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Full text of "Sitzungberichte"

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SITZUNGSBERICHTE 


DER 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN  KLASSE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


CXVI.  BAND.  ABTEILUNG  II  a. 


Jahrgang  1907.  —  Heft  I  bis  X. 


(MIT  19  TAFELN  UND  98  TEXTFIGUREN.) 


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WIEN,  1907. 

AUS  DER  KAISERLICH-KÖNIGLICHEN  HOF*  UND  STAATSDRUCK EPKl 


IN  KOHMISSION  BEI  ALFRED  HÖLDBR, 

K.  U.  K.  HOP-  UND  UNIVBKSITATSBUCHHAMDLBB, 
MICHHANDLn  OBR  KAItBKLICMBN  AKADBMIB  DBR  WlUBMSCHArTBl« 


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SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


HUNDERTSECHZEHNTER  BAND. 


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WIEN,  1907. 

AUS  DER  KAISERLICH-KÖNIGLICHEN  HOF-  UND  STAATSDRUCKEREL 


IN  KOMMISSION  BEI  ALPRED  HOLDER, 

K.  U.  IC.  HOP-  UND  UNIVKIISITATSBUCMHANOLBR, 
•UCHHANDLBK  DBR  KAISERLICHEN  AKADBMIB  DBR  WISSBNSCHAPTBN. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


MmEMATISCH-NATÜRWISSENSCHAFTLlCHEN  KLASSE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN, 


CXVI.  BAND.  ABTEILUNG  II  a. 


Jahrgang  1907.  —  Heft  l  bis  X. 


(MIT  19  TAFELN  UND  03  TEXTFIGUREN.) 


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WIEN,  1907. 

AUS  DER  KAISERUCH-KONIGLICHEN  HOP-  UND  STAATSDRUCK  ER  Kl 


IN  KOMMISSION  BEI  ALFRED  HOLDBR, 

K.  V.  K.  HOF-  UND  UNIVBKSITATSBUCHHANDLBB, 
mCNHANDUn  DBR  KAISBBLtCHBN  AKADEMIE  DBS  W IStBN SCMArrBM . 


171880 


•  • 


V 


INHALT. 


Seite 

Bamberger  M.,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Radioaktivität  der  Mineral- 
quellen Tirols.  (I.Mitteilung.)  [Preis :  50  h  —  50  pf] 1473 

Basch  A.  und  Leon  A.,  Über  rotierende  Scheiben  gleichen  Fliehkraft- 
widerstandes. (Mit  5  Textfiguren.)  [Preis:  1  K  25  h  —  1  M  25  pf]  .  1353 

Cantor  H^  Zur  Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit  nach  Pizeau  und 

akustische  Analogien.  (Mit  2  Textflguren.)  [Preis:  40  h  —  40  pf]  1001 

Carda  K.,  Beitrag  zur  Theorie  des  Pfaff 'sehen  Problems.  [Preis:  50  h  — 

50  pf] 1165 

Cermak  F.,  Der  Peltiereffekt  Eisen-Konstantan  zwischen  0  und  560"  C. 

(Mit  2  Textfiguren.)  [Preis:  45  h  —  45  pf] 657 

-  Der   Peltiereffekt  Nickel-Kupfer   zwischen   20  und  450"  C.   (Mit 

1  Textfigur.)  [Preis:  25  h  —  25  pf] 1135 

Daublebsky  v.  Stemeck  R.,  Über  die  Anzahl  inkongruenter  Werte,  die 

eine  ganze  Punktion  dritten  Grades  annimmt.  [Preis:  35  h  —  35  pf]    895 

Defant  A^  über  die  Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  bei  mit 
der  Höhe  variablen  Temperaturgradienten.  (Mit  3  Textfiguren.) 
[Preis:  65  h  —  65  pf] 1181 

Dintzl  E.,  Über  die  Legendre*schen  Symbole  für  quadratische  Reste  in 
einem  imaginären  quadratischen  Zahlkörper  mit  der  Klassen- 
anzahl 1 .  [Preis :  40  h  —  40  pf]     785 

Ehrenhaft  F.,  Über  eine  der  Brown'schen  Molekularbewegung  in  den 
Flüssigkeiten  gleichartige  Molekularbewegung  in  den  Gasen  und 
deren  molekularkinetischer  Erklärungsversuch.  [Preis:  40  h  — 
40  pf] 1139 

Ezner  F.  M.,  Grundziige  einer  Theorie  der  synoptischen  Luftdruck- 
veränderungen. (II.  Mitteilung.)  (Mit  3  Tafeln  und  3  Textfiguren.) 
[Preis:  1  K  25  h  —  1  M  25  pf] 819 

Exner  Fr.  und  Haschek  Ed.,  Über  die  Verschiebung  der  Spektrallinien. 

[Preis  :60  h  — 60  pf] 323 

Gid&ly  R^  Drei  Konstruktionen  der  Fläche  zweiter  Ordnung  aus  neun 

gegebenen  Punkten.  (Mit  4  Textfiguren.)  [Preis:  45  h  —  45  pf]  .    .1113 

Girtler  R.,  Ober  das  Potential  der  Spannungskräfte  in  elastischen  Körpern 
als  Mafi  der  Bruchgefahr.  (Mit  2  Tafeln  und  2  Textflguren.)  [Preis: 

2  K40h  — 2  M40pf]  .  509 

—  Zur  Rotation  von  Gasmolekülen.  [Preis:  40  h  —  40  pf] 759 

Hahn  H.,  Ober  die  nichtarchimedischen  Grö6en.systeme.  [Preis :  1  K  35  h 

1  M  35pf] 601 


VI 

Seite 
Hanni  L.,  Kinematische  Interpretation  der  Maxweirschen  Gleichungen  mit^ 
Rücksicht  auf  das  Reziprozitätsprinzip  der  Geometrie.  [Preis :  70  h 

—  70  pf] 1451 

Hasenöhrl  F.,  Zur  Thermodynamik  bewegter  Systeme.  [Preis :  50  h  — 

50  pf] 1391 

.Hess  V.  F.,  Über  das  Uran  X  und  die  Absorption  seiner  a-Strahlung. 

(Mit  8  Textfiguren.)  [Preis :  80  h  —  80  pf] 109 

—  Ober  die  Zerfallskonstante  von  \cA.  (Mit  1  Tafel  und  1  Textflgur.) 
[Preis :  65  h -r  65  pf ] 1121 

—  Analyse  der  Strahlung  des  Radiobleis.  (Mit  7  Textfiguren.)  [Preis : 

1  K  10  h  —  l  M  10  pf] 1289 

Hoöevar  F.,  Über  die  Bestimmung  der  quadratischen  Teiler  algebraischer 

Formen-  [Preis:  50  h  —  50  pf]      153 

Hof  bauer  G.»  Über  das  Vorkommen  der  seltenen  Erden  auf  der  Sonne. 

[Preis:  1  K  30  h  —  l  M  30  pf ] 267 

Hopfner  F.,  Untersuchung  über  die  Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne 
mit  Berücksichtigung  der  Absorption  der  Wärmestrahlen  durch  die 
atmosphärische  Luft  nach  dem  Lambert'schen  Gesetze.  I.  Mit- 
teilung: Analytische  Behandlung  des  Problems.  (Mit  1  Textfigur.) 

[Preis:  1  K  80  h—  1  M  80  pf] 167 

^aunumn  G.,  Strahlungen  in  starken  elektromagnetischen  Feldern.  [Preis: 

3  K  10  h  —  3  M  10  pf] 389 

Klingatsch  A.,  Die  Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  (Mit  1  Text- 
figur.) [Preis:  1  K  15  h  —  1  M  15  pf]       937 

KrSmäf  J.  und  Schneider  R.,  Absolute  Messungen  der  nächtlichen  Aus- 
strahlung in  Wien.  (Mit  1  Tafel.)  (Preis:  95  h  —  95  pf] 571 

KnippaE.,  Über  den  Pohlke'schen  Satz.  [Preis:  30  h  —  30  pf]    ....    931 
.'Lampa  A.,  Ober  eine  einfache  Anordnung  zur  Herstellung  eines  elektro- 
statischen Drehfeldes.  (Mit  2  Textfiguren.)  [Preis:  35  h  —  35  pf]    987 
^Lang  V.,  V.,  Versuche  im  elektrostatischen  Wechselfelde.  (Mit  1  Tafel.) 

[Preis:  50h— 50  pf) 975 

Jacher  E.,  Über  das  Ohm'sche  Gesetz  und  die  Elektronentheorie.  (Mit 

2  Textfiguren.)  [Preis:  45  h  —  45  pf| 49 

Leitinger  R.,  Über  die  Ableitung  des  Gauß'schen  Prinzips  des  kleinsten 

Zwanges    aus    den    allgemeinsten    Lagrange'schen    Gleichungen 
zweiter  Art.  [Preis:  50  h  —  50  pf] 1321 

Lerch  F.,  v.,   Beitrag   zur  Kenntnis   der  Thoriumzerfallsprodukte.  (Mit 

2  Textfiguren.)  [Preis:  40  h  -  40  pf] 1443 

Lichtenfels  O.,  v.,  Über  eine  Cubaturformel.  [Preis:  20  h  —  20  pf]    .    .1199 

Lohr  £.»  Ein   einfacher   Zusammenhang   zwischen   Brechungsexponent, 

Zähigkeit  und  Dichte  bei  Gasen.  [Preis:  30  h  —  30  pf] 1281 

'Mach  E.,  Die  Phasenverschiebung  durch  Reflexion  an  den  Jamin'schen 

Platten.  (Mit  1  Textfigur.)  [Preis :  25  h  —  25  pf ] 997 

Mache  H^  Grundzüge  zu  einer  Theorie  der  Explosionen.  (Mit  6  Text- 
figuren.) [Preis:  85  h  —  85  pf] 1081 


VII 


Seite 
Mache  H.  und  Tagger  J.»  Eine  einfache  Methode  cur  Bestimmting  der 
Wanneleitungskonstante   von  Flüssigkeiten.    (I.  Mitteilung.)  (Mit 

ITextflgur.)  [Preis:  35  h  —  35  pf] 1105 

Hertens  F.,  Ober  die  einfachen  Einheiten  des  Bereichs  (o,  V^),  wo  a 
eine  primitive  Einheitswurzel  von  Primzahlgrad  und  D  eine  negative 
Zahl  bezeichnen.  [Preis:  80  h  — 30  pf] 1337 

—  Ober  die  in  Bezug  auf  eine  Primzahl  des  Bereichs  der  Quadratwurzel 
aus  einer  negativen  Zahl  irreduktibeln  ganzen  Funktionen  einer 
Variablen.  [Preis:  30  h  —  30  pf] 1343 

Jfeyer  St.  und  Schweidler  E^  v^  Untersuchungen  über  radioaktive  Sub- 
stanzen. (Vin.  Mitteilung.)  Ober  ein  radioaktives  Produkt  aus  dem 
Aktinium.  (Mit  2  Textfiguren.)  [Preis  :40  h  — 40  pf] 315 

—  und  Schweidler  E.,  v.,  Untersuchungen  über  radioaktive  Sub« 
stanzen.  (X.  Mitteilung.)  Ober  die  Zerfallskonstante  von  Radium  D, 
[Preis:  60  h  —  50  pf] 701 

Meyer  W.  Fr^   Zur  Theorie  der  Drehungen  und  Quateroionen.  [Preis: 

50  h  —  50  pf] 135 

—  Zur  algebraischen  Behandlung  eines  v.  Staudf  sehen  Pundamental- 
satzes  der  Geometrie  der  Lage.  [Preis:  00  h  —  90  pf] 669 

Niessl  G.,  V.,  Bahnbestimmung  der  Meteore  vom  19.  J Anner  und  29.  Juni 

1905.  [Preis:  1  K  30h— 1  M  30  pf] 61 

Obermayer  A^  v.,  Gewitterbeobachtungen  und  GewitterhKuflgkeit  an 
einigen  meteorologischen  Beobachtungsstationen  der  Alpen,  ins- 
besondere an  Gipfelstationen.  (Mit  2  Textflguren.)  [Preis:  1  K  10  h 
—  1  M  10  pf] 723 

Oppolzer  E.  ▼.,  Ober  die  photographische  Lichtstärke  von  Femrohren. 

(Mit  1  Tafel.)  [Preis:  50  h  —  50  pf  ] 1151 

Pemter  J.  M.,  Zur  Theorie  der  »schOnsten  der  Haloerscheinungenc.  [Preis : 

90  h  — 90pf] 17 

P5ch  IL,  Nr.  X  der  Berichte  der  Phonogramm-Archivs-Kommission  der 
kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien.  Zweiter  Bericht 
über  meine  phonographischen  Aufnahmen  in  Neu-Guinea  (Britisch- 
Neu-Guinea  vom  7.  Oktober  1905  bis  zum  1.  Februar  1906).  (Mit 
1  Tafel  und  3  Textfiguren.)  [Preis:  80  h — 80  pf] 801 

Przibrain  K^  Büschel-  und  oszillierende  Spitzenentladung  in  Helium, 
Argon  und  anderen  Gasen.  (Mit  5  Textfiguren.)  [Preis :  50  h  — 
50  pf] 557 

Rziha  K.,  Änderung  des  Peltiereffektes  Ni-Cu  zwischen  20  und  800®  C. 

(Mit  3  Textfiguren.)  [Preis:  35  h  —  35  pf] 715 

Seheimpflug  Th^  Die  Herstellung  von  Karten  und  Plänen  auf  photo- 
graphischem Wege.  (Mit  6  Textfiguren.)  [Preis :  1 K  20  h  —  1 M  20  pf  ]    235 

Schweidler  E^  v.,  Studien  über  die  Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 

(Mit  7  Tafeln  und  0  Textfiguren.)  [Preis:  2  K  55  h  —  2  M  55  pf ]  1019 

Siegl  K^  Untersuchung  der  Kanalstrehlen  von  Sauerstoff.  [Preis :  30  h  — 

30  pf] 129 


VIII 


Seite 
Siegl  K»,  Über  das  Emissionsvermögen  von  Gesteinen,  Wasser  und  Eis. 

[Preis :  80  h  —  80  pf ] 1203 

Stücker  N.,  Über  die  Untersc^iedsempfindlichkeit  für  Tonhöhen  in  ver- 
schiedenen Tonregionen.  (Mit  i  Tafel.)  [Preis:  75  h  —  75  pf]    .    .    367 

—  Über  einige  physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide.  (Mit  1  Tafel 

.  und  2. Textfiguren.)  [Preis:  75  h  -  75  pf] 771 

—  Über  die  Lage  der  Knotenpunkte  in  einseitig  geschlossenen  Röhren. 
(Mit  2  Textfiguren.)  [Preis:  55  h  —  55  pf] 1231 

Szydlpwski  L.,  Über  die  Kältemischung  aus  kristallisiertem  Natriumsulfat 
und  konzentrierter  Salzsäure.  (Mit  3  Textfiguren.)  [Preis:  1  K  20  h 

—  1  M  20  pf] 855 

Tschermak  G.,  Über  das  Eintreffen  gleichartiger  Meteoriten.  [Preis:  1  K 

—  IM] 1407 

Wagner  R.,  Über  die  Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten 

und  dessen  Abhängigkeit  von  der  Spannung  aus  den  Temperatur- 
änderungen bei  der  Dehnung  von  Hartgummistäben.  (Mit  1  Text- 
figur.) [Preis:  65  h  -  65  pf] 905 

—  Über  die  Erwärmung  beim  Dehnen  eines  Jodsilberstabes.  [Preis: 

30  h  — 30pf]      925 

—  Die  Schallenergie  des  elektrischen  Funkens.  [Preis:  30  h  —  30  pf]  1013 
Waßmuth  A.,  Über  die  Bestimmung  der  thermischen  Änderung  des  Tor- 
sionsmoduls aus  den  Temperaturänderungen  bei  der  Torsion  von 
Stäben.  (Mit  1  Textfigur.)  [Preis;  70  h  —  70  pf ] 1245 

Weifl  E.,    Über  die  Sichtbarkeitsverhältnisse  des  Kometen   1905 IV  im 

Februar  und  März  1907.  [Preis:  50  h  -  50  pf] 3 

—  Über  die  Berechnung  einer  Ellipse  aus  zwei  Radien  und  dem  ein- 
geschlossenen Winkel.  [Preis :  70  h  —  70  pf| 345 

Wieleitner  H.,  Über  einige  Zusammenhänge  zwischen  speziellen  Quar- 

tiken.  (Mit  3  Textfiguren.)  [Preis:  65  h  —  65  pf] 1267 


SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTER 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXVI.  BAND.  L  HEFT. 


ABTEILUNG  II  a. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


3 


Über  die  Siehtbarkeitsverhältnisse 
des  Kometen  1905  IV  im  Februar 

und  März  1907 


von 


Prof.  Dr.  E.  Weiß, 
w.  M.  k.  Akad. 

(Vorg^elegt  in  der  Sitzung  am  10.  JInner  1907.) 

Unter  den  im  Jahre  1906  entdeckten  Kometen  beansprucht 
der  am  3.  März  von  Dr.  A.  Kopff  in  Heidelberg  aufgefundene 
in  mehrfacher  Beziehung  ein  bedeutenderes  Interesse.  Er  stand 
auf  einer  Platte,  die  behufs  Nachsuchens  nach  in  Verlust  ge- 
ratenen Asteroiden  aufgenommen  wurde,  also  nahe  in  Opposi- 
tion zur  Sonne,  und  ließ  durch  die  geringe  Größe  seiner 
Bewegung  sofort  erkennen,  daß  er  in  einer  für  diese  Gestirne 
ungewöhnlich  bedeutenden  Entfernung  von  Erde  und  Sonne 
entdeckt  worden  sei.  Infolge  der  langsamen  Bewegung  fielen 
auch  die  ersten  auf  Zwischenzeiten  von  wenigen  Tagen  ge- 
gründeten Bahnberechnungen  recht  unbefriedigend  aus;  als 
aber  der  Komet  einen  längeren  Bogen  durchlaufen  hatte,  er- 
gaben sich  sofort  zwei  interessante  Resultate.  Erstens,  daß 
seine  Periheldistanz  weitaus  größer  sei  als  die  aller  bisher 
bekannten  Kometen  mit  Ausnahme  von  dem  des  Jahres  1729 
(der  gewöhnlich  nach  seinem  Entdecker  der  von  Sarabat 
genannt  wird),  und  zweitens,  daß  sein  Periheldurchgang  bereits 
fünf  Monate  vor  seiner  Entdeckung  stattgefunden  habe,  wes- 
halb er,  einem  althergebrachten  Usus  folgend,  als  Komet  1905 IV 
bezeichnet  wird. 

Aus  der  Betrachtung  seiner  Bahnlage  erkannte  aber  außer- 
dem Dr.  M.  Ebell,  daß  der  Komet  nicht  nur  bereits  längere 
Zeit  vor  seiner  Entdeckung,  sondern  auch  schon  lange  vor 

1* 


4  E.Weiß, 

seiner  Perihelpassage  in  einer  Helligkeit  am  Himmel  gestanden 
haben  müsse,  die  dessen  Auffindung  ermöglicht  hätte.  Er  hatte 
nun  die  glückliche  Idee,  eine  Ephemeride  nach  rückwärts  bis 
zum  Anfange  des  Jahres  1905  zu  rechnen,  um  eine  genaue 
Revision  der  Platten  anzuregen,  die  während  dieser  Zeit  in 
den  betreffenden  Gegenden  aufgenommen  worden  waren.  Dies 
wurde  auch  von  einem  überraschenden  Erfolge  gekrönt,  indem 
Prof.  M.  Wolf  in  Heidelberg  den  Kometen  tatsächlich  auf  einer 
Platte  vom  14.  Jänner  1905  auffand.  Das  Gestirn  war  also 
schon  413  Tage  vor  seiner  Aufnahme  am  3.  März  1906  einmal 
photographiert  worden! 

Das  Auffinden  dieser  Beobachtung  läßt  es  nicht  als  aus- 
sichtslos erscheinen,  daß  der  Komet  bei  seiner  großen  Perihel- 
distanz  trotz  seiner  Lichtschwäche  im  kommenden  Februar 
nochmals  wird  gesehen  werden  können,  wo  er  vor  der  Anfang 
Mai  1907  bevorstehenden  nächsten  Opposition  mit  der  Sonne 
stationär  wird.  Zur  näheren  Untersuchung  der  dabei  ein- 
tretenden Sichtbarkeitsverhältnisse  und  Entfernungen  glaubte 
ich  aber  nicht  von  einem  der  bisher  bekannten  Elementen- 
systeme ausgehen  zu  sollen,  einerseits  weil  noch  bei  keinem 
derselben  die  erste  Beobachtung  vom  14.  Jänner  1905  und  der 
ganze  im  Jahre  1906  beobachtete  Bogen  in  die  Rechnung  ein- 
gezogen wurde,  andrerseits  weil  eine  so  kleine  Neigung  der 
Bahn  gegen  die  Ekliptik,  verbunden  mit  einem  geringen  Ab- 
stände der  Knotenlinie  von  der  Bahnachse,  erfahrungsmäßig 
häufig  ein  Anzeichen  einer  merkbaren  Abweichung  der  Bahn 
von  einer  Parabel  ist.  Ich  ließ  daher  zunächst  aus  dem  den 
weitesten  Bogen  umspannenden,  aus  Beobachtungen  vom  3. 
und  29.  März  und  24.  April  von  Ebell  abgeleiteten  Elementen- 
systeme: 

r=  1905  Okt.  18-6620  mittl.  Berliner  Zeit 
<ü=  158M2'  ir4  ] 
AZU  342    13    351  >  mittl.  Aeq.  1906-0 
i=      4    14    32-4] 
log?  =  0-522130 

drei  kurze  Ephemeridenstücke  berechnen,  um  mir  damit  aus 
den  bisher  veröfifentlichten  Beobachtungen  drei  nahezu  äqui- 


Bahn  des  Kometen  1905 IV. 


distante  Normalorte  bilden  zu  können.  Diese  Ephemeriden- 
stücke  sind  die  folgenden,  welche  für  0^  mittlere  Berliner  Zeit 
gelten. 


Scheinbare 

Log.  der  Entfernung 

Aberra- 
tions- 
zeit 

1006 

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Dekl. 

von 
Sonne 

von  Erde 

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55323 

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0-55251 

29 

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Mit  dieser  Ephemeride   verglich   ich  die  nachstehenden 
Beobachtungen: 


E.  Weiß, 


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CD 

CD 

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00 

CO 

CO 

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CD 

CD 

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04 

04 

04 

04 

04 

04 

04 

04 

04 

04 

04 

04 

CO 

CO 

o» 

1 

'S 

Bahn  des  Kometen  1905 IV. 


9 


Bei  der  Entdeckungsbeobachtung  vom  3.  März  1906  in 
Heidelberg  ist  nicht  der  scheinbare,  sondern  mittlere  Ort  für 
1906*0  angegeben. 

Unter  den  Beobachtungen  zwischen  4.  und  8.  März 
kommen  einige  vor,  wie  die  vom  4.  und  5.  März  in  Heidel- 
berg, die  vom  4.  in  Straßburg  u.  s.  w.,  wo  die  Deklination 
bloß  in  ganzen  Sekunden  ohne  Zehnteile  derselben  angegeben 
ist.  Dies  rührt  daher,  daß  bisher  erst  die  telegraphisch  mit- 
geteilten, auf  Bogensekunden  abgerundeten  Positionen  bekannt 
geworden  sind. 

Wurden  an  einem  Orte  (in  kurzen,  1  bis  P/a  Stunden 
nicht  übersteigenden  Intervallen)  von  ein  und  demselben  Beob- 
achter mehrere  Positionen  genommen,  so  wurden  sie  in  eine 
zusammengezogen.  Dies  ist  der  Fall  bei  den  Beobachtungen 
von  März  5  in  Rom,  von  März  5  und  6  in  Lyon  und  von 
April  12,  13,  15  und  16  in  Königsberg.  Hingegen  wurden  die 
Maibeobachtungen  in  Algier,  die  von  zwei  verschiedenen  Beob- 
achtern herrühren,  gesondert  aufgeführt  und  gesondert  mit  der 
Ephemeride  verglichen. 

Bei  den  Beobachtungen  in  Straßburg  sind  mit  Ausnahme 
der  ersten  vom  4.  März,  für  die  ich  die  parallaktischen  Faktoren 
berechnet  habe,  die  Parallaxen  selbst  mitgeteilt.  Ich  habe  sie 
beibehalten  (und  zur  Unterscheidung  in  Klammern  beigesetzt), 
obwohl  dieselben  mit  einer  zu  geringen  Distanz  des  Kometen 
von  der  Erde  angesetzt  zu  sein  scheinen,  weil  dies  für  die  vor- 
liegende Untersuchung  ohne  Bedeutung  ist. 

Die  Vergleichung  der  Beobachtungen  mit  der  Ephemeride 
ergab  im  Sinne  Beob. — Rechn.  folgende  Abweichungen: 


MitU.  Berl.  Zeit 

Beobachtungsort 

Aa 

AS 

März     3-58 

Heidelberg 

1»22 

2U 

4-42 

» 

—0-91 

—  8-8 

4-43 

Straflburg 

0-91 

—  0-7 

4-53 

Bamberg 

—0-71 

-h  0-1 

4-68 

Jena 

—  1-44 

5-7 

10 


E.  Weifl, 


MitÜ.  Berl.  Zeit 


Beobachtungsort 


Aa 


Ad 


März 


5-38 
5-38 


5 
5 
5 
5 
5 
5 
5 
6 
6 
6 
6 
6 
6 
6 
6 
6 
7 
7 
7 
7 
7 
7 

April  11 
11 
12 
12 
12 
13 
14 
15 
15 


38 
40 
42 
44 
49 
69 
80 
36 
42 
46 
49 
49 
67 
68 
72 
78 
38 
46 
46 
53 
60 
76 

36 
38 
36 
36 
41 
34 
39 
34 
34 


Nizza 

Rom 

Wien 

Heidelberg 

Arcetri 

Straßburg 

München 

Lyon 

Mt.  Hamilton 

Rom 

Arcetri 

Straßburg 

Utrecht 

Nizza 

Arcetri 

Lyon 

Washington 

Mt.  Hamilton 

Rom 

Straßburg 

Nizza 

Wien 

Lyon 

Mt.  Hamilton 

Arcetri 
München 

Arcetri 

Königsberg 

Straßburg 

Königsberg 

Arcetri 
Königsberg 

Arcetri 


—  1904 

—  3- 

0- 

87 

3- 

— 0- 

86 

—  2- 

-0' 

94 

—  7- 

— 0- 

56 

—  2- 

0- 

85 

—  1- 

— 0" 

82 

—  6- 

—0 

43 

—  r 

— 0" 

•97 

—  0- 

—0' 

60 

—  3- 

— 0" 

73 

—  2- 

0- 

96 

—  2- 

— 1- 

30 

-*-  2- 

— 0- 

81 

—  2- 

— 0" 

'71 

-4-  0- 

-0- 

'46 

2- 

—0 

85 

—  10- 

— 0- 

90 

—  r 

0' 

68 

3 

—0 

78 

—  g- 

1" 

15 

—  3- 

— 0- 

67 

—  2- 

—0" 

•92 

—  2- 

0 

•92 

—  r 

-hO- 

52 

—  6- 

H-0 

29 

5- 

-f-0 

'41 

—  5- 

4-0- 

62 

9- 

-+-0' 

40 

—  4- 

-4-0" 

61 

—10- 

-hO" 

•38 

—  6- 

-f-0 

•47 

—  8- 

-+-0 

53 

—  6- 

1 

4 
5 
8 
3 
5 
4 
6 
9 
4 
6 
8 
3 
1 
4 
6 
9 
6 
6 
9 
0 
7 
7 
9 

0 
9 
4 
0 
0 
3 
5 
9 
4 


Bahn  des  Kometen  1905 IV. 


11 


MittL  Berl.  Zeit 

Beobachtungsort 

Aa 

Aa 

April    18-37 

Arcetri 

-h0f49 

—  6' 

'9 

16-40 

Königsberg 

4-0 

28 

—  9" 

•0 

Mai      23*39 

Algier 

—2 

84 

-M2 

•7 

23-40 

» 

—2 

86 

-t-l3 

•1 

23-39 

Arcetri 

—2 

•50 

-hU 

■2 

23-42 

Straßburg 

2 

■58 

H-10 

•8 

23-43 

Heidelberg 

—2 

•58 

-+-15 

•1 

25-40 

Arcetri 

2 

55 

-+-11 

'2 

26-39 

Algier 

—2 

•95 

-♦-14 

•8 

26-42 

» 

—3 

24 

H-15 

•1 

28-39 

Arcetri 

—3 

■13 

-4-  7- 

5 

28-40 

Algier 

-3 

•41 

-hl6 

•4 

28-43 

— 3- 

69 

-hl7 

•5 

29-37 

—3 

•38 

-4-17 

•3 

29-40 

—3 

72 

-+-18 

5 

30-42 

—3 

39 

-M8' 

•4 

30-43 

3' 

65 

-4-17- 

6 

Für  die  drei  Gruppen  resultiert  daraus  als  arithmetisches 
Mittel  der  Beobachtungszeiten  und  Abweichungen  in  AR  und 
Dekl. 


März  604 
April  13-73 
Mai     26-67 


Aa  =  — 0'86 
+0-45 
—3  07 


A8  =  -  3'0  (29  Beob.) 
—  7-1  (11  »  ) 
+  14-5     (15      .    ) 


Die  Ausmessung  der  Platte  vom  14.  Jänner  1005  ergab 
für  die  Position  des  Kometen,  bezogen  auf  das  mittlere  Äqui- 
noktium 1905  0, 


1905    Jänner  14     15"  5»  42*  mittl.  Heidelberger  Zeit: 


a  =  5''12»12»88 


9-641 


+28"  10'  44'9 


0-723 


Die  Reduktion  auf  19060  beträgt:  +3*78  und  +4'  1. 


12 


E.  Weiß, 


Um  diesen  Ort  von  Aberration  und  Parallaxe  zu  befreien, 
rechnete  ich  ebenfalls  aus  den  Elementen  von  Ebell  die  geo- 
zentrische Distanz  des  Kometen  für  Jänner  14 '5  und  fand 
log  p  =  0  •  52559. 

Läßt  man  die  oben  mitgeteilten  Differenzen  für  den  nächst- 
liegenden Mittag  gelten  und  fügt  man  den  Ort  für  1905  Jänner  14 
bei,  so  erhält  man  als  Grundlagen  für  die  weiteren  Rechnungen 
die  folgenden  vier  auf  1906*0  bezogenen  Orte: 


1905  Jänner  14*6226  mittl.  Berl.  Zeit     a 

1906  März  6*0 
April  14-0 
Mai      27-0 


5hl2»al6?79 
11  34  55-65 
11  21  4-35 
11  26   39-77 


d  = 


+28*  10' 50- 4 

1  42  57-2 

2  28  57-1 
1  29  53-5 


oder  in  Länge  und  Breite  umgesetzt  mit  Beifügen  der  Sonnen- 
koordinaten: 


Mittl.  Berl.  Zeit 

1905  Jänner  14 -6226 

1906  März  6*0 
April  14-0 
Mai     27-0 


79**27'28'8 
173  34     0-6 

170  4  55-2 

171  45     9-3 


ß  L  log  i? 

-♦-5**  9'53'4  294*'18'ir6  9-992847 

— 0  54  51-4  344  59     81  9-996667 

— 1  34  25-9  23  35  22-0  0*001425 

—  1  55  47-6  65  14     96  0-005797 


Ich  legte  nun  zunächst  durch  die  beiden  Orte  1906  März 
6'0  und  Mai  27*0  mit  dem  aus  der  Ephemeride  folgenden: 

logMzi:  log /"—]=!:  0-130789  und  einem    um  200  Einheiten 

der  6.  Dezimale  verminderten  Werte  die  beiden  Parabeln: 

I  II 


logM 

0-130789 

0- 130589 

ri905 

Okt.  17-5580 

Okt.  17-2173 

CD 

158"  27'  56 '2 

158°  23'    9'2 

Si. 

342    15    57*9 

342    16      5-9 

m 

t 

4    15    43-9 

4    15    49-2 

log? 

0-522312 

0-522762 

Die  Vergleichung  der  Beobachtungen  vom  14.  Jänner  1905 
und  14.  April  1906  mit  Parabel  II  und  die  der  beiden  Parabeln 
untereinander  führte  zu  folgendem  Resultate: 


Bahn  des  Kometen  1905 IV. 


13 


Beob.— Par.  11 


d\ 


1905  Jänner  14     +14'  52-6 

1906  April     14     +  0    58-7 


-14'8 
-  7-7 


Par.  I— Par.  II 

10'  33'3     +0'9 
1    23-7     4-5-2 


Der  Anblick  dieser  Zahlen  läßt  sofort  erkennen,  daß  durch 
eine  Variation  von  M  eine  entsprechende  Darstellung  nicht 
erreichbar  sei.  Der  Versuch,  durch  Einführen  einer  Ellipse  die 
Fehler  herabzumindern,  führte  ebenfalls  zu  keinem  befriedi- 
genden Ergebnisse;  ich  ermittelte  daher  aus  den  obigen  Daten 
den  wahrscheinlichsten  Wert  von  log  M  für  1905  Jänner  14 
und  1906  Mai  27  und  erhielt  damit  folgende  Bahn: 


T=  1905  Okt.  18-0347 
«0=:  158*^39'  57-3—   1'2  (/ 
ßz=342    17    11-4+51-4  (/ 
1=      4    16      9-34-  0-4  (i- 
\ogq  =  0'  523566 


1606-0) 
1906  0) 
1906-0) 


Dieses  Elementensystem  läßt  in  den  vier  Orten  wieder  im 
Sinne  Beob. — Rechn.  folgende  Fehler  zurück,  denen  ich  auch 
die  Entfernungen  des  Gestirnes  von  Sonne  (r)  und  Erde  (p) 
beigesetzt  habe. 


Datum 

AX 

Aß 

logr 

logp 

1903  Jänner  14-6226 

+2'6 

+0'3 

0-623116 

0-525858 

1906  März      60 

-5-3 

2-1 

0-554234 

0-414753 

April     14-0 

+3-0 

-0-5 

0-571492 

0-454915 

Mai       27-0 

+  1-9 

-0-1 

0-593042 

0-544993 

Die  Wiedergabe  der  beiden  äußersten  Orte  ist  zwar  nicht 
besonders  befriedigend,  aber  in  Anbetracht  der  obwaltenden 
Verhältnisse  bei  einer  sechsstelligen  Rechnung  immerhin  er- 
träglich. Jedenfalls  aber  erhellt  aus  der  geringen  Größe  aller 
Abweichungen,  daß  die  Bahn  von  einer  Parabel  nicht  merkbar 
abweicht  und  die  Elemente  der  Wahrheit  schon  sehr  nahe 
kommen. 


14 


E.  Wcifl, 


Aus  diesen  Elementen  erhält  man  zur  Berechnung  der 
rechtwinkligen  heliozentrischen  Koordinaten  die  folgenden,  auf 
das  mittlere  Äquinoktium  1907*0  sich  beziehenden  Relationen: 


a;  =  9-999872  r  sin  (1;+ 23 r  0'41-2) 
y  =  Q' 947876  r  sin  (v-h  140  20  10*2) 
z  =  9^ 665076  r  sin  (y-h  143    29    56-8) 

Eine  damit  gerechnete,  für  Berliner  Mitternacht  geltende 
Ephemeride,  welche  mittlere  Orte  für  1907*0  gibt,  lautet: 


1907 

a 

a 

logr 

logp 

Febr.  13-5 

14h   59in 

7» 

20** 

48»0 

0-73669 

0-72136 

21-5 

15 

0 

28 

21 

1-0 

0-74081 

0-71517 

März     1  •  5 

0 

59 

10-4 

0-74490 

0-70924 

9-6 

15 

0 

42 

. 

16-4 

0-74896 

0-70378 

17-5 

14 

59 

38 

19-0 

0-75299 

0-69901 

25-5 

57 

40 

18-0 

0-75600 

0-69517 

April     2 • 5 

14 

55 

25 

—21 

13-7 

0-76097 

0-69251 

Nimmt  man  an,  daß  die  Helligkeit  des  Kometen  dem  Aus- 
drucke -g—^  proportional  sich  verändere,  was  bei  der  großen 

r 

Periheldistanz  desselben  sehr  nahe  zutreffen  dürfte,  so  können 
zur  Beurteilung  seiner  Lichtstärke  die  nachstehenden  Angaben 
dienen. 


Datum 


logr 


logp 


logrp 


ffi 


H. 


2 


1905  Jänner  14 

1906  März  6 
April  14 
Mai  27 

1907  Febr.  13 
März  9 
April  2 


0-62312 
0 • 55423 
0-57149 
0-59304 

0  -  73669 
0-74896 
0 • 76097 


0-52586 
0-41475 
0-45492 
0-54499 

0-72136 
0-70378 
0-69251 


1-1490 
0-9690 
1 • 0264 
1-1380 

1-4580 
1-4527 
1 • 4535 


0-44 
1-00 
0-77 
0-46 

0-11 
011 
0-11 


1-00 
2-29 
1-76 
105 

0-24 
0-25 
0-25 


Bahn  des  Kometen  1905 IV.  1 3 

Bei  den  Helligkeiten  ist  für  H^  (in  der  fünften  Kolumne) 
die  zur  Zeit  der  Entdeckung  des  Kometen  zu  Grunde  gelegt, 
lur  H^  jene,  welche  er  bei  seiner  ersten  Aufnahme  besafi. 
Über  die  Lichtstärke  und  das  Aussehen  des  Kometen  zu  den 
obigen  Zeiten  besitzen  wir  folgende  Notizen: 

Auf  der  Platte  vom  14.  Jänner  1905  nennt  Prof.  Wolf 
den  Kometen  12.  Größe. 

Das  Aussehen  des  Kometen  zur  Zeit  seiner  Entdeckung 
beschreibt  Prof.  Wolf  wie  folgt:  »Der  Komet  ist  auf  den 
Platten  gut  zu  sehen  und  hat  einen  etwa  V,"  langen  Schweif, 
der  vor  dem  Kometen  einhergeht.  Im  Zehnzöller  zeigte  der 
Komet  am  4.  März  (1906)  einen  scharfen  Kern  und  einen 
gegen  NW  gerichteten  Schweif«.  Von  anderer  Seite  wird 
erwähnt,  daß  der  Komet  ein  rundlicher  Nebel  von  10"  bis  15" 
mit  einem  stemartigen  Kerne  10.11.  Größe  gewesen  sei.  Daß 
der  Komet  in  der  ersten  Hälfte  des  März  eine  ziemlich  große 
Helligkeit  besaß,  geht  auch  daraus  hervor,  daß  er  selbst  zur 
Zeit  des  Vollmondes  (10.  März)  gesehen  und  beobachtet 
wurde. 

Auch  Anfang  April  wurde  der  Komet,  wiewohl  bereits 
schwer,  noch  bei  Mondschein  gesehen.  Der  Schweif  scheint 
indes  Ende  März  und  in  den  ersten  Tagen  von  April  von  einer 
größeren  Lichtstärke  gewesen  zu  sein. 

Ende  April  nahm  das  Gestirn  rasch  an  Helligkeit  ab, 
wird  Ende  Mai  durchgehends  12.13.  Größe  geschätzt  und  bei 
der  letzten  Beobachtung  vom  12.  Juni  in  Straßburg  sogar  nur 
13.14.  Dazu  mag  wohl  manches  der  Umstand  beigetragen 
haben,  daß  er  nur  mehr  am  dämmerigen  Abendhimmel  beob- 
achtet werden  konnte. 

Nach  der  obigen  Zusammenstellung  wird  die  theoretische 
Helligkeit  des  Kometen  im  Februar,  März  und  April  1907 
noch  ein  Neuntel  jener  betragen,  die  er  bei  seiner  Entdeckung 
im  März  1906  besaß,  und  noch  ein  Viertel  jener,  die  er  zur 
Zeit  seiner  ersten  Aufnahme  im  Jänner  1905  und  bei  den 
letzten  Maibeobachtungen  im  Jahre  1906  hatte.  Man  könnte 
daher  einer  Wiederaufflndung  desselben,  mindestens  mit  Hilfe 
der  Photographie,  mit  einer  ziemlichen  Zuversicht  entgegen- 
sehen, wenn   seine  Stellung   am  Himmel  nur  nicht  eine  so 


16  E.  Weiß,  Bahn  des  Kometen  1905 IV. 

südliche  wäre.  Als  ein  günstiger  Umstand  hingegen  ist  es 
zu  bezeichnen,  daß  er  beiläufig  zu  derselben  Zeit,  wo  er 
stationär  wird,  seine  größte  Helligkeit  erreicht.  Die  Wahr- 
scheinlichkeit, den  Kometen  im  Februar  und  März  dieses 
Jahres  nochmals  zu  sehen  und  dann  noch  einige  Zeit  ver- 
folgen zu  können,  halte  ich  daher,  alles  in  allem  genommen, 
für  eine  nicht  allzu  geringe. 

Nachtrag. 

Während  des  Druckes  dieser  Zeilen  sind  Beobachtungen 
des  Kometen  auf  der  Licksternwarte  bis  zum  24.  Juni  1906  mit 
der  Notiz  publiziert  worden,  daß  er  damals  noch  in  einem 
ZwölfzöUer  sichtbar  und  im  großen  Fernrohre  ein  leicht  zu 
beobachtendes  Objekt  war.  Diese,  den  europäischen  Angaben 
gegenüber  weit  günstigeren  Helligkeitsschätzungen  sind  der 
Hauptsache  nach  wohl  zweifellos  der  südlicheren  Lage  der 
Licksternwarte  und  den  dadurch  bedingten  kürzeren  Dämme- 
rungen zuzuschreiben,  verstärken  aber  in  nicht  geringem  Maße 
die  oben  ausgesprochene  Hoffnung,  das  Gestirn  nochmals  auf- 
zufinden. 


17 


Zur  Theorie  der  »schönsten  der  Halo- 

erseheinungen* 


von 


J.  M.  Pemtcr, 

k.  M.  k.  Akad 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  10.  Jänner  1907.) 

Den  oberen  Berührungsbogen  des  Halo  von  46  **  nennt 
Bravais^  die  prachtvollste  der  Haloerscheinungen:  »Cestsans 
contredit  la  plus  brillante  de  toutes  les  apparitions  qui  se 
rattachent  aux  Halos  et  aux  parhelies.«  Es  ist  wichtig  für  die 
Theorie,  diese  Tatsache  genau  festzustellen.  Die  zusammen- 
fassende Beschreibung  Bravais'  lautet:  »Der  Berührungsbogen 
(obere)  des  Halo  von  46**  ist  ein  wahrhaftiger  Regenbogen 
durch  die  Lebhaftigkeit  seiner  Farben,  die  deutliche  Trennung 
derselben  und  durch  die  Reinheit,  mit  welcher  die  Ränder  und 
die  Enden  des  Bogens  sich  vom  Himmel  abheben.  Man  sieht 
in  diesem  Bogen  leicht  alle  Farben  des  Spektrums  mit  Aus- 
nahme des  Violett  und  zuweilen  sogar  auch  dieses;  sie  sind 
deutlicher  als  bei  der  Nebensonne  von  22**.« 

Diese  Deutlichkeit  und  Pracht  der  Farben  ist  somit  die 
erste  und  auffallendste  Eigenschaft  der  Erscheinung  dieses 
Berührungsbogens.  Als  zweite  auffallende  Eigenschaft  des- 
selben bezeichnet  Bravais  die  Horizontalität  des  Bogens.  Von 


^  Sur  les  Halos,  p.  91.  In  seiner  »Notice  sur  les  Halos«  im  »Annuaire 
sneteorologique  de  la  France  pour  1851«,  p.  177,  sagt  er:  »Car  c'est  sans  contre- 
<iit  la  plns  remarquable  de  toutes  les  apparitions  qui  peuvent  accompagner 
lehalo.«  Er  ersetzt  also  hier  das  »brillante«  durch  »remarquable«.  Im  übrigen 
beschreibt  er  die  Erscheinung  hier  wie  dort  in  der  im  Texte  angeführten  Weise. 

Sitzb.  d.  matfaem.-nAtiirw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  2 


18  J.  M.  Pernter, 

ihr  sagt  er:^  »Für  den  Blick  erscheint  dieser  Bogen  horizontal; 
das  schien  er  fast  allen  Beobachtern  zu  sein.  Allerdings  kenne 
ich  keine  direkte  Messung,  durch  welche  diese  Horizontalität 
festgestellt  worden  wäre.«  Die  horizontalen  Bögen  sind  jene, 
welche  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  mit  dem  Horizonte  par- 
allel laufen,  ob  sie  nun  volle  Kreise  oder  nur  Teile  solcher 
Kreise  sind.  Der  bekannteste  derselben  ist  der  Nebensonnen- 
ring, der  auch  schlechthin  der  Horizontalkreis  heißt.  In  der  Tat 
ist  er  der  einzige  regelmäßig  auftretende  Horizontalkreis,  alle 
anderen  zählen  zu  den  außerordentlichen  Halos,  wenn  man 
von  dem  oberen  und  unteren  Berührungsbogen  des  Halo  von 
46**  absieht. 

Ob  man  nun  diese  nur  nach  dem  Augenschein  und  nicht 
auf  Grund  von  Messungen  dem  Bogen  zugesprochene  Eigen- 
schaft der  Horizontalität  als  feststehende,  ihm  wesentliche 
Eigenschaft  ansehen  muß  oder  ob  dieselbe  nur  Schein  ist  und 
nicht  einen  mit  dem  Horizonte  streng  parallelen  Bogen  be- 
deutet, das  ist  für  die  Theorie  dieses  Bogens  die  entscheidende 
Frage. 

Bravais  hat,  trotzdem  er  keine  Messung  kannte,  durch 
welche  die  strenge  Horizontalität  festgestellt  worden  wäre,  sich 
für  die  Horizontalität  als  eine  erwiesene  Tatsache  entschieden 
und  demgemäß  nennt  er  diesen  Bogen'  »den  horizontalen 
oberen  Berührungsbogen  des  Halo  von  46^«  oder  auch  einfach 
den  (oberen)  circumzenithalen  Bogen.^  Diese  Benennung  sagt 
ja  an  sich  das  gleiche  wie  »horizontal«,  da  ein  Bogen,  dessen 
»Mittelpunkt«  im  Zenith  liegt,  horizontal  sein  muß. 


1  Sur  les  Halos,  p.  91:  »A  la  vue,  l'arc  est  sensiblement  horizontal;  il  a 
paru  tel  ä  presque  tous  les  observatcurs ;  cependant  je  ne  connais  aucune 
messure  directe  qui  ait  constate  celte  horizontaltte«. 

2  In  seiner  großen,  berühmten  Abhandlung  »Sur  les  Halos«  findet  sich 
diese  Bezeichnung  nur  im  Inhaltsverzeichnisse. 

>  Diese  Benennung  fuhrt  er  bei  diesem  Bogen  erst  in  seiner  oben  zitierten 
»Notice  sur  les  Halos«,  p.  177,  ein.  In  der  großen  Abhandlung  sagt  er  nur 
gelegentlich  der  Behandlung  der  »außerordentlichen  drcumsenithalen  Bogen« : 
»Les  arcs  circumzenithaux  ordinairs  sont  les  arcs  tangents  au  halos  de 
Z2  degres  et  de  46  degres«. 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  19 

Bravais  stellte,  wie  gesagt,  die  Horizontalität  dieses 
Bogens  in  den  Vordergrund  und  erklärte  sie  als  die  maß- 
gebende, entscheidende  Eigenschaft,  die  diesen  Bogen  charak- 
terisiert Demgemäß  gab  er  eine  Erklärung  dieser  Haloerschei- 
nung,  welche  in  erster  Linie  die  Horizontalität  des  Bogens 
erklärt.  Ich  muß  diese  hier  kurz  rekapitulieren. 

1.  Theorie  von  Bravais. 

Um  einen  horizontalen  Bogen,  dessen  Abstand  von  der 
Sonne  im  Vertikal  der  Sonne  etwa  gleich  dem  Radius  des  Halo 
von  46**  ist,  durch  Brechung  der  Sonnenstrahlen  in  den  Eis- 
kristallen zu  erhalten,  nimmt  Bravais  an,  daß  das  Licht  auf  die 
vertikal  schwebenden  säulenförmigen  Eisprismen  so  auffallt, 
daß  der  Strahl  an  der  oberen  horizontalen  Basisfläche  eintritt 
und  von  da  an  eine  Seitenfläche  gebrochen  wird,  durch  die  er 
austritt  Bleibt  das  Eisprisma  vertikal,  d.  h.  bleibt  die  Haupt- 
achse stets  in  der  Schwererichtung,  dreht  sich  aber  der  Kristall 
um  diese  vertikale  Achse,*  so  wird  auch  der  vom  Eisprisma 
abgelenkte  Strahl  mit  der  Basis  des  letzteren  sich  parallel  dem 
Horizonte  drehen  und  so  muß  für  das  Auge  ein  horizontaler 
Bogen  entstehen,  dessen  Mitte  im  Vertikal  der  Sonne  etwa  46" 
von  der  letzteren  liegt*  Man  erhält  für  die  Berechnung  der 
Höhe  (A)  des  Bogens  über  dem  Horizont  bei  der  Sonnenhöhe  H 

die  Formel: 

sin  h  z=z  \/h* — cos*  H. 

Man  sieht  hieraus  ohneweiters,  daß  die  Höhe  h  des  Bogens 
für  eine  bestimmte  Sonnenhöhe  konstant  ist,  d.  h.  also  an 
jedem  Punkte  des  Bogens  dieselbe  und  daher  der  Bogen  mit 
dem  Horizonte  parallel  sein  muß. 


1  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  in  der  Natur  die  Kristalle  so  ver- 
schiedene Stellungen  ihrer  Seitenflächen  aufweisen,  dafi  es  aufs  gleiche  heraus- 
kommt, wie  wenn  sich  das  Eisprisma  um  seine  vertikale  Hauptachse  dreht; 
letzteres  ist  nur  für  die  Darstellung  der  anschaulichere  Ausdruck  für  die  natur- 
gemäße Annahme  der  immer  vorhandenen  verschiedenen  Stellungen  aller  Art 
der  Seitenflächen  zu  dem  in  der  Ebene  des  Vertikals  der  Sonne  geführten 
Vertikalschnitt  durch  das  Prisma. 

s  Bravais,  Sur  les  Halos,  p.  96;  siehe  auch  meine  Meteorolog.  Optik^ 
p.  364. 

2* 


20  J.  M.  Pernter, 

Es  verlangt  aber  diese  Theorie  von  Bravais  andererseits, 
daß  die  Höhe  des  Bogens  über  dem  Horizonte  mit  der  Sonnen- 
höhe veränderlich  ist,  wie  dies  obige  Formel  besagt.  Das  ist  in 
der  Tat  ein  Kriterium  für  die  Richtigkeit  der  Theorie,  wie  es 
nicht  besser  gewünscht  werden  könnte  und  es  sei  gleich 
gesagt,  daß  Messungen  von  Ekama  im  Jahre  1883  und  seither 
solche  von  Besson  den  Beweis  erbracht  haben,^  daß  »circum- 
zenithale«  Bögen,  welche  der  Theorie  Bravais*  entsprechen, 
wirklich  zur  Beobachtung  gelangten.  Eine  andere  Frage  ist  es, 
ob  diese  Bravais'schen  circumzenithalen  Bögen  mit  Recht  als 
die  Berührungsbögen  des  Halo  von  46*  angesehen  werden 
dürfen.  Ich  glaube,  genügend  beweisende  Gründe  theoretischer 
Art  und  auch  Beobachtungen  für  die  Auffassung  beibringen  zu 
können,  daß  die  eigentlichen  Berührungsbögen  des  Halo  von 
46**  von  diesen  Bravais'schen  circumzenithalen  Bögen  ver- 
schieden sind  und  eine  besondere  Haloerscheinung  bilden, 
deren  Theorie  der  von  Galle  zuerst  gegebenen  Theorie  der 
Berührungsbögen  des  Halo  von  46*  entspricht. 

2.  Theorie  von  Galle. 

Geht  man  von  der  Tatsache  aus,  daß  der  Glanz  und  die 
Farbenpracht  dieses  Bogens  eine  so  auffallende  und  von  den 
Beobachtern  meistens  als  so  schön  wie  bei  keiner  anderen  Halo- 
erscheinung beschrieben  und  bewundert  worden  ist,  so  findet 
man  die  Erklärung  für  diese  Pracht  nur  durch  die  Farben-  und 
Glanzbildung  in  jenen  Eisprismen  gegeben,  welche  im  Minimum 
der  prismatischen  Ablenkung  erzeugt  wird.  Es  ist  ja  richtig,  auch 
jene  Refraktionen,  welche  nicht  im  Minimum  der  Ablenkung 
stattfinden,  sind  wirksam,  geben  Glanz  und  Farben,  aber 
bekanntlich  in  um  so  geringerem  Grade  von  Intensität  und 
Reinheit,  als  sie  vom  Minimum  der  Ablenkung  mehr  abweichen. 
Um  die  allgemein  angestaunte  Pracht  des  oberen  Berührungs- 
bogens  zu  erklären,  ist  es  daher  absolut  notwendig,  anzu- 
nehmen, daß  die  Erscheinung  erzeugt  wird  durch  Eisprismen, 


^  Siehe  Ekama,  Mijne  Wamemingen  omtrent  de  Halo,  p.  58;  Besson, 
Compt.  rend.  vom  3.  April  1905  und  vom  5.  November  1906.  Siehe  auch  meine 
Meteorolog.  Optik,  p.  375,  und  Compt.  rend.  vom  15.  Mai  1906. 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerschetnungen«.  2 1 

die  im  Minimum  der  Ablenkung  wirken.  Ich  halte  dafür,  daß 
dies  allein  die  Grundlage  einer  Erklärung  der  herrlichen  Er- 
scheinung bilden  kann  und  daß  somit  die  Theorie  von  Galle 
hier  die  richtige  ist^  Galle  nimmt  an,  daß  die  eine  vertikale 
Mittellage  einnehmenden,  säulenförmigen  Eisprismen  pendeln, 
und  zwar  mit  solchen  Ausschlägen,  daß  auch  die  bei  anderer 
Sonnenhöhe  als  22*  8'  (bei  welcher  die  genau  in  die  Schwere- 
linie mit  der  Hauptachse  einspielenden  Eisprismen  gerade  im 
Minimum  der  Ablenkung  stehen)  wirkenden  Eisprismen  ins 
Minimum  der  Ablenkung  sich  einstellen  und  so  die  Erscheinung 
erzeugen.  Ein  Kriterium  für  die  so  erzeugte  Erscheinung  bietet 
wieder  der  Abstand  der  im  Vertikal  der  Sonne  befindlichen  Mitte 
des  Bogens;  er  muß  stets  gleich  sein  dem  Radius  des  Halo  von 
46"*  und  daher  stets  mit  dem  höchsten  Punkte  dieses  Halo  zu- 
sammenfallen; der  Bogen  ist  daher  stets  ein  echter  Berührungs- 
bogen  dieses  Halo. 

Die  vorliegenden  Messungen  sind  zu  unsicher  und  zu 
ungenau  und  überhaupt  viel  zu  wenige,  als  daß  dieses  Kriterium 
allein  zur  Entscheidung  genug  sicher  wäre,  die  Messung 
Weidler's  etwa  ausgenommen.  Wohl  aber  ist  daraus  und  aus 
gar  manchen  B  e  s  c  h  r  e  i  b  u  n  g  e  n  von  Beobachtu ngen  mit  größter 
Wahrscheinlichkeit  zu  entnehmen,  daß  diese  geforderte  Gleich- 
heit des  Radius  des  Halo  von  46**  und  des  Abstandes  der  Mitte 
des  Berührungsbogens  wiederholt  beobachtet  wurde,  und  zwar 
nicht  nur  bei  22**  8'  Sonnenhöhe,  wo  sie  auch  für  den  Bravais- 
schen  Bogen  besteht. 

Es  ist  somit  auf  Grund  der  Glanz-  und  Farbenpracht  des 
Bogens,  sowie  aus  den  Beobachtungen  der  Gleichheit  des  Ab- 


1  Galle,  Pogg.  Ann.  49^  p.  264  —  Galle  hat,  allerdings  nicht  speziell  aus 
dem  oben  angeführten  Grunde,  die  Minimumstellung  bei  Erklärung  dieses  Bogens 
seiner  Erklärung  zu  Grunde  gelegt,  sondern  weil  er  eine  wirksame  Licht-  und 
Farbenentwicklung  bei  den  ganzen  Haloerscheinungen  nur  dann  annahm,  wenn 
di^elben  durch  Eisprismen  in  der  Minimumlage  erzeugt  werden.  Bravais  (Sur 
les  Halos,  p.  94)  bemerkt  zwar  dagegen  mit  Recht,  daß  auch  andere  Stellungen 
der  Prismen  »wirksame«  Strahlen  geben,  aber  er  hat  entschieden  unrecht, 
wenn  er  annimmt,  die  Prismen,  die  nicht  in  der  Minimumstellung  wirken. 
könnten  so  auflallende  Prachtentwicklungen  erzeugen.  Darüber  noch  mehr 
weiter  unten. 


22  J.  M.  Pcrnter, 

Standes  der  Mitte  desselben  und  des  Radius  des  Halo  von  46* 
der  Schluß  zu  ziehen,  daß  außer  dem  Bravais'schen  Bogen, 
häufiger  wohl  als  der  letztere,  auch  der  wirkliche  Berührungs- 
bogen  des  Halo  von  46**  sich  bildet. 

3.  Wirklichkeit  zweier  verschiedener  Bögen. 

Die  Auffassung,  daß  es  sich  hier  um  zwei  verschiedene 
Haloerscheinungen  handle,  den  oberen  Berührungsbogen  an 
den  Halo  von  46**  und  den  circumzenithalen  Bogen  von 
Bravais,  ergibt  sich  notwendig  aus  den  obigen  Erwägungen 
über  die  Theorie  der  beiden  Bögen.  Da  aber  diese  Auffassung 
in  der  Theorie  der  Haloerscheinung  neu  ist,  mag  es  geboten 
erscheinen,  dieselbe  ausführlich  zu  begründen. 

Wir  haben  es  in  der  Tat  nach  den  zwei  Theorien  mit 
zwei  theoretisch  deutlich  und  scharf  verschiedenen  Bildungen 
zu  tun,  deren  jede  drei,  nur  ihr  eigene,  die  der  anderen  aus- 
schließende Eigenschaften  aufweist. 

a)  Die  Theorie  des  Berührungsbogens  verlangt,  daß  er  stets 
in  wirklicher  Berührung  mit  dem  Halo  von  46*  sei,  da  im  Vertikal 
der  Sonne  der  Abstand  seiner  Mitte  von  der  Sonne  stets  gleich 
dem  Radius  des  Halo  sein  muß.  Der  Abstand  aber  der  Mitte  des 
circumzenithalen  Bogens  nach  der  Theorie  von  Bravais  kann 
nur  bei  einer  Sonnenhöhe  von  22*  8'  dem  Radius  des  Halo 
gleich  sein,  bei  allen  anderen  Sonnenhöhen  ist  dieser  Abstand 
größer  als  der  Radius  des  Halo. 

h)  Der  Berührungsbogen  muß  sich  je  nach  der  Sonnen- 
höhe vom  Berührungspunkt  aus  nach  oben  oder  nach  unten 
biegen;^  der  circumzenithale  Bogen  von  Bravais  läuft  aber 
wesentlich  genau  parallel  mit  dem  Horizonte. 

c)  Der  Berührungsbogen  muß  —  Störungen  ausgenommen 
—  einen  Glanz  und  eine  Farbenpracht  aufweisen,  die  jener  der 
Nebensonne  von  22®  gleichkommt,  in  der  Schönheit  der  Farben 
sogar  übertrifft;  der  circumzenithale  Bogen  von  Bravais  kann 
keine  besondere  Pracht  der  Erscheinung  besitzen. 

Diese  drei  Kriterien  sind  zweifellos  geeignet,  zu  ent- 
scheiden,  ob   und   wann   man  es  mit  dem  einen  oder  dem 

^  Siehe  die  Zeichnung  Fig.  149  auf  p.  371  in  meiner  Meteorolog.  Optik. 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  23 

anderen  Bogen  zu  tun  hat.  Wir  werden  die  vorhandenen  Beob- 
achtungen daraufhin  zu  prüfen  haben,  ob  mit  Hilfe  der  drei 
Kriterien  das  wirkliche  Vorkommen  beider  Bögen  sich  nach- 
weisen läßt  oder  ob  nur  einer  der  beiden  Bögen  in  der  Natur 
sich  verwirklicht 

Das  erste  Kriterium  verlangt,  daß  man  durch  Messungen 
des  AbStandes  des  im  Vertikal  der  Sonne  liegenden  Punktes 
der  fraglichen  Bögen  von  der  Sonne  einerseits  zeigt,  daß  ein 
Bogen  vorkommt,  bei  welchem  dieser  Abstand  mit  der  Sonnen- 
höhe veränderlich  ist,  und  andrerseits  ein  zweiter  derartiger 
Bogen  auftritt,  bei  welchem  dieser  Abstand  bei  allen  Sonnen- 
höhen gleich  ist  dem  Radius  des  Halo  von  46*.  Um  diese  Ver- 
hältnisse leichter  zu  überblicken,  setze  ich  eine  kleine  Tabelle 
hieher,  welche  den  theoretischen  Abstand  des  circumzenithalen 
Bogens  von  Bravais  im  Vertikal  der  Sonne  vom  Sonnenmittel- 
punkte nach  der  Theorie  dieses  Bogens  ausweist.  Ich  bezeichne 
mit  H  die  Sonnenhöhe,  mit  h  die  Höhe  der  im  Vertikal  der 
Sonne  liegenden  Mitte  des  Bogens,  mit  d  den  Wert  des  Ab- 
standes  der  letzteren  von  der  Sonne,  also  h — H  =  d.  Die 
Tabelle  geht  von  i/  =  5,  der  niedrigsten  Sonnenhöhe,  bei 
welcher  bisher  ein  solcher  Bogen  beobachtet  wurde,  bis  f/^rz  31, 
der  wohl  höchsten  Höhe,  bei  welcher  er  möglich  ist.  An  dieser 
Tabelle  sind  dann  nicht  nur  die  eigentlichen  Messungen,  son- 
dern auch  die  Schätzungen  und  andere  Bemerkungen  über  die 
Höhe  und  den  Abstand  des  Bogens  von  der  Sonne  zu  prüfen. 


H 

* 

d 

b'.. 

...SSM?' 

53° 17' 

6  .. 

58  30 

52  30 

7  .. 

...58  40 

51  46 

8  .. 

...59  2 

51  3 

9  .. 

...59  25 

50  25 

10  ., 

....59  45 

49  45 

11  . 

....60  10 

49  10 

12  ., 

60  37 

48  37 

13  . 

....61  7 

48  7 

14  . 

....61  40 

47  40 

15  . 

....62  12 

47  14 

24 


J.  M.  Pernter, 

H 

h 

d 

16°... 

. .62'52' 

46 »52' 

17  ... 

..63  33 

46  33 

18  ... 

..64  16 

46  16 

19  ... 

..65  3 

46  3 

20  ... 

..65  53 

45  53 

21  ... 

..66  46 

45  46 

22  ... 

. .67  44 

45  44 

23  ... 

..68  45 

45  45 

24  ... 

..69  52 

45  52 

25  ... 

..71  4 

46  4 

26  ... 

..72  22 

46  22 

27  ... 

..73  48 

46  48 

28  ... 

..75  24 

47  24 

29  ... 

..77  13 

48  13 

30  ... 

..79  23 

49  23 

31  ... 

..82  9 

51  51 

Alle  Rechnungen,  diese  und  die  späteren,  wurden  für  die 
Strahlen  durchgeführt,  deren  Brechungsexponent  im  Eise 
;i  =  1'31  ist,  d.  h.  also  für  Gelb.  Wo  für  Rot  gerechnet  wurde, 
ist  es  ausdrücklich  bemerkt. 

Messungen  der  Höhe  beider  Bögen,  beziehungsweise  des 
Abstandes  d  lagen  bis  zur  Zeit  Bravais*  nur  sehr  wenige  vor; 
es  waren  ihm  neun  Messungen  und  vier  Schätzungen  bekannt 
Seither  kamen  dazu  zehn  Messungen  an  5  Tagen  von  Ekama 
im  Jahre  1883  und  18  Messungen  an  7  Tagen  von  Besson  in 
den  Jahren  1905  und  1906.  Was  nun  die  Genauigkeit  dieser 
Messungen  betrifft,  so  muß  im  allgemeinen  bemerkt  werden, 
daß  sie  der  Natur  der  Sache  nach  keine  größere  Genauigkeit 
beanspruchen  als  etwa  einen  Grad  und  daß  gar  oft  die  Um- 
stände, unter  denen  die  Messungen  gemacht  wurden,  die  Ver- 
schwommenheit der  Erscheinung,  die  Unsicherheit  des  Punktes, 
auf  den  eingestellt  werden  muß  u.  dgl.  m.,  noch  größere  Fehler- 
quellen bedingen.  Selbst  ein  so  gewiegter  und  erfahrener  Beob- 
achter dieser  Erscheinungen  wie  Ekama*  macht  gerade  bei 

1  A.  a.  O. 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  25 

den  Messungen  dieser  Bögen  darauf  aufmerksam,  daß  die  große 
Höhe  dieses  Bogens  über  dem  Horizonte  schon  wegen  der  un- 
bequemen Stellung,  die  der  Beobachter  bei   den  Messungen 
einnehmen  muß,  eine  Unsicherheit  bedingt.  Wir  werden  also 
bei  diesen  Messungen  durchwegs  eine  gewisse  Ungenauigkeit 
erwarten  müssen.  Wenn  es  sich  um  die  Frage  handelt,  ob  der 
gemessene  Bogen  ein  circumzenithaler  Bogen  von  Bravais 
war,  bieten  uns  Messungen  von  solchen  Bögen  bei  Sonnen- 
höhen unter  12**  und  über  28*  die  meisten  Bürgschaften  für 
eine  gesicherte  Entscheidung,  weil  hier  die  Abweichung  der 
theoretischen  Höhe  des  circumzenithalen  Bogens  von  der  des 
Berührungsbogens  so  groß  ist,  daß  sie  nicht  mehr  als  Messungs- 
fehler erklärt  werden  kann.  Ein  größeres  Vertrauen  bezüglich 
der  Genauigkeit  verdienen  aber  die  Messungen  derjenigen,  die 
schon  in  Kenntnis  der  Theorie  von  Bravais  sich  befanden  und 
daher  naturgemäß  bestrebt  waren,  ihren  Messungen  die  mög- 
lichste Genauigkeit  zu  sichern;   es  ist  dies  Bravais  selbst, 
ferner  Ekama  und  Besson,  die  auch  für  die  Messungen  gut 
vorbereitet  waren  und  nicht,  wie  die  meisten  anderen,  nur  wie 
zufallig  und  im  Vorbeigehen  sie  machten. 

Wir  wollen  nun  die  bislang  bekannten  Messungen  und 
Schätzungen  daraufhin  untersuchen,  ob  sie  sich  auf  den  circum- 
zenithalen Bogen  beziehen  oder  auf  den  Berührungsbogen.  Ich 
gebe  zu  diesem  Zwecke  in  der  folgenden  Tabelle  Datum, 
Sonnenhöhe  zur  Zeit  der  Messung  und  die  Werte  der  letzteren 
als  Abstand  d  von  der  Sonne  sowie  das  theoretische  d  dieser 
Sonnenhöhe  für  den  circumzenithalen  Bogen;  ein  M  neben  d 
bedeutet  Messung,  ein  S  Schätzung;  Dq  ist  der  Radii^  des 
Halo,  45  •  44'. 


26 


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Theorie  der  »sckönsten  der  Haloerscheinungenc.  29 

Aus  dieser  Tabelle  entnimmt  man,  daß  man  eine  Entschei- 
dung, ob  man  es  mit  dem  circumzenithalen  Bogen  von  Bravais 
oder  mit  dem  Berührungsbogen  zu  tun  hat,  nur  dort  erhält,  wo 
Theorie  und  Beobachtung  mehr  als  einen  oder  gar  zwei  Grade 
differieren.  Es  kommt  dies  von  der  Unsicherheit,  welche  diesen 
Messungen  naturgemäß  anhaftet,  selbst  bei  jenen,  welchen  die 
Theorie  Bravais*  schon  bekannt  war  und  die  also  gewiß  mit 
aller  Sorgfalt  gemessen  haben.  Am  schwersten  wird  die  Ent- 
scheidung durch  die  Messung  da,  wo  die  theoretischen  Werte 
für  den  circumzenithalen  Bogen  von  Bravais  auch  nur  etwa 
einen  Grad  vom  theoretischen  Werte  für  den  Berührungsbogen 
abweichen;  da  wird  es  leicht  vorkommen,  daß  die  Messungs* 
werte  sowohl  vom  theoretischen  Werte  des  circumzenithalen 
Bogens  als  von  dem  des  Berührungsbogens  fast  gleichweit  und 
nach  keiner  Seite  bedeutend  abstehen.  Es  wird  dann  aber  bei 
Messungsfehlem  von  etwa  einem  Grade,  die  ja  so  leicht  zu 
machen  sind  und  wenn  dabei  der  theoretische  Wert  des  circum- 
zenithalen Bogens  etwa  zwei  Grade  von  dem  des  Berührungs- 
bogens verschieden  ist,  vorkommen,  daß  die  Messungen  nach 
beiden  Seiten  beiläufig  gleichweit  von  den  theoretischen 
Werten  abstehen.  Man  wird  daher  meistens  nur  auf  solche 
Messungen  sich  stützen  können,  welche  bei  Sonnenhöhen  aus- 
geführt wurden,  bei  welchen  die  theoretischen  Werte  für  den 
circumzenithalen  Bogen  mehrere  Grade  vom  theoretischen 
Werte  des  Berührungsbogens  (45**  44^  abweichen.  Diese 
Abweichungen  sind  in  der  letzten  Vertikalreihe  der  Tabelle 
angegeben. 

Es  ist  aus  derselben  leicht  und  unzweideutig  zu  ent- 
nehmen, daß  die  Beobachtungen  von  Ekama  vom  23.  August 
bei  den  Sonnenhöhen  von  7*  11'  und  bei  8**  15'  und  die  zwei 
letzten  vom  25.  Juni  1883  bei  10*  C  und  10**  2Qf  Sonnenhöhe 
zweifellos  auf  den  circumzenithalen  Bogen  von  Brav ais  sich 
beziehen.  Das  gleiche  gilt  von  den  Beobachtungen  Besson^s 
vom  26.  März,  8.  August  1905  und  vom  10.  Mai  und 
29.  Oktober  1906.  Da  diese  Messungen  ganz  unbez weifelbar 
die  Tatsächlichkeit  des  circumzenithalen  Bogens  von  Brav  ais 
beweisen,  so  ist  es  überflüssig  zu  untersuchen,  ob  auch  andere 
Messungen  sich  auf  diesen  Bogen  beziehen.  Wohl  aber  werden 


30  J.  M.  Pernter, 

wir  ZU  untersuchen  haben,  ob  unter  denselben  sich  solche 
finden,  die  die  Tatsächlichkeit  auch  des  Berührungsbogens  des 
Halo  von  46**  erweisen.  Da  ergibt  sich  nun,  daß  von  den  vor- 
handenen wenigen  Messungen  nur  die  eben  genannten  bei 
solchen  Sonnenhöhen  gemacht  wurden,  welche  eine  gänzlich 
unbezweifelbare,  eindeutige  Entscheidung  ermöglichen,  und 
diese  Messungen  wurden  eben  an  circumzenithalen  Bogen 
gemacht.  Man  möchte  versucht  sein,  den  voreiligen  Schluß  zu 
ziehen:  folglich  kommt  nur  der  circumzenithale  Bogen  in  der 
Natur  vor,  der  Berührungsbogen  aber  nicht.  Das  wäre  aber 
nicht  nur  voreilig,  sondern  auch  ganz  unerlaubt.  Der  Messungen 
sind  doch  allzuwenige,  als  daß  auch  ohne  Rücksicht  auf  andere 
Beobachtungstatsachen  aus  ihnen  allein  ein  solcher  Schluß 
gezogen  werden  dürfte;  man  kann  mit  größter  Wahrschein- 
lichkeit erwarten,  daß  im  Laufe  der  Zeit  die  Messungen  sich 
mehren  und  dabei  ist  es  um  so  weniger  ausgeschlossen,  daß 
auch  bei  Sonnenhöhen,  die  der  Entscheidung  der  Frage  günstig 
sind,  Berührungsbogen  gemessen  werden  dürften,  als  die 
beiden  sub  b  und  c  angeführten  Kriterien  auf  das  deutlichste 
die  Wirklichkeit  auch  des  Berührungsbogens  nachweisen. 
Bevor  ich  dazu  übergehe,  muß  ich  aber  feststellen,  daß  die 
oben  in  der  Tabelle  mitgeteilte  Messung  von  Weidler  wenn 
auch  nicht  so  auffallend  wie  die  Messungen  von  Ekama  und 
Besson  für  den  circumzenithalen  Bogen,  so  doch  auch  unbe- 
zweifelbar  beweisen,  daß  Weidler  den  Berührungsbogen  vor 
sich  hatte.  Denn  wenn  man  selbst  annehmen  will,  daß 
Weidler  einen  Messungsfehler  von  einem  ganzen  Grad 
gemacht  habe,  so  würde  das  Anbringen  dieser  Korrektion 
doch  noch  einen  Ausfall  von  mehr  als  einem  halben  Grad 
zurücklassen.  Allein  die  Annahme  eines  solchen  Fehlers  bei 
der  Messung  Weidler's  dürfte  schon  aus  dem  Grunde  nicht 
gestattet  sein,  weil  alle  vorliegenden  Messungen  dartun,  daß  die 
Messungsfehler  fast  ausschließlich  in  der  Messung  zu  großer 
Werte  bestehen  und,  wenn  sie  in  zu  niedrigen  Werten  auf- 
treten, die  Fehler  immer  kleiner  als  ein  Grad  sind.  Die  Messung 
Weidler's  würde  selbst  mit  dem  höchsten  negativen  Werte 
der  Abweichung,  der  in  unserer  Tabelle  vorkommt,  nämlich 
l"*  13',  erst  an  46'  43'  hinaufkorrigiert  werden  können  und  da 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  31 

von  dem  theoretischen  Werte  der  circumzenithalen  Bögen  von 
47*"  3'  noch  immer  2(y  abstehen,  was  ja  nach  Anbringung  der 
richtigen  Korrektion  nicht  mehr  möglich  wäre;  eine  größere 
Korrektion  anzubringen,  wäre  aber  unter  keinen  Umständen 
gerechtfertigt  Die  Messung  Weidler's  beweist  also  zweifellos, 
daß  der  Berührungsbogen  ebenfalls  in  der  Natur  tatsächlich 
vorkommt. 

Es  ist  richtig,  der  gegen  jeden  Zweifel  ganz  gefeite  Beweis 
für  die  Tatsächlichkeit  des  Berührungsbogens  wäre  gewiß  der, 
wenn  derselbe  bei  einer  der  Sonnenhöhen  sich  zeigte,  bei 
welchen  der  circumzenithale  Bogen  vier  oder  mehr  Grade  über 
dem  Halo  von  46**  erreichen  müßte.  Es  liegt  uns  nun  freilich 
keine  Messung  dieser  Art  vor,  wohl  aber  eine  Beobachtung, 
die  hier  die  Messung  vollkommen  ersetzt;  es  ist  die  berühmte 
Beobachtung  von  Lowitz,*  das  »Petersburger  Phänomen«. 
Die  Sonnenhöhe  zur  Zeit  der  Beobachtung  des  den  Halo  von 
46*  berührenden  Bogens  betrugt  etwa  31*.  Der  circumzenithale 
Bogen  von  Bravais  hätte  bei  dieser  Sonnenhöhe  (51*  51' — 
45*  44'=)  6*  7'  höher  erscheinen  müssen  als  der  Halo  von 
46*.  Aber  Lowitz  zeichnet  den  Berührungsbogen,  d.  h. 
er  stellt  den  Halo  von  46*  so  dar,  daß  der  fragliche  Bogen 
denselben  voll  berührt.  Es  wäre  ganz  ausgeschlossen,  daß 
Lowitz  einen  Bogen,  der  6*  vom  Halo  abgestanden  hätte,  in 
Kontakt  mit  ihm  gezeichnet  hätte,  besonders  da  er  ausdrück- 
lich erklärt,  daß  er  das  Phänomen  »mit  der  allergrößten 
Genauigkeit  aufzeichnete«.  Überdies  sagt  Lowitz  in  der 
Beschreibung  dieses  oberen  Bogens,  daß  derselbe  den  Halo 
von  46*  »gehörnt  erscheinen  ließ«.  Das  hätte  er  nicht  können, 
wenn  er  6*  vom  Halo  abgestanden  hätte. ^   Wir  haben  also 


1  Siehe  meine  Meteorolog.  Optik,  p.  222. 

<  Dies  schließt  Bravais  selbst  daraus,  daß  die  Erscheinung  um  7^30™ 
mor:gens  am  18.  Juli  begann  und  in  St.  Petersburg  um  diese  Zeit  die  Sünnen- 
höhe  etwa  31**  beträgt.  Später  wäre  sie  noch  höher.  (Sur  les  Halos,  p.  109.) 

3  Bravais  gibt  die  Tatsache  der  Berührung  des  Bogens  mit  dem  Halo 
zu  nnd  erklärt  sie  dann  durch  starkes  Pendeln  der  Eiskristalle.  Ganz  richtig ; 
dieses  Pendeln  ist  stets  vorausgesetzt  bei  der  Erzeugung  des  Berührungsbogens 
bei  Sonnenhöhen,  die  von  22°  8'  verschieden  sind,  und  es  ist  eigentlich  ein 
Abgehen  Brav ais' von  seiner  Theorie,  die  vertikale  Achsen   und  horizontale 


32  J.  M.  Pernter, 

hier  den  gesuchten  Beweis,  der  jeden  Zweifel  an  der  Tatsäch- 
lichkeit des  Berührungsbogens  ausschließt:  den  den  Halo  von 
46"  berührenden  Bogen,  bei  einer  Sonnenhöhe  von  31"*,  wo 
der  circumzenithale  Bogen  von  Bravais  selbst  vom  äußeren 
Rande  des  Halo  noch  um  4**  abstehen  müßte. 

Um  zu  entscheiden,  ob  die  übrigen  Bögen,  deren 
Messungen  in  der  obigen  Tabelle  mitgeteilt  sind,  und  die 
zahlreichen  anderen  beobachteten  Bögen,  von  denen  keine 
Messungen,  sondern  nur  Beschreibungen  vorliegen,  zu  den 
Berührungsbögen  oder  zu  den  circumzenithalen  Bögen  ge- 
hörten, müssen  wir  die  beiden  weiteren,  oben  sub  bj  und  c) 
angeführten  Kriterien  heranziehen. 

Das  zweite  Kriterium  für  die  beiden  Bögen  läßt  sich 
folgendermaßen  formulieren:  läuft  der  Bogen  in  seiner  ganzen 
Ausdehnung  streng  parallel  mit  dem  Horizonte,  so  ist  er  ein 
circumzenithaler  Bogen,  wenden  sich  die  rechts  und  links  von 
der  Mitte  des  Bogens  liegenden  Äste  desselben  zenithwärts 
oder  im  weiteren  Verlaufe  gegen  den  Horizont,  so  ist  er  ein 
Berührungsbögen. 

Wir  haben  eingangs  gesehen,  daß  Bravais  die  Horizon- 
talität  als  die  maßgebendste  und  eigentlich  charakteristische 
Eigenschaft  auffaßte,  und  zwar  für  alle  zur  Beobachtung 
gekommenen  Bögen  dieser  Art.  Er  ging  deshalb  so  weit,  die 
Existenz  des  eigentlichen  Berührungsbogens,  wie  ihn  die 
Theorie  von  Galle  verlangt,  zu  leugnen;  für  ihn  gibt  es  nur 
den  circumzenithalen  Bogen. 

Wir  werden  daher  in  erster  Linie  zu  untersuchen  haben, 
ob  denn  die  auf  Grund  der  vorliegenden  Beobachtungen 
behauptete  Horizontalität  in  der  Tat  in  allen  Fällen  so  zweifel- 
los feststeht,  wie  es  Bravais  glaubt  annehmen  zu  müssen. 
Wir  wissen  schon,  daß  nicht  eine  einzige  Messung  dieser  Art 
vorliegt,  welche  diese  Horizontalität  experimentell  feststellen 


Basisflächen  der  Eiskristalle  voraussetzt  Er  sieht  sich  übrigens  öfters  ge- 
zwungen, bei  Erklärung  mehrerer  Beobachtungen  dieses  Bogens  zu  pendelnden 
Kristallen  die  Zuflucht  zu  nehmen.  Es  wäre  naturgemäßer,  zwei  verschiedene 
Bögen  zuzunehmen:  den  Berührungsbögen  und  den  circumzenithalen;  siehe 
unten  p.  43. 


Tlieorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  33 

würde.^  Allerdings  ist  es  aus  der  Theorie  sicher,  daß  jene 
Bögen,  welche  durch  die  Messungen  von  Ekama  und  Besson 
als  Bravais'sche  circumzenithale  Bögen  sich  ergaben,  zweifel- 
los horizontal  waren.  Aber  von  den  übrigen  zahlreichen 
Beobachtungen  haben  wir  keine,  seien  es  direkte,  seien  es  in- 
direkte Beweise  für  die  Horizontal ität.  Bei  einem  sehr  großen 
Teile  der  vorliegenden  Beobachtungen  ist  allerdings  die 
Bemerkung  gemacht,  daß  er  horizontal  schien  oder  daß  er 
seinen  Mittelpunkt  im  Zenith  zu  haben  schien,  allein  das  war 
eben  nur  der  Eindruck,  den  der  Beobachter  hatte,  ohne  exakte 
Feststellung,  daß  der  Schein  objektive  Wirklichkeit  war.  Es  ist 
daher  mit  Recht  vorerst  zu  untersuchen,  ob  der  Schein  der 
Horizontalität  bei  diesen  Bögen  etwa  nicht  durch  die  Umstände, 
unter  welchen  sie  sich  zeigen,  verursacht  wird,  ohne  daß  eine 
strenge  Horizontalität  vorhanden  ist. 

Diese  Bögen  entstehen  fast  ausschließlich  in  sehr  großen 
Höhen  über  dem  Horizonte;  selbst  bei  Sonnenhöhen  von  nur 
10**  müssen  sie  schon  56*,  bei  15"  Sonnenhöhe  aber  61"*  hoch 
über  dem  Horizonte  erscheinen;  bei  noch  größeren  Sonnen- 
höhen von  18  bis  24**,  bei  welchen  diese  Bögen  am  öftesten 
beobachtet  wurden,  liegen  sie  schon  mehr  als  64**  über  dem 
Horizonte.  Wir  wissen  aber,^  daß  uns  schon  bei  Winkelhöhen 
von  50°,  und  noch  entschiedener  bei  größeren,  das  Himmel- 
gevvölbe  derart  flach  und,  man  möchte  sagen,  horizontal 
erscheint,  daß  man  Erscheinungen,  die  in  diesen  Höhen  auf- 
treten, wenn  sie  keine  nennenswerte  Längserstreckung  haben, 
ohneweiters  im  Zenith  zu  sehen  glaubt.  Wenn  nun  eine 
Längserstreckung  vorhanden  ist,  wie  bei  unseren  Bögen,  so 
hält  man  sie  für  horizontal  und  wenn  sie  im  Bogen  um  den 
Zenith  sich  erstreckt,  wird  man  wegen  der  dem  Auge  stets 
horizontal    erscheinenden   Ausdehnung   den    Zenith   als   den 


^  Durch  Beobachtung  wäre  diese  mittels  eines  in  Altazimut  montierten 
Lineales  (Diopters)  dadurch  festzustellen,  daß  man  dasselbe  auf  die  Mitte  ein- 
stellte, dann  muß  bei  der  Drehung  um  die  vertikale  Achse  des  Instrumentes  der 
Bogen  ununterbrochen  im  Visierfeld  des  Lineales  bleiben;  der  Visierpunkt  des 
Lineals  muß  einen  mit  dem  Horizonte  parallelen,  mit  dem  Bogen  zusammen- 
fallenden Kreisbogen  beschreiben. 

2  Siehe  Meteorolog.  Optik,  p.  22. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  3 


34  J.  M.  Pernter, 

Mittelpunkt  des  Bogens  annehmen,  jedenfalls  so  lange,  als  man 
sich  dem  unmittelbaren  Sinneneindrucke  überläßt.  Dies  wird 
um  so  mehr  der  Fall  sein,  wenn  der  Bogen  in  Wirklichkeit 
nahezu  horizontal,  ohne  stärkere  Ein-  oder  Ausbiegungen, 
verläuft,  wie  dies  gerade  bei  dem  Berührungsbogen  des  Halo 
von  46*  bei  den  Sonnenhöhen  von  etwa  20  bis  36**  der  Fall 
ist*  Der  Schein  der  Horizontalität  für  das  Auge,  der  un- 
willkürliche Sinneneindruck,  findet  hiedurch  eine  genügende 
Erklärung.  Daß  trotzdem  Bravais  gerade  zur  Erklärung  der 
Horizontalität  seine  Theorie  der  circumzenithalen  Bögen  ent- 
warf, die  heute  durch  Ekama  und  Besson  für  gewisse 
Fälle  ihre  Bestätigung  fand,  muß  uns  mit  Dankbarkeit  und 
Befriedigung  über  den  so  erzielten  Fortschritt  in  dem  Ver- 
ständnisse der  Haloerscheinungen  erfüllen. 

Wenn  wir  so  gesehen  haben,  daß  für  Sonnenhöhen  von 
etwa  22**  und  darüber  die  Erscheinung  der  Horizontalität  auch 
am  eigentlichen  Berührungsbogen  eine  unwillkürliche,  wohl 
unausweichliche  ist,  so  mag  man  wohl  bei  niedrigeren  Sonnen- 
höhen, mit  größerer  Aufmerksamkeit  und  unter  günstigen 
Verhältnissen  (wenn  die  Kurve,  welche  den  minimal  abgelenkten 
Strahlen  entspricht,  ohne  eine  merkliche  Verbreiterung  durch  die 
nicht  im  Minimum  der  Ablenkung  wirksamen  Strahlen  er- 
litten zu  haben,  erscheint)  erkennen,  daß  die  Äste  links  und 
rechts  von  der  Mitte  des  Bogens  »nach  oben«  dem  Zenith  zu 
sich  biegen.  In  der  Tat  besitzen  wir  vier  Beobachtungen,  bei 
welchen  dies  ausdrücklich  von  den  Beobachtern  hervor- 
gehoben wird. 

Die  erste  dieser  vier  Beobachtungen  rührt  von  Maraldi 
her,  der  sie  am  27.  Februar  1721  machte  und  in  den  Memoires 
de  l'Academie  des  Sciences  pour  1721,  p.  231,  beschreibt.  Er 
sagt  ausdrücklich,  daß  die  Enden  des  Bogens  gegen  den  Zenith 
sich  wendeten;'-^  die  Sonnenhöhe  betrug  15*  3(y. 

1  Siehe  in  Metcorolog.  Optik,  p.  371.  die  Zeichnung.  Die  dargestellten 
Kurven  sind  gezeichnet  ohne  Berücksichtigung  der  gewiß  sie  verbreiternden 
und  ausgleichenden,  nicht  im  Minimum  der  Ablenkung  wirksamen  Strahlen. 
36®  ist  wohl  nur  ein  idealer  Fall. 

3  »Scs  extremites  regardaient  le  Zenith.«  —  Bravais,  Sur  ies  Halos, 
p.  103. 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  35 

Zwei  weitere  Beobachtungen  rühren  von  Gmelin  her;* 
in  der  Beschreibung  wird  bei  beiden  der  Ausdruck  verwendet : 
»arcus  cruribus  sursum  versis«. 

Endlich  viertens  die  Beobachtung  von  Chetwode,*  der 
den  Bogen  in  Form  eines  großen  zunehmenden  Mondes  sah. 

Bravais  versucht,  diesen  deutlichen  Beschreibungen  der 
drei  Beobachter  eine  andere  Bedeutung  zu  geben  —  ganz 
mit  Unrecht;  die  Theorie  der  eigentlichen  Berührungsbögen 
erklärt  diese  Beschreibungen  auf  das  natürlichste  und  beste. 
Nach  der  letzteren  Theorie  sind  die  Äste  des  Bogens  um  so 
deutlicher  »nach  oben«,  dem  Zenith  zu  gebogen,  je  niedriger 
die  Sonnenhöhe  ist;  bei  Sonnenhöhen  wenig  unter  20*  ist  dies 
schon  erkennbar  und  wird  bei  15°  sogar  recht  deutlich  wahr- 
nehmbar. Die  Höhe  der  Sonne  war  bei  der  Beobachtung  von 
Maraldi  15**  3(y  und  bei  der  ersten  von  Gmelin  17**;  die 
Höhe  des  Mondes  war  bei  der  zweiten  Beobachtung  von 
Gmelin  17**  45',  bei  der  von  Ch  et  wo  de  aber  19**.  Es  liegt  da 
kein  Grund  vor,  die  Beschreibungen  anders  zu  deuten,  •  als 
sie  lauten,  es  handelt  sich  einfach  um  den  eigentlichen 
Berührungsbögen  in  allen  vier  Fällen,  und  so  beweisen  diese 
vier  Beobachtungen  wieder,  daß  auch  der  eigentliche  Be- 
rührungsbögen in  der  Natur  tatsächlich  sich  bildet. 

Erbringen  diese  vier  Beobachtungen  durch  die  Be- 
schreibungen selbst  den  vollen  und  entscheidenden  Beweis, 
daß  es  auch  solche  Bögen  gibt,  die  nicht  streng  parallel  mit 
dem  Horizonte  verlaufen  und  daher  nicht  circumzenithale 
Bögen  sein  konnten,  so  ergeben  die  Ausmessungen  von  gar 
manchen  Zeichnungen  von  Haloerscheinungen,   bei  welchen 


1  Sie  werden  von  Braun  in  den  Novi  Commentarii,  die  erste  in  t.  VI, 
p.  464,  die  andere  in  t.  XI,  p.  343,  mitgeteilt  —  Bravais,  1.  c,  p.  104 
und   105. 

3  Bravais,  1.  c,  p.  106:  >a  la  forme  d'un  grand  croissant«. 

3  Maraldi's  Bemerkung,  dafi  er  den  Radius  des  Bogens  auf  46^  schätzte, 
bietet  Bravais  einen  Anhaltspunkt  zum  Zweifeln.  Allein  es  mußte,  gerade 
wenn  es  sich  um  den  eigentlichen  Berührungsbögen  handelte,  die  Öffnung  des 
Bogens  eine  bedeutend  größere  sein  als  beim  circumzenithalen  Bogen.  Die 
Zweifel  Bravais'  bei  den  anderen  zwei  Beobachtungen  sind  aber  ganz  ohne 
jedwede  Unterlage. 

3* 


36  J.  M.  Pernter, 

auch  unser  Bogen  vorkommt,  einen  Verlauf  des  Bogens,  der 
nicht  parallel  mit  dem  Horizonte,  nicht  circumzenithal  ist.  Ich 
finde  solche  Zeichnungen,  unter  den  von  Bravais  selbst  repro- 
duzierten, vier: 

1.  Die  Zeichnung  der  Beobachtung  vom  24.  Jänner  1684, 
die  Colbius  selbst  gegeben  hat,  reproduziert  bei  Bravais, 
Taf.  III,  Fig.  106; 

2.  die  von  Zahn  gegebene  Zeichnung  seiner  Beobachtung 
vom  1.  März  1688,  reproduziert  bei  Bravais,  Taf.  III,  Fig.  107; 

3.  Parry's  Zeichnung  seiner  Beobachtung  vom  5.  April 
1820,  reproduziert  von  Bravais,  Taf.  IV,  Fig.  135;  endlich 

4.  die  Zeichnung  der  Beobachtung  von  Hof*s  vom  21.  Mai 
1824,  reproduziert  von  Bravais,  Taf.  IV,  Fig.  136. 

Es  ist  richtig,  Zeichnungen  solcher  Erscheinungen  taugen 
gewiß  nicht  zur  Erbringung  eines  eigentlich  strengen  Beweises, 
sie  zeigen  aber  immerhin,  daß  die  Auffassung  der  Beobachter 
nicht  die  eines  circumzenithalen  Bogens  war,  und  dienen  neben 
den  oben  erbrachten  vier  direkten  Beweisen  als  weitere  Be- 
gründungen. 

So  hat  sich  ebenfalls  aus  der  Untersuchung  über  das 
zweite  Kriterium  mit  Sicherheit  ergeben,  daß  dasselbe  wirklich 
in  der  Natur  vorgekommene  Bögen  als  eigentliche  Berührungs- 
bögen  des  Halo  von  46°  erwiesen  hat  und  somit  die  Tatsäch- 
lichkeit auch  der  letzteren  neuerlich  festgestellt  erscheint. 

Es  erübrigt  uns  noch,  durch  die  Untersuchung  der  vor- 
liegenden Beobachtungen  auf  Grund  des  Eintreffens  des  dritten 
Kriteriums  den  Beweis  zu  -erbringen,  daß  beide  Bögen,  der 
eigentliche  Berührungsbogen  und  der  circumzenithale  Bogen 
von  Bravais,  tatsächlich  in  der  Natur  vorkommen.  Ist  das 
Prinzip  richtig,  daß  eine  auffallende  Leuchtkraft,  Glanz  und 
Pracht  der  Farben  nur  beim  Durchgang  der  Strahlen  in  der 
Minimumablenkung  auftreten  kann,  so  handelt  es  sich  in  allen 
jenen  Fällen,  wo  die  Beobachter  diese  herrliche  Pracht  in  Glanz 
und  Farbe  hervorheben,  um  den  eigentlichen  Berührungs- 
bogen. 

Da  Bravais  dieses  Prinzip  zwar  selbst  auch  aufgestellt 
und  anerkannt  hat,  es  jedoch  bei  der  Anwendung  auf  unseren 
Fall  in  die   zweite   Linie  gestellt  und  praktisch  außer    acht 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  37 

gelassen  hat,  so  muß  ich  diesen  Punkt  gerade  in  Bezug  auf  den 
Berührungsbogen  vollkommen  klarstellen. 

Galle^  hatte  die  Ansicht  geäußert,  daß  es  für  die  Wirk- 
samkeit der  Strahlen  beim  Durchgang  durch  die  Eisprismen 
nötig  sei,  daß  die  Eisprismen  in  der  Minimumstellung  der  Ab- 
lenkung sich  befinden.  Bravais  bemerkt  dagegen  mit  Recht, 
daß  auch  bei  anderen  Stellungen  die  Strahlen  wirksam  sind, 
und  nennt  diese  Wirksamkeit-  »efficacite  par  dispersion 
conique*.  Er  unterscheidet  daher  sehr  zutreffend  eine  zwei- 
fache Wirksamkeit  der  Strahlen,  die  Wirksamkeit  durch  die 
Minimalablenkung  und  die  Wirksamkeit  durch  konische  Dis- 
persion. Allein  diese  beiden  Fälle  von  Wirksamkeit  der  durch 
Eisprismen  hindurchgegangenen  Strahlen  sind  von  sehr  ver- 
schiedener Intensität.  Die  Wirksamkeit  durch  konische  Dis- 
persion kommt  allen  Strahlen  zu,  die  durch  das  Eis- 
prisma noch  hindurchgehen  können;  die  Dispersion  heißt 
konisch,  weil  die  am  Himmel  gleiche  Fluchtpunkte  besitzenden 
Achsen  der  Eisprismen  gleich  orientiert  sind  und  so  die  Achse 
eines  Kegels  durch  diese  gemeinsame  Orientierungslinie  gebildet 
erscheint  und  die  durchgehenden  Sonnenstrahlen  am  Umfange 
der  Basis  dieses  Kegels  eine  Lichterscheinung,  eine  Halo- 
erscheinung,  erzeugen  müssen.  Es  wird  von  der  Orientierung 
der  Achsen  der  Eiskristalle  einerseits  und  der  Höhe  der  Sonne 
andrerseits  abhängen,  ob  der  Strahlendurchgang  einem  Mini- 
mum der  Deviation  entspricht  oder  aber  nicht,  stets  aber  wird 
die  erzeugte  Haloerscheinung  der  Wirksamkeit  durch  konische 
Dispersion  entsprechen,  auch  bei  der  Minimalablenkung. 

Die  durch  Minimalablenkung  entstandenen  Haloerschei- 
nungen werden  daher  die  Wirksamkeit  ihrer  Strahlen  gleich- 
zeitig der  konischen  Dispersion  und  der  Minimalablenkung 
verdanken. 

Da  somit  die  konische  Dispersion  stets  mitwirkt,  wird  die 
größere  oder  geringere  Intensität  der  Erscheinung  davon  ab- 
hängen, ob  diese  konische  Dispersion  näher  oder  ferner  von 
der  Minimumablenkung  stattfindet,  und  sie   wird  am  größten 


1  Pogg.  Ann.,  Bd.  49,  p.  22  und  243,  sowie  p.  264. 

2  Sur  les  Halos,  p.  94,  insbesonders  p.  23. 


38  J.  M.  Pernter, 

sein  bei  vorhandener  Minimumablenkung  der  die  Haloerschei- 
nung  erzeugenden  Strahlen. 

Was  den  Unterschied  der  Intensität  der  wirksamen  Strahlen 
in  der  Minimumablenkung  und  außerhalb  derselben  betrifft,  so 
ist  er  in  der  Physik  allbekannt;  es  möge  aber  Bravais  selbst 
zum  Worte  kommen;  er  sagt:  ^ 

» MaisTeclairement  est  tres  difTerent  vers  ces  deux  limites: 
ä  la  premiere  correspond  un  minimum  de  deviation  dans 
Tacception  analytique  de  ce  terme;  de  lä  une  grande  accumu- 
lation  de  clarte  vers  ce  point.  Rien  de  semblable  n'a  lieu  vers 
Tautre  limite  et  l'eclairement  diminue  rapidement  ä  mesure  que 
Ton  s*en  rapproche.  Si  Ton  part  de  la  position  qui  donne  la 
deviation  minimum  et  si  Ton  fait  tourner  le  prisme  de  degre  en 
degre  ....  jusqu'ä  ce  que  le  rayon  immergent  se  confonde 
avec  la  face  d'entree,  on  obtiendra  pendant  cette  rotation  .... 
une  Serie  de  rayons  emergents  dont  la  divergence  va  rapidement 
en  croissant,  en  s'approchant  ä  la  seconde  limite,  ce  qui  attenu- 
era  l'eclairement  correspondant.  En  outre,  sous  les  incidences 
tres  obliques,  la  lumiere  reflechie  augmentant  dans  une  forte 
Proportion,  Timage  par  refraction  eprouvera  un  affaiblissement 
dans  son  intensite. « 

Er  fährt  dann  mit  Bezug  auf  die  Nebensonnen  von  22**  fort: 

» II  y  aura  donc  ä  droite  et  ä  gauche  dCi  soleil  deux  lignes 
lumineuses  horizontales  s'etendants  depuis  les  points  situes  ä 
21  *  50'  de  distance  de  Tastre,  ou  l'eclairement  sera  tres  intense, 
jusqu'ä  43*  28',  ou  l'eclairement  cessera  par  des  degres  insen- 
sibles. La  partie  brillante  la  plus  voisine  du  soleil  et  correspon- 
dante  au  maximum  de  clarte,  est  le  parhelie  proprement  dit;  le 
prolongement  lumineux  oppose  au  soleil,  est  la  queue  du  par- 
helie. L'efficacite  du  parhelie  proprement  dit  est  due  aux 
deux  causes  reunies  de  la  dispersion  conique  et  du 
minimum  de  deviation.« 

So  ist  also  auch  nach  Bravais*  eigener  Auffassung,  der 
er  übrigens  auch  sonst  im  Laufe  seiner  Schriften  Ausdruck 
gibt,  die  Minimalablenkung  notwendig,  um  den  größten  Glanz 


1  Sur  les  Halos,  p.  26. 


Theorie  der  »schönsten  der  Halperscheinungen«.  39 

bei  einer  Erscheinung  zu  erzielen.  Ich  setze  zur  Exemplifi- 
zierung  gerade  bei  denNebensonnen  von  22°  an.  Der  Glanz  der 
Nebensonne  nimmt  schon  sehr  nahe  nebenan  im  Schweif  sehr 
rasch  ab  und  2°  außerhalb  der  Nebensonne,  d.  h.  24  bis  25** 
von  der  Sonne  ist  der  Glanz  derart  gedämpft,  dai3  ihn  das 
Auge  ohne  Schutz  vertragen  kann.  Im  Schweife  haben  wir  es 
mit  den  Strahlen  außerhalb  der  Minimumablenkung  zu  tun  und 
schon  eine  Abweichung  von  einigen  Graden  von  dieser  bringt 
eine  so  starke  Schwächung  mit  sich.  Sehen  wir  uns  nun  den 
Fall  beim  circumzenithalen  Bogen  von  Bravais  an.  Nur  bei 
der  Sonnenhöhe  von  22**  8'  gehen  bei  vertikaler  Achse  der 
säulenförmigen  Prismen  die  Sonnenstrahlen  im  Minimum  der 
Ablenkung  durch  die  Eiskristalle  und  nur  bei  dieser  Sonnen- 
höhe könnte  also  die  Beschreibung  zutreffen,  daß  der  Bogen 
»die  strahlendste  aller  Haloerscheinungen  sei«;  bei  Sonnen- 
höhen, welche  mehrere  Grade  größer  oder  kleiner  sind  als 
22  **  8',  muß  dieser  blendende  Glanz  verschwinden  und  um  je 
mehr  Grade  die  Sonnenhöhe  von  der  genannten  abweicht,  um 
so  mehr  muß  sein  Glanz  verblassen. 

Dazu  kommt,  daß  selbst  bei  22°  8'  Sonnenhöhe  nur  die 
Mitte  des  Bogens,  welche  genau  im  Vertikal  der  Sonne  liegt, 
bei  dem  circumzenithalen  Bogen  von  Bravais  die  Intensität 
der  Minimumablenkung  haben  und  nur  ein  paar  Grade  links 
und  rechts  einigerniaßen  stark  leuchten  kann;  die  mehr  als 
etwa  3°  links  und  rechts  von  der  Mitte  befindlichen  Stellen  des 
Bogens  müssen  sicher  ebenso  an  Intensität  verloren  haben 
wie  die  3°  von  der  Nebensonne  abstehenden  Partien  des 
Schweifes  derselben.  Bei  anderer  als  der  günstigsten  Sonnen- 
höhe wird  schon  die  Mitte  des  Bogens  an  Intensität  geschwächt 
sein,  die  links  und  rechts  gelegenen  Partien  aber  schon  in  der 
Nähe  der  Mitte  des  Bogens  rasch,  ja  rapid  an  Leuchtkraft  ver- 
lieren, so  daß  sie  niemals  der  Beschreibung  des  herrlichen 
Glanzes  des  oberen  Berührungsbogens,  der  »brillantesten  aller 
Haloerscheinungen  «,  gerecht  werden  können. 

Gilt  dies  von  der  Intensität,  dem  Glänze,  der  Pracht  der 
ganzen  Erscheinung,  so  gilt  es  auch  von  den  einzelnen 
Farben,  d.  h.  dem  Leuchten  und  der  Kraft  dieser  Farben,  aus 
demselben  Grund.  Aber  auch  bezüglich  der  Reinheit  der  Farben 


40  J.  M.  Pernter, 

wird  eine  Vervvaschung  eintreten,  wenn  die  Erscheinung  nicht 
durch  Minimumablenkungen  entstanden  ist.  Dies  ist  jedem  be- 
kannt, der  das  Sonnenspektrum  durch  ein  Prisma  öfter  ent- 
worfen hat;  man  erkennt  das  Einspielen  des  Prismas  in  die 
Minimumstellung  nicht  nur  an  dem  Kürzerwerden  des  Spek- 
trums, sondern  auch  an  der  Reinheit  und  dem  Glänze  der 
Farben. 

Die  begeisterte  Beschreibung  über  den  Glanz  und  das 
Leuchten  »reiner  Regenbogenfarben«  trifft  nicht  zu  für  die 
Farben  eines  Bogens,  der  nicht  durch  Minimumablenkungen 
entstanden  ist.  Besonders  bei  einer  ausgedehnten  Lichtquelle 
ist  die  Überlagerung  der  Farben  bei  anderen  als  Minimum- 
ablenkungen außerordentlich  groß  und  zerstört  durch  Farben- 
mischung sehr  stark  die  Reinheit  und  Schönheit  der  Farben. 
Wir  werden  unten  an  den  Beobachtungen  zeigen,  daß  auch  bei 
Sonnenhöhen,  die  stark  von  der  für  die  Bravais'schen  Circum- 
zenithalbögen  günstigsten  Sonnenhöhe  abweichen,  die  beob- 
achteten Bögen  als  herrlich  leuchtend  in  Glanz  und  Farbe  be- 
schrieben werden. 

Es  ist  jedoch  beim  Glänze  und  der  Intensität  der  Erscheinung 
wohl  zu  beachten,  daß  dieser  Glanz  aus  verschiedenen  Ur- 
sachen stark  vermindert  und  tief  herabgesetzt  werden  und  da- 
her nicht  nur  fehlen  kann,  weil  die  erzeugenden  Eisprismen 
nicht  in  der  Minimumstellung  sich  befinden,  sondern  auch  dann, 
wenn  diese  maßgebende  Bedingung  für  das  Auftreten  eines  be- 
sonderen Glanzes  erfüllt  ist. 

Wir  wissen,  daß  die  Nebensonnen  von  22  *,  welche  diese 
Bedingung  stets  erfüllen,  oft  schwach  glänzend  und  fast  farb- 
los auftreten.  Ursachen  hiefür  gibt  es  mehrere,  z.  B.  vorge- 
lagertes Zirrusgewölk  mit  anders  orientierten  Eisprismen, 
geringe  Anzahl  günstig  orientierter  Eisprismen  in  der  er- 
zeugenden Wolke,  zwischen  Sonne  und  Nebensonne  einge- 
schobene nicht  wirksame  Wolken  und  vielleicht  noch  andere. 
Das  Fehlen  des  Glanzes  ist  daher  auch  kein  Beweis  dafür,  daß 
die  Erscheinung  nicht  durch  Eisprismen  in  der  Minimum- 
stellung erzeugt  wurde.  Aber  das  Vorhandensein  des  bewun- 
derten Glanzes  ist  zweifellos  ein  positives  Zeichen  für  das  Ent- 


Theorie  der  «schönsten  der  Haloerscheinungen«.  41 

Stehen  der  Erscheinung  durch  Eisprismen,  die  sich  im  Minimum 
der  Ablenkung  befinden. 

Wir  können  nun  an  den  Beobachtungen  nachweisen,  daß 
durch  das  wiederholte  Vorkommen  eines  besonders  auf- 
fallenden Farbenglanzes  die  Wirklichkeit  des  eigentlichen 
oberen  Berührungsbogens  des  Halo  von  46*  festgestellt  er- 
scheint. 

Allerdings  ist  dieses  Kriterium  nur  für  die  Tatsächlichkeit 
des  Berührungsbogens  verwendbar,  denn  das  Fehlen  des 
ungewöhnlichen  und  auffallenden  Glanzes  beweist,  wie  wir 
gerade  sahen,  nicht,  daß  der  Bogen  nicht  der  Berührungsbogen 
ist  Man  beachte  ferner,  daß  auch  für  den  Berührungsbogen 
der  Beweis  nur  dann  entscheidend  ist,  wenn  die  Sonnenhöhe 
nicht  22°  8'  ist  oder  in  der  Nähe  dieses  Wertes  liegt;  denn  bei 
22'  8'  sind  auch  für  die  Entstehungsweise  des  circumzenithalen 
Bogens  die  (vertikalen)  Eisprismen  im  Minimum  der  Ablenkung 
für  die  einfallenden  Sonnenstrahlen  und  wird  es  daher  auch 
hiebe!  zu  auffallendem  Glänze  der  Erscheinung  kommen 
können.  Ich  will  daher  die  Sonnenhöhen  von  19  bis  25*  unbe- 
rücksichtigt lassen. 

Ich  finde  unter  den  von  Bravais*  mitgeteilten  Beobach- 
tungen folgende  für  unsere  Frage  entscheidende : 

1.  Beobachtung  von  Weidler  am  31.  Dezember  1735  bei 
einer  Sonnenhöhe  von  15*3(y.  Der  Bogen  »glich  einem  schönen 
Regenbogen«. 

2.  Beobachtung  eines  Ungenannten  in  Kent  vom  19..  De- 
zember 1741  bei  einer  Sonnenhöhe  von  15"  30'.  »Der  Bogen 
war  sehr  strahlend  und  von  den  lebhaftesten  Farben«. 

3.  Beobachtung  von  Folkes  vom  17.  September  1737  bei 
einer  Sonnenhöhe  von  16**  30'.  Man  sah  den  Halo  von  22 **  mit 
seinem  oberen  Berührungsbogen,  den  Halo  von  46**  mit  seinem 
oberen  Berührungsbogen,  die  Nebensonnen  mit 
Schweifen;  der  obere  Berührungsbogen  des  Halo  von  46** 
»war  die  herrlichste  Erscheinung  unter  allen«,  also  strahlender 
als  die  Nebensonnen,  welche  offenbar  sehr  schön  auftraten,  weil 
ihre  Schweife  sichtbar  waren. 


1  Sur  les  Halos,  p.  102  bis  108. 


42  J.  M.  Pernter, 

4.  Beobachtung  von  Parry  vom  29.  März  1825;  Sonnen- 
höhe 16**  36'.  »Kurzes  Segment  farbenglänzend  wie  ein  herr- 
licher Regenbogen.« 

5.  Beobachtung  von  Verdries  vom  7. Februar  1742  (a.  St.). 
Sonnenhöh  e  1 7  ** . »  Halonis  segmentum  iridis  coloribus  elegantibus 
et  satis  distinctis  conspicuum.« 

6.  Beobachtung  von  Baxter  vom  22.  Jänner  1771  bei  einer 
Sonnenhöhe  von  18°  30'.  Der  Bogen  wird  als  »sehr  strahlend« 
bezeichnet. 

7.  Beobachtung  von  Havel  vom  20.  Februar  1661  bei 
einer  Sonnenhöhe  von  25°.  DerBerührungsbogen  von  46°  wird 
als  sehr  schön  und  sehr  strahlend  beschrieben. 

8.  Beobachtung  von  Hofs  vom  21.  Mai  1824  bei  einer 
Sonnenhöhe  von  25°.  »Die  Farben  des  Bogens  strahlten  in 
außerordentlichem  Glänze.« 

Bravais  führt  noch  für  die  Sonnenhöhen  von  19  bis  25° 
neun  Beobachtungen  an,  welche  diesen  Bogen  mit  besonderem 
Glänze  und  Schönheit  der  Farben  ausgestattet  beschreiben, 
doch  ich  führe  dieselben  nicht  ausführlich  an,  weil  man  doch 
auch  in  der  Theorie  Bravais'  bei  diesen  Sonnenhöhen  einen 
größeren  Glanz  der  Erscheinung,  besonders  bei  solchen  von 
22  bis  24°,  erwarten  kann. 

In  Bezug  auf  den  circumzenithalen  Bogen  von  Bravais 
läßt  sich  dieses  Kriterium  nicht  zu  direkter  Beweisführung  für 
seine  Tatsächlichkeit  benützen,  denn  wir  sahen,  daß  das  Fehlen 
der  besonderen  Leuchtkraft  und  Farbenpracht  durch  Ursachen 
bewirkt  werden  kann,  welche  auch  den  eigentlichen  Be- 
rührungsbogen  des  strahlenden  Glanzes  berauben.  Wohl  aber 
mag  erwähnt  sein,  daß  die  Bögen,  welche  zweifellos  circum- 
zenithale  Bögen  waren,  von  ihren  Beobachtern  nicht  als  farben- 
prächtig und  strahlend  beschrieben  werden;  Ekama  macht 
überhaupt  keine  Bemerkung  hierüber  und  auch  Besson  hebt 
nirgends  die  ungewöhnliche  Schönheit  und  den  besonderen 
Glanz  des  Bogens  hervor.  Die  Beobachtungen  ergeben  daher, 
daß  die  vorhandenen  Beschreibungen  dem  aufgestellten  Kri- 
terium bestens  entsprechen  und  die  Wirklichkeit  der  eigent- 
lichen Berührungsbögen  bekräftigen. 


Theorie  der  »schönsten  der  Halocrscheinun^icn«,  43 


O' 


4.  Die  Orientierung  der  Eiskristalle  in  der  Luft. 

EHe  Verschiedenheit  der  Auffassungen  bezüglich  der  Ent- 
stehung dieser  Bögen  bei  Galle  und  Bravais  ist  wohl  beider- 
seits auf  Vorstellungen  zurückzuführen,  die  nicht  als  allgemein 
gültig  sich  erweisen,  von  ihnen  aber  als  exklusiv  richtige 
angesehen  werden.  Daß  die  Voraussetzung  von  Galle,  zur 
Wirksamkeit  der  durch  die  Eisprismen  durchgehenden  Strahlen 
sei  es  absolut  notwendig,  daß  sie  im  Minimum  der  Ablenkung 
ein-  und  austreten,  nicht  exklusiv  richtig  ist,  hat  Bravais,  wie 
wir  oben  sahen,  erkannt  und  her\'orgehoben.  -  Es  ergibt  sich 
hieraus,  daß  der  eigentliche  Berührungsbogen  nicht  der  allein 
n:5gliche  ist  und  die  Beobachtung  hat  gezeigt,  daß  er  nicht  der 
allein  tatsächlich  vorkommende  ist.  Es  ist  sicherlich  ein  großes 
Verdienst  Bravais*,  dies  gegenüber  der  Theorie  von  Galle 
gezeigt  zu  haben,  wie  es  sein  Verdienst  ist,  auch  die  Theorie 
der  Entstehung  eines  anderen,  des  circumzenithalen  Bogens, 
gegeben  zu  haben,  dessen  wirkliches  Vorkommen  spätere  Be- 
obachtungen nun  bewiesen  haben.  Aber  Bravais  ist  andrer- 
seits in  denselben  Fehler  verfallen  wie  Galle,  indem  er  auch 
nur  eine  Möglichkeit  der  Bildung  eines  Bogens  durch  Eis- 
prismen von  90**  brechendem  Winkel  in  dem  großen  Sonnen- 
abstand von  46*  und  darüber  zugab,  also  wieder  exklusiv 
nur  Bildung  solcher  Bögen  nach  seiner  Theorie  für  möglich 
hielt.  Darin  ist  er  offenbar  fehlgegangen,  wie  wir  wohl  schon 
aus  den  Beobachtungen  gezeigt  haben,  wie  wir  aber  auch  aus 
allgemeinen  Gesichtspunkten  der  natürüchen  Orientierung  und 
der  Art  des  Schwebens  der  Eiskristalle  in  der  Luft  ganz  evident 
zu  machen  in  der  Lage  sind. 

Bravais  hatte  die  Horizontalität  des  »oberen  Berührungs- 
bogens  des  Halo  von  46**«  derart  streng  aufgefaßt,  daß  er  bei 
dem  Versuche,  diese  zu  erklären,  alles  andere  und  selbst  die 
Pracht  der  Farben  und  den  Glanz  der  Erscheinung  in  den 
Hintergrund  stellen  zu  müssen  glaubte.  Die  Horizontalität 
konnte  er  in  außerordentlich  geistreicher  Weise  erklären,  allein 
nur  unter  der  Annahme,  daß  die  Eisprismen  exakt  senkrecht  in 
der  Schwerlinie  schweben,  ohne  Pendeln  der  Achsen 
senkrecht   auf  diese,  aber  Drehungen    der   Kristalle   um    die 


44  J.  M.  Pernter, 

vertikalen  Achsen  nicht  ausschließend.  Es  ist  wahr,  daß  ein 
leichtes,  sehr  schwaches  Pendeln  mit  ganz  kleinen  Ausschlägen 
von  nur  1  bis  3**  aus  der  Vertikalen  zwar  die  Horizontalität  der 
Erscheinung  beeinträchtigt,  aber  immerhin  nur  so  wenig,  daß  die 
Abweichungnichtwohl  wahrnehmbar  sein  wird.  Bravais  nimmt 
denn  auch  an,  daß  solches  leichtes  Pendeln  häufig  auftrete.  Das 
ist  sicherlich  schon  ein  Abgehen  von  der  strengen  Exaktheit  des 
gewählten  Erklärungsprinzipes,  das  ja  von  ihm  gerade  gegen 
die  von  Galle  angenommene  Grundlage  der  Erklärung  der 
Erscheinung  durch  Pendeln  der  Eisprismen  aufgestellt  worden 
ist.  Das  Wesen  des  Prinzipes,  die  konstant  strenge  Horizontalität 
der  Basisflächen  der  Eisprismen  und  damit  des  zu  erklärenden 
Bogens  ist  damit  fallen  gelassen  und  man  wird  schwer  tun,  nur 
den  größeren  Grad  des  Pendeins,  der  manchmal  bei  der  Er- 
klärung der  Erscheinung  nach  Galle  angenommen  werden 
muß,  abzulehnen,  wenn  man  einmal  das  Pendeln  mit  kleinen 
Ausschlägen  angenommen  hat.  Die  Wirklichkeit  des  Pendeins 
der  vertikalen  Eisprismen  ist  unbezweifelbar;  wir  kennen  eine 
Erscheinung,  bei  deren  Erklärung  Galle^  und  Bravais ^  über- 
einstimmend das  Pendeln  der  vertikalen  Eisprismen  zu  Grunde 
legen.  Ich  habe,^darauf  fußend,*diese  Erscheinung  so  vollkommen 
erklären  können,  daß  kein  unklarer  Rest  mehr  dabei  übrig  bleibt. 
Nach  dieser  Erklärung  ist  es  eine  unbezweifelbare  Tatsache, 
daß  beim  St.  Petersburger  Phänomen  von  Lowitz  die  schiefen 
Bögen  bei  einer  Sonnenhöhe  von  31**  beweisen,  daß  die  Eis- 
prismen mit  einem  Ausschlage  von  wenigstens  15**  pendelten. 
Besson  macht  in  einem  Briefe  an  mich  besonders  auch  darauf 
aufmerksam,  daß  kleinere  Ausschläge,  als  zur  vollen  Ausbildung 
der  schiefen  Bögen  bei  einer  gegebenen  Sonnenhöhe  notwendig 
sind,  häufig  dadurch  sich  kundgeben,  daß  die  Nebensonnen 
schief  nach  unten  ausgezogen  erscheinen.  Aber  Bravais  selbst 
nimmt  ja  bei  verschiedenen  Haloerscheinungen  dieses  Pendeln 
der  vertikalen  Eisprismen  an,  in  erster  Linie,  wie  wir  sahen, 
bei  den  schiefen  Bögen  von  Lowitz,  dann  noch  ganz  be- 
sonders zur  Erklärung  der  Lichtsäulen.    Aber  selbst  bei  der  in 


1  Pogg.  Ann.,  I.  c,  Bd.  49,  p.  274. 

2  Sur  les  halos,  p.  47.  Sur  les  parhelies,  p.  84. 

3  Meteorol.  Optik,  p.  322. 


Theorie  der  »schönsten  der  Haloerscheinungen«.  45 

Frage  stehenden  Erscheinung  des  oberen  Berührungsbogens, 
beziehungsweise  des  circumzenithalen  Bogens  des  Halo  von 
46°  sieht  er  sich  wiederholt  gezwungen,  zur  Erklärung  be- 
stimmter Beobachtungen  zum  Pendeln  der  Eisprismen  seine 
Zuflucht  zu  nehmen.  Besonders  entscheidend  für  unsere  Frage 
ist,  was  Bravais  bezüglich  der  Beobachtung  von  Weidler 
(siehe  oben  p.  30)  sagt:  »II  est  tres  probable  que  les  prismes 
avaient  des  balancements  tresetendus  autour  de  la  verticale, 
et  que  l'arc  devait  etre  tangent  au  lieu  geometrique 
qu*aurait  occupe  le  halo  de  46  degres,  s'il  ait  ete  visible.« 
Damit  gibt  aber  doch  Bravais  selbst  zu,  daß  der  eigentliche 
Berührungsbogen  nach  der  Theorie  von  Galle  ebenfalls  in 
Erscheinung  treten  kann,  ja  im  Falle  Weidler  tatsächlich  in 
Erscheinung  getreten  ist. 

Bei  der  Besprechung  der  Beobachtung  von  Lovvitz  (siehe 
oben  p.  31)  sagt  er  bezüglich  der  Sonnenhöhe  von  31**,  die  er 
richtig  als  die  zur  Zeit  der  Beobachtung  anzunehmende  be- 
zeichnet: »Cette  hauteur  est  tres  considerable;  mais  la  presence 
des  arcs  de  jonction  des  parhelies  au  halo  nous  ä  dejä  prouve 
Texistence  de  balancements  etendus  desaxes  verticaux:  il  n'est 
donc  pas  etonnant  que  larc  ait  paru  tangent  au  halo  de 
46  degres.« 

Er  sagt  dann,  daß  der  Ausschlag  bei  dieser  Beobachtung 
5  bis  6**  betragen  haben  müsse.  Wir  haben  gesehen,  daß  aus 
den  schiefen  Bögen  von  Lowitz  ein  solcher  von  jedenfalls 
15*  nachweisbar  ist.  Bravais*  Bestreben  geht  auch  da  noch 
immer  darauf  aus,  möglichst  geringe  Pendelausschläge  anzu- 
nehmen, was  gewiß  zum  Teil  gerechtfertigt  ist.  Es  zeigt  sich 
aber,  daß  größere  Ausschläge  vorkommen,  wie  in  der  Beobach- 
tung von  Lowitz,  und  wir  werden  gleich  sehen,  daß  solche 
größere  Ausschläge  in  der  Natur  der  Sache  gelegen  sind  und 
daher  gewiß  öfters  vorkommen.  Ein  prinzipielles  Hindernis  für 
die  Auffassung  Galle's  ist  nicht  vorhanden,  wenn  man  einmal 
das  Pendeln  zugibt,  und  ob  dasselbe  6  oder  15**  Ausschlag 
erheischt  für  die  Erklärung  des  eigentlichen  Berührungsbogens, 
fällt  begrifflich  nicht  mehr  ins  Gewicht. 

Bleiben  wir  aber  bei  dem  größten  nachgewiesenen  Aus- 
schlag von  15  bis  16*  als  Maximum,  so  sind  die  eigentlichen 


46  J.  M.  Pernter, 

Berührungsbögen  möglich  bis  zu  Sonnenhöhen  von  37* 
(22**  8'  +  15**)  einerseits  und  7**  (22**  8'— 15**)  andrerseits. 
Bei  einem  Ausschlage  von  6**  wird  der  eigentliche  Berührungs- 
bögen möglich  sein  zwischen  den  Sonnenhöhen  von  16**  und 
28**.  Es  ergibt  sich  also  schon  aus  den  Beobachtungen  selbst 
die  Möglichkeit  der  Bildung  des  eigentlichen  Berührungsbogens 
des  Halo  von  46**  und  die  Notwendigkeit,  ein  beträchtliches 
Pendeln  der  Eisprismen  mit  vertikaler  Hauptachse  anzunehmen. 
Es  ergibt  sich  endlich  daraus,  daß  die  Orientierung  der 
Eisnadeln  unter  dem  Einflüsse  der  Schwere  erfolgt,  daß  die 
Eisprismen  mit  Hauptachsen,  die  länger  sind  als  die  Neben- 
achsen, beim  Streben,  im  Fallen  sich  so  zu  stellen,  daß  sie  den 
kleinsten  Widerstand  erfahren,  notgedrungen  ins  Pendeln  ge- 
raten müssen.  Dieses  Pendeln  wird  allerdings  am  geringsten 
sein  bei  den  flaschenförmigen  Kristallen,  aber  beträchtlicher  bei 
den  reinen  säulenförmigen  Prismen.  Die  flaschenförmigen  Kri- 
stalle, d.  h.  die  Eisprismen  mit  Pyramidenaufsatz  an  nur  einer 
Basisfläche,  werden,  die  Pyramidenspitze  voraus,  fallen  und 
erhalten  hiedurch  eine  größere  Stabilität  der  Hauptachse  und 
werden  am  geeignetsten  sein  für  die  Herstellung  der  Bedin- 
gungen zur  Bildung  der  circumzenithalen  Bögen.^  Die  reinen 
Prismen  aber,  die  wenigstens  ebenso  häufig,  wahrscheinlich 
häufiger  vorkommen  als  die  flaschenförmigen  Kristalle,  werden 
bei  ihrem  Bestreben,  die  Längsachse  in  die  Schwerlinie  zu 
stellen,  größere  Pendelausschläge  während  des  Fallens  dauernd 
ausführen  müssen  und  es  ist  gewiß,  daß  die  oben  als  tatsächlich 
vorkommend  erwiesenen  Ausschläge  von  15  bis  16**  für  reine 


'  Dem  schon  in  meiner  Meteorol.  Optik  durchgeführten  Grundsatze  treu, 
muß  ich  auf  das  entschiedenste  mich  ablehnend  verhalten  gegen  Annahmen  von 
Bildungen  von  Kristallen,  welche  bei  den  nun  so  reichlich  gebotenen  photo- 
graphischen Bildern  der  Eiskristalle  entweder  ganz  fehlen  oder  nur  äußerste 
Seltenheiten  darstellen.  Was  nicht  massenhaft  vorkommt,  kann  nie  so  viel  Licht- 
intensität hervorrufen,  daß  eine  sichtbare,  geschweige  denn  eine  lichtstarke 
Haloerscheinung  erzeugt  werde.  Bravais  lagen  die  so  zahlreichen  Mikrophoto- 
graphien der  Eiskristalle  noch  nic\t  vor  und  so  ist  zu  erklären,  daß  er  sich 
gewisse  Formen  bildete,  die  in  der  Natur  gar  nicht  oder  nur  ausnahmsweise  vor- 
kommen. Heute  ist  es  nicht  mehr  erlaubt,  solche  Formen  zur  Erklärung  von 
Erscheinungen  zu  verwenden.  Das  gilt  hier  von  Prismen  mit  Eisansätzen  an  den 
Enden  der  kurzen  Achsen  an  einer  Basisfläche  und  ähnliches. 


Theorie  der  »schönsten  der  Hatoerscheinungen«.  47 

säulenförmige  Prismen  ohne  Pyramidenaufsatz  schon  a  priori 
anzunehmen  sind. 

Wenn  nun  aber  nach  alldem  feststeht,  daß  das  Pendeln 
der  säulenförmigen  und  flaschenförmigen  Eisprismen  theo- 
retisch und  tatsächlich  außer  Zweifel  steht  und  es  ebenso 
sicher  ist,  daß  wenigstens  für  Sonnenhöhen,  sagen  wir,  von  10** 
bis  30**  genügend  große  Ausschläge  bei  der  Pendelbewegung  der 
Hauptachse  der  Kristalle  theoretisch  möglich  sind  und  tat- 
sächlich vorkommen,  welche  für  das  Einspielen  der  Eisprismen 
in  die  Minimumablenkung  der  Strahlen  nötig  sind  und  dadurch 
für  die  Bildung  des  eigentlichen  Berührungsbogens  des  Halo 
von  46*  hinreichen,  so  kann  man  auch  über  das  tatsächliche 
Vorkommen  dieser  Berührungsbögen  nicht  länger  im  Zweifel 
sein:  sie  müssen  mit  Naturnotwendigkeit  sich  bilden,  sobald  die 
objektiven  Bedingungen  ihrer  Bildung  vorhanden  sind. 

Aus  den  bisherigen  Auseinandersetzungen  ergibt  sich,  daß 
die  Theorie  die  Möglichkeit  beider  Bögen,  des  eigentlichen 
Berührungsbogens  des  Halo  von  46*  und  des  ihm  entsprechen- 
den circumzenithalen  Bogens,  nachweist  und  daß  die  Beob- 
achtungen das  tatsächliche  Vorkommen  des  einen  wie  des 
anderen  Bogens  ergeben.  Aus  den  theoretischen  Betrachtungen 
über  die  Formen  und  das  Schweben  der  diese  Bögen  verur- 
sachenden Eiskristalle  kommt  man  zu  der  Schlußfolgerung, 
daß  säulenförmige  reine  Eisprismen  ohne  Pyramidenaufsatz 
auf  einer  der  Basisflächen  der  Prismen,  infolge  der  größeren 
Schwankungen,  die  ihre  Achsen  beim  Fallen  ausführen  müssen, 
die  Bedingungen  für  die  Bildung  des  eigentlichen  Berührungs- 
bogens am  leichtesten  liefern  werden,  während  die  flaschen- 
förmigen Kristalle,  also  Eisprismen  mit  Pyramidenaufsatz  an  nur 
einer  der  Basisflächen,  beim  Fallen  die  Pyramidenspitze  nach 
unten  stellen  und  dadurch  eine  stabilere  Lage  der  Hauptachse 
erzielen  werden  und  so  leichter  die  Bedingungen  für  die 
Bildung  des  circumzenithalen  Bogens  erfüllen  werden;  sehr 
kleine  Pendelausschläge  (1°  bis  2**),  besonders  bei  sehr  großen 
(28*  bis  32*)  oder  sehr  kleinen  (unter  10*)  Sonnenhöhen,  werden 
nur  eine  Verbreiterung  des  Bogens  nach  unten  bewirken. 
Größere  Ausschläge,  die  aber  nicht  hinreichen  zur  Erzeugung 
des     eigentlichen     Berührungsbogens,    werden    starke    Ver- 


48       J.  M.  Pernter,  Theorie  der  »schönsten  der  Haloersch einungen c. 

Waschungen  der  Farben  erzeugen  und  auch  der  Horizontal ität 
Eintrag  tun.  Niemals  aber  kann  der  circumzenithale  Bogen, 
wenigstens  nicht  bei  Sonnenhöhen  von  25**  und  darüber  oder 
von  19**  und  darunter,  in  der  vollen,  so  sehr  angestaunten 
Pracht  des  eigentlichen  Berührungsbogens  auftreten. 

Der  schlagendste  Beweis  für  unseren  Satz  der  Wirklichkeit 
beider  Bögen  wäre  zweifellos  das  gleichzeitige  Erscheinen 
beider  Bögen.  Theoretisch  muß  dasselbe  möglich  sein,  praktisch 
liegt  aber  die  Sache  nicht  günstig  für  die  gleichzeitige  Sicht- 
barkeit. Bei  Sonnenhöhen  von  18**  bis  25**  würden  beide  Bögen 
wohl  noch  immer  als  ein  einziger  erscheinen  und  doch  wären 
wegen  der  kleinen  Pendelausschläge,  die  hier  genügen,  den 
eigentlichen  Berührungsbogen  zu  bilden,  die  Bedingungen 
für  die  gleichzeitige  Bildung  des  circumzenithalen  Bogens 
am  günstigsten,  da  bei  kleinen  Ausschlägen  am  ehesten 
gleichzeitig  eine  genügende  Anzahl  Prismen  mit  der  Haupt- 
achse streng  vertikal  stehen  könnte.  Bei  Sonnenhöhen  über 
25**  und  unter  18**  wird  wohl  immer  nur  entweder  der  eine 
oder  der  andere  der  beiden  Bögen  sich  bilden  können,  wenig- 
stens normalerweise.  Ich  könnte  mir  freilich  den  gewiß  sehr 
unwahrscheinlichen  Fall  als  Ausnahme  denken,  wenn  gleich- 
zeitig in  der  erzeugenden  Eiswolke  reine  säulenförmige  Eis- 
prismen und  flaschenförmige  Kristalle  in  ziemlich  gleicher 
Anzahl  und  beide  sehr  zahlreich  vorhanden  wären,  die  ersteren 
mit  genügend  großen  Ausschlägen  des  Pendeins,  um  den 
eigentlichen  Berührungsbogen  zu  bilden,  die  anderen  mit  keinen 
oder  zu  vernachlässigenden  kleinen  Ausschlägen,  um  den  circum- 
zenithalen Bogen  zu  erzeugen.  Die  absolute  Unmöglichkeit 
wird  m.an  nicht  behaupten  können,  aber  die  äußerste  Unwahr- 
scheinlichkeit  liegt  vor  und  hat  ihre  Stütze  darin,  daß  gleich- 
zeitig wohl  ausnahmslos  nur  eine  Form  der  Kristalle  einer 
bestimmten  Gruppe  in  großer  Menge,  abweichende  Formen 
aber  nur  sporadisch  eingestreut  vorzukommen  scheinen. 


.»• 


über  das  Ohm'sehe  Gesetz  und  die  Elektronen- 

theorie 


vcn 


Aus  dcaa  piTSÜLalisches  Instirutc  der  k-  k.  Deutscher.  v.'r.:versiUt  in  IV*»;. 

3Gl  2  Tex:£gmrec.) 
■Vorliegt  in  der  Sttzung  am  10.  Jinncr  1907.> 

Die  folgenden  Versuche  sind  durch  einen  Ausspruch  von 
W.Weber  veranlagt,  der  wohl  als  Erster  genauer  präzisierte 
Vorstellungen  über  elektrische  Leitung  in  Metallen  vom  Stand- 
punkte einer  Elektrizitatsatomistik  aus  lieferte.*  W.  Weber 
meint,  daß  die  den  Strom  darstellende  Bewegung  elektrischer 
Teilclien  vielleicht  Abweichungen  vom  Ohm*schen  Gesetz 
bewirken  könne,  >daS  die  Stromintensität  mit  der  elektro- 
motorischen Kraft  nicht  immer  gleichmäßig  fortwächst,  sondern 
sich  endlich  einem  bestimmten  Grenzwerte  nähert,  den  sie 
nicht  überschreitet«.  Dieser  Grenzwert  würde  erreicht  sein, 
wenn  einmal  alle  Elektrizitätsteilchen  zur  Leitung  herangezogen 
werden.  »Es  würden  hienach  Versuche  mit  sehr  großen  und 
kleinen  elektromotorischen  Kräften  im  nämlichen  Leiter,  um 
zu  entscheiden,  ob  die  Intensitäten  der  von  ihnen  erzeugten 
Ströme  ihnen  immer  proportional  seien,  von  größter  Wichtig- 
keit sein.«  Maxwell  *  diskutiert  diese  Äußerung  Weber's  und 
erwähnt  ebenso  Experimente  von  Schuster,  welcher  eher  eine 
Abweichung  im  entgegengesetzten  Sinne  argwöhnt,  wonach 


1  W.  Weber,  Pogg.  Ann.,  156,  p.  49  (1875). 

2  Maxwell,  Scientific  Papers,  II,  p.  533  (1890). 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a. 


50  E.  Lecher, 

der  Widerstand  für  starke  Ströme  kleiner  wäre  als  für  schwache. 
Die  British  Association  nahm  deshalb  zur  Prüfung  des  0hm- 
schen  Gesetzes  diesbezügliche  Versuche  vor,  welche  G.  Chry- 
stall  nach  einem  Plane  von  Maxwell  mit  größter  Umsicht 
ausführte.  Nach  dieser  Arbeit  ändert  sich  der  Widerstand  eines 
Metalldrahtes  nicht  um  den  iO^^ten Teil,  wenn  der  Strom  von  ganz 
kleinen  Größen  bis  1  Ampere  pro  Quadratzentimeter  ansteigt* 

Das  sind  aber  immer  noch  verschwindende  Stromdichten. 
Für  größere  Stromstärken  liegen  nur  ungenaue  Messungen  vor. 

Bucknell*  gibt  an,  daß  zwei  Platin-Iridiumdrähte  von 
0*0076  cm  Durchmesser  und  etwa  3  m  Länge  beim  Erhitzen 
zur  hellen  Weißglut  gerade  vor  dem  Schmelzen  durch  einen 
Gasofen  etwa  40,  beim  Erhitzen  durch  den  Strom  selbst  aber 
nur  etwa  34  Ohm  Widerstand  hatten. 

W.  Kohlrausch'  konnte  hingegen  einen  spezifischen 
Einfluß  des  erwärmenden  Stromes  auf  den  Widerstand  der 
untersuchten  Drähte  nicht  konstatieren.  Kohlrausch  unter- 
suchte in  einer  längeren  Arbeit  den  Zusammenhang  zwischen 
Magnetisierbarkeit  und  elektrischem  Leitvermögen  von  ver- 
schiedenen Eisensorten  und  Nickel,  und  er  legte  sich  da  auch 
die  Frage  vor,  ob  der  Strom  nicht  infolge  der  Zirkularmagneti- 
sierung im  Eisen  verschiedenen  Widerstand  finde,  je  nachdem 
die  Temperaturerhöhung  durch  Joule'sche  Wärme  oder  aber 
durch  Heizung  von  außen  erzeugt  wird.  Neben  Eisen  unter- 
suchte Kohlrausch  diesbezüglich  auch  Platin.  Diese  Frage 
behandelt  Kohl  rausch  aber  nur  nebenbei  und  er  selbst  nennt 
seine  Methode  nur  eine  ungefähre,  so  daß  die  Resultate  nur 
auf  einige  Prozente  genau  erscheinen. 

Die  im  folgenden  angewandte  Methode  ist  mit  der  von 
Kohlrausch  identisch;  nur  sind  eine  Reihe  von  Fehlerquellen 
vermieden;  überdies  habe  ich  den  Strom  in  einer  Versuchsreihe 
von  7s  bis  20  Ampere  gesteigert,  während  Kohlrausch  nur 


1  Rep.  Brit.  Assoc,  1876.  Mir  nur  zugänglich  im  Referate:  Fortschritte  für 
1878,  p.  747,  und  Bdbl.  der  Ann.  der  Physik,  II,  p.  267. 

2  J.  of  the  Soc.  Telgr.  Engin.,  1876,  p.  327.  Diese  Arbeit  ist  mir  nur 
bekannt  durch  das  Referat  in  dem  Lehrbuch  der  Elektrizität  von  G.Wiedemann, 
I,  p.  494  (1893). 

3  W.  Kohlrausch,  Wied.  Ann.,  33,  p.  54  (1888). 


Ohm'sches  Gesetz  und  Elektronentheorie. 


51 


zwischen  den  Grenzen  1  und  10  Ampere  arbeitete.  In  einer 
zweiten  Versuchsreihe  konnte  ich  die  Stromdichte  noch  viel 
weiter  erhöhen. 

Versuche  mit  Platindraht. 

Ein  solcher  Draht  wurde  durch  Gasflammen  bis  zur  Weiß- 
glut erhitzt,  wobei  man  seine  Ausdehnung  genau  bestimmte.  In 
diesem  Zustande  wurde  der  elektrische  Widerstand  mittels  eines 
schwachen  Stromes  (von  etwa  V«  Ampere)  gemessen.  Dann 


n 


'^ 


^ 


B 


B 


B 


■0 


<vp^jf!fiyij 


Fig.  1. 


wurde  derselbe  Draht  durch  einen  Strom  von  etwa  30  Ampere 
so  stark  erhitzt,  daß  er  genau  dieselbe  Länge  zeigte  wie  früher 
und  es  wurde  jetzt  der  elektrische  Widerstand  mittels  dieser 
30  Ampere  gemessen. 

Der  untersuchte  Platindraht  ab  \t\  Fig.  1  hat  eine  Länge 
von  90  cm  und  einen  Durchmesser  von  1  mm.  Je  \0  cm  von 
den  Enden  in  c  und  d  ist  ein  dünner  Platindraht  von  Vg  mm 
Durchmesser  angenietet.  Der  Hauptdraht  ah  ist  horizontal 
gespannt  und  die  dünnen  Drähte  von  c  und  d  führen  senkrecht 
zw  ab  und  unter  etwa  45®  gegen  die  Horizontalebene  geneigt 
nach  aufwärts.  Es  wird  der  Widerstand  der  Horizontalstrecke  cd 
gemessen.  Unter  dem  Drahte  befinden  sich  sieben  Teklu-Brenner 
(B)mit  spaltförmigem  Aufsatz,  und  es  sind  diese  Spalten  so  gestellt. 


52  E.  Lecher^ 

daß  sie  möglichst  enge  sich  berühren  und  alle  SpattöfiEhungen 
in  einer  geraden^  horizontalen.  Linie  genau  vertikal  unter  dem 
Drahte  und  diesem  parallel  verlaufen.  Das  eine  Ende  des 
Drahtes  a  ist  an  einem  Dreifußstativ  D  befestigt,  das  so  auf- 
gestellt ist,  daß  man  die  Neigung  des  Stativs  gegen  den  Draht 
zu  mittels  der  Stellschraube  »S  bequem  ändern  kann.  Das 
andere  Ende  des  Drahtes  h  führt  zu  einer  Klemmschraube  i, 
die  an  einem  etwa  80  cm  langen,  dicken  Drahte  hängt  (dieser 
Draht  ist  in  der  Figur  zu  kurz  gezeichnet).  Derselbe  geht  oben 
gabelförmig  auseinander  und  seine  zwei  umgebogenen,  oberen 
spitzen  Enden  hängen  in  zwei  Quecksilbernäpfchen  q  (in  der 
Zeichnung  ist  der  Übersichtlichkeit  wegen  nur  eines  dieser 
Näpfchen  gezeichnet).  Die  zwei  Näpfchen  ermöglichen  ein 
genaues  Hin-  und  Herpendeln  der  Klemmschraube  k  in  der 
Richtung  ab.  Von  dieser  Klemmschraube  führt  dann  ein 
Seidenfaden  über  eine  fixe  Rolle  R  zu  einem  Gewichte  P. 
Dieses  Gewicht  ist  so  groß,  daß  es  den  glühenden  Faden 
gerade  spannt,  ohne  eine  dauernde  Verlängerung  zu  ver- 
ursachen. 

Der  ganze  Draht  ist  nach  beiden  Seiten  hin  durch  Asbest- 
pappendeckel und  Glasschirme  gegen  Luftströmungen  ge- 
schützt. Zunächst  werden  die  sieben  Brenner  so  angezündet,  daß 
der  Draht  gleichmäßig  hell  glüht.  Diese  Glut  erstreckt  sich 
über  die  zu  messende  Strecke  hinaus  etwa  2  cm  von  c  gegen  a 
und  von  d  gegen  b. 

