstemperatur begonnen.
Das gebrauchte Thermometer wurde in 0*02** eingeteilt
und gestattete, Temperaturen bis auf O'Ol** genau abzulesen
und die Tausendstel noch abzuschätzen.
Das Verhältnis zwischen Salzsäure und kristallisiertem
Natriumsulfat sollte sowohl bei 1. wie bei 2. dasselbe sein.
i^ToUinger, p. 4 bis 5 in früher zitierter Abhandlung.
2 Die Glaskugel wurde zugeschmolzen und das Ganze abgewogen,
nachdem die Reaktionsmasse annähernd die Anfangstemperatur erreicht hatte.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure. 87 1
Diese wichtige Bedingung konnte allerdings experimentell
nicht genauer als auf einige Zehntelprozente erreicht werden.
Bei folgenden Versuchen wurde nur konzentrierte 36 • 56-
prozentige Salzsäure gebraucht, da durch die vorangegangenen
Messungen im Bunsen'schen Eiskalorimeter bereits gezeigt
worden war, daß, je konzentrierter die Säure, desto größer der
KälteeflFekt pro Gewichtseinheit der Mischung war.
Die Resultate der Versuche sind in den beiden folgenden
Tabellen zusammengestellt.
Tabelle VI enthält erstens die Daten der Bestimmungen
der Lösungswärme von kristallisiertem Natriumsulfat + Salz-
säure getrennt und zweitens diejenige der Reaktionsprodukte,
wobei die Paare von Versuchen, bei welchen die Bestandteile
in nahezu denselben Verhältnissen genommen wurden, mit l
und la, 2 und 2a u. s. w. bezeichnet sind, und zwar la, 2a,
3a u. s. w. die Versuche mit Reaktionsprodukten bedeuten.
Weiter wurde bezeichnet mit
g das Gewicht der Säure;
p das Gewicht des Salzes;
g-^p = nt das Gewicht der Mischung;
100^ Säure
p Salz
100/7 Salz
in Prozenten;
in Prozenten;
m Mischung
M der Wasserwert des Ganzen;
/* die Anfangstemperatur;
A/ die Temperaturänderung infolge des Lösungsvorganges
(Aufstieg oder Abstieg des Thermometers) ;
LWE Lösungs wärme pro 1 g des Salzes;
Lj W^ E^ Lösungswärme pro 1 g der Mischung.
Die Versuche zerfallen in zwei Gruppen, von denen die
erste diejenigen bei einer Anfangstemperatur von zirka 15**
und die zweite diejenigen bei zirka 6** umfaßt. Außerdem wurde
ein Versuch bei zirka 10*5** ausgeführt.
Die Tabelle VII enthält die auf Grund der Werte der
Tabelle VI berechneten Kälteeffekte der Mischungen, wobei für
872
L. Szydlowski,
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Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
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874
L. Szydlowski,
Tabelle VII.
Reaktionswärme.
Nr.
100/
P
100^
III
RW
Mittlere
ÄiWi Anfangs-
itemperatur
1
Gruppe
1
Maxi- f 2
raum W
4
5
6
7
8
15-42
25-85
26-11
33-98
52-86
59-56
88-70
166-01
86-63
79-54
79-30
74-64
65-42
62-67
53-00
37-60
41-06
56-32
57-22
56-38
52-01
48-64
42-95
34-59
35-64
45-34
45-41
42-12
34-05
30-46
22-77
12-95
15-11*»
15-58
15-10
15-32
15-50
15-62
15-03
15-20
I
1
34-30
74-43
55-07
41-01
10-63
1
2
3
25-66
34-04
50-53
79-59
74-60
66-43
51-05
54-18
51-00
41-23
40-29
33-98
6-01
6-28
6-45
II
die Verhältnisse
Säure
und
Salz
Salz Mischung
und 1 a, 2 und 2 a u. s. w, genommen wurden.
Es bedeuten:
die Mittel aus 1
100^ Säure
V
100/7
Salz
Salz
ni
in Prozenten;
in Prozenten;
Mischung
RW Kälteeffekt pro 1 g des Salzes;
R^W^ Kälteeffekt pro 1 g der Mischung.
In der sechsten Kolumne befinden sich die Mittelwerte für
die Anfangstemperatur aus 1 und la, 2 und 2a u. s. w. Die
Werte für die Lösungs- und Reaktionswärme (»Kälteeffekte«)
sind, wie üblich, in Grammkalorien angegeben.
Wie man aus der Tabelle ersieht, liefern die größte Kälte-
menge die Mischungen 2 und 3 in der ersten Gruppe, bei
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
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876 L. Szydiowski,
Die spezifische Wärme der Mischungen.
Die spezifische Wärme der Lösungen, welche die Kälte-
mischungen mit Wasser lieferten, wurde bei der Berechnung
der Lösungswärme berücksichtigt. Die diesbezüglichen Werte
werden aber an dieser Stelle nicht angeführt, weil dieselben für
die Definition der Kälternischung ohne Belang sind. Dagegen
ist die Kenntnis der spezifischen Wärme der Kältemischungen
selbst wichtig, da dieselbe unter anderem unerläßlich ist für
die Berechnung der Abkühlungswerte der Mischungen.
Die spezifische Wärme der Mischungen läßt sich aus den
Daten, die bei der Bestimmung der spezifischen Wärme der
Lösungen erhalten wurden, berechnen, wenn man annimmt,
daß die Wasserwerte der Lösungen gleich sind der Summe der
Wasserwerte der Bestandteile.
Diese Annahme ist aber bekanntlich nicht einwandfrei, da
für die Lösungen von Salzen und Säuren in Wasser (und die
Reaktionsprodukte bestehen eben aus Salzen und Säuren) kein
durchgreifendes Gesetz in Bezug auf die spezifische Wärme
gefunden werden konnte. Da aber andrerseits die direkte
Bestimmung der spezifischen Wärme der Mischungen nicht
unerhebliche experimentelle Schwierigkeiten bietet, so teile ich
im folgenden die auf diesem Wege gewonnenen Resultate mit.
Die Werte sind direkt aus den Beobachtungsdaten auf
Grund der Formel x = —--5 — j^ berechnet, wobei
0 ist die durch das Einwerfen des erhitzten Quarzes eingeführte
Wärmemenge;
M der Wasserwert des Wassers (spezifische Wärme des
Wassers = 1),
W der Wasserwert des Apparates (Kalorimeter, Rührer etc.);
/i"* — /** rr A/'' die Temperaturerhöhung nach Anbringung von
sämtlichen Korrektionen;
m das Gewicht der Kältemischung;
X die gesuchte spezifische Wärme der Mischung.
Die erhaltenen Werte sind in folgender Tabelle zusammen-
gestellt, und es bedeuten:
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
877
100p
Salz
in Prozenten;
m Mischung
5 die spezifische Wärme der Mischung.
Die Versuche, bei welchen konzentrierte Salzsäure und
kristallisiertes Natriumsulfat in ähnlichen Verhältnissen ge-
nommen wurden, sind wieder mit 1 und 1 a u. s. w. bezeichnet,
außerdem sind in der vorletzten Kolumne die Mittelwerte für die
spezifische Wärme aus je zwei Versuchen 1 und 1 a u. s. w.
angegeben. Die Mittelwerte sind nur mit zwei Dezimalen
angegeben, da schon die zweite Dezimale unsicher ist, indem
ein Ablesungs- oder Korrektionsfehler von 0*01 * die zweite
Dezimale vollständig verändert. Gruppen bedeuten dasselbe
wie früher, d. h. die Gruppen der Versuche bei je zirka 15"
und zirka 6° Anfangstemperatur.
Tabelle VIII.
Spezifische Wärme.
t
Nr.
lOOp
m
1
1
Mittel- •
* ' werte 'Gruppe
für 5 !
F •
Nr. '^P
m
s
Mittel-
werte
für s
Gruppe
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86-69
0-741
0-74
8
37-73
0-422
0-42
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86-58
0-744
8a
37-46
0-422
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79-61
79-48
0-850
0-846
0-85
2a
1
74-50
0-752
0-76
bei
3
79-48
0-851
0-85
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74-37
0-764
10-6°
3^
79-38
74-72
0-847
0-769
4
0-77
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0-819
0-81
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74-56
0-768
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79-57
0-795
5
5 a
65-47
65-37
0-643
0-638
0-64
2
2.a
74-77
74-44
0-761
0-753
0 76
II
6
62-59
0-619
0-62
3
66-63
0-637
0-64
Oa
62-75
0-614
3 a
66-24
0-641
7
53-03
0-562
0-55
7a
52-97
0-546
878
L. Szydlowski,
Die Temperaturemiedrigungen und die niedrigste erreichbare
Temperatur.
Unter Benützung der Werte für die Reaktionswärme der
Mischungen und derjenigen für die spezifische Wärme lassen
sich die theoretisch möglichen Temperaturemiedrigungen be-
rechnen. Die Werte für die Temperaturemiedrigungen sind im
vorliegenden Falle die Quotienten aus der Reaktionswärme und
R W
der entsprechenden spezifischen Wärme, also — ^ ~, wobei
i?i W^ die Reaktionswärme pro 1 g der Mischung und 5 deren
spezifische Wärme ist.
Die folgende Tabelle enthält diese Werte für die Anfangs-
temperatur von 15*. Zum Vergleich mit den theoretischen
sind auch die direkt^ beobachteten Temperaturerniedrigungen
angeführt. Die Bezeichnungen sind dieselben wie in früheren
R W
Tabellen, wobei A / = — — ~ ist.
s
Tabelle IX.
Nr.
100 ;7
in
R,W,
5
A/*
' Direkt
beob-
achtet
1
Differenz
1
86-6
35-64
0-74
48-2*»
35-7*
12-5*»
2
3
79-5
79-3
45-34
45-41
0-85
0-85
53-3
53-4
\ 39-8
13-6
4
74-6
42-12
0-77
54-7
36-3
18-4
5
65-4
34-05
0-64
53-2
36-6
16-6
6
62-7
30-46
0-62
49-1
36-9
12-2
7
53-0
22-77
0-55
41-4
33-8
7-6
8
37-6
12-98
0-42
30-9
29*3
1-6
Die Tabelle zeigt, daß zwischen den theoretischen und
den beobachteten Werten für die Temperaturerniedrigung sich
i Dieselben sind der Tabelle I im Abschnitte »Direkte Beobachtungen der
Temperaturemiedrigungen« entnommen.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure. 879
große Differenzen ergeben. Diese können kaum durch die
»Kälteverluste« während der Ausführung der Versuche erklärt
werden, sondern müssen vielmehr eine andere Ursache haben.
In der Tat hat man bei anderen Kältemischungen gefunden^ daß
die theoretisch mögliche Temperaturerniedrigung und das damit
zusammenhängende Temperaturminimum in Wirklichkeit durch
die jeweilige Gefrier-, beziehungsweise Sättigungstemperatur
der betreffenden Lösung beschränkt wird, da bei dieser
Temperatur der Lösungsprozeß, welcher die eigentliche Quelle
der Kälteerzeugung ist, seine Grenze erreicht und infolgedessen
auch die Kälteerzeugung aufhören muß, beziehungsweise der
noch vorhandene Überschuß an Kälte zur Erzeugung von Eis
oder zur Abscheidung von Salz verbraucht wird.
Die Bestimmung der Sättigungs-, beziehungsweise Gefrier*
temperatur wurde auch bei der untersuchten Kältemischung
durchzuführen versucht, es hat sich dabei aber Folgendes
ergeben.
L Die Reaktionsgemische, in denen den Analysen zufolge
Schwefelsäure vorhanden war, zeigten keine konstanten Gefrier-
punkte, obwohl bei manchen Versuchen fast bis auf — 70** in
einem Kohlensäure-Alkoholbade abgekühlt wurde.
2. In zwei Fällen, wo die Ausgangsmaterialien im Verhalt-
Salzsäure
nisse ■ .,,,.. ^ — :rr-T-' ttt = ^'22 — 0-26 genommen
kristallisiertes Natnumsulfat
wurden, konnte ein gewisser Stillstand des Thermometers
bei — 20** bis — 22* beobachtet werden, jedoch waren die
Beobachtungsresultate nicht genügend sicher. Wie aus den
Analysen zu ersehen ist, bestehen die Reaktionsgemische bei
diesen Verhältnissen zwischen Salzsäure und kristallisiertem
Natriumsulfat nur aus verdünnter Salzsäure und aus dem voll-
ständig oder zum größten Teile entwässerten Natriumsulfat,
enthalten dagegen keine Schwefelsäure und kein Natrium-
chlorid.
3. Die Lösungen, aus welchen die Gemische teilweise
bestehen, sind schon oberhalb von 0*, daher weit oberhalb
(z. B. bei 2"* in einem Falle) der beobachteten niedrigsten
Temperatur gesättigt und trotzdem sinkt die Temperatur bis
— 15 bis — 19*. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich
Sit2b. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa. 58
880 L. Szydlowski,
aber, wenn man annimmt, dafi die Quelle der Kälteerzeugung
im vorliegenden Falle nicht der einfache LösungsprozeS,
sondern die Verflüssigung des Kristallwassers des kristallisierten
Natriumsulfats ist, wobei sich das kristallwasserfreie Salz, bis
auf den geringen Teil, der in Losung geht, sofort abscheidet.
Das Natriumchlorid wird den Analysen gemäß ebenfalls nicht
gelöst. Die durch Verflüssigung des Kristallwassers entstandene
Kältemenge erniedrigt inzwischen die Temperatur der Mischung
weiter, bis der Gefrierpunkt und somit auch das Temperatur-
minimum erreicht werden.
Nachdem das Reaktionsgemisch wieder die Anfangs-
temperatur der Ausgangssubstanzen erreicht hat, lösen sich
Natriumsulfat und in Spuren auch Natriumchlorid teilweise in
der vorhandenen Flüssigkeit wieder auf. Und aus diesem
Grunde führt die Bestimmung des Sättigungspunktes einer
solchen Lösung zu unbrauchbaren Resultaten.
Und somit bleibt im vorliegenden Falle für die Bestimmung
der niedrigsten erreichbaren Temperatur nur die direkte
Beobachtung derselben übrig, die wegen der dabei unvermeid-
lichen Kälteverluste nur wenig genau sein kann.
Der Abkühlungswert der Kältemischung.
Unter dem Abkühlungs werte einer Kältemischung versteht
man diejenige Kältemenge, die zur Abkühlung eines fremden
Körpers übrig bleibt, nachdem die Kältemischung jene Tempe-
ratur, auf welche abgekühlt werden soll, bereits erreicht hat.
Auf Grund der experimentell gewonnenen Daten lassen
sich die Abkühlungswerte für verschiedene Mischungsverhält-
nisse mit der Formel R^W^ — 5.A/' berechnen, wobei ÄiTi'j
wie früher die Reaktionswärme pro 1 g der Mischung, 5 die
spezifische Wärme bei dem betreffenden Mischungsverhält-
nisse und A/"* das Temperaturintei-vall von der Anfangs- bis
zur Abkühlungstemperatur bedeuten.
Die Abkühlungswerte sind für sechs Mischungsverhält-
nisse berechnet, wobei die Anfangstemperatur 15* geträgt und
die Abkühlungstemperaturen 0, — ^5, — lOund — 15* sind. Sonst
bedeuten die Bezeichnungen dasselbe wie in früheren Tabellen.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
881
Tabelle X.
Nr.
100^
m
Abkühlungswert für
0*
— ö*»
—10«
— 15«
1
2
3
4
5
6
86-63
79-54
79-30
74-64
65-42
62-67
24-5
32-6
32-7
30-6
24-4
21-2
20-8
28-4
28-4
26-8
21-2
18-1
17-1
24-2
24-2
22-9
18-0
15-1
13-4
19-9
20-0
19-1
14-8
12-0
Wie man aus der Tabelle ersieht, besitzt den größten
Abkühlungswert gerade dasjenige Mischungsverhältnis, welches
auch den größten KälteefTekt liefert, nämlich das Verhältnis
^^^=79 -3070 oder 1^0^ = 26- 11.
V. Analysen der Reaktionsprodukte.
Um den physikalisch-chemischen Vorgang in der Kälte-
mischung erklären zu können, wurden die nach beendigter
Reaktion entstehenden Gemische analysiert.
Eine auffallende Erscheinung im vorliegenden Falle ist
die Entstehung eines weißen, meist amorphen Niederschlages
nach beendigter Reaktion, der nach den bisherigen Angaben
hauptsächlich aus Natriumchlorid bestehen sollte. Die Bildung
des Natriumchlorids bei der Reaktion wurde überhaupt von
allen, die diese Kältemischung erwähnen, angenommen. Wenn
man beachtet, daß die genaue Bestimmung des Natriumchlorids
und die Abhängigkeit der Menge desselben von dem Verhältnisse
zwischen kristallisiertem Natriumsulfat und konzentrierter Salz-
säure (Ausgangssubstanzen) ein Mittel gibt zur Berechnung
der übrigen Reaktionsprodukte, so ist es klar, daß der Zweck
der folgenden Analysen eben die Bestimmung des Natrium-
Chlorids war und auch sein mußte, indem die direkte
58*
882 L. Szydlowski,
Bestimmung der übrigen Reaktionsprodukte im vorliegenden
Falle so gut wie unmöglich war.
Die Analysen der Reaktionsgemische wurden in folgender
Weise ausgeführt.
Kristallisiertes Natriumsulfat in Form des feinen Kristall-
mehls wurde in einem Wägegläschen abgewogen und mit kon-
zentrierter Salzsäure versetzt. Nachdem die Reaktion beendigt
war und die Mischung wieder die Anfangstemperatur der Aus-
gangssubstanzen erlangt hatte, und zwar bei einer Reihe der
Versuche möglichst dieselbe Temperatur, wurde wieder gewogen.
Die Differenz der beiden Wägungen ergab dann das Gewicht
der Salzsäure. Darauf wurde das Gemisch durch einen in
üblicher Weise hergestellten und auf Gewichtskonstanz ge-
prüften Goochtiegel quantitativ filtriert, möglichst vollständig
abgesaugt und mit einer gemessenen Menge 99prozentigen
Äthylalkohols nachgewaschen.
Da nach dem Schema:
Na,SO^.10H,O+2HCl = 2NaCl-4-HS2O4+10H,O
in dem Reaktionsgemisch Natriumchlorid, Schwefelsäure und
eventuell unverändertes Natriumsulfat und überschüssige Salz-
säure sein konnten und da aus dem festen Rückstande die
letzten Reste von Salz- und Schwefelsäure entfernt sein sollten,
so mußte der Waschalkohol auf Salz- und Schwefelsäure
geprüft werden. Die Prüfung konnte sich aber nur auf Schwefel-
säure erstrecken, weil das Natriumchlorid in Alkohol löslich ist
und daher beim Auswaschen mit in Lösung geht, während
Natriumsulfat in Alkohol unlöslich ist. Das Auswaschen wurde
deshalb nur so lange fortgesetzt, bis eine Probe des Wasch-
alkohols nach dem Verdünnen mit Wasser keine Schwefelsäure-
reaktion mehr zeigte, was in der Regel schon nach einigen
Füllungen des Goochtiegels mit Alkohol der Fall war. Schließ-
lich wurde der Tiegel samt dem Inhalte getrocknet und bis zur
Gewichtskonstanz schwach geglüht.
Die Menge der getrockneten Substanz stellte nicht genau
diejenige des festen Rückstandes im Reaktionsgemische dar,
sondern war etwas größer, weil beim Nachwaschen aus den
im Wägegläschen und im Tiegel vorhandenen Resten der
Kältemischung aus Natrtumsulfat und Salzsäure. 883
Lösung durch den Alkohol das gelöste Salz mitgefällt wurde.
Für die Bestimmung der Gesamtmenge des sich bei der Reaktion
bildenden Natriumchlorids ist aber dieser Umstand ohne Belang.
Dagegen mußte bestimmt werden, wieviel Natriumchlorid der
abgesaugte Rückstand enthält, weil die Vorversuche gezeigt
hatten, dafi derselbe nicht nur aus Natriumchlorid besteht,
sondern auch Natriumsulfat enthält. Zu dem Zwecke wurde
der Goochtiegelinhalt mittels Durchsaugens von Wasser quanti-
tativ gelöst und in der Lösung die Chlorbestimmung ausgeführt.
Bei der Berechnung des Wertes des sich in der Kältemischung
bildenden Natriumchlorids mußte außerdem berücksichtigt
werden, daß ein geringerer Teil desselben beim Nachwaschen
des Absaugrückstandes mit Alkohol in Lösung geht, und infolge-
dessen mußte die entsprechende Korrektion angebracht werden.
Zur Kontrolle, ob der ganze Inhalt des Goochtiegels gelöst
worden war, wurde der leere Tiegel getrocknet und wieder
gewogen.
Weiter mußte untersucht werden, ob nicht ein Teil des
Natriumchlorids in dem Filtrate des Goochtiegelrückstandes sich
befindet. Zu dem Zwecke wurde die Lösung zuerst mit Alkohol
und dann noch mit Äther versetzt, und zwar so lange, als noch
eine merkliche Abscheidung stattfand, dann das Ganze durch
einen Goochtiegel abgesaugt, mit wenig Alkohol nachgewaschen
und getrocknet, schließlich bis zur Gewichtskonstanz schwach
geglüht. Der Goochtiegelinhalt wurde dann mittels durch-
gesaugten Wassers gelöst und auf Chlor geprüft. Dabei zeigte
sich, daß, ausgenommen den Versuch II, bei weichem eine
sehr schwache Fällung beobachtet wurde (gefunden O'OT^o
des theoretischen Wertes*), beim Versetzen der Lösung mit
Silbemitrat entweder keine oder nur eine äußerst schwache
Opaleszenz entstand, was darauf hinweist, daß in der abgeschie-
denen Substanz kein Natriumchlorid vorhanden war, denn
dieses hätte doch wenigstens zum Teil mitabgeschieden werden
müssen, wenn es in der Lösung vorhanden war. Die abgeschie-
dene Substanz wurde als reines, wasserfreies Natriumsulfat
1 Unter dem »theoretischen Werte« versteht sich, wie weiter unten aus-
einandergesetzt ist, derjenige Wert (lir das Na Gl, welcher erhalten werden
sollte, wenn das ganze Natriumsulfat in Chlorid verwandelt wäre.
884 L. Szydlowski,
erkannt. Die Fällung des letzteren war allerdings nicht quanti-
tativ, da sich beim Umrechnen der Werte des erhaltenen
wasserfreien Natriumsulfats und des Natriumchlorids auf das
angewandte kristallisierte Natriumsulfat zeigte, daß die Werte
des gefundenen Salzes um 0*54 bis 2*63 Vo niedriger waren
als diejenigen des angewandten. Da es sich aber bei den
beschriebenen Versuchen um die Bestimmung des Natrium-
chlorids und nicht um diejenige des Sulfats handelte, so ist jene
Abweichung ohne Belang.
Aus der Menge des gefundenen Natriumchlorids lassen
sich die übrigen Bestandteile des Reaktionsgemisches, und zwar
die Schwefelsäure, die nicht in die Reaktion eingetretene Salz-
säure und schließlich das wasserfreie Natriumsulfat berechnen.
Eine solche Berechnung ist leicht an der Hand der weiter unten
mitgeteilten Werte auszuführen. Dieselbe wurde aber unter-
lassen, weil sie für den speziellen Zweck der vorliegenden
Untersuchung, nämlich die Auffindung desjenigen Mischungs-
verhältnisses zwischen Salzsäure und kristallisiertem Natrium-
sulfat, bei welchem die meiste Wärme absorbiert wird, ohne
Belang ist, und infolgedessen wurden die bei den Analysen
gewonnenen Resultate in einer anderen, weiter unten beschrie-
benen Weise verwendet.
Bei der Bestimmung des Natriumchlorids wurde gefunden,
daß es Mischungsverhältnisse gibt, bei welchen dasselbe nur in
Spuren nachzuweisen war (weniger als O'lOVo ^®s theoreti-
schen Wertes). Diese geringen Mengen können wohl den Ver-
suchsfehlern zugeschrieben werden, woraus folgt, daß es
Mischungsverhältnisse gibt,^ bei welchen kein Natriumchlorid
sich bildet und der in der Mischung vorhandene Niederschlag
nur aus Natriumsulfat besteht. Wie aus der Tabelle zu ersehen
ist, ist dies der Fall bei den Versuchen 1 und 1 a, bei welchen
Säure
-— — = 0*15, beziehungsweise 0"14 war. Außerdem wurde
1 Sehr kleine Mengen Natriumchlorids müssen sich allerdings schon im
ersten Momente bei dem Zusammentreffen der Salzsäure mit dem kristallisierten
Natriumsulfat bilden. Die Salzsäure soll übrigens tropfenweise und unter
beständigem Umrühren zugesetzt werden, damit nicht an irgend einer Stelle viel
Säure mit wenig Salz in Berührung kommt.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure. 885
beobachtet, daß bei diesen Verhältnissen zwischen den Aus-
gangssubstanzen der Niederschlag im Reaktionsgemische aus
amorpher und aus kristallinischer Substanz bestand, woraus
zu schließen ist, daß dabei wahrscheinlich nicht die ganze
Masse des kristallisierten Natriumsulfats in das kristallwasser-
freie Salz verwandelt wurde. Bei den Versuchen 2 und 2 a
/Säure
—
kristallisiertes Natriumsulfat f — 2. ) aufgetragen sind und daß
. zu 0*281 wurde nur wenig Natriumchlorid gefunden,
bei den Versuchen 3 bis 5 schon viel mehr, bis endlich bei den
- — j — = 3"65 1 fast sämtliches Natrium-
sulfat in Chlorid verwandelt war.
Drückt man die gefundenen Werte für das Natriumchlorid
in Prozenten desjenigen Wertes aus, welcher erhalten werden
sollte, wenn das ganze angewandte Natriumsulfat in Chlorid
verwandelt wäre (»theoretischer Wert«), so erhält man die
Daten, die in den Tabellen aufgeschrieben sind. Stellt man
weiter die erhaltenen Resultate graphisch in der Weise dar,
daß auf der Abszissenachse die Prozente der Salzsäure auf 1 g
P
die entsprechenden Ordinaten die gefundenen Werte für das
Natriumchlorid in Prozenten des theoretischen Wertes dar-
stellen, so ersieht man aus der Fig. 3, daß die Verbindungs-
linie der Endpunkte der Ordinaten für die Werte der Ver-
suche 2, 3 und 4 eine sehr schwach nach oben gekrümmte
Kurve ist. Um den Schnittpunkt dieser Kurve mit der Abszissen-
achse zu finden, verlängert man die Verbindungsgerade der
Endpunkte der Ordinaten für Versuch 2 und 3 bis zum Schnitt-
punkte mit der Abszissenachse, wobei der begangene Fehler
infolge der äußerst geringen Krümmung der Kurve in dem
Falle kein großer sein kann.
Wie man aus der Fig. 3 ersieht, wird die Abszissenachse
etwa bei 53 geschnitten, was nach dem Maßstabe 26*57o ^^""
zentrierter Salzsäure entspricht; dies bedeutet, daß bei einem
.r u-M* • konzentrierte Salzsäure ^ ^-_ . , ^
Verhaltnisse -;— : — -r-: r; — : r;: — == 0 265 m der Re-
kristallisiertes Natriumsulfat
aktionsmasse kein Natriumchlorid sich bilden soll. Dieses
886
L. Szydlowski,
Resultat ist sehr beachtenswert, wenn man berücksichtigt, daß
bei Anwendung einer Salzsäure von derselben Konzentration
und bei fast demselben Verhältnisse zwischen den Ausgangs-
substanzen bei 15* Anfangstemperatur kalorimetrisch der
größte Kälteeflfekt gefunden wurde. Näheres darüber im
Schlußworte.
Um die Abhängigkeit der Menge des Natriumchlorids von
der Temperatur der Ausgangssubstanzen zu bestimmen, wurden
das kristallisierte Natriumsulfat und die konzentrierte Salzsäure
100
90
MO
70
CO
SO
40
30
SO
10
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1
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B0 £30
XK
Fig. 3. Maßstab: 1 mm=r 10/^ Salzsäure, respektive \% NaCl (des theoreti-
schen Wertes).
vor der Reaktion zuerst auf 0* abgekühlt und das Reaktions-
gemisch auch bei 0"* (annähernd) abgesaugt. Dabei wurde ge-
funden, daß die experimentell bestimmten Werte sich nur sehr
wenig von den durch Interpolation aus der Fig. 3 gefundenen
unterscheiden und daher die Abweichungen wahrscheinlich auf
die Versuchsfehler zurückzuführen sind. So erhält man bei 0* :
Gefunden
Versuch 1 33-377o
Versuch 2 40*40
Interpoliert
32 • 75 Vo
40-50
Daraus folgt, daß bei 0 bis 15* Anfangstemperatur dieselbe
wahrscheinlich ohne merklichen Einfluß auf die Menge des
sich bildenden Natriumchlorids ist.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure.
887
Obwohl die beschriebene Methode keinen Anspruch darauf
macht, eine einwandfreie, quantitativ-analytische zu sein, so
erfüllt dieselbe ihren speziellen Zweck, indem sie das oben
erwähnte, für die Definition des günstigsten Mischungsverhält-
nisses wichtige Ergebnis liefert und überhaupt die zur Erklärung
des chemischen Vorganges in der Kältemischung nötigen Tat-
sachen gibt.
Die Resultate sind in der folgenden Tabelle zusammen-
gestellt, wobei die Bezeichnungen dasselbe wie früher bedeuten.
> Prozente NaCU bedeutet das gefundene Natriumchlorid in
Prozenten des theoretischen Wertes.
Tabelle XI.
Versuche mit 36*67prozentiger Salzsäure.
Anfangstemperatur 15 bis 16^.
Nr.
P
^
100^
P
Prozente
NaCl
1
16-7534
2-5080
14 -970/0
0-040/0
la
15-8367
2-1918
13-84
0-02
2
19-4686
5-5232
28-40
2-16
2a
17-4967
4-9288
28-17
2-01
3
11-0175
5-6882
51-63
26-40
9a
12-1545
6-2912
51-76
26-79
4
7-5199
5-5028
73-18
44-54
4a
8-1178
5-9625
73-45
44-95
5
4-5126
4-9857
110-48
49-67
5a
5-6715
6-2472
110-15
49-17
6
6-1560
22-4740
365 • 07
99-46
6a
6 • 6498
24-2580
364-79
99-57
Schlußwort.
Die Resultate der Untersuchung lassen sich in folgender
Weise zusammenfassen:
1. Zur Herstellung der Kältemischung eignet sich am
besten die konzentrierteste Salzsäure, weil, je konzentrierter
888 L. Szydlowski,
die Säure, desto weniger von derselben erforderlich ist, um den
größten Kälteeffekt pro 1 g der Mischung zu erzielen. Der Grad
der Konzentration der Salzsäure ist nur durch die Haltbarkeit
derselben bei der günstigsten Anfangstemperatur der Ausgangs-
substanzen begrenzt.
Bei der Untersuchung wurde eine 36'5prozentige Salz-
säure und das kristallisierte Natriumsulfat in Form des feinen
Kristallmehls angewendet.
2. Aus der Vergleichung der Resultate der Messungen bei
verschiedenen Anfangstemperaturen folgt, daß der KälteefTekt
der Mischung desto größer, je höher die Anfangstemperatur
ist. Daher ist die hiefür günstigste Anfangstemperatur eben
diejenige höchste Temperatur, welche durch die Haltbarkeit
der Substanzen gestattet ist. Da eine konzentrierte Salzsäure
oberhalb von 25* schon erheblich zu rauchen beginnt und auch
das kristallisierte Natriumsulfat sich bei höheren Temperaturen
schlecht hält, so dürfte eine Anfangstemperatur von 20 bis 25°
die günstigste sein.
3. Als das günstigste Mischungsverhältnis zwischen kon-
zentrierter Salzsäure und kristallisiertem Natriumsulfat wurde
dasjenige gefunden, bei welchem in der Reaktionsmasse sich
kein Natriumchlorid bildet.
4. Beachtet man, daß die Entstehung des Natriumchlorids
und der Schwefelsäure und die Hydratation der letzteren mit der
Entwicklung von positiver Wärme verbunden sind* und infolge-
dessen den definitiven Kälteeffekt vermindern und daß ferner
die Quelle der Kälteentwicklung die Verflüssigung des Kristall-
1 Daß dies wirklich der Fall ist, läßt sich nicht nur theoretisch begründen,
sondern wurde auch von mir im Bunsen'schen Eiskalorimeter direkt nach-
gewiesen. Es wurden Versuche angestellt, um die Wärmemenge zu bestimmen,
die bei der Einwirkung von konzentrierter Salzsäure auf das entwässerte
Natriumsulfat entbunden wird. Genaue Messungen sind aber hiebei schwer
durchzufuhren, weil die Substanzen sich im Innern des Kalorimeters nicht
innig genug zusammenmischen lassen. Das wasserfreie Natriumsulfat ballt
sich nämlich unter Einwirkung von konzentrierter Salzsäure zu festen Klumpen
zusammen, wodurch die Genauigkeit der Messungen sehr beeinträchtigt wurde.
Jedoch stellt der jedesmal beobachtete beträchtliche Rückgang des Quecksüber-
fadens im Skalenrohr die Tatsache der Entwicklung von positiver Wärme
zweifellos dar.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure. 889
Wassers ist und diese letztere von der Anfangstemperatur ab-
hängt, so lassen sich die Bedingungen über die günstigste
Anfangstemperatur und das günstigste Mischungsverhältnis
folgendermaßen zusammenfassen :
Das günstigste Mischungsverhältnis und die günstigste
Anfangstemperatur der Ausgangssubstanzen ist dasjenige
Mischungsverhältnis und diejenige Temperatur, bei welchen
das ganze Kristallwasser verflüssigt und kein Natriumchlorid
in der Reaktionsmasse gebildet wird. Experimentell wurde
ein diesen Bedingungen nahezu entsprechendes Verhältnis
Salzsäure ^ «y.*» /. ,
, . ^ „. . _^ rr-r^ r?-: =■ 0-265 gefunden, und zwar für
kristallisiertes Natnumsulfat
eine 36"5prozentige Säure und eine Anfangstemperatur von
-+-15^
5. Bei fast demselben Verhältnisse^ wurde auch die niedrig-
ste Temperatur, nämlich — 18-6* und die größte Temperatur-
erniedrigung von 39 -6** beobachtet; diesem Mischungsverhält-
nisse kommt auch der größte Abkühlungswert zu.
Das hiemit gewonnene Resultat hat auch in ökonomischer
Hinsicht eine gewisse Bedeutung. Es stellt sich nämlich erstens
heraus, daß man, um das günstigste Resultat zu erzielen, viel
weniger Salzsäure braucht, als in der bisherigen Vorschrift an-
gegeben ist, und zwar statt 0 • 625 g Salzsäure auf 1 g Natrium-
sulfat (oder auf 8 Teile Glaubersalz 5 Teile Salzsäure). nur
0*265^, daher weniger als die Hälfte.
Zweitens wird die Wiedergewinnung der Ausgangs-
materialien dadurch erheblich vereinfacht, indem bei dem ge-
fundenen günstigsten Mischungsverhältnisse die Reaktions-
masse nur aus Natriumsulfat und verdünnter Salzsäure besteht
und weder Natriumchlorid noch Schwefelsäure enthält. Die
Trennung des Natriumsulfats von der Salzsäure läßt sich leicht
erreichen, indem man die Reaktionsmasse abkühlt (womöglich
auf 0**), wobei sich das Natriumsulfat fast vollständig abscheidet.
Dieses kann abgesaugt und durch Umkristallisieren wieder in
das kristallisierte Natriumsulfat verwandelt werden. Die Salz-
Säure
1 = 0-258.
Salz
890 L. Szydlowski,
säure läßt sich aus der Lösung abdestillieren, wobei man eine
reine verdünnte Säure erhält.^
Es bleibt schließlich noch die Erörterung der in der Ein-
leitung erwähnten theoretischen Fragen übrig. Wie aus den
dort angeführten Zitaten zu ersehen ist, wurde angenommen,
daß der Vorgang der Kälteerzeugung in dem vorliegenden Falle
auf dem Stattfinden der chemischen Reaktion zwischen Natrium-
sulfat und konzentrierter Salzsäure beruht, d. h. daß mit Hilfe
der bei dieser Reaktion entwickelten Wärme die Verflüssigung
des Kristallwassers bewerkstelligt wird. Dieses ist aber im
allgemeinen nicht der Fall. Die Tatsache, daß es eine Reihe
von Mischungen gibt, bei denen die erwähnte Reaktion gar
nicht stattfindet (Mischungen mit wenig Salzsäure), und das
Ergebnis der Untersuchung, daß den größten Kälteeffekt eben
dasjenige Mischungsverhältnis zwischen konzentrierter Salz-
säure und kristallisiertem Natriumsulfat liefert, bei welchem
das ganze Kristallwasser verflüssigt und dabei kein Natrium-
chlorid gebildet wird, zeigen, daß zur Verflüssigung des
Kristallwassers die lösende Kraft der Salzsäure und die bei
der Hydratation der letzteren entstehende Wärme genügen.
Dagegen ist der Überschuß der Salzsäure nur schädlich, indem
dadurch die mit der Wärmeentwicklung verbundene Reaktion
entsteht. Dieses gilt allerdings nur für die Anfangstemperaturen
oberhalb von 0** und hauptsächlich für 15** und darüber. Bei
0** dagegen sind die Verhältnisse komplizierter. Den größten
KälteefTekt liefert bei 15* eine Mischung vom Verhältnisse
Säure
-^-j— =: 0*26 (45 -4 cal. pro 1 g der Mischung), dagegen steigt
dieses Verhältnis bei 0** bis etwa 0-5 (31*0 cal. pro \g der
Mischung); der Kälteeffekt erreicht aber den Wert, welchen er
bei 15* hat, nicht. Das bedeutet, daß bei 0* zur Verflüssigung
des Kristallwassers die lösende Kraft der Salzsäure allein nicht
genügt und daß Wärme zugefügt werden muß, um den Rest
1 Ein umgekehrtes Verfahren, nämlich die Salzsäure aus der Reaktions-
masse zuerst abzudestillieren, dürfte sich kaum empfehlen, weil am Ende der
Destillation bekanntlich eine Salzsäure von zirka 20% HCl entstehen würde,
welche auf das Natriumsulfat im Sinne der Bildung von Natriumchlorid ein-
wirken könnte.
Kältemischung aus Natriumsulfat und Salzsäure. 89 1
des Kristallwassers zu verflüssigen. Diese Wärme wird durch
die chemische Reaktion geliefert, das Gesamtresuttat in Bezug
auf die Kälteentwicklung wird aber dadurch erniedrigt. Die
Hauptquelle der Kälteerzeugung ist jedoch in allen Fällen die
Verflüssigung des Kristallwassers durch die Salzsäure, während
die chemische Reaktion entweder nur untergeordnete Bedeutung
besitzt, wie bei 0** Anfangstemperatur, oder direkt überflüssig
ist, wie gegen 15**.
Was schließlich die Frage anbetrifft, ob der Vorgang in
der Kältemischung dem Prinzipe des Arbeitsmaximums ent-
spricht oder nicht, so muß hervorgehoben werden, daß derselbe
dieses Prinzip weder bestätigen noch widerlegen kann, weil
dieser Vorgang selbst keineswegs einheitlicher Natur ist, sondern
sich aus mehreren grundverschiedenen Vorgängen zusammen-
setzt. In der Tat besteht der Vorgang, abgesehen von sekun-
dären Prozessen (Hydratation, Lösung etc.) hauptsächlich in
der Verflüssigung des Kristallwassers und bei überschüssiger
Salzsäure außerdem in* der chemischen Umsetzung zwischen
Natriumsulfat und Salzsäure. Der erste Vorgang ist die Über-
führung des Wassers in einen höheren Aggregatzustand und
als solcher mit einem Wärmeverbrauch verbunden. Sobald aber
die Konzentration der Salzsäure eine gewisse Grenze über-
schreitet, beginnt der zweite Vorgang, nämlich die Wechsel-
wirkung zwischen Natriumsulfat und Salzsäure. Der letztere
entspricht vollständig dem Prinzipe des Arbeitsmaximums, so
weit das Prinzip selbst Geltung hat, was eben bei niederen
Temperaturen der Fall ist, indem bei diesen, wie aus der Regel
von Le Chatelier folgt, vorzugsweise diejenigen Reaktionen
vor sich gehen, die mit Wärmeentwicklung verbunden sind.
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Schweidler E., v. und Meyer St^ Untersuchungen über radioaktive Sub-
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SiU^. Ber. der Wiener Akad., 11 a. Abt., Bd. 116 (1907), p. 701—713.
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Rftdloaktive Substanzen, Untersuchungen über . (X. Mitteilung.) Ober
die Zerfallskonstante von Radium D.
Meyer St und Schweidler E., v., Sitz. Ber. der Wiener Akad.,
^^"llra:'9Ä)t.,'fifd. 11»(11W7), p. 701— 713.
Radium Z)^ Ober die Zerfallskonstante von — . Untersuchungen über radio-
aktive Substanzen. (X. Mitteilung.)
Meyer St und Schweidler E., v., Sitz. Ber. der Wiener Akad.,
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Rsiba K«, Änderung des Peltiereffektes Ni-Cu zwischen 20 und 800* C.
.. :, Süz-Ber.^eriWMOer Akad., IIa. Abt, Bd. 1 16 (1907), p. 715—722.
Peltiereffekt Ni-Cu, Änderung desselben zwischen 20 und 800* C.
Rziha K., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907),
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Ni-Cü, Änderung des Pelttereffekies zwischen 20 und 800* C.
Rziha K., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116(1907),
p. 715—722.
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(1907),,p'. 723— 758, . : . \. ; v.i r .
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G^^^WNiWnflcttfllu-WMl G^witUfbdQliaplitiingcn An einigen meteorologischen
•Bt>i|acllkrogt»to*iQn<yi «kr AlfMii».Miabe6ondere an Gipfelstatioiien.
Ol>«rmftxec A. IT»» Sit#. Ilw^.4#r Wiener AkaiL» IIa. Abt., Bd. 116
ilWfh pw 723-758.
Gipfelstationen und meteorologische Beobachtungsstationen der Alpen. Ge-
' ^ittefbeeboehtimgen und GewItteriittQfiglceit an einigen — .
Oibcriliay^r A. v.> SfU. B«r. 3^r Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
Beobachtangsstationeii, meteorologische, insbesondere Gipfelstationen der
Alpen. Gewitterbeobachtungen und Gewitterhäufigkeit an einigen — .
Obermayer A. v., Sitas. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
C1ÖÖ7), p. 72Ä— 758i .. N
GliUer R., Zur Dotation von Gasmolekülen.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 759—770.
Rotatiotii 2^ur -r- vOkft GiyimokdclUen. : y • • •
OirtUT.IUiSita* «ec; ileK\Wafirr Uüuid.^JU. Abt., M, 11S <imn,
f>. 759—770.
Gasmolekfile, Zur Rotation derselben.
- ' Cfrtfer lfr*te."Bcf. der Wleh«f Akatl., Ita. Abt., Bd. 116 (ld075,
p. 759—770.
• *
1 1.
Stficker N., Ober einige physikalische Eigenschaften der Kolloide.
Sits.Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 771—783.
KoHoide, Ober ^igciplir«MiAabe EigeiufchftfUttl derselhio.
Stücker N., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa Abt., Bd. 116 (1907),
p. 771—783.
^ m
Dintzl £.y Dba^'dle Legendre'schen Symbole für quadratische Reste in einem
imagttilrefi qüadratiMhehZahlkofper MitVder KlassenartflaMl- 1 ! • - ' > •
Sitz/B4r. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 785—800.
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.8dV— frST .q ,(7ÖÖ!>
Legtudsi^MMi ßyinb«le für quadratische Reste in einem imaginären quadra-
tischtn ZaMkorper mit der Kiassenzahl 1.
Dintsl S,, SiU. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 785—800.
P5ch R., Kr. X der Berichte der Phonogramm-Archivs-Kommission der kaiserl.
Akademie der Wissenschaften in Wien. Zweiter Bericht über meine
phonographischen Aufnahmen in Neu-Guinea (Britisch-Neu-Guinea vom
7. Oktober 1905 bis zum 1. Februar 1906).
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 801—817.
Neu-Guinea, Bericht über phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea (Bntisch-
Neu-Guinea vom 7. Oktober 1905 bis zum 1. Februar 1906).
POch R., SiU. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 801—817.
Britiseh-Nev-Gnlnea, Bericht über phonographische Aufnahmen in Neu-Guinea
(Britisch-Neu-Gninta vom 7. Oktober 1905 bis zum 1. Februar 1906).
Pöch R., SiU. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt. Bd. 116 (1907),
p. 801—817.
Phonographische Avfiuüiaien in Neu-Guinea (Britisch-Neu-Guinea vom
7. Oktober 1905 bis zum 1. Februar 1906).
Pöch R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 801—817.
Exner F. M., Grundzüge einer Theorie der synoptischen Lufldruckverände-
rungen. (II. Mitteilung.)
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116(1907), p. 819— 854.
Synoptische Luftdmckver&ndenmgen, Grundzüge einer Theorie der — .
(II. MitteUung.)
Exner F. M., Sitz. Ber. der Wiener Akad.. II a. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 819—854.
8
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Szydlowski L., Über die Kältemischung aus Kr,\*jk -v«'
konxentrierter Salssäure.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. : )t
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KältemiBChoiig aus kristallisiertem Natriumsulfat und konzentneru;; 'a../
Szydlowski L., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, H^^ .^
(1907). p. 8S5-r-$9i. • - 1
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXVLBAND. V.HEFT.
ABTEILUNG Ua.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
I»-
59
895
Ober die Anzahl inkongruenter Werte, die eine
ganze Funktion dritten Grades annimmt,
von
Dr. R. Daublebsky v. Stemeck,
Professor der Mathematik an der Universität Graz.
(Vorgelegt in der Sitzung am 6. Juni 1907.)
Es gelingt auf vollkommen elementarem Wege, die Anzahl
der inkongruenten Werte zu bestimmen, die die allgemeine
Funktion dritten und spezielle Funktionen vierten* Grades
annehmen, wenn die Variable die sämtlichen Elemente eines
vollständigen Restsystems bezüglich eines gegebenen Primzahl-
moduls p, den wir größer als 3 voraussetzen, durchläuft. Dies
soll in der folgenden kurzen Mitteilung gezeigt werden.
I.
Wir betrachten die allgemeine Funktion dritten Grades
mit ganzzahligen Koeffizienten
fix) = Ax^-^-Bx'-^Cx-^D,
Ist A durch p teilbar, so liegt der einfachere Fall einer
quadratischen Funktion vor, der sich unmittelbar erledigen
läßt; denn Bx^^-^Cx-^D durchläuft, wenn B nicht durch p teil-
bar ist, jede Restklasse, von einer einzigen abgesehen, zweimal;
soll nämlich für zwei inkongruente Werte x und y
Bx^-h Cx-^D =E 5y -I- Cy-^D (mod p)
sein, so muß
B(x +y)'hC'z££0 (mod p)
sein; so daß zu jedem Wert x ein bestimmter, im allgemeinen
von ihm verschiedener Wert ^ gehört; nur zu dem Werte x, der
der Kongruenz 2 5;r+ C ^ 0 (mod ;,)
59*
896 R. Daublebsky v. Sterneck,
genügt) gehört kein inkongruenter Wert y. Die Gesatntzahl der
inkongruenten Werte, die eine Funktion zweiten Grades an-
nimmt, beträgt daher (bei durch p unteilbarem B) ^-5—; bei
teilbarem B aber, wo wir den Fall einer linearen Funktion vor
uns haben, offenbar /7 oder 1, je nachdem C durch p unteilbar
oder teilbar ist.
Nunmehr setzen wir voraus, daß A nicht durch p teilbar
ist. Indem wir zunächst die Funktion mit AI^ das der Kongruenz
AA'-\ (mod/7)
genügt, multiplizieren, dann durch eine Substitution ;r =^+A
das quadratische Glied zum Verschwinden bringen, endlich
von der für unser Problem unwesentlichen Konstanten absehen,
erkennen wir, daß wir nur die speziellere Funktion
fix) = Tfi %X
zu untersuchen brauchen, wo oc irgend eine positive oder
negative ganze Zahl bedeutet.
Zwei inkongruente Werte x und y^ für welche
f(x) =f{y) (mod p)
sein soll, erfüllen dann die Kongruenz
x^ — y^ — a{x—y) — 0 (mod p)
oder
x^-^-xy-^-y^ — a ^ 0 (mod p),
die sich nach Multiplikation mit 4 in eine der folgenden:
(2 x-hyy — 4 a — 3 v* (mod p),
respektive
{2y'¥xf ~ Aa—'&x^ (mod p)
verwandelt. Zwei Werte x und y, die zu kongruenten Funktions-
werten führen, wollen wir des kürzeren Ausdruckes halber als
konjugiert bezeichnen. Zu einem bestimmten :r sind entweder
zwei oder ein oder gar kein Wert y konjugiert; es wird also
fix), wenn x ein volles Restsystem durchläuft, einige Werte
dreimal, andere zweimal, andere nur einmal annehmen; die
Anzahl dieser Werte werde bezüglich mit Tg, 7,, T^ bezeichnet.
Anzahl der inkongruenten Werte etc. 897
Wir betrachten zunächst den Fall eines durch p unteilbaren
a und bestimmen T,, d. h. die Anzahl jener Zahlen x im Rest^
System, zu denen ein einziger Wert j/ konjugiert ist. Dies ist
vor allem für jene x der Fall, für welche
4 a— 3;»r« = 0(mod;?)
ist; denn dann hat die Kongruenz
(2^-4-;r)8 = 0 (mod/7)
eine und nur eine Wurzel y^ die erstens offenbar von x
verschieden ist, da sonst x und somit auch a durch p teilbar
sein müßte, was gegen die Voraussetzung verstößt
Zweitens ist der zu x konjugierte Wert _y nicht etwa selbst
von der Art, daß er gleichfalls die Kongruenz
4 a— 3y = 0 (mod/7),
der X genügte, befriedigt; denn aus dem Bestehen dieser beiden
Kongruenzen könnte man
x'^ =y^ (mod p),
somit
X = — ^ (mod p)
und daraus x^y = 0 (mod p) folgern, was wieder zu a = 0
(mod p) entgegen unserer Voraussetzung führen würde.
Aus diesen beiden Bemerkungen ergibt sich zunächst,
daß T^ mindestens gleich ist der Anzahl der Wurzeln der
Kongruenz 4 a — ^x^ = 0 (mod /?).
Für alle jene x^ die diese Kongruenz nicht erfüllen, hat
{2y'{'xy = 4 a— 3;»r« (mod p)
entweder keine oder zwei Wurzeln y; doch kann eventuell von
den zwei Wurzeln eine mit x zusammenfallen, was einen
weiteren Beitrag zu T^ liefern würde; es soll abgezählt werden,
für wie viele Werte x letzteres der Fall ist.
Die Annahme y^x (mod p) führt zur Bedingung
12A;2 = 4a(mod/7),
beziehungsweise
3x^=Ea (mod p);
898 R. Dauhlebsky v. Sterneck,
heißt die zweite Wurzel der Kongruenz y\ so ist dieses, wie
man sofort einsieht, in unserem Falle von y und somit auch
von X verschieden; denn es ist
2y^'\-x = — (2jv-4-^) = — 3;i? (mod p\
somit
y = — 2x (mod p\
woraus die Verschiedenheit von x hervorgeht.
Diese zweite Wurzel y^ ist nun aber, wie leicht zu zeigen,
von der Art, daß
4 a— 3y« = 0(mod/;)
ist; denn
4a— Sy« = 4a — 12:tr« = 4(a— Sat«) = 0 (mod p).
Wir sehen somit, daß die aus x und _y' bestehenden Paare
konjugierter Zahlen genau mit den oben besprochenen Paaren
übereinstimmen und wir somit keinen weiteren Beitrag zu T^
erhalten. T^ ist somit genau gleich der Anzahl der Wurzeln der
Kongruenz 4 a — Zx^ = 0 (mod p); also
im Falle (—)=+! T^ = 2
im Falle (— ) = — 1 T^ = 0.
Um nun auch T^ und T^ zu ermitteln, bezeichnen wir mit
Lj und Lj die Anzahl der Werte x im vollständigen Restsystem
(mod p), für welche
'4oL—3x^\
1 = + 1, respektive r= — 1
ist.
Die in Li gezählten Werte x vereinigen sich dann zu
je dreien zu einem Tripel konjugierter Werte, nur im Falle
'3a\ . .
— 1 m -Hl gehen zwei dieser Werte verloren, da sie, wie wir
P !
gesehen haben, nur je einen konjugierten Wert besitzen. Es ist
daher
Anzahl der inkongruenten Werte etc. 899
(^)=
im Falle — h=+l T, =
_ ij— 2
t
3
(¥)=-
^ A
im Falle (^-.1 = — 1 7,=
Die Anzahl 7^ fällt in allen Fällen mit L^ zusammen.
Die Bestimmung von I^ und I^ ist einfach; setzt man in
— Sx^ für X ein vollständiges Restsystem (mod p) ein, so durch-
läuft es jedenfalls den Wert 0, dann aber entweder jeden Rest
oder jeden Nichtrest doppelt, je nachdem ob —3 Rest oder
Nichtrest von p ist. Entsprechend dem quadratischen Rest-
charakter von a durchläuft dann 4a — 3x* außer dem Werte a
noch (und zwar doppelt) eines der Systenie r'-hr", r'+n"^
n'-hr", n'-^n", wo ein mit einem Striche versehener Buchstabe
ein fixes, ein mit zwei Strichen versehener aber ein variables
Element des betreffenden quadratischen Restcharakters be-
zeichnet. Die Anzahlen, wie oft jedes dieser Systeme einen
Rest, beziehungsweise einen Nichtrest durchläuft, habe ich an
anderer Stelle^ angegeben und finde mit Verwendung der
dortigen Formeln folgende Werte für L^ und I^:
■■(7)=-. (t)=-
^•(7)=-. (^)=-'
'p.~2+\^) P—2+ ~^
A ^^ ö '"^' A ^= ö
^- (7) = -■■
3^
P
= +1
p—2+(—) p—2+1—
2 ' ' 2
1 Ober die Kombinationen der Potenzreste einer Primzahl zu bestimmten
Summen. Diese Sitzungsber, Bd. 114, Abt IIa, p. 718 (1905).
900 R. Daublebsky v. Sterneck,
(=1) ,_4_(3l)
Diese Formeln lassen sich durch die einheitlicheren Aus-
drücke :
L -—JU—ULL r- ^P
^1 - 2 • ^~ 2
ersetzen, aus denen wir schließlich
.-(^)-3(^)-3
«~ 6
7-1= 2
erhalten, wozu wir noch unser obiges Resultat
hinzufügen.
7^ + 72+ Tg stellt die Anzahl sämtlicher inkongruenter
Werte der Funktion x^ — ax dar; man findet hiefür:
wenn wir in üblicher Weise mit diesem Symbol die nächste an
2/7
-~ gelegene ganze Zahl bezeichnen. Wir haben somit den Satz:
o
Die Funktion x^ — ax nimmt, sobald a nicht durchp
flV ^ ' (2, f7\
teilbar ust, im ganzen y-^\ inkongruente Werte an,
wenn x ein vollständiges Restsystem (mod p) durch-
läuft.
Anzahl der inkongruenten Werte etc. 90 t
Der Fall a = 0 (mod p) führt zur Funktion Tfly die offenbar
p — 1 /?+2
entweder p oder —-- h 1, d. i. ^-r— Werte annimmt, je nach-
dtm p die Form 3w — 1 oder 3»-*-l besitzt
Die allgemeine Funktion dritten Grades
in welcher wir A als nicht durch p teilbar voraussetzen, nimmt
i2p\ »-4-2
gleichfalls entweder ^-;^> oder p oder inkongruente Werte
an, ersteres in dem Falle, wo nach der Transformation, die das^
quadratische Glied beseitigt, ein durch p unteilbarer Koeffizient
der ersten Potenz der Variablen auftritt Diese Bedingung
wollen wir explizite anschreiben:
Setzen wir x -rzy-^-h, so ergibt sich
f{x) = yiy-4-(3>lA+5)y+(3i4Ä«+25Ä-i-C)jv+
h bestimmen wir aus der Kongruenz
SAh-hB — O (mod;?);
soll dann auch
3 i4Ä« + 2 5Ä+ C = 0 (mod p)
werden, so muß, wie eine einfache Überlegung zeigt,
3AC— B^ = 0 (mod p)
sein. Für eine allgemeine Funktion dritten Grades haben wir
somit den Satz:
Die Funktion Ax^-^Bx^-hCx-^D mit durch p un-
teilbarem A durchläuft, wenn x ein vollständiges
Restsystem (mod p) durchläuft, l-^} inkongruente
Werte, wenn 3AC—B^ nicht durch/? teilbar ist, im ent-
p+2
gegengesetzten Falle aber ;? oder -^-;r — Werte, je nach-
o
dem p die Form 3« — 1 oder 3w + l hat
902 R. Daublebsky v. Sterneck;
IL
Die allgemeine Funktion vierten Grades läßt keine analoge
Behandlung zu, dagegen jene speziellere, die die Eigenschaft
hat, daß bei der Transformation, die das kubische Glied zum
Verschwinden bringt, auch der Koeffizient der ersten Potenz
durch p teilbar wird. Eine solche Funktion läßt sich nämlich
durch Multiplikation mit 4 und Addition einer bestimmten
Konstanten auf die Form
bringen, deren inkongruente Werte sich ebenfalls leicht abzählen
lassen.
Zwei konjugierte Werte x und j/ erfüllen die Bedingung:
{x'^^ay—{f-'\-ay = 0 (mod p)
oder, durch x—y dividiert:
(;r»-+-j--t-2a) (x^y) = 0 (mod p).
Zu einem bestimmten x gehört sonach jedenfalls der Wert
y -z: — X als konjugierter, ferner aber auch die Wurzeln y der
Kongruenz
y4-;r2-4-2a = 0 (mod /?),
deren Anzahl zwei, eins oder Null beträgt.
Da die Funktion (^*+a)^ bereits alle ihre Werte durchläuft,
V — l
wenn x die Werte 0, 1, 2,. . . -- — annimmt, so wollen wir
uns auf diesen Wertevorrat beschränken; wir schalten hiemit
den zu x konjugierten Wert — x aus und brauchen bloß die
Wurzeln der Kongruenz j'^+at^h- 2a = 0 (mod p) zu unter-
suchen. Diese Kongruenz hat für ein bestimmtes x jedenfalls
nicht mehr als eine unserem Wertevorrat angehörige Wurzel.
Zu einem bestimmten x gehört dann ein konjugierter
Wert y, wenn — 2 a — x^ quadratischer Rest ist, und kein
konjugierter Wert, wenn es ein Nichtrest ist. Zu jenem Wert x,
der die Kongruenz — 2a — x^ = 0 (mod p) erfüllt, gehört ^' ^ 0
als konjugierter Wert.
Ansahl der inkongruenten Werte etc. 903
Es entsteht somit vor allem ein Paar konjugierter Werte,
/ — 2 a\
wenn I 1 z=: -f-1 ist; femer entstehen Paare konjugierter
\ p / j^
Werte in der Anzahl -^ , wo L^ angibt, für wie viele Werte des
V — 1
Intervalls 1, 2. . . ^ — der Ausdruck — 2a — x^ quadratischer
.3. ,s. „. ,. 1 (=£) = .. . „„„ ^ .„. E,„« .
\ p I
subtrahieren, da dann auch der Fall x^:y eintritt; analog ent-
stehen L^ isolierte Werte, wenn L^ anzeigt, für wie viele Werte
er ein Nichtrest ist; zu diesen L^ isolierten Werten kommt aber
noch die Null hinzu, wenn — 2a Nichtrest ist, und der sich
selbst konjugierte Wert, wenn — a Rest ist.
Die Anzahlen L^ und L^ hängen wieder davon ab, welchen
quadratischen Charakter — 2 a und — 1 haben, denn darnach
entscheidet es sich, welches der Systeme r'-hf ", r'+n", n'+r",
n'-^n" der Ausdruck — 2a — x* durchläuft. Wir müssen sonach
vier Fälle unterscheiden:
2
4.
2^W-1 (—]--l L-P^ L-P=^
Bedeutet dann wieder T^ die Anzahl der isolierten Werte,
die die Funktion annimmt, T^ die Anzahl der Paare von Werten,
so ist im ersten und zweiten Falle
T,=L,+-^
r)-l.^.=^f-|[(?)-]-.
dagegen im dritten und vierten Falle
-. = ^-t[(^)*']-. -.=|-Tf(?)-]
904 R. Daublebsky v. Sterneck, Anzahl d. iiricongr. Werte etc.
Die Formeln lassen sich wieder durch folgende einheitliche
ersetzen:
Ti + Tg ist die Gesamtzahl der inkongruenten Werte, die
die Funktion überhaupt annimmt; hiefür findet man den Aus-
druck :
7;+rg= ^ — ^ — c ^_ — ^(ö,^).
Der Fall a = 0 (mod p) ist unmittelbar zu erledigen; es ist
da einfach die Funktion x^ zu betrachten, die, wenn p die Form
4ii+l hat, ^--— , wenn aber p die Form An — 1 hat, ^-^r —
4 2
inkongruente Werte durchläuft.
Wir haben somit das Resultat:
Die Funktion {x^-^-af durchläuft, wenn a nicht
durch/? teilbar ist, ^{a,p) inkongruente Werte, wenn
aber a durch p teilbar ist, entweder ^—— oder ^-^ —
Werte, je nachdem p die Form 4«+l oder 4« — 1 hat.
Daraus läßt sich noch folgender Schluß ziehen:
Die Funktion Ax^-^-Bx^-^C, in welcher A durch p
unteilbarvorausgesetzt wird, durchläuft, wenn5nicht
durch p teilbar ist, ^{2AB,p) inkongruente Werte^
dagegen im Falle eines durch p teilbaren B entweder
^-7— oder ^-— - Werte, je nachdem p die Form 4ii+l
4 2 ' "^ ^
oder 4« — 1 hat.
903
Ober die Bestimmung des linearen Ausdeh-
nungskoefBzienten und dessen Abhängigkeit
von der Spannung aus den Temperaturände-
rungen bei der Dehnung von Hartgummi-
stäben
von
phil. Robert V/agner.
Aus dem mathematisch-physikalischen Kabinett der Universität Graz ; Vorstand
Prof. A. Waömuth.
(Mit 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 6. Juni 1907.)
A. Waßmuth hat schon 1902^ darauf hingewiesen, daß
die beim Ausdehnen und Zusammenziehen von Stäben auf-
tretenden Temperaturänderungen ein neues Mittel an die Hand
geben, aus dem Vergleiche der Theorie und der Versuche den
linearen Ausdehnungskoeffizienten zu bestimmen. Seit dieser
Zeit ist die Methode der genauen Ermittlung solcher sehr
kleiner Temperaturdifferenzen durch zahlreiche auf diesem
Gebiete durchgeführte Arbeiten * so weit ausgebildet und ver-
bessert worden, daß es mir möglich wurde, auf diesem neuen
Wege den linearen Ausdehnungskoeffizienten und dessen
Abhängigkeit von der Spannung zu ermitteln. Über die
direkte Bestimmung der Änderung des linearen Ausdehnungs-
1 A. Waßmuth, diese Sitzungsberichte, Bd. lll, Abt. IIa, Juli 1902;
Annalen d. Phys., IV, 11, 158.
2 So z. B. Haga, Wiedem. Annalen, 15, 1882; A. Waßmuth, diese
Sitzungsberichte, Bd. 98, IIa (1889); Annalen d. Phys., Bd. 13, p. 182 (1904);
Boltzmann-Festschrift, p. 563 (1904).
906 R. Wagner,
koeffizienten von Metalldrähten mit dem Zuge liegen bekannt-
lich Versuche von Dahlander^ und Haga* vor.
Es läfit sich nun zeigen, daß die Änderung des Aus-
dehnungskoeffizienten infolge der Spannung im wesentlichen
durch die Änderung des Elastizitätskoefßzienten mit der
Temperatur bedingt wird. Wenn auf einen Stab (Länge /, Quer-
schnitt 9, Elastizitätsmodul E) ein Zug SP wirkt, der eine
Verlängerung 8/ hervorbringt, so ist
8/ _ 1 iP
/ ~ E ' q
oder
1 __ 1 3/ _ 8 log/
E.q l iPr iPr
ferner ist der lineare Ausdehnungskoeffizient
— _L S/ _31og/^
differenziert man die rechte Seite dieser Gleichung nach P
(konstans 7) und die vorhergehende nach T (konstans P), so
ergibt sich:
1
8a _^ E.q
8P 8 7
1 r_. iq 8£
" £^^«*r8r + *--8rJ
Dann folgt aus
q—q„{\+2%T)
durch Differentiation:
•
' . H.-..
oder
^0 3r
-rz 2aqo, d. i. sehr nahe = 2aq;
37
1 Dahlander, Pogg, Annalen, J4S, 147 (1872).
2 H. Haga, Wiedem. Annalen, IS, 18 (1882).
Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten etc. 907
1 8£
setzt man f=z , so wird:
E IT
iP JP.^M ^ ■ ' J E.q
P
oder, wenn man den spezifischen Zug (auf 1 mm') pzn —
einführt:
Sa s + 2a
8/7 E
Diese Gleichung soll von nun an kurz die D ah land er-
sehe Formel heiöen, da sie der von ihm auf andere Weise abge-
leiteten Beziehung analog ist.
Für die Temperaturänderungen, welche bei plötzlicher
Änderung der Spannung eines Stabes oder Drahtes auftreten,
gilt die von W. Thomson (1851) aus dem II. Hauptsatze der
mechanischen Wärmetheorie abgeleitete Formel:
_ Tq.%,P
^ "■ '4277a)7c '
worin P die Änderung der Spannung in Kilogramm, a den
linearen Ausdehnungskoeffizienten bei der betreffenden Span-
nung, c die spezifische Wärme, (0 = ^.(3 das Gewicht der
Längeneinheit (1 w) des Körpers in Kilogramm und t die bei
der absoluten Temperatur Tq eintretende Abkühlung bedeutet.
Nachdem zuerst Joule* die Richtigkeit dieser Formel
experimentell untersuchte und sie im allgemeinen — wenn auch
noch merkliche Differenzen zwischen Theorie und Versuch
bestehen blieben — bestätigt fand, hat nachher Edlund* über
diesen Gegenstand Versuche angestellt, aus denen er zu
schließen glaubte, daß sich nur die relativen Werte der Tempera-
turänderungen berechnen ließen; erst Haga' hat gezeigt, daß
diese Formel auch für den absoluten Wert gültig ist, indem er
daraus das mechanische Wärmeäquivalent hinreichend genau
i Joule, Froc, Roy. Soc, 8 (1857); Phil. Trans., 149 (1859).
2 Edlund, Pogg. Annalen, 126, 539 (1865).
3 Haga, Wiedem. Annalen, IS, 18 (1882).
908 R. Wagner»
bestimmen konnte. Dann hat Waßmuth — wie erwähnt —
darauf aufmerksam gemacht, daß es möglich sei, falls man die
TemperaturdifTerenzen genau zu bestimmen im stände sei, auch
den Ausdehnungskoeffizienten an der Hand dieser Formel zu
ermitteln. Da man auf diese Weise die Ausdehnungskoeffi-
zienten bei verschiedenen Zugkräften erhalt, kann man auch
einen Schluß auf die Änderung des a mit der Spannung ziehen
und prüfen, ob und inwieweit die Dahlander'sche Formel
erfüllt ist
Wenn H aga^ die vollständige Proportionalität der Tempera-
turänderung mit dem Spannungsgewicbte an einem Neusilber-
draht bestätigt fand, so liegt das darin, daß bei einem Metalle
der Elastizitätsmodul E ungemein groß und die Änderung
-desselben e mit der Temperatur sehr klein ist, weshalb, wie
da
die Dahlander'sche Formel zeigt, ^ö ^o klein ausfallt, dafi eine
Bestimmung wohl nicht möglich ist Um aber trotzdem auf
ia
diese Art ^-j^ annähernd ermitteln zu können, muß ein Stoff
gewählt werden, der ein möglichst kleines £ und veiliältnis-
mäßig großes e hat Als ein solches Material empfiehlt sich Hart-
gummi. Außerdem hat, wie Waßmuth* beobachtete, dieser
Stoff das Merkwürdige, daß es Stäbe gibt, die sicher ein großes
positives e haben, während andere Stäbe große negative
Werte für e aufweisen und bei einem Stabe die Änderung des
Elastizitätsmoduls fast Null war.
Es wurden daher verschiedene zylindrische Hartgummi-
stäbe (von der Gummifabriks-Aktiengesellschaft in Budapest)
zu den Untersuchungen herangezogen, indem sie in einem
breiten, allseits verschlossenen Holzrahmen aufgehängt und
durch direktes Anhängen von Gewichten gedehnt wurden. Den
Sinn und die Größe der auftretenden Temperaturänderungen
wies ein feines, in der Mitte des Stabes angebrachtes Thermo-
element aus Konstantan und Eisen nach, das mit einem sehr
empfindlichen Galvanometer durch dünngewalzte Kupfer-
1 Haga, ibid. p. 14.
2 A. Waßmuth, Boltzmann-Fcstschrift, p. 568.
Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffisienten etc.
909
streifen — zur Verhütung der Deformationsströme — in Ver-
bindung stand. Die Befestigung des Thermoelementes geschah
in der Art, daß der Hartgummistab in einem Glasrohr solange
erwärmt wurde, bis sich die durch Ätzen verdünnten Drähte
•des Elementes in den Stab einfügen ließen. So blieb der Stab
nach dem Abkühlen gerade und das Thermoelement steckte
ungemein fest in der Mitte. Dehnungsapparat, Zuleitung und
Galvanometer waren durch Watte und Pappdeckel möglichst
vor Luftströmungen geschützt. Alle Versuche konnten —
wegen der erforderlichen Ruhe — nur in den Abendstunden
angestellt werden und wurde zwischen den einzelnen Ver-
suchen mindestens 5 Minuten gewartet, bis die Nadel des
Galvanometers wieder zur Ruhelage zurückgekehrt war.
Der zuerst untersuchte Stab (Qual. VII) von der Dicke
2a =1 4' 89 mtn^ dem spezifischen Gewichte or=: 1 • 27, der spezifi-
schen Wärme c = 0-39, dem Elastizitätsmodul E=312 ^
füftt
hatte ein mittels der gleichförmigen Biegung bereits bestimmtes
€=-4-35.10"*. In der folgenden Tabelle 1 sind die Beob-
achtungen vom 12. März 1907 wiedergegeben.
Die Berechnung der Beobachtungen erfolgte nach den
Formeln:
X.r
T =
{\-z).R
X=A-JC^,
X =
1-hÄ
(^1—^2) + (^8— ^a)
Dabei war für den ersten Stab:
i z= 1 •235 das Dämpfungsverhältnis, daher f 1 =0-3,
\ i-+-*y
Co .^o\2
-2210=1540
4'29y
die thermoelektrische Konstante für die Schwingungsdauer
T=3-58".
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl ; CXVI. Bd., Abt. II a.
60
910
R. Wagner,
Tabe
lle 1.
HL
Spannen-
des
Gewicht P
in Kilogr.
Erster
Aus-
schlag
A
Erste
Zweite
X
1
— -lOÄ
P
«.10^
Distanz der
Uirkehrpunkte
X
Mittel
T
^i-*2
*3-^2
1
t
/an. .
\ab..
8
8
•l
•2
5M
5-8
3-2
4-2
5-61
5-20
5-41
0-00432*»
864
1184
ran..
\ab..
IS-
IS
1
•6
U-2
11-4
8-4
7-9
9-22
9-81
9-52
0-00760
760
1041
fan..
l-5<
\ab..
21'
21'
2
•0
15-9
15-3
10-9
10*7
13-16
13-20
13-18
0-01052
701
960
(bxl..
^\ab..
25
26
7
1
18-6
19-0
14-0
13*4
15-92
16-38
16-15
0-01290
645
884
f an. .
\ab..
31
31
■l
1
22-7
23-1
16-4
16-8
19-37
1913
19-25
0-01537
615
843
f an. .
\ab..
36
36'
2
3
25-8
26-6
18-6
19-7
22-88
22-41
22-65
0-01809
603
826
f an. .
\ab..
44
45
9
8
31-5
32-9
22-4
24-6
28-73
28-55
28-64
0-02287
572
784
\ab..
36
36
4
2
26*4
26-1
18*5
19 1
22-93
22-64
22-79
0-01820
607
832
Ferner wurde nach einer von Haga angegebenen
Methode — die vollständige Theorie hat Onnes gegeben — die
sogenannte Ausstrahlungskonstante z ermittelt. Zu dem Ende
wurde vom Moment der ersten Elongation an in gleichen Zeit-
intervallen (30") der Stand der GalvanometernadeJ notiert, das
Verhältnis der Differenzen von der Ruhelage gebildet und die
2-3
Logarithmen dieser Quotienten mit
30
multipliziert; daraus
resultieren ziemlich konstante Zahlen /i, die noch mit 7 zu
multiplizieren sind, um z zu erhalten. Es ergaben die Beob-
achtungen für diesen Tag folgende Werte: 0* 023, 0*022, 0*028,
0 022, woraus als Mittel z=,0'02A folgt.
Demnach bestimmen sich die Temperaturdifferenzen aus
der Gleichung:
log T = log X H- 0 • 9023 — 4.
Bestimmung des linearen Atisdehnungskoeffizienten etc. 911
Man merkt ;ein starkes, regelmäßiges Sinken der
T
Werte — . Trägt man sich die Gewichte auf der Abscissenachse
T
und die zugehörigen — - auf der Ordinatenachse auf, erhält man
• • . • > ^
eine Kurve (siehe Fig. 1, Hl\ die zuerst verhältnismäßig steil
abfällt, dann aber allmählich in eine ungemein schwach geneigte
Gerade übergeht.
i
Setzt man nun die beobacht/Jten — in die Thomson'sche
P
Formel ein, so gestattet die Gleichung
427. (ü.c T
azn • —
Jo P
das ist
log a = log— -4- 0- 1367—2
die Berechnung der zugehörigen Ausdehnungskoeffizienten.
Werden sie mit den von Kohl rausch angegebenen Zahlen
aiizr 0-0000770.. für 17 bis 25**
«2 = 0-0000842 » 25 » 35**
v'^ferglichen, sieht man, daß die ersten Werte größer ausfallen,
worauf die Kurve deutlich hinweist. Aus der Dahlanderschen
Formel ergibt sich, da E und e bekannt sind:
8a
8P
=:6-2.10-',
also ein geringeres Gefälle für die Kurve, als — wenigstens im
Anfange— hiefür beobachtet wurde. Die natürliche Verlängerung
der Kurve, wie sie größeren Spannungen entspreche, würde so
verlaufen, wie es die Theorie verlangt.
Nun könnte vielleicht der Einwurf erhoben werden, daß in
der Thomson'schen Formel noch das Gewicht der Längen-
einheit und die spezifische Wärme enthalten sind und auch
diese Größen mit wachsender Spannung sich wesentlich ändern.
Rechnet man aber mit dem bekannten Elastizitätsmodul die
Änderung des co, so findet man einen außerordentlich kleinen
60*
&12 R. Wagner,
Betrag; zudem kann ja «> bei der Dehnung nur abnehmen,
vermag also seinerseits sicher nicht das Sinken von — zu
P
erklären. Die spezifische Wärme steigt allerdings mit wachsen-
der Spannung, aber so minimal, daß es auf die berechneten
Werte für a keinen Einfluß haben kann. Die Formel für die
Abhängigkeit des c von P lautet:
de ^ _ dH
= 4- io •
dP dT\
Nun ist:
/iz:/o(l4-ao/4-ßo^*) = /o[l4-(ao4-ßoOfl;
daher
und
8/
— =:/o(ao4-2ßoO
8/
8«/
= /o-2ßo;
8/«
setzt man:
Ä — oio -4- po A
ergibt sich ßo aus den Versuchen von Kohlrausch über den
Ausdehnungskoeffizienten des Hartgummi bei verschiedenen
Temperaturen:
also:
8a
po=3-^ = 8.10~^
8«/
= /n.l6.10-'
8/2
und es wird
^^ zzJo./o.ie.lO-^
dP
verschwindend klein.
Daraus geht hervor, daß nur die verhältnismäßig große
Änderung des a in Betracht kommen kann.
Derselbe Stab wurde am 15. März einer neuen Versuchs-
reihe unterworfen, deren Ergebnisse die Tabelle 2 enthält.
Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten etc.
^13
Tabe
lle2.
>
Hl
p
A
*i-*2
*8-^2
X
X
Mittel
X
-1.105
P
a.107
1200
f an. .
0-5 <
\ab..
7-8
9-0
5-7
5-9
3-5
4-2
5-04
5-97
5-51
0-00438«
876
f an..
15-0
15-2
10-6
11-3
7M
81
9-69
9*38
9-54
p- 00759
759
1040
fan .
21-5
21-6
16-0
15-7
11-5
11-4
13-25
13-47
13-36
0-01062
708
970
f an. .
lab..
260
26-9
18-5
20-1
13-1
13-9
16-52
16-70
16-61
0-01321
661
906
f an. .
\ab..
32-6
31-7
23-8
23- 1
16-7
16-6
20-45
19-79
20-12
0-cieoo
640
877
»
Jan. .
^\ab..
36-4
370
^6-2
27-2
19-4
19-9
22-72
22-87
22-80
0-01813
604
827
Jan. .
\ab..
46-3
46-2
33-;
33-2
24-1
25-1
29-14
28-71
28-93
0-02300
575
788
fan. .
\ab..
37-2
37-3
27-4
27-9
19-7
20-4
23-07
22-81
22-94
0-01824
608
833
Dazu gehörte: r = 120, r=:3-58^ R= 1540, 2; = 0*020;
log r = log X -h 0*9005 — 4. Man sieht, daß die erhaltenen
Zahlen fast vollständig mit den früheren zusammenfallen.
Um zu sehen, wie sich andere Hartgummistäbe in dieser
Hinsicht verhielten, untersuchte ich auf gleiche Art noch einige
Stäbe derselben Fabrik.
Der zweite Stab (Qual. III) von der Dicke 2 a =r 5 '00 mm
dem spezifischen Gewichte a == 1 • 325 und dem Elastizitäts-
kg
modul E = 368
Zahlen.
Dabei war:
mtn'
lieferte die in der Tabelle 3 angegebenen
Ä =
r= 1-20, 7=3-62",
3-62^«
3-58
1540=1574, « = 0020;
914
R. Wagner,
daher
und
log z = log X^-O-SQIO— 4
log a =: log h 0-2013—2.
Die Werte für a sind etwas kleiner als beim ersten Stab
und fallen auch nicht so stark ab, wie die entsprechende Kurve
(vergl. Fig. 1, HU) deutlich zeigt.
Tabelle 3. HU
^3-*2
X
Mittel
—•105
P
a. 107
2
2
4
4
6
7
9
10
10
10
12
12
16
16
•1
3-
•3
4-
•6
7-
•9
6-
•8
9-
•0
9-
•1
12-
•1
12-
•9
IS-
•3
IS-
•6
IS-
•3
IS-
•4
23-
•0
23-
53
13
31
58
73
77
70
29
20{
65
45
16
70
53
3-83
7-00
9-75
12-50
15-43
18-31
23-62
0-00298^
0- 00545
0-00759
0-00973
0-01201
001425
0-01838
3^
596
545
506
487
480
475
460
947
866
804
774
763
755
731
Um ZU sehen, inwieweit die Dahlander'sche Formel erfüllt
ist, mußte die Änderung des Elastizitätsmoduls mit der
Temperatur --
1 ZE
dT
= 8 mit Hilfe der gleichförmigen Biegung
bestimmt werden. Der Stab wurde, gestützt auf zwei Schneiden
von der Distanz 13* 9^:1«, durch gleiche, an seinen Enden nach
abwärts wirkende Zugkräfte p, von denen jede aqi Arme von
5 -3 cw drehte, gleichförmig nach oben gebogen. Es ließ sich
Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten etc.
915
nun zweifellos — der Sinn wurde auf mehrfache Weise fest-
gestellt — ^^ nachweisen, daß eine Verstärkung der Biegung mit
einer Erwärmung und eine Entlastung mit einer Abkühlung
verbunden war; dieser Hartgummi verhält sich demnach ent-
gegengesetzt wie ein Metall und es muß also b positiv sein/
Nun wurde versucht, auch den Betrag dieser Größe
annähernd festzustellen.
Tabelle
4. //IL
p
in Gr.
A
x^-x^
*8~*2
X
X
Mittel
X
log ^ab
log
(Mi-Mi)
«.10*
150
5-7
5-9
4-6
4 7
2-4
2-5
3-60
3-74
3-67
0-00248*»
—
—
250
10-6
10-3
9-0
■
8-5
4-4
4-7
0-58
6-34
6-46
0-00487
0- 3765-8
12-053)
56
400
22-7
23-6
18-4
19-9
10-4
10-4
1406
14-51
14-29
0-00967
0-8567-3
12-4487
62
500
34-8
34-5
29-1
28*7
15-9
14-8
21-30
21-45
21-38
0-01447
0-0788-2
12-7042
63
Mittel
: » =
+ 60.10-
*.
Aus den in der Tabelle 4 wiedergegebenen Versuchen
lassen sich zuerst die Temperaturänderungen t berechnen nach
der Formel t m X •
Formel
1-03
1523
; dann kann mit Hilfe der Voigt'schen
^ab=^
E V2.a«.ic«
worin 7;r= ^-^.419. 10* die spezifische Wärme der Volums-
einheit und dflfr die TemperaturdiflFerenz bei der Drehung vont
Momente Ma in das Moment Mt bedeutet, s bestimmt werden
aus der Gleichung:
r.o.4-19.10'.£.it«.aö »ab
8 =
27«
m—Ml
916
R. Wagher,
oder
log e = log »a& + 12-5234 — log (JlfJ — AfJ).
Es gibt demnach die Dahiander*5che Formel mit dem auf
diese Art gefundenen e:
8a
8P
= 8-5.10-^.
> Der dritte Stab (Qual. IV) von der Dicke 2a=z4'92mm,
und dem spezifischen Gewichte a = 1 * 325 ergab die in der
Tabelle 5 enthaltenen Werte. Dazu gehörte: r=: T 17, T=3- 54",
ti= 15ÜÖ,
2 — t
)-U2
Jö;
lOgT
—
lOgA + <
J-9Ü14-
-4, h
Dga =
-
= log p +0-1908-2.
Tabelle 5. J^III.
F
A
X1-X2
^8-^2
X
X
Mittel
T
~-10Ä
P
01.107
f an. .
\ab..
4-5
5-3
2
3
5
4
1-5
2-7
3
3
•30
•47
3 39
0-.00270*
540
838
Jan .
\ab..
8-5
10-1
4'
5
7
6
3-8
4-7
5
7
•95
•Ol
6-48
0-00516
516
801
f an.
\ab .
11-2
12-9
4"
6-
5
•9
4-0
6-2
8'
8
•65
•97
8-81
0-00702
468
726
( an. .
\ab..
15-7
17-5
9-
9"
'2
0
7-5
7-8
10
12
•69
■46
11-58
0- 00923
462
717
f an. .
2-5^
\ab..
18-2
21-1
11
11'
■0
"0
6-4
9-5
13
14
•28
95
14-12
0-01125
450
698
\ab..
20-5
24-8
8<
13
•8
•1
8-3
11-3
15
17
•37
•48
16-43
0-01309
436
677
I'an. .
"^tab..
28-2
32-3
12
17"
'5
•0
11-7
14-8
20
22
■94
■76
21-85
0-01741
435
675
/an. .
27-4
2
'2
3-1
25
81
ab . .
5<
an. .
42-6
34-0
25'
13'
•4
0
21-5
12 •3
28-
26'
53
41
27-07
0-02157
•
481
669
L
lab. .
39-7
21
'5
19-1
27'
'52
Bestimmung des linearen AusdehnungskoefRzienten etc.
917
^
1
•
•
•
•
«j»
• .
,
-
» -
' -
1
•
/
»
•
f^
e^
/
^J
i
/
h
f
^
/
i
t-«
/
f
/
11
•
/
t i
/
/
/
1
S5
£
%
1
1
^
^
1
f
t
(l4
930 R. Wagner, Erwärmung beim I>ehnen eines JodsUberstabes.
Daraus ersieht man also, daß die Erscheinung qualitativ^
unbedingt nachgewiesen ist, ja sogar quantitativ wenigstens
insofern, als bei wachsendem Zuge die Temperatur-
änderungen regelmäßig ansteigen. Dividiert man die beob-
achteten Temperaturdifferenzen durch die dazugehörigen Ge-
wichte, so erhält man, wenn die erste Beobachtung nicht
berücksichtigt wird, für die 1 ig entsprechenden Erwärmungen
die Werte: 0-00008, 0-00008, 0-00007.
Eine vollständige Befriedigung der Thomson*schen Formel
konnte bei der Kleinheit der zu messenden Temperatur-
änderungen wohl nicht erwartet werden.
931
Ober den Pohlke' sehen Satz
von
Erwin Kruppa.
(Vorgelegt in der SiUung am 6. Juni 1907.)
Die synthetische Geometrie lehrt den Satz, daß sich alle
MaßbegrifTe als projektive Beziehungen der geometrischen
Gebilde zum absoluten Kegelschnitt /darstellen lassen. So
kann der Wert eines Winkels AB durch die Formel ausgedrückt
werden:
/\ 1
welche zeigt, daß er nur von dem Doppelverhältnis abhängig
ist, das die unendlich fernen Punkte aubu seiner Schenkel mit
/ bestimmen.
Prof. Dr. E. Müller (Wien) macht in seinem Berichte; »Die
darstellende Geometrie als eine Versinnlichung der abstrakten
projektiven Geometrie«^ darauf aufmerksam, daß der obige Satz
fähig ist, eine einheitliche Grundlage für die Lösung sämtlicher
Aufgaben über Maßverhältnisse in allen linearen Abbildungs-
methoden der darstellenden Geometrie zu liefern und er zeigte
in seinen Vorlesungen über die »Abbildungsmethoden der
darstellenden Geometrie« im Studienjahr 1905/06 an der
Technischen Hochschule in Wien seinen Hörern die konstruk-
tive Verwertung dieses Gedankens.
1 Jahresbericht der deutschen Mathematiker- Vereinigung« Bd. 14, 1905.
•920
R. Wagner,
idaher:
und
log T = log A'+0-6474— 4
log a = log h 0 • 3644—2.
Man sieht sofort, daß dieser Stab von den früheren sich
durch das schwächere Abfallen der-p- unterscheidet (vergl.
Kurve HIV). In der Tat verhielt sich der Stab bei der Biegung
wie ein Metall, da er ein negatives e aufwies. Siehe Tabelle 8.
4
Tabelle 8. HIV.
p
A
1
X
X
Mittel
■ t
log ^ab
log
t.lO*
5-9
3-5
1-4
4-43
150
4-5
0-6
1-0
4-02
4-23
0-00201*
^^•^
^■^
5-9
3-3
1-4
4-49
•
275
4-64
0-00220
0-3423-3
12-1732
—27
6-7
3-5
2-9
4-78
11-3
5-8
4-5
8-21
1
400
11-6
5*0
4-0
8-90
Mittel
8-56
: e =
0-00406
— 23.10-
0-6083-3
•
12-5877
— 19
Dazu gehörte:
'c = X
0^73
1540
log s = log »^i,+ 12 -2602 — log (Ml—M^.
Der Elastizitätsmodul bestimmte sich aus mehreren Beob-
achtungen:
£=336— ^•
mm'
Also:
8a
8P
zu 2-1.10-'.
Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten etc.
921
Dieser Stab hatte demnach ein negatives und verhältnis-
mäßig kleines e, d. h. er näherte sich in dieser Hinsicht einem
Metalle mit relativ hohem s, wie es z. B. Messing mit großem
Zinkgehalte darstellt Um nun zu sehen, ob Messing bei der
Dehnung ein ähnliches Verhalten zeigt, wie dieser letzte Hart-
Tabelle 9. M.
p
A
*i-^2
^8-^2
X
X
Mittel
T
— -105
P
a.107
f an. .
\ab..
14-0
14-6
11-5
11-9
7-6
7-9
8-27
8-66
8-47
0-00279«
558
197
f an. .
1<
\ab..
27-6
28-8
22-5
23-2
15 8
17-3
16-11
16-65
16-38
0-00539
539
190
Tan. .
1-5^
42-4
42-0
35-2
34-0
25-2
25-0
24-28
24-30
24-29
0-00799
533
188
Jan. .
^\ab..
56-2
55-9
46-7
45-0
39-6
34-5
32-41
32-05
32-23
0-01060
530
187
Tan. .
2-5<
\ab..
70-5
69'2
57-5
56-5
42-4
41-7
40-53
39-74
40-14
001320
528
•
186
Jan. .
\ab..
84-7
82-8
69-4
67-1
50-9
50-3
48 61
47-58
48-10
0-01582
527
186
Jan..
\ab..
114'0
UO-8
93-8
89-9
68-3
66-9
65-37
63-76
64-57
0-02124
581
187
Jan. .
\ab..
140-6
136-0
115-0
111-0
72-0
82-8
84-50
77-86
81-18
0-02670
534
188
gummistab, wurde ein Messingstab (657o Cu, 357o Zn) von der
Dicke 2az=z2'00fnfn, dem spezifischen Gewichte 0 = 8 '39
und der spezifischen Wärme <: = 0*094 der Dehnung unter-
worfen und lieferten die Beobachtungen die in der Tabelle 9
angegebenen Zahlen.
Dazu gehörte:
7=3-64'', ;?=1592, r=z0'51, 2 = 0-026;
log T zz: log A:+0-5171 — 4, log a = log— + 0'5474 — 3.
922
R. Wagner,
Aus der letzten Reihe sieht man, daß für a nahezu
konstante Werte sich ergeben, die nur anfangs außerordent*
lieh wenig sinken (vergl. Kurve Af)- Werden sie mit dem von
Fizeau angegebenen a=: 186. 10^' verglichen, so merkt man
das vollständige Übereinstimmen bei einem Zuge von 2kg
an. Berechnet man nach der Dahlander'schen Formel mit dem
bekannten* 6 = — 15.10~* die Änderung des Ausdehnungs-
koeffizienten mit der Spannung, so ergibt sich:
- = 0-5.10-'.
iP
Die Ergebnisse dieser Versuche werden in der folgenden
Tabelle veranschaulicht:
Resultate.
E *^
• t
8.101
8a
hP
: Hl
'h,i
312
368
336
336
11000
H- 35
4- 60
-h 36
— 23
- 15
— 6-2
— 8-5
— 5-6
-f- 2-1
-f- 0-5
1
HUI
H IV
.\/
1
1
Ein Ausdehnungskoeffizient, der von der Spannung fast
unabhängig ist, beziehungsweise nur in sehr geringem Maße
davon abhängt, zeigt sich nur bei Messing und beim Hart-
gummistab HIV, Die Ursache finden wir darin, daß bei beiden
Stäben s im V^erglelche zu den übrigen klein und negativ ist.
Daher wird der Zähler 8-f-2a klein, wozu bei Messing noch
dazu kommt, daß der Nenner E sehr bedeutend ist. Aus diesem
Grunde erscheint bei den übrigen Hartgummistäben, welche
1 WAÖmuth: Über die B«slimmung der thermischen Änderungen des
Elastizitätsmoduls, p. 77; Wiener Ber., 115, IIa (1906).
Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten etc. 023
alle ein großes positives e aufweisen, der Ausdehnungs-
koeffizient in erheblicher Weise abhängig von der Spannung,
und zwar nimmt, wie die Versuche ergaben, derselbe besonders
für kleine Zugkräfte mit diesen ab.
Dort, wo der Elastizitätsmodul klein und seine thermische
Änderung positiv und verhältnismäßig groß ist, nimmt der
Ausdehnungskoeffizient in erheblicher Weise mit dem Zuge
ab; er ändert sich nur wenig (nimmt unbedeutend zu), wenn,
wie bei den Metallen, der Modul sehr groß und die thermische
Änderung desselben negativ und absolut genommen klein ist.
Durch diese Untersuchungen dürfte die strittige Frage •
betreffs des thermischen Verhaltens des Elastizitätsmoduls von
Hartgummi und seiner Beziehung zur Dahlander'schen Formel
der Erkenntnis näher gerückt worden sein.
1 Winkelmann, Handb. d. Physik, II, 2, p. 64 (1896).
925
Ober die Erwärmung beim Dehnen eines Jod-
Silberstabes
von
phil. Robert Wagner.
Aus dem mathematisch-physikalischen Kabinett der Universität Graz; Vorstand:
Prof. A. Waflmuth.
(Vorgelegt in der Sitzung am 6. Juni 1907.)
Jene festen Körper, bei denen der lineare Ausdehnungs-
koeffizient positiv ist, müssen nach der Thomson'schen Regel
beim Dehnen eine Abkühlung aufweisen. Eine große Zahl von
Versuchen an Metallen haben dies sowie die Übereinstimmung
mit der erwähnten Regel bewiesen. Demnach müßten Stoffe,
wie z. B. Jodsilber, welches einen negativen, wenn auch sehr
kleinen Ausdehnungskoeffizienten hat, sich beim Dehnen
entgegengesetzt verhalten, also erwärmt werden. Dieses
anormale, bisher noch nicht nachgewiesene Verhalten des
Jodsilbers ist durch die nachfolgenden Versuche bestätigt
worden.
Das Silberjodid wurde durch Fällung von Kaliumjodid mit
Silbernitrat (AgNOg -4- KJ = KNO3 + AgJ) zunächst als gelber,
schmieriger Niederschlag erhalten, der gründlich gewaschen
und getrocknet wurde. Das so erhaltene Pulver wurde dann in
einem Tiegel geschmolzen, mit einer 3 mm dicken Röhre aus
Hartglas aufgesogen und rasch in kaltes Wasser getaucht.,
Die auf diese Weise gewonnenen Stäbe waren vielfach hohl
und zeigten überhaupt ein sehr lockeres, stark kristallinisches
Gefüge, so daß sie schon bei einer Belastung von wenig über
100^ rissen. Der Grund lag ersichtlich darin, daß das Glasrohr
beim Einsenken in das Wasser sofort zersprang und daher dem
Sitzb. d. mathero.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. Ha. 61
926 R. Wagner,
sich ausdehnenden Jodsilber keinen genügenden Widerstand
entgegensetzte. Infolgedessen wurde ein anderer Weg einge-
schlagen. Eine zylindrische Stahlform aus starken Wänden,
die aus zwei sehr gut schließenden Teilen bestand, wurde in
einen Schraubstock eingeklemmt, rings mit Schnee umgeben
und das über den Schmelzpunkt hoch erhitzte Jodsilber
hineingegossen. Auf diese Art war die Abkühlung eine sehr
rasche und fand gleichzeitig unter starkem äußeren Drucke
statt, was die Bildung größerer, ausgebildeter Kristalle hinderte
und verhältnismäßig widerstandsfähige Stäbe von nahezu
amorpher Beschaffenheit lieferte. Auch bestand der große
Vorteil dieser Methode des Gießens darin, daß die fein-
gewalzten Drähte eines Thermoelementes zwischen den Teilen
der Form in das Innere eingeführt werden konnten, so daß die
Lötstelle im Stabe selbst eingeschmolzen war.
Der Ausdehnungskoeffizient eines auf die beschriebene
Weise hergggtellten Stabes wurde qualitativ folgendermaßen
bestimmt. Das eine Ende wurde in einem Metallfuße auf eine
feste Unterlage gestellt und auf das andere Ende ein langes,
dünnes Stäbchen so gelegt, daß es einen einarmigen Hebel
vorstellte. Mit einem Mikroskope konnte man die Spitze des
Zeigers verfolgen, während der Jodsilberstab erwärmt und
abgekühlt wurde. Ersetzte man das Jodsilber durch ein
beliebiges Metall, so bewegte sich der Zeiger viel rascher nach
der entgegengesetzten Richtung hin. Also war sicher nach-
gewiesen, daß der untersuchte Jodsilberstab einen negativen,
wenn auch sehr kleinen Audehnungskoeffizienten hatte.
Die Stäbe wurden dann mit Marmorkitt in Ebonithülsen
eingepickt, in einem breiten, allseits verschlossenen Holz-
rahmen aufgehängt und durch Anhängen von Gewichten direkt
gedehnt. Dehnungsapparat, Zuleitung und das ungemein
empfindliche Galvanometer (bezogen von Keiser & Schmidt)
waren durch Watte und Pappdeckel sorgfältig vor Wärme-
strömungen geschützt.
Um überhaupt einen von den Temperaturdifferenzen
herrührenden Ausschlag am Galvanometer zu erhalten, war es
notwendig, den Gesamtwiderstand m; (Thermoelement -h Leitung
-4- Galvanometer) möglichst klein zu machen, was besonders
Erwärmung beim Dehnen eines Jodsilberstabes.
^27
durch Wahl von dickeren Drähten für das Thermoelement
{Eisen-Konstantan) erreicht wurde; in der Tat warn; =r 0-65
Ohm. Die dabei trotz der geringen Dehnung auftretenden
Deformationsströme konnten dadurch vermieden werden, daß
die Verbindung mit der Leitung durch fein gewalzte Kupfer-
streifen vermittelt wurde.
Es möge hier nur eine Versuchsreihe vollständig mitgeteilt
werden, die am 7. März 1907 nachts bei vollkommener Ruhe
angestellt wurde. Es wurden nacheinander Ys» ^> ^V«» 2ife^
angehängt und abgehoben, bei 2^1^ kg riß der Stab. Vor jedem
Versuche wurde solange gewartet, bis der Spiegel des Galvano-
meters absolut ruhig stand, so daß noch Vio ^^ sicher abge-
lesen werden konnte. Die Resultate der Versuche sind in der
folgenden Tabelle angegeben:
Spannendes
Gewicht
P
VäV
1*^<
1V2*^{
an.,
ab.,
an. .
ab. .
an. .
ab. .
an. .
ab.,
an. .
ab. .
an.,
l ab. .
an. .
ab. .
an. .
ab. .
an. .
ab. .
2*/
/an.,
jab..
I an.,
lab..
Erster
Ausschlag
A
0-8
0-3
0-5
0-6
0-6
0-2
0-9
0-5
0-4
0-7
1-2
0-6
0-7
0-5
l-l
1-2
1-6
0-6
0-7
0-9
1-0
1-0
Erste Distanz
der Umkehr-
punkte JTj — x^
0-4
0-2
0-7
0-4
0-7
0-2
0-4
0-3
0-4
0-8
1-3
0-4
0-3
0-4
0-9
0
1
0
0
0
3
2
4
5
4
0-2
0-5
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
6
2
1
4
2
1
7
3
2
2
4
4
5
3
6
0
9
4
4
7
9
7
Mittleres
X
0-3
0-4
0-6
0-7
Mittleres
beobachtetes
t
0-00006*
0-00008^
000012"
000014*
61*
928 R. Wagner,
Die Berechnung der Beobachtungen erfolgte nach den
Formeln:
X.fv
X= A—X,,
dabei war:
k
i =1 1 "44 das Dämpfungsverhältnis, also =: 0*6,
x^—x^ die erste Distanz der Umkehrpunkte,
A der erste Ausschlag,
w = 0*65 fl der Widerstand,
R zu 3280 die thermoelektrische Konstante für die Schwingungs-
dauer T= 5-6''.
Der Sinn der Ablenkung wurde vor und nach den Ver-
suchen auf mehrfache Weise festgestellt. Wurde die Mitte des
Stabes mit der warmen Hand berührt, so ging die Nadel des
Galvanometers auf dieselbe Seite wie bei der Belastung des
Stabes; eine Abkühlung der Stabmitte brachte einen entgegen-
gesetzten Nadelausschlag in der Richtung, wie ihn die Ent-
lastung lieferte. Ein zweites, frei eingeschaltetes Thermo-
element bestätigte das Gewonnene. Es ist also damit zweifellos
nachgewiesen, daß Dehnung des Jodsilbers mit einer Er-
wärmung und die Zusammenziehung mit einer Ab-
kühlung verbunden ist.
Berechnet man die Temperaturänderungen an der Hand
der von W. Thomson für vollkommen elastische Körper auf-
gestellten Formel
427. CO. 6'
worin Tq die absolute Temperatur, a den linearen Ausdehnungs-
koeffizienten, P das spannende Gewicht in Kilogramm, co das
Gewicht der Längeneinheit (1 m) in Kilogramm und c die
spezifische Wärme bedeutet, so findet man Werte, die nach
der Größenordnung mit den beobachteten ziemlich überein-
stimmen. Der Stab hatte eine mittlere Dicke 2 r zu 4-00 ww,
Erwärmung beim Dehnen eines Jodsrlfoerstabes.
929
ein spezifisches Gewicht o = 5-62 und für die spezifische
Wärme wurde die von Regnaul t angegebene Zahl c = 0*0616
genommen. Der lineare Ausdehnungskoeffizient des Jodsilbers
ist von Fizeau bestimmt worden, der für geschmolzenes AgJ
«= —0-00000139 bei 40* erhielt. Ferner zeigte er, daß die
Änderung desselben mit der Temperatur sehr bedeutend ist,
so daß sich für 17" a =— 0-00000107 ergibt. Dieser Wert
gilt aber nur unter der Voraussetzung, daß das Silberjodid
vollkommen amorph ist. Bedenkt man aber, daß unser Stab
sicher nicht vollständig amorph war, sondern aus lauter
kleinen Kriställchen — die zum hexagonalen System ge-
hören — bestand, so ist, wie aus dem folgenden erhellt, ein
noch kleinerer Ausdehnungskoeffizient zu nehmen. Denn der
Jodsilberkristall hat die Eigentümlichkeit, daß er in der Richtung
der Hauptachse ein negatives und normal darauf ein positives a
hat, nämlich:
Ol =: —0-000003966, a^ = + 0-000000647.
Hieraus findet man den mittleren linearen Ausdehnungs-
koeffizienten nach der Formel:^
a = — (a^ -h 202) = —0-000000891.
Legt man nun beide Zahlen der Berechnung zu Grunde, so
findet man die in der folgenden Tabelle enthaltenen Temperatur-
änderungen:
p
berechnet
(amorph)
berechnet
(kristallinisch)
beobachtet
'k^g
1 Ä^
0-00008«
0-00017
0-00025
0 00033
0-00007«
0-00014
0-00021
0 • 00028
0-00006«
0-00008
0-00012
000014
Zkg
■^ ö ■ • • •
1 Winkelmann, Handbuch der Physik. II, 2, p. 76, 1896. Zu ähnlichen
Resultaten kommt man, wenn man den Jodsilberstab als einen kristallinischen
Rotationskörper auffaßt und nun die allgemeinen thermodynamischen Formeln
von W. Voigt, Thermodynamik, I, p. 300. 1903, anwendet.
930 R. Wagner, Erwännung beim Dehnen eines JodsUberstabes.
Daraus ersieht man also, da6 die Erscheinung qualitativ
unbedingt nachgewiesen ist, ja sogar quantitativ wenigstens
insofern, als bei wachsendem Zuge die Temperatur-
änderungen regelmäfiig ansteigen. Dividiert man die beob-
achteten Temperaturdifferenzen durch die dazugehörigen Ge-
wichte, so erhält man, wenn die erste Beobachtung nicht
berücksichtigt wird, für die 1 kg entsprechenden Erwärmungen
die Werte: 0-00008, 0-00008, 0-00007.
Eine vollständige Befriedigung der Thomson*schen Formel
konnte bei der Kleinheit der zu messenden Temperatur-
änderungen wohl nicht erwartet werden.
931
Über den Pohlke'sehen Satz
von
Erwin Kruppa.
(Vorgelegt in der SiUung am 6. Juni 1907.)
Die synthetische Geometrie lehrt den Satz, daß sich alle
Maßbegriffe als projektive Beziehungen der geometrischen
Gebilde zum absoluten Kegelschnitt /darstellen lassen. So
kann der Wert eines Winkels AB durch die Formel ausgedrückt
werden:
/\ 1
2t
welche zeigt, daß er nur von dem Doppelverhältnis abhängig
ist, das die unendlich fernen Punkte auhu seiner Schenkel mit
/ bestimmen.
Prof. Dr. E. Müller (Wien) macht in seinem Berichte: »Die
darstellende Geometrie als eine Versinnlichung der abstrakten
projektiven Geometrie«^ darauf aufmerksam, daß der obige Satz
iahig ist, eine einheitliche Grundlage für die Lösung sämtlicher
Aufgaben über Maßverhältnisse in allen linearen Abbildungs-
methoden der darstellenden Geometrie zu liefern und er zeigte
in seinen Vorlesungen über die »Abbildungsmethoden der
darstellenden Geometrie« im Studienjahr 1905/06 an der
Technischen Hochschule in Wien seinen Hörern die konstruk-
tive Verwertung dieses Gedankens.
1 Jahresbericht der deutschen Mathematiker-Vereinigung, Bd. 14, 1905.
932 E. Kruppa,
Der im nachfolgenden gegebene Beweis des Pohlke'schen
Satzes und einige sich anschliefiende Folgerungen sind geeignet,
die Fruchtbarkeit dieses Gedankens darzutun.
Wir sprechen den Satz in folgender Form aus:
Ein Viereck u'x'yj der Bildebene kann aufgefaßt
werden als Parallelprojektion eines Tetraeders uxyz,
das zu einem gegebenen Te traed er ü^^r^y^s;^ ähnlich isi.
Es soll nun gezeigt werden, daß es im ganzen acht Tetra-
eder nxyz gibt, welche dem Satze genügen, von denen jedoch
vier imaginär sind.
Legt man durch den Punkt «^ den Minimalkegel und
schneidet ihn mit der Ebene w^ der übrigen Eckpunkte ;r^>^ 2^,
so erhält man einen nuUteiligen Kreis K^,
Wird das Dreieck x^y^z^ dem Dreieck ^y^/ affin zuge-
ordnet, so entspricht dem Kreis K^ ein nullteiliger Kegelschnitt
K! der Bildebene.
Man nehme nun in der Bildebene einen nuUteiligen Kreis
Di an, der in u' dieselbe Involution konjugierter Strahlen
erzeugt wie K', Di und K! entsprechen einander dann in zwei
reellen Perspektiven Kollineationen; u' ist für beide das Kol-
lineationszentrum und die beiden reellen Sehnen E^ und E^
von Di und KI sind Kollineationsachsen.
Legt man durch Z),- einen Minimalkegel, so kann -fi? aufgefaßt
werden als Schrägriß von zwei ebenen Schnitten K^ und K^
dieses Minimalkegels, für eine Projektionsstrahlenrichtung, die
durch den uneigentlichen Punkt p der Verbindungslinie der
reellen Spitze u des Minimalkegels mit ml als Projektions-
zentrum bestimmt ist. Wir bezeichnen die Ebenen von K^
und Äg mit «j und »g und bemerken, daß sie reell sind. Das
projizierende Prisma durch das Dreieck ^y«/ der Bildebene
schneidet tü^ und «g in zwei Dreiecken, die x^y^z^ und x^y^z^
heißen mögen.
Die Ebene w^ wurde affin der Bildebene zugeordnet; durch
die eben eingeführte Parallelprojektion ist nun co^ auch mit den
Ebenen (Dj und cog affin verwandt. Beachtet man aber, daß dem
Kreise K^ in w^, der Kreis K^ in Wj und der Kreis K^ in a>g ent-
sprechen, so folgt, daß das Dreieck oc^y^^ zu den Dreiecken
x^y^z^ und x^y^z^ ähnlich ist.
über den Pohlke'schen Satz. 933
Verbindet man nun die Punkte x^ y\ z^ mit der Spitze u
des Minimalkegels, so entstehen daselbst die Winkel a, ß, 7,
welche mit denen bei u^ am gegebenen Tetraeder überein-
stimmen müssen, weil die Doppelverhältnisse der Punktepaare
x^y^, y^z^, ^^ mit K^ gleich sind den Doppelverhältnissen der
Punktepaare ^^yv y\^\^ ^1^1 ™t Äj. Somit ist das Tetraeder
^^i^i^i ^^"^ L5sung unseres Satzes. Dasselbe gilt für das
Tetraeder n^x^y^z^. Da man durch den nullteiligen Kreis Z), zwei
Minimalkegel legen kann, so erhält man zwei weitere reelle
Lösungen, die zu den bereits gefundenen bezüglich der Bild-
ebene symmetrisch liegen. Das Tetraeder nx^y^z^ ist das
Spiegelbild des Tetraeders nx^y^z^ bezüglich der durch w
gehenden, zum Projektionsstrahl normalen Ebene.
Benützt man an Stelle des nullteiligen Kreises Di einen
reellen Kreis Dy^ der in in! dieselbe Involution konjugierter
Strahlen erzeugt wie ü?, und wiederholt genau den gegebenen
Gedankengang, so gelangt man zu vier imaginären Lösungen
des Pohlke'schen Satzes.
Der durchgeführte Gedankengang läßt sich auch leicht
zeichnerisch verfolgen, wodurch man eine recht einfache Kon-
struktion des Projektionsstrahles und des Spurdreieckes der
Bildebene erhält. Gewöhnlich hat man es in der Achsonometrie
mit einem rechtwinklig-gleichschenkligen Dreibein zu tun. In
diesem Falle ist das Dreieck xf ^^ Polardreieck und sein
Schwerpunkt der Mittelpunkt von K'. Zeichnet man in n' das
Rechtwinkelpaar der Involution, so enthält der eine Recht-
winkelstrahl die Mittelpunkte aller Kreise A, der andere die der
Kreise By. Der reelle Vertreter D von A ist der Distanzkreis des
Punktes is, und w«' ist der gesuchte Projektionsstrahl. Bei der
Konstruktion der reellen Sehnen E^ und E^ von A und K
wird man beachten, daß Di und JC perspektiv koUinear liegen.
Zeichnet man die dem Dreieck xf^J in den beiden Kollinea-
tionen entsprechenden Dreiecke, so erhält man die Spurdrei-
ecke mit der Bildebene. Diese Konstruktion wird man anwenden
müssen, wenn das Dreibein eine allgemeine Gestalt hat. Ist es
jedoch bei <* rechtwinklig, so gelangt man auf folgendem Weg
sehr rasch zum Ziele. Man zeichnet die Pole der Geraden n^,
wy, «2/ in Bezug auf Z)/. Zwei Eckpunkte des Spurendreieckes
934 E. Kruppa,
sind nun dadurch ausgezeichnet, daß sie bezüglich Z>,- konju-
giert sind und ihre Verbindungslinie durch einen bestimmten
dieser Pole hindurchgeht.
Die im vorausgehenden beschriebene Konstruktion des
Projektionsstrahles und des Spurdreieckes für den allgemeinen
Fall kann immer ausgeführt werden, sobald in der Bildebene
ein Viereck u'xfy^J und ein beliebiger Kegelschnitt IC gegeben
sind. Jeder Veränderung von K! entspricht eine Veränderung
der Gestalt und der Lage des entsprechenden Tetraeders im
Räume. Da aber alle Tetraeder des Raumes zueinander affm
verwandt sind, so ergibt sich der Satz:
Die achsonometrische Abbildung des Raumes
wird projektiv durch das Viereck liVy«' und metrisch
durch den Kegelschnitt K! festgelegt.
Wir machen von diesem Satze sogleich Gebrauch. Von
einem Ellipsoid sei ein Tripel konjugierter Durchmesser ux^
uy, uz bekannt, sowie eine Parallel projektion u'x'yz^ desselben.
Man konstruiere den Umriß des Ellipsoides. Wir ersetzen das
Ellipsoid durch eine Kugel, für die wVy«/ die Projektion eines
orthogonalen Tripels von Kugelradien ist. Wir konstruieren
dieses rechtwinklig-gleichschenklige Dreibein und haben da-
durch eine Kugel bestimmt, die zufolge des zuletzt ausgespro-
chenen Satzes denselben Umriß haben muß wie das gegebene
Ellipsoid. Es kann im allgemeinen der Satz von Nutzen sein,
wenn sich in der Reihe der zu dem darzustellenden Körper
affinen einer beßndet, der in Bezug auf die Darstellung
einfacher ist.
Durch metrische Spezialisierung der Achsonometrie, das ist
also durch Veränderung von K', lassen sich aus der Achsono-
metrie alle anderen Parallelprojektionen herleiten, was nun
von diesem Standpunkte aus gezeigt werden soll.
Die Projektionsstrahlen stehen normal auf der Bildebene,
wenn die in u' von A"' hervorgerufene Involution eine Recht-
winkelinvolution ist, wenn mithin u' Brennpunkt von K' ist. In
diesem Falle fallen zwei Paare reeller und zwei Paare imaginä*
rer Lösungen zusammen. Die gewöhnliche orthogonale Achsono-
metrie liegt dann vor, wenn uf Brennpunkt und x^y^^ Polar-
dreieck von A'' ist.
über den Pohlke'schen Satz. 935
Geht K' durch die Schnittpunkte der Minimalgeraden durch
u! mit ^y, so ist der Winkel x^ü^y^ gleich dem Winkel x^n'y.
In diesem Fall ist die Ebene ux^y^ parallel zur Bildebene,
was natürlich nicht hindert, die Konstruktionsmethoden der
Achsonometrie anzuwenden. Faßt man die zur Bildebene
parallele Ebene i^x^y^ als zweite Fundamentalebene auf,
so liegt das gewöhnlich als schiefe Projektion bezeichnete
Zweispurensystem vor. Es ist klar, wie man von der Methode
der schiefen Projektion auf die achsonometrische übergehen
wird.
Durch Parallelverschiebung in derRichtung derProjektions-
strahlen kann die Ebene uxiy^ mit der Bildebene zur Deckung
gebracht werden. Dann ist auch der achsonometrische Grund-
riß eine direkte Parallelprojektion des Objektes auf die Bild-
ebene. Es handelt sich also hier um ein Zweibildersystem, bei
dem das Objekt aus zwei verschiedenen unendlich fernen
Projektionszentren direkt auf die Bildebene projiziert wird. Auch
hier wird man mit den achsonometrischen Konstruktions-
methoden auskommen.
Um auch zum Auf- und Grundrißverfahren zu
gelangen, legen wir wieder K' durch die Schnittpunkte der
Minimalgeraden durch u' mit xiy und machen die weiteren An-
nahmen, daß der reelle Vertreter D von Z), durch u' gehe und
z' der Pol von xfy bezüglich K' sei.
Unter diesen Voraussetzungen ist der achsonometrische
Grundriß eine orthogonale Projektion auf die zur Bildebene
parallele Ebene ux^^y^ und das achsonometrische Bild ist eine
Parallelprojektion für eine unter 45** gegen die Bildebene
geneigte Projektionsstrahlenrichtung. Führt man nun eine zu
«V normale Ebene als Aufrißebene ein, so sieht man ohne-
weiters, wie man den Aufriß a^ eines Punktes a konstruieren
wird, wenn sein achsonometrisches Bild a" und sein Grund-
riß a' gegeben sind.
Umgekehrt wird man, falls a^ und a' gegeben sind, a"'
durch eine einfache Streckenübertragung finden, und somit
auch im stände sein, eine Aufgabe, die in Auf- und Grundriß-
verfahren zu lösen ist, nach der Methode der schiefen Achsono-
metrie durchzuführen.
936 E. Krappa, Cber den PoUke'sdien Smiz.
Zum Schlüsse soll noch einmal der Grundgedanke dieses
Aufsatzes hervorgehoben werden, der darin besteht, dafi durch
die Annahme des Kegelschnittes IC die Parallelprojektion
metrisch festgelegt ist
Meinem geehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Emil Müller
<Wien), sage ich für sein freundliches Entgegenkommen bei
dieser Arbeit meinen wärmsten Dank.
937
Die Fehlerfläehen topographischer Auftiahmen
von
Prof. A. Klingatsch in Graz.
(Mit 1 Textflgur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 3. Mai 1907.)
I.
Das Ergebnis der geodätischen Punktbestimmung bilden
die Koordinaten x^y,z, welche als Funktionen jener der ge-
gebenen Fundamentalpunkte sowie der gemessenen und somit
mit unregelmäßigen Fehlern behafteten Bestimmungselemente
anzusehen sind.
Bedeuten Mxy My, M^ die mittleren Fehler in x^y^z^ so
sind diese und somit auch der mittlere Punktfehler M Funk-
tionen von x^ y, 25, so daß
M' = M^+Mß+M? = F(x,y, z) 1)
zu setzen ist.
Hiebei enthält 1) Koeffizienten, welche für dieselben
Fundamentalpunkte und dieselben Operationen konstante ge-
gebene Größen sind. Alle Punkte, welchen derselbe mittlere
Punktfehler M zukommt, liegen gemäß 1) auf einer Fläche,
welche als Fehlerfläche bezeichnet werden soll. Für alle mit
den Meßoperationen verträglichen Werte von M erhält man
daher, solange die Bedingungen für die Unveränderlichkeit der
Koeffizienten in 1) zutreffen, eine Schar von Fehlerflächen,
für welche M den Parameter bildet. Jede einzelne derselben
begrenzt dann dasjenige Gebiet, in welchem die von den
gegebenen Punkten nach dem der Gleichung 1) zu Grunde
938 ^ A. Klingatsch,
liegenden Verfahren vorzunehmenden Punktbestimmungen den
durch M definierten Genauigkeitsgrad nicht überschreiten.
Werden von denselben oder aber von anderen Funda-
mentalpunkten Operationen vorgenommen, welche auf anderen
Grundlagen beruhen, so erhält man auch eine andere Schar von
Fehlerflächen. Werden dann die demselben M entsprechenden
Flächen dieser beiden Scharen zum Schnitt gebracht, so liegen
* die betreffenden Schnittkurven auf einer neuen Fläche, welche
als Grenzfläche bezeichnet werden soll. Sie begrenzt eben
dasjenige Gebiet, in welchem das eine oder das andere Ver-
fahren genauer wird, indem die Grenzfläche ihrer Erzeugung
gemäß diejenigen Punkte enthält, für deren Bestimmung beide
Methoden dieselbe Genauigkeit gewähren.
Die Fehlerflächen haben daher für die räumliche Punkt-
bestimmung dieselbe Bedeutung wie die Fehlerkurven ^ für die
Beurteilung der Genauigkeit der Projektion dieser Punkte auf
deren Ebene. Sie werden in allen jenen Fällen ihren Zweck,
einen Einblick in die Genauigkeitsverhältnisse geodätischer
Operationen zu geben, erfüllen, in welchen von einem oder
von mehreren gegebenen Punkten zahlreiche neue Punkt-
bestimmungen durchzuführen sind, wie dies bei topographi-
schen Aufnahmen der Fall ist.
In dieser Hinsicht kommen gegenwärtig zwei Methoden
zur Anwendung, die tachymetrische und die photographische,
wobei die letztere in dem stereophotogrammetrischen Meß-
verfahren in jüngster Zeit eine wesentliche Vervollkommnung
erlangte.
Die Grenzfläche zwischen der tachymetrischen und der
Stereoaufnahme, hiebei dieselben der Aufnahme zu Grunde
liegenden Punkte vorausgesetzt, wird dann Anhaltspunkte
liefern, wie weit die Stereophotogrammetrie die für ziviltech-
nische topographische Aufnahmen bisher fast ausschließlich
angewendete tachymetrische Methode bezüglich der Genauig-
keit ersetzen kann.
Mit dem Vorstehenden ist auch der Inhalt dieser Abhand-
lung angedeutet, welche sich mit den Fehlerflächen für das
1 Klingatsch, Die Fehlerkurven der photographischen Punktbestim-
iming. Diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa, Juli 1906.
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 939
tachymetrische, das stereophotogrammetrische und das photo-
grammetrische Aufnahmsverfahren und den betreffenden Grenz-
flächen beschäftigt.
IL
Zur Entwicklung der Gleichung der Fehlerfläche für die
tachymetrische Punktbestimmung aus einem als fehlerfrei ge-
geben vorausgesetzten Fundamentalpunkte wird der Mittel-
punkt O des in diesem Punkte aufgestellten Instrumentes als
Anfangspunkt eines rechtwinkligen Koordinatensystems XYZ
angenommen, wobei Y mit der Vertikalen durch O zusammen-
fallen soll.
Sind x,y,z die Koordinaten des zu bestimmenden Punktes P,
a der Winkel, welchen OP := p mit der Projektion E auf XZ
bildet, endlich o> der Winkel zwischen E und X, so ist
xz=zE. Costa, y=zEAga, zz=E,s\n(a, |
wo \ 2)
E = s/x^-hz^, p = y/i^Ty^+z« J
ist.
Die tachymetrische Punktbestimmung gibt E und y nach
den Gleichungen
E z=i CL cos* a, y =: CL sin a cos a, 3)
wenn C die Konstante des Fadendistanzmessers und L den
Unterschied der Ablesungen an den Seitenfaden an einer lot-
rechten durch P gehenden geteilten Latte bedeutet, während a
durch die Ablesung am Ht>henkreise des Instrumentes er-
halten wird.
Bezeichnen AC, AL, Aa, Aco die Änderungen, welche die
voneinander unabhängigen C, i, o, » infolge von Messungs-
fehlem erfahren, so erhält man aus 2) wegen 3), da lediglich
die ersten Ableitungen zu berücksichtigen sind, für die Koordi-
natenänderungen A;r, Aj, A2::
Hx
—
ix
iC
•AC +
ix
iL
•AL +
ix
ioL
•Aa +
ix
8b)
•Ao)
^y
—
iy
iC
•AC +
iy
iL
•AZ,+
iy
3a
•Ao,
A«
—
iC
•AC +
dz
iL
•AL +
8s
da
•Aa +
iz
io>
•Ao>
4)
940 A. Klingatsch,
Werden die DiiTerentialquotienten mit Benützung von 2)
und 3) durch x^ y^ 2, respektive E ausgedrückt, so folgt
8,ir __ X 8.r _ 2xy Ix _
8C
X
c'
8>.
8C
-zz
y
c'
%z
Z
iL L ha E 8tt
ly y hy E^ — y^
Jl'^T' "37"~ E '
iz z hz 2yz iz
•=: X
iC C iL L hoL E 9«
Wird ferner
5>
^C \L ^ ^
gesetzt, wo mc und mi für einen bestimmten Apparat gegebene,
von X, y, z unabhängige Fehlerverhältnisse und Wg die Ab-
weichung der Latte von der Vertikalen durch P bedeuten,
so erhält man mit 5) aus 4), wenn hier AC, AL, Aa, Aco
und demgemäß in 6) auch w^, nti und wj in die betreffenden
mittleren unregelmäßigen Fehler übergehen, die Koordinaten-
fehler Ml M}, Ml
Der für unsere Untersuchungen lediglich in Betracht
kommende mittlere Punktfehler M läßt sich dann wegen 1) in
der Form
M^ = [(ffi?+f«?+wS)+(f«i+fw|)tg«a+w5,.cos«a].p«
7
oder
M''=fia).p'' = F{x,y,z)
darstellen.
Die Fehlerflächen sind demnach zu XZ symmetrische
Rotationsflächen vierten Grades mit Y als Drehungsachse.
• R. Wagner, Über die mit dem Reichenbach*schen Distanzmesser
erreichbare Genauigkeit. Z. f. Verm. 1886, p. 103. Jordan, Handbuch der
Vermessungskunde, 3. Aufl., 1888, II. Bd., p. 578.
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 941
III.
Von der durch 7) gegebenen Fläche kommt al3 Fehler-
fläche tatsächlich nur diejenige Zone in Betracht, welche mit
dem Instrumente noch bestrichen werden kann. Diese Zone
ist somit durch die dem größten Winkel ± « entsprechenden
KreisBchnitte begrenzt, längs' welcher mit den gebräuchlichen
Instrumenten, den Tachymetern, noch Einstellungen und Latten-
ablesungen möglich sind. Die in 7) auftretenden mittleren Teil-
fehler, also die Koeffizienten von 1), sind ferner der Größe nach
innerhalb angebbarer, von dem verwendeten Apparat und dem
Beobachter abhängigen Grenzen bekannt, so daß es naheliegend
ist, die F'ehlerfläche 7) durch eine einfachere, nämlich eine
Rotationsfläche zweiten Grades, zu ersetzen, welche sich inner-
halb des Geltungsbereiches jener möglichst anschließt.
Wir setzen zu diesem Zwecke, da gemäß 7) Y die
Drehungsachse ist,
3/'2 = (A cos2 a-^5 sin« a).p2 = ?(a).p«. 8)
Von den verschiedenen Bedingungen, welche zur Er-
mittlung der die Halbachsen bestimmenden Konstanten A, B
gestellt werden können, um die Aufgabe zu bestimmen, be-
nützen wir eine, welche sich aus der Anwendung der Methode
der kleinsten Quadrate auf die näherungsweise Darstellung
gegebener Funktionen ergibt.
Es sollen nämlich A und B aus der Bedingung hergeleitet
werden, daß [es] ein Minimum wird, wenn
6 = 'f (a)-/(a) 9)
der Repräsentant aller Fehlergleichungen ist, wenn man a
alle Werte zwischen — a und -ha in den Intervallen Ja an-
nehmen läßt. Wegen der Symmetrie von 7) genügt es, hiebe!
die Integrationen auf die Grenzen 0 und a zu beschränken.
Mit 7), 8), 9) lauten dann die beiden zur Bestimmung von
A und B dienenden Gauß'schen Normalgleichungen:
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 02
10)
942 A. Klingatsch,
f COS* ada-hB j sin* a cos* aäa z=z
= (ntl+mj+ml) I cos*a Ja +
Jo
+ (i«5+wf|) / sin*aJa+fifi 1 cos*arf«
f sin*a cos*a^a+5 I sin*aia=:
H-(wS+wD / tg*asin*arfa+iifi / sin'acos*«^/«
Werden keine größeren Femrohrneigungen als a = 30*
vorausgesetzt, so erhält man aus 10) für die
Annahme a):
60"
w^ = 0-0001, W/ = 0-001; nu = m^ = , wj = 0
206265
A z=z 117865. 10-^S B = 120110.10-"; lO^i)
hingegen für die
Annahme bj:
60^'
m, = 0-001, ffti = 0-002; w» = in,,, = , mj = 0
206265
A = 516405.10-", B = 525532.10-". 10^)
Die zweite Annahme entspricht einem mittleren Fehler-
verhältnis ntc in der Konstantenbestimmung und einem eben-
solchen ffti in der Bestimmung des Lattenabschnittes, wie dies
im allgemeinen bei topographischen Arbeiten zu technischen
Zwecken vorausgesetzt werden kann.
Die erste Annahme hingegen nähert sich mehr den Ver-
hältnissen, wie sie bei genaueren Arbeiten vorausgesetzt werden
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen.
943
können. Bei a) und h) wurden die mittleren Fehler m« und m^
in den gemessenen Höhen- und Horizontalwinkeln mit einer
Minute angesetzt.
Die nachstehende Tabelle gibt für die dort angegebenen a
die nach 7) berechneten My femer die aus 8) mit 10a) und 10^)
erhaltenen M\ endlich die Differenzen M — M^ = Ajlf.
a
o
^;
^)
108 108
P P
108
P
10«
P
108
P
AA/
108. -
P
0
5
10
15
20
25
30
1
108556
108573
108597
108635
108686
108750
1 1 8824
108592
108598
108601
108611
108653
108744
108916
-+-36
-h25
-4- 4
—24
—33
6
-h92
227246
227260
227306
227379
227481
227604
227747
227359
227360
227361
227369
227389
227432
227514
113
100
55
— 10
— 92
— 172
—233
Ersetzt man demnach 7) durch 8), so ist für die beiden
AM 1
Annahmen im allgemeinen < . Die Abplattung des
M 1000
Rotationsellipsoides 8) ist dann eine geringe; sie wird jedoch
wesentlich stärker, wenn auch ein Lattenaufstellungsfehler m\
vorausgesetzt wird. Weicht beispielsweise die Latte um WQf
von der richtigen, der vertikalen Lage ab, so erhält man, wenn
sonst die Werte h) beibehalten werden, aus 10)
A = 458810. 10-^^ B = 101696.10-»,
so daß für a = 10*
10® M' 10® M 10® AM
--- =: 274174, i^'^- = 274537, ^^ '^^ = 363
P P P
wird.
Für die folgenden Untersuchungen wird als Fehlerfläche
die durch 8) gegebene benützt, deren Gleichung mit M' ■= K
in rechtwinkligen Koordinaten
A{x^'^z^)+By^ =K^ 11)
62*
944
A. KUngatsch,
ist, WO A und B für gegebene Teilfehler aus 10) zu bestimmen
sind und K den Parameter für die ganze Schar bedeutet.
IV.
Die Feblerfläche für die stereophotogrammetrische Punkt-
bestimmung beziehen wir auf ein rechtwinkliges Koordinaten-
system, dessen Anfangspunkt O^ mit d#m Hauptpunkte des
Kameraobjektives des über dem einen — als fehlerfrei voraus-
gesetzten — der beiden die Standlinie bestimmenden Funda-
mentalpunkte aufgestellten Instrumentes zusammenfallen soll.
Ist Og die Projektion des zweiten Fundamentalpunkt'es auf die
durch Ol gehende Horizontalebene, so nehmen wir 0^02 als
Richtung der X, Die Bildebene wird bei den Aufnahmen in
beiden Standpunkten vertikal und parallel zu 0^0^ voraus-
gesetzt; wird schließlich die Vertikale durch 0^ als Richtung
der Y angenommen, so ist jene der Z parallel zur optischen
Achse des Apparates.
Bezeichnen Ei^ifg^a ^'® ^^^ ^^^ Achsenkreuz der Auf-
nahmsplatten bezogenen Bilder desselben Punktes, ferner
El — Eg = a die stereoskopische Parallaxe, / die Bilddistanz,
ÖiOa=:/ die Projektion der Standlinie auf X, endlich ^,r, -
die Koordinaten von P, so gelten die Gleichungen^
^=äf- -^^ä^- '='a^'
12)
Da /,/, E, t), a voneinander unabhängige gemessene Größen
sind, hat man aus 12)
ix _ X
hl ~ l '
ix z
oft "/'
ix xz
8 a //
iy V
8/ ~ / •
8^» :;
89i ~/'
8v vz
8a //
82 z
8/ / '
if ~ f'
iz z'
8o //
13)
1 Schell, Die sUreophotogrammetrische Bestimmung: der Lage eines
Punktes im Räume. Wien, 1904.
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 945
Bezeichnet nti, den mittleren Fehler der gemessenen und
auf den Horizont von Oj reduzierten Standlinie, mj jenen in
der Bildweitenbestimmung, mxy nty die mittleren Fehler in der
Koordinatenausmessung, endlich ma den mittleren Fehler in
der Parallaxenbestimmung, so hat man, da unbeschadet der
Allgemeinheit ntx = tWy = wy gesetzt werden kann, aus 1) mit
M -=1 K d\t Gleichung der Fehlerfläche
{x^^y^^z^){a'^bz^-¥cz^ = K\ 14)
wo
^ — *'^? I. — ^* 3w|
a == , b =: , c zr 1 o)
ist und K den Parameter für die Flächenschar bedeutet.
Der Ort gleich genauer Punktlagen ist demnach eine zu
XY symmetrische Rotationsfläche vierten Grades mit Z als
Drehungsachse.
Da 14) auch die Form
b \ 140
a (Ar2-h>'-)-h(a-hX2)c2 = K^ I
gegeben werden kann, wenn \ einen Parameter bedeutet, so
entsteht die einem gegebenen K entsprechende F^ aus den
Schnitten der den Werten X entsprechenden, mit O^ konzentri-
schen Kugeln mit den denselben Werten entsprechenden kon-
zentrischen affinen Rotationsellipsoiden mit Z als Drehungs-
achse und Xy als Affinitätsebene.
V.
Wird für zwei von demselben Fundamentalpunkte vorzu-
nehmende Operationen nach dem tachymetrischen und dem
Stereoverfahren der Anfangspunkt O des in II benützten Achsen-
systems mit jenem O^ des in IV verwendeten als zusammen-
fallend angenommen und die X und Y so wie in IV angegeben
gewählt, so bestimmen gemäß der in I gegebenen Defini-
tion 11) und 14), in welchen K denselben Wert des Punkt-
fehlers bedeutet, die Grenzfläche zwischen den beiden Auf-
nahmsmethoden.
946 A. Kltngatsch,
Die demselben Werte von K entsprechenden Schnitt-
kurven Hegen daher auf der zu den drei Koordinatenebenen
symmetrischen F^
(x^^y%^::2)^a^hz^)—A{x^'h::^)—By^"¥cz^ = 0. 16)
Mit den Abkürzungen
A — a = a\ B — a =: b\ a-^c — A = c'
]
17)
B-hc—A = d\ B—A = e'
kann 16) auch durch die folgenden beiden Gleichungen:
^* 4-^+2* = « 18)
a'x^'-i-b^y^—ic'-^biijz^ = 0, 19)
in welchen u einen Parameter bedeutet, gegeben werden.
Da 18) eine mit O konzentrische Kugelschar, 19) eine
ebensolche Schar von Kegeln zweiter Ordnung, welch letztere
durch jede zu Z normale Ebene in konzentrischen ähnlichen
und ähnlich gelegenen Kegelschnitten geschnitten werden, aus-
drückt, so entspricht jedem Werte u ein auf der F^ gelegener
sphärischer Kegelschnitt.
Da andrerseits jede zu Z normale Ebene die F^ in dem
Kegelschnitte
-— + ^- = 1, 20)
3(2 ^ (^^!±f:V ^ ^2 3,(^^!±o^ 21)
a'—bz^ V—bz^
ist, schneidet, so erhält man mit
a-^bz^ = V 22)
die folgende Parameterdarstellung von 16)
y^ = m^u-hu^n.V'\-o^v-hp2 \ 23)
Fehlerflächen topographischer Aulnahmen.
947
wo
ist.
B
m^ = — r= 1— Wjj, «1 =
Ol =
be^
> ö, =
be^
7 = —«2»
O, = — (Oi+Og)
Pi =
be'
ac
Pt = —-z-j^ P^ = —(Pi+Pt)
be
24)
Jedem konstanten Werte von f, respektive z entspricht
sohin als Kurve U ein Kegelschnitt 20). Die Mittelpunkte dieser
Kegelschnitte liegen auf Z, ihre Achsen sind parallel zu X
und y.
Jedem konstanten Werte von u entspricht nach 18) und 19)
als Kurve V ein sphärischer Kegelschnitt, dessen Projektionen
auf die drei Koordinatenebenen die Kegelschnitte
x^
^2
r8
,2
= 1,
= 1,
r _
%*
xy
93*
= 1 25)
xy
sind, wo
ist.
«L =
Vu
eL =
y«
d'+bu
93*,=
-4. 6?
a'w
yz —
ZKxy — ; > -üj: V
c-\-bu
Wegen 17) gilt die Beziehung
c-k-bu
__ (c''^bu)n
2tL-h»|., = 2tL+6|. = »!,.+(£!. = «.
26)
Da in den Fällen der Anwendung -4, B, a, b, c positive
Größen sind und ebenso ^'>0 und V>a'>0 vorausgesetzt
werden kann, so sind die Projektionen der sphärischen Kegel-
schnitte auf XZ und XY Ellipsen, auf YZ Hyperbeln.
948 A. Klingatsch,
Da unter den obigen Voraussetzungen die Kegelflächen 19)
durch zu Z normale Ebenen in Ellipsen geschnitten werden,
deren große Achsen parallel zu X sind, so liegen die Fokal-
strahlen dieser den Werten u entsprechenden Kegel in XZ.
Diese durch die Brennpunkte der sphärischen Kegelschnitte
gehenden Strahlen sind bekanntlich dadurch ausgezeichnet,
daß die Summe (Differenz) der Winkel, welche die Erzeu-
genden desselben Kegels mit diesen beiden Strahlen bilden,
konstant ist.
Den Winkel ^, den die zu Z symmetrisch liegenden Fokal-
strahlen mit Z bilden, erhält man aus der Bedingung, daß die
in YZ liegenden Kegelerzeugenden mit den Fokalstrahlen
wegen der Symmetrie dieselben Winkel bilden wie die in XZ
liegenden Kegelerzeugenden mit Z,
Man erhält dann wegen 19) und 17)
a'{d''\'bu)
Sind 4, C die Koordinaten der in XZ liegenden Brenn-
punkte der sphärischen Kegelschnitte, also wegen 18)
so ergibt sich, da
$2 zu «.sin* fj/, C'^ = u.cos^ ^
ist, durch Elimination von ^ aus 27) die Gleichung der Kurx'-e,
auf welcher die Brennpunkte der den Werten u entsprechenden
Kurven V liegen, mit
die wegen 1 7) auch in der Form
c+bu ,- c-hbn .. ^ } 28')
— J r~^ = ^
a'ti e'n
geschrieben werden kann.
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 940
Die Brennpunkte für die Werte u liegen daher auf der
durch 28), respektive 28') bestimmten Q, welche sich als
Schnitte einer Schar konzentrischer Kreise mit einer eben-
solchen ähnlicher und ähnlich gelegener Hyperbeln ergibt,
wenn Kreis und Hyperbel zu demselben Parameterwert «
gehören.
Zwischen den die Q erzeugenden Kegelschnitten 28')
und den Projektionen 25) der Kurven V finden noch folgende
Beziehungen statt.
Die Projektion der V auf XZ^ also die Ellipse 25), ist
bekanntlich affin zu dem Kreise, in welchem die Kugel « die
XZ schneidet; die Affinitätsachse ist durch den einen der
beiden Durchmesser gegeben, in welchem sich Kreis und
Ellipse schneiden.
Die dem Werte u entsprechenden, auf Z liegenden Scheitel
der Hyperbel 28') fallen wegen der vierten der Gleichungen 26)
mit den auf Z gelegenen Scheiteln jener Hyperbel zusammen,
welche die Projektion der dem Werte n entsprechenden V auf
YZ gibt.
VI.
Jede Gleichung zwischen u und v der durch 16) oder 23)
dargestellten F^ gibt mit 23) eine auf der Fläche liegende
Kurve.
So entnimmt man beispielsweise aus 23) wegen 24), daß
die Parameterbedingung
V z= bu
diejenige auf F^ gelegene Kurve darstellt, welche sich auf
Xy orthogonal als mit O konzentrischer Kreis mit dem Halb-
v/l
messer v/-7- projiziert.
Der Schnittwinkel zwischen den Kurven U und V ist ver-
änderlich. Man kann aber jeder U diejenige Fals entsprechende
zuordnen, für welche dieser Schnittwinkel ein rechter wird.
Die entsprechenden U und V schneiden sich dann in einer
neuen, auf der F^ gelegenen Kurve, welche nun bestimmt
werden soll.
l^oO A. Klingatsch,
Da wegen 23; z nur von v abhängt, lautet die bezügliche
Parameterbedingung
ix /ex ^ ly _%y ^^^ 29)
S» 8f; 9fi Sc;
welche wegen 23) mit Rücksicht auf 24) und 1 7) die Gleichung
iii'«f+>i'«-4-o'f+// = 0 30)
gibt, wo
he'^ be'^ b^e'^ [
)
31)
, acd'
ff zu —
ist.
Die Gleichung der gesuchten Kurve ist demnach durch 23)
und 30) gegeben, indem erstere durch v dargestellt werden
kann.
Die Gleichung der Projektion auf XZ ist
a"z''\'V'x^z^^c"x^'\-d"z^ = 0 32)
und diejenige auf YZ
a'"z''\'b'"y'z'+c'"y^-{'d'"z'' = 0. 33)
Hiebei ist wegen 31) und 17)
b'^e'^ h^e^^ b^e'^
b'^c'^
a'c ,.„ ,„ „. .. ,„, a'c'c
) 34)
^///_ :i^ V" — V\ c"'-c", d"' = —
Aus 32) und 33) erhält man durch Elimination von r die
Projektionsgleichung bezüglich XY, welche wegen 34)
/ a'"
'^ = ^'\-a"
3."))
gibt.
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 951
Die gesuchte Kurve ist demnach der Durchschnitt der
beiden durch Z gehenden, zu YZ symmetrisch gelegenen,
durch 35) bestimmten Ebenen mit der Fläche. Die Gleichungen
der Projektionen auf XZ und YZ können wegen 32) und 33)
auch in der Form
a":
:«+*";jr«
— x«
«•
■W
= ±.
.v/-
-c"
'V^'
'+X*
beziehungsweise
a"'z^
= X«
= ±J
'\/d'
-c'"
"+X2
32')
33')
wo X einen Parameter bedeutet, geschrieben werden.
Die Projektionen sind demnach Kurven vierter Ordnung^
welche sich als Schnitte einer Schar konzentrischer ähnlicher
und ähnlich gelegener Kegelschnitte mit einem konzentrischen
Strahlenbüschel ergeben.
Da eine reelle Kurve von der durch 29) gegebenen Be-
dingung auf der F^ nur dann besteht, wenn in 35) a" und a''''
dasselbe Vorzeichen besitzen, so sind in diesem Falle die
Kegelschnitte in 32') und 33') entweder beide Ellipsen oder
beide Hyperbeln.
VII.
Die einem konstanten v, respektive ;: entsprechenden
Kurven U sind durch 20) und 21) gegeben. Wir untersuchen
die Normalenfläche längs einer U,
Die Gleichung der Normale an die F^ im Punkte xyz ist^
wenn €, y], C die laufenden Koordinaten bezeichnen,
:iH>
« X
8F
i— :
iF
3F
8.V
Zy
dz
A. Klingatseb,
\\„>t«o U5^ folgt mit Rücksicht auf 17) und 22>
8F
8.V
8v
9F
8.-
= 2(bz*—a')x = 2(v~A)x
= 2{bz*—V)y - 2(v~B)y
= i\+c,x^ = q+qy^
37»
\vv>
(\ =
_ h'J'—(B—vy
B—v
'".'
~ A—v
ZZy Cg
C*^y W — —
B—
A~
2z
V
2z
V
38)
39)
für konstantes v, respektive z ebenfalls konstant sind.
Da wegen 37) der Richtungskegel der Normalenfläche,
wio man leicht findet, von der vierten Ordnung ist, demnach
auch dieselbe Ordiiung die unendlich ferne Leitkurve der
Ntu-malenfläche besitzt, welche somit gleich der Klasse der
Dcvcloppablen längs U ist, so ist der Grad der Normalenfläche
die Summe der Ordnungen jener unendlich fernen Leitkurve
und jener des Leitkegelschnittes U. Die Normalenfläche ist
demnach eine F^. Ihr Schnitt mit XZ ergibt sich aus 36)
und 37) niit
40;
als die Parabel
■»] = 0 und C-s -"-' — = C'
2{B-v)
i' =
bz
C.
41)
Der Schnitt der Normalenfläche mit YZ folgt ebenso au«?
■^{\) und 37) mit
^ = 0 und c— C +
C.
.i:s die Parabel
2 (A—v)
= C"
42)
2 —
' bz
ril
43)
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 953
Die beiden Parabeln 41) und 43), welche die gemeinsame
Achse Z besitzen, geben die in XZ, respektive YZ liegenden
Doppelkurven der Normalenfläche. Jede derselben gibt mit den
in der betreffenden Koordinatenebene gelegenen beiden Flächen-
normalen den vollständigen Durchschnitt der Normalenfläche
mit XZ, respektive YZ, Die beiden Doppelkurven sind dem-
nach kongruente Parabeln.
Wird A=i V oder wegen 22) und 17) s = ± v /-r^ , so
genügen 16) die beiden Werte
Die den obigen Werten von z entsprechenden Kegel-
schnitte degenerieren als Spezialität der Parabeln in die vier
zu X parallelen, auf der Fläche liegenden geraden Linien 44).
Die Flächennormalen längs derselben sind wegen 37) parallel
zu YZy welche Koordinatenebene in diesem Falle die Richt-
ebene der Normalenfläche gibt.
Wird B rr v, so genügen 16) die beiden Werte
be'
,r = ^y^- — , 45)
Die entsprechenden Kurven U zerfallen dann in die vier
zu Y parallelen, auf der F^ liegenden geraden Linien 45); die
XZ ist dann die Richtebene für die betreffende Normalenfläche.
VIII.
Die Tangentialebenen in den Punkten einer und der-
selben U bestimmen die developpable Fläche der F^ längs
dieses Kegelschnittes.
Es sei E die im Abstände z zu XY parallele Ebene der U,
Q ihr auf Z gelegener Mittelpunkt.
Sind $Y]C die laufenden Koordinaten der Tangentialebene
an die F^ im Punkte x, y, z der U, so ist ihre Gleichung
wegen 16)
954 A. KHngatsch,
.9/^ ^F ^ 2F iF 8F 8F
4 h Y] h C = ^ ^y ^ =
ix 9y 82 2x 8>' 82
= 2frc«(i:«+y+s2). 46)
Für den Schnitt dieser Tangentialebene mit XZ erhält
man mit if] = 0 und wegen
£— = 2(t;— ^);r.S
82;
B—v
die Gerade
/(5C^) =/,;r£-h(/,^«+/3)C+/,A^«+/5 = 0, 47)
wo die / lediglich von z abhängen, demnach konstant sind.
Die Einhüllende der Spuren der den Punkten von U ent-
sprechenden Tangentialebenen ergibt sich, da x in 47) den
betreffenden Parameter bildet, aus dieser und der Gleichung
-^ - - = 0 oder x = — ^ • $.
8;r 2be'z(!:—z)
Die Spuren der Tangentialebenen auf XZ umhüllen daher
vermöge der Symmetrie der F^ die beiden zusammenfallenden
Kegelschnitte
(v-A)K(v-B)^ ^,^
-h{:-z)[{'-bd^z^'h{bz^-^c'){v-B)}:+bd'z^] = 0. 48)
Den auf Z gelegenen Punkten der einen Achse genügen
demnach wegen £ = 0 die Koordinaten C = s und C = Co, wo
für den letzteren Wert der Ausdruck in der eckigen Klammer
Null wird.
Mit
r" — * {".uf \
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen.
955
ergibt sich die Mittelpunktsgleichung
e
«'«
2 */ä
49)
wo
W«
S'«
be'z^(bz^-^cy
ist.
_ (v—B)^.z^(bz*'hc'y
" 4[—bd'z*'h(v-B)(bz^'^c')y
50)
Mit >1 == i; gibt 47)
b(i:—z){e'x^'hd'z^)'h(B-'V)c.ti = 0.
47^;
Jede durch eine der vier der Gleichung 44) entsprechenden,
zu X parallelen Geraden gelegte Ebene ist dann eine Tangential-
ebene an die F^; die Schnitte dieser vier Ebenenbüschel mit XZ
bilden dort ebensoviele Parallelstrahlenbüschel. Die beiden Be-
rührungspunkte jeder durch eine dieser Geraden gelegten
Ebene, einem bestimmten C entsprechend, mit der F^ ergeben
sich aus 470, cla diese die Abszisse x gibt, während y aus 44)
folgt.
Ebenso führt die Bedingung B z=z v auf vier Strahlen-
büschel in XZ, als Schnitte der durch die vier zu Y parallelen
Geraden 45) gelegten Ebenenbüschel mit XZ.
Ist endlich in 21) bz*'^c' = 0 oder wegen 22) und 17)
V zu a-^c' •=. A^c und sind die beiden Geraden
V = ±^
fy-A
V v-B
=z -4-:r
V
c-i-e
I f
in welche dann 20) zerfällt, reell, so liegen in dem Abstände
4^
: it i / 7- vier zu XY parallele Gerade auf der Fläche,
welche sich paarweise auf Z schneiden.
Die Gleichung 47) gibt dann für den Schnitt der Tangen-
tialebene in einem Punkte dieser Geraden mit XZ, wenn
C— 2 = C' gesetzt wird, die Gerade
bc{C'he')xi+(be'x^'-e'{C'^e'))z.^' = 0.
956 A. Klingatsch,
Jede durch eine dieser vier Geraden gelegte Ebene ist
somit wieder eine Tangentialebene an die F^ für zwei Punkte
derselben als Berührungspunkte, deren x sich aus der oberen
Gleichung bestimmt. Hieraus ist auch zu schließen, daß die
in VII untersuchte Normalenfläche in diesem Falle zwei Richt-
ebenen besitzt, welche durch Z und durch die beiden Geraden,
in welche 20) zerfällt, bestimmt sind.
In analoger Weise wie für XZ erhält man als Einhüllende
der Spuren der Tangentialebenen längs U auf YZ Kegel-
schnitte, deren Gleichung mit 48) der Form nach überein-
stimmt, deren Mittelpunkte ebenso auf Z liegen Und deren
Mittelpunktsgleichung durch
>g//2 g//2
gegeben ist, wo
«"« = -
be'z\bz:^'{-cy
(5''2 --
{v-Ayz^{bz^-^c'Y
52)
^l^]jcz^'^(v-Ä){bz''\'C')Y
bedeutet.
Die Kegelschnitte 49) und 51) haben daher die eine mit Z
zusammenfallende Achse der Lage nach gemein; der eine
beiden gemeinsame Endpunkt dieser Achse fällt mit dem
Mittelpunkte Q der U zusammen.
Die in YZ und XZ gelegenen Normalen der/^^, welche
durch die Achspunkte der U gehen, treffen die Z in den
Scheiteln der Parabeln 41), respektive 43). Die Abstände dieser
Scheitel von der Ebene is, also auch von 9, sind wegen 40)
C C
und 42) — "ö— r,^ -, beziehungsweise o7T--r- Da diese
Z(/) — v) Zi^A — v)
Normalen auf den betreffenden Tangentialebenen senkrecht
stehen, so finden zwischen den Abständen 2(£' und 2®'' ihrer
Spuren auf XZ, respektive YZ von ß, ferner den Halbachsen
^H» 58 (21) der ü und den erwähnten Abständen der Parabel-
scheitel von 2 die Relationen statt:
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 957
5(2~g//_S_, 332 ---_g^ ^1
A—v B'-v '
wie diese auch aus 21), 38), 39), 50), 52) mit Beachtung von 17)
hervorgehen.
Eben damit ergeberT' sich auch die Beziehungen
(3' ?~ ^ ^—^ - (^Y — — — -^ — — •
^Ö'*'/ "^ 6" ' v-A ~ V»/ ' 6" ■" C, ' A-v'
Die in den vorhergehenden Abschnitten untersuchte F^
gibt, wie bereits bemerkt, die Grenzfläche zwischen dem tachy-
metrischen und dem stereophotogrammetrischen Aufnahms-
verfahren, sofern eben beide Aufnahmen von demselben Punkte
aus erfolgen.
Hiebei ist unter diesem Punkte bei der Stereoaufnahme
derjenige von den beiden Aufstellungspunkten des photo-
graphischen Apparates gemeint, von welchem aus die zur
Bestimmung der Koordinatenabmessungen 5^ ^^ dienende Ayf-
nahme geschieht. Die zweite Aufnahme in dem zweiten Punkte
der Standlinie, dessen Projektion auf die Horizontalebene des
ersten, beziehungsweise die Horizontalebene des betrefifenden
Instrumenthorizontes eben die Lage der X bestimmt, bezweckt
lediglich die Ermittlung der stereoskopischen Parallaxe a.
In der Figur ist eine Darstellung der F^ bezüglich der in
Betracht kommenden Hälfte, wobei die XZ als Zeichnungs-
ebene angenommen ist, gegeben.
Der Konstruktion liegen für die Tachymeteraufnahme die
Annahmen a) von III zu Grunde, so daß sich A und B aus 10a)
ergaben.
Für die Stereoaufnahme machen wir die nachstehenden,
mit den bisherigen praktischen Erfahrungen übereinstimmenden
Annahmen. Das Fehlerverhältnis der gemessenen und auf den
Horizont von O reduzierten Basis / sei z=.\/a =: 0*001,
die mittleren Fehler fUxy w^, nta der im Stereokomparator zu
bewirkenden Abmessungen y^^,, a wären ntx = ^% = 0*1 ntnty
Sitzb. d. malhem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 63
958 A. Klingatsch,
ma=^ 0'0\ mm] der mittlere Fehler in der Bildweitenbestim-
mung fHf r= O'l mm.
Da die Grenzfläche diejenigen Punkte enthält, welche sich
durch das tachymetrische und das Stereoverfahren gleich genau
ergeben, so dürfen bei dem letzteren auch keine größeren, von
demselben Standpunkte zu bewältigenden Entfernungen voraus-
gesetzt werden als bei dem ersteren, Entfernungen p also, welche
etwa 600 m nicht überschreiten, womit die Annahme / = 50 m
ihre Begründung findet.
Die Bildweite des Apparates wurde entsprechend der einen
der von Zeiß angefertigten neuesten Typen mit /^ 180 «im
bei einem Plattenformat 13 X 18 angenommen.
Da durch diese Angaben die Koeffizienten 17) bestimmt
sind, so können für anzunehmende & die 9 und 3 nach 21)
berechnet werden, wodurch die Grundlage für die Darstellung
der Fläche gegeben ist.
In 21) wird hiebei
a' = bz^ für z^^ nz 380-4 fw, ^ = bz^ für z^ = 403-6 i;/,
während, da c'>0 stets bz^-^c' >0 bleibt.
Für o<c<2j sind daher die Kurven U Ellipsen, für
z^<z<Z2 hingegen Hyperbeln.
Mit c m 2j erhält man, da nur positive s in Betracht
kommen, die beiden zu X parallelen, auf der Fläche liegenden
Geraden g in dem Abstände ^ = d= 2443 m über XZ. Die
beiden zu XY parallelen Ebenen z-rz^iz^ werden dann zu
den reellen asymptotischen Ebenen der F^.
Der obere Teil der Hgur gibt die Darstellung der Fläche
im Maßstab 1 :200 durch Schichtenkurven; die Schichtenhöhe
ist 100 w für o<jv<1000w, hingegen 200 w für 1000 i>i<
y<2000m. Die Schichtenkurven, welche sich demnach als
Schnitte äquidistanter, zu XZ paralleler Ebenen ergeben, sind
Kurven vierter Ordnung; die Schnitte ihrer Ebenen mit der
Ebene z=:z^ geben für die betreffende Q die eine von den
beiden reellen Asymptoten.
Der untere Teil der Figur zeigt den in der Entfernung
2 =: 150 w parallel zxxXY geführten und in die XZ umgelegten
Schnitt, also die Ellipse U, sowie die Bestimmung derjenigen
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen.
959
Punkte ihres Umfanges, welchen gegebene Werte y ent-
sprechen. In der Figur ist femer C der Schnitt der F^ mit XZ^
V der in die XZ umgelegte Schnitt der YZ mit der Fläche.
Die Schnitte der zu YZ parallelen Ebenen sind Q, welche im
Schnitt ihrer respektiven Ebenen mit c = Zg ^^® ^^"^^ ^^"^ ^®"
beiden reellen Asymptoten haben.
L.._
In dem zwischen der Xyund der Grenzfläche gelegenen
Räume wäre das Stereoverfahren, in dem übrigen Räume das
tachymetris che Verfahren genauer. Nun ist aber jede der beiden
Operationen bezüglich ihrer Durchführbarkeit von dem ange-
nommenen Fundamentalpunkt auf eine bestimmte Zone be-
schränkt. So ist die Tachymeteraufnahme von demselben Punkte
aus auf Entfernungen p ^ 600 nt und Höhenwinkel a ^ 30**
zu beschränken, welch letzterer Umstand eben in Ili zur
Herleitung einer genäherten Fehlerfläche 11) führte. Bei der
Stereoaufnahme hingegen sind die von demselben Standpunkte
zu beherrschenden Entfernungen wesentlich größer, hingegen
kommt hier nur derjenige Raum in Betracht, der durch beide
Aufnahmen abgebildet werden kann.
Lediglich diejenigen Teile der Grenzfläche, welche durch
die beiden hier in Betracht kommenden Operationen von dem
^er Grenzfläche zu Grunde liegenden Fundamentalpunkte tat-
sächlich bestimmt werden können, sind für die Beurteilung der
Oenauigkeitsverhältnisse maßgebend.
63*
d60 A. Klingatsch,
Im vorliegenden Falle schneidet jede durch die Z gehende
Ebene die F^ in einer Q, welche in O einen Doppelpunkt besitzt.
Für den ebenen Schnitt mit XZ ergeben sich die Rich-
tungen der Tangenten i'xnO aus
./
— = d=v/— =63^57'
dz V a!
und für die Tangenten /' des ebenen Schnittes mit der YZ aus
dy , c'
dz V y
= 60^ 39'.
Da andrerseits für das angenommene Plattenformat und
die vorausgesetzte Bilddistanz die äußersten, in XZ gelegenen
Strahlen 5, welche noch eine Abbildung bewirken können, mit
der Z den Winkel 26** 34', die äußersten in YZ gelegenen
Strahlen s' mit der Z den Winkel 19* 51' bilden, so liegt der
von dem photographischen Apparate bestrichene Objektraum
ganz in jenem Teile, in welchem das tachymetrische Verfahren
genauer ist.
In der Figur bedeutet abcd die Projektion der Aufnahms-
platte aus O auf die Ebene z = loO m und sind dort die
Strahlen s und s', letztere in der Umlegung in die XZ, ein-
getragen.
Da die Fehlerflächen 7), respektive 8) Rotationsflächen
mit Y als Drehungsachse sind, so gelten dieselben Schlüsse
auch für den ganzen Umkreis des Aufstellungspunktes, sofern
in diesem Panorama-Aufnahmen nach dem Stereoverfahren
unter sonst gleichen Umständen durchgeführt werden.
Die dieser Grenzfläche zu Grunde gelegte Annahme t»/ =
rrO'OOl kann jedoch bei topographischen Arbeiten im all-
gemeinen nicht eingehalten werden. Hier sind es vielmehr die
in III gemachten Annahmen b), welche für den Vergleich mit
der Stereoaufnahme in Frage kommen. Werden für die letztere
dieselben Voraussetzungen bezüglich der Teilfehler gemacht
wie früher, so wird in 21) r'<0 und für alle in Betracht
kommenden c^ÜOOw, a'—bz^>0, b'—bz^>0, bz^'hc^<0.
Innerhalb des Objektraumes, welcher durch beide Opera-
tionen von demselben Standpunkt aus bestimmt werden kann,
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 961
liegt dann kein reeller Teil der Grenzfläche, die Stereophoto-
grammetrie ist dann die genauere Aufnahmsmethode.
In den obigen Beispielen wurde manche Fehlerquelle nicht
berücksichtigt; bei der Tachymeteraufnahme der Einfluß einer
schiefen Lattenstellung, der nach III den Gesamtfehler wesent-
lich vergrößert; bei der Stereoaufnahme hingegen wurde von
dem Fehler abgesehen, der sich ergibt, wenn die Platten bei
beiden Aufnahmen nicht genau in einer Ebene liegen. Die
letztere Bedingung ist bei den neuesten Typen von Zeiß
infolge der dort getroffenen Einrichtung mit hinreichender
Genauigkeit erfüllt.
Während die Bedeutung des von Dr. Pulfrich in Jena
begründeten stereophotographischen Meßverfahrens für militär-
topographische Zwecke^ außer Frage steht — wir verweisen
auf die von Oberst v. Hübl gemachten Studien und prakti-
schen Erprobungen desselben — wird es sich noch darum
handeln, die nach der Theorie zu gewärtigende Überlegenheit
der Stereoaufnahme gegenüber der Tachymeteraufnahme für
technische Zwecke durch größere praktische Arbeiten zu er-
proben, womit auch in jüngster Zeit begonnen wurde.*
Von der Stereophotogrammetrie verschieden ist die bis-
her angewandte, die sogenannte Meßtischphotogrammetrie, bei
welcher die Abszissen j^jg und Ordinaten ^^^^ der Bilder des-
selben Raumpunktes den von zwei Standpunkten aufgenom-
menen Photographien entnommen werden. Für die später zu
untersuchende Grenzfläche zwischen dieser und der Stereo-
aufnahme wird zunächst die Fehlerfläche für das ältere Ver-
fahren entwickelt, wobei die optischen Achsen des Apparates
bei den beiden Aufnahmen zueinander parallel und senkrecht
zu der durch die beiden Aufstellungspunkte gelegten Vertikal-
ebene vorausgesetzt werden.
^ Scheimpflug, Die Herstellung von Karten und Plänen auf photo-
graphischem Wege. Diese Sitzungsberichte, Bd. CXVI, Abt. IIa, Februar 1907.
2 Truck, Die stereophotogrammetrische Meßmethode und ihre Anwen-
dung auf Eisenbahnvorarbeiten. Zeitschr. für Verm., Stuttgart 1906| Heft 12, 13.
962
A. Klingatscb,
So wie in IV soll der Koordinatenanfangspunkt in den
Hauptpunkt O^ des Kameraobjektives des über dem einen
als fehlerfrei angenommenen Fundamentalpunkt aufgestellten
Instrumentes verlegt werden. O, bezeichnet dann die Pro-
jektion des zweiten Standpunktes auf die Horizontalebene
durch 0|. Wird die Richtung O^O^ als X^ die Vertikale in O^
als y, somit die Z parallel zur optischen Achse genommen, so
wird mit 0^02 = /j nach 12)
X = 2 — y„ y = ^- - ^j, z •=! i —
/. 53)
Da nunmehr /i/, EiE2 9i ^'^ voneinander unabhängig ge-
messenen Größen sind, so hat man aus 53)
ix _ X
8« _ {x — /,)r 8ar _ jrs
8/, ~ /, '
8?. A ' H^ ~ fh
8j y
8^ _ :; 3j' _ ^t Sy yz
8/, l, '
8^. /' 8£, A' 8& //,
8/. ~ /. '
83 c« 8r z*- 8s r
8ji A ' 8?« ~ /A * 8/ " /
- 54)
Nennt man wieder m^my die mittleren Fehler in der Aus-
messung der Platten, nif jenen in der Bestimmung der Bild-
weite, endlich nit den mittleren Fehler in /„ so hat man mit
mx = my = m/ und M= K aus 1) die Gleichung der Fehler-
fläche
(x^^y^^z^){a^'hb^z^)^'C^z^^d,xz^ = K\ 55)
wo
ml , 2m% Smi . 2w?
^1 = -^-' ^ =
56)
ist.
Die Fehlerfläche für die oben angegebene Stellung der
optischen Achsen ist demnach eine F^. Da 55) auch in der
Form
bi(x^'hy^^z^)-+'d^x = X^ — Cj
}
55')
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 963
geschrieben werden kann, wo X einen Parameter bedeutet, so
entsteht die F^ im Schnitt einer konzentrischen Kugelschar,
deren Mittelpunkt M in den Halbierungspunkt der Strecke 0^02
fällt und einer Schar konzentrischer, affiner Rotationsellipsoide
mit Z als gemeinsamer Drehungsachse und -ST y als Affinitäts-
ebene.
Jedem X entspricht als Schnittkurve der beiden zusammen-
gehörigen F^ 55') eine sphärische, auf der F^ liegende Q,
deren Projektion auf die XZ die Parabel
z^ = Px^ Q
und deren Projektion auf die -YYder Kreis
ist, wenn
gesetzt wurde.
Mit X =: 0 ergibt sich die diesem Werte entsprechende,
auf der F^ liegende Kurve als Schnitt der beiden Kugel*
flächen 55') als ein Kreis, dessen Ebene im Abstände
parallel zu YZ ist.
^ —
^1^1
Da mit
22 -,
2a^v
57)
d^-^lb^v
die Gleichung 55) auch in der Form
(x^vY-^y^ = r^= f{z) 55'')
gegeben werden kann, so gehört die F^ zu jenen zyklischen
Flächen, welche durch die Bewegung eines Kreises mit ver-
änderlichem Halbmesser r, dessen Ebene parallel znXY bleibt,
erzeugt werden. Der Mittelpunkt des Kreises durchläuft in
diesem Falle die durch 57) bestimmte Kurve, eine in XZ
064 A. Kiingatsch,
gelegene, zu X symmetrische Q; die eine reelle Asymptote ist
im AbStande t; = — /j parallel zu Z, die zu X symmetrischen
^ 1
Wendepunkte haben die Abszisse x-zi — ly
Die Mittelpunktskurve läßt sich mit dem Parameter )/ auch
in der Form
— 2ai _^ J 57')
Z^ Z=L • V
geben, daher im Schnitt einer Schar zu Z paralleler Geraden
mit einer Parabelschar mit gemeinsamer Achse und Scheitel
erzeugen.
Die den Werten K entsprechende Flächenschar 55) hat
daher eine gemeinsame Cg als Mittelpunktskurve der erzeu-
genden Kreise.
Wird f»^ =r 0, also auch a^ 1= 0 gesetzt, mithin von dem
Fehler in der Bestimmung der Projektion \ der Standlinie
abgesehen, so sind O^ und Og als fehlerfrei anzusehen; aus 55)
wird dann, wie unmittelbar klar ist, eine Rotationsfläche, deren
Achse durch den Halbierungspunkt M der Strecke 0^0^ parallel
zu Z hindurchgeht, nämlich eine der 14) analoge Fläche, wenn
auch dort a = 0 gesetzt wird.
Im Anschluß an das Vorhergehende untersuchen wir zu-
nächst die Normalenfläche längs eines Kreisschnittes.
Da für diese zyklische Fläche die erzeugenden Kreise in
parallelen Ebenen liegen, so umhüllen die Tangentialebenen
längs eines solchen Kreises an die Fläche einen diese be-
rührenden Kegel.^ Da die Kegelspitze S in XZ liegt, diese
Koordinatenebene also eine Hauptebene des Kegels ist, so
gibt die durch den Mittelpunkt Q des erzeugenden Kreises *
gehende, zur Kreisebene E senkrechte, also in XZ liegende
Gerade eine Doppelgerade der Regelfläche vierten Grades, als
1 Enzyklopädie der math. Wissenschaften, Bd. III, 3, Heft 2/3, p. 2B1.
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen.
965
welche sich die Normalenfläche ergibt, da diese für den Kreis-
schnitt des berührenden Kegels identisch ist mit der gesuchten.
Der Rest der Doppelkurve der Normalenfläche ist dann
bekanntlich ein Kegelschnitt, dessen Ebene zur Hauptebene
^Z des Kegels senkrecht steht und diese nach einer Achse
schneidet. Die orthogonale Projektioti dieses Doppelkegel-
schnittes auf die Ebene des Leitkreises k ist dann ein Kreis.
Die Projektionen der Flächennormalen längs k auf die XZ
umhüllen eine Parabel.
Um S zu bestimmen, gehen wir von der Gleichung der
Tangentialebene im Punkte x^y^z der Fläche
iE hF 8F
(i-x)^+(7l-^y) -il + (C_.)- - = 0
ox oy cz
aus, wo S,Tf], C die laufenden Koordinaten der Ebene bezeichnen.
Für die F^ erhält man aus 55)
wo
JF
^x
8F
hF 8F 3F
X k-y hz
^x
2y
hz
= a!^x^W
= alx^V
= a"'x-¥V''
a^-^b^z^
(a, — b^z^)d^z'
a"' =
a^-hb^z^
58)
59)
a^-^b^z^
^„ ^ 2{a,^2b,z^)K''-2b,c,z^
a^-hb^z^
gesetzt wurde.
60)
966 A. Klingatsch,
Die Gleichung der Spur der Tangentialebene auf XZ ist
dann wegen 7) =: 0 die Gerade
{a'x'\'V)t.'\'{a"x+V')i = a'"x^V". 61)
Für dieselbe Fläche, also dasselbe Ky und für denselben
Kreis *, also konstantes 2, sind gemäß 59) und 60) in^ 61)
a und h ebenfalls konstant.
Die Spuren der Tangentialebenen gehen demnach für alle
Werte von ^, entsprechend den Punkten des Leitkreises, durch
denselben in XZ gelegenen, die Kegelspitze bezeichnenden
Punkt S, dessen Koordinaten sich gemäß 61) im Schnitte der
beiden Geraden
02>
c =
a" , a!"
c
V , V"
(>3)
ergeben.
Der Gleichung 62) genügen wegen 57) und 59) die Koordi-
naten C == 2J und € = f; diese Gerade, in der Folge mit g
bezeichnet, enthält demnach die Kegelspitze S und geht auch
durch den Mittelpunkt ä des Kreises k. Mit z — C == C und
V — S = S', wo also C' und S' die Koordinaten von g in Bezug
auf ö als Anfangspunkt bezeichnen, wird
a"
C' = ---£'. 64)
Da sich andrerseits aus 57) wegen 59) und 64)
J^ __ _ {a, ±b^z^^ _ a" __ ^
ergibt, so berührt die g die Mittelpunktskurve Q in Q.
Da ferner a'a"a"' wegen 59) unabhängig von K sind und
jede im Abstände z zu -YY parallele Ebene die Flächenschar 55)
in konzentrischen Kreisen mit Q als Mittelpunkt schneidet, so
liegen auch die Spitzen S der berührenden Kegel längs dieser
konzentrischen Kreise an die Flächen auf der Geraden g 62).
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 967
Wegen
wo c;'. . . und d' , . . die aus 60) ersichtliche Bedeutung haben,
also für konstantes z ebenfalls konstant sind, gehen für alle K
die entsprechenden Geraden 63) durch einen und denselben
in XZ gelegenen Punkt
C= — ; i = 65)
c' c'd'' ^
Einem bestimmten Werte von K entsprechen zwei Kegel-
erzeugende 5, deren Projektion auf XZ eben die diesem Werte
entsprechende Gerade 63) ist. Für alle Werte von Ky hiebet
wie immer z konstant vorausgesetzt, schneiden die Erzeu-
genden 5 der diesen Werten von K entsprechenden Kegel,
demnach zwei feste Gerade, die eine g^ auf welcher dem
Früheren gemäß die Kegelspitzen liegen, und die zweite g^^
welche im Punkte 65) normal zu XZ ist.
Es sei ferner o der Schnitt der zu Xy parallelen Ebene E
des Kreises k mit XZ,
Ist So die Abszisse für den Schnittpunkt der Geraden 63)
mit o, so hat man aus 63) mit C = 2
y'—Vz
io = —gr- ^~)
Zwischen £0, ferner der Abszisse v des Kreismittelpunktes %
endlich dem Halbmesser r des Kreises ife, besteht dann die aus
55), respektive 55''), 57) und 66) mit Rücksicht auf 60) leicht
ableitbare Beziehung
Hiebei bezeichnet 2^ auch die Abszisse für die einem
gegebenen Werte K entsprechenden, auf dem Kreise k ge-
legenen Berührungspunkte Q der vorhin erwähnten Kegel-
erzeugenden 5 mit der Fläche.
Ist endlich ^y^ die Ordinate der beiden auf li gelegenen
Punkte Qy so ist auch
yi = ri-{v-i^)\ 68)
968 A. IClingatsch,
Aus 67) und 68) folgt dann
yl = 5o(t^-6o), ö9)
also eine Beziehung zwischen den Koordinaten der den
Werten K entsprechenden Q. Diese liegen demnach auf einem
festen, in der Ebene E gelegenen, durch Q gehenden Kreise l/,
dessen auf a gelegener Mittelpunkt die Abszisse — hat.
Die Kegelerzeugenden 5 schneiden daher für alle Werte
von K zwei feste Gerade g und g^ und einen festen, die
Gerade ^ in Q schneidenden Kreis k'. Die Geraden s, deren
Projektionen auf XZ der Strahlenbüschel 63) ist, erzeugen
sohin eine Regelfläche dritten Grades. Hieb ei ist g eine Doppel-
gerade, g^ eine einfache Gerade der Regelfläche. Die beiden
Tangentialebenen durch g^ an k' schneiden dann die g in den
beiden Kuspidalpunkten, deren Verbindungslinien mit den
Berührungspunkten auf f die Torsallinien der Regelfläche
geben.
Ebenso folgt hieraus ohne weiteres, daß je zwei in der
zu XZ senkrechten Ebene gelegene Erzeugende s die g^ in
Punktpaaren einer Involution schneiden, deren sich selbst ent-
sprechende Punkte auf den Torsallinien liegen. Die auf g
gelegene Reihe der Kegelspitzen S ist dabei projektiv zu
den entsprechenden Punktpaaren der Involution, wenn jedem
Scheitel das Punktpaar auf seinen Erzeugenden entspricht.
XII.
Sowie sich aus den Fehlerflächen 11) und 14) die Grenz-
fläche 16) ergab, so lassen sich aus 11) und 55), dann aus
14) und 55) die Grenzflächen zwischen der photographischen
Punktbestimmung mit parallel und senkrecht zur Standlinie
gestellten Achsen und dem tachymetrischen Aufnahmsverfahren,
beziehungsweise zwischen jener und der Stereoaufnahme ent-
wickeln.
Die erstere, hervorgehend aus 1 1) und 55), führt auf eine F^,
welche durch die Bewegung eines veränderlichen Kegelschnittes
mit konstanten Achsenrichtungen, dessen Mittelpunkt in XZ
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 969
eine Cg beschreibt und dessen Ebene parallel zu XY bleibt^
erzeugt wird. Die Normalenflächen längs der Kegelschnitte
sind auch hier Regelflächen 6. Grades, welche von der XZ in
je einer Parabel als Doppelkurve geschnitten werden, welch
letztere mit den in XZ liegenden Flächennormalen den voll-
ständigen Durchschnitt der Regelfläche mit dieser Koordi-
natenebene gibt. Eine durch den Mittelpunkt des Leitkegel-
schnittes gehende, zu YZ parallele Ebene wird jedoch dann
von der Normalenfläche in einer Q geschnitten, welche mit
den in der Schnittebene liegenden beiden Normalen die Q als
Schnittkurve gibt.
Die Verbindung von 14) und 55) gibt die zweite der oben
erwähnten Grenzflächen unter der Voraussetzung, daß wieder
der eine als fehlerfrei vorauszusetzende Aufstellungspunkt
beiden Operationen gemeinsam ist und die beiden anderen
Standpunkte, je einer nämlich für das betreffende Verfahren,,
mit dem ersten in derselben vertikalen Ebene liegen.
Mit
ii^—a — a^, b^ — b = feg, c\ — c = c^, d^ = d^ 70)
erhält die Grenzfläche die Form
(x^^y^^z^)(a^-hb^z^)-hc^z^'hd^xz^ = 0. 7l)
Die Fläche ist demnach eine der öCi) analoge F^, wenn
dortselbst A" z= 0 gesetzt wird.
Da die Vorzüge der einen oder der anderen Methode ins-
besondere dann zur Geltung kommen, wenn bei beiden das-
selbe Instrument vorausgesetzt wird, überhaupt die Operationen
unter sonst gleichen Umständen stattfinden, so machen wir die
Annahme a^ = 0, Cg = 0, setzen also die Fehlerverhältnisse in
den Basismessungen, respektive ihren Reduktionen, ebenso
wie die Ergebnisse der Plattenausmessungen bei den beiden
Methoden als gleichwertig voraus.
Die durch 7\) gegebene t\ zerfällt dann in Z* z= 0 und in
die Kugel
r2^yi+z^—- '^_.r = 0. 71')
b—b^
970 A. Klingatsch,
Wird /j = hI gesetzt, so sind die Grenzflächen für ver-
schiedene u Kugelflächen, welche die YZ im Koordinaten-
anfangspunkt berühren; der Halbmesser ergibt sich aus 15),
56) und 71') mit
r = • 72»
2 ml — wjw^
Innerhalb der einem bestimmten Werte von n entsprechen-
den Kugel als Grenzfläche ist die Photogrammetrie genauer,
außerhalb derselben das Stereoverfahren.
Bisher wurde von der Realisierimg der Abbildung abge-
sehen. Man kann bei gegebenen Plattendimensionen unter der
Annahme, daß die drei Aufstellungspunkte in demselben Hori-
zonte, nämlich auf X gelegen sind, jenen Wert von n bestimmen,
bei welchem durch das gewöhnliche photogrammetrische Ver-
fahren nur ein auf der zugehörigen Grenzfläche gelegener
Punkt wirklich abgebildet wird.
Die rechteckige Aufnahmsplatte bestimmt mit dem Haupt-
punkte des Objektives für jede der beiden Aufnahmen, wie
bereits bemerkt, die für die Abbildung maßgebende Pyramide.
Die beiden Vertikalebenen, welche durch die Hauptpunkte und
durch diejenigen vertikalen Seiten der Aufnahmsplatten, welche
für die Abbildung aus den beiden Standpunkten in Betracht
kommen, gelegt werden und mit X dtn Winkel co bilden sollen,
schneiden sich in einer zu XZ senkrechten Geraden g, welche
demnach diejenigen Raumpunkte enthält, die von den beiden
in der Entfernung l^ befindlichen Standpunkten auf beiden
Platten eben noch dargestellt werden können.
Da wegen ff>l bei der Stereoaufnahme mit der Basis
l<li auch eine Abbildung von g auf beiden Platten erfolgt, so
wird für jenen Wert von « =: «„ für welchen g die zugehörige
Grenzfläche, also die Kugel 71') berührt, dieser Berührungs-
punkt der einzige sein, welcher sich nach beiden Methoden
gleich genau ergibt. Für jeden Wert n<n^ ist das Stereo-
verfahren — von rein praktischen Erwägungen abgesehen —
bezüglich aller von dem betreffenden Standpunkte zu bestim-
menden Punkte genauer. Für n > n^ hingegen ist die Meßtisch-
photogrammetrie bezüglich derjenigen innerhalb der Kugel
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 971
gelegenen Punkte, welche tatsächlich durch die beiden Auf-
nahmen abgebildet werden, vom Standpunkte der Genauigkeit
im Vorteil.
Da der Berührungspunkt der g mit der betreffenden Grenz-
fläche in XZ liegt, dieser daher die Koordinaten x -zz — /- ==
1 1 ^
= — «/, zz=, — w/.tgo) besitzt, welche andrerseits auch der
2 2
Gleichung 71') genügen sollen, so erhält man mit Rücksicht
auf 72) «1 aus
2w|(l — 2 cos^o))
n
1 ""■ 2
m
a
Nimmt man gemäß der in IX vorausgesetzten Bildweite
und Plattenabmessung cö — 63** 26', ferner m^ :=^ O'l mm,
nta = O'Ol mnty so folgt n^ = 10*95 ^ 11.
Es ist demnach mit den obigen Einschränkungen die Meß-
tischphotogrammetrie nur dann im Vorteil, wenn /i>ll / ist.
XIII.
Während die Schar der Fehlerflächen die Fehlerverteilung
für die einzelnen Punkte des Raumes gibt, kann für einen
gegebenen Punkt nach den mittleren Fehlem in verschiedenen
Richtungen gefragt werden. Man gelangt dann zu einer
neuen Fläche, welche als Verschiebungsfläche bezeichnet
werden soll.
Obwohl mit dem Bisherigen nicht in unmittelbarem Zu-
sammenhange stehend, soll anhangsweise die Verschiebungs-
fläche für die stereophotogrammetrische Punktebestimmung
untersucht werden.
Es bezeichnen x^ y, z die Koordinaten eines Punktes P
bezüglich des in IV angenommenen Achsensystems.
Für eine durch den Ursprung 0 gehende Achse X' ist
dann
x' z=. a;ir-f ßj^'+T^:, 73)
wo öt, ß, 7 die Richtungscosinus der X' mit X^ Y, Z bedeuten.
972
A. KlingAtsch,
Sind Mx, My, Mg die mittleren Fehler in den Richtungen
X, Y, Z, hingegen Mi für die neue Richtung X', so ist w^en 12)
und 73)
w|4-
''")»•
^1""
— )nt}+[ jml. 74)
Da wegen 13)
ix^
ix'
8a~
X . y z
«— + S— + Y
/ / /
z ix' „ z ix'
a-, — = ß-, - -
/ 8t). / 8/
— a ^^ T —
// // //
V
5)
ist, so wird, wenn wieder m^ =: trty = wy gesetzt wird, mit
3/? = ^11, ilf/ = 4722,
M! = a
/v2
ml+ml — =
P
f
xy
^12 =
P
xz
33
^13 =
a
83
wegen 74)
76)
.V;^ = aiia2H-a22ß2+a33Y2+2ai2aß+2ai3aT+2ag3ßY. 77)
Die Richtungen für die größte und kleinste Verschiebung
mit der Nebenbedingung
a^+ß^+Y^ = 1
bestimmen sich dann aus den drei Gleichungen
rti2a+(a22— A/i2)ß+a23T =
^13^ + ^23ß + (^33— ''^-^i^)T =
78)
Fchlerflächea topographischer Aufnahmen. 973
Für die Richtung OP wird mit ÖP == p = \/i«+/+2^
und damit aus 77) wegen 76) und 13)
M\ = (ml-^ml —] ^ + -^!^. 80)
Da aber die zusammengehörigen Werte 79) und Mi = M^
den drei Gleichungen 78) genügen, so wird für die Richtung OP
die Verschiebung einen ausgezeichneten Wert Afj, und zwar
ihren größten, erreichen.
Wird von P die der Richtung X' zukommende Ver-
schiebung als Strecke aufgetragen, so liegen, wenn m, v, tv die
Koordinaten des Endpunktes dieser Strecken für ein Achsen-
system bezeichnen, dessen Anfangspunkt P ist und dessen
Achsen parallel sind zu XYZ, für alle Richtungen X' diese so
erhaltenen Punkte «, v, tv auf der Verschiebungsfläche, deren
Gleichung wegen
Mi' Mi' ^ Mi
sich aus 77) als die F^
•+'2a^^ufV'i'2a^^vfv 81)
ergibt.
Legt man die Achse U' eines neuen rechtwinkeligen
Koordinatensystems in die Richtung OP, also in jene der
größten Verschiebung, so lautet 81)
A/fw'2-f-M|(w'«-4-«;'8) = (u'^+v'^+fv'^y, 82)
wo u'v'fv' die neuen Koordinaten, M^ den aus 80) folgenden
größten, M^ =z — ml die kleinsten Punktfehler, respektive Ver-
schiebungen bedeuten, welche demnach in einer durch P
gehenden zu OP senkrechten Ebene auftreten.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 64
974 A. Klingatsch, Fehlerfl&chen topographischer Aufnahmen.
Die Verschiebungsfläche ist gemäß 82) die Fußpunkt-
fläche eines Rotationsellipsoides, dessen Halbachsen die größte
und kleinste Verschiebung angeben.
Der gesamte, der sogenannte mittlere Punktfehler Jlf genügt
dann der Gleichung
M« = MI+2MI
in Übereinstimmung mit 14) und 15), wenn dort ÄT^Af gesetzt
wird.
975
Versuche im elektrostatischen Wechselfelde
von
Viktor V. Lang,
w. M. k. Akad,
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 80. Juni 1907.)
Charles Borel^ hat 1893, angeregt durch die Versuche
von Fran9ois Borel' über die Rotation einer Eisenscheibe im
magnetischen Wechselfelde durch Nähern eines Eisenstabes,
eine ähnliche Erscheinung für das elektrostatische Wechsel-
feld nachgewiesen. Er zeigte, daß in einem solchen Feld eine
Papierscheibe durch Nähern von Isolatoren und Leitern in
Rotation versetzt werden kann, wobei der Sinn dieser Rotation
für verschiedene Körper in verschiedenem Sinn erfolgt.
Ch. Borel benützte zu seinen Versuchen eine Influenz-
maschine und mufite daher noch einen Kommutator einschalten,
welcher die nötigen Wechsel besorgte. Ich versuchte dieselben
Erscheinungen einfacher mit Hilfe des Wechselstromes der
hiesigen internationalen Elektrizitätsgesellschaft zu wieder-
holen, so wie ich auch mit derselben Stromquelle vor kurzem
die Versuche im elektrostatischen Drehfelde ausführte.'
Schon bei Beginn der Versuche zeigte es sich, daß die-
selben, selbst was den Sinn der Drehung der Papierscheibe
1 Arch. des Sc. phys. et nat. 3y t. 30, Geneve 1 893, p. 45. Im Auszuge :
Compt. rend. de TAcad. d. Sc, t. 116, p. 1102.
2 La Lumiere elcctrique, t. 29, 1888, p. 53.
3 Diese Sitzungsber., Bd. 115, Abt. IIa. (1906), p. 211.
64*
976 V. V. Lang,
betrifft, sehr durch die Natur des Wechselfeldes bedingt sind.
Ich habe mich daher im Gegensatze zu Borel auf den ein-
fachsten Fall, den eines parallelen Wechselfeldes, beschränkt.
Auch habe ich der zu untersuchenden Substanz statt der
Kugelform die Gestalt eines runden Stabes gegeben, und zwar
wurden immer zwei gleiche Stäbe zu beiden Seiten der Scheibe
angewendet.
Mein Apparat sah folgendermaßen aus. Der Wechselstrom
wird zuerst durch einen Transformator ^ auf die Spannung von
beiläufig 9200 Volt gebracht; die Mitte der sekundären Wicke-
lung des Transformators ist geerdet, die Enden derselben
führen zu zwei Polplatten P, P' (siehe Tafel), welche aus
Zink 200x100 ww groß in der Entfernung von 170 mm ein-
ander gegenüberstehen.^ Die Stärke des Feldes zwischen den
Platten hat also eine Amplitude von etwa 1-8 elektrostatischen
Einheiten. In der Mitte des Feldes befand sich die Papier-
scheibe S an einem 880 mm langen Seidenfaden aufgehängt.
Die Natur des Papiers ist wohl ziemlich gleichgültig, um aber
möglichst durchsichtige Versuchsbedingungen zu haben» ver-
wendete ich ein Papier, das ich Dr. v. Hoor^ verdanke und das
aus reiner Pflanzenfaser bestand.
Die zumeist benutzte Scheibe hatte 45 • 2 mm Durchmesser
und trug eine Bleistiftteilung in 90 Teile, so daß ihre Drehung
bis auf 2** leicht abgelesen werden konnte. Als Index diente
hiezu der Aufhängefaden, wobei die Stellung des Auges dadurch
fixiert wurde, daß der Faden sich mit einer auf der anderen
Seite angebrachten Marke decken mußte.
Die Versuche gewannen sehr an Reinheit, als die Scheibe iST
von einem Becherglase G umgeben wurde, wie dies in Fig. 1
dargestellt ist. Dieses Glas hatte, nachdem sein oberer Rand
abgeschnitten worden war, eine Länge von 150 mm und einen
äußeren Durchmesser von 60 mm.
Im Falle stärkerer Wirkungen wurden statt der Scheibe
auch Papierzylinder benützt, die sich mittels eines Achat-
1 Ich Qberzeugte mich, dafl die Versuche auch mit einem großen Funken-
induktor ausgeführt werden können.
2 Sämtliche Maße sind in Millimeter angegeben.
3 Siehe M. v. Hoor, Elektrot Zeitschr., Bd. 22 (1901), p. 170.
Versuche im elektrostatischen Wechselfelde. 977
hütchens auf der Spitze einer Nähnadel drehten, wie ich sie bei
meinen Versuchen im elektrostatischen Drehfelde benutzte
<1. c).
Zu dem Apparate gehört noch ein schwerer Fuß, welcher
in seiner Mitte durchbohrt ist, wodurch ein auf einen Hart-
gummistab befestigte Hartgummischeibe höher und niedriger
gestellt werden kann. Hierauf kommt nun das erwähnte Becher«
glas oder der Träger mit der Nähnadel zu stellen, auf welcher
sich die Papierzylinder drehen.
Auf dem Fuße dreht sich ferner eine Holzscheibe von
150 ww Durchmesser, welche eine gleich große Paraffinscheibe
trägt und zur Aufstellung der zu untersuchenden Stäbe bestimmt
ist. Dickere Stäbe konnten einfach auf die Paraffinscheibe
gestellt werden, zur Aufstellung von dünneren Stäben dienten
Glasgefäße, die ebenfalls in Fig. 1 abgebildet sind, und aus
einem Glasrohr, in dessen unteres Ende ein flacher Glasstoppel
mit Paraffin eingekittet war, bestanden. Man überzeugte sich,
daß diese Glasfüße für sich keine Wirkung auf die Scheibe
ausüben, wenigstens in der gezeichneten tiefen Lage.
Eine zweite Art, dünnere Stäbe in vertikaler Stellung zu
erhalten, war die, daß ihr unteres Ende in kleine, viereckige
oder kreisrunde Stücke einer etwa \OfHfn dicken Hartgummi-
platte mittels passender Löcher gesteckt wurde.
Um die Mitte der Stäbe, die ja nicht alle dieselbe Länge
hatten, in die Mitte des Wechselfeldes zu bringen, waren noch
Paraffinscheiben verschiedener Dicke vorhanden, welche unter
die Stäbe gelegt wurden.
Die beiden zu untersuchenden Stäbe wurden nach einer
der angegebenen Arten immer symmetrisch auf einen Durch-
messer der Paraffinscheibe möglichst nahe dem Becherglase
aufgestellt, so daß nur ein freier Raum von etwa 3 mm blieb.
Die Entfernung der Mitte der beiden Stäbe ergibt sich also,
wenn man zu dem Durchmesser eines Stabes die Zahl
60-*-6 = 66 addiert.
Die Verbindungslinie der Stäbe wurde immer unter 60*
gegen die Ebene der Polplatte gestellt, die beiden möglichen
Stellungen AB und A'B' (Fig. 2) unterscheiden sich daher um
einen Winkel von 60*.
978 V. V. Lang,
Nach Erregung des Feldes wurde dann in diesen beiden
Stellungen der Stand der Papierscheibe abgelesen; die halbe
Differenz dieser Ablesungen ist die von den Stäben bewirkte
Drehung der Scheibe.
Diese Drehung wird als positiv bezeichnet, wenn der spitze
Winkel zwischen dem der Feldrichtung parallelen Durchmesser
der Papierscheibe und der Verbindungslinie der Stäbe größer
wird.
I. Isolatoren.
Mit isolierenden Körpern wurden folgende Resultate er>
halten:
d l ^
Schwefel 13-2 217 —V2
Rotes Siegellack 13-0 223 —1-1
Wallrat 13-8 128 —1-4
Paraffin 13-5 210 —IM
Stearin 13o 190 —1-3
Ebonit 12-1 200 —0-2
Grünes Glas 12-1 280 —1-4
d bedeutet hier den Durchmesser der betreffenden zwei
Stäbe, / ihre Länge, tp die durch sie bewirkte Drehung in der
angegebenen Lage.
Die Länge der Stäbe ist allerdings ziemlich verschieden,
doch dürfte dies bei Isolatoreh im Gegensatze von Leitern nicht
viel bedeuten, so daß vielleicht nur bei Wallrat die Stäbe bei
einer Länge von etwa 210 mm einen geänderten Wert von ^
zeigen würden.
Die Durchmesser können wohl als gleich angesehen
werden. Allerdings hat derselbe einen Einfluß, aber erst bei
größeren Unterschieden. Dies ergibt sich an zwei Beobach-
tungen, die ich an Siegellack und Paraffin anstellte. Ich fand:
d i tp
Siegellack 17-0 182 —2-7
Paraffin 36-8 197 —4-7
Die Vergleichung mit den früheren Angaben lehrt, daß in
beiden Fällen die Ablenkung mit dem Durchmesser wächst
Versuche Im elektrostatischen Wechselfelde. 979
Es würde sich daher empfehlen, um eventuelle Unter-
schiede im Verhalten verschiedener Isolatoren zu konstatieren,
Stäbe von größerem Durchmesser zu benützen: nach den vor-
stehenden Zahlen ist dies aber nicht aussichtsreich, sie
sprechen mehr für gleiches Verhalten der Isolatoren.
Was aber die Ursache der drehenden Wirkung der Isola-
toren betrifft, so dürfte diese wohl in der Polarisation liegen,
welche die Isolatoren parallel den Kraftlinien des Feldes erfahren.
Da durch die isolierenden Stäbe die Kraftlinien des Feldes jeden-
falls nur eine unbedeutende Störung erleiden, so dürfte die Ver-
teilung der positiven und negativen Elektrizität in einem be-
stimmten Moment auf den Polplatten, Stäben und Scheibe
wohl die in Fig. 2 durch -f- und — angedeutete sein. Die
Elektrizitäten -+- und — der Stäbe A, B wirken nun anziehend
auf die — und + Elektrizität der Scheibe und setzen sie in
negativem Sinne in Drehung.
Für diese Erklärung spricht wohl auch der Umstand,
daß die Versuche ebenso vor sich gehen, wenn die Scheibe S
aus leitendem Material, Aluminium, besteht. Eine solche Scheibe
von derselben Abmessung wie die Papierscheibe und mit ähn-
licher Teilung gab für die Paraffinstäbe, d zz 36*8, eine
Drehung von — 4^4, wobei freilich die Einstellung nicht so
scharf wie früher war und um etwa 2* um die Ruhelage
schwankte.
Eine ähnliche Glimmerscheibe (d •=. 44*5) gab nur — 3°2.
II. Gute Leiter.
Ich gebe zuerst die Beobachtungen, die an runden
Messingstäben angestellt wurden, um die Abhängigkeit ihrer
Wirkung von Durchmesser und Länge festzustellen. Mit Bezug
auf letztere wurde beobachtet:
Messingstäbe d^=z\2'l
Länge 100 f= -t-2 -4,
176 2-0,
210 4-4,
250 5 • 0.
980 V. V. Lang,
Hier fällt vor allem auf, daß die Drehung positiv ist. Diese
Drehung wird aber mit wachsendem Durchmesser immer kleiner
und geht endlich ins negative wie bei den Isolatoren über. Es
ergibt sich dies aus folgenden zwei Beobachtungen:
Länge 157 d-=z 8 9=+ 4^4 beobachtet
12-1 -f- 2-5 interpoliert
Länge 91 "5 d:=z 12'\ ^ r= + 2*4 interpoliert
40-0 —13-0 beobachtet
Die interpolierten Werte ergeben sich aus den zuvor ange-
gebenen Messungen.
Die Erklärung dieser Erscheinung ist wohl darin zu
suchen, daß Metallstäbe im Gegensatze von isolierenden Stäben
das parallele Feld stark deformieren, so daß sie nicht mehr im
Sinne des ursprünglichen Feldes polarisiert werden. Die Kraft-
linien werden vielmehr eine Drehung von der Verbindungs-
linie der beiden Stäbe weg erfahren, wodurch (Fig. 2) die
negative Elektrizität des Stabes der negativen Elektrizität der
Scheibe näher rückt als die positive, so daß eine Abstoßung
zwischen dem Stab und der Scheibe eintritt, wo wir bei Isola-
toren eine Anziehung hatten. Überhaupt dürfte die freie positive
Elektrizität des Stabes A mehr nach den Enden desselben
gedrängt werden, so daß die Wirkung der negativen Elektrizität
auf die Scheibe desto mehr zur Geltung kommt, je länger die
Stäbe. Dies stimmt auch mit den Zahlen, die zu Beginn dieses
Abschnittes angeführt sind.
Im Einklänge hiemit steht die Erscheinung, daß, wenn
man die beiden Stäbe oben oder unten durch Leiter oder Halb-
leiter verbindet, die positive Drehung der Scheibe sehr große
Werte annimmt. So wurde für die beiden Stäbe / == 250,
d ^ 12-1 bei gleichzeitiger Berührung mit den Händen
?= +23^
bei Verbindung durch dünne Kupferstreifen
beobachtet. Durch die Verbindung beider Stäbe verschwindet
nämlich die freie Elektrizität beider Stäbe vollkommen.
Versuche im elektrostatischen Wechselfelde. 981
Nachstehende Beobachtungen wurden an Messingröhren
ausgeführt, c bedeutet hiebe! die Wandstärke und d den
äußeren Durchmesser der Röhren.
d
t
;
?
10
0-7
162
+3-8
13-6
0-7
201
+2-2
20-5
0-55
192
+ 1-8
36-2 0-55 231 —4-9
Auch hier geht mit wachsendem Durchmesser die Drehung
aus dem Positiven ins Negative über. Ebenso wurde die Drehung
stark positiv, wenn die beiden Röhren leitend oder halbleitend
verbunden wurden. Dies gilt auch für den Fall, daß die ursprüng-
liche Drehung negativ ist. So gab die letzte Röhre bei Ver-
bindung durch die Hände oder durch Metall
? = +42^
Mitunter geriet bei den letzten Versuchen die Scheibe
sogar in Rotation nach der positiven Seite. Dies fand nämlich
dann statt, wenn der verbindende Metallstreifen nicht gut auf-
lag und zwischen demselben und der betreffenden Röhre kleine
Fünkchen übersprangen. Nachdem die Ursache erkannt war,
konnte die Rotation der Scheibe auch mit den Händen erzielt
werden, indem die eine Hand der Röhre nur soweit genähert
wurde, daß kleine Entladungen vor sich gingen.
III. Halbleiter.
Bei diesen werden die Verhältnisse noch komplizierter, da
ihre Wirkung sehr von dem Grade ihrer Trockenheit abhängt.
Untersucht wurden Zylinder aus weichem Holze und Röhren,
die aus aufgerolltem Schreibpapier hergestellt worden waren.
Die ersteren wurden unter anderen untersucht, einmal,
nachdem sie über Winter in einem ungeheizten Vorzimmer
aufbewahrt worden waren, dann nachdem sie während einer
Nacht in Wasser gelegen waren, wodurch sie um beiläufig 11 Vo
schwerer wurden.
968 A. Klingatsch,
Aus 67) und 68) folgt dann
also eine Beziehung zwischen den Koordinaten der den
Werten K entsprechenden Q, Diese liegen demnach auf einem
festen, in der Ebene E gelegenen, durch 0 gehenden Kreise V,
V
dessen auf o gelegener Mittelpunkt die Abszisse — hat.
Die Kegelerzeugenden 5 schneiden daher für alle Werte
von K zwei feste Gerade g und g^ und einen festen, die
Gerade ^ in Q schneidenden Kreis V, Die Geraden s, deren
Projektionen auf XZ der Strahlenbüschel 68) ist, erzeugen
sohin eine Regelfläche dritten Grades. Hiebei ist g eine Doppel-
gerade, g^ eine einfache Gerade der Regelfläche. Die beiden
Tangentialebenen durch g^ an ^ schneiden dann die g in den
beiden Kuspidalpunkten, deren Verbindungslinien mit den
Berührungspunkten auf V die Torsallinien der Regelfläche
geben.
Ebenso folgt hieraus ohne weiteres, daß je zwei in der
zu XZ senkrechten Ebene gelegene Erzeugende s die g^ in
Punktpaaren einer Involution schneiden, deren sich selbst ent-
sprechende Punkte auf den Torsallinien liegen. Die auf g
gelegene Reihe der Kegelspitzen S ist dabei projektiv zu
den entsprechenden Punktpaaren der Involution, wenn jedem
Scheitel das Punktpaar auf seinen Erzeugenden entspricht.
XII.
Sowie sich aus den Fehlerflächen 11) und 14) die Grenz-
fläche 16) ergab, so lassen sich aus 11) und 55), dann aus
14) und 55) die Grenzflächen zwischen der photographischen
Punktbestimmung mit parallel und senkrecht zur Standlinie
gestellten Achsen und dem tachymetrischen Aufnahmsverfahren,
beziehungsweise zwischen jener und der Stereoaufnahme ent-
wickeln.
Die erstere, hervorgehend aus 1 1) und 55), führt auf eine t\.
welche durch die Bewegung eines veränderlichen Kegelschnittes
mit konstanten Achsenrichtungen, dessen Mittelpunkt in XZ
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 969
eine Cg beschreibt und dessen Ebene parallel zu XY bleibt^
erzeugt wird. Die Normalenflächen längs der Kegelschnitte
sind auch hier Regelflächen 6. Grades, welche von der XZ in
je einer Parabel als Doppel kurve geschnitten werden, welch
letztere mit den in XZ liegenden Flächennormalen den voll-
ständigen Durchschnitt der Regelfläche mit dieser Koordi-
natenebene gibt. Eine durch den Mittelpunkt des Leitkegel-
schnittes gehende, zu YZ parallele Ebene wird jedoch dann
von der Normalenfläche in einer Q geschnitten, welche mit
den in der Schnittebene liegenden beiden Normalen die Q als
Schnittkurve gibt.
Die Verbindung von 14) und 55) gibt die zweite der oben
erwähnten Grenzflächen unter der Voraussetzung, daß wieder
der eine als fehlerfrei vorauszusetzende Aufstellungspunkt
beiden Operationen gemeinsam ist und die beiden anderen
Standpunkte, je einer nämlich für das betrefifende Verfahren^
mit dem ersten in derselben vertikalen Ebene liegen.
Mit
cj^—a — c/g, b^ — b = b^, c\ — c = Cg, ä^ =: d^ 70)
erhält die Grenzfläche die Form
{x^-^y^^z^){a.^^b^z^)+c^z^'^d^xz^ = 0. 7l)
Die Fläche ist demnach eine der ob) analoge F^, wenn
dortselbst üT = 0 gesetzt wird.
Da die Vorzüge der einen oder der anderen Methode ins-
besondere dann zur Geltung kommen, wenn bei beiden das-
selbe Instrument vorausgesetzt wird, überhaupt die Operationen
unter sonst gleichen Umständen stattfinden, so machen wir die
Annahme a^ = 0, Cg = 0, setzen also die Fehlerverhältnisse in
den Basismessungen, respektive ihren Reduktionen, ebenso
wie die Ergebnisse der Plattenausmessungen bei den beiden
Methoden als gleichwertig voraus.
Die durch 7\) gegebene F^ zerfällt dann in Z^ z= 0 und in
die Kugel
b—b^
968 A. Klingatsch,
Aus 67) und 68) folgt dann
also eine Beziehung zvvischen den Koordinaten der den
Werten K entsprechenden Q, Diese liegen demnach auf einem
festen, in der Ebene E gelegenen, durch Q gehenden Kreise *',
dessen auf a gelegener Mittelpunkt die Abszisse — hat.
Die Kegelerzeugenden 5 schneiden daher für alle Werte
von K zwei feste Gerade g und g^ und einen festen, die
Gerade ^ in Q schneidenden Kreis Ji^. Die Geraden s, deren
Projektionen auf XZ der Strahlenbüschel 63) ist, erzeugen
sohin eine Regelfläche dritten Grades. Hiebei ist g eine Doppel-
gerade, g^ eine einfache Gerade der Regelfläche. Die beiden
Tangentialebenen durch g^ an ^ schneiden dann die g in den
beiden Kuspidalpunkten, deren Verbindungslinien mit den
Berührungspunkten auf k' die Torsallinien der Regelfläche
geben.
Ebenso folgt hieraus ohne weiteres, daß je zwei in der
zu XZ senkrechten Ebene gelegene Erzeugende s die g^ in
Punktpaaren einer Involution schneiden, deren sich selbst ent-
sprechende Punkte auf den Torsallinien liegen. Die auf g
gelegene Reihe der Kegelspitzen S ist dabei projektiv zu
den entsprechenden Punktpaaren der Involution, wenn jedem
Scheitel das Punktpaar auf seinen Erzeugenden entspricht.
XII.
Sowie sich aus den Fehlerflächen 11) und 14) die Grenz-
fläche 16) ergab, so lassen sich aus 11) und 55), dann aus
14) und 55) die Grenzflächen zwischen der photographischen
Punktbestimmung mit parallel und senkrecht zur Standlinie
gestellten Achsen und dem tachymetrischen Aufnahmsverfahren,
beziehungsweise zwischen jener und der Stereoaufnahme ent-
wickeln.
Die erstere, hervorgehend aus 1 1) und 55), führt auf eine f\.
welche durch die Bewegung eines veränderlichen Kegelschnittes
mit konstanten Achsenrichtungen, dessen Mittelpunkt in XZ
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 969
eine Cg beschreibt und dessen Ebene parallel zu XY bleibt,
erzeugt wird. Die Normalenflächen längs der Kegelschnitte
sind auch hier Regelflächen 6. Grades, welche von der XZ in
je einer Parabel als Doppel kurve geschnitten werden, welch
letztere mit den in XZ liegenden Flächennormalen den voll-
ständigen Durchschnitt der Regelfläche mit dieser Koordi-
natenebene gibt. Eine durch den Mittelpunkt des Leitkegel-
schnittes gehende, zu YZ parallele Ebene wird jedoch dann
von der Normalenfläche in einer C4 geschnitten, welche mit
den in der Schnittebene liegenden beiden Normalen die Q als
Schnittkurve gibt.
Die Verbindung von 14) und 55) gibt die zweite der oben
erwähnten Grenzflächen unter der Voraussetzung, daß wieder
der eine als fehlerfrei vorauszusetzende Aufstellungspunkt
beiden Operationen gemeinsam ist und die beiden anderen
Standpunkte, je einer nämlich für das betreffende Verfahren,
mit dem ersten in derselben vertikalen Ebene liegen.
Mit
ci^—a = a^, b^ — b = b^, c\ — c = c\, d^ = d^ 70)
erhält die Grenzfläche die Form
{x^^y^^::^){a.^-{-b^z^)'^-c^z^^d^xz^ = 0. 7l)
Die Fläche ist demnach eine der 55) analoge F^, wenn
dortselbst A' = 0 gesetzt wird.
Da die Vorzüge der einen oder der anderen Methode ins-
besondere dann zur Geltung kommen, wenn bei beiden das-
selbe Instrument vorausgesetzt wird, überhaupt die Operationen
unter sonst gleichen Umständen stattfinden, so machen wir die
Annahme ag = 0, Cg = 0, setzen also die Fehlerverhältnisse in
den Basismessungen, respektive ihren Reduktionen, ebenso
wie die Ergebnisse der Plattenausmessungen bei den beiden
Methoden als gleichwertig voraus.
Die durch 71) gegebene F4 zerfällt dann in Z^ =.0 und in
die Kugel
X^^yi-^Z^- "L^x^zO. 71')
b—b^
970 A. Klingatsch,
Wird /j = hI gesetzt, so sind die Grenzflächen für ver-
schiedene n Kugelflächen, welche die YZ im Koordinaten-
anfangspunkt berühren; der Halbmesser ergibt sich aus 15),
56) und 71') mit
2 ml — wSw*
r = • 72)
Innerhalb der einem bestimmten Werte von n entsprechcn-
'den Kugel als Grenzfläche ist die Photogrammetrie genauer,
außerhalb derselben das Stereo verfahren.
Bisher wurde von der Realisierung der Abbildung abge-
sehen. Man kann bei gegebenen Plattendimensionen unter der
Annahme, daß die drei Aufsteliungspunkte in demselben Hori-
zonte, nämlich auf A" gelegen sind, jenen Wert von n bestimmen,
bei welchem durch das gewöhnliche photogrammetrische Ver-
fahren nur ein auf der zugehörigen Grenzfläche gelegener
Punkt wirklich abgebildet wird.
Die rechteckige Aufnahmsplatte bestimmt mit dem Haupt-
punkte des Objektives für jede der beiden Aufnahmen, wie
bereits bemerkt, die für die Abbildung maßgebende Pyramide.
Die beiden Vertikalebenen, welche durch die Hauptpunkte und
durch diejenigen vertikalen Seiten der Aufnahmsplatten, welche
für die Abbildung aus den beiden Standpunkten in Betracht
kommen, gelegt werden und mit Xden Winkel co bilden sollen,
schneiden sich in einer zu XZ senkrechten Geraden g, welche
demnach diejenigen Raumpunkte enthält, die von den beiden
in der Entfernung l^ beflndlichen Standpunkten auf beiden
Platten eben noch dargestellt werden können.
Da wegen n>l bei der Stereoaufnahme mit der Basis
1<I^ auch eine Abbildung von g auf beiden Platten erfolgt, so
wird für jenen Wert von n :=: n^^ für welchen g die zugehörige
Grenzfläche, also die Kugel 71') berührt, dieser Berührungs-
punkt der einzige sein, welcher sich nach beiden Methoden
gleich genau ergibt. Für jeden Wert «<Wi ist das Stereo-
verfahren — von rein praktischen Erwägungen abgesehen —
bezüglich aller von dem betreffenden Standpunkte zu bestim-
menden Punkte genauer. Für w > Wj hingegen ist die Meßtisch-
photogrammetrie bezüglich derjenigen innerhalb der Kugel
Fehlerflächen topographischer Aufnahmen. 971
gelegenen Punkte, welche tatsächlich durch die beiden Auf-
nahmen abgebildet werden, vom Standpunkte der Genauigkeit
im Vorteil.
Da der Berührungspunkt der g mit der betreffenden Grenz-
fläche in XZ liegt, dieser daher die Koordinaten x zu — /, =
1 1 ^
= — fi/, z-zz — w/.tgcö besitzt, welche andrerseits auch der
2 2
Gleichung 71') genügen sollen, so erhält man mit Rücksicht
auf 72) Mj aus
2 _ 2w|(l — 2 cos^o))
Wf z=z
1 2
ml
Nimmt man gemäß der in IX vorausgesetzten Bildweite
und Plattenabmessung w n 63** 26', ferner ntx = 0-1 mm,
nta ^=-0-01 mm, so folgt «j m 10"95 ^ 11.
Es ist demnach mit den obigen Einschränkungen die Meß-
tischphotogrammetrie nur dann im Vorteil, wenn /i> 1 1 / ist.
XIII.
Während die Schar der Fehlerflächen die Fehlerverteilung
für die einzelnen Punkte des Raumes gibt, kann für einen
gegebenen Punkt nach den mittleren Fehlern in verschiedenen
Richtungen gefragt werden. Man gelangt dann zu einer
neuen Fläche, welche als Verschiebungsfläche bezeichnet
werden soll.
Obwohl mit dem Bisherigen nicht in unmittelbarem Zu-
sammenhange stehend, soll anhangsweise die Verschiebungs-
fläche für die stereophotogrammetrische Punktebestimmung
untersucht werden.
Es bezeichnen x, y, z die Koordinaten eines Punktes P
bezüglich des in IV angenommenen Achsensystems.
Für eine durch den Ursprung O gehende Achse X' ist
dann
x^ = ax-h^y-^TZ, 73)
wo a, P, T die Richtungscosinus der X' mit X, Y, Z bedeuten.
Elektrostatisches Drehfeld. 989
Die Auflösung dieses Gleichungssystems erfolgt in be-
kannter Weise. Nehmen wir, unserem Falle entsprechend,
die Kapazitäten der beiden Kondensatoren gleich groß an,
C^=:C2^=C, so erhält man zur Bestimmung der elektromotori'
sehen Kräfte e^ und e^ die Gleichungen:
(Pe^ 2W^w^^fv^ de^ 1 _ w^ dE 1
'Jfi'^ NC 'di'^NC^^'^ "NC It'^NC^
d^e^ 2M^-f-Wi-f-n;2 de^ I w^ dE 1
IF'^ NC 'dt'^NC^^^''NC 'dT^NC^
Nun sei tv^ unendlich klein (w^rzO); wir können dann die
Gleichungen schreiben:
d»e, 2W+W, de. 1 _ «i ^ . _L p
dt" C ' dt C»^~ C dt C»
^Tp^ C dt '*'€»'- C» ^■
Ist der erste Kondensator unmittelbar an die Pole des
Transformators angeschlossen, d. h. durch einen unendlich
kleinen Widerstand (W=0) mit denselben verbunden, so ist
wegen W=zO und Wj^O auch N=:0. Schreiben wir jetzt
statt fv, einfach w, so erhalten wir schließlich für diesen Fall:
E
de^
dt
+
1
mC
«1
■zz
dE
dt
+ ■
1
wC
de^
dt
+
1
wC
^8
1
wC
■E.
E ist eine harmonische Funktion der Zeit. Setzen wir
demnach £=jBsin olL Zur Bestimmung von e^ dient dann die
Gleichung:
—7^ H 7^^, := aE cos a/ H j:rS\nait, (1)
J/ wC ^ fvC
Ihre Lösung ist ^^ =: a^ sin «/. Die Einsetzung dieses
Wertes in die Gleichung (1) liefert:
a. a cos at H ~ sin at = aJS cos at H pr sin af,
Sitzb. d. mathem.-naturwr. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. Ua. 65
988 A. Lampa,
Es seien (Fig. 1) P^ und P^ die Pole der Sekundärspule
eines Transformators, welcher die elektromotorische Kraft E
liefert. An dieselben seien zwei Kapazitäten Q und Cg in Parallel-
schaltung durch induktionslose Widerstände angeschlossen. Es
sei der Widerstand der Leiterstücke
P^A^-^P^A^=W
A,D^+A^D^ = fv^
und die durch die Ladung des Kondensators Q hervorgerufene
elektromotorische Kraft ^j, jene durch die Ladung des Kon-
densators Q hervorgerufene e^. Bezeichnen wir den Strom
in W mit /, den Strom in w^ mit Z^, den Strom in tv^ mit ij, so
geben die Kirchhoff'schen Sätze die Gleichungen
/= «i+ig
Aus diesen Gleichungen folgt:
und
ih •+- ^2) ^'+ h^i =E—e^
. _ Efv^—e^(W+fV^)'he^W
2
, _ EfV^—e^(W+fv^)+e^W
h =
oder, indem wir W{fv^+fv^-\'fv^fv^ =: N setzen:
Ni^ = Efv^—e^{W'\^fu^)+e^W,
de, dc^
Nun ist weiter i^ = Q -j^ und i^ = Q -j^ , womit die
beiden letzten Gleichungen übergehen in:
NC, ^ = Efv,--e,(W-\-fi;,)+e^W
NC, "Jjj = Ew^—e^{W'\'fV,)-k-e^W.
Elektrostatisches Drehfeld. 989
Die Auflösung dieses Gleichungssystems erfolgt in be-
kannter Weise. Nehmen wir, unserem Falle entsprechend,
die Kapazitäten der beiden Kondensatoren gleich groß an,
Ci^iCgiziC, so erhält man zur Bestimmung der elektromotori-
schen Kräfte e^ und ^2 ^^^ Gleichungen:
^dj ^2W'\-w^^fv^ de^ 1 _ fü^ dE 1
dfi NC dt NC^ '"NC dt ' NC
d^e^ ZW-^fu^-^-w^ de^ 1 _ w^ dE 1
IF'^ NC U'^NC^^^'^NC li'^NC^
Nun sei tv^ unendlich klein (w^znO); wir können dann die
Gleichungen schreiben:
d^e, 2W+fv, de 1 _:!^d£ J_
dt'' C dt C*^~ C dt C»
d*e, 2W+1V, de, 1 _ 1 p
Ist der erste Kondensator unmittelbar an die Pole des
Transformators angeschlossen, d. h. durch einen unendlich
kleinen Widerstand (W=0) mit denselben verbunden, so ist
wegen Wz=0 und n;i=:0 auch iV=nO. Schreiben wir jetzt
statt fu^ einfach w, so erhalten wir schließlich für diesen Fall:
de^
dt
•+
1
nfC
^1
—
dE
dt
+ -
1
de^
dt
+
1
^2
^^
1
wC
E.
E ist eine harmonische Funktion der Zeit. Setzen wir
demnach E^=zE s\n clL Zur Bestimmung von e^ dient dann die
Gleichung:
—TT- H -FT^x = a£cos at -I r^sxnat, (1)
J/ fvC ^ wC
Ihre Lösung ist e^ =. a^ sin a/. Die Einsetzung dieses
Wertes in die Gleichung (1) liefert:
u E
a. a cos a/ H ^ sin at =z aE cos a/ H tt sin a^
Sitzb. d. mathem.-naturvir. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. Ua. 65
990 A. Lampa,
Diese Gleichung soll für beliebige / gelten. Dies erfordert
a^=zE, womit sich e^=zEsin at ergibt. Die Potentialdifferenz
des ersten Kondensators hat dieselbe Amplitude und dieselbe
Phase wie die ladende, vom Transformator gelieferte elektro-
motorische Kraft.
Für e^ hat man die Gleichung
-^ H e^ = E sin aL (2)
ät fvC ' wC
Setzt man
e^ m ög sin (a^ — rp),
so liefert die Substitution dieses Wertes in (2) die Gleichung:
/ a« E \ . .
(^«a sm ©H TT cos © ^^ I sm at-h
\ * ^ fvC ^ fvCJ
4- [a^oL cos ff j^ sin 9 j cos at zu 0.
Die Forderung, daß diese Gleichung für beliebige i erfüllt
sei, gibt die Gleichungen:
a^a sm ?+ — ^ cos <p = — - (3)
fv(^ fvC
a„a cos © TT sin 9 =: 0. (4)
Aus Gleichung (4) folgt tg (p = und mit diesem Werte
aus (3):
^2=T l-4-«;«C2
tv^C
und hiemit
Ä
V-
a«
WC«
arvC
1 + -
1
v
a»
£ V w^C*
'%
atvC j ^
sm \ai — arc tg 1 •
;t;«C«
Elektrostatisches Drehfeld.
991
Die PotentialdiiTerenz des zweiten Kondensators hat bei
endlichem fv eine kleinere Amplitude als die treibende elektro-
motorische Kraft und ist in ihrer Phase gegen dieselbe ver-
zögert. Die Phasenverschiebung ist Null und e^ zn E, wenn
fv=iO ist, die beiden Kondensatoren also durch einen un-
endlich kleinen Widerstand verbunden werden. Die Phasen-
fuC
Verschiebung würde 90** betragen, wenn tg © = z=: oo, d. h.
OL
E
also w = oo wäre. Dann wäre aber auch ag m — = 0.
C
^
a^-
Aus den vorstehenden Überlegungen geht hervor, daß man
bei einer Anordnung der beiden Kondensatoren, wie sie in Fig. 2
dargestellt ist, ein Drehfeld erhält,
wenn man die Platten a^, a^ an
den Transformator anschließt und
je eine der Platten b mit je einer der
Platten a durch einen passenden
Widerstand verbindet. Verbindet
man a^ mit fr^, a^ mit b^, so ist der
Drehungssinn des Feldes, von oben
gesehen, gleich dem Sinne der Uhr-
zeigerbewegung; verbindet man
a^ mit b^ und a^ mit bj^, so ist sein
Drehungssinn entgegengesetzt. Diese Drehungsrichtungen ent-
sprechen der Theorie. Das Drehfeld ist nicht »homogen«, indem
weder seine Feldstärke einen konstanten Wert hat, noch auch
seine Winkelgeschwindigkeit konstant ist. Zur Demonstration
eines elektrostatischen Drehfeldes reicht aber die angegebene
Anordnung vollkommen aus; gerade für diesen Zweck dürfte
sie sich durch ihre Einfachheit besonders eignen.
Als Widerstand w zur Verbindung der Kondensatorplatten
verwendete ich zunächst Holzstäbe, zum Nachweis des Dreh-
feldes dienten Papierzylinder, wie sie von v. Lang benützt
benützt wurden.* Der Versuch gelang, wie bereits erwähnt
wurde, vollständig. Sowohl im Innenraum zwischen den Platten
* V. Lang, Versuche im elektrostatischen Drehfelde. Diese Sitzungsber.,
Bd. CXV, Abt. IIa, März 1906.
65*
992 A. LAmpa,
ais auch außerhalb derselben erhält man, wie dies in Fig. 2
angedeutet ist, eine Rotation der Papierzylinder. Außerhalb der
Platten ist die Rotationsrichtung entgegengesetzt der Rotations-
richtung im Inneren. Die Lage der Überbrückungs widerstände
ist nicht von Belang; man kann die Stäbe direkt auf die Platten
auflegen oder die metallenen Träger der Platten durch sie ver-
binden.
Wie ich bei mehrfacher Wiederholung der Versuche fand,
war es ein freundlicher Zufall, welcher den ersten Versuch mit
den Holzstücken sogleich gelingen ließ. An einem Tage, der
sich durch einen besonders hohen Wert der Luftfeuchtigkeit
auszeichnete — an diesem Tage isolierte, wie ich nachtiäglich
erfuhr, keines der in unserem Institutsgebäude bei den Unter-
suchungen über Radioaktivität gebrauchten Elektroskope — .
mißlangen die Versuche mit den Holzstäben. Die Theorie gab
mir den Fingerzeig, dieses Mißlingen auf den hohen Feuchtig-
keitsgrad zurückzuführen und ich fand in der Tat, daß die
Feuchtigkeit, d. h. mit anderen Worten, die Leitfähigkeit des
Holzes von maßgebendem Einfluß ist. Dieser Einfluß erstreckt
sich aber auch auf die Indikatoren des Drehfeldes, die Papier-
zylinder. Und dies ist wichtig zu wissen, wenn die Versuche
mit Sicherheit gelingen sollen. Trocknet man die Papierzylinder
vollkommen aus, etwa indem man sie längere Zeit über eine
durch eine Bunsenflamme erhitzte Metallplatte hängt, so
rotieren sie in dem Drehfelde nicht. Sie rotieren aber ebenso-
wenig, wenn sie sehr feucht sind, also eine zu große Leit-
fähigkeit haben. Man braucht einen solchen Papierzylinder nur
einige Minuten in ein Becherglas zu hängen, auf dessen Boden
sich siedendes Wasser befindet, um ihn als Indikator für das
Drehfeld unbrauchbar zu machen. Daß die Papierzylinder nicht
rotieren, wenn sie vollkommen trocken sind, weist darauf hin,
daß ihre Rotation nicht durch dielektrische Hysteresis, sondern
bloß durch ihre Leitfähigkeit bedingt ist. Für das Drehungs-
moment v)", welches eine hysteresisfreie leitende dielektrische
Kugel mit der Dielektrizitätskonstante £>, und der Leitfähig-
keit X/ in einem homogenen Drehfeld von der Periode t erfährt,
das von einem Medium von der Dielektrizitätskonstante Da
Elektrostatisches Drehfel4. 993
und der Leitfähigkeit X« erfüllt ist, habe ich den Ausdruck
abgeleitet:^
4it S{Dah-D{\a)
» = a^R
"* ^^^(2K+\y^{2Da+Dd^
0}
2ic u
hierin ist a = — ,R der Radius der Kugel und -5- das Potential-
gefalle des Feldes. Ist das äußere Medium Luft gewöhnlicher
Dichte, so können wir 2?« =: 1 und X^ =1 0 setzen (die
lonisierungsspannung wird bei der getroffenen Versuchs-
anordnung lange nicht erreicht) und erhalten:
Dieses Drehungsmoment ist Null für X,- =: 0, aber auch
für X^ = 00. Das Maximum des Drehungsmomentes erhält man
für Xj2=-— (2-4-A)- Dies macht verständlich, daß der nasse
T IC
Papierzylinder in dem Drehfeld ebensowenig rotiert wie ein
Zylinder aus dünnem Kupferblech.
Daß die Leitfähigkeit der Materialien, welche als Wider-
stand w verwendet werden, für das Zustandekommen des
Drehfeldes von Bedeutung ist, geht aus der oben entwickelten
Theorie hervor. Glas, Siegellack, Paraffin wirken nicht, ihre
Leitfähigkeit ist zu klein, w also zu groß; aus demselben
Grunde wirkt auch sehr gut getrocknetes Holz nicht. Metalle,
Bogenlampenkohle und nasses Holz wirken nicht wegen zu
hoher Leitfähigkeit, w ist in diesem Falle sehr klein und
zwischen den Platten a und b kommt dann keine nennenswerte
Phasenverschiebung zu stände. Als ein sehr geeigneter Über-
brückungswiderstand, dessen Größe von der Luftfeuchtigkeit
unabhängig ist, erweisen sich Geißler'sche Röhren. Ich fand
1 Ober Rotationen im elektrostatischen Drehfelde. Ein Beitrag zur Frage
der dielektrischen Hysteresis. Diese Sitzungsber., Bd. CXV, Abt. IIa, Dezember
1906.
^86 V. V. Lang, Versuche im elektrostatischen Drehfelde.
Der Sinn des Drehfeldes ist, von der Verbindungslinie der Holz-
brettchen gerechnet, negativ. In diesem Felde konnten unter
anderen auch die Holz- und Pappeschachteln in Rotation ver-
setzt werden, die ich bei meinen Versuchen im elektrostatischen
Drehfelde (1. c.) benützt hatte. Ebenso konnte gezeigt werden,
daß auch auf der äußeren Seite der Holzbrettchen ein Drehfeld
von entgegengesetztem Sinne herrscht, wie dies in Fig. 3 an-
gedeutet ist, wo die so vorhandenen drei Drehfelder durch
Papierzylinder ersichtlich gemacht werden.
Die Entstehung dieser Drehfelder dürfte wohl in dem
schlechten Leitungsvermögen des Holzes zu suchen sein, wo-
durch die Ladung und Entladung der Holzbrettchen sich gegen
die der Polplatten etwas verzögert.
Langy.v.: Versuche im oleklrosfahschenWechseJfelde.
Ltth. AiLKt.v.TTLBiiTiimurth .Vfien .
Sitzungsberichte d.kaLs. Akad.d.Wiss., inath.-natunv.Kla^s^e, Bd.CXVI.J\bth.IIa 1907
^86 V. V. Lang, Versuche im elektrostatischen Drehfelde.
Der Sinn des Drehfeldes ist, von der Verbindungslinie der Holz-
brettchen gerechnet, negativ. In diesem Felde konnten unter
anderen auch die Holz- und Pappeschachteln in Rotation ver-
setzt werden, die ich bei meinen Versuchen im elektrostatischen
Drehfelde (l. c.) benützt hatte. Ebenso konnte gezeigt werden,
-daß auch auf der äußeren Seite der Holzbrettchen ein Drehfeld
von entgegengesetztem Sinne herrscht, wie dies in Fig. 3 an-
gedeutet ist, wo die so vorhandenen drei Drehfelder durch
Papierzylinder ersichtlich gemacht werden.
Die Entstehung dieser Drehfelder dürfte wohl in dem
schlechten Leitungsvermögen des Holzes zu suchen sein, wo-
-durch die Ladung und Entladung der Holzbrettchen sich gegen
die der Polplatten etwas verzögert.
Lang y.v.: Versuche im eleklTOStahschenWechsel Felde.
LitiL Aiutt .v.Th.BiiiutmulJi .VTicn .
Sitzungsberichte d.kaLs.Aka(l.d.WLSS., tna1Iirnatui-w.Kla.sse, Bd.CXVI.Abth.IIa 1907.
987
Über eine einfache Anordnung" zur Herstellung
eines elektrostatischen Drehfeldes
von
Anton Lampa.
(Mit 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 20. Juni 1907.)
.li
/; t-
Ci
^,
^?
Herr v. Lang hat eine eigenartige Anordnung zur Er-
zeugung eines elektrostatischen Drehfeldes angegeben.^ Er
befestigt an dem einen Rande einer jeden Platte eines Konden-
sators eine in den Innenraum des Kon-
densators hineinragende Holzplatte, derart,
daß Kondensator- und Holzplatten längs
der Seiten eines Rechteckes angeordnet
erscheinen; werden die Kondensator-
platten an die Pole der Sekundärspule
eines Wechselstromtransformators ange-
schlossen, so erhält man ein Drehfeld.
Diese Anordnung brachte mich auf den
Gedanken, ob nicht auch die gewöhnliche
Drehfeldanordnung mit vier Metallplatten
zur Erzeugung eines Drehfeldes mit
Wechselstrom allein benützt werden
könne, indem man das eine Plattenpaar an die Pole des Trans-
formators anschließt und je ^ine Platte des anderen Paares mit
je einer Platte des ersten durch einen schlechten Leiter ver-
bindet. Der Versuch entsprach den gehegten Erwartungen.
Diese Anordnung läßt sich theoretisch folgendermaßen be-
handeln:
J)a
J)2
Fig. 1.
1 Diese Sitzungsberichte, Bd. CXVI, Abt. IIa, Mai 1907.
*UuM9||sky v..StefBMkRn Ober die Auu^l ttüMmgrumm Werte, cKe^eme
^Ipuise Fuiiktioh dritten« Grades anmmml.
Stes. Bcp. der WiMer Akad., IIa. Abt, Bd. 1 16 (1907), p. 895—904.
Ansahl inkongruenter Werte, die eine ganze Funktion dritten Grades annimmt.
Daublebsky v. Sterneck R., Sitz. Ber. der Wiener Akad.,
1ra/Abt,%d. 116 (1907), p. 895-904.
. »ii.1
Funktion dnrtcn Grades. Über die Anzahl inkongruenter Werte, die eine —
annimmt.
Daublebsky v. Stern eck R., Sitz. Bcr. der Wiener Akad.,
• II fli; Abt.,^Bdi li&<l907), p. 8^^.904.
.yißgpfi^^Rtf P^^ ^1^ Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten und
dess^a Abhängigkeit. van der Spannung aus d^n Teinpe^turäxulerungen
bei der Dehnung von Hartgummistäben.
' Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 1 16 (1907), p. 905—923.
Ausdehnung^beffliient, linearer; Bestimmung dcs.selben und dessen Ab-
'faifngigkeit von der Spannung aus den Temperaturänderungen bei der
Dehnung von Hartgummistäben.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
>.e05^9^.
V • ••• ^ ^ : • ..., 'V - — ». :
Spannung, Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten und dessen
.,. Aljhäqgigkeit vpft flerselben aus den Temperaturänderungen bei der
Dehnung yon Hartgumcpi Stäben.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p, 905—923,
• • • • ■ . 1 ■ \
Temp^ratürlndeningen bei der Dehnung von Hartgummistäben, Bestimmung
des linearen Ausdehnungskoeflizienten und dessen Abhängigkeit von der
Spannung aus denselben.
I at.schWaflier.l^M :$stz. Bfr..flef Wiia^er Aicajd.fUf^. Abt., Bd. 116 (1907),
' !•
p. 96^1-993.
Abt. IIa. Mal.
'i. {
•'••'3 ^^
i • fft
- Pv
^'^' -.';/.
" J' .. '
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v/
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■^ ' i; *> ' t f
2
...yofi Hartgummiatäbefi usad Temperaturänderungen bei derselben,
»tiii^n^ng. des iine«re^ Ausdehouni^kQefiizienten und dessen Ab-
agi^keit von. (tof Spannung.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
905 -923.
.mmistäbe, bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten und
lessen Abhängigkeit von der Spannung aus den Temperaturänderungen
sei der Dehnung derselben.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad.. IIa. \bt., Bd. 116 (1907),
ner R., Üt>er die Erwärmung beim Dehnen eines Jodsilberstabes.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 925—930.
irftnnung beim Dehnen eines Jodsilberstabes.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
. i?^9;f&^a3p. ,
ehaung eines Jodsilberstabes, dabei auftretende Erwärmung.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (190V),
p. 925—930,
lods Über Stab, Erwärmung beim Dehnen desselben.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 925-930.
Kruppa E., Über den Pohlke'schen Satz.
Sitz. Ber. der Wiener Akad , IIa. Abt., Bd. 110 (1907), p. 931—930.
*'i '-ti ',
Pohlke*SGfh6r Lehralatz ^fer Aehs6nom'etrie, Beweis und Pbige hingen.'
Kruppa K., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 931—930.
KUngatgoli; j^ Die Fehlerflächen topographischer Aufnahmen.
SitZi Ben deiVWseaer Akail, IIa. Abt., Bd. 1 16 (KK)7), p. 937—974.
1
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2
DohffiM vofi H&rtgummiatäbefi und Temperaturänderungen bei derselben,
Bestiinmung. des lineve;[i Ausdebnun^^kpeffizienten und dessen Ab-
hto^^keit von der Spannung.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 905 -923.
r.
Hartgummi Stäbe, Bestimmung des linearen Ausdehnungskoeffizienten und
dessen Abhängigkeit von der Spannung aus den Temperaturänderungen
bei der Dehnurig derselben.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad.. IIa. \bt., Bd. 116 (1907).
r • '' ^
Wagner R., Über die Erwärmung beim Dehnen eines Jodsilberstabes.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 925—930.
Erwärmnag beim Dehnen eines Jodsilberstabes.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
Dehnung eines Jodsilberstabes, dabei auftretende Erwärmung.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (190V),
p. 925—930,
JodsüberstAb, Erwärmung beim Dehnen desselben.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 925-930.
4 • * • <
Kruppa E., Über den Pohlke'schen Satz.
Sitz. Ber. der Wiener Akad , IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 931—936.
I. «.1. ' 1
Pohlke'sdhi^f Lehrsatz dbr Aehsonbmetrie, Beweis und Folgerungen.
Kru'p^a R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 931—936.
Klingatadi' A^t Die Fehlerdächen topographischer Aufnahmen.
^ SkZi Ber. deMVieaer AkMxL.lla. Abt., Bd. 1 16 (H)07), p. 937—974.
3
KUngatsch A., Sits. Bcr. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116
(1907), p,^.7^974^...
Topographische AufnAhmen» Fehlerflächen derselben.
' *Kli'iig^!t»eh.AvSil2. Ber* 4er Wlctter Akad^ IIa. Abt., Bd. 116
(19Ö7)/p. 937— 074
»1. ' St ' • . * •• . » .
Aufnahmen, topographische, Fehlerflftchen derselben.
Klingatsch A., Sitz. Her. der Wiener Akad., Ha. Abt., Bd. 116
(1907), p. 937—974.
Lang V., V., Versuche im elektrostatischen Wechselfelde.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 975—986.
Elektrostatisches Wechselfeld, Versuche in demselben.
Lang V., V., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 975—986.
Wechselfeld, elektrostatisches, Versuche in demselben.
Lang V., V., Sitz. Ber. der Wiener Akad., ila. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 975—986.
Drehfeld, elektrostatisches, Versuche in demselben.
Lang V., V., Sitz. Ber. der Wiener Akad., Ha. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 975-986.
Kraftlinien, Nachweis derselben mit der Flamme.
Lang V., V., Sitz. Ber. dci Witner Akad., Ha. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 975—986.
Lampa A., Über eine einfache Anordnung zur Herstellung eines elektrostatischen
Drehfeldes.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., Ha. Abt., Bd. 116(1907), p. 987 — 994.
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERUCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTUCHE KLASSE.
CXVI. BAND. VI. HEFT.
ABTEILUNG IIa.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
■4a»-
66
997
Die Phasenverschiebung durch Reflexion an
den Jamin'schen Platten
von
E. Mach,
w. M. k. Akad.
(Mit 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 4. Juli 1007.)
Stellt man ein exakt geschliffenes rechtwinkliges Parallel-
epiped von schlierenfreiem Glas, etwa 7ofnm lang, 23 mm hoch,
1 3 mm dick, so auf, daß die Ebene der 75 mm langen vertikalen
Grenzfläche sehr nahe an einer vertikalen engen Fenster-
ladenspalte vorbeigeht, welche sich in dieser Grenzfläche
spiegelt, so kann man, die Lupe auf die von der Lichtquelle
fernere vertikale Kante dieser Fläche einstellend, die Hälfte
eines Interferenzstreifensysteras beobachten, dessen mittlerer
dunkler Streifen mit der eben genannten Kante zusammen-
fallt. Dies ist der bekannte Lloyd'sche Versuch mit einem
Spiegel, welcher gewöhnlich als Beleg der von der Theorie
geforderten Phasenverschiebung von einer halben Schwingung
bei Reflexion am optisch dichteren Medium (Glas) angeführt
wird. Es ist mir nicht bekannt, daß jemals eine Umkehrung
dieses Experiments versucht worden wäre. Mit dem genannten
Parallelepiped gelingt die Umkehrung sehr leicht, indem man,
die Lichtquelle und deren Spiegelbild vertauschend, durch das
Glas auf die Spalte hinblickt und dieselbe an der das Glas
begrenzenden Luft sich spiegeln läßt. Dann erhält man aber
ein Interferenzbild von genau demselben Charakter wie in dem
vorigen Falle, wobei wieder ein dunkler Streifen in der Spiegel-
ebene liegt. Radiert man mit der Teilmaschine zwei feine
Spalten von Vg mm Abstand in die Versilberung einer Glas-
platte, so kann man diese so an der vom Licht zuerst
66*
998 E. Mach,
getroffenen Fläche des Parallelepipeds befestigen, daß jede
Spalte in den Ort des Spiegelbildes der anderen Spalte fallt.
Dann sieht man, die Lupe oder das Mikroskop auf die von den
Lichtquellen fernere Kante einstellend, ein vollständiges
Interferenzstreifensystem mit durchaus gleich breiten Streifen,
dessen mit der Spiegelebene zusammenfallende Symmetrale
dunkel ist. Die Hälfte des Streifensystems liegt im Glas, die
andere Hälfte in der Luft. Schon der bloße Anblick läßt hierüber
keinen Zweifel und ein schwach vergrößerndes Mikroskop mit
Okularmikrometer zeigt alle Abstände zwischen zwei benach-
barten Minimis gleich groß. Anwendung von Licht mit
vertikaler oder horizontaler Polarisationebene ändert diesen
Befund nicht.*
Der Lloyd'sche Versuch ergibt also für beide Fälle das-
selbe Resultat, was man verständlich findet, wenn man bedenkt,
daß bei streifender Inzidenz sowohl die Luft- als auch die Glas-
grenze eine für den Lichtprozeß undurchdringliche Wand vor-
stellt. Darum hat aber auch diese auf den speziellen Fall
der streifenden Inzidenz beschränkte Versuchsform keinen
besonderen Wert.
Die Frage der Phasenverschiebung bei der Reflexion trat
zuerst bei dem genaueren Studium der Erscheinungen am
Newton*schen Glase auf und dieser Fall bot auch die erste
Gelegenheit, derselben experimentell näher zu treten. Eine
vollständige Analogie zu dem Newton*schen Glase bilden die
Jamin'schen Platten, welche jedoch bei dem Umstände, daß die
interferierenden Strahlen weit getrennte gesonderte Wege
verfolgen, eine viel bequemere Prüfung und Änderung der
Versuchsumstände gestatten.
Sonnenlicht falle auf die Linse L, deren Brennpunkt
zwischen den nahe aneinander gerückten Jamin'schen Platten
J und y liegt, so daß die Bündel, soweit sie innerhalb der
Platten verlaufen, kleinen Querschnitt behalten und, abgesehen
von der Oberdeckung in 1 und 2, reinlich getrennt bleiben. Nur
1 Wie das Ergebnis des umgekehrten Lloyd'schen Versuches mit
Fresnel's Auflassung zu vereinigen ist, mag hier einstweilen dahin gestellt
bleiben. Vergl. Fresnel, Oeuvres, T. I, p. 767 bis 799, insbesondere Verdefs,
iVnmerkung p. 789.
Phasenverschiebung durch Reflexion.
999
*-1-*
der Achsenstrahl ist in nebenstehender Figur dargestellt. Bei 1
trennen sich die Bündel; das eine verläuft über 7, das andere
über 7'; in 2 findet wieder Vereinigung statt Beide Bündel
gehen nun wieder sich überdeckend bis B, wo der Schnitt des
Strahlenkegels durch einen Projektionsschirm die Strahlen
verschiedener Neigung in verschiedener Interferenzfarbe
zeigt. Da beide Strahlenbündel genau dieselben Reflexionen
und Brechungen durchmachen, ist der kleinste Gangunterschied
Null. Wir erhalten einen
mittleren weißen Inter-
ferenzstreifen, auf welchen
wir den Schatten einer vor L
gestellten, durch den Doppel-
pfeil angedeuteten Nadel
fallen lassen. Fassen wir nun
das von A ausgehende Licht
bei C ab, so erscheint jetzt
der Schatten der Nadel auf
einem dunklen mittleren
Interferenzstreifen. Bezeich-
nen wir die Phasenverschie-
bung durch äußere Reflexion
mit a, jene durch innere
Reflexion mit i und messen
wir beide durch Bruchteile
der ganzen Schwingung (1),
so erfährt der über 7' nach
C verlaufende Strahl die
Phasenverschiebung /, der über J nach C gelangende Strahl
aber a-h2i. Demnach entspricht das Interferenzbild bei C der
Gleichung a-hi z= Ya-
Übertragen wir nun die Linse L mit der Nadel nach D und
lassen wir das Licht von D nach 1 einfallen, wo sich die Bündel
trennen, um sich bei 2 wieder zu vereinigen und bei C ein
Interferenzbild mit mittlerem weißen Streifen zu liefern, auf
welchen wir den Schatten der Nadel einstellen. Der Schatten
erscheint aber sofort auf einem dunklen mittleren Streifen,
wenn wir etwa bei J die Reflexion an Wasser, welches
1000 E. Mach, Phasenverschiebung durch Reflexion.
schwächer als Glas, bei J' an Schwefelkohlenstoff, der stärker
als Glas bricht, stattfinden lassen.^ Nach unserer Bezeichnung
entspricht der ersteren Reflexion die Phasenverschiebung f, der
zweiten aber die Phasenverschiebung a. Der zweite Doppel-
versuch liefert also die Gleichung a—i= Vg. Aus allen vier
Versuchen, beziehungsweise aus den beiden Gleichungen folgt
Bei dem ersten Doppelversuch kann man die beiden
Bilder B und C bequem nebeneinander zugleich sehen; der
zweite Doppelversuch zeigt natürlich die beiden Bilder C nach-
einander. Der Schatten der Nadel bleibt in beiden Versuchen
auch in schwarzen Streifen vollkommen deutlich, weil mit der
Änderung der Phasenverschiebung zugleich eine Intensitäts-
verschiedenheit der interferierenden Strahlen eingeführt wird.
Die beschriebenen sehr einfachen Versuche* bestätigen
die Folgerungen, welche Fresnel aus seiner mechanischen
Theorie der Reflexion gezogen und die Stokes* schon aus der
allgemeinen einfachen Voraussetzung abgeleitet hat, daß man
(mit umgekehrtem Bewegungssinn) den einfallenden Strahl
(und nur diesen) zurück erhält, wenn man den aus diesem
hervorgehenden reflektierten und gebrochenen Strahl synchron
mit Umkehrung der momentanen Schwingungsgeschwindigkeit
in sich zurückleitet. Mit den entsprechenden Modifikationen —
Einführung polarisierten Lichtes und spektraler Auflösung —
dürften sich diese Versuche auch zur Erprobung der genaueren
Cauchy'schen Reflexionstheorie eignen.
1 Vergl. Lieben-Festschrift, Leipzig 1906, p. 295.
^ Es ist zwar recht bequem, mikrometrische Bewegungen zur Verfügung
zu haben, meinem Sohn Ludwig gelangen aber sämtliche hier beschriebenen
Versuche auch aus freier Hand mit durch Wachs auf einem Brettchen befestigten
müßigen Planplatten.
8 Mathematical and Physical Papers, Cambridge 1883, Vol. II, p. 90.
r
1001
Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit
nach Fizeau und akustische Analogien
von
Mathias Cantor in Würzburg.
(Mit 2 Textiiguren.)
(Vorgelegt in der Sitsung am 6. Juni 1907.)
§ 1. Sieht man von den astronomischen Messungen ab,
so beruht die Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit auf den
Überlegungen, welche von Fizeau angestellt worden sind;
denn dieselben Überlegungen liegen auch der Methode von
Foucault zu Grunde. Bei der fundamentalen Bedeutung,
welche der Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit zukommt,
erscheint eine exakte Begründung der Fizeau'schen Methode
von beträchtlicher Wichtigkeit. Der Mangel einer solchen zeigte
sich aber auf das deutlichste bei der Diskussion jener Versuche,
welche einen Einfluß der Farbe auf die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit des Lichtes ergaben.
Young und Forbes* hatten durch Messungen, welche
im wesentlichen nach der Fizeau'schen Methode angestellt
worden waren, gefunden, daß das blaue Licht sich um l'87o
schneller fortpflanzt als das rote.
Lord Rayleigh'* führte dieses Ergebnis darauf zurück,
daß bei der Fizeau'schen Methode nicht die »Lichtgeschwin-
digkeit«, sondern eine »Gruppengeschwindigkeit« bestimmt
werde.
Die Gruppe entsteht durch Übereinanderlagerung zweier
Wellenzüge von gleicher Richtung und gleicher Amplitude,
1 Young und Forbes, Nature, 24, 303 (1881).
2 Rayleigh, ibid., 24, 382 (1881).
1002 M. Cantor,
deren Perioden sich ein wenig voneinander unterscheiden. Lord
Rayleigh^ hatte früher solche Wellengruppen untersucht und
gezeigt, daß deren Fortpflanzungsgeschwindigkeit von der eines
einfachen Weltenzuges verschieden ist, und er nimmt an, daß
bei der Fizeau'schen Methode die Fortpflanzungsgeschwindig-
keit einer solchen Gruppe gemessen wird.
W. H. Macaulay * hat auf die Schwierigkeit hingewiesen,
welche der Erklärung von Lord Rayleigh anhaftet, und den-
selben zu einer weiteren Darstellung* veranlaßt Indes geht
auch aus diesen Betrachtungen in keiner Weise hervor, wie
durch das Fizeau*sche Experiment veranlaßt wird, daß Wellen
von verschiedener Periode auftreten, in welcher Beziehung die
Perioden der einzelnen Wellen, welche die Gruppe bilden sollen,
zu der Periode des Lichtes stehen, mit dem der Fizeau*sche
Versuch angestellt wird, und warum endlich gerade die Ge-
schwindigkeit der Gruppe bei diesem Versuch bestimmt wird.
Spätere Auseinandersetzungen* beziehen sich auf die
Methode von Foucault und brauchen deshalb hier nicht
näher besprochen zu werden. Es geht aber aus ihnen hervor,
daß sowohl über die Grundlage der physikalischen Methoden
zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit als auch über die
Bedeutung der mit diesen Methoden ausgeführten Messungen
eine ziemliche Unsicherheit besteht und der Zusammenhang
zwischen der nicht direkt meßbaren Lichtgeschwindigkeit und
den Beobachtungen, durch welche ihre Größe bestimmt wird,
nicht streng hergestellt ist. Unter diesen Umständen schien es
angemessen, zunächst festzustellen, was bei dem Fizeau*schen
Experiment eigentlich beobachtet wird.
§ 2. Die Fizeau*sche Anordnung läßt sich im Schema durch
die Fig. 1 darstellen.
Ein Bündel paralleler Strahlen durchsetzt das rotierende
Zahnrad R, wird vom Spiegel S reflektriert und nach noch-
1 J. W. Strutt, Baron Rayleigh, Theorie des Schalles. Deutsch von
Neesen, Braunschweig 1880, 1. Bd., p. 327, und 2. Bd., p. 385.
s W. H. Macaul ay, Nature, 24, 556 (1881).
3 Rayleigh, Nature, 25, 52 (1881/82).
4 Vergl. F. Auerbach im Handbuch der Physik, herausgegeben von
A. Winkelmann, 2. Aufl., Bd. VI, p. 480 (1906).
Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit
1003
maligem Durchgange durch das Zahnrad durch das Auge bei A
wahrgenommen.
Die Beobachtung ergibt, daß die Intensität der wahr-
genommenen Lichter sich mit wachsender Rotationsgeschwin*
digkeit periodisch ändert. Eine exakte Theorie der Erscheinung
wird die Frage zu beantworten haben: Wie hängt die beob-
achtete Lichtintensität von den Abmessungen der
Apparate und der Geschwindigkeit des Rades ab?
§ 3. Um zu einer Lösung dieser Frage zu gelangen, kann
zunächst der Spiegel in der Fizeau'schen Anordnung ersetzt
werden durch ein zweites
□
]l c
I
5
Zahnrad, welches dem ersten
ganz gleich ist, sich am Orte
des Spiegelbildes des ersten
befindet und mit demselben
vollkommen synchron be-
wegt wird.
Dies vorausgesetzt, soll
der Durchgang eines Bündels
paralleler Strahlen durch die
beiden rotierenden Räder
untersucht werden. Das Bün-
del sei normal zu den Rädern
— diese Richtung wird zur
jr-Achse gewählt — und sei
so schmal, daß es an allen Stellen als von gleicher Intensität
betrachtet werden kann.
Der Lichteindruck, den das aus dem zweiten Zahnrad aus-
tretende Licht in einem dort befindlichen Auge bewirkt, wird
dann durch den zeitlichen Mittelwert der Amplitudenquadrate
bestimmt. Der Raum zwischen den Zahnrädern sei erfüllt von
einem homogenen Medium, in welchem die Maxwell'schen
Gleichungen gelten, so daß für den Lichtvektor J5 die Gleichung
Fig. 1.
8*£
8/«
-=1 a>
8
8^
(0
besteht, wo o) die Lichtgeschwindigkeit in dem Medium be-
zeichnet. Zur Bestimmung von E ist dann weiter der Anfangs-
1004 M. Cantor,
zustand und das Verhalten an der Stelle :i: == 0, wo sich das
erste Zahnrad befindet, gegeben.
Durch das Zahnrad wird der hinter ihm befindliche Raum
abwechselnd beleuchtet und vollständig verdunkelt Ist N die
Schwingungszahl des einfallenden Lichtes und v die Zahl der
Verdunkelungen in der Sekunde, so hat man für x=zO
E=Ssin2KNt, (2)
wo
5=^1 H (cos 2icvt cos 6irv/4- • • •) r
Dabei bezeichnet 2A die Amplitude des einfallenden
Lichtes.
Bis zur Zeit t = 0 soll das Zahnrad sich in einer Stellung
befinden, in welcher das Licht ungestört durchgeht, so daß bis
/ = 0
£ = 2^ sin 2 7c (Nt — —\ (3)
Die Differentialgleichung (1) kann nun entsprechend den
Nebenbedingungen (2) und (3) nach der vonRiemann^ an-
gegebenen Methode, welche schon bei einer früheren Gelegen-
heit ^ benützt worden ist, integriert werden. Die dort angewen-
dete Bezeichnung und Darstellung wird auch hier gebraucht.
Die Rechnung wird sehr vereinfacht, wenn die Verdunke-
lungen nicht sprungweise, sondern stetig erfolgen. Dies
wird erreicht, wenn man statt der Zahnräder Schirme benützt,
welche den Zähnen entsprechende Sektoren tragen, durch die
das Licht stetig bis zur vollständigen Abbiendung geschwächt
wird. Auch mit einem rotierenden Spiegel oder Nichorschen
Prisma ließe sich eine stetige Abschwächung des Lichtes aus-
führen. Im folgenden soll eine solche vorausgesetzt werden
und dann kann S in (2) ersetzt werden durch
S' = 2A cos« wv/.
1 Heinrich Weber, Die partiellen Differentialgleichungen. Braunschweig
1901, 2. Bd., p. 224.
2 M. Cantor, Annalen der Physik, 4. Folge, 20. Bd., p. 333 (1906).
Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit.
1005
Setzt man noch ^zn co/ und stellt E in der ;ry-Ebene dar
(Fig. 2), so hat man für E im Punkte (xy) : b
f
3_>*
8;r
Fig. 2.
Aus (3) folgt dann für ^y z= 0
£= —2^ sin ß;tr
8£
9£
8^'
= — 2.4ß cos p^r
= 2^ß cos ?A',
wobei zur Abkürzung gesetzt ist ß =
Es folgt hieraus, daß
/8£
27C.V
(0
(I)
(3a)
längs den zu G,
V 8;i: ^y
parallelen Geraden verschwindet, und man erhält deshalb für
x = 0
£ = 2-4 cos* ay sin ^y
— =r 2^ß COS* oy cos ßj — 2^asin 2asin ß_>'
8£
(2 a)
8;r
= — 2i4ß cos^ ay cos ßj'+2^a sin 2asin ß>',
wo a =
ÄV
a>
1006 M. Cantor,
Bei Ausführung der in (I) angedeuteten Integration ist zu
berücksichtigen, daß
dx =:0 längs aO
dy =zO längs Ob
und daß die Koordinaten von a und b, wie in Fig. 2 ersichtlich,
durch (y — x), beziehungsweise (y-^x) angegeben werden. Für
E im Punkte (xy) folgt dann
2E=i2A cos^ cii(y—x) s\n^(y—x)—2A^l cos*ay cos ^ydy-h
Jy—x
ro ry+x
'h2Aal sin 2aL sin ^ydy +2 A^l cos^xdx
Jy—x J
und daraus nach einfacher Umformung
2£ = 2A sin %{y—x)^A sin i^^2d){y—x)'¥
^A sin (ß— 2a) {y^x) (la)
oder, wenn ^'j ot, ß durch /, v und U ersetzt werden,
2£ r=: 2A sin 2T:N(t— — ) -hA sin 27r(Ar+v) (t— — ) +
-^-A sin 2ir(.V-v) [t— — V {Ih)
Hienach erhält man drei fortschreitende Wellenzüge; einen
mit der ursprünglichen Periode A^ und zwei neue, deren
Schwingungszahlen um die der Verdunkelung vermehrt, be-
ziehungsweise vermindert sind.
Setzt man voraus, daß, wie es beim Fizeau'schen Experi-
ment der Fall ist, v sehr klein gegen A'^ ist, so kann das Auge
die neu auftretenden Farben nicht als solche wahrnehmen,
sondern erhält einen Lichteindruck, welcher der ursprünglichen
Periode entspricht. Die Intensität dieses Lichteindruckes wird
erhalten^ wenn man die drei Wellenzüge zu einem mit der
Periode A^ und zeitlich veränderlicher Amplitude-B zusammenfaßt.
Aus (la) folgt nun
Ez=: A [cos ß^r+cos ß,r cos 2a(y'-x)] sin ßj/—
— ^[sin ß^r+sin ^x cos 2a(^— a:)] cos ß^',
Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit. 1007
woraus man findet
B = 2Acos^a(y''X), (II)
Dieses Licht wird nun durch den zweiten rotierenden
Schirm beobachtet und durch diesen geschwächt im Verhältnis
cos* ay.
Der im Auge entstehende Lichteindruck wird bestimmt
durch den Mittelwert des Amplitudenquadrates während der
Dauer einer Verdunkelungsperiode, also während der Zeit
T = — . Bezeichnet also / die wahrgenommene Lichtstärke,
so hat man \ rT
i =z — / B^ cos* aydi
Tjo
oder, wenn statt i und T y und a eingesetzt wird,
% •=. / cos* (i[y — X) cos* fiydy,
^ Jo
Man erhält hieraus
« = — J^\\ -4-8 cos* fiX'\ cos* (ix\ •
32 L 3 J
Es ändert sich hienach die wahrgenommene Lichtstärke
periodisch mit wachsendem o, d. i. mit wachsender Rotations-
geschwindigkeit der Schirme und erhält immer gleiche Werte für
O.X in o^jr-h^i:,
wenn k eine ganze Zahl bedeutet.
Die Lichtstärke verschwindet nie völlig, aber sie hat ein
sehr deutliches Minimum für
2
Die kleinste verhält sich zur größten Lichtstärke, welche
ceteris paribus durch Veränderung der Rotationsgeschwindig-
keit entsteht, wie 3 : 35. Die kleinste Geschwindigkeit, welche
1008 M. Cantor,
ein Minimum von /, also die möglichst vollständige Verdunke-
lung des Gesichtsfeldes ergibt, ist bestimmt durch
ax = —' (III)
2
Hiebei bedeutet x den Abstand der beiden Schirme.
Bei dem Fizeau'schen Versuch entspricht x=:2l, wenn
mit / der Abstand des Zahnrades vom Spiegel bezeichnet wird.
Setzt man für a seinen Wert und bezeichnet mit v^ die Zahl
der Verdunkelungen pro Sekunde bei der kleinsten Geschwin-
digkeit, die ein Minimum von i ergibt, so muß
4/Vo = a>.
Beim Fizeau'schen Zahnrade würde v^ ausgedrückt durch
wenn z die Anzahl der Zähne, n die Tourenzahl des Rades
angibt, bei welcher die erste Verdunkelung eintritt, und man
erhält
a> m 4lzn,
die bekannte Relation, nach welcher die Lichtgeschwindigkeit
bestimmt wurde.
§ 4. In der MaxweH'schen Gleichung (1) bedeutet (o eine
durch die Natur des Mediums bestimmte Konstante. Die An-
wendung dieser Gleichung setzt voraus, daß in dem Medium
keine Dispersion stattfindet. Nimmt man aber an, daß diese
Gleichung auch noch auf dispergierende Medien angewendet
werden kann, wenn man co für verschiedene Schwingungs-
zahlen verschiedene Werte beilegt, so läßt sich der experimentell
beobachtete Einfluß der Farbe auf die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit des Lichtes zum Ausdruck bringen.
Wie (I^) zeigt, treten neben der ursprünglichen Schwingung
mit der Periode A^ noch solche mit den Perioden N-hy und
A^ — V auf. Wenn nun in einem dispergierenden Medium w die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit bedeutet für Licht von der
Schwingungszahl N, so müssen den beiden anderen Wellen-
Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit 1009
Zügen davon verschiedene Werte o' und v^" beigelegt werden.