Vor  c  steht  in  einer  Entfernung  von  etwa  25  cm  und  in 
gleicher  Höhe  mit  dem  Draht  ein  Fernrohr  und  es  wird  mittels 
der  Schraube  S  der  Punkt  c  genau  auf  das  Fadenkreuz  einge- 
stellt. Dieses  Fernrohr  selbst  bleibt  während  der  ganzen  Ver- 
suchsreihe fix.  Vor  d  steht  ein  Theodolit  Das  Fernrohr  des- 
selben ist  in  gleicher  Höhe  mit  dem  Drahte  und  das  Objekt 
ungefähr  25  cm  von  d  entfernt. 

An  diesem  Theodoliten  ist  ein  Fühlhebel  mit  einer  Spiegel- 
vorrichtung befestigt.  Die  Winkeldrehung  dieses  Spiegels  ist 
etwa  zehnmal  so  groß  als  die  des  Theodoliten.  Man  stellt  das 
Theodoütenfernrohr  mittels  Mikrometerschrauben  auf  den 
Punkt  d  ein.  Diese  Einstellung  von  d  und  c  kann  bei  der  hellen 
Glut  der  Drähte  und  der  starken  Vergrößerung  der  Fernrohre 


Ohm'sches  Gesetz  ttnd  Elektronentheorie. 


53 


sehr  genau  geschehen;  die  Drehung  des  Spiegels  wird  dann 
mittels  Femrohrs  in  einer  3  m  entfernten  Skala  abgelesen.  Die 
Verlängerungen  des  Drahtes  lassen  sich  so  sehr  scharf,  wenn 
auch  nicht  ihrem  absoluten  Betrage  nach,  besthmnen.  Die 
Grenze  dieser  Genauigkeit  liegt  nur  in  der  Schärfe  der  Einstel- 
lung der  glühenden  Punkte  c  iind  ä. 

Zur  Bestimnmng  des  Widerstandes  wurde  die  Thomson- 
Methode  nach  folgendem  Schema  geändert  (Fig.  2).  Der  Strom 
fliefit  von /(und  die  Quecksilbemäpfchen  q)  durch  den  Platin- 
draht  bdca,  dann  weiterhin  durch  einen  Widerstand  R  über  e 
zur  Akkumulatorenbatterie  zurück;  R  ist  der  Shunt  eines 
Siemens'schen    Normalgaivanometers   (für    100  Ampere)   mit 


6al»ajwnuUr 


ffl.» 


i 


Fig.  2. 

V999  ^  u^^  besteht  aus  einem  gewellten,  starken  Bleche,  das 
über  100  Ampere  ohne  Erwärmung  verträgt,  so  daß  die  Er- 
wärmung durch  die  30  Ampere  in  vorliegenden  Versuchen  zu 
vernachlässigen  ist. 

Parallel  mit  R  liegen  in  Serie  ein  Meßdraht  pp^  und  ein 
Ruhstrat'scher  Rheostat  r;  h  ist  ein  Quecksilberkontakt,  wie  er 
bei  den  alten  Poggendorf  sehen  Rheochorden  in  Verwendung 
kommt.  Die  Thomson'schen  Brückenzweigleitungen  sind 
cWfog  und  dWy^  fvjt.  Es  sind  W^und  W^  Widerstände  von  etwa 
10.000  Q,  hingegen  sind  w  und  fv^  nur  Widerstände  von  etwa 
1  Q.  Zwischen  diesen  beiden  Widerständen  liegt  ein  Draht- 
spulengalvanometer (Edelmann)  von  sehr  großer  Empfindlich- 
keit. Die  große  Ungleichheit  der  Widerstände  W  und  W^  war 
notwendig,  weil  der  Vergleichswiderstand  R  so  klein  war,  und 
dieser  mußte  so  klein  genommen  werden,  um  Erwärmung 
(und  Widerstandsänderung)  bei  30  Ampere  zu  vermeiden. 


54  B.  Lech  er. 

Die  Ausführung  der  Versuche  geschieht  nun  in  folgender 
Weise.  Es  werden  zunächst  die  Brenner  B  (Fig.  1)  angezündet, 
so  daß  der  Draht  hell  glüht.  Dann  wird  mittels  der  Stell- 
schraube S  der  Punkt  c  in  das  Fadenkreuz  des  ersten  fixen 
Fernrohres  gebracht  Dann  wird  das  Theodolitenfemrohr  auf 
J  eingestellt.  Hierauf  schickt  man  durch /^  einen  Strom  von 
^/j  Ampere  und  bringt  durch  passende  Verlängerung  des  Meß- 
drahtes (Verschiebung  des  Quecksilberkontaktes  h)  das 
Galvanometer  auf  den  Nullpunkt.  Hierauf  werden  die  Brenner 
abgelöscht  und  die  Stellung  des  Spiegels  an  der  Ableseskala 
gemessen.  Man  erhält  so  ein  Maß  für  die  Länge  des  glühenden 
Drahtes.  Hierauf  bringt  man  vor  das  Galvanometer  G  einen 
Shunt,  welcher  die  Empfindlichkeit  des  Galvanometers  auf  den 
hundertsten  Teil  herunterdrückt.  Dann  leitet  man  durch  fe 
30  Ampere,  wodurch  der  ganze  Draht  ab  ins  Glühen  kommt. 
Man  stellt  nun  wieder  mit  der  Stellschraube  S  das  c  in  das 
Fadenkreuz  des  ersten  Fernrohres,  wodurch  der  Anfangspunkt 
der  zu  messenden  Länge  cd  auf  die  alte  Stelle  im  Räume 
kommt.  Dann  stellt  man  den  Theodoliten  auf  den  Punkt  d  und 
bringt  dann  durch  Verschieben  des  h  am  Meßdrahte  das 
Galvanometer  zur  Ruhe.  Hat  man  die  Stromstärke  so  gewählt, 
daß  cd  jetzt  infolge  der  Joule'sphen  Erwärmung  dieselbe  Länge 
hat  wie  früher  bei  der  Erhitzung  durch  die  Brenner,  so  liegt 
auch  der  Punkt  h  an  derselben  Stelle  der  Meßbrücke.  Die  ein- 
zelnen Resultate  weichen  in  positiver  und  negativer  Richtung 
um  etwa  Vio%  voneinander  ab.^ 

Die  größte  Schwierigkeit  liegt  natürlich  im  Erhitzen  des 
Drahtes  durch  die  Bunsen-Brenner.  Aber  auch  die  Messung  der 
Verlängerung  des  glühenden  Drahtes  ist  mit  Fehlem  behaftet, 
so  daß  man  hier,  außer  man  würde  mit  ganz  besonders  kost- 
spieligen Mitteln  arbeiten,  nicht  zu  jener  Genauigkeit  kommen 
kann,  die  man  für  Widers  tan  dsmessungen  bei  gewöhnlichen 
Zimmertemperaturen  erreicht. 


1  Da  die  Anordnung  nicht  genau  der  Thomson'schen  entspricht,  mufite  der 
Wert  der  Verschiebung  h  am  Meßdrahte  empirisch  gefunden  werden.  Zu  dem 
Zwecke  wurde  bei  schwachem  Strome  statt  des  Piatindrahtes  ah  ein  Stöpsel- 
rheostat  eingeschaltet. 


Ohm'sches  Gesetz  und  Elektronentheorie.  5o 

Des  historischen  Interesses  wegen  möchte  ich  einen 
möglichen  Einwand  erwähnen.  Ed lu  nd  glaubte  an  eine  spezielle 
Ausdehnung  eines  stromdurchflossenen  Drahtes;  es  sollen  zwei 
Drähte  von  genau  gleichen  Temperaturen,  von  denen  der  eine 
Stromdurchflossen  ist  und  der  andere  nicht,  verschiedene  Länge 
zeigen.  Die  Unrichtigkeit  dieser  Behauptung  ist  durch  Ver- 
suche von  J.  Exner  dargetan.  Die  Methode  von  Exner^  ist 
im  Wesen  dieselbe  Methode»  wie  sie  später  von  Kohlrausch 
und  auch  in  vorliegender  Arbeit  angewendet  wurde. 

Versuche  mit  Silberdraht. 

Nun  erreicht  man  aber  noch  viel  größere  Stromdichten  in 
einem  künstlich  gekühlten  Silberdraht  und  ich  habe  dies- 
bezüglich einige  überraschende  Versuche  gemacht. 

Klemmt  man  einen  dünnen  Silberdraht  von  etwa  3  bis  4  ctn 
Länge  zwischen  zwei  dicke  Kupferklemmen  und  bringt  das 
Ganze  in  ein  Gefäß,  das  von  einem  kräftigen  Strome  der 
Wasserleitung  (Temperatur  12')  durchflössen  wird,  so  ist  die 
Stromstärke,  die  so  ein  Draht  zu  tragen  vermag,  verblüffend. 

Ich  arbeitete  zunächst  mit  einem  Drahte,  der  den  Durch- 
messer 0'09  MfMf  hatte,  den  dünnsten  Draht,  den  ich  mit  meinem 
gewöhnlichen  Zieheisen  herzustellen  vermochte;  ich  konnte 
diesen  Draht  mit  den  stärksten  mir  zur  Verfügung  stehenden 
Stromstärken,zirka50  Ampere,  nicht  durchschmelzen.  Ein  noch 
günstigeres  Resultat  erhält  man  der  größeren  Kühlung  wegen  mit 
einem  Draht  von  O'OSmm  Durchmesser*.  Hier  tritt  das  Durch- 
schmelzen bei  zirka  10  Ampere  ein,  ja  es  gelang  mir  in  einem 
Falle  sogar  10-8  Ampere  während  etwa  1  Minute  durch  einen 
solchen  Draht  zu  senden.  Nimmt  man  noch  kleinere  Durch- 
messer, 0*02  mm,  so  wird  das  Resultat  wieder  etwas  ungün- 
stiger, weil  diese  dünnen  Drähte  durch  die  Wasserströmung 
leicht  gerissen  werden. 

Die  Stromdichte  war  also  hier  etwa  400 mal  so  groß  als 
im  Platindraht,  wenn  dieser  in  Luft  unmittelbar  vor  dem  Durch- 
schmelzen maximal  belastet  wird  und  es  schien  mir  von  vorn- 


1  J.  Exner,  Diese  Berichte,  LXXI,  p.  761  bis  790  (1876). 

2  Geliefert  von  Hartmann  ft  Brem,  Bockenheim. 


56  E.  Lee  her, 

herein  nicht  absolut  sicher,  daß  hier  das  Ohm'sche  Gesetz 
noch  gelte.^ 

Um  dies  zu  prüfen,  wurde  ein  solcher  Silberdraht  (Durch- 
messer 0  •  03  cm,  Länge  3  cm)  gleichzeitig  mit  einem  Ampere- 
meter in  den  einen  Zweig  einer  Wheatstone'schen  Brücke 
gebracht.  Im  anderen  Zweig  wurde  als  Vergleichswiderstand 
ein  dicker  Konstantanwiderstand  (Ruhstrat)  verwendet.  Zu- 
nächst wurde  statt  des  Silberdrahtes  ein  Siemens*scher  Stöpsel- 
rheostat  eingeschaltet  und  für  die  Widerstände  0*4  bis  0*7  ä 
jene  Stellungen  des  an  der  Brücke  verschieblichen  Kontaktes 
bestimmt,  für  welche  das  Galvanometer  keinen  Ausschlag  gab. 
Die  hier  verwendete  Stromstärke  betrug  etwa  0 '  1  Ampere. 
Hierauf  wurde  an  Stelle  des  Widerstandskastens  der  Silber- 
draht eingeschaltet  und  in  einem  Luftbade  von  0  bis  150** 
erhitzt.  Man  erhielt  so  die  Abhängigkeit  des  Widerstandes 
des  Silberdrahtes  von  der  Temperatur.  Diese  einfache  Substi- 
tutionsmethode in  der  Wheatstone'schen  Brücke  wendete  ich 
an,  weil  dadurch  die  Widerstände  der  Zuleitungsdrähte  und 
des  Amperemeters  eliminiert  wurden. 

Hierauf  wurde  der  Silberdraht  in  strömendes  Wasser 
gebracht  und  es  wurden  neuerlich  Widerstandsbestimmungen 
mit  größeren  Stromstärken  veranstaltet,  wobei  das  Galvano- 
meter durch  einen  Shunt  weniger  empfindlich  gemacht  wurde. 
Die  Stromstärken,  welche  durch  den  Silberdraht  gingen, 
stiegen  hiebei  allmählich.  Wenn  man  die  Stromstärke  bis 
8  und  9  Ampere  steigerte,  riß  der  Draht  gewöhnlich.  Da  der 
Silberdraht  und  der  Vergleichswiderstand  zusammen  im 
Maximum  nur  etwa  1  Q  hatte,  der  Brückendraht  hingegen 
3*4  Q,  so  war  die  Belastung  des  letzteren  nie  so  stark,  daß  eine 
störende  Erwärmung  eingetreten  wäre.  Es  dauerte  auch  bei 
den  größeren  Stromstärken  keine  Messung  länger  als  höchstens 
eine  Minute. 


1  Versuche  mit  stärkerer  Abkühlung  bis  etwa  — 100*  C.  mittels  einer 
Mischung  von  fester  Kohlensäure  und  Aceton,  wobei  der  Draht  selbst  in 
gekühltem  Alkohol  oder  Aceton  oder  direkt  in  der  Kältemischung  war,  gaben 
keine  günstigeren,  sondern  im  Gegenteil  minder  aufiallende  Stromdic^ten.  Es 
dürften  hier  wohl  Leidenfrost'sche  Erscheinungen  stören. 


^mr  s^aiss  ,trsr:T  imz  tjHrrzckesiiy.cx^t.  •>* 


Der  W.der^iand  sifr.ir*  :r^:  der  S:r  nistärke  inf.Vjre  der 
Enft'firm'jTLg  jes  DranifiS-  Berechnen  wir  aus  dieser  Wider- 
si&ndskr.dcr^^  dis  Terspe^&tur  des  Drahtes,  so  ist  dreselbe 
aücfc  in:  M:»:Denie  des  Durchseht: e'zens  im  Durchschnitt 
fclchsteTis  13  'C  Unrmite^ar  vor  dem  Darchschn-ielzer.  tiitt 
ein  eigen rösilicb  singecdes  Geräusch  auf  infolge  der  auf- 
sieigCTiden  Dasrfir laschen;  :s:  dann  die  Dampfen tv^icklung  an 
irgend  einer  Stele  sc»  stark,  d&3  die  Wasserkühlung  versagt, 
so  wird  a*:  dieser  kleinen  Steile  die  Temperatur  bis  rum 
Schmelzpunkt  des  Silbers  ansteigen.  Da  aber  der  Gesamt- 
Hiderstand  nur  einer  Temperatur  von  130*  C.  entspricht,  kann 
das  nur  eine  ganz  kleine  Strecke  sein. ' 

Genaue  Messurgen  lassen  sich  hier  natürlich  nicht  aus- 
fuhren: jedenfalls  aber  kann  man  behaupten,  daß  innerhalb 
der  Versuchsgrenzen  die  Erscheinungen  dem  Ohm*schen 
Gesetz  nie  widersprechen.  Vor  allem  tritt  sicher  keine  Wider- 
standsvermehrung em,  wie  es  die  eingangs  erwähnte  Be- 
merkung von  Weber  argwöhnt 

Cberl^ungen  vom  Standpunkte  der  Elektronentheorie. 

Mit  diesen  experimentellen  Resultaten  stimmt  auch  voll- 
ständig die  Ausgestaltung  der  modernen  Elektronentheorie. 
Hier  wird  der  Einwand  Weber's  dadurch  unmöglich,  daO  nach 
dieser  neuen  Anschauung  die  Anzahl  der  Elektronen  (der 
Weber'schen  Elektrizitätsteilchen)  sehr  groß  genommen  wird. 
Infolgedessen  ist  der  Mechanismus  auch  bei  der  größten 
Stromdichte  noch  lange  nicht  an  der  Grenze  der  Erschöpfung 
angelangt.   Wie  zuletzt  H.  A.  Lorentz*  gezeigt,  erhält  man 


^  Eine  andere  merkwürdige  Erscheinung  ist  folgende:  Hat  man  bei  einer 
solchen  größeren  Stromstärke  das  Galvanometer  zur  Ruhe  gebracht,  so  tritt 
plötzlich  eine  scheinbare  Verminderung  des  Widerstandes  infolge  des  Strom- 
durchganges  auf.  Wahrscheinlich  sind  die  Ursache  dieser  Erscheinung  kleine 
Loftbläschen,  die  sich  immer  an  den  Draht  anlegen.  Beim  Stromschi u8  bekommt 
daher  der  Draht  zunächst  eine  höhere  Temperatur  und  wenn  diese  LuftblÜscheti 
aufgestiegen  sind,  tritt  eine  Widerstandsverminderung  infolge  der  besseren 
Wasserkühlung  ein. 

*  H.  A.  Lorentz,  X.  Akad.  v.  Wetenscfaappen  te  Amsterdam,  XHI, 
27,  p.  715(1905). 


58  E.  Lecher, 

ein  vorläufig  befriedigendes  Bild  für  die  Elektrizitätsleitung  der 
Metalle  durch  die  Annahme  von  ruhenden  positiven  Molekeln, 
zwischen  denen  eine  einzige  Art  von  beweglichen  negativen 
Elektronen  herumfliegt;  letztere  sind  gegen  erstere  sehr  klein. 
Die  Potentialdifferenz  längs  der  Stromleitung  bewirkt  eine 
beschleunigte  Bewegung  dieser  Elektronen,  die  durch  den 
Anprall  an  die  festen  Molekel  sich  in  Joule'sche  Wärme 
umsetzen.  Setzen  wir  für  diese  stoßweise  erfolgende  gleich- 
formig  beschleunigte  Bewegung  eine  gleichförmige  Bewegung 
ein,  welche  mit  der  Geschwindigkeit  v  fließend  denselben  Elek- 
trizitätstransport zur  Folge  hätte,  so  haben  wir  die  Gleichung 

i  =z  eNv. 

Hier  bedeutet  i  die  elektrostatische  Strommenge  für  den 
Querschnitt  1  rw^,  e  die  Ladung  eines  Elektrons  und  N  die 
Anzahl  der  Elektronen  pro  Kubikzentimeter.  Wir  erhalten  als 
Geschwindigkeit  der  Elektrizität 


V  =: 


cN 


Es  ist  also  diese  Geschwindigkeit,  wenn  wir  e  und  N 
konstant  annehmen,  unabhängig  vom  spezifischen  Widerstand 
und  proportional  der  Stromstärke.  Die  Ladung  eines  Elektrons 
wollen  wir  nach  J.J.  Thomson*  gleich  6.10~***  elektrostatische 
Einheiten  setzen. Die  Anzahl  der  Elektronen  pro  Kubikzentimeter 
N  wollen  wir  mit  10'^  in  Rechnung  ziehen.  Man  muß  zur  Er- 
klärung der  thermoelektrischen  Erscheinungen  und  desThomson- 
EfTektes  annehmen,  daß  diese  Zahl  bei  verschiedenen  Metallen 
verschieden  ist  und  überdies  mit  der  Temperatur  variiert.  So 
schätzt  z.  B.  H.  A.  Lorentz  das  Verhältnis  von  N  für  Wismut 
und  Antimon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  auf  3,  und  auch  für 
die  Abhängigkeit  des  N  von  der  Temperatur  werden  wir  viel- 
leicht später  nach  genauerer  Untersuchung  des  Thomson- 
Effektes  klare  Vorstellungen  gewinnen.* 


1  J.  J.  Thomson,  Phil.  May.  (5),  46,  p.  528  (1898). 

2  H.  A.  Lorentz,  I.  c,  p.  572. 


Ohm'sches  Gesetz  und  Elektronentheorie.  59 

Alle  diese  Einflüsse  werden  aber  die  Größenordnung  10^^ 
nicht  allzusehr  berühren  und  wir  haben  es  auch  in  folgenden 
Überlegungen  nur  mit  einer  ganz  rohen  Schätzung  zu  tun. 

Wir  hatten  bei  Platin  bei  einem  Querschnitt  von  0*8  mm* 
30  Ampere  und  bei  Silber  bei  einem  Querschnitte  von 
7 'IQ-* mm*  10  Ampere.  Berechnen  wir  aus  diesen  Daten  die 
Stromdichte  in  elektrostatischem  Maße  für  einen  Querschnitt 
von  1  cm'  und  setzen  wir  diese  Zahl  und  die  Werte  von  e  und 
N  in  obige  Gleichung  ein,  so  erhalten  wir  für  Platin 

i;  =  1  "9. 10*  cm/sec, 
für  Silber 

v=  7-2  .  10*  cm/sec. 

Zum  Schluß  wollen  wir  noch  das  v  für  einen  Strom,  wie 
er  in  der  Telegraphie  verwendet  wird,  schätzen.  Wir  haben 
hier  etwa  einen  Draht  von  5  mm  Durchmesser  und  eine  Strom- 
stärke von  0*01  Ampere.  Diese  Daten  geben  uns  in  letzterem 
Falle 

V  z=.  2 '4. 10~*  cm/sec. 

In  Wirklichkeit  ist  diese  letztere  Geschwindigkeit  natürlich 
infolge  von  elektrostatischen  Ladungen  und  anderen  Störungen 
noch  geringer. 

Diese  Betrachtungen  zeigen,  daß  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  Elektrizität,  wenn  wir  sie  nach  dem  Stand- 
punkte der  Elektronentheorie  als  Fluidum  auffassen,  eine  ganz 
überraschend  kleine  ist.  Sie  zählt  in  den  meisten  praktischen 
Fällen  nach  Zentimetern  pro  Sekunde.  Beim  Telegraphieren  ist 
diese  Geschwindigkeit  der  Elektrizität  nur  ein  kleiner  Bruchteil 
eines  Millimeters.  Die  Fortpflanzung  der  elektrischen  Wirkungen 
aber,  der  elektromagnetischen  Störungen,  erfolgt  selbstver- 
ständlich mit  einer  Geschwindigkeit  von  der  Größenordnung 
der  Lichtgeschwindigkeit. 


60  E.  Lecher,  Qbm'scbes  Gesetz  and  Ekktnnieiitheorie. 

Als  Resultat  dieser  Studie  eigibt  sieb: 

Das  Ohm'sche  Gesetz  gilt  auch  für  die  graten  Strom- 
dichten,  die  man  in  dünnsten  Silberdrähten  mit  Wasserkühlung 
erreicht  Die  Geschmndigkeit  der  Elektrizität  in  solchen  Drahten 
kann  nach  der  Elektronentheorie  bis  zu  70.000  ctn/seCy  in 
einem  frei  in  Luft  gespannten  Platindraht  bis  zu  200  rm/sec. 
ansteigen. 


61 


Babnbestiinmung  der  Meteore  vom 
19.  Jänner  und  29.  Juni  1905 

von 

Prof.  G.  V.  Niessl  in  Brünn, 

k.  M.  k.  Akad. 
(Vorgelegt  m  der  Sitsung  am  24.  JInner  1907.) 

Das  Jahr  1905  war  reich  an  größeren  Meteorerscheinungen, 
doch  ist  es  in  den  meisten  Fällen  leider  nicht  gelungen,  eine 
ausreichende  Anzahl  für  die  Bahnberechnung  geeigneter 
Beobachtungen  zu  erlangen. 

Von  den  beiden  Erscheinungen,  auf  welche  sich  nach- 
stehende Untersuchungen  beziehen,  war  jene  am  19.  Jänner 
die  minder  glänzende.  Sie  war  auch  durch  das  noch  herrschende 
Zwielicht  in  ihrer  optischen  Wirkung  beeinträchtigt,  und  weil 
Sterne  erst  später  sichtbar  wurden,  war  auch  die  Bahnlage 
schwieriger  zu  fixieren. 

Dennoch  sind  infolge  eines  durch  die  k.  k.  Wiener  Uni- 
versitäts-Sternwarte in  einigen  Tagesblättem  veröffentlichten 
Aufrufes  dort  mehrere  gute  Beobachtungen  eingelaufen,  welche 
Herr  Direktor  Hofrat  Prof.  Dr.  Edmund  Weiss  mir  auch  diesmal 
zu  überlassen  die  Güte  hatte. 

Da  dieses  Meteor  auch  in  Brünn  beobachtet  wurde,  konnte 
ich  selbst  nach  Angabe  der  Beobachter  einige  Messungen  vor- 
nehmen. Überdies  erhielt  ich  teils  direkt,  teils  durch  freundliche 
Vermittlung  der  Herren  Ingenieur  Hugo  Meixner  in  Quell- 
hütten, Bürgerschuldirektor  Theodor  Wranitzky  in  Trebitsch 
und  Winterschuldirektor  PaulMaresch  in  Schiltern  brauchbare 
mährische  Beobachtungen,  welche  durch  die  neuerlichen  Be- 
mühungen meines  langjährigen  werten  Mitarbeiters,  Herrn  Prof. 
Dr.  Eugen  Reimann  in  Hirschberg,  eine  wichtige  Ergänzung 
fanden. 


62  G.  V.  Niessl, 

Da  der  Endpunkt  und  auch  fast  der  ganze  sichtbar  gewor- 
dene Bahnteil  ziemlich  weit  entfernt  von  allen  Beobachtungs- 
orten über  Ungarn,  also  gleichsam  exzentrisch  gelegen  war, 
konnte  die  Genauigkeit  der  Schlußresultate  nicht  völlig  der 
Güte  der  Beobachtungen  entsprechen.  Es  mangelte  eben  an 
Beobachtungen  aus  Ungarn,  ja  sogar,  ungeachtet  des  Aufrufes 
der  Sternwarte,  an  solchen  aus  Wien,  wo,  wie  es  scheint,  der 
Himmel  auf  der  Ostseite  bewölkt  war.  Auch  aus  Kalocsa  erhielt 
ich  auf  eine  Anfrage  die  Nachricht,  daß  völlige  Bewölkung  jede 
Beobachtung  verhindert  habe. 

Das  Meteor,  welches  am  29.  Juni  1905  in  späterer  Nacht- 
stunde über  Kärnten  und  Salzburg  bis  über  die  Gegend  östlich 
von  München  hingezogen  ist,  steht  einigermaßen  im  Gegensatz 
zum  vorigen.  Es  muß,  nach  den  vielen  ausdrucksvollen  Schil- 
derungen, eine  sehr  bedeutende  Erscheinung  gewesen  sein.  Die 
Möglichkeit  der  Bahnbestimmung  für  diesen  wegen  der  weit 
südlichen  Lage  des  Radiationspunktes  und  auch  sonst  sehr 
wichtigen  Fall  wurde  mir  indessen  nur  durch  die  besondere 
Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Prof.  Dr.MaxToepl er  in  Dresden 
erschlossen.  Dieser  hatte  das  Meteor  zwar  aus  weiter  Ferne, 
aber  eben  deshalb  unter  für  die  Bahnmarkierung  zumeist  sehr 
günstigen  Umständen  in  der  Nähe  des  Horizonts  beobachtet 
und  alles  Nötige  in  sehr  bestimmter  Form  durch  Messungen 
festgelegt. 

Herrn  Direktor  Dr.  A.  Brezina  verdanke  ich  die  Mitteilung 
zahlreicher  Zeitungsnachrichten  aus  Nieder-  und  Oberöster- 
reichy  Salzburg  und  Tirol  mit  zumeist  wohl  nur  ganz  beiläufigen 
Angaben.  Ein  ungenannter  freundlicher  Förderer  erfreute  mich 
durch  Einsendung  van  Zeitungsnotizen  aus  Beobachtungsorten 
in  Bayern,  welchen  der  Fallpunkt  relativ  nahe  gelegen  war. 
Diese  Mitteilungen  konnte  ich  später  während  eines  Aufent- 
haltes in  Reichenhall  durch  einige  Feststellungen  ergänzen. 

Das  so  gesammelte  reichliche  Material  war  zwar  von  sehr 
ungleichem  Wert;  da  aber  die  Beobachtungsorte,  von  Dresden 
bis  an  die  südliche  Grenze  Kärntens  und  von  Vorarlberg  bis 
Mähren,  über  47«  Breiten-  und  nahezu  ZVj  Längegrade,  also 
auf  einer  Fläche  von  etwa  500  *w  Durchmesser  auf  allen  Seiten 
der  Bahn,  und  zwar  in  sehr  verschiedenen  Entfernungen,  verteilt 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  63 

sich  befanden,  war  die  Lage  geometrisch  und  optisch  sehr 
günstig.  Obwohl  nur  wenige  Angaben  sich  zur  rechnerischen 
Benützung  eigneten,  ist  doch  die  Sicherheit  der  Ergebnisse, 
namentlich  in  Bezug  auf  den  Radianten  und  die  Abschätzung 
der  Geschwindigkeit,  eine  recht  befriedigende. 

Sehr  ausgeprägt  ist  die  Verschiedenartigkeit  der  optischen 
Eindrücke,  welche  die  Mitteilungen  aus  nah  und  fern  deutlich 
erkennen  lassen.  Man  wird  überhaupt  bei  Betrachtungen  allge- 
meiner Natur  die  Feuerkugel  vom  29.  Juni  1905  in  mancher 
Hinsicht  als  zutreffendes  Beispiel  benützen  können. 

In  kosmischer  Hinsicht  konnten  für  beide  Meteorerschei- 
nungen mehrfache  Beziehungen  zu  anderen  Fällen  hervor- 
gehoben werden. 

Schließlich  sei  noch  allen  hier  und  im  folgenden  Genannten 
für  ihre  freundliche  Unterstützung  und  Mitwirkung  wärmstens 
gedankt.  

I.  Meteor  am  19.  Jänner  1905. 
Beobachtungen. 

l.Hohenberg(33*  17';  47*  540-  Um5M2"  abends ^  war 
hier  durch  2*  eine  ungefähr  kindskopfgroße  feurigrote  Kugel 
mit  etwa  4f«  langem  intensiven  Lichtstreifen  von  NE  nach  E 
fallend  auf  dem  Firmament  sichtbar.  Die  Erscheinung  ver- 
schwand in  den  Wolken  und  hinterließ  einen  kurz  andauernden 
Lichtschein,  (österreichische  Volkszeitung.) 

2.  Türnitz  (33"  !(/;  47*  55-50.  Der  hochwürdige  Herr 
Kooperator  P.  Candidus  Sengstbratl  berichtete  noch  am 
selben  Tage  an  die  Wiener  Sternwarte:  Heute  um  ungefähr 
5*"  15°  abends  wurde  ein  Meteor  gesehen,  das,  direkt  vom  hell- 
leuchtenden Mond  seinen  Ausgang  nehmend,  nach  Osten  ab- 
fuhr und  dort  dann  leider  weiter  nicht  beobachtet  werden 
konnte,  da  es  im  Gewölk  verschwand.  Es  war  intensiv  lichthell 
und  zog  einen  Lichtstreifen  nach  sich. 

Für  die  Ermittlung  des  Radianten  war  nach  der  Sachlage 
die  Wahrnehmung  in  Türnitz  sehr  wichtig,  ja  entscheidend, 


1  Das  Datum  19.  Jänner  1905  ist  hier  und  im  folgenden  überall  weg- 
geblieben, um  überflüssige  Wiederholungen  zu  vermeiden. 


64  G.  V.  Niessl, 

nicht  allein  wegen  ihrer  bestimmten  Beziehung  auf  den  Mond, 
sondern  auch  deshalb,  weil  die  übrigen  Orte,  aus  welchen 
einigermaßen  brauchbare  Beobachtungen  vorliegen,  allzu  gleich* 
artig  gegen  die  reelle  Bahn  und  weit  entfernt  gruppiert  sind.  Da 
nun  Bezeichnungen  nach  den  Hauptweltgegenden  gewöhnlich 
nicht  ganz  genau  zu  nehmen  sind,  war  es  mir  darum  zu  tun, 
diese  Unsicherheit  hier  möglichst  einzuschränken. 

Der  Mond,  in  a^ö**  31 -7°*  8=  IS"*  4(y,  stand  zur  ange- 
gebenen Zeit  in  Türnitz  19*8"  hoch  und  6 '4*  nördlich  vom  Ost- 
punkt. Wenn  also  das  Meteor  vom  Mond  nach  Ost  abzufallen 
schien,  so  konnte  die  scheinbare  Bahn  nicht  sehr  viel  (wenig 
über  18**)  gegen  die  Vertikale  geneigt  gewesen  sein. 

Meine  in  diesem  Sinne  an  den  Herrn  Beobachter  gerichtete 
Anfrage  wurde  mit  erwünschter  Sachkenntnis  sehr  eingehend 
beantwortet.  Die  Aufklärung  lieferte  aber  ein  unerwartetes 
Ergebnis.  Infolge  nachträglich  beseitigter  Unsicherheit  in  der 
Orientierung  sah  sich  der  Herr  Beobachter  veranlaßt,  seine  erste 
Angabe  dahin  zu  berichtigen,  daß  der  Punkt,  an  dem  das 
Meteor  sich  seinen  Blicken  entzogen  hatte,  nicht  östlich,  son- 
dern in  ESE,  ungefähr  in  einem  Drittel  der  Mondhöhe  (das 
wäre  also  etwa  6-6**  hoch),  gelegen  und  die  Bahn  gegen  den 
Horizont  nicht  steil,  sondern  »nur  wenig  geneigt«  erschien. 
Für  die  angegebenen  beiden  Höhen  würde  bei  dem  Unterschiede 
der  Azimute  von  28*9°  die  scheinbare  Neigung  der  Bahn  am 
Horizontknoten  33**  südlich  von  Ost  nur  29"*  betragen.  In  der 
dem  Berichte  beigefügten  Skizze  erscheint  die  Neigung  noch 
geringer,  weil  dort  der  zweite  Punkt,  nämlich  das  Ende  der 
wahrnehmbaren  Bahn,  höher  als  im  Text,  ungefähr  in  halber 
Mondeshöhe  angegeben  ist. 

Diese  nachträgliche  Ergänzung  gibt  zwar  vermutlich  die 
ersten  Eindrücke  auch  nicht  mehr  genau  wieder,  doch  kann 
nach  derselben  eine  sehr  hohe  Lage  des  Radianten  nicht  ange- 
nommen werden.  Wesentlich  verändert  wird  der  Eindruck  des 
ersten  Berichtes  auch  dadurch,  daß  nach  der  zweiten  Mitteilung 
das  Meteor  nicht  schon  beim  Mond,  sondern  etwa  erst  im 
letzten  Drittel  der  bezeichneten  Bahn  erschienen  ist.  Nach  der 
Zeichnung  wäre  der  Anfangspunkt  genau  im  Osten  zu 
nehmen. 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  20.  Juni  1905.  G.'> 

3.  Weitenegg  (32*  58';  48*  140-  Um  7,6»»  abends  war  in 
südöstlicher  Richtung  ein  Meteor  sichtbar,  welches  in  fast 
senkrechter  Richtung  sehr  rasch  fiel.  Es  erschien  in  gelblicher 
Farbe,  um  kurz  vor  dem  Verschwinden  intensiv  rot  aufzu- 
flammen. (Österreichische  Landzeitung;  Krems.) 

4.  Laa  a.  d.  Thaya  (34'  3';  48**  430-  Knapp  nach  57/ 
wurde  in  südlicher  Richtung  ein  Meteor  beobachtet.  Es  hatte 
Tropfenform  und  die  Größe  einer  Birne,  war  unten  grün,  nach 
oben  hin  gelb,  in  der  oberen  Hälfte  »von  gelblichem  Dunst« 
umgeben  und  hinterließ  einen  langen,  weißglänzenden  Schweif. 
D:  4  —  5*.  (Kremser  Zeitung.) 

5.  Göding  (34M8';  48' 510-  Der  Wiener  Universitäts- 
Sternwarte  berichtete  Herr  K.  Fürst,  Tabak-Hauptverleger,  daß 
er  soeben,  um  5^  15°*,  in  fast  südlicher  Richtung  den  Fall  eines 
Meteors  beobachtet  habe.  Es  war  von  prächtig  blauweißer 
Farbe  mit  einem  alsbald  verschwindenden  Lichtschweif.  Auf 
meine  Anfrage  teilte  mir  der  Herr  Beobachter  femer  mit,  daß 
der  Endpunkt  der  Bahn  nach  seiner  Schätzung  zwischen  der 
Richtung  nach  Kopcsan(10*Azim.)  und  Holitsch  (330'Azim.) 
in  der  Linie  über  die  Kote  160  bei  Ribnik  (in  der  Spezialkarte) 
zu  nehmen  wäre,  welche  mit  352**  Azimut  in  der  Tat  fast  die 
Mitte  zwischen  jenen  beiden  darstellen  würde.  In  seinen 
Berichten  findet  sich  die  Bemerkung,  »daß  die  Lichtbahn  am 
Ende  zwei  kurze  Unterbrechungen  hatte«.  Diese  könnten  wohl 
auch  durch  kleines  Gewölk  hervorgerufen  worden  sein. 

6.  In  Znaim  (33°  42';  48**  510  wurde  um  V^ö*»  abends  »im 
Osten  bis  Südosten«  ein  Meteor  von  stahlgrüner  bis  bläulicher 
Farbe  beobachtet  »von  der  Größe  der  hellsten  Sterne  am 
Himmel«.  (Znaimer  Wochenblatt.) 

7.  Schiltern  (33**  30*5';  48**  56'20.  Herr  Paul  Maresch> 
Direktor  der  landwirtschaftlichen  Winterschule,  war  so  freund- 
lich, Umfrage  zu  halten  und  mir  die  Wahrnehmungen  des 
Fräuleins  Marie  Jarolim  und  des  Schülers  Soukop  zu  ver- 
mitteln. Nach  der  Skizze  des  Fräuleins  Jarolim  wäre  der  End- 
punkt nur  wenig  südlich  (was  nicht  genau  angegeben  werden 
kann)  von  SE,  nach  der  zweiten  Aussage  direkt  in  SE  gesehen 
worden  und  nach  einerMessung  durch  Herrn  Mar  es  ch  8°  bis  10"* 
hoch  zu  nehmen.  Das  Azimut  habe  ich  demnach  mit  315**  in 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  5 


66  G.  V.  Niessl, 

Rechnung  gezogen.  Die  Höhe  des  Anfangspunktes  scheint  nach 
verschiedenen  Angaben  mit  45"  nur  abgeschätzt  worden 
zu  sein. 

Fräulein  Jarolim  war  so  gütig,  auch  eine  Zeichnung  der 
scheinbaren  Bahn  im  Vergleiche  mit  der  Vertikalen  zu  liefern, 
welche  die  Abweichung  vom  lotrechten  Fall  etwa  zu  18**,  und 
zwar  nach  unten  östlich,  also  links,  darstellt.  Das  Meteor  war 
erst  bläulichweiß,  dann  rot  und  den  größten  Sternen  am  Himmel 
gleich.  D  :  3». 

8.  Budweis  (32**  38';  48**  590-  Um  7^6**  wurde  hier  ein 
stark  leuchtendes  Meteor  beobachtet,  das  sich  gegen  Ost  bewegte 
und  dann  in  mehrere  Teile  auflöste.  (Budweiser  Zeitung.) 

Teltsch  (33**  7';  49"  HO-  Von  hier  berichtete  der  Ober- 
realschüler Jaroslav  M  a s  c h  k  a  der  Wiener  Sternwarte  folgendes : 
»Am  19.  Jänner  bemerkte  ich  bei  hellem  Mondlicht,  um  SVs^ 
abends,  am  südöstlichen  Himmel  einen  ungewöhnlich  leuchten- 
den Stern,  welcher  südlich  vom  Sternbilde  des  Orion  nicht  hoch 
über  dem  Horizont  gegen  die  Erde  zu  fallen  schien.  Er  bewegte 
sich  in  südöstlicher  Richtung  unter  dem  Winkel  von  etwa  65" 
gegen  den  Horizont,  und  zwar  so  langsam,  daß  seine  verhältnis- 
mäßig nur  kurze  Bahn  über  5'  deutlich  zu  sehen  war. 

Seine  Lichtstärke  war  bedeutend,  obwohl  der  Voll- 
mond hell  leuchtete  und  die  Dämmerung  noch  nicht  zu 
Ende  war. 

Etwa  bis  über  die  Hälfte  seiner  steilen  Bahn  leuchtete  das 
Meteor  in  grünlichgelber  Farbe  und  es  hinterließ  einen  gleich- 
falls leuchtenden  Schweif  nach  Art  eines  Kometen.  Dann  wurde 
sein  Licht  plötzlich  rot.  Der  Stern  verjüngte  sich  zu  einem 
rötlich  leuchtenden  Punkt  und  verschwand  nach  etwa  einer 
Sekunde  gänzlich.« 

10.  Trebitsch  (33"  33-5';  49"  12-50.  Herrn  Bürgerschul- 
direktor Th.  Wranitzky  verdanke  ich  eine  sehr  ausführliche 
Wiedergabe  der  Wahrnehmung  seiner  Tochter,  Fräulein 
Theodora,  welche  sich  eben  mit  Frau  Wranitzky  auf  der 
Jarmeritzer  Straße  nach  Trebitsch,  also  gegen  N  hin  zurück- 
kehrend befand,  als  sie  etwa  um  5^  20™,  plötzlich  rechtsseitig 
(östlich),  durch  auffallendes  Leuchten  überrascht,  sich  umwen- 
dete und  das  Meteor  über  den  Klucover  Wäldern  erblickte,  als 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  67 

Stern,  scheinbar  größer  als  der  Abendstern,  nach  allen  Seiten 
Strahlen  aussendend,  herrlich  grün-bläulich  leuchtend  und 
schief  herabfallend. 

Die  hervorragendste  Kuppe  der  nordwestlich  von  Klucov 
hinziehenden  bewaldeten  Höhen,  die  Klucanska  hora,  liegt  von 
dem  der  Beschreibung  nach  ungefähr  anzunehmenden  Beob- 
achtungspunkt 37**  östlich  von  Süd,  die  etwas  niedrigere 
»Zabori«  aber  48**  östlich  von  Süd.  Das  Mittel  gäbe  also  etwa 
317-5*  Azimut. 

Herr  Direktor  Wranitzky  versuchte  dann  am  24.  Jänner 
das  Azimut  mittels  einer  Boussole  zu  bestimmen  und  gab  dar- 
nach 135*  östlich  von  magnetisch  Nord,  d.  i.  (mit  8**  magn. 
Deklination)  A  =  307*  an,  doch  schrieb  er  am  27.  Jänner,  der 
Fehler  würde  gewiß  nicht  groß  sein,  wenn  man  direkt  SE 
{Az=i  315*)  annehmen  wollte.  Die  Unsicherheit  scheint  haupt- 
sächlich durch  Zweifel  an  der  Identität  des  Standpunktes 
begründet  zu  sein.  Da  die  oben  erwähnte  Beziehung  auf  die 
Klucover  Waldhöhen  im  ersten  Bericht  unmittelbar  nach  der 
Beobachtung  vorkommt,  habe  ich  den  dort  angeführten  Mittel- 
wert beibehalten. 

Herr  Wranitzky  hat  mit  einem  Gradbogen  die  ihm 
bezeichneten  Höhen  für  Anfang  und  Ende  mit  8*  und  4* 
ermittelt  sowie  den  scheinbaren  Neigungswinkel  der  Bahn  gegen 
die  Vertikale  zu  22*,  nach  unten  zu  östlich  abweichend.  Für  die 
Dauer  wurden  2'  angegeben. 

n.   Brunn   (34*  16';  49*  12').    Hier  wurde  das  Meteor 
mehrfach  beobachtet.  Die  brauchbaren  Angaben  führe  ich  an: 
a)  Herr  Franz  Eßler,  Studierender  der  technischen  Hoch- 
schule, war  der  Azimute  nicht  ganz  sicher.  Für  die  Höhen 
ergaben    sich    durch   nachträgliche   Messung   in    meiner 
Gegenwart  am  Anfang 22*,  am  Ende8*.  Die  Bahn  erschien 
26*  gegen  die  Vertikale,   nach  unten  östlich  abweichend, 
geneigt.  Dauer:  2%  »bestimmt  nicht  länger«.  Das  Meteor 
war  bedeutend  größer  als  Venus,  weiß  leuchtend  mit  einem 
roten  zurückbleibenden  Streifen. 
^^  Herr  Studierender  Richard  Strebinger  befand  sich  bei 
Nr.  13  der  Rudolfsgasse  und  sah  das  Meteor  hinter  dem 
Dache   von   Nr.   18  bis   20,   23*   östlich  von  Süd  unter 

5* 


68  G.  V.  Niessl, 

15**  Höhenwinkel,   der  somit  nicht  dem  Endpunkt   ent- 
spricht, verschwinden.    Der  Anfang  war  30*   hoch.   Die 
Bahnneigung  wurde  ganz  so  —  wiewohl  völlig  unabhängig 
—  wie  in  o^skizziert.  Dauer:  1 Y4'  bis  1  Va*-  Die  Erscheinung 
war  »heller  als  jeder  Stern,  gelbweiß  mit  pfirsichblührotem 
Schweif«. 
c)  Herr  J.  Fleischer  sah,  wie  um  5^  15"  bis  20"  das  Meteor 
von  rechts  nach  links  (W — E)    einen  Bogen  über  dem 
Neubau  des  Abfahrtsbahnhofes  beschrieb.  Da  sein  Standort 
nicht  genau  bezeichnet  war,    blieb  die  Orientierung  un- 
gewiß. Die  Neigung  der  Bahn  gegen  die  Vertikale  skizzierte 
er  ungefähr  zu  32°.   Das  Meteor  erschien  wie  ein  sehr 
heller  Stern,  zeigte  aber  keine  Scheibe,  deren  Durchmesser 
im  Vergleiche  zum  Mond  abzuschätzen  gewesen  wäre. 
Zum  Schlüsse  »zerstob  es  in  viele  kleinere  Leuchtkugeln«. 
Diese  Angabe,  welche  sich  in  andern  Beobachtungen  nicht 
findet,  wurde  von  ihm  mehrmals  wiederholt.  Beim  Vorzählen 
von   Sekunden    entschied    sich   Herr  Fleischer   für   »etwa 
1  Ya'  bis  2*  Dauer«.  Er  hatte  ganz  freien  Ausblick  und  konnte 
auch  das  Ende  genau  sehen. 

12.  Weißkirchen  (35**  25';  49**  33').  Herrn  Prof.  G. 
Merker  an  der  höheren  Forstlehranstalt  verdanke  ich  nach- 
stehende Angaben  über  seine  eigene  Beobachtung.  Das  Meteor 
fiel  um  5**  21°  Ortszeit  am  südlichen  Himmel  mit  weißlichem 
Licht  und  erlosch  am  Hemmungspunkt  ziemlich  genau  südlich 
und  nach  Messung  mit  einem  Dendrometer  10"  bis  11"  hoch 
mit  purpurrotem  Lichte.  Dauer:  2bis2V2*-  Die  Bahnneigung 
wurde  nur  ganz  beiläufig,  unter  Vorbehalt,  zu  etwa  45"  ge- 
schätzt, mit  Bewegung  rechts-links.  Zwei  Forstschüler  geben 
55"  bis  60"  Neigung  gegen  den  Horizont  an;  allein  es  scheint, 
daß  sich  ihre  Beobachtung  auf  ein  anderes  Meteor  bezieht, 
denn  sie  behaupteten,  daß  der  Mond  rechts  von  der  Erschei- 
nung sich  befand.  Weil  dieser  aber  nahe  im  Osten  war,  das  in 
Rede  stehende  Meteor  aus  Weißkirchen  dagegen  nicht  weit 
von  Süd  gesehen  worden  sein  mußte,  war  der  Mond  sehr  weit 
links  davon. 

Fräulein  Jarolim  in  Schiltern  erwähnte  übrigens  am 
Schlüsse  ihres  Berichtes,  daß  gleich  nach  dem  Meteor  in  der 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  69 

Richtung  des  Mondes  eine  kurz  aufleuchtende  Sternschnuppe 
zu  sehen  war.  Vielleicht  bezieht  sich  auf  diese  auch  die  An- 
gabe der  beiden  Studierenden  in  Weißkirchen. 

13.  Quellhütten  bei  Brüsau  (34"  9';  49*  4O0.  Hier  wurde 
das  Meteor  von  dem  Hauptpolier  der  Brünner  städtischen 
Quellenfassungy  Herrn  Franz  Linha,  beobachtet  und  alles 
Nötige  von  dem  Herrn  Ingenieur  Hugo  Meixner,  ehemaligem 
Assistenten  an  meiner  geodätisch-astronomischen  Lehrkanzel, 
mit  einem  nach  dem  Polarstem  ungefähr  orientierten  kleinen 
Universalinstrument  gemessen.  Dabei  ergab  sich  nach  den 
Einstellungen  und  Bezeichnungen  des  Herrn  Beobachters  für 
den  Anfang:  A  -=.  328*  10',  h  =  20*,  für  das  Ende  über  einem 
bewaldeten  Bergrücken:  A  =  325*  56',  A  =  7*  20'.  Da  bei  so 
kurzen  Bahnen  die  unvermeidlichen  Fehler  der  Endpositionen 
sehr  entstellend  auf  die  Lage  einwirken  können,  war  eine 
beigefügte  Skizze,  welche  den  Abfall  in  etwa  20*  Abweichung 
von  der  Vertikalen  darstellte,  sehr  willkommen.  Die  Kugel  ver- 
lief in  einen  Schweif  von  ungefähr  2*  Länge.  Dauer:  4  bis  5*. 

14.  Zwittau  (34*  8';  49*  45-50.  Herr  A.  Jung,  Portier  der 
k.  k.  Tabakfabrik,  berichtete  der  Wiener  Sternwarte,  daß  er  am 
Tore  der  Fabrik,  gegen  Süden  gekehrt,  um  5**  15"  Ortszeit  am 
südlichen  Himmel  ein  Meteor  bemerkte,  das  sich  sehr  schnell 
in  südöstlicher  Richtung  bewegte  und  scheinbar  in  gleicher 
Höhe  mit  dem  Turme  der  Pfarrkirche  zersprang.  Es  leuchtete 
intensiv  gelb  und  spaltete  sich  in  zwei  Teile,  wobei  rotes  Licht 
aufblitzte  und  Funken  sprühten.  Dauer  nahezu  3'. 

15.  Wiesenberg  (34*46';  50*4').  Ungefähr  5*»  25°^  fiel 
ein  hell  leuchtendes  Meteor  am  südlichen  Himmel,  hinter  sich 
eine  intensiv  helle  Spur  lassend.  Die  Fallrichtung  war  wegen 
des  vorliegenden  Radersberges  nicht  recht  wahrnehmbar,  doch 
dürfte  es  in  der  Gegend  von  Sternberg  gewesen  sein.  (Herr 
Obergärtner  Jirasek  an  die  k.  k.  meteorol.  Zentralanstalt.) 
Das  Azimut  Wiesenberg  —  Sternberg  beträgt  338*. 

16.  Hirschberg  (33*  24';  50* -54-3').  Den  freundlichen 
Bemühungen  des  Herrn  Prof.  Dr.  E.  Reim  an n  verdanke  ich 
wieder  mehrere  Beobachtungen. 

a)  Der  Abiturient  Frenzel  und  der  Unterprimaner 
Peterssen-Borstel  standen  nebeneinander  auf  derKunners- 


70  G.  V.  Niessl, 

dorfer  Eisbahn.  Sie  geben  die  Zeit  zu  5**  13"  und  das  Ver- 
schwinden hinter  einem  Berge  in  ungefähr  15**  östlich  von 
Süden,  4°  hoch,  ferner  den  Anfangspunkt  in  8**  Höhe  an.  Die 
scheinbare  Bahn  skizziert  Peterssen  30®  gegen  die  Vertikale 
geneigt,  nach  unten  östlich  abweichend,  während  Frenzel  die 
Bahn  viel  weniger  steil,  etwa  46°  von  der  Vertikalen,  in  dem- 
selben Sinne  abweichend,  angibt.  Die  Skizze  FrenzeTs  macht 
übrigens  den  Eindruck,  als  ob  ein  Bahnteil  fast  horizontal 
erschienen  wäre,  was  hier  nur  im  Gegensatze  zu  den  beiden 
folgenden  Beobachtungen  horvorgehoben  wird. 

Peterssen  gibt  die  Dauer  zu  2  bis  3*  an  und  fügt  bei, 
daß  das  Meteor  groß,  heller  als  Venus  erschien,  von  grüner 
Farbe,  welche  allmählich  in  Rot  überging. 

h)  Die  Untersekundaner  Prinz  Reuß  und  Galle  sahen 
das  Meteor  von  den  »Abruzzen«,  südlich  von  Hirschberg,  um 
5**  15°*.  Der  Karte  nach  verschwand  es  ihnen  hinter  dem  zirka 
SYg"  hohen  »Forstkamm«  in  19°  östlich  von  Süd.  Die  Neigung 
gegen  die  Vertikale  wird  von  diesen  beiden  Beobachtern  viel 
geringer,  also  der  Abfall  viel  steiler  angegeben  als  von  den 
beiden  ersteren.  Galle  skizziert  ihn  mit  13°,  Prinz  Reuß  kaum 
zu  10°.  Letzterer  gibt  für  die  Dauer  2*  oder  eher  etwas  länger 
und  für  die  Farbe  orange,  dann  etwas  bläulich.  Ersterer  nimmt 
2  bis  3'  für  die  Dauer  an.  Hervorgehoben  wird,  daß  neben  der 
Dämmerung  bereits  heller  Mondschein  herrschte,  gleichwohl 
aber  das  Meteor  sehr  intensiv  erschien. 


Aus  den  verschiedenen  Angaben  habe  ich  für  die  Fall- 
epoche 5^  17"*  mittlere  Brünner  Zeit,  also  4^  11"  mittlere 
Greenwicher  Zeit  abgeleitet. 

Schon  eine  flüchtige  Beobachtung  der  Karte  bei  Durch- 
sicht dieser  Beobachtungen  lehrt,  daß  sich  der  Endpunkt  der 
gesehenen  Bahn  in  großer  Entfernung  von  den  Beobachtungs- 
orten, welche  sich  alle  im  Nordwestquadranten  desselben 
befanden,  gelegen  war,  ungefähr  innerhalb  des  großen  Drei- 
ecks Raab — Budapest — Veszprim.  Darauf  weist  auch  die 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  71 

äußerst  geringe  Parallaxe  in  Höhe  hin,  welche  zumeist  durch 
die  unvermeidlichen  Beobachtungsfehler  verdeckt  ist  und  allen- 
falls erst  in  Hirschberg  deutlicher  wird. 

Hinsichtlich  der  Azimute  bilden  die  mährischen  Orte  in 
der  Richtung  SW  —  NE  von  Teltsch  bis  Weißkirchen  noch 
immer  eine  zu  kurze  Basis  mit  Rücksicht  auf  die  vielfach  nur 
beiläufigen  Angaben.  Richtungen,  welche  durch  tatsächliche 
Messungen  oder  nach  Plänen  festgestellt  wurden,  wie  jene  aus 
Brunn,  Quelihütten  und  Hirschberg,  fallen  zusammen  oder 
laufen  gar  auseinander,  wie  z.  B.  die  letztere  gegen  die  beiden 
ersteren  u.  s.  w.,  so  daß  ohne  die  Angaben  aus  dem  südlichen 
Temitz  überhaupt  kaum  auf  die  Lage  des  Hemmungspunktes 
geschlossen  werden  könnte.  Allein  auch  diese  Beobachtung 
kann  zur  Bestimmung  des  Endpunktes  nur  indirekt  heran- 
gezogen werden,  teils  weil  von  dort  berichtet  wurde,  daß  das 
Meteor  hinter  einer  Wolke  verschwunden  ist,  teils,  weil  selbst 
hinsichtlich  dieses  Punktes  zwei  voneinander  stark  abweichende 
Angaben  vorliegen. 

Das  in  meinen  Rechnungen  fast  immer  eingehaltene  und 
schon  mehrmals  begründete  Verfahren,  vorerst  den  Endpunkt 
der  Bahn  sicherzustellen  und  an  diesen  die  übrigen  Elemente 
der  Beobachtungen  verbessernd  und  ergänzend  anzuknüpfen, 
kann  daher  im  vorliegenden  Falle  mit  Vorteil  nicht  angewendet 
werden,  weil  es  sehr  fraglich  bleibt,  ob  damit  eine  Verbesserung 
der  für  die  Aufsuchung  des  Radianten  verwendbaren  schein- 
baren Bahnbogen  erzielt  würde. 

Daß  dieser  Fall  einen  für  diese  Epoche  noch  nicht  nach- 
gewiesenen Radianten  erschließt  und  dadurch  andere  Erschei- 
nungen, welche  in  der  Epoche  ziemlich  weit  auseinanderliegen, 
miteinander  verbindet,  erschien  mir  schon  bei  vorläufiger 
Untersuchung  wahrscheinlich  und  dies  hielt  mich  schließlich 
doch  davon  ab,  die  Bearbeitung  desselben,  wegen  der  wenig 
günstigen  Lage  der  Beobachtungsorte  und  der  durchschnittlich 
geringen  Genauigkeit  der  Richtungsangaben,  gänzlich  zu 
unterlassen. 

Um  nun  die  sämtlichen  Beobachtungen  wenigstens  ihrer 
Qualität  nach  entsprechend  auszunützen,  habe  ich  mich  dann 
entschlossen,  die  Aufgabe  hier  allgemeiner  zu  lösen,  nämlich 


72  G.v.  Niessl, 

den  Endpunkt  der  Bahn  und  den  Radianten  im  Zusammenhang 
zu  bestimmen. 

Eine  direkte  Durchführung  dieser  Aufgabe  wäre  jedoch 
mit  dem  vorliegenden  Material  nicht  lohnend  gewesen.  Ich 
benützte  dabei  mit  Vorteil  den  Weg  des  Näherungsverfahrens, 
welches  grundsätzlich  durch  nachstehende  Erörterung  hin- 
reichend charakterisiert  sein  dürfte. 

Zunächst  wird  eine  Bestimmung  des  Endpunktes  und  des 
Radianten  nach  der  gewöhnlich  von  mir  angewendeten  Methode 
vorgenommen,  diese  jedoch  nur  als  vorläufig  angesehen  und 
weiter  verbessert.  Dabei  wurden  die  Abweichungen  des  vor- 
läufigen Radianten  von  den  scheinbaren  Bahnbogen  auf  sämt- 
liche den  Beobachtungen  entnommene  Bestimmungsstücke  des 
Bogens  verteilt,  also  nicht  allein  auf  den.  Anfangspunkt  oder 
auf  die  scheinbare  Neigung,  sondern  auch  auf  den  Endpunkt 
Im  gegenwärtigen  Falle  kamen  hinsichtlich  des  letzteren  jedoch 
nur  die  vielfach  so  ungenauen  Azimute  in  Betracht,  da  die 
gemessenen  Höhen  nur  sehr  geringe  Widersprüche  darboten. 

Diese  Verbesserungen  wurden  hier  überall  derart  ermittelt 
und  verteilt,  daß  die  Summe  der  mit  ihren  Gewichten  multi- 
plizierten Quadrate  ein  Minimum  war. 

Mit  den  neuen  Richtungen  wurde  dann  eine  verbesserte 
Bestimmmung  des  Endpunktes  und  auf  Grund  derselben  wieder 
eine  neue  Ermittlung  des  Radianten  vorgenommen. 

Man  gelangt  dabei  bald  dahin,  daß  eine  weitere  Wieder- 
holung des  Vorganges  keine  wesentliche  Verminderung  der 
erwähnten  Quadratsumme  hervorruft,  also  überflüssig  wird.  Im 
vorliegenden  Falle  konnte  ich  es  schon  bei  der  zweiten 
Näherung  bewenden  lassen. 

Die  dabei  erlangten  Resultate  sollen  nun  hier  angeführt 
werden. 

Der  Hemmungspunkt  ergab  sich  über  der  Gegend  in 
X  =  35^  33-2'  östlich  von  Ferro,  tf  =  47**  18-3'  nördlicher 
Breite,  ungefähr  über  dem  Weiler  Imremjr  imBakonyer- 
wald,  6  km  südlich  von  Magyar  Szt.  Kiräly. 

Nachstehende  Übersicht  ermöglicht  eine  Vergleichung  der 
für  diese  Bestimmung  aus  den  bezeichneten  Beobachtungen 
benützten  mit  den  schließlich  berechneten  Azimuten: 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  73 

Azimute. 

Vcr- 
Beobachtet:        Berechnet:        besserungen: 

Türnitz  (2) 292-5*  287-8*  —  4-7* 

Göding  (5) 352-0  342-4  —  9'6 

Schiltern  (7) 315-0  3190  4-4-0 

Teltsch(9) 315-0  3204  4-5-4 

Trebitsch  (10) 317-5  324-0  -4-6-5 

Brünn(ll) 3340  335-2  4-1*2 

Weißkirchen  (12)  .. .  00  357-7  —2-3 

Quellhütten  (13) 325*9  339- 1  -k13-2 

Hirschberg  (16) 341-0  337-8  —  3-2 

Die  den  Beobachtungen  entnommenen  Azimute  bedürfen 
keiner  weiteren  Erklärung.  Nur  hinsichtlich  Brunn  sei  er- 
innert, daß  sich  die  Höhenangabe  8*  für  das  Ende  in  a)  und 
die  Bezeichnung  eines  Bahnpunktes  in  -4  =  337",  ä=  15* 
unter  h)  durch  die  scheinbare  Bahnneigung  von  64*  ergänzen. 
Hieraus  folgt  für  das  Ende  in  8""  Höhe  das  oben  angesetzte 
Azimut.  Die  Angabe  aus  Türnitz  wurde  benützt,  ungeachtet 
des  Verschwindens  hinter  der  Wolke,  weil  der  Endpunkt 
sicher  nicht  viel  südlicher  gelegen  sein  konnte.  Dagegen  konnte 
die  Wiesenberger  Beobachtung  nicht  verwendet  werden,  weil 
in  der  dort  bezeichneten  Richtung  der  Radersberg  schon  die 
ganze  Bahn  verdeckt  hätte. 

Aus  diesen  Zahlenwerten  ergibt  sich  der  mittlere  Fehler 
eines  beobachteten  Azimutes  zu  ±7-5*,  welcher  allerdings 
für  Beobachtungen  dieser  Art  keineswegs  auffallend  groß  ist. 
Allein  wegen  der  minder  günstigen  Lage  der  Beobachtungsorte 
und  ihrer  großen  Entfernung  vom  Endpunkt  ist  das  Ergebnis 
für  die  geographischen  Koordinaten  des  letzteren  doch  viel  un- 
sicherer als  sonst,  denn  die  betrefiFenden  mittleren  Fehler  des- 
selben betragen  in  Länge  ±15'  oder  18-7  ftw,  im  Parallel 
und  in  Breite  19*5'  oder  36-2  lim  im  Meridian. 

Eine  bessere  Bestimmung  hätten  Angaben  aus  Un- 
garn, welche  nicht  zu  erlangen  waren,  oder  aus  den  nieder- 
österreichischen und  steierischen  Grenzgebieten,  wo,  wie 
es   scheint,   der  Himmel  bewölkt  war,   geliefert.   Aus  Wien 


74 


G.  V.  N  i  e  s  s  1, 


selbst  ist,  ungeachtet  der  veröffentlichten  Aufforderung  der 
Sternwarte,  keine  Nachricht  über  dieses  Meteor  bekannt  ge- 
worden. 

Die  auf  die  lineare  Höhe  des  Endpunktes  über  der  Erd- 
oberfläche bezüglichen  Ergebnisse  sind  aus  der  nachstehenden 
Zusammenstellung  ersichtlich: 

Ent-  Beob- 

femung  achtete  Berechnete  Berechnete       Ver- 

vom  scheinb.  lineare         scheinb.  besse- 

Ende:           Höhe:  Höhe:  Höhe:  rungen; 

Türnitz(2) 195  km       66"     24-7  ftw     10-2"  -+-3-6" 

Schiltern  (7) 238  90  425  8-1  — O'Q 

Trebitsch  (10) 261  4-0  23*6  72  -♦-3-2 

Brünn(ll) 234  80  37-4  8-3  -hO-3 

Weißkirchen  (12).  250  105  51-6  7-5  —30 

Quellhütten  (13).. 299  7-3  45 "6  6-0  —1-3 

Hirschberg  (16)...  431  <3-5  <41  •  1  3*1            — 

Es  ist  hier  kaum  wesentlich  Besseres  zu  erwarten,  als  das 
Mittel  der  einzelnen  berechneten  Werte  darbieten  kann.  Ich 
habe  dazu  auch  die  letzte  Angabe  benützt,  obwohl  sich  die  Höhe 
von  3 -5°  nicht  genau  auf  den  Endpunkt  bezieht,  da  sie  diesem 
doch  gewiß  weit  näher  liegt,  als  die  wahrscheinliche  Fehler- 
grenze beträgt. 

Auf  diese  Weise  erhält  man  für  die  Höhe  des  End- 
punktes: 38*  1  *w  db  10  km. 

Der  mittlere  Fehler  der  benützten  scheinbaren  Höhen 
beträgt  nur  ±  2-6**,  was  sehr  günstig  ist;  allein  der  Einfluß 
auf  das  Resultat  ist,  eben  wegen  der  großen  Entfernungen, 
doch  sehr  erheblich. 

Für  die  Ermittlung  des  Radiationspunktes  standen 
nur  zwei  jener  Beobachtungen  zur  Verfügung,  welche  je  zwei 
Bahnpunkte  bezeichnen,  jene  aus  Türnitz  und  Quellhütten. 
Für  erstere  wurde  (der  Richtung  nach)  der  Mond  als  Bahn- 
punkt unter  I  genommen.  Für  letztere  schien  es  am  sichersten, 
den  Anfang  in  der  dort  bezeichneten  Höhe  von  20**  mit  der 
skizzierten  Bahnneigung  an  den  verbesserten  Endpunkt  zu 
knüpfen. 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905. 


75 


Bei  den  übrigen  Beobachtungen  konnten  nur  Richtungen 
der  scheinbaren  Bahnbogen  benützt  werden,  im  Anschluß  an 
die  unter  II  nachstehend  angeführten  verbesserten  Endposi- 
tionen. 

Unter  I  ist  bei  allen  diesen  (mit  einem  *)  bezeichneten 
Bahnen  der  eine  Knoten  am  Äquator  angesetzt,  weshalb  zu 
allen  diesen  Rektaszensionen  die  Deklination  0  gilt. 

Bei  der  geringen  Zahl  der  verfügbaren  Beobachtungen 
wollte  ich  jene  aus  Weitenegg  (3)  mit  »fast  senkrechtem« 
Fall  nicht  ganz  unbeachtet  lassen  und  habe  für  diese  90* 
Neigung  gegen  den  Horizont,  aber  nur  mit  Gewicht  ein  Viertel 
genommen,  weil  mir  nur  zu  gut  bekannt  ist,  daß  derartige 
Bezeichnungen  in  der  Regel  nur  sehr  beiläufig  zu  nehmen  sind. 

In  der  folgenden  Übersicht  sind  die  benützten  neun 
scheinbaren  Bahnbogen  verzeichnet: 


I 

11 

a 

2 

a 

8 

Türnitz(2) 98 -O" 

+  18-7'' 

86 

■6' 

4-0° 

Quellhütten  (13)..    17-8 
Weitenegg»  (3) . . .  249  •  8 
Schiltern*  (7) 40*0 

—20-3 
0 
0 

39 

78' 

61 

•5 

1 

•6 

28-7 

-11-5 

22-5 

Teitsch*  (9) 31-6 

0 

60' 

1 

—24-8 

Trebitsch*(10)...  32-6 

0 

57' 

7 

—25-5 

Brunn»  (11) 193 

0 

45' 

•8 

28-5 

Weißkirchen»  (12)351-6 

0 

21' 

6 

32-8 

Hirschberg»  (16)  .    13-8 

0 

43 

6 

32-8 

Hieraus  erhielt  ich  den  scheinbaren  Radianten  in 
268 'S"  Rektaszension  und  45*8**  nördlicher  Deklination  im 
nordöstlichsten  Teile  des  »Herkules«. 

Die  Sicherheit  dieser  Bestimmung  ist  jedoch  nicht  groß, 
denn  der  mittlere  Fehler  in  Rektaszension  ist  ±9**  und  jener 
in  Deklination  ±5**. 

Die  Verbesserungen  der  oben  angeführten  Beobachtungen, 
abgesehen  vom  Endpunkt  unter  II,  welcher  bei  der  letzten 
Näherung  keine  Änderung  mehr  erfahren  hat,  sind  im  Folgen- 
den enthalten.  Für  Türnitz  beträgt  am  Punkt  I  die  Verbesse- 


76  G.  V.  Niessi, 

rung  in  a:  — 11*"  und  für  Quellhütten  dieselbe  ebenfalls  in 
a:  -4-  6  •6*.  Die  beiden  Deklinationen  erleiden  keine  wesent- 
lichen Änderungen. 

Neigungen  der  scheinbaren  Bahnen  gegen  den  Horizont. 

Den  Beobach- 
tungen cnt-  Ver- 
nommen :       Berechnet :         besseningen : 

Weitenegg  (3) 90"  67-3"  —  22-7*' 

Schiltem(7) 72  81-0  -4-    9-0 

Teltsch  (9) 65  77*8  +  12-8 

Trebitsch  (10) 68  72-3  -4-    4-3 

Brunn  (11) 62  58-1  —    3-9 

Weißkirchen  (12)  ...45  37-9  —    7-1 

Hirschberg  (16) 60  51-0  —    9*0 

Der  mittlere  Fehler  einer  Beobachtung  der  Gewichts- 
einheit beträgt  ±10". 

Unter  Voraussetzung  des  hier  abgeleiteten  Radianten 
kam  das  Meteor  aus  133-8"  Azimut,  also  nahezu  aus  Nord- 
west, in  einer  21"  gegen  den  Horizont  des  Endpunktes  ge- 
neigten Bahn. 

Aufleuchten,  Bahnlänge,  Geschwindigkeit. 

Wenn  die  in  Schilt ern  (7)  abgeschätzte  Höhe  von  45" 
für  den  Anfangspunkt  der  gesehenen  Bahn  annähernd  richtig 
wäre,  so  würde  dort  das  früheste  Aufleuchten  und  die 
längste  Bahn  gesehen  worden  sein.  Jenes  würde  sich  dann 
96  km  über  der  Gegend  von  Stadlau  östlich  von  Wien  und 
die  Bahnlänge  zu  156  km  ergeben,  woraus  man  mit  3*  Dauer 
auf  eine  Geschwindigkeit  von  52  km  zu  schließen  hätte. 

Da  jedoch  die  scheinbaren  Höhen  fast  immer  überschätzt 
werden,  so  kann  dieses  Ergebnis  kein  großes  Vertrauen  bean- 
spruchen. Jedenfalls  sind  alle  darauf  bezüglichen  Messungen 
und  Angaben  aus  Brunn  weit  sicherer,  insbesondere  auch, 
weil  die  Dauer  später  nach  Sekundenschlägen  geschätzt 
wurde. 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  77 

In  Brunn  (11,  b)  wurde  das  Meteor  zuerst  von  dem  Herrn 
Strebinger  30*"  hoch  gesehen.  Dem  entspricht  eine  Bahn- 
länge von  113  km  und  das  Aufleuchten  in  80  im  Höhe  über 
der  Gegend  in  X  =r  34**  32-5',  (p  =  47  *  57',  etwa  2  km  östlich 
von  Neusiedl  am  See  in  Ungarn.  Allein  dieser  Beobachter 
hat  nicht  die  ganze  vorhin  bezeichnete  Bahn  bis  zum  End- 
punkt gesehen,  sondern,  da  ihm  das  Meteor  schon  bei  15* 
Höhe  durch  ein  Dach  verdeckt  wurde,  nur  60  km,  zwischen 
dem  Anfang  und  einer  Höhe  von  54*8  km.  Die  von  ihm  ange- 
gebene Dauer  von  IV4  bis  IVb*  würde  demnach  auf  eine  Ge- 
schwindigkeit von  50  km  schließen  lassen. 

Die  Beobachtung  (IIa)  des  Herrn  Eßler  gibt  die  An- 
fangshöhe nur  zu  22*  und  die  daraus  abgeleitete  Bahnlänge 
zu  79  km,  zwischen  67  und  38  km  Höhe,  woraus  also  für  2* 
Dauer  eine  Geschwindigkeit  von  39*5  km  folgen  würde. 

In  der  Beobachtung  des  Herrn  Fleischer  (llc)  ist  der 
Anfang  nicht  bezeichnet.  Wird  die  Dauer  von  l'/^*  auf  das 
Mittel  der  Bahnlängen  aus  a  und  b,  d.  i.  96  km,  bezogen,  so  er- 
gibt sich  hieraus  54*5  km  Geschwindigkeit. 

Die  in  Quellhütten  (13)  für  den  Anfang  gemessene 
Höhe  von  20®  entspricht  sehr  nahe  demselben  Anfangspunkt 
(nämlich  nur  4  km  weiter  gegen  SE),  wie  ihn  die  Brünner  Be- 
obachtung des  Herrn  Strebinger  ergibt,  mit  einer  Bahnlänge 
von  109  km.  Die  dort  angegebene  Dauer  von  4—5  "  ist  jedoch 
ohne  Zweifel  erheblich  überschätzt. 

Hirschberg  (16)  ist  so  weit  entfernt,  daß  der  Einfluß  der 
gewöhnlichen  Unsicherheit  das  Resultat  völlig  entstellen  kann, 
da  ein  Fehler  von  ±  4**  in  der  Lage  des  Anfangspunktes  die 
Bahnlänge  schon  um  40  km  ändert.  Für  8**  Höhe  würde  man 
nur  66  *w  Bahnlänge  erhalten,  für  12*  aber  ungefähr  ebenso 
viel  als  die  aus  Brunn  b  nachgewiesene.  Aus  diesen  Angaben 
kann  somit  ein  verläßlicher  Wert  für  die  Bahnlänge  nicht  mehr 
abgeleitet  werden. 

Den  vorstehenden  Erörterungen  wird  zu  entnehmen  sein, 
daß  das  Mittel  aus  den  drei  Brünner  Schätzungen,  welches 
rund  48  km  beträgt,  für  die  geozentrische  Geschwindigkeit 
kaum  zu  hoch  gegriffen  sein  dürfte. 


78  G.  V.  Niessl, 

In  der  vorhin  abgeleiteten  Bahn  ist  das  Meteor  über 
St.  Johann,  dann  nahezu  über  Köny  an  der  Wien — Raaber 
Bahn,  etwa  2  km  nordöstlich  an  Tet  und  24  km  südlich  von 
Raaby  zum  Endpunkt  gezogen.  Nach  ganz  unbestimmt  lauten- 
den Zeitungsmeldungen  ist  es  in  Raab  auch  beobachtet 
worden,  doch  gelang  es  mir  nicht,  nähere  Nachrichten  darüber 
zu  erhalten. 

Über  die  äußere  Erscheinung  des  Meteors  ist  nichts 
Wesentliches  zu  bemerken.  Es  liegt  hinsichtlich  der  schein- 
baren Größe  kein  Vergleich  (z.  B.  mit  der  Mondscheibe)  vor, 
welcher  eine  zahlenmäßige  Schätzung  des  scheinbaren  Durch- 
messers gestatten  würde,  doch  wurde  es  vielfach  »größer«  und 
lichtstärker  als  Venus  bezeichnet.  Von  bedeutender,  auffallen- 
der Erhellung  der  Umgebung  ist  kaum  die  Rede.  Man  muß 
jedoch  berücksichtigen,  daß  alle  Entfernungen  sehr  groß  waren. 
Auch  erwies  sich  das  Mondlicht  schon  und  die  Dämmerung 
noch  wirksam. 

Kosmische  Beziehungen. 

Bezogen  auf  die  Ekliptik  hat  der  hier  ermittelte  Radiations- 
punkt die  Koordinaten:  Xzz  267-6'*,  ß  =  69-3''.  Die  Sonnen- 
länge, zugleich  auch  die  Länge  des  aufsteigenden  Knotens, 
war  298*7*,  daher  die  scheinbare  Elongation  vom  Apex  der 
Erdbewegung  79 'S**  und  die  heliozentrische  Geschwin- 
digkeit 51 '8  Äw  oder  1-73  in  der  bekannten  Einheit.  Die 
Bahn  war  daher  auch  wieder  eine  Hyperbel. 

Der  Radiationspunkt  dieses  Meteors  in  a  =  268*8**,  8  = 
-4-45*8**  liegt  sehr  nahe  dem  Strahlungspunkt  des  bekannten 
Meteoritenfalles  von  Möcs,  welcher  sich  am  S.Februar 
1882  ereignete  und  für  den  ich  den  Radianten  in  a  =  264**, 
8=4-  40*  abgeleitet  habe.i 

Noch  anschaulicher  wird  die  Übereinstimmung,  wenn  man, 
wie  ich  sogleich  zeigen  werde,  den  Unterschied  von  15  Tagen 
zwischen  den  beiden  Epochen  in  Betracht  zieht. 

In  der  angeführten  Abhandlung  habe  ich  noch  zwei 
andere    Radianten    mit  jenem  des  Möcser  Falles    verglichen 

1  Diese  Sitzungsberichte,  XCIX.  Bd.,  II.  Abt.,  Februar  1884,  p.  283. 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  79 

und  diese  kämen  hier  auch  wieder  in  Frage;    doch  wird  eine 
ergänzende  Bemerkung  einzuschalten  sein. 

Für  ein  am  7.  Februar  1863,  6**  30",  in  Schottland  beob- 
achtetes Meteor  konnte  ich^  aus  den  bekannt  gewordenen, 
nicht  sehr  genauen  Daten  den  Radianten  in  a  =  261*, 
8= +38*5**  angeben.  Seither  brachte  Den ning*s  General- 
Katalog  (p.  270)  auch  ein  Resultat  Prof.  HerscheTs,  nach 
welchem  die  betreffenden  Koordinaten  a  =  265**,  8  =  +  28** 
zu  nehmen  wären.  Ich  glaube  den  Umständen  Rechnung  zu 
tragen,  wenn  ich  hier  den  Mittelwert  a  =  263*,  8  =  -4-  33*3* 
beibehalte. 

Um  zunächst  die  Bahnen  der  drei  Erscheinungen  vom 
19.  Jänner,  3.  und  7.  Februar  hinsichtlich  ihres  Eintritts  in  das 
Sonnensystem  unabhängig  von  der  Zufälligkeit  der  Begegnung 
mit  der  Erde  in  verschiedenen  Knotenlängen  zu  vergleichen, 
habe  ich  die  ihre  heliozentrischen  Bewegungsrichtungen 
in  sehr  großer  Entfernung  von  der  Sonne  bestimmenden 
Koordinaten  der  kosmischen  Ausgangspunkte  be- 
rechnet.^ 

Um  Mißverständnissen  zu  begegnen,  möchte  ich  wieder- 
holt betonen,  daß  darin  die  räumliche  Bewegung  des  gesamten 
Sonnensystems  nicht  inbegriffen  ist.  Wollte  man  die  räum- 
lichen oder  siderischen  Bewegungselemente  dieser  Körper  in 
einem  weiteren  Sinne  angeben,  so  hätte  man  ihre  heliozen- 
trische Bewegung  noch  mit  der  Richtung  und  Größe  der 
Sonnenbewegung  in  bekannter  Weise  zu  verbinden.  Darauf 
kommt  es  in  diesen  Betrachtungen  jedoch  nicht  an. 

Da  die  wirkliche  Geschwindigkeit  der  Meteoriten  vor  dem 
Eintritte  in  die  Atmosphäre  durch  Beobachtungen  nicht  sicher 
bestimmt  werden  kann,  so  habe  ich  die  Berechnung  der  Aus- 
gangspunkte für  verschiedene  Geschwindigkeitsannahmen  vor- 
genommen, und  zwar  für  t;  r=  2,  2*5  und  3  (in  der  Entfernung  1 


1  Ebenda,  p.  292. 

2  Siehe  meine  Abhandlung:  »Theoretische  Untersuchungen  über  die  Ver- 
schiebung der  Radiationspunkte  aufgelöster  Meteorströme«.  Diese  Sitzungs- 
berichte, LXXXni.  Bd.  11.  Abt.,  Jänner  1881,  p.  96. 


80  G.v.  Niessl, 

von  der  Sonne),    also  für  hyperbolische  negative  Halbachsen 

von  der  Größe  Va»  Vi?  ^^^  V?« 

Hier  findet  man  das  Ergebnis. 

Koordinaten  des  kosmischen  Ausgangspunktes  in  Länge  (i) 

und  Breite  (b). 

fiiri/  =  2-0  i;s=2-5  v  =  Z'0 


Epoche  des  Falles:         l  b  l  b  l  b 

19.  Jänner  1905.318-6  +43-5  318-4  +55-1  315-0  +6P2 
3.  Februar  1882.320-1  47-1  313-8  58-6  3128  63-6 
7.  Februar  1863.318-1       43-8  306-3       55-0  297*4       59-1 

Mit  der  Geschwindigkeitshypothese  v  =  2  zeigen  diese 
Koordinaten  eine  für  solche  Fälle  weitgehende  Überein- 
stimmung. Das  Mittel  wäre  /  =  318-9**,  ft  =  44-8**  und  die 
mittlere  Abweichung  vom  Mittel  ±  K  in  /  und  ±2**  in  t,  so 
daß  ich  eine  tatsächliche  Zusammengehörigkeit  mindestens  für 
sehr  wahrscheinlich  erachte. 

In  der  erwähnten  Abhandlung  habe  ich  mit  dem  Falle 
von  Möcs  auch  noch  den  naheliegenden,  von  Denningfür 
den  20.  Februar  1877  als  sehr  sicher  bezeichneten  Stern- 
schnuppen-Radianten in  a  =  263**,  8  =  +  36**  verglichen. 

Um  zu  zeigen,  wie  weit  mit  dem  oben  angegebenen  Mittel 
für  /  und  b  und  der  Hypothese  v  =  2  die  aus  den  Beobach- 
tungen abgeleiteten  Radianten  für  die  betreffenden  Epochen 
dargestellt  werden,  habe  ich  aus  jener  Annahme  diese  zurück- 
gerechnet und  die  folgende  Zusammenstellung  gestattet  eine 
rasche  Vergleichung. 

Radianten. 

Auf  Grund  des 
Ausgangspunktes 

berechnet:  Beobachtet: 


4         *  ''^'  I        \  **■ 


^>m 


Epoche:  ad  a  d  Aa  AS 

19.Jännerl906  267-6  +46*5**  268-8  +45-8  — 1-2*+0-7 

3.Februarl882  264-9       37-9  264-0      40-0  -♦-0-9  —2-1 

7. Februar  1863  264*3       35-3  263-0       33-3  +1-3   -4-2-0 

20. Februar  1877  262-0       29-1  263-0       36-0  —1-0  —6-9 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  81 

Die  Zugehörigkeit  der  letzten  Erscheinung  bleibt  wegen 
der  größeren  Differenz  in  8  zweifelhaft.  Es  kann  jedoch  einer- 
seits sowohl  die  Unsicherheit  der  Position  dieses  Radianten  * 
als  auch  jene  der  ersten  drei  Punkte  einige  Grade  betragen. 
Wenn  z.  B.  hinsichtlich  des  Meteors  vom  7.  Februar  statt  des 
Mittels  ein  meiner  Bestimmung  näher  liegender  Wert  gewählt 
wird,  so  würde,  in  Verbindung  mit  der  ebenfalls  mehr  nörd- 
licher liegenden  Position  des  Möcser  Falles,  das  Gesamtmittel 
für  /,  b  nördlicher  kommen  und  dann  die  Verbesserung  an  8  für 
den  20.  Februar  kleiner  ausfallen. 

In  meinen  Materialien  befindet  sich  die  Bahnbestimmung 
eines  Meteors  (von  »Venusgröße«),  das  am  30.  Juli  1879  in 
Dänemark  beobachtet  wurde.  Den  Radianten  habe  ich  aus  zwei 
nach  Sternen  angegebenen  Bahnen  in  a  ==  330",  8.=  -4-22-5'* 
bezeichnet.* 

Aus  dem  früher  gefundenen  kosmischen  Ausgangs- 
punkt erhält  man  mitt;  =  2  durch  Rechnung  für  diese 
Epoche  (Knotenlänge)  den  Radianten  in  a  =  333*  5"*,  8  =  23-2", 
eine  befriedigende  Übereinstimmung  bei  sehr  abweichender 
Sonnenlänge. 

Wenn  man,  was  ja  nach  vielen  andern  Erfahrungen  an- 
nehmbar ist,  einseitig  ermittelte  Sternschnuppenradianten  all- 
gemein als  Ersatz  für  Nachweisungen  von  Feuerkugeln  gelten 
lassen  kann,  bleibt  dieses  letztere  Beispiel  nicht  vereinzelt,  da 
sich  auch  noch  in  andern  Teilen  des  Jahres  einige  ähnliche 
Übereinstimmungen  finden  lassen. 

Um  dies  an  einigen  Fällen  zu  zeigen,  habe  ich  für  die 
Mitte  der  Monate  März  bis  Dezember  die  Lage  der  scheinbaren 


1  Den  Angaben  in  Denning's  General-Katalog,  p.  270,  ist  jetzt  zu  ent- 
nehmen, daß  dieser  Radiant  nur  aus  fünf  einseitig  beobachteten  Sternschnuppen- 
bahnen bestimmt  wurde,  obwohl  die  Erscheinung  im  ursprünglichen  Bericht  (Rep., 
1878)  als  »a  rieh  moming  shower«  gekennzeichnet  ist.  Ich  erkläre  mir  diesen 
anscheinenden  Widerspruch  damit,  dafi  zahlreiche  Bahnen  des  reichen  Meteor- 
Schauers  gegen  den  angegebenen  Punkt  nicht  gut  konvergierten.  Es  kann  da- 
her immerhin  für  möglich  gelten,  dafi  das  Resultat  mit  Einbeziehung  einer 
größeren  Zahl  von  Bahnen  etwas  anders  ausgefallen  wäre. 

*  Monthly  Notices  of  the  Royal  Astronomical  Society,  Vol.  LVII,  Nr.  3, 
p.  177. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  KI.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  6 


82  G.  V.  Niessl, 

Radianten  aus  dem  Ausgangspunkt  /  =  3l8*9*,ft  =  44-8*  mit 
v  =  2  berechnet  und  zum  Vergleiche  einige  mir  bekannt 
gewordenen,  aus  den  Beobachtungen  abgeleitete  Werte 
beigesetzt: 

Vom  Ausgangspunkt 

abgeleitet:  Aus  Beobachtungen 

Epoche:  a  8  abgeleitet: 

März  15 274-7*     +  16-3'  März  31.  bis  April  12 

1872.a=277%8=10* 
Den.  G.  K.  272. 

April  15 289-6  10-5  April  17. 1898. a=  291** 

8= +13*, Den.  p.  275 
(Korresp.  beob.  Stern- 
schnuppe). 
April  19.bis23.a=  292* 
5  =  14*,  Den.  ebenda 
?Mai  2.  1870.  a  =  298* 
8  =  5*,  Tupm. 

Mai  15 304-5  10-2  Mai  15.  a=:  304,  8  =  7** 

Den.  Report,  1877. 

Juni  15 317-8  13-6  Juni,  a  =  313%  8=  12* 

Schmidt. 

Juli  15 330-0  19-2  Julil9.a=332%8=23* 

Schiap. 
Juli28.a=:336%8=i30' 

Schiap. 
Juli   1.   bis   August  15 

a  =  338%     8  =  26** 

Greg. 
August  l.bisl5.a=338* 

8  =  30*,  Schmidt. 

August  15 339  •  0  28 '  3  August,     a     =     340 

8  —  35*,     Greg  und 
Herschel. 

August   22.     a  =  340* 
8  =  33%Tupm. 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  20.  Juni  1905. 


83 


Epoche : 


Vom  Ausgangspunkt 
abgeleitet: 
a  8 


Aus  Beobachtungen 
abgeleitet : 


September  15.  ...     344  •  8 


Oktober  15 342  7 


November  15 322-7 


Dezember  15 289-1 


?  September  3.bis  8. 1 885, 
a  =  354%  8  =  38% 
Den.  p.  286. 

39-0  September  3.bis  20. 1895, 
a  =  347%  8  =  43% 
Den.  p.  285. 

51-1  Oktober  15.  bis  No- 
vember 6.  a  =1  342  • 
8  =  56%  Greg. 
Oktober  15.  bis  30.  a  z= 
334%  8  zu  54%  Heis, 
A.  N.  1642. 

Oktober  19.  a  =  350% 
8  =  50%  Den.  p.  286. 

61-3  November  24.  a  =  330*, 
8  =  63',  Den.,  p.  286. 
November  28.  a  =  327% 
8  =  63%  Den.,  ebenda. 

59*8  Dezember  8.  bis  Jän- 
ner 25.  (?)  a  =  296% 

8  rz  53%  Heis. 
?  Dezember  11.  1852, 
Feuerkugel,  a  =r  277 *, 
8  =:  54*,  Buszczyn- 
ski  nach  dem  Material 
von  Heis. 

?  Dezember  12.  1872. 
Große  deton.  Feuer- 
kugel in  Kentucky  U.  S. 
am  273%  8=:  -4-58*; 
nur  beiläufig  n  ach  New- 
ton. (Report,  1874, 
p.  298.) 


6* 


84  G.  V.  Niessl» 

IL  Meteor  am  29.  Juni  1906. 
Beobachtungen. 

Sachsen  und  Bayern. 

1.  Dresden  (31**  24';  51  *  3^.  Die  nachstehende  offenbar 
sehr  genaue  Beobachtung,  welche  die  wichtigste  Grundlage 
der  Bahnbestimmung  bildet,  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn 
Prof.  Dr.  Max  Toepler  in  Dresden. 

»Aufleuchten  nicht  beobachtet.  Das  Meteor  bewegte  sich 
langsam  von  Ost  nach  West.  Helligkeit  intermittierend,  4  bis  5 
Maxima,  manchmal  fast  verschwindend,  Schweif  kurz,  höchstens 
V^*.  Die  größte  Helligkeit  betrug  mehr  als  das  Doppelte  von 
Mars.  Farbe  wechselnd,  rot  bis  grün,  überwiegend  weißgrün. 
Erlöschen  ohne  besonders  helles  Aufleuchten,  kein  Zerplatzen, 
keine  Schallwahmehmung. 

Da  meine  Wohnung  freie  Femsicht  gewährt,  wird  der 
Horizont  von  durchschnittlich  etwa  1  km  entfernten  Gegen- 
ständen gebildet.  Dies  und  die  Lage  der  Bahn  nahe  am  Horizont 
ermöglichte  eine  recht  genaue  Festlegung.  Nach  Orientierung 
an  Objekten  des  Horizonts  und  Ausmessung  auf  dem  Stadt- 
plan ergab  sich  folgendes: 

Der  Ort,  wo  das  Meteor  zuerst  bemerkt  wurde;  liegt  etwa 
6^  50'  westlich  von  Süd,  der  Ort  des  Erlöschens  17°  50' ±  15' 
westlich  von  Süd,  4**  40'  ±  10'  über  dem  Horizont. 

Die  scheinbare  Bahnneigung  gegen  den  Horizont  war 
^3**,  sicher  nicht  über  3**.  Flugdauer  ^  2*;  Zeit  des  Erlöschens 
10^  50°*  30»  dz  15«.« 

2.  München  (29"  15';  48**  80-  Um  \0^  54"  ging  ein 
kolossales  Meteor  über  München  nieder.  Dasselbe,  welches  fast 
dem  Umfange  der  Mondscheibe  nahe  kam,  bewegte  sich 
anscheinend  vom  Maximilianeum  in  großem  Bogen  nach  der 
Klosterbrauerei  zu.  (Münchener  Neueste  Nachrichten.) 

3.  Auf  dem  Wege  von  Percha  nach  Starnberg  (29*  2'; 
48 ""  0')  erstrahlte  plötzlich  eine  solche  Helligkeit,  daß  man  an 
den  Reflex  der  Azetylenlampe  eines  Radfahrers  dachte.  Eine 
farbenschöne  Leuchtkugel  flog,  einen  langen  Schweif  nach- 
ziehend, von  S  nach  N,  wie  eine  in  Gelb,  Rot  und  Lila  leuchtende 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  85 

Rakete.  Die  Erscheinung  teilte  sich  schließlich  in  zwei  Hälften 
und  verschwand.  (Ebenda.) 

4.  Weilheim  (28^  48';  47^  480-  Um  10»»  45"  abends 
erschien  plötzlich  am  wolkenlosen  Himmel,  etwa 45*  vom  Zenith 
in  südöstlicher  Richtung  entfernt,  eine  gelbe,  helleuchtende 
Kugel.  Sie  hatte  die  scheinbare  Größe  einer  kleinen  Melone 
und  zog  einen  roten,  fast  in  Karmin  spielenden  Schweif  hinter 
sich  her.  Sie  bewegte  sich  sehr  langsam  in  fast  nördlicher 
Richtung  und  verschwand,  etwa  30*  südöstlich  des  Polar- 
sternes, meinen  Blicken.  Dauer  30*.  Der  Beobachter  hebt  noch 
hervor,  daß  der  Schweif,  nicht  »wie  es  bei  Sternschnuppen  der 
Fall  ist«,  am  Himmel  zurückblieb,  sondern  der  Feuerkugel 
folgte.  (Ebenda.) 

5.  Hausham  bei  Schliersee  (29*  30';  47*  460-  Die  schein- 
bare Größe  glich  etwa  der  des  Vollmondes  und  die  Bewegung 
war  eine  sehr  lebhafte.  Dauer  etwa  20*.  Das  Licht  war  anfangs 
weiß,  ging  dann  ins  Blaßblaue  und  zuletzt  ins  Rote  über.  Auf 
halbem  Wege  schleuderte  das  Meteor,  wie  es  schien,  vier  oder 
fünf  größere  Stücke  von  sich  ab,  die  dann  schnell  unsichtbar 
wurden.  Das  Auffälligste  war  ein  donnerähnliches  Ge- 
räusch, das  der  Erscheinungnach  etwa4  bis  5  Minuten 
fol  gt e.  Es  glich  zwei  rasch  nacheinander  abgefeuerten  Kanonen- 
schüssen, die  man  aus  einer  Entfernung  von  etwa  3  bis  4  km 
hört.  (Ebenda.) 

6.  Reichenhall  (30*  32*5';  47*  430-  Die  folgende,  unter 
dem  lebhaften  Eindrucke  der  großartigen  Erscheinung  ent- 
standene Schilderung  fand  ich  einige  Wochen  nach  dem  Fall- 
tage in  der  Reichenhaller  »Kurliste«: 

»Am  Tage  Peter  und  Paul,  10^  55™,  befand  ich  mich  auf 
der  Straße  nach  Kaitl,  ungefähr  bei  der  Villa  Waldeck.  Als  ich 
so  dahin  schlenderte,  wurde  die  stockfinstere  Umgebung 
urplötzlich  taghell  beleuchtet,  und  über  dem  Kirchberg 
erschien  in  verklärender  Pracht  ein  helleuchtender  Himmels- 
körper, welcher,  einer  Flammenkugel  gleich,  langsam  am 
Horizont  von  Süd  nach  West  zur  Erde  wanderte.  Der  Licht- 
körper glich  ganz  und  gar  einer  zur  Erde  niederfallenden  Riesen- 
rakete mit  dem  Unterschied,  daß  er  einen  wundervollen  Funken- 
schweif, der  in  blaßrotem  Licht  erstrahlte,  hinter  sich  herzog. 


Xk  G.  V.  Niessi, 

Als  das  Phänomen  herüber  gewandert  war  bis  zur  Pro- 
tektion mit  dem  Sternbild  des  »Großen  Bären«  und  somit 
fast  einen  Halbkreis  beschrieben  hatte,  verschwand  es  keines- 
wegs, sondern  der  Funkenschweif  verschwand  und  der  Komet 
zerteilte  sich  mit  einem  Male  in  zehn  bis  zwölf  Lichtstrahlen, 
welche  in  allen  wundervollen  Farben  des  Spektrums  leuchteten. 
Der  Himmelskörper  dürfte  aus  dem  Sternbild  des  »Steinbockes« 
entstammt  sein.  Die  Dauer  war  ungewöhnlich  lang,  10  bis  15*. 
Es  war  ein  wahrhaft  entzückender  Anblick  inmitten  der  Nacht- 
stille, wie  wir  ihn  wohl  nie  wieder  schauen  werden!« 

Ich  war  später  in  der  Lage,  mich  über  die  hier  beschriebene 
Bahn  am  damaligen  Standpunkte  des  Beobachters  bei  der  Villa 
Waldeck  zu  orientieren.  Letztere  liegt  nördlich,  unmittelbar  am 
Fuße  des  hier  ziemlich  steilen  Abhanges.  Durch  Messung  mit 
dem  Gradbogen  fand  ich,  daß  das  Meteor  hier  bereits  eine  Höhe 
von  35^  erreicht  haben  mußte,  wenn  es  gegen  Süd  hin  sichtbar 
wurde.  Die  allgemein  bekannten  sieben  Hauptsterne  im  »Großen 
Bären«  standen  zur  Zeit  zwischen  30^  und  55^  nördlich  von 
West. 

Oberösterreich  und  Salzburg. 

7.  Engelhartszell  (3r  24';  48*^30').  Richtung  S— N, 
tiefblau,  Dauer  5  bis  7".  (Linzer  Tagespost.) 

8.  Linz  (3r57';48M80.  11*"  nachts  bewegte  sich  ein 
wunderbares  Meteor  in  der  Richtung  von  S  gegen  NW.  Es  war 
anfanglich  von  intensiv  bläulicher  Färbung  und  löste  sich 
schließlich  in  eine  feurige  Kugel  auf.  Die  Erscheinung  dauerte 
mehrere  Sekunden.  (Ebenda.) 

8.  Braunau  am  Inn  (30**  42';  48*  160-  Die  Erscheinung 
wurde  in  der  Richtung  von  Ranshofen  gegen  Ering  zu  beob- 
achtet. Sie  war  kometenartig,  leuchtete  sehr  schön,  eine  Feuer- 
bahn zurücklassend  und  währte  etwa  30'.  (Ebenda.)  Ranshofen 
liegt  südlich  von  Braunau,  Ering  in  ENE.  Die  Angabe  muß  ^uf 
einem  Irrtum  beruhen. 

9.  Vöcklabruck  (3r  19';  48*0').  Als  ich  von  dem  um 
jQh  45m  j^jgj.  ankommenden  Zuge  gegen  die  Stadt  zu  über  den 
Dörflberg  ging,  bemerkte  ich  ein  prächtiges  Meteor,  welches 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  87 

horizontal  in  der  Richtung  von  SE  gegen  NW  dahin  flog.  Es 
stellte  eine  feurig-weiße  Kugel  mit  langem  Schweif  dar.  Jene 
löste  sich  dann,  einer  Rakete  gleich,  in  vier  bis  fünf  kleinere 
Kugeln  auf  und  erlosch.  Dauer  10  bis  12*.  (Oberösterreichi- 
scher Gebirgsbote.) 

10.  Frankenmarkt  (31*  5';  47*  590-  Um  11^  5»  (?)  be- 
merkte man  durch  einige  Sekunden  ein  prachtvolles  Meteor.  Es 
war  eine  hellgrün  leuchtende  Kugel,  welche,  wie  es  schien, 
Teile  von  rötlicher  Färbung  abstieß  unter  ruckweiser  bogen- 
förmiger Bewegung  von  SE  gegen  NW.  Die  Erscheinung  war 
von  überwältigender  Schönheit.  (Ebenda.) 

11.  Gmunden  (31*  27';  47'  550-  Das  Meteor,  welches  als 
eine  in  grellweißem  Licht  erstrahlende  Kugel  erschien,  fiel  in 
der  Richtung  von  SE — NW  und  zog  einen  breiten  bläulichen 
und  rötlichen  Lichtstreifen  in  Form  eines  Kometenschweifes 
hinter  sich.  Dauer  3*.  (Salzkammergut-Zeitung.) 

12.  Salzburg  (30*  53';  47*  480.  Hier  wurde  das  Meteor 
wenige  Minuten  vor  11^  aus  S  kommend  sichtbar.  Benahm 
seinen  Weg  in  weitem  Bogen  nach  N  und  verschwand  dort. 
(Linzer  Tagespost)  Eine  zweite  Nachricht  lautet:  Um  10*^  50"* 
wurde  hier  ein  selten  schöner  Meteorfall  beobachtet.  Das  Meteor 
ging  von  Ost  gegen  West  Als  es  in  der  Mitte  des  Horizonts 
explodierte,  streute  es  Strahlen  und  Sterne  fächerförmig  aus. 
Indem  das  Meteor  seinen  Weg  fortsetzte,  änderte  es  fort- 
während die  Farbe  und  erschien  in  rotem,  grünem,  blauem 
Licht  Dauer  3  bis  4'.  (Salzburger  Zeitung.) 

13.  Radstadt  (3r  8';  47*  230-  Das  große,  kugelförmige, 
hell  leuchtende  Meteor  teilte  sich  in  drei  Teile,  ehe  es  ver- 
schwand. (Linzer  Tagespost.) 

Vorarlberg  und  Tirol. 

14.  Bregenz  (27"  25';  47**  300-  Ein  Meteor  von  seltener 
Größe  und  Schönheit  ist  10^  50™  am  »Pfander«  niedergegangen. 
Unter  starkem  Zischen  und  Prasseln  fuhr  eine  kopfgroße  Kugel 
von  wunderbarer  smaragdgrüner  Farbe  mit  einem  etwa  meter- 
langen, funkensprühenden  Schweife  in  der  Richtung  von  SW 
gegen  NE  und  fiel  anscheinend  in  das  Unterholz  des  Pfänder- 


88  G.  V.  Niessl, 

berges.  Ein  donnerartiger  Knall  und  dann  war  von  der  Er- 
scheinung nichts  mehr  zu  sehen,  (österreichische  Volks- 
Zeitung.)  Das  Azimut  der  Spitze  des  Pfänder  (Triangulierungs- 
zeichen)  vom  Hauptplatze  der  Stadt  beträgt  nach  dem  Plane 
260 '8**.  Der  zugehörige  Höhenwinkel  ist  ungefähr  15**. 

15.  Kufstein  (29^  50';  47*^  350,  Kirchbichl  (29**  45-5'; 
47**  310  und  Wörgl  (29**  44';  47*  290-  Kurz  vor  U»'  entstand 
am  Nachthimmel  plötzlich  eine  auffallende  Helligkeit.  Diese 
war  der  Vorläufer  einer  nun  erscheinenden,  langsam  von  SE 
nach  NW  ziehenden,  großen,  helleuchtenden  Feuerkugel  mit 
Schweif.  Plötzlich  zersprang  das  Meteor  und  streute  Teile 
raketenartig  in  der  Richtung  seiner  bisherigen  Flugbahn  über 
den  Himmel.  Es  war  eine  prachtvolle  Naturerscheinung,  wie 
man  sie  nur  selten  zu  sehen  bekommt.  (Tiroler  Grenzbote.) 

16.  Terfens  (29**  19';  47**  18').  Als  wir  um  10^  40""  den 
Ort  gegen  Nord  passierten,  ging  in  östlicher  Richtung  eine 
große,  glühende,  flaschenförmige  Masse  nieder,  welche  das 
Terrain  ungefähr  7'  lang  taghell  beleuchtete.  (Innsbrucker 
Nachrichten.) 

17.  Innsbruck  (29**  5';  47**  160-  Nach  V^H^  wurde  hier 
ein  prächtiges  Meteor  beobachtet,  das  sich  in  der  Richtung  von 
SE— NW  gegen  die  »Frauhitt«  hin  bewegte.  (Bote  für  Tirol 
und  Vorarlberg.)  Die  »Frauhitt«  liegt  in  der  Tat  nordwestlich 
von  Innsbruck.  Das  Meteor  kann  aber  hier  nicht  bis  auf  die 
Westseite  gekommen  sein.  Es  ist  also  mit  dieser  Angabe  wie 
gewöhnlich  nur  die  Bewegungsrichtung  durch  ungefähre  Be- 
zeichnung der  Knoten  am  Horizont  gemeint. 

18.  Brennerbad  (29**  10';  46**  580-  Kurz  vor  11*^  beob- 
achtete ich,  durch  eine  plötzliche  intensive  Helle  aufmerksam 
gemacht,  ein  von  S  nach  N  nach  fallendes  prächtiges  Meteor, 
das  mit  einem  langen  Schweif  wie  eine  mächtige  Rakete 
aussah.  Leider  verschwand  die  Erscheinung  allzuschnell  hinter 
den  hohen  Bergen.  (Innsbrucker  Nachrichten.) 

19.  Innichen  (29**  56';  46**  440-  Um  10>^  48°^  war  hier  eine 
merkwürdige  Erscheinung  am  gestirnten  Himmel  zu  beobachten. 
Über  das  ganze  Tal  wurde  nämlich  plötzlich  von  S  nach  N 
eine  große,  grell  leuchtende  Feuerkugel  sichtbar,  welche  in 
vielen  Tausenden  von  Strahlen  ihr  Licht  hinabwarf  und  die 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  89 

ganze  Gegend  auf  einige  Sekunden  taghell  beleuchtete.  Im 
nächsten  Moment  zersprang  die  Kugel  lautlos  in  viele  Teile 
und  einige  Minuten  später  waren  noch  leuchtende  Feuerkörper 
sichtbar,  die  sich,  langsam  verglühend,  zur  Erde  gesenkt  haben 
mochten.  (Deutsches  Volksblatt.) 

Kärnten. 

20.  Klagenfurt  (31*  58';  46**  370-  Das  Meteor  kam  um 
etwa  11**  aus  der  Umgebung*  des  »Arcturus«  und  zog  über 
das  Sternbild  der  Jagdhunde  zwischen  dem  »Großen  Bären«  und 
Kleinen  Löwen  auf  die  »Zwillinge«  zu,  ohne  jedoch  diese  zu 
erreichen.  Es  hatte  die  10-  bis  20fache  Intensität  Jupiters  und 
zeigte  sich  als  kleine  Scheibe,  die  einen  glühenden  Schweif 
nach  sich  zog.  Zeitweise  explosionsartige  Erscheinungen  riefen 
den  Eindruck  hervor,  als  ob  eine  starke  Rakete  vorüberziehe. 
Die  Bahn  war  schwach  gekrümmt  und  hatte  einen  schwachen 
Winkel  gegen  den  Horizont,  etwa  10".  Die  Erscheinung  ver- 
schwand ohne  eine  Schlußexplosion.  (Neue  Freie  Presse.) 

21.  Gailitz  (31**  21 -5';  46**  330-  Um  11^  nachts  wurde 
hier  in  der  Richtung  S — N  eine  große  Feuerkugel  mit  langem 
Schweif  beobachtet,  die  intensives  Licht  ausstrahlte  und  etwa 
2  Minuten  (?)  sichtbar  blieb.  (Neues  Wiener  Tagblatt.) 

Niederösterreich. 

22.  Gerasdorf  (33M5^  47M70.  Herr  Lehrer  Leopold 
Großkopf  in  Saubersdorf  berichtete  den  »Wiener-Neustädter 
Nachrichten«  folgendes:  Am  Abend  des  29.  Juni  bemerkte  ich 
außerhalb  Gerasdorf  am  Himmel  ein  prächtiges  Meteor,  welches 
anfangs  halbe  Vollmondsgröße  hatte.  Es  bewegte  sich  vom 
»Schneeberg«  bis  ungefähr  zur  »Hohen  Wand«,  und  zwar  in 
südnördlicher  Richtung.  Das  Meteor  hatte  einen  glänzend 
weißen  Kern,  dem  ein  grünlicher  Schweif  folgte,  bis  sich  das 
Ganze  auflöste,  indem  es  immer  kleiner  wurde.  Dauer  unge- 
fähr 25*.  Das  Azimut  der  Schneebergspitze  aus  Gerasdorf 
beträgt  85"*.  Die  »Hohe  Wand«  ist  bekanntlich  sehr  ausgedehnt. 
Für  den  Placklesberg  am  südlichen  Ende  wäre  das  Azimut 
noch  11 5^ 


90  G.v.  Niessl, 

23.  Lunz  (32*^42';  47**  520.  Um  11*^  nachts  war  ein 
Meteor  sichtbar,  zuerst  weiß,  dann  gelblich  und  rot,  intensiv 
strahlend.  Dauer  etwa  lO'.  Die  Flugbahn  war  von  SW  nach  NE 
gerichtet.  (Fremdenblatt.) 

24.  Wien  (34**  3';  48**  120-  Etwa  5"  vor  11^  zeigte  sich 
am  westlichen  Himmel  ein  prächtiges  Meteor,  das  rot  glühenden 
Leuchtkugeln  glich,  die  in  horizontaler  Richtung  einem  Licht- 
kern entsprühten.  Nach  Ablauf  weniger  Sekunden  erlosch  die 
raketenähnliche  Erscheinung.  (Wiener  Deutsches  Tagblatt.) 

25.  Pöchlarn  (32**  52';  48*  13').  Um  10»^  55°^  war  am 
nächtlichen  Himmel  ein  wundervolles  Meteor  zu  sehen,  welches, 
hellstrahlend,  die  Richtung  von  Süd  nach  Südost  (?)  nahm.  Es 
dürfte  volle  15"  zu  sehen  gewesen  sein.  (Neue  Freie  Presse.) 

26.  Krems  (33**  16';  48**  24-5').  Gegen  11^  wurde  hierein 
schönes  Meteor  gesehen.  Es  zeigte  sich  am  westlichen  Himmel 
und  nahm  im  langsamen  Fall  als  helleuchtende,  große,  grüne 
Kugel  mit  anhängender  feurigen,  kleineren  die  Richtung  von  S 
nach  N.  (Neue  Freie  Presse.) 

27.  Gmünd  (32**  39';  48**  46-50.  Nachts  11^  konnte  man 
ein  herrliches  Naturschauspiel  beobachten.  Am  südöstlichen 
Himmel  fielen  zuerst  rasch  nacheinander  vier  bis  fünf  Stern- 
schnuppen. Hierauf  erhellte  sich  der  südöstliche  Himmel  und 
ein  weiß  leuchtender  Körper  flog  in  der  Richtung  SE — NW 
zuerst  horizontal,  dann  gegen  NW  schief  absteigend.  Der  leuch- 
tende, weißglühende  Körper  erhielt  auf  halber  Flugbahn  einen 
feurigen,  keilförmigen  Schweif,  der,  immer  länger  werdend, 
zuerst  weiß,  dann  orange,  hierauf  rot,  dann  dunkelrot  erstrahlte, 
sich  endlich  vom  Hauptkörper  trennte  und  im  NW  (?)  ver- 
schwand. Dauer  8  bis  10*.  (österreichische  Volks-Zeitung.) 

Mähren  und  Böhmen. 

28.  Pohrlitz  (34**  12*5';  48**  59').  Von  hier  schrieb  Herr 
Grundbesitzer  Franz  Brunda  der  »österreichischen  Volks- 
Zeitung«:  Vor  11^  beobachtete  ich  westlich  durch  etwa  10*  ein 
Meteor  von  außerordentlicher  Größe  und  Lichtstärke.  Die  Flug- 
bahn war  von  SE  nach  NW  gerichtet. 

29.  Schönbach  (30**  4';  50**  150-  Gegen  11*^  wurde  das 
Aufleuchten  eines  Meteors  beobachtet,  welches  in  der  Richtung 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  91 

von  SE  gegen  NW  zog.  Das  Leuchten  dauerte  ungefähr  9*  und 
war  von  solcher  Intensität,  daß  man  dachte,  es  werde  eine  elek- 
trische Bogenlampe  von  wunderbarer  grüner  Färbung  ent- 
zündet (Ascher  Zeitung.) 


Für  die  Epoche  des  Falles  habe  ich  im  Mittel  aus  den 
bestimmteren  Angaben  genommen:  1905,  Juni  29,  10^*52*'* 
mittlere  Dresdener  Zeit  oder  9^57"'  mittlere  Greenwicher  Zeit. 


Geographische  Lage  und  lineare  Höhe  des  Endpunktes  der 

Bahn  durch  die  Atmosphäre. 

Zur  Bestimmung  dieses  Punktes  liegen  außer  der  Beob- 
achtung des  Herrn  Prof.  Dr.  Toepler  in  Dresden  nur 
spärliche  Angaben  vor.  Die  meiste  Berücksichtigung  scheint 
zunächst  noch  die  Beschreibung  der  scheinbaren  Bahn  in 
Bezug  auf  die  nächstgelegenen  Sternbilder  aus  der  Klagen- 
furter  Mitteilung  (20)  zu  verdienen,  nur  ist  dort  der  Endpunkt 
nicht  bezeichnet.  Nimmt  man  jedoch  für  diese  letztere  Beob- 
achtung einen  Großkreis  an,  welcher  ihr  der  Lage  nach  ent- 
spricht, so  ist  es  nach  bekannten  Regeln  leicht,  in  diesem  den- 
jenigen Punkt  zu  ermitteln,  welcher  der  Beobachtung  des 
Endpunktes  in  Dresden  entspricht,  woraus  dann  Lage  und 
Höhe  des  letzteren  sich  ergibt. 

Für  die  Klagenfurter  scheinbare  Bahn  wurde,  um  der  Be- 
obachtung möglichst  nahe  zu  kommen,  der  größte  Kreis  ge- 
nommen, welcher  a  Bootis  mit  der  Mitte  zwischen  a  und  ß 
Gcminorum  verbindet,  obwohl  diese  beiden  Sterne,  wie  über- 
haupt der  größere  Teil  der  »Zwillinge«,  zur  Beobachtungszeit 
bereits  unter  dem  Horizont  waren.  Es  ist  anzunehmen,  daß 
der  Beobachter  die  Richtung  nach  der  ihm  bekannten  Lage 
der  Konstellation  geschätzt  hat.  Demnach  wäre  diese  bestimmt 
durch  I:a  =  212-9*  8=r +19-7%  II:  a  =  113-5*  8z=h-30-2% 
worin  II  selbstverständlich   nicht   der  Endpunkt  ist. 


94  G.v.  Niessl, 

furt  angegebenen  Bahnbogen  verwerten,  wobei  als  zweiter 
Punkt  der  berechnete  scheinbare  Ort  des  ausgemittelten  End- 
punktes gesetzt  wurde.  Man  erhält  auf  diese  Weise  folgende 
drei  scheinbare  Bahnen: 

I 


II 

a 

8 

238 -Q» 

32- 2* 

163-4 

+52-3 

139-6 

+37-6 

Dresden 251  •  8**     —33-6* 

Reichenhall ...  260  •  5       —  6  •  8 
Klagenfurt 212-9       +19-7 

Es  liegt  noch  eine  ziemlich  große  Anzahl  roher  Schät- 
zungen der  scheinbaren  Bewegungsrichtung  der  Feuer- 
kugel nach  den  sogenannten  Weltgegenden  vor.  Diese  geben, 
sofern  sie  zutreffend  sind,  den  scheinbaren  Bahnknoten  am 
Horizont  an,  welcher  selbstverständlich  im  allgemeinen  je  nach 
der  Lage  der  Beobachtungsorte  gegen  die  Bahn,  verschieden 
sein  wird.  Wenn  jedoch  der  Radiant  im  Horizont  liegt,  wird  die 
Richtung  für  alle  Beobachter  dieselbe  bleiben.  In  unserem 
Falle  befand  er  sich  nach  der  verläßlichen  Beobachtung  aus 
Dresden  gewiß  in  geringer  Höhe  und  daher  wird,  wenigstens 
für  die  Beobachtungsorte  unweit  der  Horizontalprojektion  der 
Bahn,  annähernd  dasselbe  gelten. 

Man  kann  die  verschiedenen  Angaben  dann  in  einem 
Mittelwert  zusammenfassen,  besonders,  wenn  jene  ungefähr 
gleichmäßig  von  beiden  Seiten  der  Bahntrasse  herstammen. 
Unter  18  geeigneten  Schätzungen  befinden  sich  hier  8,  in 
welchen  die  Richtung  aus  Südost,  und  10,  in  welchen  sie  aus 
Süd  bezeichnet  erscheint,  woraus  man  im  Mittel  auf  Südsüdost 
oder  etwas  genauer  auf  A  =z  340**  mit  einer  mittleren  Un- 
sicherheit von  5  bis  6*  für  den  Knoten  des  Bahnvertikals 
schließen  könnte. 

Im  Endpunkt  gedacht,  würde  dieser  Vertikal  zur  Fallzeit 
durch  die  Koordinaten: 

I:  a  =  279"  8  =  —  21%     II:  a  =:  285**     8  =  —  40" 

bestimmt  sein,  welche  ich  den  vorstehenden  drei  Bahnbogen 
mit  dem  Gewicht  1  beigesellt  habe,  während  Reichenhall  und 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  93 

Östlicher  Länge  von  Ferro  und  48*5'  nördl.  Breite,  7  Kilometer 
Ostnordost  von  Wasserburg  am  Inn  in  Bayern. 

Für  die  Bestimmung  der  linearen  Höhe  kann  aus  dem 
vorliegenden  Beobachtungsmateriat  nur  der  in  Dresden  ange- 
gebene Höhenwinkel  von  4"*  40'  maßgebend  sein.  Da  die  be- 
treffende Entfernung  345  km  beträgt,  ergibt  sich  hieraus  die 
lineare  Höhe  des  Hemmungspunktes  über  der  Erdober- 
fläche zu  37-4  km,  ein  dem  durchschnittlichen  Betrag  für  der- 
artige (detonierende)  Erscheinungen  sehr  nahe  kommender 
Wert. 

Die  Verbesserungen  der  verwendeten  Azimute  betragen 

1  A  (berechnet — beobachtet) 

für  Dresden OO* 

»    Reichenhall —  3*3 

»    Bregenz -h  09 

»    Klagenfurt -h  8*0 

»    Weilheim -4-19-7 

Der  letzteren  Angabe  liegt  nur  eine  beiläufige  und  noch  dazu 
etwas  unklare  Schätzung  zu  Grunde. 

Unter  Voraussetzung,  daß  die  Richtung  aus  Dresden  als 
verbesserungsfrei  beibehalten  wird,  sind  die  mittleren  Fehler 
der  vorhin  angegebenen  geographischen  Koordinaten  des  End- 
punktes in  Länge  ±  4*  1'  oder  5"  1  km  und  in  Breite  ±8  6' 
öder  ±16  km.  Die  mittlere  Genauigkeit  der  Höhenbestimmung 
läßt  sich  aus  dem  Ergebnisse  nicht  beurteilen,  da  nur  ein 
Resultat  vorliegt. 

Scheinbarer  Radiationspunkt. 

Auf  Grund  der  in  Dresden  beobachteten  scheinbaren  Bahn 
in  der  Nähe  des  Horizonts,  welche  mit  erfreulicher  Genauig- 
keit festgelegt  wurde,  kann  man  mit  einer  geringeren  Anzahl 
anderer  Beobachtungen,  welche  gute  Einschnitte  liefern,  das 
Auslangen  finden.  Bei  der  Dresdener  Beobachtung  ist  die 
Bahnneigung  abgeschätzt  und  das  Azimut  für  den  Punkt  der 
ersten  Wahrnehmung  bezeichnet,  woraus  sich  der  Ort  ergibt. 
Sonst  lassen  sich  nur  noch  die  in  Reichen  hall  und  Klagen- 


92  G.  V.  Niessl, 

Es  Stellt  sich  unter  dieser  Voraussetzung  dann  heraus, 
daß  derjenige  Punkt  in  dieser  Bahn,  welcher  dem  Dresdner 
Endpunkt  entspricht,  aus  Klagenfurt  in  128*5**  Azimut  und 
14 -5°  Höhe  zu  nehmen  wäre.  Durch  Verbindung  beider  Be- 
obachtungen würde  man  weiters  den  End-  oder  Hemmungs- 
punkt über  der  Gegend  von  Nußdorf,  südlich  von  Rosen- 
heim und  Neu-Beuern  in  Bayern,  unweit  der  Tiroler  Grenze, 
erhalten. 

Im  Vergleiche  mit  den  Meldungen  aus  den  viel  näher  ge- 
legenen Orten  Reichenhall  (6)  und  Weilheim  (4),  wie  bei- 
läufig sie  auch  lauten,  erscheint  dieser  Punkt  jedoch  zu  weit 
südlich,  da  er  von  Reichenhall  fast  genau  westlich,  statt  nord- 
westlich, von  Weilheim  sogar  noch  südlich  von  Ost,  statt  nord- 
östlich liegt.  Auch  die  Beobachtung  aus  Bregenz  (14)  sowie 
besonders  jene  aus  Gerasdorf  (22)  sprechen  für  eine  mehr 
nördliche  Lage. 

Ich  habe  daher  nebst  den  früher  angeführten  Beobach- 
tungen aus  Dresden  und  Klagenfurt  für  den  Endpunkt 
noch  folgende,  den  dortigen  Angaben  entsprechende  Azimute 
in  Rechnung  gezogen:  Weilheim  (4)  A  =  230**,  Reichen- 
hall (6)  >1  =  137-5**  und  Bregenz  (14)  A  =  260•8^  Die 
Beobachtung  ausGerasdorf  scheint  viel  mehr  die  Bewegungs- 
richtung anzudeuten  als  den  Endpunkt,  denn  sie  weist  wohl 
allzuweit  nördlich. 

Bei  der  Verbindung  dieser  Angaben  muß  man  den  offen- 
bar sehr  genauen  Bezeichnungen  aus  Dresden,  gegenüber  den 
übrigen  nur  beiläufigen,  ein  unverhältnismäßig  größeres  Ge- 
wicht beilegen,  da  dort  die  mittlere  Unsicherheit  des  Azimuts 
von  17**  50'  mit  ±  V4**  angesetzt  erscheint,  während  diese  hin- 
sichtlich der  andern  Beobachtungsorte  sicher  nicht  unter  5* 
zu  nehmen  ist.  Also  wäre  das  Gewicht  der  Dresdner  Beob- 
achtung 400  mal  so  groß  als  für  die  übrigen  zu  nehmen.  Man 
kann  das  praktisch  als  gleichbedeutend  nehmen  mit  der 
Forderung,  daß  die  in  Dresden  angegebene  Richtung  ohne 
Änderung,  d.  h.  also,  streng  genommen,  mit  dem  Gewicht  00 
beizubehalten  wäre. 

Aus  der  Zusammenfassung  dieser  Angaben  erhielt  ich 
dann  den  Hemmungspunkt  über  der  Gegend  von  29*  58*5' 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  95 

Klagenfurt  je  das  Gewicht  4  erhielten  und  Dresden  mit  Ge- 
wicht 9  in  Rechnung  kam.  Die  letztere  Beobachtung  kann 
nämlich  in  Bezug  auf  die  Bahnlage  nicht  als  so  gewichtig  wie 
für  den  Endpunkt  gelten,  weil  für  die  Bahnlage  nur  die  abge- 
schätzte scheinbare  Neigung  in  Verbindung  mit  dem  Endpunkt 
und  dem  Azimut  des  ersten  Punktes  in  Betracht  kommen  kann. 
Dafi  sie  wesentlich  genauer  ist  als  die  andern,  liegt  dagegen 
schon  in  der  Natur  der  Sache. 

Aus  diesen  vier  Bahnbogen  ergab  sich  für  den  schein- 
baren Radianten: 

Rektaszension a  =  283*  ±  2** 

Deklination 8  =  —  30**  db  0-5* 

Da  nur  vier  Bahngleichungen  zur  Verwendung  kommen 
konnten,  ist  den  beigefügten  mittleren  Fehleren  kein  allzu  grofies 
Gewicht  beizulegen ;  doch  dürfte  die  Unsicherheit  des  Resul- 
tates schwerlich  grofi  sein,  da  die  Übereinstimmung  der  Beob- 
achtungen eine  recht  günstige  ist. 

Die  nötigen  Verbesserungen  am  Punkt  I  sind  nämlich 
durchwegs  gering.  Für  Dresden  wäre  die  berechnete  Dekli- 
nation —  33-2*  statt  der  angenommenen  —  33*6**  (A  8  =  -f- 
4-0-4'*) zu setzen;]nReichenhall  beträgt  die  berechnete  Höhe 
in  Süd  36-8*  statt  35*  (A  Ä  =  -4-  1  -S*);  in  Klagenfurt  ging 
das  Meteor  3"9*  südlich  an  Arcturus  vorbei  (A8=:  —  3*9*) 
und  das  Azimut  der  Bahn  ergibt  die  Rechnung  zu  339 '  1 "" 
statt  340*  {^A  =  —  0-9'). 

Aus  dem  abgeleiteten  Radianten  ergibt  sich  für  die  Bahn- 
lage gegen  die  Erde  am  Endpunkt  und  zur  Fallzeit,  nämlich 
A  =  339*  1*  (wie  schon  oben  bemerkt)  und  h  =  9*0**.  Die 
Feuerkugel  durchschnitt  die  Atmosphäre  der  Erde  daher  in 
einer  sehr  nahe  aus  SSE  gerichteten  Bahn,  deren  Neigung 
gegen  den  Horizont  des  Endpunktes  nur  9""  betrug. 

Aufleuchten,  Bahnlänge,  Geschwindigkeit. 

Auch  im  vorliegenden  Falle  wurde  das  Meteor  wie  gewöhn- 
lich von  den  Beobachtern  ungleichzeitig  bemerkt  und  demnach 
ein  kürzeres   oder  längeres  Bahnstück    wahrgenommen.    In 


98  G.  V.  Nicssl, 

Rede,  deren  sonst  nirgends  Erwähnung  geschieht,  da  überall 
hervorgehoben  wird,  daß  der  Schweif  der  Kugel  folgte. 

Die  Größe  der  Feuerkugel  (der  leuchtenden  Sphäre)  läßt 
sich  nach  den  Angaben  aus  München  (2),  wo  sie  als  »kolos- 
sal», »fast«  der  Mondscheibe  gleichkommend  und  aus  Haus- 
ham  (5)  »scheinbar  dem  Monde  gleich«  bezeichnet  wurde,  an- 
näherungsweise ermitteln.  Werden  die  betreffenden  Winkel 
(für  (2)  drei  Viertel  des  scheinbaren  Monddurchmessers 
genommen)  auf  die  kürzesten  Entfernungen  bezogen,  so  liefert 
die  erste  Beobachtung  458  w,  die  zweite  603  m  für  den  linearen 
Durchmesser  der  Lichtsphäre.  Das  Mittel  wäre  also  530  wf,  ein 
Wert,  welcher  das  Meteor  unter  die  größeren  Erscheinungen 
dieser  Art  einreiht.  Die  Angabe  aus  Geras dorf  (22),  aus 
welcher  man  auf  einen  Durchmesser  von  1200  m  schließen 
müßte,  beruht  offenbar  auf  starker  Überschätzung. 

Für  die  Länge  des  Schweifes  liegt  nur  die  eine  brauch- 
bare Schätzung  aus  Dresden  vor.  Jene  schien  dort,  wegen 
des  stumpfen  Winkels  der  Fluglinie  gegen  die  Sehlinie,  bis  auf 
etwa  7***  verkürzt,  was  einer  wirklichen  Länge  von  3  bis  4  ktHy 
d.  i.  dem  Sechs-  bis  Achtfachen  des  Kugeldurchmessers  ent- 
spricht. Wenn  in  den  Berichten  (3),  (9),  (18)  und  (21)  von  einem 
»langen  Schweif«  die  Rede  ist,  so  ist  damit  wohl  nichts  Be- 
stimmtes über  die  Länge  gesagt ;  aber  es  mag  sein,  daß  die 
rückwärtigen  schwächer  leuchtenden  Partien  in  Dresden  wegen 
der  großen  Entfernung  und  bei  der  Trübung  in  der  Nähe  des 
Horizontes  nicht  wahrgenommen  werden  konnten. 

Bemerkenswert  ist  noch  die  Mitteilung  aus  Gmünd  (27), 
daß  sich  der  Schweif  erst  in  der  Mitte  der  Flugbahn  ge- 
bildet hat  und  dann  immer  länger  wurde. 

Bezüglich  der  Lichtfarbe  der  Feuerkugel  sind,  außer 
glänzend  weiß,  die  Nuancen  von  grün  unter  den  Bezeichnungen 
vorherrschend.  Seltener  findet  sich  diesmal  die  bläuliche  Farbe 
angegeben.  Die  Farben  gelb  und  rot  beziehen  sich  offenbar 
auf  späte  Stadien.  Dafür  spricht  auch  die  Aufeinanderfolge  beim 
^►^ßegebenen  Farbenwechsel.  »Anfangs  weiß,  dann  blaßblau, 
zuletzt  rot«  (5)  und  »zuerst  weiß,  dann  gelblich  und  rot«  (23). 

Der  Schweif  wird  ausdrücklich  als  rot  (rosa,  karmin, 
feuerrot)  und  funkensprühend  oder  aus  Funken  gebildet 
bezeichnet. 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  99 

Die  Lichtstärke  wird  an  zwei  Orten,  Reichenhall  (6) 
und  Innichen  (19)  durch  die  Bemerkung  charakterisiert,  daß 
die  Umgebung  »taghell«  beleuchtet  war.  Die  Entfernungen  in 
gerader  Luftlinie  von  den  nächsten  Punkten  der  Meteorbahn 
betragen  für  die  beiden  Beobachtungsorte  51  km,  beziehungs- 
weise 86  km.  Letztere  betrifft  aber  weit  zurückliegende  Partien 
der  Bahn,  an  welchen  die  Feuerkugel  vermutlich  noch  nicht 
sehr  große  Lichtstärke  entfaltet  hatte.  Vom  Hemmungspunkt 
derselben  liegt  Innichen  jedoch  154  Äiw  entfernt.  Nicht  selten 
werden  ähnliche  Lichtwirkungen  noch  in  solchen  Entfernungen 
hervorgerufen. 

In  Schönbach  (29),  welches  vom  Endpunkt  245  km 
entfernt  und  weit  nördlich  der  Bahn  liegt,  wurde  die  Licht- 
entfaltung noch  mit  der  Wirkung  elektrischer  Bogenlampen 
verglichen.  »Intensives  Licht«  melden  (18)  und  (21).  Klagen- 
furt (20)  gibt  dagegen  nur  vielfache  Lichtstärke  Jupiters  an 
und  in  Dresden  (1)  wird  das  Meteor  nur  mehr  als  doppelte 
Marsgröße  übersteigend,  also  etwa  einer  sehr  hellen  Stern- 
schnuppe entsprechend,  geschätzt. 

Die  Helligkeit  und  Größe  wird  übrigens  in  Dresden 
intermittierend  mit  4  bis  5  Maxima  beschrieben  und  in  einer 
Skizze  dargestellt.  Ähnlich  klingt  die  Bemerkung  aus  Klagen- 
furt (20),  daß  sich  zeitweise  explosionsartige  Erscheinungen 
während  des  Laufes  zeigten. 

Der  atmosphärische  Widerstand  verursacht  eine  raschere 
Erwärmung  der  Oberfläche  und  früheres  Aufleuchten  der 
kleineren  Partikel,  welche  dann  oft  auch  ganz  aufgezehrt 
werden.  Geschieht  dies,  ehe  andere  Teile  des  durch  eben  diesen 
Widerstand  in  die  Länge  gezogenen  Schwarmes,  Teile  von 
höherer  Größenordnung,  zum  hellen  Erglühen  gelangen,  so 
kann  eine  vorübergehende  Herabsetzung  der  gesamten  Licht- 
starke für  einige  Momente  eintreten.  Dieser  Vorgang  kann  sich 
wiederholen,  aber  man  darf  dabei  nicht  etwa  an  wiederholte 
»Explosionen«  desselben  Körpers  denken. 

Daß  es  im  vorliegenden  Falle  auch  wieder,  wie  gewöhn- 
lich, ein  Schwärm  von  Körperchen,  ein  Meteoritenwölkchen 
war,  welches  durch  seinen  Eintritt  in  die  Atmosphäre  die 
Erscheinung     der     Feuerkugel     hervorrief,     bestätigen     die 

7* 


96  G.v.  Niessl, 

keiner  Beobachtung  ist  aber  der  gesehene  Bahnbogen  sowie 
auch  die  zugehörige  Dauer  so  bestimmt  bezeichnet  als  in 
jener  des  Herrn  Prof.  Dr.  Toepler  in  Dresden. 

Nach  dieser  Beobachtung  wurde  das  Meteor  zuerst  be- 
merkt, als  es  sich  62-7  km  über  der  ErdoberHäche  in  30 MO- 2* 
östlicher  Länge  v.F.  und  46°  50*2'  nördlicher  Breite  befand,  d.  i. 
über  einem  Punkte  der  Kärntner  Zentralalpen  (westlich  der 
Kreuzeckgruppe),  etwa  9  hn  nördlich  von  Oberdrauburg. 
Von  hier  verlief  die  Bahn  etwas  westlich  an  Stall  im  Mölltal 
und  ebensoviel  östlich  an  Döllach  an  der  MöU  vorbei  und 
westlich  von  Zell  am  See,  genau  über  das  Hinterhorn  der 
Loferer  Steinberge,  dann  über  Frauenwörth  im  Chiem- 
see  zum  Endpunkt. 

Die  Länge  dieses  in  Dresden  wahrgenommenen  Bahn- 
teiles beträgt  151  km  mit  einer  Unsicherheit,  welche  kaum 
lOVo  dieser  Größe  übersteigen  wird.  Die  zugehörige  Dauer 
wurde  von  dem  Herrn  Prof.  Dr.  Toepler  zu  ^  2'  geschätzt. 
Obwohl  anzunehmen  ist,  daß  diese  Angabe  einen  3*  über- 
steigenden Wert  ausschließt,  wünschte  ich  doch  in  Bezug  auf 
diese  sehr  wichtige  Beobachtung  jeden  Zweifel  zu  vermeiden 
und  bat  deshalb  Herrn  Prof.  Toepler  um  eine  nähere  Inter- 
pretation hinsichtlich  der  oberen  Grenze.  Der  Genannte  war 
so  freundlich,  mir  ohne  Zögern  die  bestimmte  Aufklärung  zu 
geben,  daß,  insofern  es  sich  um  einen  2*  übersteigenden  Wert 
handelt,  dieser  jedenfalls  zwischen  2'  und  3*,  jedoch  näher  an 
2"  zu  nehmen  wäre. 

Dieser  Feststellung  dürfte  durch  die   Annahme  von   2  •4" 
für  die  Dauer  ungefähr  entsprochen  sein,  woraus  sich,  in  Ver- 
bindung mit  der  Länge  von  151  km  für  die  geozentrische. 
Geschwindigkeit,  der    ansehnliche    Betrag  von   62*9   km^ 
ergibt. 

Es  liegt  sonst  nur  noch  eine  Beobachtung  vor,  welche 
den  Anfangspunkt  wenigstens  ungefähr,  aber  doch  viel 
unbestimmter  bezeichnet,  nämlich  jene  aus  Klagenfurt  (20). 
Angenommen,  daß  dort  das  Meteor  wirklich  schon  in  der 
Nähe  von  Arcturus  (und  zwar  nach  der  verbesserten  Bahn, 
3 '9**  südlicher)  erblickt  wurde,  so  befand  es  sich  iii  diesem 
Moment  noch  72*3  *w  über  der  Gegend  von  Chiusaforte 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  99 

Die  Lichtstärke  wird  an  zwei  Orten,  Reichenhall  (6) 
und  Innichen  (19)  durch  die  Bemerkung  charakterisiert,  daß 
die  Umgebung  »taghelle  beleuchtet  war.  Die  Entfernungen  in 
gerader  Luftlinie  von  den  nächsten  Punkten  der  Meteorbahn 
betragen  für  die  beiden  Beobachtungsorte  51  km,  beziehungs- 
weise 86  km.  Letztere  betnlTt  aber  weit  zurückliegende  Partien 
der  Bahn,  an  welchen  die  Feuerkugel  vermutlich  noch  nicht 
sehr  große  Lichtstärke  entfaltet  hatte.  V^om  Hemmungspunkt 
derselben  liegt  Innichen  jedoch  154  im  entfernt.  Nicht  selten 
werden  ähnliche  Lichtwirkungen  noch  in  solchen  Entfernungen 
hervorgerufen. 

In  Schönbach  (29),  welches  vom  Endpunkt  245 km 
entfernt  und  weit  nördlich  der  Bahn  liegt,  wurde  die  Licht- 
entfaltung noch  mit  der  Wirkung  elektrischer  Bogenlampen 
verglichen.  »Intensives  Licht«  melden  (18)  und  (21).  Klagen- 
furt (20)  gibt  dagegen  nur  vielfache  Lichtstärke  Jupiters  an 
und  in  Dresden  (1)  wird  das  Meteor  nur  mehr  als  doppelte 
Marsgröße  übersteigend,  also  etwa  einer  sehr  hellen  Stern- 
schnuppe entsprechend,  geschätzt. 

Die  Helligkeit  und  Größe  wird  übrigens  in  Dresden 
intermittierend  mit  4  bis  5  Maxima  beschrieben  und  in  einer 
Skizze  dargestellt.  Ahnlich  klingt  die  Bemerkung  aus  Klagen- 
furt (20),  daß  sich  zeitweise  explosionsartige  Erscheinungen 
während  des  Laufes  zeigten. 

Der  atmosphärische  Widerstand  verursacht  eine  raschere 
Erwärmung  der  Oberfläche  und  früheres  Aufleuchten  der 
kleineren  Partikel,  welche  dann  oft  auch  ganz  aufgezehrt 
werden.  Geschieht  dies,  ehe  andere  Teile  des  durch  eben  diesen 
Widerstand  in  die  Länge  gezogenen  Schwarmes,  Teile  von 
höherer  Größenordnung,  zum  hellen  Erglühen  gelangen,  so 
kann  eine  vorübergehende  Herabsetzung  der  gesamten  Licht- 
stärke für  einige  Momente  eintreten.  Dieser  Vorgang  kann  sich 
wiederholen,  aber  man  darf  dabei  nicht  etwa  an  wiederholte 
»Explosionen«  desselben  Körpers  denken. 

Daß  es  im  vorliegenden  Falle  auch  wieder,  wie  gewöhn- 
lich, ein  Schwärm  von  Körperchen,  ein  Meteoritenwölkchen 
war,  welches  durch  seinen  Eintritt  in  die  Atmosphäre  die 
Erscheinung     der     Feuerkugel     hervorrief,     bestätigen     die 

7* 


98  G.  V.  Niessl, 

Rede,  deren  sonst  nirgends  Erwähnung  geschieht,  da  überall 
hervorgehoben  wird,  daß  der  Schweif  der  Kugel  folgte. 

Die  Größe  der  Feuerkugel  (der  leuchtenden  Sphäre)  läßt 
sich  nach  den  Angaben  aus  München  (2),  wo  sie  als  »kolos- 
sal», »fast«  der  Mondscheibe  gleichkommend  und  aus  Haus- 
ham  (5)  »scheinbar  dem  Monde  gleich«  bezeichnet  wurde,  an- 
näherungsweise ermitteln.  Werden  die  betreffenden  Winkel 
(für  (2)  drei  Viertel  des  scheinbaren  Monddurchmessers 
genommen)  auf  die  kürzesten  Entfernungen  bezogen,  so  liefert 
die  erste  Beobachtung  458  m,  die  zweite  603  m  für  den  linearen 
Durchmesser  der  Lichtsphäre.  Das  Mittel  wäre  also  530  w,  ein 
Wert,  welcher  das  Meteor  unter  die  größeren  Erscheinungen 
dieser  Art  einreiht.  Die  Angabe  aus  Gerasdorf  (22),  aus 
welcher  man  auf  einen  Durchmesser  von  1200w  schließen 
müßte,  beruht  offenbar  auf  starker  Überschätzung. 

Für  die  Länge  des  Schweifes  liegt  nur  die  eine  brauch- 
bare Schätzung  aus  Dresden  vor.  Jene  schien  dort,  wegen 
des  stumpfen  Winkels  der  Fluglinie  gegen  die  Sehlinie,  bis  auf 
etwa  7^*"  verkürzt,  was  einer  wirklichen  Länge  von  3  bis  4  km, 
d.  i.  dem  Sechs-  bis  Achtfachen  des  Kugeldurchmessers  ent- 
spricht. Wenn  in  den  Berichten  (3),  (9),  (18)  und  (21)  von  einem 
»langen  Schweif«  die  Rede  ist,  so  ist  damit  wohl  nichts  Be- 
stimmtes über  die  Länge  gesagt ;  aber  es  mag  sein,  daß  die 
rückwärtigen  schwächer  leuchtenden  Partien  in  Dresden  wegen 
der  großen  Entfernung  und  bei  der  Trübung  in  der  Nähe  des 
Horizontes  nicht  wahrgenommen  werden  konnten. 

Bemerkenswert  ist  noch  die  Mitteilung  aus  Gmünd  {27), 
daß  sich  der  Schweif  erst  in  der  Mitte  der  Flugbahn  ge- 
bildet hat  und  dann  immer  länger  wurde. 

Bezüglich  der  Lichtfarbe  der  Feuerkugel  sind,  außer 
glänzend  weiß,  die  Nuancen  von  grün  unter  den  Bezeichnungen 
vorherrschend.  Seltener  findet  sich  diesmal  die  bläuliche  Farbe 
angegeben.  Die  Farben  gelb  und  rot  beziehen  sich  offenbar 
auf  späte  Stadien.  Dafür  spricht  auch  die  Aufeinanderfolge  beim 
angegebenen  Farben  Wechsel.  »Anfangs  weiß,  dann  blaßblau, 
zuletzt  rot«  (5)  und  »zuerst  weiß,  dann  gelblich  und  rot«  (23). 

Der  Schweif  wird  ausdrücklich  als  rot  (rosa,  karmin, 
feuerrot)  und  funkensprühend  oder  aus  Funken  gebildet 
bezeichnet. 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  103 

Für  noch  größere  Geschwindigkeiten  werden  die  Ände- 
rungen immer  geringer. 

Für  die  Breiten  von  Mitteleuropa  gehört  das  Auftreten 
eines  so  weit  südlichen  Radiationspunktes  in  am  283  8  =  — 30* 
zu  den  Seltenheiten  oder,  genauer  gesagt,  dessen  Nachweisung 
durch  Beobachtungen  gelingt  nicht  leicht  wegen  seines  kleinen 
Tagbogens  und,  soweit  Sternschuppen  in  Betracht  kommen, 
auch  wegen  der  geringen  Erhebung  über  den  Horizont. 