Dies vorausgesetzt, erhält man aus (Ift):
2 £ = 2i4 sin 2Äiv(/— — ) +>! sin 2ic(iV+v) (/— ^) -h
+^ sin 27c(A^-v)(/ ^)- (Ic)
Nun ist V sehr klein gegen N — bei den Versuchen von
V
Fizeau war — etwa 10""' — und man kann deshalb setzen
N
8(0
{o'=:(0 + - — v=:ra)(l4-s)
8A^
w'' =r 0) V m co(l — e),
8iV
wo
V 8a)
(ü 8A^
auch ein sehr kleiner Bruch ist.
Führt man dies in (Ic) ein und vernachlässigt die Glieder
zweiter Ordnung, so erhält man
2£ = 2A sin 27cN(t— —] -i-A sin 2T:X[t— - -f- — ) +
4->lsm27tiV / L
\ 0) a> /
wo
(ö/v :rv
.V N
gesetzt ist.
Drückt man /, v, iV wieder durch y, a, ß aus, so wird
2£ = 2^ sin ß {y—x)^A sin ß (^— ;»r+w)H-^ sin ß {y-^x-^m).
Für die Amplitude des resultierenden Wellenzuges erhält
man
5 = -4(1 + cos ßw)
1010 M. Cantor,
oder, wenn man für m seinen Wert setzt, nämlich
wird
/:r 8w -. \ V
B = A[i + cos 2a[y-x^^^^N)]
Setzt man zur Abkürzung
SO wird
B = 2A cos« aCr— 6). (IIa)
Man erhält also denselben Ausdruck wie in (II), wenn
dort X durch S ersetzt wird.
Die Bedingung für die erste möglichst vollständige
Verdunkelung des Gesichtsfeldes wird also wie in (III) gegeben
sein durch
a€=y. {\\\a)
Wenn wieder v^j die dem ersten Minimum entsprechende
Anzahl von Verdunkelungen pro Sekunde bedeutet und x-zzll
gesetzt wird, so erhält man
8(1)
ia—N
iN
oder
Nicht wesentlich verschieden davon ist die Relation
8
4vo/=:g^(A^co).
ist die von Lord Rayleigh als Gruppengeschwindigkeit
bezeichnete Größe, welche durch die Beobachtung von v^
Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit. 1011
bestimmt wird. Ist die Dispersion des Mediums bekannt, so
kann hienach co berechnet werden.
§ 5. Im vorstehenden ist gezeigt, daß neben der ursprüng-
lichen Welle mit der Schwingungszahl N neue mit den
Schwingungszahlen iV-f-v und /V— v auftreten. Es bedeutet
das, daß bei der Beleuchtung durch den rotierenden Schirm
eine Erscheinung auftritt, wie sie nach dem Dopple r'schen
Prinzip bei der Reflexion an einen oszillierenden Spiegel zu
erwarten ist.
Würde mit monochromatischem Licht beleuchtet und das
Licht nach Durchgang durch den ersten Schirm spektral
zerlegt, so würde man drei äquidistante Linien erhalten. Die
Intensität der mittleren wäre viermal so groß als die der beiden
äußeren. Vielleicht steht das häufig beobachtete Vorkommen
von Triplets^ hiemit im Zusammenhang.
Wenn das Licht nicht streng monochromatisch ist, so
würde man eine Verbreiterung der entsprechenden Spektral-
linie beobachten können. Wenn die Verdunkelung nicht stetig,
wie hier vorausgesetzt wurde, sondern sprungweise durch ein
Zahnrad erfolgt, so würden außer den erwähnten noch Wellen
mit anderen von N weiter entfernten Schwingungszahlen
entstehen. Die Intensität, die diesen entspricht, nimmt aber
rasch ab, so daß auch dann die Erscheinung nicht wesentlich
geändert würde.
Indes scheint es mit mechanischen Mitteln nicht erreichbar,
die Zahl der Unterbrechungen so weit zu steigern, um eine
merkbare Verbreiterung zu erhalten.
Günstiger liegen die Verhältnisse bei akustischen Beob-
achtungen, für welche sich dieselben Folgerungen ergeben.
Es ist in der Tat wiederholt beobachtet worden, daß ein
einfacher Ton beim Durchgang durch eine rotierende durch-
lochte Scheibe in einen Dreiklang aufgelöst wird.^ Es würde
ferner die der Rechnung zu Grunde gelegte Modifikation des
Fizeau'schen Versuches die Möglichkeit bieten, die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit des Schalles zu bestimmen.
1 Vergl. H. Kays er im Handbuch der Physik, herausgegeben von
A. Winkelmann, 2. Aufl., Bd. VI, p, 717 (1906).
2 Vergl. J. Stefan, diese Sitzungsberichte, Bd. 54 (2), p. 508, 1866.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 67
1012 M. CahtoT, Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit
§ 6. Zum Schlua&e möchte ich darauf hinweisen, da§ mit
Hilfe des Fizeau'schen Versuches die Messung der Zeit auf
die der Länge zurückgeführt werden kann.
Wird nämlich dieser Versuch im Vakuum ausgeführt und
der Umlauf des Zahnrades auf das erste Minimum eingestellt,
so beschreibt dieses Rad direkt eine Uhrenbewegung. Die
Anzahl der Zähne, welche von einem als Nullpunkt der Zeit-
messung gewählten Augenblick an durch eine bcstinunte Stelle
hindurchgehen, würde unmittelbar die Maßzahl der Zeit
angeben.
Zur Reproduzierbarkeit dieser physikalischen Zeit-
maße wäre bloß erforderlich, daß eine Längenmessung —
die von / — möglich sei und daß Helligkeitsgrade unter-
schieden, beziehungsweise daß solche als unverändert beurteilt
werden können.
Statt des Vakuums könnte auch ein anderes Medium als.
Normalmedium benützt werden, wenn dasselbe und die
Farbe des Lichtes eindeutig bestimmbar sind. Dies vorausgesetzt
ist dann nach Michelson eine reproduzierbare Längeneinheit
festgelegt.
1013
Die Schallenergie des elektrischen Funkens
• von
Rudolf V^agner.
Aus dem physikalischen Institute der k. k. Universität in Innsbruck.
(Vorgelegt in der Sitsung am 4. JuH 1907.)
Für eine Schallwelle, welche auf eine vollkommen reflek-
tierende Wand normal auffallt, ist nach Rayleigh^ die Größe
des auftretenden Druckes p durch die Gleichung
bestimmt, wo E die in der Sekunde auffallende Energie und v
die Schallgeschwindigkeit bedeutet, p ist direkt zu messen^
und zwar für harmonische Schwingungen entweder nach einer
Methode von Boltzmann, welche vonToepler und Boltz-
mann* ausgeführt und von Raps* weiter ausgearbeitet wurde
oder nach einer zweiten manometrischen Methode von M.Wien.^
Auch wurde eine Methode von W. Altberg*^ angegeben, welche
gestattet, mittels Drehwage und Spiegelablesung den Druck für
beliebige Komplexe von Schallwellen zu bestimmen. Der Zweck
dieser Arbeit ist, nach demselben Prinzipe die Abhängigkeit
der Schallenergie, die im elektrischen Funken auftritt, vom ver-
wendeten Material der Elektrodenkugeln zu untersuchen.
1 Lord Rayleigh, Phil. Mag. (6), 3, p. 383 (1902).
2 M. Toepler und L. Boltzmann, Pogg. Ann., 141, p. 321 (1870).
3 A. Raps, Wied. Ann., 50, p. 193 (1893).
^ M. Wien, Wied. Ann., 36, p. 384 (1889).
5 W. Altberg, Ann. d. Physik, 1 1, p. 405 (1903).
67*
1014 R.Wagner,
An einer stark mittels Paraffinöl gedämpften Wage, deren
Empfindlichkeit passend geregelt worden war, wurde eine
Halbkugelschale aus Glas äquilibriert. Schalen aus Metall
eigneten sich nicht, weil sie infolge der in ihnen induzierten
elektrischen Schwingungen eine ziemlich starke Anziehung
gegen die Funkenstrecke zeigten. Letztere war vertikal ver-
schiebbar und wurde so eingestellt, daß sie sich im Momente
der Ablesung genau im Mittelpunkte der Halbkugel befand.
Zeigt die Wage infolge des Schalldruckes des Funkens ein
gewisses Übergewicht g an, so ist, weil hier nur die vertikale
Komponente des Druckes zum Ausdrucke kommt,
■r% A a A 2jE
P zz. \r^%p •=! Ag r=.
V
der Gesamtdruck, den die Schallwelle auf einer Kugelfläche
vom Radius r hervorbringt, v ändert sich mit der Entfernung.
Verwendet man jedoch immer gleich große Kugelschalen, so
ist jedenfalls g ein relatives Maß für die ausgesandte Schall-
energie £. Übrigens ergaben Versuche mit Glasschalen ver-
schiedener Größe (r = 7 • 5, 6, 5 und 4 cm) quantitativ gleiche
Resultate.
Die Wage wurde, um kleine Unregelmäßigkeiten der
Dämpfung zu beseitigen, von Teilstrich zu Teilstrich geeicht.
Über derselben war, um Luftströmungen zu vermeiden, Gaze
gespannt, welche nur vorn zum Zwecke der Ablesung ein
Glasfenster freiließ. Der Strom wurde einem Ducretet -Trans-
formator mit angeschaltetem Kondensator (141 w) entnommen,
welcher durch den Straßenstrom (110 Volt, 84 Wechsel) ge-
speist wurde. Bei jeder Messung wurde die Spannung des
Sekundärstromes und die Stärke des primären beobachtet,
letztere bei allen Versuchen konstant auf 4 Ampere gehalten.
Die Funkenstrecke betrug 1 mm, der Durchmesser der Elek-
trodenkugeln 8 mm.
Fehler entstehen vor allem dadurch, daß sich die Funken-
strecke im Momente der Messung nicht genau im Mittelpunkte
der Halbkugel befindet. Bezeichnet man mit a die vertikale
Entfernung der als punktförmig angenommenen Schallquelle
Schallenergie des elektrischen Funkens.
1015
vom Mittelpunkte der Kugel, mit P den so erhaltenen Druck,
mit Pq den Druck, den der Funke vom Mittelpunkte der Schale
aus ausüben würde, so findet man:
P =
Ti.p
\ 1 a^ r^ a^ 11
a
f a a^
— PI .1
r 2r3
-...)
In unserem Falle war der Halbmesser der Glasschale
l'bcm^ so daß dieser Fehler sicher unter 3% herabsinkt,
sobald man auf a < 2 mm genau einstellt.
Eine weitere Fehlerquelle bilden die Luftströmungen, die
durch die Erwärmung der Elektrodenkugeln entstehen. Diese
Wirkung ist aber sicher klein (<3f«^), was man erkennt,
wenn man in die Funkenstrecke eine kleine Spirale aus Platin
einschaltet und durch einen hindurchgeschickten Strom zum
Glühen bringt Übrigens vermindert sich dieser Fehler noch
dadurch, daß hier nicht die absolute Größe des Druckes,
sondern nur dessen Abhängigkeit vom Material untersucht
wurde.
Messungen, bei welchen sich infolge von kleinen Strom-
schwankungen eine Unregelmäßigkeit im Funken zeigte, was
man am besten an größeren Schwankungen des eingeschalteten
Hochspannungselektrometers erkennen konnte, wurden unbe-
rücksichtigt gelassen.
Unvermeidliche Fehler entstehen außerdem durch un-
richtiges Einstellen der Funkenstrecke auf 1 mm und durch
die Erosion der Kugeln.
Trotzdem stimmen die Resultate ziemlich gut überein.
Es wurde nämlich aus einer Reihe von sechs aufeinander-
folgenden Messungen der Mittelwert g^ genommen, dann die
Kugeln abgeschraubt, gereinigt und nochmals das Mittel g^
aus einer zweiten Serie von sechs Messungen gebildet. / be-
deutet die Schmelztemperatur des betreffenden Metalls, V die
beobachtete Spannung im Sekundärkreis.
1016
R. Wagner,
gl
g2
V
/
Platin
25 mg
—
-c. 550 Volt
1780*»
Elementenkohle
30 »
31«^
950 >
—
Silber
34 »
30 »
c. 3000 »
1000
Messing
40 »
37 »
1500 »
912
Aluminium ....
44 »
41 >
1100 »
c. 700
Gaskohle
43 »
41 »
1100 >
Reines Zink . . ,
41 •
48 .
c. 1200 »
415
Käun. Zink . . .
46 *
48 «
c. 1000 »
412
Kadmium
56 »
51 »
c. 1300 »
320
Blei
65 .
69 >
c. 48 »
63 >
62 >
44 »
800 »
1200 »
325
230
c. 1300
Zinn
Eisen
Antimon
c. 71 »
62 »
800 »
630
Messing, amal-
gamiert
59
Silber, amalga-
miert
44
Die Tabelle zeigt eine Abhängigkeit des Schalldruckcs
und also auch der Schallenergie des elektrischen Funkens
vom Material, und zwar ist letztere um so größer, je niedriger
die Schmelztemperatur desselben ist. Vielleicht findet dies
seine Erklärung darin, daß mit steigender Schmelztemperatur
auch die zum Verdampfen des Metalls verbrauchte Strom-
energie wächst, die hervorgebrachte Schallenergie also ab-
nimmt. Eisen und Antimon allein machen eine Ausnahme.
Letztere Messung ist jedoch wenig zuverlässig, da wegen der
Sprödigkeit dieses Metalls die Kugeln nicht präzise hergestellt
werden konnten. Der ungewöhnlich hohe Wert für Eisen
Schalietiergse des elektrischen Funkens.
1017
dürfte auf die sich sofort bildenden Oxydschichten zurück-
zuführen sein.
Um die Abhängigkeit des Druckes von der im Sekundär-
kreis eingeschalteten Kapazität zu untersuchen, wurde die-
selbe bis zu 705 m gesteigert. Nach einem kurzen Anstieg
erfolgte ein deutliches Sinken des gemessenen Druckes, wie
folgende Tabelle zeigt, in welcher g der direkt an der Wage
abgelesene Druck in Milligramm, C die Kapazität in Metern
bedeutet. Auch hier wurde der Primärstrom konstant auf
4 Ampere gehalten.
c
30
45
50
47
42
42
40
45
41
43
40
37
35
34
47
94
141
188
235
282
329
376 423 470
517
564
611
658
32
705
Die Elektrodenkugeln waren aus Aluminium. Die Funken-
strecke blieb in dieser Reihe ungeändert auf c. 1*2 mm, so daß
hier der Fehler wegen falscher Einstellung derselben fortfällt.
Doch machte sich hier die Erosion des Metalls unangenehm
bemerkbar.
Eine Vergrößerung der Funkenstrecke führte, wie zu er-
warten, eine bedeutende Steigerung des Druckes herbei. Es
ergaben sich folgende Werte:
Funkenstrecke 0*5 mm
Druck 9 mg
1 mm
37 m£
2 * 1 mm
c. 90 mg
Ferner wurde der Schalldruck des Funkens in Kohlen-
säure gemessen, wobei als Elektroden Messingkugeln ver-
wendet wurden. Es zeigte sich der Schalldruck in Kohlensäure
um c. 40^0 größer als der in Luft.
Schlüsse aus den erhaltenen Werten auf den im Funken
selbst herrschenden Druck zu ziehen, geht bei der hier ver-
wendeten Methode schon deshalb nicht an, weil die zur Ver-
fügung stehende Wechselzahl gering war und hier im offenen
Räume eine jede Welle nur einmal auf die Kugel trifft. Das
Zeitintegral des Druckes ist also kein Maß für den in jeder
einzelnen Schallwelle herrschenden Druck, und zwar offenbar
um vieles kleiner. Immerhin zeigt sich in einigen Punkten —
Abhängigkeit von der Natur des Gases, Funkenlänge und
1018 R. Wagner, Schallenergie des elektrischen Funkens.
Kapazität — eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit den
von Haschek und Mache^ durch manometrische Messung
innerhalb einer geschlossenen Kugel erhaltenen Resultaten.
Als wesentlich neues Ergebnis erscheint somit hauptsäch-
lich der Zusammenhang zwischen der akustischen Energie des
Funkens und der Schmelztemperatur des Elektrodenmaterials.
1 Wied. Ann., 68, p. 740 (1809).
1019
Studien über die Anomalien im Verhalten der
Dielektrika
von
Prof. Egon Ritter v. Schweidler.
Mit dem Baumgrartner-Frelse ausgrezelclinete Arbelt.
(Mit 7 Tafeln und 6 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 6. Juni 1907.)
Einleitung*.
Vom Standpunkt der allgemeinen Theorie der elektrischen
Erscheinungen ist ein homogenes und isotropes Dielektrikum
durch zwei Materialkonstanten ausreichend zu charakteri-
sieren: durch seine Dielektrizitätskonstante und durch
sein spezifisches Leitvermögen.
Viele Dielektrika zeigen nun Anomalien ihres Verhaltens,
die sich nicht ohneweiters in den Rahmen der allgemeinen
Theorie fassen lassen, ähnlich wie dies auf dem Gebiet des
Magnetismus bei den ferromagnetischen Substanzen der Fall
ist. Da sich ohne spezielle Hypothesen nachweisen läßt, daß
die verschiedenen Arten der Anomalien in gegenseitigem Zu-
sammenhange stehen, sind sie hier auch im Zusammenhange
behandelt.
Die hier gegebene Darstellung zerfällt in drei Haupt-
teile.
Im I. Teile werden die Hauptformen des anomalen
Verhaltens der Dielektrika auf Grund der bisher vorliegenden
experimentellen Ergebnisse ohne Anwendung einer speziellen
Hypothese oder Theorie zusammengestellt; als solche Haupt-
formen werden unterschieden:
1. die Rückstandsbildung, das ist das Auftreten nach
bestimmten Gesetzen zeitlich variabler Ströme in Dielektrikas
1020 E. V. Schweidler,
unter der Einwirkung eines konstanten oder sehr langsam ver-
änderlichen elektrischen Feldes;
2. die Energieverluste (Umwandlung elektrischer
Energie in Wärme) in Dielektrikas unter dem Einfluß eines
Wechsel- oder Drehfeldes;
3. die ponderomotorischen Kräfte, die ein Dielek-
trikum im elektrischen Drehfeld erfährt;
4. die scheinbare Abhängigkeit der Kapazität eines
Kondensators und somit auch der Dielektrizitätskonstante
seines Dielektrikums von der Ladungsdauer bei konstanter
Spannung, beziehungsweise Periodendauer bei Wechsel-
spannung.
Der Ausdruck »Hysteresis«, der für die unter 2. und 3.
genannten Erscheinungen häufig gebraucht wird, ist hier vor-
läufig vermieden, da er bereits eine nicht allgemein angenom-
mene Voraussetzung über die Natur dieser Phänomene zur
Grundlage hat.
Der II. Teil behandelt die Theorie der anomalen Er-
scheinungen. Es wird zunächst der oben erwähnte gegenseitige
Zusammenhang der vier Hauptformen abgeleitet; hierauf
wird die Unvereinbarkeit der Anomalien mit den einfachen
Annahmen der allgemeinen Theorie nachgewiesen; es folgt
eine Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten, diese Ano-
malien theoretisch zu behandeln durch Zurückführung auf
Anomalien der Struktur des Mediums (Inhomogenität,
MaxweU'sche Theorie der geschichteten Dielektrika) oder der
Leitungsvorgänge (lonenleitung) oder endlich des dielek-
trischen Verhaltens (Nachwirkung, Hysteresis, Viskosität).
Der Versuch einer Modifikation der einzigen bisher
vorliegenden präzisen Formulierung einer solchen Theorie (der
Pellat'schen Theorie) bildet zusammen mit dem Nachweis, daß
aus den Gesetzen der Rückstandsbildung die übrigen Formen
des anomalen Verhaltens der Dielektrika quantitativ darstellbar
sind, den wesentlichsten Bestandteil dieser Studien.
Der III. Teil enthält die Resultate experimenteller Unter-
suchungen des Verfassers. Da nach seiner Ansicht die bisher
vorliegenden, im I. Teile besprochenen Ergebnisse ausreichen,
um die im II. Teile dargelegten theoretischen Folgerungen zu
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1 02 1
Stützen, bieten sie nichts prinzipiell Neues, sondern dienen
bloß zur Eriäuterung, Bestätigung und Ergänzung jener Ergeb-
nisse und zur Aufstellung eines Schemas für die Charakteri-
sierung eines Dielektrikums durch Angabe seiner Material-
konstanten.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse schließt die
vorliegenden Studien ab.
Der Anhang enthält ein Verzeichnis der einschlägigen
Literatur, auf das die Zitate innerhalb des Textes bezogen sind.
I.Teil.
Die Hauptformen des anomalen Verhaltens der
Dielektrika.
1. Die Rückstandsbildung.
Werden die Belegungen eines Kondensators mit den Polen
einer Stromquelle konstanter elektromotorischer Kraft ver-
bunden, so tritt in den Zuleitungen ein Strom auf, dessen
Intensität mit der Zeit abnimmt. Bei einem idealen nicht-
leitenden Dielektrikum gilt nach der allgemeinen Theorie für
den »normalen Ladungsstrom« die Differentialgleichung:
d'^i dt 1
dt^ dt C
wobei C die Kapazität des Kondensators, S den Selbstinduk-
tionskoeffizienten und TV den Widerstand des äußeren Leitungs-
kreises darstellt. Je nach dem Verhältnis der numerischen
Werte dieser drei Konstanten erfolgt die Ladung des Kon-
densators gedämpft oszillatorisch oder aperiodisch gedämpft.
Bei nicht sehr großem Widerstände des äußeren Leitungs-
kreises sinkt die Stromstärke in jedem der beiden Fälle sehr
rasch ab, so daß in den praktisch realisierbaren Fällen der
normale Ladungsstrom nach Zeiten von der Größenordnung
eines kleinen Bruchteiles einer Sekunde gleich Null gesetzt
werden kann.
1022 E. V. Schweidler,
Falls das Dielektrikum nicht vollkommen isolierend ist, so
ist dem normalen Ladungsstrom ein »normaler Leitungs-
strom« a übergelagert, der gegeben ist durch die Formel
47cX
a =1 CEj
K
wobei X das spezitische Leitvermögen, K die Dielektrizitäts-
konstante des Mediums, C die Kapazität des Kondensators und
E die elektromotorische Kraft der Stromquelle bezeichnet (alle
Größen sind in absoluten elektrostatischen Einheiten gemessen
gedacht).
Tatsächlich nun beobachtet man bei vielen Dielektrikas,
daß dem normalen Ladungsstrom i\ und dem normalen
Leitungsstrom a noch ein »anomaler Ladungstrom« v,
übergelagert ist, so daß der gesamte Strom darstellbar ist
durch :
Dabei ist y^ eine Funktion der Zeit, die asymptotisch auf
Null absinkt, aber viel langsamer als der normale Ladungs-
strom iy
Werden die Belegungen des Kondensators, nachdem sie
durch ein Zeitintervall 5 auf konstanter Potentialdififerenz ge-
halten wurden, miteinander leitend verbunden, so sind bezüglich
der Gesetze des Entladungsstromes zwei Typen zu unter-
scheiden:
a) Der Entladungsstrom J^ entspricht dem normalen
Entladungsstrom /g, der durch eine ganz analoge Differential-
gleichung wie der normale Ladungsstrom i\ bestimmt ist;
b) analog wie bei der Ladung ist ein »anomaler Ent-
ladungsstrom« ^'2 übergelagert und es ist y^ wieder eine mit
wachsender Zeit auf Null absinkende Funktion dieser. Dabei
gilt noch die Bezeichnung zwischen y^ und yy.
y,dt=—l y^ät,
Jo
d. h. die gesamte Elektrizitätsmenge, die infolge des anomalen
Entladungsstromes einen Querschnitt der Leitung passiert, ist
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1023
entgegengesetzt gleich derjenigen, die während der Ladungs-
dauer 8 durch den anomalen Ladungsstrom transportiert wurde.
Während im Falle a), der besonders bei verschiedenen schlecht
leitenden Flüssigkeiten realisiert ist(Koller,IV,3; Schweidler,
IV, 7, 8, 10; Gädeke, IV, 9), der Ladungsprozeß so verläuft,
als ob das Leitvermögen des Mediums durch den Strom-
durchgang zeitliche Änderungen erfahren würde, ist im Falle b)
der Ladungsprozeß ein reversibler; das Medium verhält sich,
als ob die dem Zeitintegral des anomalen Ladungsstromes
y^ät entsprechende Elektrizitätsmenge absorbiert wäre,
um bei der Entladung allmählich wieder frei zu werden.
Diesen reversiblen Prozeß bezeichnet man gewöhnlich als
Bildung, beziehungsweise Freiwerden des »Rückstandes«
[
r
und das Integral / yidt als die in der Zeit 8 gebildete »Rück-
standsladung«.
Prinzipiell weniger einfach sind die Verhältnisse, wenn die
Belegungen des Kondensators nicht auf konstanten Potentialen
gehalten werden, sondern eine von ihnen isoliert ist; doch ist
gerade diese Form der Rückstandserscheinungen die historisch
primäre und bei dieser wurde man auf die oben erwähnte
Bezeichnungsweise geführt. Wird ein Kondensator geladen und
dann die eine der beiden Belegungen isoliert, so nimmt die
Potentialdifferenz V der Belegungen und damit die durch das
Produkt £^V gegebene sogenannte »disponible Ladung« ab.
Diese Abnahme erfolgt rascher, als es dem stationären Leitungs-
strom a entsprechen würde. Wird umgekehrt der geladene
Kondensator durch vorübergehende leitende Verbindung der
Belegungen entladen und hierauf die eine Belegung isoliert, so
tritt allmählich eine neuerliche Ladung vom gleichen Vorzeichen
wie die ursprüngliche auf, wächst bis zu einem Maximum
an, um dann wieder (infolge der Leitung des Dielektrikums)
asymptotisch auf Null zu sinken.
Bezüglich der Gesetze, die für den zeitlichen Verlauf der
Rückstandserscheinungen sowie für ihre Abhängigkeit von
anderen Nebenbedingungen gelten, haben die experimentellen
Untersuchungen zu folgenden Resultaten geführt:
X
1024 E.V. Schweidler,
Der anomale Ladungsstrom oder rückstandsbildende
Strom y^ ist an einem gegebenen Kondensator bei gegebener
elektromotorischer Kraft als Funktion der Zeit darstellbar durch:
Dabei ist w<l.
Diese Formel kann nur als Annäherung betrachtet werden.
Zunächst erhält man für / = 0, ^^1=00, wobei allerdings
y.di == —^ für endliches 8 endlich bleibt. Ferner wird
1 fL
0
XOQ
y^dt =. 00, was ebenfalls aus später zu be-
sprechenden Gründen unwahrscheinlich ist. Der Verlauf des
Stromes innerhalb des ersten unendlich kleinen Zeitelementes
sowie nach unendlich langer Zeit läßt sich natürlich nicht
empirisch bestimmen. Innerhalb der der Beobachtung zugäng-
lichen Zeitintervalle hat sich aber obige* Formel gut bestätigt
gezeigt (Kohlrausch, I, 1; Hopkinson, I, 9, 10, 11; Giese,
1, 15; J. Curie, I, 21 u. a.). Versuche, welche über weil längere
Zeiträume als in den zitierten Arbeiten die Gültigkeit dieser
Formel prüfen, sind im III. Teile angeführt
Wird derselbe Kondensator unter der Einwirkung ver-
schiedener elektromotorischer Kräfte untersucht, so ergibt sich,
daß der Rückstandsstrom y^ der elektromotorischen Kraft E
proportional ist bei unveränderter Form des zeitlichen Ver-
laufes. Also y^=B.t-^ = b.EJ-^
(Kohlrausch, I, 1; J. Curie, I, 21).
Wird ein bestimmtes Dielektrikum in verschiedenen Schicht-
dicken untersucht, so ist nach Hopkinson (1,9, 10, 11) der
Rückstandsstrom y^ der Dicke umgekehrt proportional, wieder
bei unveränderter Form des zeitlichen Verlaufes. Da Proportio-
nalität des Stromes mit dem Querschnitt (Flächengröße der
Belegung) selbstverständlich ist, kann man auch den Strom
proportional der Kapazität des Kondensators setzen und man
erhält die Formel:
jVi z^i'.^./-''^ p.c. £./-«,
wo jetzt ß und n Konstanten des Mediums als solchen sind.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1025
Bezüglich des Entladungsstromes y^ gelten folgende
Gesetze: Nach sehr langer Ladungsdauer des Kondensators
ist der Entladungsstrom dem Ladungsstrom entgegengesetzt
gleich:
y% = —yv
bei kürzerer Ladungsdauer 8 ist^g<>^j, zeigt rascheren zeit-
lichen Abfall, und zwar darstellbar durch die Formeln:
y, = -f{t)-\-f{t-^i),
wobei / die vom Beginn der Ladung (bei y^y respektive Ent-
ladung (bei y^) gerechnete Zeit, S die Ladungsdauer bezeichnet.
Dieses Ergebnis kann so interpretiert werden: Der beob-
achtete Entladungsstrom y^ entsteht aus der Superposition
des dem Ladungsstrom y^ =f(t) entgegengesetzt gleichen
Stromes — /(/) und eines Stromes /(/-*-8), der einfach als
ungestörte Fortsetzung des Ladungsstromes auch nach der
Entladung aufgefaßt werden kann.
Dieses sogenannte Superpositionsprinzip wurde
experimentell gefunden von Hopkinson (I, 9, 10, 11) und
J. Curie (I, 21).
Die oben erwähnte Formel:
Xoo r*l
y,di = ^ y,dt
Jo
ist eine Konsequenz desselben.
Das Superpositionsprinzip kann noch erweitert werden:
Bei mehrmaligen sprungweisen Änderungen der Spannungs-
difterenz der Belegungen superponieren sich die jeder Änderung
entsprechenden Ströme, als ob sie unabhängig voneinander
wären. Wenn also zu den Zeiten
^ = 81,82,63. . .8*
Sprünge in der Potentialdiflferenz um die (positiven oder
negativen) Beträge:
1026 E. V. Schweidler,
eintreten, so ist der resultierende Strom:
y = E^f{t-l,)+E^f{t-\)+ . . .E,f(t—l,y
Eine Verallgemeinerung dieses empirisch gefundenen und
bestätigten Superpositionsprinzipes führt zur Darstellung des
Stromes bei beliebig variierender Spannungsdifferenz
durch die Formel
4/
' — oo
Darin ist /(/) die Funktion, die den Verlauf nach einer
einzigen sprungweisen Änderung im absoluten Betrage 1 dar-
stellt, also nach dem oben Mitgeteilten:
annähernd /(/) =: ß. C /""•*.
Wie alle Materialkonstanten sind auch die den Verlauf der
Rückstandsbildung bestimmenden Konstanten ß und n als
Funktionen der Temperatur zu betrachten. Die Angaben
verschiedener Beobachter (Bedell und Kinsley, I, 26;
Hopkinson und Wilson, I, 34; Naccari, IV, 6 und I, 37,«
Schvveidler, I, 46) über den Einfluß der Temperatur zeigen
Widersprüche, die aber vielleicht nur scheinbare sind. Gewöhn-
lich wird angegeben, daß der Rückstand mit steigender
Temperatur abnehme; andere Beobachter geben an, daß mit
steigender Temperatur die Konstante ß zunehme, während der
Exponent n nicht wesentlich von der Temperatur beeinflußt
werde. Aus dieser letzteren Angabe würde folgen, daß die in
gegebener Zeit 8 gebildete Rückstandsladung R-=z^.C.E' j—
mit der Temperatur wachse.
Wird aber nach längerer Ladungsdauer der Kondensator
momentan entladen, hierauf die eine Belegung isoliert und nun
mittels einer elektrometrischen Methode die bis zu einem
Maximum ansteigende, dann wieder abnehmende Rückstands-
ladung messend verfolgt, so kann bei höherer Temperatur das
beobachtete Maximum erniedrigt sein, wenn nämlich das Leit-
vermögen des Dielektrikums mit der Temperatur rascher
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1027
ansteigt als die Größe ß. Einige Versuche über diese Frage sind
im III. Teile besprochen.
Erwähnenswert sind noch zwei Beobachtungen über die
Beeinflussung der Rückstandsbiidung durch mechanische und
elektrische Zustandsänderungen.
Nach Hopkinson (I, 10) werden die anomalen Ladungs-
und Entladungsströme bei einer Leydnerflasche verstärkt durch
gleichzeitige mechanische Erschütterungen.
Nach V. Hoor (VI, 2) kann die Rückstandsbildung eines
Kondensators verringert werden durch oft wiederholtes »For-
mieren«, d. i. abwechselndes Laden und Entladen.
2. Energieumwandlung im Wechsel- oder Drehfelde.
Kondensatoren mit flüssigem oder festem Dielektrikum
zeigen häufig eine Erwärmung, wenn ihre Belegungen durch
Verbindung mit einer Wechselstromquelle alternierend geladen
werden (Siemens, II, 1; Naccari und Bellati, II, 2;
Borgmann, II, 3; Steinmetz, II, 6; Janet, 11,8; Kleiner, II, 11;
Fritz, 11, 14; Düggelin, 11,21; Benischke, 11,24; Eisler,
II, 25; Rosa und Smith, 11,35; Mercanton, 11,41; Moscicki
und Altenberg, II, 49). Dasselbe findet statt, wenn ein
Dielektrikum sich in einem elektrischen Drehfelde befindet
(Guye und Den so, II, 50).
Bezüglich der verschiedenen Stärke dieser Wärme-
produktion in verschiedenen Substanzen sind besonders die
Untersuchungen von Kleiner (II, 11), P>itz (II, 14) und
Düggelin (II, 21) zu nennen. Kautschuk, Ebonit, Glas, Siegel-
lack und Guttapercha zeigen diese Erscheinung in besonderer
Intensität, Glimmer, Paraffin und viele isolierende Flüssigkeiten
in schwachem bis unmerklichem Grade.
Eine Reihe von Untersuchungen betriff't die Abhängigkeit
von der Effektivspannung des Wechselfeldes; die meisten
Beobachter finden Proportionalität zwischen der pro Zeiteinheit
entwickelten Wärmemenge W und dem Quadrat der Effektiv-
spannung JE : W^ = a£* (Borgmann, II, 3; Steinmetz, II, 6;
Hess, II, 23; Benischke, 11,24; Eisler, II, 25; Houllevigue,
II, 29); doch finden andere Beobachter (Mercanton, II, 41;
Silzb. d. mathera.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 68
1028 E. V. Schweidicr,
Moscicki und Altenberg, 11,49) auch Abweichungen von
diesem Gesetze.
Weitere Resultate betreffen die Abhängigkeit von der
Periodenzahl n des angewandten Wechselstromes. Im all-
gemeinen steigt die Wärmemenge W mit der Periodenzahl an
(Hess, II, 23; Eisler, II, 25, Beaulard, II, 36 und 37;
Moscicki und Altenberg, II, 49; Guye und Denso, II, 50).
Wird die entwickelte Wärmemenge auf die Dauer der Periode
des Wechselstromes t bezogen statt auf die Zeiteinheit, so
ergibt sich, daß die Funktion TW^=i/(ff) bei einem gewissen
Werte von n ein Maximum besitzt (Mercanton, II, 41; Rosa
und Smith, II, 35).
Analog wie beim Rückstand kann bisweilen die Wärme-
produktion im Dielektrikum durch wiederholte Beanspruchung
(»Formieren«) herabgedrückt werden (Kleiner, II, 20; v. Hoor,
VI, 2).
3. Ponderomotorische Kräfte im elektrischen Drehfelde.
Diese Erscheinungen treten auf bei relativer Rotation
des Dielektrikums zu einem elektrischen Felde, also entweder
wenn ein ruhendes Dielektrikum sich in einem elektrischen
Drehfelde befindet oder wenn ein Dielektrikum in einem
ruhenden Felde rotiert. Es zeigt sich, daß in diesen Fällen
Drehungsmomente auf das Dielektrikum ausgeübt werden, auch
wenn es die Form eines Rotationskörpers mit zur Feldrichtung
senkrechter Achse hat, also aus Symmetriegründen bei relativer
Ruhe keine Drehungsmomente entstehen können (Arno, II, 7,
15 bis 19, 27; Quinke, III, 2; Borel, II, 12; Threlfall, II,
30, 31; Schaufelberger, II, 32, 34; Heydweiller, III, 6;
Graetz, III, 7; v. Lang, II, 52).
Ist das Dielektrikum von Luft umgeben, so entsteht ein
Drehungsmoment, das es im Sinne der Rotation des Feldes
zu drehen sucht: also Mitnehmen des ursprünglich ruhenden
Dielektrikums im rotierenden Felde oder Hemmung des
rotierenden Dielektrikums im ruhenden Felde.
Ist aber der Körper in eine sehr schlecht leitende Flüssig-
keit eingetaucht, so kann sich das Vorzeichen des Drehungs-
momentes umkehren: im ruhenden Felde wird eine vorhandene
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1 029
Rotation des Körpers beschleunigt (Quincke, III, 2), im
Drehfelde eine der Feldrotation entgegengesetzte Rotation des
Körpers hervorgerufen (v. Lang, II, 52).
Eine quantitative Bestimmung des Drehmomentes kann
erfolgen im Drehfelde aus der Torsion einer elastischen
Suspension, die dem elektrischen Drehmomente das Gleich-
gewicht hält, im ruhenden Felde aus der Dämpfung von
Schwingungen (Arno, Threlfall, Schaufelberger). Für die
Abhängigkeit des Drehmomentes D von der elektrischen Feld-
intensität jF findet Schaufelberger die Beziehung:
Arno und Threlfall dagegen:
wobei n in verschiedenen Fällen verschieden (1*5 bis 1*96),
aber immer kleiner als 2 war.
Bei konstanter Feldintensität nimmt das Drehungsmoment
mit wachsender Rotationsgeschwindigkeit zu (Arno, II, 27).
4. Abhängigkeit der Dielektrizitätskonstante von Ladungs-
dauer, beziehungsweise Periodenzahl.
Sowohl wenn die Kapazität eines Kondensators bei
kurzdauernder Verbindung mit einer Stromquelle konstanter
Spannung bestimmt wird als auch bei Verwendung einer
Wechselstrommethode ergaben viele Versuche eine Abhängig-
keit des unmittelbar gefundenen Wertes für die Kapazität und
somit auch des Wertes der Dielektrizitätskonstante von der
Ladungsdauer, respektive von der Periodenzahl (Frequenz) des
Wechselstromes (vergl. Literaturverzeichnis, Abteilung V).
Mit einer einzigen Ausnahme (Lech er, V, 6) fanden alle
Beobachter, daß die Dielektrizitätskonstante um so kleiner wird,
je kürzer die Ladungsdauer, respektive je größer die Perioden-
zahl ist. Bisweilen sind die Unterschiede sehr bedeutend; z. B.
findet J. J. Thomson (V, 5)
für Glas, bei Frequenz n r= zirka 100 Vscc : Ä'= 9 bis 11,
n= 25.10«:A^=2-7;
68*
1030 E.V. Schweidler,
analog Northrup (V, 17)
für Glas, bei w == 100 :ür=6-25.
» n= 10« bis 10':Ä'=5-86;
und Beaulard (V, 15)
für Glas, bei Ladungsdauer A = 0*008 sec : Ä'= 6-22,
A = 0-0004 » :i:=3-66.
IL Teil.
Die Theorie des anomalen Verhaltens der Dielektrika.
1. Zusammenhang der Hauptformen anomalen Verhaltens.
Die im I. Teile dargestellten Hauptformen des anomalen
Verhaltens sind nicht unabhängig voneinander, sondern es läßt
sich nachweisen, daß aus dem Bestehen der ersten Hauptfonn,
der Rückstandsbildung, das Auftreten von den anderen Haupt-
formen analogen Erscheinungen notwendig folgt.
Es ist bereits im Abschnitt I, 1 erwähnt worden, daß das
zunächst experimentell gefundene Superpositionsprinzip
verallgemeinert bei beliebiger zeitlicher Variation der angelegten
Spannung: £ = ^(/) zu folgender Formel für den Rückstands-
strom führt: ^
J—oo
wobei f(f) eine Funktion ist, die den zeitlichen Gang des
Rückstandsstromes darstellt, falls zur Zeit t = 0 an den vorher
unendlich lange Zeit der Einwirkung elektrischer Kräfte ent-
zogenen Kondensator plötzlich eine Spannungsdifferenz von
der Größe 1 angelegt wird. Nach den bereits gegebenen
Resultaten kann/(^ annähernd dargestellt werden durch
/(0 = ß.C.^-« (w<l).
Es soll zunächst der Spezialfall untersucht werden, daß
die Spannungdifferenz der Kondensatorbelegungen eine ein-
fache periodische Funktion der Zeit sei, also
-, — 2ic/
E=: Eq sin
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1 03 1
Aus obiger Formel folgt dann:
wobei
u = — EJ d^ cos -^^ /(/—»);
«/ — oo
setzt man (/ — ^) m w, so ergibt sich daraus:
2ic _ / . 2ic/ _ . 2icn
1/ =: — iB^) M cos h-D sm > ,
-4 = I /(w) cos du
f(u) sin dl*.
r
Dieser Strom it ist dem normalen Strome übergelagert,
der sich wieder aus dem normalen Ladungsstrom und dem
normalen Leitungsstrom zusammensetzt und unter Vernach-
lässigung von Selbstinduktion und Widerstand im äußeren, die
Belegungen verbindenden Kreise dargestellt wird durch:
2ic ^„ 2Tct 4ttX ^_, . 2ir/
CE(. cos 1 CE sin •
t ° t ^ T
Der anomale, auf Rückstandsbildung beruhende Ström ü
besteht somit aus zwei Gliedern, die einfach zum normalen
Ladungs-, respektive Leitungsstrom hinzugerechnet werden
können und sich durch eine scheinbare Änderung der Normal-
werte von. Kapazität und Widerstand des Kondensators inter-
pretieren lassen.
Man erhält für die »scheinbare Kapazität« den Wert:
a = C+A
für den reziproken »scheinbaren Widerstand«:
t
Führt man für die bisher unbestimmt gelassene Funktion
f(ti) den experimentell gefundenen Näherungswert
1032 E. V. Schweidler,
2th
ein, so wird mittels der Substitution lo =
Az=( — ) .ßCl «-"cosäJ«
und:
= (— ) .gC.r(l — ll)C0S ^
^ 231' -•
/ ^ ■^1— « /»oo
5^1 — ) .ßCl «i»~"sin»J«
■2z/ jo
= f^
^ 1—«
P
•"^ 2r(ii) cos -^^ — ^-^—
Da if<l, also 1 — n positiv ist, ergibt sich, daß die schein-
bare Kapazität C für unendlich rasche Schwingungen den
Normalwert C besitzt, bei endlicher Periodendauer r vergrößert
ist und mit wachsender Periodendauer zunimmt, was mit den
im Abschnitt I, 4 mitgeteilten Versuchsergebnissen überein-
stimmt
Analog erhält man für die scheinbare Leitfähigkeit den
Ausdruck:
Ü
2 IT / - ^— "
2^^' sr^cos^^::;^
d. h. die scheinbare Leitfähigkeit steigt mit abnehmender
Periodendauer an. Dementsprechend ist also auch im Dielek-
trikum eine Wärmeentwicklung zu erwarten, die größer ist als
die aus dem stationären (wahren) Leitvermögen berechnete und
die mit zunehmender Frequenz des Wechselstromes wächst,
unter sonst gleichen Bedingungen aber wie die wahre Joule*sche
Wärme dem Quadrat der EfTektivspannung proportional ist.
Auch hier besteht also Obereinstimmung mit den im Abschnitt 1, 2
besprochenen experimentellen Resultaten.
Daß bei vorübergehender Verbindung eines Kondensators
mit einer Stromquelle konstanter elektromotorischer Kraft (z.B.
bei Kapazitätsmessungen mittels des ballistischen Galvano-
meters) der Rückstandsstrom ebenso wie der normale Leitungs-
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1033
Strom den unmittelbar gefundenen Wert der Kapazität erhöht,
und zwar um so mehr, je länger die Ladungszeit war, ist
unmittelbar ersichtlich.
Es sind also Wärmeproduktion im Dielektrikum im
Wechselfelde und Abhängigkeit der scheinbaren Dielek-
trizitätskonstante von Frequenz des Wechselstromes, respektive
von der Ladungszeit bei Gleichstrom notwendige Folge-
erscheinungen, wenn Rückstandsbildung vorliegt. Es
sind aber nicht auch umgekehrt die ersteren Erscheinungen
notwendig auf Rückstandsbildung zurückzuführen, sondern
können ohne Rückstandsbildung des Mediums durch andere
Ursache (z. B. Leitung) bedingt sein.
Die ponderomotorischen Kräfte, die ein Dielektrikum im
relativen Drehfelde erfahrt, sind vorläufig nicht berücksichtigt
worden. Der gegenseitige Zusammenhang aber von pondero-
motorischen Kräften und Wärmeproduktion kann unabhängig
von jeder speziellen Hypothese aus allgemeinen energetischen
Prinzipien abgeleitet werden.
Erfährt ein ursprünglich ruhendes Dielektrikum im rotie-
renden Felde ein Drehungsmoment im Sinne der Rotation des
Feldes und wird es durch äußere Kräfte in seiner Ruhelage
erhalten, so ist die Arbeit, die das elektrische Drehungsmoment
an dem relativ zu ihm rotierenden Dielektrikum leistet, äqui-
valent der im Dielektrikum entstehenden Wärme. Analog ist
bei durch äußere Kräfte konstant erhaltener Rotation des
Dielektrikums im ruhenden Felde die Arbeit dieser äußeren
Kräfte das Äquivalent der entwickelten Wärme. Bezeichnet
also W die pro Zeiteinheit im Dielektrikum entwickelte Wärme,
D das Drehungsmoment der elektrischen Kräfte, a> die Winkel-
geschwindigkeit der relativen Rotation von Feld und Dielek-
trikum, so können die Größen W und D wechselseitig aus
einander bestimmt werden nach der Formel:
ir=Z?.ci).
Falls D negativ ist (der Feldrotation entgegengerichtetes
Drehungsmoment im Drehfelde, respektive beschleunigendes
Drehungsmoment bei im ruhenden Felde rotierendem Dielek-
trikum), wird Arbeit gewonnen ; das Äquivalent muß dann im
1034 E. V. Schweidler,
verminderten Energieverbrauch in der den stationären Zustand
aufrecht erhaltenden Stromquelle liegen.
2. Die Unvereinbarkeit der Anomalien mit der Annahme
normalen Verhaltens der Dielektrika.
Es soll nun eingehender untersucht werden, inwieweit die
im I. Teil geschilderten Anomalien wirklich unvereinbar mit
den Annahmen der allgemeinen Theorie sind, die ein homogenes
isotropes Dielektrikum durch die Angabe von zwei Material-
konstanten: Dielektrizitätskonstante K und spezilisches Leit-
vermögen X als ausreichend charakterisiert annimmt.
Die Erscheinungen des anomalen Ladungsstroraes und
der Rückstandsbildung fallen sofort als unvereinbar mit diesen
Annahmen heraus.
Bezüglich der Erscheinungen der Energieverluste, der
Drehungsmomente im Drehfelde und der Variabilität der
scheinbaren Kapazität mit Ladungsdauer oder Periodenzahl ist
dies nicht auf den ersten Blick ersichtlich; es wurde oben
nachgewiesen, daß in einem Medium, das Rückstandsbildung
zeigt, auch diese Erscheinungen auftreten müssen, daß sie aber
auch ohne Rückstandsbildung denkbar wären.
a) Die Wärmeproduktion kann einfach als Joule*sche
Wärme des schwach leitenden Dielektrikums aufgefaßt werden.
Viele Beobachter haben sich begnügt, die Abhängigkeit der
pro Zeiteinheit entwickelten Wärmemenge W von der Effektiv-
spannung E des Wechselfeldes zu untersuchen und aus dem
Resultate, daß W proportional E^ sei, auf Leitung als Ursache
zurückgeschlossen. Diese Schlußweise ist nicht bindend; als
Joule'sche Wärme müßte die Größe W unabhängig von der
Frequenz des Wechselstromes sein, was tatsächlich nicht der
Fall ist, und auch im konstanten elektrischen Felde denselben
Betrag zeigen. Mehrfache Untersuchungen haben aber das
Resultat ergeben, daß die aus dem Leitvermögen im stationären
Zustande berechnete Joule'sche Wärme viel kleiner ist als die
im Wechselfelde direkt beobachtete. So findet Moscicki und
Altenberg (II, 49), daß bei Glas nur etwa 2% der im Wechsel-
felde erzeugten Wärme dem stationären Leitvermögen ent-
sprechen und Corbino (II, 51), daß die an einem Paraffin-
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1033
Papierkondensator ermittelten Energieverluste einem Wider-
stände des Dielektrikums von 1400 Q entsprechen würden,
während natürlich der wahre Wert des Widerstandes enorm
viel größer ist.
Unter Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse sind
daher die beobachteten Energieverluste in Dielektrikas mit der
Annahme einer normalen Leitung nicht vereinbar.
b) Daß ein leitender Körper in einem relativen Drehfelde
Drehmomente erfahrt, ist bereits von Hertz (III, 1) theoretisch
nachgewiesen worden. Verallgemeinerungen dieses Beweises
rühren von Heydweiller (III, 3) und Schweidler (III, 5) her.
Das Resultat ist folgendes: Rotiert eine Vollkugel vom Radius R
und dem spezifischen Leitvermögen (im stat. Maße) X,, die von
einem Medium mit dem Leitvermögen \a umgeben ist, um eine
zu der Richtung eines homogenen elektrischen Feldes von der
Stärke F senkrechte Achse mit der konstanten relativen
2«
Winkelgeschwindigkeit — (also t gleich Umlaufsdauer), so
ist das Drehungsmoment gegeben durch die Formel :
Vst(X,— X,)
D — R^f*
l+V9t-(2X,-hX,)«
Das Drehungsmoment ist positiv (beschleunigend im
ruhenden Felde, entgegen der Feldrotation gerichtet im Dreh-
felde), wenn Xa>X/, negativ (hemmend im ruhenden Felde,
im Sinne der Feldrotation im Drehfelde), wenn X,>Xa; der
absoluten Größe nach hängt D auch von der Winkel-
geschwindigkeit ab, und zwar derart, daß bei sonst konstanten
Verhältnissen einer bestimmten Geschwindigkeit ein Maximum
von D entspricht
Qualitativ sind also die beobachteten Formen des Auf-
tretens ponderomotorischer Kräfte im relativen Drehfeld auf
Leitung zurückzuführen. Zur quantitativen Darstellung erweist
sich aber wieder diese Annahme als unzureichend. Die
experimentellen Ergebnisse von Arno (II, 7, 15 bis 19, 27) und
Threlfall (II, 30, 31) liefern zwischen Drehungsmoment und
Feldstärke eine Beziehung: D prop. F", wo «<2, statt der
theoretischen Beziehung D prop. F*.
1036 E. V. Schweidler,
Bei einigen Versuchen v. Lang's (II, 52) ist sogar der
Sinn der Rotation der umgekehrte, als es nach dem Betrage
von X/ — Xa zu erwarten wäre; schlecht leitende feste Körper in
besser leitenden Flüssigkeiten rotieren bisweilen im Sinne des
Drehfeldes statt entgegengesetzt.
c) Daß infolge der Leitung die Dielektrizitätskonstante
eines Mediums scheinbar zu groß bestimmt wird, ist ein Um-
stand, der seit langem bei der Messung von Dielektrizitäts-
konstanten berücksichtigt und entweder durch die Wahl der
Versuchsanordnung (sehr kurze Ladungszeiten oder sehr
schnelle Schwingungen) oder rechnerisch durch separate Be-
stimmung der Leitung eliminiert wird. Wollte man die im
Abschnitt I, 4 angeführten Beispiele auf diese Weise erklären,
so würde man auf Werte des spezifischen Leitvermögens der
Medien geführt werden, die von anderer Größenordnung sind
als die tatsächlich beobachteten. So z. B. erhält man aus den
Angaben Beaulard*s (vergl. p. 1030) für Glas den spezifischen
Widerstand o = 4. 10^*^9 rw, während er tatsächlich min-
destens zu 10" bis 10**, also rund etwa lO.OOOmal größer
anzunehmen ist.
Obwohl also Erscheinungen von qualitativ gleicher Art
wie die beobachteten durch bloße Leitung entstehen können,
folgt aus den quantitativen Verhältnissen, daß diese Erklärung
unzureichend ist. Dies sowie die überhaupt mit der allgemeinen
Theorie unvereinbare Rückstandsbildung zwingen also, in irgend
welcher Weise die Anomalien durch modifizierte Annahmen in
die Theorie einzufügen.
3. Anomalien der Struktur (Inhomogenität).
Die erste Möglichkeit, die Anomalien theoretisch zu be-
gründen, liegt darin, zwar die allgemeinen Grundannahmen der
Theorie unverändert beizubehalten, aber jene Medien, die
Anomalien zeigen, als nicht homogen aufzufassen.
In der Tat hat Maxwell (I, 5) gezeigt, daß ein »geschich-
tetes« Dielektrikum, dessen einzelne Schichten sich durchaus
normal verhalten, bei dem aber der Quotient — nicht den
gleichen Wert in jeder Schichte besitzt, als Ganzes die
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1037
Erscheinungen der Rückslandsbildung zeigen müsse. Er hat
ferner darauf hingewiesen, daß bei nicht blätteriger Struktur,
sondern beliebiger räumlicher Anordnung der nicht gleich-
artigen Bestandteile des Mediums analoge Resultate sich er-
geben. Weitere Ausführungen dieser Maxwell'schen Theorie
der geschichteten Dielektrika finden sich in den Arbeiten von
Hess (I, 24) und Houllevigue (I, 33).
In der Maxweirschen Darstellung werden folgende Größen
als Funktionen der Materialkonstanten und der Anfangsbedin-
gungen explizit berechnet:
1. Die »disponible Ladung«; 2. der stationäre Leitungs-
strom nach unendlich langer Einwirkung einer konstanten
elektromotorischen Kraft; 3. der zeitliche Verlauf der freien
Rückstandsladung eines Kondensators, dessen Belegungen nach
unendlich langdauernder Ladung durch eine konstante elektro-
motorische Kraft plötzlich entladen und hierauf voneinander
isoliert werden; 4. die gesamte Elektrizitätsmenge (gesamte
Rückstandsladung), die einen nach unendlicher Ladungsdauer
angelegten Kurzschluß zwischen beiden Belegungen durchfließt.
Der Rückstandsstrom bei konstanter elektromotorischer
Kraft als Funktion der Zeit wurde von Maxwell nicht be-
rechnet. Dieses Problem führt auf große mathematische Schwie-
rigkeiten und ist daher im folgenden nur so weit ausgeführt,
daß die Gültigkeit des Superpositionsprinzips theoretisch ab-
geleitet werden kann.
Die Voraussetzungen der folgenden Ableitung sind gegen-
über denen MaxwelTs einerseits eingeschränkt durch die
Annahme, daß die Dielektrizitätskonstante K des inhomogenen
Mediums durchwegs konstant sei, andrerseits erweitert durch die
Annahme, daß bei Fortschreiten in einer bestimmten Richtung
(der X-Achse) das Leitvermögen X nicht sprungweise eine
endliche Anzahl von Änderungen, den Werten \ bis X^ ent-
sprechend, sondern kontinuierlich sich ändere, also durch eine
beliebige stetige Funktion X(;ir) darstellbar sei.
Es sei also gegeben eine unendlich ausgedehnte Platte
eines Dielektrikums von der Dicke /, die zwischen zwei metalli-
schen Belegungen mit konstanten Potentialen V-=.E und V=0
sich befinde.
1038
E. V. Schweidler,
Die Dielektrizitätskonstante habe den konstanten Wert K,
das spezifische Leitvermögen sei eine gegebene Funktion \(x).
Yarj
VE
Fig. 1.
Für einen beliebigen Punkt im Dielektrikum gelten dann
die Differentialgleichungen:
dX 47C
-p
— 3^[M^)^,
(1)
(2)
wobei X die elektrische Feldstärke, p die Raumdichte der
wahren Ladung bezeichnet.
Daraus erhält man für die Feldstärke X die Differential-
gleichung:
4ic dxit
^x
(3)
und durch Integration:
K iX
4ä 8f
■¥\{x)X=if{t).
W
(|)(/) ist zunächst eine als Integrationskonstante bei der
Integration nach x auftretende willkürliche Funktion der Zeit.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1039
die aber dadurch bestimmt ist, daß zu jeder Zeit die Bedingung
erfüllt sein muß:
Xdx = E. (5)
X
Da = 0=1 dx^ erhält man aus Gleichung (4):
W)=\rHx)Xdx. (6)
Diese Funktion i|<(/) hat eine einfache physikalische Be-
deutung; sie ist der Gesamtstrom pro Flächeneinheit in der
Richtung der positiven ^ -Achse; in Gleichung (4) ist die Zer-
K ^X
legung in einen Verschiebungsstrom und einen
4;c 8/
Leitungsstrom \{x)X angedeutet.
Gleichung (4) liefert nach abermaliger Integration die
Formel:
X=e ^ |T"^I ^^^^ dx7=:
:= e
Durch diese Integralgleichung ist die Feldintensität X als
Funktion von x und t bestimmt; eine explizite Darstellung von
X oder t|>(/) daraus zu gewinnen, ist dem Verfasser nicht
gelungen. Immerhin genügen die erhaltenen Resultate zum
Nachweis des Superpositionsprinzips.
Aus den Gleichungen (4) und (6) folgt, daß bei konstanter
Potentialdifferenz die Dififerentialgleichung gilt:
^.}2^^X{x)X = \rX\(x)dx.
4:c 8/ / Jo
Wenn also an einem Kondensator, für den Ky l und X(;t:)
gegeben sind, in zwei Versuchen bloß die Anfangsbedingungen
für / = 0, Xz=lX^{x) und X'=X'^{x) sowie die Größen E und
E' verschieden sind, so ist in beiden Fällen obige DifTerential-
1040 E. V. Schweidler,
gleichung erfüllt. Setzt man daher Xlz= Xt+Z^t, so gilt auch
für die Differenz A/ die Gleichung:
K 3A/
4ic 3/
=11-
+ X(;r)A/ = — / ^t.'k(x)äx,
d. h. der zeitliche Verlauf der Änderung der Feldintensität -Y'
und damit auch der diese Änderung begleitende Rückstands-
strom kann aufgefaßt werden als Superposition der beiden
Vorgänge, die sich abspielen würden, wenn zur Zeit /mO ein-
mal die momentane Verteilung der elektrischen Kraft durch X^,
das andere Mal durch A^ gegeben wäre. Wird also in einem
beliebigen Stadium der Rückstandsbildung die Potentialdifferenz
der Belegungen plötzlich um den Betrag A£ und damit die
A£
Feldstärke überall um den Betrag geändert, so ist der
weitere Ablauf des Rückstandsstromes gegeben durch die
Superposition jenes Stromes, der ohne Änderung der Potential-
differenz weiter erfolgt wäre, und eines Rückstandsstromes, der
durch Anschauung der Spannung A£ an den vorher unendlich
lange Zeit ungeladenen Kondensator erzeugt worden wäre.
Die Maxweirsche Theorie der inhomogenen Dielektrika
gibt also Aufschluß über die wesentlichsten Eigenschaften, die
an den anomalen Dielektrikas tatsächlich vorgefunden werden.
Die explizite Darstellung der experimentell beobachtbaren
Größen führt aber auf mathematische Schwierigkeiten, so daß
eine Prüfung der Theorie durch Vergleich mit der Erfahrung
bezüglich der quantitativen Verhältnisse nicht ausgeführt
werden kann.
4. Anomalien der Leitung.
Eine zweite Möglichkeit der theoretischen Darstellung der
Erscheinungen an Dielektrikas besteht darin, die Annahme eines
konstanten spezifischen Leitvermögens fallen zu lassen und
zu ersetzen durch eine solche, die kompliziertere Formen des
Leitungsvorganges voraussetzt. Insbesondere in Anlehnung an
die bei ionisierten Gasen beobachteten Erscheinungen können
die Gesetze der lonenleitung auf flüssige und feste Dielek-
trilia übertragen werden.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1041
Die Theorie der Elektrizitätsleitung in ionisierten Gasen
geht von folgenden Voraussetzungen aus:
Durch Wirkung eines »Ionisators« entstehen pro Volum-
und Zeiteinheit q lonenpaare; ein Teil der Ionen verschwindet
durch Wiedervereinigung zu neutralen Molekülen (»Moli-
sierung«), und zwar ist dieser Betrag, pro Volum- und Zeit-
einheit gerechnet, gegeben durch an^n^, wo n^ und n^ die
Zahlen der in der Volumeinheit vorhandenen positiven, respek-
tive negativen Ionen, a ein für eine bestimmte Gattung von
lonenpaaren charakteristischer sogenannter »Wiedervereini-
gungskoeffizienten« ist. Es gilt also die Gleichung:
dn
— = q — an.n^,
dt
In einem elektrischen Felde ist in dieser Gleichung noch
ein Glied einzufügen, das die Differenz der Zahlen der durch
den Strom zu- und abgeführten Ionen angibt, also:
dn.
— ^zzi^ — atiiffg— 5i
dt
dn^
dt
= q — an^Wg — s^.
Die positiven, beziehungsweise negativen Ionen bewegen
sich nun in einem elektrischen Felde mit einer der Feldintensität
proportionalen Geschwindigkeit u^ = c^X, u^=, — c^X, worin
c^ und c^ die sogenannten spezifischen Geschwindigkeiten oder
Beweglichkeiten der beiden lonenarten sind.
Daraus ergeben sich für den F'all der Elektrizitätsleitung
in einem von zwei unendlich ausgedehnten parallelen Platten
(in der Distanz /) begrenzten ionisierten Gase — bei konstanter
Potentialdifferenz E der beiden Platten — folgende Gleichungen:
[«1— «g]e=:— 4ff -— (l)
ox
-jj- = ? - ««1«« — — («1 Ci X] (2)
1042 E. V. Schweidler,
8 «2 8
/- = « — « «i»fg + — - [n, c, X] (3)
Ol ^x
X
Xdx = E. (4)
0
Die allgemeine Integration dieses Gleichungssystems ist
bisher nicht durchgeführt (vergl. J. J. Thomson, Conduction
of electricity through Gases, p. 64 bis 73, Cambridge 1903);
doch sind folgende Resultate leicht ersichtlich):
Durch Einschalten eines elektrischen Feldes wird der
ursprüngliche lonengehalt n, = y ± verringert, die Strom-
stärke nimmt mit der Zeit ab und erreicht einen stationären
Grenzwert, der bei Anwendung verschiedener Werte der elektro-
motorischen Kraft nicht dieser proportional ist; das spezifische
Leitvermögen eines ionisierten Gases ist also nach Strom-
schluß zeitlich variabel und im stationären Endzustand eine
Funktion der §tromdichte, und zwar eine mit steigender Strom-
dichte abnehmende.
Die zeitliche Variation erfolgt in Gasen sehr schnell, so
daß sie in den meisten Fällen experimentell nicht verfolgt
werden kann; die Abhängigkeit des stationären Leitvermögens
von der Stromdichte, beziehungsweise von der elektromotorischen
Kraft zeigt sich in bekannter Weise durch die »Charakteristik«,
d. i. die Kurve / =/(£), welche zu der Unterscheidung »Ohm-
scher Strom« (dem Ohm'schen Gesetz gehorchender Strom) für
kleine Feldintensitäten oder Spannungen, »unvollständig ge-
sättigter Strom« für mittlere und »Sättigungsstrom« (von der
elektromotorischen Kraft unabhängiger konstanter Strom) für
große Feidintensitäten oder Spannungen geführt hat.
Ferner folgt aus den Gleichungen, daß im stationären
Zustande die lonenzahl pro Volumeinheit nicht mehr räumlich
konstant ist: in den den Elektroden benachbarten Schichten
sind Ionen des einen (und zwar dem der Elektrode entgegen-
gesetzten) Vorzeichens im Überschusse vorhanden; dadurch
ist auch das ursprünglich homogene elektrische Feld gestört,
in der Nähe der Elektroden über den Mittelwert erhöht, in der
Mitte unter denselben erniedrigt.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1043
Es ist ein naheliegender Gedanke, diese Annahmen auch
auf flüssige und feste Dielektrika zu übertragen, die Leitung in
diesen Medien als lonenleitung aufzufassen.
Einige anomale Erscheinungen bei der Leitung flüssiger
Dielektrika (vergl. im Literaturverzeichnis Abteilung IV), so die
zeitliche Abnahme der Stromstärke und die Nichtproportionalität
von Stromstärke und elektromotorischer Kraft im stationären
Zustande, wurden auch bereits in dieser Weise gedeutet, ja an
einigen flüssigen Dielektrikas wurden der Größenordnung nach
lonenbeweglichkeiten und lonenzahlen bestimmt (Schweidler,
IV, 7, 8, 10).
Aber auch die Erscheinungen der Wärmeproduktion, der
Rotationen und der Rückstandsbildung lassen sich qualitativ
auf diesem Wege ableiten.
Bezüglich der Wärmeproduktion, von der oben nach-
gewiesen wurde, daß sie nicht als die einem konstanten
Leitvermögen entsprechende Joule'sche Wärme gedeutet werden
könne, ist zunächst ersichtlich, daß bei Anwendung alternie-
render Felder (Wechselstrom) nicht der infolge des Strom-
durchganges verringerte Wert des Leitvermögens im stationären
Zustande, sondern jener Wert einzusetzen ist, der kurz nach
Stromschluß vorhanden ist; es wird damit auch begreif lieh, daß
das mittlere Leitvermögen abhängig ist von der Dauer der
Einwirkung des Feldes in bestimmter Richtung, daß mit ab-
nehmender Periodendauer des Wechselstromes das Leit-
vermögen immer näher an den — im feldlosen Räume gültigen
— Wert (Ci+c^)^nQ =z (^i+^a)8 v/ — heranrückt.
Bezüglich der Rotationserscheinungen und Drehungs-
momente, die nach der im Abschnitt II, 2 angegebenen Formel
auf die Leitungskonstanten zurückführbar sind, gilt dasselbe.
Insbesondere wird es verständlich, daß das Drehungsmoment D
langsamer wächst als F*, da das spezifische Leitvermögen mit
steigender Feldintensität abnimmt.
Auch die Rückstandsbildung im engeren Sinne kann
zurückgeführt werden auf die durch die Stauung der Ionen in
der Nähe der Elektroden bedingten Feldstörungen. Es läßt sich
Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXVI. Bd., Abt. II a. 69
1044 E. V. Schweidler,
hier einfach die im vorigen Abschnitt behandelte Maxwell'sche
Theorie der geschichteten Dielektrika anwenden:
Ein Medium mitlonenleitung ist zwar nicht von vornherein
inhomogen, aber es wird inhomogen bezüglich seiner
Leitfähigkeit infolge des Strom durchganges; die ursprüngliche
Leitfähigkeit im feldlosen Räume wird — • wie oben erwähnt —
verändert, und zwar in der Nähe der Elektroden stärker
erniedrigt als in der Mitte. Somit muß ein derartiges Medium
nach einiger Dauer der Einwirkung des elektrischen Feldes
das Verhalten eines geschichteten Dielektrikums zeigen.
Wenn so die Annahme von lonenleitung auch in flüssigen
und festen Dielektrikas genügt, die anomalen Erscheinungen
in qualitativer Hinsicht zu erklären, so ergeben sich doch
Bedenken bei der Anwendung dieser Theorie zur Darstellung
der quantitativen Verhältnisse.
Zunächst sind, wie oben erwähnt, Schwierigkeiten mathe-
matischer Natur vorhanden, welche die exakte Lösung des
Problemes verhindern: in einem Medium, dessen Ionen-
konstanten (lonisierungsstärke q, Koeffizient der Wieder-
vereinigung a, Beweglichkeiten c^ und c^) gegeben sind, den
Strom als Funktion der Zeit und der elektromotorischen Kraft
darzustellen. Diese Schwierigkeiten nun beeinträchtigen wohl
die Anwendbarkeit der Theorie, ohne natürlich gegen ihre
Richtigkeit etwas zu beweisen.
Aber auch in Bezug auf die Richtigkeit ergeben sich
Bedenken. Wäre die Abnahme des Rückstandsstromes von
seinem Anfangswerte auf einen hiezu relativ kleinen Endwert
bedingt durch die Entionisierung infolge des Stromdurchganges,
so müßte man annehmen, daß der stationäre Strom der
unvollkommen oder vollkommen gesättigten Phase angehört
(vergl. Fig. 2).
Es zeigt sich aber tatsächlich, daß der stationäre Endwert
des Stromes in einem rückstandbildenden Dielektrikum (z. B.
Glas) innerhalb weiter Grenzen dem Ohm'schen Gesetze ent-
spricht, d. h. der elektromotorischen Kraft proportional ist (man
vergleiche die experimentellen Resultate von E. Warburg,
Wied. Ann., 21, 622, und F. M. Exner, Verh. d. D. Phys. Ges.,
3, 26, [1901] sowie E. v. Schweidler [I, 46]). Für den
Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
1045
»Ohm'schen Strom« (Phase I) aber ist wiederum die Differenz
zwischen dem Anfangswerte des Stromes für / = 0 (in der
Figur durch die Gerade 1 dargestellt) und dem stationären
Endwerte (in der Figur Kurve 2) gering.
Die Annahme blofi einer Gattung von lonenpaaren ist
also nicht zulässig.
Man könnte nun annehmen, daß von jedem Vorzeichen
Ionen mit sehr verschiedenen Werten der spezifischen Ge-
schwindigkeit gleichzeitig im Dielektrikum vorhanden seien, so
Fig. 2.
I. Phase : Ohm*scher Strom.
II. Phase : Unvollständig gesättigter Strom,
ni. Phase: Sättigungsstrom.
daß bei bestimmter elektromotorischer Kraft für die eine
Gattung (die leicht beweglichen) bereits Sättigungsstrom
eintritt, während für die anderen (schwer beweglichen) noch
Ohm'scher Strom herrscht. Aber auch diese kompliziertere
Annahme ist vollkommen unvereinbar mit folgender Tatsache:
Nach Einschaltung einer elektromotorischen Kraft vom
Werte E^ zur Zeit / =: 0 beobachtet man einen Strom,
darstellbar durch i^ = äi+/(0> wobei /(/) von einem hohen
Anfangswerte asymptotisch auf Null absinkt und a^ den
stationären Endwert darstellt; wird nach hinreichend langer
Zeit T, so daß/(r) praktisch gleich Null gesetzt werden kann,
die elektromotorische Kraft plötzlich vergrößert, z. B. auf den
69*
1046 E.V. Schweidlef,
Wert £b = kE^, so beobachtet man tatsächlich einen Strom i,,
der als Funktion der Zeit gegeben ist durch die Formel:
i^=ka, + (k—l)f{t—T),
entsprechend der früher erwähnten Proportionalitätsbeziehung
zwischen stationärem Teil der Strömung und elektromotori-
scher Kraft, sowie dem Superpositionsprinzip für den zeitlich
variablen Bestandteil des Stromes. Da f(0) groß gegen a^ ist,
setzt also unmittelbar nach der Vergrößerung der elektromotori-
schen Kraft der Strom ig mit einem Werte ein, der nahezu
(k — l)mal größer ist als der Anfangswert von ij für / = 0.
Der auf lonenleitung beruhende Strom könnte aber
unmittelbar nach Einschaltung der elektromotorischen Kraft E^
höchstens den Wert ka^ erreichen, da ja die Leitfähigkeit des
Mediums durch den langdauernden Strom jj bereits auf den
mittleren Betrag von -^ herabgedrückt wurde.
Es ist also resümierend über die Anwendung der Theorie
der lonenleitung auf flüssige und feste Dielektrika zu
sagen, daß die von ihr geforderten anomalen Eigenschaften des
spezifischen Leitvermögens (zeitliche Variabilität, Abhängigkeit
von Stromdichte) zwar an den tatsächlich beobachteten Er-
scheinungen mitbeteiligt sein können, daß sie aber für sich
allein nicht ausreichend ist, die wesentlichen Eigentümlich-
keiten* der beobachteten Phänomene, vor allem die Gesetze der
Rückstandsbildung zu erklären.
5. Anomalien des dielektrischen Verhaltens.
Eine dritte Möglichkeit der theoretischen Behandlung liegt
in der Annahme von Anomalien des dielektrischen Verhaltens.
An Stelle der Voraussetzung, daß die dielektrische Verschiebung
(oder Polarisation) zu jeder Zeit der elektrischen Feldstärke
proportional sei und daß dieser Proportionalitätsfaktor eben
durch den konstanten Wert der Dielektrizitätskonstante gegeben
sei, treten kompliziertere Bedingungen, nach denen der
jeweilige Wert des Verschiebungsvektors I) nicht allein eine
Funktion des simultanen der Feldstärke (5, sondern auch der
vorhergegangenen Zustände des Mediums sein soll. Mit andern
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1047
Worten: analog wie in Bezug auf Elastizität und Magnetismus
zeigen viele Medien auch in Bezug auf dielektrische Vorgänge
Nachwirkungserscheinungen oder Hysteresis im
weiteren Sinne des Wortes.
Allgemein gehaltene Sätze analogen Inhaltes sind oftmals
ausgesprochen worden, doch nur wenige Versuche liegen
vor, die funktionelle Beziehung zwischen Momentanwert der
Verschiebung und der »Vorgeschichte« des Mediums präzise
zu formulieren und damit das Fundament für eine eigentliche
Theorie der Hysteresiserscheinungen zu schaffen.
a) Hysteresis im engeren Sinne.
Unter Hysteresis im engeren Sinne (»hysteresis proprement
dit«) bezeichnen manche Autoren, speziell Beaulard (11, 37)
jene Form der Nachwirkungserscheinungen, wie sie an
ferromagnetischen Substanzen, besonders an weichem Eisen,
experimentell gründlich untersucht und auch theoretisch bis
zu einem gewissen Grade befriedigend dargestellt wurden
(vergl. Winkelmann, Handbuch der Physik, Bd. V, 1, p. 217
bis 222). Es ist naheliegend, die Gesetze der magnetischen
Hysteresis einfach auf die dielektrische zu übertragen: bei
variabler Feldintensität ist die einem bestimmten Werte der-
selben zugeordnete Verschiebung größer bei abnehmendem als
bei zunehmendem Gange der Feldintensität; infolgedessen tritt
bei zyklischer Elektrisierung (Wechselspannung) in der
graphischen Darstellung eine geschlossene Kurve auf (Hyste-
resisschleife), deren Flächeninhalt bekanntlich die pro Periode
in Wärme umgesetzte Energie angibt. Außerdem führt diese
Anschauung zu den Begriffen »dielektrische Koerzitiv-
kraft« (durch OA) und »remanente Elektrisierung«
(durch OB dargestellt).
Für die Abhängigkeit der Hysteresisarbeit von der
Amplitude der periodischen Magnetisierung haben die Versuche
im allgemeinen eine Formel ergeben von der Form:
W = fi-H^, wo « = zirka 1 • 6.
Die Übereinstimmung der von Arno (1. c.) gefundenen
Beziehung zwischen der elektrischen Hysteresisarbeit und der
1048
E. V. Schweidier,
Effektivspannung (Wprop. £*, wo n zwischen 1-5 und 1 -96)
mit obiger Formel wurde oftmals als Beweis für die Analogie
der magnetischen und der dielektrischen Hysteresis betrachtet.
Insbesondere Beaulard (II, 37) hat die Unanwendbarkeit
dieser Theorie nachgewiesen. Bei der magnetischen Hysteresis
ist die Amplitude der periodisch wechselnden magnetischen
Feldintensität § in erster Linie maßgebend, die Perioden-
dauer von minder wesentlichem und noch nicht ganz sicher
festgestelltem Einfluß. Die Abhängigkeit der dielektrischen
Fig. 3.
»Hysteresisarbeit« von der Dauer der Periode (vergl. Abschnitt
I, 2 und 3) stört die Analogie bedeutend.
Ferner ist darauf hinzuweisen, daß »Remanenz« und
»Koerzitivkraft« auf elektrischem Gebiete noch nicht experi-
mentell sichergestellt werden konnten (Germanischskaja,
VI, 3) und endlich, daß die Rückstandserscheinungen, bei denen
der zeitliche Verlauf des anomalen Stromes das erste Problem
bildet, in dieser der magnetischen Theorie nachgebildeten
überhaupt nicht darstellbar sind.
b) Viskose Hysteresis.
&j). Auf Grund der oben angeführten Überlegungen hat
eine Reihe von Forschern die Theorie der elektrischen
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1049
Hysteresis im engeren Sinne — analog der magnetischen
Hysteresis — verworfen und ^viskose Hysteresis« (auch
»elektrische Viskosität« genannt) angenommen (Schaufel-
berger, II, 32, 34; Beaulard, II, 36, 37; Arno in seinen
späteren Arbeiten, II, 27; Porter und Morris, II, 22 u. a.).
Hierunter versteht man die Tatsache, daß bei plötzlicher
Erregung eines elektrischen Feldes die dielektrische Ver-
schiebung nicht momentan den durch K® gegebenen Wert
annimmt, sondern ihn erst allmählich ansteigend asymptotisch
erreicht. Bei kontinuierlicher (eventuell periodischer) Änderung
des Feldes 6 bleibt daher die Verschiebung 2) stets hinter ihrem
»Sollwerte« zeitlich zurück.
Diese, als »dielektrische Nachwirkung« auch auf dem
Gebiete der Rückstandsbildung versuchte Annahme (Boltz-
mann, Romich und Nowack, I, 7; Hopkinson, I, 9 bis 11;
Wüllner, I, 12; u. a.) erfordert nun eine schärfere Fassung.
b^), Pellat's Theorie.
Die einzige bisher tatsächlich erfolgte präzise Formulierung
rührt von Pellat her (I, 39, 41 identisch mit II, 33, 39). Der
Grundgedanke ist folgender:
Wird an einer Stelle eines dielektrischen Mediums, das
hinreichend lange Zeit der Einwirkung eines elektrischen
Feldes entzogen war, plötzlich zur Zeit / zu 0 ein Feld von der
Intensität S^ erzeugt und für t>0 konstant erhalten, so nimmt
die Verschiebung 2) ebenfalls plötzlich zur Zeit / = 0 den
WertüTSo an, steigt aber dann allmählich an nach der Formel:
wo OL und s zwei Materialkonstanten sind.
Es wird für
t = oo, ®/ = 2)oo = (H-8)Ä'go.
Somit gilt allgemein die Gleichung:
dt
= a^-»'.Ei^®o = — a(S)/— 3ioo),
1050 E. V. Schweidler,
d. h. die Verschiebung strebt einem stationären Endwerte 2)ao
zu und ihre Änderungsgeschwindigkeit ist jederzeit proportional
der Differenz dieses Endwertes und des momentanen Wertes.
Bei beliebiger zeitlicher Variation der Feldintensität
@/ =/(0 gilt ebenfalls die Diflferentialgleichung:
oder wenn man S)/ = ir@/+3)/ setzt:
dt
= a[i^g/-?)a.
Pellat bezeichnet die Größe £* als »wahre Dielektrizitäts-
konstante«, K^ als »fiktive Polarisation« und 2/ als »wahre
Polarisation«.
An Stelle dieser — vom Standpunkte der MaxwcIFschen
Theorie aus etwas willkürlich gewählten — Bezeichnungsweise
Pellat's soll im folgenden K^ »normale Verschiebung« und 5/
»viskose Verschiebung« genannt werden.
Auf Grund obiger Annahmen ist also ein Dielektrikum im
allgemeinen durch vier Materialkonstanten zu charakterisieren:
zu Dielektrizitätskonstante K und spezifischem Leitvermögen X
treten noch die Größen e und a; e ist von der Dimension einer
reinen Zahl und gibt das Verhältnis des stationären Endwertes
der viskosen Verschiebung zu der normalen Verschiebung an;
a ist von der Dimension einer reziproken Zeit und — bedeutet
a
die Relaxationszeit der viskosen Verschiebung.
Es ergeben sich ferner folgende Konsequenzen:
1. Bei konstanter Feldintensität S^ ist
und daher der Verschiebungsstrom pro Flächeneinheit
4ic dt 4«
Ein diesem Verschiebungsstrom entsprechender Leitungs-
strom zirkuliert in der Zuleitung. Hat das Dielektrikum eines
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1051
Kondensators die Flächengröfie der Belegung/ und die Dicke d,
so daß die Potentialdifferenz der Belegungen gegeben ist durch
is =: t^. (£q, so gilt für den Gesamtstrom in der Zuleitung:
Wird der Kondensator nach unendlich langer Ladungs-
dauer entladen, indem zur Zeit /=i:0 die Belegungen ohne
Einschaltung einer elektromotorischen Kraft direkt leitend ver-
bunden werden, so ist
y^ = — — --— = — -- e-^BK(S^ = —y,,
4ir dt 4ic
d. h. der durch »Freiwerden des Rückstandes« entstandene
Strom y^ ^^^ ^^^ »rückstandsbildenden Strom« y^ entgegen-
gesetzt gleich. Wird der Kondensator nach der endlichen
Ladungsdauer T entladen, so ist
für / z= 0; 3) = 8ü:eo(l— ^-*0
für / > 0; 2) = 6ü:e.(l— ^-"0^"*'
0
0
d. h. der nun auftretende Strom entspricht dem Super-
positionsprinzip.
Qualitativ sind also die empirischen Gesetze der Rück-
standsbildung aus der Pellat'schen Theorie abzuleiten; in
quantitativer Beziehung besteht Nichtübereinstimmung bezüg-
lich der Form des zeitlichen Verlaufes, für den die Theorie
eine Exponentialfunktion e-^, die Erfahrung die Formel Bt~^
liefert. Pellat meint, die Versuche J. Curie's zitierend (I, 21),
daß die Beobachtung nicht hinreichend genau sei, um die
Differenz zwischen der theoretischen und der empirischen
Formel mit Sicherheit konstatieren zu können. Dies ist wohl
ein Irrtum; außer J. Curie's haben auch die von Pellat nicht
zitierten Experimentaluntersuchungen von Kohlrausch (I, 1),
Hopkinson (I, 9, 10, 11), Giese (I, 15), Dieterici (1, 18) u. a.
das gleiche Resultat ergeben, und Beobachtungsfehler von der
1052 E. V. Schweidler,
Größe der Differenz der nach beiden Formeln berechneten
Stromstärken sind schlechthin ausgeschlossen.
Bezüglich der Gesetze der Rückstandsbildung bedarf also
die Pellat*sche Theorie jedenfalls einer Modifikation.
2. Für den Fall eines sinusförmigen Wechselfeldes
:=: ®o sm
lassen sich die Erscheinungen übersehen, indem man in die
im II. Teile, Abschnitt 1, angeführten Formeln (p. 1031) für die
unbestimmt gelassene Funktion f{u) auf Grund der eben ab-
geleiteten Resultate setzt:
f(u) iziasC.e-«'.
Man erhält also:
t = {A cos y-B sm > ,
wobei
A = I oL^Cer^^ cos du = eC
i
t 4it«+a«t"
B=\"azCe-^sm^^du=z^C ^''^
=x
4tt*-f-a*t*
Somit — unter weiterer Anwendung der auf p. 1031 und
1032 abgeleiteten Formeln — für die scheinbare Kapazität
des Kondensators:
c' = c|i + s-i^!^!-l,
also mit zunehmender Periodendauer steigende Kapazität,
und für den reziproken Wert des scheinbaren Wider-
standes:
Ü = L+eC ,
also Zunahme des scheinbaren Leitvermögens und damit der
in Wärme umgewandelten Energie mit abnehmender Perioden-
dauer.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1053
Die qualitative Übereinstimmung mit den empirischen
Resultaten ist wieder vorhanden.
&j). Modifikation der Pellat'schen Theorie.
Eine Erweiterung der Pellat'schen Theorie erhält man
durch folgende Annahmen:
Die dielektrische Verschiebung besteht aus einem Bestand-
teil (normale Verschiebung), der jeweils der momentanen Feld-
intensität proportional ist, und einer Summe von Gliedern,
deren jedes für sich nach einem analogen Gesetz, wie es die
Pellat'sche Theorie annimmt, einem Grenzwert zustrebt, bei
denen aber die einer bestimmten Feldintensität entsprechenden
Endbeträge und die Zeitkonstanten verschieden sind. Also:
wobei S)J der Differentialgleichung genügt:
ät
Im stationären Endzustande bei @ =: g^, und / = oo wird:
Wird ein Kondensator zur Zeit /z=0 plötzlich geladen, so
ist der Rückstandsstrom gegeben durch:
47C dt
Die Zeitfunktion /(/), die den Abfall des Rückstands-
stromes darstellt, ist also durch eine Summe von einfachen
Exponentialfunktionen gegeben. Da jede Funktion, die stetig
abnimmt und deren sämtliche Ableitungen ebenfalls stetig
abnehmen, mit beliebiger Annäherung durch eine solche Summe
von Exponentialfunktionen darstellbar ist, genügt die modi-
fizierte Theorie jeder empirisch gefundenen Form für /(/),
welche obiger Bedingung bezüglich der Derivierten entspricht.
1054 E. V. Schwcidler,
Die Gesetze der Superposition bei beliebig veränderlicher
Feldintensität @/ gelten natürlich für die Summe der Exponen-
tialfunktionen ebenso wie für die einzelne im früheren Falle der
Pellat'schen Theorie. Speziell für einfach periodische Wechsel-
felder ergibt sich:
g)^sin^^.Ar@o(i + Ss, ^-^^ )
— cos Ä@oSs/
4ic«-4-a?t«
und analog wie früher für die scheinbare Kapazität und die
scheinbare Leitfähigkeit Ausdrücke, die nur durch die Ein-
fügung des Summenzeichens £ modifiziert sind.
Diese Formeln lassen sich nun noch in anderer Weise
darstellen. Statt einer endlichen Anzahl von Gliedern der Form
S),- = Sjir® kann man eine unendliche Anzahl annehmen, deren
Zeitkonstanten a^- kontinuierlich zwischen den Werten 0 und oo
abgestuft sind. An Stelle der Sättigungswerte ZiK® tritt dann
eine Funktion K®e(a)dcL, die angibt, welcher Betrag vom ge-
samten Verschiebungsvektor auf jene Bestandteile entfällt,
deren Zeitkonstanten zwischen den Grenzen a und a-k-da liegen,
analog wie man z. B. in der Theorie der Strahlung die Inten-
sitätsverteilung über verschiedene Wellenlängen X darstellt
durch eine Funktion /(X) und die Gesamtintensität setzt:
y = r"/(X)^x.
Die obigen Gleichungen nehmen dann folgende Form an:
Im stationären Zustande für /=oo bei konstanter Feldstärke 6^:
Tba.=K^
oli + f^'eC«)^«};
bei plötzlicher Einschaltung eines Feldes (Sq zur Zeit /=:0:
%t=Ki&A\ + C'" i{a){i—er-<^d<X
.__ 1 d%t
~ 4jt dt
= /({)=~®S'"a.B(a)e-"da;
4« Jo
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1055
bei einfach periodischem Felde (S = (^ sin
_cos ureJ y doL
Man kann nun auch umgekehrt die Forderung stellen, die
Funktion e(a) zu bestimmen, wenn z. B. der zeitliche Verlauf
des Rückstandstromes i =^f{t) empirisch ermittelt ist.
Es vvoirde bereits erwähnt, daß empirisch mit großer
Annäherung sich die Formel i =:f(f) == b^.t~-^ ergibt.
Aus der Gleichung:
4ä Jo
.t(a)e-''^da = h,t-*
erhält man dann:^
a.s(a) z=, • ar^^ *^>
K r(i— w)
oder
e (a) =: a~"^^~*>.
K T(l — n)
Da w<l, also (2 — n) positiv ist, wird für a=0 die Funk-
tion 6(a)= oo; auch müßte im stationären Zustande die durch:
3)oo-ir^ 1 +
-| s(a)da
Jo I
gegebene Verschiebung unendlich groß werden, und zwar
durch die Integration von Null bis zu einem beliebig kleinen 04,
endlich bleibt. Es wurde bereits im Teile I,
_
Abschnitt 1, p. 1024, erwähnt, daß die Annahme exakter Gültigkeit
der empirischen Näherungsformel iz=b.t~^ zu unwahrschein-
lichen Konsequenzen führt. Nimmt man an, daß für sehr große
1 Vergl. Serret, Differential- und Integralrechnung, III/l, p. 190.
1056 E. V. Schweidler,
Zeiten diese Formel nicht mehr gilt, sondern daß dann die
Xoo
idt endlich
bleibt, so ist dann auch die Funktion 8(a) zu modifizieren, und
zwar gerade in jenem Gebiet, für welches ai=:0 oder sehr
klein ist; denn der Rückstandsstrom nach sehr langer Zeit
(/ groß) ist bedingt durch jene Bestandteile der viskosen Ver-
schiebung, die sich sehr langsam ändern (a sehr klein). Es
genügt also im Intervalle von a zu 0 bis «1=0^, wo a^ sehr
klein sein kann, e(a) durch eine andere Funktion als die oben
angegebene zu ersetzen, die der Bedingung genügt: | e(a) Ja
= endlich, für a<a^ aber die obige Form beizubehalten; das
Xoo
e(a)da endlich bleibt und daß die Strom-
/»oo
stärke i z=:\ ci.z{(£)e~^da bis zu großen Werten von / durch
die Formel i-=,hJ^^ dargestellt wird, erst dann rascher als
nach dieser Formel gegen Null konvergiert und daß die »Rück-
Standsladung« 1 idt endlich bleibt. Für die Vorgänge, die
Xoo
sich im periodisch wechselnden Felde abspielen, ist die Form
der Funktion e(a) für kleine Werte des Argumentes unwesent-
lich, solange die Periodendauer t nicht sehr groß wird, da
die dabei auftretenden Koeffizienten A und B durch Integration
von Produkten ae(a), beziehungsweise a*s(a) entstehen, somit
die Integration im Intervall von 0 bis 04 (04 sehr klein) Beträge
liefert, die unendlich klein von der ersten, beziehungsweise
zweiten Ordnung sind.
Die Charakterisierung eines Dielektrikums erfolgt also
nach der modifizierten Pellat'schen Theorie folgendermaßen:
Außer der Dielektrizitätskonstante K und dem spezifischen
Leitvermögen X des Mediums ist noch eine Funktion 8(a) im
Bereich a =1 0 bis a = 00 anzugeben ; das Integral
X
00
a.z(a)e-^daL=f{t)
0
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1057
liefert dann das Gesetz des zeitlichen Verlaufes des Rückstands-
stromes; umgekehrt kann die Funktion 8(a) aus der empirisch
gefundenen Funktion /(/) ermittelt werden. Vermöge der Gültig-
keit des Superpositionsprinzipes, die sich aus den Annahmen
der Theorie ergibt, lassen sich dann die Gesetze des Strom-
verlaufes bei beliebig variierender Feldintensität prinzipiell ab-
leiten, also insbesondere die Vorgänge im Wechselfelde: die
scheinbare Kapazitätsänderung bei Variation der Periode und
die in Wärme umgewandelte Energie, ferner die damit zu-
sammenhängenden ponderomotoristhen Kräfte, die ein Dielek-
trikum bei relativer Rotation zu einem konstanten elektrischen
Felde erfährt.
Die Fassung dieser erweiterten Theorie ist also allgemein
genug, um beliebige empirisch gefundene oder noch zu
findende Formen des zeitlichen Verlaufes der Rückstands-
bildung darstellen zu können, und präzisiert genug, um die
quantitative, nicht bloß qualitative Ableitung der übrigen Haupt-
formen anomalen Verhaltens aus der Rückstandsbildung zu
ermöglichen.
Bloß in einem Detail ergibt sich ein Widerspruch zwischen
den Resultaten der theoretischen Ableitung und dem direkten
Ergebnis des Experimentes; die im Wechselfelde umgewandelte
Energie und damit die Drehungsmomente im rotierenden Felde
müssen nach der Theorie proportional dem Quadrat der Feld-
intensität sein, während von einigen Beobachtern eine andere
Beziehung (proportional ©*», wo « zu 1 -5 bis 1 '96, vergl. p. 1028
und 1029) gefunden wurde. In diesen Fällen spielt vielleicht die
anomale Art der Leitung mit, deren Effekte sich über die der
dielektrischen Nachwirkung überlagern.
b^.) Molekulartheoretische Bedeutung der modifi-
zierten Pellat'schen Theorie.
Die Zerlegung des tatsächlich vorhandenen Verschiebungs-
vektors S) in eine beliebig große Anzahl von Teilbeträgen, die
alle einer bestimmten Differentialgleichung genügen, aber für
die darin enthaltenen Parameter a und s verschiedene Werte
aufweisen, erscheint auf den ersten Blick als eine gekünstelte.
1058 E. V. Schweidler,
rein mathematische Fiktion, die schließlich nur darauf hinaus-
läuft, für die Darstellung einer komplizierten empirisch
gegebenen Funktion beliebig viele Konstanten einzuführen. Es
soll nun gezeigt werden, wie diese Fiktion einer einfachen
physikalischen Interpretation fähig ist.
In der vormaxwellschen Zeit wurden die dielektrischen
Erscheinungen gedeutet als bedingt durch die Einlagerung
kleiner (molekularer) leitender Teilchen; diese Anschauung
gipfelt in der bekannten Clausius-Mosotti'schen Theorie.
Eine Zeit lang wurden durch die MaxwelFsche Formulierung
der Grundgleichungen die molekularphysikalischen Betrach-
tungsweisen auf dem Gebiete der Dielektrika ganz zurück-
gedrängt.
Die Anschauungen der modernen Ionen- und Elektronen-
theorie führten aber solche wieder ein, und zwar konnten die
Vorstellungen der alten Theorie mit leichten Modifikationen
wieder verwendet werden. Anstelle des leitenden Partikels
oder Moleküls — grob versinnlicht durch eine kleine Metallkugel
in einem isolierenden Medium eingebettet — tritt das aus ent-
gegengesetzt geladenen Ionen (negatives Elektron und positives
Restatom) bestehende Molekül. Die relative Verschiebbarkeit
der beiden Bestandteile ersetzt die Leitung im alten Sinne. Die
Moleküle als lonenkomplexe können nun auch als »Resona-
toren« aufgefaßt werden, indem die aus der Gleichgewichtslage
gebrachten Ionen eine bestimmte Dauer der Eigenschwingung
besitzen. Die Erscheinungen der normalen und anomalen
Dispersion elektrischer Wellen sowie die damit zusammen-
hängende Absorption werden in der modernen Theorie von
diesem Gewichtspunkte aus behandelt.
Es liegt nun nahe anzunehmen, daß neben Molekülen,
deren Ionen eine Eigenschwingung von bestimmter Dauer und
bestimmtem Dämpfungsverhältnis bedingen, auch solche vor-
handen seien, bei denen die Dämpfung so groß ist, daß an Stelle
einer Schwingung eine aperiodisch gedämpfte Bewegung
auftritt. Unter dem Einfluß eines plötzlich auftretenden, dann
konstant bleibenden elektrischen Feldes stellt sich dann der
neue Gleichgewichtszustand derart her, daß die Abweichung
von diesem nach einer Exponentialfunktion e-^ abnimmt.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1059
Die molekularphysikalische Deutung der Pellat'schen Theorie
wäre daher folgende: Neben den Molekülen, die als Resonatoren
mit bestimmter (sehr kleiner) Schwingungsdauer einem relativ
langsam veränderlichen elektrischen Felde ohne merkliche
Phasendiflferenz Folgen, sind in einem anomalen Dielektrikum
auch Moleküle vorhanden, in denen die Verschiebung der
Ionen aperiodisch gedämpft erfolgt, und zwar so, daß die
Konstante a der obigen Formel für alle Moleküle den gleichen
Wert besitzt. Die Größe e gibt an, in welchem Verhältnis der
Verschiebungsfluß dieser aperiodisch gedämpften Moleküle zu
dem der oszillatorisch beweglichen steht.
In der modifizierten Theorie wird angenommen, daß nicht
eine Gattung solcher aperiodisch gedämpfter lonenkomplexe
mit bestimmter Zeitkonstante a vorhanden sei, sondern eine
große Anzahl verschiedener Gattungen mit verschiedenen
Werten ihrer Zeitkonstanten Oj, die in verschiedener Anzahl
(proportional Si) pro Volumeinheit vorhanden sind. '
Eventuell kann man die möglichen Werte der Dämpfung
als kontinuierlich abgestuft auffassen und die Funktion e(a) gibt
an, nach welchem Gesetze die Häufigkeit der von 0 bis oo
variierenden a-Werte verteilt ist.
Der Zerlegung einer empirisch gegebenen Funktion in
eine Summe einfacher Exponentialfunktionen entspricht daher
physikalisch eine Sonderung der Wirkungen, die von ver-
schiedenen Gruppen unter sich gleichartiger Moleküle hervor-
gebracht werden.
III. Teil.
Experimentelle Beiträge zur Untersuchung der Rüok-
standsbildung.
1. Versuchsanordnung.
Um den Rückstandsstrom bezüglich seines zeitlichen
Verlaufes, seiner Abhängigkeit von Ladungsdauer, elektromoto-
rischer Kraft, Temperatur etc. zu untersuchen, wurde die
Methode der direkten galvanometrischen Messung angewendet.
Sitzb. der mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 70
1060
E. V. Schweidler,
Das benutzte Instrument war ein hoch empfindliches Dreh-
Spulengalvanometer, dessen Reduktionsfaktor 3 • 19 . lO"^"*
betrug; hieraus und aus der Schwingungsdauer und Dämpfung
der Spule berechnete sich der ballistische Reduktionsfaktor
Ch
zu 1-34. 10-»
pars
l p2C2J5rcr| ]
Erd»
7
'B
R
TT?.
Nebenstehende Skizze zeigt die Schaltung an; der zu
untersuchende Kondensator K ist einerseits mit einem Punkt
von konstantem Potential + £ verbunden, andrerseits über das
Galvanometer G zur
Erde abgeleitet. Um den
heftigen Ausschlag des
Galvanometers beim
Ein- oder Ausschalten
der elektromotorischen
Kraft E zu vermeiden,
ist ein Schlüssel S\ als
Kurzschluß der Gal-
vanometerleitung an-
gebracht; zugleich ge-
stattete es dieser
Schlüssel in Verbin-
dung mit dem Schlüssel
Sil jederzeit, ohne Unterbrechung des den Kondensator durch-
fließenden Stromes, den Nullpunkt zu prüfen. Bei Anwendung
kleiner Werte von E konnte bei geöffnetem Schlüssel S\ aus
dem ballistischen Ausschlage die Kapazität des Kondensators K
bestimmt werden.
Da in verschiedenen Versuchsreihen sehr verschiedene
Meßbereiche nötig waren, wurden diese nach Bedarf geändert.
Eine Erhöhung des Meßbereiches (Erniedrigung der Empfind-
lichkeit) auf das Zehn-, Hundert- oder Tausendfache des
normalen Wertes wurde in der üblichen Weise durch Anlegen
von Shunts zur Galvanometerspule bewerkstelligt. Um den
Meßbereich auch auf schwache Ströme (von etwa lO"* A ab-
wärts bis 10*^* -4), die einen für genauere Messung zu geringen
Ausschlag erzeugten, auszudehnen, wurde folgende Versuchs-
Pig. 4.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
1061
anordnung getroffen: Die über das Galvanometer zur Erde
führende Stromleitung kann durch einen Schlüssel SIII unter-
brochen werden. Parallel zu dieser Leitung ist eine zweite
geschaltet, die einen Glimmerkondensator GK von 1 Mikrofarad
Kapazität enthält. Der Glimmerkondensator nimmt dann während
der Unterbrechungsdauer T infolge des (als konstant voraus-
gesetzten) Stromes i die Ladung i T an, welche durch Schließen
von SIII aus dem ballistischen Ausschlag ermittelt werden kann.
Ein Strom, der einen Dauerausschlag von 1 pars bewirkt, gibt pro
Sekunde der Unterbrechungszeit einen ballistischen Ausschlag
£rdt<
•Ar
_ — o
^-v^ -^
JEWfe-4-
CJ^
lg. 0.
von
1
4-21
partes, also bei 500 Sekunden Unterbrechungszeit
einen Ausschlag von 119 partes, d. i. eine Erhöhung der
Empfindlichkeil auf das rund 120fache der normalen. Infolge
der großen Kapazität des Glimmerkondensators bleibt das
Potential der aufgeladenen Belegung auch nach längerer Zeit
klein, z. B. 0*16 Volt nach 500 Sekunden im früheren
Beispiel, so daß die den Strom i unterhaltende elektromotori-
sche Kraft E (gewöhnlich 100 bis 300 Volt) praktisch als
konstant betrachtet werden kann. Der Ladungsverlust durch
Leitung und Rückstandsbildung im Glimmerkondensator selbst
war zu vernachlässigen.
Unmittelbar nach der Ein- oder Ausschaltung der elektro-
motorischen Kraft ist die zeitliche Änderung des Rückstands-
stromes eine so rapide, daß das infolge seiner starken Dämpfung
70*
1062
E. V. Schweidler,
träge Galvanometer eine Messung der zu einer bestimmten
Zeit vorhandenen Stromstärke durch den gleichzeitig beob-
achteten Ausschlag unmöglich macht; erst nach etwa einer
halben Minute kann der — nun langsamer abnehmende — Aus-
schlag als Maß des Stromes angesehen werden. Um nun auch
kurz nach Stromschluß wenigstens einen Wert der Strom-
stärke zu bestimmen, wurde folgende Schaltung angewendet:
Parallel dem Galvanometer liegt eine Leitung, die den
Schlüssel SI und einen Widerstand W^ {W^ = 1 Ohm) enthält.
An den Enden des Widerstandes W^ liegt wieder eine Leitung,
Srdt
^WWvW-
l-<"
m
"i
M
u
— o
— ^vwvvv^A/V^AA^ — ^
Fig. 6.
die einen Akkumulator A und einen Regulierwiderstand R
enthäli. Das Verfahren ist folgendes: Durch einen Vorversuch
wird auf dem Wege der Extrapolation ungefähr ermittelt,
welche Stromstärke zu einer bestimmten Zeit ^^ nach Ein-
schaltung der elektromotorischen Kraft im Galvanometer zu
erwarten ist. Beim zweiten definitiven Versuche bleibt Sl
zunächst geschlossen; der Akkumulator A entsendet einen
Zweigstrom (Hilfsstrom) in das Galvanometer, der durch
Variation des Regulierwiderstandes R auf eine beliebige Größe
gebracht werden kann und einen konstanten Ausschlag a
hervorruft. Nun wird zur Zeit / m 0 im Hauptkreis die elektro-
motorische Kraft E eingeschaltet; da Sl geschlossen ist und
W^ (1 Ohm) gegenüber dem Widerstände der Galvanomeier-
spule (10.000 Ohm) immer noch als Kurzschluß aufgefaßt
Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
1063
werden kann, geht der normale Laäungsstrom und der mit
hohen Anfangswerten einsetzende Rückstandsstrom / zunächst
über Sl und W^ zur Erde, während im Galvanometer der Hilfs-
strom den konstanten Ausschlag a erhält. Zu jener Zeit t zz Z^,
für welche auf Grund des Vorversuches zu erwarten ist,
daß i=: a ist, wird der Schlüssel 51 geöffnet. Es wird damit
gleichzeitig der Hilfsstrom a unterbrochen und der zu messende
Strom / über das Galvanometer geleitet. War wirklich im
Momente der Unterbrechung i =r a, so bleibt in diesem
Momente die abgelenkte Galvanometerspule im Gleichgewichte,
um dann der Abnahme von i entsprechend ihren Ausschlag zu
verringern; war aber im Momente der Unterbrechung i größer
oder kleiner als a, so erfolgt auch eine stoßartige Vergrößerung
oder Verkleinerung des Ausschlages.. Auf diese Weise kann
also die Stromstärke i bestimmt werden für eine relativ kurze
Zeit (in praxi etwa 10 Sekunden) nach Stromschluß,
2. Versuchsresultate.
Zunächst soll in drei Beispielen (Versuchsreihen 1, 2
und 3) der auf p. 1022 besprochene Unterschied der beiden
Typen anomalen Ladungsstromes gezeigt werden.
Versuchsreihe 1.
Zylinderkondensator mit Petroleum gefüllt; t Zeit in
Sekunden von Stromschluß an gerechnet, E Potentialdifferenz
in Volt, i beobachteter Strom in Skalenteilen, a stationärer
Endwert desselben, y gegeben durch i — a.
Von /=:0 bis ^ = 1000; £=300 Volt; für /> 1000: E = 0,
t
•
f
y
t
■
1
y
0
^.^
180
126-3
0-8
15
240
114-5
240
126
0-5
30
188
62-5
300
126-2
0-7
45
168
42-5
660
125-5
00
60
90
151
134
25-5
8-5
900
125-5
0-0
1000
—
120
129
3-5
1020
0-2
— 0-2
150
127
1-5
1060
0-1
Ol
1064
E. V. Schweidler,
Versuchsreihe 2.
Plattenkondensator mit Toluol gefüllt; Bezeichnung wie
bei 1.
/ = 0 bis /zi=3600 sec: £=200 Volt; />3600 sec: £=0 Volt.
t
•
t
y
i
t
y
0
.__
300
110
32
30
875
297
360
105
27
60
260
182
420
101
23
90
182
104
480
99
21
120
155
77
540
95
17
150
140
62
600
94
16
180
130
52
3600 1
V
78
00
240
117
39
3650
—0-5
0-5
Versuchsreihe 3.
Glaskondensator (Eprouvette, als Belegungen innen
und außen Schwefelsäure); Bezeichnung wie früher.
Von / = 0 bis / =: 900 sec: £=300 Volt; für />900 sec:
E=0 Volt,
0
10
20
30
50
80
100
150
600
890
22
16
12-6
111
9-1
9-0
80
60
60
n = h— ^
16
10
6-6
51
31
30
20
00
00
- I
«2 = ^2
900
910
920
930
950
980
1000
1050
1500
ISOO
18
9-8
7-3
5-0
3-9
31
20
00
00
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1065
Das Resultat ist also, daß in den Versuchsreihen 1 und 2
der Strom allmählich auf einen stationären Endwert abnimmt,
nach Ausschaltung der elektromotorischen Kraft aber ein Strom
merklicher Intensität überhaupt nicht vorhanden ist, daß
dagegen in der Versuchsreihe 3 zunächst analog wie in den
ersten beiden Fällen eine Abnahme des Stromes erfolgt, nach
Ausschaltung der elektromotorischen Kraft aber ein entgegen-
gesetzt gerichteter Strom auftritt, dessen Stärke innerhalb
der Beobachtungsfehler der Größe y^y d. i. dem Überschusse
des Stromes i\ über seinen stationären Endwert, gleich ist.
Die Kurventafeln I, II und III geben ein Bild von den
Gesetzen des zeitlichen Verlaufes der variablen Bestandteile
y =: i — a\ die Abszissen stellen log ^, die Ordinaten log y dar;
für II und III erhält man angenähert Gerade: also da
\Qgy = Const — n log /
daraus
y = B, /-«.
Für I dagegen tritt an Stelle einer Geraden eine stark nach
abwärts gekrümmte Kurve, die allerdings dann in eine Gerade
überzugehen scheint.
Trotz der mehr oder weniger großen Analogie in der Form
des zeitlichen Ganges sind die Fälle 1 und 2 scharf zu sondern
von 3. Bei 1 und 2 liegt ein nicht reversibler anomaler
Ladungsstrom vor, der theoretisch auf die Eigenschaften eines
Mediums mit lonenleitung zurückgeführt werden kann.
Bei 3 liegt ein reversibler anomaler Strom, also eigentliche
Rückstandsbildung vor. Bei flüssigen Dielektrikas ist vom
Verfasser immer nur der erste Typus konstatiert worden, bei
festen Dielektrikas der zweite.
Die von vielen Beobachtern (vergl. p. 1024) gefundene und
durch den oben angeführten Versuch 3 bestätigte Formel:
für den zeitlichen Verlauf der Rückstandsströme wurde bisher
immer nur für relativ kleine Zeitintervalle (bis zu einer Stunde
etwa) experimentell geprüft.
Die beiden folgenden Versuchsreihen erstrecken sich über
weit längere Zeiten.
1066
E. V. Schweidler,
Versuchsreihe 4.
Glimmerkondensator von 1 Mikrofarad Kapazität,
durch 69 Stunden = 248400 Sekunden auf 300 Volt geladen;
zur Zeit / = 0 entladen; für den Entladungsstrom i^ wurde
gefunden :
t (sec)
«2 (partes)
0
40
60
100
150
200
300
600
1000
2000
(149)
104
73
56
46-5
36-0
23-2
17-0
11-3
Temperatur
5 C C.)
19-2
19-4
19-5
/ (sec)
i'a (partes)
3000
4000
6150
10000
25000
100000
110000
346500
520000
8-8
7-0
5-30
3-92
2-06
0-64
0-58
0130
0-080
Temperatur
5 C C.)
I
19-6
19-7
19-8
20-0
20-4
21-2
20-6
21-6
22-8
Die graphische Darstellung gibt bis zu zirka / = 10000 sec
(log / := 4'0) einen linearen Verlauf, also Gültigkeit der obigen
Formel; für /> 100000 fällt der Strom rascher, als es der
Formel entspricht. Doch kann daraus noch nicht auf ihre
Ungültigkeit für hohe Werte von / geschlossen werden.
Der Voraussetzung nach sollte die Formel i =5/~* gelten
für den anomalen Ladungsstrom sowie für den Entladungs-
strom dann, wenn der Kondensator unendlich lange Zeit
vorher auf konstanter Potentialdifferenz geladen gehalten wurde.
Nach endlicher Ladungsdauer 8 ist nach dem Superpositions-
prinzipe zu erwarten, daß der Entladungsstrom
,, =/(/)-/(^+8) = 5[/-«-(/+8)-].
Da im vorliegenden Falle 8 zwar groß (rund 250000 sec), aber
nicht unendlich ist, so wird beim Entladungsstrom das Glied
(/+8)'~'* für kleine Werte von / zu vernachlässigen, für große
Werte von / aber merklich sein.
Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
1067
Eine Beobachtung des über den eventuellen konstanten
Leitungsstrom übergelagerten Ladungsstromes, die direkt
/(/) gegeben hätte, mußte aus praktisch-technischen Gründen
unterbleiben: die elektromotorische Kraft — durch Abzweigen
vom Straßenstrom erhalten — war nicht vollkommen konstant^
so daß ihren Variationen entsprechende normale Ladungs- und
Entladungsströme sich über den zu beobachtenden Strom über-
lagerten und unregelmäßige, sehr bedeutende Schwankungen
des Ausschlages hervorriefen.
Versuchsreihe 5.
Paraffinpapierkondensator von 5 Mikrofarad Kapa-
zität, durch 6 Tage und 5 Stunden = 450000 Sekunden auf
300 Volt geladen; zur Zeit /z=0 entladen; für den Entladungs-
strom lg wurde gefunden:
/ (sec)
0
60
100
120
180
200
300
600
1000
1500
3000
10000
93000
250000
332000
508500
768600
1-20.10«
1*2 (partes)
22500
19000
11200
8580
8080
6360
4550
3640
3090
2420
1640
748
596
491
403
287
186-5
Temperatur
ä C c.)
/ (sec)
20-4
21-0
20-6
19-8
22-6
21-4
22-4
19-8
1-48.106
1-72.106
1-80.106
2-08.106
2-17.106
2-33.106
2-42.106
2-51.106
2-68.106
3-11.106
3-19.106
3-72.106
10-89.106
11-69.106
12-11.106
15-97.106
15-98.106
fg (partes)
154-5
162
155
155
139
186-5
201-5
213
202
202
209
170
17-0
16-0
13-1
8-2
18-0
Temperatur
^ (• C.)
18-4
20-2
19-7
20-0
19-0
22-8
23-6
24-2
24-4
26-0
270
17-2
18-0
14-0
12-8
18-8
1068 E. V. Schweidler,
Wie die graphische Darstellung (Kurventafel V) zeigt, ist
hier die obige Formel weniger gut erfüllt; log i fallt zuerst
rascher (entsprechend n=i0*86), dann langsamer (entsprechend
«i=0-34); für große Werte von / (/> 100000) vidrd der Gang
ganz unregelmäßig, in offenbarem Zusammenhang mit Tempe-
raturschwankungen. Erhöhter Temperatur entsprechen höhere
Stromwerte. Nach mehr als einem halben Jahre (/= 16 Millionen
Sekunden) ist der Rückstandsstrom noch sehr merklich; da die
zeitliche Änderung nun eine sehr langsame ist, kommen die
Temperatureinflüsse rein zur Geltung. Einer Erhöhung der
Temperatur von 12*8*C. auf 18*8' C. entspricht ein Anwachsen
der Stromstärke von 8-2 auf 18*0 partes.
Im Anschluß hieran seien einige Versuche über die Be-
einflussung der Rückstandsbildung in Glas durch die Tempe-
ratur mitgeteilt.
Versuchsreihe 6.
Glaskondensator, bestehend aus Kochkolben, Be-
legungen innen und außen Schwefelsäure; in fünf Versuchen
bei verschiedenen Temperaturen wurde der Entladungsstrom
gemessen, nachdem der Kondensator in allen fünf Fällen durch
eine Zeit 8 =1800 sec auf 300 Volt geladen worden war. Die
Temperaturen betrugen:
heia) *= 18* C
b) 30
c) 38
d) 40
» e) 47
Unter Hinweglassung der zugehörigen Zahlentabellen sei
direkt auf die graphische Darstellung in Taf VI verwiesen.
Es ergibt sich, daß die Kurven log i =/(log/) angenähert
Gerade von gleicher Neigung sind, aber um so höher liegen,
je größer die zugeordnete Temperatur ist. Es gilt also auch
angenähert die Formel izziB.t—^, und zwar ist» durch die
Temperatur nicht wesentlich beeinflußt, während B mit
steigender Temperatur zunimmt.
»
»
»
Anomalien im Verhalten der Dielekti'ika. 1069
Mit Steigender Temperatur nimmt also der Rückstands-
strom zu, ohne die Form des zeitlichen Verlaufes erheblich
zu ändern.
Die folgende Versuchsreihe enthält eine Prüfung des
Superpositionsprinzipes.Wird ein Kondensator unter sonst
gleichen Bedingungen (gleiche elektromotorische Kraft, gleiche
Temperatur) bei variabler Ladungsdauer 8 geladen und
dann der Entladungsstrom gemessen, so sollte bei Gültigkeit
des Superpositionsprinzipes die Gleichung erfüllt sein:
i=.J5/-'»— 5(/+8)-«.
Versuchsreihe 7.
Glimmerkondensator von 1 Mikrofarad Kapazität;
£ = 300 Volt, 8 respektive gleich 2, 10, 60, 600, 1800,
250000 Sekunden. Die graphische Darstellung in Kurven-
tafel VII.
Eine tabellarische Zusammenstellung der beobachteten
und der berechneten Werte von i gibt die Tabelle auf p. 1070.
Die beobachteten und die berechneten Werte stimmen für
8 z= 60 sec und 8 = 600 sec gut überein (für 8 = 250000 sec
ist die ausgeglichene Kurve der beobachteten Werte als be-
rechnete eingesetzt, daher die Übereinstimmung selbstverständ-
lich); im übrigen ist zwar die Größenordnung dieselbe, die
Abweichung aber doch eine die Beobachtungsfehler über-
steigende.
Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß für kleine Ladungs-
zeiten (8 =z 2 sec und 10 sec) der eingesetzte Wert von 8
ungenau ist, ferner daß in den verschiedenen Messungsreihen
nicht dieselbe Temperatur zu erzielen war, was ebenfalls Vor-
aussetzung der exakten Übereinstimmung ist.
Weitere Versuche prüfen die Richtigkeit der Annahme, daß
bei verschiedenen Werten E der elektromotorischen Kraft die
zugehörigen Werte von B in der Formel i=:BJ-^ der elektro-
motorischen Kraft proportional sind.
Versuchsreihe 8.
Glimmerkondensator von 1 Mikrofarad Kapazität,
Ladungsdauer 8 = 600 sec, E variabel.
1070
E. V. Schweidler,
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1
Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
1071
Die Versuchsergebnisse sind zusammengestellt in der
folgenden Tabelle:
/ (sec)
£ =
10 Volt
20 Volt
50 Volt
100 Volt
300 Volt
0
30
50
60
100
250
500
1000
4-8
2-9
•
1-5
0-53
0-24
0-13
8-5
5-3
4-3
2-6
1-09
0-56
0-21
22
13-8
Ire
8-0
2-83
1-54
0-60
47
29
24-1
150
2-99
1-20
94
77
47
19
9-3
4-7
Die Abweichungen liegen innerhalb der Grenzen der Beob-
achtungsfehler; die obige Annahme erweist sich also berechtigt
bei Variationen der elektromotorischen Kraft im Verhältnis
von 1 : 30.
Anwendung der experimentell gefundenen Resultate.
Im folgenden soll an einem Beispiel gezeigt werden, wie
aus der Untersuchung des Rückstandsstromes die dadurch be-
dingten Anomalien anderer Art numerisch berechnet werden
können.
Aus Versuchsreihe 4 ergibt sich für einen Glimmerkonden-
sator von 1 Mikrofarad Kapazität bei E =i 300 Volt für den
Rückstandsstrom :
i =z B,t-»; B = 1370 partes =: 4-38. 10-' A
n = 0'64.
Setzt man B zz C£ß, so erhält man:
ß= 1-46. 10-M —
\ sec
1070 E. V. Schweidler,
— ist somit für
H
&3 ^^ ^
oopa>co^^►-»-*
ooooooooo - //5poniDlen Ladung
I I I I I ? I '^
CO
O P * *
■
..y/flbaren Kapazität C mit der
''''»' • '."^ü^ rf«"" form«! (vergl. p. 1032)
I I I I
S,' ßm-n) cos ^ ^ J
' ' . " . ,uenz = 10000, C'= 1-000021 C
. >^' 1000 1-000046
100
1-000106
10
1-000243
1
1-000556
•ht sich aus der Formel für den reziproken
i'-^*U ^'^ ^rw cos (1^ ■
„baren Widerstand des Kondensators infolge
sc j
/Bf d«" ... 1
rtcVOI s«<=» Frequenz = 10000, <» = 14.000 Ohm
»==,,*^il 1000 61.000
!,.^-,, 100 267.000
^Vl 10 1,180.000
\ .•» 1 5,150.000
p»«<5en5 scheinbaren Widerstand entspricht dann die analog
4;^ j<>u!c*sche Wärme berechnete Energievergeudung im
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1073
■isammenstellung der Werte von ß und w, die in
für andere Substanzen die auf Rückstands-
nden Phänomene numerisch berechnen läßt,
.ler (Versuch 4) bei zirka 20** C:
P= 1-46. 10-» (— ); « = 0-64.
Glas (Eprouvette, Versuch 3) bei zirka 20° C:
ß = 78. 10-» (— ); n = 0-74.
Glas (Kochkolben, Versuch 6) bei zirka 18° C.:
ß= 15-4.10-» (— ); « = 0-70.
Paraffinpapier (Versuch 5) bei zirka 20** C:
ß= 128.10-» (---]; n=i0'34.
IV. Teil.
Zusammenfassung der Resultate.
I. Es wurde zunächst auf Grund der bisher vorliegenden
experimentel len Ergebnisse eine Darstellung der Haupt formen
anomalen Verhaltens der Dielektrika und der dabei gefundenen
Gesetzmäßigkeiten gegeben. Als solche Hauptformen werden
unterschieden:
1. Die Rückstandsbildung;
2. die Energieverluste (Wärmeproduktion) in Dielek-
trikas unter dem Einfluß eines Wechselfeldes;
3. die ponderomotorischen Kräfte, die ein Dielek-
trikum in einem relativ zu ihm rotierenden Felde erfährt;
4. die scheinbare Abhängigkeit der Kapazität eines
Kondensators von Ladungsdauer bei konstanter Spannung,
beziehungsweise Perioden dauer bei Wechselspannung.
II. Es wurde hierauf gezeigt, daß das Vorhandensein von
Rückstandsbildung in einem Medium notwendig auch die unter
2 bis 4 genannten Formen anomalen Verhaltens bedingt und
1074 E. V. Schweidler,
<iaß aus den empirisch gefundenen Gesetzen der Rückstands-
bildung auch die Gesetze für diese Formen quantitativ ab-
leitbar sind.
Es wird ferner gezeigt, daß zwar ohne Rückstandsbildung
diesen anderen Formen analoge Erscheinungen durch Leitung
des Dielektrikums zu stände kommen können, daß aber eine Be-
rücksichtigung der bisher gefundenen Ergebnisse quantitativen
Charakters diese Erklärung als unzureichend erscheinen läßt.
Die Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten, die Ano-
malien der Dielektrika theoretisch zu behandeln, führt auf
folgende Resultate:
Die Annahme inhomogener Struktur des Dielektrikums
YMaxweirsche Theorie der geschichteten Dielektrika) führt zu
qualitativ richtigen Folgerungen, doch ist infolge mathematischer
Schwierigkeiten eine exakte Lösung der gestellten Probleme
und damit ein Vergleich von Theorie und Erfahrung in quanti-
tativer Beziehung vorläufig undurchführbar.
Die Annahme anomaler Leitung (lonenleitung) führt
teilweise zu qualitativ richtigen Ergebnissen, teilweise aber zu
Konsequenzen, die mit der Erfahrung im Widerspruch stehen.
Anomale Leitung kann daher in manchen Fällen an den beob-
achteten Erscheinungen mitbeteiligt sein, ohne eine aus-
reichende Erklärung zu liefern.
Die Annahme anomaler Vorgänge dielektrischer
Natur (dielektrische Nachwirkung, Hysteresis) ist
unzureichend in der Form, wie sie bei den Erscheinungen der
magnetischen Hysteresis mit Erfolg verwendet wurde. Die von
Pellat präzisierte Annahme einer dielektrischen Nachwirkung
(viskosen Hysteresis), daß die dielektrische Verschiebung nach
einem bestimmten einfachen Gesetz ihres zeitlichen Verlaufes
einem der jeweiligen Feldintensität proportionalen stationären
fd^ ä& d \
Endwert zustrebe -Tr = ^^i ^ [5)— sÄ'®] , gibt im all-
\ dt dt dt I
gemeinen eine gute Annäherung an die beobachteten Er-
scheinungen, doch bleiben in einzelnen Punkten Differenzen
zwischen Theorie und Beobachtung bestehen.
Es wird nun eine Modifikation dieser Theorie durchgeführt,
die darin besteht, daß die dielektrische Verschiebung in eine
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1075
Summe beliebig vieler Glieder zerlegt wird, von denen jedes
einzelne demselben einfachen Gesetz folgt wie nach der Pellat-
schen Theorie, doch unter Variation der in der Formel ent-
haltenen Parameter.
Es folgt eine Interpretation der dieser Theorie zu Grunde
liegenden Annahmen vom molekularphysikalischen Stand-
punkt aus.
III. Experimentelle Untersuchungen der Rückstandsbildung
mittels einer galvanometrischen Methode bestätigen und er-
gänzen die schon von anderen Autoren gefundenen Resultate
bezüglich des zeitlichen Ganges der Rückstandsbildung, der
Gültigkeit des Superpositionsprinzipes, des Einflusses der
Temperatur und der Proportionalität zwischen Rückstands-
strom und Spannung.
An einem Beispiel wird gezeigt, wie aus zwei Konstanten,
deren Werte aus der Untersuchung des Rückstandsstromes
ermittelt wurden, die anderen Formen anomalen Verhaltens
durch Angabe numerischer Werte dargestellt werden können.
Literatur.
I. Rückstand.
1. R. Kohlrausch, Pogg. Ann., P^, 56 1854
2. W. V. Bezold, Pogg. Ann., 114, 437 1861
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auch Proc. Roy. Soc, 25, 496 1876/77
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1076 E. V. Schwcidler.
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14. W. E. Ayrton und J. Perry, Proc. Roy. Soc., 27, 238. . 1878
15. W. Giese, Wied. Ann., P, 161 ; 1880
16. H. A. Rowland und E. L. Nichols, PhU. Mag. (5),
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17. H. Hertz, Wied. Ann., 20, 279 1883
18. C. Dieterici, Wied. Ann., 2 J, 545 1885
19. A. Wüllner, Wied. Ann., 32, 19 1887
20. L. Arons, Wied. Ann., ^J, 291 1888
21. J. Curie, Ann. chitn. phys. (6), 75, 203 1889
22. H. Muraoka, Wied. Ann., 40, 328 1890
23. E. Bouty, C. R., 110, 846, 1362 1890
auch Ann. chim. phys. (6), 27, 62 1892
24. A. Hess, Lum. electr., 46, 401, 507 1892
auch J. de Phys. (3), 2, 145 1893
25. B. Dessau, Rend. R. Acc. d. Line. (5), 2, II, 86 1893
26. F. Bedell und C. Kinsley, Phys. Rev., 2, 170 1894
27. R. Lombardi, Mem. R. Acc. Torino {2), 44 1894
28. A. S. Dunstan, Electr. World, 2tf, 3 1895
29. A. Hess, Eclair, electr., -^,205 1895
30. — Eclair electr., 7, 450 1896
31. H. V. Carpenter, Phys. Rev., 4, 238 1896
32. Th. Wulf, diese Sitzungsberichte, 105, 667 1896
33. L. Houllevigue, J. de Phys. (3), 6, 113, 120, 153... 1897
34. J. Hopkinson und E. Wilson, Proc. Roy. Soc, öO,
425 1897
35. F. Hasenöhrl, diese Sitzungsberichte, 107, 1035 ...1898
36. H. A. Rowland und T. D. Penniman, J. Hopk. Un.
Circ, 77, 52 1898
37. A. Naccari, Atti Torino, 34, 1088 1899
38. L. M. Potts, J. Hopk. Un. Circ, i*, 59 1899
39. H. Pellat, C. R., 128, 1312 1800
auch Ann. chim. phys. (7), i«, 150 1899
40. L. M. Potts, J. Hopk. Un. Circ, 19, %2 1900
41. H. Pellat, J. de Phys. (3), 9, 313 190t)
42. C. V. Drysdale, Electrician, 46, 890 1901
43. A. W. Ashton, Phil. Mag. (6), 2, 501 1901
i
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1077
44. J. Buchanan, Phil. Mag. (6), 5, 240 1902
45. E. V. Schweidler, diese Sitzungsberichte^ 111, 573. .1902
46. — diese Sitzungsberichte, 111^ 579 1902
47. U. Seiler, Mitt. Phys. Ges. Zürich, Nr. 3, 12 1902
n. Hysteresis.
1. W. Siemens, Pogg. Ann., 125, 137 1864
2. A. Naccari und F. Bellati, J. de Phys. (2), i, 430 . . 1882
3. J. Borgmann, J. d. russ. phys. ehem. Ges. (1), 18, 6. . 1886
auch J. de Phys. (2), 5, 217 1888
4. J. Trowbridge und W.C.Sabine, Phil. Mag. (5),
50, 323 1890
auch Phys. Rev., 7, 183 1892
5. — Rep. Brit. Ass. Leeds, 781 1890
6. C. P. Steinmetz, Electrician, 25, 384, 408, 425, 602. . 1892
auch Lum. electr., ^4, 95 1892
auch Elektrotechn. Z. S., /J, 227 1892
7. R. Arno, Rend. R. Acc. dei Line, /, 284 1892
8. P. Janet, J. de Phys. (3), 2, 337 1893
9. A. Hess, Lum. efectr., 47, 466 1893
auch J. de Phys. (3), 2, 145 1893
10. G. Benischke, diese Sitzungsberichte, 102, 1345 . . . 1893
11. A. Kleiner, Wied. Ann., 50, 138 1893
12. C. Borel, C. R., 116, 1192 1893
auch Arch. de Geneve (3), JO, 45 1893
13. W. Weiler, Zeitschr. f. phys. u. ehem. Unt., 7, 1 1893
14. H. Fritz, Dissertation, Zürich 1893
15. R. Arno, Gim. (3), 33, \b 1893
16. — Rend. R. Acc. dei Line. (5), 2, 1, 341 1893
17. — » » . » » (5), 2, 11,260 ......1893
18. . — » » » » » (5), ^, 1, 585 1894
19. _ , » » » . (5),5, II, 294 1894
20. A. Kleiner, Arch. de Geneve (3), 32, 282 1894
21. H. Düggelin, Vierteljahrschr. d. naturf. Ges. Zürich,
40, 121 1895
22. A. W. Porter und D. K. Morris, Proc. Roy. Soc,
57, 469 1895
23. A. Hess, Eclair, electr., 4, 205 1895
71*
1078 E.V. Schweidicr,
24. G. Benischke, Zeitschr. für Elektrotechn., 1895,
Heft 16 1895
25. H. Eisler, Zeitschr. für Elektrotechn., 1895, Heft 16. .1895
26. H. F. Weber, Arch. de Geneve (4), 2, 519 1896
27. R. Arno, Rend. R. Acc. dei Line. (5), 5, I, 262 1896
auch N. Cim. (4), 5, 52 1896
28. A. Hess, Eclair, electr., 7, 450 1896
29. L. Houllevigue, J. de Phys. (3), (5, 120 1897
30. R. Threlfall, Phys. Rev., 4,457 1897
31. — Phys. Rev., J, 21, 65 1897
32. W. Schaufelberger, Dissertation, Zürich 1898
auch Wied. Ann., ö5, 635 1898
33. H. Pellat, C. R., 128, 1312 1899
auch Ann. chim. phys. (7), 18, 150 1899
34. W. Schaufelberger, Wied. Ann., 67, 307 1899
35. E. B. Rosa und A. W. Smith, Phys. Rev., 8, l 1899
auch Phil. Mag. (4), 47, 222 1899
36. F. Beaulard, C, R., 130, 1182 1900
37. — J. de Phys. (3), 9, 422 1900
38. H. Pellat und F. Beaulard, C. R., 130, 1457 1900
39. — J. de Phys. (3), 9, 313 1900
40. L. M. Potts, J. Hopk. Un. Circ, 19,62 1900
auch Phys. Zeitschr., 2, 301 1900
41. P. L. Mercanton, Bull. soc. vaud., Oktober 1901
auch J. de Phys. (4), i, 33 1902
42. C. P. Steinmetz, Electric. World, 37, 1065 1901
auch Eclair, ^lectr., 2P, 27 1901
Electrician, 47,412 1901
Nat. Rundsch., 16,597 1901
43. W. E. -^y rton, Electrician, 46,476 1901
44. A. W. Ashton, Phil. Mag. (6), 2, 501 1901
45. F. Maccarone, N. Cim. (5), 2, 88 1901
auch Physik. Zeitschr., ,^,57 1901
46. C. E. Skinner, Electr. Rev., 4/, 82 1902
47. F. Maccarone, N. Cim. (5), 4, 313 1902
48. F. Beaulard, Congres d'Angers de Tassoc. franc.
pour Tavance des sciences 1903
auch Eclair, electr., 57, 404 1903
Anomalien im Verhalten der Dielektrika. 1079
49. J.Moscicki und M. Altenberg, Krak.Anz.,1904, 46. .1904
50. C. E. Guye und P. Denso, Arch. de Geneve, 19, 101 . . 1905
auch C. R., 140, 433 1905
51. 0. M. Corbino, N. Cim. (5), P, 81 1905
auch Physik. Zeitschr., 6, 138 1905
52. V. V. Lang, diese Sitzungsberichte, 115, 211 1906
IIL Rotation und Drehmomente.
1. H. Hertz, Wied. Ann., iJ, 266 1881
2. G. Quincke, Wied. Ann., 59, 417 1896
3. A. Heydweiller, Verh. phys. Ges. Berlin, 7(5, 32 1897
4. A. Boltzmann, Wied. Ann., öO, 399 1897
5. E. V. Schweidler, diese Sitzungsberichte, 106, 526. .1897
6. A. Heydweiller, Wied. Ann., Ö9, 531 1899
7. L. Graetz, Drude's Ann., i, 530 1900
siehe auch: Arno, II, 7, 15 bis 19, 27;
Weiler, II, 13;
Threlfall, 11,30,31;
Schaufelberger, II, 32, 34;
V. Lang, II, 52.
IV. Anomale Leitung.
1. H. Hertz, Wied. Ann., 20, 279 1883
2. G. Quincke, Wied. Ann., 28, 529 1886
3. H. Koller, diese Sitzungsberichte, P*, 201 1889
4. R. Appleyard, Phil. Mag. (5), 38, 396 1894
5. — Phil. Mag. (5), 42, 148 1896
6. A. Naccari, N. Cim. (4), *, 259 1898
7. E. V. Schweidler, diese Sitzungsberichte, 109, 964. . 1900
8. — Drude's Ann., J, 483 1901
9. H. Gädeke, Dissertation, Heidelberg 1901
10. E. V. Schweidler, diese Sitzungsberichte, 113, 881 . .1904
11. R. Appleyard, Phil. Mag. (6), 10, 485 1905
12. P. Goure de Villemontee, C. R., 141, 179 1905
V. Abhängigkeit der Dielektrizitätskonstante von Ladungs-
dauer oder Wechselzahl.
1. N. Schiller, Pogg. Ann., 152, 555 1872
2. L. Boltzmann, diese Sitzungsberichte, 67, 17 1873
irmalen
if. Er-
r das e
:n nun
osions-
;. B. bei
bei der
tsachen
nt, mit
im all-
hnellig-
ie oben
it, von
gezeigt,
ren, an
von da
rdender
rreichle
losions-
Zahlen.
ät trifft
nengen
höherer Explosibttität, für welche die Arbeiten der genannten
Forscher zu dem bemerkenswerten Ergebnis führten, daß sich
hier die In der Röhre schließlich erlangte Geschwindigkeit der
Flamme außerordentlich an die Molekulargeschwindigkeit, also
auch an die Schallgeschwindigkeit, wie sie in dem brennenden
Gasgemisch herrscht, annähert. Diese zuletzt erwähnte Gesetz-
mäßigkeit scheint nicht nur für gasförmige, sondern auch für
I Auf die korrelctera Methode von Gouy-Michelson zur BestiminunS
der normiJen Explosionsgescbwindigkeit, welche Aucb flir nicht kegelßmitge
Brennflächen gilt, werden wir später zu sprechen kommen.
Sehweidler E., V.: Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel I.
Tafel I zu Versuchsreihe 1, Petroleumkondensator.
^ * ^ V V
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
t •
Seh weidler E., V. : Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel II.
Tafel II zu Versuchsreihe 2, Toluolkondensator.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 19Ö7.
• • • • •
• • ••
••••
• • •
Seh weidler E., V.: Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel III.
Tafel III zu Versuchsreihe 3, Glaskondensator.
*
Sitzungsberichte der kais. Akad. vi. Wiss., math.-nalurw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
• • •. '
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eidler E., V.: Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel IV zu Versuchsreihe 4, Glimmerkondensator.
Tafel IV.
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Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
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Sehweidler E., V.: Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel IV.
Tafel rV zu Versuchsreihe 4, Glimmerkondensator.
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Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
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Seh weidler E., V.: Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel V.
Tafel V zu Versuchsreihe 5, Paraffinpapierkondensator.
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Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
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Seh weidler E., V.: Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel VI.
Tafel VI zu Versuchsreihe 6, Glaskondensator.
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Seh weidler E., V.: Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Tafel VII.
Tafel VII zu Versuchsreihe 7, Glimmerkondensator.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
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1081
Grundzüge zu einer Theorie der Explosionen
von
Dr. Heinrich Mache.
Ans dem physikalischen Institute der Universität Innsbruck.
(Mit 6 Tcxtfiguren.)
(Vorgelegt in der Siuung am 4. Juli 1907.)
Strömt ein homogenes Knallgas, etwa ein Leuchtgas-Luft-
Gemisch, aus einer zylindrischen Röhre aus und wird es ent-
zündet, so hat die Brennfläche die Form eines Kegels, wie wir
ihn an jedem Bunsenbrenner beobachten können. Es ist dies
die innere, je nach dem Mischungsverhältnis grün bis violett
leuchtende Fläche, in der sich das zuströmende Knallgas ent-
zündet und in der brennendes und unverbranntes Gas sozu-
sagen unvermittelt aneinander grenzen.^ Auf der einen Seite
dieser Fläche herrscht die Entzündungstemperatur, auf der
anderen Seite die hohe Verbrennungstemperatur. Da hier un-
mittelbar nach der Entzündung die Wärmeverluste an die
Umgebung sich noch nicht geltend gemacht haben, so be-
zeichnet diese Seite der Brennfläche zugleich die heißeste
Stelle der Flamme.
Der Öffnungswinkel 27 des Brennkegels (Fig. 1) steht nun
in einfacher Beziehung zur Strömungsgeschwindigkeit und
der zur Brennfläche normalen Explosionsgeschwindigkeit des
Knallgases. Ist u die erstere, so ist ihre Projektion auf die
^ Der Übergang von der Entzündungs- zur Verbrennungstemperatur
erfolgt in außerordentlich kurzer Zeit. Vergl. darüber z. B. : B. Hopkinson,
Proc. Roy. Soc, 77, p. 387 (1906).
1082 H. Mache,
zur Kegelfläche errichtete Normale NN' gleich der normalen
Explosionsgeschwindigkeit c. Daher ist auch c iz: » sin 7. Er-
sichtlich kann man durch Beobachtung von u und 7 das c
angenähert bestimmen.^ Derartige Messungen ergeben nun
das überraschende Resultat, daß diese normale Explosions-
geschwindigkeit verhältnismäßig sehr gering ist und z. B. bei
der explosibelsten Leuchtgas-Luft- Mischung 0*5 , bei der
fH
explosibelsten Wasserstoff-Sauerstoff-Mischung 10 nicht
Übersteigt.
Mit diesem Ergebnis stehen eine Reihe von Tatsachen
scheinbar im Widerspruch. Erstens ist es ja bekannt, mit
welcher außerordentlichen Heftigkeit Gasexplosionen im all-
gemeinen in größeren Räumen verlaufen und daß die Schnellig-
keit, mit der sich hiebei die Entzündung fortpflanzt, die oben
gegebenen Werte bedeutend übertrifft.
Zweitens haben die Messungen von Berthelot, von
Mallard und Le Chatelier und von Dixon direkt gezeigt,
daß sich die Flamme in mit Knallgas gefüllten Röhren, an
deren einem Ende die Entzündung eingeleitet wurde, von da
mit zuerst rasch anwachsender, später konstant werdender
Geschwindigkeit bewegt und daß diese schließlich erreichte
Endgeschwindigkeit, die Geschwindigkeit der »Explosions-
welle«, um vieles größer ist als die oben gegebenen Zahlen.
Selbst bei Gemengen von relativ geringer Explosibilität trifft
dies zu, in besonders hohem Maße aber bei den Gemengen
höherer Explosibilität, für welche die Arbeiten der genannten
Forscher zu dem bemerkenswerten Ergebnis führten, daß sich
hier die in der Röhre schließlich erlangte Geschwindigkeit der
Flamme außerordentlich an die Molekulargeschwindigkeit, also
auch an die Schallgeschwindigkeit, wie sie in dem brennenden
Gasgemisch herrscht, annähert. Diese zuletzt erwähnte Gesetz-
mäßigkeit scheint nicht nur für gasförmige, sondern auch für
1 Auf die korrektere Methode von Gouy-Michelson zur Bestimmung
der normalen Explosionsgeschwindigkeit» welche auch für nicht kegelförmige
Brennflächen gilt, werden wir später zu sprechen kommen.
Theorie der Explosionen. I0v>3
flüssige und feste Elxplosivstot^e zxx bestehen* Wenigstens
haben Untersuchungen Berthelot*s an einigen dieser Körper
zu Zahlen geführt, welche eine derartige Deutung zulassen.^
Eine dritte Erscheinung, welche gleichfalls auf Grund der
geringen normalen Elxplosionsgeschwindigkeit nicht erkltirt
werden kann, ist die in die Theorien der inneren Ballistik
von manchen Autoren eingeführte sogenannte »äußere Ent-
zündung«. Wird kolloidales Pulver mit würfeN oder röhren-
förmigem Korn an einer Stelle entzündet, dann ptlanzt sich
zunächst die Entzündung so gut wie momentan über die Ober-
flächen aller Würfel oder Röhren fort, aus denen die Ladung
besteht, um dann erst, ungleich langsamer, senkrecht gegen
die Oberfläche in das Innere des Kornes vorzudringen. In der
Tat brennt das Pulver in iiquidistanier Fläche ab» so dai3 die
Komform gewahrt bleibt: Würfel bleibt Würfel, Röhre bleibt
Röhre. Der Beweis wurde erbracht durch die Beobachtung
erloschener Reste und eine Bestätigung liegt auch darin, daß
die Verbrennungsdauer des Korns der Komdicke proportional
ist* Ein derartiges \'erhalten ist nur möglich, wenn die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit der Explosion von einem Korn zum
anderen, also die Oberflächengeschwindigkeit der Explosion,
groß ist gegenüber der Verbrennungsgeschwindigkeit dos
Korns, d. h. also gegenüber der Geschwindigkeit, mit der die
Explosion senkrecht zur Brennfläche fortschreitet.
Angesichts der erwähnten Tatsachen drängt sich nun die
Frage auf, wie es möglich ist, daß ein und derselbe \'er-
brennungsprozeß das einemal mit relativ kleiner, das andere-
mal mit so großer Geschwindigkeit in die unverbrannte Sub-
stanz fortgeleitet wird.
In den folgenden Ausführungen wird versucht, diese Frage
zu beantworten. Hiebei beschränken wir uns auf den Fall, daß
die Verbrennung offen, also unter normalem Luftdruck vor
sich geht Im geschlossenen Gefäße wird durch den steigenden
Druck sowohl das Flammengas wie der Explosivkörper adia-
1 Vergl. darüber: N ernst, Theoretische Chemie, 2. Aufl., p. 626.
> C. Cranz, Ballistik, p. 257; Enzyklopädie der mathem. Wiss., IV.^»
Heft 2 (1903).
1084
H. Mache,
batisch komprimiert und hiedurch einerseits die Verbrennungs-
temperatur erhöht, andrerseits die noch nicht entzündete Masse
vorgewärmt. Aus beiden Gründen steigt die Explosions-
geschwindigkeit. Bei offener Flamme hingegen kann ein der-
artiger Effekt nur eintreten, wenn die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit der Explosion die Schallgeschwindigkeit übersteigt Bis
zu dieser Grenze bestimmen chemische Natur und Anfangs-
temperatur der explosiblen Substanz eindeutig diese Grö8e.
Kehren wir jetzt zur Betrachtung des Flammenkegels
zurück, der sich in einem durch eine zylindrische Röhre
strömenden, homogenen Knallgas
stationär erhält. Auch hier können
wir ersichtlich zwei verschiedene
Explosionsgeschwindigkeiten
unterscheiden. Zunächst erfolgt
senkrecht zur Bremifläche die
Fortleitung der Explosion mit der
normalen Explosionsgeschwin-
digkeit c. Diese, unter der Strö-
mungsgeschwindigkeit des Knall-
gases liegend, wäre aber allein
nicht im stände, den Brennkegel
stationär zu erhalten; denn sie
treibt ihn nur mit der Geschwin-
digkeit u sin* Y der Strömung ent-
gegen. Es würde sich also die
Flamme vom Brennerrohr abheben und erlöschen. Da dies
nicht eintritt, sind wir zur Annahme gezwungen, daß sich die
Basis des Kegels mit der Geschwindigkeit C-=.u der Strömung
entgegen bewegt, d. h. daß am Rande der Brennfläche, etwa
unter dem Winkel y gegen diese, sich die Explosion mit der
Geschwindigkeit der Strömung in das unverbrannte Gas-
gemisch fortpflanzt. Es ist einleuchtend, daß dann auch die
übrigen Teile der Brennfläche stationär erhalten bleiben werden,
indem sie sich jederzeit im selben Maße, in dem sie von der
Fig. 1.
Theorie der Explosionen. 1085
Strömung in die Höhe getragen werden, vom stationären Rande
der Brennfläche her ergänzen.^
In der Tat wird sich ja doch ein in A befindliches
Flammenteilchen, durch die Strömung und die normale Ex-
plosionsgeschwindigkeit getrieben, längs der Mantelfläche des
Kegels bewegen müssen.
Steigert man die Strömungsgeschwindigkeit, so wird der
Brennkegel steiler und höher, bis er bei einem vom Mischungs-
verhältnis abhängigen, kritischen Werte sich vom Brennerrohr
abhebt und erlöscht. Indem sich also der Rand des Kegels
unter immer spitzerem Winkel gegen das zuströmende Gas
einstellt, erhält er zunächst die Fähigkeit, mit der jeweiligen
Strömungsgeschwindigkeit dem Gasstrom entgegenzueilen und
sich so stationär zu erhallen. Erhöht man aber die Strömungs-
geschwindigkeit bis zum Erlöschen der Flamme, so bezeichnet
dieser Wert den Maximalwert CMaxi mit dem die Explosion
vom Rande der Brennfläche aus in das Gas vordringen kann
und der Winkel, den jetzt die Brennfläche mit der Strömungs-
richtung einschließt, diejenige Richtung, in welcher die Ex-
plosion mit diesem Maximalwerte fortschreitet. Als minder
wesentlich sei hier nur kurz bemerkt, daß der Winkel an der
Basis des Kegels sich nicht genau mit dem halben öfi'nungs-
vvinkel y deckt. Er ist vielmehr stets größer, schon deshalb,
weil die Brennfläche an der Basis eine Verbiegung aufweist,
die hauptsächlich dadurch bestimmt ist, daß dort in der Nähe
der Wand die Strömungsgeschwindigkeit infolge der Reibung
geringer ist.^
1 Das Knattern der Flftmnse kurzröhriger Bunsenbrenner rührt von dieser
fortwährend vom Rande aus erfolgenden Neuentzündung her.
2 Es ist wohl bekannt, daß es gleichfalls unwesentlich ist, daß wir uns
den Brennkegel am Ende des Brennerrohres aufsitzen denken. Kegel von
gleicher Form lassen sich auch im Rohre oder in kleiner Entfernung über deci
Rohre erhalten. Um die Flamme ins Rohr zu bringen, ist es nur nötig, das Ende
von außen, etwa mit einer Stichflamme, anzuheizen. Der Kegel zieht sich, nach
kurz dauerndem Vibrieren zwischen den beiden Lagen, hinein und wandert
dann in dem Maße, in dem das Rohr von ihm selbst erhitzt wird, langsam nach
unten. Auch über dem Rohre läßt sich der Flammenkegel, etwa auf einem Ring
aus Platindraht von der gleichen Öffnung wie das Brennerrohr aufsitzend,
erhalten.
1086
H. Mache,
Im folgenden werden zunächst einige Bestimmungen der
Größe Cmex für ein Leuchtgas-Luft-Gemisch mitgeteilt, die ge-
mäß den obigen Ausführungen in der Weise erhalten wurden,
daß man die Geschwindigkeit des Knallgasstromes beobachtete,
die gerade hinreichte, um die Flamme zu erlöschen. Der Durch-
messer des verwendeten Brennerrohres betrug 0*765 cm, seine
Länge 85 cm. An ihm war unten ein weiteres Rohr angesetzt,
das als Mischkammer diente. Die Luft wurde einem mit Ge-
wichten belasteten Glockengasometer entnommen, der im Gaso-
meter vorhandene Druck mit einem Manometer beobachtet, das
ausgetretene Luftquantum aus dem Sinken der Gasometer-
trommel unter Voraussetzung isothermer Ausdehnung berech-
net. Das Leuchtgas* wurde direkt aus der Leitung zugeführt,
das Quantum vermittels einer mehrmals kubizierten und mit
Manometer versehenen Präzisionsgasuhr bestimmt. Es war
nach dem Passieren der Gasuhr mit Wasserdampf so gut wie
gesättigt, hingegen hatte die Luft, da sie dem Gasometer un-
mittelbar nach der Füllung entnommen wurde, nur den geringen
Feuchtigkeitsgehalt der Luft des Beobachtungsraumes.
Die folgende Tabelle enthält in der ersten Spalte den
Prozentgehalt der Mischung an Leuchtgas, in der zweiten die
(nach der Gouy'schen Methode gemessene) normale Explo-
sionsgeschwindigkeit Cy in der dritten die Strömungsgeschwin-
digkeit, bei welcher das Abreißen der Flamme erfolgte, also
diejenige Größe, die nach den obigen Ausführungen mit der
maximalen Explosionsgeschwindigkeit Cmax identisch ist In
der vierten Spalte ist der Quotient
'Max
gegeben.
%
CfH
sec
'Max
cm
sec
'Max
10
U
12
14
14
15
15
53
56
14
39
72
26
62
19
23
25
32
33
34
36
9
2
0
2
2
9
1
107
222
433
559
653
733
880
5-4
9-6
17-3
17
19
4
7
21-0
24-4
1 Der Heizwert des zu diesen Messungen verwendeten Leuchtgases betrug
rund 4900 Cal.
Theorie der Explosionen. 1087
Wir sehen aus diesen Zahlen, daß selbst bei den im Ver-
gleiche zu anderen explosiven Mischungen relativ wenig ex-
plosiblen Leuchtgas-Luft- Gemengen die maximale Explosions-
geschwindigkeit die normale um vieles übertrifft. Auch sieht
man, daß mit wachsendem Leuchtgasgehalt und gleichzeitig
steigender Explosibilität der Wert Cmsz etwa linear, der Quo-
tient — *- hingegen zuerst schnell, später langsamer an-
wächst.
Der geringe Gasdruck in der Leitung gestattete nicht, den
Prozentgehalt des Leuchtgases in der Mischung noch weiter
zu erhöhen und so den Höchstwert der maximalen Explosions-
geschwindigkeit zu bestimmen, der offenbar erst in der explo-
sibelsten Mischung, die nahe bei 17^0 Leuchtgasgehalt liegt.
!f
Fig. 2.
erreicht worden wäre. Falls eine Extrapolation gestattet ist, so
fit
würde aus ihr folgen, daß dieser Höchstwert 10 nicht
sec
wesentlich übersteigt.
Fassen wir das bisher Gesagte zusammen, so kommen
wir zu der folgenden Vorstellung über das Fortschreiten einer
auf einer Fläche in einem homogenen Explosivkörper ein-
geleiteten Verbrennung: Ist MN diese Fläche, so pflanzt sich
in ihren mittleren Partien die Explosion in der Richtung der
zur Fläche errichteten Normalen mit der Geschwindigkeit c
fort. Am Rande der Fläche hingegen ist die Explosion auch
seitlich gerichtet und ihre Geschwindigkeit erreicht da in einer
bestimmten, etwa durch den Winkel 0 gegebenen Richtung
einen Maximalwert Cwax, der c um vieles übertrifft.
Um dieses polare Verhalten im Fortschreiten der Brenn-
fläche zu begründen, wollen wir uns wieder der schon früher
1088 H. Mache,
eingeführten^ Vorstellung bedienen, daß die Fortpflanzung der
Verbrennung im Wesen ein Wärmeleitungsprozeß ist, d. h. daß
die Entzündung der Gasschichten, welche der Brennfläche
anliegen, dann erfolgt, wenn sie durch Wärmeleitung bis zur
Entzündungstemperatur erhitzt sind. Hiebei wird der durch
Strahlung übergeführte Wärmebetrag vernachlässigt, eine Ver-
nachlässigung, die bei gasförmigen Explosivstoffen mit hin-
reichender Annäherung, bei flüssigen oder festen Explosiv-
stoffen vollkommen zutrifft. Die verschieden geschwinde und
verschieden gerichtete Fortpflanzung der Entzündung senk-
recht und schräg zum Rande der Brennfläche muß dann
durch Verschiedenheit in der Intensität des Wärmestromes
nach beiden Richtungen begründet sein und wir werden im
folgenden versuchen, diese Verschiedenheit molekularmecha-
nisch zu erläutern.
Bedienen wir uns zunächst einer in der Flamme selbst
auftretenden hydrodynamischen Analogie:
Tritt ein Knallgasstrom vom Querschnitt q senkrecht in
die Brennfläche XY etwa, mit der Geschwindigkeit c, so muß
der Kontinuität halber diese Strömungsgeschwindigkeit nach
dem Passieren der Brennfläche um so viel gesteigert sein, daß
qpc^nqp'c^ ist, wenn p' und c' Dichte und Strömungsgeschwin-
digkeit des brennenden Gases bezeichnen, also des Gases nach
dem Passieren der Fläche XY. Bei der in der Brennfläche
vor sich gehenden Reaktion zwischen Sauerstoff und Brenn-
stoff und der hiedurch gleichzeitig eintretenden Temperatur-
erhöhung und Verdünnung des Gases wird somit der neu-
gebildeten Molekel eine gegenüber der Bewegung der Kom-
ponenten erhöhte translatorische Bewegung verliehen, die in
der Richtung der Z-Achse ihren Maximalwert erreicht und eine
erhöhte molare Strömung veranlaßt.
Ganz analog ist der Vorgang für den Fall, daß der Knall-
gasstrom mit der zur Brennfläche errichteten Normalen NN^
einen Winkel a einschließt. Auch hier wird aus Gründen der
Kontinuität die Strömungsgeschwindigkeit von einem Werte c
1 H. Mache, diese Sitzungsber., 108, p. 1152 (1899).
Theorie der Explosionen.
1089
auf einen Wert c' erhöht werden, welcher jetzt der Gleichung
cos aqpc -=: cos ^qp'c' entspricht, wobei wir ß den Winkel
nennen, welchen die Richtung des Gasstromes nach dem
Passieren der Brennfläche mit der Flächennormalen einschließt.
Außerdem ist es aus dem oben Gesagten einleuchtend, daß
diese Geschwindigkeitserhöhung nur die auf XY senkrechte
Komponente von c betrifft, während die zu ihr parallele erhalten
Fig. 3.
bleibt Somit ist auch ^ sin a =: c' sin ß. Aus der Vereinigung
beider Gleichungen ergibt sich die Beziehung -^ ■=. ^ . Der
p' tgß
die Flamme speisende Gasstrom wird also durch den in der
Brennfläche eingeleiteten und sich dort auch nahezu momen-
tan vollziehenden Prozeß der Verbrennung in der Richtung
des zur Brennfläche errichteten Lotes abgelenkt.
Man kann dieses Verhalten nach Gouy^ an jedem Bunsen-
brenner demonstrieren, wenn man die Strömungsfäden durch
dem Gasgemisch beigemengten feinen Kohlenstaub sichtbar
macht. Die in der Brennfläche lebhaft aufleuchtenden Partikel
bewegen sich dann durch den Flammenmantel in einer Bahn ssf
(siehe Fig. 1), die auf der Brennfläche unter einem Winkel ß
1 Ann. chim. phys. (5), 18, p. 27 (1879).
1090
H. Mache,
ansetzt, der stets den Winkel y in Größe übertrifft. Man erkennt
auch bei der Betrachtung der Erscheinung leicht, daß die Bahn
der Teilchen mit der äußeren Kontur des Flammentnantels
parallel verläuft. In der Tat verdankt ja diese äußere Begren-
zung derselben ablenkenden Ursache ihre Form. Man kann
daher den Winkel ß auch ohne Zuhilfenahme der aufleuch-
tenden Partikel bei A oder A' am Saume des Flammenmantels
messen und dann die obige Beziehung dazu benützen, um das
Dichtenverhältnis -~ zu bestimmen.
P'
In der folgenden Tabelle werden einige für dieses Ver-
hältnis an Leuchtgas-Luft-Gemischen ermittelte Werte mit-
geteilt. Verwendet wurde hiebei ein Brennerrohr von 0* 81 ^rm
Durchmesser und 1 20 cm Länge. Die Messung der Gasströme
erfolgte in der bereits oben beschriebenen Weise. Das Aus»
messen des Winkels ß geschah an photographischen Bildern
der Flamme. Hiebei war nur eine Schwierigkeit zu überwinden,
die darin bestand, daß Flammen, die mit einem Überschusse
von Luft brennen (in unserem Falle Flammen mit einem Leucht-
gasgehalt unter 177o)> ^Iso oxydierende Flammen, nur Rudi-
mente des Flammenmantels zeigen und schließlich nur aus
dem Brennkegel allein bestehen. Doch gelang es leicht, auch
hier den Flammenmantel sichtbar zu machen und zu photo-
graphieren, wenn man in das Knallgas Kupferchloridpulver
oder gemahlenen Flußspat einführte.
13-17
15-24
17-05
18-57
18 79
20-47
21-71
23 06
28-3
34 9
40-6
38-4
35-7
32-5
27-3
19-3
4«
5
7
5'
30
0
6 55
6 40
6 20
5 35
5
7*» 40'
14 40
25 25
24 15
25 35
25 15
24 25
15 50
1-9
2-7
3-9
3-7
41
4-3
4-6
40
Theorie der Explosionen. 1091
Die Zahlen der letzten Spalte geben das Verhältnis zwi-
schen der Dichte des auf Entzündungstemperatur gebrachten
Knallgases und des brennenden Flammengases. Man sieht,
daß diese Größe mit steigendem Leuchtgasgehalt zu einem
Maximum anwächst und dann wieder sinkt. Das Maximum
entspricht aber nicht dem bei 17% liegenden Maximum der
Explosibilitäty sondern tritt erst bei einer an Leuchtgas reicheren
Mischung ein.
Weiter beweisen diese Zahlen, daß in der Brennfläche
nicht nur zwei Gasschichten sehr verschiedener Temperatur,
sondern auch sehr verschiedener Dichte aneinander liegen: auf
der einen Seite das dichte, noch nicht entzündete, aber auf der
Entzündungstemperatur befindliche Knallgas, auf der anderen
Seite das um vieles weniger dichte, zur hohen Verbrennungs-
temperatur erhitzte Flammengas. Es ist klar, daß dieser Dichten-
unterschied, der schon an den relativ wenig explosiblen Leucht-
gas-Luft-Gemischen so ausgeprägt ist, bei den explosibelsten
Gasgemischen, für welche die Entzündungstemperatur niedrig,
die Verbrennungstemperatur hoch liegt, noch wesentlich höhere
Werte annehmen kann und für flüssige und feste Explosiv-
stoffe ganz enorme Größen erreicht So läßt sich z. B. für
Nitroglyzerin [2 C8H5(NOa)808 = 6 CO, -h 5 H^O + 6 N + O,
Dichte = 1*60], dessen Verbrennungstemperatur nach Wuic
3005* C. beträgt, das Verhältnis -^ zu ungefähr 12000 be-
rechnen und für Knallquecksilber [Hg CgO^Ng = Hg + 2 CO -h 2 N,
Dichte rz 4 ' 42], das bei der Verbrennung von einem Gramm-
äquivalent 116000 Cal entwickelt, erhalten wir 4" = 34000.
P
Es ist also das Charakteristische für eine jede Brenn-
fläche, daß in ihr Gas von sehr hoher Temperatur und geringer
Dichte an den Explosivstoff grenzt, der wesentlich niedrigere
Temperatur und um vieles höhere Dichte aufweist. Die aus
dem Gase in den Explosivstoff einfliegenden Molekel, welche
durch Abgabe ihrer Energie die Explosion weiterleiten, haben
somit hiebei den Übergang aus einem dünnen in ein bedeutend
dichteres Medium zu vollziehen. Bei diesem Übergange, d. h.
bei dem ersten im dichten Medium erfolgenden Zusammen-
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 72
1092 . H. Mache,
stoße werden sie, wie wir noch ausführlich erörtern wollen^
abgelenkt, und zwar von dem zur Fläche errichteten Lote. So-
wie im oben behandelten Falle der vom dichten in das dünne
Gas übertretende Gasstrom in der Richtung zum Lote ge-
brochen wird und, die praktische Realisierbarkeit des Falles
vorausgesetzt, eine in entgegengesetzter Richtung erfolgende
Strömung eine Ablenkung vom Lote erführe,^ so wird auch
die Richtung einer jeden einzelnen einfliegenden Molekel beim
Übergange durchschnittsweise im gleichen Sinne abgelenkt,
wenn auch natürlich nicht nach dem gleichen Gesetze. Die
hiedurch entstehende Polarität in der Energieströmung erklärt
dann zwanglos die besprochene Polarität in der Weiterleitung
der Explosion vom Rande der Brennfläche.
Es hat Maxwell, um das Gleiten verdünnter Gase an-
einer festen Wand und die Erscheinung der thermischen Effu-
sion analytisch zu behandeln, eine Methode gegeben,^ der wir
zwar hier aus leicht ersichtlichen Gründen nicht ganz folgea
können, die wir aber doch zur Rechtfertigung unserer späteren
speziellen Annahmen erwähnen müssen. Liegt molekular be-
wegtes Gas geringer Dichte und molekular ruhendes Gas
großer Dichte unmittelbar aneinander, so wird dort ausgeführt,
daß die aus dem dünnen Gas einfliegenden Molekel häuflger
den Pol als den Äquator der Molekel des dichten Gases treffen
werden und daß infolgedessen hauptsächlich die senkrecht zur
Trennungsfläche ausfliegenden Molekel in das dichte Gas ge-
langen, während diejenigen, welche nahezu parallel zur Tren-
nungsfläche ausfliegen, unter Beibehaltung ihrer Tangential-
und Reversion ihrer Normalgeschwindigkeit von den obersten
1 Auch bei der Effusion eines Gases wird das molar ungeordnete Gas molar
geordnet, indem jede die Öffnung passierende Molekel durch den letzten in der
Öffnung erfolgenden Zusammenstoß einen Geschwindigkeitszuwachs in der
Richtung der Normalen erfährt. Umgekehrt erfährt die einfliegende Molekel beim
ersten Zusammenstoß im dichten Gase im Durchschnitt eine Verminderung ihrer
Normalkomponente.
2 Im Nachtrage zur Abhandlung: »On Stresses in rarified gases arising
from inequalities in temperature.«
Theorie der Explosionen. 1093
Molekelreihen des dichten Gases abprallen. Es ist ohneweiters
klar, daß diese Scheidung von »absorbierten« und »reflek-
tierten« Molekeln bezüglich der dynamischen Wirkung des
ersten Zusammenstofles keine strenge sein kann, daß vielmehr
hier alle Übergänge vorhanden sein müssen und daß auch die
eindringenden absorbierten Molekel beim Zusammenstoß, ähn-
lich wie die reflektierten, hauptsächlich eine Änderung der
Normalkomponente ihrer Geschwindigkeit erfahren werden,
wogegen die Tangentialkomponente viel weniger beeinflußt
wird, ja für alle schräg eindringenden, aber noch nicht reflek-
tierten Molekel nahezu vollkommen erhalten bleibt. Dann ver-
läuft aber im Durchschnitte die ganze Erscheinung so, als ob
jede eindringende Molekel beim ersten Zusammenstoß unter
Einbuße eines Teiles ihrer Energie nach einem bestimmten
Gesetze vom Lote gebrochen würde.
Auch ein von Jäger^ zur Ableitung der van der Waals-
schen Zustandsgieichung benutzter Gedanke läßt uns zum
gleichen Schlüsse kommen. Jäger beweist, daß eine aus
dichtem in verdünntes Gas oder in den leeren Raum über-
tretende Molekel beim Durchgange durch die Grenzfläche
Arbeit gewinnt, so als ob zwischen den Molekeln Abstoßungs-
kräfte vorhanden wären. Es hat dies zur unmittelbaren Folge,
daß die Molekel im Momente, wo sie die Grenzfläche passiert,
einen Impuls in der Richtung der Flächennormalen erfahrt,
d. h. die Normalkomponente ihrer Geschwindigkeit gesteigert
wird, und zwar ohne Änderung der zur Fläche parallelen
Komponente. Daraus ergibt sich aber auch, daß, wenn um-
gekehrt die Molekel aus dem dünnen in das dichte Gas über-
tritt, dies einer in der Richtung der Flächennormalen zu
leistenden Arbeit entspricht, zufolge deren sie mit verminderter
Normal- und beibehaltener Tangentialgeschwindigkeit zum
nächsten Zusammenstoß gelangen wird.
Auf diese Überlegungen gestützt, nehmen wir an:
1. Daß die ursprüngliche Geschwindigkeit c der Molekel
und die durch den ersten Zusammenstoß veränderte c' mit
1 Diese Sitzungsber., 101, p. 1520 (1892). Auch Winkelmann, Hand-
buch der Physik, 11, 2, p. 544 (1896).
f «^
109i H. Mache,
dem Einfallslot in einer Ebene bleiben. Das gilt natürlich nicht
für den einzelnen Stoß, sondern nur für den Mittelwert vieler.
2. Daß die in die Richtung der Ebene fallende Komponente
hiebei erhalten bleibt Sind also d und i/ die Winkel, welche
die Geschwindigkeitsvektoren mit dem Lote bilden, so gelte
die Gleichung c sin ^ = c' sin y.
3. Daß hingegen die Normalkomponente c cos ^ eine ge-
wisse, von p und p' abhängige Veränderung erfährt Es sei
also c' cos y = r cos d/(p, p'). Ist p'>p, so muß jedenfalls
/(p,p')<l sein.
Durch Vereinigung beider Gleichungen erhalten wir femer
auch die Beziehungen
tg^=/(p,pOtgy
und
c'^ = c^ sin« ^+t:« cos« ^[/(p, p')]".
Es ist wohl kaum nötig, eigens zu betonen, daß diese
Annahmen, vor allem die zweite, durchaus nicht völlig den
Tatsachen entsprechen werden und daß daher auch die Resul-
tate nach der Auffindung direkterer Methoden möglicherweise
erheblicher Korrekturen in quantitativer Beziehung bedürfen
werden.
Wir betrachten nun den folgenden Fall:
Die für Wärme undurchdringliche Wand AB trenne bren-
nendes und unentzündetes Gas. Nur durch eine in der Wand
befindliche Öffnung von der Größe F sei das Fortschreiten der
Vei brennung in das unter AB befindliche Knallgas ermöglicht
Wir fragen nach der Dichte der Energie- oder Wärmeströmung
in den verschiedenen Richtungen, einer Größe, die gemäß der
oben entwickelten Anschauung der Geschwindigkeit propor-
tional ist, mit der sich die Explosion von F aus nach den ver-
schiedenen Richtungen, unmittelbar nach Einleitung des Vor-
ganges, fortpflanzt Denken wir uns also um F, in der aus der
Figur ersichtlichen Weise, mit dem Radius Eins eine Halb-
kugel konstruiert, so handelt es sich um die Berechnung der
Energie, welche die von oben aus dem brennenden Gase ein-
fliegenden Molekel durch die verschieden gelegenen Flächen-
Theorie der Explosionen.
1095
eletnente dieser Halbkugel tragen, wobei es im voraus aus
Gründen der Symmetrie einleuchtet, daß diese Energieströmung
nur von dem Winkel * oder 9^, dagegen nicht vom Azimut
abhängen kann und daher längs der Zone (tv =i 2« sinW^'
überall den gleichen Wert hat Wir wollen ferner bedenken,
daß die Geschwindigkeit der Molekeln des brennenden Gases
viel größer ist als die des noch nicht entzündeten Gases, so
daß wir uns das letztere molekular ruhend denken können.
Es heißt dies nichts anderes, als daß die Wurzel aus der
Differenz der Quadrate der Molekulargeschwindigkeiten in den
Fig. 4.
beiden Gasarten sich mit der Wurzel aus dem mittleren Ge-
schwindigkeitsquadrat der Molekel des brennenden Gases, c,
hinlänglich deckt.
Der Vorgang, durch den der Wärmetransport vom heißen
zum kalten Gase erfolgt, ist dann der folgende:
Durch die Öffnung F fliegen von allen Seiten die Molekeln
des brennenden Gases in das um vieles dichtere unverbrannte
Gas ein. Bei dem ersten Zusammenstoße, welcher in den
obersten Molekelreihen des dichten Gases stattfindet, werden
die Normalkomponenten der stoßenden Molekel nach dem
oben eingeführten Gesetze verändert und die hiebei verloren
gegangene, senkrecht zur Trennungsfläche gerichtete Energie
an die getroffenen Molekeln des dichten Gases übertragen.
Außerdem haben aber auch die stoßenden Molekeln selbst
1096 H. Mache,
einen Energierest behalten, der nach verschiedener Richtung
verschieden groß ist und eine Energieströmung veranlaßt, die
sich ersichtlich als Funktion des Winkels ^ ausdrücken lassen
wird. Es soll gezeigt werden, daß die Dichte dieser vorzugs-
weise seitlich gerichteten Energieströmung die Dichte der
normal eindringenden Energieströmung bedeutend übersteigen
kann und in einer bestimmten Richtung das Maximum erreicht.
Es ist dies dann zugleich die Richtung, in der die Explosions-
geschwindigkeit beim Durchtreten der Explosion durch die
Wand AB den größtmöglichen Wert erreicht.
Fassen wir unter den einfliegenden Molekeln diejenigen
ins Auge, deren Richtung mit der Flächennormalen den Winkel
^ bis ^-hdd" einschließt, so ist die Zahl solcher Molekel in der
Sekunde bekanntlich^ gleich — Nc sin ^ cos ^d^, wobei wir
2
der Einfachheit halber F = 1 setzen und unter N die Zahl der
Molekel verstehen, welche in der Volumseinheit des brennenden
Gases enthalten sind. Nach dem ersten Zusammenstoße
schließen diese Molekel nach dem Obigen mit der Flächen-
normale den Winkel ^ bis ^'-hdd^ ein, wobei
tgy=— !^tg^ und ^y = — ^ ^^^' ^ d»
f(p,9') f{?,9') cos«d
ist.
Ihre Geschwindigkeit ist c' = ^\/sin^ 0'-hcos**[/(p,pO]*.
Es passiert somit die Zone (Jiv der Energiebetrag
E^,, = — A^f«r»sin^cos^4d{sin2»-4-cos>d[/(p,f/)]«}
und die Flächeneinheit der Zone der Energiebetrag:
Ott Sin rrötr
1 Vergl. z. B. O. E. Meyer, Kinetische Theorie der Gase, 2. Aufl., p. 82
(1899).
Theorie der Explosionen. 1097
Dieser Ausdruck, der nichts anderes gibt als die Dichte
•der Energieströmung in der Richtung des Winkels y, läßt sich
zunächst durch die folgenden einfachen Transformationen in
•eine übersichtliche Form bringen. Es ist nämlich unter Berück-
sichtigung der Beziehungen, welche zwischen b und y be-
stehen:
_ 1 -_ , Sin^C0S**^d ^, /N/*«a.r-r/ /m« i
1 Ar«,.»-Ünl£24* [/(p,p0]3(i+tg«*') =
8tc sin^cos^y
8« {H-[/(p,p')]''tg**'}''
Suchen wir denjenigen Winkel 0, für welchen diese
Energieströmung den größten Wert annimmt und unter dem
«ich somit auch die Explosion am raschesten fortpflanzt, so
erhalten wir, durch Nullsetzung des nach ^ gebildeten Diffe-
rentialquotienten, für ihn die Bestimmungsgleichung
tg2e = 6
und für den Höchstwert der Energieströmung
1 5'/.
E\t.x ■=■ NnK^
8ir 6« /(p,p')[l-/(P.P'm
Es ist nun, wie schon oben betont wurde, /(p, p') stets
kleiner als Eins, und zwar wird es um so kleiner sein, je
größer der Dichtenunterschied der Gase auf beiden Seiten der
Brennfläche ist Fassen wir Fälle ins Auge, wo dieser Dichten-
unterschied große Werte erreicht, wo also /(p, p') sehr klein
ist, so können wir auch schreiben:
/((>,(>')
1098 H. Mache,
und
1 5*/« 1 1
8 IC 6« /(p,p') /(p,pO
Vergleichen wir damit die Dichte der Energieströmung,
wie sie in den mittleren Partien einer ausgedehnten Brenn-
fläche vorhanden ist. Da sich hier die seitlich gerichteten
Komponenten gegenseitig aufheben, wird sie senkrecht zur
Brennfläche gerichtet sein. Es ist nun die Gesamtzahl der
durch die Flächeneinheit in der Sekunde einfliegenden Teil-
chen gleich
I
2 1 1
— Nc sin* cos* J* = — Nc
2 4
und die durch sie überführte Energie
-^Normal = — Nntc^ =: 0'125 Nmc^,
8
Man sieht ein, daß für genügend kleines /(p, p') der Wert
von JEmäx den von iSNormai bedeutend übertreffen kann und daß
dann auch die vom Rande der Brennfläche weitergreifende
Explosion, besonders in der Richtung des Winkels 0, in ihrer
Geschwindigkeit die normal zur Brennfläche sich fortpflanzende
erheblich übersteigen wird.
Es erübrigt noch, die Bedeutung der oben entwickeitert
Anschauungen für die Physik der Explosionen kurz aus-
einanderzusetzen.
Zunächst ist es einleuchtend, daß die Einführung der am
Rande der Brennfläche vorhandenen maximalen Explosions-
geschwindigkeit uns in den Stand setzt, sowohl die rasche
Explosion größerer Knallgasvolumina wie auch die außer-
ordentlich schnelle »äußere Entzündung« der inneren Ballistik,
die wir eingangs erwähnt haben, zu erklären. Von irgend einer
Theorie der Explosionen. 1099
Stelle aus, in der die Entzündung eingeleitet wurde und sich
eine kleine Brennfläche gebildet hat, verbreitet sich zunächst
diese Brennfläche vom Rande aus durch oder über den Ex-
plosivkörper mit großer Schnelligkeit, und zwar vornehmlich
in der jeweiligen Richtung der maximalen Explosionsgeschwin-
digkeit, während in der Richtung der jeweiligen Flächen-
normalen die Verbrennung viel langsamer erfolgt. Ist speziell,
wie bei den festen Explosivstoffen, der Dichtenunterschied
zwischen dem Flammengas und der explosiblen Substanz sehr
IC
groß, so wird der Winkel 0 nahezu gleich — , d. h. die Explo-
sionsgeschwindigkeit hat in der Richtung der an der betreffen-
den Stelle des Randes an die Brennfläche gelegten Tangential-
ebene den höchsten Wert. Die Verbrennung wird sich also
tatsächlich in einer Pulverladung zunächst von der Entzün-
dungsstelle über die Oberflächen der Pulverkörner bewegen
und dann langsamer in das Innere eines jeden Kornes vor-
dringen.
Auch das Entstehen der von Berthelot als Explosions-
welle bezeichneten Erscheinung läßt sich auf Grund der ent-
wickelten Theorie dem Verständnis näher bringen. Wird in
einer mit einem Explosivstoff, etwa einem Knallgas gefüllten •
zylindrischen Röhre die Entzündung selbst auf einer zur
Achse senkrechten Ebene eingeleitet, so schreitet die Brenn-
fläche doch nicht als Ebene durch die Röhre weiter fort. Die
der Röhre anliegenden Partien der Brennfläche werden nämlich
infolge der kühlenden Wirkung der Wandung^ eine gegenüber
t H. Mache, diese Sitzungsber., 111, p. 1224 (1902).
1100 H. Mache,
der Mitte stark verminderte Explosionsgeschwindigkeit auf-
weisen und hinter ihnen zurückbleiben. Dadurch erhält aber
die Brennfläche, besonders in engen Röhren, wie sie ja stets
zu diesen Versuchen verwendet werden, sehr bald die Form
eines Kegels. Die Spitze dieses Kegels wirkt dann hier im
ruhenden Gasgemisch ähnlich wie die Kegelbasis im strömen-
den, d. h. wie der Rand einer Brennfläche. In der Tat muß ja
gemäß den obigen Ausführungen eine jede gegen das unver-
brannte Knallgas gerichtete Fiammenkante oder Spitze in ganz
analoger Weise wirken wie ein Flammenrand, Das hat zur
Folge, daß die Spitze des Kegels nicht mit der normalen,
sondern mit höherer Explosionsgeschwindigkeit in das Knall-
gas vordringt und den übrigen Partien der Brennfläche immer
mehr voraneilt. Der Kegel wird steiler und steiler, die Ge-
schwindigkeit seiner Spitze dadurch immer größer, bis sie
ihren Höchstwert erreicht hat, bis nämlich die Richtung der
maximalen Explosionsgeschwindigkeit mit der Achse der Röhre
zusammenfällt. Ist diese größtmögliche Geschwindigkeit ein-
mal vorhanden, so wird sie sich erhalten, d. h. der Kegel
schreitet von da ab mit konstantem Öffnungswinkel und kon-
stanter, die normale Explosionsgeschwindigkeit weit über-
treffender Geschwindigkeit durch die Röhre weiter, wobei sich
die peripheren Partien des Kegels in ganz analoger Weise von
der Spitze her entzünden und ergänzen wie im strömenden
Knallgas die zentralen Partien vom Kegelrande. Bezeichnet
also 2y den Öffnungswinkel des Kegels, C seine maximale
Geschwindigkeit, c wieder die normale Explosionsgeschwindig-
c
keit, so ist sin 7 zu — . Ist weiter r der Radius der Röhre, so
ist die maximale Länge des Kegels
/ = rcotgY = rv/l— )— Icory
Die Beobachtungen ergeben nun tatsächlich je nach der
Länge der Röhre verschiedene Mittelwerte für die Geschwindig-
keit, mit der die Explosion sie durchläuft. Auch wurde nach-
gewiesen, daß diese Geschwindigkeit von der Entzündungs-
Theorie der Explosionen. 1 101
Stelle aus zunächst anwächst, bis sie einen gewissen bestimmten
Wert erreicht hat, den sie dann beibehält.*
Das Gesagte gilt ohneweiters natürlich nur für offene
Röhren und für den Fall, daß die auf die geschilderte Weise
erreichte maximale Geschwindigkeit die Schallgeschwindigkeit
in der unverbrannten explosiblen Substanz nicht übersteigt.
Tritt das letztere ein, so wird die Geschwindigkeit der Explo-
sionswelle infolge der jetzt eintretenden adiabatischen Kom-
pression noch weiter ansteigen. Es wird nämlich einerseits
durch die Kompression des Flammengases die Verbrennungs-
temperatur höher, andrerseits durch die Kompression der un-
verbrannten Substanz diese bedeutend vorgewärmt und die
zur Erreichung der Entzündungstemperatur durch Wärme-
leitung zuzuführende Wärmemenge geringer. Beide Ursachen,
vor allem die zweite, erhöhen nun die Explosionsgeschwindig-
keit und rückwirkend die Kompression. Diese gegenseitige
Steigerung wird so lange andauern, bis die Explosions-
geschwindigkeit den größten überhaupt möglichen Wert an-
genommen hat. Es kann kein Zweifel darüber bestehen,
welches dieser Wert ist. Da der Fortleitungsmechanismus der
Explosion in einem Wärmeleitungsprozeß besteht, so wird
der Grenzwert der Explosionsgeschwindigkeit durch die Ge-
schwindigkeit der Molekel gegeben sein, welche den Wärme-
transport vermitteln. Es wird also schließlich, wie dies die
Experimente von Berthelot und Dixon ergeben haben, die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Explosion in der Röhre
gleich der Geschwindigkeit der Molekel in der Flamme sein
oder, genauer gesagt, gleich der mittleren molekularen Ge-
schwindigkeit des Verbrennungsproduktes bei der aus Ver-
brennungswärme und Wärmekapazität berechenbaren maxi-
malen Verbrennungstemperatur.
Zum Schlüsse wollen wir noch den Zusammenhang
zwischen dem Gesagten und einem einfachen Gesetze dar-
legen, welches für alle Verbrennungserscheinungen von großer
Bedeutung ist. Dieses Gesetz sagt aus, daß der Verbrauch
1 Vergl. z. B. H. B. Dixon: R. Boyle Lecture, 1903, H. Frowde, London
(1905).
1102 H. Mache,
an Brennstoff für eine Flamme der Größe ihrer Oberfläche
proportional ist. Gouy hat diesen Satz begründet und experi-
mentell nachgewiesen.^ Er resultiert unmittelbar aus der Be-
merkung, daß die Normalkomponente der Explosionsgeschwin-
digkeit für jeden Flächenteil der Flamme die gleiche ist, und
zwar gleich der normalen Explosionsgeschwindigkeit der
betreffenden explosiblen Substanz. Dann ist auch der Ver-
brauch an Brennstoff einer beliebig gestalteten Flamme gleich
dem einer ebenen Flamme von gleicher Größe und es ist der
Quotient aus Konsum und Brennfläche gleich c. Auf diese
Weise hat Michelson durch Ausmessen der kegelförmigen
Brennfläche, wie sie sich über zylindrischen Brennerröhren aus-
bildet, für einige Knallgase die normale Explosionsgeschwindig-
keit bestimmt^ und auf diese Weise sind auch die oben für
Leuchtgas- Luft-Gemische gegebenen Werte von c erhalten
worden.
Die Gültigkeit dieses Satzes ist nun an die Erfüllung
zweier Bedingungen geknüpft. Zunächst muß der Konsum der
Flamme und damit auch die normale Explosionsgeschwindig-
keit von der Krümmung der Brennfläche unabhängig sein.
Das ist nur dann der Fall, wenn die Tiefe, bis zu der die
Wärmeströmung in den unentzündeten Brennstoff eindringt,
eine kleine Größe gegen die bei den Beobachtungen vor-
kommenden Krümmungsradien der Oberfläche ist; denn eine
jede irgendwie beträchtliche Konvergenz der Wärmeströmung
hätte ja ein rascheres Erreichen der Entzündungstemperatur
und damit auch ein Ansteigen der normalen Explosions-
geschwindigkeit in diesen Teilen der Flamme zur Folge. Daß
diese Bedingung genügend erfüllt erscheint, wurde bereits an
anderer Stelle nachgewiesen.*
Außerdem müssen wir aber noch zur Gültigkeit des Satzes
annehmen, daß die maximale Explosionsgeschwindigkeit die
normale sehr wesentlich übertrifft. Genau würde der Satz nur
gelten, wenn die maximale Explosionsgeschwindigkeit unend-
1 Ann. chim. phys. (5), 18, p. 27 (1879).
2 Wied. Ann., 37, p. 1 (1889).
8 H. Mache, diese Sitzungsber., 108, p. 1152 (1899).
Theorie der Explosionen. 1 103
«
lieh grofl wäre und in die Richtung der Brennfläche fieley wie
dies gleichfalls bereits an anderer Stelle dargelegt wurde.^ Ist
nämlich MN = / eine etwa in einer zylindrischen Röhre
senkrecht zur Achse stehende Brennfläche, so schreitet sie,
wenn wir von der kühlenden und retardierenden Wirkung der
Wandung absehen, mit der Geschwindigkeit c in der Röhre
fort. Ist hingegen die Brennfläche unter dem Winkel y gegen
M M
Fig. 6.
die Achse geneigt, so fordert unser Satz, daß sich diese
Geschwindigkeit auf —, erhöht; denn es ist ja nur dann
sm Y
der Quotient aus Konsum und Brennfläche
c
f-i
sm Y
/
= c.
sm Y
Während also die Explosion in einer bestimmten Zeit,
etwa in einer Sekunde, senkrecht zur Brennfläche von N^
nach A/j fortschreitet, muß sie parallel zur Fläche, also vom
Rande aus mindestens die Strecke N^N^ = zurückgelegt
tgT
haben. Daraus ergibt sich, daß für kleine Werte von y die
Geschwindigkeit in dieser Richtung sehr große Werte an-
nehmen muß, ja daß, wofern wir die absolute Gültigkeit des
Gesetzes postulieren, die Annahme nötig wird, daß sich die
Explosion seitlich mit unendlich großer Geschwindigkeit aus-
breitet.
1 H. Mache, diese Sitzungsber., 113, p. 341 (1904).
1 104 H. Mache, Theorie der Explosionen.
#
Der Satz wird also nicht mehr gelten, wo Krümmungs*
radius und Reichweite der Wärmeströmung von gleicher
Größenordnung sind oder wo die maximale Explosions-
geschwindigkeit die normale nicht erheblich übertrifft. Er
wird endlich auch dann ungültig werden, wenn die Neigung
der Brennfläche gegen den Brennstoff, der Winkel y, sehr
klein wird, wie dies z. B. der Fall ist, wenn die Verbrennung
in einer Röhre als Explosionswelle fortschreitet
1105
Eine einfache Methode zur Bestimmung der
Wärmeleitungskonstante von Flüssigkeiten
(I. Mitteilung)
von
Heinrich Mache und Josef Tagger.
(Mit 1 Textfigur.)
Aus dem physikalischen Institute der Universität Innsbruck.
(Vorgelegt in der Sitzung am 4. Juli 1907.)
Die Flüssigkeit wird in eine nicht zu dickwandige Hohl-
kugel aus gut leitendem Metall (Kupfer) eingefüllt, die an einer
Stelle ein kurzes Metallröhrchen trägt, in die eine nicht zu enge
Kapillare eingesetzt ist. In diesem Kapillarrohr steht dann die
Flüssigkeit in bestimmter Höhe. Die ganze Vorrichtung ist also
nichts anderes als ein offenes Thermometer mit größerem,
kugelförmigem Metallgefäß.
Wird dieses Thermometer aus einem Bade von Zimmer-
temperatur rasch in ein zweites, um wenige Grade wärmeres
Bad gebracht, so beobachtet man zunächst infolge der Aus-
dehnung des Thermometergefäßes ein fast momentanes Sinken
der Flüssigkeit im Rohre, worauf dann langsamer, und zwar in
dem Maße, als die Flüssigkeit sich erwärmt, das Steigen des
Meniscus eintritt. Nach einer gewissen, gewöhnlich kurzen
Zeit ist er in die Anfangsstellung zurückgekehrt und läuft mit
fortschreitender Erwärmung darüber hinaus, um natürlich erst
dann zur Ruhe zu kommen, wenn die ganze Flüssigkeitsmasse
die höhere Temperatur des zweiten Bades angenommen hat.
So wenig diese späteren Stadien des Prozesses einem reinen
Wärmeleitungsprozeß entsprechen, da ja bis dahin zur Aus-
bildung von Strömungen in der Flüssigkeit reichlich Zeit
1106
H. Mache und J. Tagger,
)
vorhanden ist, so ist doch der erste Teil des Vorgrangi
in Flüssigkeiten geringer Fähigkeit, von Störun^e/f^
Konvektionsströme als vollkommen frei anzusehen. Du
unten beschriebenen Versuche weisen dies nach undz
daß die aus der Ausdehnung der Flüssigkeit im ersten ^
berechenbaren Werte der Wärmeleitungskonstanten
nach der bisher einzig verläßlichen Lamellenmetbo^
H. Weber erhaltenen sehr gut übereinstimnnen.
Wir betrachten eine Flüssigkeitskugel vom Radius R
Zeit /zzO sei die Temperatur in ihrem Innern *iz=0.
Kugel werde plötzlich auf ihrer Oberfläche, also für f = Ä
die höhere Temperatur 0 gebracht und auch ^veiterhi/?
dieser Temperatur erhalten. Die Temperaturverteilung
Innern der Kugel zur Zeit i ergibt sich dann als J^ösung
Differentialgleichung
8/
= a
3f8
unter gleichzeitiger Befriedigung der Nebenbedingungen;
und
» = 0 für t = 0
9' = B für r = R.
Hiebei bezeichnet a^ die Temperaturleitfahigkeit de''^'^^'
sigkeit.
Setzen wir rft zu v, so erhalten wir statt dessen auch ^^
Differentialgleichung
1^
=. a
2
3 t;«
8t'
mit den Bedingungen:
v = 0 für /=zO
v = R% » r = R
v = 0 » r = 0.
WärmeleitUQgskonsUnte von Flüssigkeiten. 1 1 07
^'^^ Stöningi Lösung findet man den Ausdruck:^
fe^'^^'m ersten c [^ ^ ;f^, ** ^
P^'onstauten ♦,
Ißjßjjgjj ^at nun ein Volumelement der Flüssigkeitskugel für ^=:0
Diwen *öße 4r*7cJf, so hat die in ihm enthaltene Flüssigkeit,
m 8 ihren thermischen Ausdehnungskoeffizienten be-
anet, bei der Temperatur b das Volumen 4^^1:^^(14-5^).
y^ n , hat sich somit um Ar'^'Rdrtb^ ausgedehnt. Die gesamte, zur
a ) / vorhandene Volumsvergrößerung -4/ erhalten wir dann
. r "^^ einfache Integration. Es ist:
iturvent. J^
lalsU:. 2 ^^f« ^ V (-1)« -ff)'' . «^
2 r^
-RSl 4rTCi
^' Jo
, .. .-s^r > -^ —e ' sin— r
TZ ^ Z^ n R
fi=i
3 A " Jo R
«=1
^^^ Da ferner
r^ . «TT ^
/ r sm — rar =
h R
R
rR nz i?- . «it
— cos — r-h sm — -r
m: R «*i:* /? o
so erhalten wir auch:
R^
= -(-o"— . .
in: 7
®^ D« — - f—Yt
6 VI 1 -^*(ä-J
3 I Ä» ii-i «^
«=i
Bezeichnet man nun mit Bt die tatsächlich zur Zeit /
beobachtete scheinbare Ausdehnung der Flüssigkeit und mit C
1 Verirl. z. R. Riemann-Hattendorf, Partielle Differentialgleich., p. 145.
Sitzb. d. mathcm.-natunv. KL; CXVI. Bd., Abt. II a. 73
1 108 H. Mache und J. Tagger,
die Ausdehnung der die Flüssigkeit enthaltenden Metallkugel,
Da der Temperaturleitungskoeffizient eines gut leitenden
Metalles stets um vieles größer ist als der einer Flüssigkeit —
für Kupfer ist er etwa 700 mal so groß als für Wasser — so
kann man annehmen, daß das Metall sofort die Temperatur des
4
Bades annimmt und daß C = — i?^irß 9 gesetzt werden kann,
3
wo ß den kubischen Ausdehnungskoeffizienten des Metalles
bezeichnet.
Dann ist, wenn wir unter z die Zeit verstehen, in welcher
der Meniscus in die Anfangsstellung zurückkehrt, für welche
also Bf 1=0 wird,
oder, wenn wir mit t die Zeit bezeichnen, in welcher der
Meniscus im Rohre vom Querschnitt q bis zur Höhe h empor-
gestiegen ist,
oo , /««\*
6S SRHS '" ZuH^
e
Aus beiden Formeln können wir durch probeweise Sub-
stitution das a^ ermitteln. Mitunter wird allerdings diese
Berechnung infolge geringer Konvergenz der Summe etwas
langwierig.
Die Resultate der nachfolgenden Beobachtungen sind als
vorläufige zu betrachten, da sie gewiß nicht die Genauigkeit
erreichen, deren die Methode fähig ist. Vor allem wird sich die
Zeitmessung durch automatische Registrierung wesentlich ver-
bessern lassen. Immerhin sind sie geeignet, die Brauchbarkeit
der Methode, d. h. also die Nichtexistenz von Störungen kon-
vektiver Natur darzutun.
Die Kapillare war in der folgenden, aus der nebenstehenden
P'igur ersichtlichen Weise an die Kupferkugel angesetzt. Um
die Öffnung O wurde das weitere, innen mit Gewinde versehene
Wärmeleitungskonstante von Flüssigkeiten.
1109
Röhrchen r stumpf aufgelötet. In dieses paßte das Röhrchen p,
in dem die Kapillare eingesiegelt war. Die letztere konnte dann
eingeschraubt und auf einen am Boden des Röhrchens befind-
lichen Kautschuk- oder Lederring gepreßt werden, der einen
dichten Abschluß herstellte. Die Kugel wurde bei etwas niedri-
gerer Temperatur mit der luftfrei gemachten Flüssigkeit gefüllt.
Bei Erwärmung auf Zimmertemperatur steigt dann die Flüssig-
keit von selbst in die Kapillare.
Die Resultate wurden für Flüssigkeiten mit geringer
innerer Reibung nur brauchbar, wenn man die Beobachtungs-
zeit nicht über 40 Sekunden
ausdehnte. Geht man darüber
hinaus, so erhält man durch
Strömungen gestörte, also zu
hohe Werte. Wir haben uns
andrerseits überzeugt, daß zwi-
schen 40 und 10 Sekunden die
Beobachtungen konstante Werte
geben. Freilich läßt sich er-
warten, daß für sehr kleine, unter
10 Sekunden liegende Zeiten
die Voraussetzung, daß das
Metall sofort die Temperatur des Bades annimmt, nicht mehr
genügend zutrifft und daß dann für die Wärmeleitungskonstante
zu kleine Werte resultieren. Diese untere Grenze konnte aber
mangels genauerer, automatischer Zeitmessung nicht festgelegt
werden.
Die folgende Tabelle gibt die an vier verschiedenen
Flüssigkeiten für ungefähr gleiche Beobachtungszeiten erhal-
tenen Resultate:
R
^0
^
qcm^
h
6
cm
C."
c.*^
cm
T
sec
cm*
I
sec (Weber)
Glyzerin . . .
Anilin . . . .
Wasser . . . .
Alkohol . . . .
5-00
2-49
2-49
2-49
0-00053
0-00092
0-00016
0-00110
15-6
17-2
14-5
14-7
21-7
22-2
17-7
20-2
0-0175
0-0175
0
2-55
0
3-95
23
37
38
32
0-00091
0-00070
0-00175
0-00095
0-00093
0-00078
0-00136
0 • 00096
73*
1 1 10 H. Mache und J. Tagger, Wärmeleitangskonstante etc.
Die verwendeten Kugeln hatten eine Wandstärke von
0*065 cm. Der kubische Ausdehnungskoeffizient des Kupfers, ß,
wurde gleich 0*000051 gesetzt. Für Glyzerin und Wasser
bezeichnet r die Zeit, in welcher der Meniscus in die Anfangs-
stellung zurückkehrte, für Anilin und Alkohol die Zeit, in
welcher der Meniscus im Rohr bis zur Höhe h emporstieg. Die
Zahlen der letzten Spalte geben die von Weber nach der
Lamellenmethode im Temperaturintervall 9 bis 15* für a*
erhaltenen Werte.
Die Versuche werden in der Richtung verfeinert werden,
daß die Zeitmessung vermittels elektrischer Kontakte durch
einen Chronographen erfolgt. Dieser Apparat ist bereits in
Bestellung gegeben, doch glaubten wir, da die Versuche eine
längere Unterbrechung erfahren müssen, die Methode schon
jetzt kurz mitteilen zu Sollen.
1
Mach E., Die Phasenverächiebung durch Reflexion an den Jamin'schcn Platten.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 997—1000.
Phasenverschiebung durch Reflexion an den Jamin'schen Platten.
Mach E., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 997-- 1000.
Jamin'sche Platten zum Nachweis der Phasenverschiebung durch Reflexion.
Afach E., Sitz. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 997-1000.
Reflexion, Phasenverschiebung bei d^ersclben an den Jamin'schen Platten.
Mach E., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 997—1000.
Cantor M., Zur Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit nach P'izeau und
akustische Anüilogien. ^ •
Sitz. Ber. der Wioncr Akad., Ha. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1001—1012.
Lichtgeschwindigkeit nach Fiieaii und akustische Analogien.
Cantor M., Sitz. Ber. <kr Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1007),
p. 1001-1012.
«I ■ - « C 1 • ■ • \
Akustische Analogen 2u Fliseau*s Messung dtr Lichtgeschwindigkeit.
Cantor M., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1001-1012.
Wagner R., Die Scnallenergie des elektrischen Funkens.
Sitz. Ber. 'der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907), p. 1013— 1018.
Schallenergie des elektrischen Funkens.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Ak.ail., IIa. Abt., Bd. 116 (1907^,
p. 1013—1018. ' '
Abt. IIa, Juni.
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.anoiinul ridrioähl^ldlo eob 9n|i909UBfl:>^
.(VOet) Öl I .bfl ,.JdA .bII ,.bBjIA MfldiW lab .lafl .si'tZ ,M langaW
.8101— eiOl .q
Elektrizität, Schallcnergic des elektrischen Funkens.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1013—1018.
Energie des Schalles des elektrischen Funkens.
Wagner R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 fl907),
p. 1013-1018.
Schweidler E., v., Studien über die Anomalien im Verhalten der Dielektrika.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1019—1080.
Dielektrika, Sturf.iien über die Anomalien im Verhalten der — .
Schweidler E., v., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1019-1080.
Hysteresis, dielektrische. Studien über die Anomalien im Verhalten der
Dielektrika.
Schweidler E., v., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1019—1080.
Mache H., Grund/üge zu einer Theorie der Explosionen.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd 116(1907), p. 1081 — 1104.
Explosion, Grundzüge zu einer Theorie der Explosionen.
Mache H., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1081—1104.
Flamme, Grundzüge zu einer physikalischen Theorie der Flamme.
Mache H., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1081 — 1104.
Mach« H. und Tagger J., Eine einfache Methode zur Bestimmung der Wärme-
leitungskonstante von F'lüssigkeiten. (I. Mitteilung.)
Sitz. Ber. der Wiener Akad., II a Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1 105— U 10.
«■»
,(T00O hl I bH ,.idA a II . bß;IA lanojV/ 19b .rjfl .sJi2 ,.5J lonsuV/
.8101— ClOI .q
,(TOön 'Hl bti ,JdA .iil[ ,.\jiiAA lOiioiV/ vjL .19Ü .sJia ,.H ^^ü^^lW
.8101-8101 .q
OöUi -(MO! .q.(^V»»iI I ul i b^ ,.JoA .ß H ,.b.,>fA ririjiV/iob .vjH .ih<i
üb riji'i.moV ff;i :jjib;,ti «^lA oib it^di.' rrjibuJ?. .ürfo<i:li))i'jIoib (%i89i9ia'{H
fill .151 l'A .i«!l , !;'/.7- -orr.)'// lob .loU .s::^ ,.v ,.a lalbiywdaK
*0II -r801 T.(TO«l)ön ba , trlA .iill ,.bn.lAi,>rt»iV/i»b.-öH-Äii8
.(i'jfi(;MoIq/>l r-jb ^iio'jdT loni'j ux ');^iixbnuir) (floSaoIqxS
,(^0(H) ftl I .ba ,JdA .All ,.bA>iA i9n3iY/ 10b .198 .silH «.H 9cldsM
.i-OU — leoi .q
.offunulH 13b shooriT nodü^rfiJ/'l'i'^rlq lanio ux o^üsbnuiO «dfflfliAn
,(TOGI) <ill .ba ,.JdA .»11 ,.bA>IA lorioiV/ lob .idü .5)12 ,.H 3ri:>>ßM
.i-OII — I80I .q
»
.Om— ÖOM .q,(70ül)an .'ba,.idA «II,.bß;lAi»rioiV/isb.i3a.5iia
Tagger J. und Mache H., Eine einfache Methode zur Bestimmung der Wärme-
Icitungskonstante von Flüssigkeiten, (l. Mitteilung.)
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1105—11 10.
Wärmeleitung von Flüssigkeiten, eine einfache Methode zur Bestimmung
der— \(;'>:^
Mache H. imdTa^git *J., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt.,
Bd. 116(1906), p. 1105—1110.
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Flüssigkeiten, efn^ ejAfftcbe Mt^^p(i^ ^r Bestinmuii^|xl0r^^'^i}neleitungs-
konstante von — .
Mache H. und Tagger J., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt.,
Bd. 116(1907), p. 1105—1110.
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SITZUNGSBERICHTE
DEK
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXVI. BAND. VIL HEFT.
ABTEILUNG IIa.
KNTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECflANIK.
«•»-
74
1113
Drei Konstruktionen der Fläche zweiter Ord-
nung aus neun gegebenen Punkten
von
Robert Gidaly in Wien.
(Mit 4 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 6. Juni 1907.)
Von den zahlreichen Methoden, durch neun Punkte eine
Fläche zweiter Ordnung zu legen/ sind nur zwei zur kon-
struktiven Durchführung geeignet: die Methode von Thomae ^
und jene von Adler*; Rohn* führt die Konstruktion nach
einer Methode durch, die mit der Thomae'schen identisch ist.
Im nachstehenden werden drei weitere, sehr einfache
Konstruktionen der Fläche zweiter Ordnung aus neun Punkten,
I II III IV V VI VII VIII IX, mitgeteilt. Die Ebenen durch I, II,
III; IV, V, VI; VII, VIII, IX mögen mit a, ß, 7 bezeichnet werden;
ferner sei A = [ß^]» B = [«tI» C= [aß] und 5 = [aßv]. Da es
sich um eine Aufgabe über reine Lagenbeziehungen handelt,
kann die Konstruktion durchgeführt werden, wenn das Drei-
kant ABC und die Punkte I ... IX in irgend einer linearen Ab-
bildung gegeben sind. Unsere Aufgabe soll für gelöst gelten,
wenn von der gesuchten Fläche F fünf in einer Ebene liegende
Punkte bekannt sind.
1 Vergl. Boegehold, Historisch-kritische Darstellung der Konstruktionen
der Fläche zweiter Ordnung aus neun Punkten; Doktor-Dissertation, Jena (1898).
^ Thomae, Lineare Konstruktion einer Fläche zweiter Ordnung aus neun
Punkten, Leipziger Ber., 44. Bd. (1892); Rohn, Die Konstruktion der Fläche
zweiten Grades durch neun gegebene Punkte, Leipziger Her., 46. Bd. (1894) und
Rohn-Papperitz, Lehrbuch der darstellenden Geometrie, 2. Teil, §676;
Adler, Zur Konstruktion der Flächen zweiten Grades aus neun gegebenen
Punkten, diese Sitzungsberichte, 110. Bd. (1901).
74*
1114
R. Gidaly,
Erste Konstruktion.
Die gesuchte Fläche F ist die den Punkt IX enthaltende
Fläche des Flächenbüschels mit den Grundpunkten I. . .VIII.
Fig. 1.
Die Flächen dieses Flächenbüschels schneiden die Ebene
f =: [VII Vin IX] nach Kegelschnitten eines Kegelschnitt-
büschels, von welchem zwei Grundpunkte, VII und VIII, be-
kannt sind. Die beiden anderen Grundpunkte, p und q, können
mittels Zirkeis und Lineals bestimmt werden. Ä'^ = [Fi\ ist der
den Punkt IX enthaltende Kegelschnitt des Kegelschnittbüschels
mit den Grundpunkten VIT VIII pq.
Konstruktionen det Fläche zweiter Ordnung. 1113
4> = [VII VIII] 1 11 m IV V VI ist eine FläcHe des Flächen-
büschels durch I...VI1I; die Erzeugende G i= [VII VIII]
schneidet a in a, ß in b. Die Kegelschnitte [$a] und [4»ß]
schneiden sich in zwei Punkten der Geraden C, c^ und r^, die
man als das gemeinsame Punktepaar der durch die Kegelschnitt-
büschel a I II III und b W V VI auf C bestimmten Involutionen
erhält, [^a] enthält die Punkte c^c^al II III und schneidet B
in a und a+, [$ß] enthält c^ c^blV V VI und schneidet ^ in ^
und b-^] a+ und ^+ können linear bestimmt werden. E =z [a'^b'^]
ist die zweite in f liegende Erzeugende von 4>.
V = [IV V] I II III VI VII VIII ist eine zweite Fläche des
Büschels I...VIII. Man legt durch VI, VII, VIII die Ebenes;
die Erzeugende H =. [IV V] schneidet s in ^, a in h und y in /•
[Ve] und [^Fa] schneiden sich in s^ 5^, dem gemeinsamen
Punktepaar der durch die Kegelschnittbüschel e VI VII VIII
und Ä I II III auf S=[ea] bestimmten Involutionen, [^''a] zu
s^s^hl II III schneidet B in den Punkten t^, t^; [Vf] ist somit
durch fünf Punkte, t^ t^ l VII VIII, bestimmt.
Die Gerade £ schneidet \^i\ in den gesuchten Punkten/?,^,
zu deren Bestimmung ein Kreis (durch e) und 77 gerade
Linien erforderlich sind.
Zweite Konstruktion.
Chasles^ und Steiner^ legen das Flächenbüschel
zweiter Ordnung durch I...VIII und bestimmen die durch
dieses auf jB ausgeschnittene Involution, Jb\ zwei Punktepaare
von Jt können linear ermittelt werden.^ 7^,, I, II, III bestimmen
in a ein Kegelschnittbüschel und auf C die Involution Je. Durch
J^., IV, V, VI ist in ß ein Kegelschnittbüschel und auf -4 die In-
volution Ja bestimmt. Die Flächen des Flächenbüschels durch
I...VIII schneiden Y nach Kegelschnitten eines Kegelschnitt-
büschels, von dem VII und VIII zwei Grundpunkte sind und
durch welches auf A die Involution Ja, auf B die Involution Ji
1 Ghasles, Principe de correspondance entre deux objets variables, qui
peut etre d'un grand usage en Geometrie, P. C. R., t. 41 (1855); Steiner-
Geiser, Konstruktion der Fläche zweiten Grades durch neun Punkte, Crellc-
sches Journal, 68. Bd. (1868).
2 Vergl. Anm. 2 auf p. 1118.
1116
R. Gidäly,
bestimmt wird. Der Kegelschnitt dieses Kegelschnittbüschels
durch IX, K^ = [^7], schneidet A in einem Punktepaar von
Jay B nach einem solchen von Jt,* K^ ist somit sowohl ein
\/;|Ar^jj,y^yj,...y
Kig. 2.
Kegelschnitt des durch 7^, VII, VIII, IX, als auch ein Kegel-
schnitt des durch Jt, VII, VIII, IX bestimmten Kegelschnitt-
büschels. Die vierten Grundpunkte dieser beiden Büschel, v und
w^ können mit dem Lineal allein konstruiert werden. K-; ist nun-
mehr durch VII, VIII, IX, v, tv bestimmt.
Konstruktionen der Fläche zweiter Ordnung.
111
Mit Berücksichtigung dieser Modifikation lassen sich die
Methoden von Chasles und Steiner linear, und zwar mit
Hilfe von 58, beziehungsweise 52 geraden Linien durchführen;
dafi die Steiner'sche Methode linear durchgeführt werden
kann, dürfte noch nicht bekannt sein.
Dritte Konstruktion.
Die Flächenbüschel durch I II III IV V VI VII VIII und I II III
IV V VI VII IX bestimmen in a Kegelschnittbüschel mit den
Grundpunkten I II III r und I II III t. Die gesuchte Fläche F,
Fig. 3.
welche diesen Flächenbüscheln gemein ist, schneidet a nach
üT« = I II in r /. V. Staudt * bestimmt die Punkte r und / bloß
mittels des Lineals, jedoch auf sehr komplizierte Weise; eine
sehr einfache, lineare Konstruktion dieser Punkte soll im
folgenden mitgeteilt werden.
* = [I II] III IV V VI VII VIII ist eine Fläche des Büschels
I. . .VIII; sie schneidet a nach den Erzeugenden G = [I II] und
1 V. Staudt, Beiträge zur Geometrie der Lage, 3. Heft (1860); §39,
Nr. 582 ff.
1118 R. Gidaly,
E = [IH r]. E wird folgendermafien bestimmt: G schneidet ß
in c, y in b; c IV V VI sind die Grundpunkte eines Kegelschnitt-
büschels, in welchem [4^p] enthalten ist Drei andere Kegel-
schnitte dieses Büschels, [c IV] [V VI], [c V] [IV VI] und
c IV V VI 5, schneiden auf C die Punkte c, c', 5, auf A die einer
Involution angehörigen Punktepaare aa, a'a', s{sj aus. Durch
aa VII VIII B, a'a' VII VIII b und s^s; VII VIII E sind Kegel-
schnitte eines Kegelschnittbüschels in f bestimmt, die B in E
und in b, b', s schneiden. Nun ist
(cc's, . .)z(aa,a'a\ s(s), . .)ic(bb^s. . .);
die Punktreihen cc^s... und bb's.., befinden sich somit in
perspektiver Lage, i =z[bc.b^c^ ist das Perspektivzentrum
E=z [Uli] ist die zweite in a gelegene Erzeugende von ^. Die
Ermittlung der Punkte b und b^ geschieht am einfachsten auf
Grund des Pascal'schen Satzes mit Hilfe der Sechsecke
c/i7 VII VIII bb und a'a' VII VIII bb'.
^+ = [I III] II IV V VI VII VIII ist eine zweite Fläche des
Flächenbüschels I... VIII, [^-^ol] zerfallt in die Geraden
(r-^ = [I III] und £+ =r [11/], wenn j das Perspektivitäts-
zontrum der Punktreihen cc's. . . und b^b^-^s, . . bedeutet.*
r =r [EE-^] ist der vierte Grundpunkt des durch das
Fliichenbüschel I. . .VIII in a bestimmten Kegelschnittbüschels.
Steiner, der [*a] und [^+a] auf die geschilderte Art kon-
struiert, bestimmt noch die Kegelschnitte [^ß], [*+ß], [4>t].
[*+y] und erhält als Schnittpunkte der beiden letzteren nebst
VII, VIII zwei weitere Punkte von [Fi]\ es sind dies dieselben
Punkte, welche in unserer ersten Konstruktion mit /?, q be-
zeichnet wurden.*
i [G^C] =^ r^ [G*B\ = h-^] die Kegelschnitte [?\V] [V VI], [c^V] [IV VI],
r+IV V VI 5 schneiden auf C die Punkte c, c\ s, auf ^4 die einer Involution ange-
hörigen Punktepaare aa-*-, a'a+, s (5)_etn. Mit Hilfe der Pascal'schen Sechsecke
a\i Vn VÜI b+b^ und a'W VII VIII b^b'+ werden auf B die Punkte b^ URd b"-
linear bestimmt, (s) braucht nicht gezeichnet werden.
2 [<!)«] und [<^+a] schneiden B in Punktepaaren jener Involution, die ge-
legentlich der Besprechung unserer zweiten Konstniktion mit /^ bezeichnet
wurde.
Konstruktionen der Fläche zweiter Ordnung.
1119
4>o = [1 11] ni IV V VI VII IX und *+ = [I III] II IV V VI VII IX
sind Flächen des Flächenbüschels I II III IV V VI VII IX.
$Q schneidet a nach den Erzeugenden G = [I II] und
E, = [III lo], ^^ nach G+ = [I III] und £+ = [II^o]; / = [^o^^]
ist somit der vierte Grundpunkt des durch das genannte
Flächenbüschel in a bestimmten Kegelschnittbüschels.
Vom Kegelschnitt AT« z= [Fol] kennt man jetzt fünf Punkte:
I, II, III, r, /; unsere Aufgabe ist somit gelöst. Die angegebene
Konstruktion erfordert insgesamt nur 44 gerade Linien, eine
Zahl, die von der Anzahl der Linien, welche man zur Durch-
führung anderer Methoden braucht, weit übertroffen wird.^
1 Nach Adler braucht man zur Durchführung der Rohn'schen Kon-
struktion ungefähr 90 gerade Linien, zur Durchführung der Adler'schen Methode
außer einem festen Kreise genau 83 Gerade ; durch passende Wahl des Hilfs-
kreises kann aber die letztere Zahl bedeutend reduziert werden, etwa auf 50.
1121
Über die Zerfallskonstante von Ac>l
von
Dr. V. F. Hess.
Aus dem II. physikalischen Institut der k. k. Universität Wien.
(Mit 1 Tafel und 1 Textfigur.)
^Vorgelegt in der Sitzung am 11. Juli 1907.)
I. Zweck der Untersuchung.
In der Literatur finden sich merkwürdigerweise sehr
abweichende Angaben über die Zerfallsperiode von AcA, deren
Aufklärung das Ziel der vorliegenden Untersuchung war.
Bekanntlich entsteht aus der Emanation des Actiniums
ein strahlenloses Produkt, Ac-4, mit einer Halbierungszeit von
rund 36 Minuten, aus welchem eine a-, ß- und f-strahlende
Substanz, AcB, sich bildet, die in etwa 2 Minuten auf die
Hälfte abklingt.
Verfolgt man die Abklingung der induzierten Aktivität, so
bemerkt man bei kurzer Expositionsdauer ein anfängliches
Wachsen der Aktivität (das Maximum trifft nach etwa 8 Minuten
ein), hierauf eine Abklingung, die allmählich in eine rein
exponentielle nach der Konstante des Aci4 übergeht. Bei
längerer Exposition verflacht sich der anfängliche Anstieg und
wird bei sehr langer Exposition ganz unmerklich.
Die von den verschiedenen Forschern gefundenen Halbie-
rungskonstanten für Ac^ zeigen Abweichungen, die aus den
Beobachtungsfehlern nicht mehr erklärt werden können.^
1 Siehe T. Godlewski, Ober die Eigenschaften des Aktiniums. Jahrb. f.
Rad. u. Elektron., 3, p. 157.
1122
V. F. Hess,
Es schien mir daher wünschenswert, mit einer exakten
Meßmethode die Abklingung der induzierten Aktivität bei
variierten Versuchsbedingungen zu verfolgen.
Die Meßmethode mittels eines Blattelektrometers, wie es
die meisten Beobachter anwendeten, ist bei einer so rasch
abklingenden Strahlung nicht exakt genug, da jede einzelne
Messung viel zu lange dauert und keine Mittelwerte gewonnen
werden können.
EltitrotfUBLer
Eräjt
ca
r*n
^
SrAe
P
Erder
t
B
XXXXXXXXXXXXXXX)
+
Q
Jt>4f
Nun hat Dr. Bronson^ eine sehr präzise Methode an-
gegeben, die »Methode der konstanten Ausschläge«. Ich habe
mich ebenfalls derselben bedient und möchte vorerst die Er-
fahrungen mitteilen, die ich mit derselben gemacht habe.
II. Bronson's »steady defleetion method*.
Die Schaltung ist, wie aus der Figur ersichtlich, genau die
von Bronson und Rutherford angegebene.
Das eine Quadrantenpaar bleibt ständig geerdet, das andere
ist ständig mit dem Versuchsgefäß verbunden; dieses war auf
1 Bronson, Sill. Joum. (1905, Februar).
Zerfallskonstante von Aci4. 1 123
einer Ebonitunterlage P gestellt und die äußere Belegung mit
dem positiven Pole einer kleinen Weston- Hoch Spannungs-
batterie (System Dr. Krüger) verbunden, deren negativer Pol
geerdet war. Am Boden des Versuchsgefäßes wurden die aktiven
Substanzen A gelegt.
Bronson's Methode besteht bekanntlich darin, daß das
mit dem Versuchsgefaß verbundene Quadrantenpaar durch
einen sehr hohen Widerstand R ständig zur Erde geleitet ist,
weshalb die Aufladung durch den Sättigungsstrom im Ver-
suchsgefäß nur so lange dauert, bis sie durch die langsame
Entladung mittels R kompensiert ist.
Nach dem Vorgange Rutherford's verwendete ich als
Widerstand R einen zweiten Luftkondensator, in dem sich
ein sehr stark aktives Poloniumpräparat D befand, welches
die Luft so stark ionisierte, daß das Ohm'sche Gesetz be-
folgt war.
Die Elektrometemadel war ständig auf 100 Volt geladen,
das Elektrometer war eines vom Dolezalek'schen Typus (Papier-
nadel und Luftdämpfung).
Da die Luft des Laboratoriums sehr trocken war, hatte ich
Schwierigkeiten, den Quarzfaden dauernd leitend zu erhalten.
Insbesondere bemerkte ich, daß die Oberfläche der Siegellack-
kittungen an den Häkchen die Leitfähigkeit am ehesten verlor.
Mit Erfolg wendete ich den Kunstgriff an, die Siegellack-
kittungen, nachdem der Faden bereits leitend gemacht war, in
feinstes Aluminiumpulver zu tauchen, das infolge der starken
Adhäsion sofort einen leitenden Oberzug bildete.
Die Bronson*sche Methode erwies sich für radioaktive
Messungen, welche sich nur auf kurze Zeiträume erstrecken,
innerhalb deren sich die Empfindlichkeit nicht ändert, als sehr
zweckmäßig.
Die Empflndlichkeit kann bei konstanter Nadelladung
durch zwei Mittel variiert werden: entweder man verändert
die Große des als Widerstand dienenden Luftraumes C — D
durch Verschieben der Platte C oder man verändert die Ioni-
sation in diesem Räume durch Bedecken des Poloniumbleches D
mit dünner Aluminiumfolie. Die Strahlung des Bleches darf
aber nicht so weit geschwächt werden, daß der Luftraum C—I)
1124 V.F.Hess.
das Ohm*sche Gesetz nicht befolgt; dann sind nämlich die
Ausschläge keineswegs mehr proportional den Stromstäiicen.
Bei meinen Messungen benützte ich zwei verschiedene
Empfindlichkeitsbereiche, und zwar entsprachen einem Strome
von 1 Volt/min Ausschläge von 3*0 mm, beziehungsweise
38 • 0 mm (ersteren Bereich gebrauchte ich nur für einige mit
dem stärksten Actiniumpräparat lange Zeit induzierte Bleche).
Die Ausschläge waren nicht über die ganze Skala proportional
den Stromstärken, sondern nur bis zirka 1 50 mm. Für höhere
Ausschläge benützte ich eine sorgfältig hergestellte Eichungs-
kurve.
III. Die Versuehsresuitpate.
Es standen mir drei verschiedene Actiniumpräparate zur
Verfügung. Diese Präparate waren von Herrn Dr. Hai tinger
und Dr. Ulrich in Atzgersdorf bei Wien aus Pechblende ge-
wonnen und aus derselben Hauptmenge, jedoch mit verschie-
denen Fällungsmethoden hergestellt. Sie waren in flachen
Metallschälchen aufbewahrt und bei der Aktivierung wurden
kleine Silberbleche über diese Schälchen gelegt. Es wurde dafür
Sorge getragen, daß dies unter vollkommenem Luftabschluß
geschah, um den Einfluß des Staubes* tunlichst zu ver-
meiden.
Zur Aktivierung wurden stets ganz neue Bleche verwendet,
um jeden Zweifel wegen Verunreinigung der Oberfläche aus-
zuschließen. Die Bleche waren nicht immer gleich groß.
Die Induktionszeiten wurden zwischen 1*5 Minuten und
24 Stunden variiert.
Im folgenden seien nur einige mit dem stärksten Präparat
(Nr. I) erhaltenen Abfallsbeobachtungen in extenso mitgeteilt.
Von den übrigen Präparaten seien nur die bei den verschiedenen
Beobachtungsreihen erhaltenen Halbierungszeiten mitgeteilt. In
der Kolumne log J sind die Logarithmen der in willkürlichen
Einheiten gemessenen Aktivitäten verzeichnet, t bedeutet die
Zeit nach Beendung der Induktion.
2 Brooks, Phil. Mag., 1902.
ZerfallskonstAnte von AcA.
1125
Versuchsresultate mit Präparat Nr. I.
Versuch 1.
Expositionszeit 5 Minuten. Präparat Nr. I.
Zeit zwischen Herausnehmen des Bleches und der ersten Beobachtung
4*2 Minuten.
t
log/
/
log/
4-2
2 0497
39-3
1-8382
6-8
2 0763
46-0
1 • 7858
10-2
2-0714
53-8
1-7141
14-8
2-0382
61-0
1-6546
21-5
1-9856
70-5
1 - 5786
24-6
1-9554
78-8
1-5101
30-2
1-9141
89-0
1-4250
36-5
1 • 8593
101-0
1 • 3295
Auf graphischem Wege wurde die Halbierungskonstante
HC = 36' l Minuten
gefunden (siehe Kurve I).
Versuch 2.
Expositionsdauer 10 Minuten. Präparat Nr. I.
t
log/
/
log/
40
7-0
10-2
13-7
18-2
230
•
28-7
34-0
38-4
2-3245
2-3348
2 - 3239
2 • 2954
2-2592
2 - 2268
2-1688
2-1359
2-0965
44-6
50-2
58-8
64-5
73-3
82-6
92-7
97-4
105-2
2-0418
1-9994
1-9244
1-8782
1-8114
1-7280
1-6414
1-6017
1 - 5378
Auf graphischem Wege ermittelte Halbierungskonstante
HC=36'0 Minuten
(siehe Kurve II).
J
1126
V. F. Hess,
Versuch 3,
Expositionsdauer 7 Minuten. Präparat Nr. I.
/
log/
/
log/
3-7
2-1694
43-5
1-9046
7-1
2-1780
48-5
1-8613
11-8
2-1653
53-3
1-8222
15-3
2- 1346
58-7
l • 7720
18-7
2 1052
64-1
1-7288
21-7
2-0831
71-7
1-6734
25-3
2-0597
79-6
1-5945
33-6
1-9822
91-7
1-4948
39*0
1-9387
•
Daraus ergibt sich
HC =35 'S Minuten
(hiezu Kurve III).
Versuch 4.
Expositionsdauer 5 Minuten. Präparat Nr. I.
4"
■0
8
•0
l\'
'3
15
•0
18
■5
21
•8
25"
•7
30
•0
37
■
•8
1-9554
1-9741
1-9637
1 9336
1-9000
1 • 8803
1 • 8465
1-8077
1 • 7449
43-0
48-7
54-4
61-0
68-8
75-6
86-2
94-7
6943
6525
6042
5386
4793
4275.
3383
2637
Aus dieser Abklingung (Kurve IV) folgt:
HC =36-2 Minuten.
Zerfallskonstante von Aci4.
1127
Versuch 5.
Expositionsdauer 4 Minuten. Präparat Nr. 1
/
log 7
/
log/
5-0
1 • 8855
41-0
1 - 6568
9-0
1-9201
45-2
1-6256
12-7
1-8831
51-0
1-5722
17-0
1 • 8587
56-5
1-5275
220
1-8111
63-2
1-4719
25-3
1-7886
70-7
1-4123
30-0
1 • 7449
81-0
1-3137
35-5
1-7006
99-0
1-1793
Aus der entsprechenden Kurve V ergibt sich
i/C= 36-0 Minuten.
Versuch 6.
Expositionsdauer 30 Minuten. Präparat Nr. I.
4-0
10-0
14*8
19-5
24-5
29-5
34-2
38-0
42-5
2-5340
2 - 5053
2-4618
2 - 4324
2-3898
2-3515
2-3097
2-2810
2 - 2380
49-0
52-5
57-9
63*8
69-5
75-9
85 0
92-7
100-5
2-1865
2-1599
2-1115
2-0626
2-0212
1-9678
1*8881
1-8252
1-7581
Der lineare Teil der entsprechenden Kurve VI liefert die
Halbierungszeit:
i/C= 36-4 Minuten.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. ßd., Abt. IIa.
75
1128
V. F. Hess;
Versuch 7.
Expositionsdauer 1 2 Stunden. Präparat Nr. I.
t
log/
/
log/
3-0
6-0
100
15-0
21-5
26-6
30-8
36-4
2-8014
2-7851
2-7622
2-7207
2-6666
2-6312
2 - 5866
2-5376
41-0
46-5
53-0
59-7
65-6
75-3
85-3
990
2-5018
2-4519
2-4008
2-3472
2-2981
2 - 2094
2-1396
2-0196
Daraus folgt (siehe Kurve VII):
i/Cm 35-9 Minuten.
Versuch 8.
. Expositionsdauer 1 Stunde. Präparat Nr. I.
log/
log/
40
2-6216
8-5
2 ■ 5960
11-5
2-5813
16-9
2-5403
23-0
2-4880
31-0
2-4284
36-3
2-3835
39-5
2 3542
44-2
2-3159
58-1
2-2036
62-2
2 16/8
68-7
2-1066
73-5
2 0685
79-3
2-0259
98-1
1-9542
107-5
1-8751
Dieser Abklingung entspricht (Kurve VIH):
//C=36-2 Minuten.
Zerfallskonstante von Aci4.
1129
Versuch 9.
Expositionsdauer 2 • 5 Minuten. Präparat Nr. I.
9-2
15-2
18-3
270
290
360
40-7
44*5
1 • 6930
1 • 7446
1 • 7045
1 6736
1-6092
1-5971
1-5307
1-5019
1-4709
48-4
52-6
57'5
65-2
67-7
76-2
S8-7
990
-4313
-4017
•3569
•2915
-2731
•2143
•1113
•0188
Hier ergibt sich (aus Curve IX):
//C= 36-6 Minuten.
Versuch 10.
Expositionsdauer 1 • 5 Minuten. Präparat Nr. I.
Der lineare Teil der Kurve X ergibt:
Ä'C= 35-6 Minuten.
75*
1130 V.F.Hess,
Ferner wurden mit Präparat Nr. I noch folgende Versuchs-
resultate erzielt (der Kürze wegen seien nur die auf graphischem
Wege ermittelten Halbierungszeiten mitgeteilt):
Versuch 11. Präparat Nr. I.
Exposition 2 Minuten: HCz= 36*0 Minuten.
Versuch 12. Präparat Nr. I.
Exposition 20 Minuten: HC = 36*2 Miuuten.
Versuch 13. Präparat Nr. I.
Exposition 120 Minuten: HC :=. 35*9 Minuten.
Versuch 14. Präparat Nr. I.
Exposition 10 Minuten: HCz=: 35*8 Minuten.
Versuch 15. Präparat Nr. I.
Exposition 6 Stunden: HC=^ 36'- 3 Minuten.
Es ergibt sich somit als Mittelwert der beim Präparat Nr. I
gefundenen Halbierungskonstanten (36* 1, 36-0, 35*8, 36-2,
36-0, 36-4, 35-9, 36-2, 36-6, 35-'6, 36-0, 36-2, 35-9, 35"8,
^' Mittelwert HC =36-07 Minuten.
Versuchsresultate mit Präparat Nr. II.
Präparat Nr. II war bedeutend schwächer als Nr. I. Ver-
suche mit sehr kurzer Expositionszeit konnten nicht durch-
geführt werden, da dann die aktivierten Bleche viel zu schwach
aktiv waren, als daß die Abklingung durch längere Zeit präzis
verfolgt werden konnte, trotz der sehr empfindlichen Versuchs-
anordnung.
Ich erhielt folgende Resultate:
Expositionsdauer 10 Minuten:
Versuch 16 HC =36' 3 Minuten
17 HC=36'0
18 HC =3Q^0
Zerfallskonstante von Ac i4. 1131
Expositionsdauer 30 Minuten:
Versuch 19 HC =35 9 Minuten
20 HC =35-9
21 HC=36'2
Expositionsdauer 60 Minuten:
Versuch 22 HC =z 36-1 Minuten
23 HC =36-2
24 ^C=35-8
Expositionsdauer 6 Stunden:
Versuch 25 HC=3^'0 Minuten.
Expositionsdauer 24 Stunden:
Versuch 26 HCz=3b'9 Minuten
27 HC = 36-3
28 HC =: 360 -
Als Mittelwert (Versuche 16 bis 28) für Präparat Nr. II
ergibt sich mithin:
//C= 36-05 Minuten.
Versuchsresultate mit Präparat Nr. III.
Präparat Nr. III war ungefähr halb so stark wie Nr. I, doch
gestattete die empfindliche Anordnung des Elektrometers noch,
mit vollständiger Sicherheit auch Induktionskurven bei sehr
kurzer Expositionsdauer aufzunehmen. Die Ergebnisse sind
in vollständiger Übereinstimmung mit den bisher mitgeteilten
Resultaten.
Es wurden folgende Haibierungskonstanten gefunden:
Expositionsdauer 5 Stunden:
Versuch 29 HC =: 36 • 1 Minuten.
Expositionsdauer 2 Stunden:
Versuch 30 HC =35 '6 Minuten
31 ifC= 36-2
1132 V.F.Hess,
Expositionsdauer 1 Stunde:
Versuch 32 Ä'C = 36 • 3 Minuten.
33 HC=36'0
Expositionsdauer 25 Minuten:
Versuch 34 WC = 36-2 Minuten.
Expositionsdauer 15 Minuten:
Versuch 35 HC = S6'4 Minuten.
Expositionsdauer 10 Minuten:
Versuch 36 Ä^C zu 36 • 1 Minuten.
Expositionsdauer 5 Minuten:
Versuch 37 i/C = 36- 5 Minuten
38 ifC=:36-2
39 HC=3ö'8
40 i/C=35-9
Mittelwert für Präparat Nr. III:
i/C= 36-11 Minuten.
IV. Diskussion und Zusammenfassung der Resultate.
1. Meine an drei verschiedenen Ac-Präparaten mittels der
Bronson*schen Methode aufgenommenen 40 Induktionskurven
ergeben für den rein exponentiellen Teil nur wenig voneinander
abweichende Halbierungskonstanten.
Es wurde gefunden für
Präparat I: HC = 36*07 Min. (Mittelwert aus 15 Versuchen),
II: HC =36'0o » ( * »13 » ),
III: HC =36' II > { > »12 » ).
Somit als Gesamtmittel der Halbierungskonstante von AcA:
HC =36-07 Minuten.
Die extremsten der gefundenen Werte waren 35*6 und
36-6 Minuten.
Zerfallskonstante von AcA.
1133
2. Die innerhalb weiter Grenzen vorgenommene Variie-
rung hinsichtlich der Aktivierungszeit hatte, wie aus
der folgenden Zusammenstellung ersichtlich, auf die Halbwerts-
zeit keinerlei konstatierbaren Einfluß.
Dauer der Aktivierung
Gefundene Halbwertszeiten
1 bis 5 Minuten
36-1, 36-2, 36-0, 36*6, 35*6, 36*0, 36-5,
36-2, 35-8, 35-9,
im Mittel 36*09 Minuten
5 bis 10 Minuten
360, 35-8, 35-8, 36-3, 36*0, 36-0, 36-1,
im Mittel 86*00 Minuten
10 bis 60 Minuten
36-4, 36-2, 36-2, 359, 35-9, 36-2, 36-1,
36-2, 35-8, 36-4, 362, 360. 36*3,
im Mittel 36*14 Minuten
Länger als 60 Minuten
35*9, 35*9, 36*3. 36*0, 35*9, 36*3, 36*0,
35*6, 36*2, 36*1,
im Mittel 36*02 Minuten
3. Es erscheint somit fraglich, ob die die Beobachtungs-
fehler übersteigenden Abweichungen in den bisher in der
Literatur angegebenen Werten der Halbierungskonstante von
AcA auf tatsächliche Verschiedenheiten (Beimengung von un-
bekannten radioaktiven Stoffen) bei Actiniumpräparaten ver-
schiedener Darstellungsweise begründet sind.
4. Die Versuche sollen fortgesetzt werden, sobald mir
noch andere Präparate ganz verschiedener Provenienz zur
Verfügung stehen.
Hess V. F.: Zerfallskonstante von Ac-4.
Zeitliche Abklingung der induzierten Aktivität von Actinium.
80
70
to
50
30
to
to
too
90
90
10
C0
20
too
•\
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Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-natun\'. Klasse, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907.
1135
Der Peltiereffekt Niekel-Kupfer zwischen
20 und 450° C.
von
Dr. Paul Cermak.
(MU i T«xtfigttr.>
Aus dem physikalischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag.
(Vorgelegt in der Sitzung axn 20. Juni 1907.)
Anschließend an meine Arbeit über den Peltiereffekt
Eisen-Konstantan zwischen 0 und 560* C.^ bestimmte ich für
denselben Bereich der Temperatur den Peltiereffekt Nickel-
Kupfer. Es wurde bei dieser Arbeit genau die gleiche Versuchs-
anordnung benutzt, wie bei der früheren.
In einem elektrischen Ofen befand sich ein Lecher'sches*
Kalorimeter. In dasselbe ragte die eine Lötistelle eines Nickel-
Kupferelementes zur Bestimmung des Peltiereffektes und ein
0*06 mm dünnes Konstantandrähtchen, mit dessen Hilfe die
Joule'sche Wärme eines bestimmten Stromes gemessen wurde.
Als Badflüssigkeiten für das Kalorimeter wurden auch diesmal
bis 200** C Petroleum, bis 380** C. Reten und bis 450* C.
Chrysen verwendet. Auch betreffs der Beobachtungsweise und
der Auswertung des Peltiereffektes genügt es wohl, auf meine
frühere Arbeit zu verweisen.
Kürzlich wurde von Herrn Rziha^ im hiesigen Institute
der Peltiereffekt Nickel-Kupfer zwischen den Temperaturen
1 P. Cermak, diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa, p. 657 (1907).
2 E. Lecher, diese Sitzungsberichte, Bd. CXVI, Abt. IIa, p. 1506 (1906).
3 K. Rziha, diese SiUungsberichte, Bd. CXVI, Abt. IIa (1907).
113G
P. Cermaky
200 und 800° C. beobachtet. Seine Methode, die sich gut
eignet, den Verlauf der Abhängigkeit von der Temperatur zu
untersuchen, läßt keine Bestimmung absoluter Werte des
Peltiereffektes zu. Ich habe bei meinen Untersuchungen nur
sechs Punkte herausgegriffen, und zwar die bei Zimmer-
temperatur, bei 95** C, bei 235, 290, 340 und 445° C. Es
wurden zur Gewinnung der Werte bei diesen Temperaturen
jedesmal mindestens zehn Beobachtungen gemacht, deren
Mittel den wirklichen absoluten Wert wohl mit großer
Sicherheit angeben dürften. In der folgenden Tabelle sind die
Ergebnisse verzeichnet:
Temperatur
19** C.
95' C 1 235*» C.
290*» C.
340'' C. ' 445*» C.
-
2'
04
2-23
2-53
2-07
1-97
2 '
08
2 12
2-38
1-94
1-84
05
2-27
2-49
2-13
1-92
Einzelne
Werte in
r
1'
70
83
2-09
2-18
2-29
2-52
2-15
r08
207
1-82
Gramm-
kalorien. 10-3
1
98
2-14
2-45
2 06
1-88
r
87
2-08
2-41
2-22
1-96
i
83
2-20
2-53
2-02
1-94
•
2
00
2-13
2-49
1-99
1-85
l
•81
2-07
2-44
2-08
1-87
Mittelwerte . .
1-92
2-15
2-45
2 06
1-91
2-27
2-42
I
2-35
2-42 .
I
2-29 '
2-38
2-46 .
2-50
2-35
2-41
2-38
Die so gewonnenen Werte zeigen eine hinlängliche Über-
einstimmung mit denen, die K. Rziha gefunden hat. Um dies
zu zeigen, ist in das nebenstehende Diagramm der Verlauf
beider Versuchsreihen eingezeichnet mit der Annahme, daß
Peltiereffekt Nickel-Kupfer.
1137
die Werte bei Zimmertemperatur, die sich am genauesten
bestimmen lassen, übereinstimmen. Jedenfalls kommt bei
30
20
\-WaUarLM4iß
10
Temperatur Uv CaUi^mdav
100
too
500
^0
500
beiden Methoden das zweimalige Umwenden der Kurve zu
deutlichem Ausdrucke.
Herrn Prof. Lech er bin ich für vielseitige Förderung
während der Untersuchungen zu großem Danke verpflichtet.
1139
Über eine der Brown'sehen Molekular-
bewegung in den Flüssigkeiten gleich-
artige Molekularbewegung in den Gasen
und deren molekularkinetischer Erklä-
rungsversuch
von-
Dr. Felix Ehrenhaft.
Aus dem I. physikalischen Institute der k. k. Universität in Wien.
(Vorgelegt in der Siuung am 11. Juli 1007.)
Die kinetische Theorie der Gase überträgt die Gesetze der
Bewegung und des Stoßes greifbarer Massen auf die Moleküle
der Gase. Es wird wohl kaum je der Beweis erbracht werden
können, daß die Gasmoiekeln selbst sich mit den ihnen zu*
gedachten Eigenschaften bewegen und damit die kinetische
Theorie der Materie von einer der fruchtbarsten heuristischen
Hypothesen zu einer die Naturwahrheiten beschreibenden
. Wissenschaft erhoben werden. Bisher hat man die Berechtig
gung der Voraussetzungen einzig durch das Zutreffen der
Konsequenzen anerkannt.
Und doch gibt es ein den Mikroskopikem wohlbekanntes
Phänomen, die Brown'sche Molekularbewegung in den Flüssig-
keiten, die stets wieder an die Naturwahrheit der molekular*
kinetischen Hypothesen gemahnt. Trotz vielfacher experimen*
teller Untersuchungen sind diese Studien zu keinem ab-
schließenden Resultate gelangt, da die kinetische Theorie der
Flüssigkeiten heute noch nicht so weit entwickelt ist, um aus
ihr irgend welche sichere Schlüsse auf das Brown'sche Phäno-
men zu ziehen oder vor allem umgekehrt aus den experi-
mentellen Untersuchungen des letzteren Rückschlüsse auf die
1140 F. Ehrenhaft,
kinetische Theorie der Flüssigkeiten zu machen. Dagegen ist
die kinetische Theorie der Gase heute bis zu hoher Vollendung
gediehen, so daß eine Untersuchung der Konsequenzen der
kinetischen Theorie hier aussichtsreicher erscheint.
Eine der Brown'schen Molekularbewegung in den Flüssig-
keiten gleichartige Erscheinung in den Gasen war aber bis
heute noch nicht nachgewiesen.^ Erhöhtes Interesse für dieses
Phänomen wird hauptsächlich durch zwei Untersuchungen
von Einstein^ und Smoluchowsky angeregt^ die beide auf
verschiedenen Wegen zu ähnlichen Resultaten gelangen.
R. V. Smoluchowsky berechnet nach einer ganz um-
fassenden Kritik der experimentellen und theoretischen Arbeiten
über die Brown*sche Bewegung in den Flüssigkeiten auf Grund
von kinetischen und Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen das
mittlere Quadrat A^ der Entfernung eines Teilchens, das in
einem Medium suspendiert ist, aus seiner Anfangslage. Hierbei
sind zwei typische Fälle zu unterscheiden. Entweder ist der
Radius des Teilchens groß gegen die mittlere Weg-
länge der umliegenden Molekeln. Dann sind die Zusammen-
stöße des Teilchens mit den Molekeln nicht ganz zufallig: ein
Fall, bei dem die Rechnung keine exakte Durchführung gestattet
und der realisiert wäre bei den Suspensionen in Flüssigkeiten,
da die in denselben mikroskopisch oder ultramikroskopisch
sichtbaren Teilchen stets Dimensionen haben, die groß sind
gegen die mittlere Weglänge der Flüsstgkeitsmolekeln. Aus
bereits vorerwähnten Gründen ist dieser Fall auch nicht von
so großem Interesse.
Oder der Radius des in dem Medium suspendierten
Teilchens ist klein gegen die Weglänge der umliegenden
Molekeln. Die einzelnen Zusammenstöße sind dann voneinander
völlig unabhängige Ereignisse. Man kann dann die kleinen
suspendierten Teilchen als Indices der ungeordneten Bewegung
der umliegenden Molekeln betrachten und es könnte dieser
Fall etwa als Modell der Bewegung von Molekülkomplexen
in einem Gase gelten.
1 M. V. Smoluchowsky, Ann. d. Physik, 1906, p. 774.
2 A. Einstein, Ann. d. Physik, 17, p. 549 (1905); 19, p. 871 (1906).
Molekularbeweg^ng in Gasen. 1141
Bei der Kleinheit der mittleren Weglänge der Flüssigkeits-
molekeln und bei der Grenze, die der Mikroskopie gesetzt ist,
erhellt, daß dieser Grenzfall, der ein Bild der ungeordneten
Bewegung der Molekeln geben könnte, nur in einem gas-
förmigen Medium zur Beobachtung gelangen kann.
Der erste Schritt wäre also der Nachweis der Exi-
stenz einer Molekularbewegung in den Gasen, die der
Brown'schen Bewegung in den Flüssigkeiten analog ist,
ein Nachweis, der mit den heutigen Mitteln vom Verfasser auf
nachfolgende Weise gelungen ist:
Für die Beobachtung scheint die uitramikroskopische
Methode am zweckmäßigsten. Die obere Quarzplatte der
Küvette, die für ultramikroskopische Untersuchungen von
Flüssigkeiten bei Zeiß erhältlich ist, wurde abgehoben und
die Küvette sodann direkt an die Frontlinie des Mikroskop-
objektives C gekittet.
So konnte durch einen Aspirator ein Gasstrom unmittel-
bar an der Frontlinie des Ultramikroskopes vorbeigeführt und
durch Schließen von Glashähnen vor und nach der Küvette
zur Ruhe gebracht werden. Es zeigt sich, daß bei genügender
Enge der zuführenden Rohre und Bohrungen der Hähne die
Gasmasse fast unmittelbar zur Ruhe gelangt. Saugt man etwa
eine Zigarettenrauch enthaltende Gasmasse durch die Küvette,
so ist es unschwierig, auf dieselbe Weise wie bei den Flüssig-
keiten Beugungsbilder der ultramikroskopisch sichtbar werden-
den Teilchen scharf einzustellen.
Man beobachtet nun bei Teilchen aller Substanzen von
ultramikroskopischer und vielleicht etwas größerer Größen-
ordnung eine lebhaft vibrierende tanzende zitternde Bewegung
und die dadurch bedingte Ortsänderung der einzelnen Teilchen,
die in ganz ungeordneter Bewegung begriffen erscheinen, wenn
genügende Vorsichtsmaßregeln jede Strömung und Konvektion
verhindern. Das ganze Phänomen bietet ein Bild, das völlig
mit dem Eindruck übereinstimmt, den man der Brown'schen
Molekularbewegung in den Flüssigkeiten entnimmt. Nur tritt
das Phänomen in den Gasen mit bedeutend erhöhter Leb-
haftigkeit auf. In der Etnstellebene des Mikroskopes erscheint
1142 F. Ehrenhaft,
dus einzelne Teilchen je nach Gröfie als stärker oder schwächer
leuchtender Punkt, der beim Verlassen der Einstellebene sich
in ein System von kreisförmigen konzentrischen Beugungs-
ringen auflöst. Jedes einzelne Teilchen erscheint in einer leb-
haft zitternden Bewegung und ändert dabei seine Lage im
Räume in unregelmäßigen Zickzackwegen mit Geschwindig-
keiten, die um so größer sind, je weniger intensiv die Beugungs-
phänomene, also je kleiner das beobachtete Teilchen ist. Als
gutes Demonstrationsobjekt dient Zigaretten- oder Zigarren-
rauch, wenn sich die größeren Rauchteilchen bereits abgesetzt
haben, ferner Salmiakdampf. Eben bei diesen Substanzen ist
man jedoch nicht in der Lage, die Größe der einzelnen Teilchen
zu regulieren, sondern es erscheinen Teilchen verschiedener
Größe in der Luft suspendiert, die alle mit abnehmender Größe
einer Molekularbewegung zunehmender Lebhaftigkeit unter-
worfen erscheinen. Zinkoxyddampf, erzeugt durch oszillierende
Entladung zwischen Zinkkugeln, die Verbrennungsgase ge-
wöhnlicher Bogenlampenkohlen enthalten Teilchen, die sich
als Demonstrationsobjekte ebenfalls gut eignen.
Aus den Versuchen erhellt, daß man es hier mit dem Ana-
logon der Brown'schen Molekularbewegung in den Flüssig-
keiten in den Gasen, mit einer Erscheinung gleicher Allgemein-
heit zu tun hat wie in den Flüssigkeiten.
Die Molekularbewegung bleibt zeitlich ebenso unveränder-
lich, solange die Teilchen schweben, sie ist von äußeren Um-
ständen auf keinerlei Weise zu beeinflussen oder aufzuhalten.
Wenn man irgend einen Teil des Gesichtsfeldes plötzlich
stärker belichtet, was bei der ultramikroskopischen Anordnung
durch seitliche Verschiebung des ßeleuchtungsobjektives leicht
möglich erscheint, das Phänomen ist an der frisch durch-
strahlten Stelle mit gleicher Lebhaftigkeit zu flnden. Der
Strahlungsdruck, der bei Teilchen dieser Größenordnung be-
reits von Belang sein könnte, wäre doch nur im stände,
Bewegungen mit einer bestimmten Richtungstendenz zu er-
zeugen, nie aber gerade jene charakteristische ungeordnete
Bewegung, bei der Teilchen in jede Richtung gleichzeitig das
Gesichtsfeld zitternd durcheilen. Wie bei den Flüssigkeiten, so
ist auch hier mit zunehmender Erwärmung des Mediums
Molekularbcwegung in Gasen. 1 1 43
Zunahme der Lebhaftigkeit der Molekularbewegung verbunden
und dies ist die einzige Möglichkeit, die Bewegung zu beschleu-
nigen oder zu verzögern.
Die Bewegungsrichtung der Teilchen wird in gasförmigen
Medien natürlich durch die Erdschwere stärker beeinflußt wie
in Flüssigkeitssuspensionen. Je größer ein Teilchen, desto
stärker macht sich der Einfluß geltend und desto rascher sinkt
das Teilchen. Im Ultramikroskop sieht man von einem solchen
Teilchen zunächst ein sehr lichtstarkes System von konzentri-
schen Beugungsringen, die sich, sobald das Teilchen bis in
die Einstellebene des Ultramikroskopes gesunken ist, in ein
punktförmiges Beugungsbild zusammenziehen. Bei weiterem
Sinken löst sich dasselbe wieder in kreisförmige Beugungs-
erscheinungen auf Während des Faltens beobachtet man gleich-
zeitig, daß die Teilchen nicht in lotrechter Richtung, sondern
in einer Zickzacklinie fallen. Die Bewegung superponiert sich
also aus der Fallbewegung und den seitlichen Bewegungs-
impulsen infolge der Molekularbewegung.
Bei kleinen Teilchen, die etwa in der ultramikroskopischen
Größenordnung liegen, macht sich der Einfluß der Schwere
fast gar nicht geltend. Die beobachtbare Molekularbewegung
solcher Teilchen erfolgt natürlich räumlich. Es erscheint z. B.
ein derartiges Teilchen in der Einstellebene als leuchtender
Punkt, verläßt die Einstellebene durch Molekularimpulse und
erscheint dadurch je nach der Entfernung von der Einstell-
ebene von mehr oder weniger kreisförmigen Beugungsringen
umgeben. Es ist oft sehr leicht zu beobachten, daß ebendas-
selbe Teilchen als punktförmiges Beugungsbild zu wieder-
holten Malen im Wechsel von konzentrischen Ringen umgeben
erscheint, durch Molekularimpulse zu wiederholten Malen
über die Einstellebene gehoben wird, sodann wieder sinkt.
Die Fallbewegung wird also von der Molekularbewegung
überdeckt. Ebendiese Beobachtung ist schon beim ein-
fachsten Demonstrationsobjekt, beim Zigarettenrauch, zu
machen. Die größeren Teilchen sinken in Zickzacklinien zu
Boden, die kleineren bleiben in lebhafter Molekularbewegung
begriffen, oft minutenlang schwebend.
Sitzb. d. mathem..naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa. ^6
1144 F. Ehrenhaft,
Von besonderem Interesse erscheint der Fall, in dem die
mittlere Weglänge der umgebenden Molekeln groß ist gegen
die Lineardimension der suspendierten Teilchen.
Bedenkt man, daß die mittlere Weglänge in atmosphäri-
scher Luft unter normalen Umständen von der Größenordnung
lAO~^cm ist, so erhellt, da die ultramikroskopische Beob-
achtung in Flüssigkeiten noch Metallteilchen von der Größen-
ordnung 10~* cm zu erkennen gestattet, daß es prinzipiell
nicht ausgeschlossen ist, Teilchen, die kleiner sind als die
mittlere Weglänge in atmosphärischer Luft, in dieser zu beob-
achten, um so mehr als der kleinere Brechungsexponent der
Luft die untere Grenze der Sichtbarmachung nur noch er-
weitert, also die Sichtbarkeit noch kleinerer Teilchen ermög-
licht als etwa im Wasser,
Die Erzeugung derartiger Teilchen wurde durch Ver-
dampfen von Edelmetallen im galvanischen Lichtbogen be-
werkstelligt. Um definierte Substanzen beobachten zu können,
wurde zwischen Silber- oder Platinelektroden von der Dicke
von 5 mm ein galvanischer Lichtbogen hergestellt. Das ver-
dampfende Metall kondensiert an der Luft und erfüllt dieselbe
mit feinen Metallteilchen. Die Menge und Feinheit des sich
entwickelnden Silberdampfes, respektive der in der Luft sus-
pendierten Silberteilchen hängt von der Stromstärke ab. Bringt
man den Strom dieser Luft durch einen Aspirator vor die
Frontlinse des Ultramikroskopes, dann sieht man ein ähnliches
Bild lebhafter Bewegung wie beim Zigarettenrauch. Je größer
die erzeugende Stromstärke ist, desto intensiver sind die sicht-
bar werdenden Beugungserscheinungen, desto größer sind also
die Teilchen, desto geringer ist deren Molekularbewegung und
desto rascher sinken sie in Zickzacklinien zu Boden. Stellt
man jedoch den Lichtbogen mit jener Minimalstromstärke her,
die ihn gerade noch unterhält, dann gelingt es, Silberteilchen
in der Luft zu suspendieren, die bis zu 30 Minuten schwebend
bleiben, wie man sich durch wiederholtes Absaugen aus dem
Gefäß, in dem man den Lichtbogen unterhielt, überzeugen kann.
Diese Teilchen entwerfen im Ultramikroskop in der Ein-
stellebene Beugungspunkte, die gerade noch bei an Dunkel-
heit akkomodiertem Auge sichtbar werden, die also an der
Molekularbewegung in Gasen. 1 145
unteren Grenze der mit dem Ultramikroskop noch sichtbar zu
machenden Teilchen liegen. Dieselben sind in einer ungeord-
neten Bewegung begriffen, die von außerordentlicher Leb-
haftigkeit ist. Es gelingt ohne Schwierigkeit, ein und dasselbe
Teilchen viele Minuten lang in dieser lebhaften Bewegung auf
seiner ganz unregelmäßigen Bahn zu verfolgen, bis es aus dem
Bereiche des beleuchtenden Kegels kommt.
Diese Versuche erweisen in einer unzweifelhaften Weise
die Existenz einer der Brown'schen Molekularbewe-
gung in den Flüssigkeiten gleichartigen Bewegung
in den Gasen. Teilchen von der Größenordnung der mitt-
leren Weglänge der Gasmolekeln und etwas größere
Teilchen fallen in einer Zickzacklinie, die Geschwindig-
keit des Niedersinkens ist eine größere als die durch die Mole-
kularbewegung bedingte Ortsänderung. Teilchen, die an
der Grenze der ultramikroskopisch noch sichtbar zu
machenden Größe liegen, sind in so lebhafter Mole-
kularbewegung begriffen, daß die Fallbewegung von
dieser ganz überdeckt wird. Es gelingt also in den Gasen
auch insbesondere den Fall zu beobachten, bei dem
die suspendierten in Molekularbewegung begriffenen
Teilchen klein sind gegen die mittlere Weglänge der
umliegenden Molekeln.
Es erübrigt also nur, zu untersuchen, inwieweit die experi-
mentellen Resultate sich in quantitativer Weise mit den Resul-
taten der molekularkinetischen Hypothesen decken. Von den
Methoden, die im Bereiche einfacher experimenteller Möglich-
keit liegen, wurde zunächst jene in Ausführung gebracht, die
eine direkte Bestimmung der mittleren sekundlichen
Entfernung A eines Teilchens infolge der Molekular-
bewegung ergibt, um selbe mit den Resultaten der Theorie
von Smoluchowsky zu vergleichen. Die naheliegendste
Methode, mit einem Projektionsokular die Bahn und daher die
Geschwindigkeit eines derartigen Teilchens photographisch zu
fixieren, scheitert an der weitaus zu geringen Lichtintensität
des von den Teilchen zerstreuten Lichtes. Es war bloß die
zwar primitive Methode der direkten Messung ausführbar, die
aber überraschend gute Resultate gibt. Verwendet wurde das
78*
1140 F. Ehrenhaft,
Zeiß'sche Okularmikrometer 4, in dem ein Netz von 18 Qua-
draten enthalten war. Die Seitenlänge eines Quadrates betrug
bei Anwendung des Objektives C 16. IQ-* cm.
Nachdem der Gasstrom, in dem z. B. Zigarettenrauch sus-
pendiert ist, zur Ruhe gekommen ist, die größeren Teilchen
sich abgesetzt haben, muß man sich die Sicherheit verschaffen,
daß die Bewegung der im Gesichtsfelde sichtbaren Teilchen
eine ungeordnete ist, die durch den Umstand zu erlangen ist,
daß gleichzeitig Teilchen der verschiedensten Bewegungs-
richtungen das Gesichtsfeld durcheilen. Sodann ist es un-
schwierig, die Bahn eines Teilchens zu verfolgen und zwei
Punkte der Bahn bestimmten Punkten des Okularnetzes zu-
zuordnen und gleichzeitig eine Zeitmessung zu machen. Die
eventuell beobachtbaren Zickzackkrümmungen der Bahn mit
in Rechnung zu ziehen, ist auf das Resultat von keinem
nennenswerten Einflüsse.
Nimmt man unter vorerwähnten Vorsichtsmaßregeln z. B.
an Zigarettenrauch die angedeuteten Messungen vor, so weichen
die Einzelresultate voneinander ab. Schon die verschiedene
Größe der suspendierten Teilchen bedingt Verschiedenheit der
sekundlichen Ortsänderung, abgesehen von der zu erwartenden
Unordnung der Geschwindigkeit ein und desselben Teilchens.
Der Mittelwert einer Reihe von Messungen ergibt aber auf-
fallend gut übereinstimmende Resultate, wie aus nachfolgender
Tabelle ersichtlich, in der die eingetragenen Zahlen die in 1 sec
zurückgelegte Zahl der Quadratseiten des Okularnetzes be-
deuten, wenn Zigarettenrauch der österreichischen Zigarette
Memphis verwendet wird.
Molekularbewegung in Gasen.
1147
A von Zigarettenrauch.
Me;->sung
II
III
ü"5
^ es
•- t:
:? rt
J£ '
gö-o
I
C CS
— ^3
Mittel . . .
Ortsände-
rung pn)
sec A . .
l
1
2
1
2
1
4
4
3
2
3
2
9
2-7. 10-:»
20
2-0
1-4
2-8
2-0
0-9
2-8
1*6
1
2-6.10-3
1-2
2-1
30
1-0
ro
1-5,
2-6.10-a
1-5
20
20
0 8
. 1-6
0-8
1-5
2-2.10-3
1-2
1-3
0-8
3-0
1-7
1-3
1-4
1-3.
2-2.10-3
cm
sec
cm
Mittlere Ortsänderung pro Zeiteinheit A = 2*5.10 "'*
Die größte beobachtete Ortsänderung betrug A=i4-8. 10~^
die kleinste A =: 1-3.10-3
cm
sec
cm
sec
Smoluchowsky berechnet für Teilchen von der Größen-
ordnung 10-^ cm A = 1'4.10~3 in Luft von normaler Dichte
und Temperatur. Über die Größe der Rauchteilchen genaue
Angaben zu machen, ist schwierig. Da die Beobachtungen nur
an den langen schwebenden Teilchen vorgenommen wurden,
die jedenfalls unter der Größenordnung \0~^cm liegen, er-
scheint eine der Brown'schen Molekularbewegung
analoge Bewegung in den Gasen von einer Lebhaftig-
keit, wie sie Smoluchowsky berechnete, nachgewiesen.
Von speziellem Interesse erscheint der Fall, in dem die
Teilchen nachweisbar klein sind gegen die mittlere
Weglänge der umliegenden Gasmolekeln, ein Fall, der
bei Teilchengrößen, die an der Grenze der ultramikroskopi-
schen Sichtbarkeit liegen, erfüllt ist. Zu diesem Zwecke wurden
Silberteilchen nach früher beschriebener Methode durch die
1148
F. Ehrenhaft,
minimalste Stromstärke erzeugt und auf dieselbe Methode
deren Ortsänderung A in der molekularen Bewegung gemessen.
Nachfolgende Tabelle enthält die Resultate.
A von Silberteilchen an der Grenze der ultramikro-
skopischen Sichtbarkeit.
Messung
I
II
III
IV
^ ^ f^
o fe S
^ ja
£ ISJ
Mittel
I Ollsänderung
! pro sec A . ,
2-0
1-6
8-4
o . •>
3-5
60
2-9
4-6.10-^5
•> . o
1-5
«•2
2-0
60
2-0
6-6
3-0
4-3.10-^i
1
■8
5
•0
15
•0
3
•0
1
•0
3
•0
2
•4
3
•3
7
"5
0
•9
4«.