Unter  den  von  Schmidt  *  aus  den  Beobachtungen  in 
Athen  abgeleiteten  Sternschnuppenradianten  befinden  sich  zwei, 
welche  mit  dem  unserer  Feuerkugel  zu  vergleichen  wären, 
nämlich : 

Für  Juli  20.  —  31 283"  —  27** 

>    August  3.— 31 286"  —26" 


Die  Wahrscheinlichkeit  eines  Zusammenhanges  ist  hier  in 
der  Tat  nicht  gering.  Es  könnte  auffallen,  daß,  ungeachtet 
des  Intervalls  der  Fallepochen  von  etwa  zwei  Monaten,  die 
Koordinaten  aller  drei  Punkte  um  kaum  mehr  voneinander 
abweichen,  als  die  in  der  Natur  der  Sache  liegende  Unsicher- 
heit ihrer  Ermittlung  voraussetzen  läßt.  Allein,  dies  ist  völlig 
begründet  und  spricht  eben  für  die  Zusammengehörigkeit; 
denn  bei  der  Beziehung  zur  Knotenlänge,  welche  hier  besteht, 
ist  in  der  Tat  die  tägliche  Verschiebung  des  Radianten  ganz 
besonders  gering,  wenn  die  heliozentrische  Geschwindigkeit 
wesentlich  über  die  parabolische  hinausgeht,  was  wenigstens 
für  das  Meteor  vom  29.  Juni  1905  außer  Zweifel  gestellt  ist. 

Man  kann  z.  B.  ohne  Schwierigkeiten  ^  finden,  daß  für  die 
Geschwindigkeit  t;  =  2  •  5,  welche  nur  wenig  größer  ist  als  die 
oben  nachgewiesene,  die  Veränderungen  eines  Radianten  in 
dieser  Lage  von  Ende  Juni  bis  Ende  Juli  sowohl  in  Länge  als 
in  Breite  nur  wenig  mehr  als  1 "  und  von  Ende  Juni  bis  Ende 
August  nicht  ganz  3"  betragen.  Diese  wirklichen  Veränderungen 


1  Siehe  auch  Denn  in  g,  General-Katalog  p.  274,  Nr.  221,  unter  x  Sa- 
gittarids. 

*  Siehe  meine  in  der  Fußnote  der  vorhergehenden  Abhandlung  p.  79, 
zitierten  »Theoretischen  Untersuchungen«  etc. 


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102  G.v.  Niessl, 

Geschwindigkeit  der  Einfluß  der  Erdschwere  (die  sogenannte 
Zenitattraktion)  weit  innerhalb  der  Fehlergrenzen  liegt  Auf  die 
Ekliptik  bezogen,  erhält  man  die  Länge  X  =  281-3''  und  die 
Breite  ß=:  — 7- r. 

Die  Sonnenlänge  betrug  zur  Fallzeit  97*4**  und  dies  ist 
zugleich  auch  die  Länge  des  aufsteigenden  Knotens  der  Meteor- 
bahn auf  der  Ekliptik.  Daraus  folgt  ferner,  daß  die  schein- 
bare Elongation  des  Radianten  vom  Apex  der  Erdbewegung 
86"  betrug. 

Alles  Weitere  ist  nun  von  der  Annahme  für  die  geozen- 
trische Geschwindigkeit  abhängig.  Läßt  man  für  diese  den 
abgeleiteten  Wert  Q2'9km  gelten,  so  erhält  man  hieraus  leicht 
die  heliozentrische  Geschwindigkeit  zu  67*8  *w  oder 
2-29  in  der  bekannten  Einheit.  Die  reelle  Halbachse  der  betref- 
fenden Hyperbel  a  =  —  0-39,  die  Neigung  der  Bahn  gegen  die 
Ekliptik  I  =  17  •  4^  rechtläufig. 

Die  übrigen  Elemente  sind  hier  ohne  Belang.  Wichtig  zur 
Vergleichung  mit  andern  Fällen  ist  dagegen  die  Bestimmung 
der  Koordinaten  desjenigen  Punktes,  welcher  die  Richtung 
bezeichnet,  in  der  diese  Meteoriten  aus  dem  Weltraum  in  das 
Sonnensystem  gelangt  sind. 

Unter  Voraussetzung  der  früher  abgeleiteten  Geschwin- 
digkeit würde  man  diesen  kosmischen  Ausgangspunkt, 
bezogen  auf  die  Ekliptik,  in  252-8"  Länge  und  7-4"  süd- 
licher Breite  finden.  Dieses  Ergebnis  wird  stark  durch  die 
Annahme  für  die  Geschwindigkeit  beeinflußt.  Obwohl  die  wirk- 
liche Geschwindigkeit,  mit  Rücksicht  auf  die  Verminderung  in 
der  Atmosphäre,  eher  größer  als  kleiner  gegenüber  der  hier 
gefundenen  anzunehmen  ist,  gebe  ich  die  entsprechenden 
Koordinaten  des  Ausgangspunktes  im  nachstehenden  auch  für 
geringere   Geschwindigkeiten,    bis   zur  parabolischen   herab: 

Angenommene  Heliozentrische  Koordinaten  des 

heliozentrische  kosmischen  Ausgangspunktes 

Geschwindigkeit  ^ 

V  Länge  Brette 

n/2      (Parabel) 194-5^  —  S'O* 

2-0 246-6  -7-5 

2-5 255-6  —7-3 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  JHnner  und  29.  Juni  1905.  103 

Für  noch  größere  Geschwindigkeiten  werden  die  Ände- 
rungen immer  geringer. 

Für  die  Breiten  von  Mitteleuropa  gehört  das  Auftreten 
eines  so  weit  südlichen  Radiationspunktes  in  a=:  283  8  =  — 30** 
zu  den  Seltenheiten  oder,  genauer  gesagt,  dessen  Nachweisung 
durch  Beobachtungen  gelingt  nicht  leicht  wegen  seines  kleinen 
Tagbogens  und,  soweit  Sternschuppen  in  Betracht  kommen, 
auch  wegen  der  geringen  Erhebung  über  den  Horizont. 

Unter  den  von  Schmidt  ^  aus  den  Beobachtungen  in 
Athen  abgeleiteten  Sternschnuppenradianten  befinden  sich  zwei, 
welche  mit  dem  unserer  Feuerkugel  zu  vergleichen  wären, 
nämlich  : 

Für  Juli  20.  —  31 283"  —  27** 

»    Augusts.— 31 286''  —26** 

Die  Wahrscheinlichkeit  eines  Zusammenhanges  ist  hier  in 
der  Tat  nicht  gering.  Es  könnte  auffallen,  daß,  ungeachtet 
des  Intervalls  der  Fallepochen  von  etwa  zwei  Monaten,  die 
Koordinaten  aller  drei  Punkte  um  kaum  mehr  voneinander 
abweichen,  als  die  in  der  Natur  der  Sache  liegende  Unsicher- 
heit ihrer  Ermittlung  voraussetzen  läßt.  Allein,  dies  ist  völlig 
begründet  und  spricht  eben  für  die  Zusammengehörigkeit ; 
denn  bei  der  Beziehung  zur  Knotenlänge,  welche  hier  besteht, 
ist  in  der  Tat  die  tägliche  Verschiebung  des  Radianten  ganz 
besonders  gering,  wenn  die  heliozentrische  Geschwindigkeit 
wesentlich  über  die  parabolische  hinausgeht,  was  wenigstens 
für  das   Meteor  vom  29.  Juni  1905  außer  Zweifel  gestellt  ist. 

Man  kann  z.  B.  ohne  Schwierigkeiten  ^  finden,  daß  für  die 
Geschwindigkeit  i;  =  2  •  5,  welche  nur  wenig  größer  ist  als  die 
oben  nachgewiesene,  die  Veränderungen  eines  Radianten  in 
dieser  Lage  von  Ende  Juni  bis  Ende  Juli  sowohl  in  Länge  als 
in  Breite  nur  wenig  mehr  als  1  °  und  von  Ende  Juni  bis  Ende 
August  nicht  ganz  3**  betragen.  Diese  wirklichen  Veränderungen 


J  Siehe  auch  Denning,  General-Katalog  p.  274,  Nr.  321,  unter  x  Sa- 
gittarids. 

2  Siehe  meine  in  der  Fußnote  der  vorhergehenden  Abhandlung  p.  79, 
zitierten  »Theoretischen  Untersuchungen«  etc. 


;104  G.v.  Niessl, 

sind  also  so  klein,  daß  sie  von  den  unvermeidlichen  Fehlern 
tatsächlich  verdeckt  werden  können. 

Ob  die  Zusammengehörigkeit  dieser  Radianten,  welche  in 
drei  sehr  verschiedenen  Epochen  durch  Beobachtungen  nach- 
gewiesen wurden,  wahrscheinlich  sei,  auch  wenn  man  die  vor- 
hin für  die  Feuerkugel  vom  29.  Juni  1906  abgeleitete  große 
Geschwindigkeit  nicht  berücksichtigt,  zeigt  der  Hauptsache 
nach  schon  nachstehendes  vorläufiges  Verfahren. 

Für  die  früher  angenommenen  drei  Geschwindigkeits- 
hypothesen V  =  \/2,  i;  zi:  2*0  und  i;  zz  2-5  woirden  Länge  ß) 
und  Breite  (h)  der  kosmischen  Ausgangspunkte  auch  hinsicht- 
lich der  beiden  oben  angeführten  Schmidt'schen  Radianten 
ganz  so  berechnet  wie  für  unsere  Feuerkugel.  Man  begegnet 
dabei  freilich,  wie  fast  in  allen  Fällen,  wo  man  Sternschnuppen- 
radianten aus  den  Verzeichnissen  benützt,  der  Schwierigkeit, 
daß  man  hiezu  die  Sonnenlänge  der  wirklichen  Fallepoche 
benötigt,  während  in  jenen  Katalogen  fast  immer  eine  längere 
Dauer  des  Radianten  mit  konstanten  Koordinaten  angeführt 
erscheint.  Mangeln  also  andere  Angaben,  so  muß  man  sich 
eben  damit  begnügen,  die  Sonnenlänge  für  das  mittlere  Datum 
dieses  längeren  Intervalls  zu  benützen.  Dies  wird  um  so  mehr 
zulässig  sein,  je  geringer  die  tägliche  Verschiebung  des  Radi- 
anten ist.  Ich  habe  daher  für  Juli  20.  bis  31.  die  Sonnenlänge  für 
Juli  25-5  und  für  August  3. bis 31.  jene  für  August  mit  17'0 
angenommen. 

Die  nachstehende  Übersicht  der  so  berechneten  eklip- 
tischen  Koordinaten  des  kosmischen  Ausgangspunktes,  in 
welche  ich  zur  bequemeren  Vergleichung  auch  die  oben  mit- 
geteilten Resultate  für  die  Feuerkugel  vom  29.  Juni  1906  auf- 
nommen  habe,  bedarf  hienach  wohl  keiner  weiteren  Erklärung. 

v=  vT  t;=2'0  v  =  2-5 

«  ^  ■>         »  '  ^  »»  *  ■■■■        -Ol     I      ■  » 

Epoche:  l  b  l  b  l  b 

Juni  29 194-5**-8-0**     246*6     —7-5     255-6  —6-3** 

Juli25-5 178-0— 2-1       244*9     — 2-7     255-2—3.4 

August  17-0..  178-8  —0-8       250-0     —2-1     260-4-1-6 

Mittel 183-8-3-6       247*2     -4-1     257-1—4-1 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905. 


105 


Um  zu  zeigen,  in  welcher  Weise  die  beobachteten 
Radianten  durch  jede  der  drei  Geschwindigkeiten  auf  einen 
gemeinsamen  Ausgangspunkt  zurückgeführt  und  wie  genau 
demnach  die  Beobachtungen  durch  eine  dieser  Annahmen 
dargestellt  werden  können,  genügt  es  zunächst,  unter  Annahme 
eines  Mittelwertes  für  /  und  b  mit  jeder  der  drei  Geschwindig- 
keitshypothesen und  für  die  drei  Epochen  (Sonnenlängen)  die 
Koordinaten  (X,  ß)  der  scheinbaren  Radianten  zu  berechnen 
und  mit  den  Beobachtungen  zu  vergleichen. 

Die  folgenden  Zusammenstellungen  werden  dies  er- 
möglichen. 

I.  Hypothese:  v  =  \/2. 
Ausgangspunkt:  /  =  183-8%  &  =  —  3-6**. 

Scheinbare  Radianten: 


Epoche 

Berechnet 

Beobachtet 

Ber.  —  Beob. 

X 

ß 

X 

ß 

AX 

Aß 

Juni  29 

Juli  25-5 

August  17-0  . 

274?9 
285-9 
294-9 

-  3?8 

—  6-6 
—13-1 

281^3 
281-6 
284-4 

— 7?1 
—4-1 
-3-4 

—  6?4 
-4-  4-3 
-MO-1 

-|-3?3 
—2-5 
—9-7 

[(AX  .  cos  ß)2  -h  (Ap)«]  =  265-19. 


IL  Hypothese:  v  z=z  2-0. 
Ausgangspunkt:  /=247-2*&=— 4**1. 


Scheinbarer  Radiant: 


1 

Epoche 

Berechnet 

Beobachtet 

Ber.  —  Beob. 

X 

ß 

X 

P 

AX 

AP 

Juni  29 

Juli  25 '5  .. . . 
August  17-0  . 

281  ?7 
284-0 
281-2 

-491 
—4-7 
—7-2 

281?3 
281-6 
284-4 

— 7?1 
-4-1 
—3-4 

H-0?3 
-f-2-4 
—3-2 

O      CD      00 

CO      O      CO 

+     1 

[(AX  .  cos  ß)a  +  (Aß)«]  =  48  •  50. 


94  G.v.  Niessl, 

furt  angegebenen  Bahnbogen  verwerten,  wobei  als  zweiter 
Punkt  der  berechnete  scheinbare  Ort  des  ausgemittelten  End- 
punktes gesetzt  wurde.  Man  erhält  auf  diese  Weise  folgende 
drei  scheinbare  Bahnen: 


I 

II 

Dresden  

Reichenhall . . 

.251-8"         33-6» 
.260-5             6-8 

a 

238-9' 
163-4 

8 

32- 2* 
+52-3 

Klagenfurt 212-9       +197  139-6       +37-6 

Es  liegt  noch  eine  ziemlich  große  Anzahl  roher  Schät- 
zungen der  scheinbaren  Bewegungsrichtung  der  Feuer- 
kugel nach  den  sogenannten  Weltgegenden  vor.  Diese  g:eben, 
sofern  sie  zutreffend  sind,  den  scheinbaren  Bahnknoten  am 
Horizont  an,  welcher  selbstverständlich  im  allgemeinen  je  nach 
der  Lage  der  Beobachtungsorte  gegen  die  Bahn,  verschieden 
sein  wird.  Wenn  jedoch  der  Radiant  im  Horizont  liegt,  wird  die 
Richtung  für  alle  Beobachter  dieselbe  bleiben.  In  unserem 
Falle  befand  er  sich  nach  der  verläßlichen  Beobachtung  aus 
Dresden  gewiß  in  geringer  Höhe  und  daher  wird,  wenigstens 
für  die  Beobachtungsorte  unweit  der  Horizontalprojektion  der 
Bahn,  annähernd  dasselbe  gelten. 

Man  kann  die  verschiedenen  Angaben  dann  in  einem 
Mittelwert  zusammenfassen,  besonders,  wenn  jene  ungefähr 
gleichmäßig  von  beiden  Seiten  der  Bahntrasse  herstammen. 
Unter  18  geeigneten  Schätzungen  befinden  sich  hier  8,  in 
welchen  die  Richtung  aus  Südost,  und  10,  in  welchen  sie  aus 
Süd  bezeichnet  erscheint,  woraus  man  im  Mittel  auf  Südsüdost 
oder  etwas  genauer  auf  A  =.  340**  mit  einer  mittleren  Un- 
sicherheit von  5  bis  6  •  für  den  Knoten  des  Bahnvertikals 
schließen  könnte. 

Im  Endpunkt  gedacht,  würde  dieser  Vertikal  zur  Fallzeit 
durch  die  Koordinaten: 

I:  a  =  279"  8  =  —  21%     II:  a  =  285**     8  =  —  40" 

bestimmt  sein^  welche  ich  den  vorstehenden  drei  Bahnbogen 
mit  dem  Gewicht  1  beigesellt  habe,  während  Reichenhall  und 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905. 


105 


Um  zu  zeigen,  in  welcher  Weise  die  beobachteten 
Radianten  durch  jede  der  drei  Geschwindigkeiten  auf  einen 
gemeinsamen  Ausgangspunkt  zurückgeführt  und  wie  genau 
demnach  die  Beobachtungen  durch  eine  dieser  Annahmen 
dargestellt  werden  können,  genügt  es  zunächst,  unter  Annahme 
eines  Mittelwertes  für  /  und  b  mit  jeder  der  drei  Geschwindig- 
keitshypothesen und  für  die  drei  Epochen  (Sonnenlängen)  die 
Koordinaten  (X,  ß)  der  scheinbaren  Radianten  zu  berechnen 
und  mit  den  Beobachtungen  zu  vergleichen. 

Die  folgenden  Zusammenstellungen  werden  dies  er- 
möglichen. 

I.  Hypothese:  v  =  \/2. 
Ausgangspunkt:  /=  183-8%  b=  —  3•6^ 

Scheinbare  Radianten: 


Epoche 

Berechnet 

Beobachtet 

Ber.  —  Beob. 

X 

? 

X 

ß 

AX 

Aß 

Juni  29 

Juli  25  *  5  ... . 
August  17-0  . 

274?9 
285-9 
294-9 

—  3?8 

—  6-6 

—  131 

281?3 
281-6 
284-4 

— 7?1 
—4-1 
-3-4 

—  6?4 
-H  4-3 
+  10-1 

-+-3^3 
—2-5 
—9-7 

[(AX  .  cos  ß)2  4-  (Aß)«]  =  265-19. 


IL  Hypothese:  v  zu  2-0. 
Ausgangspunkt:  / 1=  247-2**  b=  —  4^*1 


Scheinbarer  Radiant: 


1 

Epoche 

Berechnet 

Beobachtet 

Ber.  —  Beob. 

X 

P 

X 

P 

AX 

Aß 

1  Juni  29 

.  Juli  25*5  . . . . 

1 

,  August  17  0  . 

281?7 
284-0 
281-2 

-491 
—4-7 
—7-2 

281?3 
281-6 
284-4 

—791 
—4-1 
—3-4 

H-093 
-f-2-4 
-3-2 

O      CD      00 
CO      O      CO 

+  1   1 

[(AX  .  cos  ß)»  +  (Aß)«]  =  48-50. 


94  G.  V.  Niessl, 

furt  angegebenen  Bahnbogen  verwerten,  wobei  als  zweiter 
Punkt  der  berechnete  scheinbare  Ort  des  ausgemittelten  End- 
punktes gesetzt  wurde.  Man  erhält  auf  diese  Weise  folgende 
drei  scheinbare  Bahnen: 


I 

11 

Dresden 

Reichenhall . , 
Klagenfurt. . 

a                    8 

..251-8°          33-6" 
..260-5             6-8 
..212-9       +19-7 

a 

238-9- 

163-4 

139-6 

i 

32-2'' 
+52-3 
+37-6 

Es  liegt  noch  eine  ziemlich  große  Anzahl  roher  Schät- 
zungen der  scheinbaren  Bewegungsrichtung  der  Feuer- 
kugel nach  den  sogenannten  Weltgegenden  vor.  Diese  geben, 
sofern  sie  zutreffend  sind,  den  scheinbaren  Bahnknoten  am 
Horizont  an,  welcher  selbstverständlich  im  allgemeinen  je  nach 
der  Lage  der  Beobachtungsorte  gegen  die  Bahn,  verschieden 
sein  wird.  Wenn  jedoch  der  Radiant  im  Horizont  liegt,  wird  die 
Richtung  für  alle  Beobachter  dieselbe  bleiben.  In  unserem 
Falle  befand  er  sich  nach  der  verläßlichen  Beobachtung  aus 
Dresden  gewiß  in  geringer  Höhe  und  daher  wird,  wenigstens 
für  die  Beobachtungsorte  unweit  der  Horizontalprojektion  der 
Bahn,  annähernd  dasselbe  gelten. 

Man  kann  die  verschiedenen  Angaben  dann  in  einem 
Mittelwert  zusammenfassen,  besonders,  wenn  jene  ungefähr 
gleichmäßig  von  beiden  Seiten  der  Bahntrasse  herstammen. 
Unter  18  geeigneten  Schätzungen  befinden  sich  hier  8,  in 
welchen  die  Richtung  aus  Südost,  und  10,  in  welchen  sie  aus 
Süd  bezeichnet  erscheint,  woraus  man  im  Mittel  auf  Südsüdost 
oder  etwas  genauer  auf  A  =z  340®  mit  einer  mittleren  Un- 
sicherheit von  5  bis  6*  für  den  Knoten  des  Bahnvertikals 
schließen  könnte. 

Im  Endpunkt  gedacht,  würde  dieser  Vertikal  zur  Fallzeit 
durch  die  Koordinaten: 

I:  a  =  279**  Z  =  —  21%     II:  a  =:  285**     8  =  —  40** 

bestimmt  sein,  welche  ich  den  vorstehenden  drei  Bahnbogen 
mit  dem  Gewicht  1  beigesellt  habe,  während  Reichenhall  und 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  107 

wenn  man  die  geringe  Anzahl  der  für  die  Ableitung  benützten 
Sternschnuppenbahnen  berücksichtigt. 

Da  in  dieser  Lage  die  südliche  Deklination  bei  wachsender 
Rektaszension  gegen  Süden  hin  mit  der  Sonnenlänge  zunehmen 
mußte,  so  würde  ein  zu  diesem  in  einer  nächstfolgenden 
Epoche,  z.  B.  im  Juli  oder  August,  gehöriger  Radiant  noch 
weiter  südlich  liegen.  In  der  Tat  findet  sich  unter  den 
wenigen  bekannten  Strahlungspunkten  dieser  Gegend  ein  sol- 
cher für  »Juli«  in  a  =  284*  8  1=  ~  40**  unter  den  von  Heis 
aus  den  Beobachtungen  von  Neumeyer  in  Melbourn  reduzierten 
Stemschnuppenradianten  und  dieser  stimmt  mit  dem  vorhin  an- 
geführten Denning'schen  Radianten  für  die  Hypothese  v  =z  2'5 
in  Bezug  auf  einen  gemeinsamen  Ausgangspunkt  geradezu 
überraschend  gut  überein. 

Die  Koordinaten  des  erwähnten  Radianten  von  Denning 
sind  in  Bezug  auf  die  Ekliptik  X  =  276-7**  ß  =z  —  11  -7°,  jene 
des  andern  von  Heis  X  =  281-2**  ß  =  —  17•2^  Nimmt  man 
für  die  Angabe  Mai  26.  bis  Juni  13.  die  Sonnenlänge  von 
Juni  4.  für  den  zweiten  Radianten,  wie  früher  aber  jene  von 
Juli  25 '5,  weil  bekanntlich  die  größere  Zahl  der  Sternschnuppen- 
beobachtungen zumeist  in  die  letzten  Wochen  des  Monats 
Juli  fallt,  so  findet  man  durch  Rechnung,  daß  für  die  bezeichnete 
Geschwindigkeit  die  Verschiebung  in  Länge:  -f-  4*8**  und  jene 
in  Breite:  —  5'3®  betragen  müßte.  Nach  dieser  Rechnung 
müßte  daher  der  Denning'sche  Radiant  in  der  zweiten  Hälfte 
Juli  nach  X  =  281  -5**  ß  =  —  17-0**  gelangt  sein,  welche  Koor- 
dinaten sich  von  denen  des  Heis'schen  nur  um  AX  r=  4-0*3**, 
A?  =  -4-  0*2**  unterscheiden;  in  der  Tat  eine  merkwürdige 
Übereinstimmung.  Der  beiden  zugehörige  Ausgangspunkt  wäre 
dann  in  254*7*  Länge  und  14*2**  südlicher  Breite  zu  nehmen. 


96  G.  V.  Niessl, 

keiner  Beobachtung  ist  aber  der  gesehene  Bahnbogen  sowie 
auch  die  zugehörige  Dauer  so  bestimmt  bezeichnet  als  in 
jener  des  Herrn  Prof.  Dr.  Toepler  in  Dresden. 

Nach  dieser  Beobachtung  wurde  das  Meteor  zuerst  be- 
merkt, als  es  sich  62 •  7  km  über  der  Erdoberfläche  in  30*  40* 2 * 
östlicher  Länge  v.F.  und  46 "*  50-2'  nördlicher  Breite  befand,  d.  i. 
über  einem  Punkte  der  Kärntner  Zentralalpen  (westlich  der 
Kreuzeckgruppe),  etwa  9  km  nördlich  von  Oberdrauburg. 
Von  hier  verlief  die  Bahn  etwas  westlich  an  Stall  im  Mölltal 
und  ebensoviel  östlich  an  Doli  ach  an  der  MöU  vorbei  und 
westlich  von  Zell  am  See,  genau  über  das  Hinterhorn  der 
Loferer  Steinberge,  dann  über  Frauenwörth  im  Chiem- 
see  zum  Endpunkt. 

Die  Länge  dieses  in  Dresden  wahrgenommenen  Bahn- 
teiles beträgt  151  km  mit  einer  Unsicherheit,  welche  kaum 
lOVo  dieser  Größe  übersteigen  wird.  Die  zugehörige  Dauer 
wurde  von  dem  Herrn  Prof.  Dr.  Toepler  zu  ^  2*  geschätzt 
Obwohl  anzunehmen  ist,  daß  diese  Angabe  einen  3*  über- 
steigenden Wert  ausschließt,  wünsphte  ich  doch  in  Bezug  auf 
diese  sehr  wichtige  Beobachtung  jeden  Zweifel  zu  vermeiden 
und  bat  deshalb  Herrn  Prof.  Toepler  um  eine  nähere  Inter- 
pretation hinsichtlich  der  oberen  Grenze.  Der  Genannte  war 
so  freundlich,  mir  ohne  Zögern  die  -bestimmte  Aufklärung  zu 
geben,  daß,  insofern  es  sich  um  einen  2*  übersteigenden  Wert 
handelt,  dieser  jedenfalls  zwischen  2*  und  3*,  jedoch  näher  an 
2"  zu  nehmen  wäre. 

Dieser  Feststellung  dürfte  durch  die   Annahme  von   2  •4' 
für  die  Dauer  ungefähr  entsprochen  sein,  woraus  sich,  in  Ver- 
bindung mit  der  Länge  van  151  km  für  die  geozentrische. 
Geschwindigkeit,  der    ansehnliche    Betrag  von   62*9   *w 
ergibt. 

Es  liegt  sonst  nur  noch  eine  Beobachtung  vor,  welche 
den  Anfangspunkt  wenigstens  ungefähr,  aber  doch  viel 
unbestimmter  bezeichnet,  nämlich  jene  aus  Klagenfurt  (20). 
Angenommen,  daß  dort  das  Meteor  wirklich  schon  in  der 
Nähe  von  Arcturus  (und  zwar  nach  der  verbesserten  Bahn, 
3-9*  südlicher)  erblickt  wurde,  so  befand  es  sich  in  diesem 
Moment  noch  72' 3  km  über  der  Gegend  von  Chiusaförte 


109 


Ober  das  Uran  X  und  die  Absorption  seiner 

a-Strahlung 

von 

Dr.  V.  F.  Hess. 

Aus  dem  II.  physikalischen  Institute  der  Universität  in  Wien. 

(Mit  8  Teztfiguren.) 
(Vorgelei^t  in  der  Sitzung  vom  10.  Jänner  1907.) 

L  Ober  Trennungen  des  üraniums  X  von  Uran. 

Die  vielen  Unvollkommenheiten,  welche  den  Methoden  zur 
Trennung  des  Uran  X  vom  Uran  anhafteten,  haben  in  letzter 
Zeit  einige  Forscher  bewogen,  neue  Abscheidungsmethoden 
auszusinnen.  Levin^  hat  in  sehr  eingehender  Weise  durch 
Ausprobieren  aller  möglichen  Fällungsmethoden  des  Urans  aus 
Uranlösungen  dargelegt,  daß  in  allen  Fällen  das  Uran  mit  dem 
Uran  X  im  radioaktiven  Gleichgewichte  ausfällt.  Die  Beob- 
achtung BecquereTs,^  daS  Baryumsulfat  aus  einer  Uranlösung 
das  Uran  X  mitreißt,  fand  er  bestätigt;  er  zeigte,  daß  Calcium- 
sulfat  dieselbe  Eigenschaft  hat.  Diese  Methoden  liefern  jedoch 
das  Uran  X  vermengt  mit  einer  übermäßigen  Menge  Baryum- 
sulfat oder  Calciumsulfat. 

Levin  gibt  femerzweisehrgeeignete  Methoden  an,  nämlich 
Adsorption  das  Uran  X  in  kochender  Uranlösung  durch  Ruß 
oder  Tierkohle.  Diese  Methoden  haben  den  Vorteil,  daß  nach 
der  Veraschung  die  Menge  der  aktiven  Kohle,  respektive  des 
Rußes  eine  äußerst  geringe  ist,  weshalb  man  leicht  eine  größere 


»  Levin,  Phys.  Zeit,  7,  Nr.  20  (15.  Oktober  1906). 
«  Becqucrel,  C.  R.,  131,  157  (1900). 


98  G.  V.  Niessl, 

Rede,  deren  sonst  nirgends  Erwähnung  geschieht,  da  überall 
hervorgehoben  wird,  daß  der  Schweif  der  Kugel  folgte. 

Die  Größe  der  Feuerkugel  (der  leuchtenden  Sphäre)  läßt 
sich  nach  den  Angaben  aus  München  (2),  wo  sie  als  »kolos- 
sal», »fast«  der  Mondscheibe  gleichkommend  und  aus  Haus- 
ham  (5)  »scheinbar  dem  Monde  gleich«  bezeichnet  wurde,  an- 
näherungsweise ermitteln.  Werden  die  betreffenden  Winkel 
(für  (2)  drei  Viertel  des  scheinbaren  Monddurchmessers 
genommen)  auf  die  kürzesten  Entfernungen  bezogen,  so  liefert 
die  erste  Beobachtung  458  m,  die  zweite  603  m  für  den  linearen 
Durchmesser  der  Lichtsphäre.  Das  Mittel  wäre  also  530  wf,  ein 
Wert,  welcher  das  Meteor  unter  die  größeren  Erscheinungen 
dieser  Art  einreiht.  Die  Angabe  aus  Gerasdorf  (22),  aus 
welcher  man  auf  einen  Durchmesser  von  1200fw  schließen 
müßte,  beruht  offenbar  auf  starker  Überschätzung. 

Für  die  Länge  des  Schweifes  liegt  nur  die  eine  brauch- 
bare Schätzung  aus  Dresden  vor.  Jene  schien  dort,  wegen 
des  stumpfen  Winkels  der  Fluglinie  gegen  die  Sehlinie,  bis  auf 
etwa  V***  verkürzt,  was  einer  wirklichen  Länge  von  3  bis  4  km, 
d.  i.  dem  Sechs-  bis  Achtfachen  des  Kugeldurchmessers  ent- 
spricht. Wenn  in  den  Berichten  (3),  (9),  (18)  und  (21)  von  einem 
»langen  Schweif«  die  Rede  ist,  so  ist  damit  wohl  nichts  Be- 
stimmtes über  die  Länge  gesagt ;  aber  es  mag  sein,  daß  die 
rückwärtigen  schwächer  leuchtenden  Partien  in  Dresden  wegen 
der  großen  Entfernung  und  bei  der  Trübung  in  der  Nähe  des 
Horizontes  nicht  wahrgenommen  werden  konnten. 

Bemerkenswert  ist  noch  die  Mitteilung  aus  Gmünd  (27), 
daß  sich  der  Schweif  erst  in  der  Mitte  der  Flugbahn  ge- 
bildet hat  und  dann  immer  länger  wurde. 

Bezüglich  der  Lichtfarbe  der  Feuerkugel  sind,  außer 
glänzend  weiß,  die  Nuancen  von  grün  unter  den  Bezeichnungen 
vorherrschend.  Seltener  findet  sich  diesmal  die  bläuliche  Farbe 
angegeben.  Die  Farben  gelb  und  rot  beziehen  sich  offenbar 
auf  späte  Stadien.  Dafür  spricht  auch  die  Aufeinanderfolge  beim 
angegebenen  Farbenwechsel.  »Anfangs  weiß,  dann  blaßblau, 
zuletzt  rot«  (5)  und  »zuerst  weiß,  dann  gelblich  und  rot«  (23). 

Der  Schweif  wird  ausdrücklich  als  rot  (rosa,  karmin, 
feuerrot)  und  funkensprühend  oder  aus  Funken  gebildet 
bezeichnet. 


Bahn  der  Meteore  vom  10.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  99 

Die  Lichtstärke  wird  an  zwei  Orten,  Reichenhall  (6) 
und  Innichen  (19)   durch  die  Bemerkung  charakterisiert,  daß 
die  Umgebung  »taghell«   beleuchtet  war.  Die  Entfernungen  in 
gerader  Luftlinie  von  den  nächsten  Punkten  der  Meteorbahn 
betragen  für  die  beiden  Beobachtungsorte  51  km,  beziehungs- 
weise 86  km.  Letztere  betrifft  aber  weit  zurückliegende  Partien 
der  Bahn,  an  welchen  die  Feuerkugel  vermutlich  noch  nicht 
sehr  große  Lichtstärke  entfaltet  hatte.  Vom  Hemmungspunkt 
derselben  liegt  Innichen  jedoch  154  few  entfernt.   Nicht  selten 
werden  ähnliche  Lichtwirkungen  noch  in  solchen  Entfernungen 
hervorgerufen. 

In  Schönbach  (29),  welches  vom  Endpunkt  245 km 
entfernt  und  weit  nördlich  der  Bahn  liegt,  wurde  die  Licht- 
entfaltung noch  mit  der  Wirkung  elektrischer  Bogenlampen 
verglichen.  »Intensives  Licht«  melden  (18)  und  (21).  Klagen- 
furt (20)  gibt  dagegen  nur  vielfache  Lichtstärke  Jupiters  an 
und  in  Dresden  (1)  wird  das  Meteor  nur  mehr  als  doppelte 
Marsgröße  übersteigend,  also  etwa  einer  sehr  hellen  Stern- 
schnuppe entsprechend,  geschätzt. 

Die  Helligkeit  und  Größe  wird  übrigens  in  Dresden 
intermittierend  mit  4  bis  5  Maxima  beschrieben  und  in  einer 
Skizze  dargestellt.  Ahnlich  klingt  die  Bemerkung  aus  Klagen- 
furt (20),  daß  sich  zeitweise  explosionsartige  Erscheinungen 
während  des  Laufes  zeigten. 

Der  atmosphärische  Widerstand  verursacht  eine  raschere 
Erwärmung  der  Oberfläche  und  früheres  Aufleuchten  der 
kleineren  Partikel,  welche  dann  oft  auch  ganz  aufgezehrt 
werden.  Geschieht  dies,  ehe  andere  Teile  des  durch  eben  diesen 
Widerstand  in  die  Länge  gezogenen  Schwarmes,  Teile  von 
höherer  Größenordnung,  zum  hellen  Erglühen  gelangen,  so 
kann  eine  vorübergehende  Herabsetzung  der  gesamten  Licht- 
stärke für  einige  Momente  eintreten.  Dieser  Vorgang  kann  sich 
wiederholen,  aber  man  darf  dabei  nicht  etwa  an  wiederholte 
»Explosionen«  desselben  Körpers  denken. 

Daß  es  im  vorliegenden  Falle  auch  wieder,  wie  gewöhn- 
lich, ein  Schwärm  von  Körperchen,  ein  Meteoritenwölkchen 
war,  welches  durch  seinen  Eintritt  in  die  Atmosphäre  die 
Erscheinung     der     Feuerkugel     hervorrief,     bestätigen     die 

7* 


100  G.v.  Niessl, 

Beobachtungen   über  die  Teilung  und  die  Absonderung  von 
Massen  in  der  Bahn. 

Nur  quantitativ  verschieden  sind  in  dieser  Hinsicht  die 
Berichte  (3),  (5),  (9)  und  (13),  in  welchen  die  schließliche 
Teilung  in  2  bis  5  Stücke  erwähnt  wird.  Wenn  aus  Hausham 
(5)  mitgeteilt  wird,  daß  dies  auf  halbem  Weg  geschah,  so  ist 
zu  berücksichtigen,  daß  an  diesem  dem  Hemmungspunkt 
nahen  Beobachtungsort  wohl  nur  der  letzte  Bahnteil  aufgefaßt 
wurde. 

In  (6)  heißt  es,  daß  die  Feuerkugel  sich  in  »10  bis  12 
Lichtstrahlen  teilte«,  in  (12),  daß,  als  sie  » explodierte €,  Strahlen 
und  Sterne  fächerförmig  ausgestreut  wurden.  Genauer  bezeich- 
net ist  dies  durch  die  Nachricht  in  (15),  daß  »die  Teile  in  der 
Richtung  der  bisherigen  Flugbahn«  angeordnet  wären.  In  (10) 
wird  gemeldet,  daß  die  Kugel  Teile  von  sich  abstieß.  Die  Nach- 
richt aus  Wien  (24),  daß  (vermutlich  gegen  das  Ende)  »rot- 
glühende Leuchtkugeln  einem  Lichtkerne  entsprühten«,  ist  eine 
der  wenigen  aus  so  großer  Entfernung,  in  welchen  noch  von 
solchen  Einzelheiten  die  Rede  ist. 

Die  Beobachtungen  aus  Gmünd  (27),  Pohrlitz  (28)  und 
Schönbach  (29)  enthalten  keine  Andeutungen  über  Teilung 
oder  Explosion,  obwohl  die  Beschreibung  des  Phänomens  in 
der  ersten  Beobachtung  sehr  charakteristisch  ist.  Gerasdorf 
(22)  berichtet,  daß  das  Meteor  sich  auflöste,  indem  es  immer 
kleiner  wurde.  Herr  Prof.  Dr.  Toeplerin  Dresden  (1)  gibt 
in  seiner  genauen  Schilderung  an:  »Erlöschen  ohne  besonders 
helles  Aufleuchten,  kein  Zerplatzen«  und  auch  im  Bericht  aus 
Klagen  fürt  (20)  heißt  es:  »die  Erscheinung  verschwand 
ohne  Schlußexplosion«. 

So  bedeutend  sind  die  Abstufungen,  welche  durch  die 
Entfernung,  durch  die  Lage  in  der  Nähe  des  Horizonts  und 
andere  Umstände  in  ein  und  derselben  Erscheinung  hervor- 
gerufen werden  können,  daß  man  in  minder  sichergestellten 
Fällen  leicht  versucht  wäre  zu  bezweifeln,  ob  sich  die  Beobach- 
tungen auf  dasselbe  Objekt  beziehen. 

Nach  dem  Erlöschen  der  Feuerkugel  wurden  in  Haus- 
ham (5)  Detonationen  vernommen,  worüber  vorne  Näheres 
angeführt    ist.    Es    liegt    wenigstens    kein    Grund    vor,    am 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  101 

Zusammenhang  der  dort  erwähnten  Schallwahrnehmungen  mit 
der  Erscheinung  zu  zweifeln.  Allerdings  ist  das  angegebene 
Intervall  von  4  bis  5  Minuten  zwischen  Licht  und  Schall  etwas 
zu  groß.  Für  die  Entfernung  des  Hemmungspunktes  von  rund 
62  km  konnte  es  etwas  über  drei  Minuten  betragen  haben.  Da 
aber  der  Beobachter  die  Dauer  der  Lichterscheinung  mit  20* 
ganz  gewaltig  überschätzt  hat,  mag  Ähnliches  in  viel  geringerem 
Maße  auch  bei  diesem  Intervall  vorgekommen  sein. 

Allerdings  lag  der  Hemmungspunkt  von  München  (2) 
und  Reichenhall  (6)  fast  genau  ebensoweit  entfernt  als  von 
Hausham.  Aus  diesen  beiden  Orten  wird  jedoch  über  Schall- 
wahrnehmungen nichts  berichtet;  allein  in  solchen  Fällen  sind 
bestimmte  positive  Angaben,  welche  nach  den  Nebenumständen 
den  Charakter  innerer  Wahrscheinlichkeit  besitzen,  gewichtiger 
als  Berichte,  in  welchen  solche  fehlen.  Nach  den  Schilderungen 
aus  Hausham  waren  übrigens  diese  Detonationen  auch  dort 
nicht  sehr  heftig  zu  vernehmen  und  sie  konnten  daher  an 
andern  Orten  wohl  unbemerkt  geblieben  oder  wegen  des 
langen  Intervalls  nicht  auf  die  Meteorerscheinung  bezogen 
worden  sein.* 

Kosmische  Verhältnisse. 

Die  oben  abgeleiteten  Koordinaten  des  scheinbaren  Radi- 
anten a  =  283**  8  =:  — 30**  werden  zunächst  unverändert  bei- 
behalten, weil  bei  der  nachgewiesenen  großen  geozentrischen 


1  Ein  recht  lehrreiches  Beispiel  für  die  Anführung  von  Sinneswahr- 
nehmimgen,  welche  entweder  gar  nicht  gemacht  wurden  oder  doch  außer  Zu- 
sammenhang mit  der  Erscheinung  standen,  findet  man  aus  Bregenz  (14),  von 
wo  der  Endpunkt  nicht  weniger  als  196  km  entfernt  lag.  Durch  die  Ähnlichkeit 
mit  Feuen^'^erkskörpem  getäuscht  und  offenbar  ganz  ohne  Erfahrung  über  die 
stets  sehr  bedeutende  Entfernung  solcher  Lichtquellen,  dachte  der  Beobachter 
wahrscheinlich,  daß  es  dabei  ohne  gleichzeitiges  »Zischen  und  Prasseln« 
nicht  abgehen  könne,  nahm  vermutlich  an,  daß  er  dies  überhört  hatte  und  ver- 
vollständigte seine  Beobachtung  durch  eine  ihm  notwendig  scheinende  Er- 
gänzung, wobei  dann  auch  noch  der  »donnerartige  Knall«,  unter  welchem  die 
Erscheinung  verschwand,  hinzukam.  Die  meisten  solcher  Berichte,  denen  jede 
tatsächliche  Grundlage  gänzlich  fehlt,  an  welchen  es  aber  dennoch  in  keinem 
größeren  Material  mangelt,  dürften  wahrscheinlich  in  ähnlicher  Weise,  ohne 
Absicht  irrezuführen,  entstehen. 


t 


102  G.v.  Niessl, 

4 

Geschwindigkeit  der  Einfluß  der  Erdschwere  (die  sogenannte 
Zenitattraktion)  weit  innerhalb  der  Fehlergrenzen  liegt.  Auf  die 
Ekliptik  bezogen,  erhält  man  die  Länge  X  =  281"3**  und  die 
Breite  ß  =  —  7•l^ 

Die  Sonnenlänge  betrug  zur  Fallzelt  97-4*  und  dies  ist 
zugleich  auch  die  Länge  des  aufsteigenden  Knotens  der  Meteor- 
bahn auf  der  Ekliptik.  Daraus  folgt  ferner,  daß  die  schein- 
bare Elongation  des  Radianten  vom  Apex  der  Erdbewegung 
86  •  betrug. 

Alles  Weitere  ist  nun  von  der  Annahme  für  die  geozen- 
trische Geschwindigkeit  abhängig.  Läßt  man  für  diese  den 
abgeleiteten  Wert  62 '9  km  gelten,  so  erhält  man  hieraus  leicht 
die  heliozentrische  Geschwindigkeit  zu  67-8  km  oder 
2  •  29  in  der  bekannten  Einheit.  Die  reelle  Halbachse  der  betref- 
fenden Hyperbel  a  =  —  0-39,  die  Neigung  der  Bahn  gegen  die 
Ekliptik  i=  17  •  4° ;  rechtläufig. 

Die  übrigen  Elemente  sind  hier  ohne  Belang.  Wichtig  zur 
Vergleichung  mit  andern  Fällen  ist  dagegen  die  Bestimmung 
der  Koordinaten  desjenigen  Punktes,  welcher  die  Richtung 
bezeichnet,  in  der  diese  Meteoriten  aus  dem  Weltraum  in  das 
Sonnensystem  gelangt  sind. 

Unter  Voraussetzung  der  früher  abgeleiteten  Geschwin- 
digkeit würde  man  diesen  kosmischen  Ausgangspunkt, 
bezogen  auf  die  Ekliptik,  in  252*8**  Länge  und  7-4*  süd- 
licher Breite  finden.  Dieses  Ergebnis  wird  stark  durch  die 
Annahme  für  die  Geschwindigkeit  beeinflußt  Obwohl  die  wirk- 
liche Geschwindigkeit,  mit  Rücksicht  auf  die  Verminderung  in 
der  Atmosphäre,  eher  größer  als  kleiner  gegenüber  der  hier 
gefundenen  anzunehmen  ist,  gebe  ich  die  entsprechenden 
Koordinaten  des  Ausgangspunktes  im  nachstehenden  auch  für 
geringere   Geschwindigkeiten,    bis   zur  parabolischen   herab: 

Angenommene  Heliozentrische  Koordinaten  des 

heliozentrische  kosmischen  Ausgangspunktes 

Geschwindigkeit  ^ 

V  Länge  Brette 

\/2      (Parabel) 194-5'*  —  80* 

20 246-6  —7-5 

2-5 255-6  —7-3 


Bahn  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  29.  Juni  1905.  103 

Für  noch  größere  Geschwindigkeiten  werden  die  Ände- 
rungen immer  geringer. 

Für  die  Breiten  von  Mitteleuropa  gehört  das  Auftreten 
eines  so  weit  südlichen  Radiationspunktes  in  am  283  8  =  — 30** 
zu  den  Seltenheiten  oder,  genauer  gesagt,  dessen  Nachweisung 
durch  Beobachtungen  gelingt  nicht  leicht  wegen  seines  kleinen 
Tagbogens  und,  soweit  Sternschuppen  in  Betracht  kommen, 
auch  wegen  der  geringen  Erhebung  über  den  Horizont. 

Unter  den  von  Schmidt  *  aus  den  Beobachtungen  in 
Athen  abgeleiteten  Sternschnuppenradianten  befinden  sich  zwei, 
welche  mit  dem  unserer  Feuerkugel  zu  vergleichen  wären, 
nämlich  : 

a  a 

Für  Juli  20.  —  31 283*  —  27' 

»    Augusts.— 31 286'  —26' 


Die  Wahrscheinlichkeit  eines  Zusammenhanges  ist  hier  in 
der  Tat  nicht  gering.  Es  könnte  auffallen,  daß,  ungeachtet 
des  Intervalls  der  Fallepochen  von  etwa  zwei  Monaten,  die 
Koordinaten  aller  drei  Punkte  um  kaum  mehr  voneinander 
abweichen,  als  die  in  der  Natur  der  Sache  liegende  Unsicher- 
heit ihrer  Ermittlung  voraussetzen  läßt.  Allein,  dies  ist  völlig 
begründet  und  spricht  eben  für  die  Zusammengehörigkeit i 
denn  bei  der  Beziehung  zur  Knotenlänge,  welche  hier  besteht, 
ist  in  der  Tat  die  tägliche  Verschiebung  des  Radianten  ganz 
besonders  gering,  wenn  die  heliozentrische  Geschwindigkeit 
wesentlich  über  die  parabolische  hinausgeht,  was  wenigstens 
für  das  Meteor  vom  29.  Juni  1905  außer  Zweifel  gestellt  ist. 

Man  kann  z.  B.  ohne  Schwierigkeiten  ^  finden,  daß  für  die 
Geschwindigkeit  i;  =  2  •  5,  welche  nur  wenig  größer  ist  als  die 
oben  nachgewiesene,  die  Veränderungen  eines  Radianten  in 
dieser  Lage  von  Ende  Juni  bis  Ende  Juli  sowohl  in  Länge  als 
in  Breite  nur  wenig  mehr  als  1 '  und  von  Ende  Juni  bis  Ende 
August  nicht  ganz  3'  betragen.  Diese  wirklichen  Veränderungen 


1  Siehe  auch  Denn  in  g,  General-Katalog  p.  274,   Nr.  221,  unter  x  Sa- 
gittarids. 

2  Siehe   meine  in  der  Fußnote  der  vorhergehenden  Abhandlung  p.  79, 
zitierten  >Theoretischen  Untersuchungen«  etc. 


116  V.  F.  Hess, 

verteilt.  Um  die  zur  Absorption  verwendeten  Aluminiumfolien 
stets  in  gleichem  Abstände  von  der  aktiven  Schicht  legen  zu 
können,  wurde  auf  die  Blechplatte  ein  Messingrahmen  M  von 
27^  ww  Höhe  aufgesetzt,  der  kreuzweise  mit  je  einem  sehr 
dünnen  Metallfaden  bespannt  war,  um  ein  Durchbiegen  der 
aufgelegten  Aluminiumblättchen  und  etwaige  Störung  in  der 
Verteilung  der  aktiven  Schicht  zu  vermeiden. 

Die  Aluminiumfolien  waren  von  der  Firma  Falck  in  Wien 
und  es  betrug  die  Dicke  bei  der  einen  Sorte  0*32. 10"*  cm^  bei 
der  zweiten  2*2. 10~*  cm. 

Die  wirkliche  Intensität  der  ß-Strahlung  bei  der  Schicht- 
dicke 0  wurde  auf  graphischem  Wege  durch  Extrapolation 
bestimmt.  Dieses  Verfahren  bietet  genügende  Sicherheit,  da 
die  ß-Strahlung  des  Uraniums  X  homogen,  also  der  log  Jp  eine 
lineare  Funktion  der  Schichtdicke  ist. 

Weil,  wie  sich  herausstellte,  die  a-Strahlung  des  Uraniums-X" 
außerordentlich  leicht  absorbierbar  ist,  mußte  beim  Zeichnen 
der  Kurven  der  Absorption  darauf  Rücksicht  genommen  werden, 
daß  durch  die  2  mm  Luft  zwischen  Präparat  und  Aluminium- 
folie bereits  ein  kleiner  Betrag  der  Strahlung  absorbiert  war. 

Benützt  man  die  Relation  Mc.  Clung's  und  O.  Hahn*s, 
nach  welcher  für  die  Absorption  0*16ri»  Luft  äquivalent 
10-*  Aluminium  zu  setzen  ist,  so  folgt,  daß  für  unseren  Fall 
bei  allen  erhaltenen  Kurvenpunkten  die  zugehörigen  Schicht- 
dicken Aluminium  um  etwa  l-5.10-*rw  zu  vermehren  sind. 

Daher  wurde  auch  in  Tabelle  4  entsprechend  zu  allen 
angewendeten  Schichtdicken  der  Summand  1  '5. 10*"* t:w  hinzu- 
gefügt. 

In  der  Tabelle  bedeutet  J  den  Sättigungsstrom  der  Ge- 
samstrahlung,  J^.  den  der  a-Strahlung  gehörigen,  Jp^^  den  der 
ß-  und  Y-Strahlung  gehörigen  Teil  des  Sättigungsstromes. 

Die  beobachteten  absoluten  Werte  der  Stromstärke  wurden 
der  Übersichtlichkeit  wegen  stets  auf /  =  100  für  die  Schicht- 
dicke 0  reduziert. 

Die  Kurven  für  den  Zusammenhang  der  log  •/«  und 
log  J^j^^  mit  der  Schichtdicke  sind  in  Fig.  2  gezeichnet. 

Wie  man  sieht,  ordnen  sich  die  beobachteten  Punkte  unter 
Berücksichtigung  der  eben  besprochenen  geringen  Absorption 


Uran  X  und  seine  a-Strahlung. 


117 


durch  die  dünne  Luftschicht  zwischen  Präparat  und  Aluminium- 
folie leicht  zu  einer  Kurve,  welche  die  charakteristische  Form 
aller  log  /«-Kurven  aufweist.  Log  Ja  nähert  sich  etwa  bei  der 
Schichtdicke  6-7.  lOr-^  cm  asymptotisch  dem  Werte  —  oo,  d.  h. 
der  Range  oder  die  Extinktionsdicke  der  a-Strahlung 


90 

m 
< 

TO 

*> 

TSC 

Ml 

■ 

""^^ 

- 

._ 

» 

... 

ffr— ^ 



1 

!3 

^ 

M^ 

= 

^ 

— 

X 

\ 

• 

1  ^ 

< 

[        1 

N 

?-  . 

ZO 

1 

\ 

10 

\ 

i^ 

roo 

90 
»0 

1 
OiO 

v 

1 

\ 

1 

1 

\ 

i      1 

1 

\ 

^ 

» 

\ 

' 

Ol        t        3       ^       S        6        7        B        9       tO      U       IZ      13      Ik^     IS      16     n      18      19     2Ö      ZI       tt     23      2^ 

->  Sckickiäickc  Aluminium  in  cm,  10"^, 

Fig.  2. 
Absorption  der  Strahlung  von  UJT  durch  Aluminium. 


von  UX  ist  etwa  6'7 .10'^ cm  Aluminium,  also  bedeu- 
tend  geringer  als  der  Range  der  a-Strahlen  des 
Uraniums  selbst.  Es  ist  also 

die  Extinktionsdicke  o  für  a-Strahlen  von  \JX 

in  Aluminium o  =  6'7.10~*cw, 

mithin  (nach   Mc.  Clung  und  O.  Hahn) 

in  Luft 0  =r  1'07  cm. 

Die  a-Strahlung  von  Uif  ist  daher  die  weichste 
aller  bisher  bekannten  a-Strahlungen. 


118 


V.  F.  Hess, 


Tabelle  4. 

Absorption  der  Strahlung  von  Uranium  X  durch  Aluminium. 


Schichtdicke 
in  cmAQr^ 
Aluminium 


Gesamt- 
strahlung 
/ 


a-Strahlung 


log/o 


p-hf-Strahlung 


log/f 


P+7 


^+T 


0 

1 

•82 

2 

•14 

2 

•46 

2 

"78 

3 

•10 

3 

•7Ö 

5 

90 

8' 

10 

12" 

50 

14 

70 

16" 

'90 

23 

50 

100-0 
90-75 
86-2 
83-7 
82-2 
80-1 
74-9 
62-8 
56-9 
54-8 
53-5 
52-1 
49-2 


1-591 
1-479 
1-415 
1-373 
1  •  348 
1 • 3096 
1-190 
0-681 


390 
30-15 
26-0 
23-6 
22-3 
20-4 
15-5 
4-8 


< 


1-785 
1-782 
1-780 
1-779 
1-777 
1-776 
1-774 
U-763 
1-755 
1-739 
1-728 
1-717 
1-692 


61-0 

60-6 

60-2 

60-1 

59-9 

59-7 

59-4 

58-OJ 

56-9 

54-8 

53-5 

52-1 

49-2 


X 


Recht  anschaulich  wurde  mir  diese  leichte  Absorbierbarkeit 
der  a-Strahlung  zum  Bewußtsein  gebracht  während  einer  Beob- 
achtungsreihe, die  ich  mit  einem  nach  der  Levin'schen  Methode 
hergestellten  UX-Präparate  ausführte;  zufälligerweise  war  die 
veraschte  Tierkohle  in  etwas  dickerer  Schicht  als  gewöhnlich 
auf  der  Platte  verteilt.  Man  erschließt  leicht,  daß  infolge  der 
Absorption  in  der  aktiven  Schicht  selbst  alle  nicht  von  der 
Oberfläche  selbst  ausgehenden  a-Teilchen  bereits  mit  bedeutend 
geminderter  Geschwindigkeit  austreten,  infolgedessen  wird  die 
Absorption  anfangs  eine  abnorm  rapide  sein.  Wirklich  lagen, 
wie  aus  Tabelle  5  und  Fig.  3  ersichtlich,  die  durch  Absorption 
mit  den  dünnsten  Folien  erhaltenen  drei  ersten  Punkte  be- 
deutend unterhalb  der  richtigen  Kurve.  (Der  Abstand  der  aktiven 
Schicht  von  den  Folien  war  bei  diesem  Präparat  etwa  l'Sww, 
also  ist  zu  den  wirklichen  Schichtdicken  Aluminium  1 .  10"*  cm 
addiert.) 


Uran  X  und  seine  a-Strahlung. 


119 


Tabelle  5. 


Schicht- 
dicke 
Aluminium 
in 


0 

1-32 

1-64 

1-96 

3-20 

5-40 

7-60 


34-4 
19-8 
16-4 
151 
12-0 

4-2 

0 


1-536 
1-297 
1-215 
1-179 
1079 
0-623 
— oo 


rso 


iVO 


^aso 


o 


t 


\ 

r 

o\ 

O      T 

o 

\ 

t 

1 

c 

1  \ 

I 

— 1 — 

t 

t 

— ' — \ — 1 

n 

I 

1 

l 

1 

r         -     T 

1                1 

! 1 

1 

'     ;     1 

\ 

1 



\ 

1 

1 — . — 

1 — 1 — 

1 

I 

^ 

1 — 

1 

__ 

1 

1 
1 

i 

~tr 

1                1 

1        1 

Ji- 

i 

—4-  -{ 

1 

) 

.  1 

L — 

1 

4 


0        »       JO 


Schichtäicke  Aluminium  in  cm .  10~^. 


Fig.  3. 


Die  p.  117  ermittelten  Extinktionsdicken  der  a-Strahlung 
von  U-X  in  Luft  werden,  wie  aus  Tabelle  5  ersichtlich,  auch 
durch  diese  Beobachtungsreihe  bestätigt. 

Aus  dem  nach  oben  konvexen  Verlauf  der  logarithmischen 
•/a-Kurve  in  Fig.  2  läßt  sich  sofort  ersehen,  daß  der  Mechanismus 
der  Absorption  der  a-Strahlung  von  \JX  ein  ganz  analoger 
ist  wie  bei  allen  anderen  a-Strahlungen :  Abnahme  der 
Penetrationskraft  mit  zunehmender  absorbierender 
Schichldicke. 

Die  Kurven  der  Absorptionskoeffizienten  X 
müssen  also  mit  wachsender  Schichtdicke  ;i;  rapiden 
Anstieg  zeigen  und  asymptotisch  dem  Werte  4-oo 
sich  nähern.  Dies  ist  auch  wirklich  beim  VX  der 
Fall,  wie  aus  Tabelle  6  und  Fig.  4  ersichtlich. 


120 


V.  F.  Hess, 


Da  Ja  =  ^~^*,  SO  folgt 

J«    dx 


(lognat  Ja). 

dx 


0/0 

040 
050 

1 

1 

J 

/ 

/ 

/ 

V 

/ 

«b ' 

»30 

/ 

/ 

• 

t        OiO< 
"00 

< 

<»y 

/ 

^ 

y 

>               J 

\             : 

i             J 

\                 4 

%                 i 

i                 i 

t                 7 

-►  Schichtäicke  in  cm .  /(7~*. 

Fig.  4. 
Abhängigkeit  des  Absorptionskoeffizienten  X  von  der  Schichtdicke  bei  UX. 


In  Tabelle  6  sind  die  Werte  ^®  log  Ja  durch  direkte  Ab- 
lesung aus  Fig.  2  von  Punkt  zu  Punkt  gewonnen  und  aus 

d 
diesen (log  nat  Ja)  =■  X  durch  Umrechnung  ermittelt 

dx 
Auch  aus  der  X-Kurve  ersieht  man,  daß  die  Extinktions- 
dicke o  der  a-Strahlen  von  U-Y  in  Aluminium  keinesfalls  gröfier 


Uran  X  und  seine  a-Strahlung. 


121 


als  7. 10~*  cm  ist,  was  mit  den  Ergebnissen  von  p.  1 17  überein- 
stimmt 

Tabelle  6. 

Darstellung  von  X.10~^  (llcm). 


Schichtdicke 

X 

in  cmAQr^ 


0 
1 
2 
3 
4 
5 
6 


log  Ja 

10 


1-591 
1-530 
1-438 
1-313 
1-125 
0-907 
0-625 


log  nat  /o 


X.10-* 


3-663 
3-523 
3-311 
3  023 
2-590 
2-088 
1-439 


0-140 
0-212 
0-288 
0*433 
0-502 
0-649 


Durch  Extrapolation  findet  man  für  die  Schichtdicke  0  aus 
der  Kurve  Fig.  4  den  Wert 


also 


10-*.)^  =  0-110 
)^  =  1100 


für  Absorption  der  a-Strahlen  von  VX  durch  Aluminium  bei 
imendlich  dünner  Schicht. 


in.  Messung  der  Abklingung  der  Strahlung  des 

Uraniums  X. 

Nachdem  einmal  das  Vorhandensein  einer  a-Strahlung  bei 
UX  festgestellt  und  dieselbe  durch  die  genaue  Messung  ihrer 
Absorbierbarkeit  (Abschnitt  II)  näher  charakterisiert  war,  mußte 
noch  durch  Messung  der  Abklingung  festgestellt  werden,  ob 
die  a-Strahlung  des  Uraniums  X  nach  derselben  Periode  ab- 
nimmt wie  die  ß-Strahlung,  respektive  ob  die  a-Strahlung  nicht 
etwa  von  einem  Zerfallsprodukt  von  anderer  Lebensdauer  als 
der  des  UX  herrühre. 


122  V.  F.  Hess, 

Es  wurden  mehrere,  auf  verschiedene  Art  gefällte 
Uranium  X-Präparale  durch  Wochen  in  ihrer  Abklingung 
untersucht. 

Außer  den  gewöhnlichen  Ablesungsfehlem  kommt  hiebei 
eine  unangenehme,  kaum  ganz  zu  vermeidende  Fehlerquelle 
in  Betracht.  Die  in  Pulverform  in  möglichst  homogener  dünner 
Schicht  auf  Metallschälchen  verteilten  Präparate  dürfen  auch 
nicht  die  geringste  Erschütterung  erleiden,  da  eine  kleine  Ände- 
rung der  Verteilung  sofort  eine  Änderung  des  der  a-Strahlung 
zugehörigen  Teiles  des  Sättigungstromes  und  daher  auch  eine 
Störung  bei  der  Gesamtintensität  bewirkt. 

Das  UX Pulver  auf  einer  klebenden  Oberfläche  zu  fixieren, 
ging  nicht  an,  weil  alle  Klebemittel  hygroskopisch  sind  und 
dadurch  eine  neue  Fehlerquelle  involviert  würde. 

Daher  zog  ich  es  doch  vor,  die  gewöhnliche  Verteilung 
des  U-Y-Pulvers  zu  belassen  und  durch  peinlichste  Achtsamkeit 
beim  Auflegen  und  Abnehmen  der  Schälchen  am  Elektroskop- 
tischchen  nach  Möglichkeit  jede  Störung  zu  verhüten. 

Die  ß-Aktivität  wurde  bestimmt,  indem  auf  das  Schälchen 
mit  dem  Präparat  fünf  Aluminiumfolien  von  ä  2*2.10~*cw, 
also  zusammen  11*0. 10~*  cm  Dicke  gelegt  und  dann  der  Strom 
gemessen  wurde.  Die  so  direkt  erhaltene  ß-Intensität  ist  zu  klein, 
da  durch  Absorption  in  dem  Aluminium  und  der  zwischen 
Präparat  und  Folien  gelegenen  Luftschicht  doch  auch  ein  Teil 
der  ß-Aktivität  verschluckt  wird.  Aus  der  ß-Kurve  in  Tafel  I  ist 
zu  entnehmen,  daß  die  auf  die  eben  beschriebene  Art  beob- 
achtete ß-Aktivität  um  etwa  15'77o  zu  erhöhen  ist,  um  ihre 
wirkliche  Anfangsintensität  zu  erhalten. 

Es  wurden  daher  alle  beobachteten  ß- Intensitäten  um 
diesen  Betrag  erhöht. 

Die  Resultate  der  Abklingungsmessungen  sind  in  Tabelle  7 
bis  10  und  die  zugehörigen  logarithmischen  Kurven  in  Fig.  5 
bis  8  verzeichnet. 

Die  Intensität  der  a-Strahlung  wurde  durch  Subtraktion 

gewonnen.  Die  geringe  Intensität  der  ^-Strahlung  ist  stets  in 
Jß  einbegriffen. 


Uran  X  und  seine  a-Strahlung. 


123 


Die  Halbierungskonstante  HC  bei  den  einzelnen  Versuchs- 
reihen wurde  auf  graphischem  Wege  durch  Aufsuchung  des 
Punktes  [log  J(/=o) — log  2]  ermittelt. 

Die  Stromstärken,  deren  Logarithmen  in  Tabelle  7  bis  10 
angeben  sind,  sind  in  Volt/Minuten  gemessen. 


Versuchsresultate  über  die  zeitliche  Abklingung  der  Aktivität 

von  Uran  X. 

Tabelle  7. 

Präparat  Nr.  1,  gefallt  durch  Ferrihydrozyd  aus  einer  Lösung  von  Uran- 
nitrat in  Aceton. 


Tage 

log  -^«+3 

log/^ 

log/a 

0 

2-194 

1-916 

1-868 

1-80 

2-166 

1-884 

1-844 

4-95 

2-126 

1-827 

1-823 

6-80 

2-102 

1-807 

1-793 

12-80 

2-043 

1-770 

1-711 

14-80 

2-009 

1-737 

1-677 

18-90 

1-933 

1-682 

1-575 

23-80 

1-861 

1-603 

1-514 

Halbierungskonstante  der  Gesamtstrahlung  HCa+^  z=:  2 1  •  4  Tage 

»   ß-Strahlung  HC^  =  22'Z     » 

»   a- Strahlung  HCa  =  20'b     * 


t 


10 

TM 
90 
«0 
10 

60 


i-so 


♦■ 

1 — 

1 

1 

t 

1        1 

■ — 



1 

t 

-*-. 

--^ 

_  ^ 

;^ 

r     ^ 

^^ 

- — 

■ — 

I^ 

^  » 

=^ 

^ 

^ 

0         : 

i         ^ 

t         i 

i         i 

1 

0           l 

Z          J 

4       1 

6           l 

8           2 

0          2 

Z           Z 

fr       a 

6 

Tage 


Fig.  5. 


124 


V.  F.  Hess, 


Tabelle  8. 

Präparat  Nr.  2,  gef&llt  durch  Ferrihydroxyd  aus  einer  Lösung  von  Uran- 
nitrat in  Aceton. 


0 

1-8 
4-95 
6-80 
12*80 
14-80 
19-00 
24-80 


2*  192 

2-142 

2-099 

2-079 

2-024 

1-9895 

1-919 

1-847 


1-855 
1-826 
1-779 
1-744 
1-724 
1-690 
1-635 
1-525 


1-924 
1-855 
1-816 
1-809 
1-722 
1-687 
1-600 
1-566 


i/Ca+ß=:21-6Tage 
HCß  =  22-2     » 
HC.  =  20-8     » 


-♦  T^ 


Fig,  6. 


Uran  X  und  seine  a-Strahlung. 


125 


Tabelle  9. 

Präparat  Nr.  3»  Uran  X  durch  Tierkohle  absorbiert. 


0 

3-1 

7-3 

13-0 

21-3 


1-986 
1*935 
1-861 
1-779 
1-666 


1-799 
1-763 
1-699 
1-607 
1-483 


1-5295 

1-451 

1-354 

1-293 

1-202 


i/Ca+3  =  20-0  Tage 
i/Q  =  20-6     » 
HCa=l9'7     * 


19  U  20  2t  S»  U 


-*  Tage 


Fig.  7. 


126 


V.  F.  Hess, 


Tabelle  10. 

Präparat  Nr.  4,  Uranlmn  X  aus  MethylacetaÜdsung  von  Uran  durch  Ferri- 

bydroxyd  geHUlt. 


Tage 

log  -^a+p 

Jog-^p 

log/a 

0 

2-299 

2-151 

1-759 

3-05 

2-258 

2-111 

1-716 

11-10 

2-125 

1-972 

1-598 

18-0 

2-021 

1-878 

1-468 

HCa+fi  ==- 

19-8  Tage 

/fCß—  19-6      » 

HCa=20'2      » 

40 

w 

{ 
20 

1 
1 





■ 

90 

~— - 

- 

i 
60 



.-_^ 

«0 



"^       ^ 

,_. 

„.^^ 

s 

1 

bO 
.2     20 

t 

TOO 

• 

0       z        ii        0        3       w       iz       IM       1$       tß       zo       tz       zk      ze 

-►  Tage 

Fig.  8. 

Vereinigt  man  so  die  erhaltenen  Werte  der  HC  zu  einem 
Mittel,  so  ergibt  sich: 


Uran  X  und  seine  a<Strablung.  127 

1 21-4  22-3  20-5 

II 21-6  22-2  20-8 

III 20-0  20-6  19-7 

IV 19-8  19-6  20-2 

Mittel... 20-7  21- 1  20-3 

Der  Unterschied  in  der  Abklingung  der  a-  und  ß-Aktivität 
liegt  unterhalb  der  wahrscheinlichen  Fehlergrenze.  Wir  re- 
sümieren also: 

Die  vom  Uran ium -ST  ausgehende  a- Strahlung  klingt 
nach  derselben  Periode  wie  die  ß-Strahlung  ab.  Als 
Mittelwert  der  Halbierungskonstante  ergab  sich 

ÄC  =  20-7  Tage. 

^                    .,%*.,                  >        lognat  2  ..  ^ 

Der  entsprechende  Mittelwert  von  X  = ergibt 

sich  zu  ^^ 

X  =  0-0335  {-^^—]  =  3-87 .  10"' f— 

^Tage/  nS®c> 


Zusammenfassimg  der  wichtigsten  Resultate. 

I.  Durch  die  Trennungsmethoden  von  Moore  und 
Schlundt  (Lösen  des  Uransalzes  in  Aceton,  Methylacetat  u.  a. 
unter  Beifügung  von  frischem  Ferrihydroxyd)  kann  eine 
praktisch  vollkommene  Abtrennung  des  Uraniums  X  vom 
Uranium  erreicht  werden. 

Ohne  Beifügung  von  Ferrihydroxyd  ist  die  Trennung  bei 
keinem  der  Lösungsmittel  eine  vollständige. 

Die  Levin'schen  Adsorptionsmethoden  (Kochen  einer  Uran- 
lösung mit  Ruß  oder  Tierkohle)  befreien  die  Uranlösung  nicht 
vollständig  von  UA",  können  jedoch  in  einfacher  Weise  zur 
Herstellung  von  UX-Präparaten  gebraucht  werden. 

IL  Uranium  X  sendet  nicht  nur  ß-  und  ^-Strahlen, 
sondern  auch  a-Strahlen  aus,  die  sich  in  ihrer  Ab- 
sorbierbarkeit  von  denen  des  reinen  Uraniums  unter- 
scheiden. 


128  V.  F.  Hess,  Uran  X  und  seine  a-Strahlung. 

Die  a-Strahlung  des  Uraniums -Y  ist  die  weichste 
aller  bekannten  a-Strahlungen. 

Als  Extinktionsdicke  für  die  a-Strahlen  von  \}X  in 
Aluminium  ergab  sich  nämlich 

Die  Extinktion  für  \JX  erfolgt  also  bei  beträchtlich 
geringerer  Schichtdicke  als  für  Uran  selbst  (für  Uran  ist 
o=  ll-10-*cfw). 

Der  Absorptionskoeffizient  für  unendlich  dünne  Schichten 
ergab  sich  zu 

Xo  =  iioof— ). 

\cmj 

III.  Die  a-Aktivität  des  UX  klingt  nach  derselben 
Periode  ab  wie  die  (ßH-Y)-Aktivität.  Als  Halbierungs- 
konstante ergab  sich  der  Mittelwert 

/fC=r  20-7  Tage 

und  die  entsprechend  radioaktive  Konstante 


\=  3-87.10-7(— \ 

vsec/ 


129 


Untersuchung  der  Kanalstrahlen  von 

Sauerstoff 

von 

Dr.  Karl  Siegl. 

Aus  dem  II.  physikalischen  Institut  der  Universität  Wien. 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  28.  Februar  1907.) 

Zur  Erzeugung  der  Kanalstrahlen  in  Sauerstoff  dienten 
zunächst  Röhren  von  der  Form,  wie  sie  Prof.  Stark  und  der 
Verfasser  bei  der  Untersuchung  der  Kanalstrahlen  in  Kalium- 
und  Natriumdampf  verwendet  hatten.^  Die  Kathode  bestand  aus 
einem  Aluminiumdeckel,  welcher  mit  sehr  vielen  Löchern  ver- 
sehen war  und  den  ganzen  Querschnitt  des  4  bis  5  cm  weiten 
Geißlerrohres  ausfüllte.  Diese  Röhrenform  erwies  sich  aber  als 
unpraktisch.  Es  treten  nämlich  an  den  Berührungsstellen  der 
Elektrode  mit  der  Glaswand  bei  etwas  größerer  Stromdichte 
sehr  leicht  kleine  Lichtbogen  auf,  wenn  sich  an  diesen  Stellen 
Aluminiumoxyd  gebildet  hat.  Diese  Lichtbogen  erhitzen  das 
Glas  derart,  daß  es  den  Strom  zu  leiten  beginnt  und  von  dem- 
selben zersetzt  und  durchbohrt  wird.  Paßt  ferner  die  Elektrode 
nicht  genau  in  die  Röhre  hinein,  so  zieht  sich  die  negative 
Glimmschicht  sehr  leicht  nach  rückwärts  durch  den  engen 
Zwischenraum  zwischen  Glaswand  und  Elektrode.  An  dieser 
Stelle  besitzt  dann  die  negative  Glimmschicht  eine  sehr  große 
Lichtintensität  und  hohe  Temperatur.  Die  Folge  ist  wieder,  daß 
die  Glaswand  von  einem  Lichtbogen  durchbohrt  und  das  Rohr 
dadurch  unbrauchbar  wird.  Wegen  dieser  Übelstände  halten 
solche  Röhren  einen  stärkeren  Strom  höchstens  1 5  bis  20  Stunden 


1  J.  Stark  und  K.  Siegi,  Die  Kanalstrahlen  in  Kalium-  und  Natrium- 
dampf, Ann.  d.  Phys.,  21,  457  bis  461  (1906). 

Sitzb.  d.  mathcm.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  Ö 


130  K.  Siegl, 

aus.  Von  dieser  Zeit  geht  aber  die  Hälfte  für  die  Expositionszeit 
verloren,  da  das  Rohr  8  bis  10  Stunden  durch  Erhitzung  mittels 
kräftigen  Stromes  entgast  und  fortwährend  mit  Wasserstoff 
gespült  werden  muß.  Es  kam  sehr  häufig  vor,  daß  die  Röhre 
schon  gleich  nach  der  ersten  Stunde  der  Expositionszeit  aus 
den  oben  angeführten  Gründen  unbrauchbar  wurde,  wodurch 
die  zeitraubende  Reinigung  und  Entgasung  des  Rohres  jedesmal 
umsonst  vorgenommen  war. 

Probeweise  wurde  eine  Röhre  hergestellt,  bei  welcher  die 
negative  Elektrode  durch  einen  mit  Glas  überzogenen  Alumi- 
niumstift in  1  bis  2  cm  Abstand  von  der  Glaswand  freigehalten 
wurde.  Dieses  Rohr  erwies  sich  jedoch  als  vollkommen  un- 
brauchbar, weil  die  negative  Glimmschicht  sich  sowohl  vor 
wie  hinter  der  Kathode  symmetrisch  ausbildete  und  dadurch 
das  Entstehen  der  Kanalstrahlen  gänzlich  verhindert  wurde. 

ff 

Die  Röhren  wurden  deshalb  schließlich  ähnlich  konstruiert, 
wie  sie  B.  Straßer  und  M.  Wien  verwendeten.^  Die  Kathode 
besitzt  wie  bei  der  zuletzt  erwähnten  Röhre  einen  Abstand  von 
1  bis  2  cm  von  der  Glaswand.  Sie  ist  aber  auf  ein  Glasrohr  auf- 
gesetzt, welches  sich  in  seinem  rückwärtigen  Teile  erweitert 
und  dort  mit  der  äußeren  Röhrenwand  verschmolzen  ist.  Der 
Raum  hinter  der  Kathode  kann  also  nicht  über  den  äußeren 
Rand  der  Elektrode  mit  dem  vorderen  Raum  kommurfizieren, 
sondern  bloß  durch  die  Öffnung  in  der  Mitte  der  Elektrode. 
Durch  diese  Anordnung  kann  sich  auch  die  negative  Glimm- 
schicht nicht  mehr  nach  rückwärts  ziehen  und  die  allenfalls 
noch  auftretenden  Lichtbogen  sind  ungefährlich,  weil  sie  die 
äußere  Glaswand  nicht  mehr  erreichen  können.  Eine  un- 
angenehme Eigenschaft  besitzen  die  Kanalstrahlen  immer. 
Selbst  wenn  die  Kathode  vollkommen  eben  ist,  konvergieren 
sie  hinter  derselben  und  erhitzen  die  Glaswand  so  stark,  daß 
sie  erweicht  und  von  dem  darauf  lastenden  äußeren  Luft- 
drucke an  dieser  Stelle  eingedrückt  wird.  Die  Elektrode  wurde 
deshalb  konkav  gemacht,  so  daß  die  Kanalstrahlen  hinter  der- 
selben parallel  fortgingen  oder  sogar  divergierten.  Die  Erhitzung 


1  B.  Straßer  und  M.  Wien,  Anwendung  der  Teleobjektivmethode  auf 
den  Dopplereffekt  in  Kanalstrahlen;  phys.  Zeitschr.  21,  744  (1906). 


Kanalstrahlen  von  Sauerstoff.  131 

der  Glaswand  ist  dann,  selbst  wenn  die  Länge  des  Rohres 
hinter  der  Kathode  bloß  4  bis  5  cm  beträgt,  so  gering,  daß  auch 
bei  starkem  Strome  noch  kein  Fall  vorkam,  in  welchem  die 
Glaswand  geschmolzen  wäre.  Endlich  zerstäuben  die  KanaU 
strahlen  die  Elektroden  und  schwärzen  dadurch  die  Glaswand. 
Die  Schwärzung  ist  um  so  stärker,  je  mehr  Kanalstrahlen  aus 
der  Kathode  austreten  können.  Nun  ist  es  aber  für  die  Spektral- 
aufnahmen  gar  nicht  notwendig,  daß  ein  sehr  breites  Kanal- 
strab lenbündel  aus  der  Kathode  austritt.  Es  wurde  deshalb  in 
die  Elektrode  bloß  ein  1  mm  breiter  und   1  cm  langer  Spalt 
geschnitten.  Das  schmale  Kanalstrahlenbündel  schwärzte  nun 
die  Glaswand  bedeutend  weniger  und  hauptsächlich  nur  außer- 
halb jener  Stelle,  wo  die  Kanalstrahlen  direkt  auf  das  Glas  auf- 
fielen. Dieses  spaltförmige  Bündel  wurde  mittels  einer  Linse 
auf  den  Spalt  des  Spektrographen  projiziert.  Röhren  von  der 
beschriebenen  Form  halten  starken  Strom  über  100  Stunden  aus. 
Zur  Aufnahme  der  Spektrogramme  diente  der  Prismen- 
spektrograph  des  Verfassers.*  Aufnahmen  mit  einem  Rowland- 
schen  Konkavgitter  von  15  Fuß  Krümmungsradius  und  einer 
Gitterkonstante  von  20000/Zoll  waren  sämtlich  unbrauchbar. 
Bei  der  langen  Expositionszeit  von  20  bis  40  Stunden  änderte 
sich  nämlich  durch  Erschütterungen  und  Temperaturschwan- 
kungen die  Stellung  des  Gitters  so  stark,  daß  die  Spektrallinien 
verschwommen  wurden.  Doch  mußte  selbst  bei  den  Aufnahmen 
mit  rotempfindlichen  Platten  mittels  des  Prismenspektrographen 
die  Expositionszeit  bis  15  Stunden  ausgedehnt  werden.  Kamen 
während  dieser  langen  Zeit  größere  Temperaturschwankungen 
im  Arbeitsraume  vor,  so  änderte  sich  der  Brechungsexponent 
der  Thalliumflintprismen  und  damit  die  Dispersion  des  Spektro- 
graphen, wodurch  die  Spektrogramme  verwaschen  oder  doppelt 
wurden.   Deshalb   verwendete   der  Verfasser   außer   den   rot- 
empfindlichen Perortoplatten  Spezialrapidplattenvon  Schleuß- 
ner  und  die  hochempfindlichen  E-Platten  von  Lumiere.  Bei 
diesen  Aufnahmen   mußte   man   freilich   auf  das  Gebiet  von 
5206 -4  bis  i/(i  verzichten,  dafür  konnte  aber  die  Expositions- 
zeit bedeutend  herabgesetzt  werden.  Sie  betrug  in  der  Regel 


i  Deutsche  Mech.  Ztg.  21,  201  (1906). 

9* 


132  K.  Siegl, 

4  bis  5  Stunden.  Man  erhielt  auf  diese  Weise  vollkommen 
scharfe  Spektrogramme.  Entwickelt  wurden  dieselben  mit 
Hydrochinon  in  zwei-  bis  dreifacher  Verdünnung.  Einige  Platten 
wurden  mit  Sublimatlösung  verstärkt. 

Zum  Evakuieren  der  Kanalstrahlenröhren  diente  eine 
Jaumann'sche  Quecksilberpumpe,  welche  für  diese  Zwecke 
leider  etwas  langsam  arbeitet. 

Den  elektrischen  Strom  lieferte  in  Ermanglung  von  Hoch- 
spannungsbatterien ein  Induktorium  von  40  cm  Schlagweite, 
welches  zuerst  mit  einem  Qucksilberstrahlunterbrecher  und 
einem  Wehnelt-Unterbrecher  betrieben,  dann  aber  direkt  mit 
Wechselstrom  gespeist  wurde,  ferner  ein  Hochspannungs- 
transformator mit  einer  Maximalspannung  von  10000  Volt.  Das 
Arbeiten  mit  direktem  Wechselstrom  hat  das  Angenehme,  daß 
man  von  den  Unregelmäßigkeiten,  die  bei  langer  Tätigkeit  des 
Unterbrechers  stets  auftreten,  vollständig  befreit  ist.  Freilich 
gehen  die  Entladungen  nach  beiden  Seiten  durch  die  Röhre, 
von  welchen  die  Hälfte  nutzlos  verloren  geht,  nur  überflüssiger- 
weise die  Röhre  erhitzt  und  die  Glaswände  mit  Zerstäubungs- 
produkten der  Elektroden  schwärzt.  Um  diesen  nutzlosen  Teil 
des  Stromes  möglichst  unschädlich  zu  machen,  wurde  als 
Anode  ein  Aluminiumstift  gewählt.  Da  derselbe  einen  viel 
kleineren  Querschnitt  als  die  Kathode  besitzt,  wirkt  er  als 
elektrisches  Ventil  und  die  Entladungen  gehen  hauptsächlich 
nur  in  jenem  Sinne  durch  die  Röhre,  für  welchen  der  Stift 
Anode  ist.  Um  denselben  vor  übermäßiger  Erhitzung  durch  die 
konvergierenden  Kathodenstrahlen  der  Konkavkathode  zu 
schützen,  wurde  das  Rohr  so  lang  gewählt,  daß  die  Kathoden- 
strahlen sich  schon  in  der  Mitte  des  Rohres  durchkreuzten, 
was  bei  einem  Elektrodenabstand  von  zirka  25  cm  der  Fall 
war.  Die  Spannung  des  Wechselstroms  wurde  mit  einem 
Braun'schen  Elektrometer  und  einer  parallel  geschalteten 
Funkenstrecke  gemessen.  Sie  betrug  gewöhnlich  4000  bis 
7000  Volt,  in  einigen  Fällen  auch  12000  bis  15000  Volt.  Die 
Stromstärke  wurde  schätzungsweise  durch  ein  Weston-Milli- 
amperemeter  ermittelt  und  betrug  durchschnittlich  10  bis 
20  Milliampere. 


Kanaistrahlen  von  Sauerstoff.  133 

Der  zur  Untersuchung  dienende  Sauerstoff  wurde  einem 
Gasometer  von  20/  Inhalt  entnommen,  welcher  aus  einer  käuf- 
lichen Sauerstoffbombe  gefüllt  worden  war.  Dieser  Sauerstoff 
enthielt  noch  ein  wenig  Stickstoff. 

Die  Beobachtungen  ergaben  folgende  Resultate:  Die  Kanal- 
Strahlen  von  Sauerstoff  kommen  zur  merklichen  Emission  bei 
einer  Minimalspannung  von  2000  bis  3000  Volt  und  sind  weiß. 
Bei  einer  Länge  des  Dunkelraumes  von  4  bis  5  rw  und  einer 
Spannung  von  5000  Volt  verzeichnete  der  Spektrograph  den 
größten  Teil  der  Funkenlinien  von  5555*2  bis  4153-6.  Das 
Spektrum  ist  sehr  lichtschwach.  Mit  wachsendem  Dunkelraume 
und  steigender  Spannung  nimmt  die  Gesamtintensität  ab,  jedoch 
treten  die  Tripletserienlinien  im  Vergleiche  zu  den  übrigen 
Linien  etwas  stärker  hervor.  Die  Zerstäubung  der  Elektroden 
nimmt  zu,  wobei  der  Sauerstoff  sehr  rasch  absorbiert  wird, 
so  daß  bei  den  Aufnahmen  alle  2  bis  3  Minuten  etwas  Sauerstoff 
eingelassen  werden  mußte.  Sonst  kam  in  dem  Spektrum  immer 
mehr  der  Wasserstoff  zur  Geltung,  was  stets  mit  einem  kleinen, 
geradsichtigen  Spektroskope  kontrolliert  wurde.  Die  Kanal- 
strahlen erhielten  in  diesem  Falle  eine  rötliche  Färbung.  Nach 
einiger  Zeit  gaben  merkwürdigerweise  die  Elektroden  eine 
große  Menge  von  absorbierten  Gasen  frei,  wodurch  das  Vakuum 
schlecht  wurde  und  im  Spektrum  besonders  die  Quecksilber- 
linien intensiv  hervortraten.  In  einem  solchen  Falle  wurde  der 
Spalt  des  Spektrographen  verdeckt  und  das  Rohr  unter  Strom- 
durchgang so  lange  ausgepumpt,  bis  die  Glaswände  zu  fluores- 
zieren begannen.  Dann  wurde  frischer  Sauerstoff  eingelassen, 
bis  die  alte  Länge  des  Dunkelraumes  wieder  hergestellt  war, 
und  jetzt  die  Exposition  fortgesetzt.  Da  die  Quecksilberpumpe, 
wie  erwähnt,  langsam  arbeitet  und  das  Vakuum  des  Rohres 
sich  immer  in  einem  labilen  Zustande  befindet,  so  wurde 
aus  diesen  Gründen  das  Arbeiten  ein  sehr  mühsames,  und  die 
Expositionen  dauerten  infolge  der  wiederholt  notwendigen 
Unterbrechungen  sehr  lange.  Die  Serienlinien  des  Wasserstoffes 
sowie  die  intensiven  Quecksilber-  und  Stickstofflinien  erschienen 
stets  auf  den  Platten,  doch  schadete  dies  weiter  nichts,  sie 
waren  im  Gegenteil  als  Vergleichslinien  für  die  Ausmessung 
unter  dem  Komparator  erwünscht.   Als  störend   erwies   sich 


134  K.  S  i  e  g  1 ,  Kanalstrahlen  von  Sauerstoff. 

dagegen  das  Viellinienspektrum  des  Wasserstoffs,  welches  bei 
der  geringen  Lichtstärke  des  linienreichen  Sauerstoffspektrums 
stark  zur  Geltung  kao). 

Ein  Vergleich  der  Parallel-  und  Normalaufnahmen  der 
Kanalstrahlen  ergab,  daß  die  von  C.  Runge  und  F.  Paschen 
beobachteten  Serienlinien,^  welche  von  5555  •  2  bis  4368  •  5  auf 
den  Spektrogrammen  identifiziert  werden  konnten,  den  Doppler- 
effekt zeigen,  wenn  ihre  Intensität  genügend  groß  ist.  Der 
Spektrograph  des  Verfassers  ist  in  dem  Spektralgebiete  um  Hi^ 
am  lichtstärksten,  während  er  gegen  Violett  hin  schon  merklich 
absorbiert.  An  den  in  diesem  Gebiete  liegenden  Sauerstoff- 
triplets  konnte  der  Dopplereffekt  konstatiert  werden.  So  an  den 
Linien  4773*9,  4773-1,  4772*7  und  4673-9,  46729  und 
4590-1,  4589  •  2  und  4523  •  7,  4523 '0.  Bei  diesen  Triplets  war 
die  erste  gegen  Rot  liegende  Linie  scharf.  Die  nach  Violett 
folgenden  flössen  ineinander  und  waren  gegen  Violett  ver- 
waschen, indem  sich  die  verwaschenen  Streifen  des  Doppler- 
effektes der  einzelnen  Linien  übereinander  lagerten.  Wegen 
der  geringen  Lichtstärke  des  Dopplereffektes  und  wegen  der 
großen  Zahl  der  eng  aneinander  stehenden  Linien  erwies  es 
sich  als  unmöglich,  die  Größe  des  Effektes  genau  zahlenmäßig 
zu  bestimmen.  Durch  Vergleich  mit  dem  Dopplereffekt  von 
i/ß  und  jKf  erkennt  man,  daß  der  Effekt  bei  der  ersten  Triplet- 
serie  des  Sauerstoffes  mindestens  dreimal  kleiner  ist  als  beim 
Wasserstoff  und  da  er  der  Wurzel  aus  dem  Atomgewichte 
umgekehrt  proportional  ist,  so  dürften  die  Träger  der  ersten 
Tripletserie  des  Sauerstoffes  dieselbe  Wertigkeit  besitzen  wie 
die  Träger  der  Nebenserie  des  Wasserstoffes.  Ob  der  Effekt 
bei  den  Linien  der  zweiten  Tripletserie  größer  ist  als  bei  den 
Linien  der  ersten,  konnte  nicht  ermittelt  werden,  da  die  Inten- 
sität des  Dopplereffektes  bei  der  zweiten  Tripletserie  geringer 
ist  als  bei  der  ersten. 


^  C.  Runge  und  F.  Paschen,  On  the  Series  Spektra  of  Oxygen,  Sulphur 
and  Selenium,  Astroph.  J.,  5,  70  bis  101  (1898),  und  Ann.  d.  Phys.,  61,  641  bis 
686  (1897). 


135 


Zur  Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen 


von 


W.  Fr.  Meyer  in  Königsberg  i.  Pr. 

(Vorgelegt  in  der  Siuung  am  28.  Februar  1907.) 

Die  schon  vielfach  behandelten  Theorien  der  Drehungen 
des  Raumes  um  einen  festen  Punkt  einerseits,  der  Quaternionen 
andrerseits,  nebst  ihren  Beziehungen  zueinander  haben  in  dem 
Werke  von  F.  Klein  und  A.  Sommerfeld  Ȇber  die  Theorie 
des  Kreisels«*  eine  wesentliche  Förderung  erfahren.  Indessen 
fuhren  die  Verfasser  gleich  zu  Beginn  ihrer  Entwicklungen 
imaginäre  Elemente  ein.  So  schön  und  durchsichtig  sich  die 
damit  begründete  Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen 
insbesondere  vom  Standpunkt  der  modernen  Geometrie  aus 
gestaltet,  so  dürfte  es  doch  angemessen  erscheinen,  zu  den 
Klein-Sommerfeld'schen  Ergebnissen  auch  auf  einem  direkten, 
elementaren  und  reellen  Wege  zu  gelangen.  Die  Einführung 
des  Imaginären  erweist  sich  erst  am  Schlüsse  als  notwendig, 
wenn  man  den  Übergang  von  den  Hamilton'schen  Quater- 
nionengrößen  A,B,  QD  zu  den  Klein'schen  Parametern  o,  ß,  y,  8 
vollziehen  will. 

Die  nachstehenden  Entwicklungen,  die  sich  in  mancher 
Hinsicht  als  eine  Umkehrung  der  von  Klein-Sommerfeld 
eingeschlagenen  charakterisieren  lassen,  gehen  davon  aus,  daß 
die  drei  Diagonalkoefiizienten  einer  orthogonalen  Substitution 
zunächst  als  Parameter  gewählt  werden;  weiterhin  behufs  ein- 
deutiger Gestaltung  einer  vieldeutigen  Darstellung  die  Größen 


^  Eine  ausfuhrlichere  Bearbeitung  dieser  Note  wird  in  der  Zeitschrift  für 
Mathematik  und  Physik  erscheinen. 

2  Leipzig;  Heft  1,  1897;  Heft  2,  1898;  Heft  3,  1903.  Für  das  Folgende 
kommen  hauptsächlich  die  §§  2,  3,  4,  5,  7  des  ersten  Heftes  in  Betracht 


136  W.  Fr.  Meyer, 

Ay  By  C,  D  und  endlich  behufs  formaler  Vereinfachung  weiterer 
Rechnungen  die  Größen  a,  ß,  7,  8. 

§  1.  Bestimmung  der  Drehachse.  Erste  Einführung  der  Quater- 

nionen. 

Es  sei  durch  ■ 

y  =  o^X+?,Y-^^,z\  (1) 

eine  orthogonale  Substitution  S  mit  der  Determinante  A  =  + 1 
gegeben.  Es  bestehen  die  bekannten  Relationen: 


a«+a2+a|=l,     a,^,+c^^^+<t^%  =  0,] 


a?+ß?+T?  =  1,     ai«2+ßiß2+TiT2  =  0, 


» ) 


(2) 


«1  =  ß2T8— ß8T2»     «2  =  ßsTi— ßiTs  etc.  (3) 

Diejenigen  Raumpunkte  (a,b,c),  die,  jeder  für  sich,  beim 
Übergange  (1)  ungeändert  bleiben,  bestimmen  sich  durch  die 
Bedingungen: 

a(a,— 1)+Z^ß,  +rTi  =0| 

^«2  +*(ß2— 1)+^T2  =0  J  (4) 

In  der  Tat  bestehen  diese  drei  in  den  a,  b,  c  linearen  und 
homogenen  Gleichungen  zusammen,  da  die  Determinante  der 
Koeffizienten  auf  Grund  von  (3)  verschwindet. 

Der  Ort  der  Punkte  (a,  ^,  c)  ist  daher  eine  durch  den 
Anfangspunkt  O  laufende  Gerade  d.  Diese  Gerade  d  erweist 
sich  geometrisch  leicht  als  die  »Drehachse«  von  S,  d.  h.  jeder 
Raumpunkt  P(J¥*,  y,  Z)  geht  vermöge  S  (1)  in  einen  solchen 
Punkt  pix^y^  2)  über,  daß  die  beiden  von  P  und  p  auf  d  gefällten 
Lote  gleich  lang  sind,  denselben  Fußpunkt  auf  d  besitzen  und 
der  Winkel  beider  Lote  stets  ein  und  derselbe  »Dreh- 
winkel« «ö  ist. 


Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen.  137 

Die  den  Größen  a,  b^  c  proportionalen  Richtungkosinus  der 
Drehachse  d  seien  jetzt  selbst  mit  a,  h,  c  bezeichnet.  Setzt  man 
zur  Abkürzung: 

ai  +  ß2+Ts  =  <3»     o— 1==T  (5) 

und  versteht  unter  r,  sy/  drei  Proportionalitätsfaktoren,  so  liefert 
die  Auflösung  je  zweier  der  Relationen  (4): 

5a=zaj-+-ßi,      s&  =  2ß3— T,    5(7  =  P8+Ta,   [  (6) 

Die  Substitution  S  hängt  nur  von  drei  wesentlichen  Para- 
metern ab;  als  solche  wählen  wir  die  drei  Diagonalkoeffizienten 
Oj,  3j,  Yj  und  drücken  alle  übrigen  Größen  durch  sie  aus.  Man 
erhält  zunächst  für  r,  s,  /,  indem  man  die  Gleichungen  je  einer 
Reihe  in  (6)  quadriert  und  addiert,  mit  Hilfe  von  (2)  und  (3): 

r«  =  (3-a)(2fl4-T),     5«  =  (3-o)(2ß,-r), 

/3rz(3-o)(2Ts-t). 

Da  3 — 0  nicht  negativ  werden  kann,  folgen  aus  (I)  die 
Determinationen : 

tti^ß^+Ts— 1»     ßa^Oi+Ts— 1»     T3^ai+ß2— 1-       (V 
Die  Einsetzung  von  (I)  in  (6)  ergibt: 

aV3— a  =  \/2ai— X 

i,  V3^^  =  \/2K^  J  (H) 


c\/3— o  =  \/273— t. 

Das  Verschwinden  von  3 — o  oder  auch  das  simultane 
Verschwinden  von  20^ — t,  2ß2 — x,  27^ — t  entspricht  dem  Falle 
der  identischen  Substitution  S;  r,  s,  /  sind  dann  Null  und  die 
Drehachse  wird  unbestimmt  (mit  dem  Drehwinkel  Null),  wie 
es  sein  muß. 

Hiebei  darf  das  Vorzeichen  von  \/3 — 0  positiv  gewählt 
werden;  die  Vorzeichen  der  drei  anderen  Radikale  sind  beliebig. 
Da  aber  ein  gleichzeitiger  Wechsel  aller  drei  Vorzeichen  die 
Drehachse  als  Ganzes  ungeändert  läßt,  kann  man  sich  auf  vier 


138  W.  Fr.  Meyer, 

verschiedene  Vorzeichenkombinationen  beschränken;  die  vier 
zugehörigen  Drehachsen  hängen  so  zusammen,  dafi  aus  irgend 
einer  von  ihnen  die  drei  anderen  durch  Spiegelung  an  den 
Koordinatenebenen  hervorgehen. 

Die  Formeln  (II)  lauten  genauer: 


h  \/Z—'j  =  Sa  V2ß2-r      (s,-  =  ±1,  8,8363  =  + 1)  }      (HO 
cVS— o  =  63  V2ys— t, 

wo  nunmehr  alle  Radikale  positiv  zu  nehmen  sind. 

Um  jetzt  die  o^jß,;  03,71;  ßjjTa  durch  o^ß^j-fj  auszudrücken, 
entnehme  man  aus  (6)  unter  Benützung  von  (I),  (IV)  die  Summen 

Og+ß,  =  e3\/2ai— T.  >/2ß^     t 
Oj+Yi  =e3\/2ai— T.  \/2^ri^  }  (8) 

ßs+Ta  =  ßi  >/2ß8^.  V273— T. 
Andrerseits  liefert  (3)  die  Produkte  o^ß^,  OjYi,  ßsTa^ 

«aßi  =  «ißa— Ts»  «sTi  =  «iTs-ßa»  ßsTa  =  ßaTs" «i-        (9) 

Aus   (8)   und  (9)   berechnen   sich   die  o^,  ß^;  a^ytil  ßj,  T2 
wie  folgt: 

{2?  =  H\/2a,—T.  V2ßa-t±>/^Tl.  V2Ts— t 


I2     =  e, \/2 ßg— T.  >/273— T  =t  Vo  4- 1 .  \/2fl4— r. 


(10) 


Die  Zuordnung  der  Vorzeichen  in  der  Mitte  rechts  wird 
durch  Betrachtung  eines  Spezialfalles,  etwa  04  =  ß^  =  Yj  =:  0 
entschieden. 

Es  zeigt  sich,  daß  das  obere  Vorzeichen  (+)  gerade  den 
«2,  Ti>  ßa  entspricht,  das  untere  Vorzeichen  ( — )  den  ßj,  Oj,  y,. 


Theorie  der  Drehungen  und  Quaternionen.  1 39 

Bedient  man  sich  der  Abkürzungen: 
J  =  — 8iV2ai— t,    5  =  — e,>/2ß,— t,    C  =  —  «,V2t,— t, 

Ct  £1  ^ 

Z)  =  — TqVa+l     (8,,i(i  =  ±l,  818,83  =  +1,  (III) 

SO  werden  die  acht  verschiedenen  Lösungssysteme  (10)  durch 
die  Darstellung  umfaßt : 

Y,  =  2(i4C+5Z?),    03  =  2{AC-BI))  \  (11) 

ßj  =  2{ßC-ArAD\     Ta  =  2(J5C— >1Z)).  ) 

Zwischen  den  vier  Größen  i4, 5,  C,  D  besteht  die  Identität: 

^«+fi«+C«+Z)«  =  l  (IV) 

und  die  Auflösung  der  Formeln  (III)  nach  den  04,  ß^,  Ys  liefert: 

o,  =  2(i4«-hZ?«)— 1  =  (^«+I>«)— (5^4-C«),  ] 

ß,  =  2(524-1?«)— 1  =  (5«+Z)«)— (^«+C«),  >        (12) 

Y3  =  2(C«+D«)— 1  z=  (C«+Z)«)— (i4«+5«).  I 

Führt  man  jetzt  die  i4,  5,  C,  Z)  statt  der  «j,  ßj,  Yj  als  Para- 
meter einer  Substitution  S  ein,  so  bietet  sich  der  wesentliche 
Vorteil,  daß,  während  einem  beliebig  gegebenen  Wertsystem 
der  Oj,  ß,,  7,  noch  acht  durch  (10)  angegebene  Substitutionen  (1) 
entsprachen,  nunmehr  zu  einem  einschließlich  der  Vorzeichen  * 
beliebig  gegebenen  Wertsystem  der  -4, 5,  C,  D  nur  eine  einzige 
durch  (11)  und  (12)  angegebene  Substitution  gehört. 

In  diesen  neuen  Parametern  A,  B,  C,  D  gewinnen,  da 

—  \/3^  =  \/l^^^^  (13) 

*  ^ 

die  Relationen  (11^  die  einfachere  Gestalt: 


a\/\—D*  =  A,    h\J\—D^  =  B,    c\J\—D*  =  C,     (II'O 


1  Die  Vorzeichenbeschränkung  s^  t2  «3  =  1  in  (11')  bedeutet  jetzt,  dafi  das 
Produkt  ABC  positiv  zu  nehmen  ist.  Sieht  man  von  dieser  Beschränkung 
ab,  so  wird  der  Drehachse  zugleich  ein  bestimmter  Sinn  beigelegt  und  (10) 
repräsentiert  dann  16  verschiedene  Lösungssysteme. 


140  W.  Fr.  Meyer, 

WO  Vi — D'^  positiv  ZU  nehmen  ist.  Es  liegt  nahe,  einen  Hilfs- 
winkel V  innerhalb  der  ersten  zwei  Quadranten  eindeutig  durch 
die  Festsetzung  zu  bestimmen: 

D  =  cos  V,     4-  Vl'^^^^'  =  sin  v.  (14) 

Es  ist  zu  erwarten,  daß  dieser  Winkel  v  in  enger  Beziehung 
zum  Drehwinkel  (o   stehen  wird;  in  der  Tat  wird  sich  in  §  2 

zeigen,  daß  v  mit  —  zusammenfällt. 

2 

Die  in  (III)  eingeführten  Größen  -4,  B,  C,  D  heißen  die 
»Komponenten  einer  Einheitsquaternion«. 

Kombiniert  man  mit  F.  Kl  e  i  n  die  orthogonale  Substitution  (1) 
mit  einer  Ähnlichkeitstransformation  (Streckung),  bei 
festgehaltenem  O,  vom  Vergrößerungsverhältnis  T^: 

X=T^X^,     Y=T^Y^,     Z=rZ^,  (15) 

so  erweitert  sich  (1)  zu  einem  Übergange  vom  System  (x,y,z) 
zum  System  {X^,  1\,  Zj),  wobei  nur  sämtliche  neun  Koeffi- 
zienten in  (1)  den  Faktor  7^  angenommen  haben. 

Damit  erhalten  aber  die  Größen  A,B,QD  den  Faktor  J, 
wo  T  noch  positiv  oder  negativ  gewählt  werden  kann,  und 
gehen  dadurch  in  vier  allgemeinere  Größen  -4i, -Bj,  Q,  Di  über: 

A,  =  TA,     B,  =  TB,     C,=  TC,     D^=  TD,         (IIIj) 

zwischen  denen  die  Identität  besteht: 

Al+Bl-h  Cl+Dl  =  TK  (IVj) 

Diese  vier  neuen  Größen  -4^,  B^^  Q,  D^^  die  man  umgekehrt 
als  vier  unabhängige  Variable  ansehen  kann,  heißen  die 
»Komponenten  einer  allgemeinen  Quaternion«  und  T 
der  Tensor  der  Quaternion. 

§  2.  Bestimniung  des  Drehwinkels. 

Gemäß  (4)  sind  die  Koeffizienten  der  a,  fc,  c  in  irgend  einer 
der  drei  Gleichungen  (4)  die  Koordinaten  (sei  es  im  alten  oder 
neuen  System)  eines  Punktes,  der  in  O  auf  der  Drehachse  d 
senkrecht    errichteten    Ebene.    Wählt    man    etwa    die    erste 


Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen.  141 

Gleichung  (4)  und  faßt  den  zugehörigen  Punkt  P  als  einen 
Punkt  {XYZ)  auf,  so  ist: 

X=a,-1,     y=ß„     Z=Tr  (16) 

Der  Radiusvektor  R  von  P  bestimmt  sich  wegen  (2)  durch: 

R^  =  (04— l)2+pf+7f  =  2(1-04).  (17) 

Vermöge  (1)  geht  P(XYZ)  über  in  einen  Punkt  p{xyz)\ 

;ri=04(04— l)+ßißi-fTiTi  =  l— «1  | 
>'=«2(ai— l)+ß2ßi+T2Ti=    —«2  I  (18) 

-  =  «3(a4--l)  +  ß3ßi+T3Ti  =     -03.) 

Bezeichnet  man  mit  r  den  Radiusvektor  von  p,  wo  die 
Länge  von  r  gleich  der  von  R  ist,  so  ist  der  Winkel  «0  zwischen 
den  Richtungen  von  R  und  r  der  gesuchte  Drehwinkel  und 

man  hat:  _.  ^       ^r      r,  /.r.\ 

R}  cos  CO  =  xX-^t-yY-^t-zZ  (19) 

oder  mit  Einsetzung  von  (16),  (18)  und  mit  Benützung  von  (3): 

0 1  T 

cos  CO  = =1:  —  y  (V) 

2  2 

Hieraus  folgt  für  den  halben  Drehwinkel: 


CO  I ^      .       CO 


2  cos  —  =  \/3-4-l,     2  sin  —  =  \/3— 0/  (VO 

2  2 

CO 

Die  Vergleichung  mit  (13),  (14)  lehrt,  da  auch  —  den 

Spielraum  von  zwei  Quadranten  hat,  daß  der  dort  eingeführte 

Hilfswinkel  v  mit  —  identisch  ist  und  die  Gleichungen  (IrO, 

2 

(14)  nehmen  die  durchsichtigere  Gestalt  an: 

CO  ^1..^  D  -^  r^  ^  T\         f\7^\ 

asm  —  =  -4,    &sm  —  rz  5,    csm  —  =r  C,  cos  —  =  J9.       (VI) 
2  2  2  2 


1  Bedeutet  P'(X'Y'Z')  den  der  zweiten  Gleichung  (4)  entsprechenden 
Punkt  mit  der  Koordinaten  02,  ßg — 1,  ^2  ^"^  operiert  man  mit  einem  beliebigen 
Punkte  der  Geraden  PF'  analog  wie  im  Texte  mit  dem  Punkte  P,  so  ergibt 
sich  die  rechnerische  Bestätigung,  daß  der  Drehwinkel  tu  für  alle  Punkte  des 
Raumes  ein  und  derselbe  ist. 


142  W.  Fr.  Meyer, 

Der  Sinn  des  Drehwinkels  co  wird  in  der  üblichen  Weise 
festgelegt. 

§  3.  Zusammensetzung  zweier  orthogonalen  Substitutionen 

und  der  zugehörigen  Quaternionen. 

Führt  man  zwei  Substitutionen  von  der  Natur  (1)  hinter- 
einander aus,  führt  also  erst  ein  System  (xyz)  mittels  Koeffi- 
zienten (flti,  ßi,  Ti»-  •  •)  über  in  ein  System  (XYZ),  sodann  das 
letztere  mittels  Koeffizienten  (oj,  ß^,  yJ,.  . .)  über  in  ein  drittes 
System  (X'Y'Z'),  so  vollzieht  sich  der  direkte  Übergang  vom 
ersten  System  in  das  dritte  durch  eine  Substitution  (1)  mit 
Koeffizienten  a^',  ßj',  tI'»-  •  •>  wo  ersichtlich: 

<  =  fl4a;-hßi(<+Tx<  (20) 


Um  die  entsprechende  Zusammensetzung  der  resultie- 
renden Quaternionenkomponenten  A'^,  B",  C",  D"  aus  den 
»zusammensetzenden«  AyB,C,D;  A',  B\  C,  D'  zu  erhalten, 
bedarf  man  unter  den  Relationen  (20)  nur  der  für  irgend  ein 
Diagonalelement,  also  etwa  der  für  a^'. 

Auf  Grund  von  (III),  (11),  (12),  (IV)  geht  die  erste  Re- 
lation (20)  über  in: 

'^2(AB—CD){A'B'+aD')-h2{AC'hBD){A'a—B'D').(2\) 

Bildet  man  rechts  einmal  das  Aggregat  der  Quadrate 
AW^^  u.  s.  f.,  sodann  das  der  doppelten  Produkte  2AD'.BC' 
u.  s.  f.  und  setzt  zur  Abkürzung: 

A''  =  (AD'^DA')'{'(Ba—CB')  ] 

B"=  (5Z)'-fZ>50  +  (C^'— i4C0 

T"  =  (CZ)'+Z)C0  +  (^5'— 5^0 
^"  =  DD'—{AA''i•BB'-^CC'),  j 

so  stellt  sich  die  Formel  (21)  nebst  den  entsprechenden  für 
5//2+£)//2^  Cfi^Dff2  folgendermaßen  dar: 

A"^-\-D"'^  =  A''2+A''- 

B"^+D"^  =1  B''2+A''2  )  (23) 


(22) 


Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen.  1 43 

oder  auch,  unter  M  eine  Unbekannte  verstanden: 

2)//8_A//8  =  _M.  j    ^    ^ 

Hieraus  folgt  durch  Addition  der  drei  ersten  Gleichungen: 

>I"«+5"«+  a'^  =  A"8+B"2+F'2+3M;  (25) 

andrerseits   durch   Addition    aller   vier   Gleichungen  (24)  mit 
Rücksicht  auf  (IV): 

1  =  (A"2+B''2+r'«+A''2)+2M.  (26) 

Aber  man  kann  sich  leicht  überzeugen,  daß: 

1  =  A''a+B''2+r'2+A''l  (27) 

Denn  führt  man  die  rechte  Seite  von  (27)  auf  Grund  von 
(22)  aus,  so  zerstören  sich  die  doppelten  Produkte,  während 
das  Aggregat  der  Quadrate  das  der  Einheit  gleiche  Produkt 
(4«+Ba+C2+2)«)(.4'2+5'«+C'2+J9'«)  ergibt. 

Die  Vergleichung  von  (26)  mit  (27)  lehrt,  daß  M  =  0  ist, 
wodurch  sich  die  Formeln  (24)  reduzieren  auf: 

A"=±:X,    B"=±:W\    C"=d=r\    Zy'zrdrA,       (28) 

womit  zugleich  gezeigt  ist,  daß: 

=  (^«+5«4-C«+Z>2)(^'2+B'2+c''2+Z)'2)  =1.     (29) 

Um  noch  in  (28)  die  Vorzeichen  zu  bestimmen,  spezialisiere 
man  die  erste  Substitution  (-4,  -B,  C,  D)  zur  Identität,  so  daß 
« rz  0  wird,  während  a,  by  c  willkürlich  bleiben.  Dann  ver- 
schwinden nach  (VI)  A,  B,  C,  während  D  gleich  1  wird.  Da 
aber  jetzt  die  A^',  B",  C",  D",  respektive  mit  den  A',  B\  C\  D' 
zusammenfallen,  so  erweisen  sich  im  Hinblick  auf  (22)  die 
positiven  Vorzeichen  auf  den  rechten  Seiten  von  (28)  als  die 
richtigen.  Demnach  findet  die  Zusammensetzung  (»Multi- 
plikation«) zweier  orthogonaler  Substitutionen  mit  den  Para- 
metern A,  B,  C,  D;  A!,  B\  C\  D'  ihren  Ausdruck  in  den 
Formeln: 


144  W.  Fr.  Meyer, 

A"=  Aiy+BC'—CB'+DA' 
B"  =  —AC'+BD'+CA'+DB' 
C"  =  AB'—BA'+  CD'+DC 
D"  =  —AA'—BB'—CC'+DD'.] 


(VII) 


Diese  Multiplikationsformeln  bleiben  ungeändert,  wenn 
man  die  Komponenten  A,  B,  C,  D;  A',  B\  C,  D';  A",  B",  C",  D" 
von  Einheitsquaternionen  ersetzt  durch  die  entsprechenden 
^i,J5i,  Q,Z)i;  A[,B[,C[,D[\  A'l,  B[',  C[\  D['  von  allgemeinen 
Quaternionen  mit  den  Tensoren  T,  J',  T";  die  letzteren  be- 
folgen offenbar  das  gewöhnliche  Multiplikationsgesetz: 


T"=TT,  (30) 

»Die  Formeln  (VII)  stellen  das  Multiplikations- 
theorem der  Quaternionen  dar.« 

Trotz  ihrer  Durchsichtigkeit  sind  diese  Formeln  noch 
vereinfachungsfähig.  Dazu  bieten  sich  in  erster  Linie  zwei 
Wege  dar,  die  durch  die  Namen  W.  R.  Hamilton  und  F.  Klein 
gekennzeichnet  sind. 

Hamilton  hat  das  System  der  gewöhnlichen  komplexen 
Größen  von  der  Form  a-M'&  erweitert  auf  solche  mit  drei 
komplexen  Einheiten  i,  j,  f : 

Ö  =  tA+i5i+fQ+Z>„  (VIII) 

wo  Ay^y  J5j,  Q,  Z>i  die  »Komponenten  der  Quaternion  Q* 
heißen.  Beim  Addieren  und  Subtrahieren  spielen  diese  neuen 
Einheiten  die  Rolle  von  nicht  aufeinander  zurückführbaren 
Faktoren ;  die  Gleichheit  zweier  Quaternionen  ist  gleichbedeutend 
mit  der  Gleichheit  ihrer  entsprechenden  Komponenten.  Die 
Multiplikation  0''=  QQ'  soll  zwischen  den  Komponenten  von 
Qy  Q'y  Q"  gerade  die  Relationen  (VII)  ergeben.  Zu  dem  Behuf 
hat  man  offenbar  die  Einheiten  i,  j,  f  den  Multiplikationsregeln 
zu  unterwerfen: 

l.iz=i.l,     l.imj.l,     l.fuzf.l; 

ii  =  ii  =  fl=:_l;  \         (IX) 


Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen.  1 45 

Klein-Sommerfeld  betonen,  daß  eine  Quatemion  die 
aus  einer  Drehung  und  einer  Streckung  zusammengesetzte 
Bewegung  darstellt,  und  bezeichnen  in  diesem  Sinne  eine 
Quatemion  als  eine  »Dreh Streckung«. 

Die  gewöhnlichen  Vektoren  xA^+iB^+t^C^  ordnen  sich 
als  spezielle  Quatemionen  mit  Dj  =  0  unter;  da  ö^  ^=  0  mit 
«  z=  Ä  gleichbedeutend  ist,  d.h.  mit  einer  »Wendung«  (Um- 
klappung) des  Raumes  um  die  Drehachse,  so  stellt  ein  Vektor 
nach  Klein-Sommerfeld  eine  »Wendestreckung«  dar. 

Das  Produkt  zweier  Vektoren  als  spezieller  Quatemionen 
liefert  gemäß  (VII)  eine  Quatemion,  deren  vektorieller  Teil 
ii4f+iJ5{'-#-fC('  das  »äußere«  Produkt  der  Vektoren  ist,  das 
freie  Glied  Z>"  dagegen,  abgesehen  vom  Vorzeichen,  dessen 
»inneres«  Produkt. 

Ober  die  zweite  Art,  die  Multiplikationsgleichungen  (VII) 
auf  einen  einfacheren  Algorithmus  zu  bringen,  soll  §  4  Auf- 
schluß bringen. 

§  4.  Die  IQein'schen  Parameter  a,  ß,  Yt  S- 

Klein-Sommerfeld  führen  das  Rechnen  mit  den 
Hamilton'schen  Quatemionen  auf  ein  solches  mit  den  gewöhn- 
lichen komplexen  Größen  zurück.  Es  genügt  die  Betrachtung 
der  Einheitsquaternionen. 

Man  trenne  die  vier  Komponenten  A,  B,  C,  D  in  zwei  Paare, 
etwa  C  und  Z),  A  und  B,  und  bilde  aus  jedem  Paare  eine  kom- 
plexe Größe  nebst  ihrer  Konjugierten;  Klein  setzt: 


(X) 


SO  daß  a  und  8,  ß  und  — y  konjugiert  werden. 
Die  Auflösung  von  (X)  gibt: 


D=:^:*±,  ^  =  :ttL] 


(X'> 


2«  2i     J 

Sttxb.  d.  matliein.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  10 


146  W.  Fr.  Meyer, 

Führt  man  diese  neuen  Parameter  o,  ß,  y,  8  an  Stelle  der 
A,ByC,D  ein,  so  geht  die  Identität  (IV)  über  in: 

a8-ßT  =  l,  (XI) 

andrerseits  das  System  der  Multiplikationsformeln  (VII)  in: 

a"  =  aa'+ßT',     ß"  =  aß'+ß80 
T''  =  Ya'+8T',     8''iz:Yß'+88'.j 


Diese  Formeln  (XII)  sind  aber  aus  der  Theorie  der  linearen 
Substitutionen  zweier  homogenen  Variabein  wohl  bekannt. 
Bedeuten  (X^,  Xg),  (XJ,X^),  (XJ'jXJf)  drei  Paare  homogener  Variabein, 
so  setzen  sich  die  beiden  linearen  Substitutionen  S,  S': 


\ 


=  aX;+ßX;,     Xi  =  a'XJ'+ß'Xn 
=  T)^i+8X'„     XJ  = /M'+8')4' / 


zusammen  zu  dem  »Produkte«  S"=:  SS': 

X,  =  a''Xi'+ßX     X,  =  7"X^+8"X^,  (32) 

wo  die  cf!',  ß",  ^'^  8"  aus  den  o,  ß,  y,  6  und  a',  ß',  /,  8'  eben  nach 
der  Vorschrift  (XII)  gebildet  sind,  und  es  gilt  die  Identität: 

a"8''— ß'Y'  ^  («8— ßY)(a'8'— ß'rO.  (33) 

Sind  also  die  Koeffizienten  von  S  und  S'  der  Relation  (XI) 
unterworfen,  so  auch  die  Koeffizienten  von  S";  dies  ist  das 
Analogon  zu  (29). 

Man  wird  daher  erwarten,  daß  sich  eine  orthogonale 
Substitution  (1)  durch  eine  Substitution  S  von  der  Art  (31) 
ersetzen  läßt. 

Zu  dem  Behuf  führe  man  in  den  Formeln  (11)  und  (12). 
mittels  deren  die  neun  Koeffizienten  von  (1)  durch  die  A,B,QD 
ausgedrückt  wurden,  statt  der  letzteren  Größen  die  a,ß,T,8  ein. 


Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen.  147 

Sodann  wird  man  folgerichtig  auch  aus  den  Variabein  x^^yZ; 
XyYyZ  geeignete  komplexe  Verbindungen  herstellen,  am  ein- 
fachsten xzhtyy  X±iY.  Man  setze  mit  Klein: 


i  =  x+iy,       ri  =  —X'{-iy,       C  =  — «,  1 
S  =  X+iY,    H  =  —X-^iY,    Z  =  — Z.  / 


(XIII) 


Daraus  rechnen  sich  (11),  (12)  und  damit  (1)  um  in:   ' 

£  =  a«S+ß2H  +  2aßZ, 

7,  =  Y«  S  +88  H  +278Z,  )  (XIV) 

C«  =  aYS+ß8H+(a8-f-ßT)Z. 

Vergleicht  man  die  rechte  Seite  der  ersten  dieser  Relationen 
mit  der  elementaren  Multiplikationsformel: 

(aA+ß)(aA'+ß)  zu  a«AA'+ß«+2aß^5^^t^, 


E     Z 
so  wird   man  veranlaßt,  die  Verhältnisse  — ,  —  als  Produkt 

H     H 

und  halbe  Summe  zweier  neuen  Variabein  A,  A'  aufzufassen 

und  die  entsprechende  Beziehung  zwischen  — ,  —  und  X,  X' 
festzusetzen : 

A  =  XX'.  A  =  ^±^;    S  =AA',   A=A±A:.     (XV) 

•n  i\       2      H  H        2 

Dividiert  man  demgemäß  die   erste   und  dritte   der   Re- 
lationen (XIV)  durch  die  zweite,  so  kommt: 


(34) 


10* 


148  W.  Fr.  Meyer, 

Aus  (34)  geht  hervor  (indem  man  eventuell  in  der  Be- 
zeichnung X  mit  X'  vertauscht),  daß: 

Verfolgt  man  den  eingeschlagenen  Weg  rückwärts,  so 
erkennt  man  zuvörderst,  daß  die  linken  Seiten  von  (XIV)  und 
damit  auch  von  (1)  den  entsprechenden  rechten  Seiten  bis  auf 
einen  Proportionalitätsfaktor  gleich  werden;  der  letztere  erhält 
aber  mit  Rücksicht  auf  A  =:  1  den  Wert  der  positiven  Einheit. 

Wie  leicht  ersichtlich,  lassen  sich  die  Substitutionen  (XVI) 
auch  in  die  homogene  Form  (31)  setzen. 

Es  erübrigt  noch  die  Frage,  ob  nicht  von  den  beiden 
Darstellungen  (XVI)  eine  überflüssig  ist. 

Gemäß  (XV)  erhält  man  für  X,  X'  die  Werte: 


fX^  Cd=VC^-£7i  ^  (35) 

IX'  7} 


Für  r  als  den  Radiusvektor  des  Punktes  (xyz)  wird  mit 
Rücksicht  auf  (XIII): 

r^  =  x^^y^^z^  =  ti^^iyi,    gT]  =  (C— r)(C+r),       (36) 

wodurch  (35)  übergeht  in: 

Xzz-i-,     X'  =  -^,  (37) 

C+r  C— r 

während  A,  A'  die  analogen  Werte  annehmen: 


A  =  -^,     A'  =  -^.  (370 

Daß  hier  in  der  Tat  die  in  (37),  (37^  angegebenen  Werte 
von  X,  A,  respektive  X',  A'  in  (XVI)  einander  zuzuordnen  sind, 
lehrt  wieder  ein  Spezialfall,  z.  B.  der  Fall  der  identischen  Sub- 
stitution (a=8=:l,  ß  =  Y  =  0). 


Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen.  140 

Man  suche  endlich  die  zu  X  konjugtert^komplexe  Größe  X. 
Auf  Grund  von  (36)  kommt  sukzessive: 

"■  C+r  ~      C+r  ~       €(C+r)  ^  €(C+r) 

p--— ^----     (38) 

und  entsprechend  A  z= 

Ersetzt  man  demgemäß  in  der  ersten  Formel  (XVI)  links 
wie  rechts  jede  der  auftretenden  Größen  durch  ihre  Konjugierte, 
so  wird  man,  da  a  und  8,  ß  und  — y  je  zueinander  konjugiert 
sind,  gerade  zu  der  zweiten  Formel  (XVI)  geführt.  Das  ist  der 
Klein'sche  Satz:  »Die  orthogonale  Substitution  (1)  ist 
bereits  durch  irgend  eine  der  beiden  Substitutionen 
(XVI)  eindeutig  dargestellt«. 

Zum  Schlüsse  möge  auch  der  Rückweg  von  einer  der 
Formeln  (XVI)  zu  (XIV)  explicite  durchlaufen  werden.  Be- 
zeichnet man  durchwegs  die  zu  einer  Größe  Konjugierte  durch 
einen  darübergesetzten  horizontalen  Strich,  so  forme  man  mit 
Rücksicht  auf  (37),  (370  die  Darstellung  (XVI)  um,  wie  folgt: 

^_     £     _aA+ß  _  (aA+ß)(tÄ+8) 
""  C+r  ^  T A+8  ■"  (yA+8)  (tÄ+8) 

_  aS-l-ß(Z+r)      ßH+a(Z+r) 
""  TS+8(Z+r)  '  pH+a(Z+r)  ' 

y_     i     _  aßBH-f-a«B(Z+r)-4-ßgH(Z+r)-4-«ß(Z-f-r)g 
""C+r~  ßY2H+aYS(Z+r)  +  ß8H(Z+r)+a8(Z+r)«*    ^  ^ 

Da  aber  SH  =  (Z-f  r)(Z— r),  hebt  sich  rechts  in  (39)  der 
Faktor  Z+r  heraus  und  man  hat  wegen  a8  —  ßT  =  1: 

S     _  a«S+ß2H+2aßZ ^^^^ 


C+r        aYS+ß8H+(a8-hß7)Z-4-r 


150  W.  Fr.  Meyer,  Theorie  der  Drehungen  und  Quatemionen. 

Versteht  man  unter  x  einen  Proportionalitätsfaktor,  so 
zerlegt  sich  (40)  in  die  beiden  Gleichungen: 

e  =  x{a«a+p«H+2aßZ},  ) 

C  =  x{aTS+ß8H+(a8+ß7)Z}+r(x-l).  j 

Da  indessen  C  in  E,  H,  Z  homogen  sein  muQ,  muß  das 
Glied  r(x — 1)  in  Wegfall  kommen,  d.  h.  x  =  l  sein. 

Damit  gehen  (41)  über  in  die  erste  und  dritte  der  Glei- 
chungen (XIV),  und  ersetzt  man  in  der  ersten  Gleichung  (41), 
mit  x=l,  jede  daselbst  auftretende  Größe  durch  ihre  Kon- 
jugierte, so  entsteht  auch  die  zweite  Gleichung  (XIV). 


1 


Wei9  E.,  Über  die  Stchfbarkeitsverhiltiiisse  des  Kometen  1905  IV  im  Februar 
und  März  1907. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  lltf  (1907),  p.  3— 1<(. 


1905  IV,  Sichtbarkeitsveriiältnisse  im  Februar  und  März  1907. 

Weifl  E.,  Site.  Ber.  ^er  Wiener  Akad.,  Ha.  Abt.,  Bd.  110  (1907), 
p.  3—16. 


«  « 


Pemter  «I.  IL,  Zur  Theorie  der  »schönsten  'der  Haloersdiefnuftgen«. 

Sits.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  Ha.  Abt,  Bd.  1 10  (1W7),  p.  17---4g. 


CireaiBzciitthaler  Bogen  von  Bravais. 

Pernter  J.  M.,  Si6i.  Bor.  der  VNhiw  JUbbA»  üil  AM^  Bd.  116 
(1907X  p.  17-^48. 


Baiihrwmgsbogwi  von  46*  Sonnenabstand. 

PeraterJ.  U,,  ,SiU.  B«r.  dar  Wiener  Aka4«  IIa.  Abt,  Bd.  116 
(IW7]b  p.  17-.4&. 


Haloers^einiu^. 

Pernter  J.  M..  Sitz,  ßer,  der  Wiener  Akad./Ua.  Abt.  Bd.  116 
(1907),  p.  17—48. 


Haloersdieiflaageii,  Die  schönste  der  — . 

Pernter  J.  M.,  Sits.  &er,  der  Wiener  Akad.,  jla.  Abt^  Bd.  116 
(1907),  p.  17-46. 


£^  Ober  das  Ohm'sche  Gesetz  und  die  Elektronentheorie. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad^  0  a.  Abt,  Bd.  116  (1907),  p.  49-60. 


inSüberdraht 

Lecher  E^  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt,  Bd.  116  (1907), 
p.  49—60. 

Ata.II«, 


isuids'^  mt  VI  dOQ\  nsIdmoM  eob  d<i<emHÄHi9V(>lt9}liAdirfoi2  9tb  tsdÜ  ,.3  QidW 

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.08— O*'  .q 


Ohm'sches  Geaets  bei  gröfilen  StrQmdIcbten.. 

Lech#r  E.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  49— 60. 


NIessl  G^  V.,  Babnbestimmang  der  Meteore  vom  1^.  )ännef  and  29.  Juni  1905. 
SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  61  —  107. 


Bjümbestiflunui^  der  Meteore  vom  19.  Jänner  und  20.  Juni,  1905. 

Kiessl  G.,  V.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  61—107. 


<  I       >» ' 


Meteore  vom  19.  JKnner  und  29.  Jnni  1905.  Bahnbestimmung  derselben. 

Niessl  G.,  V.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116(1907), 
p.  61-107. 


m  ,      • 


Hess  V.  F.,  Ober  das  Uran  X  und  die  Absorption  seiner  tt-Strahlung. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907),  p.  109—128. 


Urmn  X,  Ober  das  —  und  die  Absorption  seiner  a-Strahlung. 

Hess  V.  F.,  SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  109—128. 


Eise  neue  a^Strahlniig  bei  Uran  X,  deren  Abklingung  und  Absorption. 

Hess  V.  F.,  Sitz.  Bot.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907), 
p.  109—128. 


Absorption  der  orStnMung  von  Uran  X. 

Hess  V.  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  109—128. 


Siegt  K.,  Untersuchung  der  Kanatstrahten  von  Sauerstoff. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  1 16  (1907),  p.  129—184. 


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.Oei  — Ö8!  .q  /TOei) 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DE  WISSENSCHAFTER 


■ATHEIATISCH-NATDRWISSENSCHAFTUCHB  KUSSE. 


CXVI.  BAND.  IL  HEFT. 


ABTEILUNG  n  a. 

EMTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


11 


153 


Ober  die  Bestimmung  der  quadratisehen 
Teiler  algebraischer  Formen 

von 

F.  Hocevar  in  Graz. 

(Vorgdei^t  in  der  Sittung  am  28.  Pebramr  1907.) 

Die  linearen  Terler  algebraischer  Formen  lassen  sich, 
wie  ich  nachgewiesen  habe,^  stets  durch  Ausdrücke  darstellen, 
welche  nach  der  Nomenklatur  der  Formentheorie  als  Polaren 
erster  Ordnung  der  Form  zu  bezeichnen  sind.  Zu  jeder 
dieser  Polaren  gehört  eine  Nullstelle  des  entsprechenden 
linearen  Teilers  als  Pol.  Dieses  Resultat  veranlaSte  mich  zur 
Untersuchung,  ob  auch  zwischen  den  Teilern  höheren  Grades 
und  den  Polaren  höherer  Ordnung  ein  Zusammenhang  besteht 
und  ob  sich  dieser  zur  Berechnung  der  Teiler  verwenden  läfit. 
Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung,  soweit  sie  quadratische 
Teiler  betrüTt,  bilden  den  Gegenstand  der  vorliegenden  Arbeit. 

Es  zeigte  sich,  daß  man  jeden  quadratischen  Teiler 
einer  Form  durch  Polaren  erster  und  zweiter  Ordnung 
der  Form  in  Bezug  auf  zwei  gewissen  Bedingungen  ent* 
sprechende  Nullstellen  des  Teilers  darstellen  kann.  Mit  Hilfe 
dieses  Satzes  und  des  eingangs  erwähnten  über  lineare  Teiler 
kann  man  die  linearen  und  die  quadratischen  Teiler  jeder 
beliebigen  Form  durch  verhältnismäßig  einfache  Rechnung 
bestimmen  und  daher  auch  jede  Form  von  niedrigerem  als 
dem  sechsten  Grade  in  ihre  im  komplexen  Zahlengebiet 
irreduktiblen  Faktoren  zerlegen.  Vergleicht  man  den  damit 
verbundenen    Rechnungsaufwand    mit    jenem,   welchen    die 


^  Ober  die  Zerlegbarkeit  algebraischer  Formen  in  lineare  Faktoren,  diese 
Sitzangsberichte,  1904,  p.  400  bis  428;  Ober  die  Bestimmung  der  linearen  Teiler 
einer  algebraischen  Form,  Verhandlungen  des  dritten  intern.  Math.-Kongr.  in 
Heidelberg,  1904,  p.  151  bis  156. 

11* 


154  F.  Hocevar, 

bekannten  Methoden  ^  zur  Zerlegung  der  Formen  in  irreduktible 
Faktoren  erfordern,  so  überzeugt  man  sich  leicht,  daß  das  hier 
mitgeteilte  Verfahren  innerhalb  der  angegebenen  Grenzen  in 
jenen  Fällen,  in  denen  es  sich  um  die  wirkliche  Durchführung 
der  Rechnung  handelt,  weitaus  den  Vorzug  verdient. 

§  1.  Hilfissatz  aus  der  Polarentheorie. 

Wir  gehen  von  der  Gleichung 

f=i^v  (1) 

aus,  in  welcher  f=if{x)y  u  =  u(x)  und  v  =  v(x)  Formen  der 
Variablen  x^,  x^,. .  .Xn  bedeuten  sollen,  und  finden 

8/  9v       iu' 

8«/  8^1;  ^u     8(;        ^u     8t;  Vu 


ixiixk          ixiixk       ^Xi     Zxk      ixk  ixi       ixiixk 
und  allgemein 

8^/          _  y  I  Y  /       8^^  i^'-^v      \( 

iXiiXk^Xi. . .  ""  Zj  I  Zj  \ixaixfi.. .  8:rx8;r^. . .  /( * 


(2) 


In  dieser  Gleichung  ist  die  innere  Summe  in  folgender 
Weise  zu  berechnen:  Sind  i,  *,/,...  verschiedene  Zahlen  der 
Reihe  1,  2,. . .«,  so  setze  man  für  a,  ß,. . .  alle  Kombinationen 
^ter  Klasse  aus  den  Elementen  i,  *,/,...  und  für  X,  jt, . . .  in  jedem 
Falle  die  übrigbleibenden  dieser  Zahlen.  Kommen  hingegen 
unter  den  Zahlen  i,  ^,  /,. . .  einander  gleiche  vor,  so  mache  man 
sie  zunächst,  etwa  durch  Anhängen  von  Zeigern,  voneinander 
verschieden,  berechne  dann  die  Summe  wie  im  ersten  Falle  und 
beseitige  schließlich  durch  Weglassen  der  Zeiger  die  vorüber- 
gehend angenommene  Verschiedenheit.    Somit  ist  in  jedem 

dieser  beiden  Fälle  die  Anzahl  der  Summanden  =  ( jJ* 

Ersetzt  man  nun  in  der  Gleichung  (2)  die  Variablen 
x^^  x^,. . ,  Xn  durch  ^„  >'2>*  •  •  y^i  multipliziert  beide  Seiten  der 

1  Siehe  Enzyklopädie  der  math.  Wiss.,  I.  B  1 2^,  p.  259,  oder  Netto, 
Vorlesungen  über  Algebra,  II,  p.  14  und  17. 


L_ 


Quadratische  Teiler  algebraischer  Formen.  1 55 

SO  transformierten  Gleichung  mit  Xi  Xk  Xi. .  .^  d.  h.  mit  dem 
Produkt  ebenderselben  Variablen,  nach  denen  bei  der  Ableitung 
der  Gleichung  (2)  dilRFerenziiert  wurde,  und  summiert  für 
/,  i,  /,. . .  =  1,  2,. . .  ff,  so  ergibt  sich 

*»  *»*f  •  •  • 

oder  auch,  wenn 

*y   ff y    Wf   •  •  • 

gesetzt  wird, 

r 

A5/(^)  =  2  {ASfi(>.) . Ar^t;(^)}.  (3) 

Da  man  bekanntlich  A!|^cp(^)  oder  auch  einen  dieser  Größe 
proportionalen  Ausdruck  als  die  Polare  r^er  Ordnung  der 
Form  ff{x)  in  Bezug  auf  den  Pol  (y)  ~  {y-i^y^y  •  -^n)  bezeichnet, 
so  zeigt  also  die  Gleichung  (3),  welche  die  Grundlage  der 
nachfolgenden  Entwicklungen  bildet,  wie  die  Polare  irgend 
einer  Ordnung  des  Produktes  zweier  Formen  durch  die  Polaren 
der  Faktoren  dargestellt  wird. 

Es  mögen  hier  noch  jene  Eigenschaften  der  Polaren 
hervorgehoben  werden,  welche  in  dieser  Arbeit  zur  Anwendung 
gelangen : 

Ist  ^{x)  eine  Form  vom  Grade  /;,  so  hat  man 

A5(p(^)  =  Aj"X;r),  wenn  0<r</7,  (4) 

A*t(>')  =  t(^), 

A*?0')  =  0,  wenn  r>/?. 


156  F.  Hoccvar, 

.  2.  Anwendung  auf  lineare  Teiler. 

Man  setze  in  der  Gleichung  (3) 

yi  =  ai        (1=1,2,...«) 

und  wähle  diese  Konstanten  so,  daß  die  Bedingungen 

»(a)  =  0,    v{a)z^O  (5) 

erfüllt  sind.  Führt  man  noch   zur  Abkürzung  die  folgenden 
Bezeichnungen  ein: 

so  geht  die  Gleichung  (3)  in  die  folgende  über: 

Nun  sei  der  Teiler  u  der  Form  /  linear,  also  mit  Rücksicht 
auf  die  Relationen  (4) 

Uj^  =  u,  C7g  =  C/j  == . . .  =  0. 

Dann  erhält  man  aus  der  Gleichung  (6) 

Fr  —  uVr^l 

und  speziell  für  r  =  1 

Da  Vf^  konstant  ist,  so  führen  diese  beiden  Gleichungen 
zu  folgenden  Sätzen: 

Jeder  lineare  Teiler  einer  Form  ist  zugleich  ein 
Teiler  sämtlicher  Polaren  der  Form  in  Bezug  auf 
irgend  eine  Nullstelle  (a)  des  linearen  Teilers  als  Pol. 
Unter  diesen  Polaren  ist  jene  der  ersten  Ordnung  ein 
Teiler  der  gegebenen  Form,  vorausgesetzt,  dafi  kein 
anderer  Teiler  dieser  Form  an  der  Stelle  (a)  ver- 
schwindet. 

Der  letzte  Satz  läßt  sich,  wie  ich  in  der  zweiten  der  ein- 
gangs zitierten  Arbeiten  nachgewiesen  habe  und  wie  auch  aus 
dem  §  5  der  vorliegenden  Arbeit  hervorgeht,  zur  Bestimmung 
aller  linearen  Teiler  irgend  einer  Form  verwenden. 


Quadratische  Teiler  algebraischer  Formeiu  157 


§  3.  Anwendung  auf  quadratische  Tetten 

Nun  sei  der  Teiler  u  der  Form  /  vom  zweiten  und  letztere 
vom  ifften  Grade.  Man  hat  dann  mit  Rücksicht  auf  die  Re- 
lationen (4) 

Aus  der  Gleichung  (6)  folgt  daher,  wenn  man  der  Reihe 
nach  r  =r  1, 2, 3,. .  .m — 2,  m — 1  setzt, 

Fi  =  U,V„ 

F,  =  U^V,+uV„ 

m 

Durch  Elimination  von  U^  ergibt  sich  daraus : 

F  V 
F  —       *^       I  mV 

•^0 


F  —     ^^^'      I  uV 

•^0 


F^.2  =  ^i^^+»V^-A. 

F  f 
F^L^i  =  -— ^ —  +  uV^^ 


(7) 


Nun  kann  man  noch  die  Größen   V^,  V^, . . .  Vin— 3  elimi- 
nieren, indem  man  die  Gleichungen  (7)  der  Reihe  nach  mit 

, p^    f_JLY    (    ^»  Y~' 

uv^'  \    hvJ'---\    uvJ 

multipliziert    und    hierauf    addiert.    Es   zeigt  sich,    daß    im 
Resultat  u  und  V,  nur  in  der  Verbindung  uV^  vorkommen, 


158  F.  HoceTar, 

was  für  den  Erfolg  dieser  Untersuchung  von  entscheidender 
Bedeutung  ist  Setzt  man  also 

so  gelangt  man  auf  dem  angegebenen  Wege  zur  Gleichung 

+  (— l)«-2^-«iSn_l«+(— 1)«-»F«-V=0,      (8) 

in  welcher  nun  z  als  ein  an  der  Stelle  (a)  verschwindender 
quadratischer  Teiler  der  Form  angesehen  werden  kann,  da  ja  Vq 
konstant  und  nach  der  Voraussetzung  nicht  gleich  Null  ist 

Hat  also  eine  Form /des  wten  Grades  einen  qua- 
dratischen Teiler  z,  welcher  an  der  Stelle  (a)  ver- 
schwindet, während  alle  anderen  Teiler  der  Form 
an  dieser  Stelle  von  der  Null  verschieden  sind,  so 
ist  z  eine  Wurzel  der  Gleichung  (8). 

Alle  übrigen  Wurzeln  dieser  Gleichung  sind  jedoch  nicht 
Teiler  der  Form  /,  da  sie  an  der  Stelle  (a)  verschwinden.  Denn 
an  dieser  Stelle  sind,  wie  man  sich  leicht  überzeugt^  sämtliche 
in  der  Gleichung  (8)  vorkommende  Polaren  gleich  Null. 

§  4.  Explizite  Darstellung  des  quadratischen  Teilers  durch 

Polaren. 

Es  handelt  sich  nun  darum,  den  durch  die  Nullstelle  (a) 
bestimmten  quadratischen  Teiler  z  der  Form  /  aus  der 
Gleichung  (8)  zu  berechnen.  Offenbar  ist  dies  auf  algebraischem 
Wege  im  allgemeinen  nicht  möglich  und  es  bleibt  daher  nur 
der  funktionentheoretische  Weg  übrig,  das  ist  die  Entwicklung 
in  Potenzreihen.  Für  diesen  Zweck  ist  die  Stelle 

unbrauchbar,  denn  für  die  angenommenen  Werte  der  Variablen  ;r 
verschwinden  die  Koeffizienten  sämtlicher  Glieder  der  Gleichung 
außer  dem  ersten.  Wir  führen  daher  ein  zweites  System  von 
speziellen  Werten  ein: 


X^  —  *^if   ^2  —  ^2»*  '  '^n  —  ^1 


fi) 


Quadratische  Teiler  algebraischer  Formen.  1 39 

von  dem  wir  voraussetzen,  dafi  an  der  Stelle  (b)  der  quadra- 
tische Teiler  z  verschwindet,  hingegen  der  Koeffizient  der 
ersten  Potenz  der  Unbekannten  in  der  Gleichung  (8)  von  der 
Null  verschieden  ist  Letzteres  findet  dann  und  nur  dann  statt, 
wenn  die  Bedingungen 

F,(b)4:0,     F^,^(b)z^O  (9) 

erfüllt  sind. 