10-3
2-4
4-2
3-0
4-0
o
4
0
7
2-8
2-8
3 0;,
4-9.10-'J
cm
sec
Es beträgt somit die mittlere Ortsänderung pro Sekunde
A=:4-6.10 3
cm
sec
Die angeführten Messungen sind bloß Vertreter einer
langen Serie von Messungen gleichen Resultates. Man sieht
auch hier die große Abweichung der einzelnen Messungen
und völliges Übereinstimmen der Mittelwerte, die bei diesen
wesentlich kleineren Teilchen höher liegen wie beim Zigaretten-
rauch.
In diesem Falle ist, da die Teilchengröße klein ist gegen
die mittlere Weglänge der umgebenden Molekeln, die Formel
von Smoluchowsky e^akt anwendbar. Substituiert man in
derselben
für Luft normaler Dichte und Temperatur für A^=:4.10S
c — 48. 10». Bedenkt man fernen daß die in Luft suspendierten
-J
Molekularbewegung in Gasen. 1 149
Teilchen in erster Näherung von den in Wasser suspendierten
Teilchen der kolloidalen Metalle* nicht erheblich abweichen
werden und daß sie an der Grenze der Sichtbarkeit liegen, so
substituiert man für i? =: 3. 10~® ctn,^
Obige Formel ergibt daraus für
A = 4-8.10-8.
Wenn man auch die Größe von R auf 100% ^^f oder
ab nicht genau fixieren kann, jedenfalls stehen Theorie und
Experiment in einer Übereinstimmung, die in Hinblick auf die
geringe Sicherheit der Zahlen der kinetischen Gastheorie als
weitaus ausreichend zu bezeichnen ist.
Weitere Möglichkeit der Prüfung wäre gegeben durch
Untersuchungen über die Änderung von A mit Temperatur
oder Verdünnung, die einer zukünftigen Untersuchung vor-
behalten bleiben sollen.
Wenn auch ein exakter Nachweis der Naturwahrheit der
kinetischen Hypothesen erst durch Nachweis zu erbringen
wäre, daß diese nicht nur die zweckmäßigsten, sondern auch
die einzigen sind, die das Phänomen der Molekularbewegung
suspendierter Teilchen in Flüssigkeiten und Gasen zu erklären
im Stande sind; jedenfalls wäre es möglich, in dieser Studie
eine neue Stütze der molekularkinetischen Hypothesen zu
sehen.
1 Diese Sitzungsberichte, Bd. CXFV^ Abt. IIa, Juli 1905. F. Ehrenhaft.
1151
Über die photographisehe Lichtstärke von
Femrohren
von
Dr. Egon R. v. Oppolzer in Innsbruck.
(Mit 1 Tafel.)
(Eingereicht am 18. März 1904.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 10. Mai 1907.)
Vom Standpunkte der geometrischen Optik werden alle
achsenparallei auffallenden Strahlen von einem aberrations-
freien Spiegel oder einer vollkommenen Linse in einem Punkte
vereinigt. Die Lichtstärke in diesem ist jedenfalls
4
zu setzen, indem von der Öffnung ein Lichtzylinder von dem
IC
Querschnitt — -O* aufgefangen, wenn mit O der Durchmesser,
die »Öffnung«, bezeichnet wird, dann hievon ein Bruchteil 7
beim Spiegel reflektiert, bei der Linse durchgelassen wird,
welchen Bruchteil 7 wir als das »optische Vermögen« be-
zeichnen wollen; diese Vermögen hängen selbstverständlich
von der Wellenlänge, dem spezifischen Material der optischen
Flächen und bei Linsen von ihrer Dicke ab.
Die Abbildung findet aber nicht annähernd punktförmig
statt, indem ja mannigfache Einflüsse, wie die Beugung am
Rande der Eintrittspupille, die unregelmäßigen Strahlen-
brechungen in der Atmosphäre, die Vibrationen des Instruments,
die ungestörte geradlinige Ausbreitung des Lichtes verhindern.
1152 E. V. OppolzeT,
Selbst bei idealen Luftverhältnissen und absoluter Ruhe der
optischen Achse tritt das Beugungsscheibchen mit dem Durch-
messer d (in linearem Maße, Millimeter) oder 8" (im Bogen-
maße, Bogensekunden) in der Fokalebene auf, für welchen die
Theorie der Beugung ergibt:
J. = 2-44. X. — = 2-44.X.4>-i in Millimeter,
O
2 • 44 . X . 206265 . ^ , ,
\ = m Bogensekunden
(X = Wellenlänge in Millimeter, 4> z= Öffnungsverhältnis).
Mit F möge die Brennweite und mit ^ das »Öffnungsver-
hältnis« iP'.F) bezeichnet werden. Für photographische
Strahlen ist X z= 430. 10-* wm anzunehmen, so daß
d^ = 0-001049. 4>-i, (1)
\ = ^ (2)
gesetzt werden kann. O ist dabei in Millimeter auszudrücken.
Unter diesen Umständen wird die von der Eintrittspupille
kommende Lichtmenge — - • O^ nicht in einem Punkte, sondern
4
in dem kleinen Beugungsscheibchen ausgebreitet; die Licht-
menge, die durch Beugung noch außerhalb des Scheibchens
fällt, kommt gegen die in diesem vorhandene nicht in Betracht.
Ist i die Lichtintensität pro Flächeneinheit im Scheibchen, so
besteht dann die Gleichung:
Y« JL.02=z —d^A oder: ^0^ = (R.u
4 4
Die photographische Wirkung hängt aber jedenfalls nur
von i ab, sobald das Beugungsscheibchen gegen das Korn der
Platte groß wird, sobald es mehrere Körnchen reizt. Die Größe
dieser beträgt bei grobkörnigen Platten einige Tausendstel des
Millimeters. Die obige Formel (1) für das Beugungsscheibchen
in linearem Maße zeigt aber, daß, wenn nicht ganz extreme
Photographische Lichtstärke von Femrohren. 1 1 53
Öffnungsverhältnisse gewählt werden, in der Regel wohl stets
die Körnchengröße durch den Durchmesser des Beugungs-
scheibchens übertroffen wird. Dann wird also die photo-
graphische Lichtstärke L\
. _ O^ _ . __^!*!_ — Y 0^
"~ ""^ d^ " ^ 0-0010498 "~ 0-001049^ F^
gesetzt werden können. Außer allem Zweifel gilt die
Formel streng, wenn man nach der spektrophoto-
graphischen Lichtstärke fragt. Denn die Breite des
Spektrographenspaltes kann schon aus mechanischen Gründen
nicht unter 0*01 mm gewählt werden, weil dann die exakteste
Pointierung nicht verbürgen könnte, daß das Sternbildchen in
diesen schmalen Bezirk fällt und, da die Fokallänge der Kamera
von gleicher Ordnung gewählt werden muß wie die des
Kollimatorobjektivs, so bildet sich der Spalt auf der Platte mit
derselben Breite 0*01 mm ab — infolge der Beugung am Rande
der Kollimator- und Kameralinse wird diese Breite noch wesent-
lich vergrößert werden — ; eine derartige Breite übertrifft aber
die Körnchengröße so stark, daß also die spektrographi-
sche Lichtstärke zweifellos nur von Lichtstärke pro
Flächeneinheit im Spalt oder, da dieser ja in der Brennebene
liegt, im Beugungsscheibchen abhängt. Sollte aber dieses
kleiner sein infolge einer Wahl eines extremen 4>, so wird
der Spalt überhaupt nicht mit Licht ausgefüllt und eine
Messung einer Linienverschiebung wird illusorisch. Bei spektro-
graphischen Untersuchungen muß daher immer das in der
Fokalebene im Spalt erzeugte Scheibchen durch irgend einen
Einfluß auf die Minimalspaltbreite erweitert sein, dann ist aber
die obige Formel nach den eben gemachten Erörterungen
streng, wenn wir unter ä^ das tatsächliche Scheibchen als Pro-
dukt aller die geometrische Abbildung störenden Einflüsse
verstehen.
Nennen wir nun den Durchmesser dieses tatsächlichen
Scheibchens d, so wird er bei vollkommener Optik des Spiegels
oder der Linse die Summe aus dem Durchmesser des Beugungs-
scheibchens und dem der Luftunruhe n sein, also:
J^- 8».F* (80+«)''
(-TT-*-,
weil dann nur die zwei störenden Einflüsse der Beugung und
der Luftunruhe übrig bleiben. Die Vibrationen des Beobachtungs-
rohres können selbstverständlich keiner zahlenmäßigen Unter-
suchung unterworfen werden, sondern sie vermischen sich
ganz mit dem Einflüsse der Luftunruhe. Da in der obigen
Formel L durch die Öffnung völlig bestimmt ist, so ist man in
der Lage, den Einfluß der Luftunruhe auf die photographische
Lichtstärke zahlenmäßig zu verfolgen. So wird z. B. das Licht-
stärkenverhältnis zweier Instrumente mit den optischen Ver-
mögen Y und 7', den Öffnungen 0 und CK, den Brennweiten F
und F' bei gleichen Luftverhältnissen sein:
216-4 \2
= i r* Y
IJ t' V4>'/ V8. + «/ Y\^J \ 216'4
Führen wir das Fechner'sche Gesetz ein, so wird der
Größengewinn (L) — (Ü) des einen Instruments gegen das
andere ausgedrückt sein durch:
1104 E. V. Oppolzer, i
d =r d^-k-u' in Millimeter,
8 =1 8q +h in Bogensekunden,
wo «' und H die Durchmesser in linearem und Bogenmaß des I
Luftunruhenscheibchens bedeuten. Das u ist nichts anderes als I
die doppelte Amplitude der Zitterbewegungen der Stembildchen, |
wie sie durch die unregelmäßigen Strahlenbrechungen der
Atmosphäre hervorgerufen werden. Da heutzutage die Technik
in der Lage ist, parabolische Spiegel herzustellen, die also in
der Achse aberrationsfreie Abbildung bedingen, so kann man
strenge setzen:
0* O^ 1
L = Y - = Y- - — • 206265 = y.2062654>«
I
I
Photographische Lichtstärke von Fernrohren.
1155
Größengewinn = (L)—{U) = 2*5 log -y =
1= 2-5 log ^, +5 1og-|-+5 1og(-J^±^).
Die obige Formel (3) zeigt, daß die Vergrößerung des
Öffnungsverhältnisses ebenso wesentlich die Lichtstärke beein-
flußt wie eine Vergrößerung der Öffnung, ferner daß mit zu-
nehmender Luftunruhe die Lichtstärke überhaupt
immer mehr von dem Öffnungsverhältnis allein ab-
hängt. Diese Folgerung erscheint ja auch im vorhinein natür-
lich. Bei großer Luftunruhe erscheinen eben die Sterne als
leuchtende Flächen. Die Helligkeit der Abbildung von leuchten-
den Flächen hängt aber nach einem bekannten optischen Satze
nur von dem Öffnungsverhältnis und nicht von der Öffnung ab.
Es mögen nun die aufgestellten Formeln durch ein Beispiel
erläutert werden. Hiezu soll der große und kleine Potsdamer
Refraktor und ein Reflektor, den ich mir zur Konstruktion vor-
zuschlagen erlaube, herangezogen werden.
Die optischen Konstanten für diese Instrumente sind:
Fotsdamei
großer
• Refraktor
kleiner
1
Reaektor
1
0 — Öffnung in Millimeter
SCO
340
400
F — Brennweite in Millimeter
12000
3400
1000
4> = Öffnungsverhältnis
1:15
1:10
1:2-5
y = Optisches Vermögen
0-49
0-66
0-80
^0 B= Durchmesser des Beugungs*
scheibchens in Bogensekunden
0"271
0"637
0"541
Für die optischen Vermögen habe ich die in Potsdam
bestimmten Werte genommen und für den Reflektor das Re-
flexionsvermögen 0*80, das bei frischer Politur des Silberglas-
spiegels sicherlich höher, selbst für die photographischen
1156
E. V. Oppolzer,
Strahlen, anzunehmen ist. Für visuelle kann man das Reflexions-
vermögen 0*90 setzen.
Rechnen wir nun nach der Formel (3) für diese drei Instru-
mente die entsprechenden Lichtstärken für verschiedene Luft-
unruhen u aus, wie sie nach den Untersuchungen Exner's
und Villiger's Platz greifen können (diese Sitzungsberichte,
Bd. CXI, p. 1265), so erhalten wir die folgenden, in willkürlichen
Einheiten ausgedrückten Lichtstärken:
I. Lichtstärken (in willkürlichen Einheiten).
1
Luftunruhe u —
1
' 0" (ideal)
l"
3"
5"
Großer Refraktor
1
' 2-965
0 135
0-246
5-390
0-020
0-050
1021
0-008
0-021
0-417
Kleiner Refraktor
1-627
Reflektor
.... 43-732
i
Hieraus wird der ungemein starke Einfluß der Luftunruhe
ersichtlich.
Ebenso erkennt man die enorme Überlegenheit der In-
strumente mit großem Öffnungsverhältnisse. Schon bei ganz
normaler Luft (u=: \") wird der große Refraktor fast unbrauch-
bar, nur bei idealer Luft (w = 0"), die an den seltenen Abenden,
an denen das Beugungsscheibchen sichtbar ist, herrschen
würde, wäre der große Refraktor etwas überlegen. Dies haben
auch die Potsdamer Beobachtungsresultate ergeben. Noch
deutlicher wird der Einfluß der Luftunruhe aus der folgenden
Tabelle hervorgehen, welche den Größenverlust bei der Luft-
unruhe u gegen die ideale Luft angibt:
II. Größenverlust infolge der Luftunruhe.
Luftunnihe
1"
2" 1 3"
*
4"
5"
Großer Refraktor
Kleiner Refraktor
Reflektor
3-35
2-05
2 "27
1
4-62
3-08
3-36
5-41
3-78
408
5-99
4-31
4-62
6-44
4-73
5 05
Photographische Lichtstärke von Fernrohren.
1157
Bedenkt man nun, daß aus den obigen Lichtstärken sich
folgende Größengewinne (siehe Tabelle III) ergeben und ferner,
daß die Potsdamer Instrumente die vierte Sterngröße kaum zu
erreichen im Stande sind, so ersieht man aus der Größenverlust-
tabelle (II), daß der große Refraktor bei Luft u =: 2", der kleine
schon bei u = 3" fast untauglich, der Reflektor aber stets
tauglich bleibt, weil er gegen den kleinen Refraktor einen
Größengewinn von über drei Größenklassen erreicht und
hiemit nahe die siebente Größe zu messen gestattet; bei der
extremen Luftunruhe u = 5" gehen aber erst fünf Größen ver-
loren, so daß noch die hellsten Sterne bis zweiter Größe unter-
sucht werden können. Es ist dies ein großer Vorteil des
Reflektors, daß er selbst bei unruhiger Luft, die
sehr häufig an klaren Abenden herrscht, zu spektro-
graphischen Arbeiten herangezogen werden kann.
III. Größengewinne.
Luftunruhe
Großer — kleiner Refraktor
i
1
Kleiner Refraktor— Reflektor
w = 0"
-hü- 65
3-57
1
~0-65
— 3-35
2
—0-88
— 3-30
3
0-97
— 3-28
4
— 1-03
3-26
5
— 1-06
—3-26
Das derzeit wohl photographisch lichtstärkste Instrument
dürfte das Bruce-Teleskop in Heidelberg sein mit 16 Zoll Öff-
nung und 1 : 5 ÖfiFnungsverhältnis der dreilinsigen Objektive
Petzvarschen Typus. Das öfifnungsverhältnis des Reflektors ist
also doppelt so groß und die Öffnung von nahe gleicher Größe.
Durch dieses extremere Öffnungsverhältnis gewinne ich gegen
das Bruce-Teleskop 1*5 Größen, welcher Größengewinn infolge
der hiebei noch nicht berücksichtigten Einflüsse der optischen
Vermögen zu niedrig angesetzt ist. Im folgenden werden die-
selben berechnet werden.
1158 E. V. Oppolzer,
Es erübrigt nun zu untersuchen, ob nicht die Wahl eines
Linsensystems mit extremem öfTnungsverhältnis einem Spiegel
vorzuziehen ist. Vor allem hatte mich ursprünglich folgende
Überlegung geleitet. Bei spektrographischen Messungen, wo
der Spalt sich in der optischen Achse unmittelbar befindet,
braucht die Abbildung also nur dort in der Achse vollkommen
zu sein, außerhalb können die Abbildungsfehler beliebig hohe
Werte erreichen. Es legt dies nahe, daß man durch diesen
günstigen Umstand das Linsensystem (infolge Fortfallens der
Sinusbedingung) einfacher und hiemit lichtstärker gestalten
kann. Auf Grund dieser Bedingungen schlug ich der Firma
Zeiß ein zwei linsiges Objektiv vor, das auch durch ihren Mit-
arbeiter, Herrn König, berechnet und das ich auch in kleinem
Maßstab ausführen ließ.
Die damit erzielten Resultate, die ich ebenfalls einem Mit-
arbeiter der Firma, Dr. Villiger, verdanke, zeigen die große
Überlegenheit dieses Objektivs an Lichtstärke, sogar auch
etwas an Präzision der Abbildung gegen das beste heutige
System, das Zeiß*sche Planar, selbstverständlich in unmittel-
barster Nähe der Achse. Beide hier wiedergegebenen Aufnahmen
wurden gleichzeitig mit gleicher Öffnung beider Objektive
gemacht, sind also streng vergleichbar. Die große Lichtstärke
wird sofort durch die bedeutendere Schwärzung des Himmels-
grundes erkannt. Handelt es sich also bei Untersuchungen
nicht um ein großes Gesichtsfeld, sondern um möglichste Licht-
stärke in der Achse, so bringt die Anwendung eines dreilinsigen
Objektivs unnötige Nachteile und man wird mit Vorteil zu
dem zweilinsigen, eben besprochenen Objektiv greifen. Solcher
Untersuchungen gibt es ja außer den spektrographischen noch
viele. Bei der photographischen Photometrie einzelner Objekte,
z. B. kleiner Planeten oder einzelner Nebelteile oder Partien des
Zodiakallichtes u. s. w. oder variabler Sterne. Trotz dieser
ermutigenden Resultate bin ich auf den Vorschlag der Firma
Zeiß, einen Spiegel zu wählen, aus folgenden Gründen ein-
gegangen :
Sind A^ brechende Flächen mit dem Brechungsexponenten««
vorhanden, so wird von dem auffallenden Lichte durch Re-
flexionsverlust nach Fresnel
Photographische Ucht&tärke von Femrohren. 1 159
I
durchgelassen. Bestehen die Flächen aus verschiedenen Glas-
sorten, vt^ie dies ja bei achromatischen Systemen sein muß, so
kann mati für n das Mittel der einzelnen Brechungsexponenten
setzen, um dem Einflüsse der Reflexion genügend Rechnung
zu tragen.
Außerdem geht Licht durch Absorption in den Glasmassen
verloren; ist die durchschnittliche Dicke der Linse D und der
durchschnittliche Absorptionskoeffizient x, so geht nur der
Bruchteil e~''^ des in die Glasmasse eben eingedrungenen
Lichtes durch. Es wird daher die durchgelassene Intensität /
aus der auffallenden Iq wie folgt gefunden :
'-{
«-4-1
Nun ist aber 1:1^ das, was wir optisches Vermögen genannt
haben, also weiter:
Die Dicke D ist aus technischen Gründen abhängig von
der Öffnung; man kann als Durchschnittsresultat
D = 0'07bxO
für eine Linse setzen, so daß bei A^ Linsen
D = 0'075XNXO
angenommen werden kann. Hiedurch wird die Lichtstärke nach
Formel (3):
L= h — il^^-L.] i.^o.ü75x.^^ü, 206265.
{-(^)T
(8o+«)^
Nach VogeTs Untersuchungen (Sitzungsber. Akad. Berlin,
1896, p. 623) kann man für die Jenenser Gläser setzen:
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 77
1160
E. V. Oppolzer,
Fiint »Oppolzerc 340
Crown »Planar« 203
Mittel
Visuell
PhotogFBphts€h
l • 5835
1-Ö210
1-552
0-840
1-6010
0-850 I 0-5320
0-845
1-5665
0-615
0-692
0-6535
wobei 8 die Diathermasie bezeichnet, bezogen auf eine Plan-
platte von 100 mm. Hiemit ist:
so daß sich der Absorptionskoeffizient x auf 1 mm Dicke
bezieht. Mit diesen numerischen Daten wird die Lichtstärke
visuell :
L — 0-9532^ d-<'«»i26307.o.Ar^206265.
photographisch :
L = 0-9513^^^-<»03i906.o.^, 206265-
(«o+«)^
^2
(8«+«)«
eines achromatischen Objektivs mit N Linsen, der Öffnung 0
und des öfTnungsverhältnisses 4> gefunden. Bequemer ist es,
wenn wir die Lichtstärke (L) wieder in Größenklassen aus-
drücken, so daß die Lichtstärke in Größenklassen visuell:
(L) = —0-05202. iV— 0-0001372. 0.iV+51og*-
c, / 289-4 \
-51og(-^+i.),
photographisch :
(L)= -0-05425.A/— 0- 0006928. 0.iV+ 5 log*—
., / 216-4
ist.
Photographische Lichtstärke von Fernrohren. 1161
Aus dieser Formel findet man leicht, daß von etwa 18 w
Öffnung an eines zweilinsigen Systems eine Vergrößerung der
Öffnung einen Lichtverlust mit sich bringt, während diese
Grenze für photographische Systeme bei 7 tn Öffnung erreicht
wird.
Ferner ersieht man sofort, daß Silberspiegel mit einem
Lichtverlust von lOVo (T — 0*90) für visuelle Strahlen unter
sonst gleichen Umständen (gleicher Öffnung, gleichem Öffnungs-
verhältnis, gleicher Luftunruhe) stets einem achromatischen
System überlegen sind, weil ihr Vermögen (0- 90) in Größen-
klassen — 0*1164, also stets größer für alle Öffnungen als bei
einem vierlinsigen (A^ = 4) (—0-20808) ist.
In der Achse ist ein Silberspiegel stets einem
Linsensystem an Lichtstärke für visuelle Beobachtung
überlegen. Hiezu kommt noch der Vorteil, daß bei ersterem
jeder chromatische Fehler beseitigt ist. Vorausgesetzt ist natür-
lich hiebei die Tatsache, daß heute ein in der Achse aberra-
tionsfreier (also parabolischer) Spiegel herstellbar ist.
Für die photographischen Strahlen ergibt sich eine bei
kleinen Öffnungen geringe Überlegenheit der Linse, weil für
diese Strahlen das Reflexionsvermögen ziemlich geringer ist
(= 0*80). Man erhält wieder leicht aus der obigen Formel, daß
von 33 mm Öffnung an ein Silberspiegel einem Objektiv in der
Achse überlegen ist.
Aus der folgenden Tabelle (p. 1162) wird der Größen-
gewinn: Spiegel minus zwei- respektive dreilinsigem Objek-
tiv ersichtlich.
Aus dieser Tabelle zeigt sich eine entschiedene Überlegen-
heit des Spiegels von 300 mm Öffnung an, die noch durch den
Vorteil der vollständigen Achromasie und der Abwesenheit von
Zentrierungsfehlern nicht unwesentlich erhöht wird; nachdem
ferner heutzutage eine frische Versilberung leicht vor jedem
Beobachtungsabende vorgenommen werden kann, so unterliegt
es keinem Zweifel, daß die Spiegelteleskope einer großen Zu-
kunft entgegensehen. Die früheren teilweisen Mißerfolge lagen
in schlechtem Reflexionsvermögen, nicht minder aber daran,
daß die Spiegeldicke viel zu gering genommen wurde, so daß
Verbiegungen eintraten.
1162
E. V. Oppolzer,
Größengewinn.
Öffnung
in Millimeter
Spiegel — zweilinsiges
Objektiv
1 1 1 ■
Spiegel ' — dreüinsiges
Objektiv ]
visuell
photo-
graphisch
visuell
photo-
graphisch 1
25
-f-0
•00
^0
■Ol
-1-0
•15
—001
50
•11
4-0
•Ol
•16
-4-0-02
75
•12
•03
•17
•04
100
•12
04
*
•18
•07
200
15
•It
22
•17 i
300
18
•18
•26
•27
1
400
•20
25
31
1
•38 \
500
•23
•32
35
1
•48
1000
•37
•67
'55
1
100
1
2000
•64
1
36
96
2-04
3000
'92
2
05
r
37
3-08 1
1
Bei 400 mm Öffnung gewinne ich also noch gegen das
Heidelberger dreilinsige Bruce-Teleskop 0-38 Größen, durch
das extremere Öffnungsverhältnis 1*50 Größen, also zusammen
fast zwei Größenklassen. Der Reflektor dürfte also auch das
photographisch lichtstärkste Instrument werden, falls nicht ein
ähnliches von noch größerer Öffnung gebaut werden sollte.
Allerdings wird das ausnutzbare Gesichtsfeld bloß einige
Zehntelgrade betragen, indem bei derartig extremem Öffnungs-
verhältnisse die Bilder schon nahe der Achse unbrauchbai*
werden.
Wird nun dieser Reflektor zu spektrographischen Unter-
suchungen herangezogen und soll seine volle Lichtstärke aus-
genutzt werden, so muß das Öffnungsverhältnis der Kollimator-
linse des Spektrographen dem des Spiegels gleich sein. Da die
Kamerabrennweite, wenn die Genauigkeit (mittlerer Fehler)
Photographische Lichtstärke von Fernrohren. 1 163
einer Linienmessung ±1 km etwa betragen soll, etwa 400 mm
lang sein muß bei einer Dispersion 1 (jl|x zr 40<y', so müßte als
Öffnung der Kollimator- und Kameralinse 160 mm genommen
werden, die Höhe der Prismen ebensogroß. Da dies unter
keinen Umständen ratsam wäre, so geht man mit Vorteil zu
größeren Dispersionen, d. h. mehr Prismen über und kann dann
kleinere Brennweiten wählen. Der Spektrograph soll folgender-
maßen konstruiert werden:
Brennweite der Kollimatorlinse 40 mm, ihre Öffnung 16 mm;
dieselbe Öffnung naturgemäß die Kameralinse mit 80 mm Brenn-
weite. Es wird mit ihm allerdings der mittlere Fehler einer
Geschwindigkeitsmessung auf das Dreifache, dzSkm, steigen,
aber die Helligkeit des Spektrums wird so erhöht, daß noch
zwei Größenklassen gewonnen werden können. Es steht also
zu erwarten, daß ich mit ihm die neunte Größe erreichen
kann mit einer für statistische Untersuchungen ausreichenden
Genauigkeit, da die durchschnittliche Sterngeschwindigkeit
über 16 km pro Sekunde beträgt.
Oppolzer E-, R. V.: Photographische Lichtstärke von Fernrohren.
Mit Objeküv .Oppolee
Mit Objektiv >PIaoar<.
itzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXVI, Abt. lU, IÖ07.
1165
Beitrag zur Theorie des Pfaff 'sehen Problems
von
Karl Carda in Wien.
(Vorgelegt in der Sitzung am 11. Juli 1907.)
Im folgenden sollen einige Bemerkungen zur Theorie des
Pfaflf'schen Problems mitgeteilt werden. Zunächst wird ein
Theorem über eine Zerlegung der Punkttransformationen des
M-fachen Raumes bewiesen. Dieses Theorem führt zu einer
Vereinfachung des von Herrn Frobenius gegebenen Beweises
der Invarianz von x, Xj, x^ des Pfaflf'schen Problems. Hieran
schließt sich ein gruppentheoretischer Beweis eines Theorems
von H. Grassmann über schiefsymmetrische Determinanten.
Das Theorem von Cayley ergibt sich als einfache Folge.
Schließlich wird eine sich von selbst darbietende Verallge-
meinerung des Grassmann*schen Theorems angegeben.
1.
Wir wollen das folgende Theorem beweisen:
Theorem.
Jede Punkttransformation des n-fachen Raumes
Rn ist bei passender Bezeichnung der Variabein äqui-
valent der Aufeinanderfolge von n Punkttransforma-
tionen des Rft, wobei immer nurje eine Variable trans-
formiert wird,
J t
für i^k;
ll iy tL^ O) • . • > M.
r^^"^ 'T^ ^^ 'J^ ^^
-^— i »"'s • • • *»!•
1166 K. Carda,
Wir betrachten eine beliebige Punkttransformation T des Rn
^i = fii^v ^29 ^s^ ' • -j^«); i = 1,2,3,...«. (1)
Es ist also die Funktionaldeterminante
d(^j, ^2» • • •> ^n)
*o.
Es ist klar, daß man nötigenfalls stets die Variabein derart
passend umnumerieren kann, daß jedes yj die Variable Xi wirk-
lich enthält. Wir können also ohne weiteres voraussetzen
M^O, 1 = 1.2,3,...,«.
OXi
Dann lassen sich die Gleichungen (1) auf die folgende
Form bringen:
Xi mr ?/A^i» ^2» • • • ^i — 1) ^ij ^»i-1* • • • ^n)'t < ^^ ^, O, . . . W.
(2)
Die Funktionaldeterminante
0(X^j X^f « ' V» ^nj
ist bekanntlich gleich dem Produkte
8?i
HS-
Dieses Produkt ist von Null verschieden, da die Gleichun-
gen (2) eine Punkttransformation darstellen. Hieraus folgt, daß
jede Funktion ^,- die Variable Xi sicher explicit enthält.
Es ist nun leicht, die Punkttransformation (2) in n Punkt-
transformationen zu zerlegen. Wir setzen
Xi = x\^\ x'i = ;rr; i = 1, 2, 3, . . ., «.
Wir definieren n Punkttransformationen in folgender Weise
mit Rücksicht auf die Gleichungen (2):
Zur Theorie des Pfaff'schen Problems.
1167
* l M*) = M*-') für I ± *.
(3)
«^»-') für ii|z
Wir haben nun die Identität zu beweisen:
\
r^^^M ^f ^^ 'y ^T'
=^ •* 1 ■« 2 ^ 3 • • • '* « •
l
Den Beweis führen wir einfach durch den Schluß von m
aui m-{-\. Wir setzen voraus, die Zusammensetzung der ersten
m Transformationen habe die Form
Wir wollen diese Transformation mit der Transformation
Jm-i-i zusammensetzen. Es ist
m-fl
Nun ergibt die Zusammensetzung von (4) mit Tm+i
v=:l: ^r^^> = Ti(^i.--»^i.).
^1 ^2 ^8 ■ • • ^»» ^m+l ^
1 < V < w + 1 :
Wir können auch setzen:
v = l:
^+l)—,^^(^^^,,,^X„),
l<v<m + l:
«(«+«) = rp,(4'»>, . . . , *('!?^, ;r„ . . . , ir„),
» = tH + \:
4«+') = ^{xf^y, ...,:i^^l,x„..., X,),
v>m-»-l: ir<*^'^^) = ^,.
1168
K. Carda,
Es ist aber ;ir;«> = ;r<*«+^> für vr^m + l. Demnach er-
hält man:
'l^i-^S" ' -* m-*m+l ^
l<v^ w + 1:
V > w H- 1 : 4'"'^^^ = ^v .
•> *»)»
(5)
Hiemit ist gezeigt, daß die Gleichungen (4) auch für f» + 1
gelten, wenn sie für m gelten. Es ist also nur noch zu zeigen,
daß T^T^ die angegebene Form besitzt.
Es ist
xi^) z=z X, für v4il.
= rp,(4i),...,;r<;)),
^,2) = ;r<i) für v=tr2.
Daher ergibt sich für die Zusammensetzung beider:
T T <
vzzil: xf^ = tf^(x^,,,.,Xn\
v>2: ;rl2) = ;i:_
Hieraus erhält man weiter
r v = l:
;rjl<v^2:
xf>
^l{^V'">^n)y
v>2: ;r<-)
•■^^ *»^j .
Die Formel (4) für die Zusammensetzung T^T^T^^.-Tm ist
also richtig für w =z 2, also ist sie nach dem Früheren für
jedes fH richtig. Insbesondere ergibt sich für f» = t«
Hiemit ist das aufgestellte Theorem bewiesen.
Zur Theorie des Pfaff'schen Problems. 1 169
2.
Wir betrachten im i?„ einen beliebigen PfafTschen Aus-
druck
n
A = \ a^ dxi
L
1
und eine beliebige infinitesimale Transformation
x,^Y}
Wir bilden den Ausdruck
n
J = ^aiii. (6)
Herr Engel hat gezeigt, daß dieser Ausdruck bei allen
Punkttransformationen des i?„ invariant bleibt. Daß die Glei-
chung J=: 0 diese Eigenschaft besitzt, ist begrififlich klar,
denn sie drückt die notwendige und hinreichende Bedingung
dafür aus, daß alle Bahnkurven von Xf zugleich Integral-
kurven der Pfaff'schen Gleichung A zu 0 sind. Um die In-
varianteneigenschaft von J zu beweisen, genügt es offenbar
nach dem Theorem des vorigen -Artikels zu zeigen, daß J bei
allen Transformationen
^2 = ^2 f ^-^ = « 1
x^ = x, \^^. ^V (7)
'*« — ^n
invariant bleibt. Es ist vermöge (7)
II 12
1170 K. Carda,
Es ist also
... ' • . . . • » . .
V > 1 : a^zn a[ ffv+^C . (8)
Andererseits ist
2«'Ti=E«^»^
Also folgt
n
yiii9i=K
v>l: 4, = €C.
(9)
Nun ist
J ^ V^vSv = fli4i-4-yi'av$v = ^i?iSi+y (^ifv+^)4i
2
n
ä( . V 6v Tv-H Nv aC6J rz V aC€i
Hiemit ist der Beweis erledigt.
3.
Mit dem Pfaff'schen Ausdruck
n
\i Uidxi
1
sind gewisse Systeme linearer Gleichungen invariant ver-
knüpft. Die Rangzahlen x^, x, x^ derselben sind Invarianten
von A.
Wir setzen
^Ui iü^
Zur Theorie des Pfaff'schen Problems. 1171
und betrachten zunächst das System
n
VavSv = 0
(10)
n
a,£^j+\va,v£v = 0; i == 1,2,3,. . .,«.
Der Rang dieses Systems wird mit Xi bezeichnet. Um -zti
zeigen, daß %^ eine Invariante von A ist, genügt es, alle Punkt-
transformationen von der Form (7) heranzuziehen.
Wir setzen noch
h^m _
'•ü — ^ — = ?'■*
OXiCXk
und erhalten mit Rücksicht auf (7) und (8)
8^1 ^ ./
dx.
8av , 3a' öai
V>1
Demnach ergibt sich
aiv = 9i.aiv. (11)
Weiter folgt für / > 1, v > 1 :
3av , /3a' 3a; \ 3aJ 3aJ
Hieraus leitet man ab:
a,v = «p,-.alv+cpv.a/i+a5v; *'>!, v>l. (12)
1172 K. CArda,
Das System (10) geht also über in
n
y oj« = 0,
1
fi
^'>1: — KTi+a{)€o+?i««€i+ V (?^^iv+Tv.a{i-f-aW^ = 0-
Da f 1 ^ 0 ist, kann die zweite Gleichung vereinfacht
werden:
n
1
Nunmehr kann auch die dritte Gleichung vereinfacht
werden zu
n
— «{So+Ti^{i6i+ V(Tvö{i+a{06v = 0.
2
Führen wir vermittels Gleichung (9) die 41 ein, so kommt
— ^i^ + y ^iv€t = 0 (wegen a[^ = 0)
1
M fl
— a{€oH-^(i9i£i+«{i. y Tv6v + Va{v€v = 0; #>1
2 2
oder endlich
H
(13)
!
-«{€o+21'*^'^ = ^' » = *'2.3
y • • • y Vv«
Zur Theorie des Pfaff'schen Problems. 1 1 73
Die Lösungen der linearen Systeme (10) und (13) sind
vermöge (0) ein-eindeutig aufeinander bezogen. Hieraus folgt
sofort, daS diese Systeme den gleichen Rang x^ besitzen.
Setzt man den Parameter Sq gleich Null, so erhält man ein
lineares System, dessen Rang x ebenfalls eine Invariante ist.
Wenn man den Rang des linearen Systems
n
^va,vCv = 0; i =: 1, 2, 3, . . ., h
mit X, bezeichnet, so ist auch x, eine Invariante, denn bei dem
Beweise der Invarianz von x^ wurde die Gleichung
#•
2
a,L = 0
zur Umformung des linearen Systems nicht benutzt.
Hiemit ist gezeigt, daß x^, x, Xg bei jeder Punkttransforma-
tion (7) invariant sind, also sind sie überhaupt bei jeder
Punkttransformation des i?« invariant.
4.
H. Grassmann hat das interessante Theorem bewiesen:
Der Rang einer schiefsymmetrischen Determi-
nante ist eine gerade Zahl.
Mit Hilfe äußerst einfacher BegrifiFe der Lie'schen Gruppen-
theorie gelingt es, einen durchsichtigen synthetischen Beweis
dieses Theorems zu geben.
Es sei
Z> = |aft|; üit = —aki\ i, * == 1,2,3, . . .,«.
Wir betrachten die Linearformen
' n
Li^^aikXk\ « = 1,2,3, . ..,w. (14)
i
Ist Dd^O, so ist n gerade, also der Rang von D auch
gerade. Wir können also stets D m 0 voraussetzen. Dann
1174 K. Carda,
sind nicht alle Li voneinander unabhängig. Es seien gerade m
der Linearformen (14) voneinander unabhängig. Dann ist m
der Rang von D.
Durch passende zyklische Vertauschungen der Indices
12 3 4...«
2 3 4 . . . M
3 4 . . . «
können wir stets erreichen, daß gerade die m ersten Linear-
formen voneinander unabhängig sind, während jede der übrigen
von den m ersten abhängig ist. Es ist also
m
1
^ r= m-l-1, f« + 2, , . .,n.
Diese Identität zerfällt in die Gleichungen
m
Clqk = \ CqsUsk, (15)
R — 1, ^, ö, . . . «^
q = m-hl, m-h2, . . . «.
Die Gleichungen (15) lassen eine schöne begriffliche
Deutung zu. Wir bringen sie auf die folgende Form, wobei wir
zugleich k passend beschränken:
III
— ^kq-h % Cqsaks = 0. (16)
1
* n: 1, 2, 3, ... w;
^ zz m -h 1 , w+ 2, . . . «.
Diese Gleichungen drücken aus, daß die Linearformen
Lj, . . . Lin die folgenden n — tn infinitesimalen Translationen
in sich gestatten:
_-^
Zur Theorie des Pfaff'schen Problems. 1 175
1
q z= ^-4-1, w+2, . . ., w.
Diese infinitesimalen Translationen sind ofTenbar von-
einander unabhängig. Es fragt sich, ob die Linearformen (14)
noch eine weitere Translation in sich gestatten, die von den
Translationen (17) unabhängig ist. Ist eine solche vorhanden,
so kann sie offenbar auf die Form gebracht werden:
Die Linearformen (14) gestatten diese Translation dann
und nur dann, wenn
m
yl CsUis = 0; / == 1, 2, 3, . . . m,
also dann und nur dann, wenn
aik\ =: 0; I, t = 1, 2, 3, . . ., f».
Ist also m ungerade, so gibt es immer eine Translation
von der Form (18), welche die L,- gestatten.
Da die Linearformen Lp. . .,X,„ voneinander unabhängig
sind, so kann man stets vermöge einer linearen Transformation
neue Variable j/^ ...,>'» derart einführen, daß man hat
A =yv
Man sieht sofort, daß die allgemeinste infinitesimale Trans-
lation, welche jedes L,- in sich transformiert, sich aus den
n — m infinitesimalen Translationen
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 78
1176 K. Carda,
Yqf^ ~^; q = m'h\,m-h2,\ . .,«
ableiten läßt. Da jede lineare Transformation jede Translation
wieder in eine Translation überführt, so folgt, daß die Linear-
formen (14) auch in den x^y . • .,^„ gerade n—m voneinander
unabhängige infinitesimale Translationen in sich gestatten.
Ist m ungerade, so gestatten sie nach dem Früheren minde-
stens n — w + 1 derartige Translationen, Hieraus schließt man,
daß m eine gerade Zahl sein muß. Hiemit ist das Grass-
mann'sche Theorem bewiesen.
5.
Es sei
D = |a,it|; aik-^Uki = 0, « =: gerade Zahl.
Nach Grassmann's Theorem verschwinden alle Ad-
junkten Aik vermöge Z> r= 0, weil der Rang von D stets eine
gerade Zahl ist. Da Aik von niedrigerem Grade ist als D, so
muß Z) in Faktoren zerfallen:
D^P^Q^
Hierin bedeuten P, Q, , , . irreduzible Polynome. Es ist
klar, daß (jl, v, ... hur die Zahlenwerte eins oder zwei be-
sitzen können. Nehmen wir zunächst (i == 1 an. Es sei ant eine
Variable, die in P wirklich vorkommt. Nun ist bekanntlich
82) 8P
daik cuik
wo / ein gewisses Polynom bezeichnet. Nun kann Ant nicht
vermöge P = 0 verschwinden, weil P, Q,. . . als irreduzibel
vorausgesetzt sind. Also kann (jl nur den Wert zwei besitzen.
Ist außer P noch ein anderes Polynom Q vorhanden, so folgt
ebenso v zz 2 u. s. w. Demnach ergibt sich das Theorem von
Cayley
D = (Polynom)«.
Zur Theorie des Pfafif'schen Problems. 1177
6.
Schließlich soll eine Ei^weiterung des Grassmann*schen
Theorems angegeben werden.
Theorem.
Genügen die Elemente a/* einer Determinante Z>,
deren Rang kleiner als ihr Grad ist, entweder den
Bedingungen
i,k = 1, 2, 3, . . .,M
oder den Bedingungen
a,jkH-a« =: 0, ii^k]
SO enthält D mindestens eine Hauptunterdetermi-
nante, deren Rang gleich jenem von D ist.
Der Beweis ist einfach.
78*
I
1
Gidaly R., Drei Konstmklionen der Fläche zweiter Ordnung aus neun gegebenen
Punkten. • . . ^
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116(1907). p. 1113 — 1119.
Flächen zweiter Ordnung, Konstruktionen derselben q.us ncyn, gegebenen
Punkten.
Gidaly R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 1113—1119.
Konstruktionen der Fläche zweiter Ordnung aus neun gegebenen Punkten.
Gidaly R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 1113—1119
Hess V. F., Ober die Zerfallskonstante von Aci4.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907), p. 1121 — 1133.
.. / '
Actinium A, Über die Zerfallskonstante von — .
Hess V. F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116 (1907),
p. 1121—1133.
Cermak P., Der Peltiereffekt Nickel-Kupfer zwischen 20 uftd 450*'C.
Site. Ber.derWienerAkad., IIa. Abt, Bd. 116(1907), p. 1135-1137.
Peltiereffekt, Dter — Hickel-Kirpfer zwischen 20 und 450** C.
Cermak P., Sttis. Ber. der Wiener Akäd., Ha. Abt, Bd. 1(6 (1907),
p. 1135—1137.
Nickel-Kupfer, Der Peltiereffekt — zWvciacn W) and' 450« C i
Cermak P., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907).
p. 1135-1137.
Ehrenhaft F., Über eine der Brown'schcn Molekularbewegung in den Flüssig-
keiten gleichartige Molekularbcwegung in den Gasen und deren mole-
kularkinetischer Erklärungsversuch.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1 139—1 149.
Abt. II a, Juli.
.nsJilaij'l
f ,rioH't;>'<^' [iiijfi •f'iin ni><i\3r'i^b (m\*>\)'Ainittfio'/\ ,}(aunbiO I9^i9'<«rs naric^il'!
,("n(;ii ?)li .bü ..jdA .BlI ,.bfl;iA lonaiV/ lob .löfl .sii2 ,.fl v.ißbiO
.»Mir- rt l l .q
,('»<'()!) iU ( bH ,.]dA .ßll ..bßü/. lanoiV/ lab .löü .sJi?. ,.« xlßbit>
.*.:.': 1 I - r::n .q ,(TO«l}an .in ,.idA .üll ..bajIA lansiW isb .i^a .sli2
. - /:<iv u)iir.J''fKi>if-I!iJlrjS aib ibdÜ ,K muiniijA
^fTO'.'ly fill .ta ^.JdA j:U ,.bij;IA lan^iW lab .lod .sii2 ,.H .V 8f<öH
.6Pn — /Sil .q
"w:il- i.r.il .q /Tü^n. öll .bil ..MA .üII ,.bß>JA lenaiWiob .lad .sli2
,( ."•M; 'M I .l^H ,.jnA r. H ,.b>j>iA isnoiW lab .loH .SJi2 ,/l iß/ma'J
.T8JI— r.jni .q
(;o.>i) fH I .IA\ „JdA .fill ,.bji>iA isnaiW i9b .19« .sJi8 ,.'! alBcmaO
.YKll— c8Il .q
-'jlo.n fiji').> biuj no^flf) rt'jb ni ^rri;>497;'jdir,lu>(olof/. o^inßrtorala nalioii
.i?^ 1 1 - »n: \ t .q X^^OG I) a r l .ba ,.id A .n n ,ba)IA lanöiW lab .löfl .sl!2
liul ,BlI tdA
Molekularbewegong in Gasen nach Art der ßrown'schen in Flüssigkeiten.
E h r e n h a f t F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 11 6 ( 1 907),
p. 1139—1149.
Brownes Molekularbewegung in Gasen.
Ehrenhaft F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 1139-1149. ; [ ;jjSiU-iv;' ^ 1 i.
Gase, Molekularbewegung nach Art der Brown'schen in den Flüssigkeiten.
EUireah^ft F., Siiz^ B«K.4ar >AiHetw,A4tfifh,(y,'»rAbtr, W; Ll^<t90f).
Oppolzer £. v., Über die photographische Lichtstärke von Femrohren.
Sitfti^3ef. d^ Wi«fiar Akftd-^ H«, Abt^ i?fi-f1,^t (* S^^LR- > IP 1 — 1 1 Ö3.
Lichtstarke, photographische, von Fernrohren.
Oppolzer B{,' v., SM^. 9»r. dir.Wi4«er JLkad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1151—1163.
• % t • •
Fernrohr, Photographische Lichtstärke desselben.
Oppolzer, ^^ v.^ §ita. Ber, d^r, .JAfippap ^nd^ M^ AhW^^ Wtt.
(1907), p. llüWqß?, ,..^ ,. p.,^ -. ., v-^
Carda K., Beitrag zur Theorie des PfafT'schen Problems.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., JJ a. AbU Bd. 1 16 (1907), p. 1 165—1 177.
Pfaflr*8ches Problem, Beitrag zur Theorie desselben.
Carda K., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1165—1177.
c»
,(70ÜI)fMI .bH ..JdA.ßll ,.bß>IA lonoiW lob .idfl .s)i2 ,/'I iUrinoirlH
.(7(MM ) (»I r .bH ,.JflA .n\\ ,,b*5;iA rjnaiV/ lab tjM .sJig .."H lUiInoTri.T
,. :<M>i) ai ' bH ,.idA .bH ,.bi:jlA lanuiV/ lob .iöH .sii2 ..'»l jUrinöirfS
Ml-ll—kit'A I .q
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.ii-nfl<iinio''l nov /jiloi'idqh'ijjoloriq t9}Iiiitetff:JiJ
()II .bl\ ..iHA .ßll ,.bßxA 'innsfV/ ijjI, /loU .üüS ,.v ,.3 iösIoqq(J
Xdll — feil .q,(TOQl)
fM I .bM ..tdA .15 II ,.bi>)iA i3fi9iW lab .wfl ,«ii? ,»v ,.:•! löxIuqqO
.C«3{I-löH .q ,(T0G1)
' «fi'jIrfoVi rtöri'jr-'YtjjlM >?9b dhodHI lux ^^itiiraä ,.H «bT«'>
'[\ \ l --:'■♦! r q .iTCM/r- OI l .bfl ,.i<if. .«II ..bjuiATsnatV/ieb.iaa .sJi2
ii')<(l9^.rjb olio'jdT lux yhtJfjM (RidldoiH 89ifDa"fti;n
,(TOt>l) an .bH ,.JdA Jill ..hK>JA i9f»9iW lob .i^H .sil2 ,.">! BbtB>
.7\ri— <";aM .q
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFIER
MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTUCHE KUSSE.
CXVI. BAND. VIII. HEFT.
ABTEILUNG II a.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
■a»-
79
1181
Über die Beziehung zwischen Druek und
Temperatur bei mit der Höhe variablen
Temperaturgfradienten
von
Dr. Albert Defant.
(Mit 3 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 84. Oktober 1907.)
Bei Untersuchungen über meteorologische Probleme, in
denen es namentlich auf eine Anwendung der mechanischen
Wärmetheorie auf atmosphärische Vorgänge ankommt, hat
man bis jetzt fast ausschließlich als Beziehung zwischen
Druck und Temperatur die Poisson'sche Formel angewendet;
damit beschränkte man sich von vornherein nur auf jene
Fälle, in denen von einer Wärmezu- oder -abfuhr abgesehen
werden konnte. Alle diese Untersuchungen lieferten uns trotz
dieser Einschränkung so wichtige Ergebnisse, daß damit das
Verständnis meteorologischer Vorgänge wesentlich gefördert
wurde. Trotzdem wäre es wohl wünschenswert, wenn mög-
lich, uns von diesen beschränkenden Voraussetzungen zu
befreien und zu versuchen, die Anwendung der mechanischen
Wärmetheorie auch auf jene Prozesse auszudehnen, in denen
die Wärmezu- oder -abfuhr nicht mehr vernachlässigt werden
kann. Dadurch gestalten sich zwar sowohl die Ableitungen
sowie alle auftretenden Formeln viel komplizierter und man
könnte sogar fürchten, durch den mehr mathematisch-deduk-
tiven Gang der Rechnung den Überblick über die weitere Ent-
wicklung des Problems zu verlieren. Jedoch mathematische
Schwierigkeiten, die sich bei Inangriffnahme eines Problems
einzustellen pflegen, sollten uns nicht zurückschrecken, die
79*
1182 A. Dcfaiu,
umfangreicheren Rechnungen zu unterlassen, vielleicht auf
Kosten wichtiger Folgerungen, die man aus den abgeleiteten
Formeln mit Leichtigkeit eventuell ziehen könnte und die man
sicher vielleicht nie auf statistischem Wege aus dem vor-
liegenden Beobachtungsmaterial ermitteln hätte können.
Die wichtigste Grundfonne), die man zu weiteren Ent-
wicklungen unumgänglich besitzen muß, ist die Beziehung
zwischen Druck und Temperatur. Solange man sich auf adia-
batische Prozesse beschränkte, genügte die einfache Pois-
son'sche Formel, aus der sich dann weitere Folgerungen für
die Temperaturabnahme mit der Höhe ableiten liefien. Für die
in der Meteorologie wichtigen Fragen ist die durch die Pois-
son'sche Formel gegebene Beziehung zwischen Druck und
Temperatur etwas unbequem. Führt man für die Druckände-
rung die entsprechende Höhenänderung ein, so erhält man
leicht den Wert der Temperaturabnahme mit der Höhe. Wie
bekannt, ergibt sich dafür fast 1* C. pro 100 fw. Hätten wir
eine trockene Atmosphäre, bei welcher bloß durch Kon-
vektionsströmungen Wärme zugeführt wird, so würde die
Temperaturabnahme mit der Höhe überall 1* pro 100 1« be-
tragen. Diesen thermischen Zustand der Atmosphäre nennt
man deshalb den Zustand des thermtsch-konvektiven Gleich-
gewichtes. Jedes Luftteilchen befindet sich im indifferenten
Gleichgewichtszustande.
Die Poisson'sche Gleichung ist etwas allgemeiner als die
Beziehung, die uns zu jeder Höhe die entsprechende adia-
batische Temperatur gibt, da sie uns gestattet, aus den beob-
achteten Luftdruckwerten direkt die entsprechenden Tempera-
turen zu berechnen; auf jeden Fall gilt jedoch die Poisson'sche
Beziehung nur im Falle eines konvektiven Temperaturgletch-
gewichtes.
Beträgt die Temperaturabnahme mit der Höhe mehr oder
weniger als 1* pro 100 w, so gilt die Beziehung nicht mehr;
und gerade dieser Wert der Temperaturabnahme bildet eine
Grenze zwischen labilem und stabilem Gleichgewichtszustand
und tritt daher in der Atmosphäre wohl ziemlich selten auf.
Deshalb war es wohl wünschenswert, eine Beziehung
zwischen Druck und Temperatur bei gegebenem vertikalen
Beziehung zwischen Druck und Temperatur etc. 1 1 83
Teinperaturgradienten zu besitzen. Uns kommt es hier nicht
darauf an, zu untersuchen, wann und wie die angenommenen
vertikalen Temperaturgradienten entstehen, sondern uns handelt
es sich bloQ um die Frage: wie kann ich bei gegebenem Luft-
druck und gegebenem vertikalen Temperaturgradienten die in
dieser Höhe dadurch bedingte Temperatur berechnen.
Wir gehen wieder aus vom ersten Hauptsatze der mecha-
nischen Wärmetheorie, welcher lautet:
r ^T
1)
dQ dT
-AR ;
dt dt
p dt
für adiabatische Zustandsänderungen 'Q. = 0 ergibt sich
dt
Cp \ dT _ \ dp
AR T dt p dt
und integriert zwischen den Grenzen T, p und T^, p^ die
Poisson'sche Gleichung
Po
\ ^0/
Aus Gleichung 2) folgt, da stets, wenn x die Höhe be-
deutet, dp n: — pdx und p z=z pRT ist,
(7« dT dx A
-^-=^ = — -!^ oder T=n——x. 4)
A dt dt <^p
Dabei ist T die Temperatur in der Höhe x, Tq die Tem-
peratur an der Erdoberfläche xzz.0. Die durch die Poisson'sche
Beziehung zwischen Druck und Temperatur gegebene verti-
kale Temperaturverteilung ist linear. Trägt man diese Funktion
in ein Koordinatensystem ein, in dem die Ordinatenachse die
Höhen x, die Abszissenachse die Temperaturen T enthält, so
erscheint die Adiabate 4 als eine beinahe unter 45* gegen die
Abszissenachse geneigte gerade Linie. Der Temperaturgradient
für adiabatische Temperaturverteilung ist daher
iTg _ _j4 _ _
Ix '^ ^ " '^'
1184
A. Def«nt,
Wir nehmen jetzt zuerst eine lineare vertikale Tem-
peratur\'erteilung in der Atmosphäre an, bei welcher also der
Temperaturgradient konstant ist, jedoch vom adiabatischen
als verschieden angenommen wird. Für einen solchen kon-
stanten Temperaturgradienten ist die Entwicklung sehr ein-
fach. Ist Oq ^= —
hT
8r
Sjt
** der adiabatische und arz: ^ der
ix
von uns angenommene ebenfalls, wie o^ konstante Temperatur-
gradient, so definieren wir ff =: — •
Flg. l.
Da nun
tT.
ix
ist, so folgt
Tn—T.
T =
und
iT
ix
Ta-
■T
T—T.
X — Xr
T—T.
Um die Entwicklung anschaulicher zu machen, denken
wir uns die Luft in vertikaler Bewegung begriflFen; die Luft
steige auf und die Temperatur in jeder Lage sei definiert
sr
nach unserem vorgegebenen Gradienten a = : In einer
ix
Höhe x^ habe nach diesem Temperaturgradienten a die Luft
Beziehung zwischen Druck und Temperatur etc. 1 185
die Temperatur T^ Würde die Luft adiabatisch aufgestiegen
sein, so würde sie in derselben Höbe die Temperatur Ti^a
besitzen, die definiert ist nach der Gleichung 3).
Die Temperaturabnahme mit der Höhe nach unserem
angenommenen Temperaturgradienten a können wir uns nun
folgendermaßen entstanden vorstellen. Wir lassen die Luft
adiabatisch aufsteigen und führen ihr dann in jedem Augen-
blicke so viel Wärme zu oder ab, als sie benötigt, um die vor-
gegebene Temperatur T^ anzunehmen. Für konstante Tem-
peraturgradienten brauchen wir die Wärmemenge erst am
Schlüsse der adiabatischen Bewegung hinzuzufügen; anders
verhält es sich bei Temperaturgradienten, die von der Höhe x
selbst abhängen. Bei konstantem Gradienten können wir somit
den Prozeß uns in zwei Teile gedacht denken: zuerst lassen
wir die Luft adiabatisch bis zur Höhe x^ aufsteigen; dabei
nimmt sie die Temperatur Ti^a an, hierauf führen wir ihr noch
so viel Wärme zu, bis die Luft die nach dem Temperatur-
gradienten a vorgegebene Temperatur T^ angenommen hat.
Diese Wärmemenge ist leicht zu bestimmen. Da alles unter
konstantem Drucke p^ vor sich geht, ist sie gegeben durch
Q = c^(T,^Tt^a)- 5)
Bei mit der Höhe veränderlichem Temperaturgradienten
ist die Sache etwas komplizierter. Der vorgegebene Tem-
peraturgradient sei nun jetzt nicht mehr konstant, sondern
von der Höhe x abhängig. Die Temperatur der Luft nehme
nach einem bestimmten vorgegebenen Gesetz ab. Der Tem-
peraturgradient an jeder Stelle ist dann die geometrische
Tangente an jenem Punkte der Kurve, welche die vertikale
Temperaturverteilung graphisch darstellt. Es ist dann
OL = a(x) zz
ix
Steigt die Luft adiabatisch auf, so habe sie in der Höhe x^
die Temperatur Ti^a'f steigt sie nach der vorgegebenen Tem-
peraturabnahme auf, so würde sie in x^ die Temperatur T^
erreicht haben. Wir teilen auch in diesem Falle unseren Prozeß
in zwei Teile: eine adiabatische Abnahme und ein Hinzufügen,
1186
A. Defent,
beziehungsweise Wegnehmen von so viel Winne, bis die nach
obigem Gesetze der Temperaturabnahme in dieser Höhe ge-
fundene Temperatur angenommen wird. Zu diesem Zwecke
teilen wir das Intervall x^ — x^ in m — der Einfiachheit halber —
gleiche Teile und betrachten bloß dn Intervall Xr bis jv^i;
dieser Streifen habe die Höhe
Die entsprechenden adiabatischen Temperaturen in dieser
Höhe seien Ta,r und r«. r+i, die vorgegebenen Tr und Jr+i-
Fig. 2.
In diesem kleinen Streifen 8 können wir die Temperatur-
gradienten als konstant betrachten. Die Wärmemenge, welche
wir somit hinzufügen müssen, damit in der Höhe Xr^i Luft
von der Temperatur Ta, r+i die Temperatur 7V annehme, ist
nach dem Früheren
Führen wir nun in jedem Intervall diese Wäimemenge zu
und addieren wir schließlich alle Wärmemengen, so ist die
Gesamtwirmemenge, die wir hinzufügen müssen, um die
gegebene Temperaturabnahme mit der Höhe bis zur Höbe x^
zu erhalten:
Beziehung zwischen Druck und Temperatur etc. 1 187
r = ii r = fi
ö = y Ör-Hl = ^ Cp(Tr^t^Ta,r-^l)
r = 0 r = 0
oder
r = n
Zi-j ^ 8,. 8,. y
r = 0
G^hen wir nun zum Grenzfalle lim u :=z oo über, so wird
die Summe rechts nichts anders als die klassische Definition
des bestimmten Integrals zwischen den Grenzen Xq und x^;
weiter, da fiXr lim « = oo lim 8^ n: 0 wird, ist
Hm ^rtinZil = il und lim ^^^I±i=^ = -^'' .
«=o 8r 8:r « = o 8^ ix
Somit wird
Q =
Jx. 5;r ix/
Dabei ist vorausgesetzt, daß die Funktion, welche die
vorgegebene Temperaturabnahme mit der Höhe ausdrückt,
eine monotone, überall difTerenzierbare Funktion sei. Wir
schließen damit alle jene vertikalen Tenvperaturverteilungen
aus, in denen Sprünge der Temperatur vorkommen. Diese
Fälle können nur in der Art behandelt werden, daß man die
ganze Durchführung der Rechnung in zwei Teile teilt, wobei
die Sprungschichte der Temperatur die Grenze des ersten und
zugleich den Anfang des zweiten Prozesses bildet.
Alsdann definieren wir die Funktion
ix ix dT ol(x)
Da nun der adiabatische Gradient konstant ist, und zwar
8* ~ <> '
1188 A. Defant,
SO ist
A liT A ix ^^
^{x)= : = 7)
0» ix ^p iT
Für die zugeführte Wärmemenge erhalten wir sodann
nach einigen Umformungen
Q = c^ r'\l-rf(x))^dx = cp r^ (l—^(x))dT. 8)
Ist die Funktion, welche die Temperaturabnahme mit der
Höhe ausdrückt, monoton und stets diflFerenzierbar, so ist es
tf(x) auch. Diese eingeführte Funktion rf(x) kann nur Werte
zwischen den Grenzen 0 und -4-oo annehmen; für ^p(;r) = 1 ist
der Temperaturgradient a gleich dem adiabatischen a^; für alle
ff(x)<\ nimmt die angenommene Temperaturverteilung nach
dem vertikalen Gradienten a viel rascher ab als nach dem
adiabatischen o^,; ist dagegen <p(;r)>l, so nimmt die Tem-
peratur der Luft weniger rasch ab als nach dem adiabatischen
Gesetze.
Die Differentialgleichung des Problems gestaltet sich somit
folgendermaßen: Aus der thermischen Gleichung
dt dt P dt
folgt für isentropeZustandsänderungen —^ =0 die Poisson'sche
Gleichung
Pl _ [T\^a\^^
Po V Z
0
Damit ist die adiabatische Temperatur Ti^a für die Höhe x^
bestimmt. In unserem Falle müssen wir somit in der Höhe x^
der Luft noch die Wärmemenge hinzufügen, welche die Tem-
peratur von Ti^a auf T^ erhöht oder erniedrigt Für ein Zeit-
element dt wird diese Wärmemenge nach Gleichung 8)
Beziehung zwischen Druck und Temperatur etc. 1 189
^ = c,(l-^{x))
dT
dt dt
sein.
Die DifTerentialgleichung, die somit für jede Höhe gleich
nach Integration zwischen den gewünschten Grenzen die
Temperatur nach der vorgegebenen Temperaturabnahme liefert,
lautet:
dT dT T dp
oder
dt ' dt P dt
dT T dp
^ dt P dt
somit
Cp ^^ ^ dT dp
AR
tW^^t =
und integriert zwischen den Grenzen T^, p^ und Ti, /7^:
'P r''^('ldT=logP^ 9)
ARJt.
AR Jt T Po
oder infolge der Gleichung 7)
1 r*i dx , p
— I = log -^--
RX T Po
10)
R
Die Integralgleichung 9) kann man nur dann auflösen,
falls ^{x) in gegebener expliziter Form vorliegt. In der zweiten
Form 10) muß dagegen die Temperatur T als Funktion der
Höhe X explizit gegeben sein.
Betrachten wir dagegen bloß Fälle, in denen der Tem-
peraturgradient in jeder Höhe konstant ist, also den Fall einer
linearen vertikalen Temperaturverteilung, so ist ff =: const;
somit wird
Sil. log Il. = log ^
AR T^ Po
U90 A. Defant,
oder
'r
Po [t.
11)
Diese Beziehung zwischen Druck und Temperatur ist
sehr ähnlich der Poisson*schen Gleichung und unterscheidet
sich nur im Exponenten der rechten Seite der Gleichung,
indem noch eine Konstante als Faktor hinzutritt, der von
Null an als Wert alle positiven Zahlen annehmen kann.
Gleichung 11) gilt jedoch nur unter Voraussetzung, daß der
Temperaturgradient durch die ganze Höhe konstant ist, somit
das Gesetz der Temperaturabnahme mit der Höhe gleich dem
adiabatischen durch eine Gerade graphisch darstellbar sei.
Um ein Beispiel für einen mit der Höhe veränderlichen
Temperaturgradienten zu geben, benützen wir jene Mittel-
werte der Lufttemperatur für die Atmosphäre über der mittel-
deutschen Tiefebene, die Berson und Süring in den Ergeb-
nissen der Berliner wissenschaftlichen Luftfahrten abgeleitet
haben. Diese Werte der Temperatur beanspruchen zwar, da
aus verhältnismäßig wenig Beobachtungen gebildet, keinen
größeren Grad von Genauigkeit; auf jeden Fall geben sie
aber ein gutes Beispiel für eine stetige Änderung des Tem-
peraturgradienten mit der Höhe. Sie stellen nur mittlere Ver-
hältnisse dar; in den einzelnen Jahreszeiten weicht die Tem-
peraturverteilung in der Vertikalen manchmal erheblich von
diesen Mittelwerten ab; sie sind jedoch sehr geeignet, ein Bild
der mittleren Wärmeverteilung über der mitteldeutschen Tief-
ebene zu geben. Wir benützen hier jene Werte, die Bezold
in seiner Abhandlung: ^ »Theoretische Betrachtungen über die
Ergebnisse der wissenschaftlichen Luftfahrten« mitteilt.
Die mittleren Temperaturen für die einzelnen Hdhen folgen
in folgender Tabelle; daneben sind für die einzelnen Höhen die
Temperaturgradienten (Temperaturabnahme pro 100 m) mit-
geteilt.
1 Wissenschaftliche Luftfahrten, Braunschweig 1900, Bd. III, p. 283 ff.
oder Bezold. Gesammeae Abhandlungen, X, p. 246.
Beziehung zwischen Druck und Temperatur etc.
1191
Höhe«
in Metern
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
4500
5000
5500
6000
6500
7000
7500
8000
8500
9000
^beob.
7
5
2
0
2
• 5
. 7
■10
•13
-16
-20
23
-27
-30
-34
-37
41
45
•9
•4
•9
•4
•3
•0
•6
•3
•5
•7
•1
•6
•0
•4
•0
•6
•6
•6
■^ber.
8-2
5-8
3-3
0-7
— 2-3
— 4-9
— 7-7
— 10-7
—13-7
— 16-9
—20-2
—23-5
—27-0
—30-5
— 34 1
—37-9
—41-6
—45-5
(-
«r
8^/beab.
0-50
050
0-50
0-54
0-54
0-52
0*54
0-64
0-64
0-68
0-70
0-68
0-68
0-72
0-72
0-80
0-80
0-48
050
0-5«
0-52
0-54
0*56
0-60^
0-60
0-64
O'öd
OÖd
0-70
0-70
0'72
0-74
0-78
0-78
Trägt man die Werte der mittleren Temperaturen graphisch
ein, und zwar derart, daß die Ordinatenachse die Höhen x^ die
Abszissenachse die Temperaturen t darstellt, so gibt uns diese
Zustandskurve ein Bild der mittleren Temperaturverteilung in
den Vertikalen. Die Temperaturabnahme mit der Höhe stellt
sich als eine gegen den Ursprung schwach konkave Kurve
dar. Wir haben versucht, diese Werte für die mittlere Tem*
peraturabnahme mit der Höhe in eine Gleichung zusammen-
zufassen, um so eine annähernd mittleren Verhältnissen ent-
sprechende Funktion zwischen Temperatur und Höhe zu er-
halten. Diese Werte ließen sich nun am besten durch folgende
Gleichung:
t = r— 273 = 10-6
0-464 ;r—000163;r2—
— 0-00000174;3
12)
1192 A. Defant,
wiedergeben, wobei als Einheitslänge der Temperatur 1 ' C,
als Einheitsiänge der Höhe 100 m gewählt wurde. Die Werte,
welche man aus dieser empirischen Gleichung erhält, sind für
die einzelnen Höhen ebenfalls in früherer Tabelle unter tber.
mitgeteilt; ebenso sind auch die aus Formel 12) leicht be-
rechenbaren Temperaturgradienten für Schichten von 500 zu
500 f» bestimmt worden. Die Abweichungen der berechneten
von den beobachteten Werten sind minimal und schwanken
zwischen 0*0 und — 0*4** C.
Die größten Abweichungen bemerken wir in den Höhen
bis zu 2000 m; von hier an sind sie stets sehr gering, so daß
obige Gleichung die mittlere Temperaturverteilung in der Verti-
kalen mit genügender Genauigkeit wiedergibt. Die Haupt-
ursache dieser größeren Abweichungen in den ersten 2000 m
ist wohl in den häufigen Temperaturumkehrungen, in den
Kondensationsprozessen und anderen sonstigen Störungen,
die eben in dieser Schichte sowohl im Winter wie im Sommer
am häufigsten vorkommen, zu suchen. Der Temperaturgradient
ist nach Gleichung 12) somit ebenfalls eine Funktion der
Höhe Xy und zwar ist
^ = = —0-464— 0-00327;r—0-000005;r«.
8^ hx
Daraus ergibt sich, daß in mittleren Verhältnissen die
vertikale Temperaturverteilung sich durch eine Reihe nach
steigenden Potenzen von x darstellen läßt von der Form
T = aQ-fajAr-ha2^^-haj^*-4- . . . 13)
Da nun eine solche Potenzreihe stets eine analytische
Funktion ist, die als stets stetig und monoton vorausgesetzt
wird, so ist die Reihe auch umkehrbar und somit x ebenfalls
darstellbar mittels einer Potenzreihe nach steigenden Potenzen
von r, und zwar wie folgt:
Die Koeffizienten in dieser Reihe müssen nach der
Methode der unbestimmten Koeffizienten aus 13) bestimmt
werden und umgekehrt. Nun ist dann
Beziehung zwischen Druclc und Temperatur etc.
1193
= &i+2&gr+3&,r*+...
und weiters nach Gleichung 6)
?(«) =
iT.
ix 87
Somit ist
r^'^=ir(^*"«^'''^*->^
b,log-^^2b^{T,^T,)^^(Tl-T^^...
Nach Gleichung 9) folgt dann
p^ _ ■^[&iiogA4-2Mr,-r<o+-^(r;-r,»)+...]
/'o
=: e
oder
A _ /^l\**:^ i[2t,iT,-T;^ + -^ (T\-Tl^^...]
Po
14)
Zu unserer früheren Gleichung 11), die uns den Zu-
sammenhang zwischen Druck und Temperatur bei konstantem
vertikalen Temperaturgradienten wiedergibt, erhalten wir im
Falle eines mit der Höhe veränderlichen Temperaturgradienten
ein Korrektionsglied in Form einer ^-Potenz, das abhängt von
den Koeffizienten zweiter Ordnung in der Potenzreihenentwick-
lung der Temperaturfunktion nach der Höhe. Führen wir diese
Rechnung im angeführten konkreten Falle durch, so erhalten
wir durch Umkehrung der Potenzreihe 1 2)
^ = 21-49— l-90(r— 273)— 0-0097(7— 273)2—
— 0-000211(7-273)»
Dabei müssen wir uns erinnern, daß die gewählte Längen-
einheit für die Ordinatenachse x 100 m ist. Nehmen wir 1 tn
1194 A. Defant.
als Längeneinheit, so müssen wir die rechte Seite der Gleichung
mit 100 multiplizieren. Wir erhalten alsdann für den Dififeren-
tialquotienten nach T
^^ = —4378+32 •62 7—00633 r^
ST
?w =
Somit folgt
Ix ZT
= —000984(— 4378+32-62 7— 0O633P
:= 4308— 0-321 7+0000623 7«.
Nach Gleichung 9) ist dann, da — ^— = 3*47 ist,
AR
logZi. :^ log(-l- _i.ii4(7,-7o)+000218(7f— 7^)
oder
Po \T,!
Diese Gleichung 14) gibt uns somit die Beziehung zwi-
schen Druck und Temperatur bei der durch Gleichung- 12)
gegebenen Temperaturabnahme mit der Höhe. Sie weicht in
den numerischen Koeffizienten ziemlich stark von der PoiSBon-
sehen Beziehung bei adiabatischer Temperatumbnahme ab.
Der Exponent im Temperaturenverhältnisse hängt bloß von
dem linearen Gliede in der Potenzreihenentwickkmg der Höhe
nach steigenden Potenzen der Temperatur ab. Die weiteren
Koeffizienten in den Gliedern höherer Ordnung treten in dieser
Beziehung als eine Art von Korrektionsglied in Form einer
^-Potenz auf. Über die Größe der Werte, welche die ^-Potenz
^-MU(r,-rg) + o-()02i8(rJ-r^)
annehmen kann, können wir folgendes schließen.
Beziehung zwischen Druck und Temperatur etc.
1195
Für Tj = Tq wird der Exponent gleich Null, die d-Potenz
gleich 1. Da ferner stets T^<Tq ist, so ist das erste Glied im
Exponenten wesentlich positiv, das zweite dagegen stets
negativ. Es muß somit für einen zweiten Wert von T^ der
Exponent verschwinden. Dabei ist natürlich T^ z=l 283*5
(10-6** C.) zu setzen. Für 7^ = 227-4 (—45-6** C) ver-
schwindet zum zweiten Male der Exponent, die d-Potenz wird
gleich 1.
Fig. 3.
Für Werte von 7 > 227 '4 ist der Exponent stets negativ,
somit die d-Potenz stets kleiner als 1. Da eine Temperatur von
— 45-6* C. erst in 9000 w auftritt, so ist für unser ganzes
Intervall, in dem wir unsere Beziehung benützen können, die
^-Potenz kleiner als 1.
Der kleinste Wert wird erreicht bei T^ ■=z 255*5 ( — 17 '5**).
Folgende kleine Tabelle und Figur 3 gibt uns einen Überblick
über die Werte und den Verlauf dieser ^-Potenz in dem uns
interessierenden Intervall:
Jj = 283-6, 280, 270, 260, 255, 250, 240, 230, 226
xinC. = 10-6, -1-7, —3, —13, —18, —23, —33, —43, —47
«-Potenz = 1, 0-664, 0-272, 0-200, 0-165, 0-192, 0*301, 0-741, 1197
Sitsb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 80
1196 A. Defant,
Nachdem wir nun die Beziehung zwischen Druck und
Temperatur bei mit der Höhe veränderlichem Temperatur-
gradienten abgeleitet und diskutiert haben, wollen wir nun
noch die erste Diflferentiaigleichung bei Annahme eines auch
mit der Zeit veränderlichen Temperaturgradienten ableiten. Die
Temperatur selbst ist dann ebenfalls eine Funktion der Zeit
und der H5he. Der Einfachheit halber wählen wir nun eine
lineare Temperaturverteilung
T = Tq — \x.
Dabei soll T^ und auch X von der Zeit t abhängen;
dann wird
ITa 87 1 ITa
^ ix hx X hx
wobei auch m jetzt von der Zeit abhängig ist.
Unsere Beziehung zwischen Druck und Temperatur lautet
sodann unter diesen Vorau .Setzungen:
w-^ log r+C = logp.
AR '
Differenzieren wir nun nach der Zeit /, so ergibt sich
1 dp
P dt
Betrachten wir bloß einen Punkt der Erdoberfläche, so
können wir die totalen DiflFerentialquotienten mit den partiellen
vertauschen. Es ist also
— -^ = m —^ _ — 4- --_ log T 15)
Da nun
Co
1
dT
Cb
dm
p
+
F
logT
AR
T
dt
AR
dt
AR
1
T
87
it
AR
log
T
8/
nt
A
1
und X eine Funktion von / allein ist, so setzen wir
«(0 = +f
Besiehung zwischen Druck und Temperatur etc. 1197
SO ist
Somit
ix
87
n(t) und
3»» _
A 8«
Cp 8/
8p
8i
•zz:
A
87
8^
+ p71og
8<
87
1
wobei
ix n(t)
ist.
Die Änderung des Luftdruckes an einem Orte somit hängt
ab: 1. von der Änderung der Temperatur der Luftsäule selbst,
2. aber auch von der Änderung des Tempferaturgradienten in
dieser Säule. Der Betrag, den eine Änderung des Temperatur-
gradienten X bei konstanter Temperatur T an der Erdoberfläche
liefert, ist gegeben durch
^ = pT\ogT^' 16)
Differentialgleichung 15) gibt uns somit eine Beziehung
zwischen der Änderung des Luftdruckes an einer bestimmten
Stelle und der Änderung der Temperatur in der darüber
liegenden Luftschichte.
Unter den vorausgesetzten Bedingungen ist Differential-
gleichung 16) sofort integrierbar; sie gibt
Pi—Po = pTlog Tin^—n^}
oder
Pt—Po = P^^ogT
\ \ \ j
Sie besagt, daß die Änderung des Luftdruckes an der
Erdoberfläche bei konstanter Temperatur proportional ist der
Differenz der reziproken Temperaturgradienten oder, anders
ausgedrückt, proportional der Differenz der einem Grade ent-
sprechenden Höhenstufen. Wird der Luftdruck b in Millimetern
80*
1 198 A. Oefant, Besiehung zwischen Druck und Temperatur etc.
ausgedrückt und bedeutet M den Modul des Brigg'schen Log-
arithmensystems, so wird
priogJ
b^ = *o+
13-596 Af
\\ \\
Diese Formel gestattet uns jetzt die Änderung des Luft-
druckes direkt in Millimetern aus der Änderung des vertikalen
Temperaturgradienten zu berechnen.
So wird z. B.
für Xo (in Graden pro 100 m) 1, 0-9, 0*7, 0*6, 0-6*C
und Xj (in Graden pro 100 w) 0*8, 0'8, 0-6, 0-5, 0-4*C
bei T = 283 (t = 10* C.),
^—*o 0" Millimetern) .• . 3-80, 2*12, 3-64, 5-02, 12-61
bei T = 293 (t = 20'' C.),
b^—b^ (in Millimetern) ... 3-68, 2-06, 3-53, 4-86, 12-24
1199
Über eine Cubaturformel
von
Dr. O. V. Lichtenfels in Graz.
(Vorgelegt in der Sitzung am 14. November 1907.)
Die bekannte Formel zur Berechnung eines Körperinhaltes
mit Hilfe von Zylinderkoordinaten:
läßt sich, wenn man zuerst bei konstantem u die Integration
nach r und z ausgeführt denkt, in einer Weise umgestalten^
daß aus ihr eine einfache Integralformel hervorgeht, welche als
einen sehr speziellen Fall auch die sogenannte »Guldin'sche
Regel« zur Berechnung des Volumens eines Rotationskörpers
in sich schließt.
Die Anwendung der obigen Formel setzt voraus, daß der
Schnitt, welchen die dem Winkel u entsprechende Ebene E mit
dem zu kubierenden Körper bildet, entweder überhaupt ganz
auf einer Seite der 2- Achse gelegen ist — wobei diese auch
einen Teil der Begrenzungslinie des Schnittes bilden kann —
oder daß davon nur der auf einer bestimmten Seite der 2-Achse
gelegene Teil berücksichtigt und dann die Integration nach u
entsprechend geleitet wird. Macht man also diese Annahmen,
nennt man den Inhalt des Schnittes Fy seinen Schwerpunkt S
und p den Abstand des Punktes S von der «-Achse, so ist:
JJ(F
r.dr.dz zz /'.p,
(FJ
und das Volumenelement erster Ordnung ist nach Ausführung
dieser Integration durch
dV= F.p.J»
1200 O. V. Lichtenfels,
•
gegeben. Wenn aber nun die dem Winkel u-hdu entsprechende
Ebene Ef den Schnitt mit dem Schwerpunkte S liefert, SSf=:ds
gesetzt und der Winkel der Richtung SSf mit der in der
Richtung der wachsenden u positiv gezählten Normalen zur
Ebene £:a genannt wird, so kann pdu durch ^3^5. cos o, das
Volumenelement durch:
dV =, F. cos oL.ds
ersetzt werden. In dieser Formel ist keine Beziehung auf das
angewendete Koordinatensystem mehr enthalten, E und E
können Elemente irgend einer stetigen Serie von Ebenen sein,
und man kann daher folgenden Satz aussprechen:
»Wird ein zu kubierender Körper K von einer
stetigen, einfach unendlichen Serie von Ebenen E
geschnitten, deren jede einen Schnitt liefert, welcher
ganz auf einer Seite der Geraden liegt, die E mit der
unendlichbenachbarten Ebene der Serie gemein hat,
nennt man Fden Flächeninhalt des Schnittes, S seinen
Schwerpunkt, s die Bogenlänge der Kurve £ der
Punkte S, endlich a den Winkel der Tangente an I
in S mit der Normalen zu E, so ist durch die Formel:
(a).,, V:=l F.cos a.ds
das Volumen von ^gegeben, welches zwischen seiner
sonstigen, von den Ebenen E in den Schnitten/^ ge-
troffenen Begrenzung und den beiden Ebenen ent-
f
halten ist, die den Werten s^ und s^ von 5 entsprechen.
F und a sind hier als Funktionen von 5 dargestellt
angenommen.«
Zu demselben Satze kann man auch auf folgendem Wege
gelangen. — Wird in der (xy) Ebene des rechtwinkeligen
Systems eine Linie L gezogen, die einen endlichen Flächen-
raum F^ begrenzt, durch L eine Zylinderfläche mit Erzeugenden
parallel zur ^-Achse gelegt und endlich dieser Zylinder durch
eine Ebene:
Ober eine Cubaturformel. 1201
geschnitten, welche L nicht schneidet, so ist das Volumen
zwischen C, E und der {xy) Ebene:
JJ(F0
(ax+by-^-c) dF^.
Nennt man aber £, y) die Koordinaten des Schwerpunktes von
F^, so ist:
f( xdF, = F,.i; ffy.dF,=zF,.yi,
J J(FO J J(FO
also *
V=F^.{ai+bii^c)=F^,^
wenn C die 2J-Koordinate des Schwerpunktes S der Schnitt-
fläche von E mit dem Zylinder ist. Eine zweite Ebene £',
welche so liegt> daß die Schnittgerade G von E und E! außer-
halb der Zylinderfläche verläuft — oder so, daß sie höchstens
einen Teil der etwaigen gemeinsamen Begrenzung der Schnitt-
flächen von E und E! mit der Zylinderfläche bildet — liefert
ebenso:
und zwischen beiden Ebenen und der Zylinderfläche ist dann
das Volumen
enthalten. Ist nun endlich a der Winkel zwischen der Normalen
zu E und der 2-Achse, F der Flächeninhalt des Schnittes in £,
so ist
V — V= /^.cosa.(C'— C).
Dies gibt, wenn E und E!^ wie früher, als unendlichbenachbarte
Elemente einer Serie erklärt werden u. s. w., wieder die Formel
dV = F,cos a.ds
für das Volumenelement.
Die sogenannte »Guldin'sche RegeU ist schon von
Monge (Applic. de TAnalyse ä la Geometrie, Ed. Liouville,
p. 333) auf den Fall ausgedehnt worden, daß der zu berech-
nende Körper von einer Wälzungsfläche begrenzt ist. Dann ist
1202 O. V. Lichte nfels, Ober eine Cubatur forme!.
F = const, a = 0. — Im Jahre 1903 hat ferner Stolz in diesen
Sitzungsberichten, Bd. 102, p. 343, eine Verallgemeinerung
publiziert, welche aus {ä) durch die Annahme a ^ 0 hervor-
geht. Diese Bedingung zu erfüllen, ist allerdings auf unendlich
viele Arten möglich. So stellen für den Fall der zentralen Fläche
zweiter Ordnung:
ax^-^-^y^+^z^ — 8 = 0
die Gleichungen:
#
wo a, h, c willkürliche Konstanten sind, Kurven dar, deren
Punkte die Schwerpunkte, d. h. die Mittelpunkte der Schnitte
ihrer Normalebenen mit der Fläche sind.
Die hier dargelegte weiteste Verallgemeinerung der Guldin-
sehen Regel, die Formel (a), welche ich seit dem Jahre 1894 in
meinen Vorlesungen bringe, scheint aber bisher noch nicht
bemerkt worden zu sein.
1203
Über das Emissionsvermögen von Gesteinen,
Wasser und Eis
von
Dr. Karl Siegl.
Aus dem II. physikalischen Institute der k. k. Universität in Wien.
(Vorgele^ in der Sitzung am 14. November 1907.)
Die Ermittlung der Emissionsfunktion des Kirchhoff'schen
Gesetzes bildet den Gegenstand sehr zahlreicher Arbeiten.
Die ältesten Versuche wurden in der Weise angestellt, daß
man die Abkühlungsgeschwindigkeit erhitzter Körper beob-
achtete. Solche Versuche hat schon Newton^ angestellt. Er
zog aus seinen Messungen den Schluß, die pro Zeiteinheit
ausgestrahlte Wärmemenge sei proportional der Temperatur-
differenz zwischen strahlendem Körper und Umgebung:
S =: a(t — /q). Dieses Gesetz ist für kleine Temperaturdifife-
renzen in erster Annäherung richtig, für größere aber ganz
falsch.
Dulong und Petit* maßen die Abkühlungsgeschwindig-
keit von Thermometerkugeln, welche sich in einer Hohlkugel
von konstanter Temperatur befanden, und kamen zu dem
Resultate, daß die pro Zeit- und Flächeneinheit von einem
Körper von der absoluten Temperatur T ausgestrahlte Wärme-
menge sich durch den Ausdruck darstellen läßt: S z=z tna^j wo
m und a zwei Konstanten sind.
1 I. Newton, Scala graduum caloris et frigoris. Opuscula mathematica,
vol. U, p. 417-423 (1701).
^ P. L. Dulong et A. T. Petit, Des lois du refroidissement. Ann. chim.
et phys., 7, p. 225-264 und 337—367 (1817).
1204 K. SicgI,
De la Provostaye und Desains* prüften diese Formel
und fanden, daß a keine Konstante ist. Wilhelmy* weist
darauf hin, daß das Gesetz nicht richtig sein könne, weil S
für J zz: 0 nicht 0 wird, und leitet aus den Messungen von
Dulong und Petit eine andere Formel ab: S = ni.t.aK
Dieses Gesetz gibt aber für Temperaturen über 200* C. viel
zu große Werte von S.
Rosetti^ mißt mit der Thermosäule die Strahlung eines
mit Wasser oder Quecksilber gefüllten Leslie'schen Würfeis
bis zu 300'' und findet für die Strahlung die Formel:
S =: mET^{T — *) — u{T — ^). w, E und u sind Konstanten,
T ist die absolute Temperatur des strahlenden, d die des
bestrahlten Körpers. Das Gesetz von Rosetti gibt bei höheren
Temperaturen zu kleine Werte von S.
Inzwischen hat Stefan* eine neue Gleichung aufgestellt:
S=i(3(T* — rj), wo o eine Konstante, T die absolute Tem-
peratur des strahlenden und T^ die des bestrahlten Körpers
bedeutet. Stefan wurde auf diese Gleichung durch Zahlen
geführt, welche TyndalP aus Beobachtungen der Emission
von glühendem Platin erhalten hatte. Er meinte, seine Glei-
chung gelte für alle Körper. In Wirklichkeit gibt sie aber nur
die Strahlung des absolut schwarzen Körpers richtig weder.
Boltzmann* hat das Stefan'sche Gesetz theoretisch begründet,
hob aber zu wenig scharf hervor, daß seine Ableitung nur für
den schwarzen Körper gelte. In der Folgezeit suchte man des-
halb die an nicht schwarzen Körpern angestellten Strahlungs-
messungen immer wieder durch das Stefan'sche Gesetz dar-
1 F. de la Provostaye et P. Desains, Memoire sur le rayonnement
de la chaleur. Ann. chim. et phys., 16, p. 337—425 (1846).
2 L. Wilhelmy, Über das Gesetz der Wärmeabgabe. Pogg. Ann., 84,
p. 119—135 (1851).
3 F. Rosetti, Indagini sperimenlali sulla temperatura del sole. Atti
Acc. Lincei, Mem. <3), 2, I, p. 169—200 (1878).
* J. Stefan, Über die Beziehung der Wärmestrahlung und der Tem-
peratur. Diese Sitzungsber., 79, p. 391—428 (1879).
ö J. Tyndall, On luminous and obscure radiation. Phil. Mag. (4), 28,
p. 329—341 (1864).
ö L. Boltzmann, Ableitung des Stefan'schen Gesetzes. Wied. Ann., 22,
p. 31—39 und 291—294 (1884).
Emissionsvermögen von Gesteinen etc. 1205
zustellen und da dies nicht gelang, war man genötigt, neue
Strahlungsgleichungen aufzustellen.
So hat Violle^ die Strahlung von Platin beobachtet,
welches sich in Tiegeln in einem Perrot'schen Ofen befand,
und die Gleichung erhalten S ^umTb^^.a^, wo m, b und a
drei Konstanten sind. Kurze Zeit darauf stellte er eine neue
Formel auf: S := mT^il-hta-^y. Edler" prüfte die Gültig-
keit dieser Formeln sowie einer inzwischen von Weber* auf-
gestellten Gleichung S •= Ae^^.T an den Zahlen, die er bei
der Untersuchung der Emission von Ruß, Eisenoxyd und
Zinkweiß erhielt, und fand, daß seine Messungen besser durch
die Gleichung wiedergegeben werden: S = /fe(7— rjj)^*<^"-^«>,
wo k und a Konstanten sind, T die absolute Temperatur des
strahlenden, Tq die des bestrahlten Körpers bezeichnet
Endlich untersuchte Paschen* die Strahlung von Ruß,
Kohle, Eisenoxyd, Kupferoxyd und blankem Platin und kam
zu dem Resultate: Das Strahlungsgesetz besitzt die allgemeine
Form S z=z cT*, wo c und s zwei Konstanten sind, welche von
der Natur des strahlenden Körpers abhängig sind, c ist für
einen nicht schwarzen Körper stets kleiner als o und s nähert
sich um so mehr der Zahl 5, je weiter sich der strahlende
Körper von dem absolut schwarzen Körper entfernt.
In jüngster Zeit hat Kurlbaum* eine absolute Bestim-
mung der Konstante a mit den großen Mitteln der Reichs-
anstalt ausgeführt und erhielt o = 1*28.10~'* ^
L cm^. sec
Durch Vergleich der Strahlung eines nicht schwarzen Körpers
1 J. Vi olle, Intensites lumineuses des radiations emises par le platine
incandescent. Compt. rend.. 92, p. 866—868 (1881) und 105, p. 163—165
(1887).
3 J. Edler, Untersuchungen über die Abhängigkeit der Wärmestrahlung
von der Temperatur. Wied. Ann., 40, p. 531—560 (1890).
* H.F.Weber, Untersuchungen über die Strahlung fester Körper. Berl.
Bcr., 2, p. 933—957 (1888).
■* F. Paschen, Ober die Gesamtemission glühenden Platins, Wied. Ann.,
49, p. 50—68 (1893). und Über Gesetzmäßigkeiten in den Spektren fester
Körper, Wied. Ann., 58, p. 455—492 (1896) und 60, p. 662—723 (1897).
^ F. Kurlbaum, Über eine Methode zur Bestimmung der Strahlung in
absolutem Maße. Ann. d. Phys. u. Chem., 65, p. 746 (1898).
1206 K. Siegl,
mit der des schwarzen lassen sich nun die Konstanten c und s
ebenfalls in absolutem Maße bestimmen. Bezeichnen wir mit
Rücksicht auf die folgende Versuchsanordnung die Strahlung
des Versuchskörpers mit S, die der Thermosäuie mit S, die
der Klappe mit s und die der Blenden mit a, so gelten folgende
Beziehungen:
a^=p{ 5+a-[X4-a(5-2;)]}
a^ =r/;{S-4-o-.[S+a(S-i;)]},
wo p und a zwei Proportionalitätsfaktoren und Oq, beziehungs-
weise o^ die Ausschläge bei geschlossener Klappe, beziehungs-
weise vorgestelltem Versuchskörper sind. Das zweite Glied in
der eckigen Klammer stellt die durch die Zustrahlung von s,
beziehungsweise S hervorgerufene Änderung der Ausstrahlung
der Thermosäuie dar. Infolge der geringen Temperaturände-
rung der letzteren ist diese Änderung der wirkenden Zu-
strahlung proportional.
ttj — ttg rz: a = p{S — s — aS+as} = p.{\ — a)S — p{\ — a)S
oder
'x = AS—B,
A und B sind zwei Apparatkonstanten, welche sich aus
der Strahlung des schwarzen Körpers bei zwei verschiedenen
Temperaturen ergeben:
oL^ = AaT\—B
«3 = Ar,T*-B
A = - "* "■- - und B = A(iT*—(x. .
Logarithmiert man die Gleichung a =: ^45 — 5, so ergibt
sich: lg = lg S =: Igc'+e IgJ. Trägt man IgS und lg T
A
in ein Koordinatensystem ein, so erhält man eine Gerade,
deren Tangente s ist. c ergibt sich zu:
Ige = lg 6 IgT.
Emissionsvermögen von Gesteinen etc. 1207
Eine grofie Schwierigkeit liegt in der Bestimmung der
absoluten Temperatur T, Bei den früher erwähnten Messungen
des Emissionsvermögens von Ruß, Kupferoxyd, Zinkweiß etc.
wurden diese Substanzen in dünnen Schichten auf eine Heiz-
platte von bekannter Temperatur aufgetragen. Dabei zeigte
sich, daß die Intensität der Strahlung von der Dicke der
Schicht abhängt und ein Maximum erreicht* Wird die
Schichtendicke noch weiter vergrößert, so tritt wieder eine
Abnahme der Strahlung ein, weil jetzt die Temperatur der
Oberfläche, die ja zur Strahlung am meisten beiträgt, schon
wesentHch niedriger ist als die Temperatur der Heizfläche.^
Will man das Emissionsvermögen von Gesteinen untersuchen,
so dürfen dieselben nicht pulverisiert und in dünnen Schichten
aufgetragen werden, weil sich dadurch das Absorptions-
vermögen und die Diathermansie der Gesteine ändert, sondern
man darf nur massive Platten verwenden. Dann ist aber die
Temperatur der strahlenden Oberfläche eine ganz andere als
die der Heizfläche und erstere ganz genau zu ermitteln, ist
sehr schwierig. Thermometer, die ja stets eine große Masse
besitzen, sind von vornherein ausgeschlossen. Es kommen nur
Thermoelemente und allenfalls Bolometer in Betracht. Legt
man die Lötstelle des Thermoelementes einfach an die strah-
lende Oberfläche an, so ist die Temperatur der Lötstelle von
der Art der Berührung sehr stark abhängig und das Thermo-
element liefert Ausschläge, welche bis zu 307o untereinander
differieren. Versuchsweise wurde ein dünnes Kupferscheibchen,
mit welchem das Thermoelement verlötet war, an die strahlende
Fläche gepreßt. In diesem Falle waren die Differenzen zwischen
den Temperaturangaben des Thermoelementes sehr gering,
aber es zeigte nicht die* Temperatur, welche die strahlende
1 E. Villari, Sul potere emissivo e sulla diversa natura del calorico
emisso da diverse sostanze riscaldate a 100 gradi. Nuovo Cim. (3), 4, p. 5 — 34
(1878) und (4), U, p. 436 (1900). — F. Kurlbaum, Änderung der Emission
und Absorption von Platinschwarz und Rafi mit zunehmender Schichtdicke.
Wicd. Ann., 67, p. 846—858 (1899). — E. G. Hull, On the radiating power
of shcllac films of various thickness. Dublin Proc. (2), p. 90—91 (1880).
2 F. Kurlbaum, Über die Temperaturdifferenz zwischen der Oberfläche
und dem Innern eines strahlenden Körpers. Drud. Ann., 2, p. 546 — 559 (1900).
1208 K. Siegl,
Fläche besaß, wenn sie frei strahlte, das Scheibchen also nicht
angelegt war. Erst als der feine Draht des Thermoelementes
ohne Scheibchen in einen schmalen Spalt der strahlenden
Fläche versenkt wurde, ergaben sich brauchbare Werte von T.
Die allenfalls noch vorhandene kleine Temperaturdifferenz
zwischen Thermoelement und strahlender Oberfläche kommt,
wie eine Überschlagsrechnung zeigte, nicht in Betracht.
Strahlung der Gesteine.
Zur Messung der Strahlung diente eine lineare Thermo-
säule nach Rubens.^ Dieser stand in 33 (tw Entfernung der
strahlende Körper gegenüber. Dazwischen befanden sich drei
Blenden von 2 cm Öffnung zur Abschirmung seitlicher Strah-
lung und Verhütung von Luftströmungen. Zur Bestimmung
des Nullpunktes nahm die Stelle des Versuchskörpers eine
Klappe ein. Thermosäule, Blenden und Klappe wurden durch
Wasser auf konstanter Temperatur erhalten. Der schwarze
Körper war nach der Vorschrift von Kurlbaum* hergestellt
und konnte elektrisch geheizt werden. Die zu untersuchenden
Gesteine waren in Form von 5 bis 6cw breiten und 3 bis
10 ww dicken Platten auf einer Schieferplatte befestigt, welche
durch eine vom elektrischen Strome durchflossene Platinspirale
gleichmäßig geheizt wurde. In die strahlende Oberfläche wurde
eine gerade Linie so tief eingeritzt, daß der 0*1 mnt dicke
Draht des Thermoelementes eben unter der Oberfläche ver-
schwand. Die strahlende Fläche war eben abgeschliffen, doch
niemals glänzend. Durch Einschalten von passenden Glüh-
lampenwiderständen in den Stromkreis der Heizspirale wurde
die Strahlung der einzelnen Gesteinsproben bei je 12 ver-
schiedenen Temperaturen im Intervall von 60 bis 200* C.
gemessen. Das Thermoelement bestand aus einem O'l wm
starken Eisendrahte, welcher mit einem gleichstarken Neu-
silberdrahte verlötet war. Der Draht wurde mittels einer bogen-
1 H. Rubens, Über eine neue Thermosäule. Zeitschr. f. Instrumentenk.,
18, p. 65 (1898).
s F. Kurlbaum, Emission und Absorption von Platinschwarz und Ru8.
Ann. d. Phys. u. Chem., 67, p. 846—858 (1899).
Emissionsvermögen von Gesteinen etc. 1 209
förmigen Feder gestreckt erhalten und so in die erwähnte
Vertiefung der strahlenden Fläche eingebettet. Als Maß der
Temperaturdifferenz zwischen der erwärmten und den auf
konstanter Temperatur erhaltenen kalten Lötstellen dienten
die ersten Ausschläge ß. Diese waren bis an das Ende der
Skala den TemperaturdifiFerenzen proportional. Der Proportio-
nalitätsfaktor ist in den Tabellen mit a bezeichnet. Geeicht
wurde das Thermoelement durch eine Kältemischung von
fester Kohlensäure und Äther, durch schmelzendes Eis und
durch die Siedepunkte von Wasser und Anilin.
Zur Messung der Ausschläge der Thermosäule und des
Thermoelementes diente ein d*Arsonval- Galvanometer von
6*3 Q innerem Widerstand und einer Empfindlichkeit von
5.10~* Ampere pro Skalenteil. Vor dasselbe war außer einer
gewöhnlichen Wippe noch ein zweiter Kommutator geschaltet,
welcher gestattete, rasch hintereinander einmal die Thermo-
säule mit 6*2 Q Vorschaltwiderstand, das andere Mal das
Thermoelement mit 3000 S. E. Vorschaltwiderstand an das
Galvanometer anzuschließen. Infolge der Änderung der Zimmer-
temperatur und der Empfindlichkeit des Galvanometers blieben
die Werte von A, B und a nicht ganz konstant und wurden
deshalb für jede Versuchsreihe neu bestimmt.
Bei jeder Messung von Strahlung und Temperatur wurde
aus zehn Werten von o, beziehungsweise ß das Mittel ge-
nommen. Der mittlere Fehler dieses Mittels betrug durch-
schnittlich für a 0-47o, fürß 0-27o. Die folgenden Tabellen
enthalten oben die Werte der Konstanten A, B und a.
% bezeichnet den Ausschlag der Thermosäule, ß den des
Thermoelementes. S und T sind die daraus berechneten
Werte der Strahlung in Grammkalorien pro Quadratzentimeter
und Sekunde und der absoluten Temperatur. Bei der Kon-
struktion der Strahlungskurven ist es zweckmäßiger, — - lg 5
4-
statt lg S als Ordinate einzutragen. Diese Werte von — lg S
fr
und lg r, welche zur Konstruktion der Kurven dienten, sind
in den Tabellen ersichtlich. Unten sind die für die Strahlungs-
konstanten berechneten Werte c und s angegeben.
1210
K. Siegl,
Die untersuchten Gesteine wurden dem Verfasser zum
großen Teile in sehr dankenswerter Weise von Herrn Prof.
Berwerth aus dem k. k. Hofmuseum zur Verfügung gestellt
Basaltlava.
>l = 9008
J?= 28-1
a = 3-n8
a
1
4lg5
S
P
lg 7-
T
78-1
0-5179-1
0-01179
128-2
2 • 5239
334 1
93-6
5327
1351
160-8
5373
344-6
108-1
5449
1512
192-5
5499
354-7
128-2
5598
1735
225-6
5627
365-3
150-5
5743
1982
265-9
5778
378-3
177-9
5898
2287
311-2
5942
392-8
208-8
6050
2630
351 l
6081
405-6
244-2
6201
3023
395 • 8
6232
420-0
283-7
6348
3461
437-8
6369
433-4
329-2
6496
3966
486-6
6523
449 1
371-7
6618
4438
524-8
6640
461-3
411-1
6720
4876
558-0
6739
472-0
e =
4 083
^ = 0-589.
10-12
Basalt.
A = 9032
J? = 28-2
3-121
a
IgS
p
Igr
79-
0
93'
3
114-
8
135"
0
153-
'9
179"
•7
204-
•6
243
6
283
3
316
-8
355
•3
396
■2
0-5188-1
5322
5499
5642
5761
5905
6028
6196
6344
6452
6570
6680
0-01186
1345
1583
1806
2016
2301
2578
3009
3448
3809
4246
4699
132
165
211
242
277
316
353
402
440-0
482-1
515-7
552-4
4
7
9
9
8
6
4
2
5256
5392
5574
5692
5821
5960
6088
6252
6375
6508
6611
6721
335-4
346-1
361-9
370 9
382-0
394-5
406-3
421-9
434-0
447-5
458-2
470-0
t =4-089
c = 0-557.10-1»
Emissionsvennögen von Gesteinen etc.
1211
Belgischer Marmor.
75-4
89*2
103-4
118*9
139 9
160-1
182-3
216-4
257-6
298-4
337-2
874-0
A » 9020
5=» 28-2
3122
0-5150-1
5286
5410
5531
5676
5799
, 5920
6083
6252
6397
6519
6623
0-01148
1301
1459
1631
1864
2085
2333
2712
3168
3621
4051
4459
128
157
190
222
258
288
325
367
421
461
501
534
•7
-9
-2
•5
•1
•5
•0
•1
-6
•0
•8
•5
2-5240
5360
5489
5614
5748
5859
5989
6134
6315
6441
6568
6667
334-2
343-6
853*9
864-3
375-7
385-4
397-1
410-6
428 1
440-7
453-7
464-2
e =4-090
ff == 0 • 552 - 10-12
i4»=9009
Tonschiefer.
28-1
3118
a
1
S
P
Ig^
T
74-4
0-5140-1
0-01138
133-5
2-5261
835*8
86-0
5256
1266
162 8
5381
345*2
98-3
5368
1403
183-1
5462
851-7
113*2
5490
1570
217-2
5595
862*7
128-6
5601
1739
247 5
5710
872*4
149-2
5735
1968
280-6
5832
388-0
171-6
5865
2218
316-3
5960
894-5
186-6
5943
2383
342-1
6050
402-7
215-1
6078
2699
371-9
6152
412-3
244-0
6200
3020
410-1
6279
424*5
289*5
6368
3525
463-6
6451
441-7
337*6
6521
4059
511-6
6600
457 1
t = *
4-099
ff = 0-508.
lO-i«
Sitzb. d. m&them.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa.
81
1212
K. Siegl,
71-8
83-1
96-3
113-5
136-1
156-9
182-8
221-8
258-4
287-7
321-3
366-5
A ^ 9052
Humiis.
B =^ 28-6
0-5113-1
5228
5350
5490
5650
5779
5921
6105
6253
6360
6468
6600
ß
OOIUO
133-6
1234
165-1
1380
193-6
1570
230-8
1820
270-9
2049
307-9
2336
345-2
2767
402-0
3171
439-9
3499
476-6
3865
508 1
4365
550-8
as=3-133
2-5259
5887
5500
5643
5792
5925
6055
«
6246
6369
6485
6582
6710
335-7
345-7
354-8
366
379
391
403
421
433
445-1
455-2
468-8
7
5
3
2
3
'4
t = 4-110
r=: 0-458. 10-1«
Rheinischer Schiefer.
>1»8966
5 = 28-0
a = 3-103
a
1
4 ^^^
S
P
igr
T
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0-5009-1
0-01008
130-4
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5386
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5510
355*6
105-1
5429
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230-2
5649
367-2
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265-4
5781
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147-3
5728
1955
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5930
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173-7
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2249
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405-5
205-6
6039
2604
397-8
6245
421-2
240-5
6191
2995
438-5
6378
434-3
284-3
6355
3483
493-2
6551
452-0
310-4
6442
3774
518-3
6629
460*2
338-9
6530
4093
545*9
6711
468-9
•-
4-131
£? = 0-378.
10-12
Emissionsvermögen von Gesteinen etc.
1213
Schlesischer Schiefer.
62*6
75- 1
87-6
115-7
120-1
141-0
163-4
187-6
214-0
248-6
288*3
326-7
A == 8977
28-0
3-107
0-5010-1
5150
5275
5411
5544
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5822
5951
6081
6222
6368
6492
0-01009
1148
1288
1601
1650
1883
2132
2401
2706
3082
3525
3952
131-1
161-5
194-8
227-1
262-7
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367-9
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452-1
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533-2
2-5253
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5511
5636
5770
5901
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6143
6291
6420
6570
6671
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345-0
355-7
366-1
377-6
389-1
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411-4
425-7
438-5
453-9
464-6
4-132
tf = 0-374.10-12
A = 8977
Gneis.
B = 28-0
a^ 3- 107
a
1
5
ß
Igr
•
T
59-2
0-4969-1
0-009719
130-3
2-5250
335-0
68-6
5080
0*01076
156-5
5358
343-4
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5228
1234
213-0
5482
353-3
93-8
5331
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217-4
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363-0
105-3
5429
1485
241-0
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370-6
122*6
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274-7
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138-4
5670
1854
305-6
5926
391-4
162-3
5816
2121
340-8
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402-7
191-9
5973
2450
388-1
6211
417-9
228-3
6139
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6377
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3281
483-5
6519
448-6
312*0
6446
3788
532-2
6668
464-3
.-
4- 142
c = 0-341.
10-1«
81*
1214
K. Siegl,
Scrpcntio«
8M8
28-1
3*112
a
Us
5
1
»
Igr
T
57 0
0-4940-1
0-009462
128-7
2-5242
334-4
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5061
0*01058
155-6
5353
3430
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5232
1238
199-5
5528
357- 1
97-1
5360
1393
226-2
5631
365-7
114*2
5499
1583
265-9
5780
378-4
132-2
5628
1783
296-7
5892
388-3
1531
5761
2016
330-5
6012
399-2
175-2
5886
2262
371-3
6152
412-3
204-0
6030
2582
412-0
6288
425-4
235-7
6169
2935
456-1
6430
439-5
265-5
6285
3266
487-9
6530
440-8
298-6
6401
3634
524-2
6641
461-4
t =x
4-148
r = 0-82d.
10-13
A ^ 8997
Roter Sandstein.
B=:281
8114
54-5
64*5
75-7
89*6
108-1
132-2
155- 1
189*7
219-9
259 0
282-1
310-5
-7^S
0-4907-1
5031
5155
5292
5450
5627
5772
5960
6101
6260
6344
6439
0-009179
0-01029
1153
1309
1514
1782
2036
2421
2757
3192
3448
3764
ß
130
157
190
221
260
306
350
403
443
490
517
547
•2
-2
•0
-6
-7
•9
-1
•2
-5
•1
-9
•5
^T
2*5248
5359
5490
5613
5760
5928
6079
6258
6389
6536
6621
6710
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343-5
354-0
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376-7
391-6
405-4
422-5
435-4
450-4
450-3
468*8
4-158
c = 0-294.10-1«
Emissionsvermögen von Gesteinen etc.
1215
Italienischer Marmor.
Ö6-0
M-l
76' 4
»2*2
106-8
126' 1
146M
178-0
208-4
240-2
269-0
308-7
>lt»9043
3«>28-2
^»3*130
0-4910-1
5022
5158
5311
5435
5580
5731
5895
6021
6181
6292
6428
4- 165
0- 009205
O-01020
1157
1332
1493
1706
1961
2280
2561
2968
8287
3726
131-8
4
2
7
5
160
192
226
262
298-1
339-9
389*2
418-7
474-0
504-4
546-9
2-5252
5869
9495
5628
5762
5891
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6205
6302
6478
6572
6700
385-1
344-3
354-4
365-4
376-9
388*2
401*6
417*4
426*8
444-4
464-2
467-7
0-281.10-1»
il«=899g
Quarcporphyr.
^=«28-1
3-115
a
1
"4 *K^
S
P
^T
T
49-6
0-4840
0-008630
141-3
2*5294
338-4
59-4
4970
9728
172-1
5419
348-3
70-5
5099
0-01095
200-2
5530
357-3
81-1
5210
1213
226*4
5631
365-7
fr7*3
5360
1393
268-6
5789
379-2
116-8
5517
1610
304-2
5918
390-7
131-2
5620 .
1770
334-0
6023
400-2
148-0
5729
1957
365-4
6131
410-3
174-1
5879
2247
406-4
6268
423-5
199-8
6009
2533
448-9
6406
437-1
244-9
6205
3034
504 •9-
6581
455-1
257-4
6320
3373
514-1
6609
458-0
3=..
41190
c = 0-220.
10-1»
1216
K. Siegl,
Rotlicher Granit
A^SWQ
S»2S-1
a^z-no
a
1
S
P
i«r
T
44-4
0-4767-1
0-008069
183-4
2-5262
335-9
63-7
4898
9103
166-9
5399
346-7
63-6
5022
0-01020
190-7
5494
354-3
79-3
5193
1195
235-3
5666
368-6
94-2
5335
1361
268-2
5789
379-2
110-3
5469
1540
304-9
5922
391*0
131-0
5620
1770
349-9
6080
405*5
156-4
5781
2053
391-6
6221
418-9
180-3
5913
2318
426-2
6335
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202-9
6025
2570
463-7
6455
442-1
226-6
6131
2834
498-3
6563
458-2
256 1
6250
3162
532-4
6667
464-2
t =
4-202
r = 0-197.
10-1«
Mauthausner Granit.
9031
Ä = 28-2
as=3-126
36-4
1
5
?
. igr
T
0-4637-1
0-007158
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2*5239
334*1
45-4
4778
8151
160-0
5368
344-2
56-1
4925
9333
196-8
5514
3560
70-4
5095
0-01091
232 0
5649
367*2
84-4
5240
1247
273-4
5803
380*5
104-8
5420
1472
319-7
5969
395-3
117-9
5522
1617
350-3
6075
405-0
136-0
5649
1818
383 0
6186
415-5
159-1
5792
2074
421-3
6312
427*8
178-7
5900
2291
459*1
6433
439-8
207-1
6040
2606
496*6
6550
451-9
221-0
6145
2871
530*2
6652
462-6
t = -
4*230
tf = 0*158.
lO-ia
Emissionsverinögen von Gesteinen etc.
1217
Granit (Fichtelgebirge).
8978
B= 280
19 »3' 108
1
1
« 1
1
5
P
Igr
T
37-0
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4930
9376
199*0
5527
357 0
67-8
5070
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234-3
5663
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5221
1226
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381-9
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5372
1409
309*7
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392-6
U4-0
5498
1582
346-2
6068
404-4
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5611
1756
380-6
6185
415*4
152*6
5759
2012
415-2
6300
426*6
172*3
5871
2231
452 0
6419
438*4
201*9
6021
2561
498*0
6563
453-2
230-9
6150
2884
537-1
6682
465-8
!
.=«
4*239
c^0*14t.
10-1«
Glimmerschiefer.
j4:=:8965
B=: 28-0
tf ax 3*103
T»g5
32*2
40*6
Ö0-9
65-5
79
92
106
124*4
148*2
166*0
193*7
223*5
0
4
3
0*4568-1
4710
4861
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5192
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5439
5576
5702
5838
5983
6120
ß
0006717
127*
7656
165*
8798
199-
0*01042
243*
1193
281*
1343
310*
1498
343*
1700
385-
1909
414-
2164
454*
2473
502-
2805
543*
3
7
7
9
7
9
9
2
2
4
6
2
2 • 5238
5896
5531
5701
5841
5946
6062
6203
6299
6429
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8703
384-0
346*4
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383-8
398-2
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439*4
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468^1
4*255
c = 0*122.10-1«
1218
K. Siegl,
81-3
42-6
60-9
do-0
73-1
»e-i
99-1
116-2
14a- 1
160-9
185-2
206-2
X»8067
Dotomitetikalk.
B»28-0
0-4550-1
4740
4861
4980
5130
5261
5379
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5669
5809
5940
6042
0-006607
7871
8798
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1272
1418
1608
1852
2107
2377
2611
132-9
171-7
204-6
231-3
272-5
298-9
334-5
375-6
412-2
458-6
492-1
528-0
«««3-104
Igr
2-5261
335-8
5420
348-3
5550
35S-9
5652
367-5
5807-
380-8
5903
389-3
6029
400-8
6170
414-0
6292
425-8
6442
440-8
6547
451-5
6657
463*1
4-260
r = 0-116. 10-1«
Sfidtiroler Marmor.
A >= 8998
£»28-1
3-115
a
1
5
ß
\%T
r
31-5
0-4552-1
0-006619
137-0
2-5276
337 0
37-6
4658
7298
160-5
5372
344-5
45-5
4782
8181
186-2
5475
352-8
55-6
4921
9298
219-4
5604
363-4
66-1
5049
0-01046
255-4
5740
375 0
77-1
5170
1170
283-9
5845
. 384-2
94-9
5339
1366
328-0
6002
398-3
118-7
5531
1631
379-3
6178
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138-7
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1854
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428*9
160-1
5801
2091
459-6
6440
440*6
178-2
5901
2293
488-4
6530
449*8
195-5
5988
2484
514-4
6610
468'1
.=.-
4-266
<7 = 0lll.
10-18
Emissionsvermögen von Gesteinen etc.
1219
Rötlicher Speckstein.
28*1
a5'4
44'8
65*6
6Ö0
78-3
Ö7-3
117-6
143-7
174-9
198-8
219-8
9021
0*4488
4621
4770
4920
5035
5180
5358
5521
5700
5881
6002
6098
B«s28-2
3-122
4-274
5
P
Igr
T
0-006240
128-2
2*5238
334-0
7053
154-2
5845
342-4
8091
193-3
5501
354*9
9290
225-6
5626
386-3
0-01033
256*2
5741
375-1
1180
296-8
5S89
388-1
1391
340-3
6042
402*0
1616
389-8
6210
417-8
1905
435-9
6361
432-6
2251
489-8
6531
440-9
2517
527-2
6645
461-9
2749
555-7
6730
471-0
c^O'lOS.
10^1«
Glimmerfixicr Granit.
29-6
37-8
44-7
56'7
67-2
87-2
104*8
128-3
144-7
167-6
187-6
118-3
iir:=:9030
28*2
0-4516-1
4660
4768
4920
5060
5266
5420
5562
6705
6840
5946
6068
0*006403
7311
8076
9290
0-61057
1278
1472
1678
1914
2168
2390
2674
3-125
4-282
1 ß
IgT
T
139*6
2-5886
387*7
175-2
6429
349-1
199-1
5623
366-7
233-5
5655
367-7
269-8
6790
379-3
325*9
6991
398-0
365*1
6126
409-8
402-8
6252
419*3
446*0
6392
436-7
486*7
6620
448-7
618*7
6618
459-0
555-9
6729
470-9
c
= 0-0966.
10-1»
1220
K. Siegl,
28-2
38-9
48*3
58-7
71-5
85-4
98-7
116-0
134-1
152-4
176-5
207-5
vi »9020
Lehm.
B = 28-2
a «=3-122
0-4490-1
4678
4821
4960
5109
5250
5371
5509
5638
5754
5890
6043
0-006252
7434
8480
9638
0-01106
1259
1407
1608
1800
2003
2270
2613
137-1
183-6
212-6
245-2
286-6
820-8
356 8
393-4
432-8
461-7
505-1
552-6
2-5275
5463
5576
5700
5852
5974
6099
6222
6351
6443
6578
6721
336-9
351-8
361 1
371-5
384-8
395-7
407-3
419-0
431-6
440*9
454-8
470-0
t = 4-285
r = 0-0028. 10-1»
25-7
34-4
42-8
51-6
67'3
79-5
94*4
111-6
131-0
148*9
174-9
201*0
A = 9040
Ackererde.
Ä= 28-2
3-132
0*4439-1
4601
4737
4889
5060
5190
5331
5473
5614
5730
5879
6010
0- 005965
6925
7849
9028
0*01057
1191
1356
1546
1760
1959
2247
2535
134-1
168-0
201-3
240-6
284-4
312-1
354 1
397 0
432-3
471-4
510-6
552-3
2-5261
5399
5530
5680
5841
5940
6086
6230
6345
6469
6590
6715
385-8
346-7
357-3
369-8
383-8
392*6
406-1
419r8
481 rO
443*5
456*0
469*4
4-295
0*0852.10-1»
Emissionsvermögen von Gesteinen etc.
1221
A r= 9053
Tegel.
5 = 28-3
3- 134
Xlg5
ß
IsT
23-8
31-0
39-1
47-8
59-8
70-8
86-8
103*2
121*9
144*5
169*9
201*6
0-4401
4540
4680
4811
4970
5098
5261
5405
5550
5702
5851
6012
0-005760
6546
7447
8402
9728
0-01094
1272
1452
1660
1909
2190
2540
131-0
156-4
194-0
227-5
259-6
300-1
340-6
379-5
424-2
462-1
508*3
558-4
2-5248
5352
5501
5630
5750
5897
6039
6171
6318
6439
6582
6732
334-8
342-9
354-9
365-6
375-8
388-8
401-7
414-1
4^8*4
440*5
455*2
471*2
4-800
t = 0-0811.10-12
Istrianer Mfurmor.
9043 5=28-2
a?=:8-130
a
1
S
ß
IgT
T
23*9
0-4401-1
0-005760
138-6
2-5280
337
3
30*4
4529
6480
169-4
5405
347
•1
37-6
4655
7278
195-5
5508
355
5
46-4
4791
8249
225-1
5622
364
9
55*8
4920
9290
262-8
5763
377
•0
67-3
5059
0-01056
298-9
5894
388-
5
78-6
5181
1181
328-4
5998
397
9
95-4
5339
1366
367 1
6131
410
3
109-9
5460
1528
406-1
6261
422
8
133*6
5632
1790
452-3
6410
437
'5
155*6
5770
2032
439-9
6540
450'
•8
186-7
1
5940
2377
546-9
6700
467-7
•
4-310
c
5=0-0741..
10-12
1222
K. Siegl,
Kehlheimer Kalkstein.
9060
B=»28'8
3*136
«
T>«5
iS
P
i«r
T
21-5
O'4350-l
0*005495
127-2
2*6232
338*6
28*8
4498
6298
161*0
5370
344*4
37-3
4649
7238
199*2
5521
356*5
45*6
4778
8151
225*0
5620
364*8
65-1
4910
9205
259*7
6750
375*8
66-6
5050
0-01047
296*1
5882
387*4
78-6
5180
1180
329*3
6999
398*0
60*6
5295
1312
362*5
6113
408*6
107-4
5439
1498
399*3
6236
420*3
126*3
5580
1706
443*1
6378
434*3
157 '4
5779
2049
500*4
6557
458*6
182*5
5917
2327
542*2
0683
465*9
.--
4*315
c
=.0*0709.
lO-i«
Weifler SanOsteiii.
9063 B»28*3
3*137
21*8
26*6
35*0
43*4
52*8
65*7
75*6
90*1
100*6
129-9
149*4
170-0
Tlg^
0* 4856-1
4456
4610
4745
4879
5040
5148
5290
5382
5605
5731
5850
0*005526
6059
6982
7907
8945
0*01038
1146
1306
1422
1746
1961
2188
ß
139*0
166*8
196-8
233*1
264*8
306*7
337*0
370-7
400*7
459*4
5020
534*4
^T
2*5280
5393
5511
5650
5768
5619
6025
6140
6240
6429
6561
6659
337*3
346*2
355*7
367*3
377*4
390*8
400-4
411*2
420-7
436-4
458-0
468-3
4*328
r» 0-0682. 10^i>
Emissionsvermögen von Gesteinen etc.
1223
A == 9010
Schlemmkreide.
B» 28-1
3-118
a
17-1
1
5
ß
IgT-
T
337-7
0-4250-1
0-005012
193-3
2-5285
22-8
4379
5644
170-0
5410
347-5
30-5
4532
6498
198-8
5524
356-8
36-5
4639
7172
229-0
5640
366-4
46-2
4791
8249
266-7
5781
378-5
56-2
4928
9358
299-5
5900
389-0
66- 1
5048
0- 01045
333-5
6020
399-9
78-3
5181
1181
371-3
6150
412-1
Ö40
5330
1355
401-9
6252
421-9
110-3
5466
1536
444-7
6391
435-6
133-4
5634
1793
495-0
6549
451-8
155-9
5575
2042
535-8
6673
464-8
t =s
4-358
c
»0-04B3.
10-1«
13-6
20-5
27-2
35-2
43-1
1
0
0
51
61
71
84-7
107-2
126
158
2
3
A == 9058
Carrarer Marmor.
2? = 28-3
3-135
0-4168-1
4829
4469
4615
4742
4857
4985
5100
5240
5437
5580
5785
0* 004626
5390
6132
7015
7885
8766
9863
0-01096
1247
1496
1706
2061
130*6
169-7
197-3
232-8
267-6
289-3
326-6
358-5
895-5
449-6
491-8
554-5
2-5247
5405
5514
5650
5779
5858
5990
6100
6224
6399
6531
6720
834
347
356
367
378
385
397
407
419
436
449
469
7
1
0
3
4
3
2
4
2
4
9
9
t = 4-369
c = 0-0437.10-1«
1224
K. Siegl,
13
20
25
33
43
53
62
79
91
110
129
154
•9
•2
•9
•8
•6
•2
•7
•5
•5
•4
•0
•3
A = 9054
Kies.
B = 28-3
0-4170-1
4322
4442
4590
4750
4886
5005
5190
5304
5463
5600
5762
0-004656
5356
5981
6855
7943
9003
O-OlOOö
1191
1323
1532
1738
2017
^ = 3134
P
141-9
172-9
206-6
238-4
278-5
309-4
346-7
388-5
427-9
471-3
510-9
559-8
2 • 5293
5418
5550
5671
5819
5930
6060
6201
6330
6468
6590
6736
338-3
348-2
358-9
369-1
381-9
391-7
403-6
417-0
429-5
443-4
456-0
471-6
t = 4-382
c = 0-0389. 10-12
Strahlung des Wassers.
Da bei der Beobachtung der Strahlung des Wassers der
Temperatursteigerung sehr bald eine Grenze gesetzt ist, so
wurde vor allem die Empfindlichkeit des Galvanometers auf
das äußerste gesteigert, indem man den Vorschaltwiderstand
ausschaltete, was freilich andrerseits die Unannehmlichkeit mit
sich brachte, daß die Einstellung der Nadel viel langsamer
erfolgte. Ober der Wasserfläche, deren Strahlung gemessen
werden sollte, wurde eine Blende und darüber ein Metall-
spiegel unter 45* angebracht, weicher die Strahlung in die
Thermosäule hineinreflektierte. Diese Methode erwies sich
aber als unbrauchbar, da der Spiegel sich stets mit Feuchtig-
keit beschlug, auch dann noch, als er mit einer dünnen Schicht
von Vaselinöl überzogen worden war.
Es wurde deshalb die ganze Aufstellung so umgebaut,
daß die direkte Strahlung vertikal in die Thermosäule gelangte.
Dabei waren nun zunächst die aufsteigenden Luftströmungen
Emissionsvermögen von Gesteinen etc. 1225
sehr lästig. Durch eine in den Strahlengang gestellte Kautschuk-
membran ließ sich aber dieser störende Einfluß größtenteils
beseitigen. Die Membran wurde so dünn als möglich aus-
gespannt und ließ zirka 75% der Strahlung durch. Unter der-
selben war eine große, geschwärzte Wasserblende mit einer
Öffnung von 2 cm Durchmesser angebracht. 5 cm tiefer befand
sich die Oberfläche der strahlenden Wassermasse. Letztere
wurde elektrisch geheizt und konnte man dieselbe bis auf
zirka 60"* erwärmen, ohne daß die Membran sich beschlug.
Zur Messung der Temperatur wurde wie früher das
Thermoelement verwendet, welches von der Wasseroberfläche
vollkommen benetzt war. Der Durchmesser der strahlenden
Wasserfläche betrug 9 cm. Für die Wahl der Dicke der
strahlenden Wassermasse war folgender Vorversuch bestim-
mend: Es wurde in den Strahlengang ein Gefäß gestellt,
dessen Boden durch eine sehr dünne Kautschukmembran
gebildet war. Über der Membran befand sich eine Wasser-
säule von variabler Dicke. Es zeigte sich nun, daß das Wasser
in einer Dicke von 5 mm seine eigene Strahlung sowie die des
schwarzen Körpers vollständig absorbierte. Bei den eigent-
lichen Strahlungsmessungen hatte die strahlende Wassermasse
eine Dicke von 5 cm. Für diese Schichtendicke hat also die
Strahlung schon sicher ihr Maximum erreicht.
Die Berechnung der Strahlungskonstanten erfolgte aus
der Beobachtung der Strahlung bei zwei Temperaturen:
04 = AcTl—B
und
0^ in AcT^—B
oder die Gleichungen logarithmiert:
lg(ai-h5) = Ig^-hlgc'H-e lg T,
und
lg(ajH.5) = Ig^H-lgcH-slgJg.
Daraus ergibt sich 8 und c zu:
c^ lg(«»+g)— ]g(04-^^) ^^ Oj+g
lg 7^2- lg ^1 AT^
1226
K. Siegl,
Bei der Messung von a addiert sich zur Strahlung des
Wassers natürlich stets die Strahlung der Membran. Die Er-
wärmung der letzteren durch die Bestrahlung ist jedenfalls
sehr klein, kleiner als die der Thermosäule, und kann die
Temperaturerhöhung derselben niemals 1** erreichen. Bei so
geringer Erwärmung ist aber die Änderung der Strahlung der
Membran proportional der auf sie wirkenden Zustrahlung.
Dadurch beschränkt sich der Einfluß der Membran auf eine
Änderung der Konstanten A und B.
Bei der Bestimmung von a und ß wurde wieder aus je
zehn Messungen das Mittel genommen. Da der EinQufi der
Luftströmungen doch nur bis zu einem gewissen Grade be-
seitigt werden konnte, waren die Abweichungen der Werte
von a untereinander größer als früher. Der mittlere Fehler <ks
Mittels betrug 2* 5%. Aus diesen Mittelwerten von a und ?
wurden nach den obägen Formeln die Strahlungskonstanten
bestimmt. Diese Messungsreihe wurde zehnmal ausgeführt
und aus den daraus berechneten Werten von c und t aber-
mals das Mittel genommen. Die folgende Tabelle gibt diese
Zahlen wieder.
Strahlung des Wassers.
l
m
B
a
«1
O
«2
P2
T,
Pi
Ti
c.lO«
4-10
1-368
85-0
3-122
24-9
803
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4-101
Um zu sehen, ob das Meerwasser infolge seines Salz-
gehaltes wesentlich anders strahlt als reines Wasser, wurden
Emissionsvermögen von Gesteinen etc. 1227
zwei Gefäße, eines gefüllt mit destilliertem Wasser, das andere
mit konzentrierter Kochsalzlösung, nebeneinander gemeinsam
in einem größeren Gefäße durch eine Heizspirale auf einer
Temperatur von 47-5" erhalten und abwechselnd ihre Strah-
lungen beobachtet. Die auf diese Weise angestellten 40 Ver-
gleichsmessungen ergaben, daß die Differenz der beiden Strah-
lungen unter der Grenze der Beobachtungsfehler liegt.
Strahlung des Eises.
Zur Messung der Strahlung des Eises wurde wieder die
Aufstellung verwendet, bei welcher die Strahlung horizontal
in die Thermosäule gelangte. Das Eis befand sich in einem
doppelwandigen Gefäße und wurde durch feste Kohlensäure
und Äther gekühlt. Die Strahlung wurde wieder bei zwei
Temperaturen beobachtet. Das Thermoelement war in die
Oberfläche des Eises eingeschmolzen. Der Durchmesser der
letzteren betrug 8 cm, die Dicke der Eismasse 5 cm. Die
Strahlung besaß ihr Maximum, da ein Vorversuch ergab, daß
bereits eine Eisplatte von zirka 1 mm Dicke keine Strahlung
mehr hindurchließ. Die strahlende Eisfläche bedeckte sich
stets mit einer Schicht von feinem Schnee, welcher vor jeder
Beobachtung entfernt wurde, da er die Strahlung erhöhte.^
Wie früher, wurde aus zehn beobachteten Werten von a und ß
das Mittel genommen und daraus c und e berechnet. Aus zehn
auf diese Weise berechneten Werten der Strahlungskonstanten
wurde wieder das Mittel genommen. Wie man aus der nach-
folgenden Tabelle ersieht, ist die Strahlung des Eises von der
des Wassers nicht wesentlich verschieden.
Die vorletzte Tabelle enthält die Zusammenstellung der
Resultate, welche für die Strahlungskonstanten der unter-
suchten Körper erhalten wurden. Da diese Zahlen für den
Wärmehaushalt der Erde von Bedeutung sind, so folgt zur
leichteren Orientierung zum Schlüsse eine Berechnung der für
die Erdoberfläche typischen Strahlungen von — 30 bis -4-30* C.
im Intervall von 10 zu 10 Graden.
1 Beobachtungen von J. Maurer (Meteorol. Zeitschr., XXIV, 7, p. 295
bis 301, 1907) über die nächtliche Ausstrahlung einer freien Schneefläche
ergaben, daß dieselbe der Strahlung einer berußten Kupferscheibe nahekommt.
Sitzb. der mathem.-nÄturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 82
1228
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Emisstonsvermögen von Gesteinen etc.
1229
Strahlungskonstanten aller Körper
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Belgischer Marmor
Tonschtefer
Humus
Rheinischer Schiefer
Schlesischer Schiefer ,
Gneis
Serpentin
Roter Sandstein
Italienischer Marmor
Quarzporphyr
Rötlicher Granit
Mauthausner Granit
Granit aus dem Fichtelgebirge
Glimmerschiefer
Dolomitenkalk
Südtiroler Marmor
Rötlicher Speckstein ,
Glimmerfreier Granit
Lehm ,
Ackererde
Tegel
Istrianer Marmor
Kehlheimer Kalkstein
Weißer Sandstein
Kreide •. , , .
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Wasser ,
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120
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1230
K. Siegl, Emissionsvermögen von Gesteinen etc.
Strahlungen bei verschiedenen Temperaturen, verglichen
mit der Strahlung des schwarzen Körpers.
iS. 10^ bei einer Temperatur
von
Schwarzer Körper .
Basaltlava
Tonschiefer
Gneis
Mauthausner Granit,
Glimmerschiefer . . . .
Dolomitenkalk . . . . .
Ackererde
Weifier Sandstein. . .
Kies
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248
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216
251
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1231
Über die Lage der Knotenpunkte in einseitig
geschlossenen Röhren
von
Dr. N. Stücker.
Aus dem physikalischen Institute der k. k. Universität in Graz.
(Mit 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 7. November 1907.)
Die Arbeiten, in welchen die Luftschwingungen und
Resonanz Verhältnisse eingehend behandelt werden, sind fast
durchwegs theoretischer Natur. Schon Bernoulli, Euler und
Lagrange haben diese Erscheinungen einem genaueren
Studium unterzogen und ,eine Theorie entwickelt, die im
wesentlichen darin besteht, daß die Verdichtung am ofTenen
Ende einer Röhre gleich Null anzunehmen sei und die Luft in
allen ^Punkten ein und desselben Querschnittes die gleiche
Dichtigkeit aufweise. Nun aber widerspricht beides der Er-
fahrung; erstens besitzt die Luft am offenen Ende einer Röhre
stets nur die Dichte der sie umgebenden Luftmenge, niemals
aber die der außerhalb befindlichen Luft, und zweitens ergibt
sich aus der Annahme bezüglich der konstanten Dichte für
ein und denselben Querschnitt, daß sich die Wellen in einer
Röhre nur parallel zu ihrer Achse fortpflanzen können, während
durch die Theorien von Helmhol tz und einigen anderen
Physikern direkt bewiesen wird, daß die Wellen aus der Röhre
divergent austreten und, da eine solche Richtungsänderung
nicht plötzlich eintreten kann, sich auch innerhalb einer Röhre
nicht nur parallel zur Achse bewegen. Poisson griff den
Gegenstand wieder auf und erklärte, daß die Luft am offenen
Ende einer Röhre wohl eine andere Dichte besäße, daß aber
1232 X. Stücker,
jederzeit zwischen der Geschwindigkeit der Schallwellen und
der Dichte der Luft eine für ein und dieselbe Röhre konstante
Relation bestände. Nach Challis* Hypothese endlich tritt jede
Welle, nachdem sie am geschlossenen Ende reflektiert wurde,
am offenen aus, ohne eine neue Welle wieder in die Röhre
zurückzusenden. Die Knotenpunkte, welche nach Euler Orte
einer absoluten Sülle, nach Poisson Orte von Schwing:ungs-
minima sind, existieren nach Challis in einer Röhre über-
haupt nicht Der erste Physiker, welcher die Sache vom
richtigen Standpunkt aus betrachtete, war der Engländer
Hopkins,^ der auch durch sein ausgedehntes Beobachtungs-
material einige Erscheinungen zu erklären wußte, die bis
dahin unberücksichtigt blieben. Auf die Tatsache gestützt,
daß die stärkste Resonanz bei einem ungeraden Vielfachen
einer Viertelwellenlänge, also bei (2n — 1) — eintritt, beob-
achtete er, daß die Strecke von der Röhrenmündung bis zum
ersten Maximum der Resonanz stets kleiner war, als aus dem
Werte für — zu erwarten wäre und daß diese DiflFerenz mit
2
der Röhrenweite zunahm; die weiteren Knotenpunkte standen
jedoch durchwegs genau um den Wert einer halben Wellen-
länge voneinander ab. Hopkins bat ferner gefunden,, daß
diese Differenz von der Schwingungszahl, also von derHöhe
des betreffenden Tones unabhängig ist, ein Umstand, der mit
seiner Theorie vollkommen im Einklänge steht Bei einer sehr
engen Röhre (Fig. 1} werden die Wellen, da sie aus der Röhre
divergent austreten, bald so zerstreut sein, daß sie durch
keinerlei Reflexion wieder in die Röhre zurückgeworfen werden
können. Bei sehr weiten Röhren hingegen werden sich die
Wellen auch in größerer Entfernung von der Röhrenmündung
nocl; innerhalb der Verlängerung der Röhrenwand befinden,
weshalb noch ein Teil der Wellen in die Röhrenwand reflektiert
werden kann. Es kommt also gewissermaßen darauf hinaus,
I daß eine Glasröhre scheinbar um so länger ist, je größeren
1 TrAtigactiofifl of the Cambridge Phll. Soc, Vol. V, pt. H, p. 281 ; Pogg.
; Ann., XUV, 246. 603, 1838.
I
Lage der Knotenpunkte in Röhren.
1233
Querschnitt sie besitzt. In der Tat hat nun Mousson bei am
Ende trichterförmig erweiterten Röhren gefunden, daß die
Korrektion fast Null wird.
Helmholtz,^ dem wir so vielen Einblick in die Wellen-
lehre zu verdanken haben, hat auch dieses Kapitel eingehend
behandelt, in dem er, von den Bewegungsgleichungen aus-
gehend, die Formel für das Korrektionsglied ableitet. Sie lautet:
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worin R den kleineren, R^ den größeren Radius bei trichter-
förmig erweiterten Röhren, die Korrektionskonstante a den
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Fig. l.
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länge bedeuten. Es ergibt sich von selbst, daß bei zylindrischen
Röhren, bei denen 2? = i?j ist, die Gleichung übergeht in:
a
^R.
Setzen wir a = 0, so erhalten wir:
das heißt, wenn sich die Radien der Röhre und ihres oberen
Randes zueinander wie 1 : \/2 verhalten, so f%llt die wahre mit
der reduzierten Röhrenlänge zusammen.
1 Wissenschaftliche Abhandlungen, I, p. 303 £f.
1234 N. Stücker,
Ich habe nun versucht, diese theoretischen Resultate durch
Experimente zu prüfen. Der Apparat, dessen ich mich dazu
bediente, bestand aus einem Glaszylinder vom inneren Radius
zu 3 ' 2 cm, in welchem durch damit kommunizierende Zu- und
Abflußgefäße eine Wassersäule allmählich veränderlicher Höhe
hergestellt werden konnte. In dieses Wasser tauchten die mit
Teilung versehenen Resonanzröhren ein. Sie waren mitsamt
der erregenden Stimmgabel auf einem Schlitten befestigt,
dessen Höhe verstellt werden konnte. Es war also in doppelter
Weise Vorsorge getroffen, die Länge der resonanzgebenden
Luftsäule allmählich zu vergrößern oder zu verkleinern, bis das
Maximum des Resonanztones eintrat, und diese Länge genau
zu messen.
Meine Beobachtungen stellte ich an Glasröhren vom Halb-
messer 0'2cfn bis 3' 2 cm an, und zwar für die Töne a®, e^, a\
e^y ä^ und b^. Jede einzelne Versuchsreihe bestand aus zehn
Beobachtungen, die zu einem Mittel vereinigt wurden. Die
einzelnen Werte wichen nur für die tieferen Töne, bei denen
das Maximum der Resonanz nicht so scharf ausgeprägt war,
um 0'2cm voneinander ab. Zur Vermeidung weiterer Fehler-
quellen stellte ich das Wassemiveau abwechselnd zu hoch
und zu tief ein, um durch Regulieren von beiden Richtungen
aus zu demselben Resultat zu gelangen.
Die Berechnung der Korrektion a gestaltet sich sehr ein-
fach. Bedeuten Iq, l^, l^...ln die Röhrenlängen vom freien
Ende der Reihe nach bis zu den einzelnen Knotenpunkten
und X die Wellenlänge, so ist
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Im folgenden gebe ich nun eine Übersicht über die Werte
von L, /,, /o, — , — und a für die einzelnen Tonhöhen und
2 4
Köhrendurchmesser.
Lage der Knotenpunkte in Röhren.
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Das Verhältnis — - beträgt im ersten Falle 1*2, im zweiten
1-33. Da wir wissen, daß für —^ = 1-20 sich a = 0-24
R! • ^
und für — ^ =: 1*33 sich o' zr 0*02 ergibt, so erhalten wir
R'
R' R
— i- L = 013 und a— a' = 0-22. Handelt es sich nun
R' R j^,
darum, zu ermitteln, für welchen Wert von — a =z 0 wird,
R
so stellen wir die einfache Proportion auf:
{a—af):a= (^^^):x.
^ \R' R/
Nach Einsetzung der entsprechenden Werte erhalten wir:
;,^fÄ_A)_^ =0-14.
^R' R/a—a!
R'
Bei einem Werte von zr 1*20+0-14 zr 1-34 wird also
R
das Korrektionsglied gleich Null werden.
Der Unterschied zwischen meinen Beobachtungen und
den nach der Helmholtz'schen Formel berechneten Werten dürfte
vielleicht darin liegen, daß die Schallgeschwindigkeit und mit ihr
auch das Korrektionsglied bei verschiedener Temperatur nicht
gleich sind. So z. B. betrug die Wellenlänge für den Ton a*
bei den Versuchen, die ich im Herbst bei einer Zimmer-
temperatur von 15* C. anstellte, um einige Millimeter weniger
als bei den im Sommer bei einer Zimmertemperatur von 23" C.
angestellten. Die Folge davon war, daß sich auch das Kor-
rektionsglied änderte. Vielleicht wäre nun die Helmholtz'sche
Formel auch experimentell zu verwenden, wenn man an der-
selben noch die Korrektion der Temperatur anbrächte.
Aus den Tabellen ersieht man ferner, daß die Schall-
geschwindigkeit in sehr engen Röhren abnimmt, was auf eine
Reibung der Luft an den Glaswänden der Röhre zurück-
zuführen sein, möglicherweise aber auch darin seinen Grund
Lage der Knotenpunkte in Röhren. 1 243
haben dürfte, daß die Schwingungen der Luft nicht mehr rein
adiabatisch erfolgen.
Es bleibt mir nun nur noch die Pflicht, meinem hoch-
verehrten Lehrer, Herrn Dr. L. Pfaundler, für die Über-
lassung der nötigen Apparate sowie für die gütige Anleitutig
bei meiner Arbeit meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen.
Sitzb. d. mathem.-natarw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 83
1245
Über die Bestimmung der thermischen
Änderung des Torsionsmoduls aus den
Temperaturänderungen bei der Torsion
von Stäben
von
Anton WaOmuth,
k. M. k. Akad.
(Mit 1 Textflgur.)
(Ausgeführt mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 31. November 1007.)
Im Jahre 1902^ habe ich darauf hingewiesen, daß sich aus
den Temperaturänderungen bei der Biegung die thermischen
Änderungen des Elastizitätsmoduls und aus denen bei der
Torsion die des Torsionsmoduls ermitteln lassen müssen.
In einer 1906^ erschienenen Arbeit, welche sich mit der
gleichförmigen Biegung von Stäben aus Platin, Palladium,
Stahl, Nickel, Kupfer, Gold, Silber, Aluminium und fünf Arten
von Messing befaßte, konnte ich dartun, daß sich wirklich aus
den dabei auftretenden Temperaturänderungen die Änderungen
des Elastizitätsmoduls E mit der Temperatur 7, d. i. die Größen:
1 dE
3 — an der Hand der Voigt'schen Formel finden ließen,
E dT
indem sich bei verschieden starken Biegungen nahe konstante
Werte von e ergaben, die in guter Übereinstimmung standen
1 Diese Sitzungsberichte, Bd. 111, Abt. II a, Juli 1902; Ann. d. Phys.,
Bd. 11, 1903, p. 159; Boltzmann, Festschrift 1904, p. 560.
2 Diese Sitzungsberichte, Bd. 115, Abt. IIa, März 1906. Eine vorläufige
Mitteilung erfolgte im Herbste 1905 auf der Naturforscherversammlung in Meran.
83*
1246
A. Waßmuth,
mit jenen Zahlen, wie sie von anderen Beobachtern nach ,ganz
anderen Methoden erhalten worden waren. In der vor-
liegenden Untersuchung soll nun gezeigt werden, daß sich ganz
analog aus den Temperaturänderungen bei der Torsion von
Metallstäben an der Hand der von mir schon 1889* auf-
gestellten Formel die Änderungen des Torsionsmoduls F mit
1 dF
der Temperatur T, das ist die Größen: if] = ermitteln
F ilT
lassen. Die zu tortierenden Stäbe waren (Figur) in hori-
zontaler Lage mit beiden Enden in starke, zylindrische
Messinghülsen eingeklemmt; die eine dieser Hülsen (in der
Figur rechts) war unverrückbar fest mit einem Gestelle ver-
bunden, während die zweite (links) sich verjüngend zum
Mittelpunkte einer auf der Achse des Stabes senkrechten Kreis-
scheibe aus Holz führte. Durch Drehen dieser Scheibe um diese
Achse konnte der Stab mehr oder weniger stark tortiert werden.
Das Drehen der Scheibe erfolgte durch Anhängen von Gewichten
an eine starke seidene Schnur, die in einer Rinne um den
Umfang der Scheibe herumgelegt war. Der Drehungswinkel
1 Waßmuth, diese Sitzungsberichte 1889, Bd. 98, Abt. IIa, p. 1393-1408.
Thermische Änderung des Torsionsmoduls. 1247
konnte sowohl an einer Gradeinteilung, wie ^uch d^^urch
gemessen werden, d^0 die Höhe, um die das 2i\ilegegewiqht
fiel, an einer vertikalen noch eine Ablesung von 0*1 fnm ge-
stattenden Skala gemessen wurde. In bekannter Weise ließ
sich hieraus der Torsionsmodul F mit einer hier hinreichenden
Sicherheit berechnen.
Die Temperaturänderungen wurden ^ ganz analog wie
früher — durch ein Thermoelerrient au3 Eisen und Konstantan,
das in der Mitte jedes Stabes eingelötet und durch leichte,
breite Kupferstreifen mit dem (auch früher verwendeten)
Galvanometer von kleinem Widerstände verbunden w^r,
angezeigt Die thermoelektrische Konstante /?, d. i. jener Aus-
schlag, der bei einer Temperaturdifferenz der Lötstellen von
1 * und dem Gesamtwiderstande von 1 Ohm eintritt, wurde für
die entsprechende Schwingungsdauer wiederholt neu bestimmt,
zeigte sich aber, da stets gleiche Sorten von Eisen und Kon-
stantan verwendet wurden, gegen früher nur wenig geändert.
Der tortierte Stab mit den beiden Hülsen befand sich in einem
hölzernen Gehäuse und war übrigens sorgfaltig mittels Pappen-
deckel und Watta gegen Luftströmungen geschützt; nur die
Drehscheibe und der sie tragende Stiel ragten aus dem Gehäuse
heraus. Die Zuleitungsdrähte befanden sich in Kautsqhuk-
röhren, die noch mit Watta — gleichwie das Galvanometer —
umgeben waren. Vor Beginn der Versuche blieb der Apparat, in
sich geschlossen, mehrere Tage stehen, damit die Temperatur-
unterschiede sich ausgleichen konnten.
War A der erste Ausschlag, {x^—^x^ die erste, {x^ — x^
die zweite Distanz der Umkehrpunkte und bezeichnet K das
Dämpfungsverhältnis beim Widerstand w, so berechneten sich
analog (1. c. p. 229) die Temperaturänderungen t aus den
Formeln:
t =r
X.w
R '
Y) [(*i— *s) + (*s— «s)]
K \2
Für die meisten Versuche ergab sich: (-r? t-) =0'315.
1248 A. Waßmuth,
Die bei der Biegung gewonnenen Erfahrungen ließen es
auch hier angezeigt sein, folgende Punkte insbesondere her-
vorzuheben:
I. Jeder der untersuchten Stäbe mußte sich im Normal-
zustande beßnden^ was durch vielfaches Kochen und Abkühlen
stets erreicht wurde.
IL Um gewisse konstante Fehlerquellen zu vermeiden,
war es wünschenswert, die Differenzen der Temperatur-
änderungen dann in Rechnung zu stellen (l. c. p. 301), sobald
es zweifellos war, daß man die Grenzen der vollkommenen
Elastizität nicht überschritten hatte.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände ergaben sich
auch hier — wie sich zeigen wird — nahe konstante Werte
1 dF
iüT fi^zz -—--—. sobald vollkommene Elastizität vorhanden
* F dl
war. Die Berechnung der Größe t) aus den beobachteten
Temperaturänderungen t erfolgte nach der von mir^ ent-
wickelten und etwas umgeänderten F*ormel.
Ich hatte gezeigt, daß
C.a.T _, r^ w^ — fi^
-T^='^-^-4^^ (1.
sein müsse, falls der um den Torsionswinkel w^ schon tortierte
Stab vom kreisförmigen Querschnitte (Dicke 2r, Länge /, spe-
zifisches Gewicht b, spezifische Wärme der Gewichtseinheit O
durch weitere Torsion auf den Torsionswinkel w^ gebracht
wurde. Führt man in diese Gleichung statt der Torsionswinkel w
die Momente 2\I mit Hilfe der Beziehungen:
M,=F.^.r^*^l und A/, = i^. ^ . r* *??
ein, so resultiert die benützte Formel:
C.a.i_7i.(Af|-Mf)
T " F.ir^r« ^"^
Sie liefert die Temperaturänderung t, wenn y] bekannt ist
und die Torsion vom Momente M^ aus zum Momente M^ weiter
geführt wurde.* Umgekehrt ließ sich an der Hand dieser Formel
^ L. c. p. 1397 und Boltzmiutn, Festschrift p. 562.
2 Zu demselben Ausdrucke gelangte auf anderem Wege auch Voigt.
Thermodynamik I, p. 331 und 332.
Thermische Änderung des Torsionsmoduls. 1249
aus dem beobachteten t das zugehörige tj — mit gleicher
Annäherung — berechnen; dabei war — wegen r^ — ins-
besondere die Dicke 2 r der Stäbe mit großer Sorgfalt zu
messen. Der Torsionsmodul F wurde direkt durch Verdre-
hungen ermittelt. Wenn nämlich ein Drehmoment von p kg-
Gewichten am Hebelarm a mm am einen Ende des Stabes
wirkend daselbst eine Drehung um b Bogengrade bewirkt,
so ist bekanntlich ^
E- 2 / 57-3 ,_,
Der Hebelarm a entsprach nahe dem Radius der Kreisscheibe
und war a = 1 05 • 5 mm.
So war z. B. für einen Stahlstab an einer vertikalen Skala
ermittelt worden, daß das drehende Gewicht im Mittel um
\b'7Amm sank, wenn es stetig um je 100^=: O'lig ver-
größert wurde. Hieraus rechnet man den Drehungswinkel
h = 8 •694* und erhält aus (3) mit a = 105*5, / = 168- 7 mm,
pzziO'lkg und r = 0-9825 wm den Torsionsmodul des
Stahles: Fziz 8014 kg/mm', was mit anderen Beobachtungen
stimmt So hat: Voigt 8070, Gray 7965 und Wagner
8075 kglmm\
Stahl.
Mit einem Stahlstabe — Dicke 1 • 980 mm — (von Martin
Miller in Wien) wurden eine ganze Anzahl von Beobachtungen
ausgeführt, von denen die vom 8. November 1906 mitfolgend
angeführt sind.
Dabei wurden — vgl. Kolonne 7 der Tafel — nur jene
Ausschläge der Rechnung zu Grunde gelegt, wie sie sich beim
Abheben der Gewichte, also bei der Detorsion ergaben. Bei
der Torsion findet man meist kleinere Zahlen, da hier die
Wirkung erst allmählich eintritt.
Es blieben stets 50^ angehängt und stellt p das Zulege-
gewicht vor. Die Schwingungsdauer T war 4*22'', wozu eine
thermoelektrische, direkt ermittelte Konstante i?= 1896 gehörte.
Der gesamte Widerstand war w ■=z 0*600 Ohm und das
1 Kohlrausch, Lehrbuch der praktischen Physik 1901, p. 205.
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1252 A. Waftmutb,
Die thermische Änderung r^ des Torsionsmoduls wäre
sonach für Stahl tj =r 3'22xlO~*; für Eisen hat Schaefer
auf andere Art 3-035X 10"^ erhalten.
Nickel.
Chemisch rein von der Berndorfer Metallfabrik bezogen; es
ist dies ein Stab von derselben Sorte wie Nim ^^^ ^^^ Biegungs-
versuchen. Dicke 2r^ \'76mm; spezifisches Gewicht a —
8*915, spezifische Wärme 0'109. Der Torsionsmodul wurde
mit Hilfe der Formel (3) ermittelt und gefunden: als Mittel aus
10 gut stimmenden Werten b=i 12-564** zu pz=zO'\ kg, so
dafl für a = 106 mw, / = 154 2 erhalten wird
F=Sl37'7kg/fnm',
Bei den Beobachtungen über die Temperaturänderungen :
bei der Torsion war die Schwingungsdauer: 4*135", somit
R = { aTöö'J ^ ^^^^ ~ ^^2^ ^"^ der Widerstand w=0*935ß.
Demnach ergaben sich die beobachteten t aus: log r zu 0* 7105—
— 4-1- log X. Zur Berechnung der r^ diente die Differenz-
methode, indem, wenn Ar die Differenz von zwei aufeinander
folgender Werte der t — und ebenso M^ und M^ zwei auf-
einander folgende Momente — darstellt, sich t) ergab, nach
der Formel:
logT] = \ogäz — log [Ml — Ml] — 0-2910'^ 12.
Die erhaltenen Werte der y) sinken und steigen je nach der
Belastung und geben als Mittelwert: 7) = 4* 105 X 10"*. Mit
diesem Mittelwerte sind die t^ berechnet worden, die ersichtlich
eine gute Übereinstimmung mit den beobachteten t aufweisen.
Thermische Änderung des Torsionsmoduls.
1253
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Thermische Änderung des Torsionsmoduls.
1255
Die Abweichung zwischen Rechnung (t^) und Beob-
achtung (t) bleibt unter 3 7o ^^^ ist bald positiv, bald negativ.
Auch sieht man ein, daß und warum dieselbe sich anders
verhält wie die Abweichungen der verschiedenen t) von ihrem
Mittelwerte. Wir haben eben: log t* = 0-2910 — 12 + log
4- 105 X 10"* 4- log (M^ — Ml), abhängig von M^, während in
der obigen Formel für log yj die zwei benachbarten M^ und M^
auftreten.
Ein zweiter Nickelstab, ebenfalls chemisch rein, mit der
Dicke f r= 1 • 950 mm gab bei den Torsionsbeobachtungen
mit fc =: 7 • 5* und / = 1 54 den Torsionsmodul F = 8630 kg/mm*.
Bei den Temperaturbeobachtungen war die Schwingungsdauer
4-32", R = 1987, w z= 0*700 und logt = 0^5469— 4 -h log X.
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Die Diflferenzmethode ergab für tj X 10* die Werte; 4*00.
4-16, 4-82, 2-81 und 4-31, also im Mittel 4*02, das ist einen
analogen Wert wie früher. Die letzte Kolonne bringt die
mit diesem t) berechneten t^ (bleibendes Anhängegewicht 25^
nach der Formel: log t = log tj + 0-9982 — 13 -h log (AP —MD
Kupfer.
Dicke 2r = 2'446 mm, also r = 0' 1223 cm; b = 8-90:
C = 0-093; Torsionsmodul F: Ein Stück von der Länge von
160 mm wurde im Mittel aus zehn Versuchen tortiert um
^zz6-90'*, wenn Ol kg am Arme a z=z 105-5 tnm wirkten.
Hiemit gibt die Formel (3) für F = 3989 kg/mm', während
Schaefer hiefür 3967 kg/mm' hat.
Bei den Beobachtungen am 28. September 1907 war die
Schwingungsdauer 3-88", der Widerstand fv m 0*735 Ohm, so
daß die beobachteten t sich ergaben aus:
logt = 0-6614 — 4 -+- logX
In der folgenden Tabelle sind nur die Ausschläge beim
Abheben angegeben.
Die Berechnung des tj erfolgte nach der Formel:
log Y) = log T — [log (AP — iWJ) + 0-8109 — 13],
wobei Ml = 0-457 X 10^* war.
Thermische Änderung des Torsionsmoduls.
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während Schaefer hiefiir die etwas kleinere Zahl 4*489 X 10"*
fand.
Die größte Abweichung zwischen Rechnung und Beob-
achtung findet sich bei der letzten Beobachtung; wird diese
ausgelassen, so folgt als Mittel t) =: 4*55 X 10^* und die Ober*
einstimmung wird nun eine noch bessere.
Derselbe Stab, später noch einmal untersucht, ergab:
Schwingungsdauer 4 • 46'', i? = 2 1 42, w = 0 • 7 1 5, log T = 0 • 5235
— 4 + logX
Erster
Erste
Distanz
Zweite
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10-7
12-29
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Vortages, dafl sie für die Konstanz der Erscheinung sprechen.
Thermische Änderung des Torsionsmoduls. 1 250
Gold.
Chemisch rein, von W. C. Heraeus in Hanau frisch*
bezogen. Mittlere Dicke 2r= 1-6917, Dichte 19-3 und spe-
zifische Wärme 0-0316. Der Stab wurde nach Einlöten des
Thermoelementes 40mal gekocht und abgekühlt, so daß der
Normalzustand wohl erreicht war. Um die Grenze der voll-
kommenen Elastizität nicht zu überschreiten, wurden nur
kleine Gewichte — Maximum 50 g — angehängt. Man erhielt
dann konstant für ein Zulegegewicht von /; = 10*5 ^z^
0-0105 i^ den Torsionswinkel bz=4'50^, woraus sich nach
Formel (3) für / = 156 der Torsionsmodul F des Goldes ergibt zu
F = 2750 kg/mfH\
Die Beobachtungen vom 9. Oktober 1907 über die Tempe-
raturänderungen T bei der Torsion sind in der folgenden Tabelle
wiedergegeben, wobei wiederum nur die Ausschläge beim
Abheben notiert sind, und stets 10^ angehängt blieben. Zur
1 dF
Berechnung des t] ^=-^—rf- diente die Gieichung:
log T] = log T — [log (A£> — JlfJ) H- 0-0661 - 11];
dabei war:
M=z 10-6 X 980 X (p + 10)
und
AfJ = (10-6 X 981 X 10)»= 1010 X 1-082.
Bei den Beobachtungen blieben stets 10^ an dem dünnen,
um den Umfang der Scheibe gelegten feinen, aber festen
Faden hängen. Es war ferner der Widerstand fv = 0*760 Ohm
und die Schwingungsdauer 4-40", wonach sich das beob-
achtete t berechnet aus: logt = 0-5665 — 4 -*- logX,
1 Der bei der Biegung gebrauchte Goldstiib konnte leider nicht auch zur
Torsion verwendet werden, was im Interesse der Gleichheit des Materials wohl
wünschenswert gewesen wäre.
Sitsb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd.. Abt. IIa. 84
1260
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Thermische Änderung des Torsionsmoduls. 1261
Platin.
Chemisch rein; mittlere Dicke 2r =z 1-50 fnm; Dichte
21-4 und spezifische Wärme 0*032. Der Stab wurde 30mal
gekocht und abgekühlt und nur schwach — 50 ^ Maximal-
gewicht — tortiert. Da der Stab nur kurz war, so wurde er
in dicke Messingzylinder eingelötet; die zu tortierende Länge
war dann / rr 74 • Qfnm und der dem Zulegegewicht p:^Q'01kig
entsprechende Torsionswinkel ^ =: 1 -725'. Hiemit findet man
— Formel (3) — den Torsionsmodul F = 5280 kg/mm'. Die
folgende Tabelle bringt die Beobachtungen über die Erwär-
mungen t bei der Detorsion; die Abkühlungen bei Anhängen
der Gewichte — der Torsion — sind nicht notiert. Bezeichnet
wiederum At die Differenz von zwei aufeinander folgenden
Werten von t und ebenso Auf* = ilf? — Äff die Differenz der
Quadrate der zugehörigen Momente, so berechnet sich tj aus
der Gleichung:
Ar
logtizulog h 11—0-0456.
AM*
Beobachtungen vom 11. Oktober 1907 am Platinstab:
Dicke 1-50. Es blieben stets 10^ angehängt und stellt/? das
Zulegegewicht vor. Es war der Widerstand w =i 0 • 797 und
die Schwingungsdauer 4'43'^ wonach sich das beobachteter
berechnet aus: log tz=0*6013 — 4-4- \ogX — die M} sind die-
selben wie bei Gold.
84*
1262
A. WaSffluth,
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Thermische Änderung des Torsionsmoduls.
1263
Palladium.
Chemisch rein, von Heraeus in Hanau bezogen; Dicke
1 • 75 mm. Nach dem Einlöten des Thermoelementes wurde der
Stab 30 mal gekocht und abgekühlt. Wurde hierauf dieser Stab
in einer Länge von 157 mm durch je ein Zulegegewicht von 10^
tortiert, so ergab sich ein Drehungswinkel & = 2'02* (im Mittel).
Hieraus berechnet sich der Torsionsmodul F=: 5103 i^/ffif»',
während Seh aefer hiefür die etwas kleinere Zahl 461 3-7 i^/wnf*
erhielt. Schon bei diesen Versuchen hatte sich ergeben, daß bei
einem Anhängegewicht von 80^ die Grenzen der vollkommenen
Elastizität überschritten wurden. Noch deutlicher zeigten dies
die Versuche über die Temperaturänderungen beim Tortieren,
Dieselben wurden erst ausgeführt, nachdem der Stab fünf Tage
wohlverwahrt stehen geblieben war; die Abweichung von
der Ruhelage (bei offenem Strom) war dann in der Tat sehr
gering, d. h. der stets vorhandene Thermostrom sehr klein.
Mit der Schwingungsdauer 4-38", der thermoelektri-
schen Konstante R rr 2042 • 5, dem gesamten Widerstand
fv = 0*685, ergab sich zur Berechnung der beobachteten
Erwärmungen t — es sind aus bekannten Gründen nur die
Ablenkungen beim Abheben (Detorsion) notiert — die Be-
ziehung: log T z= 0-5256 — 4 4- log X,
bleiben
stets
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0-9
0-5
1-06
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0-5
1-13
1-09
0-9
0-7
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0-8
0-6
1-66
1-67
1-5
1-4
1-69
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0-0O05601*
10X2-9
-4
10X2 -0-*
1204
A. WaSmuth,
Dabei ist für p = oOg, Ml = 10^^ X 0-2704 und für
p=z75g,Mlz=i 10^^ X 0-6084 zu nehmen. Man erhält so für
7j die Werte: 2-9 X 10"* und 2*0 X 10"*. Der rasche Abfall
dieser Beträge weist darauf hin, daß schon bei 75^ als
Anhängegevvicht die Grenzen der vollkommenen Elastizität
überschritten wurden. Wir haben demnach nur den bei
kleinster Belastung (50^) geltenden Wert zu nehmen, d. i.
für Palladium Y)=::10"*X 2 -9. Schaefer hat hiefür 10-*x2-696.
Kommen, wie beim Silber und Aluminium, neben den
geringen Grenzen der vollkommenen Elastizität noch ela-
stische Nachwirkungen dazu, so versagt die Methode,
da die Voraussetzungen der Theorie fehlen. Mehrfache Ver-
suche bestätigten dies.
Die Resultate aller Versuche bringt die nachfolgende Tabelle,
wobei zu jedem t] r= -— - — und s = Elastizitäts-
^ t dT E äT
modul E — der Faktor 10"* hinzuzudenken ist Die Daten
anderer Beobachter sind den Tabellen von Landolt-Börnstein
1905, Seite 43 u. fg. entnommen; es bedeutet: S (Schaefer),
K (Katzenelsohn), G (Gray) und V (Voigt).
Stahl . . .
P=
8014
8070
7965
V
G
Nickel . . .
F— 8137-
7820
0m
i
V
Kupfer. . .
F— 3989
3587
4199
K
G
Gold
F=2750
2850
V
Platin ...
F= 5280
Palladium
F— 5103
4613-
7S
1=3-22
1=4105
)=4*55
Yi=4-37
71=2-22
Yj=2-9
8=2-64
£=3-247
t=3o9
6=4 09
8=1-07
j=2-05
•^=
3035 S
Eisen,
310 K
Eisen
3-38 G
Stahl
■/]=3-28 S
•rj=4-489 S
3-65 K
1-60 G?
•/]=3014S
2-85 K
•r|=l-78 S
7-2 K?
•r|=2-696 S
:2-25S
Eisen
2-33 K
Eisen
2-47 G
Stahl
8=2 463 S
8=3-627 S
K=4-36 G
8=0-732
8=1-979 S
Thermische Änderung des Torsionsmoduls. 1 265
Die Betrachtung dieser Zahlen zeigt, daß die Werte von yj
und s, wie sie nach meinem Verfahren aus den Torsions- und
Biegungsversuchen erhalten wurden, sich nicht sehr weit
entfernen von jenen, wie sie andere Beobachter nach völlig
verschiedenen Methoden gefunden haben. Finden sich nach
dem thermodynamischen Verfahren größere v), so gehören stets
auch größere s dazu, so daß das Verhältnis - - sich wenig
ändert.
Ordnet man die Metalle nach den steigenden Werten der t),
so resultiert die Reihe: Platin, Palladium, Stahl, Nickel, Gold und
Kupfer, wie sie auch Schaefer erhielt.
An den Versuchen hat mit Erfolg und regem Eifer Herr
Dr. R. Wagner teilgenommen.
1267
Über einige Zusammenhänge zwischen
speziellen Quartiken
von
Heinrich Wielcitner in Speyer.
(Mit 8 Toxtfipiren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 14. November 1907.)
Die letzten Jahre haben die mathematische Literatur um
zwei Werke über spezielle Kurven bereichert,^ von denen
besonders das von G. Loria, soweit man dies von einem ein*
zelnen Buche überhaupt verlangen kann, eine umfassende
Übersicht über das weitverzweigte Gebiet der speziellen ebenen
Kurven gibt. Die meisten von den vielen bekannten und mit
Namen versehenen Kurven verdanken ihre Entstehung irgend
einem besonderen Anlaß und hängen oft mit anderen gleicher
Ordnung, ja gleichen Geschlechts in keiner Weise merkbar
zusammen. Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, einige dieser
Kurven einander näher zu bringen. Dies soll im folgenden für
drei Familien von Kurven vierter Ordnung geschehen.
I.
In diesem ersten Abschnitte soll ein engerer Zusammen-
hang zwischen den Booth'schen Lemniskaten und den
spirischen Linien des Perseus einerseits, zwischen den
PascaTschen Schnecken und Cartesischen Ovalen
andrerseits, der zudem für beide Gattungen derselbe ist, nach-
1 G. Loria, Spezieile algebraische und transzendente ebene Kurven.
Leipzig, B. G. Teubner, 1902. — F. G. Teixeira, Tratado de las curvas
especiales notables Mem. Real Acad. cienc. Madrid, t. XXII, 1905.
1268 H. Wieleitner,
gewiesen werden. Sowohl Booth'sche Lemniskaten als Pascal-
sche Schnecken sind Fußpunktskurven von Kegelschnitten.
Die allgemeine Fußpunktskurve eines Mittelpunktkegelschnittes
nun ist eine allgemeine bizi^kulare Quartik mit Doppelpunkt.
Dies dürfte bekannt sein. Sie gehört daher zu den sogenannten
»Potenzkurven«, d. h. wenn O irgend ein Punkt der Ebene
ist, & eine beliebige Gerade durch O und Pj, Pg, Pg, P^ die vier
Schnittpunkte von & mit der Kurve, so ist
OPi . OPg . OP5 . OP^ = Const (I)
Diese Eigenschaft haben alle w-fach zirkulären Kurven 2ifter
Ordnung.^
Man kann nun — das ist bis jetzt, wie es scheint, nicht
geschehen — nach dem Orte aller Punkte P der Ebene fragen,
die in Bezug auf eine Potenzkurve gleiche Potenz haben.
P wird dann eine Kurve durchlaufen, die wir »Kurve gleicher
Potenz« nennen wollen. Ist nun
(i=f{x,y) = 0 (2)
die Gleichung der Potenzkurve 6, so erhält man den Wert der
Potenz für einen Punkt P mit den Koordinaten S, tj, indem man
in (2) x^ y durch S, i] ersetzt. Dies ergibt eine leichte Ober-
legung. Ist der Wert/(S,ri) = 11 und wir lassen $, ij variieren,
so stellt
%^f(x,y)-Wz:zQ (3)
eine Kurve gleicher Potenz II in Bezug auf E dar. Die
Kurven S) treffen die Kurven (£ nur in den imaginären Kreis-
punkten, durch die sie in derselben Richtung wie C gehen.
Für kleine Werte von 11 läßt sich daher die Gestalt der Kurven 5)
angeben, indem man die Konturen von ®, ohne (£ zu über-
schreiten, verfolgt und alle Knoten löst oder im Falle isolierter
1 J. Petersen, Tids. Math. (2) 5, 1869; später ausführliche Untersuchung
über d«n GegensUnd F. P. Ruffini, Mem. Acc Bologna (4) 10^ 1890; neuer-
dings hat das Problem gestellt S. Gondelfinger, Aiich. Math. Phys. (3) 2,
1902, 356 (Antworten ebenda 5, 84, 172, 309; 4, 352).
Zusammeahänge zwischen Quartiken.
1269
Punkte diese entweder verschwinden läßt oder durch kleine
Ovale ersetzt.^
Für die allgemeine Fußpunktskurve eines Mittelpunkt-
kegelschnittes ist 2) nach diesen Darlegungen eine allgemeine
bizirkulare Quartik. Nimmt man den Mittelpunkt des Kegel*
Schnittes als Pol, so wird die Fußpunktskurve zur Booth'schen
Lemniskate. Sie hat z. B. für die Ellipse mit den Halbachsen
a, b die Gleichung
{x^-^y^^ — (a^x^-^-b^y^ = 0.
(4)
Fig. 1.
Die Kurven gleicher Potenz bilden dann (bei variablem II)
das System
{x^^yy — (a'^x^-^-by^ n: W. (5)
Dies sind die spirischen Linien des Perseus. Denn sie sind
bizirkular und haben zwei Symmetrieachsen. Im übrigen ist
es auch leicht, Gleichung (5) mit der sonst für diese Kurven
gegebenen Darstellung zu identifizieren. Alle Kurven (5) haben
1 Vagi, den § 28 von des Veriassers »Theorie der ebenen algebraischen
Kurvsn höherer Ordnung«, Leipzig, G. J. Göschen, 1905 (Sammlung Schubert,
XLIII).
1270 H. Wieleitner,
die außerordentlichen Brennpunkte gemeinsam, die auf den
1 f-:r—r^ 1
Achsen in den Entfernungen ± — \/a^ — b-, ± — \Jh^^a^
liegen. Für ^^ < 0 ist der zu Grunde gelegte Kegelschnitt eine
Hyperbel; insbesondere wird (4) für &* = — a* die Bernoulli-
sche Lemniskate und (5) das System der Cassinischen
Kurven. Fig. 1 gibt das System (5) für den elliptischen Fall.
Es enthält zwei reelle und zwei imaginäre Kreise. Die reellen
Schnittpunkte der letzteren treten auf der Hauptachse als
Grenzpunkte der reellen Kurven auf.
Nimmt man den Pol beliebig, legt aber als Kegelschnitt
einen Kreis zu Grunde, so wird die Fußpunktskurve eine
PascaVsche Schnecke. Diese hat die Gleichung
(x^^y'^ — 2 rxy — /« {x'-^y^ = 0. (6)
Hiebei sind r und / Radius und konstantes Zwischenstück
für die bekannte ^konchoidale« Erzeugung. Die Kurven gleicher
Potenz bilden das System
{x^^y^ — 2 rxf — /* (x^^y^ = U, (7)
Das sind Cartesische Ovale (im weiteren Sinne), denn sie
haben eine Symmetrieachse und in den Kreispunkten Spitzen
wie die Pascal'schen Schnecken. Kreise sind nicht in dem
System (7) enthalten, wohl aber außer der zu Grunde gelegten
noch zwei weitere PascaFsche Schnecken, deren eine, wenn
die ursprüngliche einen Knoten hatte, eine Form mit isoliertem
Punkt ist, während die andere im Reellen nur den isolierten
Punkt besitzt. Diese isolierten Punkte bilden hier die Grenz-
punkte der reellen Ovale. Fig. 2 gibt das System wieder. Es
konnten aber einige Kurven wegen zu großer Annäherung an
die ursprüngliche Pascal'sche Schnecke nur angedeutet werden.
Alle Kurven haben den einen außerordentlichen Brennpunkt,
den Schnittpunkt der beiden Spitzentangenten gemeinsam.
Dies ist der Mittelpunkt der der konchoidalen Erzeugung aller
drei Pascarschen Schnecken zu Grunde liegenden Kreise.
Bemerkung. Der Vollständigkeit wegen sei noch angemerkt, d«8 alle
Fu0punktskurven von Kegelschnitten auf eine sehr einfache Weise gezeichnet
werden können. Man braucht nämlich nur von einem bestimmten Pol Q i»^
Zusammenhänge zwischen Quaitiken.
1271
die Radienvektoren zweier Kreise ^ und ^ zu addieren, von denen ^ durch Q
geht (»kissoidalec Erzeugung). Ist der Mittelpunkt Af von it' beliebig, so ergibt
sich eine allgemeine Fufipunktskurve einer Ellipse oder Hyperbel; ist Af der
Gegenpunkt von Q auf St, so entsteht eine Booth'sche Lemniskate und, wenn M
mit Q zusammenfällt, eine Pascal'sche Schnecke. Artet St' in eine Gerade aus,
so erzeugt man auf dieselbe Weise die Fufipunktskurven der Parabel (Strophoide,
Sluse'sche Konchoide, Kissoide des Diokles u. s. w.).^
Fig. 2.
n.
Die Kurve, die wir in diesem Abschnitt behandeln wollen,
steht in Loria's Werk ganz isoliert. Trotzdem ist sie schon
durch ihren Erfinder bemerkenswert; wir meinen die Dürer-
sche Muschellinie. Auch M. Cantor führt diese Kurve auf
1 In den beiden oben genannten Werken ist dies nicht zusammenfassend
ausgesprochen. Für die allgemeine bizirkulare rationale Quartik wurde die
kissoidale Erzeugung überhaupt erst in den Ann. di mat. (3) //, 1005, von
Teixeira nachgewiesen. Dort ist aber nicht erwähnt, dafi dies Fuflpunkts-
kurven von Kegelschnitten sind. Der Verfasser hatte dieselbe Erzeugung übrigens
gefunden, bevor ihm Teixeira's Abhandlung bekannt geworden war.
1272 H. Wicleitncr,
in dem 2. Bande seiner »Geschichte der Mathematik« (2. Aufl.,
Leipzig 1900, p. 461) und sagt, die Muschellinie Dürer's sei
»wohl zu unterscheiden von der Konchoide der Alten«, d. h. der
Konchoide des Nikomedes. Gerade zwischen diesen beiden
Kurven aber wollen wir einen sehr engen Zusammenhang
nachweisen, indem wir zeigen, daß beide demselben Bewegungs-
vorgang entspringen, beide in einem weiteren Sinne »Kon-
choiden der Geraden« sind. Die Konchoide des Nikomedes
wird bekanntlich beschrieben von einem festen Punkte P einer
Ebene F, wenn diese mit einem anderen festen Punkte Q
{QP = l) auf einer Geraden ® einer Ebene T' gleitet, während
die Gerade PQ = 2 immer durch den festen Punkt F der
Ebene T' geht. Ist FOJl® und FO •=. a, so ist ihre Gleichung
in Bezug auf O als Anfangspunkt
^2y — {y^ay (/^ —jk^. (l)
Die Konchoiden des Nikomedes sind aber nur spezielle
Bahnkurven dieser Bewegung, da ihr erzeugender Punkt P auf
der die Bewegung bestimmenden Geraden 2 liegt. Alle übrigen
Punkte R der Ebene F beschreiben ebenfalls rationale Quartiken,
die man in der Kinematik die Koppelkurven des zentrischen
Schleifschiebergetriebes nennt, die wir aber hier Heber »schiefe
Konchoiden der Geraden« heißen wollen.^ Indem wir von
der Bewegung der beiden Ebenen aufeinander absehen, können
wir nämlich die Erzeugung einer solchen schiefen Konchoide
kürzer folgendermaßen ausdrücken (vergl. Fig. 3): Es ist eine
Gerade @ gegeben und im Abstände a von ihr ein Punkt F.
Ein konstanter Winkel o) soll sich so bewegen, daß sein einer
Schenkel immer durch jFgeht, während sein Scheitel Q auf @
gleitet Dann beschreibt ein fester Punkt R des anderen
Schenkels {QR = T) eine schiefe Konchoide der Geraden. Wird
CO zz 0 oder 2iü, so ergibt sich die Konchoide des Nikomedes,
1 Siehe z. B. F. Ebner, Leitfaden der technisch wichtigen Kurven, Leipzig.
Teubner, 1906, p. 127 fr. Dort wird die Bewegung ebenfiills als »koncboidiscbe«
bezeichnet. Übrigens hat schon de la Hire die Bezeichnung »Konchoide«
in unserem Sinne angewendet in der Abhandlung »Des conchoides ea geoer«!«,
Mem. Ac. Sc. 1708 (Paris 1730) p. 32 bis 60.
Zusammenhänge zwischen Quartiken.
1273
während die Dürer'sche Muschellinie für <ö = — entsteht. Dies
4
scheint bisher unbemerkt geblieben zu sein. Man erhält für den
allgemeinen Fall, wenn man den variablen Winkel OQF mit e
bezeichnet
X Z=Z a ctg 8 — / cos (ü)-|-8)
y •=. — /sin (w+e),
woraus durch Elimination von s die Gleichung entsteht
(2)
[xy — (y*+ay— l^) tg o)]» = (x tg (o -4-jk+ ay (P —y^ (3)
Fig. 3.
oder in sofort verständlichen Symbolen
(3*)
Die Kurve hat einen Knoten im unendlich fernen Punkt
der ;r-Achse, außerdem zwei weitere Doppelpunkte, wo die
Gerade Sl die Hyperbel ^ schneidet. Die Tangenten des un-
endlich fernen Knotens (Asymptoten) sind ^^ := ± / sin co,
während die beiden Parallelen y z=zdtl horizontale Tangenten
sind, zwischen denen die Kurve liegt
1274 H. Wieleitncr,
Für CO = 0 geht (3) in der Tat in (1) über; f ür « =: ~
ergibt sich
(xy —y^ — ay+iy = (x^y^a)^ (/« —y^, (4)
welche Gleichung sich leicht mit der sonst für die Dürer'sche
Muschellinie gegebenen identifizieren liefie. Wir wollen die
Identität aber an der von Dürer selbst mitgeteilten Erzeugung
erweisen. Dürer gibt zwei senkrechte Achsen (durch O') sowie
auf der einen den festen Punkt A (ACy = 2a). Dann läßt er
eine Gerade sich so bewegen, daß immer AQ =: C/N ist Ein
Punkt R von QN beschreibt die Kurve, wenn Q auf A(y gleitet*
Zieht man nun AA' unter 45* gegen A(y und nennt F den
Fußpunkt des Lotes von CX auf >L4', so ist ANFA' ^ AOQF
und A OFN ^ A AFQ, also A NFQ gleichschenkelig-recht-
IC
winklig, d. h. <3C FQN = cö zz — . Damit ist die eine Erzeugung
4
auf die andere zurückgeführt Es ist nur AO = OF m Off — <*
zu nehmen. Die Gerade QN hüllt bekanntlich eine Parabel mit
F als Brennpunkt ein.
Unter den Kurven (3) befindet sich außer der Konchoide
des Nikomedes noch eine symmetrische Form, für« =: — ,
die man »Orthokonchoide der Geraden«* nennen kann. Ihre
Gleichung lautet
(y2^ay — l^^ = x\l^ -y^. (5)
Bemerkung. Da in den beiden eingangs zitierten Werken der Begriff
der schiefen Konchoiden überhaupt nicht erwähnt ist, sei hier ergänzend bei-
gefügt, daß die schiefen Konchoiden des Kreises (mit dem Pol auf dem Kreise)
mit den gewöhnlichen Konchoiden, d. h. den Pascal'schen Schnecken identisch
sind. Dies geht aus dem elementaren Satze vom Peripheriewinkel hervor.
1 Siehe die »Under^'eysung der messung mit zirckel und richtscheyt«,
Nürnberg 1525; dazu vergl. v. Braunmühl »Historische Studie über die
organische Erzeugung ebener Kurven« im Katalog matb.-phys. Modelle etc.,
München 1892, p. 62; S. Günther, »Albrecht Dürer einer der Begründer der
modernen Kurvenlehre«, Bibl. math. 1886, p. 139.
2 J. Neuberg, Mem. Soc. Sc. Liege (3) 5, Nr. 7 »Sur les tignes tracees
par le curvigraphe Victor Lebeau«.
Zusammenhange zwischen Quartiken. 1 275
in.
In demselben Kapitel, in welchem Loria die Dürer'sche
Muschellinie behandelt, führt er noch eine andere rationale^
zirkuläre Quartik auf, deren einer Doppelpunkt unendlich fern
liegt, die aber mit der Muschellinie keinerlei Zusammenhang
aufweist, d. i. die Trisekante von P. Delanges. Diese wollen
wir als Spezialfall aus einer Konstruktion ableiten, die zugleich
noch einige weitere, ebenfalls ganz vereinzelt stehende rationale,
Zirkulare Quartiken bei anderer Spezialisierung der Konstanten
liefert, vor allem das sogenannte Zweihorn (Kremphut) und
die Kappa-Kurve.
Die angedeutete Konstruktion ist die folgende:^ Es sind
zwei Kreise D und Ä mit den Mittelpunkten 0 und jBT gegeben.
Die Radien seien beziehungsweise a und 2^, die Mittelpunkts-
entfemung w. Zu jedem Punkte A auf Ä suche man die Polare
in Bezug auf D, die man mit der durch A zu OK gezogenen
Parallele in P zum Schnitt bringt. Dann beschreibt P eine
Kurve, deren Gleichung (für O als Ursprung und OK als
r-Achse) ist
(x^'\-my—aY^y^{x^ — b^ = 0. (1)
Diese Kurve hat für alle Werte von a, b, m folgende Eigen-
schaften. Der unendlich ferne Punkt der_y-Achse ist ein Doppel-
punkt mit den beiden Tangenten
^ = ± \Jb^—fn\ (2)
ferner sind die beiden auf der ^-Achse liegenden Punkte von D
Doppelpunkte der Kurve. Sie haben zu Tangenten die Geraden-
paare
y __ 2a
x-±La ni± \Jb^ — ä^
(3)
Die Kurve geht immer durch die Schnittpunkte von O
und Ä. Sie ist im Endlichen geschlossen, wenn b < m\
1 Die leicht zu zeichnenden Figuren zu diesem Abschnitt überlassen wir
dem Leser.
Sitzb. d. roathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 85
1276 H. Wieleitner,
für b =zfn hat sie den unendlich fernen Punkt der ^'-Achse zur
Spitze. Die beiden endlichen Doppelpunkte sind Knoten, solange
b > Uy Spitzen für & = a und isolierte Punkte für b <c a. Daß
X := ±b die die Kurve einschließenden vertikalen Tangenten
sind, erhellt schon aus der Erzeugung.
Die oben erwähnten Spezialisierungen sind nun folgende.
Sind die beiden Kreise 0 und ffi konzentrisch (w = 0) und
zugleich b =, a\/2, so erhalten wir die Trisekante mit der
Gleichung
{x'-hy^ {2a^~x'^ — a* = 0. (4)
Sind die beiden Kreise O und St gleich (2^ = a) und
berühren sich außerdem (m •=: 2a), so entsteht das Zweihorr
mit der Gleichung
(x^+y^+4ay — a^ {x^ — a^ + 4ay = 0. (5)
Nun kann aber a auch gleich^Null werden. Dann rücken
die zwei endlichen Doppelpunkte zusammen und es entsteh
auf jeden Fall ein Berührungsknoten in 0. Die Gleichung lautet
{x'-^-myY'^'y^x' — b') = 0. (6)
Diese läßt sich, wenn man w 4- \/w^ — ^* = {t,
m — Vw" — b^ =: V setzt, in die Form bringen
2x= V->'(jy+2|x) -h \/—y(jy+2^). (6*)
Dies ist demnach eine Familie von Quartiken, die man
nach Cayley »polyzomal« nennt. Aus der Gleichung (6*)
ersieht man, daß diese Kurven aus zwei sich in 0 berührenden
Kreisen konstruiert werden können mit den Gleichungen
^2-1-^4-2 ^y = 0, ^«+y +2 yy = 0, (7)
indem man zu je zwei zur selben Ordinate gehörigen Abszissen
das arithmetische Mittel nimmt. Diese Kreise und daher die
Konstruktion sind aber nur reell, wenn die Kurve sich im End-
Zusammenhänge zwischen Quartiken. 1277
liehen schließt {m > h). Hiezu gehört z. B. der Fall bz=: a \/2,
3
w zu a, der die Kurve gibt
2
2x=z \/y(2a— j/) + V>(4a— j^), (8)
die Loria (p. 180) als aus Cramer's »Introduction ä l'analyse
des lignes courbes algebriques« stammend zitiert.
Zur zweiten Gattung (m < b) gehört der Fall w =z 0. Die
Kurve hat in diesem Falle die Gleichung
x^ (x^-{^y^ — b'Y = 0- (9)
Das ist die sogenannte Kappa-Kurve. Sie hat die Polar-
gleichung
• 9 = bctgff. (9*)
Die Geraden x =z dzb sind Wendetangenten im unendlich
fernen Knoten.^ Daß die Kappa-Kurve eine Polyzomalkurve ist,
scheint nirgends erwähnt zu sein. Die zugehörige Gleichungs-
form lautet
2x = V—y (^+2 bi) + \/—y Cy—2 bi). (9t)
Auf einige naheliegende ]^ Verallgemeinerungen unserer
Konstruktion, die nicht - symmetrische oder nicht - zirkuläre
rationale Quartiken liefern würden, wollen wir nicht eingehen.
Wir wollen nur den allgemeinen Charakter der Transformation
angeben. Es entspricht dem Kreise ft ein Kegelschnitt 6 als
polarreziprok in Bezug auf O. Dem Tangentensystem von ®
wird das Strahlbüschel durch den unendlich fernen Punkt der
^'-Achse so zugeordnet, daß jedem Strahl dieses Büschels zwei
1 Hienach beruht wohl die Bemerkung Loria's (p. 182), daß die Kappa-
Kurve vom projektivischen Standpunkte aus von derKonchoide des Nikomedes
nicht verschieden sei, auf einem Versehen. Von V. Retali wurde die Kappa-
Kurve durch eine besondere Transformation abgeleitet, die im allgemeinen
Kegelschnitte in rationale Quartiken mit einem Inflexionsknoten überfuhrt Auch
alle bekannten speziellen Kubiken mit Doppelpunkt erhält man durch dieselbe
Konstruktion. Siehe die Abhandlung »Sur une transformation geometrique«,
Mem. Soc. Sc. Liege (3) 2, 1900.
85*
12 78 H. Wieleitner» Zusammenhänge zwischen Quartiken.
Tangenten von 6, jeder Tangente von S aber nur ein Strahl
des Büschels entspricht. Es liegt also eine (l,2)-Korrespondenz
zwischen einem Strahlenbüschel erster und einem zweiter
Ordnung vor. Indem man die Koinzidenzpunkte auf einer
beliebigen Geraden sucht, findet man mittels des Chasles'schen
Korrespondenzprinzipes, daß die Ordnung des Erzeugnisses 4
sein muß. Da die Punkte der erzeugten Kurve aber eindeutig
den Tangenten des Kegelschnittes ® zugeordnet sind, muß die
erzeugte Quartik wie der Kegelschnitt vom Geschlechte Null
sein, also drei Doppelpunkte haben. Diese sind bei ganz allge-
meiner Lage das Zentrum des linearen Büschels und die
Berührungspunkte der von diesem Zentrum an 0 gelegten
Tangenten. St und O mögen dabei irgend welche Kegel-
schnitte sein.
1
Defant A., Über die Beziehung zwischen Druck und Temperatur bei mit der
Höhe variablen Tempeniturgradienten.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1 181 — 1 198.
Luftdruck, Über die Beziehung zwischen Druck und Temperatur bei mit der
Höhe variablen Temperaturgradienten.
Defant A., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116(1907),
p. 1181 -1198.
Temperaturgradient, Über die Beziehung zwischen Druck und Temperatur bei
mit der Höhe variablen Temperaturgradienten.
Defant A., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116(1907),
p. 1181—1198.
Lichtenfels O., v., Ober eine Cubaturformel.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116(1907), p 1199-1202.
Cubatur, durch die verallgemeinerte Guldin*sche Formel.
Lichtenfels O., v., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16
(1907), p. 1199—1202.
Guldin'.sche Formel, Verallgemeinerung derselben.
Lichtenfels 0., v., Sitz. Ber. der Wiener Akad . IIa. Abt., Bd. 1 16
(1907), p. 1199—1202.
Sicgl K., Über das Emissionsvermögen von Gesteinen, Wasser und Eis.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 1203-1230.
Emissionsvermögen, Über das — vun Gesteinen, Wasser und Eis.
Siegl K., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1203—1230
Gesteine, Über das Emissionsvermögen derselben.
Siegl K., Sitz. Ber. der Wiener Akad., Ha. Abt, Bd. 116.(1007),
p. 1203—1230.
Abt. IIa, Oktober.
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,{7i"ii; Uli .bü .JdA .jjU ,.b«;}IA vjn'jrU i*jb .tjH .i:iifi ,.>! 1j,-j.c^.
.(TOß!) ^«II ba .JdA .jjII ..bß>IA lon-^IV/ 19b .loM .sti2',.>J \-i^ji'<i
Wasser, Über das Emissionsvermögen desselben.
Siegl K., Sitz. Ber. der Wiener Akad., Ha. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1203—1230.
Eis, Über das Emissionsvermögen desselben.
Siegl K., Sitz. Ber. der Wiener .\kad., Ha. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1203—1230.
P 9 '
.' i i /^ . .S ' . .^ ! ' i [\ ;
Stücker N., Über die Lage der Knotenpunkte in einseitig geschlossenen Röhren.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1231—1243.
•» » r ■ ■*
r • ■•
. ' ^dluuiUiiAk^ilidteti, Über. <Jip Uigc der5>t)lbeii in tiif^eUig gesc^>h)ssenen
Röhren.
Stücker N., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1231—1243.
WaOmuth A., Über die Bestimmung der thermischen Änderung des Torsions-
moduls aus den Temperaturänderungen bei der Torsion von Stäben.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1245—1265.
«
Torsionsmodul, Bestimmung der thermischen Änderung desselben aus den
Temperaturänderungen bei der Torsion von Stäben.
Waßmuth A., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1245-1265.
Temperaturänderungen bei der Tursion v<jn Stäben; ihic Verwendung zur
«
Bestimmung der thermischen Änderung des Torsionsmoduls.
Waßmuth A., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1245—1265.
Wieleitner H., über einige Zusammenhänge zwischen speziellen Quartikcn.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116(1907), p. 1267-^1278.
Quartiken, spezielle, Zusammenhänge zwischen mehreren solchen Kurven.
Wieleitner H., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1267—1278.
Kurven vierter Ordnung, Zusammenhänge zwischen mehreren speziellen
Quartiken.
Wieleitner H., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. .Abt., Bd. 116
(1907). p. 1267—1278.
« •
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(»Il.bH . ?d/. f;!| ..nß>iA rj.i«>iV/ t^b -ic^Ji .Sli'^ . H t«»i-M') I -ji 7/
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXVI. BAND. IX. HEFT.
ABTEILUNG IIa.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
«•>-
86
1281
Ein einfacher Zusammenhang zwischen
Brechungsexponent, Zähigkeit und Dichte
bei Gasen
von
Dr. E. Lohr.
(Vorgelegt in der Sitzung am 6. Dezember 1907.)
Es ist bekannt, daß bei der Funkenentladung in Gasen das
Produkt aus dem sogenannten kritischen Druck und der
Funkenlänge eine für das betreffende Gas charakteristische
Konstante ist; nennen wir sie q. Es zeigt sich außerdem/ daß
für eine große Anzahl von Gasen annähernd die Beziehung
gilt:
— =z konst., (1)
wobei X die molekulare Weglänge des Gases bedeutet. Es
schien mir naheliegend, zu versuchen, ob es nicht auch eine
einfache Beziehung zwischen q und der wichtigsten elektrischen
Konstante des Gases, der Dielektrizitätskonstante s gäbe. In der
Tat fand ich sofort eine Relation, welche sich aber nur aufrecht-
erhalten ließ, wenn ich dort, wo s wesentlich von dem Quadrat
des Brechungsexponenten abweicht, wie z. B. bei Schwefel-
dioxyd, e durch n^ ersetzte. Ich entschloß mich daher, überall s
mit n^ zu vertauschen.
Die Beziehung, welche ich gefunden habe und welche mit
ähnlicher Annäherung wie Gleichung (1) erfüllt ist, lautet dann
1 J. J. Thomson, >Conduction of electricity through gases«, 1903,
p. 366.
86*
1282 E. Lohr,
(w*— 1). q = konst.
oder auch
(«—1).? = konst. (2)
Aus (1) und (2) aber folgt sofort die neue Gleichung
. - (« — 1).X =: konst.,
oder anders geschrieben:
i«-l).T_^ konst.,
S/I.p
beziehungsweise bei konstantem Druck:
^*'~!1''' = konst. z= K. (3)
Es bedeutet n den Brechungsexponenten, yj die Zähigkeit,
8 die Dichte und p den Druck des Gases.
Ich will in nachfolgenden Tabellen zeigen, wie weit die
Gleichung (3) tatsächlich erfüllt wird. Dabei setze ich für n den
Brechungsindex des Natriumlichtes bei 0** und 760 mtn Druck,
und zwar verwende ich die Werte von Mascart,* um mich
möglichst in allen Fällen einem und demselben Beobachter an-
zuschließen. Wo ich in Ermangelung Mascart'scher Werte
solche anderer Beobachter oder Brechungsexponenten anderer
Lichtarten verwenden muß, wird es in der Tabelle erwähnt.
Die Werte der Brechungsindices differieren bei den verschie-
denen Beobachtern meist nicht allzusehr.
Statt der Größe — L setze ich der Einfachheit halber die
v/s
Zahlenwerte der ihr proportionalen Größe X für 0* und 760 »iw
Druck ein.
Die Werte von \ differieren aber bei den verschiedenen
Beobachtern häufig sehr stark. Man findet z. B.^ für
1 Landolt-Börnstein, Tabellen, 3. Auflage, 1905.
Brechungsexponent bei Gasen. 1 283
Wasserstoff X = 1822. 10-» (Dorn),
X= 1890.10-» (Stefan);
Kohlenoxyd X z= 968. 10-» (Dorn),
\= 650 ..10-» (Stefan);
Athylacetat \= 330. 10"» (L. Meyer und Schu-
mann),
\= 173.10-» (Winkelmann).
Diese herausgegriffenen Beispiele zeigen wohl deutlich,
daß die Werte für X recht unsicher sind, was natürlich auch
bei der Beurteilung der folgenden Tabellen berücksichtigt
werden muß.
Ich entschloß mich, in erster Linie jene X- Werte zu be-
nützen, welche O. E. Meyer in der zweiten Auflage seiner
kinetischen Theorie der Gase bringt. Die Gase, für welche
dort X-Werte angegeben sind, fasse ich in der ersten Tabelle
zusammen. In der zweiten Tabelle folgen Gase, bei welchen
ich die Winkelmann'schen, in der dritten solche, bei welchen
ich die Steudel'schen Werte verwendet habe. Zu beachten ist,
daß bei Gasen, für welche von beiden der letztgenannten
Forscher Beobachtungen vorliegen. Winkelmann stets ver-
hältnismäßig kleine, Steudel hingegen große Werte für X
findet; z. B.:
Winkelmann Steudel
Für Alkohol X z= 259. 10^» X zr 416. 10-»
» Butylalkohol (normal) . . . X = 164. 10*»* X — 282. 10-»
Ich habe in diesen Tabellen alle Gase zusammengestellt,
für welche ich gleichzeitig Werte für n und für X vorfand. Die
Gleichung (3) würde fordern, daß die Zahlen der letzten Spalte
konstant bleiben.
Sieht man von den auffallend kleinen Werten für Helium
und Wasserdampf ab und berücksichtigt man, dafi nach dem,
was über die Steudel'schen X-Werte gesagt wurde, die Zahlen
der Tabelle 3 einer starken Reduktion bedürfen, um mit denen
der vorhergehenden Tabelle 2 vergleichbar zu werden, so kann
man das Resultat mit Rücksicht auf die Unsicherheit der
X-Werte wohl dahin zusammenfassen, daß die Relation (3) für
1284
£. Lobr,
eine große Anzahl von Gasen im. großen und ganzen den
richtigen Zusammenhang der drei Größen n, -q und 8 gibt
Tabelle 1;
Substanz
(«-l).10e
X.IO«
(O.E.Meyer)
K.lOi»
Helium
Wasserdampf ....
Quecksilber
Wasserstoff
Ammoniak
Sauerstoff
Argon«
Stickoxyd
Luft
Stickstoff
Kohlensäure
Äthylen
Chlorwasserstoff . .
Kohlenoxyd
Schweflige Säure. .
Cyan
Stickoxydul
Methan
Chlor
Methylttther
Schwefelwasser-
stoff
Methyl Chlorid . . . .
Äthylchlorid
43
(weiß Rayleigh)
259
556
(rot Le Roux)
139
379
271
2aO (weiß
Ramsay und Travers)
297
293
298
454
723
447
335
686
822
516
444
773
891
623
870
1179
2400
649
344
1780
710
1020
990
940
960
950
650
420
710
950
470
400
650
800
460
410
600
440
360
10*3
16-8
19-1
24-7
26-9
27-6
27-7
27-9
28' 1
28-3
29-5
30-4
31-7
31-a
32-2
32-9
33-5
35-5
85-6
36-5
37-4
38*3
42*4
Brechungsexponent bei Gasen.
1285
Tabelle 2.
Substanz
(„— 1).106
X.108
(Winkelmann)
K.lOio
Methylalkohol
Äthylacetat
Methylacetat
Äthylformiat
Methtylpropionat
Athvläther
623
1408
1138
1191
1473
1544
1823
1485
361
173
224
217
191
197
190
255
22-5 siehe Tab. 3
24-4
25-5
25-8
2ß«l
30-4
34-6
37-9
Benzol
Schwefelkohlenstoff .
Tabelle 3.
Substanz
(ff— 1).10«
X.108
(Steudel)
K. 1010
Methylalkohol
Propyljodid
Methyljodid
Äthylbromid
Chloroform
Chlorkohlenstoff ....
Äthvliodid
623
1782
1273
1223
1464
1779
1008
501
288
408
430
373
314
»
354
31-2 siehe Tab. 2
51-3
52
52-6
54-6
55-9
66-9
Die Formel kann aber aus zwei Gründen nur als vor-
läufige bezeichnet werden.
Man muß nämlich von derartigen Beziehungen verlangen,
dafl ihre Gültigkeit unabhängig sei von speziellen Werten der
Temperatur und des Druckes.
1286 E. Lohr,
Untersuchen wir daraufhin, so ergibt sich, wenn wir die
folgenden Redulctionsformein verwenden:
^""^^^ ifejw (B'Ot,Arago, Lorenz),
1 P
8 = 8
" l+at 760 '
wobei die Indices Null anzeigen, daß sich die betreffende Größe
auf 0° C. und 760 mm Quecksilber bezieht und o der Aus-
dehnungskoeffizient ist
(n-l).i, - K-D.^o ^konst.
\/b .p \/\ . 760
Die Relation ist also innerhalb der Gültigkeitsgrenzen
obiger Formeln nachweisbar unabhängig von Druck und Tem-
peratur, aber auch nur innerhalb dieser Grenzen. Nun ist es ja
bekannt, daß die Formel
den Beobachtungen gar nie genau entspricht und z. B. für
Quecksilber statt dieser die Gleichung
•^ = TQo(l+aO
16
gilt. Darin liegt die eine Schwierigkeit.
Die zweite.Schwierigkeit bildet der Umstand, daß n von
der Lichtart abhängt, während die anderen Größen der Formel
von dieser naturgemäß unabhängig sind. Es kann die Formel
also nur für einen bestimmten Brechungsexponenten streng
richtig sein.
Die natürlichste Annahme bleibt die, welche ich Ursprung-
iich gemacht habe, daß in die Formel nicht der Brechungs-
exponent, sondern die Dielektrizitätskonstante einzugehen hat
Diese Annahme führt aber bei vielen Gasen zu einem unbe-
dingten Widerspruche mit der Erfahrung. Es w&re höchstens
denkbar, daß für genügend hohe Temperaturen die Gleichung
Brechungsexponent bei Gasen. 1 287
-^ ,-J_* =: konst.
wirklich erfüllt ist, da nach einer Bemerkung vonBädeker^
bei Gasen, für welche das MaxweH'sche Gesetz nicht gilt, den-
noch für höhere Temperaturen eine Annäherung der Dielek-
trizitätskonstante an das Quadrat des Brechungsexponenten
stattfindet.
Halten wir an der vorläufigen Form
(» — 1).Y) ,
-^ — ' zz konst.,
beziehungsweise
(n — 1).X m konst.
fest. Es folgt dann sofort, daß in allen Fällen, wo eine Be-
ziehung zwischen X und einer anderen Größe vorhanden ist,
sich auch eine Beziehung zwischen dieser Größe und (« — 1)
ergeben muß.
Ich führe ein Beispiel an: Für die dielektrische Kohäsion
eines Gases'* gilt die Formel
F = a'hbp,
wo a und b Konstante sind und p der Druck des Gases ist.
Die Konstante b ist in vielen Fällen angenähert proportional
der Größe -z- , sie muß daher nach obiger Gleichung auch an-
genähert proportional zu (w— 1) sein. Die folgende Tabelle zeigt,
wie weit dies der Fall ist.
b «-1.10«
Methylalkohol 616 623
Äthylalkohol 800 885
Äthyläther 1000 1544
Aceton 1 100 1 100
Äthylformiat 1110 1191
Methylacetat 1250 1 138
Schwefelkohlenstoff 1510 1485
Wasserdampf 500 259
Benzol 1670 1823
1 Zeitschrift für phys. Chemie, 36, 1901, p. 335.
2 J. J. Thomson, »Conduction. . . «, p. 373.
1288 £. Lobr, Brechungsexponent bei Gasen.
Einen wesentlich neuen und wichtigen Aufschluß gibt die
Formel, wenn man sich der Bedeutung des Brechungsexponenten
erinnert.
Man ersieht sofort, daß die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit des Lichtes in einem Gase nicht
nur eine Funktion der Dichte, sondern auch eine
Funktion der Zähigkeit des Gases ist und daß sie
bis auf vorhandene Unsicherheiten ceteris paribus
umso größer sein wird, je größer die Zähigkeit des
Gases ist. —
Dies betrachte ich als das Hauptergebnis der vorliegenden
Untersuchung.
1289
Analyse der Strahlung des Radiobleis
von
Dr. V. F. Hess.
Aus dem IL physikalische a Institute der k. k. UniversitÜt in Wien.
(Mit 7 Textfiguren.)
(Vorgelegt ia der Sitzung am 14. NoTomber I907,)
Erster Teil.
Die Arbeiten von Hofmann, Gonder und Wölfl,*
Rutherford,^ Meyer und v. Schweidler^ haben sicher-
gestellt, daß die Endglieder der Radiumreihe RaZ?, RaJ?^ und
ReiE^ sowie RaF im sogenannten Radioblei enthalten seien.
Meyer und v. Schweidler haben eine Anzahl in heißer,
wässeriger Radiobleichloridlösung aktivierter Metallbleche
untersucht und fanden bei der Abklingungskurve eine Anfangs-
störung, die die möglichen Beobachtungsfehler weit überstieg.
Anstatt des normalen Abfalles nach der Halbierungskon-
stante des Poloniums (138 Tage) fiel die Aktivität anfangs viel
rascher ab {HC= 109, 115, 130 Tage und ähnliche Werte).
Ich habe nun durch systematische Abklingungsmessungen
diese Anomalität aufzuklären versucht.
Da die Messungen mehrere Monate dauerten, war es
nötig, ein Instrument von möglichst konstanter Empfindlichkeit
und bequemer Handhabung zu benützen. Ich wählte daher ein
1 Hofmann, Gonder und Wölfl, Ann. d. Ph., 15, p. 615.
2 E. Rutherford, Phil, mag., 1905, p. 290.
9 St. Meyer und v. Schweidler, Diese Sitzungsberichte, Juli 1905,
Februar und Juni 1906.
1290 V.F.Hess,
Exner'sches Elektroskop mit einem Tischchen als Zerstreuungs-
körper, um welches ein geerdeter Topf gestülpt war. Eine
parallaxenfreie Lupenablesung gestattete sicheres Schätzen
der Zehntelteilstriche.
Jede der in den folgenden Tabellen mitgeteilten Zahlen ist
der Mittelwert von 20 Ablesungen.
Die natürliche Zerstreuung der Elektrizität in der Luft
wurde stets in Rechnung gezogen.
Die Aktivierung wurde in einer Lösung der zweiten (ge-
reinigten) Fraktion des Radiobleichlorids vorgenommen, welche
bereits von Meyer und v. Schweidler^ für zwei Palladium-
bleche und einen Silberdraht verwendet worden war. Die
Lösung wurde zuerst bis zum Sieden erhitzt, um Spuren
eventuell vorhandener Radiumemanation zu vertreiben und
sodann konstant auf einer Temperatur von etwa 60* erhalten,
während die Metallbleche an einem Drahte in die Lösung ge-
taucht waren.
Nach der Aktivierung wurden die Bleche durch rasches
Eintauchen in warmes Wasser vom anhaftenden ungelösten
Radiobleichlorid gereinigt und zwischen Filterpapier vorsichtig
getrocknet.
Bei einigen Blechen untersuchte ich den Gang der Aktivität
innerhalb der ersten Tage besonders oft; um die Beobachtungs-
fehler bei diesen verhältnismäi3ig langsamen Änderungen der
Aktivität möglichst zu verkleinern, wurden Mittel aus 50 Ab-
lesungen zu einer Zahl vereinigt.
Die Versuchsergebnisse.
In den folgenden Tabellen sind die Beobachtungsdaten
mitgeteilt, die an acht in Radiobleilösung aktivierten Metallen,
und zwar drei Palladium- und fünf Silberblechen, gewonnen
wurden. / bedeutet die Zeit in Tagen, J die gemessene Aktivität
HC die Halbierungskonstante.
1. Palladiumblech I.
Aktiviert am 28. November 1906 durch eine Stunde. Un-
mittelbar nach der Aktivierung betrug die Gesamtaktivitäi
1 Meyer und Schweidler, Diese Sitzungsber., Juli 10Ü5, p. 1203;
Februar 1906, p. 79 f.
Strahlung des Radiobleis.
1291
167*0 Volt/Min., stieg in den weiteren 6 Stunden zu einem
Maximum von 171 '8 Volt/Min, und zeigte hierauf den in
Tabelle 1 und der entsprechenden Kurve I in Fig. 1 angegebenen
Veriauf.
Tabelle 1.
(Palladiumblech I.)
log/
dt
log/
HC
in Tagen
0
2
2-8
4-8
9-0
150
22-8
41-9
47-8
58-7
69-8
960
UO-O
120-0
134*0
171-
'8
158
2
157
•4
155
•2
151
•3
148
■0
140
•6
125
'3
123-
•9
116'
•4
108'
•4
96
61
90«
16
83"
18
80«
54
2-285
2-199
2-197
2-191
2-180
2-170
2-148
2-098
2-093
2-066
2 035
1-985
1-965
1-920
1-906
} »■
0180
\ 0-0023
0-0021
0-0021
0-0021
16-7
1306
143
143
143
Man ersieht, daß die Abklingung genau nach der Periode
von Rajp erfolgt — abgesehen von dem in den allerersten
Tagen beobachteten viel rascheren Abfall, der von einer über-
gelagerten Aktivität herrührt. Der spätere Verlauf der Kurve I
ergibt eine mittlere Halbierungskonstante von 135-5 Tagen.
Die ß-Strahlung war äußerst gering, sie betrug anfangs etwa
1 -4 Volt/Min. und nahm nach der Periode von RaJE ab.
2. Palladiumblech 11.
Aktiviert am 28. November 1906, eine Stunde lang. Auch
hier zeigte sich in den ersten Stunden ein rascher Anstieg der
1292
V. F. Hess,
Aktivität von /= 138-4 Volt/Min. unmittelbar nach der Akti-
vierung auf J= 141-24 Volt/Min. 6 Stunden später. Hierauf
begann die regelrechte Abklingung, deren Verlauf in der folgen-
den Tabelle 2 und der entsprechenden Kurve II in Fig. 1 ver-
zeichnet ist.
Tabelle 2.
(PaHadiumblech 11.)
Auch dieses Präparat zeigt einen ganz ähnlichen Gang
wie das Präparat I. Die Aktivität besteht fast durchwegs aus
a-Strahlung, denn nach Abschirmung derselben durch 40 {j.
Aluminiumfolie blieb eine restliche ß- Aktivität von bloß
1*2 Volt/Min. übrig, deren Abklingung mittels des gewöhn-
lichen Elektroskops nicht mehr ganz präzise verfolgt werden
konnte. Es wurde nur konstatiert, daß diese ß-Aktivität nach
etwa einer Woche auf die Hälfte gesunken war — was mit der
Periode des Ra£ übereinstimmt.
Die Gesamtstrahlung zeigt im Anfange wiederum eine
raschere Abnahme und geht nach etwa 10 Tagen in die
Strahlung des Radiobleis.
1293
normale Abklingung nach der Periode des Poloniums über; aus
der Kurve ergäbe sich eine -mittlere Halbierungskonstante von
132 Tagen.
3. Palladiumblech III.
Wurde am 28. November 1906 zusammen mit den beiden
ersten Präparaten eine Stunde lang in der heißen Radioblei-
chloridlösung aktiviert. Unmittelbar nach dem Herausnehmen
war die Aktivität 109-04 Volt/Min. und stieg in den nächsten
6 Stunden auf 114-9 Volt/Min.
Die dann beginnende Abklingung verläuft ganz analog
wie bei den Präparaten I und II und ist in der nachfolgenden
Tabelle 3 sowie Kurvte III (Fig. 1) verzeichnet.
Tabelle 3.
(Palladiumblech III.)
0
2-8
4-8
9-0
15-7
23-8
41-9
48-7
57-7
68-9
78-7
88-0
UO-O
120-0
114-90
105-45
103-80
100-74
95-50
91-20
83-37
81-85
77-63
74-47
70-80
66-53
60-67
57-28
2'
060
2
023
2
016
2-
•003
•980
•960
•921
•913
•890
•872
•850
•823
•783
•758
}
}
}
0-0140
0 0031
0 0024,
0-0021
0 • 00208
21-5
97-1
121-9
143-0
148-0
Auch hier zeigt sich die schon erwähnte, auf eine über-
gelagerte Aktivität mit rascherer Abklingung zurückzuführende
1294
V. F. Hess,
Anfangs Störung. Nach etwa 12 Tagen ist die Abklingung
wieder rein exponentiell, aus der Kurve würde eine Halbierungs-
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— ► Zeit in Tagen
80
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Fig. 1.
konstante von 138 Tagen resultieren, was genau mit der
Periode des Poloniums übereinstimmt.
Die ß-Aktivität vom Ra£ war wiederum gering, etwa
1'9 Volt/Min., jedenfalls viel zu gering, um die ziemlich
bedeutende Anfangstörung allein erklären zu können.
Strahlung des Radiobleis.
1295
4. Silberblech IV.
Aktiviert am 1. Dezember 1906 durch 100 Minuten. Ebenso
wie bei den Palladiumpräparaten wurde in den ersten Stunden
nach der Aktivierung ein Anstieg der Aktivität von 164-8 auf
167-5 Volt/Min. beobachtet. Der weitere Gang ist ganz analog
wie bei den schon besprochenen Präparaten: beschleunigter
Abfall durch etwa 16 Tage und hernach die normale Abklingung
nach der Konstante des Poloniums (siehe Tabelle 4 und Fig. 2,
Kurve IV).
Der spätere Verlauf entspricht, wie man sieht, einer
Halbierungskonstante HC =: 1 38 Tage, was genau mit der
Periode des Poloniums übereinstimmt.
Tabelle 4.
(Silberblech IV.)
/
1
log/
d
4i '"«^
HC
in Tagen
0
1-6
5-9
167
162
155
•50
•93
•60
2
2
2
•224
•212
•192
1 0-0075
y 0-00465
40-1
64-7
12-6
151
•00
2
•179
\
20-6
142
•23
2
•153
33-8
133
•66
2
•126
> 0-0023
130-9
40-7
127
•94
2-
107
46-6
125
•90
2'
•100
t
55-6
117
•22
2
069
■V
66-7
75-8
111
105
•43
•20
2
2
047
022
\ 0-00229
131-4
85-7
100
•00
2'
000
116-0
87-
10
1-
940
\ 0-0018
172-0
135-9
81-
66
1'
912
<
Aus der Kolumne -— log J ersieht man bei dieser wie
bei den anderen Tabellen, wie sich der Abfall der Aktivität
Sitzb. d. mathem.-naiurw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 87
1296
V. F. Hess,
allmählich verlangsamt. -^7- \ogJ ist ja ein Maß der radioaktiven
Konstante X, denn wir wissen :
— 1 J
. d , , - di ^ lognat2
X = lognatJ= —
dt
log«
HC
35
3a
\
1
1
1
1
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X
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V
X
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1
Iso
1
1
kO
t«
to
wo
tff
IM
t in Tagen
Fig. 2.
5. Silberblech V.
Aktiviert am 1. Dezember 1906 durch 100 Minuten. Zeigt
ein ganz analoges Verhalten. Die anfanglich raschere Abklin-
gung ist besonders deutlich ausgeprägt, wie man aus Fig. 2,
Strahlung des Radiobleis.
1297
Kurve V, und Tabelle 5 entnimmt. Der lineare Teil der Kurve
ergibt eine Halbierungszeit von 137 Tagen — entsprechend
der Konstante des Poloniums.
Die ß-Aktivität war bei beiden Präparaten ziemlich klein,
2-8, respektive 3*8 Volt/Min., also viel zu klein, als daß durch
deren schnellere Abklingung die Anfangsstörung erklärt werden
könnte.
Die Diskussion und Erklärungsversuche dieser beob-
achteten Störung werden an späterer Stelle gegeben.
Tabelle 5.
(Silberblcch V.)
t
J
log/
d
KC
in Tagen
0
40
213-38 •
203-70
2-329
2-309
1 0-0050
60-2
5-9
12-6
198 15
188-36
2 • 297
2-275
1 0- 00328
91-8
19-7
182-80
2-262
V
33-8
42-0
167-88
161-80
2-225
2-209
\ 0 0023^
128-6
53-9
152-06
2-182
1
65-8
145-88
2-164
1
75-8
137-40
2-138
86-9
129-42
2-112
O-OO2I3
)41'3
116-9
109-12
2-038
131-0
105-93
2-025
<
Auch in Tabelle 5 ist der Gang ein ähnlicher wie bei
d
den anderen Präparaten, -^r-^ogy nimmt ab, bis es der Kon-
dt
stante des Poloniums entspricht.
6., 7., 8. Drei Silberbleche: VI, Vü, Vffl.
Aktiviert am 8. Jänner 1907 durch 90 Minuten. Der Anstieg
der Aktivität in den ersten 6 Stunden nach der Aktivierung
wurde wiederum beobachtet, und zwar:
87*
1298
V. F. Hess,
bei Präparat VI von 95*99 Volt/Min. bis zu einem Maximum
von 99-54 Volt/Min. etwa 6 Stunden später;
bei Präparat VII von 143-4 Volt/Min. bis 146-2 Volt/Min.
etwa 6 Stunden später;
bei Präparat VIII von 163-9 Volt/Min. bis 166-4 Volt/Min.
etwa 6 Stunden später.
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\
\
\
Zeit in Tagen
60
80
wo
120 t*fO
Fig. 3.
Die hierauf beginnende Abklingung ist in ihrem Verlaufe
ganz analog wie bei den schon besprochenen Präparaten. Nur
ist die Anfangsstörung weniger groß und daher mit dem
Strahlung des Radiobleis.
1299
Elektroskop kaum einige Tage verfolgbar. Dann setzt sofort die
rein exponentielle Abklingung ein (siehe Fig. 3 und die ent-
sprechenden Tabellen 6, 7^ 8).
Tabelle 6.
(Silberblech VI.)
log/
dt
log 7
HC
in Tagen
0-2
3-0
8-0
12-3
20-0
300
40-2
50-0
79-0
950
1100
146-2
141-6
138-4
135-8
130-9
125-3
118-8
111-7
96-4
92-7
83-2
2-165
2-151
2-141
2-133
2-117
2-098
2-075
2-048
1-984
1-967
1-920
Tabelle 7.
(Silberblech VII.)
} »•
00500
S 0-00221
0-00207
60-2
136-2
145-0
0-3
40
7-0
11-0
20-0
30-0
40-2
50-0
79-1
95-0
108-0
99-5
96-4
95-1
94-0
88-9
85-3
80-9
76-4
66-1
63-1
58-2
log/
1-998
1-984
1-978
1-973
1-949
1-931
1-908
1-883
1-820
1-800
1-765
dt
log/
} »■
00378
O-OO2O5
0-0022
0-0019
HC
in Tagen
79-6
146-9
136-8
158-4
1300
V. F.Hess,
Tabelle 8.
(Sflberblech VIII.)
/
/
log/
d
HC
in Tagen
0-
3
2
•0
166-3
161-8
2-221
2-209
\ 0-00429
70-2
8-
0
158-5
2-200
'
12'
3
155-2
2-191
20"
•0
148-9
2-173
> O-OO2O4
147-5
30"
'2
145-2
2-162
39'
3
136-8
2-136
1
49'
79
105
•2
'2
•9
128-8
112-5
'98-6
2-110
2-051
1-994
0-00197
0-00218
152
141-3
Aus diesen Tabellen folgen genau dieselben Schlüsse, die
bereits oben gezogen wurden. Nur war das Produkt, welches
rascher abklingende Strahlung besitzt und die Anfangsstörung
hervorruft, bei diesen drei Präparaten in geringerer Menge vor-
handen.
Aus dem späteren, rein experimentellen Teil der Kurven
resultieren die Halbierungskonstanten:
für Präparat VI HC =139 Tage,
VII HC= 142 »
VIII HC= 142 •
was in guter Obereinstimmung mit der Halbierungskonstante
des Poloniums sich befindet.
Die ß-Strahlung war bei allen drei Präparaten eine äußerst
minimale; sie betrug etwa je 0-4 Volt.
Analyse der mitgeteilten Versuohsergebnisse.
Bei der Besprechung der einzelnen Präparate wurde bereits
bemerkt, daß der bei der Aktivierung in heißer Radiobleichlorid-
lösung an der Metalloberfläche haftende aktive Beschlag zum
Strahlung des Radiobleis. 1 30 1
größten Teil aus RaF, also Polonium, besteht. Außerdem wurde
stets auch eine ß-Strahlung, herrührend von Ra£, bemerkt,
deren ionisierende Wirkung indes kaum 1 bis 27o der Gesamt-
strahlung ausmachte.
Aus den im Vorigen mitgeteilten Abklingungskurven geht
weiters hervor, daß anfangs eine ebenfalls rasch abklingende
weichere Strahlung vorhanden sein muß, deren Halbierungszeit
von der des RaE nicht wesentlich verschieden sein kann.
Um diese Schlüsse zu bekräftigen, habe ich bei einigen
der mitgeteilten Versuchsreihen die vom Polonium herrührende
Strahlung extrapoliert, um ein Bild von der Stärke und Abklin-
gung der übergelagerten Strahlung zu bekommen. Zweckmäßig
wählte ich solche Versuchsreihen, bei denen eben diese über-
gelagerte Aktivität am deutlichsten hervortritt.
St. Meyer und v. Schweidler^ haben gelegentlich ihrer
Untersuchungen über die Absorption der Strahlung von Radium-
restaktivität gefunden, daß bei den Restaktivitäten außer der
a-Strahlung des RaF und der ß-Strahlung des Ra£g noch eine
weiche Reststrahlung vorhanden war, deren Halbierungsdicke
durch Extrapolation zu 1*5. 10~* cm bestimmt wurde. Ich ver-
mutete, daß bei meinen Radiobleipräparaten auch diese Rest-
strahlung die Anfangsstörung verursache, kam aber, wie im
zweiten Teile dieser Untersuchung gezeigt werden wird, zu
nicht direkt identifizierenden Schlußfolgerungen.
Bei meinen Abklingungsmessungen verfolgte ich eine ganz
analoge Methode wie Meyer und v. Schweidler bei ihren
Absorptionsversuchen. Ich extrapolierte die Strahlung des
Poloniums Jp^ und die ß-Strahlung von der Gesamtstrahlung J,
um ein Bild von der übergelagerten Reststrahlung
Jr = J — Jp^ — J^
zu erhalten.
Die Resultate dieser graphischen Extrapolation seien nun
in folgender Tabelle 9 mitgeteilt.
* St. Meyer und E. v. Schweidler, Diese Sitzungsber., 1906, p. 708
bis 709 und p. 725 bis 727.
1302
V. F. Hess,
Die Werte log / und log Jp^ sind aus einer nach Tabelle 5
sorgfaltig vergrößerten und ausgeglichenen Kurve auf graphi-
schem Wege gewonnen.
Tabelle 9.
(SUberblech V.)
/
log/
/
log Jp^
'P.
h
Reststrahlung /^
(/-h-h)
log 7^
0
2-3292
213-38
2 • 2990
199-07
3-80
10-51
1-0216
2
2-3183
208-10
2-2947
197-10
2-88
8-12
0-9096
4
2-3081
203 • 30
2 • 2904
195-16
2-18
5-96
0 • 7753
6
2-2997
199-40
2-2861
193-24
1-65
4-51
0-6548
8
2-2920
195-92
2-2818
191-34
1-25
3-33
0 • 5224
10
2 • 2848
192-68
2-2775
189-45
0-95
2-28
0 - 3579
12
2-2784
189-83
2-2732
187-60
0-72
1-51
0-1790
1\
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O
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O-zo
\
^
^\^r
ÄC-ifTas^
\
mTag»
Fig. 4.
Logarithmische Abklingung der Reststrahlung.
Wie man sieht, macht die übergelagerte Reststrahlung
Jr =: J — Jp^ — Jfi etwa 5 bis 77o der Gesamtstrahlung aus. Daß
die extrapolierten Abklingungskurven dieser Reststrahlung sehr
exakte Abfallskonstanten liefern würden, war da von vorn-
Strahlung des Radiobleis. 1 303
herein nicht zu erwarten. Ein ganz geringer Beobachtungs-
fehler bei der Anfangsmessung von J (für ^ = 0) von etwa
0'57o würde den Betrag der Reststrahlung in Tabelle 9 um
1 • 1 Volt/Min. beeinflussen, was den Betrag von Jr bereits um
lOVo verändert.
Bei der mitgeteilten Versuchsreihe Ag V waren die Ver-
hältnisse für die Extrapolation der Strahlung des Poloniums
besonders günstig. Versucht man das gleiche mit den anderen
Versuchsreihen, bei denen der Betrag der Reststrahlung geringer
ist, so kommt man zu wenig befriedigenden Resultaten. Die
logarithmische Abklingungskurve beim Präparat Ag V ergäbe
eine Halbierungskonstante von 4*7 Tagen für die Reststrahlung.
Bei den anderen Präparaten, bei denen letztere in viel geringerem
Betrage vorhanden war, machen sich die Fehlerquellen ent-
sprechend stärker bemerkbar, so daß man nur schätzungsweise
Halbierungskonstanten von 2 bis 4 Tagen für Jr daraus folgern
kann.
Ich möchte daher aus den bisher mitgeteilten Versuchen
nur etwa folgende Schlüsse ziehen:
1. Die in einer Lösung gereinigten Radiobleichlorids akti-
vierten Metalle zeigen in ihrer Abklingung alle einen analogen
Verlauf (siehe Kurven I bis VIII in Fig. 1 bis 3).
2. Nach 2 bis 3 Wochen erfolgt der Abfall der Gesamt-
aktivität genau nach der Konstante des Poloniums. Vorher ist
er rascher; dies führt zu dem Schlüsse, daß in dem aktiven
Beschlag außer dem RaF ein rascher abklingendes Produkt
vorhanden ist. Das nächstliegende ist, anzunehmen, es rühre
diese Anfangsstörung von mitabgeschiedenem RaEg her, das
nach Meyer und v. Schweidler bloß ß-strahlend ist und eine
Halbierungszeit von 4*8 Tagen besitzt. Wie meine Messungen
ergaben, ist jedoch diese ß-Aktivität allein viel zu gering, um
diese Erklärung zu rechtfertigen.
3. Meine Analyse zeigt, daß außer der a-Aktivität des
Poloniums Jp^ und der ß-Aktivität Jß des RaJEg noch eine Rest-
aktivität Jr bei den untersuchten Präparaten vorhanden war.
Durch Extrapolation Jr:=:J — Jp^ — J^ (siehe p. 1302) wurde
konstatiert, daß die Abklingungsgesch windigkeit von Jr mit
der des ß-strahlenden Ra-B, fast genau übereinstimmt.
1304 V.F.Hess,
Es erübrigen nun dreierlei Annahmen: Entweder, daß
RaEg auch a-Strahlen aussendet, deren Geschwindigkeit jedoch
nur zum Teil jene Schwelle übersteigt, von der an eine Ioni-
sierung der Luft möglich ist (denn wäre die Geschwindigkeit
dieser a-Partikel eine größere, so würde Jr einen weit größeren
Prozentsatz der Gesamtstrahlung ausmachen).
Zweitens könnte man annehmen, es sei zwischen Ra£
und RaF noch ein weiche Strahlen aussendendes Zwischen-
produkt, das ähnliche Abklingungsgeschwindigkeit besäße, wie
RaJSg-
Drittens wäre die Annahme möglich, daß die beobachtete
Reststrahlung eine von den ß-Strahlen des RaJ5^ erzeugte
Sekundärstrahlung ist.
Spätere, im IL Abschnitte mitgeteilte Versuche sollen über
diese drei Annahmen entscheiden.
Am Schlüsse des ersten Teiles will ich noch zeigen, daß
die allgemeine Annahme, daß die Reststrahlung vom Raf, her-
rühre, sei es nun als wirkliche a-Strahlung oder als Sekundär-
strahlung, zu Kurven führt, die mit den experimentellen in voll-
kommener Weise übereinstimmen.
Vergleich der theoretischen mit den experimentellen
Kurven.
Betrachten wir die Abklingung eines Gemisches zweier
radioaktiver Substanzen, welche beide weiche Strahlen aus-
senden und Halbierungszeiten von 5, beziehungsweise 138
Tagen besitzen; mit dieser Annahme werden wir den wirklichen
Verhältnissen ziemlich nahe kommen, von der geringen
ß-Strahlung können wir ja absehen.
Also ich setze voraus, es sei ein Gemisch von RblE^
(HC =5 Tage) und Rai^ (HC= 138 Tage) gegeben und zur
Zeit t =:0 verhielten sich die Intensitäten ihrer Strahlungen
wie 100:900. In Tabelle 11 ist dann der Verlauf der Ab-
klingung berechnet. Es bedeuten hierin:
J^ die Strahlung von Ra£^,
J^ die Strahlung von RajF,
Jg die Strahlung des vom Ra£^ nacherzeugten R&F,
J = ^1+^2 +•^2 ^^® gesamte Strahlung.
Strahlung des Radiobleis.
1305
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o
1306
V.F.Hess,
In Fig. 5 ist die logarithmische Abklingung graphisch dar-
gestellt.
Die hier gemachte Annahme, daß im Anfange 10% ^^^
Strahlung auf die Strahlung von Ra£^ entfallen, entspricht
etwa den Verhältnissen bei den Präparaten III, IV und V, Wie
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— ► Zeit in Tagen.
90
i0o
Fig. 5. Theoretische Kurve.
man sieht, ähneln die experimentellen Abklingungskurven der
theoretischen sehr stark.
Bei den anderen Präparaten, wo die übergelagerte Strah-
lung perzentuell geringer ist, waren die Kurven anfangs nicht
so steil. Auch diesen Fall können wir aus unserer Tabelle sehr
gut darstellen, wenn wir etwa bei / = 10 beginnen, wo die
Strahlung J, nur 37o der Gesamtstrahlung ausmacht, d. h. die
Kurve erst bei / = 10 beginnt. Die Kurve stimmt dann z. B. mit
den experimentellen Kurven VI, VII, VIII vollständig überein.
Strahlung des Radiobleis. 1 307
Man ersieht hieraus, daß die vorläufige An-
nahme, daß die restliche Strahlung rascher Abklin-
gung dem Ra£^ zugehöre, zu AbkÜngungskurven
führt, welche mit den experimentell gefundenen in
vollkommen befriedigender Weise übereinstimmen.
Zweiter Teil.
Im ersten Teil habe ich bei in Radiobleichloridlösung akti-
vierten Metallblechen das Vorhandensein einer Reststrahlung Jr
außer der ß-Strahlung von RaJ?^ und der a-Strahlung des Polo-
niums festgestellt und konnte nach dem damaligen Stande der
Untersuchung keine definitive Entscheidung zwischen den drei
möglichen Erklärungen jener rasch abklingenden Rest-
strahlung treffen.
Die Versuche wurden daher nach anderen Gesichts-
punkten fortgesetzt und haben, wie ich hoffe, die so komplizierten
Verhältnisse bei der Strahlung des Radiobleis zum größten Teil
gelichtet.
Das leitende Prinzip hiebei war, auf irgend eine Weise ein
Präparat mit sehr viel Ra£ und wenig RaF herzustellen und
mit einem präzisen Instrumente die Abklingung zu verfolgen,
um aus der Gestalt der Kurven zu entscheiden, ob zwischen
RajBg und RaF noch ein weiteres Zwischenprodukt vorhanden
ist. — Ferner untersuchte ich, ob die durch Elektrolyse einer
Radiobleiacetatlösung mit Ra£ und RaF überzogenen Bleche
dasselbe Verhalten zeigen, wie die durch Eintauchen in heiße
Radiobleichloridlösung aktivierten Metalle.
Zur Messung der Aktivität wurde ein mit Mikroskop-
ablesung versehenes Exner'sches Blattelektrometer benützt.
Die Vergrößerung war eine zwölfmalige. Einem Teilstrich des
Okularmikrometers entsprach durchschnittlich 0*9 Volt. Die
Eichung geschah nach dem von H. W. Schmidt^ angegebenen
1 H. W. Schmidt, Phys. Zeitschr., 1906, p. 157.
I
1308 V. F. Hess,
Verfahren mittels einer Uraneinheit. Nach Adjustierung des
Elektrometers mit neuen Blättchen zeigten sich noch einige
Zeit Schwankungen in der Empfindlichkeit, die aber später j
ganz minimal wurden (kaum 1 7o) ^^^ schließlich ganz ver-
schwanden. Die Schmidt'sche relative Eichungsmethode ge-
stattete mit Leichtigkeit, auch die minimalste Empfindlichkeits-
änderung noch zu konstatieren. Mit den Versuchen wurde erst
begonnen, als das Elektrometer keine Empfindlichkeitsänderung
mehr aufwies und vorsichtshalber wurde vor und nach jeder
Messungsreihe eine Kontrolle der Empfindlichkeit mit der
Uraneinheit ausgeführt. — Eine ruckweise Bewegung des
Blättchens kam im verwendeten Meßbereich nicht vor.
Elektrolytische Versuche.
Durch Elektrolyse einer Radiobleiacetatlösung, derselben,
welche Meyer und v. Schweidler^ bei ihren Versuchen
benützten, versuchte ich, auf Platinblechen möglichst viel Ra£
mit wenig RslF niederzuschlagen. Zu diesem Behufe wollte ich
die Lösung vorher möglichst vom RslF freimachen, elektro-
lysierte sie daher durch mehrere Wochen mit einer Strom-
dichte von ungefähr 4- 10~^ Amp./^m*, bei welcher wohl das
RaF, nicht aber das RajB abgeschieden wird (siehe Meyer und
V. Schweidler 1. c). Dieses Verfahren erwies sich jedoch für
unsere Zwecke leider unzureichend. Trotz mehrwöchentlicher
vorhergegangener Elektrolyse war in der Lösung des Radio-
bleiacetats immer noch genug RaF vorhanden, so daß die
Strahlung der Platinkathoden zum größten Teil aus Raf
bestand. Auch eine weitere Verlängerung der Dauer der
Elektrolyse hatte keinen Erfolg; offenbar war die Lösung zu
aktiv, so daß das durch Elektrolyse mit der geringen Strom-
dichte abgeschiedene RaF fast ganz durch die Nacherzeugung
aus dem vorhandenen RaE ersetzt wurde.
Die erhaltenen Präparate zeigen etwa das folgende Ver-
halten: 3 bis 472^0 der Strahlung ist der anfängliche Betrag
der in Frage stehenden Reststrahlung. Die ß-Strahlung ist kaum
1 Meyer und v. Schweidler, diese Sitzungsber., 1 906, p. 698.
Strahlung des Radiobleis. 1 309
meßbar (etwa 0 • 3 7o) und 96 Vo entfällt auf die Strahlung des
RslF.
Die Mengenverhältnisse sind also bei diesen Präparaten
keineswegs günstiger für die Entscheidung unserer Fragen
als bei den in der heißen Lösung aktivierten Blechen. Die
Abklingungskurven haben genau dieselbe Gestalt wie bei den
letzteren, nur war die anfängliche raschere Abklingung etwas
weniger ausgeprägt, also zur Extrapolation der Reststrahlung
noch weniger geeignet.
Versuche mit nach der Aktivierung ausgeglühten
Pd-Bleehen.
Da die eben dargestellten Versuche, auf elektrolytischem
Wege Präparate mit viel RaE und wenig RblF herzustellen,
mißlungen waren, wendete ich ein anderes Mittel an, um die
Präparate mit Ra£ anzureichern. Ich glühte die in einer Radio-
bleichloridlösung sehr stark aktivierten Bleche.
Bekanntlich wird beim Erhitzen RslF eher flüchtig als
Ra£. Als >SubHmationstemperatur« wird für RaF etwa 1000*
angegeben. Sehr richtig weist H. W. Schmidt^ darauf hin,
daß von einem Sublimationspunkt im strengen Sinne des
Wortes bei den radioaktiven Substanzen nicht gesprochen
werden kann. Trotz längerer Erwärmung eines dünnen Bleches
auf 1000** gelingt es nie, dasselbe vollständig von RslF freizu-
machen; ich beobachtete bei auf elektrolytischem Wege nur
mit Polonium beschlagenen Blechen, daß selbst nach Erhitzen
bis zur Weißglut die Aktivität nicht ganz verschwand.
Für den Zweck, den ich im Auge hatte, genügte indes
dieses Trennungsverfahren vollkommen. Nachdem die Palla-
diumbleche in einer Radiobleichloridlösung so stark aktiviert
worden waren, daß ihre Aktivität mit dem gegebenen Blatt-
elektrometer nicht mehr gemessen werden konnte, erhielt ich
sie etwa 5 Minuten in gleichmäßiger Rotglut. Dadurch wurde
ein großer Teil des RslF verflüchtigt, so daß die Gesamt-
aktivität zu einem meßbaren Betrage sank.
1 H. W. Schmidt, Zeitschr. für Radioakt. und Elektronik. 4, Nr. 14.
1310
V. F. Hess,
Nach dem Glühen machte die ß-Aktivität des RaE etwa
30 bis 407o ^®^ Gesamtstrahlung aus, die übrigen 60 bis 70^^
waren a-Aktivität und rührten von dem nicht verflüchtigten
Teile des Poloniums her.
Bei einem so großen Anteile von Ra£ mußten die Kurven
der a-Strahlung einen deutlichen Anstieg zeigen und die darauf-
folgende Abklingung mußte die Entscheidung ergeben, ob
zwischen RaJBg und Ra2^ noch ein a-strahlendes Zwischenpro-
dukt vorhanden wäre.
Vorerst seien die an vier aktivierten und nachher ge-
glühten Pd-Blechen ausgeführten Abklingungsmessungen tabel-
larisch mitgeteilt.
In den Tabellen bedeuten i« und i^ die gemessene Intensi-
tät der a-, respektive ß-Strahlung. Die Zeit i ist in Tagen ge-
messen. HCa bedeutet die beim Abfall der a-Aktivität beob-
achtete Halbierungskonstante.
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I
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Tabelle 12.
(Präparat Pd 1.)
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Strahlung des Radiobleis.
1311
Tabelle 13.
(Präparat Pd 2.)
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HCa
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1 • 5292
—
6-0
0-8370
1 - 5547
—
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0-7127
1 • 5662
—
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0-3430
—
20-0
0-0086
1-5809
—
26-0
0-7202 1
1 • 5780
\ 158-0
40-0
—
1-5513
\ 148-0
490
—
1 • 5330
H 120-4
57-0
—
1-5131
y 1380
71-0
—
1-4826
n 128-0
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^^"
1-4405
Tabelle 14.
(Prilparat Pd 3.)
/
log ȧ
log l'a
ffCa
0
0-8325
1-4829
0-9
0-7738
1 • 4686
—
4-9
0-5441
1-4826
—
5-9
0-4829
1-4933
—
13-9
0-0170
1-4953
—
19-2
230
0-7510 —1
0-560 —1
1 • 4852
1-4755
\ 117-9
27-9
0-345 —1
1 -4608
\ 144-8
41-9
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—
1-4362
1-3916
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72-0
—
1-3740
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—
1-3427
J
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. II a.
88
1312
V.F.Hess,
Tabelle 15.
(Präparat Pd 4.)
t
'08 'U
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0
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1 • 3988
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1-3971
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0-6035 —1
1-3942
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1 • 3849
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—
1-3731
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•7
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1 • 3674
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1-34&9
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1-2847
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•7
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HC^
139-5
}
}
158 O
144-5
127-0
Die logarithmischen Abklingungskurven der ß- und
a- Strahlung sind in den Figuren 6 und 7 verzeichnet.
Die Kurven der ß-Strahlung.
Um Überdeckung zu vermeiden, ist Kurve 1 (Fig. 6) um
0*40 nach unten verschoben.
Nach St. Meyer und v. Schweidler^ ist Ra£ kein ein-
heitlicher Körper, sondern besteht aus:
1 Meyer und v. Schweidler, Diese Sitzungsber., 1906, p. 711.
Strahlung des Radiobleis.
1313
Ra^i mit der Halbierungskonstante 6 bis 6*5 Tage, strahlenlos,
bei Rotglut flüchtig;
Ra^ mit der Halbierungskonstante 4'8 Tage, ß-strahlend, bei
Rotglut nicht flüchtig.
88*
1314 V.F.Hess,
Von vornherein wäre also zu erwarten gewesen, daß unsere
geglühten Palladiumbleche in der Abklingung ihrer ß-Strahlung
einfach die Halbierungskonstante von Ra£^ (HC =: 4*8 ^^%t)
zeigen würden, da ja alles RslE^ durch das Glühen verjagt sein
müßte.
Wie ein Blick auf die logarithmischen ß-Strahlungskurven
in Fig. 6 lehrt, ist dies jedoch nicht der Fall. Meyer und
v. Schweidler haben ihre Angabe auf Platinbleche bezogen,
welche auf elektrolytischem Wege mit RaE beschlagen worden
waren. Meine Präparate waren Palladiumbleche, durch Ein-
tauchen aktiviert. Möglicherweise sind die durch eine solche
»lonenaktivierung« auf dem Metalle niedergeschlagenen radio-
aktiven Substanzen überhaupt schwerer zu verflüchtigen, auch
mag die Sublimationstemperatur für die Pd-Präparate eine
andere sein als bei Pt.
Endlich sei noch auf die Angabe H. W. Schmidt 's (siehe
p. 1309) verwiesen, wonach von einem exakten Sublimations-
punkte bei radioaktiven Stoffen überhaupt nicht gesprochen
werden kann.
Meine ß-Kurven zeigen also durchaus eine Verflachung
etwa vom 15. Tage an. Aus den Kurven ergeben sich folgende
Halbierungskonstanten :
In Tagen
Intervall HC Intervall HC
Präparat Pd 1 0—13 4-70 13—31 626
Pd2 0—14 4-95 14—26 58
Pd3 0—14 5-13 14—28 6-2
Pd4 0—16 4-97 16—32 6-5
Diese Erscheinung läßt sich, wie Meyer und v. Schweid-
ler zeigten, in einwandfreier Weise nur durch Annahme zweier
sukzessiver Produkte Ra£^ und RblE^ erklären mit den Halbie-
rungszeiten 4 • 9, respektive 6 • 2 Tagen, von welchen E^ strahlen-
los und jE^ ß-strahlend ist.
Die Kurven der a-Strahlung.
Die Kurven 3 und 4 sind um 0 • 20, respektive 0 • 50 nach
oben verschoben, um die Figur übersichtlicher zu gestalten.
Strahlung des Radiobleis.
1315
Eine Entscheidung der Frage, ob zwischen Ra£^ und RaF
noch ein weiteres intermediäres Produkt mit a-Strahlung sich
befinde, konnte nur durch exakte Abklingungsmessung einer
durch Umwandlung des Ra£g gewonnenen a- Aktivität getroffen
werden.
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Die Präparate Pd 1 bis 4 zeigen, wie aus Fig. 7 ersichtlich,
durchwegs einen bedeutenden Anstieg, herrührend von der
Umwandlung des ß-strahlenden RaE^ in einen a-Strahler. Dieser
Anstieg ist natürlich am deutlichsten bei jenem Präparate,
welches am meisten RaJB enthielt, also bei Präparat Pd 2, und
1316 V.F.Hess,
am flachsten bei Präparat Pd 3, das am wenigsten RslE enthielt
(siehe die Tabellen 12 bis 15).
Der Anstieg dauerte durchschnittlich bis zum 15. Tage.
Die nun folgende Abklingung ist von entscheidender Bedeutung.
Erfolgt sie merklich rascher als es der Halbierungszeit des RslF
entspricht, so ist ein Zwischenprodukt, auf dessen Abklingungs-
geschwindigkeit man durch Extrapolation der Strahlung des
RaF schließen könnte, im anderen Falle jedoch nicht.
Die Betrachtung der Kurven Fig» 7 gibt die Entscheidung.
Wie man sieht, liegen die beobachteten Werte nach Erreichung
des jeweiligen Maximums fast genau auf einer Geraden, Un-
mittelbar nach dem Maximum ist keinerlei Abfallsbeschleuni-
gung zu merken.
Die logarithmische Abklingung ist also, wie man ersieht,
nicht nur später, sondern auch unmittelbar nach Passierung des
Maximums eine lineare, d. h. nach vollzogener vollständiger
Umwandlung des RaJEg ist nur mehr ein a-strahlender Bestand-
teil in den Präparaten vorhanden.
Aus den Kurven ergeben sich die Halbierungskonstanten
für Pd 1 HC= 134-5 Tage,
» Pd 2 136-5 »
» Pd 3 140-0 •
» Pd4 142-4 »
im Mittel ... HC =138' 2 Tage,
welche Werte in Anbetracht der relativ kurzen Dauer der Beob-
achtungen (85 bis 95 Tage) in befriedigender Weise mit der
Konstante von RslF übereinstimmen.
Hiemit ist bewiesen, daß zwischen RaJS^ und
dem a-strahlenden RblF kein weiteres a-strahlendes
Zwischenprodukt rascher Umwandlungsgeschwindig-
keit existiert.
Es erübrigt demnach noch eine Entscheidung zwischen
der p. 1304 angeführten ersten und dritten Erklärungsmöglich-
keit für die Reststrahlung, nämlich:
a) Annahme, daß Ra£^ komplexe a-Strahlen aussende,
deren Geschwindigkeit nur zum Teil die lonisationsschwelle
übersteigt.
Strahlung des Radiobleis. 1317
h) Annahme einer von der p-Strahlung des Ra-EJj erzeugten
starken Sekundärstrahlung.
Unsere im ersten Teile besprocheneReststrahlung kann un-
möglich dem RajEg als gewöhnliche a-Strahlung zugeschrieben
werden. Denn es müßte in diesem Falle diese Strahlung einen
viel größeren Prozentsatz der Gesamtstrahlung ausmachen, da
die Umwandlungsgeschwindigkeit von RaJBg gegen Rai^ groß
ist. Also bliebe als Ausweg nur die Annahme a) übrig.
Die experimentellen Resultate an sich geben uns keine
Möglichkeit einer exakten Entscheidung zwischen der An-
nahme a) und h)\ denn die beobachteten Phänomene
stimmen ebenso gut zu einer schwachen a-Strahlung
als zu einer Sekundärstrahlung von Ra£g: Im all-
gemeinen war die beobachtete Reststrahlung bei jenen Präparaten
am stärksten, die eine starke ß-Strahlung aufwiesen (siehe
erster Teil, Tabellen 1 bis 8).
Damit stimmt auch die Tatsache überein^ daß bei dem
absteigenden Aste der a-Kurven, Fig. 7, eine Beschleunigung
des Abfalls nicht mehr zu bemerken war, da in dem Zeit-
punkte, wo der Abfall beginnt, die ß-Strahlung und somit auch
die damit verbundene Reststrahlung bereits zu einem Betrage
herabgesunken war, wo ihr Einfluß von unseren Instrumenten
nicht mehr bemerkt werden konnte. Es hat sich eben in dieser
Zeit bereits radioaktives Gleichgewicht hergestellt, wogegen
ausdrücklich zu bemerken ist, daß bei der lonen-
aktivierung, d. h. bei der Aktivierung durch Ein-
tauchen in die Lösung die radioaktiven Substanzen
nicht im Gleichgewichtszustande, sondern in ganz
variablen Mengenverhältnissen abgeschieden
werden; von welchen Umständen letztere abhängen, war
bisher nicht näher ausfindig zu machen.
Bei dem jetzigen Stande der experimentellen Hilfsmittel
wird eine Entscheidung zwischen der Auffassung der Rest-
strahlung a) als schwach ionisierende a-Strahlung oder h) als
Sekundärstrahlung kaum durch das Experiment erzwungen
werden können.
Am geeignetsten erschiene eine Untersuchung der Präparate
nach der Bragg'schen Methode. Allein es ist von vornherein zu
1318 ^ V. F. Hess,
erwarten, daß, wenn unsere Reststrahlung wirklich eine
schwache a-Strahlung ist, ihre Range abnorm klein und wegen
der unverhältnismäßig großen übergelagerten lonisations-
Wirkung des RaF kaum mit Sicherheit zu konstatieren sein
wird. Und die Herstellung eines vollständig von Ra^ freien
Ra JE- Präparates ist nicht möglich.
Eine weitere experimentelle EntscheidungsmögrUchkeit
wäre die magnetische Ablenkungsmethode. Allein auch hier
sind die Schwierigkeiten enorm. Denn die Sekundärstrahlungs-
phänomene sind so kompliziert und mannigfacher Art, daß sie
in manchen Fällen von einer primären ß-Strahlung kaum unter-
schieden werden können, und die Genauigkeit der mag^ne-
tischen Ablenkungsmethode bleibt überdies noch weit hinter
jener der Bragg'schen Methode zurück.
Ich lasse demnach die Entscheidung zwischen
der Auffassung der Reststrahlung als langsame
a-Strahlung oder als Sekundäreffekt vorläufig offen
und begnüge mich damit, festgestellt zu haben, daß .
sie von Ra£ herrühren muß, nicht aber von einem i
zwischen RaJB und RaF liegenden unbekannten '
I
a-strahlenden Zwischenprodukte. l
Anhang.
Das Verhalten der geglühten und ungeglühten Präparate in
den ersten Stunden nach der Aktivierung.
Wie schon in den Versuchsresultaten an mehreren Stellen
mitgeteilt wurde, zeigten sich auch rasche Änderungen der
Aktivität der untersuchten Präparate in den ersten Stunden
der Aktivierung.
Die ungeglühten Präparate zeigen ausnahmslos einen
Anstieg der Aktivität in den ersten 6 Stunden um 3 bis 57o
des Wertes der anfänglichen Gesamtstrahlung. Der darauf*
folgende Abfall war merklich rascher als es den Konstanten
von RaJB oder RaF entspräche.
Bei einigen geglühten Präparaten ward in den ersten
Stunden ein rascher Abfall um 2 bis 6 7o beobachtet
Strahlung des Radiobleis. 1319
Eine Erklärung für diese Erscheinungen kann zur Zeit
noch nicht gegeben werden.
Man könnte daran denken, diese Erscheinungen durch
Abscheidung von Ra5 mit wenig RaC zu erklären; bei den
geglühten Präparaten wäre dann alles RaB sublimiert und nur
eine Spur von RaC übrig, während bei den ungeglühten das
vorhandene Ra-iB einen raschen Anstieg erzeugen würde.
Doch liegen noch keinerlei quantitative exakte Daten
vor, die eine solche Deutung stützen würden, und es ist ebenso-
gut möglich diese Erscheinungen auf irgendwelche molekulare
Änderungen (Diffusionserscheinungen) oder Verunreinigung
durch geringe Spuren anderer radioaktiver Substanzen zurück-
zuführen, wenngleich letztere Annahme bei Anwendung eines
wiederholt fraktionierten gereinigten Radiobleichlorids unwahr-
scheinlich klingt.
Der Emanationsgehalt der Radiobleichloridlösung war, wie
eine nachfolgende Prüfung nach der Emanationsmethode ergab,
sehr gering (etwa Vso v^" ^^^ ^®r Gasteiner Thermen).
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der ganzen
Untersuchung.
Im ersten Teile wurde gezeigt:
1. Bei der Aktivierung in heißer Radiobleichloridlösung
werden die aktiven Substanzen in von nicht näher kontrollier-
baren Umständen abhängenden, oft erheblich variierenden
Mengenverhältnissen, durchaus nicht im radioaktiven Gleich-
gewichte abgeschieden.
2. Die Abklingung der Gesamtstrahlung der Präparate er-
folgt nach zwei bis drei Wochen nach der Konstante von RaF,
vorher ist sie rascher. Doch ist die beobachtete p-Strahlung
von Ra£^ allein zu gering, um daraus die anfangliche Be-
schleunigung der Abklingung restlos zu erklären.
3. Durch graphische Extrapolation wurde gezeigt, daß
eine die Anfangsstörung verursachende, wenig durchdringende
Reststrahlung vorhanden ist, die in ihrer Abklingung ziemlich
genau die Konstante von Ra£ befolgt, somit entweder von
1320 V. F. Hess, Strahlung des Radiobleis.
R«£ oder einem nachfolgenden, zwischen Ra£ und Raf
liegenden radioaktiven Produkte herrühren muß.
4. Die theoretische Annahme, die Reststrahlung sei eine
von Ra£^ ausgehende schwache, wenig durchdringende
Strahlung, führt zu Kurven, welche mit den experimentell
gefundenen in sehr befriedigender Weise übereinstimmen.
Im zweiten Teile wurde
1. durch Abklingungsmessungen an stark Ra£-hältigen
Präparaten bewiesen, daß zwischen Ra£^ und RaF unmög-
lich ein weiteres a-strahlendes Zwischenprodukt vorhanden
sein kann. Dadurch wird es zwingend,
2. die im ersten Teile besprochene Reststrahlung entweder
als schwach ionisierende a- Strahlung oder als eine von den
ß-Strahlen des Ra£^ hervorgerufene Sekundärstrahlung auf-
zufassen.
Eine experimentelle Entscheidung zwischen diesen beiden
Erklärungsmöglichkeiten war nicht möglich.
3. Bei Abklingungsmessungen der ß-Strahlung von Ra£
wurde beobachtet, daß der Abfall bis etwa zum 15. Tage nach
der Halbierungskonstante HC = 4 • 9 Tage erfolgt, später aber
eine Verlangsamung eintritt (HC=: 6*2 Tage). Dadurch wurde
die Anschauung von St, Meyer und E. v. Schweidler, daß
RelE aus zwei sukzessiven Produkten, dem strahlenlosen Ra£i
{HC =6-2 Tage) und dem ß-strahlenden RaJS^ (Ä'C = 4'9
Tage) bestehe, neuerlich experimentell bestätigt.
1321
Ober die Ableitung- des Gauß'sehen Prinzips
des kleinsten Zwanges aus den allgemeinsten
Lagrange'schen Gleichungen zweiter Art
von
Richard Leitinger.
Aus dem mathematisch-physikalischen Kabinett der k. k. Universität in Graz.
(Vorgelegt m der Sitzung am 21. November 1907.)
Das von Gauß (1829) aufgestellte Prinzip des kleinsten
Zwanges läßt sich bekanntlich für rechtwinklige Koordinaten
in einfacher Weise aus den Lagrange'schen Gleichungen erster
Art ableiten, wobei sich für den Zwang Z, d. i. filr die zu einem
Minimum zu machende Funktion, der schon von Scheffler
(1858) zuerst formulierte Ausdruck ergibt:
Zzr y — [(Wvi^;— Xv)2+(mv> — Yv)2+(Wv2v— Zv)2].
v = l
Statt der rechtwinkligen, durch die Bedingungsgleichungen
miteinander verknüpften Koordinaten hat nun schon Lipschitz
(1877) versucht, allgemeine, die Bedingungsgleichungen iden-
tisch erfüllende Variable einzuführen, und Waßmuth ist es
(1895) gelungen, auf einem sehr einfachen Wege die Trans-
formation des Zwanges in allgemeine Koordinaten vorzu-
nehmen, wenigstens unter der Voraussetzung, daß die Bedin-
gungen die Zeit nicht explizit enthalten.^ Außerdem haben
sich auch Radakovich und andere mit diesem Problem ein-
gehend beschäftigt.
1 Wafimuth, Über die Transformation des Zwanges. Diese Sitzungs^
berichte, CIV, II. Teil.
1322 R. Leitinger,
Es liegt nun die Frage nahe, ob es denn nicht möglich
sei, in ähnlicher Weise wie für rechtwinklige Koordinaten
auch für generalisierte, voneinander unabhängige Koordinaten
das Gauß'sche Prinzip und insbesondere den allgenoeinen Aus-
druck für den Zwang Z direkt aus den allgemeinsten
Lagrange'schen Gleichungen zweiter Art abzuleiten?
Im folgenden soll nun eine solche direkte Ableitung ver-
sucht werden, wobei im ganzen zunächst vier verschiedene
mögliche Fälle in Betracht zu ziehen sind; denn die zwischen
den rechtwinkligen Koordinaten bestehenden Bedingungs-
gleichungen sowie die Transformationsgleichungen, durch
welche statt der rechtwinkligen die generalisierten Koordi-
naten Pi,P29'''Ps eingeführt werden, können ihrer Form
nach 1. holonom oder 2. nichtholonom sein und die
Transformationsgleichungen können selbst wieder in beiden
Fällen die Zeit t explizit enthalten oder nicht, also noch rheo-
nom oder skleronom sein.
Es wird sich indessen zeigen, daß die Nichtholonomität
der generalisierten Koordinaten im allgemeinen keinen wesent-
lichen Einfluß auf den Gang der Ableitung ausübt, so daß
eigentlich für die vorliegende Aufgabe nur zwei Hauptfälle in
Betracht kommen, je nachdem nämlich die generalisierten
Koordinaten skleronom oder rheonom sind.
Der einfachere und zugleich weitaus häufigere dieser
beiden Fälle soll zuerst in Angriff genommen werden.
A. Skleronome generalisierte Koordinaten.
Die Transformationsgleichungen sollen zunächst die Zeit /
nicht explizit enthalten, also entweder, falls sie holonom
sind, lauten:
x^ = y;(/7j, /7a . . . ps), für V =: 1, 2, ... 3« ^
1 Dabei sind die rechtwinkligen Koordinaten des Systems nach Boltz-
mann alle mit demselben Buchstaben x bezeichnet und ebenso ist der ein-
facheren Schreibweise wegen die Masse jedes Punktes durch drei Buchstaben,
z. B. f», = 1^2 s=s 1^3, ausgedrückt
Prinzip des kleinsten Zwanges. 1323
oder, falls sie nichtholonom sind, die Form haben :
s
dx^ =z V TChdph, für V rz: 1, 2, 3 . . . 3n,
wobei die Größen «* irgend welche Funktionen der pk sein
werden, die aber die Zeit ebenfalls nicht explizit enthalten
sollen. Die durch diese 3n Gleichungen eingeführten s all-
gemeinen oder generalisierten Koordinaten jp^, p^- - • Ps sollen
die zwischen den rechtwinkligen Koordinaten bestehenden
T Bedingungsgleichungen :
identisch erfüllen, aber voneinander vollkommen unabhängig
sein, was natürlich nur möglich ist, wenn ihre Anzahl 5 gleich
der Zahl der Freiheiten des Systems 3» — t ist. Die Lagrange-
sehen Gleichungen zweiter Art lauten dann für holonome
Koordinaten:
ö,:= A/i:^]_i^_P,^0, für Arn 1,2,. .,5 1)
dt \ 9pH I ipk
und für nichtholonome Koordinaten, wie Boltzmann^ zuerst
gefunden hat:
^ d f^L\ 8L -,
ÖÄ = -TT TT- --^ ^*+
dt\dpHj ^Ph
3n / s \
+ 2w,;rJcÄ-f- ^ Cit] = 0, für Ä = 1,2,... 5, U)
v=l \ t=l /
wobei L die lebendige Kraft, Pn die generalisierte Kraft-
komponente bedeutet.