Die   weitere   Rechnung    läfit   sich   mit   Hilfe   der  ersten 

Gleichung  im  System  (7)  erheblich  abkürzen.  Setzt  man  nämlich 

und  beachtet,  daß  uV^  z=  z  ist,  so  verwandelt  sich  jene 
Gleichung  in  die  folgende 

z  =  F^+F^fu  (10) 

und  man  erkennt,  dafi  hiedurch  die  Berechnung  des  quadra- 
tischen Teilers  z  auf  jene  des  linearen  Ausdruckes  fv  zurück- 
geführt ist.  Nun  hat  man 


1=1  /=i 

femer  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichung  (10) 


iz        iF^       ^   ifv  iF. 


und  daher 


iXi        2xi  ^  ixi  ixi 


iz        8-Fo  ifv  3F. 


ibi        ibi      ^^  '     Ui  ^  '     Ui 


Um  hieraus  -r^-  bestimmen  zu  können,  muß  man  zuvor 

8z  * 

mit  Hilfe  der  Gleichung  (8)  berechnen.  Diese  läßt  sich 


hbi 

durch  Auflösen  nach  der  ersten  Potenz  der  Unbekannten  auf 

die  Form 

F  P 


160  F.  HoSevar, 

bringen,  wo  P  eine  ganze  Funktion  der  Variablen  »i,*,,.  ..Xn,z 
bedeutet  Es  ist  also 

8«  F,        ^f       .     l    f   F,    \  P  _    8s 


ix{       F„-t     Zxi      •'     ixi  \F„-iJ       F'^-'F^i         Ui 

iXiKF^-^Fn^xl' 

und  daher 

Ui  -  F„-r(b)      U{  ^'""^ 

Aus  der  Gleichung  (10)  erhält  man  femer  durch  die  Sub- 
stitution X{  =  b{  (i  =  1,2,...«) 

0  =  F^(b)+F,(b).w(b), 
somit 

Führt  man  die  in  (13)  und  (14)  erhaltenen  Werte  in  die 

Gleichung  (12)  ein  und  löst  nach  -r^—  auf,  so  erhält  man 

obi 

U{  -  F„-x{b)     ib,  ^  \F^(P)\'    Ui       F,ib)     Ui    ^  ''^ 
oder  auch  wegen 
3^1  _  8^1  _  8/ 


dbi        ^Xi       idi 

Zbi       Z_i    *  ioiiat         *  Sa*  ' 

8n»            1           8/        F,(&) 
8*,  -/-„_,(&)      8i>,    '    [Fi(&)]« 

8/ 
8  a/ 

F,(b)     '*''  8  a, 

Nun  substituiere  man  diesen  Wert  in  die  Gleichung  (11). 
Es  ist  dann 


Quadratische  Teiler  algebraischer  Formen.  16 1 

oder  endlich  wegen 

X(b)  =  Mfia), 
F^_,(*)  =  A-^«/(a)  =  A«/(t) 

^_4r/W  ,   Mf(a).£L,f(a)      A.A,/(a) 

•^  -  A<./(i>)  •*■      [A»/(a)]«  A*/(a)    *         ^"'^ 

Wir  sind  somit  zu  folgendem  Resultat  gelangt : 
Hat   eine  Form  /  einen   quadratischen  Teiler  z, 
der  an  den  Stellen  (a)  und  (b)  verschwindet,  ist  ferner 

Aa/(ft)4:0  und  A>/(a)i^O  (17) 

[vergl.  die  Bedingungen   (9)]   und  verschwindet  an    der 
Stelle  (a)  kein  anderer  Teiler  der  Form,  so  ist 

z  =  Mf(ß)  + 

Eine  einfachere  Form  dieses  Resultates  ergibt  sich  aus 
der  Bemerkung,  daß  man  die  rechte  Seite  der  Gleichung  (15) 
auch  erhält,  wenn  man  die  gebrochene  Funktion 


/         F, 


% 


Fm—1         Pi 

nach  Xi  differentilert  und   hierauf  X(  =  bi  substituiert  Setzt 

man  also 

fix)  Mf{a)  _ 


so  ist 

«i=rA|/(a)+A;,/(a).A,(p(&). 

§  5.  Berechnung  der  quadratischen  Teiler  einer  Form. 

Es  sei  nun  die  Aufgabe  gestellt,  die  quadratischen  Teiler 
einer  Form/(;irj,  x^^, . .  Xn)  des  f»ten Grades  zu  bestimmen.  Man 
kann  annehmen,  daß  diese  Form  keine  vielfachen  Teiler  besitzt 


162  F.  Hocevar, 

und  das  Glied  mit  x^  enthält,  denn  jeder  andere  Fall  läßt  sich 
auf  einen  solchen  zurückführen,  in  welchem  diese  beiden 
Voraussetzungen  erfüllt  sind.^  Nun  setze  man 

und  wähle  die  Zahlen  a  derart,  daß  alle  m  Wurzeln  der 
Gleichung  ..  s       r.  /in\ 

voneinander  verschieden  sind.  Dies  kann  auf  unendlich  viele 
Arten  geschehen  und  es  ist  in  der  Regel  auch  möglich,  die 
Gleichung  (19)  durch  entsprechende  Wahl  der  Zahlen  a  zu 
einer  leicht   auflösbaren   zu    machen.    Bezeichnet    man    die 

Wurzeln  mit 

a(i)  a(2) a^*«) 

1  '    1  >         1    > 

so  hat  man  auf  diese  Weise  m  Nullstellen  der  Form  f^  nämlich 

x^  =  a^\  x^  =  Äj,. .  .Xn  =  Ä«  (20) 

(X  =  l,  2,.  ..w) 

gefunden,  welche  zur  Berechnung  der  linearen  und  der 
quadratischen  Teiler  der  Form  /  benützt  werden  können. 

Um  die  linearen  Teiler  zu  finden,  berechne  man  die 
Polaren  erster  Ordnung  der  Form  in  Bezug  auf  die  Null- 
stellen (20)  als  Pole.  Nach  §  2  ist  jeder  lineare  Teiler  mit 
einer  dieser  Polaren  identisch. 

Nun  verwende  man  jede  mögliche  Ambe  der  übrigbleibenden 
Nullstellen,  d.  i.  jener,  denen  kein  linearer  Teiler  entspricht, 
zur  Berechnung  des  Ausdruckes  (18).  Dann  ist  jeder 
quadratische  Teiler  der  Form  mit  einem  dieser  Aus- 
drücke identisch.  Um  zu  beweisen,  daß  in  der  Tat  je  zwei 
der  Nullstellen  (20),  die  wir  der  bequemeren  Schreibweise 
wegen  auch  weiterhin  mit  (a^,  ag,.  .  .a«)  und  (b^yb^,-  -  -K) 
bezeichnen  wollen,  den  Bedingungen  (17)  genügen,  und  um 
gleichzeitig  die  Formel  (18)  zu  vereinfachen,  berücksichtigen 
wir,  daß  im  voriiegenden  Falle  die  Gleichungen 

^2  =  ^2»  ^3  =  ^8, .  •  •  ^n  =  ö« 


1  Vergl.  die  erste  der  beiden  oben  zitierten  Arbeiten,  p.  408  bis  411. 


Quadratische  Teiler  algebraischer  Formen.  163 


erfüllt  sind.  Da  nun 


1=1  1=1 

und 

i,k  caiöak 

(i,  *i=l,  2,...«) 
ist,  so  hat  man 

/=i  f=i  ^ 

A./(*)=j;a,|£-|]*,|£=(a,-&j|^.    (22) 

f=l  •=!  '  ^ 

Nach  der  Voraussetzung  sind  nun  a^  und  b^  zwei 
verschiedene  einfache  Wurzeln  der  Gleichung  (19),  somit  sind 
die  Bedingungen  (17)  in  der  Tat  erfüllt. 

Man  findet  femer 

^  1  ,=2  ^       ' 


und  da 


ist,  so  folgt 


A|/(a)  =  i.(*,-^,).^  +  («,-l)(^-a,)^ . 
Endlich  ist 


(23) 


164  F.  Ho2cvar, 


Zbk  J^  =  y  a»  J^—  +  (*i— a,)  J^ 
*=i  »=i  * 

=  (««—1)1=^  +  (*i— a,)  .     ;     , 

K^tfia)  =  («»_i)A^/(a)+(&i-ai)  A,^^ .      (24) 

Setzt  man  nun  die  in  (21)  bis  (24)  erhaltenen  Ausdrücke 
in  die  Gleichung  (18)  ein,  so  findet  man 


somit 


z 
wo 


=  A«/(ö)+ A,/(a)  .  {.4A,/(a)+SA,/(d)+  CA,  ^~],  (25) 


3»/ 


2 18^>'  ^    ~  '^  8^  ä^ 

Es  ist  nun  klar,  daß  diese  Formeln  zur  Bestimmung  der 
quadratischen  Teiler  der  Form  /  in  der  oben  angegebenen 
Weise  benützt  werden  können,  denn  jeder  quadratische  Teiler 
von  /  verschwindet  für  zwei  der  Wertsysteme  (20),  während 
dieselben  zwei  Wertsysteme  keinen  anderen  Teiler  der  Form 
annullieren  und  außerdem  die  Bedingungen  (17)  erfüllen. 

Zur  Abkürzung  der  Rechnung  hat  man  zu  beachten,  daß 
die  Zahl  b^  in  der  Gleichung  (25)  nur  in  dem  Gliede 

Bii^fib) 

vorkommt.  Man  hat  somit  nur  dieses  Glied  zu  ändern,  wenn 
der  den  Nullstellen  (a)  und  (b)  entsprechende  Ausdruck  z  kein 
Teiler  der  Form  ist  und  daher  die  erstere  Nullstelle  mit  einer 
anderen  kombiniert  wird.  Geht  man  in  dieser  Weise  vor,  so  hat 
man  z.  B.  bei  biquadratischen  Formen  im  ungünstigsten  Falle 
nur  drei  Kombinationen  von  Nullstellen  zu  benützen. 

Schließlich  sei  noch  bemerkt,  daß  die  mit  der  Bestimmung 
der  quadratischen  Teiler  verbundene  Rechnungsarbeit  haupt- 
sächlich vom  Grade  der  Form  abhängt  und  nur  unbedeutend 
mit  der  Anzahl  der  Variablen  zunimmt. 


Quftdimtische  Tetlar  algebnuscher  Fonneiu  165 

Erstes  Beispiel. 

Setzt  man  ^  =:],  1:3  nl,  so  geht  die  Gleichung  /=:0  in 

it}—5*f 4-4  =  0 

über  und  hat  die  Wurzeln  1,  —1,  2,  — 2.  Nun  sei 

^1  =  ^         ^  =  1>     ^8  =  ^ 

Dann  erhält  man 

^xf(ä)  =  — 6(;r,+;r,— 2*,), 
A,/(&)  =  6(;r,-;r,+2;r,), 
AI/(a)  =  ;r«— 4;ri;r,— le^tTiiTj— ll;K|+8^,;r3+22;»r|, 

A;,^^  =  2(;r— 2;r,-8;r,), 

^  =  — ,     5  =  — ,     C  =  — , 
36  12  6 

2  =  — 3(:t«+^— 24). 

Durch  Division  überzeugt  man  sich,  dafi  ^rj+^f — 2^  in 
der  Tat  ein  Teiler  der  Form  /  ist 

Zweites  Beispiel.^ 

f=^x^+xl{xl-^x^x^)-hx^(^+x!lx^-hxf)+xl:^'hXj^^, 

Hier  liegt  der  Fall  vor,  daß  eine  Form  des  vierten  Grades 
keine  Variable  in  der  vierten  Potenz  enthält.  Trotzdem  kann 
das  oben  abgeleitete  Verfahren  direkt  angewendet  werden, 
weil  f  bezüglich  x^  vom  dritten  Grade  ist.  Wenn  also  /  in 
quadratische  Faktoren  zerfällt,  so  muS  der  eine  bezüglich  x^ 
vom  zweiten  Grade  sein. 


1  VergL  Netto,  Algebra,  II,  p.  18. 


166  F.  Ho5cvar,  Quadratische  Teiler  algebraischer  Formen. 

Setzt  man  :rg=:l,  x^= — 1,  so  erhält  man  die  Gleichung 

^—^1  =  0 
mit  den  Wurzeln  0,  1,  — 1.  Aus  den  Annahmen 

a^  =  0,    a,  =  1,    öj  =  —1 
J,=:l,     &,  =  1,     &8  =  — 1 

ergibt  sich,  daß  der  Ausdruck 
ein  Teiler  der  gegebenen  Form  ist. 


167 


Untersuchung  über  die  Bestrahlung  der  Erde 
durch  die  Sonne  mit  Berücksichtigung  der 
Absorption  der  Wärmestrahlen  durch  die 
atmosphärische  Luft  nach  dem  Lambert'sehen 

Gesetze 

von 
Dr.  Friedrieh  Hopiher. 

I.  litMlnig:  Analyttsehe  Bebandlng  des  Problems. 

(Mit  1  Textfigur.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  7.  Fe)>ruar  1907.) 

I.  Literatur.  —  Streo^e  Fassung  des  geßtellten  Problems. 

Die  OberflftQhe  der  Erde  erhält  von  vier  Wärmequellen, 
deren  Intensität  jedoch  eine  sehr  verschiedene  ist,  unaus- 
gesetzt Wärme  zugesendet.  Gegenwärtig  und  vielleicht  ßwh 
für  alle  Zeiten  unme^b^r/  weil  genz  minimal,  sind  die  Wärme- 
mengen,  welche  von  den  mei.sten  Fixsternen  und  Planeten  -r- 
von  letzteren  alß  reflektierte  Sonnenwärme  —  der  Erde  zu- 
gestrahlt werden.  Auch  eine  Bereehnung  dieser  Wärmemengen 
ist  nach  Maurer^  ganz  auseiehtslos.  Ebensowenig  kommt 
beim  dermaligen  Stande  der  Meteorologie  der  Einfluß  der 
Mondstrahlung  für  eine  Berechnung  der  dem  Erdballe  zu- 
gestrahlten Wärmemengen  in  Betracht;  sendet  uns  doch  nach 


^  Langley,  Researches  on  solar  heat,  Washington,  1884,  p,  IZZ-  Über 
die  WänBesir^blung  voe  Arkturus,  Veg»,  JupJ^r,  Si^tyrn  lese  man  Nichols, 
Ajs^pbysNMÜ  Jpumd,  vol.  XIJI,  ^901,  p,  ^01  IT.  Referat  hierüber  Mel.  Zeit- 
s^r..  1902,  p.  Äie, 

'  Maurer,  Zur  Frage  der  Sternstrahlung.  Met.  ^itschr.,  1890,  p.  18. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  12 


168  F.  Hopfner, 

Langley*  der  Mond  wenig  mehr  als  den  hunderttausendsten 
Teil  der  Sonnenwärme  zu. 

Von  größerer  Bedeutung  bereits  für  die  Erwärmung  der 
Erdoberfläche  ist  der  konstante  Wärmestrom,  welcher  aus  dem 
warmen  Erdinnern  von  den  tieferen  Erdschichten  gegen  die 
Erdoberfläche  hinfließt  und  damit  dieser  unausgesetzt  Wärme 
zuführt.  Bei  einem  wahrscheinlichen  Temperaturgradienten 
von  2*8**  pro  100  m  Tiefe  und  einem  mittleren  Wärmeleitungs- 
koeffizienten der  oberen  Erdschichten  von  0*0006  (rw—sec.) 
berechnet  sich  die  Wärmemenge,  welche  pro  Quadratzenti- 
meter und  Sekunde  der  Erdoberfläche  zugeführt  wird,  zu 
0"  000001 7^  kleinen  Kalorien,  daher  in  einem  Jahre  von 
31557000  mittleren  Sekunden  zu  beiläufig  54*2  Gramm- 
kalorien. Nach  Trabert^  erhöht  sich  hiedurch  die  Mittel- 
temperatur der  Erde  um  O'l  bis  0*2°,  also  nur  um  einen  sehr 
geringen  Betrag.  Zu  dem  kommt,  daß  die  gleichmäßige  Zufuhr 
von  Wärme  in  allen  Zonen  der  Erde  und  zu  allen  Zeiten  des 
Jahres  hinsichtlich  ihres  Effektes  sich  bei  jeder  Untersuchung 
über  die  relative  Verteilung  der  der  Erdoberfläche  zuge- 
sandten Wärmemengen  von  selbst  eliminiert.  Dieser  Umstand 
im  Verein  mit  der  Geringfügigkeit  der  Wärmemengen  aus  dem 
Erdinnern  ist  die  Ursache,  daß  man  bisher  auch  diese  Wärme- 
quelle der  Erdoberfläche  vernachlässigt  hat.  Es  bleibt  daher 
als  einzige  und  im  Vergleiche  zu  den  bisher  aufgezählten  als 
ganz  unverhältnismäßig  große  Wärmequelle  der  Erde  die 
Sonne  allein  übrig;  mit  der  Berechnung  der  von  ihr  den 
einzelnen  Breiten  der  Erde  zugestrahlten  Wärmemengen  be- 
fassen sich  allein  alle  Untersuchungen,  welche  ein  Bild  von 
der  Verteilung  der  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche 
geben.  Von  diesen  seien  die  Nachstehenden  besonders  an- 
geführt: 


1  Langley,  The  temperature  of  the  Moon.  National  Academy  of  sciences, 
1887,  vol.  IV. 

2  Nach  Hann,  Lehrbuch  der  Meteorologie,  Leipzig,  1901,  p.  23. 

s  Trabert,  Die  Bedeutung  der  inneren  Erdwärme  für  die  Mitteltemperatur 
der  Erdoberfläche,  Met.  Zeitschr.,  1897,  p.  151;  in  der  Abhandlung  wird  der 
genaue  Wert  0"  16*  gefunden. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 69 

Halley,  A  discourse  conceming  the  proportional  heat  of 
the  Sun  in  all  latitudes...  (Phil.  Transactions  for  the  year  1693, 
vol.  XVII). 

Lambert,  Pyrometrie.  Berlin,  1779.* 

Poisson,  Theorie  mathematique  de  la  chaleur.  Paris, 
1835.« 

Brenner,  Die  astronomische  Wärme-  und  Lichtverteilung 
auf  der  Erdoberfläche  (Grunert's  Archiv  der  Mathematik  und 
Physik,  1851). 

Meech,  On  the  relative  intensity  of  the  heat  and  light  of 
the  Sun  etc.  (Smithsonian  contributions  to  Knowledge,  vol.  IX, 
Washington,  1856). 

Plana,  Memoire  sur  la  loi  de  refroidissement  des  corps 
spheriques  et  sur  l'expression  de  la  chaleur  solaire  dans  les 
latitudes  circumpolaires  de  la  Terre  (Comptes  rendus  de  TAca- 
demie  des  Sciences,  t.  LVIII,  Paris,  1864). 

G.  Lambert,  Loi  de  Tinsolation  (Comptes  rendus  de 
TAcademie  des  Sciences,  t.  LXV,  Paris,  1867). 

Chr.  Wiener,  Über  die  Stärke  der  Bestrahlung  der  Erde 
durch  die  Sonne  in  den  verschiedenen  Breiten  und  Jahres- 
zeiten (Schlömilch's  Zeitschrift  für  Mathematik  und  Physik, 
1877,  T.  22;  siehe  auch  Zeitschrift  der  österr.  Gesellschaft  für 
Meteorologie,  Bd.  XIV,  Wien,  1879). 

Sam.  Haughton,  New  Research  es  on  Sun  Heat  and 
Terrestrial  Radiation  (Trans.  Royal  Irish  Academy,  vol.  XXVIII, 
Dublin,  1881,  Part  I,  IL  Part  III  in  Royal  Irish  Academy  Cun- 
ningham  Memoirs  No.  III,  Dublin,  1886). 

Angot,  Recherches  theoriques  sur  la  distribution  de  la 
chaleur  ä  la  surface  du  globe  (Annales  du  Bureau  Central  Met. 
de  France,  Memoires  de  1883,  Paris,  1885). 

W.  Zenker,  Die  Verteilung  der  Wärme  auf  der  Erd- 
oberfläche. Berlin,  1888. 

R.  Hargreaves,  Distribution  of  Solar  Radiation  on  the 
surface  of  the  Earth  and  its  Dependence  on  Astron.  Elements 
(Cambridge,  Phil.  Trans.,  vol.  XVI,  Part  I,  Jan.  1896). 


1  p.  305  ff. 

«  p.  473  ff. 


12* 


170  F.  Hopfner, 

Ebenso  hat  der  Verfasser  in  den  folgenden  drei  Mono- 
graphien die  Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne  behandelt^ 
aber  ohne  Berücksichtigung  des  modifizierenden  Einflusses 
der  Atmosphäre  auf  die  Wärmestrahlen : 

Die  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung  auf  der  Erde 
(diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXIV,  Abt.  IIa,  1905). 

Über  die  Größe  der  solaren  Wärmemengen,  welche  in 
gegebenen  Zeiten  beliebigen  Breiten  der  Erde  zugestrahlt 
werden  (Met.  Zeitschr.,  1 906,  p.  385  ff.). 

Die  tägliche  solare  Wärmestrahlung  auf  einer  in  beliebiger 
Breite  fest  gegebenen  Flächeneinheit  (Met.  Zeitschr.,  1906, 
p.  396  ff.). 

Die  oben  angeführten  chronologisch  geordneten  Mono- 
graphien teilen  sich  in  zwei  Gruppen,  je  nachdem  nämlich  der 
Einfluß  der  die  Erde  umgebenden  Atmosphäre  auf  die  sie 
passierenden  Wärmestrahlen  von  den  Autoren  berücksichtigt 
wurde  oder  nicht.  Mit  der  Besprechung  der  Ergebnisse  der 
beiden  wichtigsten  zur  ersten  Gruppe  zählenden  Abhand- 
lungen wird  sich  ein  späterer  Abschnitt  dieser  Untersuchung 
eingehend  befassen. 

Viel  wichtiger  für  die  richtige  Behandlung  des  ganzen 
Problems  als  diese  Scheidung  der  Autoren  in  zwei  Gruppen 
aber  ist  folgende: 

Obwohl  fast  keiner  der  aufgezählten  Verfasser  ein  Gewicht 
darauf  legt,  ja  sogar  nur  wenige  sich  dessen  überhaupt  bewußt 
sind,  erkennt  man  dennoch  bei  einem  vergleichsweisen  Studium 
obiger  Monographien  unschwer,  daß  in  der  Stellung  und 
Behandlung  des  vorliegenden  Problems  zwei  Auffassungen 
bestehen,  die,  wesentlich  voneinander  verschieden,  zu  Ergeb- 
nissen* führen,  die  nur  richtig  bleiben  bei  strenger  Festhaltung 
jener  Fassung  des  Problems,  unter  der  sie  ermittelt  wurden. 
Der  Vergleich  der  einzelnen  Abhandlungen  miteinander  zeigt 
nämlich,  daß  die  einen  von  den  Autoren  jene  wirklichen 


1  Siehe  hiezu  die  Ergebnisse  des  Vergleiches  der  Bestrahlung  von 
Äquator  und  Pol  in  der  von  der  Wiener  Akademie  veröffentlichten  Abhandlung 
des  Verfassers,  p.  1344  ff. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  171 

Wärmemengen  zu  berechnen  suchen,  welche  im  Laufe  eines 
Tages  einer  auf  beliebiger  Breite  festgegebenen 
Flächeneinheit  zugestrahlt  werden,  und  von  diesen  wirk- 
lichen Wärmemengen,  die  sie  für  verschiedene  Tage  des  Jahres 
berechnen,  auf  den  jährlichen  Gang  der  Wärmestrahlung  auf 
der  angenommenen  Breite  überhaupt  schließen,  die  zweite 
Gruppe  der  Autoren  aber  von  einer  solchen  festgegebenen 
Flächeneinheit  ganz  abstrahiert  und  jene  durchschnitt- 
lichen Wärmemengen  zu  ermitteln  trachtet,  die  pro 
Flächeneinheit  einer  beliebigen  Breite  in  gewissen 
Zeitabschnitten  zugestrahlt  werden  und  auf  Grund  dieser 
Wärmemengen  den  jährlichen  Verlauf  der  Wärmestrahlung 
auf  der  angenommenen  Breite  untersucht. 

Diese  Unterscheidung  ist  für  die  exakte  Behandlung  des 
vorliegenden  Problems  grundlegend;  es  wird  daher  zweck- 
mäßig sein,  sie  mathematisch  zu  begründen  und  astronomisch 
zu  veranschaulichen. 

Zu  diesem  Zwecke  wollen  wir  überlegen,  von  welchen 
Faktoren  die  Wärmemenge  abhängt,  die  in  jedem  Zeitmoment 
auf  eine  Flächeneinheit  an  der  Erdoberfläche  auffällt.  Nach 
dem  allgemeinen,  für  jede  Strahlung  gültigen  Gesetz  ist  die 
Wärmemenge  einmal  von  der  Entfernung  der  Sonne  von  der 
betrachteten  Flächeneinheit  und  dann  von  dem  Winkel  ab- 
hängig, unter  dem  die  Sonnenstrahlen  auf  sie  auffallen.  Da 
jedoch  die  Strahlen  nicht  direkt  zu  der  Flächeneinheit  gelangen, 
sondern  vorher  noch  die  die  Erde  umgebende  atmosphärische 
Luft  zu  passieren  haben,  in  der  sie  eine  Schwächung  ihrer 
Intensität  erfahren,  so  wird  die  Menge  der  zugestrahlten 
Wärme  auch  abhängig  sein  von  dem  Einflüsse  der  Luft  auf 
die  Wärmestrahlen.  Es  ist  uns  jedoch  einstweilen  gestattet, 
von  diesem  Einflüsse  der  Atmosphäre  auf  die  Wärmestrahlen 
ganz  abzusehen,  ohne  daß  hiedurch  die  Allgemeinheit  unserer 
Betrachtung  eine  Einbuße  erfahrt.  Dann  ist  also  die  der  an- 
genommenen Flächeneinheit  in  jedem  Zeitmoment  zugestrahlte 
Wärmemenge  allein  abhängig  von  der  Entfernung  der  Erde 
von  der  Sonne  und  von  dem  Winkel,  unter  dem  die  Wärme- 
strahlen auf  die  Flächeneinheit  auffallen.  Es  berechnet  sich 
dann  die  unendlich  kleine  Wärmemenge  äq^  welche  in  der 


172  F.  Hopfner, 

unendlich  kleinen  (mittleren)  Zeit  dt  der  Flächeneinheit  zu- 
gestrahlt wird,  aus  der  Gleichung 

dq  =  F(r,h)dt, 

wenn  r  die  Entfernung  der  Flächeneinheit  vom  Sonnenmittel- 
punkte, Ä  die  Erhebung  der  Sonne  über  deren  Horizont  dar- 
stellt. 

Durch  die  Angabe  der  Entfernung  r  ist  aber  die  gewählte 
Flächeneinheit  nicht  in  eindeutiger  Weise  in  ihrem  Orte  in  der 
Erdbahn  festgelegt,  da  ja  demselben  Radiusvektor  r  zwei  Erd- 
orte symmetrisch  zur  Apsidenlinie  der  Erdbahn  entsprechen. 
Es  wird  sich  daher  für  eine  eindeutige  Bestimmung  empfehlen, 
ein  anderes  Element  der  jährlichen  Bewegung  der  Erde  in 
ihrer  Bahn  als  unabhängig  Veränderliche  obiger  Gleichung 
zu  wählen.  Als  solche  eignet  sich  die  Länge  0  der  wahren 
Sonne  am  besten,  da  sie  vom  Frühlingspunkte  von  0  an- 
gefangen die  ganze  Erdbahn  im  Sinne  der  Erdbewegung  hin- 
durch bis  360**  gezählt  wird,  derart,  daß  einem  bestimmten  0 
immer  nur  ein  Erdort  entspricht.  Ebenso  steht  es  mit  dem 
Winkel  Ä,  da  zweimal  im  Tage,  am  Vor-  und  Nachmittage,  die 
Sonne  dieselbe  Höhe  über  dem  Horizont  erreicht.  Praktischer 
ist  es  für  eine  eindeutige  Bestimmung,  den  Stundenwinkel  der 
wahren  Sonne  t  zu  verwenden,  den  wir,  dem  allgemeinen 
Brauche  folgend,  am  Vormittage  negativ,  am  Nachmittage 
positiv  zählen  wollen. 

Führen  wir  diese  neuen  eindeutigen  Veränderlichen  an 
Stelle  der  alten  ein,  so  ist  die  Wärmemenge,  welche  im  Laufe 
einer  gewissen  Zeit  von  t^  bis  /  der  betrachteten  Flächen- 
einheit zugestrahlt  wird,  gegeben  durch  das  nachstehende 
Integral 

Hierin  sind  beide  Veränderliche  0  und  t  mit  der  mittleren 
Zeit  variabel.  Trotz  dieser  Gemeinsamkeit  besteht  jedoch  der 
große,  astronomisch  begründete  Unterschied  zwischen  ihnen, 
daß  die  erstere  Veränderliche  ein  Element  der  jährlichen 
Bewegung  der  Erde  um  die  Sonne  ist,  also  die  Stellung  der 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 73 

Flächeneinheit  auf  der  Erde  in  deren  Bahn  fixiert,  während 
der  Stundenwinkel  als  Element  der  scheinbaren  täglichen 
Bewegung  der  Sonne  um  die  Erde  die  Stellung  ersterer 
während  des  Tages  für  jeden  Zeitmoment  dt  gegenüber  der 
angenommenen  Flächeneinheit  festlegt. 

Soll  nun  die  angezeigte  Operation  des  Integrierens  auf 
der  rechten  Seite  obiger  Gleichung  tatsächlich  durchgeführt 
werden,  so  ist  erforderlich,  daß  nur  eine  unabhängige  Ver- 
änderliche unter  dem  Integralzeichen  auftrete.  Und  da  ist  es 
nun  ohne  weiteres  klar,  daß  sich  der  Untersuchung  zwei 
.Möglichkeiten  darbieten;  entweder  wählt  man  nämlich  den 
wahren  Stundenwinkel  t  der  Sonne  als  unabhängig  Veränder- 
liche oder  die  wahre  Länge  der  Sonne  O  als  solche.  Im 
ersteren  Falle  wird  man  die  wahre  Länge  der  Sonne  O  als 
Funktion  des  wahren  Stundenwinkels  t,  im  zweiten  Falle  aber 
umgekehrt  den  wahren  Stundenwinkel  t  als  Funktion  der 
wahren  Sonnenlänge  0  darzustellen  haben.  Auf  diese  Weise 
gelangt  man  aber  zu  zwei  Integralen  von  nachstehender  Form: 

rV,(t)Jt    und     p/,(0)rf0, 

deren  verschiedene  physikalische  Bedeutung  auf  den  ersten 
Blick  schon  daraus  erhellt,  daß  die  erstere  von  den  beiden 
Wärmemengen  nur  abhängig  ist  von  der  scheinbaren  täg- 
lichen Bewegung  der  Sonne  um  die  Erde,  während  die  zweite 
Wärmemenge  —  von  dieser  scheinbaren  Bewegung  ganz 
unabhängig  —  nur  bestimmt  ist  durch  die  jährliche  Stellung 
der  Erde  in  ihrer  Bahn  innerhalb  der  Integrationsgrenzen. 

Damit  ist  der  mathematische  Beweis  erbracht,  daß  die 
Losung  des  Problems  auf  zwei  Wegen  angestrebt  werden 
kann;  die  besondere  Fassung,  die  hiedurch  in  jedem  Falle  das 
Problem  erfährt,  und  die  physikalische  Bedeutung  der  auf 
jedem  der  beiden  Wege  ermittelten  Wärmemengen  läßt  uns 
aber  die  Astronomie  erkennen. 

Wir  schicken  voraus,  daß  gemäß  der  geometrischen  Be- 
deutung eines  jeden  Integrals  als  Flächeninhalt  einer  Kurve 
die  beiden  Funktionen  f^  und  f^j  die  sogenannten  Strahlungs- 


174  F.  Hopfner, 

funktionen,  Gleichungen  von  Kurven  sind,  deren  physikalische 
Bedeutung  sich  gemeinsam  mit  jener  der  beiden  Integrale 
ergibt. 

Behufs  Erkenntnis  dieser  verschiedenen  physikalischen 
Bedeutung  der  beiden  durch  obige  Integrale  bestimmten 
Wärmemengen  denken  wir  uns  einmal  auf  eine  FUlchen- 
einheit,  welche  in  beliebiger  Breite  (ausgenommen  die  beiden 
Pole)  fest  angenommen  ist,  und  danti  in  den  Sonnei^mittel- 
punkt  versetzt. 

Auf  der  in  beliebiger  Breite  fest  angenommenen  Flächen- 
einheit ist  die  Größe  der  Wärmemenge,  welche  in  jedem 
Zeitmoment  äi  zugestrahlt  wird,  abhängig  von  dem  Stande 
der  Sonne  über  dem  Horizonte  dieser  Flächeneinheit  Diese 
Wärmeni^nge  ist  um  so  größer,  je  höher  sich  die  Sonne  über 
dem  Horizonte  befindet;  sie  wächst  daher  mit  zunehmender 
Sonnenhöhe  und  wird  kleiner  mit  abnehmender  Sonnenhöhe. 
In  jenen  Breiten,  auf  welchen  die  Sonne  untergeht,  hört  die 
Wärmestrahlung  mit  Anbruch  der  Nacht  auf  der  Flächen- 
einheit ganz  auf.  Das  sind,  weil  alltägliche  Erscheinungen, 
bekannte  Tatsachen.  Sie  lehren  aber,  daß  die  Wärmestrahlung 
auf  einer  solchen  festen  Flächeneinheit  von  beliebiger  Breite 
abhängig  ist  von  der  scheinbaren  täglichen  Bewegung  der 
Sonne.  Es  wird  deshalb  die  Strahlungsfunktion,  welche  den 
Verlauf  der  Wärmestrahlung  auf  einer  solchen  Flächeneinheit 
angibt,  ein  Element  der  scheinbaren  täglichen  Bewegung  als 
unabhängig  Veränderliche  enthalten  müssen  und  damit  die 
Wärmemenge,  welche  innerhalb  einer  gegebenen  Zeit  dieser 
Flächeneinheit  zugestrahlt  wird,  durch  ein  Integral  über  eine 
so  beschaffene  Strahlungsfunktion  gegeben  sein. 

Wenn  wir  uns  also  in  dem  Integrale,  von  dem 
wir  ausgegangen  sind,  das  Element  der  jährlichen 
Bewegung,  nämlich  die  Länge  der  wahren  Sonne, 
durch  den  Stundenwinkel  der  wahren  Sonne  ersetzt 
denken,  so  berechnen  wir  damit  jene  Wärmemenge, 
welche  einer  in  beliebiger  Breite  festgegebenen 
Flächeneinheit  zugestrahlt  wird. 

Im  besonderen  wird  dies  die  im  Laufe  eines  ganzen  Tages 
zugestrahlte  Wärmemenge  sein,  wenn  in  unserem  allgemeinen 


Bestrahlung  der  Erde  durth  die  Sonne.  175 

Integral  t^  den  Stundenwinkel  des  Sonnenaufganges,  t,  den 
des  -Unterganges  vorstellt. 

Will  man  daher  jene  Wärmemenge  berechnen,  welche 
dieser  Flächeneinheit  innerhalb  einer  längeren  Zeit,  welche 
die  Dauer  eines  Be^trahlungstages  überschreitet,  zugesandt 
wird,  so  hat  man  diese  in  eine  Summe  von  Strahlungstagen 
und  Nächten  2u  zerlegen  und  für  die  Strahlungstage  durch 
Integration  auf  die  eben  besprochene  Weise  die  zugestrahlten 
Wärmemengen  zu  berechnen,  die  dann  zu  summieren  sind. 

Es  ist  somit  für  einen  längeren  Zeitabschnitt  als  den  eines 
Tages  die  Berechnung  der  der  fest  angenommenen  Flächen- 
einheit 2Ugestrahlten  Wärmemenge  nicht  durch  eine  blo6e 
Integration  ausführbar.  Sie  hat  vielmehr  aligemein  in  der  Form 


1  2i7-l 

zu  erfolgen,  wenn  t^,  tj,  t^, . , .  t2y_i  die  Stundenwinkel  der 
Sonnenaufgänge,  t^,  t^,  tg, . . .  tgr  die  der  Sonnenuntergänge  in 
r  aufeinander  folgenden  Tagen  vorstellen. 

Obige  Summenformel  gewinnt  an  Klarheit  durch  eine  geo« 
metrische  Betrachtung,  bei  welcher  wir  uns  auf  den  speziellen 
Fall  des  Äquators  beschränken  wollen.  Es  ist  dann  nicht 
schwer,  für  diesen  den  allgemeinen  Charakter  der  Funktion 
/j(t)  anzugeben.  Denken  wir  uns  nämlich  die  Sonne  als  Fix- 
stern, für  welchen  dann  sowohl  Deklination  als  Radiusvektor 
konstant  genommen  werden  muß,  so  ist  einfach  bis  auf  eine 
multiplikative  Konstante  f^  (t)  =r  cos  t.  Da  nun  die  Eigen- 
bewegung der  Sonne,  also  ihre  Deklinations-  und  Distanz- 
änderung, im  Laufe  eines  Tages  relativ  klein  ist,  so  wird  auch 
bei  ihr  genähert  die  obige  Gleichung  gelten. 

Geometrisch  betrachtet,  heißt  das  aber  nichts  anderes,  als 
daß  der  funktionale  Verlauf  der  täglichen  Wärmestrahlung  auf 
einer  am  Äquator  festgegebenen  Flächeneinheit  näherungs- 
weise durch  eine  Sinuslinie  gegeben  ist;  die  Wärmemenge 
aber,  welche  im  Laufe  eines  Tages  ihr  zugesandt  wird,  durch 
den  Flächeninhalt,  welcher  von  dieser  Kurve  und  einer  Achse 
des  gewählten  Koordinatensystems  eingeschlossen  wird. 


176  F.  Hopfner, 

Hiebei  schneidet  diese  Kurve  die  Achse  der  Stunden- 
winkel in  den  Punkten  t^  und  tg,  also  den  Stundenwinkeln  des 
Sonnen-Auf-  und  -Unterganges.  Denken  wir  uns  nun  diese 
Stundenwinkel  auf  dieser  Stundenachse  für  eine  ganze  Reihe 
von  Tagen  aufgetragen  und  für  die  Strahlungstage  unsere 
Kurve  konstruiert,  so  wird  die  Gesamtwärme,  welche  in  dieser 
Zeit  der  Flächeneinheit  zugestrahlt  wird,  nicht  durch  eine 
einzige  Integration  bestimmbar  sein,  da  sie  geometrisch  nicht 
durch  eine  einzige  zusammenhängende  Fläche,  sondern  durch 
eine  Anzahl  diskret  liegender  Flächen  repräsentiert  ist.  Man 
wird  daher  den  Inhalt  einer  jeden  einzelnen  dieser  Flächen 
durch  eine  besondere  Integration  bestimmen  und  diese  Inhalte 
dann  summieren.  Das  besagt  aber  obige  Summenformel. 

Eine  wesentlich  andere  Bedeutung  kommt  jener  Wärme- 
menge zu,  welche  sich  aus  dem  zweiten  allgemeinen  Integrale 
mit  der  Länge  der  wahren  Sonne  als  unabhängig  Veränder- 
liche bestimmt.  Diese  wird  erkannt,  wenn  wir  unseren  Stand- 
ort im  Sonnenmittelpunkte  wählen. 

Von  diesem  aus  sehen  wir  die  der  Sonne  zugekehrte 
Hälfte  der  Erde  als  leuchtende  Scheibe,  etwa  so,  wie  wir  bei 
Vollmond  von  der  Erde  aus  den  Mond  sehen.  Von  sämtlichen 
Breitenkreisen  der  Erde,  wenn  wir  vorläufig  die  in  der  Polar- 
2one  ausschließen,  wird  ein  bestimmtes  Stück  auf  der  Licht-, 
ein  anderes  auf  der  Schattenseite  liegen,  nämlich  auf  dem  von 
der  Sonne  abgekehrten  Teile  der  Erde,  der  unbeleuchtet  und 
von  unserem  Standort  im  Sonnenmittelpunkt  aus  unsichtbar 
ist.  Doch  wird  nicht  stets  dasselbe  Stück  des  Breitenkreises 
beleuchtet,  beziehimgsweise  unbeleuchtet  sein,  sondern  infolge 
der  Rotation  der  Erde  um  die  Achse  treten  immer  andere 
Punkte  des  Parallelkreises  vom  Licht  in  den  Schatten  und 
umgekehrt. 

Denken  wir  uns  also,  von  der  Sonne  aus  gesehen,  die 
Erde  ihre  Bahn  innerhalb  der  beiden  Bahnpunkte  A  und  B 
durchlaufen,  so  sind  während  dieser  Zeit  die  betrachteten 
Breitenkreise  ununterbrochen  bestrahlt,  zwar  nicht  ihrem 
ganzen  Umfange  nach,  aber  doch  innerhalb  der  Lichtgrenze. 
Es  wird  ihnen  daher  auch  ununterbrochen  auf  diesem  Wege 
Wärme  zugestrahlt.  Denkt  man  sich  diese  einem  Breiten- 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  177 

kreise  zugesandte  Wärmemenge  durch  seinen  Um- 
fang dividiert,  so  erhält  man  damit  die  diesem  Breiten- 
kreis auf  dem  Wege  von  A  nach  B  pro  Flächeneinheit 
zugestrahlte  mittlere  durchschnittliche  Wärmemenge. 

Diese  Definition  beschränkt  sich  zunächst  auf  Breiten- 
kreise innerhalb  der  Zone  zwischen  den  beiden  Polarkreisen. 
Doch  ist  es  klar,  daß  sie  auch  für  jeden  Parallelkreis  außer- 
halb dieser  beiden  Grenzen  gelten  muß,  welcher  auf  dem 
Wege  von  A  nach  B  zwar  nicht  seinem  ganzen  Umfange 
nach,  aber  doch  zum  Teile  bestrahlt  ist.  Ja,  noch  weiter  wird 
sie  auch  für  alle  Breitenkreise  gelten  müssen,  welche  auf  dem 
Wege  von  A  nach  B  ihrem  ganzen  Umfange  nach  bestrahlt 
worden  sind.  Es  gilt  daher  obige  Definition  ganz  allgemein 
für  jede  Breite  der  Erde,  welche  auf  dem  Wege  von  A  nach  B 
ihrem  ganzen  Umfange  nach  oder  nur  zum  Teile  bestrahlt 
worden  ist. 

Wie  beschaffen  wird  nun  die  unabhängig  Veränderliche 
der  Strahlungsfunktion  sein,  welche  den  Verlauf  dieser  mitt- 
leren Wärmestrahlung  auf  einer  beliebigen  Breite  angibt?  Ein 
tägliches  Element  wird  diese  nicht  sein  können,  da  die  mittlere 
Wärmemenge  ganz  unabhängig  von  einer  scheinbaren  täg- 
lichen Bewegung  ist,  was  am  besten  einleuchtet,  wenn  man 
bedenkt,  daß  die  oben  für  sie  gegebene  Definition  auch  dann 
gültig  bleibt,  wenn  die  Erde  keine  Rotation  um  ihre  Achse  aus- 
führen würde.  Eben  daraus  folgt  aber  weiter,  daß  diese  Wärme- 
menge nur  abhängig  ist  von  dem  von  der  Erde  in  der  Ekliptik 
zurückgelegten  Wege.  Es  muß  daher  die  unabhängig  Ver- 
änderliche ihrer  Strahlungsfunktion  ein  Element  der  jährlichen 
Bewegung  sein. 

Wenn  also  in  dem  unserer  Betrachtung  zu  Grunde 
liegenden  Integrale  der  Stundenwinkel  eliminiert 
und  die  Länge  der  wahren  Sonne  als  alleinige  unab- 
hängige Variable  eingeführt  wird,  so  gibt  das  Integral 
jene  mittlere  durchschnittliche  Wärmemenge,  welche 
pro  Flächeneinheit  der  betrachteten  Breite  zuge- 
strahlt wird.  Während  bei  der  früheren  Fassung  des  Pro- 
blems die  Strahlungsfunktion  infolge  ihrer  Abhängigkeit  von 
der  scheinbaren  täglichen  Bewegung  diskontinuierlich  wurde. 


178  F.  Hopfnef, 

wenn  man  über  den  Zeitraum  eines  Strahlungstages  hinaus- 
ging (denn  sie  blieb  für  ganze  Stundenwinkelintervalle  Null) 
und  daher  das  Integral  höchstens  über  diesen  erstreckt  werden 
durfte,  kann  bei  der  Strahlungsfunktion  dieser  mittleren  Wärme- 
strahlung eine  Diskontinuität  aus  diesem  Grunde  nicht  ein- 
treten und  daher,  ihre  sonstige  Stetigkeit  vorausgesetzt,  ihre 
Integration  innerhalb  beliebiger  Grenzen  vorgenommen  werden. 
Es  wird  daher  im  Gegensatze  zum  früher  besprochenen  Falle 
die  Berechnung  jener  Wärmemengen,  welche  in  beliebigen 
Zeiträumen  der  betrachteten  Breite  pro  Flächeneinheit  zuge- 
strahlt werden,  stets  durch  eine  bloße  Integration  möglich  sein. 

Eine  besondere  Stellung  unter  allen  Breiten  nimmt  der 
Pol  ein.  Für  ihn  als  Punkt  fällt  die  mittlere  Wärmemenge  pro 
Flächeneinheit  naturgemäß  zusammen  mit  jener  Wärmemenge, 
welche  der  auf  ihm  gegebenen  Flächeneinheit  wirklich  zu- 
gestrahlt wird. 

Es  braucht  wohl  nicht  besonders  hervorgehoben  zu  werden^ 
daß  unter  diesem  Gesichtspunkte  dem  bestrahlten  Pol  und  allen 
Breiten,  ausschließlich  natürlich  der  gänzlich  unbestrahlten 
Parallelkreise  in  der  Polarzone  der  augenblicklichen  Winter- 
hemisphäre, innerhalb  der  Bahnstrecke  von  A  bis  B  die  gleiche 
Strahlungszeit  zukommt. 

In  der  vorliegenden  Abhandlung  soll  das  Problem  der 
Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne  nur  in  der  letzteren 
Fassung,  welche  für  die  Meteorologie  die  ungleich  wichtigere 
ist,  behandelt  werden,  also  stets  nur  von  jenen  mittleren, 
durchschnittlichen  Wärmemengen  die  Rede  sein, 
welche  pro  Flächeneinheit  einer  beliebigen  Breite 
in  gewissen  Zeiten  zugestrahlt  werden. 

Zum  Schlüsse  seien  noch  zwei  Autoren,  die  beide  die 
Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche, 
also  jener  Wärmestrahlung,  welche  die  Erdoberfläche  bei 
Fehlen  einer  Atmosphäre  ti^ffen  würde,  behandeln,  als  typische 
Beispiele  einander  gegenübergestellt,  daß  sich  das  vorliegende 
Problem  tatsächlich  unter  beiden  Auffassungen  behandeln  läßt. 
Wir  vergleichen  die  beiden  eingangs  zitierten  Abhandlungen 
Meech's  und  Wiener's  miteinander.  Der  erstere  benützt  die 
gebräuchliche,    allerdings    mathematisch   nicht   ganz   strenge 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 79 

Formel  zur  Berechnung  der  Wärmemenge,  welche  im  Laufe 
eines  Tages  einer  auf  beliebiger  Breite  festgegebenen  Flächen« 
einheit  zugestrahlt  wird,  für  seine  Rechnungen^  und  bestimmt 
mit  ihr  die  Wärmemengen,  welche  der  angenommenen  Flächen- 
einheit in  einer  Reihe  von  Tagen  im  Jahre  zugestrahlt  werden, 
und  schliefit  aus  deren  Veränderlichkeit  von  Tag  zu  Tag  auf 
den  Verlauf  der  solaren  Strahlung  während  des  ganzen  Jahres 
auf  der  betrachteten  Breite  überhaupt.  Anders  Wiener;  auch 
er  geht  zwar  von  derselben  Formel  aus,  die  Meech  seiner 
Untersuchung  zu  Grunde  legt,  jedoch  drückt  er  die  in  ihr  auf* 
tretende  Variable  der  scheinbaren  täglichen  Bewegung,  den 
Stundenvvinkel,  durch  Veränderliche  der  jährlichen  Bewegung 
aus,  so  dafi  dann  in  der  Formel  für  die  Wärmemenge  eines 
Tages  nur  Elemente  der  jährlichen  Bewegung  als  unabhängige 
Variable  auftreten.  Diese  so  umgewandelte  Formel  für  die 
Berechnung  der  Wärmesumme  eines  Tages  definiert  nun 
Wiener  —  allerdings  nicht  in  einwandfreier  Weise*  —  als 
den  DifTerentialquotienten  der  mittleren  Wärmemenge  nach  der 
mittleren  Zeit,  welche  pro  Flächeneinheit  der  angenommenen 
Breite  zugestrahlt  wird.  Trotz  des  fundamentalen  Unterschiedes, 
welcher  zwischen  den  von  beiden  Verfassern  dem  Problem 
gegebenen  Fassungen  besteht,  sind  beide  Abhandlungen  den- 
noch, sowohl  was  die  analytische  Behandlungsweise  als  auch 
die  erhaltenen  Resultate  anbelangt,  ohneweiters  miteinander 
verglichen  worden,'  wie  wenn  beide  Untersuchungen  genau 


1  Nämlich  die  bekannte  Formel 

C 
H^  ==  2  —  (cos  0  cos  «p  sin  /q  4-  ^o  ^i^  o  sin  9), 
c 

in  welcher  /q  der  Stundenwtnkel  des  Sonnen-Auf-,  beziehungsweise  -Unter- 
ganges ist  Es  enthält  somit  die  Formel  ein  Element  der  scheinbaren  täg- 
lichen Bewegung  als  unabhängig  Veränderliche;  es  können  daher  nach  unseren 
vorigen  Betrachtungen  die  mit  ihrer  Hilfe  berechneten  Wärmemengen  nur 
solche  sein,  welche  in  der  Breite  <p  einer  festgegebenen  Flächeneinheit,  in 
deren  Mittag  die  Sonne  die  Deklination  d  erreicht,  zugestrahlt  werden. 

s  Bezügtieh  der  sich  an  die  Wiener'scbe  Definition  knüpfenden  Bedenken 
lese  man  die  Einleitung  der  von  der  Wiener  Akademie  publizierten  Abhandlung 
des  Veriassers. 

'  Z.  B.  F.  Roth,  Die  Sonnenstrahlung  auf  der  nördlichen  im  Vergleiche 
mit  derjenigen  auf  der  südlichen  Hemisphäre.  Halle,  1885. 


180  F.  Hopfner, 

denselben  Gegenstand  betreffen  würden,  was  der  Klarheit  auf 
diesem  Gebiete  der  Meteorologie  nicht  eben  forderlich  war. 

Auch  der  Verfasser  hat  das  Problem  der  solaren  Wärme- 
strahlung unter  beiden  Auffassungen  behandelt,  und  zwar  in 
der  ersten  Fassung  in  der  letzten  der  angeführten  Abhand- 
lungen, wie  übrigens  schon  deren  Titel  besagt,  in  der  zweiten 
Fassung  aber  in  ausführlicher  Weise  in  den  beiden  ersteren 
Abhandlungen. 

II.   Einige  Sätze   über  die  Verteilung   der  solaren  Wärme- 
strahlung auf  der  Erdoberfläche. 

In  den  folgenden  Abschnitten  wird  die  Untersuchung  über 
die  Verteilung  der  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  und 
die  Berechnung  der  Wärmemengen,  welche  nach  Passieren  der 
atmosphärischen  Luft  pro  Flächeneinheit  auf  sie  auffallen,  auf 
Grund  der  Ergebnisse  durchgeführt  werden,  zu  denen  der 
Verfasser  bei  Behandlung  des  Problems  der  solaren  Wärme- 
strahlung gelangt  ist.  Diese  Art  der  Untersuchung  setzt  nicht 
nur  die  Vertrautheit  mit  einigen  Gleichungen,  welche  in  der 
diesbezüglichen,  von  der  Wiener  Akademie  veröflFentlichten 
Abhandlung  abgeleitet  worden  sind,  voraus,  sondern  auch  die 
genaue  Kenntnis  der  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung 
auf  der  Erdoberfläche  überhaupt.  Es  soll  daher  in  diesem 
Abschnitte  alles  für  die  spätere  Entwicklung  Notwendige  in 
Kürze  zusammengestellt  werden. 

Das  Gesetz  der  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung 
auf  der  Erdoberfläche  spricht  nachstehende  Gleichung  aus:^ 

'dW\        /dW\  fdW\ 

=    cos^p-i-    1         sm®.  (1) 


1  Wir  gebrauchen  im  nachstehenden  folgende  Bezeichnungs weise: 
W  solare  Wärmemenge;  q  Wärmemenge,  welche  nach  erfolgter  Absorption 
in  der  Atmosphäre  auflallt;  C  Proportionalitätsfaktor;  <p  Polhöhe;  h  Höhe; 
T  Stundenwinkel  der  wahren  Sonne;  B  Sonnendeklination;  0  Länge  der  wahren 
Sonne;  L  Länge  der  mittleren  Sonne;  c  Flächenkonstante;  m  Masse  der  Erde; 
r  Radiusvektor;  a  halbe  grofie  Achse;  e  Exzentrizität;  ic  Periheldistanz  der 
Erdbahn;  e  Schiefe  der  Ekliptik. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne. 


181 


Sie  besagt,  daß  die  unendlich  kleine  mittlere  solare  Wärme- 
menge, welche  einer  beliebigen  Breite  pro  Flächeneinheit  auf 
jeder  unendlich  kleinen  Längendifferenz  dQ  zugestrahlt  wird, 
bekannt  ist,  wenn  die  mittleren  solaren  Wärmemengen  gegeben 
sind,  die  auf  derselben  unendlich  kleinen  Längenänderung  dem 
Äquator  und  dem  Pole  zugestrahlt  werden.  Die  Differential- 
quotienten dieser  Wärmemengen  nach  der  wahren  Sonnenlänge 
lassen  sich  aus  folgenden  Gleichungen  bestimmen,  nämlich 


( 


dW\ 
^0/9  =  90 


1  c 

±  — p  sin  0,      f?  riz  2  —  sin  8 
2  c 


(äW\ 
^J0/f  =  o 


—  **o 


00 
1 


(2) 


wobei  sich  die  Konstanten  dieser  Fourier*schen  Reihe  bis  auf 
kleine  Glieder  dritter  Ordnung  in  der  Exzentrizität  der  Erd- 
bahn, wie  folgt,  aus  deren  Elementen  zusammensetzen: 


a,  = 


C cos*  — 

2  /                 1  e 
(l—e^-^ ^«cos2ir  tg«  — 

c         \  S  2 

C cos»  — 

e  cos  «  tg» 1 e^  cos  ic- 

c         \  2        4 

e^  cos  IC  tg* 

8  2 


—  ^'cos3ictg*  — 
24  2 


e 


a»  = 


C  cos«  — 

2/8  8 

tß* ^*  tg« be^  cos  2ic. . . 

c         \       2  2 


8 


fl.  =: 


C  cos"  — 
2 


f  —  ^COSIC  tg* h  -^^' COS  ff  tg*-^^ 


8 

e^  COS  3ff . . . 

4 


182  F.  Hopfner, 


a^  = 


C  COS«  — 
2 


f —  €^  COS  2«  tg«  —  •  •  •  j 


^         V8  2 


C  cos»  — 


^5  = 


e'  cos  Sic  tg* —  •  •  •  1 

24  2         / 


2_^_ 
24 


>    (3) 


Ccos«  ^ 


&i  zz —  ^  sm  ff  tg* 1 e^  sm  ic+ 

^  <;         \  2        4 


H e^  sin  iü  tg* 

8  2 


e^  sin  3ic  tg*  —  •  •  •  ] 

24  2  / 


24 

C  cos»  — 
2 
^2  =  {fi^  sin  27C . . .) 


C  cos»  — 

c         \  2        8  2 

^^  sinSTt . , . 

4 

C  cos»  — 

^4  = ( — ß»  sin2ip  tg» —  •  •  • ) 

^         \8  2         / 


C cos»  — 


( ^»sinSfftg» —  •••) 

V     24  2         / 


Von  dem  Doppelzeichen  in  den  beiden  Gleichungen  (2) 
ist  dfts  positive  Zeichen  zu  wählen,  wenn  der  Nordpol,  das 
negative,  wenn  der  Südpol  bestrahlt  ist;  es  ist  also  das  obere 
Zeichen  zu  gebrauchen  für  Sonnenlängen  im  Intervalle  von  0* 
bis  180*,  das  untere  aber  für  Längen  im  Intervalle  von  180* 
bis  360^ 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 83 

Diesen  Gleichungen  (1)  bis  (3)  sind  nachstehende  Sätze 
über  die  Größe  der  den  einzelnen  Breiten  der  Erde  zuge- 
strahlten Wärmemengen  entnommen  worden. 

Der  Nordpol  der  Erde  erhält  in  P  ebensoviel  Wärme 
zugestrahlt  als  in  II;  der  Südpol  in  III  ebensoviel  wie  in  IV. 
Da  die  den  Polen  in  I  zugestrahlte  Wärmemenge  ebenso  groß 
ist  wie  die  in  IV  und  die  in  II  ebenso  groß  wie  die  in  III,  so 
folgt,  daß  jeder  Pol  in  dem  einen  halben  Jahre  seiner  Bestrah- 
lung ebensoviel  Wärme  zugestrahlt  erhält  wie  der  andere  Pol 
in  dem  anderen  Halbjahre  seiner  Bestrahlung. 

Der  Äquator  erhält  in  I  ebensoviel  Wärme  zugestrahlt 
wie  in  IV,  in  II  ebensoviel  wie  in  III.  Dagegen  ist  die  in  I 
zugestrahlte  Wärmemenge  größer  als  jene  in  II  und  die  in  IV 
größer  als  jene  in  III.  Wohl  aber  erhält  der  Äquator  in  I+II 
ebensoviel  Wärme  zugesandt  wie  in  Ill-hlV.  Es  erhält  daher 
der  Äquator  in  dem  einen  Halbjahre  von  einem  Äquinoktial- 
punkte bis  zum  anderen  ebensoviel  Wärme  zugestrahlt  wie  im 
anderen  Halbjahre.  In  den  einzelnen  Vierteljahren  dieser  Halb- 
jahre ist  jedoch  die  solare  Strahlung  nicht  die  gleiche. 

Für  die  einzelnen  Breiten  der  Erdoberfläche  haben  sich 
folgende  Sätze  ergeben. 

Betrachten  wir  vorerst  dieselben  Breiten  auf  einer  und 
derselben  Halbkugel. 

Die  gleichen  Breiten  der  nördlichen  Halbkugel  erhalten 
in  I  mehr  Wärme  zugestrahlt  als  in  II,  ebenso  in  IV  mehr 
als  in  III. 

Das  Gleiche  gilt  von  den  Breiten  der  südlichen  Hemi- 
sphäre in  den  verglichenen  Quadranten. 

Vergleichen  wir  weiter  dieselben  Breiten,  aber  auf  ver- 
schiedenen Halbkugeln. 


1  Quadrant  I Weg  der  Erde  in  ihrer  Bahn  von  0^  Länge  bis 

90"  Länge; 

Quadrant  II Weg  der  Erde  in  ihrer  Bahn  von  90^  Länge  bis 

ISO*  Länge; 

Quadrant  III Weg  der  Erde  in  ihrer  Bahn  von  180*  Länge  bis 

270*  Unge; 

Quadrant  IV Weg  der  Erde  in  ihrer  Bahn  von  270*  Länge  bis 

360*  Länge. 

Sltzb.  d.  matbem.-naturw.  KL;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  13 


184  F.  Hopfner, 

Die  Breiten  der  nördlichen  Hemisphäre  erhalten  in  I  eben- 
soviel Wärme  wie  die  Breiten  der  südlichen  in  IV,  ebenso  die 
Breiten  der  nördlichen  Hemisphäre  in  II  gleichviel  Wärme  wie 
die  der  südlichen  in  III.  Weiter  erhalten  die  Breiten  der  süd- 
lichen Halbkugel  in  I  gleichviel  Wärme  wie  die  der  nörd- 
lichen in  IV,  ebenso  die  Breiten  der  südlichen  Halbkugel  in  II 
ebensoviel  wie  die  der  nördlichen  in  III. 

Dagegen  hat  sich  ergeben:  Die  Breiten  der  nördlichen 
Hemisphäre  erhalten  in  I  mehr  Wärme  zugestrahlt  als  die 
Breiten  der  südlichen  in  III;  dagegen  die  letzteren  in  IV  mehr 
als  die  Breiten  der  nördlichen  Hemisphäre  in  II.  Ebenso  er- 
halten die  südlichen  Breiten  in  I  mehr  als  die  nördlichen  in  III, 
dagegen  diese  in  IV  mehr  als  jene  in  II. 

Diese  Ungleichheiten  in  der  solaren  Strahlung  auf  den 
Breiten  beider  Hemisphären  in  den  vier  Quadranten  der  Erd- 
bahn sind  allein  bedingt  durch  die  Ungleichheiten  der  solaren 
Strahlung  am  Äquator  in  diesen.  Da  nun  der  Einfluß  der  äqua- 
torialen Strahlung  mit  dem  Kosinus  der  Polhöhe  abnimmt,  so 
ist  es  klar,  daß  die  oben  besprochenen  Ungleichheiten  im 
solaren  Wärmegang  einer  Breite  um  so  schwächer  hervor- 
treten, je  näher  sie  an  einem  der  Pole  liegt,  auf  dem  diese 
Ungleichheiten  verschwinden. 

Weiter  ergab  sich:  Die  Breiten  der  nördlichen  Hemisphäre 
erhalten  in  I+II  ebensoviel  Wärme  zugestrahlt  wie  die  süd- 
lichen in  III +IV,  ebenso  wie  die  der  nördlichen  Halbkugel  in 
Ill-hlV  gleichviel  Wärme  erhalten  wie  die  Breiten  der  süd- 
lichen Hemisphäre  in  I-f-II. 

Es  bekommt  daher  die  eine  Hemisphäre  in  dem  einen 
Halbjahre,  während  sich  die  Erde  von  dem  einen  Äquinoktial- 
punkte bis  zum  anderen  bewegt,  ebensoviel  Wärme  zugestrahlt 
wie  die  andere  in  dem  anderen  Halbjahre.  Daraus  ergibt  sich 
aber  der  wichtige,  schon  viel  diskutierte  Satz,  daß  im  Laufe 
eines  ganzen  Jahres  jede  Halbkugel  gleichviel  Wärme  zu- 
gestrahlt erhält. 

Diese  Sätze  sind  nur  der  Bequemlichkeit  des  sprachlichen 
Ausdruckes  wegen  für  ganze  Erdbahnquadranten,  also  ganze 
Vierteljahre  ausgesprochen  worden.  Sie  können  ohne  weiteres 
für  beliebige  Zeiten,  d.  i.  für  beliebige  Bahnstrecken,  in  den 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 85 

Ekliptikquadranten  verallgemeinert  werden,  wenn  nur  die  in 
den  vier  Quadranten  einander  entsprechenden  Endpunkte 
dieser  Bahnstrecken  paarweise  die  gleiche  Längendifferenz 
symmetrisch  gegen  die  Knotenlinie  der  Erdbahn  aufweisen. 

Kehren  wir  zur  Gleichung  (1)  zurück.  Als  allgemeines 
Gesetz  der  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung  auf  der 
Erdoberfläche  beschreibt  sie  nicht  nur  den  Verlauf  der  solaren 
Strahlung  auf  jeder  beliebigen  Breite  während  eines  Jahres, 
sondern  sie  gibt  auch  die  Verteilung  der  solaren  Strahlung  zu 
einem  angenommenen  Zeitpunkte,  d.  i.  zu  einer  bestimmten 
Sonnenlänge,  von  Polhöhe  zu  Polhöhe  an,  also  die  Verteilung 
in  meridionaler  Richtung.  Sie  fixiert  daher  einmal  für  jede 
Breite  den  Eintritt  der  Jahreszeiten  und  deren  Dauer,  dann 
aber  begrenzt  sie  auch  die  meteorologischen  Zonen  auf  der 
Oberfläche  der  Erde. 

Zur  detaillierten  Herleitung  der  einschlägigen  Sätze  ist 
hier  nicht  der  Platz;  in  dieser  Hinsicht  sei  auf  die  bereits 
wiederholt  angeführte  Abhandlung  des  Verfassers  hingewiesen. 
Doch  sollen  wenigstens  die  aus  Gleichung  (1)  abgeleiteten 
Bedingungsgleichungen  angegeben  werden,  die  den  Ausgangs- 
punkt für  die  Herleitung  dieser  Sätze  über  die  Verteilung  der 
solaren  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  bildeten;  und 
diese  nur  aus  dem  Grunde,  weil  ihre  Kenntnis  für  eines  der 
späteren  Kapitel  notwendig  ist. 

Im  Interesse  der  einfacheren  und  übersichtlicheren  Schreib- 

fdW\ 
weise  wird  es  sich  empfehlen,  den  DifTerentialquotienten  ( 1 

^dQ)'? 
als  Funktion  der  Polhöhe  9  und  der  Länge  O  der  wahren  Sonne 

mit  einem  bloflen  Funktionszeichen,  etwa  mit  ^(7, 0),  oder 

noch  kürzer  mit  dem  Buchstaben  ^  zu  bezeichnen. 

Bei   der  Untersuchung  über  die  Verteilung  der  solaren 

Strahlung  in  meridionaler  Richtung  ist  ^  als  alleinige  Funktion 

der  Polhöhe  (p  zu  betrachten.  Als  Bedingungen  ergaben  sich  da 

für  das  Aufhören,  dann  für  den  Eintritt  des  Maximums  der 

solaren  Strahlung  folgende  Gleichungen: 

♦  =  0,  7^  =  0,  (a) 

13* 


186  F.  Hopfner, 

welche,  nach  der  Veränderlichen  ff  aufgelöst,  jene  Breiten  zu 
berechnen  erlauben,  auf  welchen  bei  gegebener  Sonnenlänge 
die  solare  Strahlung  Null  wird,  beziehungsweise  ein  Maximum 
erreicht. 

Darnach  ist  die  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung  in 
meridionaler  Richtung  zu  einem  gegebenen  Zeitpunkte  geo- 
metrisch durch  eine  Kurve  repräsentiert,  welche  in  der  Breite 
(Abszisse)  ^  =i  =F(90** — 18|)  die  Abszissenachse  schneidet, 
bis  zur  Breite  fp  =  ±  8  ansteigt,  hier  ihr  Maximum  erreicht, 
um  dann  kontinuierlich  bis  zu  einem  gewissen  Werte  in  der 
Breite  ^  =  ±  90"  zu  fallen.  Letzterer,  nichts  anderes  als  der 
spezielle  Wert  unseres  Differentialquotienten  ^(cp,  ©)  für  den 
Pol,  also  ^  z=  ±  90**,  ist  stets  kleiner  als  der  spezielle  Wert, 
den  unsere  Funktion  ^  für  den  Äquator,  also  für  cp  =  0  an- 
nimmt; d.  h.  es  ist  die  dem  Äquator  auf  jeder  unendlich  kleinen 
Längenänderung  dQ  pro  Flächeneinheit  zugestrahlte  mittlere 
solare  Wärmemenge  immer  größer  als  jene,  welche  der  Pol  auf 
derselben  Längenänderung  zugesandt  erhält.  Das  Verhältnis 
dieser  beiden  Wärmemengen  zueinander  macht  die  nach- 
stehende Gleichung  ersichtlich: 


=  cotg  8,  (4) 


wobei  8  die  augenblickliche  Sonnendeklination  ist.  Da  nun  für 
die  Sonne  immer  cotg  8  >  1  ist,  so  folgt,  daß  auch  immer  die 
Ungleichung 

bestehen  muß.  Da  diese  für  jede  Sonnendeklination  gilt,  so 
muß  sie  auch  für  jede  Sonnenlänge  gelten.  Daraus  folgt  aber 
nach  einem  bekannten  Satze  über  bestimmte  Integrale,  daß 
überhaupt  immer  W^  =  o>W^^qo  sein  muß.  Es  ist  also  die 
dem  Äquator  pro  Flächeneinheit  zugesandte  Wärmemenge^ 
stets  größer  als  die  dem  Pole  in  der  gleichen  Zeit  zugestrahlte* 
Für  die  Diskussion  des  Verlaufes  der  solaren  Strahlung 
auf  einer  gegebenen  Breite  während  eines  Jahres  ist  in  der 


1  Siehe  hiezu  Anmerkung  auf  p.  170. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 87 

Funktion  ^(9, 0)  nun  die  Polhöhe  cp  als  konstant,  die  Sonnen- 
länge 0  aber  als  veränderlich  zu  betrachten.  Die  Bedingungs- 
gleichungen für  das  gänzliche  Aufhören  der  solaren  Strahlung, 
beziehungsweise  für  den  Eintritt  eines  Maximums,  Minimums 
sind  analoge  wie  vorhin,  nämlich 

♦=0,  ^=0,        (P) 

nur  mit  dem  Unterschiede,  daß  diese  jetzt  nach  der  Sonnen- 
länge und  nicht  nach  der  Polhöhe  aufzulösen  sind.  Der  Dis- 
kussion dieser  Gleichungen  ließen  sich  folgende  Sätze  ent- 
nehmen: 

Für  jede  Hemisphäre  existieren  drei  voneinander  ver- 
schiedene Typen  im  solaren  Wärmegang  eines  Jahres. 

Der  erste  Typus,  der  äquatoriale,  tritt  auf  bei  allen  Breiten 
zwischen  dem  Äquator  und  der  Breite  cp^.^  Er  ist  charakterisiert 


1  Der  Verfasser  hat  in  seiner  von  der  Wiener  Akademie  veröffentlichten 
Abhandlung  p.  1349  diese  Breite  nur  für  eine  Kreisbahn  berechnet.  Für  eine 
elKptische  Erdbahn,  wie  sie  den  wirklichen  Verhältnissen  entspricht,  läßt  sich 
diese  Berechnung,  wie  folgt,  durchführen. 

Die  Breite  <pQ  gehört  bereits  zu  den  Breiten  der  sogenannten  gemäßigten 
Zone,  auf  denen  der  solare  Wärmegang  dadurch  charakterisiert  ist,  daß  auf 
der  nördlichen  Hemisphäre  das  Maximum  der  solaren  Strahlung  —  auch  unter 
Annahme  einer  elliptischen  Bahn  —  für  die  Sonnenlänge  90®,  das  Minimum 
aber  für  die  Länge  270*^  eintritt.  Andrerseits  aber  läßt  sich  diese  Breite  als 
Grenze  zwischen  der  äquatorialen  und  gemäßigten  Zone  auch  dadurch  kenn- 
zeichnen, daß  auf  ihr  die  beiden  Maxima  der  äquatorialen  Zone  vor  und  nach 
dem  Sommersolstitium  der  betreffenden  Hemisphäre  in  ein  Maximum  zusammen- 

fallen.  Dieses  vorausgeschickt,  bilden  wir  den  Differentialquotienten = 

8  vt)       d  ^2 

für  die  nördliche  Halbkugel  (0®  <:  0  <:  180®)  und  setzen  ihn  gleich  Null;  man 
erhält  dann  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (1)  und  (2): 

— 2^  sin  2 0  cos  «p  -h  —  p  cos  0  sin  <p 

-h  [ — fl|  sin  O  —  3^8  s^"  3®  —  ^^i  sin  4  •)  — . . . 

-h  bi  cos  0  -h  22^2  cos  20  +  Zb^  cos  30  -h  ^b^  cos  40  -4-. . .]  cos  f  =  0, 

wenn   man   gleichzeitig  jene  Glieder  in  der  ersten  Klammer  zusammenfaßt, 
welche  auch  dann  nicht  Null  werden,  wenn  man  auf  eine  Kreisbahn  übergeht, 


188  F.  Hopfner, 

durch  zwei  Maxima  und  zwei  Minima  im  Laufe  eines  Jahres. 
Die  Maxima  treten  im  Sommer  der  betreffenden  Hemisphäre 


also  die  Erdbahnexzentrizität  gleich  Null  seizt  Wir  heben  nun  aus  diesem 
GHede  cos  0  heraus   und  multiplizieren   gleichzeitig  den   zweiten  Klammer- 

COS0 

ausdruck,  den  wir  der  Kürze  halber  mit  r(0)  bezeichnen  wollen,  mit , 

cos  0 

so  daß  sich  ergibt: 

r                                     1              1                  ♦'(®) 
cos  ©    — 4^2  sJn  0  cos  9  H p  sin  « I  -4-  cos  0 cos  ©  =  0. 

L  2  J  COS0 

Es  zerfftUt  somit  die  Gleichung  in  zwei  andere  Gleichungen,  nämlich 

cos  O  =  0  I 


[ 


r(0) 

4^2  sin  © — 

cos  0 


1 
cos  9 /rsinf  =  0.  11 


Die  erstere  Gleichung  gibt,  wie  sich  bei  der  Untersuchung  für  eine  Kreis- 
bahn gezeigt  hat,  die  Bedingung  für  den  Eintritt  der  Maxima  und  Minima  in 
der  solaren  Strahlung  auf  den  Breiten  der  gemäßigten  Zone,  die  zweite  aber 
jene  für  die  Breiten  der  äquatorialen  Zone.  Wir  erhalten  nun  die  gesuchte 
Breite  ^^  die  Grenze  zwischen  der  äquatorialen  und  der  gemäfiigten  Zone, 
wenn  wir  beide  Bedingungsgleichungen  miteinander  verbinden,  so  zwar,  dafi 
wir,  wie  sich  aus  dem  eingangs  dieser  Fußnote  Gesagten  ergibt,  jene  Wurxel 
der  Gleichung  I,  für  welche  sich  auf  den  Breiten  der  gemäßigten  Zone  ein 
Maximum  ergibt,  also  für  die  nördliche  Halbkugel  ©  =  00^,  in  die  Bedin- 
gung II  einsetzen,  der  sie  genügen  muß.  Dadurch  wird  aber  in  dieser  Gleichung 

r(0) 

sinO  =  l,  während  der  Bruch  für  diese  Wurzel  in  die  unbestimmte 

Q  cos  0 

Form  —  übeigehen  muß,  da  sich  jedenfalls  ?o  ^  '  ergeben  muß.  Man  erhält 

somit  für  tpp  die  Bestimmungsgleichung 

4 


«2  —    Hm       

,.,  =  900  Lcos0J 


1 


und  da      lim =  [r'(0)]Q  ^  g^« 

0=900  [cos  ^/J  ^     "^ 


%?0  = 


1 


Mit  Benützung  der  vom  Verfasser  in  der  Met.  Zeitschrift  (1906,  p.  385) 
veröfifentlichten  numerischen  Werte  der  Konstanten  der  Fourier'schen  Reihe 
berechnet  sich  f^  hieraus  zu  21^  43'  38". 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 S9 

vor  und  nach  der  Sonnenwende  auf,  die  Minima  zur  Zeit  der 
Solstitien  selbst.  Dabei  fallt  das  tiefere  Minimum,  das  Haupt* 
minimum,  in  das  Wintersolstitium,  das  flachere  in  das  Sommer« 
solstitium  der  betreffenden  Halbkugel. 

Der  zweite  Typus  (Typus  der  gemäßigten  Zone)  im 
solaren  Wärmegange  tritt  auf  zwischen  den  Breiten  ff^  (ein* 
schliefllich)  und  der  Breite  90* — s.  Hier  weist  der  solare 
VVärmegang  ein  Maximum  und  ein  Minimum  auf,  ersteres  zur 
Zeit  des  Sommersolstitiums,  letzteres  im  Wintersolstitium  der 
betreffenden  Hemisphäre. 

Der  dritte  Typus,  der  polare,  zeigt  sich  in  den  Breiten  von 
90'' — 8  (einschließlich)  bis  zum  Pole.  Hier  sind  die  Breiten 
eine  gewisse  Zeit  im  Jahre  unbestrahlt;  das  Maximum  der 
Strahlung  fallt  in  das  Sommersolstitium  der  betreifenden  Hemi- 
sphäre. 

Hiemit  ist  die  Zusammenstellung  der  für  die  weitere  Ent- 
wicklung notwendigen  Sätze  und  Gleichungen  beendet.  Diese, 
der  folgenden  Untersuchung  zu  Grunde  gelegt,  ermöglichen 
eine  ungemein  einfache  Lösung  des  Problems  der  Verteilung 
der  solaren  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  bei  Exi- 
stenz einer  Wärmestrahlen  absorbierenden  Atmosphäre. 


m.  Das  Lambert'sche  Absorptionsgesetz.  Besondere  Formen 

desselben. 

Ehe  die  Wärmestrahlen  der  Sonne  an  die  Oberfläche  der 
Erde  gelangen,  müssen  sie  die  atmosphärische  Luft  passieren. 
In  dieser  erfährt  ihre  Energie  eine  Schwächung  teils  durch 
molekulare  Absorption,  teils  durch  innere  Reflexion. 

Letztere  schalten  wir  aus  unserer  Betrachtung  gänzlich 
aus.  Zwar  wird  ja  gerade  durch  sie  die  Atmosphäre  selbst  eine 
licht-  und  wärmespendende  Hülle  für  die  Oberfläche  der  Erde. 
Doch  erstreckt  sich  die  vorliegende  Untersuchung  nach  dem 
Vorbilde  Angot's  nur  auf  die  direkt  von  der  Sonne  der  Erde 
zugestrahlten  Wärmemengen,  so  daß  alle  sekundären  Wärme- 
quellen der  Erdoberfläche  keine  Berücksichtigung  erfahren 
mögen. 


190  F.  Hopfner, 

Mehr  Aufmerksamkeit^  müssen  wir  dafür  der  ersteren 
Ursache  der  Schwächung  der  Energie  der  Wärmestrahlen  in 
der  atmosphärischen  Luft  schenken.  Durch  die  molekulare 
Absorption  werden  einerseits  gewisse  Strahlengattungen  im 
Wärmespektrum  der  Sonne  überhaupt  nicht  von  der  Luft 
durchgelassen,  so  daß  an  deren  Stelle  im  Wärmespektrum 
Streifen  und  Bänder  entstehen,  die  sogenannten  »kalten 
Bänder«,  andrerseits  erfahren  alle  Strahlengattungen  über- 
haupt eine  Schwächung  in  ihrer  Intensität.  Die  den  Wärme- 
strahlen entzogene  Energie  verstärkt  jene  der  Luftmoleküle, 
erhöht  also  ihre  Temperatur,  wodurch  die  Luft  gegenüber  der 
Erdoberfläche  wieder  zu  einer  sekundären  Wärmequelle  wird- 

Gegenüber  diesen  Ergebnissen  Langley's^  gelangt 
F.  Paschen*  durch  seine  Untersuchungen  zu  dem  übrigens 
wahrscheinlicheren  Resultat,  daß  durch  die  Absorption  der 
Atmosphäre  nur  in  den  »kalten  Bändern«  gewisse  Strahlen- 
gattungen im  Wärmespektrum  der  Sonne  geschwächt  und 
ganz  ausgelöscht  werden,  dagegen  alle  übrigen  Strahlen- 
gattungen durch  sie  überhaupt  keine  Schwächung  in  ihrer 
Intensität  erfahren,  sondern  nur  durch  die  diffuse  Reflexion 


J-  Gelegentlich  der  Behandlung  einer  anderen  Frage  unterzieht  Nils 
Ekholm  die  Absorption  der  Wärmestrahlen  durch  die  Atmosphäre  einer  ein- 
gehenden Besprechung.  Man  beachte  seine  Abhandlung  in  der  Met.  Zeit- 
schrift, 1902,  p.  1  ff. :  »Über  Emission  und  Absorption  der  Wärme  und  deren 
Bedeutung  für  die  Temperatur«  (mit  mehreren  Fortsetzungen),  in  welcher  er 
»eine  übersichtliche  Darstellung  der  bis  jetzt  bestätigten  Tatsachen  und  Schluß- 
folgerungen« auf  Grund  der  bis  dahin  erschienenen  Gesamtliteratur  über  diesen 
Gegenstand  gibt.  Im  Obigen  kann  auf  dieses  viel  umstrittene  Problem  der 
Meteorologie  natürlich  nur  soweit  eingegangen  werden,  als  zur  Beurteilung  der 
Vereinfachungen,  welche  bei  der  Aufstellung  des  Lambert'schen  Absorptions- 
gesetzes gemacht  werden,  und  zur  Beurteilung  seiner  Gültigkeit  unbedingt 
notwendig  ist.  Weiter  beachte  man:  Melander,  Über  die  Absorption  der 
Atmosphäre,  Helsingfors,  1901;  Angström,  Öfversigt  K.  Vetensk.  Akad. 
Porh.,  1901,  p.  371  flf.  und  p.  381  flf.;  J.  Koch,  ibid.,  p.  475  ff.;  Rubens  und 
Ladenburg,  Verhandlungen  der  deutschen  Physikalischen  Gesellschaft,  VII, 
1903,  p.  171  ff. 

3  Researches  on  solar  heat. 

8  F.  Paschen,  Über  die  Emission  erhitzter  Gase,  Wiedemann's  Annalen, 
Bd.  50,  p.  409  flf.;  Über  die  Emission  der  Gase,  ibid.,  Bd.  51,  p.  1,  und  Bd.  52, 
p.  209;  Referat  von  Trabert,  Met.  Zeitschr.,  1894,  p.  236  ff. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  191 

in  der  Atmosphäre.  Die  Entscheidung  dieser  Frage  ist  für 
das  vorliegende  Problem  insofern  belanglos,  als  im  folgenden 
nicht  die  Schwächung  jeder  einzelnen  Strahlengattung  von 
bestimmter  Wellenlänge,  sondern  nur  die  Schwächung  des 
Effektes  des  ganzen  Wärmespektrums  der  Sonne  durch  die 
Absorption  in  Rechnung  gezogen  wird. 

Bereits  die  grundlegenden  Untersuchungen  von  Langley 
haben  ergeben,  daß  die  meisten  dieser  Absorptionsstreifen  und 
Bänder  im  roten  Ende  und  darüber  hinaus  in  jenem  Teile  des 
Sonnenspektrums  liegen,  welches  keine  Lichtempfindung  auf 
der  Netzhaut  des  Auges  hervorruft.  Es  ist  also  vorzugsweise 
die  dunkle  Strahlung  der  Sonne,  welche  durch  die  Luft  eine 
Absorption  erfährt,  eine  ungemein  wichtige  Tatsache,  da  damit 
auch  die  von  der  erkaltenden  Erde  gegen  den  Weltraum  aus- 
gesandten Wärmestrahlen  (dunkle,  langwellige  Strahlen)  von 
der  Atmosphäre  absorbiert  werden,  wodurch  diese  wie  eine 
Decke  die  Erde  vor  rascher  Auskühlung  schützt. 

Die  atmosphärische  Luft  ist  ein  Gasgemisch,  dessen  haupt- 
sächlichste Bestandteile  die  für  die  in  der  Atmosphäre  auf- 
tretenden Druck-  und  Temperaturverhältnisse  permanenten 
Gase  Stickstoff,  Sauerstoff  und  Kohlensäure  sind;  hiezu  kommt 
noch  als  wichtiger  Bestandteil  der  Wasserdampf,  jedoch  als 
nicht  permanentes  Gas.  Es  fragt  sich  nun,  in  welcher  Weise 
sind  die  einzelnen  Gase  an  der  Absorption  der  Wärmestrahlen 
beteiligt;  denn  da  wir  über  die  vertikale  Verteilung  dieser  Gase 
in  der  Atmosphäre  unterrichtet  sind,  so  ist  mit  der  Beant- 
wortung dieser  Frage  auch  bereits  Aufschluß  gegeben,  in 
welchen  Höhenschichten  sich  vorzugsweise  die  Absorption  der 
Wärmestrahlen  abspielt. 

Nach  den  gegenteiligen  Resultaten  mancher  anderer  haben 
die  speziell  zur  Beantwortung  dieser  Frage  angestellten  Unter- 
suchungen K.  Angström's^  und  F.  Paschen's  zuerst  un- 
zweifelhaft ergeben,  daß  die  Absorption  von  Wärmestrahlen 
durch  Stickstoff,  Sauerstoff  und  durch  trockene,  von  Kohlensäure 
freie  Luft  kaum  nachweisbar  ist  gegenüber  ihrer  Absorption  in 


1  K.  Angström,  Beobachtungen  über  die  Strahlung  der  Sonne.  Wied. 
Annalen,  Bd.  39  (1890). 


192  F.  Hopfner, 

Kohlensäure  und  (nicht  kondensiertem)  Wasserdampf.  Es  ist 
also  das  Absorptionsvermögen  der  Atmosphäre  allein  durch  das 
Zusammenwirken  dieser  beiden  letzteren  Gase  bedingt,  welche 
trotz  der  geringen  Mengen,  in  denen  sie  im  Vergleich  zu  den 
anderen  Gasen  in  der  Atmosphäre  auftreten,  dennoch  infolge 
ihres  relativ  großen  Absorptionsvermögens  gegen  Wärme- 
strahlen im  Wärmespektrum  der  Sonne  sich  bemerkbar  machen. 

Nach  dem  Dalton'schen  Gasgesetze  kann  die  Kohlensäure 
nur  in  den  untersten  Schichten  der  Atmosphäre,  diese  voll- 
kommen ruhend  gedacht,  auftreten.  Desgleichen  erfolgt  die 
Abnahme  des  Wasserdampfgehaltes  *  der  Atmosphäre  sehr 
rasch  mit  der  Höhe.  Es  sind  daher  gerade  die  untersten 
Schichten  der  Atmosphäre,  in  welchen  die  stärkere  Absorption 
der  Wärmestrahlen  erfolgt. 

Lambert,*  dem  bei  dem  damaligen  Stande  der  Physik  in 
der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  diese  Tatsachen  nicht 
bekannt  waren,  nahm  bei  der  Aufstellung  seines  Absorptions- 
gesetzes die  Luft  als  ein  homogenes  Mittel  an,  welches  er  sich 
in  Schichten  geteilt  dachte,  derart,  daß  der  in  jeder  Schichte  vom 
betrachteten  Wärmestrahlen  zurückgelegte  Weg  gleich  lang  ist. 
Unter  dieser  Voraussetzung  muß  dann  in  jeder  Schichte  dem 
Wärmestrahl  die  gleiche  Menge  an  Energie  durch  Absorption 
entzogen  werden.  Wird  demnach  in  der  ersten  dieser  Schichten 
von  der  an  der  Grenze  der  Atmosphäre  auffallenden  solaren 
Wärmemenge  W  der  (1 — p)^  Teil  absorbiert,  so  tritt  in  die 
zweite  Schichte  nun  die  Wärmemenge  p,W  ein,  von  welcher 
wieder  der  (1 — /7)te  Teil  absorbiert  wird,  so  daß  nun  die 
Wärmemenge  /?*.W  auftritt  u.s.w.  Es  wird  also  nach  Passieren 
der  «ten  Schichte  auf  die  Erdoberfläche  nur  die  Wärmemenge 
p^,W  auffallen.  Wird  nun  der  in  einer  Schichte  durchlaufene 
Weg  gleich  1  gesetzt,  so  ist  n  gleich  dem  ganzen  Wege  5  des 


1  Hann,  Lehrbuch  der  Meteorologie,  Leipzig,  1901,  p.  220  ff. 

3  Seine  Photometria  ist  in  Ostwald's  Klassikerausgaben  in  deutscher 
Obersetzung  als  Nr.  31  und  32  neu  erschienen;  seine  Ansichten  über  die 
Schwächung  der  Sonnenstrahlung  durch  die  Atmosphäre  findet  man  im  5.  Teile 
(Nr.  32,  p.  64  ff.)  niedergelegt.  Unabhängig  von  Lambert  hat  Booguer  in 
seinem  Traite  d'optique  sur  la  gradation  de  la  lümiere,  Paris,  1760,  dasselbe 
Absorptionsgesetz  aufgestellt. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  193 

Wänhestrahles  in  der  Atmosphäre.  Es  ist  daher  nach  Lambert 
die  nach  erfolgter  Absorption  in  der  Atmosphäre  auf  die 
Erdoberfläche  auffallende  Wärmemenge  gegeben  durch  die 
Gleichung 

Hierin  ist  der  Faktor  p,  der  sogenannte  Transmissions* 
koeffizient,  der  Natur  der  Sache  nach  stets  ein  positiver,  echter 
Bruch.  Wird  er  gleich  1  angenommen,  so  heifit  das,  die  Atmo- 
Sphäre  absorbiert  überhaupt  keine  Wärmestrahlen;  q  wird 
dann  identisch  mit  Wy  der  solaren  Wärmemenge;  für  /?  =  0 
wird  die  rechte  Seite  der  Gleichung  auch  gleich  Null;  es  läßt 
für  diesen  Wert  des  Transmissionskoefßzienten  die  Luft  keine 
Wärmestrahlen  hindurch. 

Gemäfi  den  vorausgeschickten  physikalischen  Betrach- 
tungen ist  es  klar,  daS  dieses  von  Lambert  aufgestellte 
Gesetz  nur  als  eine,  wenn  auch,  wie  sich  aus  zahlreichen 
Beobachtungen^  ergeben  hat,  grofie  Annäherung  an  die  wirk- 
lichen Verhältnisse  bezeichnet  werden  darf.  Vor  allem  ist  die 
Atmosphäre  kein  so  homogenes  Medium,  wie  Lambert  an- 
genommen hat  Denn  da,  wie  hervorgehoben,  die  Absorption 
der  Wärmestrahlen  hauptsächlich  durch  die  in  der  Luft  befind- 
liche Kohlensäure  und  den  Wasserdampf  erfolgt,  so  sind  die 
unteren  Luftschichten  der  Atmosphäre  an  der  Absorption  un- 
gleich stärker  beteiligt  als  die  an  der  Grenze  der  Atmosphäre 
befindlichen.  Aber  selbst  wenn  die  Luft  nicht  als  Gasgemisch 
verschieden  absorbierender  Gase,  sondern  als  einfaches  Gas 
betrachtet  werden  dürfte,  so  müßte  dennoch,  abgesehen  von 
den  Einflüssen  der  vertikalen  Temperaturverteilung,  in  den 
unteren  Luftschichten  eine  stärkere  Absorption  der  Wärme- 
strahlen stattfinden  als  oben,  da  ihre  Dichte  von  oben  nach 
unten  zunimmt  und  die  Absorption  der  Gase  gegen  Wärme- 
strahlen, wenn  auch  langsam,  mit  dieser  wächst. 

Weiter  nimmt  Lambert  keine  Rücksicht  darauf,  daß  die 
Atmosphäre,  wie  bereits  erwähnt,  die  Wärmestrahlen  von  ver- 
schiedener Wellenlänge  in  den  einzelnen  Teilen  des  Wärme- 


^  Pouillet,  Pogg.  Annalen,  4S,  30. 


194  F.  Hopfner, 

Spektrums  verschieden  absorbiert.  Da  infolge  dieser  Eigenschaft 
der  Atmosphäre  (»selektive«  Absorption)  jeder  Strahlengattung 
von  bestimmter  Wellenlänge  ein  besonderer  Absorptionskoeffi- 
zient zukommt,  so  gilt  obige  Formel,  streng  genommen,  nur 
für  eine  bestimmte  Wellenlänge.  Will  man  aber  dennoch  diese 
Formel  auf  den  Effekt  des  gesamten  Wärmespektrums  der 
Sonne  anwenden,  so  wird  man  für  p  einen  mittleren  Wert  aus 
allen  im  Spektrum  vorkommenden  Absorptionskoeffizienten 
wählen  müssen,  dessen  Bestimmung  jedoch  über  eine  gewisse 
Grenze  der  Genauigkeit  nicht  hinauskommen  wird. 

Trotz  dieser  physikalischen  Einwände  hat  sich  das  Lam- 
bert'sche  Absorptionsgesetz  als  das  einzige,  allgemein  praktisch 
verwendete  Gesetz  für  die  Absorption  der  Wärmestrahlen  durch 
die  Luft  gut  bewährt  und  allen  Beobachtungen  hinlänglich  ent- 
sprochen. Die  Ursache  hiefür  liegt  darin,  daß  bei  der  geringen 
Absorption,  welche  die  Wärmestrahlen  gerade  in  den  obersten 
Schichten  der  Atmosphäre  erfahren,  man  einfach  annehmen 
kann,  in  diesen  finde  überhaupt  keine  statt  und  sie  beginne 
erst  mit  dem  Moment,  in  welchem  die  Wärmestrahlen  in  die 
Kohlensäure-Atmosphäre  der  Erde  und  in  die  wasserdampt- 
haltigen  Luftschichten  eintreten.  Deren  vertikale  Erhebung 
über  dem  Erdboden  ist  aber  im  Vergleich  zu  den  Erddimen- 
sionen eine  derart  geringe,  daß  die  Kohlensäure -Atmosphäre 
und  die  wasserdampfhaltige  Luft  als  eine  einzige  durchaus 
homogene  Schichte  der  gesamten  Atmosphäre,  welche  als 
unterste  unmittelbar  am  Erdboden  aufliegt,  betrachtet  werden 
kann.  Es  ist  dann  s  nur  als  der  Weg  anzusehen,  welchen  die 
Wärmestrahlen  in  dieser  untersten  Luftschichte  zurücklegen. 

Der  Ermittlung  dieser  Weglänge  legte  Lambert  die  eben 
klargelegte  Anschauung  auch  tatsächlich  zu  Grunde.  Die 
Lösung  dieser  Aufgabe  ist  ein  Problem  der  kosmischen  Physik 
und  nur  mittelbar  der  Meteorologie,  mit  dem  sich  bei  Beob- 
achtung größerer  oder  geringerer  Strenge  von  Laplace  an- 
gefangen eine  ganze  Reihe  von  Forschern  befaßt  hat  Es  ist 
klar,  daß  man  bei  der  Bestimmung  dieser  Weglänge  für  die 
Zwecke  des  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes  nicht  die 
größte  Strenge  fordern  wird,  sondern  sich  mit  einer  Genauig- 
keit begnügen  kann,  welche  den  bei  der  Aufstellung  dieses 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 95 

Gesetzes  gemachten  Vereinfachungen  in  der  Annahme  der 
wirklichen  Verhältnisse  entspricht. 

Zu  diesem  Zwecke  zerlegen  wir  die  Atmosphäre  (die 
Erde  hiebei  als  Kugel  vorausgesetzt)  in  unendlich  dünne, 
homogen  gedachte,  mit  der  Erde  konzentrische  Kugelschalen, 
so  zwar,  daß  die  Dichte  von  Schichte  zu  Schichte  gegen  die 
Erdoberfläche  hin  zunimmt  Dringt  nun  ein  Wärmestrahl  in 
eine  so  vorbereitete  Atmosphäre  ein,  so  wird  er  an  der  Grenz- 
fläche je  zweier  solcher  Schichten  eine  Brechung  nach  den 
Gesetzen  der  Optik  erfahren  und  dies  von  Grenzfläche  zu 
Grenzfläche,  so  daß  der  Weg  des  Wärmestrahles  die  Ein- 
hüllende aller  jener  unendlich  kleinen  Wege  ist,  die  der  Strahl 
in  jeder  der  angenommenen  Schichten  geradlinig  zurücklegt. 

Diese  geometrische  Anschauung  erlaubt  eine  einfache 
Gleichung  aufzustellen.  Betrachten  wir  den  Strahl  in  einer 
beliebigen  Schichte  vor  seiner  Brechung  beim  Eintritt  in  die 
nächst  dichtere  Schichte.  Dann  ist  sein  Einfallswinkel  i  ein- 
fach der  Winkel  zwischen  dem  Wege  des  Strahles  in  der 
betrachteten  Schichte  und  jener  Geraden,  welche  den  Erd« 
mittelpunkt  mit  jenem  Punkte  an  der  Grenze  beider  Schichten 
verbindet,  in  welchem  der  Strahl  von  der  einen  in  die  andere 
Schichte  übertritt.  Die  Entfernung  dieses  Punktes  vom  Erd- 
mittelpunkte sei  p.  Es  schließe  nun  weiter  diese  letztere 
Gerade  mit  einer  beliebigen  Achsenrichtung  durch  den  Erd- 
mittelpunkt den  Winkel  v  ein.  Dann  besteht  für  unsere  Ein- 
hüllende in  Polarkoordinaten  die  bekannte  Gleichung  der 
Differentialgeometrie 

dp 

da  der  Einfallswinkel  i  nichts  anderes  ist  als  der  Winkel, 
welchen  die  Tangente  an  die  Einhüllende  mit  deren  Radius- 
vektor p  einschließt.  Zur  Bestimmung  der  Bogenlänge  addieren 
wir  die  beiden  aus  obiger  Beziehung  sich  unmittelbar  er- 
gebenden Gleichungen 

(p  Jt;)«  =  tg8  f  (Jp)« 
{dpY  =  (dpy 


196  F.  Hopfner, 

und  erhalten:. 

ds.  =  \\/(pdvy  +(Jp)*  I  =  secidp. 

Es  ist  daher  der  Weg,  den  der  Strahl  in  der  Atmosphäre 
zurücklegt,  gegeben  durch  das  Integral 

s  =  (  sec  idp. 


=ß 


Hierin  ist  nun  der  Winkel  i  eine  Funktion  von  der  Größe  p, 
da  der  Einfallswinkel  als  Funktion  der  Dichte  abhängig  ist  von 
der  Annahme  der  Höhe  des  betrachteten  Punktes  in  der  Atmo- 
sphäre. Hier  ist  nun  eine  Vereinfachung  gestattet,  welche  im 
Einklänge  steht  mit  den  vereinfachenden  Annahmen  bei  Ab- 
leitung des  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes. 

Lambert  setzte  alle  Schichten  der  Atmosphäre  unter- 
einander als  homogen  voraus.  In  solchen  findet  aber  nach  den 
Gesetzen  der  Optik  an  ihren  Grenzflächen  keine  Brechung 
statt.  Es  bleibt  daher  der  Einfallswinkel  /  von  Schichte  zu 
Schichte  ungeändert,  also  unabhängig  von  der  Größe  p. 

Bei  dieser  Annahme  wird  aber  die  obige  Integration  sehr 

einfach.  Ebenso  ergeben  sich  die  Grenzen  des  Integrales  von 

selbst.  Untere  Grenze  ist  jedenfalls  der  Erdradius  a,  obere 

Grenze  die  Summe  aus  ihm  und  der  Höhe  der  absorbierenden 

Atmosphäre,  also  a+rf.   Es  ergibt  sich  also  mit  hinlänglicher 

Genauigkeit    die    gesuchte   Wegstrecke    aus    der    bekannten 

Gleichung 

s  ziz  d  sec  I. 

Hierin  ist  nun,  wie  bereits  hervorgehoben,  i  der  Winkel, 
welchen  der  einfallende  Strahl  mit  jener  Geraden  einschließt, 
welche  den  Mittelpunkt  der  Erde  mit  jenem  Punkte  verbindet, 
in  welchem  der  betrachtete  Strahl  von  einer  Luftschichte  in 
die  nächst  dichtere  eintritt.  In  unserem  vereinfachten  Falle 
kann  daher  der  Winkel  i  gleich  gesetzt  werden  jenem  Werte, 
welchen  f  an  der  Grenze  der  Atmosphäre  hat,  wo  der  Strahl 
vom  »leeren«  Raum  in  die  Erdatmosphäre  eintritt,  oder  gleich 
jenem  Werte,  welchen  i  beim  Auffallen  des  Strahles  auf  den 
festen  Erdboden  angenommen   hat.  Im  ersteren  Falle   ist  i 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  197 

gleich  der  wahren  Zenithdistanz  der  Sonne,  im  letzteren  Falle 
aber  gleich  der  scheinbaren  Zenithdistanz  der  Sonne  im  Beob- 
achtungsorte. 

Da  die  durchzuführende  Untersuchung  im  engen  Anschluß 
an  jene  Gleichungen  durchgeführt  werden  soll,  welche  der 
Verfasser  bei  Behandlung  des  Problems  der  solaren  Wärme- 
strahlung abgeleitet  hat,  wollen  wir  konsequenterweise  den 
Winkel  i  gleich  der  wahren,  auch  von  der  Parallaxe  des  Beob- 
achtungsortes befreiten  Zenithdistanz  z  der  Sonne  setzen,  da 
in  den  für  die  solare  Strahlung  gültigen  Gleichungen  nur 
von  der  Refraktion  und  der  Parallaxe  befreite  astronomische 
Elemente  auftreten. 

Jenes  Plus  an  Wärmemenge,  welches  infolge  der  astro- 
nomischen Refraktion  dem  Beobachtungsorte  mehr  zugestrahlt 
wird,  läßt  sich  nach  dem  Vorbilde  Zenker's  durch  besondere 
Formeln  in  einfacher  Weise  bestimmen,  doch  gehen  wir  hier 
nicht  weiter  darauf  ein. 

Setzen  wir  weiter  in  obiger  Gleichung  noch  d,  welches 
physikalisch  nichts  anderes  ist  als  die  Länge  des  Weges  des 
Strahles  bei  senkrechtem  Eintritt  in  die  Atmosphäre,  gleich  1, 
so  erhalten  wir  schließlich  für  das  Lamberfsche  Absorptions- 
gesetz die  Gleichung 

q  =p^^^.W. 

Damach  erhält  man  die  Wärmemenge,  welche  nach  Pas- 
sieren der  Erdatmosphäre  auf  die  Erdoberfläche  auffallt,  wenn 
man  die  solare  Wärmemenge,  also  jene,  welche  bei  Fehlen 
einer  Atmosphäre  unter  gleichen  Strahlungsverhältnissen  auf 
die  Erde  gelangen  würde,  mit  dem  Faktor  p^^^^  multipliziert. 
Da  nun  die  unendlich  kleine  solare  Wärmemenge  dW,  welche 
in  der  unendlich  kleinen  (mittleren)  Zeit  di  auf  eine  an  der 
Erdoberfläche  gegebene  Flächeneinheit  auffallt,  durch  die 
Gleichung 

dW         C     .    . 
=:  —  sm  h 

dt  H 

bestimmt  ist,  so  berechnet  sich  die  unendlich  kleine  Wärme- 
menge dq,  welche  nach  Passieren  der  Atmosphäre   auf  die 


198  F.  Hopfner, 

gegebene  Flächeneinheit  in  jeder  unendlich  kleinen  Zeit  di 
auffallt,  aus  der  Gleichung 

dq         ^     "SIHT     sinÄ 

-77  — ^'P       ' — r~'  ^^^ 

dt  r* 

wenn  man  berücksichtigt,  daß  h  =  90* — z  ist. 

Diese  beiden  Gleichungen  bilden  den  Ausgangspunkt  für 
die  weitere  Untersuchung.  Wir  eliminieren  aus  der  letzteren 
mit  Hilfe  der  ersteren  Gleichung  die  Sonnenhöhe  und  erhalten 

jC       1 
f«  '  dW 

dq  dW     ^       -JT 


dt  dt 

Beachtet  man  nun,  daß 

dq    dq    dQ 

dt    ""   ^O     dt 
und  ebenso 

dW  _  dW   d(D 

dt     ""   ^0     dt    - 

ist,  ferner,  daß  das  zweite  Keppler'sche  Gesetz,  welches  besagt, 
daß  die  von  den  Radienvektoren  überstrichenen  Flächen  den 
Zeiten  proportional  sind,  durch  die  Differentialgleichung 

dt    ~"  r2 

gegeben  ist,  so  erkennt  man  leicht,  daß  obige  Gleichung  sich 

auch  schreiben  läßt: 

c     1 

c  '  dW 

dq    _   dW  -jj: 

-^  p  . 


dO  dQ 

Drückt  man  hierin  noch  die  Konstante  p  durch  ihren 
natürlichen  Logarithmus  aus,  so  ergibt  sich  als  schließliche 
Form  des  transformierten  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes 

Inp 


dq    _  dW    ^  do 

dQ         dQ 


c       -^     dW 

(I) 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  1 99 

In  dieser  Gleichung  ist  die  Wärmemenge  q  als  Funktion 

dW 
des   Differentialquotienten   und   des   Absorptionskoeffi- 

zienten  p  dargestellt.  Dieser  Differentialquotient  ist  gemäß  den 
Gleichungen  des  Abschnittes  II  als  alleinige  Funktion  der 
Länge  O  der  wahren  Sonne  zu  betrachten,  also  als  eine 
Funktion  eines  Elementes  der  jährlichen  Bewegung  der  Erde 
um  die  Sonne.  Es  ist  daher  auch  q  durch  obige  Gleichung  als 
eine  Funktion  eines  Elementes  der  jährlichen  Bewegung  der 
Erde  in  ihrer  Bahn  dargestellt.  Wir  berechnen  daher  nach 
den  Ausführungen  des  ersten  Abschnittes,  wenn  wir  diese 
Gleichung  der  weiteren  Untersuchung  zu  Grunde  legen,  mitt- 
lere, durchschnittliche  Wärmemengen,  welche  pro  Flächen- 
einheit beliebigen  Breiten  zugestrahlt  werden. 

Es  sollen  noch  einige  besondere  Formen,  auf  die  sich 
obige  Gleichung  bringen  läßt,  mitgeteilt  werden. 

Beachtet  man,  daß 

dq    _    dq     dW 


dO         dW    d(z> 

ist  und 

1  J© 


dW  dW 

JO 

gesetzt  werden  darf,  wenn  man  q  und  0  sich  als  Funktionen 
von  W  denkt,  so  ergibt  sich  unmittelbar  als  Form  (II)  des 
Lambert'schen  Absorptionsgesetzes 

c .        dO 
dq^-T'^v^-m^  (II) 


dW 


eine  Gleichung,  in  welcher  W  als  alleinige  unabhängige  Ver- 
änderliche auftritt. 

Diese  letzte  Gleichung  ist  die  Ausgangsgleichung  für  eine 
dritte  Form  des  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes,  welche 
eine  schöne  Analogie  zu  dem  Gesetze  der  Verteilung  der 
solaren  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  (siehe  Glei- 
chung 1)  ist 

Sitxb.  d.  matti6m.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  Ilr.  14 


200  F.  Hopfner. 


Logarithmiert  man  nämlich  Gleichung  (II),  so  erhält  man 

dW  C  ,  1 

In  p 


dO  ^  .     äq 

In 


dW 


Wir  bilden  diese  Gleichung   für  nachstehende   spezielle 

Fälle: 

ldW\  C  ,  1 

V^0/9  =  o  c       ^    /      dg  \ 

\     dwK  =  o 

fdW\  C  ,  1 

1  = in  p 

Vd©/9  =  90o  c       ^  /      dq  \ 

Diese  Gleichungen  und  die  vorige  in  die  linke  Seite  des 
solaren  Strahlungsgesetzes  eingesetzt,  ergeben  sofort  die  dritte 
Form  des  Lambert'schen  Gesetzes,  nämlich^ 

1  1 

:=z   cos  (p  + 

in  13\  (,n  ^) 

dWh  ^     dWJ-9  =  o 


1 


In-A^^ 


sin  cp,  (III) 


dwK  =  ^ 


eine  Differentialgleichung,  welche,  wie  wir  sehen  werden,  das 
Gesetz  der  Verteilung  der  durch  Absorption  in  der  Atmo- 
sphäre geschwächten  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche 
zum  Ausdrucke  bringt. 

In  einem  späteren  Abschnitte  wird  das  Lambert*sche  Ab- 
sorptionsgesetz noch  in  einer  vierten  Form  dargestellt  werden. 

IV.  Die  Verteilung  der  durch  Absorption  in  der  Atmosphäre 
geschwächten  Wärmestrahlung  auf  der  Oberfläche  der  Erde. 

Der  Untersuchung  über  die  Größe  der  Wärmemengen, 
welche    nach   Passieren    der   atmosphärischen   Luft    auf   die 


p^U 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  20 1 

Oberfläche  der  Erde  auffallen,  und  ebenso  der  Diskussion  über 

die  Verteilung  dieser  Wärmemengen  auf  der  Erde  legen  wir 

die  Forni  (I)  des  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes  zu  Grunde. 

/dW\ 
Für  den  Differentialquotienten  ( 1    wollen  wir  wieder  die 

früher  vorgeschlagene  Schreibweise  gebrauchen;  das  Produkt 

C 
—  Inp  bezeichnen  wir  kurzer  Hand  mit  dem  Buchstaben  ji; 

dann  haben  wir  uns  mit  der  Gleichung 

^_ 
=  ^e    *  (6) 


^9    _  ... .     V 


dQ 
zu  befassen. 

Vor  allem  sieht  man,  da  gemäß  der  physikalischen  Ab- 

leitung  dieser  Gleichung  immer  e  ^  <\  sein  muß,  daß  die 
Wärmemengen,  welche  nach  Passieren  der  Atmosphäre  auf 
die  Erdoberfläche  auffallen,  kleiner  sind  als  die  unter  gleichen 
Verhältnissen  in  der  gleichen  Zeit  zugestrahlten  solaren  Wärme- 
mengen; hiebei  sind  die  ersteren  Wärmemengen  um  so  kleiner, 
je  näher  |t  an  +  oo  liegt,  je  stärker  also  der  Absorptionskoeffi- 
zient ;;  gegen  die  Null  konvergiert.  Es  sind  daher  die  nach 
Passieren  der  Luft  auffallenden  Wärmemengen  um  so  kleiner, 
je  stärker  die  Atmosphäre  Wärmestrahlen  absorbiert. 

Weiter  erkennt  man,  daß  gemäß  der  besonderen  Form  der 

rechten  Seite  obiger  Gleichung  der  Differentialquotient  — — 

dQ) 

für  einen  bestimmten  Wert  der  Sonnenlänge  0^  immer  größer, 
gleich  oder  kleiner  sein  muß  als  für  einen  besonderen  Wert 
der  Sonnenlänge  O^,  wenn  der  der  ersteren  Sonnenlänge  ent- 
sprechende Wert  von  ^  größer,  gleich  oder  kleiner  ist  als  der 
der  zweiten  Sonnentänge  entsprechende  Wert  von  ^]  d.  h. 
wenn  die  Beziehung 

*0  =  0,il'0=.r. 


besteht,  so  gilt  auch  immer  für  dieselben  Werte  der  Sonnen- 
länge die  Beziehung 

dq_\  ^  fdq\ 

14* 


(• 


202  F.  Hopfner, 

Wenn  daher  in  der  Untersuchung  über  die  solare  Strahlung 
der  Nachweis  erbracht  wurde,^  daß  ^  für  alle  Werte  der  Sonnen- 
länge in  einem  Erdbahnquadranten  größer,  gleich  oder  kleiner 
sei  als  für  sämtliche  in  bestimmter  Weise  zugeordnete  Werte 
der  Sonnenlänge  in  einem  anderen  Erdbahnquadranten,  so  gilt 

dieser  Nachweis  auch  für  den  DifFerentialquotienten  — ^-  für 

dQ 

Sonnenlängen  gleichen  Intervalles.  Es  gelten  somit  alle  bei  der 
Untersuchung  über  die  solare  Strahlung  hinsichtlich  der  Ver- 
schiedenheit der  Stärke  der  Bestrahlung  in  den  einzelnen  Erd- 
bahnquadranten ausgesprochenen  Sätze  unverändert  auch 
für  die  durch  Absorption  geschwächte  Strahlung.  Es  können 
daher  die  in  Abschnitt  II  wiedergegebenen  Sätze  über  die  solare 
Strahlung  ohne  weiters  auf  die  Größe  der  nach  Passieren  der 
Atmosphäre  auffallenden  Wärmemengen  angewendet  werden. 
Darnach  erfahren  also  die  von  der  Sonne  der  Erde  in  den 
einzelnen  Zeiten  zugestrahlten  Wärmemengen  durch  die  Ab- 
sorption absolut  zwar  eine  Verringerung,  im  relativen  Verhält- 
nis der  Größe  dieser  Wärmemengen  in  den  einzelnen  Erdbahn- 
quadranten ändert  sich  aber  nichts. 

Hiemit  ist  die  Untersuchung  über  die  Größe  der  bei 
Vorhandensein  einer  Atmosphäre  auffallenden  Wärmemengen 
erledigt.  Gehen  wir  zum  zweiten  Teile  unserer  Aufgabe,  zur 
Untersuchung  über  die  Verteilung  der  Wärmestrahlung  auf 
der  Erdoberfläche  über. 

Die  unabhängig  Veränderlichen  in  unserer  Ausgangs- 
gleichung (6)  sind  die  Länge  der  wahren  Sonne  und  die  Pol- 
höhe. Betrachten  wir  analog  wie  im  zweiten  Abschnitte  dieser 
Abhandlung  einmal  die  Sonnenlänge  als  konstant  und  die  Pol- 
höhe als  veränderlich,  so  gibt  uns  die  Gleichung,  wie  bekannt, 
die  Verteilung  der  Wärmestrahlung  in  meridionaler  Richtung 
zu  einem  bestimmten  Zeitpunkte;  betrachten  wir  dann  um- 
gekehrt die  Polhöhe  als  unveränderlich  und  die  Sonnenhöhe 
als  variabel,  so  ist  die  obige  Beziehung  die  Gleichung  des 
jährlichen  Wärmeganges  auf  der  angenommenen  Breite.  Kennt 


1  Hopfner,  Die  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung,  p.  1339  und 
p.  1352. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  203 

man  aber  sowohl  diesen  als  auch  die  Verteilung  in  meridio- 
naler  Richtung,  so  sind  alle  Fragen  nach  der  Verteilung  der 
Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  beantwortet 

a)  Verteilung  der  Wärmestrahlung   in   meridionaler 

Richtung. 

Diese  ist  charakterisiert,  wenn  wir  die  Breiten  kennen,  in 
welchen  die  Wärmestrahlung  Null  wird  und  ihr  Maximum 
erreicht  Man  findet  als  Bedingung  für  das  Nullwerden  der 
Wärmestrahlung  * 

*  =  0.  (aO 

Um  auch  die  Bedingungen  für  den  Eintritt  des  Maximums 
der  Wärmestrahlung  zu  erhalten,  bilden  wir  den  ersten  Diffe- 

da 

rentialquotienten   unserer  Funktion  — ^—  und   setzen   diesen 

^  dQ 

gleich  Null;  es  ergibt  sich  dann  als  zu  erfüllende  Bedingung: 


H,-» 


hil  =  o. 


Hierin  kann  nun  offenbar  der  Klammerausdruck  nicht 
gleich  Null  werden,  da  in  ihm  nur  wesentlich  positive  Größen 
auftreten.  Ebenso  ist  die  Gleichung  ^  :=  0  nicht  zulässig,  da 
sie,  wie  wir  eben  gefunden  haben,  die  Bedingungsgleichung 
für  jene  Breiten  ist,  für  welche  die  Wärmestrahlung  Null  wird. 
Es  ergibt  sich  daher  als  einzig  mögliche  Bedingung  für  den 
Eintritt  eines  Maximums  in  meridionaler  Richtung  die  Gleichung 

9(p 


1  Wenn  wir  die  andere  noch  mögliche  Bedingung,  nämlich  ji  =  -hoo,  hier, 
^ie  im  später  zu  behandelnden  Falle,  gleich  im  vorhinein  ausschließen,  da  für 
diesen  Wert  die  Atmosphäre  für  keine  Polhöhe  und  keine  Sonnenlänge  Wärme- 
strahlen durchläßt.  Es  werden  ja  sowohl  bei  der  Untersuchung  über  die  Ver- 
teilung der  Wärmestrahlung  in  meridionaler  Richtung  als  auch  bei  der  Unter- 
suchung über  ihren  Verlauf  während  eines  Jahres  Bedingungsgleichungen  ver- 
^sngt,  die,  wie  schon  im  Abschnitt  II  hervorgehoben,  eine  Auflösung  nach  den 
Veränderlichen  (p  und  0  zulassen;  p.  ist  aber  als  Konstante  von  diesen  ganz 
unabhängig. 


204  F.  Hopfner, 

Die  weitere  Diskussion  dieser  beiden  Bedingungsgleichun- 
gen wird  zweckmäßig  erst  vorgenommen,  wenn  die  analoge 
Untersuchung  auch  für  den  folgenden  Fall  durchgeführt 
worden  ist. 

b)  Verlauf  der  Wärmestrahlung  auf  einer  beliebigen 

Breite  während  eines  Jahres. 

Auch  hier  ergibt  sich  als  Bedingung  für  das  Aufhören  der 
Wärmestrahlung  auf  der  angenommenen  Breite,  wie  vorhin, 
die  Gleichung 

*  =  0.  (ßO 

Während  aus  der  ersteren  der  Gleichungen  {a!)  die  Pol- 
höhe zu  bestimmen  ist,  für  welche  bei  gegebener  Sonnenlänge 
die  Wärmestrahlung  Null  wird,  ist  aus  dieser  die  Sonnenlänge 
zu  berechnen,  für  weiche  auf  der  gegebenen  Breite  die  Wärme- 
strahlung aufhört.^ 

Für  den  Eintritt  der  Extreme  in  der  Wärmestrahlung  ergibt 
sich  hier  die  Bedingungsgleichung 


H.-f 


8© 


h^]=°- 


die  sich  aus  denselben  Gründen  wie  im  früher  behandelten 
Fall  auf  die  einfachere  Gleichung 


9© 
reduziert. 

In  den  Gleichungen  («')  und  (ß')  sind  bereits  alle  Gesetze 
über  die  Verteilung  der  durch  Absorption  geschwächten  Wärme- 
strahlung auf  der  Erdoberfläche  enthalten.  An  ihnen  fällt  sofort 
auf,  daß  sie  alle  frei  sind  von  der  Größe  (jl,  daher  frei  sind  vom 
Absorptionskoeffizienten  der  Luft;  das  besagt  aber,  daß  die 
Verteilung  der  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  dieselbe 


1  Reelle  Werte  werden  sich  für  die  Sonnenlänge  aus  dieser  Gleichung 
natürlich  nur  für  Polhöhen  ergeben,  die  der  Bedingung  <p^90 — c  genügen. 
Siehe  hiezu  Hopfner,  diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXIV,  p.  1348. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  205 

bleiben  muß,  welche  Werte  der  Absorptionskoeffizient  der  Luft 
auch  immer  annimmt  in  seinem  Variabilitätsbereiche  von  0  bis  1, 
die  letztere  Grenze  mit  eingeschlossen.  Es  ist  daher  die  Ver- 
teilung der  Wärmestrahlung  ganz  unabhängig  davon,  ob  eine 
Wärmestrahlen  absorbierende  Atmosphäre  existiert  oder  nicht. 
Tatsächlich  sind  auch  die  Bedingungsgleichungen  (a')  und  (ß') 
genau  dieselben  wie  jene,  welche  wir  bereits  in  Abschnitt  II  für 
die  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung  auf  der  Erdober- 
tläche  angegeben  haben. 

Absolut  genommen  sind  freilich,  wie  wir  eingangs  dieses 
Abschnittes  gesehen  haben,  die  nach  Passieren  der  Atmosphäre 
auf  den  Erdboden  gelangenden  Wärmemengen  abhängig  von 
der  Größe  des  Absorptionskoeffizienten;  der  Eintritt  der  Ex- 
treme jedoch  in  meridionaler  Richtung  und  im  Wärmegange 
einer  Breite  während  eines  Jahres,  dann  das  gänzliche  Auf- 
hören der  Strahlung  bleiben  ganz  unbeeinflußt  sowohl  hin- 
sichtlich des  Zeitpunktes  als  auch  hinsichtlich  der  Polhöhe 
ihres  Eintrittes  vom  Vorhandensein  einer  Wärmestrahlen  ab- 
sorbierenden Atmosphäre.  Wenn  daher  die  Erdatmosphäre 
stärker  oder  schwächer  die  sie  durchdringenden  Wärme- 
strahlen absorbiert,  so  wird  dadurch  die  Wärmestrahlung  zwar 
insofern  beeinflußt,  daß  im  ersteren  Falle  weniger,  im  letzteren 
aber  mehr  Wärmemengen  an  die  Erdoberfläche  gelangen; 
dagegen  wird  die  Verteilung  und  Ausdehnung  der  meteoro- 
logischen Zonen  auf  der  Erdoberfläche,  dann  die  Eintrittszeit 
der  verschiedenen  Jahreszeiten  auf  den  einzelnen  Breiten  durch 
einen  verschiedenen  Absorptionskoeffizienten  in  keiner  Weise 
berührt. 

Diese  Unabhängigkeit  der  Verteilung  der  Wärmestrahlung 
auf  der  Erdoberfläche  vom  Absorptionskoeffizienten  der  Luft 
ist  unmittelbar  ersichtlich  aus  der  Form  (III)  des  Lambert- 
sehen  Strahlungsgesetzes,  aus  welcher  der  Absorptionskoeffi- 
zient, beziehungsweise  sein  Logarithmus  ganz  herausgefallen 
ist.  Gerade  dieser  Umstand  erlaubt  noch  folgende  wichtige 
Sci^lüsse. 

Wir  haben  den  Absorptionskoeffizienten  der  Luft  mit 
Lambert  als  Konstante  betrachtet,  trotzdem  es  außer  aller 
Frage   steht,    daß   er   von   der   Polhöhe    abhängig    und   eine 


206  F.  Hopfner, 

periodische  Funktion  der  Sonnenlänge  ist,  da  die  Mengen  der 
beiden  am  stärksten  Wärmestrahlen  absorbierenden  Gase  in 
der  Erdatmosphäre,  nämlich  die  Kohlensäure  und  der  Wasser- 
dampf, örtlich  und  zeitlich  gesetzmäßigen  Veränderungen 
unterworfen  sind.  Es  gibt  somit  die  Form  (III)  des  Lambert- 
schen  Absorptionsgesetzes  nur  genähert  die  Verteilung  der 
Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  an.  Wäre  jedoch  der 
Absorptionskoeffizient  nur  eine  Funktion  der  Sonnenlänge 
allein  und  nicht  auch  gleichzeitig  der  Polhöhe,  so  wäre  die 
dritte  Form  des  Lamberfschen  Gesetzes  dennoch  die  strenge 
Gleichung  der  Wärmeverteilung  auf  der  Erdoberfläche,  wie  sich 
sofort  aus  der  Ableitung  dieser  Form  ergibt.  Das  beweist  aber, 
daß  die  Wärmeverteilung  unabhängig  ist  von  den  periodischen 
Änderungen  des  Wasserdampfgehaltes  der  Luft  mit  der  Zeit 
während  eines  Jahres  und  nur  abhängig  ist  von  seiner  Ver- 
änderlichkeit in  meridionaler  Richtung.  Es  ist  daher  das  Gesetz 
von  der  Unabhängigkeit  der  Wärmeverteilung  auf  der  Erd- 
oberfläche vom  Absorptionskoeffizienten  der  atmosphärischen 
Luft  in  etwas  allgemeinerer  Weise  gültig,  als  die  der  voran- 
stehenden Untersuchung  zu  Grunde  gelegten  Annahmen  ge- 
statten. 

Von  weiterem  Interesse  ist  die  Beantwortung  der  Frage, 
ob  und  in  welcher  Weise  eine  Beeinflussung  der  jährlichen 
Wärmeschwankung,  d.  i.  der  Differenz  aus  dem  Maximum 
und  Minimum  der  Wärmestrahlung  einer  Breite,  stattfindet. 
Denn  wie  eben  hervorgehoben,  erfahren  die  Extremwerte  der 
Wärmestrahlung  einer  Breite  hinsichtlich  des  Zeitpunktes 
ihres  Auftretens  keine  Verschiebung  durch  die  Absorption  der 
Atmosphäre,  wohl  aber  hinsichtlich  ihrer  Intensität.  Und  da 
fragt  es  sich  nun:  Geschieht  die  Schwächung  in  der  Intensität 
der  Extreme  derart,  daß  ihre  Differenz  auch  unabhängig  ist 
vom  Absorptionskoeffizienten  oder  ist  sie  eine  Funktion  des- 
selben? Behufs  Beantwortung  dieser  Frage  bilden  wir  für  eine 
willkürliche  Breite  (p,  auf  der  jedoch  die  Wärmestrahlung 
während  des  ganzen  Jahres  nicht  NulP  wird,  die  Gleichung 
der  Jahresschwankung,  nämlich 


1  Also  <p^90«— e. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  207 


\dQJma         \dQLi  ^  ^ 

und  fragen:  Für  welchen  Absorptionskoeffizienten  wird  diese 
ein  Maximum?  Als  Bedingung  für  den  Eintritt  eines  solchen 
ergibt  sich 

e    *'— ^    *«  =  0, 

eine  Gleichung,  welche  den  Annahmen  |Jl  =  0,  |i,  m  oo  gleich- 
zeitig genügt.  Die  letztere  Bedingung  kommt  wieder  nicht  in 
Betracht.  Anders  liegt  es  mit  der  ersten  Bedingung,  welcher 
der  Wert  /?  =  1  des  Absorptionskoeffizienten  entspricht.  Diesen 
Wert  nämlich  in  den  zweiten  Differentialquotienten  der  Jahres- 
schwankung eingesetzt,  nämlich  in  den  Ausdruck 


macht  diesen  negativ.  Es  existiert  somit  für  |i  =  0  ein  Maxi- 
mum in  der  Jahresschwankung. 

Übertragen  wir  dieses  analytische  Ergebnis  ins  Physi- 
kalische, so  folgt,  daß  die  Jahresschwankung  am  größten  ist, 
wenn  überhaupt  keine  Wärmestrahlen  absorbierende  Atmo- 
sphäre vorhanden  ist,  und  weiter,  daß  die  Jahresschwankung 
um  so  kleiner  wird,  je  stärker  die  Luft  Wärmestrahlen  absor- 
biert Es  wirkt  somit  die  Atmosphäre  ausgleichend  auf  den  jähr- 
lichen Gang  der  Wärmestrahlung  in  den  einzelnen  Breiten  ein.* 

Wichtig  insbesondere  für  die  folgende  Besprechung  der 
Untersuchungen  Angot's  ist  der  Vergleich  der  Intensität  der 
Bestrahlung  des  Äquators  und  des  Poles.  Bereits  bei  der  Unter- 
suchung der  solaren  Wärmestrahlung  auf  Pol  und  Äquator 
sind  wir  zu  dem  Resultate  gelangt,  daß  in  gleichen  Zeiten 
letzterem  stets  mehr  Wärme  pro   Flächeneinheit  zugestrahlt 


1  Zu  demselben  Resultate  gelangt  man  nach  einer  analog  durchzuführen- 
den Untersuchung  hinsichtlich  der  Differenz  aus  je  zwei  entsprechenden  Werten 
des  Differentialquotienten  in  verschiedenen  Quadranten  der  Erdbahn.  Siehe  An- 
merkung auf  p.  202. 


208  F.  Hopfner, 

wird  als  ersterem.  Wie  zu  erwarten,  ergibt  sich  auch  bei  Vor- 
handensein einer  absorbierenden  Atmosphäre  der  gleiche  Satz. 
Bildet  man  nämlich  den  Quotienten  der  beiden  Gleichungen 

so  ergibt  sich  mit  Rücksicht  auf  Gleichung  (4)  der  solaren 
Strahlung 

eine  Gleichung,  deren  rechte  Seite  für  jede  Deklination,  daher 
auch  für  jede  Sonnenlänge  größer  als  1  ist.  Es  ist  daher  stets 

(AI.)     >  (Al\ 

und  somit  für  gleiche  Längendififerenzen  in  der  Erdbahn,  d.  h. 
für  gleiche  Zeiten  immer 

Es  wird  daher  auch  bei  Vorhandensein  einer  Wärme- 
strahlen absorbierenden  Atmosphäre  in  gleichen  Zeiten  dem 
Pole  nie  mehr  Wärme  pro  Flächeneinheit  zugestrablt  als  dem 
Äquator.  Der  Unterschied  in  der  Bestrahlung  wird  um  so 
größer,  je  stärker  die  Luft  Wärmestrahlen  absorbiert. 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  dieses  Abschnittes  zusammen. 

Durch  die  Absorption  der  Erdatmosphäre  werden  die 
zugestrahlten  Wärmemengen  auf  ihrem  Wege  durch  diese 
geschwächt,  so  daß  unter  gleichen  Verhältnissen  der  Erd- 
oberfläche weniger  Wärme  zugestrahlt  wird  als  dann,  wenn 
keine  Lufthülle  vorhanden  wäre.  Die  Eintrittszeiten  der  Ex- 
treme im  Wärmegange  einer  beliebigen  Breite,  dann  die  Ein- 
trittszeiten des  gänzlichen  Aufhörens  der  Wärmestrahlung 
auf  gewissen  Breiten  erfahren  durch  die  Absorption  keine  Ver- 
schiebung; ebenso  sind  die  Breiten,  für  welche  in  meridionaler 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  200 

Richtung  die  Wärmestrahlung  ein  Maximum  erreicht  oder  Null 
wird,  ganz  unabhängig  davon,  ob  eine  Absorption  stattfindet 
oder  nicht,  und  im  ersteren  Falle  ganz  unabhängig  davon,  ob 
sie  stärker  oder  schwächer  ist  Es  erfahren  daher  weder  die 
drei  meteorologischen  Zonen  auf  jeder  Hemisphäre  noch  die 
Jahreszeiten  auf  jeder  Breite  irgend  eine  Veränderung.  Es  ist 
somit  die  Verteilung  der  durch  Absorption  in  der  Atmosphäre 
geschwächten  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  genau 
dieselbe  wie  jene  der  solaren  Wärmestrahlung.  In  der  Jahres- 
schsvankung  wirkt  die  Atmosphäre  ausgleichend  ein,  und  zwar 
um  so  mehr,  je  größer  ihr  Absorptionsvermögen  ist.  Das  Bild 
über  die  Verteilung  der  solaren  Wärmestrahlung  auf  der  Erd- 
oberfläche zeigt  demnach  die  denkbar  extremsten  klimatischen 
Verhältnisse. 

Nach  Ermittlung  dieser  allgemeinen  Verhältnisse  erübrigt 
noch  die  tatsächliche  Berechnung  der  Wärmemengen,  welche 
nach  Passieren  der  Atmosphäre  auf  die  einzelnen  Breiten  der 
Erde  pro  Flächeneinheit  auffallen,  eine  Aufgabe,  mit  der  sich 
einer  der  folgenden  Abschnitte  beschäftigt. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß 
die  diskutierten  Gleichungen  (a')  und  (ß')  von  keinerlei  Voraus- 
setzung über  den  speziellen  Charakter  der  Funktion  c}>  abhängig 
sind.  Es  sind  daher  auch  die  gewonnenen  Resultate  ganz 
unabhängig  von  dem  besonderen  Charakter  des  zu  Grunde 
gelegten  solaren  Strahlungsgesetzes.  Aus  dieser  Allgemeinheit 
der  Untersuchung  und  der  erhaltenen  Resultate  ergeben  sich 
später  noch  wichtige  Schlüsse. 

V.  Die  Untersuchungen  W.  Zenker 's  und  A.  Angot's. 

Vor  Angabe  des  Weges,  auf  welchem  die  Berechnung  der 
Wärmemengen  möglich  ist,  welche  nach  Passieren  der  Erd- 
atmosphäre auf  die  Erdoberfläche  auffallen,  wollen  wir  von 
den  eingangs  angeführten  einschlägigen  Untersuchungen  jene 
beiden  einer  Besprechung  unterziehen,  deren  Ergebnisse  die 
Grundlage  unserer  heutigen  Kenntnis  über  die  Verteilung  der 
Wärmestrahlung  bei  Vorhandensein  einer  Atmosphäre  auf  der 
Erde  bilden.   Es   sind  dies  die  Abhandlungen  W.  Zenker 's 


210  F.  Hopfner, 

und  A.  Angot*s.  Bei  dieser  Besprechung  wird  zunächst  darauf 
zu  achten  sein,  inwieweit  ein  jeder  der  Forscher  den  Einfluß 
der  Atmosphäre  auf  die  Wärmestrahlen  der  Sonne  berück- 
sichtigt hat;  weiter  soll  festgestellt  werden,  was  für  Wärme- 
mengen jeder  Autor  berechnen  wollte,  nämlich  was  für  eine 
physikalische  Bedeutung  gemäß  den  Auseinandersetzungen 
des  ersten  Abschnittes  den  von  ihnen  ermittelten  Zahlenwerten 
zukommt. 

Zenker 's  Abhandlung,  eine  Preisschrift  der  Pariser  Aka- 
demie, behandelt  das  Problem  in  denkbar  eingehendster  und 
umfassendster  Weise.  Er  berücksichtigt  nicht  nur  die  Absorp- 
tion der  Wärmestrahlen  durch  die  Luft,  sondern  auch  ihre 
diffuse  Reflexion  in  dieser.  Er  zieht  somit  in  den  Kreis  seiner 
Rechnungen  auch  die  Wärmestrahlung  der  Atmosphäre  selbst 
gegen  die  Erdoberfläche.  Weiter  untersucht  er  die  Größe  der 
Wärmemengen,  welche  infolge  der  astronomischen  Dämmerung 
dem  Erdboden  zugestrahlt  werden,  auch  wenn  die  Sonne  sich 
bereits  unter  dem  Horizonte  der  betrachteten  Flächeneinheit 
befindet.  Doch  damit  nicht  genug;  von  den  Wärmestrahlen, 
welche  die  primären  und  sekundären  Wärmequellen  zustrahlen, 
fällt  ein  Teil  auf  festen  Erdboden,  ein  anderer  Teil  auf  Wasser- 
flächen und  ein  dritter  Teil  endlich  auf  Schneeflächen  auf  Von 
diesen  Bodenunterlagen  werden  die  Wärmestrahlen  in  ver- 
schiedener Menge  absorbiert  und  reflektiert.  Zenker  berechnet 
nun  in  seiner  gründlichen  Untersuchung  jene  Wärmemengen, 
welche  von  jeder  dieser  drei  Bodenunterlagen  absorbiert  werden 
und  ausschließlich  zur  Erwärmung  der  obersten  Erdschichten 
Verwendung  finden.  Es  berücksichtigt  somit  Zenker  alle  Ein- 
flüsse, denen  die  Wärmestrahlen  in  der  atmosphärischen  Luft 
und  an  der  Erdoberfläche  selbst  unterworfen  sind,  ehe  sie  ihre 
Energie  an  diese  abgeben.  So  umfassend  ist  das  Problem  weder 
vor  ihm  noch  nach  ihm  behandelt  worden;  es  wird  daher  diese 
Abhandlung,  was  die  physikalische  Seite  des  Problems  anbe- 
langt, für  alle  späteren  Untersuchungen  einerseits  als  Vor- 
bild, andrerseits  als  Anknüpfungspunkt  dienen.  Anders  ist  es 
bedauerlicherweise  mit  der  analytischen  Seite  des  Problems 
bestellt.  Zenker,  der  mittlere  Wärmemengen  berechnet,  legt 
seiner  Untersuchung  die  von  Wiener  abgeleiteten  Zahlenwerte 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  211 

und  Gleichungen  zu  Grunde,  bezüglich  deren  der  Verfasser 
bereits  gelegentlich  der  Behandlung  des  Problems  der  solaren 
Strahlung  nachzuweisen  in  der  Lage  war,  daß  ihnen  eine  auf 
unrichtigen  Voraussetzungen  basierende  Ausgangsgleichung 
zu  Grunde  liegt.^  Damit  sind  natürlich  die  von  Zenker 
berechneten  Zahlenwerte  und  das  von  ihm  entworfene  Bild 
über  die  Verteilung  der  Wärmestrahlung  bei  Vorhandensein 
einer  Atmosphäre  auf  der  Erdoberfläche  nicht  zutreffend.  Doch 
ist  damit  das  große  Verdienst  Zenker*s  um  die  Klarlegung 
des  so  komplizierten  Problems  der  Wärmestrahlung  in  keiner 
Weise  geschmälert.  Denn  wenn  auch  die  schließlich  von  ihm 
ermittelten  Wärmemengen  nicht  den  tatsächlichen  Verhält- 
nissen entsprechen,  so  wird  doch  die  umfassende  physikalische 
Untersuchung,  die  scharfe  Trennung  der  verschiedenen  der 
Erdoberfläche  wärmespendenden  Ursachen  der  Abhandlung 
die  gebührende,  bleibende  Beachtung  immer  sichern. 

Von  Angot  wird  das  Problem  nicht  in  so  umfassender 
Weise  behandelt.  Er  berücksichtigt  nur  die  Absorption,  welche 
die  Wärmestrahlen  in  der  Luft  erfahren,  ebenso  wie  es  in  den 
vorigen  Kapiteln  geschehen  ist.  Auch  er  legt  seiner  Unter- 
suchung das  Lambert'sche  Absorptionsgesetz  zu  Grunde.  Man 
sieht,  in  den  physikalischen  Voraussetzungen  stimmen  die 
Angofsche  und  die  vorliegende  Untersuchung  vollkommen 
überein.  Was  nun  die  analytische  Behandlung  des  Problems 
anbelangt,  so  wird  es  nötig  sein,  den  von  Angot  eingeschla- 
genen Weg  näher  zu  besprechen. 

Ausgangsgleichung  ist  die  auch  unserer  Rechnung  im 
Abschnitt  III  zu  Grunde  gelegte  Gleichung  (5).  Aus  ihr  berech- 
net Angot  vorerst  durch  graphische  Integration  für  15  Tage 
des  Jahres  die  Wärmemengen,  welche  auf  19  verschiedenen 
Breiten  festgegebene  Flächeneinheiten  während  eines  Tages 
zugestrahlt  erhalten. 

Zu  diesem  Zwecke  hatte  er  viele  langwierige  Rechnungen 
auszuführen.  Er  wählte  15  verschiedene  Deklinationen  der 
Sonne,  nämlich  0\  ±  4%  ±  8%  ±  12%  d=  16%  d=  20%  ±  22% 
d=  8    (Schiefe   der  Ekliptik);    für   jede    dieser   Deklinationen 


1  Siehe  die  Fußnote  aufp.  179. 


212  F.  Hopfner, 

berechnete  er  aus  der  bekannten  Formel  für  die  Höhe  der 
Sonne  über  dem  Horizonte  diese  von  Stunde  zu  Stunde  an 
dem  betreffenden  Tage,  und  zwar  für  jeden  zehnten  Breiten- 
grad. Mit  Hilfe  dieser  Höhen  berechnete  er  wieder  für  jede 

Stunde  des  Tages  den  Faktor/?^*"*,  wobei  er/?  der  Reihe  nach 

gleich  1,  0*9,  0*8,  0*7,  0*6,  0-5  annahm  und  schließlich  das 
1 

Produkt  jpsin  h  sin  Ä. 

Denkt  man  sich  nun  die  Tagesstunden  auf  einer  Achse 
als  Abszissen,  die  Werte  dieses  Produktes  als  zugehörige 
Ordinaten  aufgetragen  und  ihre  Endpunkte  durch  eine  Kurve 
miteinander  verbunden,  so  ist  es  klar,  daß  die  von  der  Kurve 
und  der  Abszissenachse  eingeschlossene  Fläche  proportional 
ist  der  Wärmemenge,  welche  der  festgegebenen  Flächeneinheit 
während  eines  Tages  zugestrahlt  wird.  Auf  diese  Weise  erhielt 
Angot  für  jeden  zehnten  Breitenkreis  und  für  15  Tage  des 
Jahres  entsprechend  den  angenommenen  15  Sonnendeklina- 
tionen je  fünf  Flächeninhalte  gemäß  den  der  Rechnung  zu 
Grunde  gelegten  fünf  Werten  des  Absorptionskoeffizienten. 

Diese  Flächeninhalte,  mit  einem  Planimeter  ausgemessen, 
geben  nun  allerdings  für  15  Tage  des  Jahres  die  gesuchte 
Wärmemenge,  aber  eben  nur  für  15  Tage,  und  Angot  strebte 
doch  eine  allgemeine  Lösung  des  Problems  an,  die  ihm  ermög- 
lichte, nicht  nur  für  jeden  Tag  des  Jahres  die  diesem  zu- 
gestrahlte Wärmemenge  zu  berechnen,  sondern  es  ihm  auch 
erlaubte,  für  längere  Zeitabschnitte  die  Größe  der  zugesandten 
Wärmemengen  zu  berechnen. 

Behufs  Erreichung  dieses  Zieles  dachte  er  sich  das  Integral 
über  das  Produkt 

1 


X 


p       ,s\n  hat 


(/j,  /g  Stundenwinkel  des  Sonnen-Auf-,  beziehungsweise  -Unter- 
ganges) in  eine  Fourier'sche  Reihe  entwickelt,  von  der  Er- 
wägung ausgehend,  daß  sin  h  periodisch  sei,  da  es  wieder 
denselben  Wert  annehme,  wenn  sich  die  Sonnenlänge  um  2z 
geändert  habe. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  213 

Diese  Reihe 

a^  -f-a^cos2©  -Ha^cos40  +..., 

±  *i  sin  O  ±  ^3  sin  3  0  ± . . . 

in  welcher  das  positive  Zeichen  für  Flächeneinheiten  der  nörd- 
lichen Halbkugel,  das  negative  aber  für  solche  der  südlichen 
zu  nehmen  ist,  setzte  er  nun  jedesmal  einer  einem  bestimmten 
Absorptionskoeffizienten  und  einer  bestimmten  Breite  ent- 
sprechenden Serie  von  15  Tageswärmen  gleich.  Auf  diese 
Weise  erhielt  er  fünfmal  19,  je  15  Gleichungen  umfassende 
Gleichungssysteme,  aus  denen  er  mit  Hilfe  der  Methode  der 
kleinsten  Quadrate  die  Konstanten  obiger  Reihe  berechnen 
konnte,  natürlich  wieder  jede  Konstante  zu  fünfmal  19  Werten, 
entsprechend  den  fünf  angenommenen  Absorptionskoeffizienten 
und  19  Breitenkreisen. 

Bei  diesen  Rechnungen  ist  noch  nicht  die  wechselnde 
Entfernung  der  Erde  von  der  Sonne  berücksichtigt  worden. 
Auch  diese  wird  noch  in  Rechnung  gebracht,  wobei  Angot 
gleichzeitig  an  Stelle  der  wahren  Sonnenlänge  die  mittlere 
Anomalie  M  der  Sonne  als  unabhängig  Veränderliche  in  seine 
Reihe  einführt.  Er  kommt  schließlich  auf  die  Fourier'sche  Reihe 

q=  —  /     /?^'"*. sin  Ä^/ zr  ^0  +  ^1  cos  i\f+^  cos  2A/+... 

rfcSi  sinMdb-B2  sin2iT/±. . ., 

in  welrher  die  Koeffizienten  wieder  für  jeden  Absorptions- 
koeffizienten und  jede  Breite  separat  berechnet  werden  mußten. 
Für  ein  bestimmtes  M  gibt  diese  Reihe  sofort  die  Wärme- 
menge, welche  der  auf  einer  der  15  angenommenen  Breiten 
festgegebenen  Flächeneinheit  an  einem  Tage  zugestrahlt  wird, 
während  dessen  Dauer  ihre  mittlere  Anomalie  dem  in  die 
Reihe  eingesetzten  Werte  gleich  ist. 

Damit  war  das  eine  Ziel  Angot's  erreicht,  nämlich  für 
jeden  Tag  im  Jahre  die  einer  festgegeb^nen  Flächen- 
einheit zugestrahlte  Wärmemenge  berechnen  zu  können. 

Nun  handelte  es  sich  noch  darum,  die  in  längeren 
Zeiträumen  den  einzelnen  Breiten  zugestrahlten  Wärme- 


214  F.  Hopfner, 

mengen  zu  berechnen.  Zu  diesem  Zwecke  bestimmte  Angot 
aus  voranstehender  Reihe  für  eine  Anzahl  gleich  weit  von- 
einander abstehender  Werte  von  M  die  Wärmemengen,  welche 
Flächeneinheiten  von  dieser  mittleren  Anomalie  im  Laufe  eines 
Tages  zugestrahlt  erhalten;  nun  trug  er  wieder  die  mittlere 
Anomalie  als  Abszissen,  die  zugehörigen  Tageswärmen  als 
Ordinaten  in  einem  Koordinatensystem  auf  und  bestimmte 
den  durch  die  erhaltene  Kurve  und  die  Abszissenachse  ein- 
geschlossenen Flächeninhalt  auf  graphischem  Wege.  Diese 
Operation  führte  er  für  jede  der  15  Breiten  und  für  jeden  der 
fünf  Absorptionskoeffizienten  aus  und  berechnete  auf  diesem 
Wege  die  Wärmemengen,  welche  während  der  12  Monate  und 
während  des  ganzen  Jahres  einer  jeden  der  19  Breiten,  und 
zwar  deren  ganzem  Umfange  zugesendet  werden. 

Für  diesen  Vorgang  ist  Angot  folgende,  auch  bei  Zenker 
in  seiner  oben  besprochenen  Abhandlung^  auseinandergesetzte 
Auffassung  des  Problems  maßgebend  gewesen. 

Angot  war  im  stände,  mit  Hilfe  seiner  Fourier'schen 
Reihe  für  jedes  beliebige  M  jene  Wärmemenge  zu  berechnen, 
welche  einer  auf  bestimmter  Breite  festgegebenen  Flächen- 
einheit während  eines  Tages  zugestrahlt  wird.  Auf  dieser 
wird  nun  im  allgemeinen  durch  den  Anbruch  der  Nacht  die 
Strahlung  unterbrochen.  Wollen  wir  daher  die  Wärmemenge 
berechnen,  welche  während  eines  längeren  Zeitraumes  als 
eines  Strahlungstages  dieser  Flächeneinheit  zugestrahlt  wird, 
so  müssen  wir  für  jeden  einzelnen  Strahlungstag  in  diesem 
Zeitraum  die  Tageswärme  berechnen  und  diese  dann  sum- 
mieren. Hiebei  wird  sich  natürlich  die  mittlere  Anomalie,  die 
während  der  Dauer  eines  Tages  in  der  Fourier'schen  Reihe 
immer  konstant  angenommen  wird,  von  Tag  zu  Tag  sprung- 
weise ändern.* 

Einfacher  als  durch  diese  umständliche  Summation,  näm- 
lich durch  eine  bloße  Integration,  läßt  sich  al>er  nach  Zenker 
diese  Rechnung  durchführen,  wenn  wir  sie  nicht  für  eine 
einzelne  Flächeneinheit,  sondern  für  eine  unendliche  Menge 


1  p.  185  ff. 

^  Vergt.  hiemit  die  Ausführungen  des  ersten  Abschnittes,  p.  174. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  215 

solcher  Flächeneinheiten  anstellen,  weiche  in  gleichen  Ab* 
ständen  auf  der  angenommenen  Breite  liegen.  Denn  in  diesem 
Falle  ändert  sich  dann  die  mittlere  Anomalie,  da  die  Flächen- 
einheiten unendlich  nahe  beieinander  liegen,  kontinuierlich 
von  Flächeneinheit  zu  Flächeneinheit.  Denken  wir  uns  also 
für  jede  dieser  Flächeneinheiten  die  Wärmemenge  eines  Tages 
berechnet  und  diese  dann  summiert,  so  wird  ihre  Summation 
mit  Rücksicht  auf  die  kontinuierliche  Änderung  der  mittleren 
Anomalie  von  Flächeneinheit  zu  Flächeneinheit  in  eine  Integra- 
tion nach  der  mittleren  Anomalie  übergehen.  Und  was  für 
Wämnemengen  werden  auf  diesem  Wege  berechnet?  Nach 
Ansicht  Zenker's  und  auch  Angot's,  dessen  graphisches 
Verfahren  ganz  mit  der  Zenker'schen  Auffassung  des  Pro- 
blems sich  deckt,  jene  Wärmemengen,  welche  der  ganzen 
Breite  während  einer  gewissen  Zeit,  bestimmt  durch  die  Ände- 
rung der  mittleren  Anomalie  in  ihr,  zugesendet  werden. 

Es  läßt  sich  nun  zeigen,  daß  der  eben  geschilderte  Vor- 
gang bei  der  Integration  nicht  einwandfrei  ist  und  daher  nicht 
zu  dem  angestrebten  Ziele  führt.  Zu  diesem  Zwecke  wollen 
wir  uns  die  analytische  Seite  der  Angot'schen  Rechnungen 
genauer  vor  Augen  führen. 

Aus  -der  Grundgleichung  (5)  des  Abschnittes  III  berechnet 
sich  die  Tageswärme  einer  auf  beliebiger  Breite  festgegebenen 
Flächeneinheit  aus  dem  Integral 


i 


•^'^    iS^     sin  h 
p        , ^^^ 


r« 


wobei  wir,  ohne  damit  die  Strenge  unserer  Diskussion  zu 
beeinträchtigen,  der  Einfachheit  halber  annehmen  wollen,  die 
Stundenwinkel  des  Sonnen-Auf-  und  -Unterganges  sind,  abso- 
lut genommen,  einander  gleich.  Dieses  Integral  denkt  sich 
Angot  in  eine  Fourier'sche  Reihe  mit  der  mittleren  Ano- 
malie als  unabhängig  Veränderliche  entwickelt;  wir  wollen 
diese  kurz  mit/(Af)  bezeichnen.  Dann  gibt  nach  Angot  das 
Integral  über  diese  innerhalb  der  Grenzen  M^  und  Af^  die 
Wärmemenge,  welche  der  ganzen  betrachteten  Breite  in  dem 
diesen  Grenzen   entsprechenden  Zeitraum    zugestrahlt   wird; 

Sitzb.  d.  raathem.- naturw.  KL;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  15 


216  F.  Hopfner, 

nennen  wir  diese  Wärmemenge   ö,   so   haben  wir  also   die 
Beziehung 

Q=        f(M)dM. 

Wir  brauchen  für  unsere  Betrachtung  den  Differential- 
quotienten von  Q  nach  der  mittleren  Anomalie  M\  folgende 
Gleichung  ist  dann  unsere  Ausgangsgleichung 

^ö  rfji^\         nC^^*    ihTÄSinÄ 


dM 


Nach  der  Auffassung  Angot's  verlangt  also  die  linke 
Seite  der  Gleichung,  daß  auf  der  rechten  Seite  jene  unendlich 
kleine  Wärmemenge  dQ  ausgedrückt  sei,  welche  in  der  unend- 
lich kleinen  Änderung  der  mittleren  Anomalie  dM  dem  ganzen 
Breitenkreise  von  der  Polhöhe  cp  zugestrahlt  wird* 

Diese  Gleichung  unterwerfen  wir  folgenden  Transforma- 
tionen. Wir  führen  einmal  an  Stelle  der  mittleren  Anomalie 
mittlere  Zeit  ein  auf  Grund  der  bekannten  Gleichung 

M=i,ii-n 

wobei  |A  die  mittlere  siderische  Bewegung  der  Erde  an  einem 
mittleren  Tage,  t'  aber  die  Perihelzeit  der  Erde  ist;  dann  ist 
dM  =z  \idt.  Um  ferner  obige  Gleichung  mit  dem  allgemeinen 
Wärmestrahlungsgesetze  vergleichbar  zu  machen,  wollen  wir 
die  Wärmemenge  dQ  auf  die  Flächeneinheit  beziehen.  Zu 
diesem  Zwecke  dividieren  wir  die  rechte  Seite  der  Gleichung 
durch  den  Umfang  u^  des  Breitenkreises  <p.  Wir  erhalten  dann 
folgende  Gleichung: 

dQ'  _    V  /-T"^^*   ^nr*  sinjr_^^ 


dt 


in  welcher  die  linke  Seite  verlangt,  daß  auf  der  rechten  jene 
unendlich  kleine  Wärmemenge  dQ'  stehe,  welche  in  der  unend- 
lich kleinen  (mittleren)  Zeit  dt  pro  Flächeneinheit  der  Breite  tp 
zugestrahlt  wird. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  217 

Gehen  wir  nun  zum  allgemeinen  Strahlungsgesetze  über. 
Dieses  besagt,  dafi  man  aus  der  Wärmemenge,  welche  in  der 
Zeiteinheit  der  Flächeneinheit  zugestrahlt  wird,  jene  Wärme- 
menge, welche  bei  Unveränderlichkeit  aller  Verhältnisse  ihr  im 
Zeiträume  /  zugesandt  wird,  erhält,  wenn  man  die  Wärme* 
menge  der  Zeiteinheit  mit  der  Zeit  t  einfach  multipliziert.  Ist 
daher  m^  die  in  der  Zeiteinheit  zugestrahlte  Wärmemenge,  so 
ist,  die  Gleichheit  aller  Verhältnisse  vorausgesetzt,  die  im 
Zeiträume  t  der  Flächeneinheit  zugestrahlte  Wärmemenge  «>/ 
gegeben  durch  die  Gleichung 

«/  =  »0  ^ 

daher  die  unendlich  kleine  Wärmemenge  ^o»/,  welche  in  der 
unendlich  kleinen  Zeit  dt  der  Flächeneinheit  zugestrahlt  wird, 
bestimmt  durch  die  Gleichung 

diüi  =  tü^dt. 

Hierin  ist,  wie  nochmals  betont  sei,  cog  die  Wärmemenge 
der  Zeiteinheit,  nämlich  jenes  Zeitraumes,  welcher  der  Zählung 
von  dt  zu  Grunde  gelegt  ist. 

Wenden  wir  dieses  Ergebnis  auf  unsere  transformierte 
Gleichung  an.  Damach  muß  also 


-1- '  I. 

sinA  sm  n 
p       — —dt 


jene  Wärmemenge  sein,  die  in  der  Zeiteinheit,  nämlich  jener 

Zeit,  welche  der  Zählung  der  unendlich  kleinen  Zeit  dt  \m 

dO' 
Nenner    unseres   Differentialquotienten  — ^^  als    Einheit    zu 

Grunde   gelegt   ist,   der  angenommenen  Breite   pro  Flächen- 
einheit zugestrahlt  worden  ist. 

Der  Ableitung   gemäß   ist   aber  die    durch    das   Integral 
gegebene  Wärmemenge  jene,  welche  in  der  Zeit 


/        dt  =  2/o 


15' 


218  F.  Hopfner, 

einer  in  der  Breite  f  festgegebenen  Flächeneinheit  zugestrahlt 
worden  ist  Diese  Zeit  2/^  ist  nun  aber  von  Angot  nicht  in 

der  Zählung  des  dt  im  Nenner  des  Differentialquotienten 

di 

als  Einheit  verwendet  worden,  sondern  er  zählt  diese  Zeit,  das 

beweist  die  Verwendung  der  mittleren  Anomalie,  in  dem  in  der 

Astronomie  gebräuchlichen  Maße,   nämlich  in  mittlerer  Zeit. 

Hätte  er  die  Zeit  2/^  seiner  Rechnung  als  Zeitmaß  zu  Grunde 

legen  wollen,   so  hätte  er^  das  im  Nenner   des  Differential- 

dO' 
Quotienten  — ^^  befindliche  dt  durch  diese  dividieren  müssen. 

dt 
Einwandfrei  würde  dann  die  Gleichung  lauten: 

dQ'  _     (t    ^  1    r  +  '»    ihTÄSinÄ 


dt 


2u^       tXt.  r^ 


Führen  wir  wieder  die  mittlere  Anomalie  ein  und  be- 
rechnen mit  Angot  wieder  die  Wärmemengen,  welche  dem 
ganzen  Breitenkreise  zugestrahlt  werden,  so  erhalten  wir 

dQ    _  ^^  ^f-^^»    ihr*  sinÄ  ^^  _  ^  f(M) 


£ 


dM         2M    J^t,  r»  2      M 

und   daraus  als  Wärmemenge,  wenn   die   mittlere   Anomalie 
von  Afj  bis  M,  gewachsen  ist, 


_   V-  r^''f(AI) 


0  =  1/ 


M 


dM. 


Es  gibt  also  ein  wesentlich  anderer  analytischer  Aus- 
druck, als  ihn  Angot  bei  seiner  Rechnung  verwendet,  die 
gesuchte  Wärmemenge. 

Fragen  wir  uns,  für  welche  Zeit,  beziehungsweise  für 
welche  mittlere  Anomalie  Angot  seine  Berechnung  durch- 
geführt hat.  Wir  finden  diese  aus  dem  Integral 

2jf  S^/  =  /|-/J  =  -L(3/|_A/f). 


t** 


1  Abgesehen  von  einer  multiplikattven  Konstanten. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  219 

Hätte  nämlich  Angot  zur  Messung  von  dt  den  Zeit- 
raum 2/  als  Einheit  benützt,  so  würde  obiges  Integral  in  die 
Form 

dt    (t  nun  im  neuen  Zeitmaße) 


i 


übergegangen   sein   und   die   Berechnung  wäre   für  die   von 
Angot  gewünschte  Zeit  durchgeführt  worden. 

Setzen  wir  in  der  Gleichung  (7)  dieses  Abschnittes  den 
Absorptionskoeffizienten  p  z=z  1,  so  würde  nach  Angot  die 
Gleichung 

dQ  _  ^  f  "^  '•  sin  A 


dt 


jene  unendlich  kleine  solare  Wärmemenge  geben,  welche  der 
ganzen  Breite  von  der  Polhöhe  ^  in  der  unendlich  kleinen 
Zeit  dt  zugestrahlt  wird.  Von  Interesse  ist  nun  der  Hinweis, 
daß  Wiener  in  seiner  eingangs  zitierten  Abhandlung  ganz 
genau  dieselbe  Beziehung  als  Ausgangsgleichung  für  seine 
Untersuchung  über  solare  Wärmemengen  verwendet,  nur  mit 
dem  Unterschiede,  daß  er  obigen  Differentialquotienten  dahin 
definiert,  dQ  sei  jene  unendlich  kleine  mittlere  solare  Wärme- 
menge, welche  pro  Flächeneinheit  der  Breite  <p  zugestrahlt 
wird.  Dies  wäre  ein  Beweis  für  die  Unsicherheit  der  Autoren 
selbst  hinsichtlich  der  physikalischen  Bedeutung  der  von  ihnen 
berechneten  Wärmemengen.  Es  bedarf  wohl  keiner  weiteren 
Erwähnung,  daß,  abgesehen  von  den  Einwänden,  welche  der 
Verfasser  bereits  in  seiner  Abhandlung  über  die  solare  Strahlung 
bei  der  Ableitung  dieses  Differentialquotienten  gegen  Wiener 
erhoben  hat,  bei  der  Integration  dieses  Differentialquotienten 
auch  in  der  ihm  von  Wiener  beigelegten  Bedeutung  das- 
selbe wie  eben  bei  Angot  geäußerte  Bedenken  ausgesprochen 
werden  müßte. 

Die  Gründlichkeit  in  der  Besprechung  der  Angot'schen 
Abhandlung  verlangt,  daß  noch  die  folgende,  mögliche  Even- 
tualität in  Betracht  gezogen  werde,  nämlich  die,  daß  Angot 
durch  sein  Verfahren  habe  mittlere  Wärmemengen  berechnen 
wollen,  indem  er  sich  in  der  Fassung  des  gestellten  Problems 


220  F.  Hopfner, 

Wiener  anschloß,  was  nicht  ganz  ausgeschlossen  ist,^  da  er 
sich  über  die  physikalische  Bedeutung  der  von  ihm  berech- 
neten Wärmemengen  nicht  präzis  ausspricht  und  daher  in 
dieser  Hinsicht  den  Leser  im  Unklaren  läßt.  In  diesem  Falle 
würde  von  Angot's  Abhandlung  das  eben  von  der  Wiener- 
schen  Untersuchung  Gesagte  gelten.  Sie  wäre  dann  aus  zwei 
Gründen  nicht  einwandfrei,  nämlich  einmal  hinsichtlich  der 
Definition  des  Differentialquotienten  als  mittlere  Wärmemenge 
überhaupt,  dann  aber  hinsichtlich  der  Verwendung  von  zweierlei 
Zeitmaßen  in  der  weiteren  Rechnung. 

Eine  dritte  physikalische  Bedeutung  läßt  sich  aber  den 
von  Angot  berechneten  Wärmemengen  nicht  beilegen.  Es  sind 
daher  die  Angot'schen  Untersuchungen  nicht  einwandfrei,  mag 
er  mittlere  Wärmemengen  in  der  Wienerischen  Auffassung  be- 
rechnen wollen  oder  Wärmemengen,  welche  nicht  pro  Flächen- 
einheit, sondern  dem  ganzen  Umfange  der  betrachteten  Breite 
in  einer  gewissen  Zeit  zugestrahlt  werden. 

Aber  selbst  wenn  man  Angot 's  Verfahren  bei  der  Be- 
rechnung der  Wärmemengen  für  längere  Zeitabschnitte  billigen 
wollte,  würde  er  nicht  in  einwandfreier  Weise  die  Wärme- 
mengen berechnen,  welche  den  beiden  Polen  der  Erde  in 
längeren  Zeitabschnitten  zugestrahlt  werden.  Auf  jedem  Breiten- 
kreise der  Erde,  auch  wenn  sein  Radius  noch  so  klein  ist, 
lassen  sich  unendlich  viele,  unendlich  nahe  Flächeneinheiten 
annehmen,  so  daß  die  mittlere  Anomalie  von  einer  zur  anderen 
sich  kontinuierlich  ändert.  Anders  wird  es  jedoch,  wenn  dieser 
Radius  Null  wird,  also  der  Breitenkreis  in  einen  Punkt  zu- 
sammenschrumpft, wie  es  auf  den  beiden  Polen  der  Fall  ist. 
Da  hat  man  es  dann  nur  mit  einer  einzigen  Flächeneinheit  zu 
tun.  Und  auf  dieser  ändert  sich  dann  von  Tag  zu  Tag  (diesen 
natürlich  nach  einem  Hauptmeridian  der  Erde  gerechnet)  die 
mittlere  Anomalie  sprungweise,  da  diese  nach  Angot  in  seiner 
Fourier'schen  Reihe  während  eines  Tages  konstant  genommen 


1  Der  Verfasser  hat  nur  aus  dem  Grunde  angenommen,  Angot  habe  die 
Wärmemengen  berechnen  wollen,  welche  dem  ganzen  Umfange  der  betrachteten 
Breite  innerhalb  einer  gewissen  Zeit  zugcstrahlt  werden,  um  den  Nachweis 
erbringen  zu  können,  daß  auch  bei  dieser  Fassung  des  Problems  der  von 
Angot  eingeschlagene  Weg  nicht  einwandfrei  ist. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  22 1 

werden  muS.  Mit  der  Diskontinuität  von  M  ist  aber  eine  Integra- 
tion der  Reihe  ausgeschlossen  und  dennoch  integriert  sie 
Angoty  indem  er  sich  desselben  graphischen  Verfahrens  bei 
den  Polen  wie  bei  den  einzelnen  Breiten  bedient 

Bei  der  Diskontinuität  von  M  und  daher  von  fiM)  hätte 
Angot  nur  in  der  Weise  die  Wärmemenge  des  bestrahlten 
Poles  während  eines  längeren  Zeitraumes»  beispielsweise  eines 
halben  Jahres,  ermitteln  können,  dafi  er  für  jeden  Tag  (gezählt 
nach  einem  Hauptmeridian  der  Erde)  des  Halbjahres  die  mittlere 
Anomalie  des  Poles  berechnet,  diese  Werte  von  M  der  Reihe 
nach  in  f{M)  einsetzt  und  die  erhaltenen  Tagessummen  addiert; 
oder,  da  Angot  das  graphische  Verfahren  bevorzugt,  hätte  er 
folgenden  Weg  einschlagen  können.  Er  hatte  nicht  nötig,  die 
mittlere  Anomalie  für  jeden  einzelnen  Tag  des  Halbjahres  zu 
bestimmen,  sondern  nur  für  einzelne  wenige  Tage,  etwa  für 
jeden  zehnten  Tag,  und  hätte  nur  für  diese  wenigen  Werte 
von  M  den  Wert  von  f{M)  berechnen  müssen.  Die  einzelnen 
Werte  von  M  hätte  Angot  nun  als  Abszissen,  die  zugehörigen 
Werte  von  f{M)  als  Ordinaten  auftragen  und  deren  Endpunkte 
dann  durch  eine  Kurve  verbinden  können.  Das  hat  nun  auch 
Angot  tatsächlich  getan.  Doch  nun  maß  er  den  Flächen- 
inhalt der  Kurve  mit  einem  Planimeter  aus.  Das  durfte  nicht 
geschehen.  Denn  damit  integrierte  (er  eine  diskontinuierliche 
Funktion.  Er  hätte  vielmehr  diese  Kurve  nur  dazu  benützen 
dürfen,  für  die  zwischen  jedem  zehnten  Tage  liegenden  Tage 
die  dem  Pole  zugestrahlte  Tageswärme  durch  graphische 
Interpolation  zu  ermitteln,  indem  er  in  den  diesen  Tagen 
entsprechenden  Punkten  der  Abszissenachse  Senkrechte  bis 
zu  ihrem  Schnitte  mit  der  Kurve  einzeichnete.  Denn  die 
Länge  einer  solchen  Geraden  ist  proportional  der  Tages- 
wärme. Dadurch  nun,  daß  er  die  den  auf  der  Abszissenachse 
markierten  Tagen  des  halben  Jahres  entsprechenden  Ordi- 
naten addierte,  hätte  er  einwandfrei  die  Wärmemenge  erhalten 
müssen,  die  dem  bestrahlten  Pole  in  einem  halben  Jahre  zu- 
gesendet wird. 

Trotz  der  großen  Rechenarbeit  hat  Angot  sein  Ziel  nicht 
erreicht,  denn  die  Wärmemengen,  die  in  längeren  Zeiträumen, 
sei  es  nun  pro  Flächeneinheit,  sei  es  dem  ganzen  Umfange 


222  F.  Hopfner, 

nach  einem  Breitenkreise  zugestrahlt  Werden,  hat  er  nicht 
berechnet.  Bis  zur  Entwicklung  der  Formel  zur  Berechnung 
der  Tageswärme  in  eine  Fourier*sche  Reihe  sind  seine  Schlüsse 
einwandfrei.  Alle  Ergebnisse,  welche  sich  auf  diesem  ersten 
Teile  seiner  Entwicklung  aufbauen,  sind  daher  auch  unanfecht- 
bar. Es  sind  das  alle  Sätze  über  die  Größe  der  Tageswärnie  in 
den  einzelnen  Breiten  bei  verschiedener  mittlerer  Anomalie 
und  verschiedenem  Absorptionskoeffizienten.  Auch  die  von 
ihm  konstruierten  Kurven,  von  denen  er  irrtümlicherweise 
annimmt,  sie  repräsentieren  den  Verlauf  der  Wärmestrahlung 
auf  der  gegebenen  Breite  während  eines  Jahres,  sind  brauch- 
bar, da  sie  es  gestatten,  auf  graphischem  Wege,  wie  wir  es 
eben  beim  Pole  gesehen  haben,  die  Tageswärme  für  jede 
mittlere  Anomalie  zu  ermitteln. 

Alles  Weitere  ist  aber  nicht  mehr  einwandfrei.  Vor  allem 
das  Bild,  das  Angot  über  die  Verteilung  der  Wärmestrahlung 
auf  der  Erdoberfläche  entwirft.  So  erhält,  wie  wir  in  Ab- 
schnitt IV  gesehen  haben,  zu  keinem  Zeitpunkte  der  Pol, 
welche  Größe  auch  immer  der  Absorptionskoeffizient  haben 
mag,  mehr  Wärme  pro  Flächeneinheit  zugestrahlt  als  inner- 
halb der  gleichen  Strahlungszeit  der  Äquator.  Es  ist  daher 
auch  die  Wärmemenge,  welche  der  Äquator  seinem  ganzen 
Umfange  nach  zugestrahlt  erhält,^  immer  größer  als  jene, 
welche  gleichzeitig  der  Pol  zugesandt  erhalten  hat.**  Wenn 
Angot  findet,  daß  dies  nur  bei  einem  Absorptionskoefflzienten 
p^O'7  möglich  ist,  so  ist  das  eine  Folge  seiner  Unstrenge 
in  der  analytischen  Behandlung  des  Problems.  Auch  für  Ab- 
sorptionskoeffizienten p>0'7  und  die  solare  Strahlung  hat 
dieser  Satz  Gültigkeit.  Überhaupt  hat  sich  bei  den  Unter- 
suchungen Angot's  —  die  eben  besprochenen  Strahlungs- 
verhältnisse auf  Pol  und  Äquator  sind  ja  nur  ein  spezieller 
Fall  hievon  —  ergeben,  daß  die  Verteilung  der  Wärmestrahlung 
auf  der  Erdoberfläche  abhängig  sei  vom  Absorptionskoeffi- 
zienten der  Atmosphäre,  während  wir  gerade  das  Gegenteil  im 
Abschnitte  IV  als  richtig  erkannt  haben. 

1  Diese  wird  gefunden,  wenn  man  seine  mittlere  Wärmemenge  mit  seinem 
Umfange  multipliziert. 

2  Siehe  Anmerkung  p.  170. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  223 

Weiter  ist  auffallend  das  Ergebnis  Angot's,  daß  die 
Wärmestrahlung  in  den  Sommermonaten  einer  Hemisphäre^ 
wenigstens  für  Absorptionskoeffizienten  in  der  Nähe  von  1  mit 
wachsender  Breite  sehr  stark  zunimmt.  Vergleicht  man  damit 
die  von  Angot  einwandfrei  gefundene  Verteilung  der  Wärme- 
strahlung an  einem  Tage  der  Sommerhemisphäre  von  Breite 
zu  Breite,  so  wird  man  eine  auffallige  Übereinstimmung  finden, 
die  jedoch  kein  Beweis  für  die  beiderseitige  Richtigkeit  ist; 
denn  wie  schon  anfangs  dieser  Abhandlung  bemerkt  wurde, 
dürfen  Resultate,  welche  für  einen  bestimmten  Punkt  auf  ver- 
schiedenen Breitenkreisen  ermittelt  wurden,  nicht  verglichen 
oder  identifiziert  werden  mit  Resultaten,  welche  für  ganze 
Breitenkreise  gelten;  vielmehr  zeigt  uns  diese  auffällige  Über- 
einstimmung die  Ursachen,  warum  Angot  auch  bei  längeren 
Zeiträumen,  als  es  ein  Strahlungstag  ist,  zu  einem  ähnlichen 
Resultat  wie  für  einen  einzelnen  Tag  kommen  mußte:  es  ist 
die  von  Angot  nicht  aus  seinen  Formeln  eliminierte  Strahlungs- 
zeit 2  t  eines  Bestrahlungstages,  welche  auf  der  Sommerhemi- 
sphäre mit  wachsender  Breite  bis  schließlich  zu  24  Stunden 
anwächst,  welche  den  Einfluß  der  verschiedenen  Tageslänge 
in  seine  Fourier'sche  Reihe  hineinbringt,  die  nach  den  Erläute- 
rungen des  ersten  Abschnittes  überhaupt  unabhängig  sein 
sollte  von  den  Erscheinungen  der  scheinbaren  täglichen  Be- 
wegung. 

Hiemit  soll  die  Besprechung  der  Angot'schen  Arbeit  ab- 
schließen. Es  folgt  nun  die  Lösung  des  noch  übrig  gebliebenen 
Teiles  unserer  Aufgabe. 

VI.  Die  vierte  Form  des  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes. 

Die  Wärmemengen,  welche  nach  erfolgter  Absorption  in 
der  atmosphärischen  Luft  pro  Flächeneinheit  auf  eine  beliebige 
Breite  innerhalb  einer  gewissen  Zeit  auffallen,  d.  i.  innerhalb 
einer  gewissen  LängendifTerenz  ©j — O^,  erhält  man,  wenn  man 
die  Form  (I)  des  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes  innerhalb 


1  Das  von  Angot  ermittelte  Verhältnis  in  der  Bestrahlung  von  Pol  und 
Äquator  steht  hiemit  im  engsten  Zusammenhange. 


224  F.  Hopfner, 

dieser  Grenzen  integriert;  es  ergibt  sich  daher  für  die  Berech- 
nung der  gesuchten  Wärmemengen  die  Gleichung: 


0.     -^ 


^e    ^  dO. 


Der  Versuch,  die  angezeigte  Operation  des  Integrierens 
direkt  auszuführen,  führt  auf  langwierige  Rechnungen  auch 

dann,  wenn  man  ^    4*  in  bekannter  Weise  durch  die  Reihe 

y  (±  \iY     1 


r\       Y 


ausdrückt,  welche  für  jeden  endlichen  Wert  von 


unbedingt 


konvergent  ist.  Es  geht  dann  nämlich  obige  Gleichung  in  die 
Form 


über,  in  welcher  die  Fourier'sche  Reihe,  durch  welche  gemäß 
den  Gleichungen  des  Abschnittes  II  die  Funktion  ^  dargestellt 
worden  ist,  in  der  (r — l)ten  Potenz  im  Nenner  auftritt.^ 

Diese  langwierigen  Rechnungen  lassen  sich  dadurch  ver- 
meiden,  daß  wir  das  Lambert'sche  Absorptionsgesetz  noch  in 
einer  vierten  Form  darstellen,  welche  in  relativ  einfacher  Weise 
die  auszuführende  Integration  ermöglicht. 

Zu  diesem  Zwecke  wollen  wir  uns  den  Weg  vor  Augen 
führen,  der  einzuschlagen  wäre,  wenn  wir  jene  solare  Wärme- 
menge zu  berechnen  hätten,  welche  innerhalb  einer  gegebenen 


1  Man  könnte  auf  den  ersten  Blick  meinen,  es  sei  praktischer,  die 
Form  (II)  des  Lambert'schen  Absorptionsgesetzes  für  die  auszuführende  In- 
tegration zu  verwenden;  doch  stößt  man  auf  große  analytische  wie  rech- 
nerische Schwierigkeiten  bei  dem  Versuche,  die  Länge  0  der  wahren  Sonne 
als  Funktion  der  solaren  Wärmemenge  W  darzustellen. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  225 

Zeit  dem  Äquator  pro  Flächeneinheit  zugestrahlt  wird.  In 
diesem  Falle  ist  die  Fourier*sche  Reihe  (Gleichung  2)  des 
Abschnittes  II  innerhalb  der  Grenzen  0^  bis  ©,  einer  Integra- 
tion zu  unterziehen,  bei  welcher  folgende  geometrische  Be- 
trachtung am  raschesten  zum  Ziele  führt 

Vom  Standpunkte  der  Geometrie  aus  ist  diese  Fourier'sche 
Reihe  nichts  anderes  als  die  Gleichung  einer  Kurve,  welche 
durch  ihren  Verlauf  den  Gang  der  solaren  Wärmestrahlung 
am  Äquator  während  eines  Jahres  wiedergibt.  Nehmen  wir  an, 
die  Erde  bewege  sich  in  einer  Kreisbahn,  setzen  also  die  Erd- 
bahnexzentrizität e  gleich  Null  und  nehmen  weiter  an,  auch 
die  Schiefe  der  Ekliptik  e  sei  gleich  Null,  so  wird  einfach 

l  dW\ 

\ J        =  Konst.    Geometrisch   ist   dann   der  Verlauf   der 

solaren  Strahlung  am  Äquator  durch  eine  Gerade  repräsen* 
tiert,  welche  in  einer  gewissen  Entfernung  parallel  mit  der 
Abszissenachse  des  gewählten  Koordinatensystems  verläuft. 
Die  Wärmemenge  nun,  welche  dem  Äquator  unter  diesen  ver- 
einfachten Verhältnissen  auf  einem  gewissen  Bahnstück  in  der 
Ekliptik  zugestrahlt  wird,  ist  dann  geometrisch  durch  den 
Flächeninhalt  eines  Rechteckes  gegeben,   dessen   Höhe  die 

I  dW\ 
Ordinate  ( )        =  Konst.,  dessen  Grundlinie  die  dem  ge- 

gebenen  Bahnstück  entsprechende  Abszisse  ist. 

Wie  liegen  nun  die  Verhältnisse,  wenn  weder  die  Exzen- 
trizität der  Erdbahn  noch  die  Schiefe  der  Ekliptik  Null  ist?  In 
diesem  Falle  treten  zu  dem  konstanten  Gliede  a^  noch  eine 
Reihe  von  periodischen  Gliedern  hinzu.  Wie  ist  dies  geo- 
metrisch aufzufassen?  Nicht  anders,  als  daß  wir  uns  über  der 


(— )  = 


Geraden  ( )        zz  Konst.  jedes   einzelne    dieser   periodi- 


schen Glieder  —  geometrisch  eine  Anzahl  Sinuswellen  von 
verschiedener  Amplitude,  Phase  und  Periode  —  konstruiert 
denken;  die  den  wahren  Verlauf  der  solaren  Strahlung  am 
Äquator  repräsentierende  Kurve  wird  dann  erhalten,  wenn  die 
der  gleichen  Abszisse  entsprechenden  Ordinaten  der  Geraden 
und  der  einzelnen  Wellen  algebraisch  addiert  und  die  sich 
so  ergebenden  Punkte  verbunden  werden,  also,  physikalisch 


226  F.  Hopfner, 

ausgedrückt,  wenn  die  einzelnen  Wellen  zur  Interferenz  ge- 
bracht werden. 

Damit  ist  auch  bereits  angedeutet,  auf  welche  Weise 
die  dem  Äquator  auf  einer  gegebenen  Längend ifferenz  zu- 
gestrahlten Wärmemengen  oder,  geometrisch  ausgedrückt,  der 
von  zwei  Ordinalen  begrenzte  Flächeninhalt  unserer  Kurve 
bestimmt  wird.  Man  hat  einfach  den  Flächeninhalt  einer  jeden 
einzelnen  dieser  Wellen  zu  berechnen,  welchen  sie  innerhalb 

/dW\ 
der  beiden   Grenzordinaten    mit   der   Geraden     1        = 

\  ^0/9  =  0 

=  Konst.  einschließen,  und  diese  Flächeninhalte  zu  dem 
Flächeninhalte  des  von  der  Geraden  und  den  beiden  Grenz- 
ordinaten bestimmten  Rechteckes  zu  addieren,  beziehungs- 
weise von  diesem  zu  subtrahieren,  je  nachdem  die  Flächen- 
inhalte der  Wellen  von  positiven,  beziehungsweise  negativen 

/dW\ 
Ordinalen  —  bezogen  auf  die  Gerade    =  Konst.  — 

V  ^0/9  =  0 

erfüllt  werden. 

In  der  Figur  sind  über  der  Geraden  { 1        =:  jP(0)  = 

=  Konst.  als  Abszissenachse  jene  Wellen  konstruiert,  deren 
Amplituden  bei  einer  fünfstelligen  Rechnung  berücksichtigt 
werden  müssen.^ 

An  der  Hand  dieser  Figur  und  mit  Rücksicht  auf  die 
oben  gegebenen  Anleitungen  ist  es  nun  nicht  schwer,  jene 
Wärmemengen  zu  berechnen,  welche  dem  Äquator  auf  einer 
beliebigen  Längendifferenz,  beispielsweise  auf  Bahnstücken  zu 
je  30  Längengraden,  zugestrahlt  werden.  Denkt  man  sich  näm- 
lich unsere  Fourier'sche  Reihe  innerhalb  dieser  willkürlichen 
Längendifferenz  integriert,  so  erhält  man  allgemein  für  die 
Wärmemenge,  welche  dem  Äquator  auf  diesem  Längeninter- 
vall zugestrahlt  wird: 


1  Bis  auf  die  Amplitude  a^,  welche  60  mal  verjüngt  in  die  Figur  ein- 
gezeichnet werden  mußte,  sind  die  Amplituden  aller  anderen  Wellen  in  den 
sich  aus  der  Rechnung  ergebenden  Verhältnissen  konstruiert  worden.  Hin- 
sichtlich der  numerischen  Berechnung  der  Amplituden  sehe  man  nach  Meteorol. 
Zeitschrift,  1906,  p.  385  fT. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne. 


227 


IC 


6 

wenn  mit  fv^,  w^,  w,  und  fv[,  tt/^,  n/^  die  den  Wellen  niit  den 
Amplituden  a^,  öj,  äj,  beziehungsweise  b^y  b^,  b^  entsprechenden 
Flächeninhalte  auf  je  30  Längengraden  bezeichnet  werden. 


Aus  der  Figur  erkennt  man  leicht,  daß  diese  Flächen- 
inhalte im  geometrischen  Sinne  in  den  angenommenen  Längen- 
differenzen wie  folgt  algebraisch  zusammenzufassen  sind: 


228 


F.  Hopfner, 


0«— 30« 

30« -60« 

60«— 90« 

330«     360« 

300«     330« 

270«— 300« 

IC 

IC 

IC 

-4-«/^— M/jH-Ws 

90«— 120« 

120«— 150« 

150«— 180« 

240«— 270« 

210«— 240« 

180«— 210« 

IC 
— Wi — W2 — ^8 

IC 

IC 

Man  sieht,  daß  die  zugestrahlten  Wärmemengen  berechnet 
sind,  wenn  man  die  numerischen  Werte  der  Flächeninhalte  der 
sechs  Wellen  kennt. 

Gehen  wir  nochmals  auf  die  Gleichung  für  [U^]^ao  zurück. 
Physikalisch  besagt  diese  Gleichung  nichts  anderes,  als  daß  die 
Wärmemenge,  welche  dem  Äquator  auf  einer  gewissen  Längen- 
differenz  zugestrahlt  wird,  als  eine  algebraische  Summe  von 
Komponenten  aufgefaßt  werden  darf,  also  als  eine  Summe  von 
Teilwärmemengen,  welche  je  nach  dem  Bahnstücke,  für  das 
die  Gesamtwärmemenge  zu  berechnen  ist,  positiv  oder  negativ 
zu  nehmen  sind.  Hiebei  kann  den  negativ  einzuführenden 
Wärmemengen  insofern  auch  eine  physikalische  Bedeutung 
beigelegt  werden,  als  man  annimmt,  diese  Teilwärraemengen 
werden  dem  Äquator  auf  der  angenommenen  LängendifiFerenz 
durch  irgend  eine  Ursache  entzogen,  und  zwar  nach  dem- 
selben Gesetze,  auf  Grund  dessen  in  einem  anderen,  ebenso 


1  Wie  leicht  einzusehen  ist,  mufl  für  unsere  Rechnung  in  diesen  Längen- 
diiferenzen  M'2  ^=^  0  sein. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  229 

langen  Bahnstücke  dieselbe  Wärmemenge  dem  Äquator  zu- 
gestrahlt wird. 

Und  nun  wollen  wir  annehmen,  es  sei  eine  Atmosphäre 
gegeben,  welche  nach  dem  Lambert'schen  Gesetze  die  sie 
durchdringenden  Wärmestrahlen  absorbiert;  die  Aufgabe  aber 
sei  dieselbe  wie  vorhin.  Welche  Veränderungen  erfahren  nun 
hiedurch  einmal  der  Verlauf  der  Wärmestrahlung  am  Äquator 
während  eines  Jahres,  dann  aber  auch  der  Verlauf  einer  jeden 
einzelnen  Teilwelle? 

Ober  diese  Fragen  geben  uns  die  Ergebnisse  des  Ab- 
schnittes rv  Aufschluß.  Dort  hat  sich  gezeigt,  daß  der  Ver- 
lauf der  Wärmestrahlung  für  eine  beliebige  Breite,  daher  im 
besonderen  auch  für  den  Äquator,  durch  die  Existenz  einer 
Wärmestrahlen  absorbierenden  Atmosphäre  nur  insofern  be- 
einflußt wird,  daß  die  Jahresschwankung  eine  Verkleinerung 
erfährt,  die  Eintrittszeiten  der  Maxima  und  Minima  in  der 
Bestrahlung  aber  keine  Verschiebung  erfahren.  Wie  ist  es  nun 
aber  mit  den  einzelnen  Teilwellen  bestellt  bei  Annahme  einer 
solchen  Atmosphäre?  Auch  da  gibt  uns  der  genannte  Abschnitt 
Aufschluß. 

Die  Untersuchungen  sind,  wie  bereits  am  Schlüsse  des 
Abschnittes  hervorgehoben  worden  ist,  ganz  allgemein  durch- 
geführt worden  ohne  Rücksicht  auf  die  spezielle  Form  der 
Funktion  ^.  Nichts  hindert  uns,  diese  als  die  Gleichung  einer 
der  Teilweiien  bei  Existenz  einer  Wärmestrahlen  absorbie- 
renden Atmosphäre  zu  betrachten.  Darum  müssen  auch  alte 
Ergebnisse  des  Abschnittes  IV  unverändert  für  jede  einzelne 
Teilwelle  Gültigkeit  haben. 

Es  wird  daher  jede  Teilwelle  für  dieselbe  Länge  0  der 
Sonne  dort  ihr  Maximum,  beziehungsweise  Minimum  haben, 
wo  sie  einen  solchen  Extremwert  bei  solarer  Strahlung  er- 
reicht. Ferner  wird  sie  für  dieselbe  Sonnenlänge  die  Gerade 


(— )  = 


Konst.  schneiden,  für  welche  dieser  Schnitt  bei 


Fehlen  einer  Atmosphäre  eingetreten  ist;  denn  die  Bedingung 
^  =  0  ist  unabhängig  vom  Absorptionskoeffizienten,  weil  frei 
von  der  Konstanten  (i.  Nur  die  Differenz  zwischen  den  dem 
Maximum  und  dem  Minimum  der  Teilwelle  entsprechenden 


230  F.  Hopfner, 

Ordinaten  wird  eine  Verkleinerung  erfahren.  Rein  geometrisch 
gesprochen,  besagen  diese  Ergebnisse  nichts  anderes,  als  daß 
die  einzelnen  Teilwellen  weder  in  ihrer  Phase  noch  in  ihrer 
Periode  eine  Änderung  erfahren  bei  Existenz  einer  Atmo- 
sphäre, sondern  nur  in  ihrer  Amplitude. 

Diese  Ergebnisse  berechtigen  nun  zu  folgenden,  die  durch- 
zuführende Berechnung  ungemein  vereinfachenden  Schlüssen. 
Da  die  Teilwellen  durch  die  Absorption  der  Wärmestrahlen  in 
der  Atmosphäre  weder  in  ihrer  Phase  noch  in  ihrer  Periode 
eine  Änderung  erfahren,  wohl  aber  eine  kleinere  Amplitude 

[  dW\ 
erhalten,  so  fallen  die  von  ihnen  und  der  Geraden    1         = 

Wo  /f  =  0 
=  Konst.  eingeschlossenen  Flächen  für  jede  LängendifTerenz 
ganz  innerhalb  jener  Flächen,  welche  von  den  Wellen  gleicher 
Phase  und  Periode  und  dieser  Geraden  bei  solarer  Strahlung 
auf  derselben  LängendifTerenz  gebildet  werden.  Es  ist  daher 
der  Flächeninhalt  einer  solchen  Teilwelle  bei  Existenz  einer 
Atmosphäre  positiv,  beziehungsweise  negativ  in  die  Rechnung 
einzuführen,  wenn  der  durch  die  Teilwelle  bei  solarer  Strahlung 

f  dW\ 
mit  der  Geraden    zr  Konst.  gebildete  Flächeninhalt 

\  ^0/^  =  0 

positiv,  beziehungsweise  negativ  in  der  Rechnung  verwendet 
wurde.  Gelingt  es  daher,  für  jede  einzelne  Teilwelle  bei  Exi- 
stenz einer  Atmosphäre  den  Flächeninhalt  für  jede  beliebige 
Längendifferenz  zu  bestimmen,  so  sind  diese  Flächeninhalte 
auf  dieselbe  Weise  algebraisch  zusammenzufassen,  um  den 
Flächeninhalt  der  aus  ihnen  resuUierenden  Hauptwelle  zu 
berechnen,  wie  die  Flächeninhalte  der  Teilwellen  bei  solarer 
Strahlung  auf  derselben  LängendifTerenz. 

Übertragen  wir  diese  Schlüsse  ins  Physikalische,  so  be- 
sagen sie  folgendes:  Wir  erhalten  die  Gesamtwärmemenge, 
welche  auf  einer  gewissen  LängendifTerenz  unter  Annahme 
einer  nach  dem  Lambert'schen  Gesetze  absorbierenden  Atmo- 
sphäre pro  Flächeneinheit  auf  den  Äquator  in  einer  gewissen 
Zeit  auffällt,  wenn  wir  für  jede  Komponente  der  solaren 
Wärmemenge,  welche  auf  der  gleichen  Längendififerenz  unter 
gleichen  Verhältnissen  dem  Äquator  zugestrahlt  wird,  die  nach 
erfolgter   Absorption    durch    die    Atmosphäre    übrigbleibende 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  231 

Wärmemenge  bestimmen  und  diese  als  Komponenten  der 
durch  die  Absorption  reduzierten  Wärmestrahlung  ebenso 
algebraisch  zusammenfassen  wie  die  Komponenten  der  solaren 
Strahlung  auf  derselben  LängendifTerenz. 

Diese  Ergebnisse  gewinnen  an  Klarheit,  wenn  wir  sie  ana- 
lytisch zum  Ausdrucke  bringen.  Wir  haben  die  Kurve,  welche 
den  Verlauf  der  solaren  Strahlung  am  Äquator  während  eines 
Jahres   angibt,    dadurch,   daß   wir  den   Differentialquotienten 

/dW\ 

\ )         in  eine  Fourier'sche  Reihe  entwickelt  haben,  dar- 

gestellt  als  Interferenzwelle  aus  einer  unendlichen  Anzahl  von 
Wellen.  Ist  nun  eine  Wärmestrahlen  absorbierende  Atmo- 
sphäre vorhanden,  so  erfahren  diese  Wellen  nur  in  ihrer 
Amplitude,  nicht  aber  in  ihrer  Phase  und  Periode  eine  Ver- 
änderung. Lassen  wir  also  diese  durch  die  Absorption  modi- 
fizierten Wellen  interferieren,  so  muß  notwendig  ihre  Inter- 
ferenzwelle jene  Kurve  sein,  welche  den  Verlauf  der  WäiTne- 
strahlung  am  Äquator  bei  Existenz  einer  Atmosphäre  in  einem 
Jahre  angibt.  Analytisch  wird  diese  Interferenz  der  einzelnen 
Wellen  dadurch  zum  Ausdrucke  gebracht,  daß  wir  die  Glei- 
chungen dieser  Wellen  algebraisch  addieren.  Diese  sind  aber, 
wie  sich  unmittelbar  aus  der  ersten  Form  des  Lambert'schen 
Absorptionsgesetzes  ergibt,  von  folgender  Form: 

—^  =  4»,^    ♦*,  ^^  =  c^cos%e  (x  =  0,l,2...r) 

^"^^    =  4^;r*i,  ^i  =  d=&xsinx0  (x  =  l,2,3...r) 


dO 
wenn  wir  durch  Hinzufügen  des  Indexes  k  die  Teilwellen  von 

der  Hauptwelle  f — —)         und  untereinander  durch  Anbrin- 

gung  eines  Akzentes  unterscheiden,  je  nachdem  wir  es  im 
letzteren  Falle  mit  einer  Sinus-  oder  Kosinuswelle  zu  tun 
haben.  Für  das  Vorzeichen  im  Exponenten  auf  der  rechten 
Seite  obiger  Gleichungen  ist  aber  die  folgende  Bemerkung  von 
VV^ichtigkeit.  Solange  die  linke  Seite  der  Gleichungen  positiv 
ist,  wird  dem  Äquator  Wärme  zugestrahlt;  wird  sie  aber 
negativ,   so  läßt  sich  das  analog  den  negativen  Teilwärme- 

SiUb.  d.  mathem.-naturw.  KI. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  16 


232  F.  Hopfner, 

mengen  bei  der  solaren  Strahlung  physikalisch  so  aufTassen, 
als  würde  dem  Äquator  nach  dem  gleichen  Gesetze  wie  bei 
der  Zustrahlung  Wärme  entzogen.  Die  Atmosphäre  spielt  bei 
dieser  Auffassung  in  jedem  der  beiden  Fälle  eine  ganz  ent- 
gegengesetzte  Rolle.  Im  ersten  Falle  schützt  sie  den  Äquator 
vor  jener  starken  Einstrahlung,  wie  sie  beim  Fehlen  einer 
Atmosphäre  stattfinden  würde;  sie  wirkt  also  vermindernd 
auf  die  zugestrahlten  Wärmemengen  ein.  Im  zweiten  Falle 
aber  schützt  sie  vor  jenem  starken  Wärmeentgange,  wie  er 
bei  der  solaren  Strahlung  durch  die  negativen  Teilwärme- 
mengen verursacht  wird;  es  wirkt  daher  im  letzten  Falle  die 
Atmosphäre  relativ  vergrößernd  auf  die  Wärmemengen 
des  Äquators  ein.  Analytisch  kommt  dieses  verschiedene  Ver- 
halten der  Atmosphäre  in  beiden  Fällen  dadurch  zixtn  Aus- 
drucke, daß  der  Logarithmus  des  Absorptionskoeffizienten  {t 
gleichzeitig  mit  der  linken  Seite  der  Gleichungen  sein  Zeichen 
wechseln  muß.  Da  aber  mit  dieser  auch  der  Nenner  im 
Exponenten  der  Basis  e  der  natürlichen  Logarithmen  sein 
Vorzeichen  ändert,  so  bleibt  das  Vorzeichen  des  ganzen 
Exponenten  von  diesen  beiden  Zeichenwechseln  unbeeinflußt. 
Für  die  praktische  Anwendung  obiger  Gleichungen  ergibt 
sich  daher  die  einfache  Regel,  daß  sowohl  [i  als  auch  der 
Nenner  im  Exponenten  stets  nur  ihrem  absoluten  Betrage 
nach  in  die  Rechnung  einzuführen  sind.  Man  erhält  somit  als 
Gleichung  des  Verlaufes  der  Wärmestrahlung  am  Äquator  bei 
Existenz  einer  Atmosphäre 


oo 


=  a,e    ^- 


'^(a.e    ^"^^^'^^cosxOzfcftx^    ** ^^" *^  sin x0) 


Das  Integral^  über  diese  Gleichung  innerhalb  der  Grenzen 
©j  bis  ©2  gibt  die  Wärmemengen,  welche  in  der  diesen 
Grenzen  entsprechenden  Zeit  pro  Flächeneinheit  auf  den 
Äquator  auffallen,  wobei  ebenso,  wie  wir  beim  Beispiele  der 

1  Die  gleichmäßige  Konvergenz  dieser  Reihe  läßt  sich  ohneweiters  aus 
der  physikalischen  Bedeutung  des  Differentialquotienten  schließen. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  233 

solaren  Strahlung  gesehen  haben,  auf  die  verschiedene  Periode 
der  einzelnen  Glieder  der  Reihe  Rücksicht  zu  nehmen  ist. 

Dieselben  Schlüsse  wie  für  den  Äquator  gelten  auch  für 
den  Verlauf  der  Wärmestrahlung  und  für  die  Berechnung  der 
auffallenden  Wärmemengen  bei  Existenz  einer  Atmosphäre 
am  bestrahlten  Pole.  Den  Verlauf  der  Wärmestrahlung  auf 
ihm  stellt  die  Gleichung  ^ 

dar,  deren  Integral  innerhalb  der  Grenzen  von  ©^  bis  ©,  die 
gesuchte  Wärmemenge  gibt. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  die  Verhältnisse  liegen,  wenn  wir 
auf  eine  beliebige  Breite  von  der  Polhöhe  (p  übergehen.  Gemäß 
der  Gleichung  (1)  des  zweiten  Abschnittes  erhalten  wir  den 
Verlauf  der  solaren  Strahlung  auf  dieser  Breite,  wenn  wir  die 
Welle  des  Poles,  deren  Amplitude  mit  dem  Sinus  der  Polhöhe 
der  angenommenen  Breite  zu  multiplizieren  ist,  mit  der  Welle 
des  Äquators,  deren  Amplitude  mit  dem  Kosinus  der  Polhöhe 
zu  multiplizieren  ist,  zur  Interferenz  bringen.  Da  letztere  Welle 
aber  selbst  eine  Interferenzwelle  aus  einer  unendlichen  Anzahl 
von  Wellen  ist,  so  hat  man  die  auf  die  Breite  (p  reduzierte 
Welle  des  Poles  mit  dieser  unendlichen  Anzahl  von  Teilwellen» 
deren  Amplituden  jedoch  vorher  mit  dem  Kosinus  der  Polhphe 
zu  multiplizieren  sind,  interferieren  zu  lassen.  Bei  Existenz 
einer  Atmosphäre  erfahren  alle  diese  Wellen  weder  in  ihrer 
Phase  noch  in  ihrer  Periode,  sondern  nur  in  ihrer  Amplitude 
eine  Veränderung.  Die  Gleichungen  dieser  durch  Absorption 
modifizierten  Wellen  ergeben  sich  analog  wie  bei  Äquator  und 
Pol  unmittelbar  aus  Form  (I)  des  Lambert'schen  Gesetzes; 
deren  algebraische  Summe  stellt  die  Interferenzwelle  für  die 
Polhöhe  ff  dar.  Man  erhält  somit  als  Gleichung  des  Verlaufes 
der  Wärmestrahlung  auf  einer  beliebigen  Breite  bei  Existenz 
einer  Wärmestrahlen  absorbierenden  Atmosphäre 

^dQ/f 

1  (IV.) 

16* 


234  F.  Hopfner,  Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne. 

wenn  zur  Abkürzung  gesetzt  wird: 

Ar.  =  öx  cos  cp  (x  =  0,  1,  2, . . .  r) 

J?i  =  i±:  \h^  cos  cp  H p  sin  cp j 

\  2  ' 

J3x  =  ±  frx  cos  f  (x  =  2,  3, 4, . . .  r). 

Diese  Gleichung  gibt  das  Lambert'sche  Absorptionsgesetz 
in  einer  vierten  Form.  Diese  zeichnet  sich  vor  den  anderen 
Formen  dieses  Gesetzes  dadurch  aus,  daß  sie  ähnlich  wie  eine 
Fourier'sche  Reihe  die  Kurve,  welche  den  Verlauf  der  Wärme- 
strahlung auf  einer  beliebigen  Breite  bei  Existenz  einer  Atmo- 
sphäre darstellt,  als  das  Resultat  einer  Interferenz  aus  einer 
unendlichen  Anzahl  von  Wellen  zum  Ausdrucke  bringt.  Diese 
Art  der  Darstellung  wird  dort  gute  Dienste  leisten,  wo  es  sich 
darum  handelt,  die  Eigentümlichkeiten  im  Verlaufe  der  Wärme- 
strahlen in  ihrer  Abhängigkeit  von  den  Elementen  der  Erdbahn 
zu  studieren.  Für  unseren  Zweck  aber,  nämlich  für  die  auszu- 
führende Integration,  ist  diese  Form  aus  dem  Grunde  besonders 
geeignet,  da  in  ihr  bei  den  der  Integration  zu  unterziehenden 
Funktionen  eine  möglichst  einfache  Form  erzielt  worden  ist. 
Wendet  man  nämlich  auf  diese  Funktionen  die  bereits  eingangs 
dieses  Kapitels  gebrauchte  Reihenentwicklung  an,  so  reduziert 
sich  die  auszuführende  Integration  auf  folgende  einfache  Inte- 
grale: ^0,        ^0  ,      ro«        J0 


p._^^_     und     r 
X,    (cosxO)''-^  J0. 


(sin  xO)»--! 

Damit  ist  der  Weg  angegeben,  welcher  bei  der  Berechnung 
jener  Wärmemengen  einzuschlagen  ist,  welche  nach  Passieren 
der  Luft  auf  eine  beliebige  Breite  innerhalb  einer  gewissen 
Zeit  pro  Flächeneinheit  auffallen.  Mit  Rücksicht  auf  das  bereits 
in  den  früheren  Abschnitten  gegebene  Bild  über  die  Verteilung 
der  Wärmestrahlung  auf  der  Erdoberfläche  bei  Existenz  einer 
Atmosphäre  darf  durch  die  Ableitung  der  vierten  Form  des 
Lambert'schen  Absorptionsgesetzes  das  gestellte  Problem  für 
die  Meteorologie  als  gelöst  betrachtet  werden.  Denn  die  noch 
auszuführende  Integration  beansprucht  nur  noch  ein  rein  mathe- 
malisches Interesse;  mit  ihrer  Ausführung  und  der  numerischen 
Berechnung  der  auffallenden  Wärmemengen  werden  sich  die 
folgenden  Abschnitte  beschäftigen. 


235 


Die  Herstellung  von  Karten  und  Plänen  auf 

photographisehem  Wege 


von 


Theodor  Scheimpflug, 

it.  M.  i^.  Hauptmann  d.  R,  und  Kapitän  l.  F. 
(Mit  6  Textflguren.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  7.  März  1907.) 

I.  Überblick  über  die  leitenden  Gesichtspunkte  der  Methode. 

Das  hier  zu  erläuternde  Verfahren  beruht  auf  der  Aus- 
wertung von  Photogrammen  des  Terrains  zu  Karten  oder 
Plänen,  unterscheidet  sich  aber  von  den  bekannten  photo- 
grammetrischen  Methoden  wesentlich  dadurch,  daß  diese  Aus- 
wertung nicht  punktweise  durch  Messung,  Rechnung  und 
Zeichnung  erfolgt,  sondern  daß  bei  derselben  die  Bilder  in.ihrer 
Gänze  oder  zum  mindesten  größere  Teile  derselben  auf  einmal 
systematisch  verändert  und  durch  rein  optische,  beziehungs- 
weise photographische  Prozesse  in  Teile  von  Karten  oder  Plänen 
übergeführt  werden. 

Der  theoretische  Grundgedanke,  der  dem  Verfahren  zu 
Grunde  liegt,  läßt  sich  kurz  dahin  formulieren,  daß  sowohl 
die  Photographien  als  die  Karten  ebene  und  projektive  Bilder 
des  Terrains  sind  und  sich  nur  dadurch  voneinander  unter- 
scheiden, daß  im  allgemeinen  jedes  einzelne  Element  der 
Photographie  einen  anderen  Maßstab  hat  als  das  ihm  ent- 
sprechende Element  der  Karte.  Es  muß  also  möglich  sein, 
durch  Prozesse,  welche  diese  Maßstabsverschiedenheiten  be- 
seitigen, die  Photographien  in  Karten  überzuführen. 

Allerdings  ist  der  Standpunkt,  von  dem  aus  die  Photo- 
graphie des  Terrains  aufgenommen  wurde,  im  allgemeinen  ein 


236  Th.  Scheimpflug, 

niedriger;  es  wird  bei  selber  in  der  Regel  nicht  nur  der  Vorder- 
grund viel  zu  groß  und  detailreich,  der  Hintergrund  viel  zu 
klein  und  detaiiarm  erscheinen,  sondern  es  wird,  und  das  ist 
prinzipiell  viel  bedenklicher,  der  Vordergrund  große  und  wich- 
tige Partien  des  Hintergrundes  verdecken.  Was  in  der  Photo- 
graphie fehlt,  aber  in  der  Karte  nicht  fehlen  darf,  kann  nur  aus 
anderen  Bildern  ergänzt  werden.  Solange  die  Standpunkte 
niedrig  sind  und  das  Terrain  nahezu  enfilieren,  wäre  aber  eine 
Unzahl  von  Bildern  dazu  nötig  und  die  zu  ihrer  Verarbeitung 
nötige  Mühe  stände  in  keinem  Verhältnis  zum  Resultat. 

Erst  wenn  und  in  dem  Maße,  als  man  hohe  Standpunkte 
wählt,  wird  die  Sache  diskutabel. 

Es  kommen  also  im  weiteren  nur  Aufnahmen  von  hohen 
terrestrischen  Standpunkten,  Hochgebirgsaufnahmen  und  Bal- 
lonaufnahmen in  Betracht. 

Einfache  Überlegungen  zeigen,  daß  die  Maßstabsverschie- 
denheiten zwischen  Photographie  und,  Karte  zweierlei  Art 
sind;  und  zwar  ist  die  erste  Art  bedingt  durch  die  Lage  der 
Projektionsebene  und  die  zweite  Art  bedingt  durch  die  Plastik 
des  Terrains. 

Die  Maßstabsverschiedenheiten  der  ersten  Art  sind  hie- 
be! bedeutend  größer  und  weitaus  störender  als  jene  der 
zweiten  Art. 

I.  Ist  die  Projektionsebene  der  Photographie  vertikal  oder 
geneigt,  wie  das  gewöhnlich  der  Fall  ist,  die  Projektionsebene 
der  Karte  horizontal,  so  ist  es  klar,  daß  das  zu  bedeutenden 
Maßstabsverschiedenheiten  führen  muß.  Man  kann  in  erster 
Annäherung,  d.  h.  wenn  man  von  den  Maßstabsverschieden- 
heiten der  zweiten  Art  vorläufig  absieht,  sagen,  Photographie 
und  Karte  entstehen  dadurch,  daß  ein  und  dasselbe  den  Stand- 
punkt mit  dem  Objekt  verbindende  Strahlenbüschel  Von  zwei 
Ebenen  verschiedener  Lage  geschnitten  wird.  Sobald  man 
aber  an  dieser  Annahme  festhält,  können  die  perspektivischen 
Verschiedenheiten  zwischen  Photographie  und  Karte  ohne 
Schwierigkeit  mit  Hilfe  des  vom  Verfasser  konstruierten 
Photoperspektographen  (siehe  »Photographische  Korrespon- 
denz«, November  1906,  Nr.  554  der  ganzen  Folge)  beseitigt 
werden. 


Photographische  HersteHnng  Ton  Karton.  237 

Nur  ist  hiebe!  noch  folgendes  zu  beobachten : 

Bei  Ballonaufnahmen  hat  das  in  Betracht  kommende 
Strahlenbüschel  beinahe  stets  eine  solche  Lage  im  Räume, 
daß  ein  horizontaler  Schnitt  durch  dasselbe  ein  reelles  Bild 
ergibt.  Anders  bei  Hochgebirgsaufnahmen.  Bei  diesen  kommt 
es  häufig  vor,  daß  das  photographierte  Objekt  mindestens  teil- 
weise höher  ist  als  der  Standpunkt  Dann  gibt  ein  horizontaler 
Schnitt  durch  das  primäre  Strahlenbüschel  kein  brauchbares 
Bild  mehr. 

Das  Verfahren  wird  scheinbar  undurchführbar. 

Erst  durch  die  Verwertung  der  mathematischen  Beziehun- 
gen zwischen  räumlich  kollinearen  Gebilden  läßt  sich  diese 
Schwierigkeit  umgehen. 

E.  DevillCy  Surveyor  General  of  Dominion  Lands,  gibt 
in  seinem  Werke:  »Photographic  Surveying  including  the 
Elements  of  Descriptive  Geometry  and  Perspective  1895« 
höchst  elegante  Konstruktionen  an,  um  aus  den  Perspektiv- 
bildem  (Photographien)  ebener  Figuren  deren  Horizontal- 
projektionen abzuleiten. 

Diese  Konstruktionen  sind  im  wesentlichen  Transforma- 
tionen des  Standpunktes,  der  Bildebene  und  der  Projektions- 
ebene. 

Da  sich  aber  jedes  räumliche  Gebilde  durch  Führung 
paralleler  Schnitte  in  eine  Schar  ebener  Figuren  auflösen  läßt 
und  für  diese  Schar  ebener  Figuren  die  Transformationen  des 
Standpunktes  und  der  Bildebene  stets  gemeinsam  sind,  die 
Transformationen  der  Projektionsebenen  aber  in  ihrer  Gesamt- 
heit eine  Umformung  des  Originalterrains  in  ein  zu  demselben 
räumlich  kollineares  Gebilde,  »das  transformierte  Terrain«,  dar- 
stellen, so  ist  es  leicht,  die  Deville*schen  Konstruktionen  auch 
für  räumliche  Gebilde  anzuwenden  und  dadurch  die  obange- 
deuteten  Schwierigkeiten  zu  überwinden. 

Rein  mathematisch  genommen,  entspricht  der  Photographie 
1',  2',  3'  und  ihrem  Standpunkte  S  vor  der  Transformation  das 
gegebene  Terrain  1,  2,  3,  4,  5,  nach  der  Transformation  ent- 
spricht dem  verschobenen  Standpunkte  S^  und  der  eventuell 
verschobenen  Bildebene  1'2'3"  ein  transformiertes  Terrain 
r'2"3"4"5''(Fig.  1). 


238 


Th.  Scheimpflug, 


Das  ursprünglich  gegebene  und  das  transformierte  Terrain 
haben  bei  richtiger  Durchführung  der  Deville'schen  Konstruk- 
tionen die  gleiche  Horizontalprojektion.  Denn  sie  sind  zu- 
einander räumlich  affin  und  ihre  Affinitätsrichtung  ist  die 
Vertikale. 

Die  Horizontalprojektion  (Karte)  der  Hochgebirgsland- 
schaft in  erster  Annäherung  wird  dadurch  zum  horizontalen 
Schnitt  eines  Strahlenbüschels,  welches  vom  transformierten 
Standpunkte  und  der  eventuell^  verschobenen  Photographie 


Fig.  1. 


bestimmt  ist.  Es  ist  also  wieder  möglich,  mit  Hilfe  des  Photo- 
perspektographen  die  Photographie  der  Hochgebirgslandschafl 
ohne  weiteres  in  eine  Horizontalprojektion  derselben  bei  Ver- 
nachlässigung der  Mafistabsdifferenzen  zweiter  Art  zu  trans- 
formieren. 

Wurde  bei  der  ursprünglich  vollkommen  freien  Wahl  der 
Ebenenschar,  welche  die  Hochgebirgslandschaft  in  eine  Schar 


^  In  dem  durch  Fig.  1  dargestellten  Spezialfälle  bleibt  die  Bildebene 
unverrückt  an  ihrem  Platze,  was  die  Anschaulichkeit  ungemein  erhöht.  Im  allge- 
meinen mufl  jedoch  auch  die  Bildebene  verschoben  werden. 


Photographische  Herstellung  von  Karten.  239 

ebener  Figuren  auflösen  sollte,  die  Vorsicht  gebraucht,  diese 
Ebenen  sich  dem  allgemeinen  Verlauf  des  Terrains  möglichst 
anschmiegen  zu  lassen  (daher  der  Name  Schmiegungsebene), 
so  ist  die  Terrainplastik  auch  bereits  in  ihren  Hauptzügen 
berücksichtigt  und  spielen  daher  die  MaßstabsdifTerenzen 
zweiter  Art  keine  große  Rolle  mehr. 

Betreffs  der  MaßstabsdifTerenzen  zweiter  Art,  welche  durch 
die  Terrainplastik  bedingt  sind,  zeigt  wieder  eine  einfache 
Überlegung,  daß  selbe,  sobald  man  einmal  die  Photographien 
auf  horizontale  Projektionsebenen  transformiert  hat,  d.  h.  die 
Maßstabsdifferenzen  erster  Art  weggeschafft  hat,  nur  mehr 
Funktionen  des  senkrechten  Abstandes  jedes  einzelnen  Terrain- 
punktes von  der  Vergleichsebene  (bei  Anwendung  der  Deville- 
schen  Konstruktionen,  von  der  mittleren  Schmiegungsebene) 
sind. 

Alle  Terrainteile  gleicher  Höhe,  respektive  gleichen  Ab- 
standes von  der  Schmiegungsebene  erscheinen  also  im  gleichen 
Maßstabe,  Terrainteile  verschiedener  Höhe,  respektive  ver- 
schiedenen Abstandes  von  der  Schmiegungshöhe  in  verschie- 
denem Maßstabe.  Was  dem  Standpunkte  näher  liegt,  erscheint 
größer,  was  vom  Standpunkte  entfernter  ist,  erscheint  kleiner. 

Ist  man  also  in  der  Lage,  den  Schichtenplan  des  Terrains 
(bei  Anwendung  der  Deville'schen  Konstruktionen,  des  trans- 
formierten Terrains)  zu  ermitteln,  so  kann  man  aus  dem 
Schichtenplan  auch  den  Maßstabfehler  jeder  einzelnen  hori- 
zontalen Zone  berechnen  und  durch  eine  photographische 
Reproduktion  beseitigen. 

Die  Ermittlung  dieses  Schichtenplanes  aus  je  zwei  von 
verschiedenen  Standpunkten  aus  aufgenommenen  Bildern  des- 
selben Terrains  läßt  sich  aber,  sobald  selbe  einmal  auf  hori- 
zontale Projektionsebenen  transformiert  sind,  ohne  Schwierig- 
keit und  mit  großer  Genauigkeit  mit  dem  Stereokomparator 
von  Dr.  Pulfrich,  Firma  Zeiß  (Jena),  durchführen,  worauf  die 
Beseitigung  der  Maßstabdifferenzen  zweiter  Art  ohne  weiteres 
mit  einem  beliebigen  photographischen  Reproduktionsapparat 
besorgt  werden  kann  und  nur  aus  Gründen  der  Bequemlich- 
keit und  Genauigkeit  mit  einem  eigens  hiezu  konstruierten 
Zwillingsapparat,  dem  Zonentransformator,  geschieht. 


240 


Th.  Scheimpflug, 


II.  Die  geodätische  Orientierung  der  Ballonbilder  und  ihre 
Transformation  in  horizontierte  Vogelperspektiven  mit  Hilfe 

des  Photoperspektographen. 

Das  ganze  Verfahren  bliebe  aber  ein  bloQes  Luftschloß, 
wenn  es  nicht  möglich  wäre,  die  geodätische  Orientierung  der 
Ballonaufnahmen,  die  stets  das  wichtigste  Rohmaterial  des 
Verfahrens  bilden  werden,  auf  genaue  und  einfache  Weise  zu 
ermitteln. 

Die  einschlägigen  Methoden,  welche  wir  den  grund- 
legenden Arbeiten  Prof.  Dr.  S.  Finsterwalder's,  München, 


\ 


\ 


Fig.  2. 


verdanken,  sind,  soweit  sie  einfach  sind,  wie  sein  graphisches 
Verfahren  zur  Ermittlung  des  Ballonortes  nach  Pothenot  und 
seine  Anwendung  vom  Ballonäquator  herabhängender  Not- 
leinen zur  Bestimmung  des  Nadirpunktes  der  Ballonphoto- 
graphien,  bloß  Näherungsmethoden  Und,  sobald  sie  die  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  zu  Hilfe  nehmen,  um  die  Genauigkeit 
der  Resultate  auf  das  unbedingt  erforderliche  Maß  zu  erhöhen, 
bei  weitem  zu  mühsam  und  zeitraubend  für  die  praktische 
Arbeit  in  großem  Stile. 

Es  ist  demnach  von  Wichtigkeit,  daß  der  Photoperspekto- 
graph  nicht  bloß  dazu  benützt  werden  kann,  einen  ebenen 


Photographische  Herstellung  von  Karten. 


241 


Schnitt  eines  Strahlenbüschels  in  einen  anderen  ebenen  Schnitt 
desselben  Strahlenbüschels  überzuführen,  sondern  auch  dazu 
dienen  kann,  die  Ballonbilder  genauestens  zu  orientieren. 

Zur  Erläuterung  dieser  beiden  Funktionen  des  Photo- 
perspektographen  dienen  die  Figuren  2  und  3. 

Fig.  2  zeigt  die  geometrischen  Beziehungen  des  Objektes -45 
(des  Terrains)  des  mit  der  Neigung  i  aufgenommenen  Original- 
bildes El  und  der  horizontierten  Vogelperspektive  En  zur  Brenn- 
weite F  des  bei  der  Aufnahme  verwendeten  Objektives,  zur 


Flg.  3. 


Höhe  H  des  Standpunktes  und  zu  der  für  den  Maßstab  der 
Transformation  maßgebenden  Fokaldistanz  h  der  horizon- 
tierten Vogelperspektive. 

Fig.  3  zeigt  die  geometrischen  Beziehungen  der  Original- 
aufnahme ab  (E^)  und  der  horizontierten  Vogelperspektive 
c^V  {E^  zur  Brennweite  /  des  in  dem  Photoperspektographen 
eingebauten  Reproduktionsobjektives. 

Die  Schnittgerade  oder  das  gemeinsame  Element  Af(Afi,Mii) 
beider  Bilder  sowie  die  Horizontlinie  oder  Fluchtgerade  V  der 
Originalaufnahme  ab  {E^  und  die  Verschwindüngsgerade  der 


242  Th.  Scheimpflug, 

Bildränder  oder  kurzweg  Fluchtgerade  R  der  horizontierten 
Vogelperspektive  a'l/  (Eu)  finden  sich  in  beiden  Figuren. 

Macht  man  mit  einem  Objektiv  beliebiger  Brennweite  F 
mit  beliebiger  Neigung  i  des  Apparates  eine  Ballonaufnahme, 
so  ist  die  Lage  der  Horizontlinie  oder  Fluchtgeraden  V  der 
Originalaufnahme,  d.  h.  der  Schnittgeraden  der  durch  das 
Objektiv  gelegten  Horizontalebene  mit  der  Bildebene,  bereits 
durch  F  und  i  bestimmt. 

Weiters  bestimmen  der  optische  Mittelpunkt  O  des  Objek- 
tives und  die  Photographie  zusammen  ein  Strahlenbüschel 


O 


Schneidet  man  dasselbe  in  beliebigem  Abstand  h  von  O 
durch  eine  Horizontalebene,  so  ist  es  klar,  daß  der  Maßstab 
der  dadurch  entstehenden  Schnittfigur,  der  horizontierten 
Vogelperspektive,  von  der  Größe  h  abhängen  wird.  Aber  nicht 
nur  der  Maßstab  der  horizontierten  Vogelperspektive,  sondern 
auch  die  Lage  der  Schnittgeraden  M  derselben  mit  der  Ori- 
ginalaufnahme auf  letzterer,  d.  h.  der  Abstand  MV  des  gemein- 
samen Elementes  M  von  der  Horizontlinie  oder  Flucht- 
geraden V  ist  von  h  abhängig.  Dagegen  ist  die  analoge 
Größe  MR  auf  der  horizontierten  Vogelperspektive  von  h 
völlig  unabhängig.  Man  vergleiche  die  Formeln: 

MR  =  OV=  -^    und     MV  z=  OR  =  — — 


sm  t  sm  t 

Jedenfalls  sind  in  einem  gegebenen  Falle  durch  die  Größen 
F,  i  und  h  auch  die  Abstände  MV  und  MR  völlig  eindeutig 
bestimmt. 

Hat  man  mit  Hilfe  des  Photoperspektographen  die  Über- 
führung der  Originalaufnahme  in  die  horizontierte  Vogel- 
perspektive tatsächlich  durchzuführen,  so  müssen  die  beider- 
seitigen Fluchtgeraden  V  und  R  in  die  Gegenachsen  des 
Apparates  zu  liegen  kommen,  weil  sie  nur  dann,  wie  es  sein 
soll,  in  die  Unendlichkeit  projiziert  werden,  dagegen  muß  das 


Pbotographtsche  Herstellung  von  Karten.  243 

gemeinsame  Element  M  (Afi,  Mn)  beider  Bilder  in  die  beiden 
Ebenen  der  doppelten  Brennweite /zu  liegen  kommen,  weil  nur 
dort  eine  Abbildung  in  natürlicher  Größe  stattfindet  Da  aber  die 
Brennweite /des  Reproduktionsobjektives  des  Photoperspekto- 
graphen  eine  bestimmte  unveränderliche  Größe  hat,  so  sagen 
uns  die  Gleichungen  ilf  7  sin  a  =/=:  Afi?  sin  ß,  daß  die 
Neigungswinkel  a  und  ß,  welche  Original  und  Transformation 
mit  der  Objektivebene  einzuschließen  haben,  durch  die  Größen 
M  V  und  MR  bereits  bestimmt  sind.  Da  aber  weiters  im  Sinne 
der  Theorie  der  schiefen  Abbildung  (siehe  »Photographische 
Korrespondenz«,  November  1906,  Nr.  554  der  ganzen  Folge) 
die  beiden  Bildebenen  und  die  beiden  Gegenebenen  ein  Parallelo- 
piped  bilden  müssen,  so  ist  die  Lage  der  beiden  Bilder  im 
Apparat  genauestens  festgelegt. 

Die  Größen  MV  und  MR  können  an  eigenen  Teilungen 
des  Photoperspektographen  eingestellt,  beziehungsweise  abge- 
lesen werden. 

Sind  in  einem  bestimmten  Falle  jP,  i  und  h  gegeben,  so 
können  Af  Fund  MRy  a  und  ß  berechnet  und  darnach  die  Ein- 
stellungen am  Apparat  bewerkstelligt  werden. 

Ist  dagegen,  wie  es  wohl  die  Regel  sein  wird,  bloß  die 
Brennweite  F  des  Aufnahmsobjektives  und  das  Maßstabs- 
verhältnis d :  D  der  gewünschten  Karte  zur  Natur  bekannt, 
dagegen  i  und  h  unbekannt,  so  genügt  es,  die  genaue  Lage 
von  drei  Punkten  1,  2,  3  der  Natur,  die  sich  auf  der  Ballon- 
photographie  gut  identifizieren  lassen,  zu  kennen  und  im  Maß- 
stabe d:  D  in  perspektivischer  Projektion  auf  der  Mattscheibe 
des  Photoperspektographen  aufzutragen  und  die  Originalphoto- 
graphie  mit  ihren  drei  identen  Bildpunkten  auf  diese  drei  vor- 
gezeichneten Fixpunkte  zu  projizieren.  Eine  größere  Anzahl 
identer  Bildpunkte,  respektive  bekannter  Fixpunkte  gewährt 
erwünschte  Kontrollen,  ohne  die  aufzuwendende  Arbeit  wesent- 
lich zu  steigern,  im  Gegensatze  zu  der  in  ähnlichen  Fällen  sonst 
angewendeten  Methode  der  kleinsten  Quadrate. 

Nachdem  die  identen  Bildpunkte  I,  II,  III  der  Original- 
aufnahme hiebei  mit  den  auf  der  Mattscheibe  vorgezeichneten 
Fixpunkten  IMF  IIP'  optisch  zur  Deckung  gebracht  werden, 
ist  das  hier  angedeutete  Verfahren  einer  großen  Genauigkeit 


244  Th.  Scheimpflug, 

fähig.  Es  werde  fernerhin  als  die  M^hode  der  »optischen 

Koinzidenz«  bezeichnet. 

Die  Lesungen  für  die  Größen  MV  und  MRy  die  nach 

erfolgter  optischer  Koinzidenz  der  Apparat  ergibt,  gestatten 

nach  den  Formeln: 

F 


sini  =: 


MR 


MV 
MR 

MV  cosi=z  S'R 

h\H=d:D 

die  Ermittlung  des  Neigungswinkels  i  der  Originalaufnahme, 
der  Fokaldistanz  h  der  horizontierten  Vogelperspektive, 
der  Höhe  H  des  Ballonortes, 

des  Bildes  S'  des  Ballonortes  in  der  horizontierten  Vogel- 
perspektive im  Fußpunkte  des  Lotes  vom  optischen  Mittel- 
punkt 0  auf  dieselbe. 

Durch  Identifikation  dieses  Bildpunktes  S'  in  der  Natur 
findet  sich  dann  die  Horizontalprojektion  des  Ballonortes  5. 

Sind  solcherart  die  Originalaufnahmen  sämtlich  geodätisch 
orientiert  und  in  horizontierte  Vogelperspektiven  transformiert, 
so  ist  zum  Zwecke  der  Wegschaffung  der  Maßstabfehler  zweiter 
Art,  welche  durch  die  Terrainplastik  bedingt  werden,  ein  ge- 
nauer Schichtenplan  des  Terrains  zu  entwerfen. 

in.  Die  Ermittlung  des  genauen  Schichtenplanes  des  Terrains 
aus  den  horizontierten  und  geodätisch  orientierten  Vogel- 
perspektiven. Über  die  Verwendung  des  Stereokomparators 

hiezu. 

A   Ermittlung  des  Schichtenplanes   ohne  besondere 

instrumenteile  Hilfsmittel. 

Es  wird  angenommen,  daß  die  Ballonaufnahmen  gegen 
ein  genau  eingemessenes  Netz  identer  und  auf  die  Matt- 
scheibe des  Photoperspektographen  im  gewollten  Maßstab  der 


PbotograpJbische  Heiateliung  von  Karten.  245 

Karte  aufgetragener  Terrainpunkte  horizontiert  und  geodätisch 
orientiert  wurden. 

Die  Bilder  sind  somit  bereits  sämtlich  auf  den  gleichen 
Mafistaby  d.  h.  auf  den  Maßstab  des  gegebenen  Punktnetzes 
gebracht.  Die  Ballonörter  sind  durch  optische  Koinzidenz  ge- 
nau bestimmt  Die  Bilder  sind  streng  und  nicht  bloß  genähert 
horizontal,  was  eventuell  dadurch  mit  Hilfe  der  Hauck'schen 
Kernpunkte  kontrolliert  werden  kann,  daß  man  aus  den  be- 
kannten Ballonörtern  die  Lage  der  Kernpunkte  auf  jedem  Bilde 
berechnet,  für  eine  Anzahl  identer  Punkte  die  Kemstrahlen 
zieht  und  nachsieht,  ob  die  so  entstehenden  Strahlenbüschel 
zusammengehöriger  Bilder  sich  decken.  Da  nämlich  die  Bilder 
sämtlich  durch  optische  Koinzidenz  nicht  nur  horizontiert, 
sondern  auf  denselben  Maßstab  reduziert  wurden,  so  liegen 
sie  alle  in  einer  Ebene.  F'ür  zwei  Bilder  aber,  die  in  derselben 
Ebene  liegen,  fallen  die  beiden  Kernpunkte  zusammen  und 
decken  sich  die  zusammengehörigen  Kernstrahlen. 

Diese  Kontrolle  wird  am  besten  rechnerisch  durchgeführt. 
Grobe  Fehler  sind  zu  beseitigen,  kleine  Fehler  eventuell  empi- 
risch auszugleichen. 

Um  die  Bilder  weiter  verarbeiten  zu  können,  bezieht  man 
jetzt  jedes  derselben  auf  ein  dreiachsiges  Koordinatensystem 
durch  die  Horizontalprojektion  des  Ballonortes  als  Ursprung, 

Man  kann  hiezu  entweder  die  Verbindungslinie  der  beiden 
Ballonörter  (Basis)  als  Abszissenachse  (:i;-Achse),  die  Senk- 
rechte darauf  als  Ordinatenachse  (Y-Achse),  das  Lot  auf  die 
Bildebene  im  Ballonort  als  s- Achse  wählen;  oder  man  kann 
die  Ost — 'West-Linie  als  Abszissenachse  (;i?- Achse),  die  Nord — 
Süd-Linie  als  Ordinatenachse  (>'- Achse)  und  wieder  das  Lot 
im  Ballonort  als  «-Achse  benützen.  Das  erstere  dürfte  bei  einer 
geringen  Anzahl  von  Bildern,  das  letztere  bei  einem  umfang- 
reichen Bildermaterial  das  Vorteilhaftere  sein. 

Nachdem  unter  B  bei  der  Verwendung  des  Stereokompara- 
tors  vorwiegend  der  erstere  Fall  Besprechung  finden  wird,  beide 
Arbeitsmethoden  jedoch  gleichwertig  sind,  sei  hier  dem  zweiten 
Arbeitsvorgange  die  größere  Aufmerksamkeit  zugewendet. 

Die  Lage  der  Nord — Süd-Linie  kann  aus  dem  Triangu- 
lierungsnetz  ermittelt  und  mit  Hilfe  der  in  jedem  Bilde  ent- 


246 


Th.  Scheimpflug, 


haltenen  Triangulierungspunkte  in  die  Bilder  übertragen  und 
an  den  Bildrändern  durch  Marken  festgelegt  werden.  Die 
Nord — Süd-  und  Ost — West-Linie  werden  dabei  am  besten 
bei  jedem  Bilde  durch  den  Fußpunkt  des  Lotes  vom  Ballon- 
ort gelegt. 

Dann  ist  der  senkrechte  Abstand  der  Nord — Süd-Linien 

zweier  Aufnahmen  A-Y^:  — ,  wobei  a  r=  AX  cos  9  die  Längen- 
abweichung der  beiden  Ballonörter  ist. 

0. 


Fig.  4. 

Weiters  ist  der  senkrechte  Abstand  der  Ost — West-Linien 

A© 
zweier  Aufnahmen   A^  =: — ^,   wobei   Acp  der  Breitenunter- 

schied  der  beiden  Ballonörter  ist. 

Endlich  ist  noch  Aa;  =  Aft  von  Wichtigkeit.  Aus  der  Pro- 

d 
portion  H:h  -=  D:d  folgt,  wenn  Vz=  —  und  das  Verjüngungs- 

^  h 

Verhältnis    V,  wie   vorausgesetzt,   bekannt   ist,    V z=z —  und 

Aä  ^ 

weiters  auch  V=z 

AH 


Photographische  Herstellung  von  Karten.  247 

äH  ist  der  Höhenunterschied  der  Ballonörter  in  der  Natur, 

AH 

=  Aä  =  A«  ist  der  verjüngte  Höhenunterschied  der 

Projektionszentra  der  verwendeten  Bilder, 

sind    die   Koordir 
natenunterschiede 
der  beiden  Ballon- 
örter. 


a        AX  cos  p        . 

—  = =-111  A^=:  X. — Ar«-*-»j 


(Die  Zeichen  von   x^,  x^,  y^,  y^y  ^^>  ^^>  Px  und  py  sind 
algebraisch  zu  nehmen.) 

Px  =  dx^—dx^ 

Py  =  <^yi—^y% 

dh\h^-=z  i 
dhih^  =  dx^ :  x^ 


h'^l 

dh  =  A,  '^*> 

t^:x^ 

dh  -  Ä_  '^*» 

dx^   

dx^   

A.*i 

(dx^ — dx^) :  dx^  :  dx^  =z  (Äj«, — h^x^) :  Äg*j :  Äj«, 
dx,  =r    ^'*^*» 


Äj  iTj '^1^9 


dx,  =      ^'*^*« 


Äg*^ ^Äj*j 


</*  = 


_      PxKh,      _      Pyh^h, 


*2^i— AiJ*« 


rf>-.=      PAA 


Sitzb.  d.  math«in.-3aturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.;  Abt.  IIa.  17 


248  Th.  Scheimpflug, 

Durch  diese  sechs  Formeln  sind  die  Raumkoordinaten 
jedes  einzelnen  Terrainpunktes  aus  den  Bildern  leicht  bestimm- 
bar. Das  setzt  stillschweigend  voraus,  daß  die  sieben  Seiten- 
bilder des  Ballon apparates^  mit  dem  Mittelbilde  zu  einem 
Gesamtbilde  vereinigt  wurden  oder  wenigstens  sämtliche 
Seitenbilder  jedes  für  sich  je  nach  Anwendung  von  Arbeits- 
vorgang 1  oder  2  entweder  gegen  die  Basis  (Verbindungslinie 
der  beiden  Ballonörter)  oder  gegen  die  Nord — Süd-  und 
Ost — West-Linie  orientiert  und  die  KoordinatendifiFerenzen  der 
Hauptpunkte  der  Seitenbilder  gegen  den  Ballonort  genauestens 
ermittelt  wurden. 

B.    Ermittlung    des    Schichtenplanes    mit    Hilfe    des 

Stereokomparators. 

Der  Stereokomparator  von  Dr.  C.  Pul f rieh  (siehe  dessen 
Broschüre:  »Neue  stereoskopische  Methoden  und  Apparate  für 
die  Zwecke  der  Astronomie,  Topographie  und  Metronomie«) 
ist  ein  Instrument,  welches  eine  logische  Fortbildung  und  sinn- 
gemäße Ergänzung  des  stereoskopischen  Entfernungsmessers 
der  Firma  Zeiß  in  Jena  darstellt  und  dazu  dient,  das  Prinzip 
der  stereoskopischen  Distanzmessung  auf  photographische 
Bilder  anzuwenden. 

In  der  Form,  in  der  er  heute  von  der  Firma  Zeiß  her- 
gestellt wird,  ist  er  ein  wissenschaftliches  Präzisionsinstrument 
ersten  Ranges.  Fig.  5,  zu  welcher  die  Firma  Zeiss  das  Klische 
gütigst  zur  Verfügung  stellte,  zeigt  seinen  Aufbau. 

Die  beiden  Stereoskopbilder  (Glasbilder,  nach  Belieben 
Negative  oder  Positive)  werden  in  ihre  Halter  geklemmt  und 
können  gemeinsam  mittels  des  Triebes  H  nach  rechts  und 
links  bewegt  werden,  während  das  am  Träger  T  befestigte 
Mikroskop  mittels  des  Triebes  V  nach  auf-  und  abwärts 
bewegt  werden  kann. 

Beide  Platten  sind  bei  den  neueren  hier  in  Betracht 
kommenden  Apparaten  auf  Drehscheiben  und  Kreuzschlitten 


1  Siehe  Photographische  Korrespondenz,  1903.  Scheimpflug,  Über 
österreichische  Versuche,  Ballonaufnahmen  geodätisch  zu  verwerten,  und  deren 
bisherige  Resultate. 


Pbotographiache  Herstellung  von  Karten.  249 

montiert  Es  liegt  aber  die  Drehscheibe  der  rechten  Platte  P, 
auf  dem  Kreuzschlitten  und  macht  alle  Bewegungen  desselben 
mit,  während  links  die  Platte  Pj  im  Kreuzschlitten  liegt  und 
mit  diesem  Kreuzschtitten  auf  der  Drehscheibe  montiert  ist 
und  daher  der  Kreuzschlitten  alle  Bewegungen  der  Drehscheibe 
mitmacht. 


Durch  die  Schraube  M,  welche  zum  rechtsseitigen  Kreuz- 
schlitten gehört,  können  die  Abstände  der  beiden  Dreh- 
scheibenmittelpunkte voneinander  verändert  werden  und  dient 
die  Teilung  a,  die  sogenannte  ParaUaxenteilung,  dazu,  diese 
Veränderungen  zu  messen. 

Dagegen  lassen  sich  die  Abszissen  M  und  Ordinaten  A'' 
der  linken  Platte  P,  am  AbszissenmaSstab  A  und  am  Ordi- 


250 


Th.  Scheimpflug, 


natenmaßstab  B  ablesen,  welche  dazu  dienen,  die  durch  die 
Triebe  H  und  V  bedingten  Verschiebungen  zu  messen. 

Den  Strahlengang  des  Mikroskops,  das  4 — 6— 8  fache 
Vergrößerungen  hat,  zeigt  Fig.  6. 

In  der  Fadenkreuzebene  des  linken  Mikroskops  ist  eine 
fixe,  in  der  Fadenkreuzebene  des  rechten  Mikroskops  ist  eine 
bewegliche,  mit  Hilfe  einer  Mikrometerschraube  verschiebbare 
Marke  eingesetzt. 


P 


Fig.6, 
SträkU»gamg  im  Mikroskopsicnoskop. 


L 


s^ f 1*^1  \    /^H^  f /& 


R 


Di9  Bilder  der  beiden  Marken  vereinigen  sich  für  den 
Beobachter  im  binokularen  Sehen  zu  einer  einzigen,  der 
sogenannten  wandernden  Marke,  welche  in  das  Gesichts- 
feld des  Instrumentes  (Terrain)  hinausprojiziert  ist  und  welche 
je  nach  der  Stellung,  die  die  bewegliche  Marke  momentan  im 
rechten  Mikroskop  einnimmt,  ihre  scheinbare  Distanz  vom 
Beschauer  ändert. 

Steht  die  rechte  Marke,  ebenso  wie  die  linke,  im 
Kreuzungspunkte  der  Fäden,  so  scheint  die  wandernde  Marke 
in  die  Unendlichkeit  zu  rücken,  d  h.  sie  entspricht  der  Lage 
von  Punkten,  die  so  weit  sind,  daß  man  ihre  Distanz  nicht 


Photographisehe  Herstellung  von  Karton.  251 

mehr  messen  kann.  Verrflckungen  der  beweglichen  Marke  aus 
dem  Kreuzungspunkte  der  Fäden  heraus  nach  links  bewirken 
ein  scheinbares  Näherkommen'  der  wandernden  Marke  im 
Ten'ain  und  stehen  die  Verschiebungen  der  Marke  im  Mikro- 
skop mit  den  Bewegungen  der  wandernden  Marke  im  Terrain 
in  einem  gesetzmäSigen  Zusammenhange. 

Verschiebungen  der  beweglichen  Marke  nach  rechts  sieht 
der  Beobachter  als  ein  scheinbares  Femerrücken  der  wan- 
demden  Marke  im  Terrain.  Überschreitet  hiebei  die  beweg- 
liche Marke  den  Vertikalfaden,  indem  sie  auf  die  rechte  Seite 
desselben  tritt,  so  würde  das  rein  geometrisch  einer  wan- 
dernden Marke  entsprechen,  die  aus  der  Unendlichkeit  dem 
Beobachter  von  rückwärts  näher  kommt.  Nach  rückwärts  aber 
sieht  man  bekanntlich  nicht  Offenbar  aus  rein  physiologischen 
Gründen,  die  auch  bei  verschiedenen  Beobachtern  sehr  ver- 
schieden sein  dürften,  bemerkt  das  Auge  des  Beobachters  den 
Fehler  nicht  immer  gleich.  Blickt  man  aber  auf  und  sieht  dann 
mit  ausgeruhtem  Auge  wieder  ins  Instrument,  so  sieht  man  die 
Marke  doppelt,  d.  h.  sowohl  die  fixe  als  die  bewegliche  Marke 
getrennt,  und  nicht  mehr  körperlich  zur  wandernden  Marke 
vereint. 

Wichtig  ist  noch  die  merkwürdige  Erscheinung,  daß  es 
für  den  Effekt  gleichgültig  ist,  ob  die  photographischen  Bilder 
stehen  und  die  Marke  im  Mikroskop  bewegt  wird  oder  ob  die 
Marke  im  Mikroskop  steht  und  die  photographischen  Bilder 
bewegt  werden. 

In  der  Praxis  benützt  man  das  dazu,  sich  von  dem 
beschränkten  Gesichtsfelde  des  Mikroskops  unabhängig  zu 
machen,  indem  man  große  Bewegungen  mit  der  Platte  P^ 
durchführt  und  auf  der  Parallaxenteilung  a  des  Instrumentes 
mißt  und  nur  kleine  Bewegungen  (Differenzmessungen)  mit 
der  Mikrometerschraube  der  Marke  durchführt  und  an  der 
Mikrometerteilung  abliest. 

Die  Erfahrung  hat  weiters  gezeigt,  daß  bei  plastischen 
Gebilden  die  Basis,  d.  h.  der  Abstand  der  beiden  Aufnahms- 
standpunkte im  Verhältnis  zur  Entfernung  des  Objektes  (d.  h. 
der  sogenannte  Winkel  am  Objekt  oder  die  Parallaxe  des 
Objektes  oder  mit  noch  anderen  Worten  der  Winkel,  unter 


252  Th.  Scheimpflug, 

welchem  die  beiden  Aufnahmsstandpunkte  vom  Objekt  aus 
gesehen  werden),  nicht  zu  groß  gewählt  werden  darf.  Das 
Objekt  wird  sonst  von  zu  verschiedenen  Seiten  angesehen 
und  lassen  sich  dann,  weil  das  auf  den  beiden  Bildern  Ent- 
haltene nicht  mehr  leicht  identißziert  werden  kann,  die  beiden 
ebenen  Ansichten  nicht  mehr  gut  zu  einem  räumlichen  Bild 
vereinigen. 

Das  ist  bei  Ballonaufnahmen  wichtig,  wo  man  versucht 
sein  könnte,  um  Platten  zu  sparen,  zu  große  Aufnahms- 
distanzen zu  wählen. 

Da  aber  andrerseits  das  Terrain  in  der  Regel  eine  relativ 
zur  Ballonhöhe  geringe  Plastik  zeigt,  braucht  man  wieder, 
wenn  man  nicht  gerade  Hochgebirge  unter  sich  hat,  dies- 
bezüglich nicht  allzu  ängstlich  zu  sein. 

Eine  mittlere  Horizontaldistanz  der  einzelnen  Ballonörter 
gleich  der  mittleren  Ballonhöhe  wird  vielleicht  das  Richtige 
sein.  Bleibt  man  aber  mit  der  Horizontaldistanz  innerhalb 
60  7o  der  Ballonhöhe,  so  erleichtert  das  die  gegenseitige  Orien- 
tierung der  Bilder  im  Stereokomparator  ungemein,  weil  dann 
stets  die  Ballonörter  der  Nachbaraufnahmen  noch  auf  das  Mittel- 
bild fallen.  Die  Parallaxe  ist  in  diesem  Falle  zirka  30*. 

Zweitens  ist  beim  Stereokomparator  aus  praktisch-kon- 
struktiven Gründen  die  Bedingung  zu  erfüllen,  daß  die  beiden 
verwendeten  Bilder  bei  der  Aufnahme  in  einer  Ebene  liegen 
oder  nachträglich  auf  eine  Ebene  reduziert  werden,  weil  dieses 
Instrument  nur  für  diesen  einfachen  Spezialfall,  d.  h.  für  die 
stereoskopische  Ausmessung  von  Bilderpaaren,  die  in  einer 
Ebene  liegen,  gebaut  ist. 

Dieser  Bedingung  ist  durch  die  Orientierung  der  Ballon- 
biider  in  eine  Horizontalebene  und  auf  gleichen  Maßstab  durch 
optische  Koinzidenz  bereits  Genüge  geleistet.  Jedoch  empfiehlt 
es  sich,  die  Richtigkeit  und  Genauigkeit  der  Durchführung 
dieser  Orientierung  dadurch  zu  kontrollieren,  daß  man,  wie 
schon  in  diesem  Kapitel  sub  A  gezeigt  wurde,  nachsieht,  ob 
die  Kernstrahlenbüschel  der  beiden  zu  vergleichenden  Bilder 
sich  decken. 

Allerdings  verursacht  die  Erdkrümmung  (Kugelgestalt  der 
Erde)  einen  systematischen  Fehler,  welcher  durch  die  Strahlen- 


Photographische  Herstellung  von  Karten.  253 

brechung  bloß  um  ein  Geringes  vermindert  wird.  Der  ungefähre 
Betrag  der  Summe  beider  Einflüsse  ist 

8  (Bogenminuten)  =  ^V^g  B  (Seemeilen), 
wenn  B  die  Horizontaldistanz  der  Ballonörter,  in  Seemeilen 
ausgedrückt,  ist. 

Nach  Oberst  v.  Hübl  beseitigt  man  diese  Verschwenkung 
am  besten  durch  eine  Verschiebung  der  Ordinatenachse  der 
rechten  Platte  p^  um  den  Betrag  t;"*"  =  Äg"""  8',  wenn  Ag  die 
Bildweite  des  rechten  Bildes  ist 

Die  dritte  Bedingung  für  die  Verwendung  des  Stereo- 
komparators,  daß  die  beiden  Bilder  gleiche  Bildweiten  haben 
sollen,  ist  zwar  ursprünglich,  wenn  die  zu  vergleichenden 
Aufnahmen  nacheinander  mit  demselben  Apparat  ausgeführt 
wurden,  streng  erfüllt,  jedoch  wird  die  Reduktion  der  Ballon- 
bilder  in  eine  und  dieselbe  Horizontalebene  und  auf  gleichen 
Maßstab  in  der  Regel  nicht  möglich  sein,  ohne  die  Bildweiten 
ungleich  zu  machen,  weil  die  Ballonhöhe  in  der  Praxis  nicht 
konstant  erhalten  werden  kann.  Infolgedessen  ist  diese  Bedin- 
gung im  vorliegenden  Falle  nicht  erfüllbar. 

Man  könnte  nun  zwar  das  von  Prof.  Karl  Fuchs,  Preß- 
burg (siehe  Mitteilungen  des  k.  u.  k.  militärgeographischen 
Instituts,  XXIV.  Bd.,  1904),  angegebene  Verfahren  anwenden, 
müQte  aber  dann  die  Bilder,  die  bereits  in  einer  Ebene  liegen, 
wieder  auf  gleiche  Bildweiten  umphotographieren.  Das  scheint 
nicht  praktisch  zu  sein. 

Oder  aber  man  stützt  sich  auf  dieselben  geometrischen 
Grundlagen,  die  bereits  sub  A  entwickelt  wurden. 

Da  muß  man  sich  aber  vorher  vergewissem,  ob  das  über- 
haupt tunlich  und  in  welcher  Weise  dann  die  Arbeit  durch- 
führbar ist. 

Streng  genommen,  dient  der  Stereokomparator  bloß  dazu, 
bei  zwei  zusammengehörigen  Bildern  die  Lagenverschieden- 
heiten (Koordinatendifferenzen)  identer  Bildpunkte  auf  das 
genaueste  zu  ermitteln. 

Hat  man  zwei  Bilder,  welche  sowohl  die  gleichen  Bild- 
weiten haben  als  auch  bei  ihrer  Aufnahme  in  einer  Ebene 
gelegen  waren,  so  bestimmen  die  KoordinatendiiTerenzen  a 
identer  Bildpunkte  im  Verein  mit  der  bekannten  Bildweite  / 


254  Th.  Scheimpflug, 

stets  ganz  unzweideutig  die  Parallaxe,  d.  h.  den  Winkel,  unter 
welchem  die  beiden  Aufnahmsstandpunkte  von  dem  in  Frage 
kommenden  Terrainpunkte  aus  gesehen  wurden. 

Deshalb  nennt  Dr.  Pulfrich  auch  die  auf  den  Bildern 
gemessenen,  in  die  Richtung  der  Verbindungslinie  der  Mikro- 
skop-Okulare  des  Stereokomparators  fallenden  Koordinaten- 
differenzen identer  Bildpunkte    schlechtweg   Parallaxen   und 

bestimmt  aus  ihnen  mit  der  Formel  D=:—^  die  Distanzen 

a 

der  einzumessenden  Punkte  von  der  Basis  B  der  Verbindungs- 
linie der  Aufnahmsstandpunkte  (Objektive). 

-Sobald  aber  die  Bild  weiten  verschieden  sind,  bestimmen 
besagte  Koordinatendififerenzen  der  identen  Bildpunkte  nicht 
mehr  die  oben  definierte  Parallaxe,  ermöglichen  aber  noch 
immer  eine  sehr  genaue  Ermittlung  der  Distanzen  der  einzelnen 
Terrainpunkte. 

Im  Falle  ungleicher  Bildweiten,  jedoch  in  eine  Ebene 
fallender  Bilder  sind  die  geometrischen  Orte  aller  identen 
Bildpunktpaare  gleicher  Koordinatendifferenzen  Zylinderflächen, 
deren  Erzeugende  senkrecht  auf  der  durch  die  optischen  Achsen 
der  beiden  Objektive  gelegten  Ebene  stehen  und  deren  Leit- 
linien durch  eine  Schar  äußerst  schwach  gekrümmter,  Geraden 
ungemein  nahekommender  Hyperbelstücke  dargestellt  werden. 

Nur  in  der  Nähe  des  gemeinsamen  Kernstrahles  treten 
starke  Krümmungen  auf.  Auch  wird  dort  wegen  der  spitzen 
Winkel  am  Objekt  (schiefen  Schnitte)  die  Punktbestimmung 
sehr  ungenau.  Die  Umgebung  des  Kernpunktes  ist  daher  aus 
anderen  Bildern  zu  bearbeiten,  was  bei  dachziegelartigem 
Übergreifen  der  Bilder  stets  möglich  sein  wird. 

Hiebei  zerfallen  im  Sinne  der  in  A  entwickelten  Formeln 
die  Koordinatendifferenzen  in  zwei  Teile,  einen  größeren  kon- 

stanten  Teil  — ,  welcher  der  gewählten  Vergleichsebene  ent- 
spricht, und  einen  bei  weitem  kleineren  variablen  Teil  p, 
welcher  eine  Funktion  der  senkrechten  Abstände  der  einzelnen 
Terrainpunkte  von  der  Vergleichsebene  ist,  für  die  Vergleichs- 
ebcne  selbst  Null  wird  und  für  jede  der  in  der  Figur  angedeuteten 
Zylinderflächen  einen  konstanten  Wert  annimmt. 


Photographische  Herstellung  von  Karten.  255 

Man  kann  also  den  großen  konstanten  Wert  —  ein-  für 

V 

allemal  durch  die  Einstellung  der  Parallaxenteilung  am  Instru- 
mente berücksichtigen  und  den  kleinen  variablen  Wert  p 
mikrometrisch  mit  Hilfe  der  wandernden  Marke  ausmessen 
und  nach  den  bereits  in  A  gegebenen  Formeln  die  Lage  der 
einzelnen  Terrainpunkte  bestimmen. 

Praktisch  gestaltet  sich  dabei  die  Arbeit  wie  folgt: 

Das  Vorrichten  und  Justieren  der  Platten, 

Man  beginnt  mit  den  Mittelplatten  der  beiden  Aufnahmen 
und  identifiziert  gegenseitig  die  Ballonörter,  welche,  wenn 
die  zwischen  den  beiden  Aufnahmen  durch fahrene  Distanz 
(Basis  B)  nicht  zu  groß  ist,  B^O'QH  auf  beiden  Mittel- 
bildem  aufzufinden  sein  müssen.  Bekanntlich  ist  der  Stereo« 
komparator  zu  derartigen  Identifikationen  zusammengehöriger 
Bildpunkte  auf  zwei  Bildern  ganz  besonders  geeignet. 

Man  dreht  jetzt  jede  der  beiden  Platten  so,  daß  die  beiden 
Ballonörter  beim  Hin-  und  Herbewegen  der  Bilder  mit  dem 
Trieb  H  die  Meßmarke  passieren,  und  reißt  endlich  mit  einer 
zu  diesem  Zwecke  am  Instrument  angebrachten,  in  der  Ebene 
der  beiden  optischen  Achsen  der  Mikroskope  liegenden  Nadel 
an  den  Plattenrändern  deutlich  sichtbare  Marken  in  die  Schicht 
der  beiden  Platten. 

Um  die  Richtung  der  Basis  jetzt  auch  auf  den  Seiten- 
bildem  zu  markieren,  beläßt  man  das  Mittelbild  der  einen 
Aufnahme  als  rechte  Platte  Pg  am  Stereokomparator  und  kom- 
biniert es  mit  einem  der  Seitenbilder  derselben  Aufnahme  als 
linke  Platte  P^. 

Man  macht  jetzt  einen  markanten  Bildpunkt,  den  das 
Mittel-  und  Seitenbild  gemeinsam  haben,  also  einen  Punkt 
ihrer  bei  der  Konstruktion  des  Ballonapparates  vorgesehenen 
Überdeckung,  zum  Gegenstande  der  Aufmerksamkeit. 

Man  stellt  die  Meßmarke  auf  Unendlich,  bringt  das  Seiten- 
bild P,  mit  dem  ausgewählten  Bildpunkt  über  den  Mittelpunkt 
der  Drehscheibe  (das  geschieht  mit  dem  links  über  der  Dreh- 
scheibe angeordneten  Kreuzschlitten  und  wird  durch  Drehungen 


256  Th.  Scheimpflug, 

der  Drehscheibe,  bei  welchen  besagter  Objektpunkt  stehen 
bleiben  muß,  geprüft).  Sodann  bringt  man  diesen  Bildpunkt 
mit  Hilfe  der  Triebe  V  und  H  mit  der  Meßmarke  des  linken 
Mikroskops  zur  Deckung. 

Jetzt  bringt  man  den  identen  Bildpunkt  der  rechten  Platte  Pj 
(des  Mittelbildes)  mit  Hilfe  des  rechten  Kreuzschlittens  mit  der 
Meßmarke  des  rechten  Mikroskops  zur  Deckung. 

Sodann  wählt  man  einen  zweiten  markanten  Punkt  der 
Überdeckung,  welcher  möglichst  weit  vom  ersten  entfernt  ist, 
und  bringt  lediglich  mit  Hilfe  der  Triebe  H  und  F,  jedoch  ohne 
einen  der  beiden  Kreuzschlitten  oder  die  rechte  Drehscheibe 
zu  berühren,  das  Bild  dieses  Punktes  auf  der  rechten  Platte  P^ 
mit  der  Meßmarke  des  rechten  Mikroskops  zur  Deckung. 

Sonach  bringt  man  lediglich  mit  Benützung  der  linken 
Drehscheibe,  jedoch  ohne  einen  Kreuzschlitten,  die  rechte 
Drehscheibe  oder  die  Triebe  H  und  V  anzurühren,  das  Bild 
des  besagten  Punktes  auf  der  linken  Platte  Pg  mit  der  Meß- 
marke des  linken  Mikroskops  zur  Deckung.  Ist  das  geschehen, 
so  sollen  sämtliche  Punkte  der  Überdeckung  beider  Bilder 
mit  der  auf  Unendlich  eingestellten  »wandernden  Marke«  in 
gleicher  Entfernung  erscheinen  und  bei  Benützung  der  Triebe 
H  und  V  stets  idente  Punkte  an  die  Meßmarken  der  Mikro- 
skope kommen. 

Sobald  das  zutrifft,  hat  das  Seitenbild  den  gleichen  Posi- 
tionswinkel wie  das  Mittelbild.  Nachdem  aber  laut  Voraus- 
setzung das  Mittelbild  mit  seiner  Basisrichtung  parallel  zur 
Verbindungslinie  der  beiden  Mikroskopokulare  gestellt  war 
(die  Meßmarke  passierte  bei  der  Bewegung  des  Triebes  H  die 
beiden  Ballonörter  und  die  in  die  Schicht  eingerissenen  Basis- 
marken), so  ist  jetzt  auch  das  Seitenbild  so  eingestellt,  daß 
seine  Basisrichtung  parallel  zur  Verbindungslinie  der  Okulare 
steht.  Man  hebt  oder  senkt  jetzt  das  Mikroskop  so  weit,  bis 
seine  Meßmarke  beim  Hin-  und  Herbewegen  der  Bilder  mit 
dem  Trieb  H  den  durch  die  einkopierten  Rahmenmarken  defi- 
nierten Hauptpunkt  der  Seitenbilder  ungefähr  passiert,  und 
reißt  jetzt  mit  der  schon  erwähnten  Nadel  entsprechende 
Marken  in  die  Schichtseite  der  Ränder  der  Seitenbilder. 

Damit  ist  auf  diesem  Bilde  die  Basisrichtung  festgelegt. 


Photographische  Herstellung  von  Karten.  257 

Dasselbe  macht  man  mit  allen  übrigen  Seitenbildern  dieser 
Aufnahme. 

Dann  wechselt  man  die  Mittelbilder,  stellt  das  neue  Mittel- 
bild wieder  so  ein,  daß  die  Meßmarke  beim  Bewegen  der 
Platten  mittels  des  Triebes  H  die  beiden  Ballonörter  passiert, 
und  orientiert  in  der  soeben  beschriebenen  Weise  alle  zu 
diesem  Mittelbilde  gehörigen  Seitenbilder;  u.  s.  f.  für  alle  Auf- 
nahmen. 

Sobald  dies  mit  den  Bildern  geschehen  ist,  und  zwar  mit 
jeder  Aufnahme  bezüglich  aller  Nachbaraufnahmen,  mit  denen 
sie  verglichen  werden  soll,  so  beginnt  die  Justierung  zweier 
zu  vergleichender  Bilder  stets  damit,  daß  man  sie  mittels  der 
Drehscheiben  derart  im  Apparat  orientiert,  daß  beim  Hin-  und 
Herbewegen  der  Platten  mit  dem  Trieb  H  die  Meßmarken  des 
Mikroskops  die  Basismarken  an  den  Bildrändern  passieren. 
Sodann  stellt  man  die  rechte  Platte  P,  stets  gleich  auf  den 

Teilstrich  —  des  Parallaxenmaßstabes. 
V 

Hierauf  sucht  man  einen  der  eingemessenen  Kontroll- 
punkte heraus,  mittels  deren  die  Bilder  durch  optische  Koinzi- 
denz horizontiert  worden  waren,  berechnet  den  senkrechten 
Abstand  dh  desselben  von  der  Vergleichsebene,  mißt  am  linken 
Bilde  die  Abszisse  Af,  am  rechten  Bilde  die  Abszisse  N  des 

Bildpunktes,  berechnet  p  mit  der  Formel  p  =.  — ^ i — ^ 

und  stellt  p  auf  der  Mikrometerteilung  ein. 

Jetzt  bringt  man  mittels  der  Triebe  H  und  V,  also  durch 
Verschieben  beider  Platten,  das  Bild  des  Kontrollpunktes  auf 
der  rechten  Platte  an  die  Meßmarke  des  rechten  Mikroskops 
und  verschiebt  mittels  des  linken  Kreuzschlittens  die  linke 
Platte  Pj  so  lange,  bis  das  stereoskopische  Bild  mit  der  bereits 
eingestellten  Meßmarke  gleich  weit  zu  sein  scheint. 

Die  so  gewonnene  Einstellung  kontrolliert  man  noch  mit 
Hilfe  der  anderen  auf  beiden  Platten  etwa  vorhandenen  Kon- 
trollpunkte und  beseitigt  eventuell  übriggebliebene  Fehler. 

Stimmt  endlich  die  Probe,  so  sind  die  Platten  richtig 
justiert  und  kann  die  Ausmessung  beginnen. 


258  Th.  Scheimpflug, 

Das  Ausmessen  der  Platten. 

Das  Ziel  der  Arbeit  ist  die  Herstellung  eines  möglichst 
genauen  Schichtenplanes  sowohl  in  perspektivischer  als  in 
orthogonaler  Projektion  für  die  Ausdehnung  der  linken  Platte  P^. 
Wie  die  Formeln 

Äj  M—k^N 
ph^M 


dM  = 


dR  =  R 


h^M—h^N 
dh 


K 


zeigen,  sind  die  senkrechten  Abstände  dh  der  einzelnen  Terrain- 
punkte von  der  Vergleichsebene  ebenso  wie  die  Abszissen- 
differenzen dM  und  die  OrdinatendifFerenzen  dR  der  einzelnen 
Bildpunkte  des  linken  Bildes  zwischen  der  perspektivischen 
und  orthogonalen  Projektion  von  den  drei  Veränderlichen  ilf, 
JV  und  p  abhängig. 

Es  ist  aber  M — iV-+-»  =  — .  Man  kann  also  eine  von 

V 

ihnen,  am  besten  N,  weil  am  Apparat  nicht  direkt  ablesbar, 
eliminieren  {N  ist  die  Abszisse  des  Bildpunktes  am  rechten 
Bilde  Pj). 

Arbeitet  man  weiter  nach  Af-Profilen,  d.  h.  stellt  man  die 
linke  Platte  P^  auf  eine  bestimmte  Abszisse  M  ein  und  mißt 
nacheinander  alle  Terrainpunkte  aus,  welche  das  gleiche  M 
haben  oder,  was  dasselbe  ist,  die  auf  der  gleichen  Af-Ordinate 
liegen,  so  nehmen  die  Formeln  für  ein  derartiges  Profil  die 
Form  an: 

dh   ___    dM  __  dR  _         ph^         __ 
h^    "     M     ""  "p"  ""  h^M—h^N  ""  ^ 

Man  findet  also  für  jeden  einzelnen  Punkt  die  Verbesse- 
rungen. 

dh=pUh^  als  senkrechten  Abstand  des  Terrainpunktes 
von  der  Vergleichsebene ; 


Photographische  Herstellung  von  Karten. 


259 


dM  =  pUM  als  Abszissendißerenz  ein  und  desselben 
Bildpunktes  in  der  perspektivischen  und  orthogonalen  Pro- 
jektion; 

dR  =  pUR  als  Ordinatendifferenz  ein  und  desselben 
Bildpunktes  in  der  perspektivischen  und  orthogonalen  Pro- 
jektion. 

Man  hätte  also  dann  die  Ausmessung  derart  vorzunehmen, 

daß  man  erstens  die  Platte  P-  auf  den  Teilstrich  —  der  Parall- 

*  V 

axenteilung  stellt,  beide  Platten  gemeinsam  so  einstellt,  daß  die 
Platte  Pj  auf  den  Teilstrich  M  des  Abszissenmaßstabes  so  lange 
stehen  bleibt,  bis  die  ganze  Ordinate  ausgemessen  ist,  und  jetzt 
mit  dem  Trieb  V  das  Mikroskop  längs  des  Bildes  vertikal  nach 
auf-  oder  abwärts  bewegt  und  sukzessive  für  verschiedene 
Werte  der  Abszissen  R  die  Größe  p  mit  Hilfe  der  wandernden 
Marke  und  der  Mikrometerteilung  am  Mikroskop  ausmißt. 

Diese  Messungsresultate  lassen  sich  dann  leicht  in  eine 
Tabelle  folgender  Form  bringen: 


1 

^1 

M^ 

Mq 

M^ 

Ri 

P 

N 

ü 

dh 

dM 

dR 

je. 

Ä, 

260  Th.  Scheimpflug, 

Die  Werte  p  werden  laut  Messung  in  die  vorbereitete 
Tabelle  eingesetzt.  Die  anderen  fünf  Werte  N,  U,  dh,  dM,  dR 
werden  nachträglich  auf  Grund  der  Formeln 

N  =:  M-^p 

V 

U=  *« 


dh  =  pUh^ 

dM  =  pUM 

dR  =  pUR 
gerechnet. 

Auf  Grund  dieser  Tabelle  unterliegt  es  dann  keiner 
Schwierigkeit,  sowohl  den  perspektivischen  als  den  ortho- 
gonalen Schichtenplan  für  das  Bild  P^  in  beliebigem  Maßstabe 
zu  zeichnen. 

Pp  sind  die  Koordinaten  eines  Punktes  des 
perspektivischen  Schichtenplanes. 

Po  sind  die  entsprechenden  Koordinaten  des- 
selben Punktes  im  orthogonalen  Schichten- 
plane. 

r  ist  eine  Korrektur,  welche  dem  Umstände  Rechnung 
trägt,  daß  die  Höhen  bisher  tatsächlich  auf  eine  Tangential- 
ebene an  die  Niveaufläche  (die  Vergleichsebene)  bezogen 
wurden,  während  sie  richtigerweise  auf  die  kugelig  gekrümmte 
Nullniveaufläche  hätten  bezogen  werden  sollen.  Selbstverständ- 
lich wächst  r  mit  dem  radialen  Abstände  von  der  Horizontal- 
projektion des  Ballonortes  der  Platte  P^,  für  welche  der 
Schichtenplan  gilt,  und  kann  ein-  für  allemal  berechnet  und 
in  eine  Tabelle  gebracht  werden. 

Sind  diese  Schichtenpläne  gezeichnet,  so  unterliegt  es 
wieder  keiner  Schwierigkeit,  sie  photographisch  zu  reprodu- 
zieren, und  zwar  reduziert  man  den  perspektivischen  Schichten- 
plan genauestens  auf  die  Größe  der  Platte  P^  (der  horizontalen 
Vogelperspektive),  den  orthogonalen  Schichtenplan  auf  den 
Maßstab  der  gewünschten  Karte. 


Photograplüsche  Herstellung  von  Karten.  26 1 

Ist  das  geschehen,  so  sind  mit  den  erhaltenen  Negativen 
die  Grundlagen  für  die  Zonentransformation,  siehe  Kapitel  IV, 
gegeben. 

Es  ist  klar,  daS  ebenso  wie  hier  die  Bilder  nach  der 
Basisrichtung  orientiert  wurden,  sie  ebenso  wie  in  A  auch 
nach  Ost — ^Wcst  und  Nord — Süd  orientiert  werden  können. 

Die  Orientierung  der  Bilder  nach  den  Weltgegenden  müßte 
aus  dem  Triangulierungsnetz,  d.  h.  den  Kontrollpunkten,  er- 
mittelt werden  und  hätte  man  bei  genügender  Netzdichte  die 
Möglichkeit,  jedes  einzelne  Bild  unabhängig  von  anderen  zu 
orientieren  und  nur  das  gerade  zu  vergleichende  Bilderpaar 
betreffs  der  Obereinstimmung  dieser  Orientierung  zu  prüfen 
und  eventuelle  Differenzen  auszugleichen. 

Man  hätte  dann  bei  der  Orientierung  nach  der  Ost — ^West- 
Richtung  nach  Nord — Süd-Profilen,  bei  der  Orientierung  nach 
der  Nord — Süd-Richtung  nach  Ost — West-Profilen  zu  arbeiten, 
hätte    an    der  Parallaxenteilung    im    einen   Falle    die   Größe 

tix  =z 2_     ijn  anderen  Falle  die  Größe  A_y  :;=  — —  ein- 

V  V 

zustellen  und  würde  an  der  Mikrometerteilung  in  einem  Falle 
die  Größe  px^  im  anderen  Falle  die  Größe  py  ablesen.  Hieraus 
würde  sich  dann  ergeben: 


dh  = 


_      PxKh       —       Py^i^ 


2 


*2*i""*i^«  *«>'i"~*i.ya 


dx^  == 


_      Pxh^x^ 


h^X^ ^1^2 


IV.  Die   zonenweise  Oberführung  der  horizontalen  Vogel- 
perspektiven in  Orthogonalprojektionen. 

Wie  schon  im  Kapitel  I  gezeigt  wurde,  erscheinen  in 
der  horizontalen  Vogelperspektive,  respektive  in  einem  nach 
E.  Deville  erhaltenen  perspektivischen  Grundriß  einer  Hoch- 
gebirgslandschaft bei  vollster  Aufrechterhaltung  der  Ähnlich- 
keit jene  Terrainteile,  welche  bei  der  Aufnahme  dem  Objektiv 


262  Th.  Scheimpflug, 

näher  waren  als  der  Vergleichshorizont  (die  mittlere  Schmie- 
gungsebene),  zu  groß,  dagegen  jene  Terrainteile,  welche  ent- 
fernter waren,  zu  klein.  Denkt  man  sich  das  Terrain  durch 
eine  Schar  zum  Vergleichshorizont  (zur  Schmiegungsebene) 
paralleler  Ebenen  in  dünne  Zonen  zerschnitten,  so  kann  man 
den  mittleren  Mafistabfehler  für  jede  dieser  Zonen  bestimmen 
und  durch  photographische  Vergrößerung  oder  Verkleinerung 
beseitigen. 

Das  geschieht  unter  Zugrundelegung  des  nach  Kapitel  III 
gewonnenen  Schichtenplanes  mit  Hilfe  des  Zonentransfor- 
mators. 

Selber  ist  nichts  anderes  als  ein  gut  gearbeiteter  Zwillings- 
Reproduktionsapparat,  in  welchem  vorne  links  die  zu  trans- 
formierende horizontale  Vogelperspektive  mit  Schicht  auf 
Schicht  aufgepaßtem  perspektivischen  Schichten  plan,  vorne 
rechts  der  perspektivische  Schichtenplan  allein  eingelegt  wird, 
während  rückwärts  auf  der  Seite  der  Ballonaufnahme  die 
Kassette  mit  der  empfindlichen  Platte,  auf  der  anderen  Seite 
der  orthogonale  Schichtenplan  eingesetzt  wird. 

Bei  der  Arbeit  wird  nun  rechts  eine  Zone  des  perspek- 
tivischen Schichtenplanes  nach  der  anderen  mit  der  ent- 
sprechenden Zone  des  orthogonalen  Schichtenplanes  zur 
Deckung  gebracht. 

Gleichzeitig  wird  links  der  ganze  Schichtenplan  auf  der 
Rückseite  mit  leicht  wegwischbarer,  aber  gut  deckender  Farbe 
undurchsichtig  gemacht  und  nur  jedesmal  die  gerade  rechts  in 
Deckung  gebrachte  Zone  freigelassen  und  exponiert. 

Wenn  diese  allerdings  etwas  zeitraubende  Geduldarbeit 
vollendet  ist,  wird  die  empfindliche  Platte  entwickelt  und  gibt 
die  vollkommen  korrekte  Orthogonalprojektion,  wobei  die 
Schichtenlinien  als  zarte,  hellere  oder  dunklere  Linien  er- 
scheinen, je  nachdem  die  betreflFenden  Terrainteile  konvex 
oder  konkav  waren,  also  ihre  Bilder  verkleinert  oder  ver- 
größert werden  mußten,  daher  benachbarte  Zonen  entweder 
nicht  ganz  aneinander  anschließen  oder  aber  sich  gegenseitig 
etwas  übergreifen. 


Photographische  Herstellung  von  Karten.  263 

V.  Die  Herstellung  der  Karte  auf  photographischem  Wege. 

Nachdem  in  den  ersten  vier  Kapiteln  die  Bausteine  des 
neuen  Verfahrens  zusammengetragen  wurden,  sei  hier  gestattet/ 
dieselben  zu  einem  Ganzen  zu  vereinigen. 

Man  kennt  heute  verschiedene  Mittel,  um  photographische 
Apparate  in  große  Höhen  zu  heben,  und  zwar 

1.  den  bemannten  Freiballon, 

2.  den  Sondierballon, 

3.  die  Drachen, 

4.  den  lenkbaren  Luftballon  (Graf  Zeppelin,  Santos- 
Dumont,  Deutsch,  La  Patrie,  Conte  da  Schio  etc.), 

5.  den  Fesselballon, 

6.  Raketen. 

Von  diesen  Hilfsmitteln  ist  entschieden  der  Freiballon  am 
leistungsfähigsten.  Man  kann  bis  in  ungeheure  Höhen  (nahezu 
10.000  m)  steigen,  man  kann  große  Fahrten  bei  nahezu  jedem 
Wetter  machen.  Der  einzige  Übelstand  ist,  daß  der  Ballon  nicht 
lenkbar  ist. 

Da  der  bereits  vor  Jahren  vom  Verfasser  konstruierte 
siebenfache  Ballonapparat  (siehe  »Photographische  Korrespon- 
denz«, 1903)  eine  Kreisfläche,  deren  Durchmesser  ungefähr 
der  fünffachen  Ballonhöhe  gleichkommt,  mit  einem  Male  auf- 
zunehmen gestattet,  kann  schon  mit  einer  einzigen  Fahrt, 
wenn  man  schönes,  klares  Wetter  hat,  mit  Leichtigkeit  ein 
Geländestreifen  von  10  bis  15  im  Breite  und  50  bis  100  km 
Länge  aufgenommen  werden,  also  500  bis  1500  km'  mit  einem 
Schlage. 

Bei  der  großen  Ruhe  des  Freiballons  hat  man  auch  die 
größten  Chancen,  gute  Bilder  zu  erzielen,  viel  größere  als  bei 
allen  anderen  Behelfen.  Da  sich  die  Aufnahmen  zu  langen 
Ketten  aneinander  reihen,  die  sich  mit  Hilfe  der  Hauck'schen 
Kernpunkte  leicht  verknüpfen  lassen,  so  dürften  die  aus  diesen 
Bildern  gewonnenen  Resultate  auch  sehr  genau  werden. 

Wegen  seiner  großen  Leistungsfähigkeit  und  relativen 
Betriebssicherheit  ist  der  bemannte  Freiballon  auch  bis  jetzt 
entschieden  das  billigste  Mittel  zur  Hochnähme  von  photo- 
graphischen Apparaten. 

SiUb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  18 


264  Th.  Schcimpflug, 

Nur  muß  man,  da  er  nicht  lenkbar  ist,  um  ein  Land  plan- 
mäßig zu  vermessen,  Wind  und  Wetter  studieren  und  klug 
benützen.  Man  wird  prinzipiell  nur  bei  schönstem,  klarstem 
Wetter  fahren  und  darauf  achthaben,  was  für  ein  Wind  bei 
solchen  Wetterlagen  in  verschiedenen  Höhen  vorherrscht.  Dann 
wird  man,  auf  die  Kenntnis  der  bei  schönem,  klarem  Wetter 
vorherrschenden  Windverhältnisse  gestützt,  die  Aufstiegsorte 
des  Ballons  derart  verändern,  daß  nach  und  nach  das  ganze 
zu  vermessende  Land  sozusagen  abschraffiert  wird.  Selbst- 
verständlich wird  das  nicht  vollkommen  gelingen.  Es  werden 
Lücken  bleiben  und  andrerseits  vieles  mehrfach  aufgenommen 
werden.  Durch  Verwendung  und  Beobachtung  der  Flugbahnen 
von  Pilotballons  vor  jedem  Aufstiege  nach  der  Methode  Dr.  de 
Quervain  kann  diese  Arbeit  ungemein  erleichtert  und  ver- 
billigt werden. 

Zur  Ausfüllung  der  unvermeidlichen  Lücken  verwendet 
man  dann  am  besten,  wenn  Wind  ist,  Drachen,  wenn  kein 
Wind  ist,  Sondierballons. 

Insbesondere  Sondierballons  sind  durch  die  neuen,  von 
Prof.  Dr.  Hergesell  erdachten  Einrichtungen  und  Verbesse- 
rungen für  die  hier  ins  Auge  gefaßten  Zwecke  besonders 
geeignet.  Nur  ist  ihr  Betrieb  etwas  teuer,  weil  jede  einzelne 
Aufnahme  einen  Gummiballon  (zirka  200  bis  300  Kronen) 
kostet  Obendrein  werden  die  Apparate  durch  den  Wind  ver- 
tragen und  hat  man  stets  mit  der  Wahrscheinlichkeit  zu 
rechnen,  daß  Unberufene  den  Apparat  in  die  Hände  bekommen 
und  die  kostbaren  Aufnahmen  aus  Unverstand  belichten  oder 
sonst  Schaden  machen. 

Bei  Drachen  ist  das  letztere  nicht  zu  befürchten.  Dagegen 
ist  ihr  Betrieb  ohne  fahrbare,  maschinell  betriebene  Winde 
{vier  bis  sechs  Pferdekräfte)  nicht  rationell  und  ist  eine  solche 
Winde  ein  sehr  teures  Stück.  Auch  sind  sie  nur  bei  stetigem 
Winde  verwendbar,  der  häutig  gerade  dann  nicht  vorhanden 
ist,  wenn  man  klares  Wetter  und  eine  gute  Beleuchtung  hat. 

Das  lenkbare  Luftschiff  kommt  vorläufig  noch  nicht  in 
Betracht,  weil  es  erstens  noch  nicht  sichergenug  funktioniert, 
zweitens  zu  kostspielig  ist  und  drittens  in  den  bisher  aus- 
geführten  Formen   nicht   im   stände   ist,    größere  Höhen'  zu 


P^iotographische  Herstellung  von  Karten.  265 

erreichen,  während  doch  gerade  in  dem  Erreichen  grofier  Höhen 
die  eventuelle  Rentabilität  der  hier  besprochenen  Methode  be- 
gründet ist. 

Auch  der  Fesselballon  ist  minder  empfehlenswert,  erstens, 
weil  er  in  der  Regel  zu  unruhig  ist,  um  gute  Bilder  zu  ermög- 
lichen, und  zweitens,  weil  auch  er  nicht  dazu  taugt,  größere 
Höhen  zu  erreichen. 

Die  Rakete  endlich  ist  ein  ganz  neues.  Hilfsmittel,  photo- 
graphische Apparate  bis.  in  größere  Höhen,  angeblich  bis  zu 
1000  m,  hinaufzutreiben.  Wegen  ihrer  Billigkeit  hätte  sie  ent- 
schieden sehr  große  Zukunftschancen,  insbesondere  als  Ersatz 
des  Sondierballons;  sie  ist  aber  noch  nicht  genügend  erprobt, 
um  voriäufig  hier  in  Betracht  zu  kommen. 

Obigeis  vorausgeschickt,  sei  jetzt  der  normale  Arbeits- 
vorgang bei  einer  ballonphotogrammetrischen  Neuvermessung 
eines  großen  Gebietes  in  seinen  großen  Zügen  entwickelt 

Man  trachtet,  durch  eine  Reihe  von  Ballonfahrten  mög- 
lichst lückenlos  womöglich  das  ganze  aufzunehmende  Land 
mit  dachziegelartig  sich  übergreifenden  Ballonaufnahmen  zu 
überdecken.  Die  unvermeidlichen  übrig  bleibenden  Lücken 
werden  entweder  mittels  Sondierballons  oder  durch  Drachen- 
aufnahmen ausgefüllt. 

Mit  jeder  Aufnahme  wird  eine  möglichst  genaue  Neigungs- 
messung verbunden. 

Die  Bilder  werden  vorerst  mit  konstanter  Brennweite  nach 
Maßgabe  der  beobachteten  Neigungen  in  die  Horizontalebene 
transformiert  und  dienen  vor  allem  als  Rekognoszierungsbehelf 
für  die  Auswahl  der  einzumessenden  Triangulierungspunkte. 

Dieselben  werden  so  gewählt,  daß  je  drei  auf  einer  Auf- 
nahme sichtbar  sind  und  der  Ballonort  weitab  von  der  Peri- 
pherie des  durch  sie  bestimmten  Kreises  liegt,  weiters  daß  sie 
leicht  in  der  Natur  aufgefunden  werden  können  und  daß  sie 
sich  gegenseitig  sehen  (wo  brauchbare  ältere  Karten  oder 
Triangulierungsnetze  vorliegen,  können  dieselben  eventuell 
benützt  werden).  Die  gewählten  Punkte  sind  in  der  Natur  auf- 
zusuchen, zu  bezeichnen  und  einzumessen. 

Nach  Maßgabe,  als  das  geschehen  ist,  werden  die  Bilder 
durch    optische   Koinzidenz    mit   Hilfe    des    Photoperspekto- 

18* 


266       Th.Scheimpflug,  Photographische  Herstellung  von  Karten. 

graphen  genau  horizontiert  und  auf  den  gewünschten  Mafi* 
Stab  gebracht. 

Sodann  wird  die  Güte  der  Arbeit  mit  Hilfe  der  Hauck- 
sehen.  Kernpunkte  dadurch  kontrolliert,  daß  man  die  Lage  der 
Kernpunkte,  die  jedes  Bild  mit  seinen  Nachbarbildem  gemein* 
sam  haben  soll,  aus  den  bereits  bekannten  Ballonörtem  rechnet 
und  nachsieht,  ob  die  von  ihnen  zu  einer  Anzahl  identer  Bild- 
punkte gezogenen  Strahienbüschel  sich  in  den  in  Betracht 
kommenden  Bildern  auch  tatsächlich  decken. 

Eventuell  dadurch  aufgedeckte  Fehler  sind  zu  beseitigen. 

Nachdem  so  ein  homogenes,  horizontales,  richtig  orien-^ 
tiertes  und  maSstabrichtiges  Bildermaterial  geschaffen  ist, 
welches  das  ganze  zu  vermessende  Land  überdeckt,  werden 
die  Bilder  in  passender  Weise  gepalart,  um  zur  Ermittlung  des 
Schichtenplaneä  mit  oder  ohne  Hilfe  des  Stereokomparators 
zu  dienen. 

Diese  Ermittlung  des  Schichtenplanes  erfolgt  nach  Kapi- 
tel III.  Sodann  hat  nach  Kapitel  IV  die  Zonentransformation  zu 
erfolgen,  d.  h.  die  Übarfiihrung  der  Perspektivbilder  in  Ortho- 
gonalprojektionen. . 

Endlich  schließt  die  Kartierung  die  Rechnung  ab.  Selbe 
kann  entweder  dadurch  erfolgen,  daß  man  die  orthogonalen 
Kopien  der  Einzelaufnahmen  belzüglich  ihrer  Begrenzungen 
den  gegebenen  Vorschriften  entsprechend  zusammenfügt  und 
beschreibt  oder,  wenn  der  Charakter  der  Photographie  nicht 
gewünscht  und  die  bisherige  symbolistische  Terraindarstellung 
vorgezogen  wird,  an  der  Hand  obiger  Teilbilder  die  eigentliche 
Karte  zeichnet. 

Inhaltsübersicht. 

I.  Oberbltck  über  die  leitenden  Gesichtspunkte  der  Methode. 

II.  Die  geodätische  Orientierung  der  Ballonbilder  und  ihre  Transformation  in 
horizontierte  Vogelperspektiven  mit  Hilfe  des  Photoperspektographen. 

III.  Die  Ermittlung  des  genauen  Schichtenplanes  des  Terrains  aus  den  hori* 

zontierten  und  geodätisch  orientierten  Ballonaufnahmen. 

A.  Ermittlung  des  Schichtenplanes  ohne  besondere  instrumentelle  Hilfsmittel. 

B.  Ermittlung  des  Schichtenplanes  mit  Hilfe  des  Stereokomparators. 

IV.  Die  zonenweise  Überführung  der  horizontalen  Vogelperspektiven  in  Ortho- 

gonal Projektionen. 

V.  Die  Herstellung  der  Karte  auf  photographiscbem  Wege. 


267 


über  das  Vorkommen  der  seltenen  Erden  auf 

der  Sonne 

von 

Dr.  Georg  Hofbauer. 

Aus  dem  11.  physikalischen  Institute  der  Universität  Wien. 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  «na  28.  Februar  1007.) 

Rowland  hat  in  seinen  Wellenlängentabellen  des  Sonnen- 
spektnims^  die  seltenen  Erden  nur  unvollständig  und  teilweise 
auch  ungenau  identifiziert,  da  ihm  von  diesen  entweder  gar 
keine  Proben  oder  bloß  unreine  Präparate  vorlagen.  Noch  am 
vollständigsten  sind  die  Elemente  Lanthan,  Neodym,  Scandium 
und  Yttrium  mit  ihren  starken  Linien  vertreten,  mangelhafter 
Cer  und  besonders  Erbium;  die  wenigen  Linien,  die  Rowland 
in  dem  von  mir  durchsuchten  Teile  des  Sonnenspektrums  als 
dem  Erbium  gehörig  angibt,  erweisen  sich  als  starke  Ytterbium- 
linien. Vollkommen  fehlen  in  den  Tafeln:  Erbium,  Europium, 
Dysprosium,  Gadolinium,  Neoholmium,  Praseodym,  Samarium, 
Terbium,  Thorium,  Thulium  und,  von  den  falschen  Ytterbium- 
identifikationen abgesehen,  auch  Ytterbium.  Eine  Revision  der 
Rowland'schen  Wellenlängentafeln  bezüglich  der  seltenen  Erden 
wird  erstens  die  Frage  entscheiden,  ob  die  daraufhin  noch 
nicht  untersuchten  Elemente  Er,  Eu,  Dy,  Gd,  Ho,  Fr,  Sa,  Tb, 
Th,  Tm  und  Yb  auf  der  Sonne  vorkommen  und  zweitens  die 
Zahl  der  unbekannten  Fraunhofer'schen  Linien  erheblich  ver- 
mindern. 

Eine  vorläufige  Durchsicht  der  stärksten  und  charakteri- 
stischen Spektrallinien  der  seltenen  Erden  ließ  erkennen,  daß 


1  H.  A.RowIand,  A  preliminaiy  table  of  solar  spectrum  wave-lengths. 
Chicago  1898. 


268  G.  Hofbftuer, 

diese  auch  auf  der  Sonne  nicht  häufig  auftreten,  und  eine 
genaue  Untersuchung  des  Funken-  und  Bogenspektrums  von 
Lanthan  bestätigte  dann  meine  Vermutung,  daß  die  schwächsten 
Linien  aller  dieser  Elemente  im  Sonnenspektrum  nicht  mehr 
vorhanden  sind.  Es  war  daher  eine  erlaubte  Vereinfachung^ 
wenn  ich  alle  Linien,  die  Exner  und  Haschek  in  ihren 
Spektraltafeln  ^  mit  der  Intensität  1  und  2  angeben,  ganz  ver- 
nachlässigte. 

Bei  der  Aufstellung  der  folgenden  Tabelle  ging  ich  von 
der  Haupttabelle  aus  dem  genannten  Werke  Exner's  und 
Hasch ek's  aus,  so  zwar,  daß  ich  das  Funken-  und  Bogen- 
spektrum  parallel  benützte.  Denn  es  würde  nicht  genügen,  nur 
das  Bogen-  oder  Funkenspektrum  zum  Vergleich  heranzuziehen 
wegen  der  gänzlich  unbekannten  Bedingungen,  unter  denen 
sich  die  Metalldämpfe  auf  der  Sonne  befinden.  Am  ehesten 
wird  im  Sonnenspektrum  eine  Linie  dann  zu  erwarten  sein, 
wenn  sie  sich  im  Bogen  und  Funken  zugleich  vorfindet  und 
somit  dem  Element  unter  verschiedenen  Leuchtbedingungen 
charakteristisch  ist. 

Zum  genaueren  Vergleich  nahm  ich  noch  die  Messungen 
Kayser's  und  seiner  Schüler  über  die  Bögenspektren  einiger 
seltener  Erden  hinzu,'  in  wenigen  Fällen  Zahlen  aus  dem 
Tantalspektrum  von  Morsch^  und  aus  den  Messungen  der 
dritten  Cyanbande  von  Jungbluth,^  falls  die  Identifikationen 
Rowland's  zweifelhaft  waren. 


1  F.  Exner  und  E.  Haschek,  WellenlängentabeUen.  I.  Funkenspektren» 
1902;  II.  Bögenspektren»  1904. 

2  H.  Kay  ser.  Die  Bögenspektren  von  Yttrium  und  Ytterbium.  Berlin  1903. 
—  J.Kellner,  Das  Lanthan  Spektrum.  Inaug.-Diss.,  Bonn  1904.  —  E.  Wolff, 
Das  Lanthanspektrum.  Inaug.-Diss.,  Bonn  1905;  Zeitschr.  f.  wiss.  Phot,  III, 
Heft  10  (1905).  -^  Chr.  Rütten,  Das  Bogenspektrum  von  Samarium.  Inaug.- 
Diss.,  Bonn  1905;  Zeitschr.  f.  wiss.  Phot.,  III,  Heft  5  (1905).  —  M.  Bertram» 
Die  Bögenspektren  von  Neodym  und  Praseodym.  Inaug.-Diss.,  Bonn  1905; 
Zeitschr.  f.  wiss.  Phot.,  IV,  Heft  1  und  2  (1906). 