Aus diesen allgemeinen Lagrange'schen Gleichungen läßt
sich nun im vorliegenden Falle das Gauß'sche Prinzip und der
allgemeine Ausdruck für den Zwang auf folgendem Wege
direkt ableiten.
1 Boltzmann, Prinzipe der Mechanik, II. Teil, p. 100. Siehe auch p. 1330
dieser Abhandlung.
1324
R. Leiting«r,
Aus den Gleichungen
folgt:
Öl = 0, ö« = 0, . . . ö. = 0
ÖM + Ö88A + Ös8ä+. . . + ö,8/, = O.
\]
Ferner ergibt sich aus den Transformationsgleichungen
durch Differentiation entweder:
1
i.=
Ph oder x,= Y ^*^*
h = \
SO daß die lebendige Kraft des Punktsystems als eine quadra-
tische Form in den Größen p* erscheint:
3n 5
3)
v = l
h,k = l
Dabei setzen sich die Koeffizienten Uhu = ^m aus den
Größen
ix,
"8^
, respektive ttJ zusammen, sind also Funktionen
der pky die die Zeit nicht explizit enthalten, und es läßt sich
zeigen, daß die Determinante der quadratischen Form L von
Null verschieden ist:*
D =
^s\f <*s2i . . . Ä
55
0
für alle Werte der Zeit /.
Man kann daher die Gleichung 2) mit 2D multiplizieren
und erhält:
5
' 2QH.D.tpx = 0. 4)
Z
1 BoltziiiAnn, Prinzipe der Mechanik, II, p. 35.
Piinzip des kleinsten Zwanges. 1325
Nun ist bekanntlich
D = axnAxi.+auAzH'k- . . . +ashAsh für A = 1, 2, 3, . . . s, 5)
wobei die Arn die Adjunkten von D sein sollen. Die Gleichung 4)
läßt sich daher auch schreiben in der Form:
y 2Qh[aihAiH'^a2hA2k'^ . . . -hashAsh]iph = 0. 6)
A = l
Nun gilt aber weiters nach einem Satze der Determi-
nantentheorie, daß, wenn r von h verschieden,
airAiH'ha2rAtH-^" . -^asrAsk = 0. 7)
Fügt man daher zur linken Seite in Gleichung 4) oder 6)
solche Glieder hinzu, die identisch verschwinden, so gilt auch:
s
h^l
+ [^12-4lÄ+^2«-^2Ä-t- • . . -^^aAsh] 8/?2
+
+ [^15 AiH'ha2sA2H^ . . . -hassAsh] ^Ps} = 0. 8)
Denn für jedes bestimmte h verschwinden nach 7) sämt-
liche Glieder bis auf das eine, welches in Gleichung 6) auftritt.
Zieht man nun in Gleichung 8) die vertikal untereinander
stehenden Glieder zusammen, so folgt:
S \
y 2QH{Ain{ai^^i-^a^2^p^-^ . , . -^-au^ps)
-¥•
+^s*(Ä5i8/?i+ai2 S/r,+ . . . 4-055 8A)} = 0- 9)
Nun ergibt sich aus Gleichung 3):
8X
ahiPkf 10)
* = 1
1326 S. Leitinger,
daher
8X
dt \ hpu j ^^
^hkPh
und somit Qk = akipi+afap^'^ . • • -h^hsps-^ . . . = O.
Es ist daher:
— — = ajki, -— -" — ^*2,.-. — :- — ^*»- 11' !
8/7i 3/7, 3/7, I
Deshalb kann man die Gleichung 9) auch folgendermaßen
schreiben:
* = 1
+
oder in Summenform:
■^■1"H = °- "''
Löst man jetzt die erste Summe über h auf, so erg^ibt sich
die Gleichung
r = 1
5
8Ör ». . . 8Ör
r = 1
+2Ö, y Arsl^iP,+ ...+ ^iPs]=0. 13)
Prinzip des kleinsten Zwanges. 1327
Nun kann man in dieser Gleichung wieder die vertikal
untereinander stehenden Glieder, die also mit demselben Faktor
-^- — ipft multipliziert sind, zusammenziehen. Dann geht Glei-
oph
chung 1 3) über in :
r=l ^
8A
-4-
4-(2^HÖi+2^KJÖ2+...+2^rsÖ5)-^8p4 =:0. 14)
^Ps j
Denkt man sich nun Gleichung 14) durch D dividiert und
setzt dann:
^(2^,iÖ,4r2^^Ö2+-- -+2^505) = ^ 15)
für r = 1, 2, 3 . . .5,
so wird durch diese 5 Gleichungen Z jedenfalls als eine
quadratische Funktion der Größen Q^, Ö2 • • • Ös definiert, die
sich daraus durch Integration ergibt in der Form:
5
wie man sich umgekehrt durch Differentiation leicht über-
zeugt. Die Funktion <f tritt hinzu, weil in den Gleichungen 11)
nur die Größen ph als Veränderliche aufgefaßt wurden.
Nun geht Gleichung 14) über in:
Dieser letzte Ausdruck ist aber nichts anderes als die
erste Variation von Z, wenn nur nach den Größen pn (also im
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. II a. 89
1328 R. Leitingcr,
Gauß'schen Sinne) variiert und alles andere als konstant be-
trachtet wird. Mithin ist nach Gleichung 17):
iZ = 0, 18)
Die zweite Variation ist ersichtlich positiv, so daß diese
letzte Gleichung besagt, daß, wenn man die vorhandene Be-
wegung im angegebenen Gauß'schen Sinne variiert, für die
wirkliche Bewegung, die eben nach den allgemeinen Lagrang^-
schen Gleichungen 1) erfolgt, der Zwang
2^^yö^öv+T(/?i.. . 'Pi.,Pi " ' Ps)
D
ein Minimum sein muß.
Es ist wohl unmittelbar ersichtlich, daß diese Ableitung
sowohl für holonome als auch für nichtholonome sklero-
nome Koordinaten gilt, wenn man nur unter den ö* i"^ ersten
Falle die linken Seiten der Lagrange'schen Gleichungen in der
Form I, im zweiten Falle aber in der Form II versteht; denn
die Schlußweise bleibt in beiden Fällen dieselbe.
B. Rheonome, generalisierte Koordinaten.
Es soll nun der zweite und bedeutend schwierigere der
beiden angeführten Hauptfälle in Betracht gezogen werden,
der Fall nämlich, daß in den Transformationsgleichungen die
Zeit auch explizit auftritt. Diese Transformationsgleichungen
lauten daher jetzt, wenn sie holonom sind:
^v =/v(A Pv Pi"' Ps\ für V = 1, 2, 3 ... 3«
oder, wenn sie nichtholonom sind:*
s
dx„ = ^^dt -4- V i:ä dph, für v i= 1, 2, 3 . . . 3«,
wobei aber nun im allgemeinen auch die Funktionen d^
und Tih die Zeit explizit enthalten werden. Die rheonomen,
1 Vergl. Boltzmann, Prinzipe der Mechank, 11. Teil.
Prinzip des kleinsten. Zwanges. 1329
generalisierten Koordinaten p^, Pi- > - Ps sollen wieder die
Bedingungen des Systems:
identisch erfüllen und im übrigen wie früher voneinander
vollkommen unabhängig sein.
Die Lagrange'schen Gleichungen zweiter Art ändern sich
unter dieser Voraussetzung dann nicht, werden also auch hier
in der Form I oder II erscheinen, je nachdem die Koordi-
naten ph holonom oder nichtholonom sind; denn eine Ände-
rung in diesen Gleichungen würde ja nur eintreten, wenn
zwischen den Koordinaten ph selbst noch gewisse Beziehungen
bestünden.
Um nun aber diesem zweiten Falle überhaupt nähertreten
zu können, ist es vom mathematischen Standpunkt aus not-
wendig, eine Voraussetzung über die Natur der hier auf-
tretenden Funktionen zu machen, und deshalb werde etwa
angenommen, daß sämtliche vorkommenden Funktionen ein-
deutige, analytische Funktionen seien, eine Annahme, die
für das physikalische Problem im allgemeinen wohl eher zu
weit als zu eng gefaßt sein dürfte.
Da nun im vorliegenden Falle, wie sich durch Differentia-
tion aus den Transformationsgleichungen ergibt, entweder:
s
aXu v^ vX^ .
ax^ v-^ ox^ . ..
^v = — - + > Ph 1)
^Ph
oder
^v = *v+ y npk
ist, so erscheint die lebendige Kraft des Punktsystems L jetzt
nicht mehr als eine quadratische Form in den Größen ph,
sondern überhaupt als eine Funktion zweiten Grades in diesen
Größen vom Typus:
8n 5
L = y — ^^ = — y akkPhPk-^Y hpH-hc, 2)
2 2
89*
1330
R. Leitinger,
wobei die Koeffizienten a^jk, bk und c selbst noch die Zeit und
die Koordinaten pk in irgend einer von der Form der Funk-
tionen f,f respektive dy und icj abhängigen Weise enthalten
werden.
Versucht man nun auch hier wieder, sich die Ausdrücke Qk
wirklich zusammenzustellen, so erhält man aus der Gleichung 2):
a)
IL
iph
— =7 0^hkPk-\ri>h
» = i
b)
c)
d)
%L
dt \8pA
=z
1 = 1
3£m .,
9/
^+y
PlPk + OUtPk
3*»
8^
<9
1 = 1
»**
ipl
PI
iL
^pk
8öpt . .
8 fr,
= T E i^-^'-i: ^^'-
p,* = i
8P.
P = i
9p)
de
Ferner ist bekanntlich:
Pk =
8^.
3n
^1 '*^'
3i
oder für nichtholonome Koordinaten:
Sh
Pj,=Y^X.7:l
väI
und endlich nach Boltzmann:*
e)
^ ipH dt \ ipH
k = 1
Bildet man also aus diesen Relationen 3 b, c, d und even-
tuell e den Ausdruck Qh gemäß der eingangs aufgestellten
1 Boltzmana, Prinzipe der Mechanik, II, p. 106.
Prinzip des kleinsten Zwanges.
1331
Form I oder II, so erkennt man unmittelbar, daß auch für
rheonome Koordinaten wie für skleronome ganz allgemein:
h ^n ly 2y « • . 5
8Ö* _,
für
4)
^pr r = 1,2, . . .5
Deshalb liegt es nahe, auch hier die Determinante D
des quadratischen Teiles im Ausdrucke von L (Gleichung 2)
aufzufassen, d. h. die Determinante 5*«« Grades:
D =
^11» ^12» • • • ^1*
^^21» ^22» • • • ^2s
^51 > ^S2y • • • ^ss
r
Doch kann man jetzt nicht mehr, wie etwa im ersten Falle,
behaupten, daß diese Determinante D für alle Werte der Zeit /
von Null verschieden sein müsse; denn der dort zitierte Beweis
stützt sich wesentlich darauf, daß L eine homogene Form sei,
was ja hier nicht mehr der Fall ist. Zur näheren Untersuchung
dieser Determinante D ist es daher notwendig, sich dieselbe
wirklich zu bilden, und zwar zunächst unter der Voraus-
setzung, daß die Transformationsgleichungen ihrer Form nach
holonom seien. Dann ist:
s
*. =
ix.
und die lebendige Kraft:
z
h = i
8;r,
iph
Pk
L =
=1
391
i! =
v = l
Ph +
^\
2x^
iph
Ph
3n
iZ
v=«
[it
1332
R, Leitinger,
Vergleicht man damit die allgemeine Form (Gleichung 2):
SO erkennt man unmittelbar, daß die Determinante der Koeffi-
zienten Ujik im Falle rheonomer, holonomer Koordinaten in
folgender Form erscheint:
D =
im- ?
ix>t . ix^ Kr\ 8^11 8^
öPi ^P
a
^Px 3/^2 ^ l8ft
, . . . 7
m.
OXst OXh
Z_i 8_p, Zp,
ZOX>i qx^
nu,-
ZWvf
Aus dieser Form der Determinante läßt sich jedoch über
ihr Verschwinden im allgemeinen noch nichts Näheres aus-
sagen. Darum ist es wichtig, zu bemerken, daß diese sym-
metrische Determinante D auch aufgefaßt werden kann als das
zeilenweise gebildete Produkt der zwei rechteckigen Matrices:
8*1
8^9
8^3n
9x.
ix.
8*s.
t»l
>
»»a
> •
• • ^8»
^ 1
y •
• •
dp,
Vi
8/^1
3/»,
öi^i
8^
ix,
8 a;.
8:»r3„
8*,
8*i
8*s»
Wi
>
m^
^ > •
. . m^n
J
9 •
• •
^Pi
o/'s
8/73
3;jj
dp.
3*1
8^3«
8*1
8*8
dXjn
Wj
>
w«
> •
• • Ws«
9
> •
• •
9ps
8;?.
8/?s
3p*
dp.
8/;,
Dieses symbolische Produkt läßt sich aber, weil die Zahl
der Horizontalreihen 5 jedenfalls kleiner ist als die der Vertikal-
reihen 3w, nach einem Satze der Determinantentheorie* weiters
1 Baltzer, Determinanten, § 6, p. 48 ff. — E; Pascal, Determinanten,
I, §7.
Prinzip des kleinsten Zwanges.
1333
darstellen als eine Summe von f j Quadraten, deren jedes
einzelne die allgemeine Form hat:
mr^.mr^...fHr..
iXr,
3*r.
dp, '
8Pi
^^r.
8*r.
8pg '
iPi
iXr,
1^
8/>i
8*,.
^P:
2
3/7,
wobei r^r^r^..,rj irgend eine Kombination ster Klasse ohne
Wiederholung aus den Elementen 1, 2, 3 ... 3w bedeutet. Nun
sind aber die Koordinaten x^,x^..,Xsn voneinander nicht
unabhängig, sondern miteinander verknüpft durch die t Bedin-
gungsgleichungen :
?i(^i» ^2 • • -^sn) = 0, 92(^1» ^2 • • -^8«) =: 0, . . . cpt(^i, ^2 • • •^3») = 0,
weshalb man sich r von den Größen x aus diesen Gleichungen
als Funktionen der übrigen 3w— r rz 5 Größen x, die dann
voneinander unabhängig sind, dargestellt denken kann, etwa
in der Form :
^5-1-1 = ^i(^v ^2 • • • ^s)f ^s+2 = 4^2(^1» ^2 • • • ^s), . . . ^3« = ^^(p^v ^2 • • • ^5).
Dann ist aber:
-
Sa
8(I)x Bat, _^ 3^x
3^-
2
ix^ 2ph ix^ dph
... +
8^^x ^x,
3^5 8/?Ä
5)
für alle Werte von X rz 1, 2, . . . t und ä = 1, 2, . . . s.
Führt man nun diese Darstellung 5) in die einzelnen
Determinantenquadrate der obigen Entwicklung ein, so tritt,
wie unmittelbar ersichtlich ist, aus jedem derselben mit Aus-
— —} zusammen-
gesetzter Faktor heraus und die übrigbleibenden Deterrni-
nantenquadrate stimmen dann, mit dem ersten überein. Deshalb
nähme des ersten ein aus den Größen
1334
R. Leitinger,
läßt sich auch die ganze Originaldeterminante D darstellen
durch das Quadrat dieser einzigen ersten Teildeterminante in
der Form:
D =
m^m^ . . . #«5+^(Wi
8ar,
^P% 3Pi
7>p]
Der Ausdruck in der eckigen Klammer kann, wie aus
seiner Form unmittelbar hervorgeht, nicht verschwinden und
nur positiv sein; denn die m^ sind als materielle Massen posi-
tive Größen und die Funktion 4> kann als eine Summe von
quadratischen Gliedern auch nur positiv oder Null sein. Mit-
hin ist ein Verschwinden der Determinante D überhaupt nur
möglich, wenn die Determinante 5ten Grades:
A =
J 1 • •
8^2 8a
8*,
aar.
Safj Ix^
aar.
> •
3^5 ^Ps ^Ps
verschwindet.
»
Diese Determinante A, deren Verschwinden somit die not-
wendige und hinreichende Bedingung für das Verschwinden
der Originaldeterminante D darstellt, ist nun aber nichts
anderes als die Funktionaldeterminante der eindeutigen ana-
lytischen Funktionen:
Deshalb ist A selbst eine eindeutige, analytische Funktion
der Größen p^, P2' -- Ps und müßte als solche überhaupt iden-
tisch verschwinden, wenn sie in irgend einem auch noch so
Prinzip des kleinsten Zwanges. 1 335
beliebig kleinen Zeitintervall /' bis t" identisch verschwindet.
Dadurch würde aber offenbar eine Beziehung zwischen den
Größen Pit P2' - -Ps definiert, was der vorausgesetzten voll-
kommenen Unabhängigkeit der generalisierten Koordinaten
untereinander widerspricht Es ist daher auch ein identi-
sches Verschwinden der Originaldeterminante D in jedem,
wenn auch noch so kleinen Zeitintervall ausgeschlossen
und es bleibt mithin nur die eine Möglichkeit übrig, daß
diese Determinante nur für vereinzelte, besondere Momente
^o> ^> ^- • • verschwindet, während sie sonst im allgemeinen
von Null verschieden ist.
Solange nun aber diese Determinante D von Null ver-
schieden ist, kann man zufolge des in Gleichung 4) ge-
wonnenen Resultates ohneweiters auch für rheonome, gene-
ralisierte Koordinaten genau dieselben Schlüsse wiederholen
wie im Falle skleronomer Koordinaten, so daß für alle Inter-
valle, in denen die Voraussetzung D^O erfüllt ist, sich für
den Zwang Z, der für die wirkliche Bewegung ein Minimum
sein muß, derselbe allgemeine Ausdruck ergibt wie im ersten
Falle, nämlich:
s
Z =: — y A^^Q^Q^'¥^{p^...ps,Px'"Ps)'
Nur wird jetzt natürlich ebenso wie in den Größen A^^
und D auch in diesem Ausdrucke für den Zwang Z die Zeit
im allgemeinen auch explizit auftreten.
Was aber jene einzelnen Momente betrifirt, in denen die
Determinante D wirklich verschwindet und für welche daher
die oben gegebene Ableitung ihre Bedeutung verliert, so
ließe sich vom rein mathematischen Standpunkt aus unter
spezielleren Voraussetzungen über die Natur der auftretenden
Funktionen wohl durch Grenzbetrachtungen der modifizierte
allgemeine Ausdruck für den Zwang in solchen Momenten
finden. Doch muß von solchen eingehenderen mathematischen
Untersuchungen hier abgesehen werden, da für das vorliegende
allgemeine physikalische Problem nähere Spezialisierungen in
den Voraussetzungen nicht ohneweiters zulässig sind und da
1333 R. Lei tinger, Prinzip des kleinsten Zwanges.
andrerseita für einzelne herausgegriffene Momente, in denen
Zeit und Koordinaten nicht als variabel, sondern als fest
anzusehen sind, die mechanischen Prinzipien keine eigent-
liche Anwendung mehr finden. Auch läßt sicli, ohne auf
spezielle Fälle überzugehen, im allgemeinen nicht entscheiden,
ob überhaupt oder wie oft dieser Ausnahmefall eintreten kana
Endlich ist noch bezüglich der bisher ausgeschlossenen
Nichtholonomität der rheonomen Koordinaten zu bemerken,
daß diese auch hier wie im ersten Falle keinen wesentlichen
Einfluß auf den Gang der Untei*suchung ausübt. Ea treten nur
an die Stelle der DifTerentialquotienten ~ — die allerdings nicht
näher bekannten eindeutigen analytischen Funktionen %h und
die Lagrange'schen Gleichungen sind wieder in der Form 11
zu verwenden. Im übrigen aber bleiben alle Schlüsse aufrecht
mit Ausnahme der Zerlegung der Determinante D, die hier
allerdings nicht mehr durchgeführt werden kann. Doch übt
dieser Umstand, wie nachträglich ersichtlich ist, auf die ganze
Schlußweise keinen weiteren Einfluß aus; denn ebenso Vi,'k
die Funktionaldeterminante A ist offenbar auch D selbst eine
eindeutige analytische Funktion der Größen p^, P29- -- A '
welche mithin nicht identisch verschwinden kann, ohne die
vorausgesetzte Unabhängigkeit der generalisierten KoordinateT
untereinander zu stören. Der allgemeine Ausdruck fü
den Zwang Z ist daher unter der Voraussetzung ein
deutiger analytischer Funktionen — von einzelnen möglicher
weise vorkommenden Momenten, in denen Dz=:0 wird, abge
sehen — auch für rheonome, und zwar so^vohl holo
nome als auch nichtholonome Koordinaten genau
derselbe wie für skleronome Koordinaten.
.-^
1337
Ober die einfachen Einheiten des Bereichs
(a, \/W), wo a eine primitive Einheitswurzel
von Primzahlgrad und D eine negative Zahl
bezeichnen
von
F. Mertens.
(Vorgelegt in der Sitzung am l2. Dezember 1907.)
1.
Es sei X eine ungerade Primzahl, a eine primitive Xtc Ein-
heitswurzel, D eine negative ganze quadratfreie Zahl und es
handle sich um die Ermittlung aller Einheitswurzeln des
Bereichs (a, \/D ).
Hiezu führt ein Satz Kronecke r's^ über die Gleichung
Yn=0
für die primitiven wtcn Einheitswurzeln. Derselbe lautet:
Wird die Funktion V« durch Adjunktion einer Wurzel
einer ganzzahligen irreduktibeln Gleichung
G{z) = 0
mit dem Koeffizienten 1 bei der höchsten Potenz von z reduk-
tibel, so muß die Diskriminante A von G einen Primfaktor
von n enthalten.
Es sei gestattet, hier einen einfachen Beweis dieses Satzes
mitzuteilen.
1 Memoire sur les facteurs irreductibles de l'expression x^ — 1. Journal de
mathem. p. et a. public par Liouville, 19, 1854.
1338 F. Mertens,
Da G(z) mittels einer primitiven «ten Einheitswurzel zer-
fällbar ist, so sei f(z, r) ein in dem Bereich (r) irreduktibler
Faktor von G von höherem als dem Oten Grade mit dem Koef-
fizienten 1 bei der höchsten Potenz von z. Die Koeffizienter.
desselben sind ganze ganzzahlige Funktionen von r und
müssen Potenzen von r — mit von 0 verschiedenen Koeffi-
zienten — enthalten, deren Exponenten nicht durch n teilbar
sind. Es sei / der größte gemeinschaftliche Teiler dieser
Exponenten und der Zahl n und
f(z^r) enthält dann nur Potenzen einer primitiven w^ten Einheits-
wurzel p und kann mit /(«, p) bezeichnet werden, wo die
Koeffizienten von /(c, p) nicht mehr rational durch eine Ein-
heitswurzel ausgedrückt werden können, deren Grad in n^ auf-
geht und <c«i ist.
«1 muß durch eine Primzahlpotenz p^ genau teilbar sein,
welche > 2 ist, und es sei n^ = mp^. Jede der ^{n^ — 1 Funk-
tionen
welche den von 1 verschiedenen, zu %%^ teilerfremden Zahlen
a,b,.,. unter «^ entsprechen, geht in G(z) auf und es mu:j
unter denselben mindestens eine, etwa /(«, p^), vorkommen, in
welcher c = 1 (mod nt) ist und welche nicht mit /^(z, p) zu-
sammenfällt. Denn anderenfalls würden alle Funktionen
zusammenfallen, wo hp' = 1 (mod m) ist und k alle zu /?* teiler-
fremden Zahlen unter /?* durchlaufen soll, und /(«, p) würde
gegen die Annahme nur Potenzen von pP enthalten.
Sind aber die Funktionen
/(^,P),/(c,pO
verschieden, so sind sie teilerfremd und ihr Produkt muß in G
aufgehen, so daß
G(r)=:/(z,p)/(^,pOÖ(«.p)
Einfache Einheiten des Bereichs (a, \/D), 1339
gesetzt werden kann, wo Q ganz und ganzzahlig in 2, p ist.
Hieraus ergibt sich durch Erhebung in die /7*te Potenz
GP'= G(zp") =f(z,p/fiz,p^y' Q(z, p/
R X. _ . IS «. _ « «.
^/(2^ , P^ )/(2^^ , P^^ ) Ö(^^ , P^ ) (mod/?),
woraus
G(i2:) - f(z, p/)« 0(2;, p/) (mod p)
folgt.
Dann ist aber
A = 0 (mod /?).
2.
Die Einheitswurzeln s des Bereichs (a, \/Z)) sind von
zweierlei Art, je nachdem ihr Grad zu X teilerfremd ist oder
nicht.
Es sei
e'^ = 1
und w zu X teilerfremd.
Bleibt Yx bei der Adjunktion von s/D irreduktibel, so
darf \/D^ ^^ — V -^ verwandelt werden, wodurch 8 in e^
übergehen möge. E^ ist dann auch
e^ = \
und (x-'e)(x — s^) hat in a rationale Koeffizienten. Ist dagegen
Yx durch \/D^ reduktibel, so ist \/D und infolgedessen
auch s in a rational. Entweder geht also die Funktion (x — s)*
• (x — 8^), wenn s, Sj verschieden sind, oder aber die Funktion
X — 8 in x^'^ — 1 und daher auch in einem der Faktoren
von x***—!, etwa Yp,, auf, wo l,8,...w die Teiler von m
bezeichnen. Da aber YJ^ nach dem Satze in 1 durch Adjunktion
von a nicht reduktibel werden kann, so muß <p((i.) <3 sein.
|JL kann demnach nur einen der Werte
H = 1,2,3,4,6
1340 F. Mertens,
und 8 die Werte
1,-1, ±ö)«, ±i,
haben, wo
_ — I+in/S
(0 z=.
2
ist.
Die beiden ersten Werte 1,-1 gehören immer dem Be
reiche (a, \/D^) an, die anderen nur unter Umständen.
Der Fall
8 =: -tco^
kann nur vorkommen, wenn X > 3 ist, und erfordert
Si = =bcö2«.
Setzt man
wo A, B Zahlen in a bezeichnen, so ergibt sich
2Bs/D = =t\/^^
2DB = ±\/— 3Z).
Ist nun D nicht durch X teilbar, so gilt dasselbe von der
Diskriminante der Gleichung c^+3i) = 0 und Y\ ist durch
v/— 32) irreduktibel. Es muß daher B von a frei und
V — 3/3 rational sein. Da überdies D quadratfrei angenommen
wurde, so muß D = — 3 sein. Umgekehrt gehört {o in diesem
Falle zu dem Bereich (o, \/ — 3).
Ist dagegen D durch X teilbar, so sei
2](t-)«' = ^(«)' 5=1,2,...X-1.
Infolge der Gleichung
\l {-\)^\ = b(a)
Einfache Einheiten des Bereichs (o,- \/Z) ). ' 1341
lautet dann die obige Gleichung:
2Z?iJ9(a)d(a) = ± v/=3Li;T
Da 3D^ zu X teilerfremd ist, so ist Yx durch V^ — 3Z>i
irreduktibel und es muß 2DiB('j)^(a) frei von a und somit
\/ — 3Z?i rational sein. Da überdies D^ quadratfrei ist, so folgt
D, = —3,
D = —3\ \= 1 (mod4). ,
In der Tat ist dann
(ü = 1 ^-^ s/D.
2 2X
Die Gleichung
erfordert
Setzt man
8 =:: dzt
B^ = ^U
z = A+B\/d ,
wo A, B Zahlen in a bezeichnen, so wird
DB = z±i\f^^^^.
Ist nun D zxx'k teilerfremd, so gilt dasselbe von der Dis-
kriminante der Gleichung z^-hD = 0 und Y\ ist durch \/—D
irreduktibel. Es muß daher B von a frei, s/^—D rational und
Z) r= — 1 sein. Umgekehrt gehört dann ±i zu dem Bereich (/, a).
Ist dagegen D durch X teilbar, so sei
X— 1
Es wird dann
und es erhellt wie vorher, daß D^ =z — 1 sein muß. Somit muß
D=-'k XeeI (mod4)
sein und es ist in der Tat
1342 F. Mertens, Einfache Einheiten des Bereiehs (o, \/D),
3.
Es sei e eine primitive Einheitswurzel des Bereichs
(a, \/D ), deren Grad m durch X teilbar ist, und m -=: nX.
Die Gleichung
ergibt
Ist Yx durch v/^ irreduktibel und geht s durch Ver-
wandlung von \/D in — sJD^ in e, über, so ist
8« zr a^
und daher
Somit ist in allen Fällen a* oder a^* die w^« Potenz einer
Zahl in a und es erhellt, daß n nicht mehr durch \ teilbar seir.
kann. Dann ist aber, wenn ä, k der Gleichung
nk= 1+AX
genügen,
3 ist demnach das Produkt einer Potenz von a in eine Ein-
heit 8-^^ des Bereichs (a, \/D*) von zu X teilerfremdem Grade tu
k.
Faßt man die unterschiedenen zwei Fälle zusammen, so
ergeben sich alle Einheitswurzeln des Bereichs (o, s/D) in
der Gestalt
8 r=: ea\
wo c eine Einheit desselben Bereichs von zu X teilerfremdem
Grade ist.
1343
Über die in Bezug auf eine Primzahl des Be-
reichs der Quadratwurzel aus oiner negativen
Zahl irreduktibeln ganzen Funktionen einer
Variablen
von
F. Mertens.
(Vorgelegt in der Sitzung am 12. Dezember 1907.)
1.
Es sei D eine negative ganze quadratfreie Zahl, a die
Zahl 2 oder 1, je nachdem Z)= 1 (mod 4) ist oder nicht, und
^^ a-l + V/5"
0
Alle ganzen algebraischen Zahlen des Bereichs {\/D) sind
Vielfachsummen von 1,* und sollen kurz als ganze Zahlen in
\/D bezeichnet werden.
Unter einer Funktion der Variablen x in \/D werde eine
ganze Funktion von x mit in s/D ganzen Koeffizienten ver-
standen.
Eine Funktion von x in \/D wird eine irreduktible Funk-
tion oder Primfunktion «tcn Grades einer Primzahl p des
Bereichs {s/D) genannt, wenn sie den Grad n nicht übersteigt,
bei x*^ den Koeffizienten 1 hat und in Bezug auf den Modul p
durch keine Funktion von x in \/D von geringerem als dem
«ten und höherem als dem Otcn Grade teilbar ist.
2.
Ist p eine Primzahl des Bereichs (\/D), v ihre Norm, so
besteht ein vollständiges Restsystem R von p aus v Zahlen in
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 90
1344 F. Mertens,
\/D und jede Funktion von :»: in s/D, welche den Grad ii— 1
nicht übersteigt, ist einer und nur einer Funktion
(I) = aj:r"-^H-^g^"~2+ . . . +a„
nach dem Modul p kongruent, deren Koeffizienten zu R ge-
hören. Die Anzahl d^r Funktionen <ö ist v".
Die Bestimmung des über alle Funktionen «» zu er-
streckenden Produkts
P„ = n(:r«-l-ü>)
in Bezug auf den Modul p führt zu dem Produkte aller Pnr.--
funktionen «^en Grades von p.
Es sei y eine Unbestimmte und über alle Funktionen o»
erstreckt
/oo = no'+o.).
Ist ü>^ eine der Funktionen w, so durchläuft üi+a>| in Bezu.:
auf den Modul p zugleich mit w dieselben Funktionen u-ie t«* .
selbst und man hat
/0'-hü),)^/0') (modp).
Hieraus folgt
/'O-l-«i)-/O')-0 (modp)
und, wenn y zzlO gesetzt wird,
/'K)-r(0)-0 (modp).
Da diese Kongruenz für alle v" Werte von cOj besteht, die
Funktion /'(^') — ^/'(O) aber in y den Grad v« nicht erreicht, <o
ist identisch in y
/'O')-/'(0) = 0 (modp)
und /(j') hat die Gestalt
/OO-ZiO'^O + Q^' (modp),
wo Co=/'(0) ist; p bezeichnet die rationale Primzahl, in
welcher p aufgeht und /i(j') eine ganze Funktion vom Grade
Irreduktible Funktionen einer Variablen. 1 345
— v", deren Koeffizienten ganze Funktionen von x in \JT> sind
und in welcher die höchste Potenz von^ den Koeffizienten 1 hat.
Ist v" > /7, so folgt weiter, wenn co^ wieder eine der Funk-
tionen 0) bedeutet,
/(j,+a>,)-/0') =/,OP+a>f)-/,(>//') + Coü>i (mod p)
und es ist
/i(jV^+0— /iCrO + Q^i^O (modp).
Nach Ersetzung von y^ durch y wird daher
/j^+a>f)-/,0)+Coü),-0,
>lO'+«>f)-/[0') -0,
/iK)-/I(0) =0 (modp).
Die Erhebung der Gleichung
in die /?te Potenz ergibt
^«^—2 -^^ ^i' -h (?JliZz:£ = (^F_^) (^p— *J = 0 (mod p),
wo
^ =
O— 1— y/X)
ist und es muß entweder
bip-b =0 (modp)
oder
d^-*i~0 (modp)
sein. Daher ist entweder
oder
wo (üj den iri V^ konjugierten Ausdruck von «^ bezeichnet.
In beiden Fällen durchläuft cof zugleich mit co^ lauter nach p
inkongruente Funktionen und es muß identisch in^
90*
1346 F. Mertens,
A(y)-A(0) = o (modp)
sein. Die Funktion f^ (y) hat demnach die Gestalt
fi(y)=f2(yn^C,y (mod^))
und es wird
f(y) =/« Cy^+ C,yp-^ Qy (mod p).
Die Fortsetzung dieser Schlüsse führt in dem Falle v n f
nach n Schritten zu der Kongruenz
f(y) =yp^-h Cn^iyP""^-^ . . . + C^yP-i- Qy (mod p)
und in dem Falle v =:/;* nach 2n Schritten zu der Kongruenz
f(y) =yp'''-h a«-iy'^'+ . . .-i-C^yP^C;^ (mod p).
Ist V zz p^, so sind die Koeffizienten
durch p teilbar. Denn dco durchläuft mit o> nach dem Modul |i
dieselben Werte wie co selbst, weil * zu p teilerfremd ist, und
auf Grund der Kongruenzen
*^ = *i, ^^ = d (mod p)
ist
oder
(* — *) (C^n-iy^^'''' + . . . -h qjK) = 0 (mod p),
ivoraus
folgt.
Somit ist in allen Fällen
fiy) =>v«+c«_i>^v»-i + . . . + Qj/v-|.Co^ (mod p).
Irreduktible Funktionen einer Variablen. 1 347
Da
/(l) = 0, /(*) = 0 . . . /(*--') = 0 (mod p),
/(*-) = Pn
ist, so bestehen die Kongruenzen
• • •
P„ = ;r«^«+Cn^i;if»^*-i4-...4-Co;i^ (mod^)),
welche, mit den Koeffizienten von z^, z^. . .2" in der Entwick-
lung des Produktes (z—x)(z—x'*). . .(z-^x^^"^) multipliziert, die
Summe
Pn = (x^'^—x) (^v»_;^v).. , . (;^v«_;j:v»-i) (mod p)
ergeben.
3.
Es sei, über alle Teiler 8 von n erstreckt,
= n\x^^ —x) ,
= ni:.«-ij ,
wo (i(S) bei quadratfreiem S je nach der geraden oder ungeraden
Anzahl der Primfaktoren von 8 den Wert 1 oder — 1 und bei
nicht quadratfreiem 8 den Wert 0 hat Es ist dann
x^''—x = nxt,
;^'»— 1=11^8.
Bezeichnet ^» das Produkt aller Primfunktionen Hten Grades
von X der Primzahl p oder die Einheit, je nachdem solche
Funktionen vorhanden sind oder nicht, und SR das Produkt
aller zerfallenden Funktionen nten Grades mit dem Koeffi-
zienten 1 bei der höchsten Potenz von x, so ist
Pn = 9l^„ (mod p)
1348 F. Mertens,
und daher, weil SR nach dem Modul p in einer Potenz von P„ i
aufgeht,
P*_,5ß„-0 (moddp,jy„). 1
Xn ist ZU jeder Funktion x'^^—x nach p teilerfremd, in
welcher m <n ist. Denn der größte gemeinschaftliche Teiler
von v**'— 1 und v" — 1 ist v^ — 1, wo d den größten gemeinschaft-
lichen Teiler von tn und n bedeutet, und es besteht eine
Identität
V** — 1 '»•«1 ^' X — 1
v^-1 x^'-^-X
und somit, weil d < n ist, die .Kongruenz
1 = A{x'''"-^—l) (modd p, X^),
wo A, B ganze ganzzahlige Funktion von x bezeichnen.
Hienach ist die Funktion P*_^, welche einem Produkt von
Funktionen x^^-^x mit unter n liegendem m nach p kongruent
ist, zu Xn teilerfremd und man hat
^n = 0 (modd p, X,).
Andrerseits geht, wenn «, d, d',. . A die Teiler von n be-
zeichnet, das Produkt
in einer Potenz von P„_i auf und die Kongruenz
=^X„Xd, , .Xj^Pn—i (mod p)
ergibt
Pi^.Xn^O (moddp,?ß«).
Da aber die Funktion P,*.^ ein Produkt von Funktionen
von geringerem als dem nten Grad ist, so ist sie zu ^„ teiler-
fremd und es muß
Xn^O (modd p, 5ß„)
sein.
Irreduktible Funktionen ein«r Variablen. 1 349
Somit ist
"^n^Xn (modp)
und die Primfunktiorien n^en Grades von p werden durch Zer-
legung von Xfi gewonnen. Ihre Anzahl ist
H
4.
Gehört v nach dem Modul n zum Exponenten /, so geht
;r"-r^l und daher auch F„ in x^^ — x auf. Dagegen ist Fn zu
jeder Funktion x'^^ — x teilerfremd, in welcher p<zn ist. Da
aber
x^^^—x=nXa
ist, wo d alle Teiler von t zu durchlaufen hat, so muß F»
in Xt aufgehen. Die Funktion F« zerfällt demnach in -^-^ Prim-
funktionen /^«n Grades nach dem Modul p.
5.
Ist V von der Form ÄX.-+-1, wo X eine ungerade Primzahl
bezeichnet, und gehört v nach dem Modul n = X'' zu einem
Exponenten, welcher > 1 ist, so sind die Primfunktionen der
Primzahl p von Fn Funktionen von x^.
Denn es sei |Ji =z X? die höchste in v — 1 aufgehende Potenz
von X. V gehört nach dem Modul |jl zum Exponenten 1 und
F^ zerfällt demzufolge nach dem Modul p in cp(|x) Primfunk-
tionen ersten Grades. Es sei
Fy,^U (x — a) (mod p).
n
Ersetzt man x durch x^^ , wodurch iy in F» übergeht, so
wird
n
Fn = U (x^ —ä) (mod p).
n
Andrerseits gehört v nach dem Modul n zum Exponenten —
und Fn zerfällt nach dem Modul p in lauter Primfunktionen
1 350 F. M e r t e n s , I ireduktible Funktionen einer Variablen.
vom Grade — Letztere müssen daher mit den Funktioner.
^ ^ n
X ^ — a zusammenfallen und es ist — = X*"-p > 1 .^
Für die Primzahl 2 gilt der Satz in folgender Fassung.
Wenn die Norm v der Primzahl p von der Form 4Ä-4- 1 ist ucw
nach dem Modul « = 2^^ zu einem Exponenten ^gehört, welcher
> 1 ist, so sind die Primfunktionen der Primzahl p von /"«
Funktionen von x^.
Denn es sei r die höchste in v— 1 aufgehende Potenz von 2.
V gehört nach dem Modul r zum Exponenten 1 und /ist r=: - •
Daher ist
Fr = ^{x—ä) (modp)
und nach Ersetzung von x durch x^\
Fn = ^{x*—a) (modp).
Da andrerseits die Primfunktion von F^ vom Grade / sind,
so müssen sie mit den Funktionen ^ — a zusammenfallen.
i Serret, Cours d'algebre supeneure.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEHATISCH-NATORWISSENSCHAFTLICHE EXASSE.
CXVI. BAND. X. HEFT.
ABTEILUNG Ua.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MATHEMATIK, ASTRONOMIE,
PHYSIK, METEOROLOGIE UND DER MECHANIK.
1353
Ober rotierende Scheiben gleichen Fliehkraft-
widerstandes
von
Alfred Basch und Alfons Leon.
(Mit 5 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitznng am 24. Oktober 1907.)
Es ist eine der Hauptaufgaben der Physiker und Ingenieure,
ihre Apparate, Maschinen und Tragkonstruktionen technisch
vollkommen zu gestalten. In keinem Punkte eines einzelnen
Maschinenelementes darf die Elastizitätsgrenze überschritten
werden oder gar eine Trennung der Moleküle eintreten. Hiezu
kommt oftmals die Forderung, an Material möglichst zu sparen,
mit anderen Worten, keinen Punkt des elastischen Körpers
bezüglich der Beanspruchung zu bevorzugen. — Ein derartiges
Formgebungsproblem tritt bei der Konstruktion rasch um-
laufender Scheibenräder im Dampfturbinenbau zu Tage. Auf-
gabe der vorliegenden Studie ist es, zu untersuchen, ob die von
den Konstrukteuren de Laval's verwendete »Scheibe gleicher
Festigkeit« die einzige Form einer Scheibe gleichen Fliehkraft-
widerstandes darstellt und ob, sofern andere Lösungen auf-
findbar sind, auch diesen der Mangel anhaftet, nicht als
Scheiben mit Bohrung und Nabe verwendbar zu sein. —
Das Wort »Scheibe« bezeichne einen in Bezug auf eine zur
Umdrehungsachse senkrechte Ebene symmetrisch gestalteten
Rotationskörper, dessen axiale Ausdehnung im Vergleiche zur
radialen eine geringe ist. Außerdem werde zunächst geringe
Neigung der Meridianlinien der den Körper begrenzenden
Flächen gegen die Symmetrieebene vorausgesetzt. Auf diese
Weise ist es statthaft, anzunehmen, daß der Spannungs- und
Verzerrungszustand in jedem Punkte nur von der Entfernung
1354 A. Basch und A. Leon,
von der Umdrehungsachse abhängig ist und daß die Rich-
tungen des halbpolaren Koordinatensystems Hauptspannungs-
richtungen sind. In Wirklichkeit gibt es nur eine bestimmte
dreifach unendliche Mannigfaltigkeit von Umdrehungskörpem,
bei denen der letzte Teil der Annahme* zutrifft, doch ist der
durch diese Vernachlässigungen begangene Fehler bei den in
Frage kommenden Rotationskörpern ein geringer, wie Stodola
durch ein Näherungsverfahren nachgewiesen hat.*
z sei die halbe Scheibenbreite, p die radiale Punktverschie-
bung im Abstände r von der Umdrehungsachse. Die tangentiale
Dehnung X^i=— , die radiale Dehnung X^=:--j^. |t sei die
spezifische Masse, E der Young'sche Elastizitätsmodul, m die
Poisson'sche Konstante des homogen und isotrop gedachten
Materials. Sofern Druckspannungen als positiv bezeichnet
werden, ist die tangentiale, beziehungsweise radiale Normal-
spannung
mE r p du
m^—\ x. r dr
0)
mE dt)
o^ = r — - m
m^—l I dr
f
Die Scheibe rotiere mit der unveränderlichen Winkel-
geschwindigkeit fv. Die Gleichgewichtsbedingung für das durch
zwei koaxiale Kreiszylinder mit den Radien r und r-^dr sowie
zwei einen sehr kleinen Winkel miteinander einschließenden
Meridianebenen begrenzte Scheibenelement lautet:
d
{Or.r,z)—at^'-\ifV^r*z = 0.' (2)
dr
1 A. Leon, Ober das elastische Gleichgewicht derjenigen gleichmäßig
sich drehenden Drehungskörper, deren Hauptspannungsrichtungen die Koordi-
natenrichtungen sind. Diese Sitzungsberichte, Bd. CXV, Abt. IIa, November
1906. — Derselbe, Über die Materiaispannung in rotierenden Körpern. Zeit-
schrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereines, 1907, Nr. 28.
2 A. Stodola, Die Nebenspannungen in rasch umlaufenden Scheiben-
rädern. Zeitschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, 1907, Nr. 32.
s Siehe z. B. A. Stodola, Die Dampfturbinen. 3. Auflage. Verlag von
Julius Springer, Berlin, p. 154 ff.
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes. 1 355
Setzt man die aus Gleichung (1) sich ergebenden Span-
nungen in Gleichung (2) ein, so erhält man die Differential-
gleichung
d'p \dlz 1 1 Jp [ 1 dlz 1 1
aus welcher sich bei einer Scheibe mit gegebener Meridian-
linie, sobald auch die Grenzbedingungen vorliegen, die riadiale
Punktverschiebung, die Hauptdehnungen und Hauptspan-
nungen berechnen lassen. — Nun ist aber hier umgekehrt
eine Scheibe zu suchen, bei der die Sicherheit gegen Bruch in
allen Punkten dieselbe ist. Die für die Beanspruchung maß-
gebende Funktion des Spannungs- oder Verzerrungszustandes,
deren Form sich nach der Anschauung über das Maß der
Bruchgefahr richtet, muß vom Achsabstande unabhängig er-
scheinen. Dies bezeichne allgemein die Gleichung
in der k einen konstanten Wert bedeutet. Nun ist p aus
Gleichung (4) zu bestimmen und in Gleichung (3) einzusetzen,
die vorher auf die für die Auflösung nach z zweckentsprechen-
dere Form
d^p ^ l f dp p\ ^ dlz f dp ^ 1 p\
dr^ r\dr ^' dr ^^'^ ^^ ^ i
gebracht werden möge. In der Folge soll auch der Einfluß der
zu Grunde gelegten Bruchtheorien auf die Form der Scheiben
gleicher Fliehkraftfestigkeit untersucht werden.
II.
Stellt man die Bedingung, daß die tangentiale und radiale
Spannung überall denselben konstanten Wert besitzen, also
1356 A. Basch und A. Leon,
a^ = a,. irr o z=: konstant, (6)
so folgt aus (1), daß auch tangentiale und radiale Dehnung
konstant und einander gleich sind
Kf mr A|- nr — z^ zu A,
»- dr ) (7)
p = Xr.
Die radiale Punktverschiebung ist dem Achsabstande pro-
portional. Den Zusammenhang zwischen Spannung und
Dehnung gibt die Gleichung
a = ^£X. (8)
Bei Berücksichtigung von (7) gibt die Integration von (5)
z m — 1 u.fv^ 1 tifv^ 1 r^ ..
2o ■" 2w XiB 2 <3 ~ 2 /?- ^^
C ZZ ZqC ^= ^0^ • (*^'
Dies die Gleichung der Meridianlinie der von den Kon-
strukteuren de Laval's benützten und von Stodola eingehen^:
behandelten Scheibe.^ Sie besitzt im Achsabstande
1
r =
sl-
|1W^
einen Wendepunkt. Die willkürliche Scheibendicke Zq in der
Umdrehungsachse zeigt, daß, gleiches Material und gleiche
Winkelgeschwindigkeit vorausgesetzt, für die Meridianlinien
ein einfach unendliches in Bezug auf die Abszissen (r-)achse
affines Kurvensystem als Lösung hervorgeht. Die Variation
von Zq erfährt durch die vorausgesetzte geringe Neigung der
1 Stodola, Die Dampfturbinen, 1905. p. 157. Im folgenden sei die in
Gleichung (9) und (10) dargestellte Form der Kürze wegen die Stodola-
Laval'sche Lösung genannt.
Scheiben gleichen Fiiehkraftwiderstandes. 1357
Meridianlinie gegen die Abszissenachse nach oben eine Be-
schränkung. Die dem Absolutbetrage nach größte Neigung
einer jeden Kurve, in diesem Falle jene in deren Wendepunkt,
ist durch den Differentialquotienten
[4^1 = -i?]!:^JL= ^ - ^0-60653^- 1
gegeben. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Form dieser
Scheiben von den Elastizitätskonstanten des Materials un-
abhängig ist, soweit diese nicht auf den Wert der zugelassenen
Spannung o einwirken.
Die Abszissenachse ist Asymptote der Meridianlinie. Da
sich die Scheibe demnach ins Unendliche erstrecken würde,
wird der äußere Teil bei Aufrechterhaltung des elastischen
Gleichgewichts durch einen Ring von Rechteckquerschnitt
ersetzt. Ist r,- der innere, r« der äußere Radius des Ringes,
2B seine Ausdehnung in axialer Richtung, 2zi die Breite der
Scheibe am (abgerundeten) Übergange, so ist der Zusammen-
hang von Ta und B durch die Bedingung gleicher radialer
Punktverschiebung und Radialspannung für Ring und Scheibe
am Obergange gegeben:
{m^\)rl-\-{m^\)r\ 4p^ ^ 2 nn
(3m + l)r|+(w-l)(rf~4;72) ti-r? " ^^
Es gibt also einmal unendlich viele solcher Ringe (bei
gegebenem /?, r, und s,). Man trifft aus dieser Mannigfaltigkeit
die Wahl durch Rücksichten konstruktiver Natur.
1 Es sei nebenbei erwähnt, daß der Rauminhalt der unendlich aus-
gedehnten Scheibe gleich ist dem doppelten Rauminhalte jenes Zylinders,
dessen Basis der Wendekreis bestimmt und dessen Höhe der Maximaldicke
gleich ist; daß das Trägheitsmoment der Scheibe dem achtfachen Trägheits
moment des obigen Zylinders gleichkommt. Daraus folgt, daß der Trägheits-
radius der Scheibe gleich wird dem doppelten Trägheitsradius des Zylinders. —
Die Wendetangente schneidet die r-Axe im doppelten Wendepunktabstande Zp.
2 Liegt eine rotierende Zylinderscheibe mit den Radien r^ und r^ der
Mantelflächen vor und wirkt auf den Innenmantel die gleichförmig verteilte
Normalspannung a^., auf den Außenmantel die gleichförmig verteilte Normal-
1358 A. Basch und A. Leon,
Um einen anschaulichen Vergleich durch Zeichnung und
Zahlenangaben zwischen der bis hieher besprochenen Scheibe
Spannung a^, so ist die radiale Punktverschiebung im Abstände r von der
Umdrehungsaxe
8m2 E
(«-l)r(f«o^-r;o,.)H-(«-hl)-^(o„-8,.)
die tangentiale, beziehungsweise die radiale Normalspannung sind gegeben
durch
a t
1 / fir^ \
1 r rlrl 1
8m
»•ä
^ [^«»a-»-?»* ^ (»a-«.)]
Im vorliegenden Falle wirkt auf den Aufienmantel des Zylinders die
Spannung o^ = 0, auf den Innenmantel bei Annahme gleichförmiger Spannungs-
z-
t
Verteilung o^ = — o. Die radiale Verschiebung der Punkte des Zylindermantels
ist somit
(«-hl)f«— (M— l)ff Xf
Dieser Wert muß mit der für die Punkte desselben fUdialabstandes der
Scheibe zufolge (7) und (8) sich ergebenden Punktverschiebung
m — 1 o
r. = Xr. = r.
• ' m B •
übereinstimmen, welche Bedingung zu Gleichung (1 1) führt
Scheiben gleichen FUehkraAwiderstandes.
1359
mit den in den weiteren Abschnitten abzuleitenden zu ermög-
lichen, sei ein spezielles Beispiel herangezogen. Eine Scheibe
aus Nickelstahl von 2 r^ == 200 cm Durchmesser rotiere mit der
Winkelgeschwindigkeit ti; = 317*22 sec~^ (entsprechend einer
minutlichen Umlaufszahl 3029). Die spezifische Masse beträgt
im terrestrischen Maße ausgedrückt 7 '95. 10"^ kg cm"^ sec^
(entsprechend dem spezifischen Gewichte 0'0078 kgcmr-^). Die
8^4
I
I
\
I
I
t
IL
Fig. 1.
zugelassene Zugspannung sei o = — 2000 kg cm~^. Hieraus
ergibt sich
1
i2
__ _ji^ __ 0-0004 CTW-«
und der Wendepunktabstand p =:50 cm. Es werde, um einer
praktisch verwendbaren Scheibe nahe zu kommen, Zq z:z5 cm
angenommen. Die numerische Berechnung der Scheiben-
stärken für verschiedene Radienwerte geschieht entsprechend
(9) nach Übergang zu Brigg'schen Logarithmen mittels der
Gleichung
log 2 = 0 • 69897 —0 • 000086858 H.
Zahlentafel 1 gibt die Brigg'schen Logarithmen der Scheiben-
dicken sowie diese selbst. In Fig. 1 ist die Scheibe samt Ring
dargestellt. Die strichlierte Kurve ist der geometrische Ort der
Eckpunkte der Querschnittsrechtecke der das elastische Gleich-
gewicht herstellenden Ringe unter der Voraussetzung, daß
w =: 3 gesetzt wird.
Sitzb. d. matheiD.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. II a. 91
1360 A. Basch und A. Leon,
III.
Seit Poncelet und Grashof halten die Ingenieure des
europäischen Kontinentes bei den Dimensionierungen an
dem Prinzipe fest, daß die größte Dehnung (X) in jedem
Punkte (oder, was dasselbe bedeutet, die reduzierte Spannung
Ored = — X£) unter einem gewissen, vom Material, allenfalls
•
noch von der Beanspruchungsart und der verlangten Sicherheit
abhängigen Wert liegen müsse. Hiebei ist es für die vorliegende
Frage ohne Belang, ob auch eine negative Dehnung, eine Ver-
kürzung, im Stande sei, Bruch herbeizuführen, weil solche
Scheiben durch die Fliehkraft nur Zugspannungen aufnehmen.
Die an die Spitze des vorigen Abschnittes an Stelle der
allgemeinen Gleichung (4) tretende Bedingung (6) schloß
zufolge (7) auch die Bedingung in sich, daß die beiden in
Betracht kommenden Hauptdehnungen X/ und X,. überall den-
selben in jedem Achsabstande gleichen Wert haben müssen.
Nun genügt es aber, wenn die eine dieser beiden Haupt-
dehnungen konstant ist, sofern die andere überall kleiner
oder höchstens gleich groß wird. Würde Unveränderlichkeit
der tangentialen Dehnung verlangt sein, also ~ m X =: kon-
T
stant, so wäre wieder p =i Xr und der früher behandelte Fall
läge vor.
Anders liegt die Frage bei konstanter radialer Dehnung.
Das Integral der nun an Stelle von (4) tretenden Bedingungs-
gleichung
X,. = -4- =\ = konst. (12)
är
lautet
pz=Xr+C. (13)
Ein Körper gleicher Festigkeit liegt dann vor, wenn
X/= -^ zz:X-4-^<X (14)
ist, also wenn der Integrationskonstanten C ein negativer Wert
gegeben wird. Die Integration von (7) gibt unter Berück-
sichtigung von (13)
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes. 1 36 1
2^0
I C I
— tu/ (w-4-1)Xh +w/[(w + l)X] —
L f .1
m^—l [iw« ( r^ Cr
{
m E l2(w+l)X ^w+l)^X«
C2
(W-h 1)3X3
/
(ffH-l)X^-hl]}. (15)
Hiebei ist der neu eingeführten Integrationskonstanten die
Form
Izq — w/[(wH-l)X]
gegeben worden, um den Vergleich mit der Stodola-Laval-
schen Scheibe zu erleichtern. Zu demselben Zwecke werde
die Bezeichnung
0 — Or red — T J^ ^
m — 1 fn — 1
eingeführt und mit der Spannung o weitergerechnet, obwohl
ihr keine weitere physikalische Bedeutung zukommt. So geht
(15) über in
l 2 m^ — 1 0
z [iw* f 1 ^2^ m E
'0
— w/
1—
nt'
tn E C
m* — 1 o r
^--::^^^\- (16)
Bei negativem C geht aber einem der auf der rechten Seite
dieser Gleichung stehenden Logarithmen die reelle Bedeutung
ab, da immer der eine oder der andere der beiden Numeri
negativ wird. Ist aber C positiv, so ist die Scheibe wohl eine
Scheibe konstanter radialer Dehnung, aber keine Scheibe
konstanten Fliehkraftwiderstandes, da die Ungleichung (14)
nicht erfüllt ist. C = 0 bedeutet aber die Stodola-Laval'sche
Lösung. Es ergibt sich somit: In allen Scheiben kon-
stanter radialer Dehnung ist die tangentiale Dehnung
größer als die radiale, im Grenzfalle ist sie ihr gleich.
91*
1362
A. Basch und A. Leon,
In Fig. 2 sind einige Scheiben konstanter radialer Dehnung
verzeichnet. Zahlentafel 2 enthält die Ordinaten ihrer Meridian-
linien, die unter der Voraussetzung E=: 2200000 ig cm—* und
fftzizS nach der Gleichung
log« = log 215+0 -165 c|o- 43429 r —
-412-5Clog[l4.^^]}-
—3 log [
1 +
412'5C|
Fig. 2.
berechnet wurden. Zs bedeutet hiebei die Ordinate der Meridian-
linie der Stodola-LavaUschen Scheibe für die gleiche Abszisse r.
Es erweist sich auch als unmöglich, durch geringe Mehrbean-
spruchung bemerkenswerte Materialersparnis zu erzielen.
IV.
Im Gegensatz zu ihren deutschen und französischen
Kollegen sind die englischen und amerikanischen Ingenieure
der Ansicht, daß die größte in einem Punkte auftretende Zug-
spannung für die Bruchgefahr maßgebend sei.* Der auf dieser
von Lame begründeten Hypothese * beruhende Rechnungs-
1 Love, Lehrbuch der Elastizität. Deutsche Ausgabe vonTimpe. Leipzig
und Berlin, 1907, Verlag B. G. Teubner, p. 144.
2 Lame und Clapeyron, Memoire sur requilibre Interieur des corps
solides homogenes. Paris. Mem. pr. p. divers savants, t 4, 1833.
Scheiben gleichen FUehkraftwiderstandes. 1 363
Vorgang wurde in Frankreich seitPoncelet und de Saint-
Venant, in Deutschland seit Grashof verlassen. Wird diese
Anschauung dem vorliegenden Problem zu Grunde gelegt, so
ist eine Scheibe als solche konstanten Fliehkraftwiderstandes
anzusehen, wenn
0/ = a =: konst. (17)
und
—Or^—a (18)
ist. Aus (17) folgt unter Berücksichtigung von (1) die Diffe-
rentialgleichung
w-^4-4^ = * (19)
r dr
bei Einführung der Bezeichnung
Die allgemeine Lösung von (19) lautet
p = — + — ^-r. (21)
Da für miO, p jeden endlichen Wert übersteigen würde, ist
die Lösung nur dann verwertbar, wenn es gelingt (nötigenfalls
künstlich) zu einer Scheibe mit Bohrung zu gelangen. Für die
radiale Spannung ergibt sich
or = o+mE-^' (22)
Die Ungleichung (18) ist erfüllt, wenn C einen positiven
Wert hat.
Nach Einsetzung von (21) in die allgemeine Differential-
gleichung (5) erhält man
Iz = — m
dr
* «-»»+1. .1
r
' (23)
T
(w«— 1)C
1 Auf diese Scheiben hat Grübler aufmerksam gemacht. Siehe: Der
Spannungszustand in rotierenden Scheiben veränderlicher Breite. Zeitschrift des
Vereines Deutscher Ingenieure, 1065.
1364 A. Basch und A. Leon,
Führt man die Bezeichnungen ein
m^C E (m* — 1)C
so erhält man, nachdem
]
br*—\ r
— ±|J_
~ d L2
2-« b 2-2« d»
1 1 „ ... 1 1
2-3« *8
'"-"•+ äir^*^"*"-*---]' ^2-^^
25 fW^ 1 fJLW^ r 1 « 1 W* 1 C
ir ~'~~' ^-^ ~~^
kE L2 m— 1
«0 m' kE 12 m—l k r"+»
1 /^»_i\2 c*
2w» \ k / r^"*
1 /«»« — 1\» C»
1 / »*«— IV O
4m+2 \ mk
5«»+3
Y_c*__
)-^ -■•■]■ (26)
Hiebei ist /^^^ als Integrationskonstante eingeführt worden.
Bei Berücksichtigung der Spannung a geht die Gleichung
über in
^^ __ ji^ri_^3^ 1 mE C
Zq o l 2 m — 1 o r"*-^
1 m^E^ C«
2fn o^ r^*"
1 w8£8 C^
1 nt^E^ C*
4w + 2 a* r*m-f2
1 m^E^ C^
5w-f-3 0^ rS'^+s
-...]• ^ (27)
1 Die Reihe ist konvergent, wenn
mE
r»i+l> C.
0
Bei negativem C ist dies, weil o als Zugspannung negativ ist, stets der Fall.
Scheiben gleichen Fliehkraflwiderstandes.
1365
Für jene Fälle, in denen die Poisson'sche Konstante m,
daher auch n, eine ganze Zahl ist, läßt sich die Lösung des
Integrals der Gleichung (25) in endlicher Form geben. Setzt
man in der Gleichung
lz =
f gr''-^^-^-l dr __
-^J brn-i ^T-
m
f* ^
1
ar'
r« + l
m-l
dr
(28)
im letzten Integral, sofern n eine ungerade Zahl und in allen
Fällen, wo fe > 0 ist,
sofern u gerade und d < 0 ist
1^
b
-g'
und
a
T
K
so handelt es sich bei der Lösung von (28) bloß um die Aus-
wertung von
Är« + 1 dr
/■
bezieh ung&we i se
/■
rn_gn Y '
Är^ + l dr
r^-V-g^ r
Für die wichtigsten ganzzahligen Werte d^r Poisson-
schen Konstanten mögen die Formen der Lösung entwickelt
werden.
1366
A. B«sch und A. Leon,
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II
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes.
1371
2. fH — 3*
In diesem Fall ist die Form der Lösung bedeutend ein-
facher. Für C, daher auch 6 > 0 entfallen in der Lösung die
zyklometrischen Glieder. Die Partialbruchzerlegung lautet
ftr«4-l 1
= __L.I.^.l(_L + A)p
4 \g* "^ g'
r+g r-g j
y)
1/1 h \ r
2\g* g'Jr*+g"
wonach hervorgeht
fhr' + l dr _ 1/1 jr*—g* h r*—g*\
J r*-g* r ~ 4 l ^* • r* "*" ^* r^+g' /'
daher
m
1 a 3
2 b
4
/
-1
\/¥
l
r« —
1 ]
VF
r« +
1
s/b>
1 m^ — 1 |iw*
.2
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+ 11*'^
4 0
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fM£
C.l
-n/
— ?!i^c
r« +
s/
1372 A. Basch und A. Leon,
Bei Berücksichtigung des Wertes Drei der Poisson'schen
Zahl folgt
3E
l ' _
At
'"0
1
2
a
4-
1
4
a V
a
^^C
0
•0
G
(30
Sofern C > 0 ist, wird die im Resultat vorkommende
Wurzel reell. Der Fall C< 0 gibt wohl eine Scheibe konstanter
Tangentialspannung,.aber zufolge (18) und (22) keine Scheibe
konstanter Fliehkraftfestigkeit. Immerhin möge der Vollständig-
keit des Lösungssystems wegen auch dieser Fall miteinbezogen
sein. Um eine für ein negatives C sinngemäßere Form der
Lösung zu erhalten, ist es zweckentsprechend, die Partial-
bruchzerlegung nach der Gleichung vorzunehmen:
hr^ + \ 1 1
r*-^g* r ' g*
1
r
2g*- • 4 \g^ gl
r« + \/2rg-hg*
1 \/2 / 1 h
2g*'' 4 \g^ ' gj
r^ — \j2rg+g*
I
Daher ist
hr^-hl dr 1 r^
r*+g* r 4g* r*+g*
l h I r\/2 + g , r\/2—g
l , r* 1 Ä g'
4g* r*—g* 2 g* " r*
Man erhält schließlich die mit (30) identische Gleichung
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes.
1373
/— = +
4.J^^2 + ^/
3^
4
r* H C
1 aw» /
3£
C arctg
v/
3£
(31)
3. fw = 2.
Dieser Wert kommt zwar nicht bei den Konstruktions-
materialien des Maschinenbaues, wohl aber bei Versuchs-
materialien wie z. B. Kautschuk in Betracht.
Die Partialbruchzerlegung lautet:
Ar' + l J_
r
1 1
1 / 1
1
•3 rfS
g'
g
s
3 \g^
1 /2
gl r—i
h
3 \g
8
r
g
-(-
h
I
Daher ist
Är« + 1 dr
r'+rg+g
I
r'—g>
r'-g'
\/3 /2f^
)]}•
Die Rücksubstitution ist wie in den früheren Fällen vor-
zunehmen und ergibt:
2E ^
Z 1 ]LfV^ 1
r' H-
2/
4J5:
-/
^
2J5;
f^^^C
\/3 arctg -^I2r
v^-
2EC
'• (32)
1374 A. Basch und A. Leon,
Wie aus den Gleichungen (27), (29), (30) und (32) hervor-
geht, besitzen die Oberflächen der Scheiben einen asymptoti-
schen Zylinder, dessen Halbmesser r^ aus der Gleichung
C^^ + ^ C = 0 (33)
zu berechnen ist. (Der Fall C = 0 bildet einen Sonderfall und
gibt die Stodola-Lavarsche Lösung.) Für denselben Wert des
Radius verschwindet zufolge (22) die Radialspannung, was ja
auch aus der Bedingung der von Normalspannungen freien
Oberfläche hervorgeht. Für die in diesem Zylinder nahe der
Mittelebene liegenden Punkte der Scheibe ist dieses Ergebnis
mit Vorsicht aufzunehmen, da wegen der zur Umdrehungs-
achse parallelen Asymptoten die Bedingung geringer Neigung
der Meridianlinie gegen die Abszissenachse nicht erfüllt ist
Wären die Gleichungen in aller Strenge gültig, so wäre es
möglich, ein (unendlich langes) zylindrisches Loch vom Halb-
messer fg zu bohren, ohne daß das elastische Gleichgewicht
des rotierenden Körpers gestört wäre. Es ergeben sich in
diesem Falle tatsächlich Scheiben gleicher Festig-
keit mit einem Loch in der Mitte. Der Asymptoten-
zylinder bildet dann die Welljs, auf welcher die
Scheibe sitzt. Natürlich muß ihr Profil für praktische
Zwecke abgerundet werden. Der Wellenhalbmesser r^ be-
stimmt nach Gleichung (33) die Konstante C^
Fig. 3 zeigt die Meridianlinien der Scheiben mit konstanter
Tangentialspannung. Nur die außerhalb der Stodola-Lavarschen
Scheibe liegenden sind als solche konstanten Fliehkraftwider-
standes zu betrachten, da bei den innerhalb liegenden der
Wert der Radialspannung jenen der unveränderlich gehaltenen
Tangentialspannung überschreitet. Die Ordinaten sind für den
in Abschnitt II zu Grunde gelegten Fall unter der Voraussetzung
m ■= 3 gemäß den identischen Gleichungen (30) und (31)
gerechnet nach den Formeln
1 Ist es notwendig, zwischen Welle und Scheibe einen Hohlzylinder
(eine Nabe) einzuschalten, so wären die Formeln in Anmerkung p. 1357 sinn-
gemäß zu verwenden.
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes.
1375
CO
ob
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Dd., Abt. IIa.
92
1376 A. Basch und A. Leon,
log z -=. log 25+log r' —
— (0-75+0-00574456\/C) log (r«— 57-4456 V^)-
—(0-75— 0-005 74456 n/C) log (r»+57- 4456 V^),
beziehungsweise
log 2 = log 2;5+logr3— 0-75 log(r*— 3300C)—
57•4456
— 0-0049896 in/— Carctg 5 sT^.
von denen die erste für positive, die zweite für negative Werte
der Integrationskonstanten C verwendet wurde. Die Ordinaten
sind in Zahlentafel 3 zusammengestellt. Die letzte Zeile enthält
die Abszissen r^ der in der Figur durch gestrichelte Gerade
angedeuteten Asymptoten.
V.
Nun möge die Radialspannung konstant gehalten werden.
Wenn
o,. zu o =z konst. (37)
und
—f^,^—ri, (38)
ist die Scheibe bei der in Abschnitt IV zu Grunde liegenden
Festigkeitstheorie ebenfalls als Scheibe gleichen Fliehkraft-
widerstandes anzusehen. Aus (37) folgt unter Berücksichtigung
von (1)
«,4L + ^ = i, (39)
wobei Ä auf die durch (20) ausgedrückte Art mit der un-
veränderlichen Spannung zusammenhängt. Die allgemeine
Lösung von (39) lautet
C k
*^ _1_ w-4-1 ^
Auch hier gilt bezüglich der Verwirklichungsmöglichkeit
der Lösung für den Mittelteil des erhaltenen Drehungskörpers
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes. 1377
das in dem vorangehenden Abschnitte gesagte. Für die
Tangentialspannung ergibt sich
Q
r "•
Die Ungleichung (38) ist erfüllt, wenn der Integrations-
konstanten C ein negativer Wert gegeben wird.
Die Einsetzung von (40) in (5) ergibt die Gleichung
dlz
dr
^ hK ^ ^ ntk 2m+l
r '~
— n — r — -^ —
0 0
EC
2m-fl
r "•
(42)
durch deren Integration man
Zq 2 o w + 1 o ^-^^
r "
erhält. Iz^ wurde als neue Integrationskonstante eingeführt. Die
durch (43) gegebenen Meridiankurven besitzen, wenn C < 0,
die beiden Koordinatenachsen als Asymptoten. Der Fall C =: 0
stellt wieder die Stodola-Laval'sche Lösung dar. Ist C > 0, so
haben die Kurven den Koordinatenursprung als gemeinsamen
Punkt, die Abszissenachse als gemeinsame Asymptote. Diese
Kurven kämen als Meridianlinien von Scheiben gleichen Flieh-
kraftwiderstandes nicht in Betracht, da zufolge (40) die tangen-
tiale Zugspannung den Wert der konstant gehaltenen radialen
übersteigen würde.
Aus (41) geht hervor, daß bei kleinem r das o^ eine Druck-
spannung werden kann. Aus dieser Gleichung ergibt sich die
Abszisse, für welche die tangentiale Spannung verschwindet.
Die Anschauung lehrt aber, daß Druckspannungen im Innern
der Scheibe nicht möglich sind. Wie früher verwischen in der
Nähe des Mittelpunktes die sogenannten Nebenspannungen das
theoretische Ergebnis.
92*
1378 A. Basch und A. Leon,
Es sei wieder das in den früheren Abschnitten behandelte
Beispiel herangezogen. Die Ordinaten der durch (43) gegebenen
Kurven ergeben sich für w zz 3 aus der Gleichung
r
log z = log Zs— 358 • 289 — ^ ,
für f« = 4 aus der Gleichung
log 2 =: log«,— 382-175— g-
In Fig. 4 sind einige Kurven des Systems für w =: 3, in
Fig. 5 für m zz 4 dargestellt. (Siehe auch Zahlentafeln 4 und 5.)
VI.
Legt man der Untersuchung die Anschauung zu Grunde,
daß die größte in einem Punkte auftretende Schubspannung,
also die Differenz zwischen größter und kleinster Haupt-
normalspannung für die Bruchgefahr maßgebend sei, wie dies
nach der Mohr'schen Theorie für solche Materialien gilt, deren
Hüllkurve eine zur Achse parallele Gerade ist, für welche also
Streck- und Quetschgrenze nicht stark voneinander abweichen,
eine Anschauung, die von Coulomb, Treska, G. H. Darwin*
u. a. gestützt wurde und welcher für die im Turbinen-
bau verwendeten Materialien große Beachtung gebührt, so
ergeben sich für die vorliegende Formgebungsaufgabe keine
neuen Gesichtspunkte. Die größte Hauptschubspannung ist in
diesem Falle, wo radiale und tangentiale Spannung Zug-
kräfte sind, also gleiches Vorzeichen haben, nur von der
größten Hauptspannung abhängig, denn in axialer Richtung
ist die Normalspannung gleich Null. Die hieraus sich er-
gebenden Aufgaben wurden in den obigen Kapiteln behandelt.
Könnten aber radiale und tangentiale Spannung verschiedene
Vorzeichen haben, so daß ihre Differenz dem Absolutbetrage
nach größer würde als Minuend oder Subtrahend, so würde
sich folgendes ergeben.
1 O. Mohr, Zivilingenieur, 1882. Zeitschrift des Vereines Deutscher
Ingenicure, 1900. Love, Lehrbuch der Elastizität.
Scheiben gleichen Fliehkraltwiderstandes.
A. Basch und A. Leoj
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes.
1381
Die Hauptschubspannung
t = d=Y(o/— 0,),
(44)
nachdem im vorliegenden Fall die tangentiale und die radiale
Richtung die Richtungen der Hauptnormalspannungen sind.
Soll t für alle Punkte die gleiche Größe haben, so besteht die
Gleichung
P äp
r dr
= k,
(45)
wobei k durch die Gleichung
* = —
f« + l 2t
nt
E
(46)
von der zugelassenen Schubspannung t abhängig ist. Das
Vorzeichen ist in diesem Falle belanglos. Die Integration von
(45) ergibt
P = ""^^^c"
(47)
und durch Einsetzung dieser Gleichung in (5) ergibt sich die
Beziehung
(48)
dlz ^^ C
m^ — 1 |i«;* ^ 2
m« kE ^ r
dr dr
W-+-1 r ^ .
aus welcher hervorgeht
r^
c
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2
m
kE
rdr
m
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w + 1
dr
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tn
1382
A. Basch und A. Leon,
Diese Gleichung geht, wenn man die neue Konstante
m
C' = Ce "•+^
einführt, über in
/
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/»r
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kE
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Der Integrallogarithmus bewirkt, daß die Lösung nur durch
eine unendliche Reihe ausgedrückt werden kann.
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m — 1 (tw'
/
m
kE
l
a
c
1 . 1 ! l C
/
m
m + \
l
2/
a
— 1
(49)
VII.
Schließlich nehmen wir noch an, daß die auf die Raum-
einheit bezogene Formänderungsarbeit in einem bestimmten
Punkte das Maß der Bruchgefahr bilde, eine Anschauung, die
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes. 1 383
zuerst von Beltrami ausgesprochen, jüngst neuerdings ver-
treten wurde. ^
Im vorliegenden Falle eines ebenen Spannungszustandes
ist das elastische Potential durch die Gleichung gegeben
Mit Hilfe von (1) erhält man
H \dr J m r dr m^E
Die Einführung der neuen Variablen
e = /r, 7i = -f (52)
T
gibt
,^ ^ 2(w4-l) , , 2(w-+-l) . , ^ ._.
woraus hervorgeht, daß
«=/ —
J _ w + 1
und sofern man
\/m2— 1
7=r— TQ = sin ©
setzt,
m r äff
£ =
— r—
V/iii^=lJ . 1 ^ + 1 tgcp
Vw«— 1
Setzt man
a=i±l, fc = —
\/f»« — 1
-^ E. Beltrami, Solle condizioni di resistenza dei corpi elastici. Lomb.
Ist. Rend. (2), XVIII (1885). — Beiblätter zu den Annalen der Physik, 1885. —
R. Girtler, Über das Potential der Spannungskräfte in elastischen Körpern
als Maß der Bruchgefahr. Diese Sitzungsberichte, Bd. CXVI, Abt. IIa, 1907,
März. — Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereines, 1907, Nr. 37.
1384 A. Basch und A. Leon,
und beachtet, daß
/
d^ Ä© b
^. = Q .o H i — 7ö- t(fi cos ©+& sin «),
so erhält man
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^ = \
T+'l-^^-^l^v/*— ^^1
Vw*— 1 \ »»\/F
und wenn man wieder die ursprünglichen Veränderlichen r
und p einführt
- = ^
w — 1 Vw* — 1 p
arc sin
Vw« — 1 m\/k r
\ mV* *" V
««* — 1 p*
I • ■■ ■ ■
+ /C. (54)
Da es nicht möglich ist, einen expliziten Ausdruck für die
radiale Punktverschiebung p zu finden, so erweist es sich als
unmöglich, die Aufgabe der Scheiben gleichen Fliehkraft-
widerstandes bei Zugrundelegung des Potentials der Spannungs-
kräfte als Maß der Bruchgefahr einer geschlossenen exakten
Lösung zuzuführen.
Fassen wir die Betrachtungen zusammen, so ergibt sich
folgendes:
Bei Annahme konstanter tangentialer Dehnung ergibt sich
für die Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes ein einfach
unendliches, affines Lösungssystem.
Bei Annahme konstanter radialer Dehnung ergibt sich ein
System mit zwei willkürlichen Parametern (C und Zq). Sofern
der eine (C) verschwindet, gelangt man zum obigen einfach
unendlichen Lösungssystem ; sofern dies nicht geschieht, liegt
der Scheibenmittelpunkt in der Oberfläche. Es liegen jedoch
keine Scheiben gleicher Festigkeit vor, denn die tangentiale
Dehnung ist immer größer als die radiale; im Mittelpunkt ist
sie unendlich groß.
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes. 1385
Bei Annahme unveränderlicher tangentialer Spannung
erhält man wieder ein zweifach unendliches den Raum zwei-
fach füllendes Lösungssystem, welches sich wie früher ver-
sondern läßt. Nicht alle erhaltenen Umdrehungskörper sind
jedoch solche gleichen Fliehkraftwiderstandes. Die Scharen der
Meridianlinien der Körper gleicher Festigkeit werden von den
übrigen durch die besondere Linienschar getrennt, welche sich
ergibt, wenn der eine Parameter (C) verschwindet. Im Außen-
raume liegen die Scheiben, deren radiale Zugspannung kleiner,
im Innenraume jene, deren radiale Zugspannung größer ist
als die tangentiale. Erstere kämen für den Maschinenbau in
Betracht; ihre Meridianlinien besitzen eine zur Drehungsachse
parallele Asymptote. Ist die Poisson'sche Konstante eine ganze
Zahl, so ergibt sich für die Lösung eine geschlossene Form
durch Integration rationaler Funktionen.
Bei Annahme stets gleicher radialer Spannung ergibt sich
ein ähnliches Lösungssystem, wie es soeben besprochen
wurde. Nur fallen die Asymptoten der Meridianlinien in die
Umdrehungsachse selbst. Auch diese Scheiben kämen für den
Turbinenbau in Frage. Die Beschaffenheit der Poisson'schen
Zahl hat für den hier benützten Lösungsweg keine Be-
deutung. — Die in diesen zwei Abschnitten besprochenen
Scheiben gleicher Fliehkraftfestigkeit können hyperbolische
Profile annehmen.
Die Annahme konstanter Differenz zwischen tangentialer
und radialer Normalspannung führt zu einem zweifach un-
endlichen Lösungssystem, das sich aber, sofern diese Differenz
nicht verschwindet, in geschlossener Form nicht darstellen läßt.
Der Annahme konstanten Potentials der Spannungskräfte
entspricht ebenfalls ein zweifach unendliches Lösungssystem.
Doch erweist es sich als unmöglich, auf exaktem Wege zu
einer Gleichung der betreffenden Drehungskörper zu gelangen.
1386
A. Basch und A. Leon,
Zahlentafel 1 zu Abschnitt IL
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20
30
40
50
60
70
80
90
100
0-69897
0-69028
0-66423
0-62080
0-56000
0-48182
0-38628
0-27336
0-14307
0-99541-
0 -83038 •
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1
5-0000
4-9010
4-6156
4-1764
3-6308
3 0326
2-4338
1-8766
1-3902
0-9895
0-6767
Zahlentafel 2 zu Abschnitt III.
r
z
1
C=0
C = 0-025
C = 0-05
C=0-1
1
0
5-0000
0 0000
0-0000
0-0000
1
10
4-9010
0-5922
0-1732
00321
20
4-6156
1-3753
0-5788
0-1707
30
4-1764
1-8382
0-9555
0-3526
40
3 • 6308
20116
1 • 3059
0-5267
50
3-0326
2-1108
1-3184
0-6624 '
60
2-4338
1-7850
1 - 3048
0-7397 j
70
1 • 8766
1-5200
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0-7553 1
1
Scheiben gleichen Fliehkraftwiderstandes.
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1391
Zur Thermodynamik bewegter Systeme
von
Dr. Fritz Hasenöhrl.
(Vorgelegt in der Sitsung am 31. Oktober 1907.)
Der Strahlung in einem bewegten Hohlräume kommt eine
bestimmte elektromagnetische Bewegungsgröße und Masse zu.
Da der Wärmeinhalt eines jeden Körpers zum Teil aus strah-
lender Energie besteht, besitzt jeder Körper eine bestimmte
elektromagnetische Masse, die von seinem Energie inhalt, also
etwa auch von seiner Temperatur abhängt. Diese Behauptung
habe ich in früheren Arbeiten bewiesen.* Seither ist eine Arbeit
des Herrn v. Mosengeil über die Strahlung in einem bewegten
Hohlraum erschienen, worin unter anderen der Energie inhalt
des bewegten Hohlraumes mit Hilfe der Beziehung zwischen
Energie und Bewegungsgröße berechnet ist.^ Ferner hat Herr
Planck* die Dynamik eines beliebigen bewegten Systems
studiert, wobei er von der Existenz der erwähnten elektro-
magnetischen Bewegungsgröße ausgeht.
Herr Planck setzt die Gültigkeit des sogenannten Rela-
tivitätsprinzips in der Fassung von Einstein voraus, benützt
den bewegten Hohlraum als Vergleichskörper und gelangt so
zu Sätzen, welche für jeden Körper gelten müssen.
1 F. Hasenöhrl, diese Sitzungsber., CXIII, p, 1039, 1904; Ann. d. Phys.
(4), 15, p. 344, 1904, und 16, p. 589, 1905.
2 K. V. Mosengeil, Berliner Dissertation 1906; Ann. d. Phys. (4), 22,
p. 867, 1906. — Auf Herrn v. Mosengeil's Kritik meiner Arbeiten komme ich
später zu sprechen.
3 M. Planck, Berliner Berichte, 1907, p. 542.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 93
1392 F. Hasenöhrl,
In der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, gleichfalls
eine Theorie eines beliebigen bewegten Körpers auszuarbeiten.
Der eingeschlagene Weg unterscheidet sich wesentlich von der
Methode des Herrn Planck. Es sind nur die thermodynami-
schen Sätze sowie die Definition der elektromagnetischen
Bewegungsgröße vorausgesetzt. Stellt man dann die Forderung,
daß ein mitbewegter Beobachter nichts von der Bewegung
wahrnehmen soll, so ergibt sich die Fitzgerald-Lorentz'sche
Kontraktionshypothese.
Wir betrachten also einen beliebigen Körper, dessen Zu-
stand in der Ruhe durch die innere Energie U^ und das
Volumen v gegeben ist. Wird derselbe bei konstantem Volum
adiabatisch auf die Geschwindigkeit q :=z ^c gebracht,^ s»
besitzt er eine bestimmte Bewegungsgröße 0, die als Funktion
von C/q» ^> ß darstellbar sein muß. Wir setzen
®=4-<I'(^o.«'.ß)-
Die dabei geleistete Arbeit der Translationskräfte ist
J dt i 8ß
Um diesen Betrag hat die Energie des Körpers zuge-
nommen; bezeichnen wir dieselbe mit U, so ist
=3 — ^. '1'
3ß 8p
Wir führen ferner die Größe
ein, die wir auch als Funktion von Uq, v und ß betrachten
können. Es gilt dann:
* Es soU stets nur von reversibeln V^orgängen die Rede sein, c ist die
Lichtgeschwindigkeit im Äther.
Thermodynamik bewegter Systeme. 1 393
H=U^-f%d^, (3)
(4)
37/
U=zH-^-^. (5)
Bei der DifTerentiation nach einer der Größen U^^v,^ sind
die beiden anderen konstant zu halten. Wir heben noch hervor,
daß wir unter Uq den Wert der Energie verstehen, welchen sie
annimmt, wenn der Körper adiabatisch und isochorisch zur
Ruhe gebracht wird; ganz gleichgültig, auf welchem Wege der
Körper auf seinen momentanen (bewegten) Zustand ge-
kommen ist
1. Berechnung des Druckes.
Wir bezeichnen den Druck des ruhenden Systems mit p^,
den des bewegten mit p. Zur Berechnung des letzteren be-
trachten wir folgenden Kreisprozeß:
A. Der Anfangszustand seider der Ruhe; Uq,v,Pq seien
die Werte der betreffenden Zustandsgrößen. Wir ändern das
Volum adiabisch von v auf i/ = v-^-dv; die Energie nimmt den
Wert U{^ = U^—p^dv an.
B, Wir bringen den Körper auf die Geschwindigkeit ßc.
Die Energie nimmt den Wert
• C7=<I>(C7^,i/,ß)
an. Die Arbeit der äußeren Kräfte ist
C Wir ändern bei konstanter Geschwindigkeit das Volumen
adiabatisch um — dv. Die äußeren Kräfte leisten die Kompres-
sionsarbeit pdv und die Translationsarbeit (um die Geschwin-
digkeit konstant zu erhalten) ß^(|>. Es ist also die Zunahme der
Energie
dU^pdv-^-^d^,
93*
1394 F. HasenShrl,
Sei U" der Wert, den £/„ jetzt angenommen hat; dann ist
dU=^(JJ'^,v,^)-^{U'„i/,^),
rf,I, = 4.(t7^',tf,ß)-i.(C7^,i/,ß).
D, Wir bringen den Körper adiabatisch und isochorisch
zur Ruhe. Dabei wird die Arbeit
ü;;'-*(c;^',i/.P)
geleistet. Der Zustand des Körpers ist jetzt durch die Variabein
f/J', i;, ß z= 0 gegeben. Die gesamte Arbeit der äußeren Kräfte ist:
Nach dem ersten Hauptsatze muß diese Arbeit gleich
UH — Uq sein. Der zweite Hauptsatz verlangt überdies, daß
diese Differenz gleich Null sei. Sonst würde dieser Kreisprozeß,
oder der umgekehrte ein thermisches Perpetuum mobile reprä-
sentieren. Setzen wir also im obigen Ausdrucke U(l = U^\ be-
achten, daß dann:
at/o ' ^ °' St; ^
rz — —Pndv ^dv
Wo ^v
*(C7,', t/, ß)-4>(üo, V, ß) =: ^dv^^podv
ist, so erhalten wir:
-7-— rff Padv-h^ Pndv—^ —- dv-hpdv = 0
^v 8C7o ' 8f7o ^' ^ 8i; ^
oder nach (2):
Wir erhalten also den Satz: Steht ein beliebiger Körper
im Zustande der Ruhe unter dem Druck /?o, so nimmt derselbe
und
/
Thermodynamik bewegter Systeme. 1 395
bei adiabatisch isochorischer Beschleunigung den Wert /?, der
durch Gleichung (6) gegeben ist, an.
Dieser Satz läfit sich einfacher, aber vom physikalischen
Standpunkte weniger klar, auf folgendem Weg ableiten: Bei
einer adiabatischen Zustandsänderung ist der Betrag von U
nur von den momentanen Werten der Größen ß und v abhängig.
Wenn also bei beliebiger Geschwindigkeit v adiabatisch um dv
verändert wird, so ändert sich U^ um —p^dv} Es muß dann
die Zunahme der Energie, welche hier der Arbeit der äußeren
Kräfte gleich ist:
dU=i -—pdv+^d^
und daher auch
— pdi^ — ifd^
ein vollständiges Differential, also
8/7
=(i^)
8ß
sein. Hiebei ist unter (-^) eine Differentiation bei adiaba-
tischer Zustandsänderung. zu verstehen; ist also ^ als explizite
Funktion von v und U^ gegeben, so ist
/8(^\ ^ 8i> /3C7o\ _ 3^) 8(|>
\lvj ~ "älT "*" 8C7p \ 81; / "■ '8t; ^<> 8Ü0 '
Da ferner nach (4)
^~ 8ß
ist, läßt sich obige Gleichung nach ß integrieren und wir er-
halten:
p = Po 5 — -4-Konst.
Diese Konstante kann noch eine Funktion von U^ und v
sein; sie reduziert sich auf Null, da für ß = 0, p=^Po
ist.
«=..: (^) =0
if m^^
1 Vergl. den folgenden Abschnitt 2.
-^{■w:'''^-^^''-^^''^)-^^'^'
aß
Berücksichtigen wir (1), (2) und (6), so wird:
oder
3C7o
Dieser Ausdruck gilt ganz allgemein.
3. Die Temperatur des bewegten Körpers.
Wir betrachten zuerst ein System von Körpern, die sich
alle mit derselben konstanten Geschwindigkeit bewegen. Die
Erfahrung lehrt, daß dann dQ/T ein vollständiges Differential
ist. Gleichung (7) zeigt, daß diese Bedingung erfüllt ist, wenn
wir
T=T,—-^fi^) (Sa)
setzen. Denn T^ ist der integrierende Nenner von düjj+/7^jc/r,
wenn wir analog dem früheren unter T^ die Temperatur ver-
stehen, die der bewegte Körper annimmt, wenn er adiabatisch
I
1396 F. Hascnöhrl,
2. Das Differential der zugeführten Wärme
ist gleich der Zunahme der Energie vermehrt um die (vom '
betrachteten Körper) geleistete Arbeit, also
dQ = dU'\-pdv—^d^.'^
Führen wir wieder Üq, v und ß als independente Variable
ein, so wird:
8C7 ° 8t; 8ß *^
1 Darauf, daß hier auch die Translationsarbeit ßiit|> berücksichtigt werden
mufl, hat zuerst Herr Planck aufmerksam gemacht
Thennodynamik bewegter Systeme. 1397
und isochorisch auf die Geschwindigkeit Null gebracht wird.
Die auftretende Funktion von ß spielt hier die Rolle einer Kon-
stanten, ist daher belanglos. Natürlich muß sie für alle Körper
denselben Wert haben.
Da wir in diesem Falle ß als konstant ansehen, ist
dQ = -^(dU, +p, dv) = dH^pdv .
oUq
In einem Systeme, dessen Geschwindigkeit sich nicht
ändert, spielt H für den mitbewegten Beobachter die Rolle der
inneren Energie; zwischen den Größen //, v, p, T bestehen die-
selben Beziehungen, welche aus den thermodynamischen Haupt-
sätzen für C/q, v,Pq, Tq folgen.
Wir lassen nun einen Körper einen Carnot'schen Kreis-
prozeß durchlaufen, bei dem die beiden Reservoire verschiedene
Geschwindigkeit haben; und zwar sei 7\, ^^c Temperatur und
Geschwindigkeit des einen Reservoirs; Tj, ß^c; seien die betref-
fenden Größen für das andere. Gilt der Satz von der Unmög-
lichkeit eines thermischen Perpetuum mobile auch, wenn das-
selbe in seinen verschiedenen Stadien verschiedene Geschwin-
digkeit annimmt, so kann das Verhältnis der an die Reservoire
abgegebenen Wärmemengen nicht von der Natur des den
Kreisprozeß ausführenden Körpers abhängig sein. Es muß
dann
sein. Man erkennt leicht, daß diese Funktion die Gestalt
haben muß. Da femer
1398 F. Hasenöhrl,
sein muß, weil für Körper derselben Geschwindigkeit die ge-
wöhnliche Temperaturdeflnition zu gelten hat, ergibt sich für ^
die Form:
(K7;ß) = r.^(ß).
Wir wollen diese Funktion ^(ß), sowie die Funktion f(^)
in (8a) gleich Eins setzen; dann wird
T=T^-^. (8)
8C/o
Wir müssen jedoch betonen, daß darin eine gewisse Will-
kür liegt. Auch wenn wir diese Funktionen nicht gleich Eins
setzen, kommen wir weder in Widerspruch mit dem Satz von
der Unmöglichkeit des thermischen Perpetuum mobile, noch
mit der gewöhnlichen Temperaturdefinition, die sich ja nur auf
Körper derselben Geschwindigkeit bezieht. Das Kriterium der
Temperaturgleichheit ist auf Körper ungleicher Geschwindig-
keit nicht anwendbar, da wir sie nicht direkt, sondern nur mit
Hilfe eines Hilfskörpers, der verschiedene Geschwindigkeiten
annimmt, in reversibeln Wärmeaustausch bringen können.
Setzen wir jedoch ^(ß) nicht gleich Eins, so ändert sich auch
die Entropie bei adiabatischer Beschleunigung.
Es ist also jedenfalls am einfachsten, T durch die Glei-
chung (8) zu definieren; dann ist dQjT ein vollständiges Diffe-
rential und die Entropie bleibt bei adiabatischer Beschleunigung
konstant.^
4. Die Entropie eines bewegten Körpers.
Wir sind zum Resultate gelangt, daß bei der isochoren
adiabatischen Beschleunigung Druck und Temperatur die
Werte
T= Jo-^ (8)
3Ü0
^ Es ist dies auch in den Arbeiten der Herren v. Mosengeil und Planck
bei der Bestimmung der Temperatur eines bewegten Hohlraumes geschehen.
Thermodynamik bewegter Systeme. 1 390
annehmen. H spielt in einem System, das sich mit konstanter
Geschwindigkeit bewegt, die Rolle der inneren Energie.
Die Entropie des ruhenden Systems sei Sq{Uq,v\ die des
bewegten kann durch S{Hy v) ausgedrückt werden. Es gelten
die Beziehungen
ebenso aber auch
denn es ist ja (bei konstantem ß)
dS= —(dH-hpdv),
Da das System aus dem Zustande der Ruhe adiabatisch
in den der Bewegung gebracht wurde, hat die Entropie in
beiden Fällen denselben Wert, also:
S,(U,,v)=S(H,v);
daher auch
8So 8S 8S m
W^ ZUo ^H W^
\ ^v lu,^ \ Iv Ju,'^ 8if V 81; luj^ \ iv Jh
Daraus ergeben sich auch sofort die Gleichungen (6)
und (8).
5. Die Bewegungsgröße.
Wir haben bisher die Existenz einer Bewegungsgröße
vorausgesetzt, ohne eine spezielle Annahme über ihren Wert
zu machen. Nun wollen wir in Übereinstimmung mit der
Theorie von Lorentz uud Abraham annehmen, daß die
Bewegungsgröße gleich sei dem Raumintegral des (al)Soluten)
1400 F. Hascnöhrl,
Energiestromes, dividiert durch das Quadrat der Lichtgeschwin-
digkeit. Nehmen wir an, daß es auf den Strom der gesamten
Energie ankommt, daß also die gesamte innere Energie elektro-
magnetischer Natur sei, so kann die Bewegungsgröße durch
folgende einfache Überlegung berechnet werden.
Wir betrachten einen zylindrischen Körper vom Querschnitt
Eins, der sich in der Richtung seiner Achse bewegt (einen
anders geformten Körper können wir in zylindrische Teile zer-
legt denken). Durch einen beliebigen Querschnitt, der die Be-
wegung mitmacht, fließe der (relative) Energiestrom tc^ in der
Richtung der Bewegung, der Energiestrom ^ in der entgegen-
gesetzten Richtung. Da der Körper homogen gedacht ist, sind
diese Größen von der Lage des Querschnittes unabhängig; es
wird daher die (dem Sinne der Bewegung nach) rückwärtige
Basisfläche in der Zeiteinheit die Energiemenge ic^ aussenden
und die Energiemenge r^ zugeführt erhalten. Die Differenz
itj — TCg muß gleich sein der in der Zeiteinheit an dieser Fläche
geleisteten äußeren Arbeit. Die hier angreifende Kraft ist der
Druck/;; die Druckarbeit in der Zeiteinheit ist pq; also
pq = Äj— «2.
Um den absoluten Energiestrom, also den Energiestrom
durch einen ruhend gedachten Querschnitt zu berechnen, haben
wir zum relativen Energiestrom in der Richtung der Bewegung,
also zur Größe ic^ — -jtg noch das Produkt der Energiedichte mal
der Translationsgeschwindigkeit hinzuzufügen.^ Bezeichnen
wir die erstere für den Augenblick mit w, so wird der absolute
Energiestrom durch einen Querschnitt durch die Größe
gegeben sein. Multiplizieren wir diese Größe mit dem Volumen
und dividieren durch c^, so wird
1 Vergl. etwa M. Abraham, Theorie der ElektriEiUt, II., p. 108.
Thermod^'nAmik bewegter Systeme. 1401
oder, da wir uv mit U bezeichnen :
&=\(pv^U)q,^ (10)
Es kommt also gar nicht darauf an, welcher Art die innere
Energie des Körpers ist, wenn sie nur elektromagnetischer
Natur ist (wir denken uns dieselbe wohl aus strahlender
Energie und der Energie irgendwie bewegter Elektronen zu-
sammengesetzt). Auf die Relativgeschwindigkeit der Energie-
strömung kommt es hier gleichfalls nicht an; die einzelnen
Energiearten können natürlich auch mit verschiedener Ge-
schwindigkeit strömen.
Man kommt natürlich zum selben Resultate, wenn man die
einzelnen Energieströmungen in Rechnung zieht. Sei etwa
«(^) sin ^d^ die Dichte einer bestimmten Energieart, welche
sich in einer relativen Richtung bewegt, die mit der Bewegimgs-
richtung zwischen <[» und ^-^d^ einschließt. Dann ist die
gesamte Energie dieser Art
U=:2icv ju
Jq
(^) sin ^d^.
Die Bewegungsgröße erhalten wir, wenn wir die absolute
Strömung, das ist also u(ßf) sin ^d^f.f^A (wo o>^ die absolute
Strömungsgeschwindigkeit ist) mit cos cp multiplizieren, wenn cp
der Winkel zwischen der absoluten Strömungsrichtung und der
Bewegungsrichtung ist. Also :
@ 1= I w((ji).<ö^.cos fp.sin ^^4».
Nun ist aber^
iüA cos ^ '=. ^-hCöÄ cos ^,
1 Die hier angegebene Methode basiert auf einer Überlegung, die ich
bereits in einer früheren Arbeit (diese Sitzungsber., CXIII., p. 1039, 1904) ver-
wendet habe. Die Gleichung (10) wurde bereits von Herrn Planck, 1. c, abge-
leitet. Die Methode Planck*s hat aber mit , der hier verwendeten gar nichts
zu tun.
2 Vergl. etwa F. Hasenöhrl, Ann. d. Phys., 15, p. 347, 1904 (dort ist
allerdings nur strahlende Energie in Betracht gezogen. Wir haben jetzt die dort
mit c und c' bezeichnete Größe durch u>^ und iaj^ zu ersetzen. Da die Be-
ziehungen rein geometrisch sind, ist diese Vertauschung ohne weiters gestattet).
1402 F. Hasciiöhrl,
WO (üR die Relativgeschwindigkeit ist (u)^* und «j^ sind im all-
gemeinen Funktionen von <|) oder tp).
Also wird
@ — q l u{^) sin ^d^ H / u(^) sin ^ cos ^häj^J^J».
Der erste Summand ist gleich — |- ^J7; der zweite gibt den
Cr
Überschuß der von der Basisfläche abgehenden Energie über
die, welche ihr zuströmt, an, hängt daher mit der Dnickarbeit
pq zusammen, wodurch wir wieder zur Gleichung (10) ge-
langen.
6. Die Änderung des Volumens.
Sei ein ruhendes System gegeben, das sich im mecha-
nischen und thermischen Gleichgewichte befindet, in dem
also alle Körper denselben Druck und dieselbe Temperatur
haben. Wird dieses System adiabatisch (jeder Körper für sich
adiabatisch) in Bewegung gesetzt, so ändern sich Druck und
Temperatur jedes einzelnen Körpers, und zwar, wie wir von
vornherein annehmen müssen, bei den einzelnen Körpern in
verschiedenem Maße. Es wird also das Gleichgewicht gestört;
stellt es sich wieder her, so werden die einzelnen Körper ihre
Volumina ändern müssen. Sind diese Volumsänderungen für
verschiedene Körper verschieden, so sind sie prinzipiell beob-
achtbar. Wenn aber das mechanische und thermische Gleich-
gewicht dadurch wieder hergestellt wird, daß die Dimensionen
aller Körper in gleicher Weise geändert werden, ist ein Einfluß
der gemeinsamen Translationsbewegung nicht merkbar.
Dies ist in der Tat der Fall; es läßt sich erstens zeigen,
daß, wenn adiabatisch ß um Jß und gleichzeitig v um — t;-p-Ti
geändert wird, der Druck eines jeden Körpers unverändert
bleibt. Es muß also
Thermodynamik bewo^er Systeme. 1403
sein, wenn
i-ß
dv = —v-f-^ und dU^ = —p^dv (12)
ist (letztere Beziehung gilt je nach (7) allgemein für die adia-
batische Zustandsänderung).
Wir beachten, daß nach (10) und (2)
ist. Setzen wir noch für U seinen Wert aus (5) ein, so ergibt
sich
H= (l_ß«)if_(l_ß8)ß-^_ß«pt;
3ß
oder
öß
Es wird dann:
= - ß/'o -^ iH+pv) + ß -^ {H+pv) =
„/ m ZH\ „ / hp ip\ .^
Setzen wir diesen Wert in (11) ein und berücksichtigen (12),
so sehen wir, daß in der Tat dpzz.O wird.
Die gleichzeitige Änderung von T ist:
37 ar ar
8t; 3C7o "^ aß
ßjß /ar 8r\ ar ^^
1404 F. Hasenöhrl,
welche Relation bekanntlich aus der Thermodynamik ruhende:
Körper folgt, so wird:
_ 8 / 8Ä-\ 8 / 8Ä-\ _ 87 Sr
Also wird
^ _ _ ß ß / _8r_ _ ^
gp - i_ß8 • 1-ß« *'l^« 8c;^ 17
und
i-ß»
Die Änderung der Temperatur ist also für alle Körper die
gleiche.
Wir können diesen Ausdruck sowie den Ausdruck für
dv (12) sofort integrieren. Wir erhalten dann:
T = Jj s/l— ß*-
87
8ß
una zwar isi
^ 8«^
• 8ß8C7o
I
1 —
ß* "'• ^ 8f7,
(H+pv)
1
~ 1—
ß» öf^o
1
_p. !"''•
8;,
Nun ist aber
T ^P -
" W, -
- T ( ^P"
8i/
^Po-
8^0
8«/f
8üo8i;/'
Setzen wir hierin
" 8C/, -
- '' w.
8^0
8r
1
Thermodynamik bewegter Systeme. 1405
Wir gelangen also zu dem Resultate:
Wenn sich das Volumen mit der Geschwindigkeit nach
obigem Gesetze verkleinert, sich also etwa die Dimensionen
der Materie in der Richtung der Bewegung im Verhältnisse
verkürzen, so bleibt bei adiabatischer Änderung der Geschwin-
digkeit der Druck jedes Körpers unverändert, während die
Temperatur aller Körper in gleichem Maße sinkt. Es ist
dann kein Einfluß einer gemeinsamen Translationsbewegung
merkbar.
Es stimmt dies mit der Kontraktionshypothese von
H. A. Lorentz, sowie mit den Sätzen, die Herr Planck aus
dem sogenannten Relativitätsprinzip abgeleitet hat, überein.
Während Herr Planck die Gültigkeit des Relativitäts-
prinzips von vornherein annimmt, sind wir gewissermaßen zu
einem Beweise der Kontraktionshypothese gelangt, in dem wir
den Satz postulierten, daß eine gemeinsame Translations-
bewegung für einen mitbewegten Beobachter nicht wahrnehm-
bar ist; oder auch in dem wir gezeigt haben, daß bei konstantem
Druck eine Volumänderung in der oben angegebenen Weise
eintreten muß.
1407
Ober das Eintreffen gleichartiger Meteoriten
von
G. Tschermak,
w. M. k. Akad.
(Vorgelegt in der Sitzung am 12. Dezember 1907.)
I. Meteoriten und Sternschnuppen.
Die Zahl der Meteoritenfalle, die sich auf der Erde jährlich
ereignen, ist sehr groß. Reichenbach schätzte dieselbe auf
beiläufig 4500.^ Dies kann wohl nur als ein Minimum angesehen
werden. Andere Schätzungen gehen weit darüber hinaus. In
einem Jahrhunderte würden demnach zum mindesten 450.000
Fälle eintreten, bei denen einzelne Meteoriten oder Schwärme
derselben die Atmosphäre durchdringen und sich mit der Erde
vereinigen.
Davon kommt nur wenig in die Sammlungen. Die meisten
Meteoritenfälle werden nicht wahrgenommen und die Produkte
der beobachteten werden nicht immer gefunden.
Ein Teil dieser fremden Gäste wird aufgelesen, ohne daß
der Falltag bestimmt ist, ein Teil ist bisher nicht genauer
geprüft und klassifiziert. Von diesen abgesehen, beträgt die
Zahl der Meteoritenfälle des vorigen Jahrhunderts ungefähr 320,
nämlich solcher, von denen Exemplare aufbewahrt werden,
deren Falltag und Beschaffenheit bekannt ist.^
1 Poggendorff's Annalen, Bd. 105, p. 557 (1858).
2 Nach F. B er werth's Verzeichnis der Meteoriten im naturhistorischen
Hofmuseum Ende Oktober 1902 (Annalen des naturhist. Hofmus., Bd. 18), dem
auch die übrigen zifTermäßigen Daten bezüglich der Meteoriten entnommen sind.
Sitzb. der mathem.-naturw. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. 94
1408 G. Tschermak,
Obgleich dieser Betrag im Verhältnisse zu der vorher
genannten Zahl ein sehr geringer ist, so gilt es doch als wahr-
scheinlich, daß die Summe der in den Sammlungen vorhandenen
Proben die durchschnittliche Beschaffenheit jener kleinen
Himmelskörper verrät, welche als Meteoriten fortwährend von
der Erde aufgenommen werden. Es ist aber wohl möglich, daß
künftig auch einzelne Meteoriten gesammelt werden, die eine
neue Zusammensetzung darbieten.
Die Meteoriten enthalten, wie bekannt, nur solche Grund-
stoffe, die auch in der Erdrinde und der Atmosphäre nach-
gewiesen sind und ihre Gemengteile gleichen, wenn auch nicht
der Art, so doch der Gattung nach, Mineralen. Werden sie nach
dem spezifischen Gewicht angeordnet, so ergibt sich eine Reihe,
die mit den kohligen Meteoriten von der Dichte 1*7 bis 2*9
beginnt, worauf die feldspatführenden, deren Dichte 3 bis 3' 4
ist, folgen. Daran schließen sich die bronzit- und olivinhaltigen
Steine, die gewöhnlich kleine Kügelchen (Chondren) enthalten,
mit der Dichte 3 bis 3*8; ferner die silikatführenden Eisen.
deren Dichte zu 4*3 bis 7 angenommen werden kann, endlich
die Meteoreisen von der Dichte 7*5 bis 7-8. Unter den stein-
artigen Meteoriten bilden jene mit Kügelchen, welche von
G. Rose als Chondrite bezeichnet werden, die Hauptmasi«e.
Unter den aufgesammelten 320 Meteoriten des vorigen
Jahrhunderts haben ungefähr 270 die Beschaffenheit der
Chondrite.
Die Beobachtungen, welche beim Eintritte der Meteoriten
in die Atmosphäre gemacht werden, sind gewöhnlich sehr un-
vollkommen, weil die Beobachter meistens nicht geschult und
der plötzlichen Erscheinung gegenüber nicht vorbereitet sind.
Wer aus den Aussagen der Augen- und Ohrenzeugen auf die
Bahn der Meteoriten in der Atmosphäre schließen will, ist auf
die Kombination verschiedenwertiger Wahrnehmungen und auf
Schätzungen angewiesen. Wenn nicht ein einzelner Meteorit,
sondern ein ganzer Schwärm niederfallt, gibt die Art der Ver-
streuung auf der Erdoberfläche wenigstens die Projektion der
Richtung beiläufig an. Über die Neigung der Bahn und über
die Geschwindigkeit der Meteoriten ist nur selten eine sichere
Angabe zu erhalten.
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1409
Trotz der vielen Schwierigkeiten wurden schon früher von
Galle, Heis, Newton, Petit einzelne Meteoritenbahnen
berechnet. In der letzten Zeit hat G. v. Niessl die Erforschung
des Problems der Meteoriten und Feuerkugeln zu seiner Auf-
gabe gemacht und die Bahnbestimmungen, soweit dies möglich,
mit rühmenswertem Eifer und großem Erfolge durchgeführt.
Das Ergebnis lautet im allgemeinen dahin, daß für die
Mehrzahl der Meteoritenfälle eine hyperbolische Bahrt anzu-
nehmen ist, weil die Geschwindigkeit, mit welcher diese Körper
in die Atmosphäre eintreten, sowohl jene der Planeten, die sich
in geschlossenen Bahnen bewegen, als jene der Kometen,
welchen parabelähnliche Bahnen zukommen, um ein be-
deutendes übertrifft. Demnach würden die Meteoriten, aus fernen
Räumen anlangend, in das Sonnensystem eintreten und würden
alle jene, die sich hier nicht mit den Planeten vereinigen, diesen
Raum wiederum und für immer verlassen. Da jedoch die
Geschwindigkeit nicht immer annähernd bestimmt werden kann,
so ist es nicht ausgeschlossen, daß es auch Meteoriten gibt,
die sich ähnlich den Planeten in elliptischen Bahnen bewegen
und in regelmäßiger Wiederkehr das Sonnensystem besuchen.
Den gleichen Charakter bezüglich der Bahn weisen die
detonierenden Feuerkugeln auf, deren Wesen von jenem der
Meteoriten kaum verschieden sein dürfte, wenngleich keine
Residuen derselben gefunden werden.
Die Erscheinung der Sternschnuppen ist eine ähnliche. Sie
wird ebenfalls als das Erglühen fester Körper, die in die Atmo-
sphäre eindringen, aufgefaßt. J. V. Schiaparelli, der vor
Jahren in einem grundlegenden Werke ^ den Zusammenhang
der feurigen Erscheinungen in der Lufthülle unseres Planeten
beleuchtete, bezeichnet den astronomischen Unterschied damit,
daß den Meteoriten vorwiegend eine hyperbolische Bahn, den
Sternschnuppen hingegen eine solche zugeschrieben wird,
welche sich der parabolischen nähert.
Durch diese Auffassung ist hier eine numerische Grenze
gezogen, deren Bestehen durch den Umstand bekräftigt wird,
1 Entwurf einer astronomischen Theorie der Sternschnuppen. Deutsch von
Boguslawski, Stettin 1871.
94*
1410 G. Tschermak,
daß zur Zeit der großen Sternschnuppenschauer keine gröüere
Häufigkeit der Meteoritenfälle beobachtet wird, femer dadurch,
daß bei Durchsicht der Falltage der genauer bekannten
Meteoriten die größte Dichtigkeit auf die Monate Mai und Juni
fallt, was mit der Häufigkeit der Sternschnuppen sich nicht
vereinigt. Da jedoch die Wahl zwischen den beiden Arten der
Bahn bloß durch die Geschwindigkeit beim Zusammentreffen
mit der Erde bestimmt ist und diese lediglich auf Schätzungen
beruht, so ist die vorbezeichnete Grenze keine scharfe. Mit
Recht bemerkt G. v. Niessl, daß nichts hindert, für einen Teil
der Sternschnuppen hyperbolische oder auch elliptische Bahnen
anzunehmen.^
Allgemein gilt als sicher, daß der Lichtstreif in der Atmo-
sphäre von sehr kleinen Stücken fester Körper veranlaßt wird.
Nach dem Auftreten der Erscheinung zu schließen, sind diese
Körper teils unregelmäßig im Himmelsraume verteilt, zum Teil
jedoch nach ihrem Eintritt in das Sonnensystem zu lang-
gezogenen Schwärmen angeordnet.
Was die Beschaffenheit der letzteren betrififl, ist die Gleich-
artigkeit bemerkenswert, welche sich bei den großen Meteor-
strömen herausstellt. E. Weiss, einer der ersten Kenner des
Phänomens bemerkt,^ daß die einzelnen Meteorströme ganz
verschiedenen Charakter nach Farbe, Lichtschweif, scheinbarer
Geschwindigkeit besitzen, daß aber die Sternschnuppen des-
selben Stromes der Mehrzahl nach dieselbe Leuchtkraft be-
sitzen, woraus man den Schluß ziehen darf, daß hier ungefähr
die gleiche Größe der Partikel und die gleiche chemische Be-
schaffenheit vorherrscht.
Eine Bestätigung dieser Wahrnehmung bieten die spektro-
skopischen Beobachtungen, da Browning in dem Schweif der
Augustmeteore die gelbe Natriumlinie, in jenem der November-
meteore ein kontinuierliches Spektrum ohne die gelbe Linie
erblickte und Secchi in diesem die Magnesiumlinien deutlich
erkannte.
1 über die Pcrihcldistanzen und Bahnelcmente. . . von Meteoriten. Ver-
handlungen des naturforschenden Vereines in Brunn, Bd. 29 (1891).
2 Diese Sitzungsbcr., Bd. 57, Abt. II, p. 281 (1868).
Eintrefifen gleichartiger Meteorite. 141 1
Alle diese Beobachtungen liefern eine Stütze für die An-
sicht, daß die zahllosen, im Welträume verteilten kleinen Körper
so angeordnet sind, daß sie zum Teile große Ströme von
ungefähr gleichartiger Beschaffenheit bilden und
daß die voneinander verschiedenen Ströme auch
verschiedene Bahnen verfolgen.
Die stoffliche Beschaffenheit dieser Körper läßt sich nicht
bestimmen, aber vielleicht erraten, wenn man die an den
Meteoriten gemachten Erfahrungen zu Hilfe nimmt.
Daubree hat auf die Analogie der petrographischen Zu-
sammensetzung hingewiesen, welche zwischen den Meteoriten
und jenen Bestandteilen der Erde, die eine Bildung bei hoher
Temperatur verraten, besteht. Das Meteoreisen und die mit
Silikaten gemischten Eisen entsprechen der vermutlichen
Zusammensetzung des Erdinneren, aus dessen Bereich wohl
niemals etwas an die Erdoberfläche gelangt.^ Die olivin- und
bronzithaltigen Meteorsteine sind einigen Felsarten analog,
die an der Erdoberfläche wenig verbreitet sind, in größerer
Menge aber in den tiefen Regionen der Erdrinde vermutet
werden. Die feldspatreichen Meteoriten sind einzelnen eruptiven
Felsarten sehr ähnlich.
Werden die seit vielen Jahrtausenden herabgefallenen
Meteoriten zu einer Masse vereinigt gedacht, in der die spezi-
fisch schweren den Kern bilden, die übrigen nach Abnahme
der Dichte aufeinander folgen, so konstruiert die Phantasie ein
kugeliges Gebilde, das der Erde analog zusammengesetzt ist,
wenn man die Atmosphäre, das Wasser und die sedimentären
Schichten der letzteren wegdenkt. Der Unterschied würde
darin bestehen, daß auf der Erde noch eine äußere Schichte
jener salzartigen Verbindungen existierte, deren Elemente im
Meerwasser gelöst enthalten sind. §olche Verbindungen sind
in einigen kohligen Meteoriten bloß in geringer Menge nach-
gewiesen worden. Spezifisch leichtere Stoffe scheinen jedoch
im Sonnensystem eine größere Rolle zu spielen.
Während der Erde eine mittlere Dichte von 5 '6 zukommt,
berechnet sich für den Mond eine solche von 3 '4. Wird für
1 Schwantke A., Sitzungsberichte der Beriiner Akademie, 1906, p. 853.
1412 G. Tscherraak,
diesen ein analoger Bau wie für die Erde angenommen, wonach
der äußeren Rinde des Mondes die Dichte von höchstens 2 zu-
käme, so wird die Vermutung angeregt, daß die Kruste des
Mondes aus leichterem Material bestehe, ähnlich den vorher
genannten salzartigen Verbindungen, die auf dem Monde früher
vorhanden gewesenen Wasser absorbiert haben.^
Geleitet durch die Formen der Mondoberfläche, die eine
ehemals heftige eruptive Tätigkeit verrät, hat man wohl ange-
nommen, daß die Rinde des Mondes aus vulkanischem Gestein,
Laven und Aschen von derselben Beschaffenheit bestehe, wie
die Produkte der irdischen Vulkane, aber die riesigen Krater-
formen auf dem Monde sprechen mehr für eine explosive
Tätigkeit, die ein Emporschleudern leichten, pulverigen Mate-
rials bewirkte, als für Ergüsse von Laven.
Wenn schon auf dem Begleiter der Erde Massen von
geringerer Dichte als jener der Erdrinde anzunehmen sind, so
führen die Zahlen für die Dichte der unteren Planeten, wie
Jupiter, dessen mittlere Dichte 1*4, Neptun, dessen mittlere
Dichte 1-1, zu der Erkenntnis, daß in den äußeren Regionen
des Sonnensystems Stoffe von geringer Dichte verbreitet sind
und daran knüpft sich die Vermutung, daß die aus fernen
Himmelsräumen zu uns gelangende Spreu zum großen Teil
aus solchen Stoffen bestehe.
Zuerst könnte man an lockere, staubförmige Massen
denken, die im weiten Räume Wolken bilden. Solche könnten
wie die Meteoritenschwärme in die Atmosphäre treten und sich
hier zerteilen. Dafür würde der Fund in dem bei der Chal-
lenger-Expedition emporgebrachten Meeresschlamm sprechen,
worin Renard kleine Kügelchen beobachtete, die den eisen-
haltigen Chondren vollkommen gleichen.
Ferner möchte man in den fernen Räumen auch Flocken
jener pulverigen, salzartigen Verbindungen annehmen. In den
kohligen Meteoriten sind außer dem Steinstaub auch Kohle
und Kohlenwasserstoffe zugegen. Beim Auflesen der Meteoriten
von Pultusk wurden als Begleiter derselben auch Flocken von
1 Siehe meine Abhandlung über den Vulkanismus als kosmische Ersehet-
nung. Diese Sitzungsber., Bd. 75, Abt. I, p. 166 (1877).
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1413
kohliger Beschaffenheit beobachtet. Für das selbständige Auf-
treten von kohligen Flocken unter den zur Erde gelangenden
Gästen spricht auch die von A. E. Nordenskiöld erwähnte
Auffindung kohltgen Staubes auf frischem Eis und Schnee in
menschenleeren Gegenden.^
Bei der niedrigen Temperatur des Weltraumes, die nach
Pouillet ungefähr —142" beträgt, könnten daselbst auch
Stoffe, die an der Erdoberfläche im flüssigen oder dampf-
förmigen Zustande vorkommen, in fester Form bestehen und
könnten auch Flocken solcher Stoffe, wie Schnee, Kohlen-
dioxyd und leichter Kohlenwasserstoffe in großen Schwärmen
die fernen Regionen durchziehen. Diese würden sich aber,
wenn sie nicht von festen Stoffen adsorbiert sind, kaum längere
Zeit in dieser Form erhalten und würden allmählich in die
Gasform übergehen.
Dem Gesagten entsprechend, gewinnt die Vermutung
Raum, daß Partikel- und Flocken von lockerer Beschaffenheit
und scheinbar geringer Dichte, die aus verschiedenen Stoffen,
wie Steinpulver, salzartigen Verbindungen, aus Kohle und
Kohlenwasserstoffen bestehen, im Welträume verbreitet sind
und zum Teil stromweise in das Sonnensystem eintreten. Ein
kleiner Teil derselben begegnet der Erde und tritt mit einer
enormen Geschwindigkeit in die Atmosphäre. Die Partikel
werden glühend, leuchtend und geben die Erscheinung der
Sternschnuppen. Der genannten Zusammensetzung und lockeren
Beschaffenheit zufolge werden dieselben schon bevor sie der
Erde nahe kommen, verbrannt, fein verteilt, wie man zu sagen
pflegt, aufgezehrt, indem sie Kohlensäure, Wasserdampf und
einen feinen Staub zurücklassen. Demnach wäre das Material
der Sternschnuppen bezüglich der Aggregation und zum Teil
auch in chemischer Beziehung von jenem der Meteoriten ver-
schieden.
II. Die vulkanische Theorie der Meteoritenbildung.
Die Meteoriten gelangen in der Form von Bruchstücken
und Splittern in die Atmosphäre, woraus geschlossen wird, daß
1 Zeitschrift der deutschen geol. Ges., Bd. ad, p. 27 (1881).
1414 G. Tschermak,
dieselben durch Zertrümmerung von größeren Massen ent-
standen sind. Sie zeigen in ihrer Struktur Ähnlichkeit mit
vulkanischen Felsarten, mit deren Breccien, Tuffen und es weist
ihr Gefüge an vielen Stücken auf sehr intensive Vorgänge der
Verschiebung, Zerstäubung und Wiedervereinigung durch
Schmelzung und Frittung hin. Demnach ist es wahrscheinlich,
daß jene Zertrümmerung durch einen Vorgang ähnlich den
vulkanischen Explosionen erfolgte.
Von der Ansicht ausgehend, daß die vulkanischen Er-
scheinungen der Erde durch die Entwicklung der in dem
metallischen Erdkern absorbierten Gase und Dämpfe, die bei
der allmählichen Erstarrung des glutflüssigen Inneren sich ent-
binden, hervorgebracht werden und daß dem analog an kleinen
kosmischen Körpern bei deren Abkühlung Eruptionserschei-
nungen von großer Heftigkeit eintreten würden, habe ich vor
mehreren Jahren die Hypothese der vulkanischen Entstehung
der Meteoriten entwickelt* und bin zu dem Schlüsse gelangt,
daß die Erwägung aller Umstände dazu führt, eine Anzahl
kleiner Himmelskörper, die zwar einen erheblichen Umfang
hatten, aber doch so klein waren, daß sie Trümmer, welche
durch Explosionen emporgeschleudert wurden, nicht mehr
zurückzuführen vermochten, als die Werkstätten der Meteoriten
anzusehen. Jene kleinen Sterne verloren aber durch das wieder-
holte Abschleudern der Bruchstücke fortwährend an Masse, bis
sie endlich ganz oder zum großen Teil in kleine Stücke auf-
gelöst wurden, die nun in verschiedenen Bahnen den Welt-
raum durchziehen.
Diese Annahme unterscheidet sich erheblich von
der älteren Explosionshypothese, nach welcher jene
kleinen Himmelskörper durch eine heftige Explosion zer-
platzten und mit einem Male zertrümmert wurden. In diesem
Falle müßten, wie Schiaparelli richtig bemerkte, außer
kleinen Stücken auch sehr große Blöcke nach allen Richtungen
verstreut werden, so daß keine Schwärme von kleinen Stücken
gebildet würden.
1 Die Bildung der Meteoriten und der Vulkanismus. Diese Sitzungsber.,
Bd. 71, Abt. IIa, p. 661 (1875).
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1415
Die Meteoriten sind immer relativ kleine Massen und ihr
Gefüge weist auf einen Vorgang der Zerteilung hin, der mit
dem auf der Erde beobachteten vulkanischen Prozeß bloß
durch das Emporschleudern fester Stücke eine Ähnlichkeit hat,
während alles fehlt, was an die Bildung von Laven erinnert.
Das Material der Meteoriten ist nur in der Minderzahl der
Fälle gleichförmig kristallinisch, was auf die ruhige Bildung
einer Erstarrungskruste hinweist. Viele Meteoriten zeigen eine
Zusammenfügung von Splittern, ein tuffartiges Gefüge, was
einer Zermalmung des früheren kristallinischen Gesteins ent-
spricht. Die meisten sind Chondrite und bestehen aus ganzen
oder zerbrochenen Kügelchen und aus kristallinischer oder
tuffartiger Grundmasse. Dies spricht wiederum für eine gestörte
Bildung unter häufiger Bewegung der ganzen Masse.
Der Auflösungs- und Zerteilungsprozeß der gedachten
kleinen Himmelskörper vollzieht sich gemäß der vulkanischen
Hypothese derart, daß immer, sobald sich eine Erstarrungs-
kruste gebildet hatte, diese durch die empordringenden heißen
Gase zerkleinert, durch Stöße zerrieben, in Staub und kleine
Stücke umgeformt und wieder zusammengefrittet, endlich
durch stärkere Explosionen abgesprengt wird und dieser Vor-
gang sich beständig wiederholt. Die erste Kruste besteht
aus spezifisch leichteren Massen, die folgenden sind ein
schweres Material, bis endlich auch Krusten von Eisen gebildet,
zersprengt, abgeschleudert und zerstreut werden. Die gleich-
zeitig abgesprengten Stücke würden besonders im Anfange
dieser Zertrümmerung von gleichartiger Beschaffenheit sein.
G. V. Niessl hat die vulkanische Hypothese einer allgemeinen
Diskussion unterzogen und ist zu dem Ergebnisse gelangt, daß
die Auflösung solcher explodierender Massen in Gegenden
außerhalb des Sonnensystems zu verlegen seien.^
Wird der angenommene Vorgang weiter verfolgt, so ergibt
sich, daß die abgesprengten Stücke verschiedene Bahnen,
darunter auch geschlossene, antreten, also rekurrente, regel-
mäßig wiederkehrende Schwärme gebildet werden können.
Alle so entstehenden, gleichzeitig gebildeten Meteoriten haben
1 Diese Sitzungsberichte, Bd. 113, Abt. IIa, p. 1361 (1904).
1416 G. Tscherraak,
in ihrem Laufe den Explosionspunkt gemein. Werden ihre
Bahnen zurückverfolgt, so kreuzen sich dieselben in jenem
Punkte. Bei wiederholten Explosionen reihen sich viele solche
Kreuzungspunkte aneinander. Aus dem Gesagten folgt, daß
gleichartige Meteoriten verschiedene Bahnen antreten können,
deren ursprünglicher Kreuzungspunkt nicht leicht erkennbar
wäre.
Ist die Explosionsstelle weit von dem Zentralkörper ent*
fernt, wo die Geschwindigkeit des die Meteoriten erzeugenden
Körpers eine geringe ist, so hat die Explosionsgeschwindigkeit
einen erheblichen Einfluß auf die Gestaltung der Meteoriten-
bahnen. Viele der Trümmer werden in Richtungen geraten, die
von jener des erzeugenden Körpers stark abweichen. Ein Teil
behält anfangs die Richtung des letzteren und bewegt sich mit
vermehrter Geschwindigkeit weiter. Es sind jene, bei denen
die Stoßrichtung mit der Bahnrichtung nahe übereinstimmt.
Jene, deren Explosionsrichtung der Bahnrichtung des erzeugen-
den Körpers entgegengesetzt ist, werden mit verminderter
Geschwindigkeit ihren Lauf antreten oder sogar eine rück-
läufige Bewegung annehmen.
Diesen Bemerkungen, welche sich NiessTs Ausführungen
anschließen, möchte ich noch zufügen, daß nach der vulkani-
schen Hypothese die Explosionen fortdauern, während sich
der erzeugende Körper dem Sonnensystem nähert. Jetzt wird
die Explosionsgeschwindigkeit immer weniger Einfluß auf die
Veränderung der ursprünglichen Bahn ausüben und werden
die entstehenden Meteoritenschwärme immer mehr der ur-
sprünglichen Bewegungsrichtung treu bleiben. Gleichartige
Stücke werden benachbarte Bahnen einschlagen, so daß der
Auflösungsprozeß Schwärme liefert, welche eine Anordnung
entsprechend der Zeitfolge ihrer Entstehung darbieten. Trifft
nun ein Teil dieser Schwärme mit der Erdbahn zusammen, so
kann die Erscheinung eintreten, daß mit der Zeit eine regel-
mäßige Verschiebung jenes Punktes eintritt, in welchem die
Erdbahn von einem solchen Schwärme durchschritten wird.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, den astronomischen
Teil der hier berührten Meteoritentheorie weiter auszuführen,
was den Forschern vorbehalten bleibt, welche dieses Gebiet
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1417
beherrschen. Die vorstehende Betrachtung dürfte aber aus-
reichen, um anzudeuten, daß infolge der hier angenommenen
Bildungsweise der Meteoriten die Ausstreuung derselben im
Welträume so stattgefunden hätte, daß dieselben zum Teil in
Schwärmen von gleichartiger Beschaffenheit ange-
ordnet wurden und daß demgemäß Schwärme von ver-
schiedener Beschaffenheit auch verschiedene Bahnen verfolgen.
Damit ist einerseits der weiter zu besprechende Versuch ge-
rechtfertigt, einer Gesetzmäßigkeit des Erscheinens gleichartiger
Meteoriten nachzuforschen, andrerseits die Analogie zwischen
Meteoriten und Sternschnuppen zu beleuchten. Für letztere
wären als erzeugende Körper keine kompakten Massen, viel-
mehr lockere Anhäufungen von festen und flüchtigen Stoffen
anzunehmen, die beim Eintritt in das Sonnensystem in Flocken
aufgelöst und oft stromweise angeordnet würden.