<  H.  Morsch,  Das  Bogenspektrum  von  Tantal.  Inaug.-Diss.»  Bonn  1905; 
Zeitschr.  f.  wiss.  Phot.,  III,  Heft  5  (1905). 

^  Fr.  Jungbluth,  Gesetzmäßigkeiten  in  dem  Bau  der  dritten  Cyanbande. 
Inaug.-Diss.,  Bonn  1904;  Astroph.  Journal,  20,  237  (1905). 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne.  269 

Diese  Bonner  Messungen  sind  unter  möglichst  gleichen 
Versuchsbedingungen  ausgeführt  und  daher  wohl  miteinander 
vergleichbar.  Sie  geben  noch  die  dritte  Dezimale  einer  Ang- 
strömeinheit an,  bei  einer  Meßgenauigkeit  von  rtO'005  A.  E. 
bis  ±0'01  A.  E.,  während  die  Exner-Haschek'schen  Tafeln 
zweistellig  sind  und  ihre  Fehlergrenze  bei  ±0*02  A.E.  liegt. 

Die  Intensitätsangaben  bei  Exner-Haschek,  Kayser 
und  Rowland  basieren  auf  ungleichen  Skaten,  was  einen 
wechseiweisen  Vergleich  dieser  Zahlen  ausschloß.  Um  nun  die 
Intensität  einer  Linie  möglichst  genau  und  leicht  vergleichbar 
zu  fixieren,  ordnete  ich  ihr  die  Intensitätszahl  bei,  die  sie  bei 
Exner-Haschek  im  Funken  hat,  dann  die  Zahl  aus  dem 
Bogenspektrum,  drittens  die  Intensitätsangabe  der  Bonner 
Bogenmessungen  und  schließlich  die  Intensität,  mit  der  sie  im 
Sonnenspektrum  auftritt.  Statt  einer  Zahl  hatte  nun  jede  Linie 
eine  viergliederige  Intensitätenreihe  von  der  eben  geschilderten 
fixen  Anordnung  der  Glieder.  Diese  Reihen  hatten  den  Vorteil, 
daß  sie  sich  gliedweise  vergleichen  ließen;  also  warder  Schluß 
erlaubt,  daß  Spektrallinien  eines  Elementes,  bei  denen  die  drei 
ersten  Glieder  übereinstimmten  oder  wenig  voneinander  ab- 
wichen, auch  im  letzten  Gliede  gleich  oder  wenig  abweichend 
sein  werden,  kurz,  daß  solche  Linien  auch  im  Sonnenspektrum 
gleich,  respektive  ähnlich  stark  auftreten  werden.  Weiter  wählte 
ich  von  jedem  Element  die  stärksten  Spektrallinien  mit  den 
zugehörigen  Intensitätsreihen  aus  und  vereinigte  diese  zu  einem 
Intensitätenschema.  Durch  die  vierte  Kolumne  eines  solchen 
Schemas  war  mir  die  obere  Grenze  der  Intensität  gegeben,  mit 
der  die  Linien  eines  Elementes  in  der  Sonne  auftreten  konnten. 
Ebenso  verfuhr  ich  mit  den  schwächsten  Linien,  die  nicht  mehr 
im  Sonnenspektrum  bemerkbar  sind,  und  bekam  so  die  untere 
Grenze  der  geringen  Intensitäten  im  Funken  und  Bogen,  denen 
ein  eben  noch  merkbarer  Betrag  im  Sonnenspektrum  entspricht. 
Diese  Feststellung  der  beiden  Grenzen  besorgte  ich  bei  jedem 
Element,  weil  so  ein  schneller  und  sicherer  Überblick  zu  ge- 
winnen war,  ob  und  wie  stark  eine  Linie  in  der  Sonne  auftreten 
könne.  Eine  gute  Übereinstinmiung  mit  der  wirklich  von  Row- 
land angegebenen  Zahl  war  mir  außer  der  Übereinstimmung 
der  Wellenlängen  Voraussetzung  für  eine  sichere  Identifikation. 


270  G.  Hofbauer, 

Waren  derart  die  Schwierigkeiten  vermieden,  die  die  In- 
tensitätsvergleiche boten,  so  traf  ich  nun  bei  der  Vergleichung 
der  Wellenlängen  auf  Störungen,  die  oft  eine  sichere  Identifi- 
kation erschwerten,  wenn  nicht  unmöglich  machten,  nämlich 
Differenzen  in  den  Wellenlängen.  Jewell^  fand  zuerst,  daß  die 
Wellenlängen  der  Fraunhofer'schen  Linien,  die  Rowland 
veröffentlichte,  oft  nicht  mit  den  entsprechenden  Metallinien 
im  Bogen  übereinstimmten,  was  er  mit  den  verschiedenen 
Temperaturbedingungen,  Druck  und  Dichte,  unter  welchen  die 
Lichtemission  auf  der  Sonne  und  im  Bogen  stattfindet,  erklärte. 
Versuche  von  Humphreys  und  Mo  hier*  zeigten  unzweifel- 
haft den  Einfluß  des  Druckes  des  umgebenden  Gases  auf  die 
Wellenlänge  im  Bogenspektrum.  Die  Linienverschiebungen,  die 
nun  Exner  und  Haschek  bei  ihren  Messungen  der  ultra- 
violetten Spektren  der  Elemente  fanden,  ließen  sich  nicht  allein 
durch  den  Gasdruck  erklären,  es  mußte  noch  ein  Einfluß  der 
Dampfdichte  auf  die  Wellenlänge  angenommen  werden. 
E.  Haschek^  fand  Proportionalität  zwischen  Partialdichte  und 
Verschiebung. 

Der  letztere  Einfluß  ist  indessen  nicht  unbestritten.  Vor- 
züglich Kayser*  leugnet,  wenigstens  beim  Bogen,  einen  Ein- 
fluß der  Dichte  des  leuchtenden  Dampfes  auf  die  Wellenlänge 
gemerkt  zu  haben  und  führt  die  gegenteiligen  Resultate  auf 
falsche  Deutungen  einseitiger  Linienverbreiterungen  zurück. 
Außerdem  führen  Eder  und  Valenta*  photographische  Schein- 
Verschiebung  infolge  Überexposition  als  Fehlerquelle  bei  den 
Exner-Haschek'schen  Messungen  an,  ein  Einwand,  der  höch- 
stens bei  den  sehr  starken  Linien  zutreffen  kann,  Verschiebungen 
schwacher  Spektrallinien  aber  nicht  erklärt,  ebensowenig  wie 
die  Verschiebungen  von  Umkehnmgen.  Neuerdings  hat  Kent* 
Differenzen  zwischen  den  Wellenlängen  im  Funken  und  im 


1  Astropbys.  Journal,  3,  89  bis  113  (1896). 

2  Ebenda  (1866,  1897  und  1905). 

8  Spektraianalytische  Studien.  Diese  Sitzungsber.,  110,  IIa  (1901)  und 
111,  IIa  (1902). 

4  Handbuch  der  Spektroskopie,  II,  310  (1902). 

&  Diese  Sitzungsber.,  112,  IIa,  1291  bis  1304. 

«  Astrophys.  Journal,  17,  286  bis  299  (1903)  und  22, 182  bis  198  (1905). 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


271 


Bogen  konstatiert  und  Exner  und  Haschek^  beim  Ca,  Sn 
und  Zn  die  Inkonstanz  der  Wellenlängen  im  Funken  und 
Bogen  nachgewiesen. 

Die  WellenlängendiflFerenzen,  die  ich  fand,  überstiegen 
auch  beim  Vergleich  von  Bogenmessungen  oft  O'Ol  A.  E. 
Mithin  muß  entweder  zugegeben  werden,  daß  die  Angabe  einer 
dritten  Dezimale  illusorisch  ist  oder  man  muß  das  Vorhanden- 
sein von  Linienverschiebungen  auch  beim  Bogenspektrum  an- 
erkennen, falls  die  Fehlergrenze  tiefer  liegt.  In  der  folgenden 
Tabelle,  die  eine  Genauigkeitsprobe  geben  soll,  ist  eine  Reihe 
von  Lanthanlinien  aus  dem  Sonnenspektrum  Rowland's  zu- 
sammengestellt Dann  folgen  die  Differenzen  gegenüber  den 
Wertangaben  Exner's  und  Haschek's  beim  Funken  und 
beim  Bogen  (E.  H.),  weiter  gegenüber  den  Bogenmessungen 
Kellner's,  Wolffs,  Bertram's  (der  das  La  als  Verunreinigung 
im  Pr-Spektrum  mißt)  und  Rowland's.*  Die  Diff'erenzen  bei 
Exner-Haschek  mußte  ich  in  Hundertsteln  von  Angström- 
einheiten angeben,  wobei  die  Rowland'schen  Zahlen  zweistellig 
korngiert  verwendet  wurden.  Die  anderen  Angaben  sind  drei- 
stellig. 

Falls  die  Identifikation  von  mir  herrührt,  ist  dies  durch 
ein  *  gekennzeichnet. 


X  in  0 

E. 

H. 

Kellner 

1 
Wolff 

Bertram 

Rowland 

Fu 

Boi 

Bo^ 

ÄOj 

Bo^ 

B05 

3337-630 

-4-04 

+03 

4-007 

—019 

-010 

000 

44-655 

-+-05 

H-08 

4-057 

4-027 

4-032 

4-050 

76-471 

—02 

-♦-Ol 

—004 

—020 

—045 

4-001 

81-026 

-4-07 

4-07 

4-032 

002 

4-017 

4-020 

3574-559 

4-04 

-^01 

4-015 

4-002 

—029 

4-006 

3705-968* 

-h05 

—03 

—018 

000 

—022 

1  Diese  Sitzungsber.,  115,  IIa  (1906). 

»  H.  A.  Rowland  and  C.  N.  Harrison,  Are  spectra  of  Zirconium  and 
Lanthaoum.  Astropbys.  Journal,  7,  387  bis  389  (1898). 


272 


G.  Hofbauer, 


E. 

H. 

Kellner 

Wolff 

1 
Bertram 

• 
Rowland 

X  in  0 

^^^ 

Fu 

ßo, 

B02 

B03 

B04 

So, 

3759 

•215 

H-U 

00 

000 

-+-012 

-4-026 

-+-002 

94 

•909 

-+-08 

—Ol 

-4-009 

-^007 

-4-022 

—005 

3840 

•893* 

H-03 

—Ol 

—034 

—062 

—027 

— 

49 

•140 

-+-06 

00 

-4-027 

— 

71 

•785* 

-MO 

-4-01 

—007 

—021 

— 

—  154 

3916 

■207 

00 

—05 

011 

—021 

025 

49 

199 

H-02 

-+-07 

-+-055 

-4-041 

-4-043 

-^057 

4015 

•532* 

-^-03 

Ol 

—004 

-4-025 

-4-024 

-hOOl 

37 

'268* 

-^-08 

Ol 

^-086 

-4-103 

-+-100 

— 

43 

054 

-*-13 

—Ol 

-+-02 1 

-h012 

-h014 

-+-016 

4141- 

910 

-Ol 

-hOl 

—015 

—039 

—035 

—038 

52" 

108 

-h06 

-+-03 

-4-035 

000 

-4-037 

-+-01 1 

52 

927 

H-04 

-+-01 

003 

—012 

-+-027 

— 

4204' 

163 

H-07 

-4-02 

-+-05 1 

-4-032 

-4-030 

-+-055 

87- 

159 

—07 

—06 

—047 

—022 

040 

—031 

4364 

827* 

H-02 

—03 

-4-009 

-+-018 

—006 

— 

4430' 

070 

-*-03 

-+-02 

-+-016 

006 

-+-008 

-+-005 

4522- 

539* 

-^-07 

-+-01 

001 

-+-01 1 

— 

H-005 

75- 

075* 

00 

—05 

—028 

—002 

016 

4613- 

544 

-4-03 

—Ol 

-4-014 

-+-032 

— 

H-013 

55- 

634* 

-4-08 

-+-04 

-+-020 

-1-080 

— 

-4-033 

62- 

693* 

-♦-04 

00 

012 

-+-025 

— 

—015 

Die  Tabelle  zeigt  deutlich,  daß  auch  analoge  und  unter 
gleichen  Versuchsbedingungen  angestellte  Bogenmessungen, 
wie  die  von  Kellner,  Wolff  und  Bertram,  nicht  selten  Diffe- 
renzen bis  zu  0*03  A.  E.  ergeben. 

Sicher  war  eine  Identifikation  dann  erst,  wenn  außer  der 
Koinzidenz  auch  die  Intensität  im  Sonnenspektrum  sich  den 
durch  die  Intensitätsschemen  gezogenen  Grenzen  gut  einfügte. 
Sehr  häufig  war  diese  Intensitätsangabe  zu  hoch.  Dann  war 
eine  mehrfache  Koinzidenz  mit  noch  anderen  Elementen  vor- 
handen oder  zu  vermuten.  Auffällig  war  es,  wenn  von  manchen 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne.  273 

Elementen  sehr  oft  schwache  Linien,  die  im  Sonnenspektrum 
kaum  oder  überhaupt  nicht  sichtbar  sein  sollten,  noch  merklich 
auftraten,  ohne  daß  ich  eine  Koinzidenz  mit  anderen  Elementen 
fand.  (Auch  hier  vernachlässigte  ich  die  schwächsten  Linien 
mit  den  Intensitäten  1  und  2,  was  aber  diese  Untersuchung 
recht  unsicher  macht;  denn  immerhin  können  mehrere  sich 
deckende  Linien,  auch  wenn  sie  einzeln  sehr  schwach  sind,  im 
Sonnenspektrum  einen  namhaften  Betrag  der  Intensität  aus- 
machen.) In  der  Tabelle  sind  alle  diese  Linien,  die  wider  Er- 
warten im  Sonnenspektrum  merkbar  auftreten,  durch  eine  (  ) 
kenntlich  gemacht,  z.  B.  (Gd).  Eine  zweite  Anomalie  war  es, 
wenn  bei  einem  Element,  dessen  Vorhandensein  auf  der  Sonne 
durch  eine  große  Reihe  von  Koinzidenzen  erwiesen  war, 
stärkere  Linien  im  Sonnenspektrum  nicht  zu  finden  waren. 
Meist  erklärte  sich  dieses  Fehlen  aus  der  Nachbarschaft  einer 
verbreiterten  oder  starken  Linie,  die  die  immerhin  schwachen 
Linien  des  seltenen  Elementes  überdeckte. 

Es  gelang  mir  bei  allen  eingangs  erwähnten  seltenen 
Erden,  den  Nachweis  für  ihr  Vorkommen  auf  der  Sonne  zu 
erbringen.  Am  häufigsten  —  mit  den  relativ  stärksten  und 
meisten  Linien  —  kommen  vor:  Y,  Sc,  La,  Nd,  Ce.  Die  übrigen 
Erden  treten  auch  auf  der  Sonne  nur  spärlich  auf.  Tb  fehlt  nach 
der  Ansicht  Eberhard's^  im  Sonnenspektrum,  dagegen  fand 
ich  die  stärkeren  Terbiumlinien,  wenn  auch  schwach,  in  den 
Rowland'schen  Tafeln.  Auch  für  die  Dysprosiumlinien  und  die 
paar  Neoholmiumlinien,  die  Eberhard  anführt,  fand  ich 
Koinzidenzen  bei  Rowland.  Doch  ist  den  Angaben  über  die 
beiden  letztgenannten  Erden  höchstens  der  vorläufige  Wert 
beizumessen,  den  ihnen  Eberhard  beilegt.  Beim  Vergleich  der 
genannten  Messungen  Eberhard's  mit  denen  von  Exner- 
Haschek,  das  »Holmium«  von  A.  Langlet  betreffend,  zeigte 
es  sich,  daß  das  von  letzteren  untersuchte  Präparat  haupt- 
sächlich Dysprosium  und  Neoholmium  enthielt,  in  geringerer 
Menge  Terbium.  Eine  Reihe  von  stärkeren  » Holmium  «linien 
ließ  sich  übrigens  mit  keiner  der  bis  nun  bekannten  Linien 


1  G.  Eberhard,  Spektroskopische  Untersuchung  der  Terbiumpräparate 
von  Dr.  G.  Urbain,  Sitzungsber.  d.  k.  preufi.  Akad.  d.  Wiss.,  XVIII  (1906). 


274 


G.  Hofbauer, 


des  Tb,  Dy  und  Ho  identifizieren;  solche  Fälle,  in  denen 
unbekannte  Linien  aus  dem  Exner-Haschek'schen  »Holmium«- 
Spektrum  mit  Linien  im  Sonnenspektrum  gut  übereinstimmten, 
sind  hier  aufgezählt. 


Rwl. 


Rwl. 


3156 
62 
70 

3388 

3447 
74 
94 
04 

3506 
46 
63 
78 
80 
95 

3620 
29 
40 
48 

3708 


•565 
•916 
•117 
•994 
•089 
•410 
•654 
•871 
•980 
•974 
•855 
•138 
•227 
•161 
•295 
•492 
•403 
•898 
•327 


Fe?i 


1 

0 
0000 

00 

0 
0000 

0 
000 

0 

000 

0000 

0000 

00 
0000 
0000 
000  JV 
0000 
0000 
000 


3753 
53 
92 

3810 
41 
48 
53 
89 

3957 
91 

4014 

4103 
03 
63 
86 

4201 
11 
56 

4612 


667 
893 
041 
854 
486 
840 
184 
077 
939 
459 
827 
470 
967 
144 
955 
486 
350 
469 
446 


C? 


000 

00 
000  AT 

000 

00 

00 

00 
0 

00 
00  .V 

00 

0 

00  A'' 

000 

0000 

0 

OAT 

00 

000 


1  Keine  Fe-Linie. 


Die  Anordnung  obiger  Tafel  ist  ganz  analog  der  folgenden 
Haupttabelle.  Diese  schließt  sich  möglichst  an  die  Wellenlängen- 
tabellen des  Sonnenspektrums  von  Rowl and  an.  Es  befindet 
sich  unter 

X  die  Wellenlänge,  die  Rowl  and  im  Sonnenspektrum  mifit; 
Hfb.  meine  Identifikation  der  Linie  mit  den  seltenen  Erden; 
i  Intensität  und  Charakter  einer  Linie; 
Rwl.  die  Identifikation,  die  von  Rowl  and  herrührt. 


Vorkommen  selteiier  Erden  auf  der  Sonne.  275 

Femer  sind  von  Röwland*schen  Bezeichnungen  zu  nennen : 

Ein  Beistrich  zwischen  zwei  Symbolen  (z.  B.  Gr,  Nd) 
bedeutet  voilkommene  Koinzidenz; 

Ein  Bindestrich  (z.-B.  Cr-Nd)  bezeichnet  unvollkommene 
Koinzidenz,  so  zwar,  daß  dem  violetten  Rand  der  Absorptions- 
linie Cr,  dem  roten  Rand  Nd  entspricht.  Dementsprechend 
heißt  z.  B.  Fe-  oder  -Ni,  daß|  auf  den  violetten  Linienteil  Fe 
(respektive  auf  den  roten  Teil  Ni)  entfällt,  während'  der  restliche 
Teil  nicht  identißziert  ist  Schließlich  wird  ein  Fall  wie  beispiels- 
weise Ce,-  heißen,  daß  nach  der  zu  großen  Intensitätszahl  zu 
urteilen  noch  eine  oder  mehrere  Linien  genau  an  derselben 
Stelle  wie  Ce  liegen  dürften. 

Zur  Charakterisierung  der  Linien  dienen  die  Abkürzungen: 

N  =z  eine  unscharfe  Linie,  die  ^vielleicht  zusammengesetzt  ist, 

ohne  sich  aber  auflösen  zu  lassen. 
d?  {trT)  -=.  eine  unsicher  als   doppelt   (dreifach)   ierscheinendp 

Linie. 
d  (jtr)  •=.  eine  gewiß  doppelte  (dreifache)  Linie. 

Als  Intensitätsskala  bedient  sich  Rpwland;  einer  Reihe 
aufsteigend  von  0000,  000,  00,  0,  1  bis  1000,  wobei  die  mit 
Nullen  versehenen  Linien  solche  bezeichnen,  die'  nur  schwer 
und  unter  günstigen  Verhältnissen  zu  sehen  sind. 

An'  alle*  diese  Bezeichnun^sweisen  habe  ich  i  mich  in  der 
Haupttabelle  gehalten.  Eingetragen  sind  womöglich  nur  sichere 
Koinzidenzen;  waren  in:  manchen  Fällen  die  Identifikationen 
Rowland's  falsch,  so  ist  dies  durch  ein  beigefügtes  ^  kenntlich 
gemacht  Fehlt  in  der  Kolumne  »Rwl.«  dieses  Zeichen  ♦,  während 
sich  unter  >Hfb.«  ein  Strich  befindet,  so  heißt  dies,  daß  den 
richtigen  Identifikationen  :  R  o  w  1  a  n  d's  nichts  hinzu- 
zufügen  war.        ;        ; 

Einige  Bemerkungen  zur  Tabelle  befinden  sich  am 
Schlüsse. 


276 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

1 

Rwl. 

.      2977-021 

Pr,- 

00  Nd} 

^^ 

88-333 

Th,- 

OOON 

— 

99- 136 

Gd 

0000 

— 

3005-852 

Yb.- 

2d 

-,  Co  ? 

10-277 

Gd 

0 

— 

17-691 

Yb,- 

INd} 

Co,  Cr 

19*426 

Sc,-i 

.1 

^"^** 

27-717 

Gd 

0 

•^ 

29-661 

Yb 

000 

—. 

32-971 

Gd 

0000 

*. 

34-166 

Gd,  (Th) 

00 

— 

53-031 

Sc 

00 

— 

55051 

Eu,- 

0 

Zr 

58-072 

Yb 

00 

— 

63-152 

Cc,  (Th) 

0000 

— 

70-145 

Tb 

0 

— 

70-902 

Er,(Th) 

0 

— 

77-747 

Yb- 

1 

— 

78-932 

Th 

000 

^ 

79-022 

Tb 

00 

— 

82  - 142 

Gd« 

1 

Mn?* 

93-229 

Va.  Er 

2N 

— 

93-989 

Yb,Ta 

1 

— 

98-070 

Th 

000 

— 

3100-629 

Gd 

000 

— 

02-079 

Dy 

00  JV 

— 

04-676 

La,- 

2N 

— 

08-369 

Th 

00  N 

■ — 

09-909 

Dy 

0000 

—  . 

11-530 

Eu 

0000 

— 

17-998 

Gd« 

2 

— 

22 • 774 

Er 

00 

— 

31-350 

-,  Tm 

0 

Cr,- 

39-781 

Tb,- 

1 



Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


277 


X 

Hfb. 

• 

1 

Rwl. 

3141-053 

Yb 

00 

^_ 

41-221 

Dy 

00 

— 

45-641 

Gd2 

0 

— 

53-985 

Yb 

0000 

— 

68-392 

Pr 

0000 

— 

69-187 

Yb 

000 

:  Co? 

71-776 

La,  (Fe) 

1 

Fe? 

72-963 

Tm 

000 

— 

75-821 

(Th) 

0000 

— 

85-333 

(Er) 

'  OOOON 

.    — 

88-310 

Thi 

0000 

■    — 

93-029 

Yb.- 

IN 

Fe? 

94-961  . 

Cc« 

0 

— 

95-705 

2 

Y-Ni 

98-213 

Cr,  Yb 

000 

Cr? 

3200-407 

— 

2Nd} 

Y,- 

01-239 

Yb 

0000 

Fe?* 

01-834 

Ce,- 

000  iV 

— 

03-435 

— 

1 

Y 

15-292 

Dy,- 

1 

— 

16-659 

Th 

0 

—  . 

16-807 

•^BM» 

1 

Y 

20-079 

Tb 

0000  JV 

— 

23-479 

(Er) 

00 

— 

27-292 

:(Er) 

0000 

^^^ 

30-708 

:    Er 

00 

— 

32-193 

Tb,  (Er) 

0000 

— 

38-205 

S(Th) 

0 

Cr 

40-381 

,<ßT) 

0000 iV 

1 

40-616 

(Er) 

0000. 

-^  .- 

42-395 

— 

1 

Y 

45-257 

La 

00  JV 

— 

45-907 

CTh) 

0000 

— 

49-497 

La,- 

1 

2 

Ti 

Vorkommen  seltaner  Erden  auf  der  Sonne. 


279 


X 

Hfb. 

• 

i 

Rwl. 

3351 

379 

Th 

0000 

-~ 

53 

•875 

— 

4 

Sc,- 

57 

816 

(Pr) 

0000 

— 

58 

•771, 

Gd 

00 

— 

59 

-823 

Sc 

o 

— 

61- 

421 

Sc 

2 

— 

62 

087 

Sc 

2 

n* 

62 

402 

Gd 

2d} 

— 

62- 

782 

Tm, - 

1 

— 

64- 

232 

Er 

0000 

— 

67- 

687 

(Pr) 

0 

— 

67- 

953 

(Th) 

000 

— 

69- 

083 

Sc 

3d7 

— 

72- 

314 

Sc« 

0 

— 

72- 
72- 

901 
994 

1     rf?Er,- 

10 

Ti-^d 

75- 

601 

Yb 

0000 

— 

76- 

471 

La, -2 

2 

La 

8P 

026 

— 

SNd} 

Ni,  U 

85- 

167 

Dy 

0 

Y 

85- 

215 

Er 

000 

— 

89- 

747 

(Th) 

0000  JV 

— 

90- 

919 

(Eu) 

00 

— 

92' 

153 

Th,  Er,  (Tm),  (Fe) 

1 

Fe 

96- 

742 

Eu 

000 

— 

97- 

197 

Yb 

0000 

— 

99 

059 

Ho 

0 

— 

3400 

153 

(Gd) 

0000 -Y 

— 

Ol 

992 

Er 

000 

— 

02 

'208 

Gd 

000 

— 

08 

•811 

Sa,- 

000  N 

-T- 

13 

'935 

Dy,Tb 

0000 



16 

•541 

Ho 

0000 



16 

• 

•914 

(Eu) 

00 

■ 

1 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  11  a. 


19 


tencr  Erden  auf  der  Sonne. 


283 


«i'jfj 


0000 
3 

0000 

1 

1 

0000 

0000 

0000 

IN 

2 

0000 JV 

000  AT 

2 
000 

2 

4 
0000 
0000 

4 
0000 

0 

2 
0000 

00 

2 

)OJV 

'Oj\r 


Y 


Y 

Ti 


Y,  Mg? 

Ti 
-,  Sc 


Fe 


Fe 


Y? 


Y,  Mg? 
U 


282 


G.  Hofbautr, 


X 

Hfb. 

* 

:  Rwl. 

3542* 

9M> 

Gd 

0000  JV 

m^ 

43 

143 

(Er) 

0000 

— 

45' 

971 

Gd,  -,  (Fe?) 

3 

Fe,  C 

49' 

151 

Y 

2 

Y? 

49' 

513 

Gd 

0 

C 

51' 

•800 

Dy  • 

1 

— 

54 

-593 

Yb,- 

2 

— 

57 

-204 

Gd 

0000 

— 

57 

-370 

La 

000 

— 

58' 

672 

Sc,^ 

8 

Fe 

61 

796 

Tb 

0000 

— 

63 

-298 

Dy 

000  j\r 

— 

67' 

-881 

Sc  8 

2 

— ' 

68' 

451 

Sa 

0000 

— 

70 

736 

Yb 

0000 

— 

72 

-712 

— 

6 

Sc,- 

74 

•297 

Dy 

0000 

— 

74 

559 

La,- 

1 

La 

76 

•393 

Dy 

0000 

— 

76 

527 

-Sc 

3 

-.Sc? 

77' 

099 

Dy 

0000 

— 

77' 

-605 

Ce,- 

1 

— 

80- 

682 

Er,- 

IN 

— 

81 

-067 

-Sc 

5 

— 

82 

-081 

Gd,- 

1 

— 

84' 

660 

— 

2 

Y 

85 

-105 

-  Gd 

6 

Fe 

85 

214 

Dy,  Tb 

000 

— 

90' 

609 

Gd,  Rh?  9 

2 

— 

90 

651 

Sc 

2 

— 

92 

745 

Sa,  Nd 

0000 

— 

92 

-819 

Gd,  (Fe) 

3 

Fe 

93 

-049 

— 

0 

Y 

98 

-167 

Nd 

0000 

— 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


283 


X 

Hfb. 

■ 

i 

Rwl. 

3600 

•513 

Tb,  Dy 

0000 

.» 

00 

•880 

— 

3 

Y 

Ol 

•220 

Th,  U 

0000 

-7 

02 

•060 

^^^^ 

1 

Y 

04 

•419 

Sa,- 

1 

Ti 

04 

•843 

(Er) 

0000 

— 

06 

•272 

Dy,  Tb 

0000 

— 

07 

•264 

(Gd) 

0000 

^ 

08 

•871 

Gd,  Tm 

IN 

^ 

09 

611 

Sa,- 

2 

— 

09 

'853 

(Co) 

0000 i^ 

— 

09 

■907 

Nd 

000  JV 

— 

11 

-189 

— 

2 

Y,  Mg? 

11 

443 

Yb 

000 

— 

13 

■587 

-  Gd 

2 

Ti 

13 

947 

Sc  10 

4 

-,Sc 

14' 

•159 

(Th) 

0000 

— 

15- 

949 

Nd  • 

0000 

-^ 

16 

■710 

-Er 

4 

Fe 

17 

•315 

Gd 

0000 

— 

19- 

061 

Er,  (Nd) 

0 

— 

19 

915 

-  Yb 

2 

Fe 

20 

■578 

Gd 

0000 

— . 

21 

•110 

Y 

00 

Y? 

21 

-340 

Sa,  Nd 

2 

— 

22 

•694 

(Eu) 

0000  JV^ 

— 

25 

.766 

Th 

0000  iV 

— 

28 

•847 

— 

2 

Y,Mg? 

28 

•967 

— 

2 

La 

29 

•652 

(Gd) 

0000  AT 

— 

30 

•374 

Dy,  Tb 

0 

— 

\ 

30 
30 

•876 
•918 

}       ''"       { 

4 
3 

~~" 

33 

1 

•277 

— 

2 

Y 

i 

« 

274 


G.  Hofbauer, 


des  Tb,  Dy  und  Ho  identifizieren;  solche  Fälle,  in  denen 
unbekannte  Linien  aus  dem  Exner-Haschek'schen  »Holmium«- 
spektrum  mit  Linien  im  Sonnenspektrum  gut  übereinstimmten, 
sind  hier  aufgezählt. 


3156-565 
62-916 
70-117 

3388-994 

3447-089 
74-410 
94-654 
94-871 

3506-980 
46 -  974 
63-855 
78-138 
80-227 
95-161 

3620-295 
29-492 
40-403 
48-898 

3708-327 


1  Keine  Fe-Linie. 


Rwl. 


Fe?i 


1 

0 
0000 

00 

0 
0000 

0 
000 

0 

000 

0000 

0000 

00 
0000 
0000 
000  JV 
0000 
0000 
000 


3753 
53 
92 

3810 
41 
48 
53 
89 

3957 
91 

4014 

4103 
03 
63 
86 

4201 
11 
56 

4612 


-667 
-893 
-041 
-854 
-486 
-840 
-184 
-077 
-939 
-459 
-827 
-470 
•967 
-144 
-955 
•486 
•350 
-469 
-446 


Rwl. 


C? 


000 
00 

000  jsr 

000 

00 

00 

00 

0 

00 
00  JV 

00 

0 

ooj\r 

000 
0000 

0 
OJV 

00 
000 


Die  Anordnung  obiger  Tafel  ist  ganz  analog  der  folgenden 
Haupttabelle.  Diese  schließt  sich  möglichst  an  die  Wellenlängen- 
tabellen des  Sonnenspektrums  von  Rowl and  an.  Es  befindet 
sich  unter 

X  die  Wellenlänge,  die  Rowland  im  Sonnenspektrum  mißt; 
Hfb.  meine  Identifikation  der  Linie  mit  den  seltenen  Erden; 
i  Intensität  und  Charakter  einer  Linie; 
Rwl.  die  Identifikation,  die  von  Rowland  herrührt. 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne.  275 

Femer  sind  von  Rowland*schen  Bezeichnungen  zu  nennen: 

Ein  Beistrich  zwischen  zwei  Symbolen  (z.  B.  Gr,  Nd) 
bedeutet  vollkommene  Koinzidenz; 

Ein  Bindestrich  (z-B.  Cr-Nd)  bezeichnet  unvollkommene 
Koinzidenz,  so  zwar,  dafi  dem  violetten  Rand  der  Absorptions- 
linie Cr,  dem  roten  Rand  Nd  entspricht.  Dementsprechend 
heißt  z,  B.  Fe-  oder  -Ni,  daß;  auf  den  violetten  Linienteil  Fe 
(respektive  auf  den  roten  Teil  Ni)  entfällt,  während  der  restliche 
Teil  nicht  identifiziert  ist  Schließlich  wird  ein  Fall  wie  beispiels- 
weise Ce,-  heißen,  daß  nach  der  zu  großen  Intensitätszahl  zu 
urteilen  noch  eine  oder  mehrere  Linien  genau  an  derselben 
Stelle  wie  Ce  liegen  dürften. 

Zur  Charakterisierung'  der  Linien  dienen  die  Abkürzungen: 

N  =  eine  unscharfe  Linie,  die  |vielleicht  zusammengesetzt  ist, 

ohne  sich  abei*  auflösen  zu  lassen. 
d?  (trT)  =  eine  unsicher  als   doppelt   (dreifach)   'erscheinende 

Linie. 
d  (ir)  =  eine  gewiß  doppelte  (dreifache)  Linie. 

Als  Intensitätsskala  bedient  sich  Rpwland'  einer  Reihe 
aufsteigend  von  0000,  000,  00,  0,  1  bis  1000,  wobei  die  mit 
Nullen  versehenen  Linien  solche  bezeichnen,  die'  nur  schwer 
und  unter  günstigen  Verhältnissen  zu  sehen  sind. 

An-  alle'  diese  Bezeichnun^sweisen  habe  ich  ■  mich  in  der 
Haupttabelle  gehalten.  Eingetragen  sin4  womöglich  nur  sichere 
Koinzidenzen;  waren  in.  manchen  Fällen  die  Identifikationen 

» 

Rowland's  falsch,  so  ist  dies  durch  ein  beigefügtes  *  kenntlich 
gemacht.  Fehlt  in  der  Kolumne  »Rwl.«  dieses  Zeichen*,  während 
sich  unter  »Hfb.«  ein  Strich  befindet,  so  heißt  dies,  daß  den 
richtigen  Identifikationen  !  Rowland's  nichts  hinzu- 
zufügen war.        ; 

Einige  Bemerkungen  zur  Tabelle  befinden  sich  am 
Schlüsse. 


274 


G.  Hofbftuer, 


des  Tb,  Dy  und  Ho  identifizieren;  solche  Fälle,  in  denen 
unbekannte  Linien  aus  dem  Exner-Haschek'schen  »Holmium«- 
Spektrum  mit  Linien  im  Sonnenspektrum  gut  übereinstimmten, 
sind  hier  aufgezählt. 


3156 
62 
70 

3388 

3447 
74 
94 
94 

3506 
46 
63 
78 
80 
95 

3620 
29 
40 
48 

3708 


565 
916 
117 
994 
089 
410 
654 
871 
980 
974 
855 
138 
227 
161 
295 
492 
403 
898 
327 


Rwl. 


Fe?i 


1 

0 
0000 

00 

0 
0000 

0 
000 

0 

000 

0000 

0000 

00 
0000 
0000 
000  iV 
0000 
0000 
000 


3753 
53 
92 

3810 
41 
48 
53 
89 

3957 
91 

4014 

4103 
03 
63 
86 

4201 
11 
56 

4612 


667 
893 
041 
854 
486 
840 
184 
077 
939 
459 
827 
470 
967 
144 
955 
486 
350 
469 
446 


Rwl. 


C? 


000 

00 
000  AT 

000 

00 

00 

00 
0 

00 
OOiST 

00 

0 

OOJST 

000 

0000 

0 

OJV 

00 

000 


1  Keine  Fe-Linie. 


Die  Anordnung  obiger  Tafel  ist  ganz  analog  der  folgenden 
Haupttabelle.  Diese  schließt  sich  möglichst  an  die  Wellenlängen- 
tabellen des  Sonnenspektrums  von  Rowland  an.  Es  befindet 
sich  unter 

X  die  Wellenlänge,  die  Rowland  im  Sonnenspektrum  mißt; 
Hfb.  meine  Identifikation  der  Linie  mit  den  seltenen  Erden; 
i  Intensität  und  Charakter  einer  Linie; 
Rwl.  die  Identifikation,  die  von  Rowland  herrührt. 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne.  275 

Femer  sind  von  Rowlantfschen  Bezeichnungen  zu  nennen: 

Ein  Beistrich  zwischen  zwei  Symbolen  (z.  B.  Cr,  Nd) 
bedeutet  voilkommene  Koinzidenz. 

Ein  Bindestrich  (z,.B.  Cr-Nd)  bezeichnet  unvollkommene 
Koinzidenz^  so  zwar,  dafi  dem  violetten  Rand  der  Absorptions- 
linie Cr,  dem  roten  Rand  Nd  entspricht  Dementsprechend 
heißt  z,  B.  Fe-  oder  -Ni,  daß^  auf  den  violetten  Linienteil  Fe 
(respektive  auf  den  roten  Teil  Ni)  entfällt,  während'  der  restliche 
Teil  nicht  identifiziert  ist  Schließlich  wird  ein  Fall  wie  beispiels- 
weise Ce,-  heißen,  -  daß  nach  der  zu  großen  Intensitätszahl  zu 
urteilen  noch  eine '  oder  mehrere  Linien  genau  an  derselben 
Stelle  wie  Ce  liegen  dürften. 

Zur  Charakterisierung  der  Linien  dienen  die  Abkürzungen: 

N  z=z  eine  unscharfe  Linie,  die  ;vielleicht  zusammengesetzt  ist, 

ohne  sich  aber  auflösen  zu  lassen, 
rf?  (trf)  =  eine  uniicher  als   doppelt   (dreifach)   (erscheinende 

Linie. 
d  (tr)  =  eine  gewiß  doppelte  (dreifache)  Linie. 

Als  Intensitätsskala  bedient  sich  Rpwland!  einer  Reihe 
aufsteigend  von  0000,  000,  00,  0,  l  bis  1000,  wobei  die  mit 
Nullen  versehenen  Linien  solche  bezeichnen,  die' nur  schwer 

■ 

und  unter  günstigen  Verhältnissen  zu  sehen  sind. 

An'  alle  diese  Bezeichnungsweisen  habe  ich :  mich  in  der 
Haupttabelle  gehalten.  Eingetragen  sind  womöglich  nur  sichere 
Koinzidenzen;  waren  in.  manchen  Falten  die  Identifikationen 
Rowland's  falsch,  so  ist  dies  durch  ein  beigefügtes  *  kenntlich 
gemacht  Fehlt  in  der  Kolumne  »Rwl.«  dieses  Zeichen*,  während 
sich  unter  »Hfb.«  ein  Strich  befindet,  $o  heißt  dies,  daß  den 
richtigen  Identifikationen  .  R o w  1  a n d's  nichts  hinzu- 
zufügen war.        ; 

Einige  Bemerkungen  zur  Tabelle  befinden  sich  am 
Schlüsse. 


282 


G.  Hofbautr, 


3542 

'9Yiy 

43 

•143 

45 

971 

49 

-151 

49 

•513 

51 

•800 

54 

-598 

57 

•204 

57 

•370 

58 

672 

61 

•796 

63 

•298 

67 

-881 

68 

'451 

70" 

736 

72 

-712 

74 

•297 

74 

559 

76 

•393 

76 

-527 

77' 

•099 

77' 

-605 

80' 

682 

81 

•067 

82' 

-081 

84' 

-660 

85' 

-105 

85' 

214 

90' 

609 

90' 

651 

92 

'74& 

92' 

819 

93' 

-049 

98 

167 

Gd 

(Er) 

Gd,  -,  (Fe?) 

Y 

Gd 

Dy     ' 
Yb,- 

Gd 

U 
Sc,  - 

Tb 

Dy 
Sc» 

Sa 

Yb 

Dy 
U, - 

Dy 
-,Sc 

Dy 

Cc,- 

Er,- 

-Sc 

Gd. - 

-,Gd 

Dy,  Tb 

Gd,  Rh? » 

Sc 

Sa,  Nd 

Gd,  (Fe) 

Nd 


0000 JV 
0000 

3 

2 

0 

1 

2 

0000 

000 

8 
0000 

000  j\r 

2 
0000 
0000 

6 
0000 

1 

0000 

3 
0000 

1 

IN 

5 

1 

2 

6 
000 

2 

2 
0000 

3 

0 
0000 


Fe,  C 
Y? 
C 


Fe 


Sc, - 


La 


-Sc? 


Y 

Fe 


Fe 
Y 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


283 


\ 

3600- 

513 

00- 

880 

Ol- 

220 

02- 

080 

04- 

419 

04- 

843 

06- 

272 

07- 

264 

08- 

871 

09- 

611 

09' 

853 

09- 

907 

11 

189 

11 

443 

IS- 

587 

IS 

947 

14- 

-159 

15- 

949 

16- 

710 

17" 

-315 

19- 

061 

19 

915 

20 

578 

21 

-110 

21' 

340 

22- 

694 

25. 

.766 

28 

•847 

28- 

967 

29 

652 

30 

-374 

30 

•876 

30 

•918 

33 

•277 

} 


Tb,  Dy 
Th,  U 

Sa, - 

(Er) 
Dy,Tb 

(Gd) 
Gd,  Tot 

Sa,  - 

(Ce) 

Nd 

Yb 

-,  Gd 

ScJO 

(Th) 

Nd  - 

-Er 

Gd 

Er,  (Nd) 

-,Yb 

Gd 

Y 

Sa,  Nd 

(Eu) 

Th 


(Gd) 
Dy,  Tb 

Seil 


{ 


0000 

3 
0000 

1 

1 

0000 

0000 

0000 

\N 

2 

0000  AT 

000  N 

2 
000 

2 

4 
0000 
0000 

4 
0000 

0 

2 
0000 

00 

2 
0000 J^ 
0000  iST 

2 

2 
0000^ 

0 

4 

3 

2 


Y 
Ti 


Y,  Mg? 

Ti 

-Sc 


Fe 


Fe 


Y? 


Y,  Mg? 
La 


284 


G.  Hofbauer, 


Hfb. 


3633' 

447 

33- 

651 

34« 

417 

35' 

419 

38 

910 

41' 

366 

42 

912 

44 

-089 

45' 

475 

45 

552 

45 

•765 

46 

•074 

46 

-335 

46 

•491 

48 

-461 

50 

•507 

51 

337 

51 

-940 

53 

•023 

53 

•260 

54 

•813 

55 

•990 

59 

003 

62' 

195 

63 

835 

64 

•548 

64 

760 

65' 

325 

66 

676 

68 

634 

69 

-823 

70 

860 

71 

•358 

72 

452 

Tb 
Er,  (Ti) 
Sa,Nd 

Dy 

Sa 

Er 

Dy 
Sc,  Sa 

Gd 
Er 
Gd 

Pr,- 

(Pr) 

Tb,  Er 

Gd 

Er 

Nd 

Gd 

Ce 

Tb 

U 

Th 

(Er) 
Gd, - 

Nd 
Sc,  - 

Y 
Yb,- 

Yb 

Gd 
Dy.  Nd 


Rwl. 


0000  JV 

QONd} 

0000 

000 

0000 

0000  ^^ 

2 

000 

3 

00 
0000 
0000 

1 

0000  JVrf? 

ooj\r 

0000 

00 

4 

0000 

0000 

1 

0000 
0000  AT 

0000 

0000  ^' 

0000  JV 

2 

0000 

1 

00 

1 

00  JV 

000 

0000 


Ti 


Sc 

Sc?, - 

u 


Ti 


-,  Sc 


Fe 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


285 


X 

Hfb. 

• 

t 

Rwl. 

3673 

679 

Nd 

0000 

75 

255 

Yb 

0000  jyr 

— 

75 

092 

Th 

0000 

— 

82- 

807 

(Er) 

ON 

— 

34 

460 

(Er) 

0000 

— 

85 

913 

Nd-Dy 

0000 

— 

87 

899 

Gd 

0000 

— 

88' 

558 

-,Eu 

4 

Ni 

90- 

732 

Yb 

0000 

— 

91- 

315 

Tb 

000  J^ 

.^ 

92 

790 

Er,  (Fe) 

2 

Fe 

94- 

344 

Yb* 

3 

Er?* 

94- 

954 

Dy 

000 

— 

96- 

890 

(Gd) 

000 

— 

97- 

883 

Gd 

000 

-^ 

99- 

877 

Gd 

000 

— 

99 

962 

(Yb) 

1 

— 

3700- 

406 

Tm 

000 

— 

00- 

876 

Er 

000 

— 

00- 

942 

(Th) 

000 

— 

Ol- 

512 

Tm 

000 

— 

Ol- 

749 

Dy 

000 

— 

02- 

962 

Tb 

000  Nd} 

03« 

962 

Tb 

OOONd^ 

— 

OS- 

968 

U 

000  N 

— 

OS- 

834 

(Sa),- 

000 

Ti,  Va 

10- 

094 

-,Ce 

0 

Ti 

10- 

431 

— 

3 

Y 

11- 

254 

(Pr) 

000 

— 

11 

440 

(Th) 

000 

— 

11 

-923 

Tb 

000  AT 

— 

12 

•539 

Er 

000 

— 

12 

•856 

Gd 

000 

— 

13 

'693 

.     La,  (Gd) 

000  AT 

286 


C.  Hofbauer, 


\ 

Hfb. 

t 

Rwl. 

3714' 

350 

Nd 

000  N 

-^ 

14" 

926 

Nd.- 

0 

Zr 

IS- 

615 

U- 

4 

Mn?* 

IS- 

853 

Nd 

0000  iyr 

— 

16' 

517 

Gd,  Ce 

00 

— 

18" 

665 

Nd 

0000 

— 

19' 

545 

(Th) 

0000  AT 

— 

19 

-598 

Gd 

000  jyr 

— 

20- 

•184 

(Th) 

0000 

— 

22 

280 

(Th) 

00 

— 

n 

651 

Nd 

00 

— 

24- 

399 

Yb 

000 

— 

25 

090 

Eu 

ONd} 

— 

28 

•278 

Nd 

00 

— 

28' 

544 

Cc-Sa 

00 

— 

29 

•666 

Er 

00 

— 

^ 

30 

732 

Nd 

00 

— 

. 

32 

356 

(Eu) 

000 

— 

33 

•222 

Gd,  Tm 

000 

— 

35 

-694 

Nd 

000 

— 

36 

•107 

Sa 

0 

— 

1 

36 

-619 

Pr 

00 

— 

38 

•211 

Nd,  Eu 

00 

— 

38 

-281 

Er 

000 

— 

39 

-260 

Fe,  Sa 

2 

Fe 

41 

-339 

Th 

00 

— 

41" 

453 

Sa-Eu 

0 

— 

1 

43 

'626 

Gd2 

2 

— 

47 

-492 

Tb 

00 

1 

47 

•094 

Y,  (Th) 

1 

— 

49 

-884 

Yb 

000 

— 

1 

50 

•448 

(Nd) 

1 

— 

50 

648 

(Er) 

000  iV 

— 

51 

•136 

(Pr) 

000 

— 

Vorkommen  seltener  Erden  «uf  der  Sonne. 


287 


3752- 

648 

52' 

830 

55" 

421 

57- 

508 

58- 

099 

58 

456 

59' 

096 

59 

215 

60' 

844 

63 

008 

63 

614 

64 

•359 

67 

218 

68 

544 

69 

'792 

70 

•859 

73 

•609 

74 

•473 

76 

635 

76 

-698 

78 

•301 

80 

•564 

81 

•128 

81 

•460 

81 

■764 

82 

•455 

83 

-224 

83 

•954 

84 

•391 

86 

•983 

87 

•713 

88 

•283 

88 

■574 

88 

■839 

Hfb. 


Nd 

Nd 

Tb,  (Sa) 

C,Dy 

(Gd) 

Gd 
Nd,- 

Sa,  Gd 

-  Th 

Nd 

(Gd) 

GdS 

Gd« 

Nd 

Gd, - 

(Yb),- 

Tb 

Y,  (Mn) 

(Sa) 

Nd- 

-Er 

Nd 
-Ce 

Y 
(Gd) 

Nd 

Nd 

Er 

Gd 

(Sa) 

-Dy 


Rwl. 


000 
00 
00 
00 

0 

0 
ON 

l 

00 

00  J^ 
00 

1 

0 

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ON 

00 

3 

0 

1 

0 

00 

000  N  dl 

00 

1 

00 

000 

00 

0 
00 
00 
00 

0 

2 


G? 


La,  C 


C 
Y 

Mn 


C 


C- 
Y 


288 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

• 

s 

Rwl. 

3790 

•972 

^_ 

1 

U-C 

91 

332 

Gd 

000 

C 

91- 

885 

(Yb) 

1 

— 

94 

•107 

Sa 

0000 

— 

94 

•555 

(Yb) 

0 

c 

94 

-909 

— 

1 

La 

95 

880 

Tm,  (Er) 

00 

C 

96 

531 

Gd 

0 

— 

99 

-159 

Ea 

000 

— 

3800 

•457 

Pr 

OJV 

C?* 

Ol- 

679 

Ce- 

ONd} 

-c 

03 

-618 

Va,Nd 

0 

Va> 

06 

511 

C,Dy 

0 

— 

08 

223 

-,  Ce 

0 

Co 

12' 

205 

s»,- 

0 

C 

14 

154 

Gd 

0 

— 

16 

252 

C,  Pr 

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c? 

16 

779 

Gd,- 

oojsr 

c 

18 

-487 

Y 

1 

^ 

18 

-891 

C,  (Gd) 

000 

c? 

19 

•829 

-Eui8 

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c- 

30 

627 

Er 

0 

i^ 

30" 

801 

Pr 

0 

c 

31 

-657 

Sa 

000 

— 

33 

026 

Y.- 

^N 

-  Nl 

37 

-059 

GdS 

1 

— 

38 

345 

Tm, - 

1 JV 

i— 

38' 

675 

Ce,-« 

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— 

39 

135 

Sa?,  Nd 

0 

— 

40 

893 

La,- 

\N 

Va 

42' 

082 

-,  Nd,  (Th) 

0 

C 

42 

354 

Gd- 

Od} 

-C? 

42 

•500 

Pr 

000 

— 

44 

•714 

GdS 

0 

— 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


289 


X 

Hfb. 

1 

Rwl. 

3848-186 

Tm 

00 

48-667 

Nd 

00 

— 

49-140 

— 

Zdl 

u-c 

51-733 

Pr 

00 

c 

51-895 

Nd 

00 

— 

54*343 

Sa,  Ca 

0 

— 

55-088 

U 

00 

c 

62-627 

-Nd 

2 

Cr?- 

62-962 

Tm,- 

0 

— 

63-533 

Nd,- 

SN 

c 

69-179 

Nd,- 

0 

c 

71-785 

La 

00 

-r- 

72-312 

Dy 

0 

c* 

74-258 

Tb,  Dy 

00 

c* 

75-920 

-Nd 

2 

c- 

77-337 

Pr 

IN 

— 

78-438 

-Y,  CeH 

2 

c- 

79-716 

Nd,- 

1 

c 

80-532 

Nd,- 

2 

c 

85 -  426 

Sa.- 

00 

Co 

86-568 

— 

0 

Ui* 

87-512 

Yb,  Tm 

000  A^ 

— 

88-030 

Nd 

00 

— 

89-498 

Pr,- 

Idl 

Mn 

89-810 

Nd,- 

2 

Ni 

90  068 

— 

1 

Nd,  Cc 

90-222 

Sa 

000 

— 

90-707 

— 

IN 

Nd,- 

91084 

Nd-Ho? 

00 

^^ 

92-873 

Er 

000 

94-768 

Nd 

00 

«^N'^ 

94-850 

Gd 

0 

Mn 

95-224 

— 

1 

Ce« 

95-931 

Gd 

• 

0 

290 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

• 

t 

Rwl. 

3806 

'385 

Mn?,  Er 

00 

Mn 

96 

500 

Er 

00 

— 

96 

917 

— 

ON 

Ce« 

97 

•119 

Sa 

000 

— 

98' 

414 

Cc2 

00 

— 

98' 

645 

Dy,- 

0 

Ti 

99 

•015 

(Pr) 

0000 

— 

3900' 

361 

Nd 

0 

— 

00' 

973 

(Th) 

0 

— 

02 

•002 

— 

3 

Nd- 

02' 

567 

Gd  — IV? 

IN 

-^  ■ 

02' 

•916 

Er 

0 

— 

03' 

398 

Va,  (Eu) 

2 

Va-Cc?* 

03' 

553 

Sa 

000 

— 

05' 

017 

-  Yb 

1 

Mn,- 

06' 

044 

— 

3 

Nd,- 

06' 

438 

Er,. 

2 

Co 

07 

-251 

Eu 

ONd} 

— 

07 

-615 

— 

3d 

Fe -Sc 

07 

910 

— 

1 

Cr,  Nd 

08' 

203 

Pr 

000 

-» 

08' 

546 

Pr 

0 

— 

11 

316 

— 

0 

Nd 

12 

341 

Nd,- 

0 

Va? 

12 

561 

Ce- 

0 

.^ 

12 

-963 



2 

Sc»» 

13 

•030 

Pr 

00 

15 

751 

Dy,- 

3 

— 

16 

207 

— 

0Nd7 

Zr-U 

16 

546 

Tm,- 

3 

— 

16 

661 

-Gd 

00 

Mn 

17' 

400 

Eu,- 

0 

— . 

17 

731 

-Nd 

0 

Cr 

18 

•396 

Ce,- 

0 

Mn 

Voricommen  sdtener  Erden  auf  der  Sonne. 


291 


X 

Hfb. 

• 

1     . 

Rwl.   . 

3919 

035 

Pr-Nd 

0 

19" 

708 

-  Pr 

ONd} 

— 

19" 

956 

Cc,- 

0 

Cr 

21' 

105 

— 

0 

Nd 

21- 

695 

— 

4 

La- 

21 

855 

— 

4 

Ce,  Mn  -  Zr 

22 

043 

Er,- 

0Nd7 

— 

22 

560 

Sa,- 

IN 

Va 

23 

180 

— 

1 

Pt,  Ce 

23 

472 

-,  Gd 

0 

Sc* 

25 

•677 

Pr- 

1 

— 

27 

'269 

Nd- 

0 

-^ 

27 

-585 

Pr,- 

1 

— 

29 

363 

— 

2 

Fe  -  La  -  Mn  -  Co 

30 

654 

Eui» 

0 

— 

30 

804 

Y 

0 

— 

32 

'395 

Er 

oojsr 

— 

33 

523 

Sc- 

SN 

— 

35 

358 

Tb 

OONdl 

— 

38 

439 

(Pr),  - 

2 

-Cr 

38 

772 

Er,  (Yb) 

0 

— 

39 

007 

Nd 

0 

— . 

39 

659 

Tb 

00 

'           ^ 

40 

-499 

Ce,^ 

ONd} 

— 

41- 

637 

— 

3 

Cr,  Nd 

41 

'997 

Sa- 

1 

-Mn 

42 

296 

Ce,- 

1 

Ce? 

42 

"747 

Nd 

000 

— 

42 

886 

— 

0 

Co-Ce 

43* 

322 

Sa,- 

2 

—  . 

44 

058 

Ce 

0 

44 

884 

Dy 

2 

Fe?* 

45 

■633 

(Gd) 

00 

Cr? 

49 

-199 

— 

1 

U 

292 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb.  - 

• 

Rwl. 

3949' 

544 

Pr 

00 

.— 

50' 

497 

— 

2 

Y 

51' 

219 

— 

1 

Cr,  Nd 

51' 

765 

— 

ONd} 

Y 

52' 

342 

— 

0 

Nd 

52' 

754 

— 

4 

C«-Fe 

52' 

894 

— 

0 

Mn,  Nd?* 

53 

043 

Nd?— 15 

3 

— 

53' 

641 

Pr,  Nd 

000 

— 

56- 

476 

— 

4 

Ce,  Co  -  Ti 

57 

621 

Nd 

00^ 

— 

58 

'231 

Tm 

00 

-^ 

58 

•474 

Tb 

000 

— 

59 

•678 

Gd 

00 

— 

61 

•051 

Ce 

00 

— 

62 

-320 

Nd,- 

2 

— 

62 

•534 

Pr 

0 

— 

63 

•108 

Sa- 

00 

— 

63 

-252 

Nd,- 

3 

Fe 

64 

•059 

Nd 

00 

— 

64 

-663 

(Er) 

3 

Ce,  Fe 

65 

•366 

-Pr 

0 

-Co 

66 

■494 

(Er) 

OJV 

— 

70 

-642 

Sa 

ON 

— 

71 

-265 

Pr 

000 

— 

72 

134 

Eui« 

ONd} 

— 

72 

•313 

Pr,- 

2 

Ni 

73 

262 

Er 

1 

— 

73 

418 

Nd 

0 

Fe?* 

73' 

796 

Er,- 

1 

Nd,  Va,  Fe 

74' 

164 

Gd 

000 

— 

74' 

904 

Er,- 

6d} 

Co -Fe 

76 

009 

— 

2 

Nd-Fe 

76' 

416 

Sa 

00 

— 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


293 


\ 

Hfb. 

• 

t 

Rwl. 

3978 

715 

Dy 

00 

78- 

809 



3 

Co  -  Cr,  Cc 

79- 

344 

Sa 

00 

— 

79 

466 

(Gd) 

00 

— 

79" 

664 



4 

Nd-Co 

80" 

289 

(Er) 

00 

— 

81« 

024 

Cc 

00 

— 

81- 

122 

Nd8 

1 

Cc* 

81- 

376 

-,  Nd 

1 

Cr 

82- 

142 

Tb,  Dy 

2 

Fe?* 

82 

•470 

Nd,  (Er) 

00  JV 

— 

82 

742 

— 

3 

Mn-Y 

83 

053 

-.  (Ce) 

00 

Mn 

83 

811 

Dy 

00 

— 

84' 

806 

— 

2 

Ce-Zr 

86 

321 

— 

3 

Fe-Nd 

88 

114 

Yb»«-(Th) 

0 

Er?* 

38 

617 

)                r 

0 

] 

88 

659 

- 

0 

^ 

88- 

705 

)                l 

0 

1 

89 

592 

Ce- 

OON 

— 

90 

-129 

-Sa 

1 

Mn-Cr 

90 

248 

Nd 

0 

— 

91 

095 

Yb- 

OONd} 

— 

91 

892 

Nd 

0 

— 

92' 

041 

(Pr) 

00 

— 

92 

-538 

— 

1 

Fe,  Cc 

93 

-451 

Sa 

00  JV^ 

— 

93 

-978 

Cc 

00 

— 

94 

-828 

Ti,  Nd 

2 

Nd? 

94 

-958 

Pr 

00 

Ti* 

95 

'899 

— 

liV^? 

La 

96 

•498 

Gd 

00 

— 

96 

•682 

Tm 

00 

Sc* 

204 


C.  Hofbauer, 


\ 

Hfb. 

• 

f 

Rwl. 

3996 

752 

Sc 

00 

— 

96 

•845 

Dy 

00 

^- 

97 

'895 

Gd- 

00  .V 

* 

98 

053 

Nd,- 

4d? 

Co 

99 

•295 

Pr,  (Er) 

000 

— 

99 

393 

Ce 

0 

— 

4000 

•296 

Pr 

ÖOO 

— 

00 

611 

Dy,- 

2 

Fe 

00 

•729 

Nd 

00 

— 

Ol- 

387 

-,Gd 

000 

Msi 

02 

•652 

Tb- 

0^ 

Fe*-  Ti 

03 

'489 

Th 

000 

— 

03 

912 

— 

3 

Cc-F«-Ti 

04 

•168 

Nd 

0 

— 

04 

-412 

Nd 

000 

— 

04 

855 

Pr 

000 

»     _ 

05 

•067 

GdS 

l 

— 

05 

•632 

Tb 

1 

Fe* 

05 

•802 

C« 

000^ 

— 

07 

•586 

Nd 

00 

— 

08 

•075 

Co  -  Tm,  (Er) 

ON 

Co-? 

08' 

322 

Er 

0 

— 

08 

882 

Pr 

00 

— 

09' 

022 

Gd» 

2 

— 

09 

'291 

Er  3 

1 

— 

10 

735 

Pr» 

3 

— 

11 

451 

Dy 

00 

— 

12 

399 

— 

1 

Nd,  Zr 

12 

541 

— 

4 

Ti,  Ce 

12 

757 

Er 

OONdl 

— 

12 

858 

Nd 

00 

— 

13 

964 

(Gd).  - 

5 

Fell 

14 

677 

Sc.- 

5^? 

Fe 

15 

086 

Ce.- 

OJ^^? 

Ce 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


295 


X 

Hfb. 

• 

t 

Rwl. 

4015' 

532 

La,  Pr 

0 

..• 

15 

•760 

Er« 

3 

— 

16' 

835 

(Eu) 

00 

T- 

17' 

724 

-,  Eu 

1 

Ni? 

18 

996 

Nd 

00 

— 

1& 

201 

1 

Ni  -  Ce  3J 

19 

287 

Th 

00 

— 

20' 

547 

— 

1 

Sc 

20' 

639 

Er,  Tb,  (Tm) 

1 

Fe* 

21 

057 

— 

3 

Nd-Co 

21 

493 

0 

Nd 

21 

893 

— 

0 

Nd 

23 

-165 

— 

0 

Nd 

23 

379 

Sa 

00  N 

— 

23 

■705 

— 

000 

U 

23 

834 

— 

2 

Sc 

24 

593 

Ce,  Dy 

00 

— 

25 

972 

— 

2 

Co -La 

27 

'939 

Dy 

00 

— 

28 

272 

(Gd) 

000 

-T- 

28 

•497 

— 

4 

Ti-Ce 

30 

646 

— 

5 

Nd-Fe-Ti 

31 

•048 

(Gd)3 

2 

Fe?* 

31 

492 

Ce 

0 

— 

31 

865 

— 

2 

La,- 

31 

942 

Pr,- 

2 

Fe?,  Nd,  Mn,  Va 

35 

265 

Sa 

00  JV 

^^^ 

36 

717 

(Th),  La 

00 

— 

37 

449 

Gd 

00 

Cr 

37 

837 

— 

1 

Ce,-82 

38 

•094 

Gd 

00  JV^? 

— 

1         38' 

627 

Pr 

OONdl 

— 

j         40- 

013 

— 

00 

Y 

40 

937 

Pr,- 

lä? 

Ce,  Nd,  Co 

1 

Sitzb.  d.  mathem.-oaturw.  KI.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa. 


20 


296 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

• 

t 

Rwl. 

4041 

•803 

-Sa 

1 

Zr- 

42 

•137 

Dy 

000 

— 

42 

■743 

Cr,  Ce 

0 

Cr,  Nd  ♦ 

43 

054 

-Sa 

0 

U 

43 

145 

Er 

000 

— 

44' 

992 

Pr 

000 

""**    • 

45 

-108 

Sa 

000 

— 

45 

371 

— 

lAT 

Ce,  Mn 

45 

662 

Ho 

0 

— 

46- 

•117 

Dy 

IN 

— 

46' 

490 

Ce 

OON 

— 

46 

•764 

Pr 

000 

— 

47' 

461 

Ce?  — 

2 

CeW-Fe 

47' 

823 

— 

OAT 

Y 

47' 

958 

Sc 

OiV 

— 

48' 

910 

-Nd 

5 

Mn-Cr 

49" 

590 

Gd,  Er 

00 

— 

50' 

019 

Gd 

00 

— 

50' 

254 

— 

000 

La 

50 

716 

Dy 

00 

Zri8 

51' 

336 

Nd,  Fr 

OONd} 

— 

52 

176 

(Ce) 

0 

— 

52 

•454 

-  Yb 

2 

Fe 

52 

992 

Tb 

000 

— 

53 

424 

-,  Gd 

2 

Fe 

53« 

639 

Ce 

00 

— 

53- 

839 

Gd 

00 

— 

54- 

085 

Ho 

000 

— 

54- 

714 

00  JV 

Sc 

54- 

863 

(Gd) 

0 

— 

55- 

023 

-,  Pr 

3 

Fe 

55' 

189 



3 

Ce-Ti-Fe,  Zr 

56' 

708 

Pr,  Sc 

00 

— 

57' 

955 

Nd 

000  JV 

Vorkommen  seltener  Erden  «uf  der  Sonne. 


297 


X 

Hfb. 

1 

Rwl. 

4060*117 

Nd 

00 

._ 

61-244 

— 

3 

Nd- 

61-450 

(Gd) 

000  A' 

— 

62-385 

Ce,  Pr 

00 

— 

62-789 

Gd 

0 

Cu? 

63-895 

Pr 

00 

— 

63-105 

Ce 

00 

— 

63-573 

Gd 

0 

Msk* 

64-728 

SÄ,Ta 

00 

— 

64-913 

— 

000 

U 

66-870 

Sa 

0 

— 

67 • 558 

000 

u 

68-488 

Sa 

000 

— 

68-999 

(Pr),  Ce 

00 

— 

69-423 

Th,- 

0 

Nd 

70-431 

(Pr),  -  Gd 

3 

Mn 

73-052 

— 

OONd} 

CeM 

73  •  287 

Dy 

0 

— 

73-921 

Gd,- 

4 

Ce,  Fe 

75-257 

— 

2JV 

-Nd 

75-468 

— 

ONä} 

Nd 

75-857 

— 

0 

Ce« 

76-995 

So,- 

00 

Ce 

77-498 

— 

INdl 

La,  Y 

77-731 

Nd 

OK 

— 

78-126 

Dy 

0 

— 

78-631 

Gd- 

3 

Ti 

78-801 

-Gd 

OOOKd} 

— 

79-977 

Pr 

0 

Fe* 

80-368 

— 

3 

Fe,  Nd,  Cr 

81*190 

Pr 

00 

— 

81-385 

— 

0 

Zr,  Ce 

81-415 

Er-Zr 

1 

— 

82*060 

Pr 

000  AT^? 

— 

20* 


298 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

• 

1 

Rwl. 

4082' 

'589 

3 

Sc-Fe-Ti 

82 

749 

Sa,- 

0 

Co. 

83 

376 

— 

0 

Mn,  Ce 

83 

515 

Pr 

000 

— 

83' 

783 

— 

4 

Mn,  Y 

85 

•161 

-Th 

4 

Fe 

85 

'408 

— 

1 

-  Ce 

85 

727 

Gd 

00 

— 

85 

008 

Nd 

OON 

— 

86 

-861 

— 

1 

La 

87' 

755 

Er,  Tm 

00 

— 

87' 

'855 

Gd 

000 

— 

89 

748 

La 

000  JV 

— 

94 

220 

Sa 

000 

— 

96' 

262 

— 

2 

Fe,  Nd 

97 

•976 

Pr 

000 

— 

98 

335 

-,Nd 

5 

Fe 

98 

'587 

Pr 

000 

— 

98 

'746 

Gd 

2 

-,  Co? 

99 

054 

Gd 

000 

— 

99' 

•727 

— 

000 

U 

4100 

'731 

Er 

000 

— 

00 

'901 

Pr,- 

4 

Fei» 

Ol' 

067 

(Th) 

0 

— 

02 

'541 

— 

0 

Y 

05 

019 

Cr?,  La 

000 

Cr 

05 

981 

Tm 

000 

— 

06- 

738 

Nd 

00 

— 

07' 

099 

Ce,  Eu 

0 

— 

07' 

'449 

Sa 

00 

— 

07 

'649 

— 

5 

Ce-Fe 

08 

041 

(Eu) 

00 

— 

08 

'547 

-Th 

00 

Zr 

09 

'215 

Nd2 

3 

Fe* 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


299 


4109 

•609 

10 

•547 

10 

-691 

U 

•509 

12 

234 

14' 

021 

15" 

533 

17' 

113 

IS- 

307 

IS' 

708 

19' 

411 

19- 

950 

20- 

995 

23- 

384 

23- 

664 

24- 

030 

24- 

097 

24- 

782 

24- 

938 

25- 

067 

27 

426 

27 

-529 

27 

•957 

28 

•251 

28 

•461 

28 

•543 

29 

-337 

29 

•616 

29 

•882 

30 

•520 

30 

•847 

31 

•271 

31 

•606 

32 

•435 

Nd 

Cc 

Nd- 

Dy,  Ce  -  Gd 

(Eu) 

Nd,  Pr,  Sa 

Ce 

(Ce) 

Ce 

Pr,  Sa,  (Er),  - 

(Eu) 

Ce 

Ce 


Ce,  Nd 

Sa 
Dy 

(Ce) 
Y 

Eu, - 


Y 

Ce 

Fr-Sa 

Dy,. 

Eu«i 

Gd 

Ce 

Gd  -  (Er) 
Gd 


1 
00 

4 

1 

00 

OOKd} 

00  iV 

0 

0 

5 
00  iV 

0 
00 

1 

1 

00 

00 

000 

0 

0 

0 
00 

4 

6d 
00 
00 

3 

2 

1 

00 
000 

1 

000 
OJV 


Nd? 

Co 
Ce? 

Mn 


Vtt«0 

Fe 


U 

Ce,  Va  -  Mn 

Ce? 


Cr 

Ce 
Ce  82  ^  Fe 
Ce82-Va 


Ce-82 


Ce,  Mn 


300 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

t 

Rwi. 

4133 

•510 

Nd 

00 

-^ 

33 

•065 

— 

0 

Ce 

35 

325 

Sa 

0000 

— 

35 

447 

Nd 

Od! 

— 

35 

'610 

Cc,- 

ONd} 

— 

37 

'272 

(Eu),  U?-Gd 

0000 

— 

37 

-800 

— 

1 

Fe,  Ce 

38 

515 

(Tm) 

ON 

— 

40' 

400 

Sc,  Th 

0 

— 

41' 

600 

Dy,  Tb 

o:n 

— 

41' 

800 

CTh) 

ON 

-,La» 

41' 

910 



0000 

La« 

42' 

562 



00 

Ce 

43- 

000 

Y 

00 

— 

43' 

103 

Er 

0 

— 

43' 

316 

Pr 

000 

— 

44' 

538 

Tb 

OOK 

— 

44' 

674 

Ce,- 

Olfd} 

Ce? 

45 

152 

— 

0 

Ce 

46' 

209 

Nd 

0 

— 

46' 

655 

Pr 

00 

— 

46' 

845 

(Sa) 

ON 

— 

48' 

330 

(Th) 

00 

— 

48' 

552 

Pr 

00 

— 

49' 

077 

(Ce) 

00 

— 

40' 

057 

Sa 

000 

— 

50' 

056 

— 

00 

Ce 

50' 

130 

(Th) 

00 

— 

51' 

120 



1 

Ce-Zr,TI 

51' 

225 

Er 

00 

— 

51' 

826 

Nd 

00 

— 

52' 

108 

— 

2 

Fe,  La,  Ce 

52- 

343 

-Sa 

3 

Fe 

52' 

474 

ScW 

00 

C 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


301 


X 

Hfb. 

• 

t 

Rwl. 

4152 

927 

... 

0 

U-Cr 

55 

359 

Sa 

00 

— 

56 

238 

— 

0 

Nd«i 

59 

207 

Ce 

00 

— 

60 

722 

Nd 

0 

— 

62 

825 

(Th),- 

IJ^ 

Ce,wc 

63 

-449 

U,- 

00 

— 

63 

642 

-Ce 

0^ 

— 

64 

313 

Pr 

000 

— 

65 

328 

Sc« 

00 

— 

65 

759 

— 

1 

-  Ce 

67 

013 

Ce,- 

OONd} 

— 

67' 

737 



\Nd} 

Y-Ru? 

68 

025 

Ce? 

2 

Ce-Fe 

68' 

133 

Dy,  (Nd),  - 

2 

Ni,  C 

69 

628 

Sa 

00 

— 

70 

009 

Ce 

00 

Cr 

71« 

720 

Sa 

00 

— 

72 

296 

— 

2 

Fe  -  Ce  »» 

72 

447 

Pr,  U 

000 

— 

74 

'240 

Y 

0 

— 

74" 

•567 

(Sa) 

0 

— 

77« 

495 

— 

0 

Nd 

77 

698 

Y 

3 

— 

78" 

160 

Sa 

00 

— 

78 

223 

Th,- 

2 

— 

78 

790 

Nd 

00 

— 

79 

-542 

Pr,-M 

34? 

Va,- 

79 

743 

Nd 

00 

— 

80 

-159 

(Th) 

000 

— 

81 

065 

Yb-(Er) 

000  j\r 

T\ 

81 

243 

Ce  -  Sa,  Ta 

00 

— 

83 

964 

Sa- 

OOrf? 

— 

84 

•472 

Gd2 

2    . 

— 

302 


G.  Hofbauer, 


\ 

Hfb. 

/ 

Rwl. 

4185' 

155 

Nd 

000 

85- 

523 

Ce 

OOJNT 

— 

86' 

778 

2JV 

Ce-Zr 

87' 

409 

Ce,- 

00 

La,  C 

87' 

747 

Tm,  - 

2 

Fe 

88' 

255 

Sa 

00  JV 

C 

89' 

723 

Pr-23 

2 

C,- 

90 

•147 

Er 

ON 

Mn 

90' 

'874 

Er,  Gd 

\Nd} 

C,  Co 

91- 

240 

Gd 

OOiST 

— 

;     93' 

433 

Ce 

00 

S4 

94' 

1 

035 

(Ce),  - 

00 

C 

95 

1 

155 

-Nd 

0^? 

c 

96 

'699 

— 

2 

U 

97' 

806 

Gd 

00 

— 

98' 

•800 

Ce,- 

3 

Fe 

99' 

434 

Y 

00 

— 

4201 

402 

Ce.  (Pr) 

00 

— 

03' 

100 

Ce 

OA^ 

— 

03" 

851 

Tm 

0000 

— 

04' 

163 

La,- 

4 

La 

04 

•884 

Y 

1 

— 

05- 

•054 

Gd 

000 

05' 

186 

Eui3 

1 

— 

06' 

•289 

Sa 

000  ^' 

— 

06 

735 

Dy,  Sa 

1 

— 

06 

-862 

Pr,  (Fe) 

3 

Fe 

08 

-415 

Pr 

00 

— 

09 

-015 

Th 

00 

C 

11 

-899 

Dy,- 

0 

Mn,  C 

12 

•200 

Gd 

00  ^' 

— 

13 

-323 

(Nd),  - 

OA' 

C,  Cr 

14 

-198 

(Ce) 

00 

— 

15 

< 

-075 

Gd 

00 

C 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


303 


X 

Hfb. 

• 

Rwl. 

4215' 

337 

Tb,  Dy 

00 

C 

17' 

365 

-Cd 

1 

— 

17' 

720 

Ce,- 

5^? 

La,  Fe  -  Cr 

IS- 

214 

Dy 

00 

— 

IS' 

558 

Er- 

INd 

-Zr 

18' 

726 

Yb 

000 

— 

20' 

813 

Sa,  Y 

00 

— 

21' 

179 

(Er) 

000 

— 

21' 

332 

Dy 

00 

— 

22' 

768 

Ce 

0 

— 

25 

378 

Dy 

0 

— 

25 

490 

Sa,  Pr  M 

000 

— 

27' 

918 

Nd-Ce 

0 

Zr 

31' 

958 

La 

00 

— 

32' 

201 

Dy 

000  isr 

— 

32' 

544 

Nd 

00 

— 

34 

385 

Nd- 

ON 

— i 

34 

707 

Sa 

ON 

Zr* 

34 

895 

(Er) 

000  J^ 

— 

35 

894 

Y 

0 

— 

36 

112 

-  Y 

8 

Fe 

37 

836 

Sa 

0 

— 

38 

555 

— 

'      INtr} 

U 

40' 

014 

Nd-Ce 

3 

Fe 

40' 

'246 

Pr 

000 

— 

41' 

-485 

Pr 

00  iV 

— 

42 

322 

(Er),  Tm 

0 

— 

44 

-888 

Sa 

00 

— 

46 

•071 

Ce 

00 

— 

46 

729 

Gd 

000 

— 

47' 

•726 

Pr 

0 

— 

47 

-996 

— 

5 

Sc 

49 

•648 

-Sa 

IN 

— 

51 

•662 

(Pr) 

000 

— ^ 

304 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

• 

t 

Rwl. 

4251 

•905 

Gd,a«Tb 

00 

Ti* 

52 

•618 

Nd 

00  JV 

— 

53 

522 

(Cc),  Gd 

00 

— 

55 

•406 

Tb,- 

1 

— 

56 

575 

Sa 

00 

Zr 

57 

'977 

Nd 

000 

— 

62  ■ 

287 

Gd,  (Cr) 

00 

Cr 

62' 

498 

(Pr),- 

0 

Cr 

62 

864 

Sa 

0 

— 

63' 

581 

Nd 

00  JV 

— 

63' 

760 

— 

0^? 

U 

63 

996 

Pr 

000  j\r 

— 

65' 

238 

Sa 

000 

— 

66' 

894 

Nd,- 

0 

Cr 

69' 

625 

— 

0 

La 

TO- 

329 

-Cc 

IN 

Ti- 

TO' 

880 

Ce 

00  J^ 

— 

72- 

458 

Pr 

ON 

^ 

75' 

262 

Nd 

00 

— 

75' 

814 

U 

0 

^ 

76' 

685 

(Er) 

000 

— 

78' 

•704 

Tb 

0000 

— 

79' 

874 

Sa,- 

2Nd} 

— 

80' 

698 

GdST 

0 

— 

80' 

'789 

Nb,  (Gd) 

0 

— 

80' 

938 

Sa 

1 

— 

81' 

113 

Sa,- 

1 

— 

82' 

370 

Sa 

00 

— 

84' 

•689 

Nd 

00 

— 

86' 

741 

Er -Sa? 

00 

— 

87' 

159 

— 

2 

La 

90' 

080 

Ce,- 

1 

Tl 

93 

273 

(Pr) 

3 

— 

94 

936 

Sc,- 

2 

Zr 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


305 


X 

Hfb. 

• 

i 

Rwl. 

4295 

194 

Dy,- 

3d} 

— 

96 

235 

-,Gd 

ON 

U 

96 

-840 

Ce 

1 

Zr?* 

96 

933 

Sa,  Zr 

ON 

— 

97 

908 

Pr-Nd 

0 

Cr,  Va 

99 

524 

Ce 

0 

— 

4300 

'478 

Ce 

IJV 

— 

02 

460 

Y,- 

2 

— 

03 

754 

Nd,Pr 

1 

— 

05 

013 

Gd-Sa 

OJ^ 

— 

05 

266 

(Ce) 

1 

— 

05 

871 

Sc 

2 

— 

06 

006 

Pr 

1 

— 

09' 

198 

Sa,- 

2 

Fe 

09- 

792 

Y 

1 

— 

09 

876 

(Ce) 

1 

— 

14 

-248 

— 

3 

Sc»i 

14 

673 

Nd 

ON 

— 

17« 

125 

Yb 

0 

— 

19 

099 

Tb,  Sa 

00 

— 

20 

318 

(Th) 

00 

— 

20 

907 

Ce- 

3 

Sc»i 

21- 

294 

Gd 

00 

— 

22 

670 

U 

ON 

Cr 

23 

670 

Pr,- 

1 

— 

25 

152 

— 

4 

Sc»i 

25' 

777 

Gd« 

1 

— 

25 

939 

-,Nd 

8 

Fe 

26 

641 

Tb 

000  iV 

— 

27 

274 

Gd,- 

3 

Fe 

28 

080 

Nd,  (Fe) 

2 

Fe 

28 

589 

Pr 

000 

— 

29 

213 

Sa 

00 

— 

29 

559 

Pr 

ON 

» 

306 


G.  Hofbauer, 


\ 

Hfb. 

« 

t 

Rwl. 

4330 

•743 

Gd  -  (Eu) 

000 

-» 

33 

925 

— 

IJV 

La 

34 

■174 

Pr28 

00 

— 

34 

-354 

Sa- 

00 

— 

35 

102 

— 

0 

U 

35 

-944 

Pr 

00  iV 

— 

36 

-295 

Sa 

0000 

— 

36 

-433 

(Ce) 

00 

— 

36 

-602 

Tb 

OOONd? 

— 

37 

-945 

Ce 

00 

Sr? 

38 

-616 

Tb,- 

0^? 

— 

38- 

854 

Nd,  Pr 

0 

— 

41- 

410 

Gd 

00 

— 

42- 

219 

Nd 

000 

— 

42- 

350 

Gd 

0 

— 

42 

750 

Tb 

000  iV 

— 

44- 

•451 

-Pr 

2 

Ti- 

46 

068 

Sa,  (Eu) 

OAT 

— 

46 

-580 

Gd 

00 

— 

48- 

933 

Y 

00  JV 

— 

49- 

967 

Ce 

00 

— 

50- 

•550 

-Pr 

00  JV 

Ba? 

51- 

464 

Nd 

00 

— 

52- 

235 

Sa 

ON 

— 

53- 

337 

Tb 

00  N 

— 

54" 

597 

U 

00 

— 

54- 

776 

Sc,- 

1 

— 

54- 

927 

(Eu) 

OK 

Fe?* 

55- 

112 

Pr 

00  iV 

— 

55- 

257 

Eu, - 

2 

Ca?* 

56- 

163 

Nd,- 

0 

Ni 

58- 

328 

Nd 

0 

— 

58- 

-879 

— 

0 

Y-Zr 

59 

-236 

Pr 

000 

— - 

Vortcommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


307 


4359 

•907 

60 

■067 

61 

-091 

61 

219 

62 

198 

63 

-629 

64 

-349 

64 

•827 

66 

572 

68 

224 

68- 

462 

68 

-801 

71 

748 

74- 

628 

75 

-103 

75 

-216 

78' 

-419 

80' 

521 

82 

045 

82 

325 

82 

-928 

83 

-332 

84 

'284 

84 

•873 

84 

-986 

85 

•406 

85 

•833 

86 

•616 

90 

•034 

91 

■123 

91 

•306 

91 

•642 

91 

•823 

93 

•974 

Pr,- 

Tm 
(Gd) 

Sa 

Sa 

(Sa) 

Nd,- 

-,  La 

Nd 

Sa 

Pr 

Nd 

Pr 

Sc 

Y,  Va?  ^  Sa 

Nd? 

Sa- 

(Pr) 

Th» 

Cc 

Nd- 

Ce.  (Gd,  Eu) 

Pr,- 

-,Er 

Sc 
-La 

Nd 
(Tm) 

U 
Sa,  Gd 

Th 

Gd 

Ce 
Yb,- 


0 
00 
000 

000  J\r^? 

000 
0 

1 

00 
00 
00 

0 

0 
000 

3 

2 

000 

2Ndl 

00 

00 

00 

2 

00^ 

ON 

3 

0 

1 
00 

0 
00 

2 
000 
00 

0 

0 


Zr 


Ce 


Ni 


Sc,»iFe?* 
Va,  Mn 


Mn* 


-Fe 


Va 


La 


Fe 


Co 
Va? 


308 


G.  Hofbauer, 


X 

Hfb. 

• 

f 

Rwl. 

4396 

■224 

Pr 

00 

— 

08 

•178 

Y 

1 

— 

99 

379 

Cc 

00 

— 

99 

451 

Pr,- 

0 

Ni 

4400 

•149 

Pr,- 

ooj\r 

— 

00 

•555 

— 

3 

Sc»i 

Ol 

020 

Nd,  (Ni) 

ON 

Ni 

03 

•241 

Sa 

00 

— 

03 

•815 

Pr 

OON 

— 

08 

•956 

Pr 

00  JV 

— 

09 

•525 

Dy 

00  JV 

— 

10 

817 

Ce 

000 

— 

11 

•240 

-,Nd 

1 

Cr- 

12- 

415 

-,  Nd 

0 

Cr 

13 

944 

Pr 

000 

— 

14 

-896 

(Gd) 

000 

— 

15« 

722 

Sc 

3 

— 

17" 

•740 

Sa 

00 

— 

18' 

944 

Cc 

00  JV 

— 

19 

265 

Pr?,  U 

00  JV 

— 

19 

440 

(Sa) 

00  iV 

— 

19' 

768 

Er,  Pr 

000 

— 

20 

686 

Sa 

00 

Zr 

21 

290 

Sa 

00  AT 

— 

22 

666 

Er 

00 

— 

22 

'741 

— 

3 

Fe,  Y 

24' 

531 

Sa 

00 

— 

24' 

748 

Pr- 

ONd} 

— 

27 

266 

(Ce),  - 

2 

Ti 

27 

760 

— 

000 

La 

28 

083 

Ce 

00  JV 

— 

30 

•070 

— 

00  JV 

U 

31 

525 

Sc,- 

0 

— 

32 

•477 

Pr,  Nd 

0000 

— 

Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne. 


309 


X 

Hfb. 

• 

Rwl. 

4433 

089 

Th 

000  iV 

34 

•057 

Sa 

000 

— 

34 

504 

Sa 

00 

— 

39 

'332 

Yb 

OKd} 

— 

42 

842 

U 

000 

— 

44 

385 

Sa 

0 

— 

44 

'862 

Ce 

00 

— 

46 

'566 

Nd 

00 

— 

47 

'190 

Pr 

0000 

— 

49 

507 

Ce 

00 

49 

882 

Dy 

00 

— 

50 

925 

Ce 

00 

— 

51 

•752 

Nd,- 

3 

Mn 

52 

•171 

Nd- 

OiV 

Va 

52 

311 

La 

0000 

— . 

52 

903 

Sa 

00 

— 

54 

836 

Sa 

00 

— 

55 

980 

La,- 

2 

Mn 

58 

•690 

Sa 

0 

Cr 

60 

389 

Ce 

0 

Va* 

62 

592 

Nd 

00 

... 

63 

152 

Nd 

00 

— 

65 

519 

(Th),- 

0 

Cr 

65 

775 

Nd 

OON 

— 

66 

147 

Pr,- 

OON 

— 

67 

248 

Gd 

000 

— 

67 

498 

Sa 

00 

— 

68 

317 

Dy 

000  JV 

— 

68 

800 

Pr 

000 

— 

69 

150 

LA 

OON 

— 

69 

441 

Nd 

0000 

— 

71 

408 

Ce 

0 

Ti 

72" 

571 

Sa 

000 

— 

78- 

792 

Sa 

OON 

— 

310 


G.  Hofbauer, 


Hfb. 


Rwl. 


4478 

-982 

Bi- 

-195 

sa 

513 

84* 

078 

87 

•076 

87" 

-685 

88 

-852 

97 

268 

99 

-666 

4500 

-932 

Ol" 

946 

06- 

092 

06' 

-497 

06" 

776 

10' 

-344 

10' 

708 

13 

-491 

14' 

-662 

15 

'273 

17' 

■764 

19' 

806 

22 

539 

22 

802 

23 

-250 

24 

090 

26' 

269 

27« 

954 

28' 

•647 

34' 

340 

36 

•094 

36' 

675 

38' 

138 

41- 

483 

42 

234 

Gd 

Gd 

Gd 

Ce 

Ce 

(Th) 

Th 
(Gd) 

Sa 

Er 

Nd 
Y 

Gd 

Nd 

Pr 

Th 

Nd 
Gd.- 

Sa 

Pr 

Sa,  Gd 

U80 

Eu« 
Sa-Ce 
Sa 
La 
Y 
Ce 
Pr,- 

-Pr 
Sa 
Sa 

Nd- 
Sa 


00  JV 

00 
0000 

0 

0 

00 
000 
000 
000 
000 
ONd} 
000 
00 

00 

0000 

000 

000 

0 
0000 
000 

00 

00 

3 

0 

00 

0 

0 
ON 

1 


2  , 


00 
00  JV 

0 
000 


Co 


Cr 


Cr 


Ti 


Vorkommen  seltener  Erden  *uf  der  Sonne. 


311 


X 

Hfb. 

• 

Rwl. 

4542 

■785 

Nd,- 

0 

Cr 

52 

•314 

(Er) 

0 

— 

52 

-824 

Sa 

000 

— 

53 

•796 

Yb 

0000  J\^ 

— 

54 

-626 

Sa- 

1 

55 

830 

Th 

000 

— 

58 

640 

La 

00 

— 

60 

•457 

Ce 

00 

— 

60 

■589 

Sa 

00 

61 

145 

Ce 

00 

— 

62 

541 

Ce 

0 

— 

63 

•413 

Nd-Er 

00 

— 

66 

•031 

(Ce) 

000 

— 

66 

-414 

Su 

OON 

— 

72 

•457 

Ce 

00 

— 

75' 

075 

U 

00Nd7 

77' 

868 

Sa 

00 

79 

062 

Nd 

00 

79 

506 

Nd 

0 

— 

80 

228 

-La 

3 

Cr 

82 

683 

(Ce) 

00  JV 

— 

85 

001 

Sa,- 

2 

93 

-704 

Sa, - 

1 

# 

94 

-113 

Ce 

0 

— 

97 

211 

(Gd),  Nd 

.  00 

— 

4606 

574 

Ce 

00  AT 

— 

06 

-687 

Sa 

000  N 

— 

13 

544 

— 

3 

Cr,  La 

15 

896 

Sa 

00 

— 

20 

072 

La 

0000 

— 

27 

•392 

Eu 

00  iV 

— 

28 

•335 

Ce 

0 

— 

42 

424 

Sa 

00 

— 

45 

•483 

U 

000 

— 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa. 


21 


312 


G.  Hofbauer, 


Hfb. 


Rwl. 


4655-634 
62-693 
69 • 568 
69  -  829 
70-590 
75-053 
75-785 
77-096 
82-529 
92  -  699 

4704-587 
44-008 


La 
La 
Sa 
Sa 
Sc,  - 
Y 
Er 
Sa 
Y- 
La 
Sa 
Sc 


000  Nd} 

0 

000 

00 

2 
000 

0 
00 

1 

00  JV 

00 

000 


Ti* 
-Co 


*  Unrichtige  Identifikation  bei  Rowland. 
1  Große  Differenz  der  X  im  Funken  und  Bogen. 
3  Tritt  im  Sonnenspektnim  zu  stark  auf. 

s  Im  Sonnenspektrum  viel  zu  stark ;  eine  andere  Koinzidenz  aber  nicht 
auffindbar. 

^  Eine  der  stärksten  Yb-Linien. 

^  Starke  Funkenlinie  des  Th. 

^  Tritt  im  Sonnenspektrum  aufTällig  schwach  auf. 

7  Im  Sonnenspektrum  viel  zu  stark.  Die  Pt- Linie  gehört  zu  den 
schwächsten. 

8  Wahrscheinlich  Sc;  möglicherweise  kann  aber  auch  3567-835  die 
fragliche  Sc-Linie  im  Sonnenspektrum  sein. 

9  Im  Sonnenspektrum  viel  zu  stark.  Eine  andere  Koinzidenz  als  etwa 
mit  der  schwachen  Rh-Linie  war  nicht  auffindbar. 

10  Eine  der  stärksten  Sc-Linien. 

11  Wegen  großer  Differenz  der  X  im  Funken  und  im  Bogen  ist  es  unsicher, 
welche  Linie  die  Sc-Linie  ist. 

i2  Stärkste  Gd-Linic. 

18  Sehr  starke  Eu-Linie. 

1^  Bei  Bertram  tritt  die  Ce-Linie  als  Verunreinigung  außerordentlich 
stark  hervor. 

1^  Dieser  Wert  liegt  im  Sonnenspektrum  zu  hoch. 

i<J  Diese  Yb-Linie  tritt  im  Sonnenspektrum  aulTallend  schwach  hervor 
(besonders  stark  im  Bogen). 

17  Die  Fe-Linie  ist  viel  zu  schwach,  um  im  Sonnenspektrum  mit  der 
Intensität  5  auftreten  zu  können. 


Vorkommen  seltener  Erden  auf  der  Sonne.  313 

19  Zr,  welches  Rowland  angibt,  gehört  wohl  zu  4050 '643. 

19  Die  Fe-Linie  gehört  zu  den  schwächsten,  kann  also  im  Sonnenspektrum 
nur  einen  geringen  Betrag  der  Intensität  haben. 

20  Va  hat  die  Wellenlänge  4U8-347  sUtt  4118*307. 
u  Stärkste  Eu-Linie. 

23  Tritt  im  Sonnenspektnim  schwach  aul. 
28  Eine  der  stärksten  Pr-Linien. 

24  Bei  4192-258  und  4192*356  gibt  Rowland  La?  an.  Beide  Linien 
gehören  dem  La  nicht  an. 

25  Zwei  übereinanderliegende  starke  Linien  des  Sa  und  Pr,  die  im  Sonnen- 
spektrum auflälltg  schwach  auftreten. 

26  Starke  Gd-Linie. 

27  Eventuell  kann  auch  4280*647  sUtt  obiger  Linie  Gd  sein. 

28  Da  Bertram  den  Wert  4334*072  anfuhrt  (um  0*  1  A.  E.  tiefer),  so  ist 
eventuell  4334*063  im  Sonnenspektrum  als  Fr  anzusehen. 

29  Eine  der  stärksten  Th-Linien.  Das  Mn,  das  Rowland  hier  irrtümlich 
angibt,  soll  in  der  vorigen  Zeile  bei  4381  *875  stehen. 

30  Rowland  gibt  fälschlich  4522*418  als  La  an. 
>i  Liegt  im  Sonnenspektrum  zu  tief. 

>2  Rowland  fOhrt  hier  eine  sehr  schwache  Ce-Linie  an. 


21* 


315 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen. 

(VIII.  Mitteilung.) 
Über  ein  radioaktives  Produkt  aus  dem  Aktinium 

von 

Dr.  Stefan  Meyer  und  Dr.  Egon  Ritter  v.  Schweidler. 

Aus  dem  Institut  für  theoretisdie  Physik  und  dem  ü.  physikalischen  Institut  der 

k.  k.  Universität  in  Wien. 

(Mit  2  Textflguren.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  28.  Febraar  1007.) 

Schon  im  April  des  vorigen  Jahres*  konnten  wir  über 
einige  Erscheinungen  berichten,  welche  sich  ergaben,  wenn 
man  ein  Blech  der  induzierenden  Wirkung  von  Aktinium- 
emanation durch  lange  Zeit  aussetzt.  Man  erhält  dann  bei  der 
Messung  der  Aktivität  des  so  induzierten  Körpers  zunächst 
den  einfachen  logarithmischen  Gang  des  Abfalles,  wie  er  der 
Halbierungskonstante  von  Ac-4  +  AcJB,  d.  i.  einem  Wert  von 
rund  36  Minuten,  entspricht,  aber  der  weitere  Verlauf  unter- 
scheidet sich  von  der  früher  geltenden  Annahme,  daß  diese 
Aktivität  nach  gleichem  Gesetze  restlos  verschwinde  —  bloß 
in  einem  Falle  hatten  wir  bei  48tägiger  Exposition  eine  kleine 
Restaktivität  nachweisen  zu  können  geglaubt*  —  dadurch, 
daß  Restaktivitaten  nachweisbarer  Menge  erübrigten. 

Diese  Restaktivitäten  nehmen  mit  der  Zeit  an  Wirksamkeit 
ab  und  wir  konnten  seither  trotz  des  leider  noch  nicht  in 
ausreichender  Menge  verfügbaren  Aktiniums  wenigstens  noch 
einige    Beobachtungsreihen    über    den    zeitlichen    Gang    der 


1  Anz.  der  kais.  Akad.  der  Wiss.  in  Wien,  Nr.  XII  vom  26.  April  1900. 

2  Diese  Sitzungsber.,  114  (IIa),  1157  (1905). 


316 


st  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 


Aktivitätsabnahme  machen,  die,  wenn  auch  noch  kein  definitives, 

so  doch  ein  vorläufiges  Charakteristikum  der  neuen  Substanz 

bieten. 

Die  folgenden  Tabellen  liefern  einige  Beispiele.  Die  Zeit  t 

ist  vom  Moment  des  Abhebens  des  Bleches  von  dem  flachen 

Gefäß,  welches  das  Aktiniumpräparat  enthielt  und  dem  es  als 

Deckel  diente,  gerechnet.  J  ist  der  gemessene  Sättigungsstrom, 

Joo  ist  derselbe  nach  langer  Zeit. 

1.  Platinblech,  102  Tage  aktiviert. 


in  Tagen 

in  Volt, 

'Minuten        /- 

-/oo 

log  (/—  /oo) 

0 

•8 

6 

•70 

5 

•10 

0 

•708 

2 

■8 

6 

•40 

4 

•80 

0 

•681 

6 

■9 

5 

•70 

4 

■10 

0 

•613 

8 

•9 

5 

•10 

3 

•50 

0 

•544 

13 

•1 

4 

•30 

2 

•70 

0 

■431 

15 

•2 

4 

■00 

2 

•40 

0 

■380 

16' 

■8 

3 

•95 

2 

•35 

0 

371 

20 

•1 

3 

40 

1 

■80 

0 

■255 

•20' 

•8 

3 

■40 

1 

•80 

0 

■255 

*»20 

•9 

3 

•20 

1 

■60 

0 

•204 

21' 

•9 

3 

•20 

1 

•60 

0 

■204 

31 

1 

2- 

42 

0' 

82 

0- 

■914—1 

36- 

8 

2- 

30 

0 

■70 

0- 

845—1 

43- 

8 

2- 

11 

0' 

51 

0- 

708—1 

49- 

8 

2- 

00 

0' 

■40 

0- 

602     1 

53- 

8 

99 

0- 

39 

0 

591      1 

58- 

8 

98 

0- 

38 

0^ 

580     1 

65- 

9 

90 

0- 

30 

0- 

477     1 

73- 

8 

80 

0- 

20 

0^ 

301—1 

87- 1 

1-65 

005 



HC  = 

12-3  Tage 

X      = 

0-056  1/Tage 

t 

— 

17-7  Ta 

ge 

Radioaktives  Produkt  aus  dem  Aktinium. 


317 


2.  Kupferblech,  22  Tage  aktiviert. 


/ 


in  Tagen       in  Volt/Minuten        / — /oo 

0-8  2-82  2-71 

2-8  2-34  2-23 

4-8  1-90  1-79 

6-8  1-80  1-69 

11-8  1-34  1-23 

13-9  1-24  113 

16-8  103  0-92 

19-8  1-00  0-89 

23-8  0-80  0-69 

31-8  0-55  0-44 

325—  011                 — 


Iog(/— /oo) 


0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 
0 


433 
348 
253 
223 
090 
053 
964- 


949- 


1 
1 

839—1 
644-1 


HC=  12-4  Tage 
X     =0056  1/Tage 
T      =17-8  Tage 

3.  Platinblech,  202  Tage  aktiviert. 


Tai 

Sen 

in  Volt/Minuten 

J- 

-/oo 

log(/-/oo) 

0 

•8 

205 

•85 

0 

267 

1 

■0 

2  03 

83 

0 

•263 

1 

8 

1-79 

•59 

0 

•201 

2- 

1 

1-77 

57 

0' 

■196 

3 

■9 

1-54 

34 

0 

•127 

5' 

■9 

1-35 

•15 

0 

•061 

7- 

1 

1-29 

09 

0 

•037 

9' 

1 

1-23 

03 

0' 

•013 

12' 

•1 

1-01 

0 

81 

0 

•909—1 

12- 

9 

0-96 

0' 

•76 

0 

882     1 

16' 

9 

0-82 

0' 

•62 

0' 

•792—1 

19' 

9 

0-68 

0' 

■48 

9' 

■679     1 

22' 

8 

0-59 

0 

39 

0' 

593—1 

25 

•9 

0-51 

0 

31 

0 

•497     1 

33 

•8 

0-405 

0 

■20. 

0 

■312—1 

44-1 

0-32 

012 

0-068-1 

(« 

') 

(0-2) 

318 


St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 


/fC=  10-8  Tage 
X     =0-064  1/Tage 
t      =15*6  Tage 


t    10    ti    n    m    u    ZO    tt    it    t*    tt  io    n   *t    M  M  40    *i    M4fMM  TagK 

Fig.  1. 

Der  abgezogene  Endwert,  der  nach  langer  Zeit  erreicht 
war,  Joo,  scheint  nicht  konstant  zu  sein,  sondern  nimmt  viel- 
mehr selbst  langsam  ab.  Da  uns  aber  mit  Rücksicht  auf  die 
Kleinheit  der  Effekte  hierüber  genauere  Angaben  zu  machen 
unmöglich  ist,  so  erhellt  daraus,  daß  in  der  Wahl  des  Wertes 
für  Joo  eine  gewisse  Willkürlichkeit  und  Ungenauigkeit  liegen 
muß. 

Es  erscheint  nicht  unmöglich,  daß  durch  die  Annahme 
eines  zweiten  langsam  zerfallenden  Produktes  sich  einige  der 
Abweichungen  der  gemessenen  Punkte  von  den  in  der  Fig.  1 
eingezeichneten  Geraden  erklären  ließen.  Speziell  die  Kurven 
II  und  III,  die  unter  sehr  verschiedenen  Bedingungen  und  zu 
sehr  verschiedenen  Zeiten  aufgenommen  wurden,  zeigen  auf- 
fallend übereinstimmenden  Gang  der  Abweichungen  in  den 
ersten  Tagen,  der  leicht  als  von  der  Type: 


Radioaktives  Produkt  aus  dem  Aktinium.  319 


Zdl  -* 

Fig.  2. 

aufgefaßt  werden  könnte,  die  sich  für  die  Koexistenz  mehrerer 
Phasen  (etwa  AcC,  AcZ). . .)  ergeben  müßte. 

Zumindest  in  erster  Annäherung  aber  wird  man  die  Er- 
gebnisse der  Fig.  1  als  durch  einen  logarithmischen  Abfall 
charakterisiert  und  die  Kurven  als  Gerade  auffassen  dürfen, 
wobei  sich  aus  JzzzJ^er-^^  für  die  Zerfallskonstanten  im  Mittel 

X =    0-059  1/Tage 

die  Halbierungskonstante  HC  =11-8  Tage 
die  mittlere  Lebensdauer  c . . .  =  17*0  Tage 
ergeben. 

Außer  durch  ihre  Zerfatlskonstanten  wird  man  eine  radio- 
aktive Substanz  durch  ihre  Strahlenart,  ihre  Verdampfungs- 
temperatur, eventuell  durch  die  von  ihr  erzeugten  weiteren 
Produkte  zu  kennzeichnen  trachten. 

Ober  die  Strahlen  können  wir  nur  aussagen,  daß  sie 
sicher  wenig  durchdringlich  sind,  indem  sie  von  sehr  geringen 
Aluminiumschichten  bereits  absorbiert  erscheinen. 

Durch  Erhitzen  bis  zur  Dunkelrotglut  (dasselbe  ist  bei 
Präparat  1,  Tabelle  1,  zur  Zeit  zwischen  20*  1  und  20*8  Tagen 
markiert  durch  *)  und  nochmals  bis  zur  Hellrotglut  (markiert 


320  St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 

durch  **)  konnte  eine  wesentliche  Beeinflussung  der  Aktivität 
und  des  weiteren  Abfalles  nicht  festgestellt  werden.  Das  Produkt 
verdampft  demnach  vermutlich  erst  über  der  Temperatur  der 
hellen  Rotglut. 

Versuche  an  einer  längere  Zeit  in  unmittelbarer  Nähe  des 
untersuchten  Präparates  gebrachten  Messingplatte  eine  indu- 
zierte Aktivität  nachzuweisen,  ergaben  trotz  Anwendung  einer 
Untersuchungsmethode  von  bedeutend  vergrößerter  Empfind- 
lichkeit (Quadrantelektrometer,  das  noch  eine  Aktivität  von 
0*004  Volt/Minuten  in  dem  in  den  Tabellen  angegebenen 
Maße  hätte  erkennen  lassen)  ein  durchaus  negatives  Resultat. 
*  Es  ist  daraus  zu  schließen,  daß  eine  induzierende  Emanation 
von  der  untersuchten  Substanz  nicht  abgegeben  wird. 

Berechnet  man  mit  Hilfe  der  Halbierungskonstante 
HC  =  36  Minuten  die  Aktivität  J  von  hcB  im  Momente  des 
Abhebens  des  induzierten  Bleches  vom  induzierenden  Aktinium- 
präparat und  vergleicht  damit  den  Restwert  R  nach  etwa 
24  Stunden,  so  ergibt  sich  für  die  verschiedenen  Präparate,  die 
durch  eine  Zeit  Z  der  Aktivierung  ausgesetzt  gewesen  waren: 


z 

Tage 

Volt/Minuten 

R 

Volt/Minuten 

1.  Platinblech 

102 

50000 

6-8 

2.  Kupferblech  . . . , 

3.  Kupferblech  . . . . 

4.  Aluminiumblech 

,    22 
.    22 
.    27 

43000 
1200 
1000 

2-8 
0-2 
0-2 

5.  Kupferblech  . . . , 

6.  Platinblech 

,    27 
.202 

250 
52000 

008 
2-3 

Zur  Deutung  der  beschriebenen  Erscheinungen  lassen 
sich  die  folgenden  Hypothesen  aufstellen: 

1.  Es  wäre  die  Möglichkeit  vorhanden,  daß  eines  der 
Produkte  Aktinium,  Radioaktinium  oder  Aktinium  X  verdampfe 
und  sich  auf  dem  Deckelblech  zugleich  mit  der  induzierten 
Aktivität  niederschlage;  dann  könnte  es  entweder  (für  Ac)  in 
der  Weise,  wie  dies  Voller  für  Radium  gefunden  hat,  allmählich 
durch  Sublimation  oder  (für  RaAc  und  Ac-X)  außerdem  noch 
durch  den  radioaktiven  Zerfall  verschwinden. 

Abgesehen  davon,  daß  über  eine  Flüchtigkeit  der  genannten 
Substanzen  bei  Zimmertemperatur  bisher  nichts  bekannt  ist, 
spricht  gegen  eine  solche  Annahme  die  oben  erwähnte  Einfluß- 


Radioaktives  Produkt  aus  dem  Aktinium.  321 

losigkeit  des  Glühens  sowie  der  Umstand,  daß  Induktions- 
wirkungen nicht  erhalten  werden  konnten  (vergl.  p.  320). 

2.  Eine  andere  mögliche  Annahme  ist  diejenige,  daß  hier 
ein  weiteres  Zerfallsprodukt  des  Aktiniums  vorliege,  also  Ac  C, 
eventuell  AcC-h  AcD  mit  Rücksicht  darauf,  daß  auch  das 
Produkt  mit  der  Halbierungskonstante  von  rund  12  Tagen 
nicht  restlos  verschwindet. 

Doch  ist  bei  dieser  Annahme  noch  die  Voraussetzung 
hinzuzunehmen,  daß  das  Produkt  keine  a-Partikel  von  ähnlicher 
Geschwindigkeit  aussende,  wie  sie  Ac5  besitzt.  Dies  ist 
gefordert  durch  das  beobachtete  Verhältnis  von  R  zu  7.  Bei 
gleicher  ionisierender  Wirkung  müßte  nach  sehr  langer 
Expositionsdauer  (also  für  HC  =:  12  Tage,  bei  Z=  102  oder 
202  Tage  praktisch  erreicht)  die  Aktivität i?  gleich  der  Aktivität/ 
sein,  bei  der  kürzeren  Expositionszeit  Z  =:  22  bis  27  Tage 
R  ungefähr  V4  J  betragen.  Tatsächlich  ist  das  Verhältnis  aber 
von  der  Größenordnung  10""*.  Nimmt  man  aber  an,  daß  diese 
Substanz  bei  ihrem  Zerfall  sehr  langsame  a-Strahlen,  deren 
Geschwindigkeit  knapp  über  der  Grenzgeschwindigkeit  ioni- 
sierender Wirkung  liegt,  oder  sehr  weiche  ß-Stahlen  aussendet,  so 
stünde  obige  Hypothese  mit  den  Tatsachen  nicht  in  Widerspruch. 

Die  Annahme,  daß  der  untersuchte  Rest  aus  der  indu- 
zierenden Aktiniumemanation  entstanden  ist,  führt  zu  der 
folgenden  Konsequenz.  Berechnet  man  mittels  der  Halbierungs- 
konstante HC=:  12  Tage  aus  dem  gefundenen  Wert  R  nach 
der  Expositionszeit  Z  den  Wert  i?oo,  den  man  nach  der  Expo- 

R^ 

sitionszeit  Z  zu  00  erhalten  hätte,  so  muß  —j-  konstant  sein. 
Tatsächlich  findet  man: 

/?oo  ./ 

1.  Platinblech 1-4  •  10^^ 

2.  Kupferblech • 0-9   '  10" 

3.  Kupferblech 2-2   •  10" 

4.  Aluminiumblech 2-4   •  10~^ 

5.  Kupferblech 4*0  •  10" 

6.  Platinblech 0-44- 10"^ 

Daß  hier  keine  bessere  Übereinstimmung  vorliegt,  mag, 
abgesehen  von  der  Kleinheit  der  Wirkung  und  der  darin 
begründeten  Ungenauigkeit  der  Bestimmung,  auf  den  Umstand 


322        St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler,  Radioaktives  Produkt  etc. 

zurückgeführt  werden,  daß  der  Absorptionskoelfizient  und 
somit  die  Abgabe  der  kurzlebigen  Aktiniumemanation  aus  den 
Aktiniumpräparaten  außerordentlich  stark  von  der  Konsistenz, 
der  Temperatur  und  der  Feuchtigkeit  des  Präparates  abzuhängen 
scheint  und  sonach  während  der  langen  Expositionszeit  der 
Emanationsgehalt  in  der  Umgebung  des  zu  induzierenden 
Bleches  variieren  kann. 

3.  Es  ist  naturgemäß  nicht  ausgeschlossen,  daß  das  bisher 
dargestellte  Aktinium  begleitet  ist  von  einem  noch  unbekannten 
Radioelemente.^  Die  von  verschiedenen  Beobachtern  fest- 
gestellten relativ  starken  Schwankungen  der  Abfallskonstanten 
von  Ac^  —  Ac5  könnten  als  Hinweis  dafür  gelten. 

Die  von  uns  als  Restaktivitäten  des  Aktiniums  bezeichneten 
Produkte  könnten  dann  Zerfallsprodukte  eines  solchen  Beglei- 
ters des  Aktiniums  sein. 

4.  Ob  nun  die  Annahmen  2  oder  3  zutreffend  sind,  jeden- 
falls kann  man  aussagen,  daß  die  beschriebenen  radioaktiven 
Substanzen  nicht  unmittelbar  der  Radiumfamilie  angehören, 
eine  Annahme,  die  durch  die  Untersuchungen  Boltwood's 
und  Rutherford's,^  welche  Radiumemanation  aus  Aktinium  in 
mit  der  Zeit  steigender  Menge  aufgefunden  haben,  als  möglich 
zu  gelten  hätte. 

Wäre  das  beschriebene,  aus  dem  Aktinium  erzeugte  Produkt 
Radium  selbst,  so  müßte  sich  eine  induzierende  Wirkung  zeigen, 
die  wir  nicht  finden  konnten. 

Die  von  Rutherford  l.  c.  ausgesprochene  Vermutung, 
daß  Radium  ein  Zerfallsprodukt  des  Aktiniums  oder  eines 
Begleiters  desselben  sei,  aber  erst  nach  der  Einschaltung  von 
Zwischenprodukten,  wird  dadurch  natürlich  nicht  tangiert. 

Genauere  Angaben  über  die  Natur  der  aufgefundenen 
Produkte  und  ihrer  Strahlung  waren  uns  bisher  wegen  der 
Geringfügigkeit  der  Wirkungen  noch  nicht  möglich  und  müssen 
einer  Zeit  vorbehalten  bleiben,  in  der  größere  Mengen  reineren 
Aktiniums  zur  Verfügung  stehen. 


1  Vergl.  hiezu  auch  E.  Rutherford,  Nature,  75,  270  (1907). 

2  B.  Boltwood,  Nature,  75,  54  (1906);  —  E.  Rutherford,  Phil,  trans. 
A.  S.,  169  (1904);  —  E.  Rutherford,  Nature,  75,  270  (1907). 


323 


Über  die  Verschiebung  der  Spektrallinien 

von 

Prof.  Fr.  Eimer,  w.  M.  k.  Akad.,  und  Dr.  Ed.  Haschek. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  7.  MSrz  1907.) 

Zur  Frage  der  Linienverschiebungen  in  den  Bogen-  und 
Funkenspektren  sind  in  der  letzten  Zeit  einige  Arbeiten  er- 
schienen, die  indes  die  wünschenswerte  Klärung  nicht  gebracht 
haben.  Während  N.  Kent*  und  F.  Exner  und  E.  Haschek* 
Verschiebungen  an  einer  Reihe  von  Linien  verschiedener 
Elemente  finden  und  Bedingungen  nachweisen,  unter  denen 
die  Variabilität  der  Wellenlängen  auftritt,  ergibt  sich  als 
Resultat  einer  Untersuchung  von  Chr.  Keller*  die  völlige 
Konstanz  der  Wellenlänge.  Dieser  Gegensatz  in  den  Ergeb- 
nissen der  verschiedenen  Untersuchungen  ist  gewiß  ein  sehr 
auffälliger.  Zweck  der  vorliegenden  Arbeit  wird  es  sein,  die 
Ursachen  hiefür  aufzudecken  und  einen  Versuch  zur  Klärung 
der  ganzen  Frage  zu  bringen.  Dabei  wäre  es  natürlich  aus- 
sichtslos, neuerdings  in  derselben  Art,  wie  es  bisher  geschah, 
die  Wellenlängen  von  verschiebungsverdächtigen  Linien  unter 
verschiedenen  Umständen  im  Bogen  oder  Funken  mit  tun- 
lichster Genauigkeit  zu  bestimmen  oder  direkt  Verschiebungen 
messen  zu  wollen.  Es  müssen  vielmehr  Methoden  gewählt 
werden,  die  von  den  bisher  angewendeten  völlig  verschieden 
sind  und  daher  auch  mindestens  eine  Anzahl  von  Fehlerquellen 
vermeiden.  Solche  sind  vor  allem  anderen  geringe  Ungenauig- 
keiten  in  der  Justierung  der  Gitter,  die  nötige  lange  Expositions- 


1  Astroph.  Joum.  (1905). 

2  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  115,  Abt.  IIa  (1906). 
8  Zeitschr.  f.  wiss.  Photogr.  etc.,  Bd.  4  (1906). 


324  F.  Exner  und  E.  Haschek, 

zeit  bei  der  photographischen  Aufnahme,  die  uns  nur  Zeitmittel 
des  Aussehens  der  Linien  gibt,  sowie  die  Unsicherheit  einer 
Bestimmung  des  Intensitätsmaximums.  Wh*  haben  zwei  der 
möglichen  Wege  beschritten.  Der  eine  ist  ein  Vergleich  von 
Messungen  verschiedener  Autoren,  die  unter  tunlichst  gleichen 
Umständen  mit  gleicher  indizierter  Genauigkeit  dasselbe 
Spektrum  maßen.  Die  zweite  besteht  in  einem  Studium  des 
Aufbaues  der  Linien  im  Stufengitter.  Über  die  Resultate  dieser 
beiden  Versuche  soll  im  folgenden  referiert  werden. 

I. 

Für  die  erste  Untersuchung  lagen  uns  zunächst  die 
Messungen  des  Lanthanspektrums  vor,  die  von  den  Herren 
J.  Kellner^  und  E.  Wolf^  an  reinen  Lanthanpräparaten  mit 
Hilfe  des  großen  Gitterapparates  in  Bonn  gemacht  wurden. 
Ferner  die  Tabelle  jener  Lanthanlinien,  die  M.  Bertram^  in 
den  Spektren  von  Neodym  und  Praseodym  nachweisen  konnte. 
Diese  drei  Reihen  sind  unter  möglichst  gleichen  äußeren 
Bedingungen  auf  drei  Dezimalen  der  Angström'schen  Einheit 
durchgeführt. 

In  den  Bonner  Arbeiten  über  das  Lanthanspektrum  wird 
für  die  in  den  Tabellen  angeführten  Linien  angegeben,  daß 
die  Wellenlängen,  die  übrigens  Mittelwerte  aus  mindestens 
acht  Einstellungen  unter  dem  Komparator  sind,  auf  0  *  005  bis 
höchstens  0*010  A.  E.  zuverlässig  sind.  Dabei  ist  natürlich 
klar,  daß  die  Wiederholung  der  Messungen,  welche  von  Wolf 
durchgeführt  wurde,  genauere  Zahlen  liefern  mußte,  da  ja  die 
Möglichkeit  vorlag,  die  Resultate  zu  vergleichen  und  Ab- 
weichungen zu  kontrollieren.  Wir  haben  nun  versucht,  uns 
etwas  genauer  über  die  Präzision  dieser  Zahlenreihen  Auf- 
schluß zu  verschaffen,  als  es  die  in  den  drei  angeführten 
Arbeiten  mitgeteilten  Kolonnen  der  Einzelmessungen  ermög- 
lichen. Wir  suchten  zu  diesem  Zwecke  die  mittlere  Ab- 
weichung A  der  einzelnen  gemeinsamen  Wellenlängenangaben 
zu   bilden.   In   den   Tabellen   von   Kellner   und  Wolf  sind 


J  Diss.  Bonn  (1904). 

2  Zeitschr.  f.  wiss.  Photogr.  etc.,  Bd.  III  (1905). 

Ä  Diss.  Bonn  (1905). 


Verschiebung  der  SpektraIHnien.  325 

228  Linien  identisch  (zwei  Zahlen  bei  Kellner  sind  offenbar 
durch  Druckfehler  entstellt).  Bildet  man  da  die  Differenzen 
ohne  Rücksicht  auf  das  Vorzeichen,  so  erhält  man  den  Wert 
A  rr  0'0145  A.  E.  Zu  erwarten  wäre  gemäß  der  angegebenen 
Genauigkeit  höchstens  ein  Wert  A  =  0*010  A.  E.,  das  Doppelte 
des  mittleren  Fehlers  der  Messung. 

Bertram  gibt  in  seiner  Arbeit  über  die  Spektren  von 
Neodym  und  Praseodym  eine  Tabelle  jener  Lanthanlinien  an, 
welche  als  Verunreinigung  auftraten.  Vergleicht  man  auch  hier 
wieder  die  Zahlen  mit  jenen  Kellner's,  respektive  Wolfs, 
so  ergeben  sich  die  bezüglichen  mittleren  Abweichungen 
Az=  0*0179  A.  E.  für  die  Vergleichung  Kellner-Bertram 
(109  Linien)  und  An:  0-0136  A.  E.  für  die  Zahlen  Wolf- 
Bertram  (112  Linien). 

Aus  diesen  Zahlen  glauben  wir  übrigens  wieder  den 
Schluß  ziehen  zu  dürfen,  daß  die  Angabe  der  dritten  Dezimale 
der  Angström'schen  Einheit  für  Identifikationszwecke  wertlos 
und  daher  gar  nicht  anzustreben  ist.  Daß  eine  entsprechende 
Genauigkeit  auch  in  den  vorliegenden  Messungen  nicht  erreicht 
wurde,  scheint  zur  Genüge  aus  diesen  Angaben  hervorzugehen. 
Nur  in  Ausnahmsfällen,  zum  Studium  des  Verhaltens  einzelner 
Linien,  wird  sich  eine  Präzision  in  der  Wellenlängenangabe 
von  einigen  Tausendsteln  erreichen  lassen,  allgemein  gewiß 
nicht. 

Es  scheint  uns  dies  übrigens  auch  aus  den  Angaben 
hervorzugehen,  die  J.  Kellner  über  die  Dispersion  seines 
Gitters  macht.  Demgemäß  kamen  bei  seinen  und  wohl  auch  bei 
allen  anderen  hier  zunächst  in  Frage  stehenden  Aufnahmen 
auf  1  mm  ungefähr  2*4  A.  E.  Das  besagt  aber,  daß  1  A.  E. 
Wellenlängenunterschied  ein  linearer  Abstand  auf  der  Platte 
von  etwa  0*417  mm  entspricht,  und  soll  eine  Wellenlänge  auf 
0-005  A.  E.  bestimmt  werden,  so  muß  das  Fadenkreuz  des 
Mikroskopes  auf  0*002  ww  genau  eingestellt  werden.  Das  ist 
wohl  für  die  scharf  begrenzten  Striche  eines  Maßstabes  mög- 
lich; es  scheint  uns  aber  zweifelhaft,  ob  es  bei  der  Einstellung 
auf  Linien  erreichbar  ist,  die  wie  die  Lanthanlinien  eine 
durchschnittliche  Breite  von  0*2  bis  0*3  A.  E.,  also  rund  das 
öOfache  der  verlangten  Einstellungsweite,  haben. 


326 


F.  Exner  und  E.  Haschek, 


Daß  aber  doch  vielleicht  nicht  so  sehr  eine  ungenaue 
Messung  der  gegebenen  Platten  diese  großen  Werte  der 
Abweichungen  hervorbrachte,  sondern  daß  mindestens  teil- 
weise reell  variierende  Stellungen  der  Linien  gegen  die 
Standards,  also  Linienverschiebungen  zur  Erklärung  heran- 
zuziehen sind,  dürfte  aus  den  nachfolgenden  Zusammen- 
stellungen der  beobachteten  Differenzen  hervorgehen.  Die 
weiter  oben  gegebenen  Werte  für  A  sind  so  bestimmt,  daß  ^ie 
einzelnen  Differenzen  in  Tausendsteln  der  Angström  sehen 
Einheit  addiert  und  die  Summen  durch  die  Zahlen  der  gemein- 
samen Linien  dividiert  wurden.  Kürzt  man  nun  der  leichteren 
Übersichtlichkeit  halber  die  Einzelwerte  der  Differenzen  auf 
Hundertel  der  Angström'schen  Einheit  ab,  so  kann  man  eine 
Tabelle  zusammenstellen,  welche  die  Häufigkeit  der  einzelnen 
Abweichungen  darstellt.  Es  ist  dies  in  der  folgenden  Über- 
sicht geschehen.  Darin  sind  unter  A.  E.  die  vorkommenden 
Differenzen,  in  den  weiteren  Kolonnen  ihre  Anzahl  für  die 
gemeinsamen  Linien  in  den  Arbeiten  von  Kellner  (Ke)^ 
Wolf  (Wo)  und  Bertram  (Be)  angegeben. 


A.  E. 

Ke-Wo 

Kc'Bc 

Wo-Be 

0-00.'. 

0-01 

0-02 

003 

0-04 

0-05 

006 

46 
05 
51 
25 
10 
1 
2 

16 

32 

34 

15 

0 

2 

1 

32 

31 

32 

10 

6 

1 

0 

Linienzahl . . 
Ä 

228 
0-0145 

109 
00179 

112 
0-0136 

Man  sieht,  daß  Differenzen,  welche  die  angegebene  Meß- 
genauigkeit übertreffen,  so  oft  vorkommen,  daß  sie  nicht  bloß 
als  zufällige  Fehler  betrachtet  werden  können,  um  so  mehr, 
als  Wolf  und   Bertram   alle   auflalligen   Differenzen   wohl 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  337 

lieh  Linienbreiten  von  0-02  A.  E.  an  und  kaum  einmal  dürfte 
0*1  A.  E.  erreicht  werden.  Treten  nun  neben  der  Hauptlinie 
noch  Trabanten  auf,  so  liefert  jeder  für  sich  auch  beim  Row- 
land'schen  Gitter  sein  Beugungsmaximum.  Doch  müssen  sich 
selbst  für  den  Fall,  daß  die  Trabanten  gemäß  dem  Auflösungs- 
vermögen noch  trennbar  wären,  die  Intensitätskurven  min- 
destens teilweise  überlagern  und  für  die  visuelle  oder  photo- 
^aphische  Beobachtung  eine  resultierende  Intensitätsverteilung 
liefern.  Daß  dabei,  sobald,  wie  aus  unseren  Beobachtungen 
folgt,  die  roten  Trabanten  in  der  Summation  überwiegen,  eine 
Unsymmetrie  sich  ergeben  muß,  ist  sofort  klar.  Aber  ebenso 
leuchtet  ein,  daß  der  Fall  vorkommen  muß,  daß  das  Maximum 
der  resultierenden  Intensitätskurve  sich  verschiebt,  sobald 
einerseits  die  Helligkeit  der  Trabanten  rascher  ansteigt.  Es 
folgt  also  aus  unseren  Beobachtungen,  daß  die  Linien- 
verschiebungen tatsächlich  vorhanden  sind,  sobald  man  mit 
Apparaten  von  mäßigem  Auflösungsvermögen  arbeitet,  und 
daß  sie  allen  jenen  Umständen  parallel  gehen,  welche  die 
Dampfdichte  verändern,  da  mit  dieser  die  rotseits  stehenden 
Trabanten  vorzugsweise  variieren.^ 

Aus  unseren  Beobachtungen  folgt  aber  auch  die  Erklärung, 
warum  Eder  und  Valenta*  und  Keller  keine  Linien- 
verschiebungen konstatieren  konnten.  Eder  und  Valenta 
gingen  bei  ihrer  Untersuchung  von  der  Annahme  aus,  daß  die 
Inkonstanz  der  Stellung  der  Linien  vielleicht  durch  zu  lange 
Exposition  der  Platten,  vielleicht  auch  durch  fehlerhafte  Ent- 
wicklung hervorgerufen  sein  könnte.  Sie  exponierten  daher 
möglichst  kurz,  um  nur  das  Intensitätsmaximum  zu  erhalten 
und  konnten  dann  Verschiebungen  nicht  konstatieren.  Das  ist 
aber  selbstverständlich,  da  bei  der  geringen  Belichtungszeit 
eben  nur  die  Hauptlinie  zur  Geltung  kommt,  die  Trabanten 
aber  nicht.  Aus  demselben  Grund  konnte  auch  Keller  die 
Linienverschiebungen  nicht  beobachten,  da  er  die  Linien  nach 


1  Aus  der  Tatsache  dieser  Verschiebungen  folgt  aber  keineswegs,  und 
darauf  wollen  wir  noch  besonders  aufmerksam  machen,  eine  Veränderlichkeit 
der  Wellenlängen  der  einzelnen  Strahlungen.  Eine  solche  ergibt  sich  bloß  für 
das  Intensitätsmaximum  des  nicht  aufgelösten  Linienkomplexes. 

«  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  112,  Abt.  n  a  (1903). 


328  F.  Exner  und  £.  Haschek, 

Abweichungen  jene  der  negativen  übertrifft  und  sobald  auch 
ihre  Zahl  größer  ist. 

Zu  diesem  Zwecke  können  wir  wieder  zunächst  die 
Lanthanmessungen  heranziehen.  Da  wir  aber  früher  schließen 
mußten,  daß  die  Messungen  Wolfs  die  genaueren  sind,  so 
wird  der  etwaige  Schluß  auf  Verschiebungen  zwingender 
werden,  wenn  wir  bloß  diese  mit  den  Zahlen  Bertram's  ver- 
gleichen. Dabei  rechnen  wir  gemäß  dem  früheren  Ansätze  die 
Abweichung  positiv,  wenn  Wolf,  der  das  Spektrum  reinen 
Lanthans,  also  bei  höherer  Dampfdichte  stärkere  Linien  mißt, 
die  höhere  Wellenlänge  angibt.  Wir  erhalten  so  58  positive 
Differenzen  mit  der  Gesamtsumme  von  0  *  880,  gegen  54  negative, 
deren  Summe  0*648  beträgt.  Wir  dürfen  also  gewiß  den  Schluß 
ziehen,  daß  auch  nach  den  Messungen  Wolfs  und  Bertrames 
Verschiebungen  mindestens  im  Lanthanspektrum  nachweisbar 
sein  müssen.  Noch  zwingender  wird  der  Schluß,  wenn  wir 
gemäß  der  indizierten  Meßgenauigkeit  nur  jene  Differenzen  als 
reell  rechnen,  welche  nach  der  Abkürzung  auf  zwei  Dezimalen 
größer  sind  als  0* Ol  A.  E.,  also  alle  von  0*015  A,  E.  an.  Dann 
ergibt  sich  die  Summe  der  positiven  Abweichungen  zu  0*744 
in  33  Fällen,  die  Summe  der  negativen  aber  zu  0'419  in 
20  Fällen.  Ähnliches  ergibt  sich,  wenn  man  die  sicheren 
wechselweisen  Verunreinigungen  im  Nd  und  Pr  nach  den 
Messungen  Bertram's  benützt.  Wir  bekommen  da  als  Summe 
der  positiven  Abweichungen  0*229  aus  19  Linien,  als  Summe 
der  negativen  nur  0*119  aus  13  Linien.  Dabei  ist  aber  zu 
berücksichtigen,  daß  gemäß  dem  allgemeinen  Verhalten  beim 
Neodymspektrum  entsprechend  seiner  großen  Linienzahl  durch- 
schnittlich kleinere  Verschiebungen  und  diese  seltener,  zu 
erwarten  sein  werden. 

Aus  dieser  statistischen  Untersuchung  ergibt  sich  also, 
daß  auch  nach  den  Messungen  der  Spektren  von  Neodym  und 
Lanthan,  die  von  Kellner,  Wolf  und  Bertram  in  Bonn  aus- 
geführt wurden,  Verschiebungen  in  der  von  uns  angegebenen 
Art  existieren,  daß  also  die  Differenzen  in  den  Wellenlängen, 
welche  wir  in  den  Bogen-  und  Funkenspektren  konstatieren 
konnten,  nicht  bloß  auf  Meßfehler  oder  auf  die  Wahl  einer  zu 
ungenauen  Meßmethode  zurückzuführen  sind.  Übrigens  zeigt 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  329 

ein  Blick  auf  die  für  unsere  Messungen  seinerzeit  gegebene 
Tabelle^  der  A,  daß  die  Bonner  Messungen,  obwohl  sie  Mittel- 
werte sind,  die  unserigen  an  Genauigkeit  nicht  wesentlich 
übertreffen. 

Man  sieht  aus  diesen  Zahlen,  daß  auch  bei  den  unter  mög- 
lichst identischen  Verhältnissen  vorgenommenen  Messungen 
in  Bonn  sich  Diskrepanzen  ergeben,  die,  wenn  die  angegebene 
Meßgenauigkeit  der  Wirklichkeit  entspricht,  sich  nicht  durch 
Zufälligkeiten  erklären  lassen;  dieselben  scheinen  uns  vielmehr 
deutlich  auf  das  Vorhandensein  von  Linienverschiebungen 
hinzuweisen.  Wir  haben  schon  früher^  Gelegenheit  gehabt,  auf 
ganz  ähnliche  Umstände  in  den  Messungen  Rowland's  hin- 
zuweisen, wo  z.  B.  in  Bezug  auf  46  Linien  des  Lanthans  in  der 
Sonne  und  im  Bogen  sich  Abweichungen  im  mittleren 
Betrage  A=:  0*020  A.  E.  ergeben,  was  weit  außerhalb  der 
möglichen  Meßfehler  bei  Rowland  liegt. 

So  sind  wir  denn  vor  die  Alternative  gestellt,  entweder 
anzunehmen,  daß  selbst  bei  gut  definierten  Linien,  wie  sie  den 
obigen  Bonner  Messungen  zu  Grunde  lagen,  die  Meßgenauigkeit 
nicht  über  eine  mittlere  Abweichung  von  zirka  0*010  bis 
0-015  A.  E.  hinausgeht,  wobei  Differenzen  von  0*03  bis 
0*04  A.  E.  in  den  Einzelbestimmungen  gar  nicht  selten  vor- 
kommen ^  oder  die  Ursachen  dieser  Differenzen  tatsächlich 
in  einem  verschiedenen  Werte  der  Wellenlänge  derselben 
Linien  je  nach  den  Bedingungen  der  Aufnahme  suchen  zu 
müssen.  Wie  im  folgenden  gezeigt  werden  soll,  hat  die  letztere 
Annahme  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich  und  es  erklären 
sich  durch  sie  auch  die  auseinander  gehenden  Ansichten 
verschiedener  Beobachter  über  die  Existenz  der  Linienver- 
schiebungen auf  das  einfachste. 

II. 

Es  sind  in  der  letzten  Zeit  von  verschiedenen  Forschern 
Untersuchungen    mit    stark    dispergierenden   Apparaten    an- 


1  Exner  und  Haschek,  Bogenspektren  der  Elemente,  I. 
s  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  115,  Abt.  IIa  (1906). 
S  Vergl.  übrigens  auch  die  Messungen  von  H.  Kayser  und  H.  A.  Row- 
land an  den  Platimnetallen,  deren  Linien  zu  den  bestdefinierten  gehören. 

22* 


330  F.  Exner  und  E.  Haschek, 

gestellt  worden,  die  lehrten,  daß  die  Spektrallinien,  die  wir  mit 
Prismen  oder  Gittern  beobachten,  häufig  nicht  einfach  sind, 
sondern  sich  noch  weiter  in  komplizierte  Spektren  auflösen 
lassen.  Dabei  zeigen  sich  aber  recht  bedeutende  Abweichungen 
in  den  Angaben  verschiedener  Beobachter  über  die  Struktur 
gleicher  Linien;  es  schien  uns  daher  möglich,  daß  wir  auf 
diesem  Wege  Aufschluß  über  den  Mechanismus  der  Linien- 
verschiebungen erhalten  könnten.  Mag  auch  ein  Teil  dieser 
abweichenden  Beobachtungen  erklärbar  sein  durch  Einflüsse 
der  verwendeten  Apparate,  so  sind  doch  die  Diskrepanzen  in 
den  Beobachtungen  zu  groß,  als  daß  sie  bloß  dadurch  hervor- 
gerufen sein  könnten.  Es  weist  auch  L.  Janicki^  gelegentlich 
darauf  hin,  daß  er  in  den  relativen  Intensitäten  der  Kom- 
ponenten öfter  Änderungen  bemerkte,  die  bei  nicht  genügend 
auflösenden  Apparaten  Linienverschiebungen  vortäuschen 
konnten.  Auch  aus  den  Angaben  von  P.  G.  Nutting*  geht 
hervor,  daß  das  Aussehen  der  Linien  mit  den  variablen 
Bedingungen  des  Leuchtens  veränderlich  ist.  Nähere  Daten 
aber  konnten  wir  nirgends  finden,  namentlich  darüber  nicht, 
ob  die  Variationen  sich  vorzugsweise  oder  ausschließlich  auf 
gewisse  Gruppen  der  Trabanten  beschränken,  in  welcher 
Weise  sie  mit  den  Bedingungen  in  der  Strombahn  zusammen- 
zuhängen scheinen  u.  a.  m. 

Wir  unternahmen  es  also,  uns  selbst  darüber  durch  eine 
Untersuchung  Klarheit  zu  verschaffen.  Leider  stand  uns  zu 
diesem  Zwecke  kein  größeres  Stufengitter  zur  Verfügung,  als 
eines  mit  14  Platten,  das  wir  seinerzeit  vonHilger  bezogen 
hatten.  Es  war  uns  daher  nicht  in  allen  Fällen  möglich,  trenn- 
bare Komponenten  auch  wirklich  aufzulösen.  Doch  glauben 
wir,  daß  dieser  Mangel  keinerlei  Einfluß  auf  die  Resultate 
haben  kann,  soweit  sie  zur  Deutung  der  Linienverschiebungen 
herangezogen  werden  können.  Die  Aufstellung  des  Apparates 
war  die  gewöhnliche.  Ein  Spektroskop  mit  konstanter  Ab- 
lenkung entwarf  ein  reelles  Bild  der  Linie  auf  den  Spalt  des 
Sekundärkollimators,  der  auf  Unendlich  eingestellt  paralleles 


1  Feinere   Zerlegung  der  Spektrallinien  etc.  Inaug.-Diss.  Halle  (1905). 

2  Line  Structure,  I.  Astroph.  Joum.,  XXIII  (1906). 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  33 1 

Licht  durch  das  Stufengitter  sendet.  Die  Interferenzerscheinung 
wurde  im  Fernrohr  beobachtet  und  das  Gitter  so  gestellt,  daß 
der  Beugungs Winkel  ein  Minimum,  also  fast  die  ganze  Hellig- 
keit in  ein  Spektrum  konzentriert  war.  Als  Lichtquelle  diente 
uns  der  Bogen,  den  wir  zwischen  Metallstäben  oder  zwischen 
Kohlenstiften  erzeugten,  die  mit  dem  fraglichen  Material  be- 
schickt wurden.  Die  Stromstärke  war  zwischen  etwa  2  und 
20  Ampere  variierbar.  Unter  diesen  Umständen  erhielten  wir 
immer  genügend  definierte  Linien,  wenn  nur  die  Dampfmenge 
im  Bogen  unter  ein  gewisses  Maß  herabsank.  Die  Funken- 
iinien  sind  leider  zu  unscharf,  um  brauchbare  Beobachtungen 
mit  dem  Stufengitter  zu  ermöglichen.  Doch  werden  wir  wohl 
voraussetzen  dürfen,  daß  sie  im  ganzen  und  großen  ein  ana- 
loges Verhalten  zeigen  werden  wie  die  Bogenlinien  und  daß 
wir  die  für  diese  abgeleiteten  Regeln  mit  einiger  Vorsicht  auch 
auf  die  Funkenlinien  werden  anwenden  dürfen. 

Wir  haben  unsere  Beobachtungen  vorzugsweise  an 
solchen  linienarmen  Elementen  angestellt,  bei  denen  wir 
schon  früher  Verschiebungen  konstatiert  hatten.  Es  schien 
uns  diese  Wahl  auch  deshalb  nützlich,  da  bei  der  geringen 
Dispersion  des  Primärspektroskopes  eine  sichere  Orientierung 
in  linienreichen  Elementen  schwer  gewesen  wäre.  Übrigens 
lehrt  auch  eine  Durchsicht  der  Angaben  Nuttin g's,  daß  gerade 
bei  den  linienarmen  Elementen  Variationen  am  ehesten  zu 
erwarten  sind.  Erwähnt  sei  hier  bereits  die  auch  von  anderer 
Seite  registrierte  Erfahrung,  daß  die  Spektrallinien  am  schärf- 
sten von  der  Kathode  emittiert  werden  und  daß  sie  im  kurzen 
Bogen  unscharf  erscheinen.  Das  im  folgenden  öfter  erwähnte 
Flackern  oder  Spritzen  des  Bogens  ist  stets  von  einer 
momentanen  Erhöhung  der  Stromstärke  begleitet  und  dürfte 
davon  herrühren,  daß  der  Bogen  von  einem  reduzierten  Metall- 
kömchen  abgeht,  das  für  kurze  Zeit  eine  größere  Menge 
Dampf  in  den  Bogen  liefert. 

Wir  wollen  im  folgenden  unsere  Beobachtungen. wieder- 
geben, wobei  die  untersuchten  Elemente  nach  steigendem 
Atomgewichte  geordnet  sind. 


332  F.  Exner  und  £.  Haschek, 

Lithium. 

Untersucht  wurden  nur  die  roten  Linien;  bei  X6103  sind 
an  der  Kathode  bei  größerer  Dampfdichte  und  daher  großer 
Helligkeit  7  gleich  starke  Linien  sichtbar,  die  sich  bei  geringen, 
nicht  definierbaren  Änderungen  im  Bogen  auf  3,  4,  5  und 
6  Linien  reduzieren.  Dabei  sind  die  Linien  manchmal  ziemlich 
gleich  stark,  manchmal  überwiegen  die  kleineren  Wellenlängen 
in  der  Intensität.  An  der  Anode  ist  bloß  ein  kontinuierlicher 
Hintergrund  sichtbar;  veränderte  man  bei  geringerer  Dampf- 
dichte, so  daß  6  Linien  sichtbar  waren,  die  Stromstärke  im 
Bogen  von  2  auf  5  und  12  Ampere,  so  änderte  sich  die  relative 
Helligkeitsverteilung  der  Linien  so,  daß  bei  2  Ampere  von 
Violett  her  gerechnet  die  zweite  und  dritte  Linie  am  stärksten 
erschien,  während  bei  5  und  12  Ampere  die  zweite  Linie  ver- 
schwand und  die  dritte  und  fünfte  am  intensivsten  war. 
Es  wanderte  also  der  Schwerpunkt  der  Intensität  dabei 
gegen  Rot. 

Ein  komplizierteres  Verhalten  zeigte  die  Linie  X  6708. 
Hier  ist  bei  sehr  dichtem  Dampf  bloß  eine  ziemlich  breite 
Umkehrung  zu  sehen,  bei  dünnerem  Dampf  erscheint  die 
schmale  scharfe  Umkehrung  auf  der  Seite  der  größeren 
Wellenlängen  von  einer  hellen  Linie  begleitet,  deren  Intensität 
sehr  zunimmt,  sobald  der  Bogen  zischt.  Dabei  treten  beider- 
seits der  Hauptlinie,  aber  intensiver  auf  der  roten  Seite,  noch 
3  bis  5  weitere  Linien  auf.  Nimmt  die  Dampfdichte  noch 
weiter  ab,  so  daß  die  Bogenfarbe  vom  Lithiumgehalt  nichts 
mehr  erkennen  läßt,  so  bleibt  im  Spektrum  bloß  eine  helle 
Linie  übrig,  die  schmal  und  scharf  bei  langem  Bogen,  sehr 
breit  und  verwaschen  bei  kurzem  Bogen  erscheint.  Verstärkten 
wir  jetzt  den  Strom  von  2  auf  5  Ampere,  so  waren  2  starke 
Linien  zu  sehen.  Dabei  war  die  Linie  mit  der  größeren  Wellen- 
länge schwächer;  zwischen  diesen  Linien  war  eine  schwache 
sichtbar.  Wurde  jetzt  der  Bogen  verkürzt,  so  veränderte  sich 
das  Bild  so,  daß  statt  der  Emissionslinien  zwei  Umkehrungen 
auftraten,  von  denen  jene  auf  der  roten  Seite  die  intensivere 
war.  Beim  Zischen  des  Bogens  traten  statt  dessen  etwa 
5  ziemlich  gleich  intensive  helle  Linien  auf. 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  333 


Calcium. 

Bei  der  Linie  X  4527  trat  bei  dichtem  Dampf  eine  Um- 
kehrung auf,  bei  dünnerem  erschien  sie  doppelt.  Wir  konnten 
nicht  entscheiden,  ob  auch  da  die  Umkehrung  noch  bestand, 
da  manchmal  auch  bloß  eine  einfache  Linie  sichtbar  war.  Beim 
Flackern  des  Bogens  trat  mitunter  für  Augenblicke  auf  der 
roten  Seite  der  Linie  ein  Trabant  auf  Die  Linie  X  4578  erschien 
stets  einfach,  meistens  scharf  begrenzt,  manchmal  auch  ver- 
waschen. Auch  X  4586  erwies  sich  als  einfach,  verbreiterte  sich 
aber  gemäß  dem  Fluktuieren  des  Dampfes  im  Bogen  manchmal 
deutlich  nach  Rot.  Die  Linien  X  4878  und  X  5349  sahen  wir 
einfach  und  unveränderlich  mit  den  variierenden  Bedingungen 
des  Leuchtens.  Die  Linie  X  5270  erschien  dreifach,  und  zwar 
war  bei  schwachem  Strom  die  mittlere  die  hellste,  während  bei 
stärkerem  Strom  die  beiden  nach  Rot  stehenden  Linien  gleich 
intensiv  und  viel  stärker  als  die  brechbarere  waren. 

Kupfer. 

Die  Kupferlinie  X5218  ist  bei  dichtem  Dampf  sehr  diffus 
und  läßt  Einzelheiten  nur  schwer  erkennen.  Bei  geringer 
Dampfdichte  sieht  man  an  der  roten  Seite  der  verwaschenen 
Linie  einen  Begleiter  absplittern,  dessen  Intensität  mit  der 
Stromstärke  deutlich  rascher  wächst  als  die  Helligkeit  der 
Hauptlinie.  Bei  sehr  geringer  Menge  von  Kupferdampf  im 
Bogen  ist  X  52 18  scharf  und  erscheint  als  Triplet,  die  Haupt- 
linie ist  von  einem  näher  stehenden  violetten  und  dem  etwas 
weiter  abstehenden  roten  Trabanten  begleitet.  Die  relative 
Helligkeit  der  Begleiter  wächst  mit  Steigerung  der  Stromstärke 
und  jedem  Zischen  des  Bogens.  Die  Linien  X  5253  und  X  5292 
sahen  wir  stets  einfach,  ohne  Trabanten,  X  5780  und  X  5782 
scharf  doppelt,  ohne  entscheiden  zu  können,  ob  es  sich  um 
Duplets  oder  Umkehrungen  handelt. 

Zink. 

Die  violette  Zinklinie  X  4680  zeigte  mit  den  Variationen 
im  Bogen,  also  Flackern  und  Erhöhung  der  Stromstärke,  eine 
deutliche  Verbreiterung  nach  Rot;  dabei  trat  gleichzeitig  auf 


334  F.  Exner  und  E.  Haschek, 

dieser  Seite  auch  ein  Begleiter  auf.  Die  beiden  Linien  X  4722 
und  X  4810  zeigten  einen  solchen  Begleiter  nicht,  hingegen 
sehr  deutlich  die  unsymmetrische  Verbreiterung,  und  zwar 
X  4722  in  geringerem  Grade.  Die  Struktur  in  den  Umkehrungen, 
die  Nutting  sah,  konnten  wir  wohl  deshalb  nicht  konstatieren, 
weil  unser  Stufengitter  bedeutend  geringere  auflösende  Kraft 
besaß. 

Strontium. 

Die  Linie  X  4872  sahen  wir  doppelt,  eine  Umkehrung  an 
der  violetten  Seite,  einen  hellen  Trabanten  an  der  roten.  Bei 
starkem  Strom  und  viel  Dampf  fließt  der  Begleiter  mit  der 
Linie  zusammen,  die  Umkehrung  bleibt  dabei  erhalten. 

Silber. 

Von  Silberlinien  fanden  wir  X  4476  und  X  4668  von  den 
Variationen  im  Bogen  unabhängig  und  stets  als  einfache 
Linien.  Das  grüne  Paar  bei  X  5209  und  5465  war  breit  und 
unscharf.  Beim  Flackern  des  Bogens  spalteten  sich  manchmal 
beiderseits  Begleiter  ab,  aber  stets  leichter  und  deutlicher  auf 
der  roten  Seite. 

Cadxnium. 

Die  Linie  X  4413  ist  eine  helle,  scharfe  Linie  mit  einem 
näher  stehenden  violetten  und  einem  weiter  abstehenden  roten 
Begleiter.  Beim  Zischen  des  Bogens  werden  die  Trabanten 
fast  ebenso  hell  wie  die  Hauptlinie.  X  4678  ist  für  gewöhnlich 
bei  schwachem  Strom  einfach,  bei  starkem  Strom  und  beim 
Flackern  des  Bogens  tritt  auf  der  roten  Seite  ein  Begleiter  auf. 

Zinn. 

Die  Linie  X  4524  sahen  wir  stets  einfach  hell  oder  um- 
gekehrt, X5631  manchmal  einfach  umgekehrt,  manchmal  auch 
drei  getrennte  Umkehrungen.  Der  Absorptionsstreifen  war 
breit  oder  schmal  und  schien  gleichsam  zu  atmen  mit  den 
leichten  Veränderungen  im  Bogen,  öfter  trat  auch  nach  Rot 
vom  Hauptstreifen  eine  Umkehrung  hervor. 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  335 

Baiyum. 

Die  Linie  X  4432  sahen  wir  stets  einfach,  variabel  war  bloß 
die  Linienbreite.  X  4554  ist  scharf  oder  verwaschen,  hell  oder 
umgekehrt,  die  Umkehrung  ist  schmal  und  scharf  oder  breit 
diffus,  stets  aber  ist  die  Linie  symmetrisch  und  frei  von  Be- 
gleitern. Ebenso  zeigten  sich  als  einfach  die  Linien  X  4934  und 
X  5519,  welch  letztere  auch  als  Umkehrung  frei  von  Trabanten 
blieb.  X  5535  erschien  bei  geringer  Dampfdichte  als  Duplet  oder 
Triplet,  wobei  die  dritte  Linie  bei  Erhöhung  der  Stromstärke 
auf  der  violetten  Seite  auftrat.  Bei  dichtem  Dampf  sahen  wir 
fünf  äquidistante  Linien;  jene  mit  der  größten  Wellenlänge  war 
am  schwächsten  und  wuchs  in  der  Helligkeit  rascher  als  die 
übrigen,  sobald  der  Bogen  zischte.  Die  Linie  X  5853  ist  bei 
dichtem  Dampf  einfach  umgekehrt,  doch  ist  die  rote  Kom- 
ponente der  Umkehrung  heller  und  verbreitert  sich  stärker  als 
die  violette.  Bei  dünnem  Dampf  treten  zwei  Umkehrungen  auf, 
deren  rote  länger  persistierte.  Manchmal  treten  beiderseits  der 
Linie  zwei  bis  drei  Trabanten  auf,  stets  leichter  und  heller 
auf  der  Seite  der  größeren  Wellenlängen.  Bei  extrem  dichtem 
Dampf  erheilt  sich  der  ganze  Hintergrund  und  zeigt  fünf 
ziemlich  gleichmäßige  Maxima.  Die  Linie  X  5907  sahen  wir  als 
Umkehrung  mit  je  einem  Begleiter  auf  der  roten  und  violetten 
Seite.  Beim  Zischen  des  Bogens  oder  bei  Verstärkung  des 
Stromes  traten  auf  der  roten  Seite  noch  zwei  bis  drei  Trabanten 
auf  Die  Linie  X  6142  ist  eine  einfache  helle  Linie,  die  sich  beim 
Zischen  des  Bogens  umkehrt  und  dabei  nach  Violett  einen 
nahen,  nach  Rot  einen  weiter  abstehenden  Begleiter  zeigt.  Die 
Linie  X  6497  zeigt  sich  als  Triplet,  eine  helle  oder  umgekehrte 
Hauptlinie  mit  zwei  gleichen  und  äquidistanten  Begleitern  zu 
beiden  Seiten.  Der  rote  Trabant  überwiegt  bei  Verstärkung  des 
Stromes  oder  beim  Zischen  des  Bogens,  gleichzeitig  taucht 
zwischen  ihm  und  der  Hauptlinie  noch  ein  zweiter  Trabant  auf 
und  ebenso  erhellt  sich  hier  der  Hintergrund. 

Wismuth. 

Zur  Beobachtung  gelangten  die  Linien  X  4722  und  X  4733. 
Beide   sind  umgekehrt  und  verändern   sich   nicht    mit    den 


336  F.  Exner  und  E.  Haschek, 

Variationen   im   Stromkreise;   X4722   ist   ein   Duplet,   X4733 
einfach. 


Außerdem  beobachteten  wir  eine  Reihe  heller  Linien  in 
den  Spektren  von  Cr,  Fe,  Ti.  Außer  Umkehrungserscheinungen 
oder  Änderungen  der  Linienbreite  mit  der  Intensität  konnten 
wir  keinerlei  auffällige  Erscheinungen  sehen,  die  nicht  schon 
von  Nutting  beschrieben  wären.  Namentlich  sahen  wir  keinerlei 
einseitige  Intensitätsänderungen  und  kein  einseitiges  Auf- 
tauchen von  Trabanten. 

in. 

Eine  Durchsicht  der  Beobachtungsergebnisse  lehrt  nun, 
daß  in  allen  jenen  Fällen,  wo  Trabanten  mit  variabler  Intensität 
oder  in  wechselnder  Anzahl  neben  der  Hauptlinie  beobachtet 
werden  konnten,  stets  die  rote  Seite  bevorzugt  war.  Da  nun 
die  allgemein  benutzten  Rowland'schen  Gitter  das  Auflösungs- 
vermögen selbst  unseres  kleinen  Stufengitters  nicht  erreichen 
und  vor  allem  anderen  nie  so  scharf  definierte  Linien  wie  dieses 
zu  liefern  im  stände  sind,  so  muß  sich  eine  Veränderlichkeit 
ergeben,  die  stets  die  rote  Seite  der  Linie  bevorzugt  Wir  über- 
blicken heute  in  den  violetten  und  ultravioletten  Bogen-  und 
Funkenspektren  ein  Material  von  rund  80.000  Linien.  Unter 
allen  diesen  wird  man  fast  nur  die  Angabe  einer  Unsymmetrie 
der  Linie  nach  Rot  finden,  da  in  kaum  zehn  Fällen  eine  ein- 
seitige Abschattierung  nach  Violett  konstatiert  werden  konnte. 
Die  Erklärung  für  diese  Erscheinung  ist  nach  unseren  Beob- 
achtungen eine  sehr  einfache;  denn  da  die  Linienverschiebungen 
vorwiegend  an  Linien  auftraten,  die  einseitig,  und  zwar  nach 
Rot  verbreitert  sind,  so  wird  der  Einfluß  der  Bevorzugung  der 
rotwärts  stehenden  Trabanten  aus  folgendem  klar.  Das  Row- 
land'sche  Gitter  liefert  für  eine  homogene  Linie  ein  Beugungs- 
maximum von  einer  bestimmten  Breite  und  Intensitätsverteilung. 
Die  Kurve  hiefür  ist  eine  vollkommen  symmetrische,  ihre 
Basisbreite  aber  bedeutend  größer  als  dem  reellen  Wellen- 
längenunterschiede der  Ränder  entsprechen  würde.  Beobachtet 
man  doch  an  halbwegs  kräftigen  Linien  kaum  je  eine  geringere 
Breite  als  etwa  0*2  A.  E.  Nun  gibt  aber  Nutting  durchschnitt* 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  337 

lieh  Linienbreiten  von  0'02  A.  E.  an  und  kaum  einmal  dürfte 
O'l  A.  E.  erreicht  werden.  Treten  nun  neben  der  Hauptlinie 
noch  Trabanten  auf,  so  liefert  jeder  für  sich  auch  beim  Row- 
land'schen  Gitter  sein  Beugungsmaximum.  Doch  müssen  sich 
selbst  für  den  Fall,  daß  die  Trabanten  gemäß  dem  Auflösungs- 
vermögen noch  trennbar  wären,  die  Intensitätskurven  min- 
destens teilweise  überlagern  und  für  die  visuelle  oder  photo- 
graphische Beobachtung  eine  resultierende  Intensitätsverteilung 
liefern.  Daß  dabei,  sobald,  wie  aus  unseren  Beobachtungen 
folgt,  die  roten  Trabanten  in  der  Summation  überwiegen,  eine 
Unsymmetrie  sich  ergeben  muß,  ist  sofort  klar.  Aber  ebenso 
leuchtet  ein,  daß  der  Fall  vorkommen  muß,  daß  das  Maximum 
der  resultierenden  Intensitätskurve  sich  verschiebt,  sobald 
einerseits  die  Helligkeit  der  Trabanten  rascher  ansteigt.  Es 
folgt  also  aus  unseren  Beobachtungen,  daß  die  Linien- 
verschiebungen tatsächlich  vorhanden  sind,  sobald  man  mit 
Apparaten  von  mäßigem  Auflösungsvermögen  arbeitet,  und 
daß  sie  allen  jenen  Umständen  parallel  gehen,  welche  die 
Dampfdichte  verändern,  da  mit  dieser  die  rotseits  stehenden 
Trabanten  vorzugsweise  variieren.^ 

Aus  unseren  Beobachtungen  folgt  aber  auch  die  Erklärung, 
warum  Eder  und  Valenta"  und  Keller  keine  Linien- 
verschiebungen konstatieren  konnten.  Eder  und  Valenta 
gingen  bei  ihrer  Untersuchung  von  der  Annahme  aus,  daß  die 
Inkonstanz  der  Stellung  der  Linien  vielleicht  durch  zu  lange 
Exposition  der  Platten,  vielleicht  auch  durch  fehlerhafte  Ent- 
wicklung hervorgerufen  sein  könnte.  Sie  exponierten  daher 
möglichst  kurz,  um  nur  das  Intensitätsmaximum  zu  erhalten 
und  konnten  dann  Verschiebungen  nicht  konstatieren.  Das  ist 
aber  selbstverständlich,  da  bei  der  geringen  Belichtungszeit 
eben  nur  die  Hauptlinie  zur  Geltung  kommt,  die  Trabanten 
aber  nicht.  Aus  demselben  Grund  konnte  auch  Keller  die 
Linienverschiebungen  nicht  beobachten,  da  er  die  Linien  nach 


1  Aus  der  Tatsache  dieser  Verschiebungen  folgt  aber  keineswegs,  und 
darauf  wollen  wir  noch  besonders  aufmerksam  machen,  eine  Veränderlichkeit 
der  Wellenlängen  der  einzelnen  Strahlungen.  Eine  solche  ergibt  sich  bloß  für 
das  Intensitätsmaximum  des  nicht  aufgelösten  Linienkomplexes. 

t  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  112,  Abt.  II  a  (1903). 


338 


F.  Exner  und  E.  Haschek, 


den  durch  den  Astigmatismus  erzeugten  Spitzen  bestimmt. 
Diese  entsprechen  der  Lage  der  Hauptlinie,  der  Linie  maximaler 
Intensität,  aber  nicht  dem  Intensitätsmaximum  des  Konglo* 
merateSy  das  wir  im  Rowland*schen  Gitter  als  Linie  beobachten 
und  messen  müssen. 

Ob  wir  mit  der  vorstehenden  Erklärung  der  Linien- 
verschiebungen das  Richtige  getroffen  haben,  ließe  sich  am 
einfachsten  entscheiden,  wenn  man  die  in  unseren  früheren 
Spektraluntersuchungen  als  verschoben  oder  unverschoben 
bezeichneten  Linien  auf  ihr  Verhalten  im  Stufengitter  prüfen 
würde.  Da  sich  unsere  früheren  Messungen  nur  auf  einen 
kleinen  Bezirk  im  sichtbaren  Teil  des  Spektrums  erstreckten, 
die  Beobachtungen  im  Stufengitter  aber  wegen  des  momentanen 
Wechsels  im  Aussehen  der  Trabanten  subjektiv  gemacht 
werden  müssen,  so  ist  die  Anzahl  der  zum  Vergleiche  heran- 
zuziehenden Linien  nur  eine  sehr  geringe.  Wir  haben  in  dem 
für  beide  Messungsreihen  sich  deckenden  Bereich  nur  zwei 
von  uns  früher  als  unverschoben  bezeichnete  Linien:  BaX  4432 
und  X  4554.  Beide  Linien  zeigten  sich  in  unserem  Stufengitter 
einfach  und  symmetrisch.  Linien,  die  wir  seinerzeit  als  ver- 
schoben oder  stark  nach  Rot  verbreitert  angegeben  haben,  sind 
nebst  ihrem  Verhalten  im  Stufengitter  in  der  folgenden  kleinen 
Tabelle  zusammengestellt. 


Element 

X 

Verschiebung 

Verhalten  im  Stufengitter 

Ca 

4527 

Verwaschen  nach  Rot 

Beim  Flackern   des  Bogens  roter 

Trabant. 

Ca 

4578 

0-lOA.  E. 

Einfach,  manchmal  verwaschen. 

Ca 

4586 

0-09  A.  E. 

Verbreitert  sich  nach  Rot 

Zn 

4680 

Verwaschen  nach  Rot 
0-07  A.  E. 

Verwaschen  nach  Rot,  manchmal 
roter  Begleiter. 

Zn 

4722 

Umgekehrt,  007  A.  E. 

Unsymmetrisch  nach  Rot  verbreitert 

Zn 

4810 

Verwaschen  nach  Rot 
0-08  A.  E. 

Sehr  unsymmetrisch  nach  Rot  ver- 
breitert 

Über  weitere  fünf  Linien  des  Cd,  Ag  und  Sn,  die  beiden 
Untersuchungen  gemeinsam  sind,  läßt  sich  nichts  aussagen,  da 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  339 

unsere  früheren  Messungen  bezüglich  einer  Verschiebung 
keine  Angaben  enthalten.  Soweit  sich  aus  den  wenigen  vor- 
stehenden Daten  etwas  entnehmen  läßt,  widersprechen  die- 
selben jedenfalls  nicht  der  von  uns  geäußerten  Ansicht, 
scheinen  sie  vielmehr  zu  bestätigen.  Sehr  dankenswert  wäre 
es,  wenn  vielleicht  von  anderer  Seite  mit  Hilfe  eines  wesentlich 
größeren  Stufengitters  ein  derartiger  Vergleich  zwischen 
Komplexität  und  Verschiebung  der  Linien  durchgeführt  würde. 
Von  verschiedenen  Beobachtern  sind  schon  ähnliche 
Untersuchungen  wie  die  vorstehende,  doch  mit  Hilfe  größerer 
Dispersionen  ausgeführt  worden.  Alle  beweisen  die  Existenz 
teils  einfacher  unveränderlicher,  teils  sehr  komplexer  und  ver- 
änderlicher Linien.  So  fand  R.  A.  Houstoun  ^  die  Zusammen- 
setzung der  Spektrallinien  sehr  variabel  mit  der  Art  des 
Brennens  des  Bogens,  und  J.  Barnes^  kam  zu  denselben 
Resultaten  bezüglich  der  Spektren  des  Bogens,  von  Flammen 
und  Vakuumröhren;  er  kommt  zu  dem  Schlüsse,  daß  bei  so 
hoher  Auflösung  die  Linien  nur  für  ganz  spezielle  Verhältnisse 
des  Brennens  definiert  sind.  Bestätigt  werden  diese  Ergebnisse 
von  Chr.  F  a  b  r  y  *  gelegentlich  einer  Untersuchung  des 
Cadmiumspektrums,  der  unter  anderem  bei  der  Linie  X  5086  je 
nach  der  Art  der  Entladung  im  Vakuumrohr  einen  roten 
Satelliten  auftreten  und  verschwinden  sah.  L.  Janicki*  fand 
bei  seinen  ausführlichen  Untersuchungen  mit  dem  Stufengitter 
zwar  niemals  eine  Veränderung  der  Wellenlänge  der  Satelliten 
durch  die  Bedingungen  des  Leuchtens,  wohl  aber  häufig  Ver- 
änderungen ihrer  relativen  Helligkeit  und  erwähnt  schon,  daß 
durch  diesen  Umstand  bei  nicht  genügender  Dispersion  Linien- 
verschiebungen beobachtet  werden  können.  Die  ausführlichsten 
Untersuchungen  über  diese  Frage  liegen  von  P.  G.  Nutting^ 
vor.  Er  findet  eine  große  Variabilität  im  Aufbau  der  Linien  und 
behauptet  nicht  nur  Veränderungen  in  der  relativen  Helligkeit, 
sondern  auch  in  der  relativen  Lage  je  nach  dem  Brennen  des 


1  Phil.  Mag.,  VII  (1904). 

*^  Astroph.  Journ..  19  (1904). 

»  C.  r.,  138  (1904). 

«  Diss.  Halle  (1905). 

ö  Astroph.  Journ.,  23  (1906). 


340  F.  Exner  und  £.  Haschek, 

Bogens  an  Satelliten  beobachtet  zu  haben.  Leider  findet  sich 
bei  all  diesen  Beobachtungen  kaum  einmal  eine  Angabe,  auf 
welcher  Seite  der  Hauptlinie  die  Veränderungen  besonders 
sichtbar  werden. 

Direkte  Beobachtungen  an  Funkenspektren  mit  stark 
dispergierenden  Apparaten  liegen  nicht  vor,  da  für  diese  die 
Funkenlinien  mit  zu  großer  Breite  auftreten.  Doch  ist  wohl  zu 
vermuten,  daß  bezüglich  einer  Zusammensetzung  der  Linien 
und  namentlich  des  Verhaltens  der  Trabanten,  abgesehen  von 
dem  voraussichtlichen  Ineinanderfließen  derselben,  das  gleiche 
gelten  wird  wie  beim  Bogen. 

Ob  die  starken  Verschiebungen  bei  hohem  äußeren  Druck, 
die  W.  B.  Anderson  ^  bei  umgekehrten  Linien  und  G.  Haie 
und  N.  A.  Kent  ^  bei  Eisenlinien  bis  zu  0*22  A.  E.  gefunden 
haben,  auch  nur  bei  komplexen  Linien  auftreten,  können  wir 
nicht  entscheiden;  es  ist  aber  wohl  anzunehmen,  daß  durch 
hohen  äußeren  Druck  die  Emission  des  Funkens  ähnlich  be- 
einflußt wird  wie  durch  Änderung  der  Stromstärke,  Kapazität 
etc.,  so  daß  komplexe  Linien  auch  hier  bei  einer  eventuellen 
Bevorzugung  der  rotseitigen  Trabanten  eine  Verschiebung  des 
resultierenden  Intensitätsmaximums  nach  größeren  Wellen- 
längen erkennen  lassen  müssen. 

Wenn  unsere  im  vorhergehenden  geäußerte  Anschauung 
richtig  ist,  so  wäre  es  müßig,  darüber  zu  streiten,  ob  die  Ver- 
schiebungen reell  sind  oder  nicht;  ist  die  Dispersion  keine 
genügende,  so  daß  eine  komplexe  und  variable  Linie  einheitlich 
erscheint,  so  wird  ihr  Intensitätsmaximum  je  nach  den  Ver- 
suchsbedingungen mit  verschiedener  Wellenlänge  bestimmt 
werden.  Und  in  diesem  Sinne  sind  die  Verschiebungen,  wie  wir 
und  andere  Beobachter  sie  gefunden  haben,  reell.  Dabei  ist  es 
aber  doch  möglich,  daß  jede  einzelne  Komponente  der  Strahlung 
eine  invariable  Wellenlänge  besitzt  und  insofern  sind  die  Ver- 
schiebungen unreell.  Wenn  es  sich  aber  um  spektralanalytische 
Untersuchungen  handelt,  die  mit  Apparaten  ausgeführt  werden 
mit  nicht  größerer  Dispersion  als  sie  Gittern  gewöhnlich  zu- 


1  Astroph.  Journal,  24  (1906). 

2  Ebenda,  17  (1903). 


Verschiebung  der  Spektrallinien.  34 1 

kommt,  wird  man  immer  mit  diesen  Verschiebungen  zu 
rechnen  haben;  in  noch  höherem  Maße  natürlich  bei  An- 
wendung von  Prismenapparaten,  wie  sie  bei  astrophysikalischen 
Untersuchungen  benützt  werden.  Wir  haben  schon  bei  einer 
früheren  Gelegenheit  darauf  hingewiesen  und  wollen  es  hier 
nochmals  tun,  daß  bei  Anwendung  des  Doppler'schen  Prinzipes 
zur  Bestimmung  von  Sterngeschwindigkeiten  diese  Verschie- 
bungen eine  sehr  unangenehme  Rolle  spielen  müssen.  Es  ist 
gar  nicht  zu  verwundern,  daß  bei  Bestimmung  dieser  Ge- 
schwindigkeiten aus  verschiedenen  Linien  sich  eben  infolge 
der  Verschiebungen  Differenzen  ergeben,  die  die  Meßfehler 
übersteigen.  Wir  verweisen  diesbezüglich  auf  eine  Unter- 
suchung von  A.  Belopolsky,^  aus  der  das  eben  Gesagte 
deutlich  hervorgeht.  Die  Geschwindigkeiten  desselben  Objektes, 
wie  sie  aus  verschiedenen  Linien  berechnet  werden,  differieren 
untereinander  regellos  um  Beträge  von  solcher  Größenordnung, 
wie  sie  den  von  uns  beobachteten  Verschiebungen  unter  den 
verschiedenen  Bedingungen  des  Leuchtens  entsprechen.  Eine 
richtige  Bestimmung  der  Geschwindigkeit  würde  nur  aus  der 
Beobachtung  solcher  Linien  zu  folgern  sein,  die  auch  bei  der 
stärksten  Auflösung  sich  als  einfach  erweisen. 


1  Astroph.  Journ.,  19  (1904). 


1 


Um&mtut  F,t  Obtr  die  Besüamiungi  dtf  quairalisclMtt  TaHer  algebraischer 
Poinien. 

Süx.Ber»  der  Wiener  Almd.»  IIa.  Abt.»  Bd.  116  (1907);  p.  153—166. 


Formeoi  Ober  die  Bestimmung  der  quadratischen  Tetler  derselben. 

Hocevar  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd»  116  (1907), 
p.  153-166. 


T«iler,    Ober  4f<e   Bestimmtmg  der  quadratischen  Teiler  der   algebraischen 
Formen. 

Hocevar  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Aiud.,  IIa.  Abt.,  Bd.  U6  (1907), 
p.  153—166. 


Hopftier  F.,  Untersuchung  über  die  Bestrahlung  der  Esde  -durch  die  Sonae  mit 
Berücksichtigung  der  Absorption  der  Wärmestrahlen  durch  die  aCmo- 
sphärische  Luft  nach  dem  Lambert'schen  Gesetze.  (I.  Mitteilung:  Ana- 
lytische Behandlung  des  Problems.) 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  167—234. 


Bestrahlung  der  Erde  durch  die  Sonne.  Untersuchung  darüber  mit  Berück- 
sichtigung der  Absorption  der  Wärmestrahlen  durch  die  atmosphärische 
Luft  nach  dem  Lambert'schen  Gesetze.  (I.  Mitteilung.) 

Hopfner  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  167—234. 


Erde,  ihre  Bestrahlung  d^ech  die  Sonne.  Untersuchung  darüber  mit  BmrüCk- 
sichti&ung  der  Absorption  der  Wärmestrahlen  durch  die  atmosphärische 
Luft  nach  dem  Lamberf  sehen  Gesetze.  (I.  Mitteilung.) 

Hopfner  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907), 
p.  167— 2a4. 


Sonne,  Untersuchungen  über  die  Bestrahlung  der  Erde  durch  diese  mit  Berück- 
sichtigung der  Absorption  der  Wärmestrahien  durch  die  atmosphärische 
Luft  nach  dem  LaAiberf  sehen  Gese^e.  (I.  MftteÜung.) 

Mopfner  F.,  Sftz.  Ber.  der  Wlen^lr  Akad.,  IIa.  Abt.,  Öd.  f  15  (1907), 
p.  167—234. 

Abt.  IIa,  Februar. 


l 


lariDaiÄido^Fß   laliaT  nsrioeiißibaup   loL   •gnummli^aB  oifa   ladO   ,.*i  lAVdSoH 

.n»fino'? 
.ft()J— af,I  .q  ,(7001)811  .ba,JdA.fllI  ..baslA  lonatW  isb  .198  .sli2 


itodlüPiob  idlioT  ntirloail/nbfiuij  löb  ^numinüedä  oib  ladÜ  ,n9iino1 
,(7üÖI)  91 1  .ba  ,.idA  .ßll  ,.ba3iA  ioni>iW  löb  ,i»a  .sJl8  .."^  ißvsooH 


nariaaifiidoglB    lab    loll'yr   nürio^-DinbiJUp   isb   ;gnunimi}Sda    aib   nadÜ    ,t«lidT 

.nanno'^ 
,(VOGI)  811  .ba  ,.JdA  .ßll  vbflilA  landiW  idb  .Tsfl  .s)i2  ,/•!  lavaSoH 

.88  t— Cai  .q 


Jim   önrio2  -jib  rloiuL  uLiH  ist  ^nuIdßiijjaH  oib  lödü  griudouaidlnU  ,.1  isulqoH 
-omJij   sjh    rioiub    noIrlLUso/msV/  isb  noilqioadA  idb  {jnu^tldoföiloijiafl 
-An/.   :^nijlidjitM    I)   .asJdät^O  nadda'hddmaJ   mab  ridan  i\ud  drioehäriqs 

(.amoiduiT  eob  gnuIbcuidaH  adoeilxl 
.^-i;!'— Tbl  .q  ,(70öl)  Ol  I  .ba  ,.ldA  .all  ,.ba)IA  lanaiW  lab  .laa  .sti2 


-jlom'jH  Jim  la^iüiub  ^nu(iL.udi'j)n')   .unr:üfi  «jib   doiub  öbi3  lab  ^niftilAilaofl 
aric^^liiiriqaomJß  *jib  riDiub  nalriaijesmißV/  lab  oobqioadA  lab  gnugildare 

(.^nu lioJjrl/.  .1)  .asJseoü  nadaa'iiadmaJ  mab  ddan  üuA 
XTOei)  öl  I  .ba  ,.idA  .all  ,.ba>IA  lanaiW  lab  .tüH  .^itZ  ,,H  lanlqoH 

.*^8S— 781  .q 


->!3iiiaa  Jim  tsduiob  ^gnudou^iaJnU  .annoS  aib  doiub  snuldaiiaaa  airii  ,9b^a 
adozhadqaomJa  aib  doiub  ^üIdß-li^^m-tüV/  lab  noiiqiOBdA  lab  ^u^üdars 

(anuIiyJiiM  .1)   ösJop'j. >  nadaa'JiadmaJ  mab  doan  llu.I 
,(tOei)  dl  t  .ba  «.JdA  .All  ,.ba2lA  lanaiWiafo  .laa  .5Ji2  «.'^  lanlqoH 

W:2~78I  .q 


•}laüi9fl  tim  aeaib  dDiub  abiH  i^b  ^nuIdaiJsaU  arb  ladu  na^nuriaueiain' I  .annoci 
odasriädqeofTita  aib  doiub  naldaiJzannJiW  lab  nobqioadA  lab  ^nu^iidore 

('.^nuItaJüM  .1;  .asiaeaD  nadaa'JiadmaJ  mab  doBti  fiud 
,(TOGn  SM  .ba  ,,JdA  all  ..barfA  lanaiV/  lab  .laa  ,sJi2  ,,H  lanlqoH 

.1^82— TÖl  .q 


Sebesmpfliig  Hl,  Pjf  HersteUuni;^  von  Kart^a  uod  Pl&nea  auf  photographi- 
schem Wege.  •,  ^ 

SAU,  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  235^266. 


BaUonphotogranunetriei  Auswertung  von  Ballonphotographien  zu  Karten  und 
Plänen  auf  photographischem  Wege. 

Scheimpflug  Th.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  235-266. 


Landesvermessmig  auf  photographischem  Wege  vom  Ballon  aus. 

Scheimpflug  Th.,  Sitz."  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  AbL,  Bd.  116 
(1907),  p.  235-266. 


Photoperspektograph,  photographischer  Reproduktionsapparat  durch  Durch- 
führung schiefer  Abbildungen. 

Scheimpflug  Th.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116 
(1907),  p.  235—266. ' 


Schiefe  Abbildung,  Theorie  derselben. 

Scheimpflug  Th.,mz.*h^:  <Mr  Wiener  Akad.,  IIb.  Abt.,  Bd.  116 
(1907).  p.  335— «66.  - 


Hofbauer  G.|  ÜbAr  das  Vorkommen  der  seltenen  Erden  auf  der  Sonne. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  llß  (1907),  p.  267—313. 


Seltene  Erd^tn,  Über. deren  Vorl^omm^  auf  der  Sonne. 

HofbauerG-x^jlz-  Ber,  der  Wiener  Akarf.,  Ha.  Abt.,  ßd.  116  (1907), 
p.  267—313. 


Erden,  seltene.  Ober  deren  Vorkommen  auf  der  Sonne. 

Hofbauer  G!^  Sitii  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  267—313. 


Sonne,  Ober  das  Vorkommen  der  seltenen  Erden  auf  derselben. 

Hofbauer  0.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  267-313. 


:OiY^—üy,^  .q  ,(TOü])  (Ml.hü  ..tdA  .ßll  „bßiiA '»noiW  tdb  .»a.sJi2 


OH  .ba  .JcfA  .ßll  ,.bß>IA  lansIV/  isb  .laH  .s)i2  ,.riT  gunqmi^doa 

M^^i^Q2  .q,(VOer) 


.ft6S-ß8£  .q  ,(T0Ö1) 


-rbi.jO  fi'jiuL  )f>if;qqnc'fioi)/Iijboiq'jSI    luiljgfriqüiyojoflq  ,ilqAi;^o)49qei9qoioff^ 

eil  .ba  ,.JdA  .xill  ,.bn)IA  isnaiV/  lol  .108  .s)i8  ,.riT  aunqrniarioa 

.802—582  .q  ,(TOÖI) 


rji  r  .ha  ..]'.A  .dll  ,.biiyIA  lonoiV/  lOü  /latl  .sJi2  ».riT  ^unqmiöxtoä 

.a02— c^;2  .q  .(VOÖI) 


..'.:ö-  :..'::   'i  .'^ui.'i;  0!  i  .LH  ,Jr^A.i,II..bja;iA-ii;naiV/'i9b.i9a.Äli2 


.•>.':.    ^?.  T)'..  n;ß  nommojhoV  naiob  loäVf  ,a9bi3  sndild«^ 
.(Toijl)  011    ba  ,.rd/'  .ßll  ..b/MAio  i'jfWi9b.isa  .str8,.Oi9üßd'!oH 

.bl€~70£  .q 


»ClOO^dll  .ba  .jdA.ßll  ,.bßjlA  lonaiV/ 19b  .loa  .sJi2  ^.O -»aujidtoH 

.eis— ^d*:  .q 


nodb-.ioo  )ua  ndbiH  xiaa:*Hd2  lob  ndoirno^doV  8«b  7«»d0  f9nno8 
,<\Oyi)  öll  .ba  ,.ldA  .ß  U  ..bßiiAiWötW  19b  .laÜ  .sJi2  ».Oi^ü^dloH 

.ei€-Tdß  .q 


Spektrum  der  Sonne,  bezüglich  der  seltenen  Erden  untersucht. 

Hofbauer  G.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  267—313. 


Meyer  St.  und  Schweidler  E.,  v.,  Untersuchungen  über  radioaktive  Sub- 
stanzen. (VIII.  Mitteilung.)  Ober  ein  radioaktives  Produkt  aus  dem 
Aktinium. 

SiU.  Ber.;;44r  iViei|eTAlM^'i(i«  AU.4  6d^  11^  (1907),p.  315—322. 


Schweidler  E.,  v.  und  Meyer  St.,  Untersuchungen  über  radioaktive  Sub- 
standet).  (yi^L.  Mittpifup^ ,  p)>er  pia.  ra()^o^tiye^  frodtikt  ,aus.(len> 
Aküttium.  '■'*'•••/'    1      :'    '.'    1^.'     •/ '    -',;':•    ^ 

SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad!,  Ha.  Abt.',  Bd.  1 16  (1907)',  p. '315— 322. 


■•  /~ .    • 


Aktiniulo,  Zfidi^lsproduktev^xlesseljbeOr 

Meyer  St.  und  Seh  weid'ler  E.,  v.'/ Sitz.  Ber.    der  Wiener  Akad., 

II  a.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  316—322. 


RadioaktiveB  Produkt  aus  dem  Aktinium. 

Meyer  St.  und  Schweidler  E..  v.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad., 
IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907),  p.  315—322. 


Exner  F.  und  Haschek  Ed.,  Über  die  Verschiebui\g;  der  Spektrallinien. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1908),  p.  323—341. 


Haschek  Ed.  und  Exner  Ff  Über  die  Verschiebung  der  Spektrallinien. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad..  IIa.  Abt.^  Bd.  1 16  (1907),  p.  323—341. 


Spektrallinien,  Ober  die  Verschiebungen  der  — . 

Exner  F.  und  Haschek  Ed.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt., 
Bd.  116  (1907),  p.  323—341. 


8 


Jd'jr.rf-iolriJ  rijbiyi  nar  Mop  ^oL  rioilgüsvf  ^^nnoti  tjL  tntrüTX^q^ 
.rTOG!  '  «UJ  .Lj{!  ,.)r:A  .1:1 11  ,.U>I/.  -jäioiV/  lob  loH   Kjf?  ,.0  1 91,11  ff ^<^H 

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.L'i:^:~olK  .q.G^^GI)OII  .ba  ,JdA  .i;lK.bii>l/  lanaiV/ lob  .loiJ  .sJiS 


-du?.    oviJ>';;'..bj.:    iidij    ;:j^.;i:  rl;i.vij  .f  I    j.i<^    ivyoIÄ   bru    .v   ,.3    i:ilbi9wrf38 
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.muiriiJiiA 
.L'L't;— .'..r  .q  ,f.';ÜI;  rjl  I  .bü  ,  JdA  .i;!I  ..budA  loaoiV/idb  .laS  .Sji8 


.nofloc  9b  oi/iiJbcnqf',nfilTjJ^  »rnutniiifA 
,.br.>'A  T^foi'//  lob    .loH  .x)i8  ..v  ,.H  Tjll>i97/i!t-c!   bnu  Jd  laydl/ 

.LS'K     Gf^:  .q  .(VOGi)  ÖII  .bfl  ..MA  .n  II 


.muiniJilA  nxdb  »ftiß  JiJaboi^  «svil^fAoibltH 

,.bßjl/.  T0f!'*i7/ Tjb  .i)J!   .CxJ'B  t'/  ,.3  '10  I  b  f 'jv/ d  j>!  bnu  .J8  lO'^öM 

.VJ.  -i,li:  q  A^OÖi)  On  .bH  «JdA.ÄlI 


N'^;     M'«  .^;  /r..ju:;  'Jll  .bH  ,.iaA  .idi  ,  bj:>[A -iDfi^iV/ -lüb  .rjtl  .sV? 


.fijirrilni./j  :q<:'.  i-jb  ^'i  'f-^irlj-ji.- /  3ib  r^Wj  ,/i  ianz3  biiii  .b3  Ai^donM 
fi  v_.:^'.;  rj  ,.TO^M;  <) 1 1  .l'd  ,.jdA  ,nll  ,.bfl;iArji;oiV/iob.i3a.in2 


.  -    T)b  rt^>i  ^dOid'^^ioV  oib  ladÜ  »ndtoHtetiildqS 
jd/.  .£11  ..bß/iA  TDnaiV/ Tt'h   tdJI  ,zii?.  ,.'3  >l3ii:t;i:H  Lnu   1  T3nz3 

Jh.— €i:^.  .q  ^('OGr.  ÖII  .bS 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERUCHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATORWISSENSCHAFTUCHE  BXASSE 


CXVC  BAND.  m.  HEFT. 


ABTEILUNG  Uo. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


23 


345 


Über  die  Berechnung  einer  Ellipse  aus  zwei 
Radien  und  dem  eingeschlossenen  Winkel 


von 


Prof.  E.  Weiss, 

w.  M.  k.  Akad. 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung:  a™  14.  MSn  1907.) 

Bei  der  Berechnung  der  Bahn  eines  Asteroiden  geht  man 
bekanntlich  so  vor,  daß  man  sich  mit  Hilfe  der  Keppler'schen 
Gesetze  Näherungswerte  für  die  Dreiecksflächen  zwischen 
dem  ersten  und  zweiten,  dem  ersten  und  dritten  und  dem 
zweiten  und  dritten  Orte  bildet.  Damit  ist  man  in  der  Lage, 
einen  Näherungswert  für  den  mittleren  Radius  r^  und  aus 
diesem  die  geozentrischen  Entfernungen  p^  und  p^  bei  der 
ersten  und  dritten  Beobachtung  zu  ermitteln.  Aus  p^  und  pg 
und  den  beobachteten  geozentrischen  Positionen  ergeben  sich 
nach  bekannten  Formeln  leicht  die  heliozentrischen  Koordi- 
naten und  aus  diesen  die  Bahnlage  (A  und  i)  und  die  Argu- 
mente der  Breiten,  womit  auch  der  zurückgelegte  heliozen- 
trische Bogen  (i^j — i/j)  bekannt  wird. 

Es  tritt  nun  die  Aufgabe  heran,  aus  den  Stücken  r^,  r^ 
und  i/j — v^  den  Kegelschnitt  zu  berechnen,  den  der  Himmels- 
körper beschreibt. 

Gauss*  löst  dieses  Problem  durch  Einführen  des  Ver- 
hältnisses y  des  vom  Himmelskörper  beschriebenen  Sektors 
zum  Dreiecke.  Der  Weg,  zu  dem  man  auf  die  Gleichungen 
kommt,  von  denen  Gauss  ausgeht,  ist,  in  allgemeinen  Um- 
rissen skizziert,  der  folgende: 


^  C.  F.  Gauss,  Theoria  motus  corponim  coelestium,  §§  88 — 93. 

23* 


346  £.  Weiss, 

Werden  die  Gleichungen  der  Planetentheorie: 

/—        V  / E 

\/r  sin —  =:  \/a{l-he)  sin  — 

s/r  cos —  =  va(l — e)  cos  — 

r  =  a{\ — e  cos  E) 

P 

—  =  1+^  cost; 

r 

MzzMo+-^fc^  =  £— sin£ 

für  den  ersten  (Z^,  r^,  i/^,  -Bj)  und  dritten  Ort  (/„  r,,  t;,,  JS^)  in 
Anspruch  genommen  und  durch  eine  leicht  ersichtliche  Kom- 
bination der  so  entstandenen  Gleichungen  die  Relationen  für 

\/r^  cos  —  (t;,— t;J,     \/f^  cos  —  {v^+v^),    r^ +r„ 
^  dl 


/7     und    Kh—h) 


gebildet,  so  gewinnt  man  die  folgenden  Ausdrücke: 


S/r^r^  cos/=  a(cosg — ^  cosG)  1) 

S/r^r^  cos  F  =  a  (cos  G — e  cos  g)  2) 

ri+fj  =  2a(l — ^cos^cosG)  3) 


^i-»-^8^_ 


^1^8 


/?  =  2(1 +tf  cos/ cos  jF)  4) 

6 

— ^  =  2{g — e  sing  cos  G).  5) 

In  denselben  bedeutet  k  die  Charakteristik  des  Sonnen- 
systems Oog  *  =  8*2355814),  /?  den  Parameter  der  Bahn 
[p  =  a{l — e^)  =  q{l+e)]  und 

2f=v^—v,  2g  =  E,—E, 

2F=v^-hVj^  2G  =  E^'hE^ 

e  =  *(/3-o. 


Berechnung  einer  Ellipse  etc.  347 

Löst  man  1)  und  2)  nach  cos  G  und  cos  F  auf,  setzt  man 
die  so  erhaltenen  Werte  in  die  übrigen  Gleichungen  ein  und 
schreibt  man  zur  weiteren  Abkürzung  unter  einem: 


N  =  f^+r, — 2  V^r^fj  cos  g  cos/  = 


=  Vn^ 


\^i     \/U  y^.4sin«— /H-4  cos/ sin«— ^ 
V^      j  2-"  2"^ 


,    6) 


so  erhält  man: 


N  =2a  sin«^  7) 

JV>  =  2rir3  sin«/  8) 


9         «          .    «         2  \/r,r.  sin  ^  cos/ 
—  =  2^— sm  2^  +      V   ^  '       '^ ^  9) 


Vernachlässigt  man  die  Masse  des  Planeten  der  Sonnen- 
masse gegenüber,  so  ist  die  Fläche  F  des  von  ihm  beschriebenen 
Sektors 

und  wenn  mit^y  sein  Verhältnis  zur  Dreiecksfläche  (— ^i^s  ^in  2/j 
bezeichnet  wird: 

e>/p  =  j/.rjrj  sin  2/  10) 

Durch  Elimination  von  N  aus  7)  und  8)  und  Eintragen 
des  so  erhaltenen  Wertes  von  /7  in  10)  entsteht: 

1    _  4r^r3COs«/cos«^  ^ 

a  fl2  -^  • 

Setzt  man  diesen  Wert  von  a  in  9)  ein  und  außerdem 
in  8)  den  aus  10)  folgenden  von  /?,  so  gelangt  man  zu  den 
beiden  Grundgleichungen: 


''A^  E.  Vciis, 


y  = 


3^  y-    = 


2r.r.Szyi*f 

6-»  -li—i^Zg 


•  j^ 


I  e;«.  ^s 


-Oiä/^r.r,.'         sn^ 


tcechanisnms  zur  Ermh-ung  der  beiden  UnbekÄfsnies  ^  uaAr 
z::js  diesen  Gleichungen  zu  finden.  Zu  diesem  Zwecke  fuhren 
'Air  folgende  H.Iisgr'j2cn  und  Bezeichnungen  e:n: 


4   r, 


6* 


i;2vr,r,cös/;» 
/=   ti:*2if+s:n* — /   5< 


•^  A«r»-i-^.ij  — ^y  j  sec^  11»' 

L  2     J 

jr  nz  sin' — g,  W^ 

9 


Damit  wird  (Gleichung  6^ 


.V  =  4  v/r[r,  cos/J-hx)  V) 

und  die  Grundgieichurgen  12)  und  13)  gewinnen  die  Fonn 

2^ — sin  2j? 


Zunächst  wird  nun  (Theoria  motus,  §  90) 

Y_  2^— sin  2^ 
sin^* 


14) 


1  Gauss  setzt:  m  ^ ;  ich  habe  aber  vorgezogen,  das 

(2  v/^  cos/)« 
Quadrat  dieser  Grdfle  mit  m  zu  bezeichnen,  damit  man  die  drei  Quantitäten: 
m,l  und  X  als  der  gleichen  Größenordnung  angehörend  ansehen  kann. 


Berechnung  einer  Ellipse  etc.  349 

1 

in  die  nach  steigenden  Potenzen  von  x-=,  sin* — g  fortschrei- 

2 

tende  Reihe 

X=±  +  ±^x  +  ±^x^^tM^^^...     14») 
3        3.5  3.5.7  3.5.7.9 

entwickelt  und  weiter  angenommen: 


5 


,         10  A       3  ^       9     xr\ 
i  = 1 Xh xX]  = 

QX\  4  10         / 


2    J,      26          692    ,        29544^    .     \       ,., 
=  — x^(\-^ x-^ ^«H x^...   •      15) 

35      V        45         1925  125125  J 

Wird  nun  noch 

h  = Q 

6 

geschrieben,  so  geht  aus  der  Verbindung  von  A  und  B  mit 
Berücksichtigung  der  Gleichung  C)  hervor: 

1 

VH 

9 

Man  hat  also  y  mittels  der  Gleichung  dritten  Grades  D) 
aus  h  zu  suchen  und  dann  x  aus  A),  Die  Rechnung  ist  zwar 

eine  indirekte,  da  h  unter  seinen  Bestandteilen  in  €  schon  eine 

5 
Funktion  von  x  enthält  die  aber  nicht  nur  — ,  sondern  auch  / 

6 

gegenüber  einer  höheren  Ordnung  angehört,  wie  15)  erkennen 

läßt.    Man  vernachlässigt  daher  anfänglich  £  entweder  ganz 

oder,  was  vorteilhafter  ist,  setzt  als  Näherungswert  (nach  15) 

2  1 

für  dasselbe  — sin* — f  ein,  da  bei  mäßigen  Exzentrizitäten 

35  2 

und  mäßigen  heliozentrischen  Bewegungen  g  und/  nur  wenig 


C.  Weiss, 

.^,%v*»o^en.   Mit  dem  so  erhaltenen  y  bekommt 

,..ic»i  >ehr  genäherten  Wert  von  x^  aus  dem  man 

s.u    .N:tvAnnten  Verfahren    sukzessive   den   strengen 

^  ^  >.i»*  Oteichung  15)  für  6  nur  den  Parameter  x  und  die 
u..  ^  v^uhält,  hat  Gauss  zur  Erleichterung  der  Rechnung 
tacin  entworfen:  die  eine,  welche  S  mit  dem  Argumente  ar, 
ou*  andere,  welche  logj/*  mit  dem  Argumente  A  liefert. 
l\ia):i  ist  die  Auflösung  der  Aufgabe  auf  die  Entnahme  der 
viiv^i^on  S  und  y  aus  zwei  Hilfstafeln  reduziert,  die  Auflösung 
UvVi  häufig  eine  indirekte. 

Ich  benütze  diese  Gelegenheit,  um  ein  anderes  sehr  ein- 
laches Verfahren  bekanntzumachen,  nach  welchem  man,  wie 
nur  scheint,  erheblich  einfacher  zum  Ziele  gelangt 

Schreibt  man: 

^__  2^— sin  2^  _    \^^ 

sin^'  3 


»« ^  k 


so  verwandeln  sich  die  Grundgleichungen  A  und  B  in 

l+x  =  2«  AJ 

2H z^  =  2\/fnX[.  BJ 

X^  als  bekannt  vorausgesetzt,  läßt  sich  die  letzte  Gleichung 
mit  Hilfe  der  Barker'schen  Tafel  berechnen,  worauf  man  aus 
der  ersten  sofort  x  erhält. 

Bei  einer  Berechnung  nach  dieser  Methode  ist  aber  die 
für  X^  von  Gauss  gewählte  Reihenform  wegen  ihrer  sehr 
geringen  Konvergenz  für  größere  Werte  von  x  nicht  bequem. 
Eine  weit  rascher  konvergierende  Reihe,  welche  wenigstens  in 
den  ersten  Gliedern,  auf  die  allein  es  ja  ankommt,  wohl  über- 
haupt die  rascheste  Konvergenz  aufweisen  dürfte,  die  erreich- 
bar ist,  erhält  man,  wenn  man  nach  steigenden  Potenzen  von 

C  =  tg* — g  entwickelt 


r  w 

~    "1  ■»        ~ 


\n  ii^z=i  l'ij,l 


■j*"^..  ^r   X2£mr   TTTr"T!T       T    tj**'?y*"^.f^  t'p"    •►i»"    ^  ■Ü-It'—IT  -^ 


I'— anl/^Xsn,'« 


■<  ■  ^  m^^i^ai^.». 


T  Jti 


:rer 


T    » 


^       -X 


yimnn:  »m*  thh  ur  X  i*s  5±'h:in:  :r^  ir. 


=  ^ 


&:  rswTa: 


mmiiTT^  ^'iT'  A.  r«i 


a—  -^- 


— .  =  I«,—  :«-.— 


-gl*--  ^ 


*•  =  — r 


I«  — 


«  X  — 


-  1  — : 


3  3. 


352  E.  Weiss, 

Geht  man  zur  Berechnung  von  X^  von  dem  Näherungs- 
werte  Co  =  tg'  — /  aus,   so   wird   man   zum   Erreichen   des 

Strengen  Wertes  von  x  wohl  kaum  je  nötig  haben,  die  Glei- 
chungen A^)  und  B^)  mehrmals  durchzurechnen. 


An  dem  Algorithmus  von  Gauss  sind  im  Laufe  der  Jahre 
mehrfach  Vereinfachungen  angebracht  worden;  die  erheb- 
lichste davon  aber  von  Hansen.^  Hansen  geht  ebenfalls  von 
den  Gleichungen  A)  und  B)  aus,  eliminiert  aber  x  mittels  A 
aus  B  und  erhält  so  zunächst: 

y^iy — 1)  =  ( — m w/h ml^..,  ]  •+• 

V3  5  35  / 


/        16,      \      64    f»»   ,       , 

1 /...  )h (!...)  +  ••• 

V         7         /      35     V* 


+  — ~(1  — —  /...)  +  — •-^(1...)  +  ..-      16) 
5     JV*  V         7         /       35     y 


Indem  er  nun  füry  die  Reihenform  stipuliert: 
y  =  (l-haw-^-ßw^-fYWg-  •  O+w^Cß'+Tf'^-  •  •)-+■ 

und  die  Größen  a,  ß,  T-  •  •>  ß'-  •  •  nach  der  Methode  der  un- 
bestimmten Koeffizienten  ermittelt,  erhält  er 

fi  ^4  88     ,      5312     , 

^         3  45  945 


•  ■  • 


8       ,A       64  \       64     ,,,.       . 

5        V        21  /       35 


16*) 


Um  die  Glieder  m^  und  ml  wegzuschaffen  und  die  Koeffi- 
zienten der  übrigen  herabzumindern,  wird  statt  m  die  Größe  X 
substituiert  mittels  der  Relation 

6 


1  P.  A.  Hansen,  Über  die  Bestimmung  der  Bahn  eines  Himmelskörpers 
aus  drei  Beobachtungen.  Ber.  d.  kgl.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  math.-phys. 
Klasse,   1863,  p.  83. 


Berechnung  einer  Ellipse  etc.  353 


Daraus  gdit  hervor 

,       10,       /340  ,,       8  ,,,       8    ,  J\ 
y  =  H X—  X» X«Zh XP   + 

9  V5103         63  105       / 

/8830  ,^       16,,,       16  ,.„      128,  „\ 
+   X* X'/ X*/*H \P] 

W5927  63  945  945       / 

/2339900,,       20480,^,        1168  ,,„ 
—  X* X*/ X*P+ 

H546773  56133  31185 


8576 


X2/»+l^X/*W...      16*) 
ßQ3       / 


93555  693 

Die  Koeffizienten  der  Glieder  höherer  Ordnung  sind  sämt- 
lich so  klein,  daß  es  in  den  weitaus  meisten  Fällen  hinreicht, 
anzunehmen: 

j^  =  l+— X.  18) 

9 

Man  erhält  also  jetzt  X  aus  der  quadratischen  Glei- 
chung 17)  und  damit  y  aus  18)  und  hierauf  ;r  aus  A), 

Die  Auflösung  der  Gleichung  17)  läßt  sich  leicht  trigono- 
metrisch oder  noch  etwas  einfacher  mittels  des  Kettenbruches: 

X  =  -  *" 


I  +  -A0 

19) 

I---Ä0 


1  +  ,   .   . 


bewerkstelligen.  Femer  möge  noch  darauf  hingewiesen  werden, 
daß  mit  \  (17)  die  von  Gauss  eingeführte  Größe  h  (C)  für 
{  =  0  bezeichnet  wurde. 

Die  Vereinfachung  besteht  also  darin,  daß  man  zur  Berech- 
nung von  y  keine  Hilfstafel  und  auch  keine  zweite  zur  Ent- 
nahme von  Korrektionsgrößen  bedarf. 


354  E.  Weiss, 

Auf  einem  einfacheren  Wege  gelangte  Tietjen^  zu  dem- 
selben Resultate,  indem  er  in  die  Gleichung  D)  direkt  sub- 
stituiert: 

y  =  1+0.  20) 

Damit  verwandelt  sie  sich  in: 

(l  +  0-92J)Ä  =  0'9z{l  +  zy  = 

=  0-9«[(l  +  0-9«)(l  +  M2)  +  0-01««] 

oder  mit  Vernachlässigung  von  0*01  «•  in  die  Gleichung: 

2j(l  +  M«)  =  — Ä,  21) 

y 

welche  unmittelbar  auf  den  Hansen'schen  Kettenbruch  hin- 
führt. 

In  meiner  Abhandlung  über  Bahnbestimmung  eines 
Himmelskörpers  ^  habe  ich  in  §  8,  dem  Gedankengange 
Hansen's  folgend,  durch  Einführung  von 

w'  =  7= 22) 

6(N/r,r3COs/)» 


statt  m:=z : ,  fw'zz — mj  und  Annahme  von: 


6« 
(2\/f^cos/)»'  V  3 


x(l  +  Mx)  =  — =  h'  23) 

1  +  1-2/ 

y  reduziert  auf: 

y  =  l+x.  24) 

Die  Berechnung  nach  diesem  Schema  gestaltet  sich  in 
mehrfacher  Beziehung  etwas  bequemer,  weil  die  hiebei  auf- 
tretenden Koeffizienten  einfacher  sind,  namentlich  dann,  wenn 


1  Tietjen,  Zusammenstellung  aller  für  die  Berechnung  einer  Planeten- 
bahn aus  drei  vollständigen  Beobachtungen  erforderlichen  Formeln,  nebst 
Rechnungsschema.  Berl.  Jahrb.,  1879,  Zusatz  p.  20. 

2  £.  Weiss,  Ober  die  Bestimmung  einer  Bahn  aus  drei  Beobachtungen. 
Denkschr.  der  kaiserl.  Akad.  der  Wissensch.,  LX,  p.  345 — 304. 


Berechnung  einer  Ellipse  etc.  355 

man  die  Berechnung  von  %  (23)  vornimmt,  durch  den  Ketten- 
bruch: 

""-l^Vlk^  25) 

l  +  MA' 


1  +  . . . 

Übrigens  sind  begreiflicherweise  die  Formeln  von  Hansen, 
Tietjen  und  mir  nicht  wesentlich  voneinander  verschieden. 
So  erhält  man  insbesondere  aus  meinen  Ausdrücken  sofort  die 

von  Tietjen  und  Hansen,  wenn  man  h'  durch  — k  ersetzt. 

^  9 

Encke^  hat  den  von  Hansen  eingeschlagenen  Weg  schon 
einige  Jahre  früher  betreten,  blieb  aber  bei  der  Gleichung  16) 
stehen,  kehrte  die  Reihe  um  und  entwickelte  schließlich  log^ 
in  eine  Reihe,  in  welcher  er  durch  Einführung  des  Hilfs- 
winkels 7  durch: 

cos  Y  =  -^   -v    1  3  YJ\ 

einige  die  Berechnung  von  m  und  /  und  der  Reihenglieder 
erleichternde  Modifikationen  anbrachte.  In  dieser  Reihe  sind 
aber  die  Koeffizienten  so  beträchtlich,  da6  sie  nur  bei  kurzen 
Zwischenzeiten  mit  Vorteil  verwendet  werden  kann. 


Alle  diese  Methoden  haben  das  gemeinsam,  daß  man  zur 

Ermittlung  der  Größe  x  =:  sin^ — g,  die  man  sucht,  zuerst  das 

Verhältnis^  des  Sektors  zum  Dreiecke  berechnet  und  erst  mit 
Hilfe  dessen  auf  x  übergeht.  Da  man  aber^  zu  weiter  nichts 
benötigt,  ist  dies  ein  Umweg,  den  man  ersparen  kann. 

Gehen  wir  auf  die  Gleichungen  V)^  7)  und  9)  zurück  und 
setzen  wir  N  aus  V) : 


iV  =  4>/r^  cos/(/-4-^) 
ein  in  die  Gleichung: 


U—lasxvfig,  7) 


^  Encke,  Ober  die  Bestimmung  einer  elliptischen  Bahn  aus  drei  voll- 
ständigen Beobachtungen.  Berl.  Jahrb.,  1854,  §  17. 


356  E.  Weiss, 

SO  erhalten  wir: 

1  sin*  g 


^         2v^V^cos/(i+jr) 


7») 


Dies  liefert,  eingetragen  io: 


ö          «          .    «        2  \Jr.r.  sin  ^  cos/ 
-r  =  2/— sin  2/+     ^   '  * 2 i^,  9) 

sofort  die  gewünschte  Gleichung  für  (/+^),  welche,  entsprechend 
geordnet,  lautet: 

? ^._i_  =  lH.?£=£Ül2#(/+,).    9-) 

(2\/f^cos/)'     s/l+x  sin^ 

^     ^  .  ^            .                                                  2^ — sin  2g 
Quadnert  man  sie,  ersetzt  man  unter  emem:  -^ — 

sin^* 
durch  die  Reihe  14*)  und  nennt  man  abkürzungsweise: 

6* 
w!  = -,  22) 

6  ( V^  cos/)< 

so  ergibt  sich: 

Z       ml  ,       8  ,,      ,  /         6  48   ,      32   ,       \ 

4     /+*  3  V         5  35  21  / 

16  „      ,,/,       12         732    ,       N 
9  V         5  175  ] 

oder  geordnet  nach  Potenzen  von: 

z  =  l+x  26) 


?i        afi         9.1  / 


3  w'       .       8 
—  =  iH z 

4  «  3     ^         5         35  21 


,/224       1216,      1472,-       > 
V  45         105  75 


«• 


'832  _  4736 
105 


r736,      \        ./18112        \  „> 

175  /  V  1575         / 


Berechnung  einer  Ellipse  etc.  357 

Um  die  späteren  Operationen  zu  erleichtern  und  die  Koeffi- 
zienten der  verschiedenen  Potenzen  von  /  herabzumindern,  sub- 
stituieren wir: 

w.  = 28) 

^        l-hl-2; 

2  =  2i(l  +  l-2/)  29) 

und  erhalten  dann: 

3  /8        32  _       512  „      \  ,. 

4.      *  \3        175  157fi  /  ^ 


175  1575 

,'224        64  ,      2624 
45        175         2625 

'832       256 
+  I h 


Z«...)«« 


6,...),j^(JHil..U.      27«) 
105       175         /  *      V  1575         / 

Durch   Umkehrung   dieser  Reihe  folgt  für  die  gesuchte 
Größe  2^: 

3  f,       A        24  „       128  „       \ 

2,  =  — w.    1 —  2 /*H P...  )tn.+ 

4  l        \        175  525  / 


'26       36 


Ä7fS  /      ^ 


5        175        875 

/537       36.       \     .      /  34157  \     4       1       om 

\35       25         /     '      V    700  /     '       J 

In  dieser  Gleichung  bleiben  die  Koeffizienten  aller  Glieder, 
die  Potenzen  von  /  enthalten,  mit  Ausnahme  des  Koeffizienten 
des  Gliedes  wj/,  der  auf  nicht  ganz  1*5  ansteigt,  weit  unter 
der  Einheit,  sind  also  so  klein,  daß  sie  die  Konvergenz  der 
Reihe  nicht  beeinträchtigen  können.  Mit  den  Koeffizienten  der 
verschiedenen  Potenzen  von  tn^  ist  dies  jedoch  nicht  der  Fall; 
sie  wachsen  bei  den  höheren  Potenzen  sehr  rasch  und  in  pro- 
gressivem Maße.  Diesem  Übelstande  kann  man  aber  auf  sehr 
verschiedene  Art  abhelfen. 

Das  Zweckmäßigste  ist  es  jedenfalls,  die  Glieder  der 
niedrigsten  Ordnung,  nämlich  innerhalb  der  Klammer:  — 2m^ 


358  E.  Weiss, 


26 
und  H wj  ganz  wegzuschaffen,  was  erreicht  wird  durch  die 

5 
Substitution: 

m^  = 5 31) 

1— 2m2  +  l-2fnJ 

Es  resultiert  dann: 

3        _^  M8  ,3       27  ,  1      2^     2 

'         4      *      Vi75  175       *       7      V     « 


( 


QO  Q  07  IQ 

■^/« ^/2|««— -^/w|  +  -^f«»)wl+...    32) 

175  875  175  2800       ' 


Die  Koeffizienten  der  verschiedenen  Potenzen  von  m^  sind 
jetzt  ebenfalls  sehr  klein  und  es  wurden  nebstbei  auch  die 
größten  Koeffizienten  der  Potenzen  von  /  noch  wesentlich 
herabgedrückt,  so  daß  jetzt  keiner  der  vorhandenen  Koeffi- 
zienten der  Glieder  höherer  Ordnung  den  Wert  0  •  2  erreicht. 

Die  Größen  m'^  l  und  x  und  damit  natürlich  auch  fw^  m^^ 
z  und  «1  werden  gewöhnlich  als  Größen  zweiter  Ordnung  be- 
trachtet; es  steigt  daher  in  allen  Formeln  jede  spätere  Glieder- 
gruppe gleich  um  zwei  Ordnungen  an,  so  daß  die  Gleichung  32) 
bis  auf  Glieder  11.  Ordnung  einschließlich  streng  richtig  ist.  In 
den  Entwicklungen  bis  dahin  zu  gehen,  wäre  offenbar  nicht 
nötig  gewesen,  ich  habe  dieselben  aber  so  weit  fortgeführt,  um 
die  Überzeugung  zu  gewinnen,  daß  auch  die  Koeffizienten  der 
Glieder  10.  Ordnung  noch  klein  bleiben. 

Werden  in  der  Gleichung  32)  alle  Glieder  außer  dem 
ersten  vernachlässigt,  bleibt  man  also  einfach  stehen  bei 

3 
z^  =  — Wg,  32*) 

4 

so  begeht  man  einen  Fehler  8.  Ordnung.  Wir  wollen  uns  daher 
zunächst  über  die  Bedeutung  einer  solchen  Vernachlässigung 
orientieren. 

Heutzutage  wird  man  wohl  eine  erste  Bahnbestimmung 
nie  mehr  erst  dann  vornehmen,  wenn  die  äußeren  Beob- 
achtungen schon  mehr  als  40  Tage  auseinanderliegen.  Nehmen 


Berechnung  einer  Ellipse  etc.  359 

wir  daher  für  /g*"^!  ==  40  Tage  an  und  suchen  wir  unter  dieser 
Voraussetzung  Grenzwerte  für  f,  r^—r^,  l  und  m^. 

Die  Winkelbewegung:  zz  — ^^  eines  Planeten  um 

dt  r« 

die  Sonne  beläuft  sich  im  Perihel     r  =  zz  a(\ — e)u  wo 

sie  am  raschesten  erfolgt,  auf: 


(^)= 


Setzen  wir  nun  voraus,  der  Planet  hätte  sich  die  ganze 
Zwischenzeit  /j — i^  hindurch  mit  dieser  Geschwindigkeit  fort- 
bewegt, so  wäre : 

Vg— Vi  =  2/=  k{t^—h)\/\  +  e.q'*'  =  es/l^eq'K         33) 

Von  Eros  abgesehen,  besitzt  unter  den  Asteroiden  Brucia 
die  kleinste  Periheldistanz  ^  =  1  *  56.  Ferner  finden  sich 
unter  den  602  im  Berliner  Jahrbuch  für  1909  veröffentlichten 
elliptischen  Bahnen  der  Planeten  dieser  Gruppe  nur  8  oder 

l'3Vo>   deren   Exzentrizität  —  um   ein   geringes   übersteigt, 

o 

wobei  zu  bemerken  kommt,  daß  einige  dieser  Exzentrizitäten 
noch  sehr  unsicher  sind.  Setzen  wir  daher  wie  oben  t^ — t^  -=. 

=  40  Tage,  ^i=:l-56  und  ^  =  —  ein,  so  wird  der  für  2/ 

o 

erhaltene  Wert  nur  ganz  ausnahmsweise  als  zu  klein  sich 
herausstellen.  Er  lautet: 

2/=:23U  f=\V7  J-/=  5-9. 

Für  eine  Überschlagsrechnung  können  wir  daher  sin  — / 

mit  dem  Bogen  vertauschen  und  nach  33)  als  Grenzwert  für 

sin* — f  betrachten: 
2 

sin«— /=— (l+e)Ö«^».  34) 

2  16 

Silzb.  d.  mathera.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  24 


360  E.  Weiss, 

Der   zweite  Bestandteil:   (  ^^^~X^"1  von  /  (6, 1,  III) 

läßt  sich,  wie  ich  in  meiner  Abhandlung  über  Bahnbestimmung 
aus  drei  Beobachtungen  in  §  8  *  gezeigt  habe,  mit  einer  für 
unsere   Zwecke   mehr   als   hinreichenden  Genauigkeit   durch 

±A Li_  wiedergeben.   Durch  Einführen   dieses  Wertes 

wird  /  umgeformt  in: 


/  = 


L  .  ^^^     '^»-^    +  sin«  — /   sec  /.  III*) 


Die  rascheste  Änderung  des  Radiusvektors  tritt  vermöge 

der  DiflFerentialformel  = ;=—  für  v  =  90*  ein.  Setzen 

dt  \f^ 

wir  nun  wieder  den  ungünstigsten  Fall  voraus,  daß  die  wahre 
Anomalie  i;  =  90*  auf  die  Mitte  der  Zwischenzeit  /, — t^  ge- 
fallen wäre  und  daß  v^  =z  90 — ff  und  v^  =  90-l-(p  war,  so  wird: 

(rj  — Tg)«  ^-(cost^g — cosi;i)*        

^1  ^3  (l  +e  cos  v^)(\  -he  cos  i;3) 

4e^  sin*  © 
=  ^    =  4e«  sin«  (p.     35) 

1 — d«sin*«p 

Um  einen  Näherungswert  für  cp  zu  erhalten,  wenden  wir 
uns  an  die  Reihe,  welche  die  mittlere  Anomalie  durch  die 
wahre  ausdrückt,  nämlich: 

M  =z  V — 2e  sin  i;-4 ^«  ( 1  H . . .    sin  2v — 

4^6/ 

e^i  1  H e^. . . )  sin  3t; H e^(l . . .)  sin  4«;  + . . . 

3^8  /  32 

Nehmen  wir  sie  einmal  für  v^  :=.  90+(p  und  dann  für 
v^  :=z  90 — <p  in  Anspruch  und  ziehen  wir  beide  so  erhaltenen 
Reihen  voneinander  ab,  so  resultiert: 


1  Denkschriften  der  kaiserl.  Akad.  der  Wissensch.,  LX,  p.  373. 


Berechnung  einer  Ellipse  etc. 


361 


M—M^  = 


_  Ht^—i,)  _ 


=  2,-|..(l  +  f..) 


sin  2«p  H ^(1 ...)  sin  4(p.     36) 


Da  cp  jedenfalls  erheblich  kleiner  als  /  ist,  kann  man  die 
Sinus  mit  dem  Bogen  vertauschen  und  erhält: 


-T  V  9. 


2  8 


•••)?• 


Das  Glied  mit  e*  als  belanglos  weglassend,  das  übrigens  f 
verkleinem  würde,  haben  wir: 


«P 


6 


('-f-)»' 


37) 


in  unsere  Gleichung  35)  einzusetzen  und  erhalten 


ir-r,Y  _ 


«»8« 


n»'» 


(l-|e«)V 


35») 


Damit  wird,  cosy=  1  angenommen, 


16 


>a 


i( 


Die  Größe  wf  = 


1-  A  ,.^=^ 

2 
6« 


(1-^)» 


e« 


a' 


36) 


erreicht  ihr  Maximum, 


6(n/^i^sCOs/)» 
wenn  der  Planet  möglichst  nahe  dem  Perihel  steht.  Nehmen 
wir  also  für  r,  und  r^  die  Periheldistanz:  a{\ — e)  selbst  an,  so 
können  wir  cos/  um  so  unbedenklicher  der  Einheit  gleich- 
setzen, als  ja  der  Planet  nicht  in  beiden  Beobachtungen  sich 
im  Perihel  befinden  kann.  Wir  haben  dann  als  Grenzwert  für  ntf: 


m!  =  — e«^ 
6 


—3 


37) 


24* 


362  E.  Weiss, 

Aus  den  Formeln  29)  und  32)  geht  hervor,  daß  m^  von 
Wj  und  m'  nur  um  Größen  zweiter  Ordnung  abweicht;  wir 
können  daher  bei  dieser  Überschlagsrechnung  m^  ohneweiters 
mit  m'  identifizieren. 

Übersichtlich  zusammengestellt,  erhielten  wir  für  sin* — fy 

l  und  Wg  die  nachstehenden  Maximalwerte: 

6 

sin«— /=  —  (1 4-^). P  =  0-01039  34) 

2  8 


36) 


37) 

Führen  wir,  um  diese  Quantitäten  auszuwerten,  in  die- 
selben die  schon  einmal  besprochenen  Werte  q:=z  1*56  und 

1  ' 

ez=z  —  ein,  die  wenigstens  bisher  nur  in  sehr  seltenen  Fällen 

3 

und  nie  gleichzeitig  in  jener  Richtung  überschritten  worden 

sind,  welche  sie  vergrößert  hätten,  so  ergeben  sich  für  t^ — ^^  — 

=:  40  Tage,  die  oben  beigeschriebenen  Zahlenwerte. 

Der  größte  zu  befürchtende  Fehler,  welcher  der  Annahme 
3 
2i=:  —  fWg  (32*)  entspringt,  setzt  sich  nach  32)  zusammen  aus: 
4 

^    {27  l+2b  m^)ml  =  — (0-0149+0-0267)  =  —0-0416 


/=3 

8 

r,         e«(i    «)» 1 

1    1  /»   1 

P  =  0-01076 

1  "T"C'  T^ 

(1      1-5  c«)« 

m^  = 

:P  — 0-02079 

175 
und 


18  ^ 

^J^l'i^l  --  +0-055. 

175        ' 


Die  über  der  ersten  Null  nach  dem  Dezimalpunkte  stehende 
Ziffer  zeigt  die  Anzahl  der  Nullen  an,  welche  der  ersten 
zählenden  Stelle  vorangehen. 


Berechnung  einer  Ellipse  etc. 


363 


Reduziert  man  den  Betrag  des  letzten  Gliedes,  das  den 
numerischen  Wert  der  Summe  der  beiden  ersten  Posten  ver- 

8  7 

kleinert  auf  0*016,  so  stellt  sich  der  Fehler  auf  0*04,  bei  einem 

3 
Werte  von  — w-,  der  sich  auf  0*0156  beläuft.  Derselbe  kann 

4     * 

daher  schlimmstenfalls  eine  Einheit  der  siebenten  Stelle  des 
Logarithmus  austragen.  Es  dürfte  also  schwerlich  je  vor- 
kommen, daß  durch  diese  Vernachlässigung  ein  irgendwie 
merkbarer  Fehler  in  die  Bahnbestimmung  hineingetragen 
werden  könnte. 

Die  Berechnung  von  m^  aus  31)  führt  auf  die  quadratische 
Gleichung: 

1-1-9. 4M  1 

=  0.  31*) 


ml  = 


l-h2fw,  1 


l'2m^ 


1*2 


Dieselbe   kann  wohl  leicht  genug   trigonometrisch  oder 
mittels  des  Kettenbruches: 


tn. 


ffia  =: 


l4-2Wi— l*2wj 


l4-2»fi— l*2wf 


H-2Wi— l*2wf 


H-2f«i. 


aufgelöst  werden,  bequemer  aber  noch  auf  folgende  Art: 

Von  den  beiden  Wurzeln  der  Gleichung   ist   für   unser 
Problem  nur  die  eine  brauchbar,  nämlich: 


w,= 


l  +  2wt— \/(l+2wt)g— 4*8wf  _ 

2*4Wi  "" 

_    l-4-2Wi 


2'4fn^ 


1— v/1  — 


V 


4*8wf 
(l+2wi)^ 


w, 


1+2^1 


4-1-2 


m. 


1+2^1 


+2*88/' 


^1   y 

l-h2Wi/ 


8*64/'- 


fw, 


\  l+2Wi 


+  ... 


364  E.  Weiss, 

Bereits  das  zweite  Reihenglied,  das  genähert  V2fHl  gesetzt 
werden  kann,  erreicht  bei  Wg  =:0*02  knapp  den  Betrag  von 

5  8 

0*01  und  das  dritte  kaum  noch  0*01.  Der  nach  dem  ersten 
Gliede  zurückbleibende  Rest  kann  daher,  wenn  es  erforderlich 
ist,  leicht  in  Rechnung  gezogen  oder  einer  kleinen  Tafel  mit 
dem  Argumente : 


l  +  2Wi  l-4-l-2/-4-2fff' 

entnommen  werden.  Eine  solche  Tafel  ist  der  Abhandlung  bei- 
gegeben. 

Es  erübrigt  uns  jetzt  noch,  aus  den  vorstehenden  Ent- 
wicklungen die  Formeln  zusammenzustellen,  welche  durch- 
zurechnen sind,  wenn  man  nach  dieser  Methode  x  =  sin*  —  g 
sucht.  Es  sind  die  nachstehenden: 


e  =  *(/»— ^i)  =  8-2355814  {t^—Q  2/=  v,— «, 

tg(45+«)=^/^  I) 


8 


/  =  (sin«  — /-htg«  2  wj  sec/  III) 

m'  = 22) 

6(n/^cos/)^ 

m',  =         ^   "^^         ,  28),  39) 

fWg  =  w'g-hn  39) 

l-^x  =  —  (l-4-l-2/)w2.  27),  29),  32*) 

4 

Die  Berechnung  von  /  läßt  sich  durch  Einführen  des  Hilfs- 
winkels Y  (VI)  etwas  vereinfachen,  nämlich 

2  cos/,  v/r- n 

^1  +  ^3 

/  =:  sin*  —  7  sec  Y. 

9 


Berechnung  einer  Ellipse  etc.  365 

Die  Korrektionsgröße: 

(1  =  l-2i«'a«  +  2-88wJ*-4-... 

kann  man  der  der  Abhandlung  beigegebenen  Tafel  entlehnen, 
aus  der  man  auch  auf  den  ersten  Blick  übersieht,  ob  das 
Anbringen  derselben  der  Mühe  lohnt. 

Bei  der  Vergleichung  der  oben  zusammengestellten  F'or- 
meln   mit  den  von  Hansen,  Tietjen    und    mir    in    meiner 
schon    mehrmals   angezogenen  Abhandlung  entwickelten   er- 
kennt  man   unschwer,   daß   sie   in   mancher  Beziehung  ein- 
facher, bequemer  und  rascher  sich  berechnen  lassen.  Wesent- 
lich kürzer  aber  sind  sie  als  die  von  Gauss,  selbst  abgesehen 
davon,  daß  die  letzteren  schon  bei  relativ  kurzen  Zwischen- 
zeiten   eine   indirekte   Rechnung  erfordern,  da   (nach  15)   die 
Korrektionsgröße  £  nur  um  zwei  Ordnungen  höher  ist  als  x. 
Die  erstgenannten  Methoden  liefern  allerdings  nur  einen  Nähe- 
rungswert von  Xy  während  die  von  Gauss  durch  sukzessive 
Näherungen  stets  dessen  genauen  Wert  zu  ermitteln  gestattet, 
so  lange  noch  die  Größe  Xn:  (2^— sin  2^).sin^-^  sich  mit 
Vorteil  in  Reihen  entwickeln  läßt.  Dieser  Vorzug  hat  indes  seit 
der  letzten  Hälfte   des  vorigen  Jahrhundertes  nur  noch  eine 
theoretische  Bedeutung.   Ehe  nämlich  in  der  Mitte  desselben 
die  Asteroidenentdeckungen  sich  häuften,  verschob  man  die 
Bahnberechnungen    nicht    selten    monatelang    und    benützte 
schon   vorhandene   nur   zur   Bildung   von   Normalorten,    aus 
denen  dann  die  Elemente  so  berechnet  wurden,  als  ob  sie 
noch  ganz  unbekannt  wären.  Da  hätte  es  allerdings  zuweilen 
vorkommen  können,  daß  selbst  bei  meiner  Methode,  obwohl 
sie  erst  Größen  achter  Ordnung  vernachlässigt,  die  Annäherung 
noch  nicht  weit  genug  getrieben  ist,  was  aber  heute,  wie  nach- 
gewiesen wurde,  wohl  nie  mehr  vorkommen  dürfte.  Sollte  es 
übrigens  eintreten,  so  würde  man  mit  ihr  jedenfalls  einen  so 
genäherten  Wert  für  x  erhalten,  daß  dessen  Einsetzen  in  die 
von  mir  für  X^  (14ö)  entwickelte  Reihe  und  Modifikation  des 
Verfahrens   von  Gauss   (Gleichung   A^  und  B^)   sofort   den 
genauen  Wert  von  x  liefern  würde. 


366 


E.  Weiss,  Berechnung  einer  Ellipse  etc. 


Tafel  für  (ju 


Mq 

0 

1 

2 

3 

4 

1 

5 

6 

7 

8 

9 

IHq 

0-001 

1 

1 

1 

2 

2 

3 

4 

5 

6 

8 

0-001 

2 

10 

11 

13 

15 

17 

19 

21 

24 

27 

30 

2 

3 

33 

36 

40 

43 

47 

51 

56 

61 

66 

71 

3 

4 

77 

83 

89 

95 

102 

109 

117 

125 

133 

141 

4 

5 

150 

159 

168 

178 

188 

199 

210 

222 

234 

246 

5 

6 

259 

272 

285 

299 

313 

328 

344 

350 

377 

394 

6 

7 

411 

429 

447 

466 

485 

505 

526 

547 

569 

591 

7 

8 

614 

637 

661 

686 

711 

737 

763 

790 

818 

846 

8 

0-009 

875 

904 

934 

965 

997 

1029 

1062 

1096 

1130 

1165 

9 

0010 

1201 

1237 

1274 

1312 

1350 

1389 

1429 

1470 

1512 

1555 

10 

11 

1598 

1642 

1686 

1732. 

1778 

1825 

1873 

1922 

1972 

2023 

11 

12 

2074 

2126 

2179 

2233^ 

2188 

2244 

2301 

2359 

2417 

2477 

12 

13 

2637 

2699 

2761 

2824' 

2888 

2953 

3019 

3086 

3154 

3224 

13 

14 

3294 

3366 

3438 

351l' 

1 

3585 

3661 

3737 

3815 

3893 

3972 

14 

15 

4052 

4134 

4216 

4300 

1 

4385 

4472 

4559 

4647 

4736 

4827 

15 

16 

4918 

5011 

5105 

5200 

5296 

5394 

5493 

5593 

5694 

5797 

16 

17 

5900 

6004 

6110 

6218 

6327 

6437 

6547 

6659 

6773 

6887 

17 

18 

7003 

7121 

7240 

7360 

7481 

7604;  7729 
1 

7854 

7981 

8009 

18 

19 

823S 

8369 

8501 

8635' 

1 

8770 

8907  9044 

9183 

9324  9466 

19 

0-020 

1 

9609 

\ 

1 

1 
1 

1 

1 

Die  Zahlen  der  Tafel  sind  in  Einheiten  der  neunten  Dezi- 
male zu  verstehen. 


367 


Ober  die  ünterschiedsempfindliehkeit  für  Ton- 
höhen in  verschiedenen  Tonregionen 

von 

Dr.  Norbert  Stücker. 

Aus  dem  II.  physikalischen  Institute  der  Universität  Wien. 

(Mit  1  Tafel.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  7.  MSrz  1907.) 

Mit  dem  kleinsten  eben  noch  wahrnehmbaren  Unterschiede 
zweiernacheinander  erklingender  Töne  haben  sich  die  Physiker 
im  allgemeinen  noch  sehr  wenig  beschäftigt. 

Die  Arbeiten  von  Delezenne/  Wilhelm  Weber,* 
Sauveur^  und  A.  Seebeck*  erstrecken  sich  sämtlich  nur 
über  einen  einzigen  Ton;  Delezenne  und  Sau veur  arbeiteten 
mit  Monochordsaiten  und  berichteten  nur,  um  welches  Stück  sie 
eine  der  beiden  Saiten  verkürzen  mußten,  um  gerade  noch 
einen  Unterschied  in  der  Tonhöhe  wahrnehmen  zu  können» 
ohne  zu  bedenken,  daß  damit  die  Schwingungszahlen  noch 
nicht  gegeben  waren.  Seebeck  gab  an,  auf  1000  Schwingungen 
eine  noch  wahrzunehmen,  ohne  jedoch  mitzuteilen,  in  welcher 
Tonregion  die  Versuche  angestellt  wurden.  Nur  Weber  schreibt 
deutlich,  bei  einem  Tone  von  200  Schwingungen  in  der  Sekunde 
noch  eine  Schwingung  unterscheiden  zu  können.  Der  erste 
Physiker,  welcher  den  Gegenstand  einer  genaueren  Prüfung 
unterzog,  warPreyer;*  derselbe  benützte  einen  sogenannten 


1  Recueil  des  travaux  de  la  Societe   des  Sciences   de  Lille,    1826   bis 
1827,  p.  1  f. 

2  Pogg.  Annalen,  J4,  398  (1828). 
s  L.  c.  Memoires,  p.  395. 

«  Pogg.  Annalen,  144,  4ß2  (1»46). 

5  Grenzen  der  Tonwahrnehmung,  p.  26  ff.  Jena  1876. 


368  N.  Stücker, 

Tondifferenzapparat  und  bestimmte  mit  diesem  sowohl  die 
relative  als  auch  die  absolute  Unterschiedsempfindlichkeit  von 
Tönen  mit  zirka  500,  1000, 1024,  2048  und  4096  Schwingungen 
in  der  Sekunde;  nach  ihm  bleibt  die  letztere  in  den  mittleren 
Regionen  der  musikalisch  gebrauchten  Töne  nahezu  gleich, 
während  die  erstere  mit  der  Tonhöhe  zunimmt.  Im  übrigen 
muß  auf  die  Originalarbeit  verwiesen  werden. 

L.W.  Stern^  verwendete  als  Tonerreger  eine  angeblasene 
Flasche  ohne  Boden,  die  in  Wasser  tauchte,  dessen  Niveau 
verändert  werden  konnte;  er  untersuchte,  wie  weit  man  einen 
kontinuierlichen  Ton  allmählich  verändern  kann,  bis  ein 
Unterschied  wahrgenommen  wurde,  und  gelangte  zu  dem 
Resultat,  daß  die  Wahrnehmbarkeit  allmählicher  Veränderungen 
um  so  feiner  sei,  je  langsamer  dieselben  erfolgen. 

Von  M.  Mayer"  stammen  Beobachtungen  über  die  Töne 
von  400,  600  und  1200  Schwingungen,  welche  an  Herrn  Prof. 
Stumpf  als  Versuchsperson  angestellt  wurden. 

E.  Luft*  untersuchte  Töne  mit  einer  Schwingungszahl 
von  64  bis  1024  in  der  Sekunde;  seine  Werte  dürften  wohl  die 
genauesten  sein,  da  er  sowohl  die  eine  der  beiden  Gabeln,  vom 
Einklang  ausgehend,  allmählich  verstimmte,  als  auch,  von  einer 
Differenz  ausgehend,  sie  langsam  zur  Konsonanz  brachte,  ferner 
die  verstimmbare  Gabel  abwechselnd  höher  und  tiefer  als  die 
andere  stimmte  und  endlich  auch  bald  die  eine,  bald  die  andere 
Gabel  zuerst  anschlug;  hiedurch  ergaben  sich  für  jeden  Ton 
acht  Beobachtungsreihen.  Die  relative  Unterschiedsempfind- 
lichkeit wird  auch  bei  Luft  mit  der  Tonhöhe  größer. 

Cornu  und  Mercadier,*  Preyer,^  Schischmanow* 
und  Stumpf  befaßten  sich  mit  der  Empfindlichkeit  des  Inter- 
vallensinnes; geradeso  wie  zwei  wenig  voneinander  verstimmte 


^  Zeitschrift  für  Psychol.  und  Physiol.  der  Sinnesorgane,  11,  1  (1801). 
2  Wundt,  Philos.  Studien,  4,  511  ff.  (1888). 
8  Id.,  16,  352  ff.  (1898). 
4  Compt.  rend.,  68,  301  f.,  424  f.  (1869). 
^  Grenzen  der  Tonwahmehmung,  p.  38  ff. 
«  Wundt,  Philos.  Studien,  5,  558  f.  (1889). 

7  Zeitschrift  für  Psychol.    und    Physiol.    der  Sinnesorgane,    18,    373 
(1898). 


UnterschiedsempfincUichkeit  für  Tonhöhen.  369 

Töne  werden  auch  Intervalle  besser  beurteilt,  wenn  die  Töne 
aufeinanderfolgen. 

Da  wir  im  folgenden  einige  Beziehungen  zwischen  der 
Unterschiedsempfindlichkeit  und  der  absoluten  Hörschärfe 
treffen  werden,  so  will  ich  kurz  die  Arbeiten  von  Helmholtz* 
sowie  von  Quix  und  Minkema*  erwähnen;  der  erstere  ent- 
deckte ein  Maximum  der  Hörschärfe  im  Umkreis  des  vier- 
gestrichenen g,  während  die  letzteren  die  Beobachtung  machten, 
daß  dieselbe  innerhalb  einer  Oktave  Veränderungen  unterworfen 
ist,  welche  in  jeder  folgenden  Oktave  periodisch  wiederkehren, 
eine  Erscheinung,  auf  die  wir  später  noch  zu  sprechen  kommen. 

Meine  Beobachtungen  erstrecken  sich  bezüglich  der  ge- 
brauchten Töne  innerhalb  des  Intervalles  von  72  und  35000 
Schwingungen  in  der  Sekunde,  also  auf  fast  9  Oktaven; 
während  ich  in  der  eingestrichenen  Oktave  für  jeden  Ton  der 
C-dur-Skala  eine  Stimmgabel  vorrätig  hatte,  stand  mir  jedoch 
in  den  tieferen  Regionen  nur  eine  Gabel  für  jede  Oktave  zur 
Verfügung.  Folgende  Töne  (nach  der  Bezeichnung  von  Sond- 
hauß)  kamen  bei  meinen  Untersuchungen  in  Verwendung: 
J~S  r®,  c^y  alle  Töne  der  C-dur-Skala  bis  c^^  ferner  a^,  a^,  g^ 
(von  hier  forlaufend  bis  c%  endlich  g^,  r',  ^'  und  c®.  Bis  inklusive 
c^  wurden  die  Töne  mit  Stimmgabeln  erzeugt,  für  ä^  und  a* 
verwendete  ich  Monochordsaiten  und  für  die  übrigen  Töne  die 
Galtonpfeife.  Die  Gabeln  ä^  und  c^  verstimmte  ich  mittels  Kleb- 
wachses, die  übrigen  durch  Befestigen  von  Laufgewichten; 
bei  den  Saiten  wurde  der  Ton  durch  Verrückung  des  Steges 
abgeändert.  Bei  jeder  Versuchsreihe  stellte  ich  zuerst  eine  große 
Differenz  in  der  Schwingungszahl  der  beiden  Gabeln  her,  die 
ich  sodann  allmählich  kleiner  werden  ließ ;  ferner  wiederholte 
ich  jeden  einzelnen  Versuch  einige  Male,  wobei  die  Töne  in 
wechselnder  Reihenfolge  erzeugt  wurden,  bis  ich  die  Grenze 
der  Unterscheidbarkeit  genau  bestimmt  hatte.  Das  Zeitintervall, 
welches  zwischen  dem  Erklingen  der  beiden  Töne  verstrich, 
betrug  bei  allen  Versuchen  ungefähr  eine  Sekunde.  Die  Gabein 
mußte  ich  während  des  Anschlagens  stets  einen  Augenblick 


1  Lehre  von  den  Tonempfindungen,  p.  176. 

«  Archiv  für  (Anat.  und)  Physiol.,  1905,  Suppl.  305  bis  319. 


370  X.  Stücker, 

am  unteren  Ende  der  Zinken  berühren,  um  das  Mitschwingen 
von  Obertönen  zu  verhindern. 

Das  Hervorbnngen  der  Töne  der  achtgestrichenen  Oktave 
ist  auf  zweifache  Art  ausführbar.  Entweder  kann  man  die 
Pfeife  nach  der  von  Edelmann  berechneten  Tabelle  auf  den 
gewünschten  Ton  selbst  einstellen  oder  man  kann  denselben 
unter  gewissen  Umständen  als  harmonischen  Oberton  eines 
tieferen  Tones  erhalten.  Das  letztere  ist  nur  auf  folgende  Weise 
gelungen:  Die  Erzeugung  der  einzelnen  Töne  der  Galtonpfeife 
hängt  bekanntlich  von  zwei  Größen  ab:  von  der  Pfeifenlänge 
und  von  der  sogenannten  Maulweite;  die  erstere  bedingt  die 
Höhe,  die  letztere  die  Reinheit  des  Tones,  jeder  Pfeifenlänge 
entspricht  aber  eine  bestimmte  Maulweite,  bei  welcher  der  Ton 
am  besten  anspricht.  Wenn  wir  nun  auf  die  Pfeifenlänge  irgend 
eines Tonesder  fünfgestrichenen  Oktave  einstellen^die Maulweite 
aber  möglichst  klein  machen,  so  wird  bei  vorsichtigem  Drücken 
des  Gummiballes  statt  des  erwarteten  Tones  ein  um  drei 
Oktaven  höherer,  also  ein  in  der  achtgestrichenen  Oktave 
liegender  Ton  erklingen.  Die  auf  diese  Art  erzeugten  Töne 
haben  den  Vorzug,  daß  sie  infolge  ihrer  großen  Intensität  viel 
leichter  noch  gehört  werden  können;  doch  ergaben  sich  bei  der 
Messung  der  Hörgrenze  keine  nennenswerten  Unterschiede. 

Im  folgenden  bringe  ich  nun  eine  Übersicht  über  die  an 
50  Personen  gemessene  Unterschiedsempfindlichkeit  in  ver- 
schiedenen Tonregionen;  dieselbe  ist  in  Tabelle  I  und  II 
in  Schwingungen  (absolute  Unterschiedsempflndlichkeit),  in 
Tabelle  III  und  IV  in  Prozenten  der  Schwingungszahl  des 
tieferen  Tones  (relative  Unterschiedsemptindlichkeit)  und  in 
Tabelle  V  in  Bruchteilen  eines  ganzen  Tones  der  gleich- 
schwebend temperierten  Skala  angegeben.  In  Tabelle  I  ist 
außerdem  die  Hörgrenze  erwähnt.  Zum  Schlüsse  folgt  eine 
graphische  Darstellung  der  typischen  Empfindlichkeitskurven 
für  die  relative  Unterschiedsempfindlichkeit  (siehe  die  nächst- 
folgenden Seiten). 


Unterschied  empfindlich  he  it  Tür  Tonhöhen. 


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Unterschiedsempfindlichkeit  für  Tonhöhen. 


373 


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Unterschiedsempfindlichkeit  für  Tonhöhen. 


379 


Tabelle  IV. 

Eben  merkliche  Differenz,  in  Prozenten  der  Schwingungszahl 

angegeben. 

1.  Für  die  eingestrichene  Oktave. 


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0-08 

0-07 

0-08 

0-04 

Dr.  E.  H 

0-77 

0-82 

0-80 

0-72 

0-59 

0-53 

0-51 

0-34 

Hofrat  W 

0-54 

0*54 

0-46 

0-43 

0-34 

0-30 

0-29 

0-21 

Frau  L.  W 

0-54 

0-60 

0-54 

0-46 

0-31 

0-28 

0-29 

0-20 

OLR.  K 

0-69 

0-58 

0-46 

0-43 

0-34 

0-28 

0-33 

0-20 

Dr.  J.  N 

0-46 

0-54 

0-54 

0-46 

0-36 

0-35 

0-37 

0-27 

Prof.  F.  E 

0-23 

0-24 

0-22 

0-17 

0-08 

0-09 

0-10 

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2.  Für  g^  bis  Ä*  und  die  fünfgestrichene  Oktave. 


Herr  A.  K. 


OLR.K. 


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Dr.  £.  H 

Dr.  J.  R 

Dr.  G.  H 

Dr.  J.  N 


Prof.  F.  E 

Baron  E.  E. . . . 


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0-84 


1-12 


0-26 


0-43 


0-80 


0 


0 


0 


0 


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45 


43 


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1-12 


0 


0 


0 


0 


0 


0 


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51 


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91 


19 


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0-77 


0 


0 


0 


45 


23 


30 


62 


32 


62 


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43 


74 


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24 


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13 


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24 


39 


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16 


34 


44 


44 


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19 


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69 


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48 


90 


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17 


42 


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7-61 


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8-61 


2-23 


3-42 


5-02 


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UnterschiedsempfindUchkeit  für  Tonhöhen. 


381 


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382  N.  stücker. 

Betrachten  wir  die  in  den  Tabellen  I  bis  V  enthaltenen 
Resultate,  so  ergeben  sich  folgende  Gesetzmäßigkeiten: 

1.  Weder  die  absolute  noch  die  relative  Unter- 
schiedsempfindlichkeit zweier  Töne  bleibt  in  ver- 
schiedenen Tonregionen  konstant. 

2.  Die  relative  Unterschiedsempfindlichkeit  ist 
im  allgemeinen  in  der  ein-  und  zweigestrichenen 
Oktave  am  größten;  in  manchen  Fällen  liegt  jedoch  das 
Maximum  derselben  in  der  drei-  und  viergestrichenen  Oktave. 

3.  Bei  einem  Drittel  sämtlicher  Versuchspersonen 
ist  die  relative  Unterschiedsempfindlichkeit  in  der 
zweiten  Hälfte  der  eingestrichenen  Oktave  nahezu 
gleich  (nämlich  0*20  bis  0*30);  vergleicht  man  von  diesen 
die  einzelnen  Empfindlichkeitskurven,  so  liegen  die  Maxima 
der  Empfindlichkeit  bei  musikalischen  Individuen  oberhalb 
dieser  Tonregion,  während  sie  bei  Unmusikalischen  im  all- 
gemeinen unterhalb  derselben  liegen. 

4.  Die  Empfindlichkeit  ist  innerhalb  einer  Oktave 
Schwankungen  unterworfen,  die  sich  in  jeder  Oktave 
in  demselben  Verhältnis  wiederholen;  sie  ist  für  c  am 
größten,  hierauf  folgt  g  und  zum  Schlüsse /und  A.  Die  Gründe 
hiefür  werde  ich  versuchen,  im  folgenden  auseinanderzusetzen. 

5.  Eine  Anzahl  Personen  weisen  in  der  großen 
Oktave  ein  sekundäres  Maximum  der  Empfindlich- 
keit auf. 

6.  Eine  ungewöhnlich  große  Empfindlichkeit  in 
hohen  Tonregionen  ist  für  musikalische  Personen 
charakteristisch. 

Ehe  ich  auf  die  einzelnen  Empfindlichkeitskurven  näher 
eingehen  will,  möchte  ich  die  Gründe  für  die  Schwankungen 
innerhalb  einer  Oktave  kurz  besprechen.  Hei  mholtz  entdeckte 
gelegentlich  einer  Untersuchung  über  die  Perzeptionsfähigkeit 
des  menschlichen  Ohres,  daß  die  Intensitätsschwelle  eines 
Tones,  um  als  solcher  gehört  zu  werden,  für  g^  und  die 
benachbarten  Tonregionen  am  kleinsten  ist,  und  erklärte  diese 
Erscheinung  damit,  daß  g^  ein  Eigenton  des  menschlichen 
Ohres  sei  und  daß  somit  durch  die  Resonanz,  welche  beim 
Erklingen  des  Tones  g^  im  Ohre  eintritt,  der  Ton  so  verstärkt 


Unterschiedsempfindlichkeit  für  Tonhöhen.  383 

wird,  daß  eine  geringere  Intensität  schon  genügt,  um  denselben 
über  die  Merklichkeitsschwelle  zu  bringen.  Quix  und  Min- 
ie ema  stellten  genaue  Versuche  über  die  Hörschärfe  in 
verschiedenen  Regionen  an,  wobei  sich  zeigte,  daß  die 
Empfindlichkeit  für  alle  c  stets  größer  sei  als  für  die  g.  Es  mußte 
mich  nun  mit  Recht  interessieren,  daß  ich  bei  der  Bestimmung 
der  Unterschiedsempfindlichkeit  ähnliche  Erscheinungen  beob- 
achtete. Ausgehen  will  ich  von  dem  von  Musikern  allzeit  an- 
erkannten, sogenannten  absoluten  Klangcharakter  jeder  Tonart. 
Die  Physiker  lassen  denselben  nicht  ohneweiters  gelten,  indem 
sie  die  hellen  Klänge  der  Kreuztonarten  bei  den  Streich- 
instrumenten auf  die  häufige  Verwendung  der  leeren  Saiten 
und  beim  Klavier  auf  die  der  Untertasten  zurückführen,  da 
nach  Helmholtz  die  Obertasten  infolge  ihrer  kürzeren  Tasten- 
länge Töne  mit  anderer  Klangfarbe  geben  müßten.  Nun  weiß  ich 
aus  eigener  Erfahrung,  daß  dies  nicht  der  Fall  ist.  Wenn  ich 
z.  B.  auf  einem  Klavier,  das  um  mehr  als  einen  Viertelton  zu 
hoch  oder  zu  tief  in  Bezug  auf  die  mittlere  Stimmung  der 
meisten  Klaviere  gestimmt  ist,  ein  Stück  in  C-dur  spiele,  so 
habe  ich  sofort  den  ganz  bestimmten  Eindruck,  in  Des-diiv, 
beziehungsweise  in  H-dur  zu  spielen.  Jeder  Musikbetreibende 
weiß  nun,  daß  C-dur  eine  der  härtesten  und  am  grellsten 
klingenden  Tonarten  ist,  während  das  benachbarte  Des-dur 
wiederum  eine  der  weichsten,  wenn  nicht  vielleicht  die  weichste 
Tonart  ist.  Ein  ähnliches  Verhältnis,  nur  gemildert,  besteht 
zwischen  G-dur  und  As-dur.  Wenn  ich  z.  B,  jetzt  einen  Ton  c 
nehme  und  denselben  gegen  des  verändere,  so  wird  sich 
entsprechend  der  großen  Verschiedenheit  des  absoluten  Klang- 
charakters der  beiden  Töne  auch  der  absolute  Charakter  eines 
Tones,  der  allmählich  von  c  nach  des  gestimmt  wird,  schneller 
ändern  als  z.  B.  von  h  nach  c,  da  diese  beiden  Töne  einen 
ziemlich  ähnlichen  Klangcharakter  haben.  Mit  dieser  Er- 
klärung stimmen  meine  Beobachtungen  überein;  wenn  ich 
einen  Ton  c  und  einen  etwas  höheren  erklingen  ließ,  so 
bedurfte  es  aus  den  erwähnten  Gründen  einer  viel  kleineren 
Schwingungsdififerenz,  um  einen  Unterschied  wahrzunehmen, 
als  bei  anderen  Tönen.  Hiemit  wird  die  Beobachtung  erklärt, 
daß  die  Empfindlichkeit  für  c  bedeutend    vermindert   wurde. 


384  N.  Stücker, 

wenn  man  den  zweiten  Ton  in  der  Richtung  gegen  h 
verstimmte.  Es  könnte  nun  freilich  jemand  einwenden,  die 
Normalstimmung  sei  etwas  Konventionelles,  so  daß  die 
besprochenen  Erscheinungen  keine  Erklärung  fanden,  wenn 
man  eine  andere  Stimmung  einführen  würde.  Dieser  Behauptung 
gegenüber  läßt  sich  jedoch  entgegnen,  daß  seit  der  Zeit,  als  der 
absolute  Klangcharakter  der  Tonarten  bei  der  Wahl  derselben 
in  der  Musik  eine  Rolle  zu  spielen  begann  (also  ungefähr  seit 
Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts),  die  verschiedenen  Stimmungen 
überhaupt  nur  um  weniges  voneinander  abweichen  und  daß 
das  Ohr  die  Fähigkeit  zu  besitzen  scheint,  den  absoluten  Klang- 
charakter eines  Tones,  z.  B.  c,  nach  mehrmaligem  Hören 
unbewußt  im  Gedächtnisse  festzuhalten  und  von  diesem  c 
aus  —  da  ich  zu  Beginn  jeder  Versuchsreihe  die  eine  Gabel 
fast  einen  halben  Ton  höher  stimmte,  war  ja  der  Klangfarben- 
unterschied der  beiden  Gabeln  leichter  zu  erkennen  — -  die 
anderen  Töne  zu  beurteilen.  Hiefür  spricht  die  Tatsache,  daß 
diese  Erscheinung  um  so  deutlicher  hervortrat,  je  öfter  man  die 
Versuche  wiederholte. 

Nun  will  ich  zu  der  Besprechung  der  einzelnen  Kurven 
übergehen  (siehe  die  Tafel).  Aus  den  erwähnten  Gründen  habe 
ich  bei  denselben  die  Werte  für  c^,  c^,  c'  und  c^  nicht  berück- 
sichtigt. 

Da  die  Kurven  für  Dr.  J.  R.  (Nr.  1),  Fräulein  Db.  und 
Dr.  E.  H.  die  einzigen  sind,  die  miteinander  einige  Ähnlichkeit 
zeigen,  und  dieselben  außerdem  ungefähr  die  Mittelwerte  aller 
gegebenen  Kurven  bilden,  so  will  ich  mit  diesen  beginnen. 
Bei  den  beiden  ersteren  steigt  die  Empfindlichkeit  von  der 
großen  Oktave  langsam,  um  gegen  das  Ende  der  eingestrichenen 
Oktave  das  Maximum  zu  erreichen  und  zuerst  langsam,  von 
der  fünfgestrichenen  Oktave  an  aber  rasch  abzunehmen  und 
nach  c''  überhaupt  unmeßbar  zu  werden.  Dr.  E.  H.  zeigt  außer- 
dem ein  sekundäres  Maximum  in  der  großen  Oktave;  diese 
Erscheinung  wurde  außerdem  beim  Verfasser,  bei  Dr.  V.  H.  und 
einigen  anderen  Personen  beobachtet  (Nr.  2). 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  Kurven  von  Frau  Gst  und 
Frau  H.  H.,  welche  die  Extreme  in  der  Unterschiedsempfind- 
lichkeit bilden,  so  finden  wir  bei  ersterer  (Nr.  3)  das  Maximum 


UnterschiedsempfindUchkett  für  Tonhöhen.  385 

erst  bei  c^;  innerhalb  der  vier  Oktaven  von  a*  bis  g^  nähert  sich 
die  Kurve  einer  Geraden,  während  sich  in  tieferen  Regionen  wie 
bei  den  meisten  fein  Hörenden  keine  abnorme  Empfindlich- 
keit vorfindet.  Bei  Frau  H.  H.  (Nr.  4),  deren  minimum 
perceptibile  sehr  groß  ist,  zeigt  sich  ein  deutliches  Maximum 
in  der  eingestrichenen  Oktave,  dagegen  nimmt  die  Empfind- 
lichkeit nach  beiden  Richtungen  rasch  ab.  Wie  verschieden  die 
Empfindlichkeit  des  menschlichen  Ohres  für  Tonunterschiede 
sein  kann,  erhellt  am  besten  aus  den  Werten  von  Tabelle  V 
für  g^y  wo  sich  die  Empfindlichkeit  der  obgenannten  Versuchs- 
personen wie  410:1  erhält.  Beim  Verfasser  bleibt  die  Empfind- 
lichkeit mit  Ausnahme  des  erwähnten  Minimums  in  der  kleinen 
Oktave  in  allen  Tonregionen  bis  c^  nahezu  die  gleiche. 

Ein  deutliches  Beispiel  für  den  Unterschied  zwischen 
Musikalischen  und  Unmusikalischen  geben  die  Kurven  von 
Fräulein  Ph,  (Nr.  5)  und  Fräulein  Kl.  (Nr. 6).  Bei  ersterer,  welche 
musikalisch  ist,  ist  die  Empfindlichkeit  in  der  Tiefe  ziemlich 
gering,  während  sie  bei  c^  ein  hohes  Maximum  zeigt;  bei 
letzterer  scheint  das  Maximum  jenseits  der  großen  Oktave  zu 
liegen,  da  die  Empfindlichkeit  stets  abnimmt  und  in  der 
dreigestrichenen  Oktave  sehr  kleine  Werte  besitzt.  Die  gleiche 
Eigentümlichkeit  weisen  die  Kurven  für  Prof.  E.  und  Prof. 
V.  Schw.  auf  (ersterer  ist  musikalisch,  letzterer  nicht).  Es  muß 
wohl  bemerkt  werden,  daß  ich  genug  Fälle  beobachtete,  in 
denen  musikalisch  Begabte  auch  in  tiefen  Oktaven  eine  große 
Unterschiedsempfindlichkeit  an  den  Tag  legten;  dagegen  konnte 
man  mit  Sicherheit  darauf  rechnen,  daß  Personen,  deren  Gehör 
in  der  Höhe  sehr  ausgebildet  ist,  musikalisch  waren. 

Bei  manchen  Personen,  und  zwar  hauptsächlich  bei 
solchen,  die  etwas  schwerhörig  sind,  zeigt  die  Kurve  in  den 
höheren  Oktaven  plötzlich  eine  starke  Abbiegung  nach  oben. 
Als  typisches  Beispiel  seien  hier  Frau  Seh.  und  Herr  F.  L. 
erwähnt  (Tab.  III  und  V);  letzterer  ist  ohrenleidend,  hat  aber 
innerhalb  der  angegebenen  Grenzen  ein  sehr  feines  Unter- 
scheidungsvermögen für  qualitative  Unterschiede. 

Eine  eigentümliche  Anomalie  zeigt  Herr  Sk.  Seine  Unter- 
schiedsempfindlichkeit bleibt  von  ^""^  bis  g^  nahezu  gleich,  nur 
für  a^  ist  sie  auffallend  klein;  dadurch,  daß  ich  auch  die  Werte 


I 


386  N.  stücker, 

für  g^  und  /t*  bestimmt  habe,  die  sich  den  übrigen  Werten  voll- 
kommen anpaßten,  ist  also  erwiesen,  daß  diese  Anomalie,  infolge 
welcher  die  Empfindlichkeit  für  den  Ton  a>  achtmal  geringer  ist, 
als  sie  berechnet  wurde,  nur  für  diesen  Ton  allein  gilt. 

Hofrat  Sk.  zeigt  in  der  eingestrichenen  Oktave  eine  ganz 
besondere  Unterschiedsempfindlichkeit,  indem  er  sowohl  für  c^ 
als  auch  für  a^  0*1  Schwingungsdifferenz  noch  erkennt;  dies 
gibt  die  enormen  Werte  von  rund  V3201  beziehungsweise  Vs« 
eines  ganzen  Tones  der  temperierten  Skala;  nach  beiden 
Richtungen  nimmt  die  Empfindlichkeit  jedoch  rasch  ab  und 
bewegt  sich  in  der  großen  sowie  außerhalb  der  viergestrichenen 
Oktave  unter  dem  Mittel. 

Betrachtet  man  in  Tabelle  III  die  Werte  des  Barons  E.  E., 
so  sieht  man  deutlich,  daß  die  Unterschiedsempfindlichkeit  für 
alle  c  relativ  größer  als  für  alle  g  ist;  diese  Eigentümlichkeit 
wurde  nahezu  bei  allen  Versuchspersonen,  in  so  auffallender 
Weise  aber  nur  bei  musikalisch  Gebildeten  beobachtet.  Be- 
sonders hervortretend  ist  der  Unterschied  in  den  hohen  Oktaven, 
wahrscheinlich  aus  dem  Grunde,  daß  im  Gegensatz  zu  den  c 
die  g  schon  für  manche  Ohren  zu  schwach  sind,  um  noch 
genau  beurteilt  werden  zu  können.  Doch  ist  das  Beobachtungs- 
material zu  gering,  um  hierüber  allgemein  gültige  Gesetze 
aufzustellen. 

Anschließend  bringe  ich  die  Mittelwerte  für  die  Empfind- 
lichkeit zwischen  d~-^  und  g'^\ 

Tonhöhe dr^        c^         c^        ai        «2        ^3        g^       g^ 

Wahrnehmbare  Dififerenz... 0-94,  0*74,  0*49,  0*32,  0*30,  0*44,  0'86,  4*91 

Man  sieht,  daß  das  Maximum  der  relativen  Unterschieds- 
empfindlichkeitzwischenÄ^  und  a^,  also  in  der  zweigestrichenen 
Oktave,  ungefähr  bei  e^  liegen  muß.  Aus  diesen  Mittelwerten 
sind  natürlich  die  Beobachtungen  ausgeschaltet,  bei  denen  sich 
irgend  welche  Anomalien  ergaben,  sowie  diejenigen,  welche  in 
der  sechs-  und  siebengestrichene  Oktaven  angestellt  wurden,  da 
bei  vielen  Personen  die  Unterschiedsempflndlichkeit  schon 
unmeßbar  klein  wird,  so  daß  man  keine  Mittelwerte  mehr 
berechnen  kann. 

Übrigens  spielt  die  Übung  bei   der  Unterscheidung  von 
Tonhöhen  eine  große  Rolle.  Während  beim  Verfasser  selbst  sich 


Unterschiedsempfindlichkeit  für  Tonhöhen.  387 

die  Empfindlichkeit  im  Laufe  der  Arbeit  um  das  Vierfache 
steigerte,  so  zeigt  sich  dies  bei  Dr.  F.  Eh.  noch  viel  deutlicher; 
obwohl  seine  Unterschiedsempfindlichkeit  in  der  großen  und 
von  der  viergestrichenen  Oktave  an  unter  dem  Mittel  liegt,  so 
ist  sie  offenbar  infolge  des  Umstandes,  daß  sich  Dr.  F.  Eh.  viel 
mit  der  Eichung  von  Normalgabeln  beschäftigt,  in  der  einge- 
strichenen Oktave  so  groß,  daß  derselbe  von  zwei  -4-Gabeln 
noch  die  höhere  erkennt,  wenn  sie  in  ihrer  Höhe   um  0-05 

Schwingungen  pro  Sekunde  oder eines   ganzen   Tones 

1100 

von  einander  verschieden  sind. 

Endlich  will  ich  noch  erwähnen,  daß  ich  großes  Augen- 
merk auf  die  Reihenfolge  legen  mußte,  in  welcher  die  beiden 
Töne  erklangen;  während  es  z.  B.  für  a^  ganz  gleichgültig 
war,  welchen  Ton  man  zuerst  hörte,  wurden  die  Unterschiede 
in  tieferen  Regionen  weitaus  richtiger  beurteilt,  wenn  der 
zweite  Ton  der  tiefere  war,  während  in  höheren  Regionen 
das  Gegenteil  der  Fall  war;  es  scheint  daher,  als  ob  die 
Beobachtung  erleichtert  würde,  wenn  sich  die  Töne  von  der 
am  häufigsten  gehörten  Tonregion  der  ein-  und  zweigestrichenen 
Oktave  entfernen,  als  wenn  sie  sich  derselben  nähern.  Bei 
etlichen  Personen  wiederholte  ich  die  Versuche  an  verschiedenen 
Tagen.  Merkwürdigerweise  lieferten  Unmusikalische  stets  fast 
die  gleichen  Resultate,  während  bei  musikalisch  Gebildeten  die 
Unterschiedsempfindlichkeit  großen  Schwankungen  unter- 
worfen war. 

Auch  in  Betreff"  der  Hörgrenze  haben  sich  einige  Gesetz- 
mäßigkeiten ergeben.  Sie  lag  bei  musikalischen,  sowie  bei  den 
meisten  etwas  nervösen  Individuen  sehr  hoch;  ferner  scheint 
der  Umfang  des  Hörvermögens  mit  zunehmendem  Alter  der 
Versuchspersonen  nach  der  Tiefe  wenig,  nach  der  Höhe  zu 
aber  stark  abzunehmen. 


N.  Stüeker:  Unterschiedsempfindlichkeit  für  Tonhöhen. 


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'UdiqvzsSunSufMqos  J9p  a^uazojj  aqonilJdui  uaq^ 


Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907. 


389 


Strahlungen  in  starken  elektromagnetischen 

Feldern 


von 


G.  Jaumann, 

k.  M.  k.  Akad. 
(Vorgele^  in  der  Sitzung  am  28.  Februar  1007.) 

Der  erste  Teil  der  elektromagnetischen  Theorie  des  Ver- 
fassers behandelt  die  elektromagnetischen  Vorgänge  in 
bewegten  Medien.*  Die  diesem  Teile  der  Theorie  zu  Grunde 
liegende  Idee  ist,  daß  die  Bewegung  keinen  direkten  Einfluß  auf 
elektromagnetische  Vorgänge  hat,  sondern  daß  nur  die  durch 
die  Bewegung  bewirkte  Deformation  des  Mediums  elektro- 
magnetische Wirkungen  hat. 

Die  vorliegende  Mitteilung  behandelt  die  Strahlungen 
in  Medien  allgemeinen  Verhaltens.  Die  diesem  Teile  der 
Theorie  zu  Grunde  liegende  Idee  ist,  daß  alle  elektromagne- 
tischen Strahlen  von  chemischen  Schwingungen  begleitet 
werden,  d.  h.  daß  die  stofflichen  Eigenschaften  des  Mediums, 
insbesondere  der  dielektrische  Koeffizient  und  die  Leitfähigkeit 
desselben,  in  einem  durchstrahlten  Medium  sehr  kleine,  aber 
rasche  periodische  Änderungen  erfahren. 

Der  Verfasser  hat  sich  bemüht,  seine  Theorie  in  nüchterner 
Art  auf  ein  System  sehr  einfacher  Differentialgleichungen  zu 
gründen  und  hält  sie  dadurch  der  Lorentz'schen  Theorie  für 
überlegen,  um  so  mehr  als  seine  Theorie  eine  weit  größere 
Zahl  fundamentaler  Beobachtungen  ungezwungen  darstellt. 


1  Vorläufige  Mitteilung:  Diese  Sitzungsber,  Bd.  CXIV,  p.  1635  (Dezem- 
ber 1905);  ausführliche  IL  Mitteilung:  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CXV,  p.  337 
(März  1906);  gekürzte  Mitteilung:  Ann.  d.  Phys.,  Bd.  19,  p.  881  (Jänner  1906). 


390  G,  Jaumann, 

Als  ein  Experiment,  welches  geeignet  ist,  zwischen  beiden 
Theorien  zu  entscheiden,  führt  der  Verfasser  seine  grund- 
legenden Versuche  über  die  elektrostatische  Ablenkung  der 
Kathodenstrahlen  an  und  fordert  zur  unbefangenen  Würdigung 
dieser  Versuche  auf. 

1.  Einleitung. 

1.  Das  entferntere  Ziel,  welchem  meine  sämtlichen  theo- 
retischen Arbeiten  zustreben,  ist,  eine  auf  dem  Minimum  will- 
kürlicher Vorstellungen  beruhende  Theorie  der  chemischen 
Vorgänge  und  der  Wärmeleitung  zu  schaffen.  Es  ist  mir 
gelungen,  auf  diesem  Wege  die  Theorie  der  mit  diesen  Vor- 
gängen zusammenhängenden  elektromagnetischen  Er- 
scheinungen nicht  unwesentlich  zu  fördern. 

Mein  erster  Versuch  einer  chemischen  Theorie  auf  ver- 
gleichend-physikalischer Grundlage^  ist  verfrüht  und  hat  wenig 
mehr  als  Kuriositätswert.  Das  Ziel  desselben,  das  stöchio- 
metrische  Gesetz  als  das  Eliminationsresultat  aus  zwei  Gesetzen 
ganz  anderen  Inhaltes  darzustellen,  ist  an  sich  sehr  erstrebens- 
wert, aber  noch  unerreichbar.  Dennoch  hat  diese  Arbeit  ein 
nicht  unwichtiges  Resultat  zu  Tage  gefördert:  es  zeigte  sich, 
daß,  von  jeder  Theorie  abgesehen,  die  Grundlage  des 
heutigen  chemischen  Systems  nicht  mit  den  Tatsachen  über- 
einstimmt. Die  Atomtheorie  führt  zu  einem  wahrscheinlich 
ganz  unrichtigen  Gasvolumgesetz  und  die  Folge  davon  ist,  daß 
die  Chemiker  in  fast  allen  Fällen,  in  welchen  der  Druck  der 
Elemente  sowohl  als  ihres  Verbindungsproduktes  im  Dampf- 
zustande oder  in  verdünnter  Lösung  gemessen  werden  kann, 
genötigt  sind,  die  Fundamentalvorstellungen  der  Chemie  auf- 
zugeben und  entweder  die  Elemente  als  dimere  Verbindungen 
oder  die  Verbindungen  als  vollkommen  dissoziiert  anzusehen. 
Ich  habe  nochmals  an  anderer  Stelle  ^  hierauf  hingewiesen, 
ohne  Beachtung  zu  finden. 

2.  Es  ist  gegenwärtig  deshalb  nicht  möglich,  eine  befriedi- 
gende Theorie  der  chemischen  Ausgleichsvorgänge  zu  finden, 


1  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CI,  p.  487  (1892). 

2  Zur  Theorie  der  Lösungen,  Ann.  d.  Phys.,  Bd.  3,  p.  613. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  39 1 

weil  man  diese  Vorgänge  nur  von  einer  Seite  her  kennt  oder 
untersucht  hat.  Der  Ausgleich  der  Ladungen  zweier  Kon- 
duktoren ist  ebenfalls  lange  irrtümlich  für  einen  einfachen 
Vorgang  angesehen  worden  und  erst  als  man  die  oszillatorische 
Natur  dieses  Vorganges  erkannte  und  die  simultanen  magne- 
tischen Vorgänge  beachtete,  konnte  die  Theorie  wesentlich 
fortschreiten. 

Nun  kennt  man  wohl  die  Elektrolyse,  den  Peltier-  und 
Thomsoneffekt,  welche  die  bei  allen  Wärmelei tungs-  und 
chemischen  Vorgängen  wesentlich  mitspielenden  elektromagne- 
tischen Vorgänge  erkennen  lassen.  Doch  sind  solche  stationär 
ablaufende  Prozesse  wenig  geeignet,  das  Gesetz  des  zeit- 
lichen Ablaufes  dieser  Wirkungen  erkennen  zu  lassen. 

Diesem  Zwecke  können  wohl  nur  oszillatorisch  ab- 
laufende Vorgänge  dienen,  denn  solche  lassen  das  ihnen  zu 
Grunde  Hegende  Differential-  und  Nahewirkungsgesetz  stets 
unmittelbar  erkennen.  Aber  wo  gibt  es  chemische  Oszilla- 
tionen? 

3.  Hier  förderte  mich  der  Vorschlag  einer  chemischen 
Lichttheorie  von  E.  Mach  in  seinen  »Beiträgen  zur  Analyse 
der  Sinnesempfindungen «.^  Die  photochemischen  Wirkungen 
legen  die  Vermutung,  daß  die  Lichtschwingungen  chemische 
Oszillationen  sind,  ebenso  nahe,  wie  die  photoelektrischen 
Erscheinungen  die  Vermutung  der  elektromagnetischen  Natur 
der  Lichtschwingungen  nahelegen.  Mach  faßte  diese  Idee  vor 
dem  Bekanntwerden  der  elektromagnetischen  Lichttheorie. 
Meiner  Ansicht  nach  kann  wohl  die  Mach'sche  Theorie  die 
Maxweirsche  Theorie  niemals  ersetzen,  jedoch  sind  beide 
Theorien  gleichzeitig  wahr.  Die  elektromagnetischen  Schwin- 
gungen werden  in  jedem  Lichtstrahl  im  allgerpeinen  begleitet 
von  chemischen  Schwingungen  und  von  Temperaturschwin- 
gungen.2 

Meine  Versuche,  diese  Lichttheorie  direkt  auszubilden, 
sind  aber  zunächst  vollkommen  gescheitert,  wieder  deshalb, 
weil  die  beobachteten  photochemischen  Erscheinungen  keinen 


1  Jena  1886,  p.  42. 

2  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CIV,  p.  795  (1895). 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  Ha.  26 


392  G.  Jaumann, 

oszillatorischen  Charakter  haben.  Die  spektralanalytischen  Ge- 
setze waren  damals  noch  nicht  bekannt. 

4.  Doch  wurde  ich  durch  Beobachtung  des  Entladungs- 
vorganges und  der  Hittorf'schen  Strahlen  auf  den  richtigen 
Weg  gewiesen.^  Schwingungen  der  elektrischen  Kraft, 
welche  unmittelbar  an  der  Kathode  und  in  der  Normalrichtung 
derselben  stattfinden,  sind  eine  wesentliche  Bedingung  des  Auf- 
tretens der  Entladung  und  der  Kathodenstrahlen.  Hiedurch 
wird  der  Gedanke  sehr  nahe  gelegt,  daß  die  Kathodenstrahlen 
longitudinale  elektrische  Wellen  sind. 

Ferner  entdeckte  ich^  die  hellen  Interferenzflächen  im 
blauen  Kathodenlichte,  später  die  dunklen  Interferenzflächen 
und  die  Wirkung  der  Phasendifferenz  der  elektrischen  Schwin- 
gungen an  den  beiden  die  interferierenden  Strahlen  aus- 
sendenden Kathoden.*  Hienach  ist  die  Schwingungsdauer  der 
Kathodenstrahlen  jener  der  anregenden  Drahtwellen  gleich,  also 
viel  größer  als  die  des  Lichtes. 

Mich  wundert,  daß  sich  die  Mehrzahl  der  Fachgenossen 
schwer  entschließt,  die  Beweiskraft  dieser  zahlreichen,  nach 
gleicher  Richtung  deutenden  Tatsachen  für  meine  Theorie  und 
gegen  die  Elektronentheorie  auch  nur  einigermaßen  unbefangen 
zu  würdigen. 

5.  Bald  nach  der  ersten  Untersuchung  der  Interferenz- 
flächen im  blauen  Kathodenlicht  erkannte  ich  die  Ursache 
dieser  Lumineszenz  der  verdünnten  Luft.  Nicht  die  elek- 
trischen Schwingungen  des  Kathodenstrahles  regen  das  viel 
rascher  schwingende  blaue  Licht  an.  Aus  dem  Auftreten  der 
Interferenzflächen  in  der  ganzen  Erstreckung  der  Symmetrie- 
ebene zwischen  den  zwei  Kathoden  erkennt  man,  daß  es  sich 
um  die  Interferenz  zweier  skalarer  (oder  dyadischer)  Wellen 
handelt,  das  blaue  Licht  zeigt  also  nicht  die  Schwingungen  des 
elektrischen  Vektors,  sondern  die  periodischen  Schwin- 
gungen der  Skalaren  (beziehungsweise  dyadischen)  Eigen- 
schaften des  Mediums,  seine  chemischen  Schwingungenan. 


1  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  XCVII,  p.  765. 

2  Wied.  Ann.,  Bd.  57,  p.  152. 

«  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CVII  (1S98),  und  Wied.  Anw.,  Bd.  67,  p.  742. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  393 

Diese  chemischen  Schwingungen  müssen  aber  ebenfalls 
mit  der  Schwingungsdauer  des  Kathodenstrahles  erfolgen,  also 
viel  langsamer  als  die  Schwingungen  des  blauen  Kathoden- 
lichtes. Die  langsamen  chemischen  Schwingungen  im  Kathoden- 
strahle  regen  also  nicht  jede  einzelne  Schwingung  des  blauen 
Lichtes  an,  sondern  jede  einzelne  chemische  Schwingung  des 
Kathodenstrahles  regt  einen  ganzen  Wellenzug  rasch  ab* 
klingenden  blauen  Lichtes  an. 

Lommel  zuerst,  sodann  unabhängig  von  diesem  und  von- 
einander auf  ganz  verschiedenem  Wege  gleichzeitig  Garbasso 
und  ich^  haben  erkannt,  daß  eine  verbreiterte  Spektral- 
linie nicht  auf  der  Emission  einer  unendlichen  Zahl  unge- 
dämpfter Lichtwellen  verschiedener  Schwingungsdauer  beruht, 
sondern  auf  der  Emission  einer  einzigen  Schwingungsdauer, 
wobei  aber  diese  monochromatische  Welle  rasch  abklingt,  von 
einer  stark  gedämpften  Schwingung  des  emittierenden  Körpers 
ausgeht. 

Ich  habe  ferner  geschlossen:  Da  die  elektromagnetische 
Schwingung  der  Körper,  welche  (durch  Lumineszenz  oder  Glut) 
verbreiterte  Spektrallinien  emittieren,  rasch  abklingt,  so  muß 
auch  eine  Ursache  vorhanden  sein,  welche  diese  emittierende 
Schwingung  stets  von  neuem  exzitiert.  Wenn  diese  Exzitation 
streng  periodisch  ist,  dann  ist  die  abklingende,  aber  stets  peri- 
odisch exzitierte  emittierende  Schwingung  wieder  eine  peri- 
odische Funktion  der  Zeit  und  die  emittierte  Lichtwelle  muß 
nach  dem  Fourier'schen  Theorem  sich  in  eine  große  Zahl  äqui- 
distanter  Spektrallinien  zerlegen,  wobei  die  Differenz  der 
Schwingungszahlen  zweier  aufeinanderfolgender  Linien  dieser 
Spektralbande  ein  ganzzahliges  Vielfaches  der  geringen 
Schwingungszahl  der  exzitierenden  Schwingung  ist.  Alle 
Spektren  müssen  Banden-(oder  Serien-)spektren  sein,  es  dürfte 
keine  wirklich  kontinuierlichen  Spektren  geben. 

Diese  exzitierende,  langsame  Schwingung  ist  wohl  die 
gesuchte  chemische  Schwingung.  Im  Kathodenstrahle  hat  sie 
die   langsame   Schwingungsdauer   dieses   Strahles   und   ihre 


1  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CHI  (Mai  1904),  p.  318;  Wied.  Ann.,  Bd.  53, 
p.  832. 


26* 


394  G.  Jaumann, 

Intensität  ist  erkenntlich  aus  der  Stärke  des  blauen 
Lichtes. 

Mit  der  Auffindung  longitudinaler  elektrischer  Strahlen 
eröffnete  sich  ein  gangbarer  Weg  zur  Ausbildung  der  ange- 
strebten elektrochemischen  Theorie  der  Strahlungen.  Jede 
Schwingung  oder  Welle  besteht  in  periodischen  Umsetzungen 
mindestens  zweier  verschiedener  physikalischer  Zustände  des 
Mediums  ineinander.  Ist  die  Welle  transversal,  so  sind  aller- 
dings diese  beiden  Zustände  vektorisch.  Ist  aber  die  Welle 
longitudinal,  so  muß  der  eine  Zustand  skalar  (oder  dyadisch) 
sein.  Eine  longitudinale  Welle  des  elektrischen  Vektors  e  wird 
von  der  Welle  eines  Skalars  o  begleitet  sein,  dessen  Fluxion 
der  Divergenz  dieses  Vektors  proportional  ist. 

8a 

=  f^a  div  e     (%a  konstant).  (1) 


dt 

Und  nun  ist  der  Gedanke  unabweislich,  da6  dieser  Skalar  o 
durch  die  Abweichung  des  chemischen  Zustandes  und  des 
Wärmezustandes  des  Mediums  von  dem  Ruhewert  bestimmt  ist. 

Magnetische  Kräfte  können  in  einer  solchen  longitudinalen 
elektrischen  Welle  nicht  auftreten,  die  MaxwelFschen  Glei- 
chungen reduzieren  sich  daher  auf: 

^   (8.c)=^0,  (2) 


it 

0  ^  rot  e, 

in  welcher  e  den  dielektrischen  Koeffizienten  des  Mediums 
bedeutet.  Kleine  Änderungen  desselben  können  jedenfalls  den 
Änderungen  von  a  proportional  gesetzt  werden: 

da  ^  tfQ'dB     (^Q  konstant).  (3) 

Hieraus  folgt: 

Sq.  — -e-4-aroClive  =  0, 

worin  e^  der  normale  Wert  von  8  und  Co  die  im  Vergleiche  zum 
variablen  Vektor  der  Welle  (e — Cq)  große  statische  Stärke  eines 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  395 

Feldes  ist,  in  welchem  dieselbe  fortschreitet.  Die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit c  der  Welle  bestimnit  sich  also  durch  eine 
Gleichung  ersten  Grades: 

=  -^V  (4) 


^0 

Dies  ist  der  erste  Erfolg  dieser  Theorie,  denn  hiedurch  ist 
die  Einseitigkeit  der  Fortpflanzung  der  Kathodenstrahlen  erklärt, 
sie  können  nur  von  der  einen  Elektrode  ausgehen,  da  nach  (4) 
ihre  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  in  der  in  Bezug  auf  Cq 
entgegengesetzten  Richtung  negativ  wäre. 

6.  Nun  förderte  mich  H.  Poincare  durch  einen  bemerkens- 
werten Einwand.^   Aus  (1)  und  (2)  folgt: 


8/         ß 

Hieraus  schließt  Poincare,  daß  jeder  Wert  von  s  sich  mit 
der  Geschwindigkeit  ae/e  im  Felde  bewegen,  also  stets  in  der 
Richtung  der  negativen  Feldstärke  verschieben  müßte.  Die 
Kathodenstrahlen  müßten  also  elektrostatisch  ablenkbar 
sein,  was  damals  durch  die  Versuche  von  Hertz  ganz  aus- 
geschlossen schien. 

Ich  kann  nicht  zugeben,  daß  man  durch  einen  solchen 
Schluß  etwas  über  die  Strahlrichtung  erfahren  kann,  doch 
schien  auch  mir  sicher,  daß  der  Strahlengang  von  Wellen, 
deren  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  wesentlich  von  der  elek- 
trostatischen Kraft  Co  des  Feldes  abhängt,  nicht  von  dieser 
ganz  unabhängig  sein  kann,  daß  also  die  Kathodenstrahlen 
elektrostatisch  ablenkbar  sein  müssen. 

Warum  haben  aber  frühere  Beobachter  hievon  nichts  be- 
merkt und  warum  verlaufen  die  Kathodenstrahlen  dann  über- 
haupt meist  merklich  geradlinig?  Hieraus  muß  geschlossen 
werden,  daß  das  elektrische  Feld  im  Innern  des  Entladungs- 
rohres stets  ein  gleichförmiges  Feld  sein  muß,  was  eine  ent- 
sprechende Ladung  der  Grenzfläche  des  Kathodendunkelraumes, 
Anhäufung  negativer  Ladung  vor  der  Anode  und  Ladung  der 


1  H.  Poincare,  C.  R.  122,  520  (1896). 


306  G.  Jaumann, 

Glaswand  voraussetzt.  Diese  muß  eine  Wi  rkung  der  Kathoden- 
strahlen sein.  Je  stärker  also  die  Kathodenstrahlen  sind,  desto 
rascher  müssen  dieselben  das  Feld  durch  Ladung  oder  Ent- 
ladung der  Glaswand  gleichförmig  machen  und  sonach  gerad- 
linig verlaufen  und  desto  weniger  müssen  sie  durch  äußere 
elektrostatische  Kräfte  ablenkbar  sein. 

Ich  machte  sonach  den  Versuch  mit  sehr  schwachen 
Kathodenstrahlen  und  entdeckte  die  elektrostatische  Ab- 
lenkung derselben.^ 

Meine  Versuche  beweisen  auch  die  Tatsache,  daß  die 
Kathodenstrahlen  durch  Änderung  der  Ladung  der  Glaswand 
das  Feld  gleichmäßig  machen  und  sich  strecken.  Ein  von  außen 
der  Entladungsröhre  genäherter,  negativ  geladener  Körper  zog 
die  Strahlen  nur  vorübergehend  an,  sehr  bald  strecken  sich 
dieselben  ungeachtet  der  dauernden  Nähe  des  ablenkenden 
Körpers  wieder.  Ein  positiv  geladener  Körper  wirkt  umgekehrt 
Befinden  sich  aber  die  ablenkenden  Elektroden  im  Innern 
des  Entladungsrohres,  so  sind  damit  unveränderliche  Grenz- 
bedingungen gegeben  und  die  Ablenkung  der  Strahlen  kann 
eine  dauernde  sein.  Eine  Dauerablenkung  durch  innere 
Elektroden  wurde  schon  viel  früher  von  Goldstein  entdeckt, 
sie  ist  aber  so  viel  weniger  charakteristisch  als  meine  vorüber- 
gehende Ablenkung  durch  von  außen  erzeugte  elektrostatische 
Felder,  daß  niemand  früher  diese  Dauerablenkung  durch  innere 
Elektroden  für  eine  elektrostatische  Ablenkung  hielt. 

Im  folgenden  Jahre  wiederholte  J.  J.  Thomson*  meine 
Versuche,  aber  nur  mit  inneren  Elektroden.  W.  Wien®  ließ  die 
Strahlen  vor  der  Ablenkung  durch  ein  Lenard'sches  Fenster 
gehen.  Er  entdeckte  ferner  die  elektrostatische  Ablenkung  der 
Kanalstrahlen.  Die  von  diesen  Herren  beobachteten  Ablenkungen 
hatten  den  umgekehrten  Sinn  wie  die  von  mir  beobachtete, 
was  weiter  unten  völlig  aufgeklärt  werden  wird.  Zufolge  dieses 


1  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CV,  Apnl  1806;  Wied.  Ann.,  Bd.  59,  p.  252; 
abgedruckt  im  »Electrician«,  London  1896;  Corapt.  rend.  122  (1896). 

2  J.  J.  Thomson,  Phil.  Mag.,  5,  293  (1897). 

8  W.  Wien,  Verh.  d.  phys.  Ges.  zu  Berlin,  p.  165  (1897);  ibid.  (1898), 
p.  10. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  397 

zufalligen  Umstandes  konnte  es  geschehen,  daß  nneine  Ent* 
deckung,  die  doch  einen  Erfolg  der  Undulationstheorie  der 
Kathodenstrahlen  bildet,  nicht  dieser,  sondern  der  Emissions- 
theorie Ansehen  verschaffte. 

7.  In  dieser  ihrer  ersten  Form  stellt  meine  Theorie  noch 
einige  weitere  Eigentümlichkeiten  der  Kathodenstrahlen  einiger- 
maßen zutreffend  dar.  Insbesonders  dreht  nach  derselben  ein 
transversal  wirkendes  magnetisches  Feld  die  Wellenebene 
dieser  elektrischen  Longitudinalwellen  im  richtigen  Sinne. 
Poincar6  bestritt  aber,  daß  hier  die  Strahlrichtung  und  die 
Wellenfläche  orthogonal  seien,  und  behauptete,  daß  auch  im 
magnetischen  Felde  die  Strahlrichtung  in  die  Richtung  der 
elektrostatischen  Kraft  falle. 

Mit  diesem  Einwände  traf  Poincare  jenen  Punkt,  in 
welchem  die  weitere  Spekulation  einsetzen  mußte.  Ich  bin  aber 
erst  jetzt,  nach  zehn  Jahren,  in  der  Lage,  diese  Frage  mit 
Sicherheit  zu  entscheiden. 

Eine  jede  Undulationstheorie  kann  die  Strahlrichtungen 
nur  mit  Hilfe  des  Energieflusses  bestimmen.  Als  elektro- 
magnetischer Energiefluß  war  nur  der  Poynting'sche  Energie- 
fluß bekannt.  Da  die  elektrischen  Longitudinalwellen  keine 
magnetischen  Schwingungen  mitführen,  so  hätten  sie  also 
überhaupt  keinen  Energiefluß,  keine  Strahlrichtung  und  keine 
Wännewirkung.  Außerdem  bemerkte  ich  jetzt,  daß  die  Maxwell- 
schen  Gleichungen  mit  dem  Energieprinzip  überhaupt  nicht 
im  Einklänge  stehen,  wenn  man  die  Veränderlichkeit  von  e 
berücksichtigt.  Diese  Erfahrung  lehrte  mich  für  die  Folge  die 
richtige  Beachtung  und  Anwendung  der  physikalischen  Prin- 
zipien. 

2.  Bemerkungen  über  das  Prinzip  der  Energie,  des  Energie- 

fiusses  und  der  Realität  der  Dyaden. 

8.  Die  physikalischen  Prinzipien  sind  nicht  wie  die  Nahe- 
wirkungsgesetze  (Zustandsgieichungen  und  Differentialgesetze) 
Gleichungen,  welche  den  Zusammenhang  spezieller  physi- 
kalischer Variablen  angeben,  sondern  sie  dürften  als  Gesetze 
über  die  Form  der  Nahewirkungsgesetze  aufzufassen  sein,  sie 
sind  hienach  aus  der  Form  bekannter  Nahewirkungsgesetze 


398  G.  Jauxnann, 

abstrahierte  Voraussagen  über  die  Form  der  noch  zu  suchenden 
Nahewirkungsgesetze. 

Hienach  haben  also  die  Prinzipien  vornehmlich  heuristi- 
schen Wert,  in  ihnen  konzentriert  sich  alle  heuristische  Er- 
fahrung und  sie  werden  nur  mehr  historischen  Wert  haben, 
wenn  alle  zwischen  den  physikalischen  Variablen  bestehenden 
Beziehungen,  alle  Nahewirkungsgleichungen  bekannt  sein 
werden. 

Von  geringerer  Wichtigkeit  ist  die  Verwendbarkeit  mancher 
Prinzipien  als  Ersatz  für  noch  unbekannte  Nahewirkungs- 
gleichungen und  als  Hilfsätze  zur  Durchführung  schwieriger 
Deduktionen. 

9.  Das  Prinzip  der  Realität  der  Dyaden  läßt  sich 
in  folgender  Weise  formulieren:  Die  meisten  physikalischen 
Größen,  welche  man  bisher  für  Skalare  hielt,  sind  tatsächlich 
Dyaden  und  sehr  vielen  bisher  nur  in  skalarer  oder  vektorischer 
Form  bekannten  Nahewirkungsgesetzen  liegen  höhere  ein- 
fachere dyadische  Gesetze  zu  Grunde. 

Der  mathematische  Begriff  der  Dyaden  wurde  von  Heavi- 
side  und  Gibbs  aus  ähnlichen  und  sogar  allgemeineren 
symbolischen  Begriffen  seiner  physikalischen  Anwendbarkeit 
wegen  endgültig  hervorgehoben.  Doch  erkennt  Gibbs  die 
physikalische  Realität  der  Dyaden  keineswegs.  Er  sagt:^ 

»The  indeterminate  product  (dyad)  is  neither  vector  nor 
scalar,  it  is  purely  symbolic  and  acquires  a  determinate 
physical  meaning  only  when  used  as  an  Operator«.  Er  defi- 
niert auch  die  kompletten  Dyaden  nicht  anders  als  »the  sym- 
bolic sum  of  three  dyads«. 

Im  Gegensatze  hiezu  muß  die  vollkommen  selbstän- 
dige physikalische  Realität  vieler  Dyaden  betont  werden.  Den 
physikalischen  Inhalt  dieses  Begriffes  kann  man  durch  An- 
schauung kennen  lernen.  Ein  Beispiel  einer  physikalischen 
Dyade  ist  die  Leitfähigkeit  eines  Kristalls,  sie  ist  weder  Vektor 
noch  Skalar,  aber  doch  eine  reale  physikalische  Größe. 