Die kosmischen Staubmassen, durch deren Zusammen-
schließung die Meteoriten, Sternschnuppen und Kometen ent-
stehen, leitet S. Arrhenius von den unmeßbar kleinen Par-
tikelchen ab, die von der Sonne und den vielen anderen
glühenden Zentralkörpern aus vom Strahlungsdruck in den
Sternenraum geführt werden und sich stellenweise zu größeren
oder kleineren Aggregaten ansammeln.^
Arrhenius verlegt die Bildung der Meteoriten in die
Region der Nebelflecke, weit außerhalb des Sonnensystems.
III. Falltage der gleichartigen Meteoriten.
Bei der Betrachtung der Fallzeiten ergibt sich eine un-
gleiche Verteilung auf die einzelnen Tage des Jahres. Einer
gleichförmigen Verbreitung der Meteoriten Im Räume würde
auch eine derartige Verteilung der Fallzeiten entsprechen,
zumal die .Zahl der sämtlichen bisher bekannten Fallzeiten der
Zahl 365 nahekommt. Dem entgegen zeigen sich einerseits
Lücken, andrerseits für manche Tage Anhäufungen von
Meteoritenfällen, woraus man schließen könnte, daß die
Meteoriten in Strömen angeordnet sind, welche zur selben Zeit
1 Das Werden der Welten. Übersetzt von L. Bamberg er. Leipzig 1907.
1418 G. Tschermak,
des Jahres wiederkehren. Wenn man sich aber gegenwärtig
hält, daß die Zahl der beobachteten Meteoritenfälle nur einen
verschwindend kleinen Teil der tatsächlich eingetretenen aus-
macht, so wird man jenen Anhäufungen keine so weittragende
Bedeutung beimessen.
Wären die Meteoriten von gleicher Fallzeit in chemischer
und petrographischer Beziehung als gleichartig zu betrachten,
so hätte die Vorstellung von einer homogenen BeschafTenheit
der einzelnen Meteorströme einige Berechtigung und die Er-
forschung der Bahnen, welche diese Körper vor ihrem Eintritt
in die Atmosphäre beschreiben, könnte dafür den Beweis
erbringen. Die an gleichen oder benachbarten Tagen gefallenen
Meteoriten zeigen aber gewöhnlich eine verschiedene Zu-
sammensetzung oder wenigstens verschiedene Struktur, daher
es bei der ersten Durchsicht der Angaben scheint, als ob kein
Zusammenhang zwischen dem Orte des Zusammentreffens mit
der Erde und der Art der Meteoriten bestünde.
Bei genauer Durchmusterung ergeben sich jedoch nicht
wenige Beispiele dafür, daß gleicher Fallzeit auch eine gleiche
oder ähnliche Beschaffenheit entspricht. Dadurch veranlaßt,
unternahm es A. G. Högbom^ auf Grund der von E. A. Wül-
fing veröffentlichten Zusammenstellung* eine Statistik der bis
zum Jahre 1896 bekannten und durch Proben belegten
Meteoritenfälle unter Angabe der beiläufigen Stellung im petro-
graphischen Systeme zu verfassen, die eine gute Übersicht
gewährt.
Von den dort verzeichneten Beispielen mögen vorläufig
nur zwei hervorgehoben werden:
1803 am 13. Dezember Massing,
181 5 am 13. Dezember Luotolaks.
Die beiden Meteoriten sind petnographisch sehr ähnlich,
doch wären dieselben in chemischer Beziehung noch vollstän-
diger als bisher zu untersuchen.
1 Eine meteorstatislische Studie. Bull, of the Geol. Instit. of Upsala, Nr. 9.
Vol. V, Part I (1900). Eine Zusammenstellung der Falltage ohne Angabe der
petrographischen Beschaffenheit hat auch Reusch im Jahrb. für Mineralogie.
4. Beilageband, p. 513 (1886) gegeben.
i Die Meteoriten in Sammlungen und ihre Literatur. Tübingen 1897.
Eintreffen gieichortiger Meteorite. 1419
1827, am 9. Mai Drake Creek,
1829, » 8. » Forsyth,
1840, » 9. » Karakol,
1846, » 8. » Monte Milone.
Alle vier sind einander sehr ähnlich. Sie gehören zu den
weißen Chondriten. Die zwei ersten sind sehr unvollkommen,
die beiden anderen gar nicht analysiert. Somit fehlt der genauere
Nachweis ihrer Gleichartigkeit. Die Nachrichten über die Fall-
erscheinungen gestatten für keinen der genannten Meteoriten
eine Berechnung der Bahn. Aus diesen Gründen lassen sich
diese Fälle nicht verwenden, um der Frage bezüglich der Her-
kunft gleichartiger Meteoriten näherzutreten.
Diese wenigen Andeutungen geben schon zu erkennen,
welche Hindernisse gegenwärtig einer gründlichen Erforschung
des Meteoritenphänomens entgegenstehen. Bald fehlt es an der
petrographisch-chemischen, bald an der astronomischen Be-
stimmung, meist an beiden. Die Angabe der Fallzeit allein ist
nicht genügend.
Was die Bahnbestimmung, d. i. die Berechnung der Bahn-
tangente und Geschwindigkeit betrifft, so läßt sich für die
Zukunft nichts weiter tun, als immer wieder betonen, daß die
Meteoritenforschung nicht nur ein petrographisches,
sondern zugleich ein astronomisches Problem ver-
folgt und daß die Aufsammlung aller Falldaten ebenso wichtig
ist als die Aufsammlung der gefallenen Exemplare. Obwohl die
Erscheinung eine sehr seltene ist, wäre es doch zweckmäßig,
eine einfache Belehrung über die bei Meteoritenfällen zu beob-
achtenden Erscheinungen und erforderlichen Zeitmessungen
zu verfassen und diese in geeigneter Weise zur Kenntnis der
Naturfreunde aller Länder zu bringen.
Die Erforschung der petrographisch - chemischen Be-
schaffenheit hingegen liegt in der Hand jener, die im Besitze
größerer Quantitäten einzelner Meteoriten sind. Das Auf-
bewahren solcher liegt allerdings im Interesse der Erforschung
durch künftige Generationen, aber bei dem gegenwärtig schon
hochentwickelten Zustande der petrographischen und chemi-
schen Analyse wäre es schon an der Zeit, eine systematische
1420 G. Tschermak,
Untersuchung der Meteoriten in beiden Richtungen durch-
zuführen. In jeder größeren Sammlung lagern von mehreren
Meteoritenfällen größere Mengen, daher ohne Gefahr für die
künftige Forschung so viel geopfert werden kann, daß eine
petrographische Prüfung und eine chemische Analyse durch-
führbar ist. Von einzelnen Meteoritenfallen liegt das Hauptstück
in einer kleineren Sammlung und die großen Museen besitzen
bloß Splitter davon, die höchstens eine beiläufige Klassifikation
ermöglichen. Es wäre demnach ein Zusammenwirken aller
Besitzer von Meteoriten erwünscht. Die Bearbeitung
sollte so durchgeführt werden, daß nur bewährte Fachmänner
mit denselben betraut werden und nicht Anfanger, die zum
ersten Mal einen Meteoriten in die Hand bekommen.
IV. Fallzeiten der Eukrlte.
Wenn am gleichen Tage verschiedener Jahre zwei
Meteoritenfalle beobachtet werden, die gleichartige Meteoriten
lieferten, so kann diese Wiederholung einem Zufalle zuge-
schrieben werden. Die Bahn des einen und des anderen kann
eine sehr verschiedene gewesen sein und es ist bloß der
Durchschnittspunkt an der Erdbahn, die Knotenlänge an-
nähernd die gleiche. Würde sich aber herausstellen, daß für
beide Fälle die Bahn im Sonnensystem ungefähr die gleiche
war, so erhält damit die Existenz eines Meteorstromes von
homogener Beschaffenheit einige Wahrscheinlichkeit. Letztere
würde noch vergrößert, wenn diese zwei Meteoriten von den
übrigen erheblich verschieden wären, weil der supponierte
Strom sich von anderen Strömen und von den regellos verteilten
Meteoriten deutlich abheben würde. Die bezeichnete Wah«*
scheinlichkeit würde sich endlich sehr der Gewißheit nähern,
wenn unter gleichen Umständen die Erscheinung auch ein
drittes Mal einträte, wenn also drei gleichartige Meteoriten das
gleiche Zusammentreffen mit der Erdbahn und ungefähr gleiche
Bahnen im Sonnensystem aufwiesen. Eine solche Wieder-
holung ist jedoch bisher noch nicht konstatiert.
Wenn bemerkt wird, daß am selben oder an benachbarten
Tagen verschiedener Jahre drei Fälle gleichartiger Meteoriten
sich ereignet haben, ohne daß Beobachtungen gemacht wurden.
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1421
die eine Bahnbestimmung ermöglichen, so wird diese Wieder-
holung schon eine, wenn auch geringe Wahrscheinlichkeit des
Zusammenhanges der Erscheinungen ergeben. Diese wird aber
vergrößert, wenn diese drei gleichartigen Meteoriten zugleich
von den übrigen verschieden wären. Wenn dieselbe Knoten-
länge gleichartiger Meteoriten mehr als dreimal vorkommt, so
wird ein Zusammenhang dieser Beobachtungsergebnisse nicht
mehr zweifelhaft sein, wenngleich keine Bahnbestimmungen
vorliegen, also eine Erklärung im vorgedachten Sinne noch
aussteht. Bei jeder ferneren Wiederholung wird aber ein solcher
Zusammenhang immer sicherer begründet sein.
Von diesen Erwägungen ausgehend, habe ich die Fall-
daten aller jener Meteoriten, die sich von der Hauptmasse der-
selben, also von den Chondriten, merklich unterscheiden,
genauer verglichen (siehe Anmerkung 1).
Vor allem erschienen mir die Daten bezüglich der Eukrite
bemerkenswert. Stellt man deren Fallzeiten zusammen, so
ergibt sich eine merkwürdige Regelmäßigkeit, aber nicht von
der Art, daß das Eintreffen immer am gleichen Knotenpunkte
stattfindet, vielmehr in einer solchen Aufeinanderfolge, daß ein
ungefähr gleichförmiges und beständiges Vorrücken
der Knotenpunkte wahrzunehmen ist. Dies zeigt schon die
Übersicht der Falltage:
1808, Mai 22 Stannern,
1819, Juni 13 Jonzac,
1821, Juni 15 Juvinas,
1855, August 5 . . . . Petersburg,
1865, August 25 ... . Shergotty,
1899, Oktober 24 . . . Peramiho.
Diese Reihe umfaßt alle Meteoriten von bekannter Fall-
zeit, die auf Grund petrographischer und chemischer Gleich-
artigkeit zu den Eukriten gerechnet werden können. Vier
davon, jene von Stannern, Jonzac, Juvinas und Peramiho, sind
einander außerordentlich ähnlich und besitzen ganz gleiche
chemische Zusammensetzung. Die übrigen zwei, jene von
Petersburg und Shergotty, werden nicht allgemein als Eukrite
betrachtet, obwohl dieselben zufolge ihrer Zusammensetzung
1422 G. Tschcrmak,
hier und nicht in die nächste Gruppe einzureihen sind (siehe
Anmerkung 2). Auch wenn hervorgehoben wird, daß diese
beiden Meteoriten nicht genau den übrigen Eukriten gleichen,
so ist doch zu berücksichtigen, daß dieselben als lokale Aus-
bildungsarten des gleichen Gemenges angesehen werden
können.
Jedenfalls sind die zuvor aufgezählten Meteoriten von
allen übrigen merklich verschieden, wodurch die Wahrschein-
lichkeit, daß der Reihenfolge ihrer Fallzeiten eine Gesetzmäßig-
keit entspricht, vergrößert wird. Freilich muß dabei ange-
nommen werden, daß jene Eukrite, deren Fall nicht beobachtet
wurde, auch dieser Reihenfolge der Fallzeiten sich einordnen.
Um genauer vergleichbare Zahlen zu erhalten, richtete ich
an Herrn Hofrat E. Weiss das Ersuchen um die Bestimmung
der Knotenlängen sowohl der Eukrite als der noch weiter zu
besprechenden Meteoritenfälle. Ich verdanke seiner gütigen
Bereitwilligkeit die weiterhin angegebenen Zahlen, die von
Herrn Dr. A. Prey ermittelt wurden.
Die geographischen Längen beziehen sich auf den Meridian
von Greenwich, die Erdlängen oder Knotenlängen auf das
mittlere Äquinoctium von 1900. Diese sind in ganzen Graden
und Dezimalteilen angegeben.
Geogr. L. Knotenlän^:;!
Stannern, 1808, Mai 22, um 6*^ a 12*^ 36' O 242-13'
Jonzac, 1819, Juni 13, » 6*^ a 0 27 W 262-45
Juvinas, 1821, Juni 15, » 3**30"p... 4 21 O 265-20
Petersburg, 1855, Aug. 5, * 3**30°»p... 86 50 W 313-45
Shergotty, 1865, Aug. 25, » 9*^ a 85 33 O 332-38
Peramiho, 1899, Okt. 24, » 7*» a 35 32 0 390-50
Um keinen Widerspruch aufkommen zu lassen, sollen
zuerst bloß jene vier Fälle, deren Meteoriten ganz unzweifel-
haft gleichartig sind, einer Berechnung unterzogen werden.
Wird hier angenommen, daß die Verschiebung des Knotens der
Zeit proportional erfolgt, so erhält man nach Ermittelung der
Konstanten durch Anwendung der Methode der kleinsten
Quadrate für die Knotenlängen E die Formel
£=230-64+ 1-6175/,
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1423
in welcher t die Jahreszahl minus 1800 bedeutet. Dieser ent-
sprechend ergeben sich im Vergleiche zu den Beobachtungen
die Zahlen:
Beob. Rechnung B. — R.
1808, Stannern 242-13 243-58 —1-45
1819, Jonzac 262-45 261-37 +1-08
1821, Juvinas 265-20 26461 +0-59
1899, Peramiho 390-56 390-78 -0-22
Die berechneten Werte stimmen mit den Beobachtungen
so gut überein, als es nach der Analogie mit den wieder-
kehrenden Sternschnuppenschauern zu erwarten war, denn die
größte Differenz übersteigt nicht IVg Tage. Somit ist hier
ein regelmäßiges Vorschreiten des Knotens kon-
statiert.
Die obige Zusammenstellung regt nunmehr zwei Fragen
an. Die eine bezieht sich auf die Möglichkeit einer gemeinsamen
Herkunft dieser Meteoriten, die zweite auf die regelmäßige
Verschiebung der Knoten.
Da die vier Eukrite einander ungemein ähnlich sind, so ist
nach den früheren Erörterungen eine Übereinstimmung ihrer
Bahnen zu erwarten und die der Zeit proportionale Zunahme
der Knotenlängen würde voraussichtlich durch die sukzessive
Bildung zu erklären sein. Die Frage, ob jene Obereinstimmung
sich bestätigt, erschien im vorliegenden Falle wenigstens zum
Teile beantwortet werden zu können, da für drei dieser
Meteoritenfälle Angaben vorhanden sind, welche eine beiläufige
Bestimmung der Bahnelemente gestatten. Ich wandte mich
daher an den Herrn Hofrat G. v. Niessl, der schon früher eine
Untersuchung über den Meteoritenfall von Stannern veröffent-
licht hatte, mit der Bitte, auch die beiden anderen Fälle, jene
von Jonzac und von Juvinas, einer Berechnung unterziehen zu
wollen. Mit großer Bereitwilligkeit ging dieser auf meine An-
regung ein und bemühte sich, auf Grund der oft mangelhaften
Daten die Bahnberechnung durchzuführen.
Das Resultat^ war der Ansicht von der kosmischen Zu-
sammengehörigkeit ungünstig, indem sich herausstellte, daß
1 Siehe diese Sitzungsber., Bd. 113, Abt. IIa, p. 1361 (1904).
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa. 95
1424 G. Tschcrmak,
die von den drei Meteoriten im Sonnensystem unmittelbar vor
dem Zusammentreffen mit der Erde verfolgten Bahnen wesent-
lich verschieden waren. Auch die weiteren Berechnungen
begegneten unter der Annahme, daß die drei verschiedenen
Bahnen innerhalb des Sonnensystems durch Störungen seitens
eines der großen Planeten, insbesondere Jupiters, aus ursprüng-
lich einheitlichen oder nahezu identischen Bahnen entstanden
seien, einer großen Schwierigkeit, indem zwar die Bahnen vun
Jonzac und Juvinas durch solche Störungen erzeugt worden
sein können, die Bahn von Stannern hingegen ohne Voraus-
setzungen, denen nur geringe Wahrscheinlichkeit zukonimt,
sich nicht in gleicher Weise ableiten läßt.
Dieser Schwierigkeit läßt sich dadurch begegnen, daß die
Bildungsstätte dieser drei Meteoriten in einen Punkt weit
außerhalb der Planetenregion verlegt wird, wo auch störende
Körper von geringer Masse eine völlige Umwandlung der
ursprünglichen Bahnen veranlassen konnten. Dann ergibt sich
die Möglichkeit ihrer Herkunft aus derselben Gegend des
Weltraumes, wenigstens kann dem gegenüber nicht mit Sicher-
heit behauptet werden, daß jene Meteoriten von ganz ver-
schiedener Abkunft seien.
Die Mitteilung G. v. NiessTs besagt also, daß aus der.
Beobachtungen beim Niederfallen der genannten Meteoriten
kein Beweis für einen gemeinsamen Ursprung abgeleitet
werden kann, wenngleich die Möglichkeit eines solchen nicl.t
ausgeschlossen ist.
Dieses Ergebnis, das meine Erwartung täuschte, war nicht
sehr ermutigend. Ich zögerte daher, meine Niederschrift, welche
die erkannte Regelmäßigkeit des Eintreffens dieser und anderer
gleichartiger Meteoriten beleuchten soll, zu veröffentlichen.
Schließlich überwog aber meine Überzeugung, daß trotzdem
hier ein Zusammenhang der Erscheinungen bestehen müsse.
Einerseits ist es die Gleichartigkeit der Eukrite, die >"
groß ist, daß, wenn die Steine irdischen Ursprungs wären,
jeder Petrograph geneigt wäre, anzunehmen, daß dieselben vun
einer und derselben Eruptivmasse herrühren, andrerseits
war ich in der Ansicht, die regelmäßige Folge des Erscheinens
der Eukrite sei nicht als ein Spiel des Zufalls zu betrachten.
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1425
dadurch bestärkt worden, daß nach der Berechnung, die ich
vor 8 Jahren anstellte, sich ergab, daß in dem Falle, als in den
nächsten Jahren das Niederfallen eines Eukrits beobachtet
würde, dies gegen Ende Oktober eintreten sollte. In der Tat
wurde diese Vorausberechnung durch den Fall des Eukrits
von Peramiho am 24. Oktober 1899 bestätigt.
Obwohl es nicht gelungen ist, die. Regelmäßigkeit des Ein-
treffens dieser Meteoriten durch eine Ähnlichkeit ihrer Bahnen
im Sonnensystem zu erklären, so ist doch die Möglichkeit
nicht zu bestreiten, daß durch die Betrachtung der vorliegenden
Daten von einem neuen Gesichtspunkt eine solche Erklärung
gelingen werde. Die vulkanische Hypothese der Meteoriten-
bildung leitet schon darauf, daß Meteoriten gleichen Ursprungs
verschiedene Bahnen einschlagen können. Daß einige derselben
trotzdem die Erdbahn in demselben Punkte oder nahe dem-
selben schneiden, bildet ein Problem, das einstweilen wohl
kaum lösbar erscheint, zu dessen Lösung aber eine Zusammen-
stellung dieser Schnittpunkte beitragen kann.
Diese Auffassung läßt den Versuch nicht ganz überflüssig
erscheinen, die Knotenpunkte der petrographisch gleichartigen
Meteoriten zu vergleichen, weil dadurch eine Anregung für
künftige Forschungen gegeben ist.
Vorher wurde schon bemerkt, daß das Zusammentreffen
der Gleichartigkeit von Meteoriten mit der regelmäßigen Wieder-
kehr ihres Falles auch dann von Bedeutung sei, wenn bezüg-
lich der Bahn dieser Meteoriten keine Beobachtungen vorliegen,
zumal wenn die Zahl der Fälle eine größere ist. Dieser Ansicht
folgend, will ich die Knotenpunkte sowohl der vier genannten,
im strengsten Sinne gleichartigen Eukrite, als der zwei den-
selben nahestehenden Meteoriten von Petersburg und Shergotty,
für welche keine genaueren Falldaten bekannt sind, einer Be-
trachtung unterzielfen.
Wird auch hier angenommen, daß die Verschiebung des
Knotens der Zeit proportional erfolgt, so erhält man nach Be-
stimmung der Konstanten durch Anwendung der Methode der
kleinsten Quadrate für die Knotenlänge L die Formel
L^ =230 -04+ 1-5953^,
95*
1426 G. Tschermak,
in welcher / die Jahreszahl minus 1800 bedeutet. Dieser ent>
sprechend ergeben sich im Vergleiche mit der Beobachtung
folgende Zahlen:
Beob. Rechnung B.— R.
1808, Stannern 242-13 242 • 80 —0-67
1819, Jonzac 262-45 260-35 -4.2-10
1821,Juvinas 265-20 263-54 -I-1-66
1855, Petersburg 313-45 317- 77 —4-32
1 865, Shergotty 332-38 333-73 —1-35
1 899, Peramiho 390-56 387-98 +2-58
Die Übereinstimmung der beobachteten und berechneten
Werte ist eine befriedigende. Immerhin ergeben sich Ab-
weichungen, die bis 4-32® gehen, wonach für den Meteoriten-
strom, der hier angenommen werden kann, ungefähr das
doppelte zu nehmen wäre, also die Breite des Stromes beim
Durchschnitte mit der Erdbahn mindestens 8*6* ausmachen
würde. Diese Breite ist von einem Betrage, der nichts Unwahr-
scheinliches darbietet. Übrigens lassen sich die Knotenlängen
mit einer noch größeren Annäherung an die beobachteten
berechnen, wenn zwar eine der Zeit proportionale Zunahme,
zugleich aber ein periodisches Schwanken dieses Fortschrittes
angenommen wird (Anmerkung 3).
Für eine Periode von 72 Jahren erhielt ich die Zahlen:
Beob. Rechnung B. — R.
1808, Stannern 242-13
1819, Jonzac 262-45
1821, Juvinas 265*20
1855, Petersburg 313-45
1 865, Shergotty 332-38
1899, Peramiho 390-56
Hier ist die Übereinstimmung eine so vollkommene, daß
die größte Differenz noch nicht einen vollen Tag ausmacht.
Der Kreuzungspunkt des angenommenen Meteoritenstromes
würde, nach dieser Berechnung zu urteilen, in einem Jahr-
hundert um beiläufig 160° vorschreiten. Es erscheint aber auch
242-64
—0-51
261-78
+0-67
264-98
+0-22
314-24
—0-79
331-56
+0-82
391-00
—0-44
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1427
möglich, dafi nach längerer Zeit eine Verschiebung im ent-
gegengesetzten Sinne eintritt.
Die hier erkannte Regelmäßigkeit verdient aus dem Grunde
besonders hervorgehoben zu werden, weil alle bisher be-
kannten Eukrite derselben folgen, keine Ausnahme statt-
findet und die Zahl 6 der dieser Gruppe angehörigen Fälle
so erheblich erscheint, daß die Wahrscheinlichkeit
ihrer astronomischen Zusammengehörigkeit eine
sehr große ist.
V. Fallzeiten der Howardite und nahestehender Meteoriten.
Den Eukriten sind die Howardite ähnlich, doch unter-
scheiden sich diese durch einen wesentlichen Bronzitgehalt
und dem entsprechend in chemischer Beziehung durch die
geringere Menge von Calcium. Die Struktur ist die einer feinen
Breccie, was hier als luffartig bezeichnet wird (Anmerkung 1
und 4). Unter den Juli — August-Meteoriten sind drei Howardite
hervorzuheben:
Geogr. Knoten-
Länge länge
Nobleborough, 1823, Aug. 7, um 4^3(rp. . • 69°4(yW SlS-öö**
Le Teilleul, 1845, Juli 14, um 3** p 0 53 W 292 • 70
Pawlowka, 1882, Aug. 2, um 4'*3ü'^p. . . 42 20 O 310-53
Hier zeigt sich eine große Verschiedenheit der Knoten-
längen, so daß eine Zusammengehörigkeit kaum erkennbar ist
-Wird jedoch auch in diesem Falle außer einer der Zeit pro-
portionalen Abnahme auch ein gleichzeitiges Schwanken dieser
Abnahme vorausgesetzt und so wie bei den Eukriten eine
72jährige Periode angenommen (Anmerkung 3), so berechnen
sich die Knotenlängen mit großer Annäherung an die Beob-
achtung.
Beob.
1 823, Nobleborough 3 1 5 • 55 **
1845, Le Teilleul 292*70
1882, Pawlowka 310-53
Rechnung
B.— R.
315-40°
+015
292-54
+016
810-65
—0-30
1428 G. Tschermak,
Ähnlich wie diese verhalten sich die Fallzeiten dreier Juni-
Meteoriten, von denen jedoch die ersten zwei zu den bron-
zitischen Gemengen gehören und nur der dritte zu den
Howarditen gezählt wird (Anmerkung 1).
GeogT. Knoten-
Länge lange
Manegaon, 1843, Juni 29, um 3^30" p.. . . 75**37'0 277- 77'
Ibbenbühren, 1 870, Juni 1 7, um 2^ p 7 * 42^ O 266 • 50
Jodzie, 1877, Juni 17, um 4^30"^p.. . . 24'22'0 266 -2«
Auch hier ergibt sich eine vollständige Übereinstimmung
der Rechnung mit der Beobachtung, wenn dieselben Voraus-
setzungen gelten wie vorhin und wiederum eine Schwankungs-
periode von 72 Jahren angenommen wird (Anmerkung 3).
Beob. Rechnung B. — R
1843, Manegaon 277-77" 277-7r +0-06
1 870, Ibbenbühren ... 266-50 266-52 —0 • 02
1877, Jodzie 26628 266-32 — O-04
Als zusammengehörig werden oft jene Meteoritenfälle be-
trachtet, welche sich um die erste Hälfte des Dezember
ereignen, wegen des beiläufigen Zusammentreffens mit der Er-
scheinung des Kometen Biela.
Werden diejenigen ausgewählt, deren Meteoriten vermöge
ihrer Zusammensetzung als ähnlich anzusehen sind, so ergib:
sich die Reihe:
1803, Dezember 13 Massing,
1813, Dezember 13 Luotolaks,
1850, November 30 Shalka,
1852, Dezember 2 Busti,
1868, Dezember 5 Frankfort.
Von diesen sind die drei Howardite Massing, Luotolaks
und FYankfort einander sehr ähnlich, während Shalka und
Busti schon zu der folgenden Abteilung der bronzitischen
Gemenge zu stellen sind.
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1 429
Dies könnte indes als Verschiedenheit infolge lokaler Aus-
bildung aufgefaßt werden (Anmerkung 1). Immerhin erscheint
die Vereinigung zu einer gleichartigen Gruppe etwas gewagt.
Die Berechnung der Knotenlängen ergibt sich aus folgenden
Daten, wobei zu bemerken ist, daß bei Luotolaks und Busti die
Rechnung für die Mittagszeit geführt wurde.
Geogr. Knoten-
Länge länge
Massing, 1803, Dez. 13, um 10»^ 30"^ a.. . . 12^36'0 81 •83**
Luotolaks, 1813, Dez. 13, bei Tage 27M9'0 82-30
Shalka, 1850, Nov. 30, um 4^ 30"^ a 87*'22'0 68-12
Busti, 1852, Dez. 2 82M2'0 70-97
Frankfort, 1868, Dez. 5, um 3^ p 85** 5'W 74*50
Die Zahlen für die Knotenlängen geben im Mittel 75° 54
und die Differenzen zwischen der Beobachtung und dieser
Mittelzahl betragen:
-4-6-29, -4-6-76, —7-42, —4-57, —1-04.
Wird hier angenommen, daß der Durchschnitt an der Erd-
bahn statt konstant zu bleiben, sich periodisch verschiebt, um
wieder zur selben Stelle zurückzukehren, so berechnen sich
für eine 80jährige Periode, innerhalb welcher die Knotenlänge
schwankt (Anmerkung 3), nachstehende Zahlen:
Beob. Rechnung B. — R.
1803, Massing 81
1813, Luotolaks 82
1850, Shalka 68
1852, Busti 70
1 868, Frankfort 74
Shalka und Busti, welche von den drei übrigen in petro-
graphischer Beziehung abweichen, geben auch die größeren
Differenzen.
Die übrigen Meteoriten von ungewöhnlicher Zusammen-
setzung lassen sich bezüglich der Knotenlängen nicht in solche
Reihen bringen (Anmerkung 5).
•83
81-59
+0-24
•30
81-98
+0-32
•12
69-32
— 1-20
•97
69-48
+ 1-49
•50
75-29
—0-79
1430 G. Tschermak,
VI. Falltage der Chondrite.
Diese Abteilung der Meteoriten ist die umfangreichste. Vor.
je 100 Meteoriten bekannter Fallzeit gehören ungefähr 86 zu
den Chondriten. Ihrer Beschaffenheit nach lassen sich dieselben
größtenteils in eine Reihe bringen, deren Glieder von einander
wenig abweichen, auch die typisch aussehenden Glieder sind
in der Reihe mit den benachbarten meist durch Obergänge ver-
bunden. Unter diesen Umständen ist es schwer, solche Gruppen
aufzufinden, deren Glieder gleichartig wären und sich von den
übrigen Chondriten abheben würden. Die Gleichartigkeit müßte
aber nicht bloß durch die äußere Beschaffenheit, sondern auch
durch eine chemische Ähnlichkeit begründet sein. Dazu reicher
aber, wie schon bemerkt wurde, die bisherigen Untersuchungen
nicht aus.
Aus allen diesen Gründen bietet die heutige Kenntnis
der Chondrite zu wenig Anhaltspunkte für eine Zusammen-
stellung der Fallzeiten solcher Meteoriten, die miteinander
unzweifelhaft gleichartig sind.
Früher wurde schon ein Beispiel angeführt, welches zeic:,
daß vier als weiße Chondrite bezeichnete Meteoriten, die nich:
genauer untersucht sind, die Fallzeiten vom 8. und 9. Mai auf-
weisen. Hier möge noch ein zweites Beispiel Platz finden,
welches die bei den Chondriten herrschenden Verhältnisse von
einer anderen Seite beleuchtet.
1785, Februar 19. . . . Eichstädt,
1814, » 15.... Bachmut,
1853, > 10. . . . Girgenti,
1875, » 12.... West- Liberty.
Diese Gruppe zeigt eine Verschiebung der Knoten von
einer ziemlich großen Regelmäßigkeit, zugleich sind alle vier
Meteoriten bezüglich der chemischen Zusammensetzung sehr
ähnlich (Anmerkung 6), sie sind aber in Bezug auf ihre Struktur
ungleich, indem Eichstädt als Kügelchenchondrit, Bachmut und
Girgenti als weiße Chondrite, West-Liberty als ein grauer
Chondrit von breccienartigem Gefüge bezeichnet werden. Ob
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1431
diese Unterschiede im vorliegenden Fall als wesentliche zu
betrachten sind, läßt sich gegenwärtig nicht entscheiden.
Vn. Falltage der Meteoreisen.
Unter den Meteoreisen sind zwei einander ähnliche von
ungefähr gleicher Fallzeit zu erwähnen :
Charlotte, Dickson Cty. Tennesee 1835, Juli 31 oder August 1,
Quesa, Prov. Valencia, Spanien. . . 1898, August 1.
Beide Eisen bestehen aus dünnen, oktaedrischen Lamellen
und der Nickelgehalt wurde zu 8 und lOVo bestimmt. Eine
Zusammengehörigkeit ist nicht unwahrscheinlich. Da bisweilen
Meteoriten gefunden werden, die ein Gemenge von Eisen und
Howardit darstellen (Grahamite), so könnte daran gedacht
werden, diese beiden Meteoritenfalle mit den früher erwähnten
howarditischen Augustmeteoriten in Zusammenhang zu bringen.
VIII. Übersicht.
1. Das Material der Sternschnuppen scheint von dem der
Meteoriten bloß durch lockere Beschaffenheit und das Vor-
walten von Kohlenwasserstoffen und salzartigen Verbindungen
verschieden zu sein.
2. Aus den bisherigen Beobachtungen läßt sich schließen,
daß die zu verschiedenen Zeiten des Jahres periodisch ein-
tretenden Meteorschauer aus etwas verschiedenem Material
bestehen und daß jedem dieser Meteorströme eine ungefähr
gleichartige Beschaffenheit zukommt.
3. Dementsprechend ist zu vermuten, daß es auch Ströme
von Meteoriten gibt, die beiläufig gleichartig sind und in regel-
mäßiger Wiederkehr eintreffen.
4. Nach der von mir entwickelten Anschauung bezüglich
der Bildung der Meteoriten durch eine Zerstreuung von Aus-
würflingen kleiner Himmelskörper können Schwärme gleich-
artiger Meteoriten gebildet werden, die mit der Erde in regel-
mäßiger Folge zusammentreffen.
5. Nach diesen Voraussetzungen gewinnen die Daten
bezüglich der Bahnen und demzufolge bezüglich der Knoten-
punkte gleichartiger Meteoriten eine genetische Bedeutung.
1432 G. Tschermak,
6. Werden von den Meteoritenfällen jene ausgewählt,
welche gleichartige Produkte lieferten, die sich auch von allen
übrigen unterscheiden, so ergeben sich Regelmäßigkeiten be-
züglich ihrer Knotenpunkte.
7. Das Eintreffen der calciumreichsten Meteoriten (Eukrite)
läßt eine bestimmte Wiederkehr und zugleich eine regelmäßige
Folge der Knotenpunkte erkennen, indem hier eine jährliche
Verschiebung von 1° 36' eintritt.
8. Die Bahnberechnung für drei der Eukrite ergab unter
Annahme von Störungen durch Himmelskörper außerhalb des
Bereiches der bekannten Planeten bloß die Möglichkeit einer
gemeinsamen Herkunft dieser Meteoriten.
9. Für einige Meteoriten, die sich den Eukriten anreihen,
ergeben sich Regelmäßigkeiten in demselben Sinne und jene
Gruppe, deren Fallzeiten in die erste Hälfte des Dezember
treffen, zeigt ein regelmäßiges Schwanken der Knotenlängen
innerhalb bestimmter Grenzen.
Anmerkung 1.
G. Rose hat eine Einteilung vorgeschlagen, derzufolge
jene Meteoriten, die eine gleiche Kombination der Gemengteiic
darstellen, unter derselben Gruppenbezeichnung zusammen-
gefaßt werden.^ Diese Klassifikation wurde von mir unter
Berücksichtigung der späteren Forschungsergebnisse fortgesetzt
und vervollständigt." Seither sind nur geringe Veränderungen
dieser Gruppierung eingetreten.
Eine solche Einteilung bezieht sich mehr auf die Anord-
nung einer großen Sammlung, als auf die petrographische
Zusammengehörigkeit der bisher aufgesammelten Meteoriten.
Soll eine hierauf bezügliche Übersicht erhalten werden, so ist
zu berücksichtigen, daß die einzelnen Meteoritenfälle immer
1 Beschreibung und Einteilung der Meteoriten. Abhandlungen der Berliner
Akad., 1864, p. 23 bis 161.
2 Beitrag zur Klassifikation der Meteoriten. Diese Sitzungsber., Bd. 8S,
Abt. I, p. 347 (1883), und: Die mikroskopische Beschaffenheit der Meteoriten.
Stuttgart 1883.
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1 433
nur je eine Probe aus einer größeren Masse, die nicht voll-
kommen gleichartig ist, darstellen. In einer solchen können
allerlei lokale Abweichungen von dem normalen Bestände vor-
kommen. Denkt man sich aus vielen Bruchstücken von Granit
einzelne herausgenommen, so werden solche wohl häufig das
Granitgemenge darstellen, nicht selten wird aber das einzelne
Stück als Quarz oder als Feldspat, mitunter auch als Glimmer
oder vielleicht als Turmalin zu bezeichnen sein. Die den
Meteoriten zu Grunde liegende Masse ist aber nicht so homogen
wie gewöhnlich der Granit. Man sieht an den einzelnen
Stücken, die von einem sogenannten Steinregen herrühren, wie
z. B. an den Meteoriten von Stannern, eine große Ungleich-
förmigkeit, so daß einzelne Steine gar nicht der durchschnitt-
lichen Beschaffenheit entsprechen. Es darf auch nicht über-
sehen werden, daß bei der Untersuchung der Meteoriten wegen
Kostbarkeit des Materials immer nur kleine Teile eines größeren
Stückes für die petrographische und chemische Analyse benutzt
werden. Wir sind bei der Prüfung der Meteoriten auch nicht in
der Lage, wie bei anstehendem Gestein, die Übergänge der
einzelnen Typen zu studieren und so zu bestimmen, was als
normales Gemenge und was als ein Übergangsglied zu be-
trachten ist.
Um die petrographische Gleichartigkeit und Verschieden-
heit hervortreten zu lassen, kann die folgende Übersicht dien-
lich sein. Durch die in Klammern stehenden Ziffern wird
angegeben, wie viele unter den Meteoriten, deren Fall beob-
achtet wurde, zu je einer Gruppe gehören.
A, Feldspatführende Gemenge.
Eukrit, wesentlich aus Augit und Anorthit bestehend,
untergeordnet auch Bronzit. Struktur ophitisch, bisweilen tuff-
artig. Alle sind genauer untersucht (6). Hierher gehören die
Steine von Stannern, Jonzac, Juvinas, Shergotty, Peramiho,
Petersburg. Der letztere wurde wegen tuffartiger Struktur von
einigen Forschem zur nächsten Gruppe gestellt. Er ist aber
den vorigen chemisch gleichartig und die Struktur kann
angesichts der an dem Steinregen von Stannern gemachten
Beobachtung von Steinen mit Tuffstruktur neben solchen von
1434 G. Tschcrmak,
kristallinischem Gefüge nicht zur Trennung berechtigen. Der
Meteorit von Shergotty reiht sich an die Eukrite. Der isotrope
Feldspatgemengteil (Maskelynit) entspricht seiner chemischen
Zusammensetzung nach einem Labradorit. Es erscheint mir
nicht zweifelhaft, daß ursprünglich Labradorit vorhanden war
und dieser, wahrscheinlich durch später eingetretene Tem-
peraturerhöhung, in eine isotrope Masse verwandelt wurde.
Beispiele dafür liefern Erscheinungen in anderen Meteoriten.
Prof. F. Becke, dessen Autorität im Gebiete der Feldspate all-
gemein anerkannt ist, bestätigte nach Prüfung der Dünnschliffe,
daß die äußere Form und die Erscheinung im gewöhnlichen
Lichte, welche das Detail der Plagioklastextur erkennen läßt
vollkommen einem Labradorit entspricht. Einem in dem Wiener
Hofmuseum aufbewahrten Eukrit, welcher mit dem von Stan-
nern identisch ist, wurde früher der Fallort Konstantinopel
zugeschrieben. Ich habe schon vor langer Zeit diesen Fallort
als höchst zweifelhaft bezeichnet^ und bin in meiner Ansicht
durch den Mangel jeder verbürgten oder zuverlässigen Nach-
richt bestärkt worden.
Howardit, wesentlich aus Augit, Bronzit, Anorthit be-
stehend. Struktur tuflfartig. Zum großen Teile nicht genauer
untersucht (9). Reiht sich an die Eukrite. Manche Exemplare
lassen sogar kleine Bruchstücke von Eukrit erkennen. Durch
den Gehalt an Bronzit mit der folgenden Gruppe verbunden.
Hierher werden gezählt die Steine von Massing, Luotolaks,
Nobleborough, Bialystok, Le Teilleul, Zmenj, Frankfort, Jodzie,
Pawlowka.
B, Feldspatarme bis feldspatfreie bronzitische Gemenge.
Meist kristallinisch-kömig. Ein ungewöhnliches Gemenge
von Diopsid und Enstatit repräsentiert der Stein von Busti.
Jener von Aubres wird als zugehörig bezeichnet.
Chladnit, wesentlich aus Bronziten (Enstatit und Bronzit.
bestehend (4). Zugehörig Bishopsville, Manegaon, Shalka,
IbbenbühreH.
1 Mineralogische Mitteilungen, Bd. 11, p. 85 (1872).
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1435
C. Olivinhaltige kristallinische Steine.
Der Meteorit von Angra, wohl eine lokale Ausbildung
olivinhaltiger Massen, besteht aus Augit und wenig Olivin.
Ähnlich verhält es sich mit dem Stein von Novo Urei.
Amphoterit, ein Gemenge von Olivin und Bronzit (2).
Als zugehörig werden Manbhoom und Roda bezeichnet. Der
Stein von Jelica hat schon chondritische Ausbildung, jener von
Chassigny besteht fast nur aus Olivin.
D. Bronzit- und Olivingemenge mit Kügelchen.
Chondrit. Dem Amphoterit entsprechende Gemenge mit
Chondren und meist mit Füttern von Eisen und Magnetkies.
Grundmasse kristallinisch, tuffartig, selten halbglasig oder
fehlend (nahezu 300). Diese Abteilung wird nur durch das
Vorkommen der Chondren zusammengehalten. Im einzelnen
zeigen sich große Unterschiede in der Beschaffenheit der Grund-
masse und der Kügelchen, daher nach der physikalischen Be-
schaffenheit mehrere Gruppen aufgestellt werden können. Da
jedoch nur ein Teil dieser Steine chemisch untersucht ist, so
fehlt eine sichere Grundlage der Klassifikation und es muß die
Entscheidung über die Gleichartigkeit noch hinausgeschoben
werden.
E, Leichte, durch Kohle und Kohlenwasserstoffe gefärbte
Steine.
Kohlige Meteoriten, von tuffartiger Struktur. In der
von Kohle und Kohlenwasserstoff durchtränkten Grundmasse
wurden auch Kügelchen beobachtet (7). Obwohl diese Steine
gewöhnlich den Chondriten angeschlossen werden, so zeigt
doch deren physikalische Beschaffenheit eine besondere Bil-
dungsweise an.
F. Eisen, mit Silikaten gemischt.
Sie enthalten die Gemengteile des Howardits Chladnits,
Chassignits, Amphoterits in einer Eisengrundmasse. Nur letztere,
1436
G. Tschermak,
als Mesosiderit bezeichnet (4), sind unter den Meteoriten,
deren Fall beobachtet wurde, repräsentiert.
G. Meteor eisen.
Vorwiegend aus Nickeleisen bestehend (9).
Anmerkung 2.
Die Ähnlichkeit in der chemischen Zusammensetzung der
Eukrite geht aus folgenden Zahlen hervor:
e ^
C
B
S «3
Vi
GS
c
3
O
B
B
vi
3
O O
o
» 3
SiO.
TiOc
AI2O3,
FegOg
FeO
MnO
MgO
CaO.
Na^O
Außerdem
Dichte
48-30
12-65
19-32
0-81
6-87
11-27
0-62
0-23
100-61
3-17
48-33
49-21
O'IO
—
12-55
11-05
1-21
19-48
20-41
—
0-04
6-44
8-13
10-23
9-01
0-63
0-83
0-12
b
c
100-97
99-24
3-11
3-28
50-21
5-90
21-85
10-00
10-41
1-28
0-57
100-22
3-28
a
h
c
d
e
49-32
0-42
11-24
20-65
7-15
10-84
0-40
0-25
e
100-38
3-08
Chromit 0*54, Schwefel Spur.
Fe 0-16, S 0-09, Chromit 1-35, PjOj 0-28.
Fe 0-50, SO-06, Ni, P Spur.
Magnetit (von mir separat bestimmt) 4*57, S Spur.
S 0-23, ab Sauerstoff 0- 12.
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1 43 7
Der Stein von Shergotty weicht in der Zusammensetzung
etwas von den übrigen ab, gleichwie er durch den eigentüm-
lichen Feldspatbestandteil etwas verschieden ist. In der Struktur
gleicht er den kristallinischen Eukriten.
Anmerkung 3.
Die Abweichung der nach angegebener Formel berechneten
Werte für die Knotenlängen der Eukrite zeigen eine Regel-
mäßigkeit, welche sich darin ausspricht, daß die Differenzen
entsprechend der Zeit ihr Vorzeichen wechseln:
1808 1819 1821 1855 1865 1899
—0-67 +2-10 +1-66 —4-32 —1-35 +2*58
Ich möchte angesichts der Unsicherheit, welche das hier
berührte Problem darbietet, auf diese Wahrnehmung weiter
keinen Nachdruck legen und will nur andeuten, daß bei An-
nahme einer Periode von 72 Jahren für das Schwanken in der
Zunahme der Knotenlängen sich ein ziemlich genauer Anschluß
an die Beobachtungen ergibt. Das Resultat der Berechnung
nach der Formel:
J5 = 229-554-l •624^+3 sin — IT,
72
worin t die Jahreszahl minus 1801, ist im Text angeführt.
Demnach wäre der Charakter der Schwankung dieser, daß die
Verschiebung der Knotenlänge im Anfange der Periode rascher
als durchschnittlich erfolgt, diese Beschleunigung aber nach
18 Jahren wieder abnimmt und mit 36 Jahren =: 0 wird, worauf
eine Verzögerung eintritt, die 18 Jahre später ihr Maximum
erreicht u. s. w.
Nach der gleichen Formel, jedoch mit anderen Konstanten,
lassen sich die Knotenlängen der drei Howardite: Noble-
borough, Le Teilleul und Pawlowka berechnen. Diese ist:
£=:302-70— 0-025/+14-lsin(— IC
V72
worin / die Jahreszahl minus 1801.
1438
G, Tschermak,
Auch die als zusammengehörig betrachtete Gruppe: Mane-
gaon, Ibbenbühren, Jodzie gestattet eine Berechnung der
Knotenlängen durch Anwendung der gleichen Formel mit
anderen Konstanten, nämlich:
£=298-25-0-439/-l-4-2Sin
in( — t:),
worin t dieselbe Bedeutung hat, wie in der zuletzt angeführten
Formel.
Für die Meteoritenfalle um den Anfang Dezember, nämlich
Massing, Luotolaks, Shalka, Busti, Frankfort ergibt sich keine
kontinuierliche Verschiebung des Knotens, vielmehr ein
Schwanken zwischen den Grenzen 82° und 68**. Bei Annahme
einer 80jährigen Periode wurde gerechnet nach der Formel:
£=i75-8-l-6-5sin
t \
80 /
in welcher / die Jahreszahl minus 1789. Die Schwankungs-
breite würde sonach ungefähr 13 Tage betragen.
Anmerkung 4.
Für den Vergleich der Howardite mit dem Eukrit ist
folgende Zusammenstellung dienlich:
Howardit
'^ I
t: c
tu CQ ^
— . o
C Jt4
6 «
Eukrit
o
o «>
SiOi
AI2O3....
FeO
MnO ....
MgO ....
CaO
Na20...,
KgO
Außerdem
5311
51-33
48-18
49-32
8-20
8-05
8-06
11-24
10-14
13-70
14-48
20-65
—
2-17
—
8-49
17-59
16-81
715
5-79
7-03
5-84
10-84
1-93
0-45
1-75
0-40
1-19
0-22
0-38
0-25
a
b
c
d
99-72
99-02
99-95
100-38
50-21
5-90
21-85
1000
10-41
1-28
0-57
e
100-22
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1439
a = FeS 0-37, Fe^Ni 052, Cr^Og 098.
b = SO-23, CraO3 0-42.
c = FeS 1-32, FcgNi 0-32, FeCrgÖ^ 0-58, Pj^Og 008.
d = SO-23.
e :=: S Spur.
Der Unterschied zeigt sich vor allem in den Zahlen für
CaO, aber auch für FeO. Selbst der von den übrigen Eukriten
etwas abweichende Stein von Shergotty läßt die Verschieden-
heit in diesen beiden Stoffen erkennen.
Anmerkung 5.
Die früher nicht angeführten Fälle, welche Steinmeteoriten
von ungewöhnlicher Zusammensetzung lieferten, sind die
folgenden:
Geogr. Knoten-
Länge länge
Aubres, 1836, Sept. 14, um 3^ p 5** 8'0 352-67
Novo Urei, 1886, Sept. 22, * 7M5"^a... 43 410 359*27
Chassigny, 1815, Okt. 3, » 8*^ a 5 23 0 10-40
Bialystok, 1827, Okt. 5, » 9*^30"*a.. . 23 10 O 12-30
Manbhoom, 1863, Dez. 22, » 9** a 86 33 0 90-20
Angra, 1869, Jänn. 20, > 5^ a 44 10 W 120*49
Bishopsville, 1843, März 25, bei Tage 80 12 W 185*22
Alle diese Meteoriten sind, ihrer Zusammensetzung nach,
voneinander verschieden.
Anmerkung 6.
Die chemische Zusammensetzung der vier zuletzt ange-
führten Chondrite läßt sich aus den folgenden Zahlen erkennen,
welche die prozentischen Mengen bezüglich der Silikate nach
der Berechnung von Rammelsberg,^ ferner unter L die ent-
sprechenden Quantitäten des durch Säure auflöslichen An-
teiles, endlich unter F die in 100 Teilen der Meteoriten gefun-
denen Mengen von Eisen, Magnetkies und Chromerz angeben.
1 Abhandlungen der Berliner Akademie, 1 879.
Sitzb. u. maihem.-naturw. Kl. ; CXVl. Bd . Abt. II a. 96
1440
G. Tschermak,
:es
0)
JS
U
kl
SP
o
C/3
3
a
ja
u
ctf
CQ
C
o
es
>
o
£
SiOj.
AI2O3
FeO.
MgO
CaO.
Na^O
K2O.
L ...
F ...
46
3
20
27
0
1
0
13
22
02
35
93
48
28
44-6
27
46
3
18
29
1
0
0
18
38
19
78
55
24
49
18
46
1
19
28
1
1
•61
•68
•22
•89
•99
•61
15
46S8
2-40
17-49
31-36
1-41
0-46
50
17
Eintreffen gleichartiger Meteorite. 1441
Inhalt.
Seite
I. Meteoriten und Sternschnuppen 1407
II. Die vulkanische Theorie der Meteoritenbildung 1413
III. Die Falltage gleichartiger Meteoriten 1417
IV. Fallzeiten der Eukrite 1420
V. Fallzeiten der Howardite und nahestehenden Meteoriten • • . . 1427
VI. Falltage der Chondrite 1430
VII. Falltage der Meteoreisen -.1431
Vm. Übersicht 1431
Anmerkungen 1 bis 6 1432
96*
1443
Beitrag zur Kenntnis der Thoriumzerfalls-
produkte
von
Dr. F. V. Lerch.
Aus dem II. physikalischen Institute der k. k. Universität in Wien.
(Mit 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 10. Dezember 1907.)
In einer früheren Arbeit^ konnte ich zeigen, daß das Th-4
eine Strahlung aussendet, die zum größten Teile durchdrin-
gender wie die a-Partikeln des Th^B, respektive Th C und ab-
sorbierbarer wie die ß-Strahlung der letztgenannten Substanzen
ist. Es wurde die Absorption der Strahlen des Th^B und des
Th A+B durch verschiedene Aluminiumschirme gemessen
und aus den sich ergebenden Differenzen eine Strahlung
des Th^ nachgewiesen. Durch dünne Aluminiumfolien (zirka
2*1. 10^* cm) wird die Th5-Strahlung weniger absorbiert wie
die des Th A-hB, das ThA sendet also — falls man nicht eine
Stömng durch Sekundärstrahlen der absorbierten ß-Strahlen
des ThJB annimmt* — absorbierbarere Strahlen aus wie die
a-Partikeln desThS, respektive C Beim Bedecken mit dickeren
Aluminiumfiltem kehrt sich der Effekt um. Die Th5-Strahlung
wird mehr geschwächt wie die vom Th^-l-Ä Der größte Teil
der Th-4-Strahlen muß also durchdringender sein wie die
absorbierten a-Partikeln. Dann wurde noch die Absorbierbarkeit
außerhalb des lonisationsbereiches der a-Partikeln untersucht
und gezeigt, daß die Strahlen des Th-4 weniger durchdringend
sind wie die ß-Strahlen der folgenden Produkte.
1 Phys. Zeitschr., VII, 913 (1906).
2 Bei der Deutung der Versuche durch eine einheitliche Strahlung des Th>l
ist ein störender Druckfehler stehen geblieben. Auf Seite 915 soll es heißen:
Die durch Absorption der Strahlen des ThB (statt Thil) in dünnen Schichten
erzeugten
1444
F. V. Lerch,
•n5T57r^ tunv Qwabäranlav
IS cm, l
<^7n^
160 Volt
Mit der gleichen Versuchsanordnung (siehe nebenstehende
Figur) wurden einige weitere Messungen mit dickeren Alumi-
niumfiltern gemacht, über die im folgenden berichtet werden
soll Der zur Erde geleitete Drahtring R leitet die durch die
a-Strahlen im Raum CDEF erzeugten Ionen ab, im oberen
Meßraum ABCD ionisieren bloß die ß -Strahlen. Um genaue
Werte zu bekommen, würde ähnlich wie früher die Ionisation
bei bedecktem und freiem
Präparat mehrmals gemes-
sen und aus den Zahlen
die Absorption bestimmt.
Das ThB wurde auf einer
Ni-Scheibe durch Eintauchen
in eine Thoriuminduktions-
lösung ausgefällt und gleiche
Ni-Scheiben durch direktes
Aussetzen der Thoriumema-
nation mit Th-4-f--B aktiviert.
Die bei diesen Ver-
suchenverwendeten dickeren
Aluminiumfolien hatten die
Dicke zirka l-03-10-'nM.
In der Tabelle bedeuten die unter Th^-l-jB und Th£ mit-
geteilten Zahlen die durchgelassenen Prozente der Strahlung
beim Bedecken mit verschieden vielen Aluminiumfolien.
9San^
weitmaschig CS
jf^zurErdry
•> aküre- Sduubc
S'Scnv
Fig. 1.
AI l
AI 3
A14 ,
AI 8
AI 12
AI 16
AI 24
AI 32
AI 40
AI 48
AI 56
101-1
91*2
88-0
75-0
68-9
63-0
57-4
49-1
43-2
38-6
34*0
101-7
99-8
99-3
94-0
88-1
830
75-2
66-4
60-0
53-4
46-4
0-0134
0 • 0266
0-0293
0-0333
0-0346
O0370
0-0408
0-0403
0-0384
Beitrag zur Kenntnis der Thorium Zerfallsprodukte.
1445
Wie man aus den Zahlen sieht, wird durch Bedecken mit
einer l-OSAQ^^cm dicken Aluminiumfolie die durch die
ß-Strahlung des ThB erzeugte Ionisation vergrößert. Es ist
das sicher auf eine Sekundärstrahlung zurückzuführen. Die
durchdringenderen ß-Strahlen des ThB ionisieren im oberen
Gefäß, das die ß-Strahlung nicht vollständig ausnützt, nicht
tooo
^900
V800
noo
1600
VMtO
"^
■^
V
^
^
\
^.
"->
X
ThB
N
k.
^
4
*^
.. . . .^
"^
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e
"^
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Th
A*B
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^
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l J-
0 2
1 z
tt 3
2 U
a <t4
9 h
M H
» i
7 J
Fig. 2.
SO stark als die durch Absorption im Aluminiumfilter ent-
stehenden weicheren Sekundärstrahlen. Trägt man die Loga-
rithmen der durchgelassenen Strahlung auf ein Koordinaten-
papier auf, so erhält man zwei Gerade, die einander parallel
laufen (Fig. 2).
Hieraus lassen sich einige Schlüsse ziehen. Bezeichnet
man mit
M die vorhandene Menge ThA,
N
ThB,
A die Strahlung der Mengeneinheit Th-4,
B
ThB,
1446 F. V. Lerch,
M A
a die durch ein Filter hindurchgelassene Strahlung von Th A,
ß>>»» » > » ThS,
7 die durch ein Filter hindurchgelassene Strahlung von einem
Gemisch von ThA-hB^ so ist
_ 3L4g+A^gg _ mzoL-h?
'^^ MA-hXB "" mx-k-l
m, das Verhältnis der auf dem aktiven Blech vorhandenen
Menge Th^ zur Menge ThJ?, läßt sich nach der Rutherford-
schen Theorie aus der Expositionsdauer und der Abklingungs-
zeit berechnen. Wird y mit dem gleichen Filter für verschiedene
m bestimmt, so läßt sich aus den Zahlen x berechnen, denn es
ist ß, die Absorption für das abgetrennte ThJB, bekannt
Bei den eben mitgeteilten Versuchen waren die Bleche
durch längere Zeit der Thoremanation ausgesetzt und erst
längere Zeit nach ihrer Entnahme aus dem das aktivierende
Präparat enthaltenden Gefäß untersucht Die Menge Th-4 ver-
hält sich dann, wie sich leicht berechnen läßt, zur Menge Th B
wie ^ '^ m 9-52, denn es ist
\ = 1 -816. 10-*sec Xj = 1 -913. 10-*sec,
Jf = J^ e-^* die Menge Th^ zur Zeit /,
Jf = J^ - — ^— (e~^f—e-^f) die Menge ThÄ zur Zeit /, wenn
zur Zeit t =zO nur die Menge J^^ von Th>l vorhanden war,
-70- = —^T ^ TT w = — ;r— ^ fiir große Werte von /.
Absorptionsmessungen für verschiedene Verhältnisse w,
etwa Anstiegskurven für bedeckte und freie Strahlung kurz
induzierter Bleche, wurden nicht angestellt, da die Versuchs-
anordnung zu wenig empfindlich, respektive das induzierende
Radiothorpräparat zu schwach war.
Beitrag zur Kenntnis der Thoriumzerfallsprodukte. 1447
Aus Gleichung 1) findet man für x
ß— T
fH*f — ma
Da nun, wie die Versuche zeigen, die Th>l-Strahlen viel
leichter absorbierbar sind wie die ß-Strahlen des ThJ5, a also
kleiner ist wie y und ß, kann man in erster Annäherung das
Glied ma vernachlässigen und erhalten
ß— Y ß
X =: -^ und -^— = fHx-^ 1 = const
in Übereinstimmung mit den obigen Zahlen, die Logarithmen
der Absorptionen liegen auf parallelen Geraden. Wenn wir in
obiger Gleichung für x das Glied ma vernachlässigen, so wird
ß— Y
das aus der vereinfachten Gleichung x •=. — berechnete x
besonders für geringe Filterdicken zu klein ausfallen. Für
stärkere Filter, wo die Vernachlässigung ma eher erlaubt ist,
muß X konstant werden. Aus den Zahlen der letzten Kolumne
der Tabelle I sieht man, daß x von AI 32 an den Wert zirka
0-04 hat.
Unter den gegebenen Umständen ionisiert also die Strahlung
des Thi4 0*04 mal weniger als die ß-Strahlung einer gleichen
Menge ThÄ Da nun auf den Blechen, die längere Zeit induziert
sind, mehrere Stunden nach ihrer Entnahme aus dem Akti-
vierungsgefaß w = 9-52 ist — die Aktivität eines solchen
Bleches sinkt in 10*6 Stunden auf die Hälfte — so ist für
diesen Fall das Verhältnis der durch die ß-Strahlen des Th^
und ThB erzeugten Ionisation 0 '04. 9- 52 = 0-38. Die Th^-
0*38
Strahlen machen also — zirka 0'28 der ganzen ß-Ioni-
1 * oo
sation aus. Nach St. Meyer und v. Schweidler* ist durch
ß- und Y-Strahlen hervorgerufene Ionisation unter den gewöhn-
lichen Versuchsbedingungen zirka l'87o ^^^ Gesamtionisation,
1 St Meyer und E. R. v. S ch weidler, diese Sitzungsberichte, CXV,
Abt. IIa, Mai 1906.
1448 F. V. Lerch,
daher sind also 1'8.0'28 = 0*5Vo ^^r Gesamtstrahlung auf
das Th^ zurückzuführen.
Bei diesen und früher mitgeteilten* Versuchen wurde eine
große Reihe von Abklingungskurven bestimmt, aus denen sich
ein recht genauer Wert für die Halbierungskonstante berechnen
läßt. Für das auf Ni elektrolytisch niedergeschlagene Thß
findet man eine prinzipiell zu große Halbierungskonstante,
wenn etwas Th^ mitausgefällt wird, da dann ein Teil des
ThJ5 nach der HC des Th-4 abklingt Doch läßt sich dieser
Fehler leicht korrigieren, wenn man nach einer Zeit, in der
sich das spurenweis vorhandene Th^ schon mit dem IhB
ins Gleichgewicht gesetzt hat — etwa nach 24 Stunden —
die schwache Aktivität der Ni-Scheibe bestimmt und dann die
zu Beginn der Abklingung vorhandene Th-4-Menge ausrechnet.
Diese Korrektion wurde für 20 Kurven bestimmt und im Mittel
zu 0*75 Minuten gefunden. Es wird also beim Eintauchen von
Ni in eine salzsaure Induktionslösung durchschnittlich so viel
Th^ mitausgefällt, daß die HC um 0-75 Minuten zu groß
erscheint. Diese Zahl wurde von den übrigen HC abgezogen,
für welche die Korrektur nicht direkt bestimmt war.
Aus 50 Abklingungskurven, mit einem Elektroskop ge-
messen, ergab sich als mittlere Halbierungskonstante 60-66
Minuten, für 67 Abklingungskurven, mit dem Elektrometer
gemessen, als Mittel 60*37 Minuten. Die größten Einzelschwan-
kungen betrugen 58 und 62 Minuten, doch zeigten die mit dem
Elektrometer gemessenen Zahlen im allgemeinen geringere
Abweichungen vom Mittelwert wie die mit dem Elektroskop
bestimmten. Für die mit dem Elektrometer nach der Auf lade-
methode gefundenen HC mußte eine Korrektion wegen Isola-
tionsverlusten angebracht werden.
Schlechte Isolation, die bei schwachen Aktivitäten mehr
in Betracht kommt, läßt die HC zu klein erscheinen. Da meine
Bernsteinisolation gut war, betrug die Isolationskorrektur im
Mittel nur zirka 0 • 2 Minuten. Diese Größe wurde also durch-
schnittlich den mit dem Elektrometer gemessenen //"C zugezählt.
1 F. V. Lerch, diese Sitzungsberichte, CXIV, Abt. IIa, Marx 1903,
und 1. c.
Beitrag zur Kenntnis der ThoriumzerfaUsprodnkte. 1449
Als Mittel aller Versuche kann man 60*4 Minuten als HC
für ThJS nehmen, da die mit dem Elektrometer gefundenen
Werte etwas genauer sind. Der Fehler dürfte kleiner sein als
0-3 Minuten, X. = 1- 913. 10-* -^.
^ sec
Aus 12 Abklingungskurven für Thil erhielt ich, mit dem
Elektrometer gemessen, 10*594 Stunden und aus 10 mit einem
Elektroskop bestimmten 10*627 Stunden als Halbierungs-
konstante.
Rechnet man die mit dem Elektrometer gefundene Zahl
doppelwertig, so erhält man als HC für ThA 10*605 Stunden,
X- = 1*816. 10-*^ — .
* sec
Diese Konstanten sind in guter Übereinstimmung mit den
von mir in einer früheren Arbeit^ bestimmten: 1 Stunde, respek-
tive 10*6 Stunden. Letzterer Wert ist inzwischen von ver-
schiedenen Seiten gefunden worden.
Einige genau gemessene Abfallkurven lang induzierter
Bleche sollten zeigen, ob sich eine Restaktivität für die aktiven
Thoriumbeschläge nachweisen läßt. Das Fehlen beträchtlicher
Restaktivitäten ist von O. Hahn und anderen gefunden worden,
doch fehlen quantitative Angaben.
Ein durch 3V2 Monate mit Radiothor induziertes Ni-Blech
fiel mit der konstanten HC 10*6 Stunden bis auf den lO-'ten
Teil seiner Anfangsaktivität und eine durch I3V2 Monate mit
Thorium aktivierte Scheibe zeigte bis zum lO^'^ten Teil ihres
Anfangswertes regelmäßiges Abklingen. Dann ließ sich eine
lonisationsvermehrung im Versuchsgefäß nicht mehr mit Sicher-
heit nachweisen. Die großen Werte der Anfangsaktivität konnten
mit meiner Versuchsanordnung nicht bestimmt werden; sie
wurden aus den nach einigen Tagen gemessenen berechnet.
Eine untere Grenze für eine etwaige a-strahlende Restaktivität
läßt sich aus der Formel
7, = /eo(l-^-^0
angeben.
1 Diese Sitzungsberichte, CXIV, Abt. IIa, März 1905.
1450 F. V. Lerch, Beitrag zur Kenntnis der Thoriumxef&Jlsprodukte.
-=r^ war in einem Falle für i=:3^/^ Monate gleich 10~^,
oo
X berechnet sich zu 3.10~'
Jahre'
ein HC zu zirka 2 . 10* Jahre.
Falls also ein radioaktives Endprodukt existiert, so ist nur
ein äußerst stabiles möglich. Die Halbierungskonstante muß
gröfier sein als zirka 2* 10* Jahre.
Zusammenfassung der Resultate.
Mifit man mittels einer besonderen Versuchsanordnung,
welche die Ionisation durch a- Strahlen eliminiert, die Ab-
sorption der ß- Strahlen durch verschiedene Filter für elek-
trolytisch abgetrenntes ThB und ein Gemisch von ThA und
ThB, wie es auf Blechen, die auf gewöhnliche Weise aktivien
sind, vorhanden ist, so ergeben sich Unterschiede bis zu 20^ '^,
die auf eine Th>l-Strahlung zurückzuführen sind.
Die Th>l-Strahlung macht unter normalen Versuchsbedin-
gungen zirka 0*5^^^ der Gesamtstrahlung aus.
Die Halbierungskonstanten für ThA und ThB betragen
10*605 Stunden, respektive 60*4 Minuten.
)^= 1-816. 10-5— X, = l-913.10 ' ^
sec sec
Wenn eine a-strahlende Restaktivität vorhanden ist, so hat
sie eine HC> zirka 2. 10* Jahre.
1451
Kinematische Interpretation der Maxwell-
sehen Gleichungen mit Rücksieht auf das
Reziprozitätsprinzip der Geometrie
von
Lrucius Hanni in Wien.
(Vorgelegt in der Sitzung am 24. Oktober 1007.)
•
Interpretiert man die in den MaxwelFschen Gleichungen
für homogene isotrope Nichtleiter* auftretenden abhängigen
Veränderlichen nicht als die Komponenten der elektrischen und
der magnetischen Kraft, sondern als Geschwindigkeits- und
Drehungskomponenten, so hat das eine Gleichungssystem eine
leicht ersichtliche und bekannte kinematische Bedeutung, wenn
man es auf die Punkte eines Volumelementes anwendet. Wie
im folgenden gezeigt werden soll, läßt sich aber auch für das
zweite Gleichungssystem eine Interpretation angeben, die der
bekannten des ersten ganz analog ist. Diese Interpretation des
^ Es sind dies die beiden Gleichungssysteme
BL BZ BY
Aa =
'^ Bt By Bz
BX BM
^' Bi'Bz'
BN
By
BM BX BZ
'^ ^^ Bt Bz Bx
BY BN
II) >l6 == -
8/ Bx
BL
Bz
BN BY BX
BZ BL
BM
Au. — —
^ 8^ Bx By
Az —
Bi By
Bx'
zu denen noch die Gleichungen
BL 8A/ 8iV
Bx By Bz
BX BY BZ
Bx By Bz
= 0
hinzutreten (Hertz, Ges. Werke, II, p. 215). Der Kürze wegen werden I) und
II) im folgenden einfach als Maxwell'sche Gleichungen bezeichnet.
1452 L. Hanni,
zweiten Systems ist zugleich so beschaffen, daß sich dann
beide Gleichungssysteme zum Teil aus demselben System vor.
Formeln ergeben. Für das Folgende scheint es nun angezeigt,
von diesen Formeln auszugehen und sich nicht nur auf die
kinematische Interpretation des zweiten Systems der Maxweü-
schen Gleichungen zu beschränken, sondern beide Systeme in
gleicher Weise zu behandeln. Wenn dabei auch die Wieder-
holung einer Reihe von bekannten Formeln notwendig ist, so
hat dieser Weg doch den Vorteil, daß die Analogie zwischen
der kinematischen Bedeutung des einen und der des anderen
Systems mehr hervortritt. Außerdem sieht man dabei unmittel-
bar, wie entsprechend der zwischen Elektrizität und Magne-
tismus bestehenden Reziprozität auch bei der kinematischen
Interpretation der MaxweH'schen Gleichungen wieder eine
reziproke Verwandtschaft auftritt, die sich schon von solcher
Art erweist, daß sie sich leicht auf das Reziprozitätsprinzip der
Geometrie zurückführen läßt.
I.
Einen einfachen speziellen Fall der MaxweH'schen Glei-
chungen erhält man, wenn man von den Beziehungen ausgeht,
die zwischen den Richtungscosinus «ojßoiTo» ^»ßi^Ti» «j^^'T*
von drei aufeinander senkrechten Richtungen bestehen. Le^*
man ein rechtwinkliges Koordinatensystem zu Grunde, so sind
diese Beziehungen gegeben durch die Gleichungen
«0 = >w(ßiY2-Tiß2) «1 = w(ß2To-T2ßo) «2 = w(ßoTi— Toßi)
ßo = ^(TiOa— «1T2) ßi = w(T2ao— «2T0) ß2 = w(Toai-«oTi) 1'
To = w(aiß2— «2ßi) Ti^^Coaßo-ßaOo) Tt = ^(«oßi-ßo*i)'
wo m gleich + 1 oder — 1 ist, je nachdem das von diesen drei
Richtungen gebildete System von derselben Art wie das zu
Grunde gelegte Koordinatensystem ist oder nicht. Wir nehmen
nun an, es sei ein Bogenelement 85 eines Kreises vom Radiu>,5
gegeben und 6?p sei der zu 85 gehörige Zentriwinkel, so dal3
8s rz p8cp -
ist. Ferner wählen wir als Koordinatensystem ein Rechtssyste.'n
und verlegen seinen Anfangspunkt in den Mittelpunkt des
Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 1453
Kreises, zu dem das Bogenelement 85 gehört. Außerdem setzen
wir die positive Richtung von 8s und dementsprechend auch
den positiven Sinn von 8'^ als gegeben voraus, während die
positive Richtung von p die vom Mittelpunkte zum Bogen-
element hin sei; das von diesen drei aufeinander senkrechten
Richtungen gebildete System ist dann ein Linkssystem. Es
seien nun Oq, ß^, Yq die Richtungscosinus von 85, 04, ß^, y^ die
von p und Og, ßg, Y2 ^^^ von 8^; ferner seien hx, 8jv, 82 die Pro-
jektionen von 8s, x,y, z die von p und %^xy 8'f^, '^^z die von 8'^.
Aus 2) und dem ersten der drei Gleichungssysteme 1) ergibt
sich dann das Gleichungssystem
%x = zhffy — yttf^
hy = xi^fz—z^^x 3)
82 zizyZrfx — xhrfy
und aus 2) und dem dritten Gleichungssystem von 1)
1
8?:r = — (ßi82;— Yi8jv)
r
^y = — i^l^x—a^iz) 4)
r
Wendet man jetzt 3) und 4) auf unendlich kleine Lagen-
änderungen der Punkte eines Volumens an, so gelangt man
zu Gleichungssystemen, welche schon so beschaffen sind, daß
man von ihnen unmittelbar zu Gleichungen von derselben
Form wie die Maxwell'schen übergehen kann. Um aus 3) ein
solches Gleichungssystem zu erhalten, wenden wir dasselbe
auf die Punkte eines Volumens an, das sich um eine Achse
dreht. Verlegt man den Anfangspunkt des Koordinatensystems
in die Drehungsachse und ist p der Abstand eines Punktes
Xy y, z des Volumens vom Koordinatenanfangspunkt, 8?p der
Winkel, welchen p bei der Drehung des Volumens durchläuft,
so gelten nämlich für die Lagenänderungen 8s seiner Punkte
die Gleichungen 1) und 2) und somit auch 3). Da 8^^^, 89^, 8^;^
1454 L. Hanni,
von ;tr, jv, z unabhängig sind, so erhält man aus 3) durch partielle
Differentiation die beiden Gleichungssysteme
'^x "^ 8jv "" 8 z~ "^
88« 5. 88>' ^
8^ ^" 82
88;»: ^ 8825
"aT^^^^^ "8F = -^^^ '^
Umgekehrt gelangt man durch Integration dieser beiden
Gleichungssysteme wieder zu 3); denn die bei der Integration
auftretenden Konstanten fallen nach entsprechender Wahl des
Anfangspunktes des Koordinatensystems wieder weg. Somit
sind die Gleichungssysteme 5) und 6) dem Gleichungssystem o'
äquivalent. Faßt man nun in 6) je zwei in einer Zeile stehende
Gleichungen zusammen, so ergibt sich das bekannte Gleichungs-
'y'^'"' , 1/88. 88^ \
1 /88;ir 882: \
^?^ = tI-8^ 87-j
8,, = lfÄ-i^)
^" 2 \ 8;ir 8v /
Dasselbe kann wieder durch 6) ersetzt werden, falls
88^ __ 88_y
88;tr 882J
82 ^x
88jv _ 88;»:
ist. Daher sind auch die Gleichungssysteme 5), 7) und 8)
zusammen dem Systeme 3) äquivalent.
Um auch aus 4) ein den Gleichungen 7) analoges
Gleichungssystem zu erhalten, nehmen wir zunächst an, es
Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 1455
möge sich ein Volumen längs eines Bogenelementes ver-
schieben. Jedes von einem Punkte des Volumens dabei durch-
laufene Bogenelement ersetzen wir nun durch ein gleich langes,
gleich gerichtetes und nach derselben Seite hin konvexes
Bogenelement 65 eines Kreises, dessen Mittelpunkt der Schnitt-
punkt der Symmetrieebene von 85 mit einer zur Verschiebungs-
richtung parallelen, als gegeben vorausgesetzten, außerhalb des
Volumens gelegenen Geraden ist, und nehmen an, daß sich die
Punkte des Volumens längs dieser Bogenelemente 8s bewegen,
deren Länge für alle Punkte dieselbe ist, deren Krümmung aber
in der Richtung gegen die gegebene Gerade hin beständig
zunimmt. Eine solche Bewegung der Punkte eines Volumens
erhält man z. B., wenn seine Punkte frei bewegliche Massen-
punkte sind und dieses Volumen sich unter der Einwirkung
einer unendlich langen, mit Masse belegten Geraden parallel
zu dieser Geraden längs eines Bogenelementes verschiebt, falls
für die Massenanziehung das Newton sehe Gravitationsgesetz
gült. Ist insbesondere das Volumen sehr klein, so erhält man als
Grenzfall der hier angegebenen Lagenänderung seiner Punkte
wieder eine unendlich kleine Verschiebung des Volumens. Es
sei nun p der Radius des Kreises, auf dem sich ein Punkt x^y^ z
des Volumens verschiebt, und 8?p der zu 85 gehörige Zentri-
winkel. Für jeden Punkt des Volumens gelten dann die Glei-
chungen 1) und 2) und daher auch 4). Während aber bei der
Drehung eines Volumens um eine Achse 8^>r»8f^ 89« konstant
sind, sind jetzt ix^hy^Zz von Ar,j/,2 unabhängig und 8<p;c,89^8(p,
veränderlich. Da p als stetige Funktion von x,y^ z vorausgesetzt
ist und außerdem die Gleichungen
89* "^^y
ix "" dy
aus 4) das Gleichungssyste
82 p
8« "" p '
8?» _ ßi
ix p
^y Ti
ix ■" p '
8jV p
10)
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXVI. Bd., Abt. IIa. 97
1456 L. Hanni,
Umgekehrt ergibt sich aus 10), wenn die darin auf-
tretenden Differentialquotienten stetige Funktionen von x,\\:
sind, zusammen mit 9) wieder das Gleichungssystem 4), so
daß 9) und 10) dann den Gleichungen 4) äquivalent sind. Faßr
man in 10) je zwei in einer Zeile stehende Gleichungen zu-
sammen, so erhält man das Gleichungssystem
«1
p
—
1
2
p
—
1
2
P
—
1
2
dx
i:
8v /'
^X ÖJV
das wieder durch 10) ersetzt werden kann, falls
8?Ä ^^y
iy
8s
Ö2
8<Ps
Zx
8tp,.
8<P*
12,
= — — L^8
Bat 9jv
ist. Daher sind auch die Systeme 9), 1 1) und 12) zusammen
dem Gleichungssystem 4) äquivalent, wenn die in 10) auf-
tretenden Differentialquotienten stetige Funktionen von x,y,'
sind.
Geht man jetzt von den Systemen 7) und 11) zu kinema-
tischen Gleichungssystemen über, so erhält man schon
Gleichungen von ähnlicher Form wie die MaxwelFschen. Um 7
in ein solches Gleichungssystem zu verwandeln, nehmen wir
an, es drehe sich ein Volumen mit der Winkelgeschwindigkeit
~j- um eine Achse. Sind dann Vx, Vy, Vz die Geschwindigkeits-
komponenten eines Punktes x,y^z des Volumens und wählt
man als positive Richtung von Is die Bewegungsrichtung, so
folgt aus 7) das Gleichungssystem
Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 1457
iVy\
dt 2'\iy . iz J .
d^y 1 /ivx ivg
dffg _ 1 fivy dvx\
dt '^ 2\hx dy J'
13)
während 5) und 8) die Form annehmen
iVx iVy
8vj
hx '^ dy "^
Bz
8«v
8z
8vx
32 ~
8i/,
Ix
3ty _
8f«
0 14)
15)
%x dy
Betrachtet man in 13) / als Parameter, so daß Vx, ty, v^ nur
noch als von x^y, z abhängig erscheinen, so läßt sich nach dem
Vorhergehenden 13) in Verbindung mit 14) und 15) auf das
Gleichungssystem
dffy dffz
d(fx d(f
^z =y--f^ — ^
y
dt dt
zurückführen. Da man auch umgekehrt aus diesem Gleichungs-
system wieder die Gleichungen 13), 14) und 15) erhält, so sind
diese drei Gleichungssysteme dem System 16) äquivalent. Wie
man durch Vergleichung von 16) mit 3), 2) und 1) unmittelbar
sieht, ist daher 13) in dem Falle, wo auch die Gleichungen 14)
97*
1458 L. Hanni,
und 1 5) bestehen, einfach eine Übertragung der für die Bewegung
eines Punktes io einer Kurve geltenden Gleichung
auf die Punkte eines Volumens, das sich um eine Achse dreht.
Aus 11) ergibt sich ein dem System 13) analoges Gleichungs-
system, wenn man voraussetzt, daß sich bei der Verschiebung
der Punkte eines Volumens, wie sie bei der Aufstellung der
Gleichungen 11) angenommen wurde, sämtliche Punkte des-
selben mit derselben Geschwindigkeit w bewegen und die
Tangentialkomponente der Beschleunigung verschwinde. Zu-
folge der anfangs über den Sinn von p gemachten Festsetzung
erhält man dann für die Komponenten pc,x^ Pc.y, Pc,z der Zentri-
petalbeschleunigung pc eines Punktes die Ausdrücke
Pc,x= — «!> Pc,y = —pi, Pc,z = — Ti- 1''
P P P
^ o ^
Setzt man die Werte, welche sich für -^ , — , — aus
P ? 9
diesen Gleichungen ergeben, in 11) ein, so gelangt man zu
dem den Gleichungen 13) analogen Cleichungssystem
Pc,x —
2 \dz dy
^'•"■" 2 \3>' 2x
Ist umgekehrt ein Gleichungssystem von dieser Form
gegeben, so kann man dasselbe mit Hilfe von 17) auf ein
('•leichungssystem 11) zurückführen, indem man die Gleichun-
gen 17) ohne Rücksicht auf ihre kinematische Bedeutung
lediglich als Definitionsgleichungen von p ansieht und die in
den abhängigen Veränderlichen des so sich ergebenden
Gleichungssystems implizit auftretende Variable / als Parameter
betrachtet. Damit ein Gleichungssystem von der Form 18) aber
Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 1459
«
auch die bei seiner Einführung angegebene kinematische Be-
deutung habe, müssen außerdem nicht nur die Bedingungs-
gleichungen 9) und 12) bestehen und die Differentialquotienten
auf der rechten Seite von 18) stetige P'unktionen von x^y^ z sein,
sondern es müssen auch w^, Wy, n;^, die Komponenten von w,
von x^y^z unabhängig sein, so daß wieder umgekehrt in dem
aus 1 1) sich ergebenden Gleichungssyslem 4)
gesetzt werden kann. Da sich die Gleichungen 18) unter diesen
Bedingungen somit auf die Systeme 17) und 11) zurückführen
lassen, so k&nnen sie daher dann angesehen werden als Ober-
tragung der für die gleichförmige Bewegung eines Punktes in
einer Kurve geltenden Beziehung
Pc-=^
fV^
?
auf die Punkte eines Volumens, die sich in der bei der Ein-
führung von 1 1) angegebenen Weise verschieben».
Die Gleichungen 13) und 18) stimmen nun mit den Max-
weirschen Gleichungen zunächst bezüglich der darin auf-
tretenden Konstanten nicht überein. Dieser Unterschied ist
jedoch unwesentlich, da die Maxweirschen Gleichungen durch
eine einfache Transformation in die Gleichungen
dfx _ W8t^« 8«{y\ ^Vx __H^/8?> ^fz
if'^YV^ BT/ Tr~~2"\~8^ dy
TT'^Yvix dy~) "dT'^'^Vdy Tx~
übergehen. Für das Folgende können wir daher die Maxwell-
schen Gleichungen ß\s in dieser Form gegeben annehmen.
Ferner unterscheiden sich die Gleichungen 13) und 18)
von 19) dadurch, daß in 13) fx9fy,fz von Xfy,z unabhängig
sind^ und auch die auf der linken Seite von 19 2^) auftretenden
Differentialquotienten können im allgemeinen nicht mit den
1460 L. Hanni,
Funktionen p^,^, Pc,yyPc,z in 18) identifiziert werden. Interpretiert
man in 19) Vxy Vy, v^ als die Komponenten der Geschwindigkeit i
eines Punktes x, y\ z und -^ , -^^" , -^- als die Kom-
ponenten der Winkelgeschwindigkeit^ mit der sich ein Radius-
vektor dreht, dessen Endpunkt derselbe Punkt x^y^z ist, so
lassen sich jedoch die Gleichungen 19) auf 13) und 18) zurück-
führen, wenn man 19) nur auf die Punkte eines Volumelementes
anwendet. Aus dem gleichzeitigen Bestehen der beiden Glei-
chungssysteme 19) folgt nämlich, daß v»^ Vy, Vg^ ^x^ ^^ ^^ stetige
Funktionen der unabhängigen Veränderlichen x^y^ z und t sind
In einer genügend kleinen Umgebung eines Punktes x,}\z
kann man daher jede dieser sechs stetigen Funktionen durch
den Grenzwert ersetzen, dem sie sich hier nähert. Ersetzt man
nun in 19 a) ^x^ ?^ ?» durch diesen Grenzwert, so folgt daraus,
daß der Grenzwert von t^x, ?y, ?z für alle Punkte des betrachteten
Volumelementes derselbe ist, daß auch die Differentialquotienten
auf der linken Seite von 19 a) als Komponenten der Winkel-
geschwindigkeit für alle Punkte des betrachteten Volum-
elementes denselben Wert haben. Es geht also das Gleichungs-
system 19 a), wenn man es nur auf die Punkte eines Volum-
elementes anwendet, bei dieser Interpretation in das Gleichungs-
system 13) über.
Um 19^) auf ein Gleichungssystem 18) zurückzuführen,
und setzen
fi;2 3/"" p ' w^ 8/ "" ' p ' w« 3/ ~ p'
Das so sich ergebende Gleichungssystem hat dann schon
dieselbe Form wie 18), wenn man
setzt. Da wegen des gleichzeitigen Bestehens der beiden
Systeme 19) Vx, Vy, Vz stetige Funktionen von x^y^z sind, sc
Kinematische Interpretation der Muxweirschen Gleichungen. 1461
sind ferner die Differentialquotienten auf der linken Seite
von 192^) und somit auch die oben definierten Funktionen
— , — , — stetige Funktionen von x,yyZ. Endlich kann wegen
P P P
der Stetigkeit von v,, Vy, v^ jede dieser Funktionen innerhalb
einer genügend kleinen Umgebung eines Punktes durch den
Grenzwert ersetzt werden, dem sie sich hier nähert, so daß
dann in dem aus 19 b) hervorgehenden Gleichungssystem 4)
gesetzt werden kann. Beschränkt man sich auf die Punkte eines
Volumelementes, so haben daher die mit — ^ multiplizierten
Gleichungen 19^) auch dieselbe kinematische Bedeutung wie
18), falls noch die Bedingungsgleichungen 9) und 12) bestehen.
Endlich müssen wir noch untersuchen, welche Bedeutung
die Gleichungen 14) und 15), beziehungsweise 9) und 12)
haben, die bei der Einführung von 13) und 18) zu 13),
beziehungsweise 18) hinzugetreten sind. Von diesen Bedin-
gungsgleichungen ist 14) ein spezieller Fall der Gleichung
m
9) ein spezieller Fall von
die Gleichungen 15) und 12) aber eine Spezialisierung des
Systems 13), beziehungsweise 18). Die funktionentheoretische
Bedeutung dieser Spezialisierung der Maxweirschen Gleichun-
gen findet man in einfacher Weise, wenn man mittels der in
den Maxweirschen Gleichungen auftretenden reellen Funk-
tionen komplexe Funktionen bildet. Setzt man
i = z-^iy, 7] = x-^iz, C =y+ix, (i = V^)
und
1462 L. Hanni,
SO stellen nämlich die Gleichungen 14) und 15) die Bedingung
dar, daß v^ eine analytische Funktion von S, i;, eine analytische
Funktion von t], t;; eine analytische Funktion von C ist, faüs
man in v^ x und /, in t;,, y und /, in V; z und / als Para-
meter ansieht. Ebenso drücken die Gleichungen 9) und 12n
wenn man
setzt, die Bedingung aus, daß «p^ eine analytische Funktion von ;
mit den Parametern x und /, tp,, eine analytische Funktion von \
mit den Parametern y und U <Pc «in© analytische Funktion
von C mit den Parametern z und / sei.
Wie man jetzt unmittelbar sieht, kann man dann, wenn
die Bedingungsgleichungen 14), 15) und 9), 12) erfüllt sind, nich:
nur von den MaxweH'schen Gleichungen 19) zu Gleichungen
von der Form 3) und 4) übergehen, sondern man gelangt dann
auch umgekehrt, indem man von 3) und 4) ausgeht, wieder zu den
MaxwelFschen Gleichungen, falls man 3) und 4) auf die Punkte
eines Volumelementes anwendet und voraussetzt, daß sich :r.
den Systemen 13) und 18) <pr, f^ ^z, beziehungsweise Vxy t> *:
beim Übergang von einem Volumelement zum benachbarten
stetig ändern.
Dadurch, daß wir ausgehend von denselben geometrischen
Beziehungen beide Systeme der MaxwelKschen Gleichungen
nebeneinander einführten, gelangen wir, allerdings zunächst
nur unter beschränkenden Voraussetzungen, zu einer Lösung
des Problems, in welcher Beziehung die Reziprozität zwischen
Elektrizität und Magnetismus zum Reziprozitätsprinzip der
Geometrie stehe. Da die zwischen Elektrizität und Magnetismus
bestehende Reziprozität in den MaxweH'schen Gleichungen
schon vollständig zum Ausdruck kommt, ist dieses Problem
identisch mit dem folgenden : In welcher Beziehung steht die
durch die Maxwell'schen Gleichungen definierte Reziprozität
zu der in der Geometrie auftretenden. Um zur Lösung der s.^
formulierten Aufgabe zu gelangen, interpretieren wir in ^^'^^
Maxweirschen Gleichungen die abhängigen Veränderlichen
wieder in der bereits angegebenen Weise als Geschwindigkeits-
und Drehungskomponenten. Außerdem vereinfachen wir diese
Kinematische Interpretation der Maxweli'schen Gleichungen. 1463
Aufgabe noch dadurch, daß wir uns auf die Betrachtung eines
Volumelementes beschränken; wie bereits gezeigt wurde, gehen
dann die Maxweirschen Gleichungen in die Gleichungen 13)
und 18) über. Nach dieser Vereinfachung der Aufgabe reichen
jetzt in dem Falle, wo die Gleichungen 14), 15), 9) und 12)
bestehen, schon die bisher erhaltenen Resultate zu ihrer Lösung
aus. In diesem Falle können nämlich, wie schon bewiesen
wurde, 13) und 18) auf Systeme von der Form 3) und 4) zu-
rückgeführt werden, so daß jetzt an die Stelle der Maxweirschen
Gleichungen zwei Gleichungssysteme treten, die sich rein
geometrisch interpretieren lassen. Die beiden Systeme der
Maxweirschen Gleichungen können daher als reziproke
Systeme angesehen werden, wenn 3) und 4) zu einander rezi-
prok sind. Diese letzteren Gieichungssysteme besitzen nun
wirklich diese Eigenschaft; denn sie lassen sich unter Berück-
sichtigung von 2) auf das erste und dritte System von 1)
zurückführen und es können die Richtungskosinus von 8?p
als Ebenenkoordinaten und die von 85 als Punktkoordinaten
interpretiert werden. Wie man unmittelbar sieht, sind dann
das erste und dritte System von 1) reziproke Systeme.
Daß die in der hier angegebenen Weise auf die Punkte
eines Volumens angewandten Systeme 3) und 4) zueinander
reziprok sind, ergibt sich auch, wenn man die dadurch dar-
gestellten Lagenänderungen betrachtet. Es ist nämlich die bei
der Einführung von 11) angegebene unendlich kleine Ver-
schiebung der Punkte eines Volumens reziprok zu einer un-
endlich kleinen Drehung eines Volumens um eine Achse; denn
es entspricht bei diesen beiden infinitesimalen Lagenänderungen
dem durch Drehung einer Ebene entstehenden Ebenenbüschel
eine durch Bewegung eines Punktes entstehende Punktreihe
und umgekehrt.
In dem hier behandelten speziellen Falle der Maxwell-
schen Gleichungen gelangt man somit zum zweiten System
derselben, indem man von einem Gleichungssystem ausgeht,
das zu demjenigen reziprok ist, aus dem sich das erste System
ergibt, und es können daher auch die beiden Systeme der
Maxweirschen Gleichungen als zueinander reziprok angesehen
werden.
1464 L. Hanni,
II.
Nach der Erledigung dieses speziellen Falles läßt sich
jetzt auch dann, wenn 14), 15), 9) und 12) nicht mehr bestehen,
die zwischen Elektrizität und Magnetismus bestehende Rezi-
prozität zum Reziprozitätsprinzip der Geometrie in Beziehung
bringen, indem man die Maxwell'schen Gleichungen wieder
auf zwei Systeme zurückführt, die sich geometrisch inter-
pretieren lassen. Dazu ist notwendig und hinreichend, daß die
einzelnen partiellen Differentialquotienten von Vxy Vy, v^, ?x, ?,t^
ffz nach Xy y, z stetige Funktionen von Xy y, z sind. Wir setzen
nun voraus, daß diese Bedingung erfüllt sei. Außerdem inter-
pretieren wir wieder Vx, f^., v^ als Geschwindigkeitskomponenten
eines Punktes ar,jv,c und "TT"' TT"» ~^T" ^^^ ^^® Komponenten
et ot dt
der Winkelgeschwindigkeit, mit der sich ein Radiusvektor dreht,
dessen Endpunkt derselbe Punkt x^y^ z ist.
Um 19 a) auf ein Gleichungssystem zurückführen zu können,
das sich geometrisch interpretieren läßt, haben wir zunächst zu
berücksichtigen, daß dann, wenn die Differentialquotienten auf der
rechten Seite stetige Funktionen sind, nicht nur -—-, -^, -^»
et ot et
sondern auch die Summen
8j)^ __ _1_ / 3 V;- iVy
TT "^ T v^ "*■ TT
8/ 2\^z ix)
21i
stetige Funktionen von x.y^z sind. Entsprechend der Inter-
pretation von Vxj Vy, Vs als Geschwindigkeitskomponenten
können ^x, ^yy ^z als Winkel interpretiert werden. Durch
Einführung dieser Hilfswinkel gelangt man nun von 21) und
19 a) zum Gleichungssystem
Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 1 463
3t»s
^^x 8<p*
8/ dt
32 3/
8?«
dt
3i/,
3z
_ ^^y , ^9y
~ Zt Zt
3a: ~ dt
df,
dt
2Vy
3ar
~ 3/ ■*■ 8/
3^ ~ dt
8(p«
8/
irrh
Rliminfltinn vnr
3<It, 3<}»y 8<|is
flllC *
22)
3/ ' 3< ' 3< aus 22) wieder
das System 19 ä) ergibt und ^xf ^y, ^z einfach als durch die
Gleichungen 21) definierte Hilfsgröfien angesehen werden
können, so ist 22) dem System 19 a) äquivalent. Von 22)
kann man jetzt leicht zu einem den Gleichungen 3) analogen
Gleichungssystem gelangen^ wenn man sich auf die Betrach*
tung eines Volumelementes beschränkt. Da nämlich zufolge
unserer Voraussetzung ffx, fyj Tz, ^x, ^yy 'K stetige Funktionen
von x,y,z sind, so nähern sie sich innerhalb einer genügend
kleinen Umgebung eines Punktes x,y, z je einem bestimmten
Grenzwert. Wir ersetzen nun f jr, rp^ t«, ^x^ ^^ ^z durch diese
Grenzwerte und betrachten außerdem die Zeit als Parameter.
Bei einer unendlich kleinen Lagenänderung der Punkte des
betrachteten Volumelementes geht dann 22), wenn man an Stelle
der Geschwindigkeit den Weg 5s einführt, in das Gleichungs-
system
Hz _. . - 80-2 ^ , ^ rtov
^- = 8^y,.+87^. —- = Z^^^-ozy 23)
Über, in dem jetzt die Größen rechts vom Gleichheitszeichen
innerhalb des betrachteten Volumelementes von ;r, y^ z un-
abhängig sind. Endlich setzen wir vorläufig noch voraus, daß
an Stelle der Gleichungen von der Form 20 a) die spezielleren
Gleichungen von der Form 5) zum ersten System der Maxwell-
1466 L. Hanni.
sehen Gleichungen hinzutreten. In diesem Falle ergibt sich
aus 23) und 5) durch Integration das Gleichungssystem
Zz =:^(8^^+8<pjp)+^(84|y— 5(py),
falls der Einfachheit wegen die Integrationskonstante gleich
Null gesetzt wird. Umgekehrt erhält man durch Differentiation
dieses Gleichungssystems wieder die Gleichungen 23) und 5),
so daß 24) diesen beiden Gleichungssystemen äquivalent ist
Seine geometrische Bedeutung ist bekanntlich die. da& das
betrachtete Volumelement eine unendlich kleine Drehung um
eine Achse und eine unendlich kleine Deformation ohne Dilata-
tion erfährt.
In analoger Weise kann man auch Ift^) auf ein Gleichungs-
system zurückführen, das sich geometrisch interpretieren läßt,
indem man durch die Gleichungen
2 U^ ay/"" 8/
^/3^ 8,p\ 3uv
2 V3;r ^ aJ~ Sr ^""^
2 \3jj/ 3;r/ 2t
die Hilfsgrößen u^, Uy, Us einführt, die gemäß unserer Inter-
pretation von Vx, Vy, Vzy ^xy T^, ?« als Geschwindigkeiten ange-
sehen werden können. Aus 25) und 19 h) ergibt sich nun das
Gleichungssystem
8/ 8/ / 8>f "" n^ \8/ 8/ )
^x _ 1 (2vz 8«^\ 8^_ 1 (ivz iu^\
dy ^ fv^\ dt ht J Zx '~ w« \ 8/ 8/ r
Zz
—
1
ix
—
1
8«p*
1
Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 1467
.^,v . , , ditx ZUy hUz
das dem System 19 b) äquivalent ist, da — ^
dt ' 3/ ' dt
einfach als abkürzende Bezeichnung für die Summen auf der
linken Seite von 25) angesehen werden können. An Stelle der
Beschleunigungen auf der rechten Seite von 26) führen wir
jetzt die Funktionen p und r ein, indem wir
a)
1 8i;,
w* it
P'
1
h)
1 8«,
w« it
a
r '
1
ß.
P '
1 8t;, _ Ti
tv* it p
•
b
1 dUz c
r '
w^ dt '^ r
it
27)
8», - - -
it ~
setzen, wo a,, ßj, Yi. <», b, c Richtungscosinus sind; es geht
dann 26) über in das Gleichungssystem
dz ~^ r p
3_y r p
dx r ^
dz r ^
8<p^ c Ti
dy r p
dffy _ C ^ T,
8;r r p
28)
Außerdem setzen wir vorläufig noch voraus, daß statt der
Bedingungsgleichungen von der Form 20b) die spezielleren
Gleichungen von der Form 9) zum Gleichungssystem 28) hin-
zutreten. Aus 28) lind 9) erhält man dann das Gleichungs-
system
wenn man die Zeit als Parameter ansieht. Da sich aus 29)
wieder die Gleichungen 28) und 9) ergeben, so ist 29) diesen
beiden Gleichungssystemen äquivalent. Sollen endlich in 29)
schon in dem speziellen Falle, der im I. Teile behandelt wurde,
1468 L. Hanni,
8;r, 6jv, 82: als die den Geschwindigkeitskomponenten i/^, Vy, v^,
entsprechenden Lagenänderungen interpretiert werden können,
so müssen, wie im L Teil gezeigt wurde, auch diese Geschwin-
digkeitskomponenten von x,yyZ unabhängig sein. Es darf daher
29) nur auf die Punkte eines Voiumelementes angewendet
werden, so daß dann die stetigen Funktionen Vx, Vy^ v^ durch
ihren Grenzwert ersetzt werden können.
Daraus, daß sich die MaxwelFschen Gleichungen unter
den angegebenen Bedingungen auf die Systeme 24) und 29 1
zurückführen lassen, folgt wieder wie früher, daß dann die
Maxwell'schen Gleichungen als zwei zueinander reziproke
Systeme angesehen werden können, wenn 24) und 29) zu-
einander reziprok sind. Diese beiden Systeme besitzen nun
wirklich diese Eigenschaft. Um dies zu zeigen, setzen wir
zunächst in 24)
8ä = 8igjH-8s^,
wo
a) 8yj i=;r8(p,— 289^ b) ^y^ =zxi^g-h z^^jg 30}
825j ^=zyZtfx — xttfy Zz^ zzzy^^x-hxi^y
ist. In analoger Weise zerlegen wir auch 29) in die Gleichungs-
systeme
8tp?^ = --(Mir~-r,8^) htfT= — (biz-hciy)
a) 8!p;» = — (Yi8A:-a,82) b) Iti^f = — (clx-\-alz) 31'
r '
5 !pL" = — («jS^- ßiSar) 8 tp«' = — (a ly+bhx),
r
SO daß
89^=1 8q)i?>-f-8^pi«
8cp^ = 8cp;^^+8(pj?>
ist. Wie bereits im I. Teile gezeigt wurde, ist 30 a) reziprok
zu 31 a). Ebenso können aber auch die Systeme ZOb) und 31 b
)
32)
Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 1469
als reziprok angesehen werden; denn sie lassen sich auf die
beiden Gleichungen
und auf zwei Gleichungssysteme von der Form
cos Uq = cos &j cos Cg-fcos Cj cos b^
cos b^ rz cos Ci cos Äj+cos a^ cos c^
cos Cq =r cos öj cos feg -h cos b^ cos flg
cos Äg = cos b^ cos r^-i-cos Cq cos &j
cos feg = cos Cq cos Äj-f-cos Uq cos Cj
cos Tg = cos Uq cos fej -hcos feo cos öj
zurückführen und es können in ihnen die Richtungsco^inus
von 8(p und 8?p^*^ als Ebenenkoordinaten und die von 85 und
ts^ als Punktkoordinaten interpretiert werden. Somit sind dann
die beiden Systeme 32) und daher auch 30 fe) und 31 fe) zu-
einander reziprok. Infolgedessen besteht jedes der beiden
Systeme 24) und 29) aus der Summe von zwei Gleichungs-
systemen, zu denen im anderen System je eines reziprok ist,
und es sind auch 24) und 29) zueinander reziprok.
Durch die Zerlegung von 29) in die beiden Systeme 31)
findet man auch unmittelbar die kinematische Bedeutung des
dazu äquivalenten Gleichungssystems 19 fe). Wegen der bereits
vorausgesetzten Beschränkung von 29) auf die Punkte eines
Volumelementes hat nämlich 31 a) die schon angegebene
kinematische Bedeutung. Die von 31 fe) ergibt sich in analoger
Weise wie im I. Teil die Bedeutung des auf die Punkte eines Vo-
lumens angewandten Gleichungssystems 4), indem man berück-
sichtigt, daß sich 31 fe) auf Beziehungen von der Form 2) und 32)
zurückführen läßt und in den Gleichungen 29) Zx, 8jv, 82 von x,y, z
unabhängig sein sollen. Denn daraus folgt zunächst, daß 31 fe)
eine unendlich kleine Verschiebung der Punkte eines Volumens
längs Kreisbogen darstellt, deren Länge für alle Punkte dieselbe
ist und deren Krümmung dem Abstände eines sich verschie-
benden Punktes von einer gegebenen Geraden verkehrt pro-
portional ist. Die Richtungscosinus einer Ebene, in der ein
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1470 L. Hanni,
solcher durch Bewegung eines Punktes x, y^ z entstehender
Kreisbogen liegt, erhält man durch Vergleichung von 31 h) mit
dem System 30 i?), durch das eine unendlich kleine Deformation
ohne Dilatation dargestellt wird. Die Richtungscosinus einer
solchen Ebene sind nämlich dieselben wie die aus 30 1) für einen
Punkt mit denselben Koordinaten sich ergebenden Richtungs-
cosinus von 65g, so daß eine solche Ebene auf der durch \s^
bestimmten Richtung senkrecht steht. Aus der Bedeutung von
31 V) und aus 27 h) erhält man jetzt die von 25) in analoger Weise
wie im I. Teil aus 4) und 17) die des dort behandelten speziellen
Falles von 19^), falls die partiellen DifTerentialquotienten auf
der linken Seite von 25) den Bedingungen genügen, die zu 25)
hinzutreten, wenn man von ZW) zu 25) übergeht. Gleichzeitig
ergibt sich auch hier, daß wegen der Beziehung
die Geschwindigkeitskomponenten Ux, «y, fh von x, y, z unab-
hängig sein müssen. Da zufolge der Voraussetzung, daß die
partiellen DifTerentialquotienten von (fx) T^i ^z nach x^y^ z stetige
Funktionen von x^y, z sind, auch Mx, Uy, n^ stetige Funktionen
von x,y,z sind, so kann man dieser Bedingung dadurch genügen,
daß man 31 b) nur auf die Punkte eines Volumelementes an-
wendet und Ux, tiyy Hz durch ihren Grenzwert innerhalb des-
selben ersetzt. Es ist somit die früher gemachte Beschränkung
von 29) auf die Punkte eines Volumelementes nicht nur wegen
des speziellen Falles 31a), sondern auch wegen 31^) not-
wendig. Da sich aus der Bedeutung der beiden Systeme 31)
auch die von 29) ergibt, so ist jetzt auch die kinematische
Bedeutung des dazu äquivalenten Systems \9b) bekannt.
Aus der hier angegebenen kinematischen Bedeutung der
Maxweirschen Gleichungen erhält man auch die der im I. Teil
auftretenden einschränkenden Bedingungsgleichungen 15) und
12). Zufolge 15) und 12) ist nämlich in 21)
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und in 25)
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Kinematische Interpretation der Maxwell'schen Gleichungen. 147 1
daher fällt dann beim ersten System der Maxwell'schen
Gleichungen die durch reine Gestaltsänderung verursachte
Lagenänderung, beim zweiten System die zu dieser reinen
Gestaltsänderung reziproke Verschiebung der Punkte eines
Volumelementes weg.
Ebenso wie von den Gleichungen 3) und 4) kann man,
um die Maxwell'schen Gleichungen zu erhalten, auch von 24)
und 29) ausgehen. Wendet man nämlich 24) und 29) auf die
Punkte eines Volumelementes an und setzt man voraus, daß
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schwindigkeitskomponenten Uxf Uyy Uzi Vxi Vyj Vz innerhalb eines
Volumelementes von x, y^ z unabhängig sind, sich aber beim
Übergang von einem Volumelement zum benachbarten stetig
ändern, so gelangt man in analoger Weise wie im I. Teil zu den
MaxweU'schen Gleichungen und den Bedingungsgleichungen
5) und 9). Es ist daher die Voraussetzung, daß in den Maxwell-
schen Gleichungen die partiellen Differentialquotienten von
Vxy Vyy Vz, ^xi %^ ^z nach x, y, z stetige Funktionen von x, y, z
sind, in dem Falle, wo. die Gleichungen 14) und 9) bestehen,
nicht nur hinreichend, sondern auch notwendig dazu, daß sich
die Maxwell'schen Gleichungen auf die Gleichungen 24) und
29) zurückführen lassen.
Unter der Voraussetzung, daß die in den Maxwell'schen
Gleichungen auftretenden abhängigen Veränderlichen in der
angegebenen Weise als Geschwindigkeitskomponenten und
Projektionen von Winkeln interpretiert werden, läßt sich jetzt
auch der Fall, wo zu den Maxwell'schen Gleichungen anstatt
14) und 9) die Bedingungsgleichungen 20) hinzutreten, unmittel-
bar auf den hier behandelten zurückführen. Da Vx, Vy, v^ als
Geschwindigkeitskomponenten eines Punktes x, y, z definiert
sind, so kann man nämlich, wenn man sich auf die Betrachtung
von unendlich kleinen Lagenänderungen beschränkt, zunächst
20 a) durch die Gleichung
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ersetzen, vermöge der eine unendlich kleine Lagenänderung
der Punkte eines Volumelementes von der Art ist, daß keine
Sitzb. d. mathem.-naturw. Ki. ; CXVI. Bd., Abt. IIa. dS
1472 L. Hanni, Kinematische Interpretation etc.
Volumänderung auftritt. Es läßt sich nun eine unendlich kleine
Deformation in eindeutiger Weise in eine reine Volumänderung
und eine reine Gestaltsänderung zerlegen, wo die reine Volum-
änderung durch das Bestehen der Gleichungen
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definiert ist. Daher kann bei dieser Interpretation der Maxwell-
schen Gleichungen der Fall, wo die Bedingungsgleichung 20^)
zu 19 a) hinzutritt, immer auf den bereits in diesem Teil
behandelten zurückgeführt werden. Wegen der Symmetrie, die
zwischen \9a) und 19 b) besteht, folgt daraus, daß man ebenso
den Fall, wo 20 b) zu 19 b) hinzutritt, auf den zurückführen
kann, wo 20 b) durch die Gleichungen 9) ersetzt wird. Somit
lassen sich die Maxwellschen Gleichungen für homogene iso-
trope Nichtleiter in solcher Weise kinematisch interpretieren,
daß sie in zwei geometrische Gleichungssysteme übergeführt
werden können, die zu einander reziprok sind.
1473
Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der
Mineralquellen Tirols
(L Mitteilung)
von
Max Bamberger.
Aus dem Laboratorium für anorganische Chemie an der k. k. Technischen
Hochschule in Wien.
(Vorgelegt in der Siuung am 12. Dezember 1907.)
Die Anregung zu vorstehender Arbeit verdanke ich einer
Publikation C. Engler's/ in welcher derselbe einen sehr
bequemen Apparat zur Bestimmung der Radioaktivität von
Mineralquellen, den er Fontaktoskop ^ nennt und der sich
besonders gut als Reiseapparat benützen läßt, beschreibt.
Es wurde der größte Wert darauf gelegt, die Bestimmung
der Radioaktivität unmittelbar an der Quelle oder in möglichster
Nähe derselben vorzunehmen, was auch in den meisten Fällen
möglich war. Die in der nachfolgenden Tabelle verzeichneten
Zahlen geben den für einen Liter direkt beobachteten oder, falls
geringere Wassermengen genommen wurden, den auf einen
Liter umgerechneten Potentialabfall in Volt pro einer Stunde
abzüglich des Normalverlustes. Für die noch im Versuchs-
wasser enthaltene Emanation wurde die Korrektur berück-
sichtigt. Bei einigen stark radioaktiven Quellen wurde auch
die induzierte Aktivität in Abzug gebracht. Die Stärke der
Radioaktivität ist nach dem Vorschlage von Mache* in elektro-
statischen Einheiten angegeben.
Die folgenden Tabellen enthalten die Resultate, die bei
Untersuchung der Wässer der Quellen ermittelt wurden.
1 Sitzungsberichte des Naturwissenschaftlichen Vereines in Karlsruhe,
Bd. 19. — Cöthener Chemikerzeitung, 31 (1907), 811.— Zeitschrift für Anor-
ganische Chemie, 53 (1907), l.
2 Das von C. Engler und H. Sieveking konstruierte Fontaktoskop
wurde von der Firma Günther & Tegetmeyer in Braunschweig bezogen und
betrug die Kapazität der Elektroskope Nr. 2211 und 2220 13*4, beziehungs-
weise 13-9.
3 Monatshefte für Chemie, 26 (1905), 356.
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1482 M. Bamberger,
Zur näheren Beurteilung der in vorstehenden Tabellen
auf p. 1477, die Quelle zu Häring im Unterinntal betreffenden
Angaben stellt mir Herr A. Pfeffer, k. k. Bergrat im Acker-
bauministerium, nachstehende Daten über den ärarischen Braun-
kohlenbergbau Häring-Kirchbichl gütigst zur Verfügung.
Die Grubenwässer, welche sich in den Bauen des Braun-
kohlenwerkes Häring-Kirchbichl ansammeln, fließen vorwiegend
durch den tiefst gelegenen Stolleneinbau, den 2800 m langen
Erbstollen, zu Tage und ergießen sich bei der Ortschaft Kirch-
bichl in den Innfluß. Der übrige Teil fließt durch einen
kurzen Stolleneinbau (Ferdinandstollen) oberhalb der Ortschaft
Häring aus.
Die Menge der Erbstollenwässer variiert je nach der Inten-
sität und Dauer der atmosphärischen Niederschläge und je nach
der Jahreszeit; sie schwankt zwischen 0*3 und 3*0f»* pro
Minute. Nach Zeit und Umständen verschieden ist auch ihre
Temperatur; doch sind die Schwankungen nicht so augenfällig
und bloß mit dem Thermometer meßbar. Aber stets ist die
Wärme höher, als nach der Tiefenlage der Gebirgsschichten.
welche die Wässer durchsickern, geschlossen werden könnte.
Die Erwärmung der Grubenwässer ist auf Flözbrände
zurückzuleiten, welche in verschiedenen Partien des Gruben-
gebäudes sich im Laufe der Jahre eingenistet haben, die heute
noch bestehen und den Ausbau der restlichen Kohlenmittel
verhindern.
Diese Flözbrände fanden sich mit dem Fortschreiten des
Kohlenausbaues nach der Tiefe zu ein: der erste Brand brach
im östlichen Teile des höchst gelegenen Abbaufeldes, genannt
das »Franciscirevier« im Jahre 1836 aus, nachdem hier
schon durch mehr als 40 Jahre der Betrieb und damit die
Kohlenausbeute vor sich gegangen war.
Am 1. Mai 1873 geriet das westlich von Francisci gelegene
»Berggrüblrevier« in Brand und mußte geräumt werden,
was ohne besondere Verluste erfolgen konnte, da ja die Kohle
bis auf wenige Pfeiler ausgebaut war.
Am 28. Dezember 1892 entstand im Barbararevier, dessen
oberer Teil an Berggrübl grenzt, ein Brand, dem drei Wochen
Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 1483
Später ein katastrophal wirkender im tiefer gelegenen »Erb«
Stollenrevier« folgte.
Die Grubenwässer aus dem Franciscireviere übertrafen an
Wärme weitaus die Wässer des Berggrüblfeldes; die Tempe-
ratur betrug beim Austritte aus dem Brandfelde, d. i. bei den
siphonartigen Ausflußstellen in den Verdammungen 35 bis
40® C. Der Abfluß erfolgte seinerzeit teils durch den Francisci-
stollen zu Tage, teils durch die Grubenbaue, die an das Brand-
feld angrenzen.
Diese Wässer sind wegen ihrer Wärme von den breiten
Volksschichten bald zu Reinigungsbädern benützt worden. Das
Sammelbassin befand sich im 150 w langen Stollen knapp vor
der Dammauer an der Flözanfahrung und diente zugleich als
Badebassin. Als jedoch ganz gute Heilwirkungen auch wahr-
genommen wurden und infolgedessen die Frequenz des Bades
stieg, das sich nur zu bald als räumlich unzureichend erwies,
verlegte ein Unternehmer im Jahre 1877 das Bad aus dem
Stollen in eine eigens errichtete Bretterhütte vor dem Stollen-
eingange. Diese Hütte war in Kabinen geteilt und mit Bade-
wannen ausgestattet.
Doch auch diese Vorsorge genügte bei dem Zudrange von
Badebedürftigen bald nicht mehr. Der Unternehmer schritt
zehn Jahre später an die Errichtung eines netten, geräumigen
Badehotels mit zirka 20 Badewannen. Dieses Hotel ist in der
Ortschaft Häring erbaut und erhielt das Brandwasser mittels
eines Rohrstranges zugeleitet.
Bei dem erweiterten Badebetriebe reichte das Stollen-
wasser nicht mehr aus; es mußte auch das übrige Wasser, das
bisher aus dem Franciscibrandfelde in die tiefer liegenden
Grubenbaue gesickert ist, gesammelt, in Rohre gefaßt und dem
Badehotel zugeleitet werden.
Bis zum Ausbruch des Grubenbrandes im Erbstollenrevier
ging die Versorgung des Bades mit »Heilwasser« ohne weitere
Störungen vor sich. Während der mannigfaltigen Gewälti-
gungen, welche auch auf Arbeiten im Franciscistollen sich
erstreckten, litt jedoch die Rohrleitung vielfachen Schaden und
versagte schließlich ganz. Das Wasser ist fortan ausgeblieben;
es hat neue Wege durch entstandene Verbrüche des Hangend-
1484 M. Bamberger,
gesteines gefunden und fließt nun durch das Erbstollenrevier
auf den Erbstollenhorizont herab.
Die Wässer aus dem Berggrüblbrandfelde fließen zum
Teil durch den Ferdinandstollen zu Tage, zum Teil durch die
Grubenverhaue des Barbara- und Erbstollenreviers zum Erb-
stollenhorizont.
Die Stollenwässer haben eine durchschnittliche Temperatur
von 19 bis 20** C; sie werden mittels eines Rohrstranges dem
Hotel zum Badebetrieb als Ersatz für das Francisciwasser
zugeleitet.
Die Wässer des Barbara- und Erbstollenbrandfeldes fließen
ausnahmslos auf den Erbstollenhorizont.
Auf diesem tiefsten Horizont des alten Grubenfeldes findet
also die Vereinigung der Brandwässer aus den genannten
Revieren mit den sonstigen, in die Grubenbaue eindringenden
indifferenten Wässern statt. Von hier aus rinnen sie, wie
eingangs erwähnt ist, gemeinsam durch den ErbstoUen nach
Kirchbichl ab.
Diese Mischwässer besitzen beim Eintritt in den Erbstollen
immerhin noch eine Wärme von 30, 35, ja noch mehr Grad
Celsius.
Schließlich verdient noch bemerkt zu werden, daß diese
Mischwässer gleich beim Eintritt in den Erbstollen ein ge-
räumiges Bassin passieren, in welchem Grubenarbeiter Bäder
zu nehmen pflegten. Seit der Errichtung der obertägigen
bequemen Umkleide- und Badeanstalt für das Werkspersonal
am Tiefbauschacht in Häring wird der Badegelegenheit in der
Grube keine Beachtung mehr geschenkt.
Bestimmung der Radioaktivität einiger Quellsedimente.
Die Bestimmungen wurden mit Engler's für feste Stoffe
abgeänderten »Fontaktoskop« ausgeführt. Als Normalmenge
wurden je 125^ trockene Substanz verwendet.
Verlust in Volt
pro Stunde
Alt-Prags: Sediment von der Badequelle 7
Vetriolo: Levico-Ockererde (von der Schwach-
quelle) 41
Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 1485
Verlust in Volt
pro Stunde
Froy: Sediment von der Schwefelquelle^ . . . 224
> Sediment von der Eisenquelle^ 18
Über die geologischen Verhältnisse der näheren Um-
gebung des Bades Froy erhalte ich von Herrn Chefgeologen
Prof. A. Rosiwal die folgende Mitteilung:
Auf Grund der Aufnahmen der k. k. Geologischen Reichs-
anstalt, über welche die geologische Spezialkarte 1 : 75000 des
Kartenblattes Klausen von Bergrat F. Teller vorliegt, ist die
Situation des Bades Froy wie folgt zu skizzieren.
Das genannte Bad liegt in dem östlich vom Eisacktale
bei Klausen befindlichen Abschnitte des langen, ostwestHch
streichenden Zuges von Tonglimmerschiefern, der »Quarz-
phyllit- Gruppe« G. Stäche's,* welcher die Südflanke der
kristallinischen Zentralkette der Alpen in Tirol bildet, und von
der Mündung des Passeyrertales nach Ost quer über das
Eisacktal bei Brixen streichend, sich längs des Pustertales
bis Lienz verfolgen läßt.
Vom Eisacktal im Westen, vom Grödner- und Villnößtal
im Süden, beziehungsweise Norden begrenzt, erhebt sich der
Tschanberg zu Gipfelhöhen von 1913 und 2007 f», zwischen
deren Einsattelung das kleine Quertal beginnt und nach
Norden vorläuft, in welchem Bad Froy liegt.
Erst jenseits des Grödnertales im Süden liegt die nächste
geologische Formationsgrenze, indem die genannten Ton-
glimmerschiefer der Zentralkette unter der mächtigen Platte
der Bozener Quarzporphyrdecke verschwinden. Noch näher
gerückt tritt dieser Porphyrdeckenrand in der östlichen oro-
graphischen Fortsetzung des Tschanberges in der Gipfelregion
^ Der Schlamm von der Schwefelquelle ist rot, der von der Eisenquelle
braimgelb gefärbt. Beide Sedimente lösen sich sehr leicht in Salzsäure unter
Chlorentwicklung und unter Zurücklassung des beigemengten Phyllits zu einer
dunkelbraunen Flüssigkeit. (Die genannten Quellabsätze verdanke ich der Güte
des Herrn F. Ring! er, Direktors des Bades Froy, welcher dieselben am
26. November 1907 gesammelt hat.)
2 Paläozoische Gebiete der Ostalpen. Jahrb. d. k. k. Geolog. Reichsanst.,
1874.
1486 M. Bamberger,
der Raschötzer Berge auf, deren Nordgehänge (östlich von dem
zirka 2 km entfernten Flitzbachtale) in den oberen Teilen aus
Porphyr besteht, während am unteren Hange gegen das Vill-
nößtal noch die Tonglimmerschiefer freiliegen, bis sie, wie
V. Mojsisovics festgestellt hat, an der ostwestlich streichen-
den »Villnösser Bruchlinie« verschwinden.^ Längs dieser
markanten tektonischen Störungslinie ragen von Osten her
die Triaskalke und -dolomite des Peitlerkofels und der Kofler-
alpe vom Wurzenpaß bis in die Nähe von St Magdalena und
St. Johann, während von da ab die darunter liegenden Werfener
Schiefer und Beilerophonschichten und weiter westlich bis
Villnöß der Grödener Sandstein die unteren Hänge des Vill-
nösser Tales bilden. Dasselbe schneidet sich in seinem weiteren
Verlaufe zwischen Villnöß und St. Josef wieder in das Grund-
gebirge des Tonglimmerschiefers ein, in welchem es bis zu
seiner Ausmündung ins Eisacktal verbleibt. Im untersten Kilo-
meter des Tales, bei Gufidaun, wurden jene Gneise und Amphi-
bolite angeschnitten, welche der Quarzphyllitgruppe stellen-
weise eingelagert sind und anläßlich der geologischen Unter-
suchung des benachbarten Dioritgebietes von Klausen von
Teller und v. John^ näher beschrieben wurden. In der näherea
Umgebung des Bades Froy sind lokale Einlagerungen hom-
blendeführender Schiefergesteine (Amphibolite) nur von der
Ostseite des benachbarten Flitzbachtales bei St. Florian und
unweit davon im Südhang des Villnößtales oberhalb »Fuchs-
loch« bekannt.
Es ist nach dieser orographischen und geologischen Lage
fast mit Sicherheit anzunehmen, daß die Quellen von Bad Froy
ausschließlich aus dem Tonglimmerschiefer stammen, be-
ziehungsweise nur innerhalb dieses Formationsgliedes auf
Klüften und Spalten zirkulieren, welche den Nordhang des
Tschanberges durchsetzen.
1 Die Dolomitriffe von Südtirol. Holder, Wien 1879, p. U9, 121. Profile
p. 123, in welchen das generelle Südfallen der phyllitischen Schiefer des
Tschanberges verzeichnet erscheint.
9 Geolog.-petrogr. Beiträge zur Kenntnis der dioritischen Gesteine von
Klausen. Jahrb. d. k. k. Geolog. Reichsanst, 1882.
Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. 1487
Ein ganzes System von Längs- und Querbrüchen, be-
ziehungsweise Verwerfungen wurde in der Klausener Gegend
von Teller beobachtet und dürften sich manche derselben
auch in den geologisch einheitlichen Schichtenkomplex des
Tschanberges, der in der östlichen Streichungsfortsetzung liegt,
hinein fortsetzen, wie schon v. Mojsisovics vermutet hat.
Ober die petrographischen Komponenten des genannten
mächtigen Schieferkomplexes der »Quarzphyllitgruppe« sei
erwähnt, daß von Teller a. a. O. darauf hingewiesen wurde,
daß man es hier weniger mit Faltenbildungen verschieden-
alteriger Gesteine der Gneis- und Phyllitreihe zu tun habe,
sondern mit einer vielfach wiederholten, oft bankweisen
Wechsellagerung von Schiefern, welche einem raschen Wechsel
der Faziesverhältnisse ihren Ursprung verdanken.
»Feldspatreiche, dickbankige Muskovitgneise wechseln
wiederholt mit dünnschichtigen, durch talkigen und serizitischen
Glimmer ausgezeichneten Schiefergesteinen und echten Ton-
glimmerschiefern. In die letzteren schalten sich häufig jene
dunklen graphitischen Schieferlagen ein, die im Villnöß- und
Aferstal eine so große Verbreitung besitzen« (Teller, a. a. O.).
Erwähnt sei hiezu, daß der Befund an eingeschwemmtem
Detritus der Nachbargesteine im Ockerschlamme der Schwefel-
quelle ausnahmslos Fragmente von Tonglimmerschiefer ergab.
Sie gehören speziell einem normalen typischen grauen Phyllit
an, der häufig deutliche Clivage und jenen halbmetallischen
Glanz der Schieferungsflächen zeigt, welcher auf reichliche
mikrolithische Interpositionen von Rutit und Graphit zwischen
den Glimmermembranen zurückzuführen ist.
Wie aus der vorstehenden Tabelle hervorgeht, zeichnen
sich die Quellen des Bades Froy im Villnößtale durch hohe
Radioaktivität aus und sollen diese im kommenden Jahre
einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden, welch
letztere ich auch noch auf andere Heilquellen Tirols aus-
zudehnen beabsichtige.
Sitzb. d. mathem.-naturvv. Kl. ; CXVI. Bd., Abt. Ha. 99
1488 M. Bambergrer, Radioaktivitilt der MineialqMllen Tirols.
Die Angaben über die Temperatur der untersachten
Quellen wurden teilweise von den Quellenb«6ftzem nitgeteilt,
teilweise wurden sie von rmt selbst ermittelt
SchlieUkh ist es mir eine sehr angenelune Pflicht, den
Besitzern und Direktoren der verschiedenen Bäder- und Kur-
anstalten den verbindlichsten Dank für das überaus liebens-
würdige Entgegenkommen, das sie mir bei Ausführung dieser
Arbeit angedeihen ließen» auszusprechen.
1
Lokir E^ Em einfacher Zusammenhang «wischen Brechungsexponent, Zähigkeit
und Diohle bei Gasen.
Site. Ber. der Wiener Akad., II a. Abt., Bd. 116 (1907), p. 1281 — 128B.
Brechungsexponent, Zähigkeit und Dichte bei Gasen.
Lohr E., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. U6 (1907),
p. 1281—1288.
Zfthii^eit, Brechungsexponent und Dichte bei Gasen.
Lohr E., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1281—1288.
Hess V. F.» Analyse der Strahlung des Radiobleis.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1289-1320.
Radioblei, Analyse der Strahlung des — .
Hess V. F., !5it«. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1289—1320.
■
Leitinger R., Über die ^Ableitung des Gau0*schen Prinzips des kleinsten
Zwanges aus den allgeraeinsten Lagcange'scheii Gleichungen zweiter Art.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 1321-1336.
Ableitung des Gauß'scben Prinzips des kleinsten Zwanges aus den Lagrange-
sehen Gleichungen zweiter Art
Leitinger R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 1321—1336.
Prinzip des kleinsten Zwanges, Ableitung desselben aus den Lagrange'schen
Gleichungen zweiter Art.
Leitinger R., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907),
p. 1321—1336.
Mertens F., Ober die einfachen Einheiten des Bereichs (a, \/D ), wo a eine
primitive Binheitswurze! von Primzahlgrad und D eine negative Zahl
bezeichnen.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 1337—1342.
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Bewegte Systeme, zur Thermodynamik derselben.
Hasenöhrl F., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1391 — 1405.
Tschermak G., Über das Eintreffen gleichartiger Meteoriten.
Site. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1407 — 1441.
Meteoriten, Regelmäßigkeit des Eintreffens gleichartiger — .
Tschermak C, Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
aö07), p. 1407—1441.
Meteoriten, Bildung und Verteilung im Welträume.
Tschermak G., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1407—1441.
Vulkanische Theorie der Meteoritenbildung.
Tschermak C, Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1407—1441.
Sternschnuppen und Meteoriten.
Tschermak G., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt, Bd. 116
(1907), p. 1407—1441.
Lerch F., v., Beitrag zur Kenntnis der Thoriumzerfallsprodukte.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 1 16 (1907), p. 1443— 1450.
Thoriumzerfallsprodukte, Beitrag zur Kenntnis derselben.
Lerch F., v., Sitz. Ber. der Wiener Akad., Ha. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1443—1450.
Hanni L., Kinematische Interpretation der MaxwelFschen Gleichungen mit
Rücksicht auf das Reziprozitätsprinzip der Geometrie.
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907), p. 1451 - 1472.
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Maxwell'sche Gleichungen, Kinematische Interpretation derselben mit Rück-
sicht auf das Reziprozitätsprinzip der Geometrie.
Hanni L., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907),
p. 1451—1472
Reziprozitätsprinzip der Geometrie, Kinematische Interpretation der Maxwell-
schen Gleichungen mit Rücksicht auf das .
Hanni L., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116 (1907)»
p. 1451 — 1472.
Bamberger M., Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität der Mineralquellen
Tirols, (l. Mitteilung.)
Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116(1907), p. 1473—1488.
Mineralquellen Tirols, Beiträge zur Kenntnis der Radioaktivität derselben.
(I. Mitteilung.)
Bamberger M., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1473—1488.
Radioaktivität der Mineralquellen Tirols. (I. Mitteilung.)
Bamberger M., Sitz. Ber. der Wiener Akad., IIa. Abt., Bd. 116
(1907), p. 1473—1488.
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