Die  physikalischen  Dyaden  sind  ferner  einheitliche 
physikalische  Zustände.   Nicht  die  neun  Koeffizienten  oder  die 


1  Gibbs,  Vectoranalysis,  New- York  und  London  1902,  p.  272  und  265. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  399 

drei  Tensoren  einer  Dyade  sind  als  elementare  physikalische 
Variable  anzusehen,  sondern  die  Dyade  selbst,  gerade  so  wie 
nicht  den  Komponenten  eines  Vektors,  sondern  diesem  selbst 
physikalische  Realität  zugesprochen  werden  muQ. 

Damit  daß  man  weiß,  daß  viele  Naturgesetze  direkte  Be- 
ziehungen verschiedener  Dyaden  zueinander  feststellen,  ist  der 
Spekulation  eine  neue  und  für  die  nächste  Zeit  sehr  lohnende 
Richtung  gewiesen. 

Ich  habe^  betont,  daß  auch  die  Spannungsdyaden  bei 
allen  Bewegungsvorgängen  (ponderomotorischen  Wirkungen) 
durch  direkte  dyadische  Naturgesetze  bestimmt  sind.  Die  Kräfte 
sind  nichts  anderes  als  die  derivierten  Vektoren  der  unmittel- 
bar gegebenen  Spannungsdyaden,  alle  vektorischen  Gesetze, 
welche  sich  direkt  auf  Kräfte  beziehen,  sind  veraltet  Diese 
Auffassung  dürfte  noch  heuristische  Wirkung  haben.  Sucht 
man  das  Gesetz  einer  beschleunigenden  Wirkung,  so  hat  man 
ein  dyadisches  Gesetz,  welches  die  Spannungsdyade  bestimmt, 
nicht  aber  ein  vektorisches  Gesetz,  welches  die  Kräfte  be- 
stimmt, zu  suchen. 

10.  Das  Energieprinzip  fasse  ich  zum  mindesten  auf 
als  eine  Voraussage  über  die  Fonn  der  skalaren  Gleichungen, 
welche  man  erhält  aus  jenen  vektorischen  Nahewirkungs- 
gesetzen,  welche  die  Fluxion  gewisser  Vektoren  bestimmen. 
Wahrscheinlich  sind  dies  überhaupt  nur  drei  ganz  bestimmte 
Vektoren:  der  elektrische  Vektor  c,  der  magnetische  Vektor  m 
und  die  Geschwindigkeit  n  des  Mediums. 

Multipliziert  man  nach  Poy  nting  die  elektromagnetischen 
Gleichungen,  welche  die  Fluxion  von  c  und  m  bestimmen, 
beziehungsweise  mit  e  und  nt,  ferner  auch  die  Bewegungs- 
gleichungen, welche  die  ponderomotorischen  Wirkungen  im 
elektromagnetischen  Felde,  die  elastischen  und  Zähigkeits- 
beschleunigungen, kurz  die  Fluxion  von  H  bestimmen,  mit  ti 
und  verbindet  die  so  erhaltenen  Gleichungen,  falls  sie  gleich- 
zeitig gelten,  so  erhält  man  die  Energiegleichung. 

Obgleich  die  vektorischen  Gleichungen  für  die  Fluxion 
von  c,  m  und  9  noch  ganz  strittig  sind,  herrscht  nur  eine 


1  Jaumann,  Grundlagen  der  Bewegungslehre,  Leipzig  1905,  p.  410. 


400  G.  Jftumann, 

Meinung  über  die  Form  dieser  skalaren  Energiegleichung, 
welcher  man  sogar  im  thermochemischen  Gebiete,  wo  die  Nahe- 
wirkungsgleichungen  noch  unbekannt  sind,  Geltung  zusprechen 
muß.  Die  Energiegleichungen  haben  folgende  Form: 

^   E-hQ+dWe^zzzO.  (5) 


9/ 

Hierin  bedeutet  E  eine  Funktion  der  Vektoren  e,  nt  und  )$ 
sowie  der  Materialkonstanten,  welche  man  besser  chemische 
Variable  nennen  kann.  Man  nennt  diese  skalare  Funktion  der 
Feldvariablen,  deren  Fluxion  in  der  Energiegleichung  vor- 
kommt, den  Energie  Inhalt  E  pro  Volumseinheit  des  Mediums, 
derselbe  stellt  sich  außerdem  als  die  Summe  einfacherer  Werte 
(der  Bewegungsenergie,  potentiellen  und  inneren  Energie)  dar. 

Ferner  bedeutet  Q  eine  andere  Funktion  derselben 
Variablen,  von  welcher  beobachtungsgemäß  nachv^eisbar  sein 
muß,  daß  sie  die  pro  Zeit-  und  Volumseinheit  nach  außen  ab- 
gegebene Wärme,  also  die  Divergenz  des  Wärmestromes  dar- 
stellt. Endlich  wird  die  Energiegleichung  noch  die  Divergenz 
eines  anderen  Vektors  d'  enthalten,  der  sich  hiedurch  als 
Funktion  derselben  Variablen  berechnet  und  welchen  man  deh 
Energie fluß  nennt.  Auch  Q  und  Ä'  zerfallen  in  eine  Summe 
spezieller  Funktionen  der  Feld  variablen. 

Damit  ist  der  Inhalt  des  Energieprinzips  so  sehr  als 
möglich  eingeschränkt  und  man  muß  nun  auf  der  genauen  Er- 
füllung desselben  bestehen.  Dennoch  leistet  dies,  so  viel  ich 
sehen  kann,  keine  der  früheren  elektromagnetischen  Theorien, 
auch  die  Hertz'sche  und  Lorentz'sche  nicht,  mit  wirklicher 
Präzision.  Da  ich  früh  genug  bemerkt  habe,  daß  auch  die  erste 
Form  meiner  Theorie  den  gleichen  Mangel  hat,  habe  ich  mich 
für  die  Folge  der  Führung  dieses  Prinzips  überlassen  und  wurde 
durch  die  heuristische  (auswählende)  Wirkung  dieses  Prinzips 
sehr  gefordert. 

11.  Das  Prinzip  der  Realität  des  Energieflusses. 
Ich  gestatte  mir,  jedoch  nur  einschaltungsweise,  hier  ein  noch 
nicht  allgemein  anerkanntes  Prinzip  zu  erörtern.  Zunächst  ver- 
lasse ich  den  unangreifbaren  Standpunkt  des  §  10  und 
schließe  mich  der  Annahme  an,  daß  das  Energieprinzip  nicht 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  40 1 

nur  eine  nach  dem  Poynting'schen  Verfahren  zu  errechnende 
Gleichung,  sondern  ein  selbständiges  Naturgesetz  ist,  daß  dem- 
selben also  eine  Nahewirkungsgleichung  zu  Grunde  liegt,  in 
welcher  sämtliche  darin  vorkommende  Variable  selbständige 
physikalische  Bedeutung  haben.  Dies  muß  dann  aber  auch  von 
dem  Vektor  d  gelten. 

Um  nun  dieses  vermutete  Energiegesetz  auf  die  einfachste 
Form  zu  bringen,  müßte  man  allerdings  zunächst  bestreiten, 
daß  diö  Spezialgesetze  der  Wärmeproduktion  Q,  also  das 
Gesetz  der  Reibungswärme,  Joule'schen  Wärme,  Peltier'schen 
und  Thomson'schen  Wärme,  der  chemischen  Wärmetönung  etc. 
selbständige  Grundgesetze  sind.  Statt  dessen  möchte  ich  die 
Realität  des  Wärmestromes  annehmen  und  diesen  als  durch 
unabhängige  Nahewirkungsgesetze  bestimmt  annehmen,  von 
welchen  eines  weiter  unten  in  Kapitel  4  angegeben  wird: 

Das  Energiegesetz  nimmt  dann  die  einfache  Form  an: 

^  +div«z3  0.  (6) 


8/ 


Hierin  ist  E  ein  physikalischer  Skalar,  der  so  mit  den 
übrigen  Feld  variablen  zusammenhängt,  daß  man  ihn  der 
Energiedichte  meist  gleichsetzen  darf.  Femerist  §  ein  neuer 
realer  physikalischer  Vektor,  den  ich,  allerdings  nur  ungern, 
mit  dem  unpassenden,  aber  gebräuchlichen  Namen  des  ge- 
samten Energieflusses  bezeichne.  Der  Wärmestrom 
ist  eine  Komponente  des  ganzen  Energieflusses. 
Dieser  setzt  sich  zusammen  aus  einer  Komponente  d',  welche 
meist  richtig  nach  dem  Poynting'schen  Verfahren  §  10  zu 
berechnen  sein  dürfte,  also  aus  der  Summe  des  elektromagne- 
tischen Energieflusses  und  des  Flusses  der  Bewegungsenergie 
besteht,  und  aus  dem  Wärmestrom  ^ — Ä'.  Alle  diese  Kom- 
ponenten des  Energieflusses  sind  durch  selbständige  Nahe- 
wirkungsgesetze mit  den  Feldvariablen  verbunden  zu  denken. 

Poynting  spricht  davon,  daß  man  sich  die  Energiedichte 
als  die  Dichte  eines  Fluidums  und  den  Energiefluß  als  dessen 
Strömungsgeschwindigkeit  vorstellen  könnte.  Dies  ist,  selbst 
wenn  man  es  nur  bildlich  nehmen  wollte,  völlig  unzulässig. 


402  G.  Jaumann, 

Wäre   es  auch  nur  formal  zulässig,   so  müßte  die  Energie* 
gleichung  die  Form  der  Kontinuitätsgleichung  haben: 

4-div£Ä  =  0, 


8/ 

was  nach  (6)  keineswegs  richtig  ist.  In  der  richtigen  Energie- 
gleichung (6)  kommt  die  Divergenz  des  Vektors  ^  und  nicht 
des  Vektors  JE*  vor  und  deshalb  ist  der  Vergleich,  von  welchem 
der  Name  des  Energieflusses  herrührt,  irreführend.  Am  deut- 
lichsten erkennt  man  den  Unterschied  der  Energiegleichung 
und  der  Kontinuitätsgleichung,  wenn  man  an  ein  Medium 
denkt,  in  welchem  die  Energiedichte  E  einen  negativen  Wert 
hat^  was  bekanntlich  nicht  ausgeschlossen  ist.  Dann  würde 
die  Kontinuitätsgleichung  ein  Anwachsen,  die  Energiegleichung 
ein  Absinken  der  Energiedichte  bestimmen,  wenn  die  Divergenz 
des  Energieflusses  in  dem  betrachteten  Punkte  positiv  ist 

Da  man  die  Nahewirkungsgesetze,  welche  den  Vektor  9 
mit  den  Feldvariablen  verbinden,  nur  unvollkommen  kennt,  so 
gibt  es  gegenwärtig  keine  selbständige  Meßmethode  dieses 
Vektors,  keine  selbständige  Deflnition  und  keine  selbständige 
klare  Vorstellung  desselben.  Dies  würde  bald  nachgeholt 
werden,  wenn  es  sich  bestätigen  sollte,  daß  9  ein  realer  physi* 
kalischer  Vektor  ist.  Man  hat  auch  von  anderen  physikalischen 
Vektoren  anfänglich  nur  die  Divergenz  als  physikalisch 
wichtig  erkannt,  so  wie  jetzt  allgemein  nur  anerkannt  ist,  daß 
die  div  ö,  d.  i.  die  Fluxion  der  Energiedichte,  hohe  Realität  hat 
Das  beste  Beispiel  ist  der  elektrische  Vektor,  dessen  Realität 
Faraday  zur  Befremdung  seiner  Zeitgenossen  behauptete,  da 
man  vorher  nur  die  Divergenz  dieses  Vektors,  d.  i.  die  elek- 
trische Ladung,  beachtete  und  für  eine  physikalische  Realität  hielt 

Am  anschaulichsten  ist  die  Realität  des  Vektors  d  bei  der 
Wärmeleitung.  Was  ist  denn  der  Wärmestrom,  wenn  nicht 
ein  lange  bekannter  und  doch  nicht  richtig  vorgestellter 
physikalischer  Vektor?  Man  könnte  einwenden,  daß  der  Wärme- 
strom nichts  anderes  als  das  Produkt  der  Wärmeleitungsfähig- 
keit und  des  Temperaturgefälles  ist.  Dies  läuft  auf  die  oft 
vorkommende  Frage  hinaus,  ob  eine  Beziehung  zwischen* 
physikalischen   Variablen   als   ein   Naturgesetz   oder  als   die 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  403 

Definitionsgleichung  für  eine  derselben  aufgefaßt  werden  darf. 
Letzteres  ist  nur  gestattet,  wenn  man  diese  Beziehung  willkür- 
lich allgemein  aufrecht  erhalten  kann.  Dies  trifft  aber  im  vor- 
liegenden Falle  keineswegs  zu.  Ich  erinnere  nur  an  das  Kohl- 
rausch'sche  Gesetz,  daß  jeder  galvanische  Strom  von  einem  pro- 
portionalen Wärmestrome  begleitet  wird.  Dieser  Wärmestrom 
hat  mit  der  Verteilung  des  Temperaturgefälles  nichts  zu  tun. 

Ferner  ersieht  man  die  Realität  des  Vektors  i^  daraus,  daß 
derselbe  die  Strahlrichtung  bestimmt,  welche  von  der 
Wellenrichtung  und  den  Differentialgleichungen  des  Wellen- 
vorganges ganz  unabhängig  ist,  und  zwar  bestimmt  man  bei 
Kenntnis  des  Energieflusses  die  Strahlrichtung  nicht  nur  be- 
quemer, sondern  auch  verläßlicher,  als  dies  eine  komplizierte 
Berechnung  der  Strahlgrenzen  eventuell  vermöchte.  Es  ist 
hervorzuheben,  daß  der  gesamte  Energiefluß  mit  Ein- 
schluß des  Wärmestromes,  jedoch  mit  Ausschluß  des 
Flusses  der  Bewegungsenergie,  die  Strahlrichtung  be- 
stimmt. Man  erkennt  dies  aus  der  Tatsache,  daß  ein  Strahl  an 
einen  Körper,  dessen  Oberfläche  er  nur  streift,  keine  andere 
Energie,  auch  keine  Wärme,  wohl  aber  Bewegungsenergie 
abgibt,  da  er  einen  Zug  (eventuell  auch  einen  Druck)  auf  die 
von  ihm  gestreifte  Oberfläche  ausübt  (der  Fluß  der  Bewegungs- 
energie ist  das  Produkt  der  Spannungsdyade  und  Geschwindig- 
keit). 

Betrachten  wir  einen  ebenen,  nahezu  ungedämpft  fort- 
schreitenden Wellenzug  von  unregelmäßiger  Form,  z.  B.  einen 
abgebrochenen  oder  intermittierenden  Zug  von  Sinuswellen 
oder  eine  nicht  periodische  Welle. 

Es  muß  nach  der  Euler'schen  Regel: 

hc-VJS;=0, 

dt 

was  nichts  anderes  aussagt,  als  daß  sich  der  Zustand  E  unver- 
ändert mit  der  Wellengeschwindigkeit  c  fortpflanzt  Aus  der 
Energiegleichung  (6)  folgt  nun : 

div« — c-VJS  =  0 
oder 

div  («— c£)  =  0.  (7) 


404  G.  Jaumftnn, 

Da  nach  dieser  Gleichung  die  Welle  des  Vektors  («— c£) 
divergenzfrei  ist,  so  ist  sie  transversal.  Hätte  dieser  Vektor 
eine  longitudinale  Komponente,  so  müßte  diese  nach  (7)  kon- 
stant sein.  Da  aber  dieser  Vektor  eine  Funktion  der  Variablen 
der  Welle  ist  und  diese  der  Annahme  nach  unregelmäßig  ist, 
so  kann  dieser  Vektor  keine  von  Null  verschiedene  konstante 
Komponente  haben.  Er  ist  also  transversal  oder  es  ist: 

n-(ö— cJB)  =  0, 

worin  n  =  1/c  die  reziproke  Wellengeschwindigkeit  ist.  Hieraus 

folgt: 

tt.d  =  £.  (8) 

Ergibt  eine  elektromagnetische  Theorie  Wellen,  welche 
diese  Beziehung  nicht  hinreichend  erfüllen,  so  würde  dies  auf 
einen  Mangel  der  Grundgleichungen  derselben  deuten,  und  so 
wirkt  auch  hier  das  Prinzip  des  Energieflusses  heuristisch. 
Keinesfalls  dürfte  man  behaupten,  daß  Wellen,  welche  die 
Gleichung  (8)  nicht  erfüllen,  die  Ursache  von  Strahlungen 
sein  können. 

Aus  Gleichung  (8)  folgt,  daß  der  Energiefluß  mit  der 
Wellengeschwindigkeit  immer  einen  spitzen  Winkel  einschließt, 
wenn  der  Energieinhalt  E  ein  positiver  Wert  ist. 

12.  Die  Erkenntnis,  daß  die  physikalischen  Zustände  an 
einem  bestimmten  Orte  und  ihre  räumlichen  und  zeitlichen 
Derivationen  sich  gegenseitig  völlig  bestimmen,  ist  ebenfalls 
heuristisch  sehr  wirksam.  Dieses  Nahewirkungsprinzip  gilt 
selbstverständlich  nur  mit  einer  wichtigen  Einschränkung.  Die 
\'orgänge  an  einem  bestimmten  Orte  oder  die  sie  bestimmenden 
Nahewirkungsgleichungen  sind  insoferne  nicht  ganz  unab- 
hängig von  der  weiteren  Umgebung  dieses  Ortes,  weil  sich  die 
die  Orts-,  Richtungs-  und  Zeitbestimmungen  wesentlich  auf 
weit  entferntere  Zustände  und  Vorgänge  beziehen.  Ich  habe 
bei  Aufstellung  der  elektromagnetischen  Nahewirkungsglei- 
chungen für  bewegte  Medien  bemerkt,  daß  die  Orts-  und  Rich- 
tungsmessungen in  sämtlichen  Nahewirkungsgesetzen  nicht 
auf  den  Fixsternhimmel  bezogen  werden  dürfen.  Diese  An- 
nahme ist  zu  speziell  und  gilt  nur  für  den  speziellen  Fall  der 


Strahlungen  in  elektromAgnetischen  Feldern.  405 

astronomischen  Bewegungsvorgänge.  Allgemein  muß  das  Ko- 
ordinatensystem festgelegt  werden  in  der  hinreichend  starren, 
hinreichend  indifferenten  Grenzschale,  welche  jeden  be- 
grenzten Vorgang  abschließen  muß  und  welche  für  verschiedene 
Vorgänge  ganz  verschieden  ist.^ 

An  sich  enthält  die  Energiegleichung  nicht  den  Satz  der 
Erhaltung  der  Energie  und  das  Prinzip  der  Realität  der 
Spannungsdyaden  (§  9)  nicht  den  Satz  der  Erhaltung  der 
Bewegungsgrößen.  Wohl  ist  dies  aber  der  Fall,  wenn  man  hinzu- 
zieht, daß  in  der  erwähnten  Grenzschale  der  Energiefluß  und 
die  Spannungsdyaden  Null  sein  müssen,  da  diese  sonst  eben 
das  Feld  nicht  abschließen  würde.  Hält  man  daran  fest,  daß  die 
Kräfte  nicht  direkt  bestimmt,  sondern  Derivationen  der  Span- 
nungsdyaden sind,  so  muß  also  das  Gegenwirkungsprinzip 
unbedingt  erfüllt  sein. 

3.  Begründung  der  Theorie. 

13.  Meine  Theorie  geht  von  der  Vorstellung  aus,  daß 
einige  der  Materialkonstanten  (stofflichen  Variablen)  in  variablen 
elektromagnetischen  Feldern  merklich  variabel  sind  und  daß 
die  Rückwirkung  dieser  Variabilität  der  stofflichen  Eigen- 
schaften auf  den  elektromagnetischen  Vorgang  das  eigentüm- 
liche elektromagnetische  Verhalten  verschiedener  Medien  be- 
wirkt. 

Wenn  aber  die  Materialkonstanten  in  den  Maxweirschen 
Gleichungen,  insbesondere  der  dielektrische  Koeffizient  e  und 
der  diamagnetische  Koeffizient  |i  variabel  sind,  so  widersprechen 
dieselben  dem  Energieprinzip.  Bildet  man  nach  der  Poynting- 
schen  Methode  die  Energiegleichung,  so  fehlt  in  derselben  der 
integrierende  Summand: 

1  8e  1         8a 

—  c-  —  -en ui--^-itt  (9) 

2  0/2  8/ 

für  die  Fluxion  der  Energie.  Da  nun  e  zweifellos,  zum  mindesten 
zufolge  von  Temperatur  und  Volumsänderungen  variabel 


1  Siehe  diese  Sitzungsber.,  II.  Mitteilung,  Bd.  CXV,  p.  346  ff. 


406  G.  Jaumann, 

ist,   SO  müssen  die  Maxwell'schen  Gleichungen   (für  ruhende 
Medien)  in  folgender  Weise  vervollständigt  werden: 

[e]. h hTJ  •  e  =^ Co  rot«,  (10) 

Hierin  ist  f  die  elektrische  Leitfähigkeit,  i  die  stets  unge- 
mein kleine  magnetische  Leitfähigkeit,  Cq  die  Lichtgeschwindig- 
keit in  einem  Medium,  in  welchem  e  zu  p.  =r  1  ist  [e]  und  [|i] 
sind  die  symmetrischen  Anteile  der  dyadischen  Werte  e  und  |jl 
des  im  allgemeinen  als  kristallisch  vorausgesetzten  Mediums. 

Schon  durch  diese  ohnehin  notwendige  Vervollständigung 
der  Maxwell'schen  Gleichungen  entfallt  der  in  §  6  mitgeteilte 
Einwand  Poincare's. 

14.  Ehe  Ich  mich  zu  dieser  Abänderung  der  Maxwell'schen 
Gleichungen  entschloß,  habe  ich  ohne  Erfolg  versucht,  ob  der 
Betrag  (9)  nicht  einer  besonderen  Art  der  Wärmeproduktion 
zufolge  der  Deformation  des  Mediums  im  elektromagnetischen 
Felde  äquivalent  angenommen  werden  könnte.  Sodann  habe 
ich  die  Deformationswärme  im  unelektrischen  Felde  ziemlich 
unbeholfen  in  Beziehung  zur  Joule'schen  Wärme  zu  setzen 
gesucht^  und  es  blieb  seither  die  Wärmeproduktion  in  zähen 
Flüssigkeiten  im  Gesichtskreise  meiner  Theorie.  Das  Studium 
der  Bewegungstheorie  deformierbarer  Medien  führte  mich  zur 
Aufstellung  des  Prinzips  der  Realität  der  Spannungsdyaden 
und  gleich  darauf  zur  Aufstellung  des  allgemeinen  Prinzips 
(siehe  §  9).  Als  ich  dieses  nun  nach  langer  Pause,  wieder  zu 
meiner  elektromagnetischen  Theorie  zurückkehrend,  auf  diese 
anwendete,  entwickelte  sie  sich  binnen  kurzer  Zeit  zu  der 
weitaus  vollendeteren  Form,  in  welcher  sie  nun  vorliegt. 

15.  Dyadischer  (kristallischer)  Charakter  der 
Änderungen  des  dielektrischen  Koeffizienten  e  in 
isotropen  Medien.  Der  charakteristische  (in  heuristischer 
Beziehung  wertvollste)  Mangel  der  ersten  Form  meiner  Theorie 


1  Ann.  d.  Phys.,  Bd.  8,  p.  752  (1902). 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  407 

ist,  daß  sie  nur  einen  Einflufi  der  elektrostatischen  und  magne- 
tischen Feldstärken  e^  und  nto  auf  longitudinale  elektrische 
Strahlen,  aber  keinen  Einfluß  auf  das  transversale  Licht  ergab, 
also  die  elektrische  Doppelbrechung  und  magnetische 
Drehung  der  Polarisationsebene  unerklärt  ließ.  Die  Ur- 
sache davon  liegt  in  der  skalaren  Form  der  Gleichungen  (1) 
und  (3),  da  die  skalare  Derivation  div  e  in  transversalen  Strahlen 
Null  ist.  Diese  Gleichungen  haben  also  die  allgemeine  dyadische 
Form*  zu  erhalten: 

'da    „ 

~  To^^>  ^'^     (To  ^^^  *  konstant),  (12) 

da^—<fQ^ds,  (13) 


Gemeinverständlich  kann  man  den  Sinn  dieser  Gleichungen 
in  folgender  Weise  darstellen:  Ein  Medium,  in  welchem  rasche 
elektromagnetische  Veränderungen  auftreten,  welches  z.  B. 
durchstrahlt  ist,  nimmt  kristallische  Eigenschaften  an,  auch 
wenn  es  im  normalen  Zustand  isotrop  ist.  Dies  gilt  auch  für 
Flüssigkeiten,  ja  selbst  für  verdünnte  Gase.  Doch  sind  diese 
kristallischen  Veränderungen  sehr  gering,  mit  der  Zeit  und  von 
Ort  zu  Ort  sehr  veränderlich.  Im  einfachsten  Falle  nimmt  das 
durchstrahlte  isotrope  Medium  in  jeder  ungeradzahligen  halben 
Wellenlänge  die  Natur  eines  sehr  schwach  positiv  einachsigen, 
in  den  geradzahligen  halben  Wellenlängen  eines  negativ  ein- 
achsigen Kristalles  an.  An  einem  bestimmten  Orte  wechseln 
also  diese  Eigenschaften  periodisch  und  sehr  rasch.  In  allge- 
meineren Fällen  nimmt  aber  das  Medium  allgemeinere  kristal- 
lische Eigenschaften  an,  ja  der  dielektrische  Koeffizient  e  wird 
sogar  vorübergehend  unsymmetrisch,  was  bei  Kristallen  im 
Ruhezustande  noch  nie  beobachtet  wurde. 

Es  ist  dies  eine  so  einfache  Vorstellung  und  hat  sich 
derart  bewährt,  daß  ich  von  ihrer  vollkommenen  Wahrheit 
überzeugt  bin. 


s  Der  Autor  gestattet  sich,  dieselbe  vektoranalytiscbe  Ausdrucks-  und 
Bcxctchnitiigsweise     wie    in    seinen    voibergehenden   Publikationen  zu    ver- 


Sitzb.  d.  iiuUhem..oatarw.  KL ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II a.  27 


408  G.  J  au  mann, 

16.  Die  allgemeine  derivierte  Dyade  der  elektrischen 
Vektorverteilung,  welche  in  Gleichung  (12)  abgekürzt  bezeichnet 
ist,  hat  folgenden  Wert: 

aV,  e-c=^aiV*(s«c)+a2(s-e)*V-4-a3Zdive-e, 

worin  a^,  ag  und  a^  Materialkonstanten  sind. 
Die  aus  (12)  und  (13)  folgende  Gleichung: 

^^  +aV,s.c^O  (14) 


dt 

bedarf  jedoch  noch  der  Ergänzung  in  folgender  Form: 

-4-aV,e.C:^a^(s~eo),  (15) 


8/ 


weil  V,  s-e  nur  im  gleichförmigen  elektrischen  Felde  Null  ist 
und  doch  auch  ungleichförmige  Felder  statisch  bestehen 
können.  Die  Konstante  a^  muß  sogar  meist  sehr  groß  sein, 
da  auch  in  ungleichförmigen  statischen  Feldern  e  von  seinem 
Ruhewert  e^  nicht  stark  abweichen  darf,  da  sonst  eine  besondere 
elektrische  Doppelbrechung  im  ungleichförmigen  Felde 
leichter  zu  beobachten  sein  müßte,  als  dies  tatsächlich  der 
Fall  ist. 

17.  Die  von  Mach  und  Kundt  nachgewiesene  Doppel- 
brechung deformierter  Medien  kann  ebenfalls  durch  eine 
dyadische  Veränderung  des  dielektrischen  Koeffizienten  des 
Mediums  erklärt  werden  und  das  Gesetz  dieser  Doppelbrechung 
wird  dargestellt  durch  eine  Gleichung  von  derselben  Form 
wie  (15),  in  welcher  statt  der  allgemeinen  derivierten  Dyade 
der  elektrischen  Vektorverteilung  aV,  e-e  die  symmetrische 
derivierte  Dyade  der  Geschwindigkeitsverteiiung  [V,  ö],  d.  i.  die 
Deformationsgeschwindigkeit,  eingesetzt  ist. 

Hier  ergibt  sich  also  ein  Zusammenhang  zwischen  der 
Bewegung  des  Mediums  und  einem  elektromagnetischen 
Strahlungsvorgange.  Da,  wie  in  §  2  erwähnt,  die  Strahlungs- 
vorgänge und  Oszillationen  den  Charakter  der  Gesetze  der 
zeitlichen  Veränderungen  der  Feldvariablen  weit  sicherer  er- 
kennen lassen  als  alle  langsam  ablaufenden  Vorgänge,  messe 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  409 

ich  dem  Kundt'schen  Phänomen  eine  höhere  theoretische 
Bedeutung  bei  als  dem  Faraday'schen  Induktionsgesetze  für 
bewegte  Leiter. 

Aus  der  Tatsache,  daß  die  Translation  und  Rotation  des 
Mediums  kaum  merklichen  Einfluß  auf  die  Lichtfortpflanzung 
hat,  wohl  aber  die  Deformation  des  Mediums,  schloß  ich,  daß 
die  Bewegung  des  Mediums  überhaupt  nur  insofern  Einfluß 
auf  elektromagnetische  Vorgänge  hat,  als  sie  die  Ursache  der 
Deformation  des  Mediums  ist.  Diese  Deformationstheorie 
der  elektromagnetischen  Vorgänge  findet  zunächst  nur 
Stützen  in  der  Doppelbrechung  deformierter  Medien,  der 
Piezoelektrisierung  und  der  Reibungselektrisierung. 
Leicht  erkennt  man,  daß  das  Rowland'sche  und  Röntgen'sche 
Phänomen  auf  die  Wirkung  der  raschen  Torsion  der  Luft- 
schichten zurückzuführen  ist,  welche  zwischen  den  mit  ver- 
schiedener Winkelgeschwindigkeit  rotierenden,  das  elektrische 
Feld  begrenzenden  Platten  befindlich  sind  Und  daß  die  Uni- 
polarinduktion sowie  der  Wilson'sche  Versuch  sich  eben- 
falls durch  die  Torsion  von  Luftschichten  im  magnetischen 
Felde  erklären. 

Hingegen  scheinen  die  ponderomotorischen  Wir- 
kungen, die  Faraday'sche  Induktion,  die  Aberration  des 
Lichtes  und  das  Fizeau'sche  Phänomen  ganz  zu  Ungunsten 
dieser  Deformationstheorie  zu  sprechen,  insbesonders  scheint 
die  Wirkung  der  Stromgeneratoren  mit  rotierendem  Anker 
dagegen  zu  sprechen,  daß  die  Rotation  des  Mediums  elektro- 
magnetisch gleichgültig  ist  und  die  Aberration  des  Lichtes 
ein  Beweis  zu  sein,  daß  die  Translation  des  Mediums  nicht 
gleichgültig  ist. 

Und  doch  bewährte  sich  meine  Deformationstheorie,  nach- 
dem die  Gleichungen  derselben  völlig  entwickelt  waren,  auch 
in  diesen  Punkten  ohne  weiteres  Zutun  auf  das  vollkom- 
menste. Ich  habe  diese  Theorie  in  den  »Ann.  d.  Phys.«^  und 
später  ausführlicher  in    diesen  Sitzungsberichten^   dargestellt 


1  Ann.  d.  Phys.,  Bd.  19,  p.  881. 

2  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CXV  (1906),  p.  337. 

27* 


410  G.  Jaumann, 

und  beschränke  mich  hier  darauf,  die  Herleitung  der  Gleichungen 
derselben  soweit  anzugeben,  als  es  für  die  Zwecke  der  vor- 
liegenden Abhandlung  erforderlich  ist. 

18.  Zunächst  mußte  entschieden  werden,  welche  der 
Materialkonstanten  des  Mediums  es  ist,  die  zufolge  der  De- 
formationsgeschwindigkeit [V,  ö]  desselben  einen  abnormalen 
Wert  annimmt,  wodurch  die  elektromagnetische  Wirkung  der 
Bewegung  sich  erklärt.  Am  wichtigsten  ist  die  Veränderung 
der  Leitfähigkeiten,  welche  im  ruhenden  Medium  die 
Werte  Yq  und  6q  haben,  im  bewegten  Medium  aber  durch 

T^To-v^^'^^*"'  (16) 

Li 

i^h^-~SPM'^  (17) 

bestimmt  werden.  Hieraus  folgt,  daß  die  Joule'sche  Wärme  in 
einem  rasch  deformierten  Medium  um  den  (kaum  merklich 
kleinen)  Betrag: 

C*[V,  ti].e.c ili-[V,ti].|X.iii  (18) 

von  der  Stromwärme  in  ruhenden  Medien  verschieden  ist, 
d.  h.  daß  die  Deformation  im  elektromagnetischen  Feld  eine 
eigentümliche  kleine  Wärmewirkung  hat. 

Würde  man  den  Faktor  —  in  (16)  und  (17)  weglassen,  so 

könnten  durch  diese  Annahme  der  Veränderung  der  Leitfähig- 
keiten durch  die  Deformation  des  Mediums  bereits  fast  alle 
wichtigen  elektromagnetischen  Wirkungen  der  Bewegung  des 
Mediums  erklärt  werden,  aber  nicht  die  Kundt'sche  Doppel- 
brechung. 

Diese  läßt  eine  Abhängigkeit  der  dielektrischen  Dyade  s 
von  der  Deformationsgeschwindigkeit  erkennen,  wodurch  eine 
der  beiden  für  die  Fluxion  von  6  bestimmenden  Beziehungen 
(13)  oder  (15)  abgeändert  wird.  Würde  man  annehmen,  daß 
sich  dieser  Einfluß  der  Deformationsgeschwindigkeit  in  Glei- 
chung (15)  äußert,  so  würde  man  den  ganzen  Vorteil  der  in 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  411 

§  13  angegebenen  Abänderung  der  Maxweirschen  Gleichungen 
verlieren  und  das  Energieprinzip  könnte  dann  keinesfalls  mit 
hinreichender  Genauigkeit  erfüllt  sein. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Energieverwandlungen  ergibt  sich 
also,  daß  8  nicht  ausschließlich  von  dem  chemischen  Zustande  a 
nach  Gleichung  (13)  abhängt,  sondern  daß  in  dieser  Beziehung 
auch  die  Deformationsgeschwindigkeit  [V,  ö]  erscheint,  wodurch 
sie  allerdings  in  rasch  deformierten  Medien  einen  wesentlich 
anderen  Charakter  annimmt.  Ich  setze  statt  (13): 


9a 


,,^9.-{\y,^]-^-~)-  (19) 

In  Gleichung  (16)  und  (17)  hat  [V,  ö]  folgende  Bedeutung: 

[V,li]:i=V.ö+V>ct>.  (20) 

In  Gleichung  (19)  bedeutet  aber  [V,  ö]  möglicherweise 
eine  andere  symmetrische  derivierte  Dyade  der  Geschwindig- 
keit. Jedenfalls  ist  dies  in  festen  Medien  der  Fall,  wie  die  ver- 
schiedenen Werte  der  Mach'schen  Doppelbrechung  für  ver- 
schiedene feste  und  gallertige  Medien  beweisen.^  In  Flüssig- 
keiten und  Gasen  hat  aber,  wenigstens  wenn  sehr  starke 
Volumsänderungen  ausgeschlossen  werden,  [V,  ö]  merklich 
den  gleichen  Wert  in  sämtlichen  Gleichungen  (16),  (17)  und  (19). 

Setzen  wir  zur  Abkürzung: 

-^0-'—=^^-  (21) 

19.  Von  den  abgeänderten  MaxweH'schen  Gleichungen  (10) 

und  (11)   gehe   ich   dadurch   zu   den   für   bewegtje   Medien 

geltenden  allgemeinen  elektromagnetischen  Gleichungen  über, 

de 
daß  ich  Tf)  statt  -^  und  ferner  f  statt  7^  setze.   Selbstverständ- 

3e 
hch  muß  dann  auch  in  Gleichung  (15)  t)  statt  -^~  gesetzt 

ot 

werden. 


1  Vergl.  diese  Sitzungsber.,  Bd.  CXV,  p.  379. 


412  G.  Jaumann, 

So  ergibt  sich  das  vollständige  Gleichungssystem  meiner 
Theorie : 

[s]~  +  (i-T)+YJ -0  1=  Corot»»,  (I) 

'^''^'  ^  "*■  (■2' ^  "^  ^)  '"'  ^  ~^° ''°' ''  ^"^ 

i^i,-\^M'^  (IV) 


jL_?i 


8^ 


JL    ^1^ 


[V,ti].e,  (V) 


C=ä=^_[V,»,].|i,  (VI) 

7]+aV,e.c=^a,(s-eo),  (VII) 

CH-&V,s.c=i=&^(|i-[i^).  (VIII) 

Die  Gleichung  (VI)  wurde  nach  Analogie  der  Gleichung  (V) 
nach  dem  Grundsatze  der  Dualität  der  elektrischen  und  magne- 
tischen Erscheinungen  gebildet.  Dieser  Grundsatz  ist  scheinbar 
beim  Übergang  von  Gleichung  (VII)  zu  Gleichung  (VIII)  durch- 
brochen. Diese  beiden  Gleichungen  sind  also  vereinfachte 
Formen  zweier  analoger,  aber  komplizierterer  Gleichungen.  Ich 
habe  der  Einfachheit  wegen  jene  Materialkonstanten  in 
diesen  beiden  Gleichungen,  welche  bei  keinem  sehr  wichtigen 
Experiment  in  irgend  einem  Medium  einen  von  Null  verschie- 
denen Wert  erkennen  lassen,  schon  hier  gleich  Null  gesetzt. 
C  ist  eine  Hilfsvariable. 

Diese  Gleichungen  stellen  alle  in  bewegten  Medien  beob- 
achteten Erscheinungen,  so  viel  ich  sehen  kann,  genau  dar. 
Hervorzuheben  ist,  daß  sie  auch  die  Reibungselektrisie- 
rung  exakt  erklären.  Die  wichtigsten  Deduktionen  aus  den- 
selben wurden  in  den  »Ann.  d.  Phys.«  mitgeteilt,  die  Deduk- 
tionen   bezüglich    der  Mach'schen   und   Kundt'schen   Doppel- 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  413 

brechung  sowie  bezüglich  der  Piezoelektrisierung  wurden 
jedoch  erst  in  diesen  Sitzungsberichten  mitgeteilt. 

Das  Faraday'sche  Induktionsgesetz  für  bewegte  Leiter 
folgt  nicht  aus  meiner  Theorie,  wohl  aber  stellt  dieselbe  sämt- 
liche beobachtbare  Induktionserscheinungen  präzise  in  der- 
selben Weise  dar  wie  die  Maxwell-Hertz'sche  Theorie,  welche 
direkt  auf  das  Faraday'sche  Gesetz  gegründet  ist. 

Die  Translation  des  Mediums  hat  keinen  Einfluß  auf  die 
Lichtfortpflanzung,  aber  aus  (l)  und  (II)  folgt,  wenn  man  nach 
der  Poynting'schen  Methode  die  Energiegleichung  berechnet, 
daß  der  Energiefluß  ^'  nicht  ausschließlich  durch  den  Poyn- 
ting'schen  Vektor  bestimmt  wird,  sondern  den  Wert  hat: 

Ö'=^roCxm— £ti;  (22) 

dies  erklärt  die  Aberration  des  Lichtes. 

Das  Fizeau'sche  Experiment  erklärt  sich  dadurch,  daß  in 
dem  strömenden  Wasser  selbstverständlich  die  totale  Fluxion 
von  e  konstant  ist,  während  in  meinen  Gleichungen  auch  in 
bewegten  Medien  nur  die  lokalen  oder  partiellen  Fluxionen 
auftreten.  Dies  ergibt  nach  der  Euler'schen  Regel  einen  kleinen 
sekundären  Einfluß  der  Bewegung  des  Wassers. 


20.  Es  muß  jedoch  beachtet  werden,  daß  dieser  für  die 
Theorie  der  elektromagnetischen  Erscheinungen  erfolgreiche 
Weg,  der  deshalb  eingeschlagen  wurde,  weil  er  sich  unvorher- 
gesehenerweise als  gangbar  erwies,  vom  ursprünglichen  Ziele 
der  Untersuchung  der  elektrochemischen  Erscheinungen  ab- 
gelenkt hat.  Ich  beabsichtige  deshalb,  auf  den  Ausgangspunkt 
zurückzukehren.  Zu  diesem  Ende  erkläre  ich  die  Gleichung  (21), 
obwohl  dieselbe  oft  gültig  ist,  für  im  allgemeinen  ungültig. 
Die  Variable  t\  verliert  hiedurch  die  bestimmte  physikalische 
Bedeutung,  sie  ist  von  nun  an,  ebenso  wie  Ci  nur  eine  Hilfs- 
variable und  die  Grundgleichungen  (I)  bis  (VIII)  haben  keine 
direkte  Beziehung  zu  den  chemischen  Vorgängen. 

Andrerseits  können  wir  die  Versuche,  ein  Gesetz  für  die 
Fluxion  des  chemischen  Zustandes  o  zu  finden,  unbe- 
hindert von  neuem  beginnen. 


414  G.  Jaumann, 

21.  Nur  einen  heuristisch  wirksamen  und  sehr  über- 
raschenden Ausblick  vom  Standpunkte  der  Gleichung  (V) 
möchte  ich  hiebei  nicht  in  Vergessenheit  geraten  lassen: 

In  Gleichung  (13),  §  15,  hat  da  die  Bedeutung  der  Ab- 
weichung des  chemischen  und  Wärmezustandes  des  Mediums 
von  seinem  normalen  Zustande,  doch  gilt  diese  Gleichung  nur 
für  kleine  und  immer  wieder  auf  Null  zurückkehrende  (z.  B. 
periodische)  Änderungen  des  Mediums.  In  der  allgemeineren 
Gleichung  (19)  hat  do  dieselbe  Bedeutung,  wenn  das  Medium 
undeformiert  bleibt.  Finden  aber  kleine  (beliebig  rasche),  aber 
immer  wieder  auf  Null  zurückkehrende  (z.  B.  periodische) 
Deformationen  statt,  so  ist,  wie  a.  a.  O.^  berechnet  wurde,  der 
Skalar  tj^  der  Dyade  tj  annähernd  proportional  der  Fluxion 
der  elastischen  Energie  des  Mediums.  Daß  zwischen  den 
ponderomotorischen  Wirkungen  der  Deformation  (den  inneren 
Beschleunigungen)  und  den  elektromagnetischen  Vorgängen 
Beziehungen  bestehen,  liegt  nach  meiner  Theorie  auch  im 
übrigen  sehr  nahe  und  wird  durch  die  Elektrostriktion,  die 
Beziehungen  zwischen  Magnetisierung  und  Deformation,  die 
elektrokapillaren  Wirkungen  u.  a.  erwiesen. 

In  einer  stark,  rasch  und  fortschreitend  deformierten 
Flüssigkeit  ist,  wie  a.  a.  O.*  berechnet  wurde,  der  Skalar  der 
Dyade  yj  genau  proportional  dem  Skalar  des  Quadrates  der 
Deformationsgeschwindigkeit: 

7),  =  x[V,  öjl,  (23) 

also  genau  und  allgemein  proportional  der  pro  Zeit-  und 
Volumseinheit  produzierten  Reibungswärme.  Aus  der  Form 
des  Konstanten  x  ergibt  sich  hiebei  in  Übereinstimmung  mit 
den  Tatsachen,  daß  die  Reibungselektrisierung  und  das  Kundt- 
sche  Phänomen  in  zähen  Flüssigkeiten  stärker  auftreten  muß. 
22.  Die  unvorhergesehene  Tatsache,  daß  der  Skalar  tQs  der 
Dyade  t]  eine  Energieproduktion  quantitativ  bestimmen 
kann,  läßt  nur  eine  einzige  Deutung  zu.  Es  müßte  tj  durch  eine 


1  Diese  Sitzungsber,  Bd.  CXV,  p.  387. 

2  Ibid.,  p.  380. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  415 

besondere  Nahewirkungsgleichung  als  die  derivierte  Dyade 
eines  Energieflusses  d^  bestimmt  sein: 

Hienach  muß  der  Skalar  -rj,  der  Divergenz  eines  Energie- 
flusses und  also  einer  Energieproduktion  proportional  sein. 

Tatsächlich  ist  zu  vermuten,  daß  eine  Gleichung  von 
dieser  Form,  nämlich : 

Sa 


9/ 


^  V,  «„  (IX) 


in  manchen  Medien,  zu  welchen  auch  die  verdünnten  Gase 
gehören,  und  bei  manchen  Vorgängen,  zu  welchen  vornehmlich 
die  chemischen  Vorgänge  gehören,  gültig  ist.  Mit  ^^  bezeichnen 
wir  den  Energiefluß  in  diesen  speziellen  Fällen.  Denn  ohne 
Zweifel  bedeutet  die  Änderung  des  chemischen  Zustandes  a 
eine  Änderung  des  Energieinhaltes  des  Mediums,  so  daß 
die  Gleichung  (IX)  sehr  verläßlich  zu  sein  scheint.  Dieselbe  hat 
einige  Wichtigkeit  für  die  vorliegende  Strahlungstheorie,  denn 
der  Energiefluß  9^  ist  der  gesamte  Energie fluß  in  den 
elektrischen  Longitudinalstrahlen. 

23.  Vorläufig  möchte  ich  mitteilen,  daß  sich  nicht  nur  die 
glühenden,  lumineszierenden  und  radioaktiven  Körper,  sondern 
auch  die  Gase  im  leitungsfähigen  Zustande  in  andauernder 
gesetzmäßig  gedämpfter  chemischer  Oszillation  befinden. 
Auch  plane  ich  nun,  mich  der  Untersuchung  der  Exzitation 
des  Lichtes  zuzuwenden,  welche  nach  §  5  durch  die  lang- 
samen chemischen  Schwingungen  des  Mediums  bewirkt  werden 
dürfte. 

Betrachten  wir  ein  Medium,  welches  ursprünglich  homogen 
sein  mag  und  in  welchem  kleine  Abweichungen  seines  chemi- 
schen Zustandes  a  von  dem  normalen  Zustand  bewirkt  worden 
sind,  so  werden  die  weiteren  chemischen  Vorgänge  wohl  oft 
nach  Art  der  Wärmeleitungsvorgänge  oder  Diffusionsvorgänge 
ablaufen,  also  bald  zu  einem  Ausgleiche  führen.  In  einem 
solchen  Medium  dürfte  also  ein  Gesetz  von  der  Form  des 
Fouri er* sehen  Gesetzes: 


416  G.  Jaumann, 


80 
div  V*a  = 


8/ 


mit  hinreichender  Annäherung  gelten.  Es  dürfte  aber  auch 
Medien  geben,  in  welchen  einmal  gegebene  Abweichungen  des 
chemischen  Zustandes  von  dem  normalen  Zustande  sich 
nicht  aperiodisch  ausgleichen,  sondern  zu  fast  ungedämpften 
chemischen  Oszillationen  führen.  Insbesonders  rechne 
ich  alle  glühenden  Stoffe,  aber  auch  alle  sehr  lumineszenz- 
fähigen Stoffe,  also  auch  die  verdünnten  Gase  zu  diesen 
Medien.  In  solchen  Medien  dürften  die  Änderungen  von  o  durch 
das  Gesetz: 

V,  V.o:^—  (X) 

bestimmt  sein.  Jedes  Gesetz  von  solcher  Form  ist  das  Elimina- 
tionsresultat aus  zwei  einfacheren  Gesetzen,  da  jede  Schwin- 
gung in  einer  gleichzeitigen  gegenseitigen  Verwandlung  zweier 
physikalischer  Zustände  besteht.  Im  vorliegenden  Falle  muß 
der  zweite  noch  unbekannte  Zustand  vektorisch  sein.  Die 
elektrolytischen  Erscheinungen  legen  die  Vermutung  nahe,  daß 
der  Leitungsstrom  7*c  nahe  Beziehungen  zu  den  chemischen 
Zustandsänderungen  hat.  Möglicherweise  gilt  das  einfache 
Gesetz: 

kV,f't^—     (fe  konstant).  (24) 

8/ 

Aber  dieses  und  das  Gesetz  (IX)  können  nicht  allgemein 
in  jedem  Medium  gleichzeitig  gültig  sein,  es  scheint  dies  nur  in 
sehr  guten  Leitern  zuzutreffen. 

Ich  vermute,  daß  die  Gleichung  (X)  nicht  präzise  richtig 
dargestellt  ist,  sondern  daß  o  auf  der  linken  und  rechten  Seite 
noch  etwas  abweichend  interpretiert  werden  muß.  Es  ist  die 
Unterscheidung  zwischen  chemischer  Energie  und  chemi- 
schem Zustande  notwendig,  es  sind  dies  möglicherweise 
voneinander  unabhängige  Variable,  obwohl  sie  sich  oft  pro- 
portional ändern.  Der  Sicherheit  wegen  gebe  ich  o  auf  der 
linken  Seite  der  Gleichung  (X)  dieselbe  Bedeutung  wie  in 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  417 

Gleichung  (IX),  hingegen  (J  auf  der  rechten  Seite  der  Glei- 
chung (X)  dieselbe  Bedeutung  wie  in  Gleichung  (24).  Es  ist 
dies  weit  vorsichtiger,  als  wenn  die  unbedingte  Gültigkeit  aller 
drei  Gleichungen  angenommen  würde.  Immerhin  folgt  nun  aus 
diesen  Gleichungen: 

V.V,«.=^*  — (t-c)  (25) 

ein  Gesetz  über  den  Zusammenhang  der  Verteilung  des  Energie- 
flusses und  der  Änderung  des  Leitungsstromes,  das  sich  für 
die  verdünnten  Gase  bestens  bewährt  hat. 

Ich  habe  mich  entschlossen,  mit  diesen  vorläufigen  Mit- 
teilungen so  weit  zu  gehen,  weil  ich  voraussetze,  daß  man  den 
Beweis  verlangen  wird,  daß  der  Energiefluß  der  Longitudinal- 
strahlen,  wenigstens  bei  Abwesenheit  einer  ablenkenden 
magnetischen  Kraft,  auf  der  Wellenfläche  senkrecht  steht. 
Diese  Strahlen  haben  aber  nun  einmal  in  Gasen  keinen  anderen 
Energiefluß  als  den  chemischen  Energiefluß  ^^j. 

Nach  Lenard  sind  auch  die  Metalle  für  Kathodenstrahlen 
durchdringlich.  Hier  ist  es  leicht,  das  Gesetz  des  Energieflusses 
anzugeben,  welcher  in  denselben  wohlbekannte  Wärmewir- 
kungen veranlaßt.  Ich  gestatte  mir,  im  nächsten  Kapitel  4  ein- 
schaltungsweise die  Gesetze  dieses  Wärmestromes  zu  ent- 
wickeln. 

4.  Der  EnergiefluS  der  Wärmeleitung,  des  Peltier-  und 

Thomsoneffektes. 

24.  Das  Fourier'sche  Gesetz  der  Wärmeleitung 

9r 

—€-=-  =6wkVT 

kann  nicht  als  ein  fundamentales  Nahewiikungsgesetz  an- 
erkannt werden,  sondern  muß  als  das  Elin^nationsresultat  aus 
zwei  Gesetzen  ganz  anderen  Inhaltes  aufgefaßt  werden,  und 
zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Das  Fourier'sche  Gesetz  enthält  nur  eine  physikalische 
Variable,  es  setzt  die  Fluxion  der  Temperatur  T  in  Beziehung 
zu  ihrem  Gefälle.  Physikalische  Vorgänge  bestehen  aber  immer 


418  G.  Jaumann, 

in  der  simultanen  Verwandlung  zweier  verschiedener  Zustände. 
Auch  bei  der  Wärmeleitung  werden  also  nicht  bloß  Temperatur- 
änderungen eintreten,  sondern  gleichzeitig  Änderungen  einer 
zweiten  bisher  unbeachteten  physikalischen  Variablen. 

2.  Dementsprechend  ist  das  Fourier'sche  Gesetz  eine 
Differentialgleichung  zweiter  Ordnung,  welche  sich  zerlegen 
läßt  in  zwei  Differentialgleichungen  erster  Ordnung,  welche 
die  Beziehungen  dieser  zwei  Variablen  zueinander  darstellen. 

Das  eine  dieser  zwei  Gesetze  kann  ohneweiters  angegeben 
werden.  Es  lautet: 

sr 

Es  stellt  die  Beziehung  zwischen  dem  Energiefluß  d^  (dem 
Wärmestrom)  und  der  Fluxion  des  Wärmeinhaltes  dar.  Hierin 
bedeutet  c  die  Wärmekapazität  der  Volumseinheit. 

Sonach  hat  das  zweite  gesuchte  Gesetz  die  Form: 

^^J=ifeVr.  (26) 

Dieses  ist  aber  kein  selbständiges  Gesetz,  sondern  dürfte 
folgen  aus  einem  Gesetze  der  in  ungleichförmig  temperierten 
Medien  auftretenden  sogenannten  kontaktelektromotorischen 
Wirkung  und  aus  einer  in  diesem  Falle  gültigen  Beziehung  des 
Energieflusses  ^^   zu  den  elektromagnetischen  Feldvariablen. 

Ich  habe  für  die  kontaktelektromotorische  Wirkung  bei 
der  Berührung  von  Lösungen  verschiedener  Konzentration  in 
einer  früheren  Abhandlung,^  auf  welche  ich  hier  hinweisen 
muß,  auf  wesentlich  neuer  Grundlage  das  Nernst'sche  Gesetz 
abgeleitet.  Dieses  hat  im  wesentlichen  ganz  ähnliche  Form  wie 
folgendes  Gesetz,  welches  ich  für  die  kontaktelektromotorische 
Wirkung  in  inhomogenen  guten  Leitern  aufrecht  halten  möchte: 

g.(@_c)J=jfe'V.(Tr).  (27) 

«I 

Hierin  bedeutet  (£  die  elektrische  Feldstärke  oder 
elektrische  Kraft  im  gewöhnlichen  Sinne,  also  nach  Maxwell 
gemessen  in  einem  dünnen,  an  dem  betrachteten  Orte  in  ihrer 


1  Zur  Theorie  der  Lösungen.  Ann.  d.  Phys.,  Bd.  3,  p.  599. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  419 

Richtung  in  dem  Medium  ausgesparten  Luftkanal.  Hingegen 
bedeutet  e,  wie  stets,  den  elektrischen  Vektor,  für  welchen 
die  elektromagnetischen  Grundgleichungen  gelten.  Diese  beiden 
Vektoren  (£  und  t  sind  in  homogenen,  gleichmäßig  temperierten 
Medien  identisch,  in  inhomogenen  oder  ungleichmäßig  tem- 
perierten Medien  aber  aus  dem  a.  a.  O.  angegebenen  Grunde 
wesentlich  verschieden,  und  eben  dieser  Unterschied  macht  die 
kontaktelektromotorischen  Wirkungen  aus. 

Die  Gleichung  (27)  erklärt  eine  Seite  des  Wärmeleitungs- 
phänomens. Es  handelt  sich  also  nur  noch  um  die  präzise 
Bestimmung  des  Energieflusses  d^  und  man  erkennt  nun  leicht, 
daß  für  Metalle  nicht  Gleichung  (25)  gilt,  sondern  daß  für 
diese: 

«1=^*18.6.  (28) 

Hierin  ist  i^  ein  universeller,  nicht  von  der  Natur  des 
Metalles  abhängender  Reduktionsfaktor.  Hiemit  ist  die  Wärme- 
leitung befriedigend  erklärt,  ja  sogar  merklich  besser  dar- 
gestellt als  durch  das  Fourier'sche  Gesetz.  Aus  (27)  und  (28) 
folgt  die  folgende  Form  des  Wärmeleitungsgesetzes: 

— c  -^  =  *i  div  *'t  •  V  r+*i  div  e .  e.  (29) 

Das  Wärmeleitungsvermögen  k  ist  hienach 

k  =  k^kft.  (30) 

Dasselbe  ist  (nach  dieser  Auffassung  der  Wärmeleitung) 
keine  besondere  spezifische  Konstante  des  Materials,  sondern 
nur  das  Produkt  der  elektrischen  Leitfähigkeit  y  und  der  Kon- 
stanten *'  der  kontaktelektromotorischen  Wirkung. 

Die  Abweichung  der  Gleichung  (29)  von  dem  Fourier- 
schen  Gesetz  ist  der  elektrischen  Ladung  dive-c  proportional,^ 
welche  allerdings  in  homogenen  Leitern  unmerklich  klein  bleibt. 


1  AuBerdem  folgt  noch  für  das  Wärmegleichgewicht  in  inhomogenea 
Leitern  die  vom  experimentellen  Standpunkt  aus  ganz  bedeutungslose  Be- 
ziehung: 

div*'rv.T  =  <^- 


420  G.  Jaumann, 

Immerhin  folgt,  daß  im  Wärmegleichgewicht  jene  Stellen, 
welche  verschieden  geladen  sind,  in  einem  Halbleiter  spur- 
weise verschieden  temperiert  sein  müssen. 

25.  Der  von  der  ersten  Potenz  der  Temperatur 
abhängige  Teil  des  Peltiereffektes.  Große  elektrische 
Ladungen  treten  nur  in  inhomogenen  durchströmten  Leitern 
auf,  weil  nicht  der  Vektor  8»e,  sondern  der  Leitungsstrom  y-c 
divergenzfrei  verteilt  ist.  An  den  Lötstellen  verschiedener  Leiter 
wird  deshalb  die  Abweichung  von  dem  Fourier'schen  Gesetze, 
welche  aus  Gleichung  (29)  folgt,  deutlich  zu  beobachten  sein. 

Die  Wärmeproduktion  für  V  7  =  0,  welche  nach  dem 
Fourier'schen  Gesetze  Null  sein  sollte,  hat  nach  (29)  den  Wert: 

— ^—  =  K  div  ec  =  \  div  — TC  =  k,  [V  — j  .(tc),     (31) 

denn  der  Leitungsstrom  ist  dlivergenzfrei: 

div  Ye  =  0. 

Die  Leitfähigkeit  y  der  Metalle  nimmt  mit  steigender  Tem- 
peratur ab,  und  zwar  ist  im  einfachsten  Falle  mit  Annäherung: 

T=:— ,     also:    V—  =  TS7  —  .  (32) 

T  T  To 

Nach  dem  Ohm'schen  Gesetz  ist: 

^•c^Cq  rotm 

und  somit  ergibt  sich  schließlich: 

-c —  =  Cr,k,  rV—  •rotm.  (33) 

Integriert  man  diese  Gleichung  über  eine  geschlossene 
Fläche,  welche  die  Lötstelle  einschließt,  so  erhält  man  den 
Wert  dieser  Wärmeproduktion  in  der  Lötstelle,  welche  einen 
Teil  des  Peltiereffektes  erklärt,  nämlich  jenen,  welcher  linear 
von  der  Temperatur  abhängt.  Derselbe  ergibt  sich  nach  (33) 
proportional  dem  rot  m,  also  proportional  der  ersten  Potenz  der 
Stromstärke  und  der  ersten  Potenz  der  Temperatur  und  ferner 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  42 1 

proportional  der  Differenz  der  Werte  von  s/to  in  den  beiden 
Metallen.  In  Wirklichkeit  wird  das  Gesetz  dieser  Wärmepro- 
duktion etwas  komplizierter  sein,  weil  die  Gleichung  (32)  nicht 
allgemein  und  streng  gilt. 

26.  Der  Thomsoneffekt  und  der  vom  Quadrate 
der  Temperatur  abhängende  Teil  des  Peltiereffektes. 
Der  Energiefluß  ^^  stellt  nicht  den  ganzen  Wärmestrom  & — ä' 
in  Metallen  dar,  sondern  dieser  hat  noch  eine  zweite  Kom- 
ponente dg.  Es  ist 

Nach  F.  Kohlrausch  wird  der  galvanische  Strom  von 
einem  proportionalen  Wärmestrom  begleitet,  wodurch  der 
Peltiereffekt  ganz,  der  Thomsoneffekt  aber  nur  zum  Teil  erklärt 
wurde.^  Meine  Auffassung  steht  jener  von  Kohl  rausch  ganz 
nahe.  Nur  definiere  ich  den  Wärmestrom  präziser  als  eine  Kom- 
ponente des  Energieflusses  und  will  durch  diesen  Kohlrausch- 
schen  Energiefluß  nicht  den  ganzen  Peltiereffekt  erklären, 
sondern  nur  dessen  quadratischen  Teil,  hingegen  erkläre 
ich  hiedurch  den  Thomsoneffekt  zur  Gänze. 

Dieser  Energiefluß  ög  ^^^  ^^"  Wert: 

h^Kvt.  (34) 

Die  Konstante  ifeg  ist  eine  Materialkonstante,  welche  für  die 
meisten  Metalle  dem  Quadrate  der  absoluten  Temperatur 
proportional  sein  muß: 

k^  =  xr.  (35) 

Der  Thomsoneffekt  tritt  nur  in  guten  Leitern  auf,  nicht 
aber  in  allgemeinen  Medien,  er  folgt  nämlich  nur  dann  aus  (34), 
wenn  man: 

^.^A=Cq  rotni 

setzt,  was  nur  für  gute  Leiter  gestattet  ist.  x  ist  eine  von  der 
Temperatur  unabhängige  spezifische  Konstante  der  Metalle. 
Es  folgt  aus  (34)  und  (35) : 


1  Vergl.  hierüber  und  über  die  Abhängigkeit  dieser  Effekte  von  der  Tem- 
peratur: A.  Szarvassi,  Ann.  d.  Phys.,  Bd.  17,  p.  248. 


422  G.  Jaumann, 

div  «g  =1  2coxrvr-rot  m-hc^T^Vx^rot  w.  (36) 

Das  erste  Glied  der  rechten  Seite  dieser  Gleichung  stellt 
den  Thomsoneffekt  vollkommen  dar,  diese  Wärmeproduktion 
ist  dem  Temperaturgefalle  VT,  der  ersten  Potenz  der  Strom- 
dichte Cq  rot  m  und  femer  der  ersten  Potenz  der  absoluten 
Temperatur  T  proportional,  wie  dies  tatsächlich  für  den 
Thomsoneffekt  von  Batelli  beobachtet,  beziehungsweise  von 
Szarvassi  (1.  c.)  aus  dem  Entropieprinzip  erschlossen  wurde. 

Das  zweite  Glied  der  Gleichung  (36)  stellt  jenen  großen 
Teil  des  Peltiereffektes  dar,  welcher  dem  Quadrate  der 
Temperatur  proportional  ist.  Der  lineare  Teil  des  Peltiereffektes, 
vielleicht  auch  ein  kleiner  Bruchteil  des  quadratischen  Teiles 
des  Peltiereffektes  wird  hingegen  nach  §  25  durch  den  Energie- 
fluß «1  erklärt 

Der  ganze  Wärmestrom  der  Wärmeleitung,  des  Peltier- 
und  Thomsoneffektes  hat  den  elektromagnetischen  Wert: 

«— «'«^*i8-ff-4-;^Y-e.  (37) 

5.  Elektromagnetische  Grundgleichungen  für  ruhende 

allgemeine  Medien. 

27.  Durch  die  Gleichungen  (III)  und  (IV),  §  19,  welche  nur 
für  Medien  gelten,  bei  welchen  zufolge  der  elektromagnetischen 
Vorgänge  Änderungen  des  chemischen  Zustandes  nicht  ein- 
treten, ist  eine  wesentliche  Abhängigkeit  der  Leitfähigkeiten  f 
und  6  von  der  Deformationsgeschwindigkeit  festgestellt.  Aber 
auch  in  ruhenden  (undeformierten)  Medien  ist  y  und  6  ver- 
änderlich, wenn  sich  der  chemische  Zustand  oder  die  Tem- 
peratur ändert.  Medien,  in  welchen  solche  Änderungen  zufolge 
der  rasch  ablaufenden  elektromagnetischen  Vorgänge  in  elek- 
trischen Strahlen  vorkommen  können,  sollen  nun  betrachtet 
werden. 

Wir  haben  zunächst  das  Gesetz  der  Änderungen  von  y 
und  i,  d.  h.  zwei  Gleichungen  für  diese  Variablen  aufzustellen, 
welche  für  ruhende  allgemeine  Medien  an  Stelle  der  Gleichungen 
(III)  und  (IV)  gelten.  Da  es  sich  nur  um  kleine  Änderungen 
dieser  Variablen  handelt  und  wir  das  Gesetz,  nach  welchem 


Strahlungen  in  elektronagiietischen  Feldern.  423 

sich  andere  stoffliche  Variable  hiebet  ändern,  bereits  kennen, 
macht  dies  keine  Schwierigkeiten. 

Die  zwar  sehr  kleinen,  aber  raschen  Veränderungen  von  s 
und  Y,  um  welche  es  sich  handelt,  dürften  hauptsächlich  durch 
Änderungen  des  chemischen  Zustandes  des  Mediums  bewirkt 
werden,  diese  Variablen  sind  also  Funktionen  eines  und  des- 
selben Zustandes,  also  sind  sie  Funktionen  voneinander.  Da 
es  sich  nur  um  kleine  Änderungen  dieser  Variablen  aus  ihren 
normalen  Ruhewerten  %  und  Sg  handelt,  so  können  diese  ein- 
ander proportional  gesetzt  werden.  Die  gesuchten  Glei- 
chungen lauten  also: 

T— To'^/'Ce-eo).  (XI) 

i-^^q(V—Vv)>  (XII) 

worin  p  und  q  Materialkonstante  sind. 

28.  Unter  einem  allgemeinen  Medium  verstehe  ich  ein 
solches,  in  welchem  einige  der  Materialkonstanten  a^a^a^a^ 
h^h^b^b^pq,  welche  die  stofflichen  und  Temperaturänderungen 
während  rasch  ablaufender  elektromagnetischer  Vorgänge  und 
deren  Rückwirkung  auf  diese  Vorgänge  bestimmen,  von  Null 
verschieden  sind.  Es  ist  kein  Medium  von  ganz  allgemeinem 
Verhalten  bekannt,  sondern  für  alle  bisher  untersuchten 
Medien  ist  a^  =  0  und  fcj  =i  0,  für  alle  Gase  ist  ferner  a,  =  0 
und  &2  ziz  0,  endlich  ist  für  alle  chemisch  schwer  veränderlichen 
Stoffe,  welche  keine  andere  Eigentümlichkeit  als  die  elektrische 
Doppelbrechung  und  die  Drehung  der  Polarisationsebene  zeigen, 
p  z=.0  und  q  =iO. 

Sechs  dieser  Materialkonstanten  bestimmen  die  spezielle 
Form  der  allgemeinen  derivierten  Dyaden,  welche  in 
den  Grundgleichungen  eine  große  Rolle  spielen.  Hier,  im 
früheren  und  im  folgenden  sind  dieselben  abgekürzt  bezeichnet. 
Es  bedeutet: 

aV,  e=^aiV;e-|-agejV-4-aj/divc,  (38) 

JV,  t  ^  b^V^,  e+&aCy  Vh- b^I div  c. 

29.  Setzen  wir  in  dem  nach  den  oben  angegebenen 
Methoden  gewonnenen  System  der  elektromagnetischen  Grund- 

Sttzb.  d.  matbem.-OAturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II a.  28 


424  G.  Jaumann, 

gleichungen,  welches  in  §  19  zusammengestellt  ist,  H^O,  und 
eliminieren  die  Hilfsvariablen  t]  und  C  aus  (VII)  und  (VIII)  mit 
Hilfe  von  (V)  und  (VI),  so  ergibt  sich  folgendes  System  von 
Grundgleichungen  für  ruhende  allgemeine  Medien: 

-,   ac     /i  as      \     - 

T— To  —P(^—h\  (Q 

€-€o=^?Öi— Pp),  (DJ 


+aV,s.e=^a^(8— e^),  ^; 


+&V,e.e^*^(jt— |i^).  (F) 


30.  Multipliziert  man  die  Gleichungen  (A)  und  (^£^  mit  e» 
beziehungsweise  m,  und  addiert,  so  ergibt  sich  die  Energie- 
gieichung  für  ruhende  allgemeine  Medien: 

he-T-eH-«-6»iii+Co  div  ex  «  =  0,  (39) 

ot 
worin  die  potentielle  elektromagnetische  Energie  E  den  Wert: 

E=  — (e*8.e+iii-|i-iii)  (40) 

hat.  e»Y«e  und  iit«£*iit  sind  die  Strom  wärmen.  Der  Energiefluß 
hat  den  Poynting'schen  Wert,  es  kommt  jedoch  noch  der 
Wärmestrom  hinzu. 

31.  Geringe  rasche  Veränderungen  in  starken 
Feldern.  Dieses  Gleichungssystem  ist,  entsprechend  dem 
nichtsuperpositorischen  Charakter  der  elektromagnetischen  Er- 
scheinungen, nicht  linear,  läßt  sich  aber  bedeutend  vereinfachen, 
wenn  man  sich  darauf  beschränkt,  Vorgänge  zu  betrachten, 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern. 


425 


welche  in  starken  statischen  Feldern  stattfinden  und  nur  sehr 
geringe,  aber  rasche  Veränderungen  derselben  bewirken. 

Dann  kann  man  (s— e^)  gegen  8^,  (|i— ft,)  gegen  n^,  t—t^ 
gegen  e^  und  m— «q  gegen  m^  vernachlässigen  und  setzen: 


[8].. 

8e 

8/ 

i 

8o- 

8c 
8/' 

[{«.]• 

8m 

8/ 

^ 

fS)- 

8m 

8/' 

de 
8/ 

•  e 

JL 

8s 
8/ 

•«0. 

¥ 

•  •  ttl 

iJU 

8|L 

•  m. 

zt 


ii 


(41) 


Femer  betrachten  wir  meist  nur  Medien,  welche  im  nor- 
malen Zustande  nichtleitend  sind,  so  daß 


To  =  eo  =  0, 


rot 

i 


Endlich  berücksichtigen  wir,  daß  alle  endlichen  Glieder 
sich  im  Ruhefall,  also  auch  im  betrachteten  Falle  aufheben 
müssen,  also  aus  diesen  Gleichungen  herausfallen.  Es  ist: 


öV,eo.Co=^a^(eo— Soo). 


(43) 


Hierin  bedeutet,  wie  stets  im  folgenden,  8^  die  dielektrische 
Dyade  im  statischen  ungleichförmigen  elektrischen  Felde  Cq, 
während  e^o  den  ganz  normalen  Wert  derselben  im  unelek- 
trischen Felde  oder  gleichförmigen  elektrischen  Felde  be- 
zeichnet. Die  Abweichung  (e^ — e^o),  d.  i.  die  Doppelbrechung 
im  ungleichförmigen  elektrischen  Felde,  ist  aber  wegen  der 
bedeutenden  Größe  der  Konstanten  a^  wohl  meist  unmerklich 
klein. 

Die  Grundgleichungen  nehmen  für  geringe  rasche  Ände- 
rungen in  starken  elektromagnetischen  Feldern  für  im  normalen 
Zustande  magnetisch  nichtleitende  Medien  die  lineare  Form  an: 

28* 


426  G.  Jaum«nn, 


«0 


8c        / 1    St  \ 


+  eo.&V,(e-Co)=i=*,(FL-|i^).  ^; 


8/ 
"37 


Ob  es  sich  auch  für  Strahlen  kleiner  Wellenlänge  bewähren 
wird,  im  zweiten  Gliede  von  (E)  und  (F)  e^  statt  e  zu  setzen, 
scheint  mir  nicht  gewiß,  doch  nötigt  uns  die  Rücksicht  auf  die 
möglichste  Einfachheit  der  Rechnung  vorläufig  zu  dieser  ein- 
facheren Annahme. 

6.  Strahlungen  in  starken  elektromagnetischen  Feldern. 

32.  Diese  Gleichungen  gelten  auch  für  elektromagnetische 
Wellen  und  Strahlen  kleiner  Amplitude,  welche  sich  in  starken 
statischen  Feldern  fortpflanzen.  Da  diese  Gleichungen  in  den 
Variablen  der  Welle  linear  und  homogen  sind,  superponieren 
sich  verschiedene  im  selben  statischen  Felde  fortschreitende 
Strahlen,  ohne  sich  gegenseitig  zu  beeinflussen,  hingegen 
erfahren  sie  von  Seite  der  Feldvektoren  Zq  und  m^,  welche  als 
Konstante  in  diese  Gleichungen  eintreten,  charakteristische 
Beeinflussungen,  welche  wir  nun  berechnen  wollen. 

33.  Wir  betrachten  jenes  Integral  dieser  Gleichungen, 
welches  eine  allgemeine  ebene  Sinusvvelle  genannt  werden 
kann,  und  berücksichtigen  auch  die  Dämpfung.  Es  sei  c  die 
Wellengeschwindigkeit,  n  ihr  reziproker  Wert,  r  die  Schwin- 
gungsdauer, X  die  Dämpfungskonstante.  Ferner  bezeichne  t  den 
von  einem  beliebigen  ruhenden  Nullpunkt  aus  gezählten  Orts- 
vektor, so  daß 

n-r  =  konst. 

die  Gleichung  einer  Wellenebene  ist  Wir  setzen: 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern. 


427 


2c 


Si  =  e     *         sin {t — ^11. t), 


Sj  =  ^       ^  COS (/ — ^ll-?). 


(44) 


(45) 


Ferner  bezeichnen  wir  mit  dem  Index  1,  beziehungsweise  2 
konstante  Vektoren,  beziehungsweise  Dyaden,  welche  die 
Amplituden  der  Variablen  der  Welle  darstellen. 

Die  allgemeinste  ebene  gedämpfte  elektromagnetische 
Sinuswelle  wird  dargestellt  durch: 


T— To  —  TiSi+TaSa. 


(46) 


(47) 


Dieser  reelle  Ansatz  bietet  folgenden  Rechenvorteil:  Offen- 
bar erhält  man  ganz  dasselbe  Integral,  wenn  man  die  mit  dem 
Index  1  versehenen  Amplituden  durch  die  mit  dem  Index  2 
versehenen  Amplituden  ersetzt  und  umgekehrt,  dieses  letztere 
aber  unter  Vorzeichenwechsel.  Zufolgedessen  kann  man 
zu  jeder  für  diese  Amplituden  berechneten  Gleichung  eine 
zugeordnete  Amplitudengleichung  mit  vertauschten  Indizen 
angeben  und  erspart  die  halbe  Rechnung. 

34.  Die  Derivationen  der  Variablen  nach  dem  Orte  t 
werden  gebildet,  indem  man  Vu^t^n  an  die  Stelle  von  V 
setzt  und  S^,  beziehungsweise  Sg  nach  n-r  differenziert. 

Setzen  wir  die  Werte  (46)  und  (47)  in  die  Grundgleichungen 
(A^)  bis  (F^J  ein  und  trennen  die  mit  Sj,  beziehungsweise  Sg 
behafteten  Glieder,  so  ergeben  sich  die  Amplitudengiei- 
chungen,  welche  die  84  Komponenten  der  Amplituden  der 
allgemeinen  Welle  bestimmen: 


428  G.  Jaumann, 


«0 


••»+(t^^-^27^«)-'»+2¥^<'-'»- 


2 

^  — Cf,  ÜXUi — Cg  XKX«,  ,     (A 1) 

li^P^i,  (Cl) 

Hiezu  kommen  noch  die  zugeordneten  Gleichungen  (A2) 
bis  (F2).  Hierin  bedeutet: 

an,  Ci'^ain;Ci+agei;n+a,/n'Ci, 

bvi,  Cl  =^  &i«;ei4-*jei;B+&,/n.ei. 

Aus  (El)  und  (^2;  folgt: 

Si  =2=/.an,  Ci+/'.aB,  e,  (48,  I) 

und  die  zugeordnete  Amplitudengleichung  (48, 2),  worin: 

/=6„-=^...    /'  =  6o-*^...    r=-^a^.     (49) 
1+r*  1+r*  2« 

Aus  (Fl)  und  ^/^2;  ergibt  sich : 

H,=8=^.&n,ei+^'.6n,e,  (50,1) 

und  die  zugeordnete  Gleichung,  worin: 

2%%  ,  2ic  . 

In  (51)  wurde  gleich  berücksichtigt,  daß  es  in  keinem 
Medium  (ausgenommen  das  Eisen,  welches  wir  nicht  betrachten 
werden)  vorkommen  kann,  daß  sich  zufolge  der  geringen  vor- 
ausgesetzten chemischen  Änderungen  |i  wesentlich  von  seinem 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  429 

Ruhewerte  ji^  unterscheidet,  denn  erfahrungsgemäß  hat  die 
diamagnetische  Dyade  |t  für  die  meisten  Stoffe  nahezu  denselben 
Wert  wie  für  Luft,  sie  hängt  also  überhaupt  nicht  stark  von 
dem  chemischen  Zustande  des  Mediums  ab  und  deshalb  muß 
die  Konstante  Ä^  in  Gleichung  (F)  einen  ungemein  großen 
Wert  haben.  Dies  vereinfacht  das  Verhalten  der  Medien,  was 
sich  darin  ausdrückt,  daß  die  Werte  (51)  einfachere  Gestalt 
annehmen  als  die  sonst  ganz  analogen  Werte  (49).  Es  wurde 
in  (Fi)  [tj  gegen  die  anderen  Glieder  vernachlässigt. 

Besonders  hervorgehoben  muß  werden,  daß  die  Glei- 
chungen (E^)  und  (F^)  den  mit  Genauigkeit  geltenden  Glei- 
chungen (E)  und  (F)  fast  völlig  gleich  sind,  es  gelten  also 
die  Gleichungen  (El)  und  (Fl)  nicht  nur  für  Strahlen  in 
starken  elektromagnetischen  Feldern,  sondern  mit  hinreichender 
Genauigkeit  für  jeden  gedämpften  Sinusstrahl  auch  bei  Ab- 
wesenheit eines  statischen  elektromagnetischen  Feldes.  Es 
geben  also  die  Gleichungen  (48)  und  (50)  eine  allgemein  gültige 
Beziehung  für  Strahlungen  in  Medien  allgemeinen  Verhaltens. 

Nach  (48)  ist  die  Amplitude  der  Schwingungen 
der  dielektrischen  Dyade  bei  gegebener  Amplitude 
der  elektrischen  Schwingungen  desto  größer,  je 
kleiner  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Strahles  ist,  denn  n  ist  die  reziproke  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit.  Kennt  man  also  das  Verhältnis  dieser  Ampli- 
tuden, so  kann  man  auch  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
des  Strahles  beurteilen. 

Nach  (Cl)  und  (Dl)  erhält  man : 

Ti  ^pf^au,  t^-hpf-an,  e^,  (52, 1) 

ii^qg'in,ti-^qg'^bn,t^,  (53,  1) 

35.  Setzen  wir  die  Amplituden  der  stofflichen  Variablen 
in  die  elektromagnetischen  Amplitudengleichungen  (AI),  (A2), 
(Bl),  (B2)  ein,  so  ergeben  sich  die  vier  vektorischen  Glei- 
chungen, welche  die  Amplituden  der  elektrischen  und  magne- 
tischen Schwingungen  bestimmen: 


430  G.  Jaamami, 


2s 

m*«i+4-(&«,c)-«^+4/-(*«,c,).«o  —  +r^j»x(c,+»c^  (55,1) 

Hierin  ist: 

Y=-i-/-^/jr,  (56) 

2  2x 

9'=i-y^+^/;/,  (57) 

2  2x 

*=  V^-^?^,  (58) 

2  2« 

f  =-^^'+^^^.  (59) 

2  2s 

Um  noch  die  magnetischen  Amplituden  zu  eliminieren, 

multiplizieren  wir  (55, 1)  rotorisch  mit —^nx  und  (55,2)  mit 

c  ^ 

X— ^«x  und  subtrahieren  sie  von  (54,  1). 

Die  Gleichungen  für  die  elektrischen  Amplituden  lauten: 

e5*ei+T-(a»,ei)-Co+<|/-(a«,Cj)-Co+-;^To*^+ 

2ic 

-hn;»iix(&ii,  ei)-iito+«/-»x(ftit,Cj)-Jiio+ 

+  -^(1— «*)ity«.e.+2-^x«y«.e,iO,     (60,1) 


wonn: 


w  = -^^  ^^^  +  ?(l-x«)  ,  (61) 


(62) 


Die  planare  Djrade  n  ^  n  tritt  durch  die  Assoziationsände- 
rung der  Faktoren  des  vektorischen  Tripelproduktes  auf.  Es  ist: 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  431 

ll:5:ll-e^=ä«tix(ux  ej,  (63) 

ii?ii-e,=^ttx(jiKCj).  (64) 

'  Diese  planare  Dyade  läßt  sich  auch  als  Differenz  einer 
linearen  und  einer  proportionalen  isotropen  Dyade  darstellen, 
so  wie  sich  z.  B.  eine  Qu^kontraktion  durch  eine  Längsdilata- 
tion und  darauffolgende  isotrope  Volumsverkleinerung  ersetzen 

läßt  Es  ist: 

u  X  ti  =i=  tt  .11—11 V.  (65) 

Wir  wollen  noch  die  allgemeinen  Dyaden  an,  Cj  und  bn,  t^ 
ausfuhrlich  schreiben.  Es  ist: 

an,ei-eo  =  a^n(t^-tQ)-ha^t^(n*tQ)'^aj^{t^'n)tQ.        (66) 

Dann  ordnen  wir  die  Gleichungen  (60)  nach  den  charakte- 
ristischen Richtungen  des  Feldes  und  der  Welle  und  erhalten 
schließlich: 

(eo+^?»-«o+-7r-(l— *')tt^tt)•el-^- 


(^B?'n'^o 


-hft8(n;n*Ci-+-«/n*t2)-iixmo  =^0.  (67, 1) 

Hiezu  kommt  noch  die  zugeordnete  Amplitudengleichung 
(67, 2),  welche  man  aus  (67, 1)  erhält,  indem  man  Cg  statt  tj  und 
— e,  statt  t^  setzt.  Von  diesen  Gleichungen  werden  wir  bei  den 
folgenden  Deduktionen  meist  ausgehen. 


36.  Die  weitere  Rechnung  führt  zur  Bestimmung  der 
Wellengeschwindigkeit  c  und  Dämpfung  x.  Doch  verwenden 
wir  im  folgenden  die  Resultate  dieser  allgemeinen  Berechnung 
nicht  und  können  uns  daher  mit  einer  kurzen  Darstellung  der- 
selben begnügen. 


432  G.  Jaamann, 

Die  Gleichungen  (67)  können  in  die  Form  gebracht  werden : 

<I>i-Ci+4>,.c,^0,  (68,1) 

*i-^— *2-ei^0,  (68,2) 

woraus  folgt: 

y.Ci^O,        V.ej=«=0.  (69) 

Hierin  ist: 

worin  t,  i,  f  orthogonale  Einheitsvektoren  sind  und  die  übrigen 
Vektoren  leicht  aus  (67)  berechnet  werden  können. 

Nach  (69)  kann  e^  und  e^  nur  dann  verschiedene  Richtung 
haben,  wenn  V  eine  lineare  Dyade  ist;  nur  in  diesem  Falle  ist 
also  die  elektrische  Schwingung  elliptisch.  Stets  mu8  aber  der 
dritte  Skalar  V,  verschwinden.  Dieser  zerfallt  aber  der  Ver- 
tauschbarkeit  der  Indices  wegen  in  die  Summe  zweier  Quadrate: 

9^3  =  Ar«+iV«.  (70) 

Diese  Schlußgleichung  ist  also  äquivalent  den  zwei  Glei- 
chungen : 

M  =  0,        N=0,  (71) 

worin : 

Die  Gleichungen  (71)  bestimmen  die  Größe  der  Wellen- 
geschwindigkeit und  der  Dämpfung  und  sind  in  beiden  Unbe- 
kannten vom  sechsten  Grade. 

Die  Wellenfläche  zerfällt  aber  meist  in  eine  Fläche  vierten 
Grades,  welche  zum  Ursprung  symmetrisch  ist,  und  in  eine 
Fläche  zweiten  Grades,  welche  unsymmetrisch  zum  Ursprung 
ist.  Erstere  entspricht  den  im  wesentlichen  transversalen 
Strahlen,  letztere  den  im  wesentlichen  longitudinalen  Strahlen. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  433 


Zweiter  Teil. 

Longitudinale  Strahlen  in  starken  elektromagnetischen 

Feldern. 

7.  Strahlungen  in  verdünnten  Gasen. 

37.  Longitudinale  elektrische  Strahlen  können  nach  meiner 
Theorie  besonders  leicht  in  verdünnten  und  glühenden  Gasen 
auftreten.  Die  Gase  verhalten  sich  zwar  in  elektromagnetischer 
Beziehung  einfacher  als  alle  dichteren  Stoffe,  weil  vier  von 
den  acht  spezifischen  Konstanten  a  und  h  aller  Gase  unmerk- 
lich klein  sind,  und  zwar  ist: 

a,  =:0,     «3=0,     fc,  =0,     h^  =  0,  (73) 

während  in  dichteren  Stoffen  oft  a^  und  b^  merklich  von  Null 
verschieden  sind. 

Daß  in  verdünnten  Gasen  dennoch  eigentümliche  Strah- 
lungen, insbesondere  die  Kathoden-  und  Kanalstrahlen 
auftreten,  wird  nach  meiner  Theorie  dadurch  erklärt,  daß  die 
verdünnten  Gase  schon  durch  kleine  Energieänderungen 
(Wärmeänderungen,  chemische  Änderungen)  große  Eigen- 
schaftsänderungen erfahren.  Insbesondere  sind  die  Schwin- 
gungen der  Leitfähigkeiten  y  und  S,  welche  wohl  direkt 
von  den  chemischen  und  Temperaturänderungen  des  Mediums 
abhängen,  in  durchstrahlten  verdünnten  Gasen,  wenn  auch 
immer  noch  äußerst  klein,  so  doch  in  ihren  Wirkungen  sehr 
merklich,  obwohl  die  Gase  im  normalen  Zustande  keine 
Leitfähigkeit  haben.  Aber  auch  die  Schwingungen  der 
dielektrischen  und  diamagnetischen  Dyade  s  und  |jl,  welche 
zufolge  der  Ungleichförmigkeit  des  elektrischen  Strahlungs- 
feldes auftreten,  bewirken  einen  Teil  dies  merkwürdigen  Ver- 
haltens dieser  Strahlen.  Dichtere  Medien  können  durch  die 
Strahlung  nicht  in  ebenso  starke  chemische  und  Temperatur- 
schwingungen versetzt  werden,  der  großen  Kapazität  ihrer 
Volumseinheit  für  diese  Energien  wegen,  und  insoferne  ver- 
halten sich  hinwieder  diese  Medien  einfacher  als  die  verdünnten 
Gase. 


434  G.  Jaumann, 

Von  allen  dichten  Medien  lassen  die  Metalle  am  besten 
longitudinale  elektrische  Strahlen  hindurch,  weil  bei  diesen, 
ihrer  großen  Leitfähigkeit  wegen,  schon  geringe  chemische 
und  Temperaturschwingungen  verhältnismäßig  große  Schwin- 
gungen der  Leitfähigkeit  nach  sich  ziehen.  Diese  Strahlen  in 
dichten  Medien,  besonders  in  Metallen,  sollen  weiter  unten  in 
§  80  näher  betrachtet  werden.  Hier  beschränken  wir  uns  auf 
die  Untersuchung  des  Verhaltens  der  verdünnten  Gase. 

38.  Für  diese  nehmen  die  elektrischen  Amplituden- 
gleichungen (67, 1)  und  (67,2)  unter  Berücksichtigung  von  (73) 
die  einfache  Form  an: 

(8o-*--f-(l-x«)iiyii).Ci-*.2-^xttytt.c,-4- 

+<»i(T«o-«i+?'<o-<«)«+ 

+  ft,(«;tt-ei+ft/u«e,)itxmgiO.  (74,1) 

V  IS)  '  ro 

+«i(?eo*«»— ?'eo-0"+ 

+bi(wn't, — n/ B«  Ott  X  «0^.0.  (74,2) 

Hierin  ist  nach  (56),  (57)  und  (49): 


_        l—rs—*(s+r) 
2(l4-f«) 


wonn: 


r=+-^a^...        s=+-lp.  (77) 

2«  ^ 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  435 

39.  Zunächst  mögen  die  nach  diesen  Gleichungen  mög- 
lichen elektrischen  Longitudinalstrahlen  betrachtet  werden, 
von  welchen  gezeigt  werden  kann,  da6  sie  sämtliche  Eigen- 
schaften der  Kathodenstrahlen^  beziehungsweise  Kanal- 
strahlen haben. 

In  einem  Longitudinalstrahle  ist: 

Femer  setzen  wir  zunächst  voraus,  daß: 

dafi    also    keine    starke    statische    magnetische   Kraft 
vorbanden  ist.  Die  Gleichungen  (74)  reduzieren  sich  dann  auf: 

8o-«i+T^i^o-«itt  — 0»  (78, 1) 

^'^ito-Ci  11=3=0.  (78,2) 

40.  Die  Gleichung  (78, 2)  kann  nur  dadurch  erfüllt  werden, 

daß: 

(p'  =  0.  (79) 

Wir  wollen  zunächst  die  Bedeutung  dieser  für  Longitudinal- 
strahlen charakteristischen  Bedingung  klarlegen. 
Nach  (48,  2)  ist: 

Nach  (52, 1)  ist: 

Es  ist  also  nach  (79)  und  (57) : 

^h—ti^O.  (80) 

Dies  bedeutet,  dafi  der  den  elektrischen  Schwingungen 
gleichphasige  Anteil  des  Stromes  [-^-kt  +t)  '^o  stets  Null 

ist,  daß  also  in  Longitudinalstrahlen  kein  Strom,  auch  nicht  der 

de 
elektrische   Verschiebungsstrom   8o"ör>  ^^^  ^®^  elektrischen 

Schwingungen  gleichphasig  ist. 


436  G.  J  au  mann, 

Die  Bedingung  (79)  bestimmt  die  Dämpfung  der  Longi- 
tudinalstrahlen.  Es  ist  nach  (79)  und  (76): 

x=-^-  (81) 

rs — 1 

Setzt  man  diesen  Wert  der  Dämpfung  in  (49)  ein,  so  er- 
geben sich  die  für  die  Amplituden  der  stofflichen  Variablen 
bestimmenden  Werte: 


■^""    l—rs  '     ^  -        1 


z^s 


Die  Dämpfungskonstante  ist  nur  für  die  Strahlen  extrem 
großer  und  extrem  kleiner  Schwingungsdauer  sehr  klein  und 
wir  werden  der  Einfachheit  wegen  meist  nur  die  Eigenschaften 
dieser  zwei  extremen  Strahlehgruppen  berechnen  und  hieraus 
auf  die  Eigenschaften  der  Strahlen  mittlerer  Schwingungsdauer 
schließen.  Die  Werte  r  und  5  sind  nämlich  nach  (77)  beide  der 
Schwingungsdauer  proportional,  die  Materialkonstanten  a^  und/? 
sind  nach  §  43  und  37  groß.  Die  Dämpfung  ist  klein,  wenn  die 
Schwingungsdauer  so  groß  ist,  daß  r  und  5  weit  größer  als  1 
sind,  sie  ist  aber  auch  wieder  klein,  wenn  die  Schwingungs- 
dauer so  klein  ist,  daß  r  und  s  gegen  1  verschwinden.  Die 
Dämpfung  ist  unendlich  groß  für  jene  Schwingungsdauer,  für 
welche  r5  =  1,  und  sie  ist  sehr  bedeutend  für  die  mitüeren 
Schwingungsdauern,  für  welche  weder  1  gegen  rs  noch  rs 
gegen  1  verschwindet.  Wir  werden  die  Eigenschaften  der 
Strahlen  extremer  Schwingungsdauern  getrennt  untersuchen 
und  mit  den  Strahlen  großer  Schwingungsdauer  beginnen. 

41.  Ersetzen  wir  in  (78,1)  Cj  durch  die  gleichgerichtete 
Wellengeschwindigkeit  c,  so  ergibt  sich: 

c=^— e^-^-T^ito,  (82) 

worin : 

die  Projektion  von  c^  auf  c,  also  jene  Komponente  der  Feld- 
stärke Co  ist,  welche  in  die  Wellennormale  fällt. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  437 


Nach  (75)  und  (81)  folgt: 


^o-^-'=2ir^-  («3> 


Für  die  sehr  langsam  schwingenden  Longitu- 
dinalstrahlen  verschwindet  1  gegen  5*  und  rs.  Diese  haben 
die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 

c-^  +  ^^i^o^-f-^iV  (84) 

Hingegen  verschwindet  für  die  sehr  rasch  schwingen- 
den Longitudinalstrahlen  5*  und  rs  gegen  1,  und  diese 
haben  also  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 


c=a=  — —  a,Co.  (85) 


2 


Es  liegt  nun  nahe,  die  eine  dieser  Strahlengruppen  als 
die  Kathodenstrahlen^  die  andere  Strahlengruppe  als  die 
Kanal-  und  Anodenstrahlen  anzusehen.  Da  letztere  sich  in 
Bezug  auf  das  elektrostatische  Feld  t^  in  umgekehrter  Richtung 
fortpflanzen  als  erstere,  so  muß  a^  und  p  gleiches  Vorzeichen 
haben. 

Die  Grenze  zwischen  Kathodenstrahlen  einerseits  und 
Kanalstrahlen,  beziehungsweise  Anodenstrahlen  andrerseits 
liegt  bei  der  durch 

2iü« 


rs  :=:  \     oder     t 


2  — 


pa^ 


bestimmten  Schwingungsdauer.  Die  Longitudinalstrahlen  dieser 
Schwingungsdauer  haben  unendliche  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit und  unendliche  Dämpfung  x  pro  Wellenlänge,  aber 
immer  noch  endliche  Dämpfung  pro  Längeneinheit.  Die  auf 
beiden  Seiten  benachbarten  Strahlen  mittlerer  Schwingungs- 
dauer haben  also  sehr  große  Fortpflanzungsgeschwindigkeit, 
aber  mäßige  Dämpfung  pro  Längeneinheit. 


438  G.  Jaumana, 

8.  Fortpflanzung,  Dämpfung  und  Lumineszenz  der 

Katbodenstrahlen. 

42.  Die  Kathodenstrahlen  haben  viel  größere  Schwingungs- 
dauer als  das  Licht.  Meine  Interferenzversuche  ^  wurden  aus- 
geführt mit  Kathodenstrahlen,  welche  durch  langsame  Oszilla- 
tionen in  verzweigten  Drahtsystemen  angeregt  wurden  und  die 
Schwingungsdauer  10~®  bis  10~^  Sekunden  hatten.  Ihre  Wellen- 
länge betrug  einige  Zentimeter. 

Die  nach  Lenard  durch  ultraviolettes  Licht  oder  nach 
Wehnelt  durch  glühendes  Bariumoxyd  angeregten  Kathoden- 
strahlen müssen  ebenfalls  weit  größere  Schwingungsdauer  als 
das  Licht  haben.  Diese  Anregung  ist  keineswegs  ein  rein 
elektromagnetischer  Vorgang,  wie  die  Anregung  durch  der 
Kathode  zugeleitete  Drahtwellen,  welche  tatsächlich  einfach 
die  elektromagnetischen  Grenzbedingungen  für  das  Auftreten 
der  longitudinalen  elektrischen  Strahlen  liefern.  Wahrscheinlich 
regt  das  ultraviolette  Licht  oder  die  Glut  eine  sehr  langsame 
(chemische)  Schwingung  in  dem  Kathodenmaterial  an,  welche 
ihrerseits  die  Kathodenstrahlen  direkt  anregt,  aber  auch  das 
Fluoreszenzlicht,  beziehungsweise  Glutlicht  exzitiert,  welches 
die  Kathode  gleichzeitig  aussendet  und  dessen  Exzitations- 
periode  tatsächlich  weit  größer  ist  als  die  Schwingungsdauer 
des  Lichtes.* 

43.  Die  Konstante  a^  ist  im  hohen  Vakuum  sehr  groß,  bei 
mäßiger  Verdünnung  aber  weit  kleiner.  Man  erkennt  dies 
daraus,  daß  in  hohem  Vakuum  ungleichförmige  elektro- 
statische Felder  sehr  wohl  bestehen  können,  wenn  auch  ein 
eigentümlicher  Einfluß  magnetischer  Felder  auf  diesen  Ruhe- 
zustand bemerkt  worden  ist  und  auch  die  schließlich  eintretende 
Entladung  diesem  Ruhezustand  ein  Ende  macht.  Während  des- 
selben ist  das  Vakuum  nicht  merklich  elektrisch  doppel- 
brechend,   also    kann    s    nicht   weit    von   dem   Ruhewert  s^ 


1  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CVII  (1898),  im  Auszuge  mitgeteilt  Wied.  Ann., 
Bd.  67,  p.  741. 

3  Zur  Kenntnis  des  Ablaufes  der  Lichtemission;  diese  Sitzungsber., 
Bd.  cm  (1894).  Wied.  Ann.,  Bd.  53,  p.  832. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  439 

abweichen,  woraus  nach  (E),  §  29,  folgt,  daß  a^  sehr  groß  sein 
muß.  Es  gibt  aber  allerdings  einen  mäßigen  Verdünnungsgrad, 
bei  welchem  statische  ungleichförmige  Felder  wenig 
beständig  sind,  was  man  am  besten  an  der  Selbststreckung 
der  Kathodenstrahlen  (vergl.  §  6)  erkennt.  In  wenig  verdünnten 
Gasen  können  sich  also  auch  Ladungen  nicht  halten.  So  muß 
sich  aber  nach  (E)  ein  Medium  verhalten,  in  welchem  a^  sehr 
klein  ist  und  doch  e  nicht  viel  von  e^  abweichen  kann.  In 
höherem  Vakuum  ist  aber  a^  sehr  groß  und  da  die  Schwin- 
gungsdauer t  der  Kathodenstrahlen  nicht  übermäßig  klein  ist, 
so  ist  anzunehmen,  daß  r  eine  sehr  große  Zahl  ist. 

Die  Dämpfung  der  Kathodenstrahlen  ist  nach  (81),  da 
wir  1  gegen  rs  vernachlässigen  dürfen: 

1  1  27C   /    1  \\ 

r        s  X    \a^       2p  I 

Die  Dämpfung  hängt  also  von  der  Natur  des  Gases,  ins- 
besondere von  dem  Verdünnungsgrade  ab.  Ferner  ist  die 
Dämpfung  der  Schwingungsdauer  verkehrt  proportional.  Ich 
halte  es  für  sicherstehend,  daß  die  Kathodenstrahlen,  welche 
sich  in  einem  starken  elektrostatischen  Felde  c^  fortpflanzen, 
während  des  Fortschreitens  fortwährend  an  Energiegehalt 
zunehmen.  Sie  treten  mit  vielleicht  sehr  geringer  Amplitude  c^ 
aus  der  Kathode  aus,  werden  aber,  indem  sie  das  Kathoden- 
gefalle durchlaufen,  immer  intensiver  und  treten  mit  größerer 
Amplitude  aus  dem  Kathodengefälle  in  das  schwache  kathoden- 
ferne Feld,  als  sie  beim  Austritt  aus  der  Kathode  hatten.  Da 
also  ihre  Amplitude  in  ihrer  Fortpflanzungsrichtung  nicht  ab- 
nimmt, sondern  vielmehr  zunimmt,  so  muß  ihre  Dämpfungs- 
konstante negativ  sein.  Es  muß  also  angenommen  werden, 
daß  a^  und  p,  welche  nach  §  41  gleiches  Vorzeichen  haben 
müssen,  beide  negativ  sind. 

Die  Emission  eines  Strahles  ist  der  zur  Absorption  ent- 
gegengesetzte Vorgang.  Sind  Strahlen  irgend  welcher  Art  ein- 
mal ausgesendet  und  pflanzen  sich  im  indifferenten  Medium 
fort,  so  sind  sie  selbstverständlich  positiv  gedämpft,  sie  werden 
allmählich  absorbiert.  Innerhalb  des  emittierenden  Mediums 
dürften   sie   im  Gegenteile   negativ   gedämpft,   d.  i.  mit  stets 

Sitzb.  <J.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  29 


440  G.  Jaumann, 

zunehmender  Amplitude  verlaufen  und  hiebei  die  Energie,  die 
sie  dann  zufolge  ihrer  Aussendung  dem  emittierenden  Körper 
entführen,  während  ihres  kurzen  Laufes  innerhalb  dieses 
Körpers  aufsammeln. 

Jedenfalls  befinden  sich  die  Kathodenstrahlen  nach  meiner 
Theorie  innerhalb  des  Kathodengefalles  in  diesem  Zustande 
der  Emission  oder  negativen  Dämpfung.  Im  sehr  schwachen 
elektrischen  Felde,  für  welches  unsere  Rechnung  nicht  gilt, 
sind  sie  aber  selbstverständlich  positiv  gedämpft. 

44.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  c  der  Kathoden- 
strahlen ist  nach  (84): 

Diese  Strahlen  pflanzen  sich  erfahrungsgemäß  nur  in 
spitzem  Winkel  zu  der  negativen  elektrostatischen  Feld- 
stärke fort.  Sie  müssen  aber  nicht  gerade  von  der  Kathode  aus- 
gehen, sondern  können  auch  von  der  Glaswand,  welche  der 
Anode  gegenüberliegt,  zu  dieser  gehen,  wenn  die  exzitierenden 
elektrischen  Schwingungen  heftig  genug  sind.^ 

Die  charakteristische,  vom  Felde  abhängige  Fortpflan- 
zungsart  der  Kathodenstrahlen,  welcher  sie  auch  ihren  Namen 
verdanken,  wird  durch  (87)  richtig  dargestellt.  Die  Wellen- 
geschwindigkeit c  der  Longitudinalstrahlen  meiner  Theorie 
hängt  von  der  ersten  Potenz  der  Feldstärke  Cq  ab,  kehrt 
sich  also  um,  wenn  diese  umgekehrt  wird.  Da  beobachtungs- 
gemäß  die  Projektion  Cq  der  Feldstärke  auf  die  Fortpflanzungs- 
richtung c  entgegengesetzte  Richtung  hat  wie  diese,  muß  nach 
(87)  a^  eine  negative  Konstante  sein. 

Nach  jeder  einen  stumpfen  Winkel  mit  Cq  bildenden  Richtung 
pflanzen  sich  die  Kathodenstrahlen  als  reine  elektrische 
Longitudinalstrahlen  fort,  die  elektrischen  und  magnetischen 
Transversalschwingungen,  welche  die  elektrischen  Longitu- 
dinalschwingungen  begleiten,  sind  von  höherer  Ordnung  als 
diese  klein  gegen  die  statische  Feldstärke. 


1  Wied.  Ann.,  Bd.  C4,  p.  277. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern. 


441 


45.  Die  blaue  Lumineszenz  der  verdünnten  Luft 
scheint  mir  ein  wichtiges  Kriterium  der  Amplitude  der  Schwin- 
gungen der  stofflichen  Variablen  in  dem  Kathodenstrahle  zu 
sein.  Als  Ursache  der  blauen  Lumineszenz  möchte  ich  die 
chemischen  Schwingungen  bezeichnen,  welche  nach  §  5  die 
elektrischen  Schwingungen  des  Strahles  begleiten  und  welche 
das  viel  rascher  schwingende  blaue  Lumineszenzlicht  ex- 
zitieren. 

Ein  Maß  dieser  chemischen  Schwingungen  sind  die 
Schwingungen  der  Leitfähigkeit  y,  vorausgesetzt,  daß  keine 
starken  Temperaturschwingungen  in  dem  Strahle  vorkommen. 
Die  Stärke  des  blauen  Lumineszenzlichtes,  welches 
den  Weg  des  Strahles  erkennen  läßt,  ist  also  gleich- 
zeitig ein  Maß  für  die  Amplitude  der  Schwingungen 
der  Leitfähigkeit  in  demselben. 

Hiedurch  lassen  sich  die  ganz  bestimmten  Angaben  meiner 
Theorie  über  die  Abhängigkeit  dieser  Amplitude  von  der  Feld- 
stärke, den  Verdünnungsgrad  und  der  Schwingungsdauer  kon- 
trollieren. 

Diese  Amplituden  sind  nach  (52),  (49)  und  (81),  (82)  all- 
gemein für  elektrische  Longitudinalstrahlen: 


^  JL        260/7     1 


1+5'    to 


T2 


j^  ^  '^hPS    1 


1+5«     Cn     '^^ 


sr — 1         ^ 


sr — 1         ^ 


(88) 


also  speziell  für  Kathodenstrahlen,  d.  i.  für  Longitudinalstrahlen 
großer  Schwingungsdauer: 


g         2so7cg    1 

^  P         h 


9  2eoic      1 


2eo7c2aj 

z^a^ 

2eq%P 

ta. 


nj<i. 


«je,. 


(89) 


Diese  Amplituden  und  damit  die  blaue  Lumineszenz 
wachsen  natürlich  mit  der  elektrischen  Amplitude  c^  und  schon 
aus   diesem   Grunde   wird   die   blaue   Lumineszenz   nicht   in 


29* 


442  G.  Jaumann, 

unmittelbarer  Nähe  der  Kathode  am  stärksten  sein,  sondern  mit 
der  Entfernung  von  der  Kathode  zunehmen,  so  lange  der  Strahl 
negativ  gedämpft  ist  und  erst  im  schwachen,  kathodenfernen 
Felde,  wo  der  Strahl  positiv  gedämpft  ist,  wieder  abnehmen. 
Hiezu  kommt  aber  noch,  daß  die  Amplitude  der  Schwingungen 
der  Leitfähigkeit  der  Feldstärke  c^  verkehrt  proportional  ist, 
so  daß  deshalb  in  der  Nähe  der  Kathode,  wo  die  Feldstärke 
größer  ist,  die  blaue  Lumineszenz  umso  geringer  sein  wird. 
Die  Lumineszenz  wird  in  mäßiger  Entfernung  von  der  Kathode 
ein  Maximum  erreichen  und  im  weiteren  Verlaufe  des  Strahles 
wieder  abnehmen,  wie  dies  tatsächlich,  insbesondere  bei 
mäßiger  Verdünnung  stets  zu  beobachten  ist.  Die  Ausbildung 
des  scharf  gegen  das  blaue  Kathodenlicht  begrenzten 
Kathodendunkelraumes  wird  in  §  53  und  §  54  erklärt  werden. 

Da  die  Feldstärke  sowie  das  Entladungspotential  bei 
mäßiger  Verdünnung  viel  kleiner  ist,  so  wird  die  blaue 
Lumineszenz  der  Kathodenstrahlen  bei  gleicher  Amplitude  bei 
mäßiger  Verdünnung  sehr  stark,  im  hohen  Vakuum  aber  sehr 
gering  sein,  wie  dies  ebenfalls  den  Tatsachen  völlig  ent- 
spricht. 

Cet.  par.  lumineszieren  die  Kathodenstrahlen  großer  Wellen- 
länge schwächer  als  die  rascher  schwingenden  Strahlen. 

Über  die  Fortpflanzung  elektrischer  Longitudinalstrahlen 
im  unelektrischen  Felde  vergleiche  §  50.  Nach  der  nicht- 
linearen  Form  der  für  diesen  allgemeineren  Fall  geltenden 
Gleichungen  muß  man  schließen,  daß  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit dieser  Strahlen  nicht  allein  durch  Material- 
konstante des  Mediums  bestimmt  wird,  sondern  von  den  Ampli- 
tuden der  Variablen  des  Strahles  abhängt.  Nach  §  35  bestimmt 
aber  jedenfalls  das  Verhältnis  der  Amplituden  s^  und  c^ 
oder  7i  und  tj  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Strahles. 

Trifft  ein  in  einem  starken  elektrostatischen  Felde  fort- 
schreitender Kathodenstrahl  ein  Lenard'sches  Fenster,  d.  i.  eine 
dünne  Platinfolie,  welche  das  starke  Feld  von  einem  unelek- 
trischen Felde  trennt,  so  müssen,  wenn  man  von  der  Reflexion 
des  Strahles  oder  von  dem  Fenster  ausgehenden  sekundären 
Strahlen  absieht,  die  Amplituden  des  durch  das  Fenster  tretenden 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  443 

Strahles  fast  genau  dieselben  Werte  haben  wie  die  Amplituden 
des  einfallenden  Strahles. 

Es  hat  also  der  durch  das  Fenster  ausgetretene  Strahl  in 
seinem  weiteren  Verlauf  in  dem  unelektrischen  Felde  jene  Ge- 
schwindigkeit, welche  der  einfallende  Strahl  in  dem  starken 
Felde  hatte  und  welche  der  Feldstärke  dieses  Feldes  pro- 
portional ist.  Hieraus  erklären  sich  auch  die  Versuche  von 
Des  Coudres  und  Lenard,  nach  welchem  durch  eine  longi- 
tudinale  elektrostatische  Kraft  dem  Kathodenstrahl  eine  höhere 
Geschwindigkeit  erteilt  wird. 

Auch  durch  die  scharfe  Trennungsschicht,  welche  das 
starke  Kathodengefälle  von  dem  oft  fast  unelektrischen  ka- 
thodenfernen Felde  trennt,  tritt  also,  wenn  man  von  sekundären, 
von  der  Grenzschicht  ausgehenden  Strahlungen  absieht,  der 
Strahl  ohne  Geschwindigkeitsänderung,  verläuft  also  im  ganzen 
kathodenfernen  Felde  ungefähr  mit  jener  Geschwindigkeit, 
welche  er  im  Kathodengefälle  hatte. 


9.  Energieinhalt  und  mechanische  Wirkungen  der  Kathoden- 
strahlen. 

46.  Wenn  in  einem  statischen  Felde  von  der  endlichen 
Stärke  e^  zufolge  einer  schwachen  Strahlung  die  kleinen  Ände- 
rungen: 

e— to'S^e',        8— So=ä=s' 

der  Feldvariablen  auftreten,  so  erfahrt  der  Energie  inhalt  E  der 
Volumseinheit  Änderungen,  welche  von  derselben  Größenord- 
nung klein  sind.  Diese  Energieänderungen  erster  Ordnung 
können  wir  aber  außer  acht  lassen,  da  uns  hauptsächlich  der 
mittlere  Energieinhalt  einer  Wellenlänge  der  Strahlen 
interessiert  und  die  Energieänderungen  erster  Ordnung  in  jeder 
geradzahligen  halben  Wellenlänge  umgekehrtes  Vorzeichen 
haben  als  in  den  ungeradzahligen,  sich  also  in  wenig  gedämpften 
Wellen  im  Mittel  völlig  aufheben. 

Der  mittlere  Energiegehalt  der  Strahlung  £,„  bestimmt  sich 
also  ausschließlich  durch  jenen  Teil  £'  der  Energieänderungen 
des  Feldes,  welcher  von  zweiter  Ordnung  klein  ist,  und  in 


444  G.  Jaumann, 

einem  Longitudinalstrahl,  der  keine  magnetischen  Schwingungen 
mitführt,  den  Wert  hat: 

E'  =  —  e'.eo-c'+eo-s'-e'.  (90) 

Beziehen    wir    uns    auf  den   Querschnitt    n-t  =  0    des 
Strahles,  so  ist: 

c'  =^ Cj  sin  a,         ^ ^z^  sin  a+Sg  cos a,         a  =  /. 

Der  mittlere  Energieinhalt  der  Strahlung  pro  Volumsein- 
heit ist: 


1    r^* 


Bei  der  Integration  ist  zu  berücksichtigen,  daß 

»2ic 

sin  acos  adaz=  0, 


f 

I       sm^aaa  rz    i 

Jo  ^0 


»2«  /»2jc 

rz    1       cos^a  Ja  r=  ic. 


Es  haben  also  die  um  eine  Viertelwellenlänge  gegen  die 
elektrischen  Schwingungen  verschobenen  Schwingungen  der 
dielektrischen  Dyade  mit  der  Amplitude  e^  überhaupt  keinen 
Einfluß  und  man  erhält: 

Em=  — Soe2-4-— Co-ei-Ci.  (91) 

4  2 

Nach  (48)  und  §  40  ist: 

Der  mittlere  Energie  inhalt  elektrischer  Longitudinalstrahlen 
ist  also: 


£„.=  -is,(l-2a.«.fo-^-^-j-)c?. 


(92) 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  445 

Da  (sr)  für  die  langsam  schwingenden  Kathodenstrahlen 
insbesondere  im  höheren  Vakuum  sehr  große  Werte  hat,  ist  s^ 
verschwindend  klein  und  es  ist  der  mittlere  Energie  inhalt  der 
Kathodenstrahlen : 

£^  =—£,€?.  (93) 

4 

47.  Mechanische  Wirkungen  der  Longitudinal- 
strahlen.  Sämtliche  ponderomoforischen  Wirkungen  im  elektro- 
magnetischen Felde  werden  auch  nach  meiner  Theorie  bestimmt 
durch  die  Maxwell'sche  Spannungsdyade  0,  welche  bei  Ab- 
wesenheit magnetischer  Kräfte  den  Wert: 

2  2 

hat.  Die  Kraft  pro  Volumseinheit,  welche  das  Medium  erfährt, 
ist  gleich  dem  derivierten  Vektor  V*9,  die  Flächenkraft,  welche 
an  einer  das  Feld  begrenzenden  Fläche  f  wirkt,  ist  gleich  0-f, 
wobei  f  stets  von  der  Oberfläche  des  die  Flächenkraft  er- 
fahrenden Körpers  nach  außen  positiv  zu  zählen  ist. 

Die  mechanischen  Wirkungen  der  Strahlen  werden  durch 
den  Mittelwert  des  variablen  Teiles  der  Spannungsdyade  be- 
stimmt, welcher  sich  wieder  ausschließlich  durch  jenen  Teil  der 
Spannungsdyade  bestimmt,  welcher  von  zweiter  Ordnung  klein 
ist  und  sich  ebenso  berechnet  wie  der  mittlere  Energie  inhalt, 
nur  daß  hier  dyadische  Produkte  der  elektrischen  Vektoren 
auftreten.  Der  Mittelwert  der  Spannungsdyade  ist  für  einen 
beliebigen  Querschnitt  eines  Longitudinalstrahles: 

+Si-Co>:ei  +  ei-ei>^Co).      (94) 

Die  mittlere  Kraft,  welche  die  Volumseinheit  des  durch- 
strahlten Mediums  erfährt,  ist  gleich  dem  derivierten  Vektor 
V«9^  der  mittleren  Spannungsdyade,  welchen  man  nach  §  34 
so  bildet,  daß  man  Ö^  mit  it  multipliziert  und  nach  tt-r  diffe- 
renziert. In  einem  ungedämpften  Longitudinalstrahl  erfährt  das 


446  G.  Jaumann, 

Medium  keine  Kraft,  in  einem  gedämpften  Strahl  erfährt  es  im 
Querschnitte  ti.r  z=  0  die  Kraft  pro  Volumseinheit: 

+2ei.Coyej— 2siCo-Ci).       (95) 

In  einem  Kathodenstrahle,  in  welchem  nach  §  46  die 
gleichphasigen  Schwingungen  von  s  verschwindend  kleine 
Amplitude  e^  haben,  erfährt  also  das  Medium  die  Kraft: 

V.e^=3=— —  eoXttC?.  (96) 

Da  die  Dämpfung  x  des  Strahles  innerhalb  des  Kathoden- 
gefälles negativ,  darüber  hinaus  aber  positiv  ist,  so  wird  das 
Medium  im  Kathodendunkelraüm  in  der  Richtung  des  Strahles 
angetrieben,  außerhalb  desselben  aber  in  der  umgekehrten 
Richtung  mit  einer  Kraft  angetrieben,  welche  die  Größenord- 
nung 10~^  bis  10-^  Dyne  pro  Kubikzentimeter  haben  mag.  Da 
aber  die  Dichte  des  verdünnten  Gases  10~^  bis  10"'^  glcm^  ist 
so  erfährt  dasselbe  Beschleunigungen  von  10~^  bis  10+*  cm/sec'. 
Jedoch  auch  die  Gegenströmung  des  verdünnten  Gases  in  dem 
kathodenfernen  Teile  des  Strahles  muß  sich  unter  Umständen 
in  bedeutender  Stärke  etablieren.  In  der  Tat  kann  man  in  einem 
Kathodenstrahl,  welcher  die  bestrahlte  Glaswand  hinreichend 
erhitzt,  spektroskopisch  das  Auftreten  der  Natriumlinie  nach- 
weisen, was  sich  nur  so  erklären  läßt,  daß  eine  Strömung  des 
verdünnten  Gases  von  der  bestrahlten  Glasfläche  innerhalb  des 
Kathodenstrahles  und  entgegengesetzt  zu  seiner  Fortpflanzungs- 
richtung  stattfindet. 

48.  Die  Flächenkraft,  welche  ein  Kathodenstrahl  auf 
eine  Fläche  f ,  auf  welche  er  auffällt,  ausübt,  ist: 

e„,.f  ^  — eo(Ci(f-ei)  — Cix(fxci)). 
4 

Diese  Kraft  Hegt  in  der  Einfallsebene  des  Strahles  und  ist 
dem  Quadrate  der  Amplitude  e^  proportional.  Die  erste  Kom- 
ponente der  Kraft  ist  gegeben  durch  die  Projektion  des  Flächen- 
vektors f  auf  die  Strahlrichtung,  stellt  also  einen  Zug  dar,  den 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  447 

der  Strahl  auf  die  Fläche  ausübt  und  der  auf  10""®  bis  10~®  Dyne 
pro  Quadratzentimeter  geschätzt  werden  kann.  Die  zweite  Kom- 
ponente wird  bestimmt  durch  die  negative  Projektion  des 
Flächenvektors  auf  die  Wellenebene  und  stellt  einen  Strahlungs- 
druck  dar. 

Ein  senkrecht  auf  eine  Fläche  auffallender  Kathodenstrahl 
übt  also  nicht  einen  Druck,  sondern  einen  Zug  auf  die  Fläche 
aus,  der  allerdings  unmeßbar  klein  ist.  Der  sehr  große,  von 
Crookes  entdeckte  scheinbare  Strahlungsdruck  der  Kathoden- 
strahlen beruht  bekanntlich  nicht  auf  elektromagnetischen, 
sondern  auf  radiometrischen  Wirkungen,  welche  wohl  haupt- 
sächlich auf  die  starke  Wärmewirkung  der  Strahlen  zurück- 
zuführen sind,  und  läßt  sich  nach  Stark  durch  geeignete 
Anordnung  des  Versuches  selbst  bei  starken  Kathodenstrahlen 
bis  auf  lO"^'*  Dyne  pro  Quadratzentimeter  herabsetzen.  Leider 
verhindert  diese  radiometrische  Nebenwirkung  die  Messung 
des  theoretisch  sehr  wichtigen  Strahlungszug  es.  Seine  Kon- 
statierung wäre  nicht  nur  ein  Entscheidungsexperiment  der 
Undulationstheorie  gegen  die  Emissionstheorie  der  Kathoden- 
strahlen, sondern  seine  Messung  würde  auch  die  Amplitude 
des  Strahles  und  damit  mittelbar  eine  der  Konstanten  a^d^p 
bestimmen. 

10.  Transversalschwingungen  an  der  Mantelfläche  begrenzter 

Longitudinalstrahlen. 

49.  Transversale  elektromagnetische  Strahlen  üben  be- 
kanntlich einen  Druck  auf  eine  Fläche  aus,  welche  sie  senk- 
recht treffen,  und  einen  Zug  auf  eine  Fläche,  welche  sie  streifen. 
Ein  Teil  des  zu  erwartenden  Strahlungszuges,  welchen  die 
elektrischen  Longitudinalstrahlen  bei  senkrechter  Inzidenz  aus- 
üben, könnte  auch  verdeckt  werden  durch  den  Druck,  welchen 
die  transversalen  Komponenten  der  elektrischen  und  magne- 
tischen Schwingungen,  die  an  den  Oberflächen  von  Longi- 
tudinalstrahlen begrenzten  Querschnittes  auftreten  müssen,  auf 
die  bestrahlte  Fläche  ausüben. 

Die  Kathodenstrahlen  werfen  Schatten  und  können  durch 
Diaphragmen  als  scharf  begrenzte  Strahlenbündel  treten.   In 


■ 

i 


448  G.  Jaumann, 

der  Nähe  der  Mantelfläche  dieser  Strahlen  nimmt  die  Amplitude 
der  longitudinalen  elektrischen  Schwingung  radial  nach  außen 
zu  ab.  Dort  ist  also: 

rote  4=0; 

es  ist  notwendig  ein  elektrischer  Wirbel  vorhanden,  welcher 
den  Strahl  peripher  umkreist.  Nach  der  Grundgleichung  (BJ, 
§  29,  müssen  also  dort  starke  magnetische  Kräfte  m  auftreten, 
welche  ebenso  wie  rot  c  in  peripherer  Richtung  die  Strahlachse 
umkreisen  und  mit  der  Schwingungsdauer  des  Strahles  oszil- 
lieren. Hiedurch  werden  aber  die  Verhältnisse  an  der  Strahl- 
oberfläche kompliziert  und  es  bleibt  dort  auch  die  elektrische 
Schwingung  nicht  rein  longitudinal.  Die  genauere  Berechnung 
dieser  Transversalkomponenten  habe  ich  nicht  durchgeführt. 

Viel  wichtiger  ist  es,  den  axialen  Teil  des  Longitudinal- 
strahles  genauer,  als  dies  bisher  geschehen  ist,  zu  untersuchen. 
Da  die  magnetischen  Kraftlinien  kreisförmig  die  Strahlachse 
umschließen,  ist  auch : 

rot  m  4=  0, 

d.  h.  die  Stromdichte  nicht  Null,  sondern  hat  longitudinale 
Richtung.  Mindestens  die  Ränder  des  Strahles  haben  also  die 
Eigenschaft,  eine  bestrahlte  Fläche  zu  laden  und  wieder 
zu  entladen,  was  abwechselnd  in  jeder  halben  Schwingungs- 
dauer stattfinden,  also  im  Mittel  nicht  merkbar  sein  dürfte.  Die 
Ränder  eines  abklingenden  Strahles,  d.  h.  eines  durch  eine 
gedämpfte  Schwingung  exzitierten  Strahles,  müßten  aber  eine 
auch  im  Integral  merkbare  ladende  Wirkung  haben. 

Damit  kann  man  sich  aber  nicht  begnügen,  denn  auch  der 
axiale  Teil  eines  Kathodenstrahles  hat  erfahrungsgemäß  eine 
charakteristische  ladende  Wirkung.  Nun  ist  es  aber  ganz  wohl 
möglich,  daß  auch  im  axialen  Teile  des  Strahles  diese  für  die 
Ränder  nachgewiesenen  Stromschwingungen  vorhanden  sind, 
allerdings  können  sie  höchstens  von  zweiter  Größenordnung 
klein  sein,  denn  bis  auf  Größen  dieser  Ordnung  haben  wir  die 
exakt  gültigen  Grundgleichungen  (AJ  und  (B),  §  29,  bereits 
integriert  und  keine  magnetische  Stromdichte  rotm  in  elek- 
trischen Longitudinalstrahlen  vorgefunden.  Es  würde  aber 
auch  völlig  ausreichen,  wenn  in  der  Achse  des  Strahlen  Strom- 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  449 

Schwingungen  von  dieser  Größenordnung  stattfinden,  denn  die 
ladende  Wirkung  der  Strahlen  ist  tatsächlich  (ebenso  wie  die 
Wärmewirkung  und  die  mechanischen  Wirkungen  derselben) 
von  zweiter  Ordnung  klein,  dem  Quadrate  der  Amplitude  pro- 
portional. Es  schien  mir  anfanglich  schon  als  ein  erstrebens- 
werter Erfolg  der  Theorie,  wenn  es  überhaupt  gelingen  würde» 
Stromschwingungen  in  der  Achse  der  Longitudinalstrahlen 
nachzuweisen,  denn  wenn  auch  die  ladende  Wirkung  dieser 
Stromschwingungen  auf  die  bestrahlte  Fläche  für  ungedämpfte 
Strahlen  sich  im  Mittel  wohl  aufheben  würde,  so  wäre  dann 
doch  die  ladende  Wirkung  abklingender  Kathodenstrahlen 
erklärt.  In  dieser  Hoffnung  begann  ich  die  Rechnung  und  der 
Erfolg  ging  über  alle  Erwartungen  hinaus. 

50.  Da  es  sich  um  die  Berechnung  einer  Größe  handelt, 
welche  von  zweiter  Ordnung  klein  ist,  können  wir  uns  nicht 
länger  auf  die  nur  in  erster  Annäherung  gültigen  Gleichungen 
(A!)  und  (B')y  §  32,  beziehen,  sondern  müssen  die  Integration 
der  Grundgleichungen  (A)  und  (B),  §  29,  ohne  Vernachlässi- 
gung der  Größen  zweiter  Ordnung  versuchen.  Die  allgemeine 
Integration  dieser  Gleichungen  ist  wohl  auch  erreichbar.  Sie 
sind  zwar  nicht  linear  in  den  abhängigen  Variablen,  aber  linear 
in  den  unabhängigen  Variablen  (der  Fortpflanzungsrichtung 
und  der  Zeit),  gestatten  also  die  Anwendung  der  Ampere- 
Riemann'schen  Integrationsmethode.  Insbesondere  wäre  auch 
die  nur  so  durchführbare  Berechnung  der  elektrischen 
Longitudinalstrahlen  in  unelektrischen  und  schwa- 
chen elektrischen  Feldern,  welche  offenbar  auch  möglich 
sind,  von  großem  Interesse.  Für  das  vorliegende  theoretisch 
wichtigere  und  mathemalisch  einfachere  Problem  ist  aber  die 
Durchführung  dieser  schwierigen  Rechnung  entbehrlich. 

Es  handelt  sich  nur  um  die  Integration  dieser  nicht  linearen 
Gleichungen  für  den  axialen  Teil  eines  Longitudinalstrahles 
mit  Berücksichtigung  der  Größen,  welche  von  zweiter  Ordnung 
klein  sind,  aber  unter  Vernachlässigung  der  Größen,  welche 
von  dritter  Ordnung  klein  sind. 

Zu  letzteren  gehört  aber  glücklicherweise  auch  der  magne- 
tische Vektor  nt  selbst,  obgleich  es  sich  gerade  um  die  Berech- 
nung seines  Rotors  rot  nt  handelt. 


450  G.  Jaumann, 

51.  Wir  betrachten  wie  bisher  einen  elektrischen  Longitu- 
dinalstrahl  von  endlichem  Querschnitt,  welcher  gleich- 
förmig ist,  d.  h.  dessen  elektrische  Amplitude  im  ganzen  Quer- 
schnitte mit  erster  Annäherung  konstant  und  longitudinal  ist. 
Doch  muß  diese  Amplitude  radial  nach  außen  proportional  dem 
Quadrate  des  Radius  abnehmen  um  Beträge,  welche  von  zweiter 
Ordnung  unendlich  klein  sind.  Auch  elektrische  Transversal- 
komponenten können  auftreten,  diese  werden  radiale  Richtung 
haben  und  mit  der  Entfernung  von  der  Achse  des  Strahles  zu- 
nehmen, bleiben  aber  ebenfalls  von  zweiter  Ordnung  klein.  Der 
elektrische  Wirbel,  welcher  hiedurch  gegeben  ist,  umkreist  die 
Strahlachse,  ist  der  Entfernung  von  der  Achse  gerade  pro- 
portional und  von  zweiter  Ordnung  unendlich  klein. 

Nach  der  Grundgleichung  (B)  müssen  also  in  diesem 
Strahle  magnetische  Schwingungen  m  vorhanden  sein,  welche 
diesem  elektrischen  Wirbel  rot  c  proportional  und  gleich- 
gerichtet sind,  also  wie  dieser  in  peripherer  Richtung  die  Achse 
umkreisen  und  dem  Abstände  von  derselben  gerade  proportio- 
nal sind.  Der  magnetische  Wirbel  hat  dann  longitudinale 
Richtung  und  im  ganzen  Querschnitte  konstante  Größe.  Der 
ganze  Querschnitt  des  elektrischen  Longitudinal- 
strahles  ist  also  von  longitudinalen  Stromschwin- 
gungen rotut  erfüllt,  deren  Größe  bis  auf  Größen  dritter 
Ordnung  von  der  Entfernung  von  der  Achse  unabhängig  ist. 

Es  genügt  deshalb,  diese  Slromschwingungen  in  unmittel- 
barer Nähe  der  Achse  genau  zu  berechnen.  Da  der  elektrische 
Wirbel  dem  Abstände  von  der  Achse  proportional  und  in 
größerer  Entfernung  von  derselben  immer  noch  von  zweiter 
Ordnung  klein  ist,  so  ist  er  in  unmittelbarer  Nähe  der  Achse 
von  dritter  Ordnung  unendlich  klein.  Das  gleiche  gilt  also  auch 
für  die  magnetischen  Schwingungen  m  in  dem  betrachteten, 
unendlich  dünnen,  axialen  Strahlbündel.  Alle  Glieder  der  Glei- 
chung (B)  sind  sonach  verschwindend  klein  und  diese  braucht 
also  nicht  berücksichtigt  zu  werden.  Selbstverständlich  liegt 
darin  kein  Widerspruch,  daß  in  dem  dünnen  Strahlbündel  m 
von  dritter  Ordnung  klein,  rot  vx  aber  wie  in  dem  ganzen  Strahl 
von  zweiter  Ordnung  klein  ist,  da  sich  nach  dem  Stokes*schen 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  45 1 

Satze  rot  nt  zu  m  wie  der  Umfang  zu  dem  Querschnitte  des 
unendlich  dünnen  Bündels  verhält. 

Da  in  diesem  die  elektrischen  Schwingungen  bis  auf 
Größen  dritter  Ordnung  konstant  sind,  bestimmen  sich  die 
Schwingungen  der  stofflichen  Variablen  e  und  y  nach  den 
linearen  Grundgleichungen  (C)  und  (E)  oder  (C)  und  (E')  bis 
auf  Größen  dritter  Ordnung  sowie  bisher  durch  die  Amplituden- 
gleichungen (48)  und  (52),  welche  allerdings  nur  für  gedämpfte, 
aber  nicht  abklingende  Strahlen  berechnet  wurden.  Wir  haben 
es  aber  auch  nicht  nötig,  abklingende  Strahlen  zu  betrachten. 

Es  sind  also  alle  Grundgleichungen  erfüllt  bis  auf  (A), 
welche  Gleichung  wir  auf  folgende  Form  bringen: 

[8o+8^.  — -  +  (— T-  +T)-(eo+eO=^<^o  rotilt,  (97) 

ot         ^  2    0*         ' 

worin  die  Variablen: 

d.  h.  die  Schwingungen  des  elektrischen  Vektors,  der  dielek- 
trischen Dyade  und  der  Leitfähigkeit  bekannt  sind. 

Aus  dieser  Gleichung  bestimmt  sich  also  die  gesuchte 
Stromdichte  rot  m,  womit  das  Problem  gelöst  ist,  weil  die  so 
für  das  unendlich  dünne  axiale  Strahlbündel  berechnete  Strom- 
dichte in  dem  ganzen  endlichen  Querschnitte  des  elektrischen 
Longitudinalslrahles  denselben  Wert  hat. 

11.  Ladende  Wirkung  der  elektrischen  Longitudinalstrahlen. 

52.  Aus  Gleichung  (97)  ersieht  man,  daß,  wenn  sich  nicht 
etwa  die  Glieder  zweiter  Ordnung  auf  der  linken  Seite  bei  der 
Mittelbildung  ganz  wegheben,  auch  ein  konstanter,  nicht  ab- 
klingender, ja  sogar  ein  ungedämpfter  Longitudinalstrahl 
ladende  Wirkung  haben  muß. 

Wenn  wir  unser  durch  (46),  (48)  und  (52)  bestimmtes 
Integral  in  Gleichung  (97)  einsetzen,  so  heben  sich  die  Glieder 
erster  Ordnung  weg  und  es  bleibt: 

r  rot  m ^ s'.  —  +  f—  —  4-t)  -e'.  (98) 


452  G.  Jaumann, 


Hierin  ist  für  den  Querschnitt  n-r  =  0; 

e'  =^  Ci  sin  a, 

e'  ^  Sj  sin  an-Sg  cos  a,      a  =  — ^  / 
7  =^  Yi  sin  a+T2  cos  a. 

Setzt  man  dies  in  (98)  ein,  so  ergibt  sich: 
c^rotm=^(^e2+  — Tj-e,4-(-^Si  +  — TJ-CiSin2a+ 


+  [-—h Ti)*«i  cos2oL     (99) 

\  2t  2      ' 


Die  longitudinale  Stromdichte  rotm  führt  also  Schwin- 
gungen von  der  doppelten  Schwingungsdauer  als  die 
übrigen  Variablen  des  Strahles  aus.  Diese  Stromschwingungen 
sind  aber  unwichtig,  da  sie  wechselnde  Ladungen,  also  im 
Integral  keine  Ladung  bewirken. 

Außer  diesen  Schwingungen  hat  die  Stromdichte  rotut  in 
einem  elektrischen  Longitudinalstrahl  noch  den  von  der  Zeit 
unabhängigen  Anteil  £: 

Ein  elektrischer  Longitudinalstrahl  wird  also 
notwendig  von  einem  konstanten  Strome  begleitet 
und  hat  deshalb  entsprechende  ladende  Wirkung. 
Die  Stromdichte  hat  unabhängig  vom  Abstände  von  der  Achse 
des  Strahles  in  dessen  endlichem  Querschnitte  nach  §51  überall 
denselben  Wert,  vorausgesetzt,  daß  auch  die  elektrische  Ampli- 
tude desselben  im  ganzen  Querschnitte  konstant  ist. 

Der  Strahl  geht  von  der  strahlenden  Fläche  bis  zu  der 
bestrahlten  Fläche  und  ebenso  der  den  Strahl  begleitende 
magnetische  Wirbel.  Dieser  muß  aber  bekanntlich  aus  geo- 
metrischen Gründen  geschlossen  sein,  der  den  Strahl  begleitende 
Strom  muß  also  durch  gewöhnliche  Leitungs-  oder  Verschie- 
bungsströme  geschlossen   sein,   welche    von   der   bestrahlten 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  453 

Fläche  zur  strahlenden  Fläche  meist  weit  außerhalb  des  Strahl- 
weges zurückführen.  Die  beiden  Flächen  werden  also  entweder 
durch  den  Longitudinalstrahl  entgegengesetzt  geladen  und 
ihre  Ladung  nimmt  proportional  der  Zeit  zu,  oder  wenn  sie 
teilweise  leitend  verbunden  sind,  so  tritt  in  dem  Schließungs- 
draht der  entsprechende  Leitungsstrom  auf. 
Nach  (80)  ist  aber: 

so  daß  sich  das  Gesetz  des  Ladungsstromes,  welcher  alle  elek- 
trischen Longitudinalstrahlen  begleitet,  auch  in  der  einfacheren 
Form  darstellen  läßt: 

2i^e,.e,i7i-er  (101) 

Jener  Teil  des  Verschiebungsstromes,  welcher  her- 
rührt von  den  elektrischen  Schwingungen  c^  und  den  ym  eine 
Viertelwellenlänge  verschobenen  Schwingungen  der  dielek- 
trischen Dyade,  welche  die  Amplitude  e,  haben,  hat  in  aufein- 
anderfolgenden halben  Wellenlängen,  da  er  das  Produkt 
zweier  gleichphasiger  Schwingungen  ist,  gleiches  Vorzeichen, 

er  hat   den   maximalen   Wert  ^2'^v   ^^^o  den  Mittelwert 

—  ßa-tj.    Dieser    Verschiebungsstrom    bestimmt    also 

den  ganzen  Ladungsstrom,  welcher  den  Kathodenstrahl 
begleitet.   Derselbe  ist  übrigens  nach  (101)  gerade  doppelt  so 

groß  als  der  Mittelwert  des  Leitungsstromes  -;^Ti*^i- 

Nach  (88)  erhält  man  für  allgemeine  Longitudinalstrahlen: 

g  j^  hP^.  c?  n  =^  —  f-^  4- 1\  (102) 

1— sr    ^  1-4-52     Co    ^ 

und  nach  (89)  speziell  für  Kathodenstrahlen: 

£^-— i^l-c^tt^-— ''^— e2.  (103) 

x-a^  -z^p       Co 


454  G.  Jaumann, 

Der  Ladungsstrom  der  Kathodenstrahlen  hat 
also  die  gleiche  Richtung  wie  die  elektrostatische 
Feldstärke  t^  und  somit  die  entgegengesetzte  Rich- 
tung wie  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Strahles.  Jene  Fläche,  auf  welche  der  Strahl  auffällt, 
wird  negativ  geladen. 

Ferner  ist  derselbe  desto  größer,  je  kleiner  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit dieser  Strahlen  ist,  übrigens  dem 
Quadrate  der  Amplitude  e^  der  elektrischen  Schwingungen  pro- 
portional -und  bei  Kathodenstrahlen  kleiner  Wellenlänge  aus- 
giebiger als  bei  langsamer  schwingenden  Kathodenstrahlen. 

Dies  ist  ein  großer  Erfolg  der  Undulationstheorie  der 
Kathodenstrahlen.  Gerade  die  ladende  Wirkung  der  Kathoden- 
strahlen schien  vielen  Physikern  zu  Gunsten  der  Elektronen- 
theorie zu  entscheiden.  W.  Wien  sagt  1897:^  »Wenn  die 
Kathodenstrahlen  Vorgänge  im  Äther  sind,  können  sie  keine 
Ladung  erzeugen,  denn  welcher  Art  man  sich  diese  Zustände 
auch  denken  möge,  so  haben  wir  doch  an  der  allgemeinen  An- 
schauung festzuhalten,  daß  das  elektrische  Quantum  nur  in 
Verbindung  mit  einem  ponderablen  Träger  vorkommen  kann 
und  daß  es  nicht  durch  Vorgänge  im  Äther  erzeugt  oder  ver- 
nichtet werden  kann«.  Was  hier  als  nach  der  allgemeinen 
Anschauung  undenkbar  bezeichnet  ist,  hat  meine  Theorie 
geleistet. 

53.  Das  Kathodengefälle.  Da  wir  nun  die  ladende 
Wirkung  der  Kathodenstrahlen  kennen,  so  kann  versucht 
werden,  die  Ausbildung  des  starken  Potentialgefälles  an  der 
Kathode,  welches  doch  nur  eine  Folge  der  ladenden  Wirkung 
der  Kathodenstrahlen  sein  kann,  zu  berechnen. 

Wenn  die  Kathode  negativ  geladen  ist,  ohne  daß  noch 
durch  zugeleitete  Drahtwellen  Kathodenstrahlen  angeregt 
werden,  so  ist  ihr  statisches  Feld,  weil  die  Kraftlinien  desselben 
meist  ein  wenig  divergieren  werden,  in  der  Nähe  der  Kathode 
ein  wenig  stärker  als  in  größerer  Entfernung  von  derselben. 
Wenn  man  nun  Kathodenstrahlen  anregt,  so  verlaufen  die- 
selben in  der  Nähe  der  Kathode  in  einem  etwas  stärkeren  Feld 


1  Verhandl.  d.  phys.  Ges.  zu  Berlin,  1897,  p.  165. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  455 

und  führen  also  nach  (103)  einen  schwächeren  Ladungs- 
strom mit  sich.  In  größerer  Entfernung  von  der  Kathode  finden 
sie  ein  schwächeres  Feld  und  flihren  deshalb  einen  stärkeren 
Ladungsstrom  mit  sich. 

Dieser  Unterschied  des  Kathodenraumes  und  des  kathoden- 
fernen Feldes  wird  anfänglich  sehr  klein  sein,  aber  er  muß  sich 
mit  Notwendigkeit  bei  längerer  Dauer  der  Strahlung  bis  ins 
Extreme  verstärken. 

Der  Ladungsstrom  hat  negative  Richtung,  d.  h.  er  trans- 
portiert in  der  Strahlrichtung  negative  Ladung.  Da  er  in  der 
Nähe  der  Kathode  etwas  schwächer  ist  als  in  größerer  Ent- 
fernung, so  muß  sich  die  mittlere  Schicht  des  Mediums  positiv 
laden.  Dies  verstärkt  aber  den  Unterschied  der  statischen  Feld- 
stärke Co  vor  und  hinter  der  positiven  Schicht.  Im  Kathoden- 
raum entsteht  ein  stärkeres  Potentialgefälle,  im  kathodenfernen 
Feld  ein  schwächeres  Potentialgefälle.  Damit  wird  der  Ladungs- 
strom im  Kathodenraume  noch  schwächer,  im  kathodenfernen 
Strahle  noch  stärker,  so  daß  sich  die  positive  Mittelschicht 
rasch  weiter  ladet,  was  den  Unterschied  stets  weiter  verstärkt. 

Eine  Grenze  wird  diesem  Prozesse  bei  andauernder  Strah- 
lung erst  gesetzt,  wenn  die  positive  Mittelschicht  so  stark 
geladen  ist,  daß  zufolge  mangelhafter  Isolation  derselben  sich 
Leitungs-  oder  Entladungsströme  ausbilden,  welche  der  auf- 
ladenden Wirkung  der  Kathodenstrahlen  schließlich  stationär 
das  Gleichgewicht  halten.  Kommt  diese  sekundäre  Ableitung 
nicht  in  Betracht,  so  erreicht  dieser  Prozeß  erst  ein  Ende,  wenn 
die  Feldstärke  in  dem  kathodenfernen  Felde  so  sehr  gesunken 
ist,  daß  sie  nicht  mehr  gegen  die  Amplitude  e^  des  Kathoden- 
strahles sehr  groß  ist.  Dann  gelten  die  Voraussetzungen 
unserer  Rechnung  nicht  mehr.  Der  Kathodenstrahl  tntt  dann 
beim  Passieren  der  positiv  geladenen,  scharf  entwickelten 
Grenzschicht  plötzlich  aus  einem  starken  elektrostatischen 
Feld  in  ein  sehr  schwaches  oder  ganz  unelektrisches  Feld. 
Dieser  Fall  wurde  in  §  46  erörtert.  Der  Strahl  tritt  ohne  große 
Geschwindigkeitsänderung  und  ohne  Änderung  seiner  Ampli- 
tuden Yj  und  Cj,  oder  doch  ohne  Änderung  seines  mitgeführten 
Ladungsstromes  Yi  •  t^  durch  die  Grenzschicht,  ohne  sie  weiter- 
hin beträchtlich  aufzuladen  oder  zu  erwärmen. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CX\1.  Bd.,  Abt.  IIa.  30 


456  G.  Jaumann, 

Das  starke  Potentialgefalle  im  Kathodenraum  und  das  sich 
unmittelbar  anschließende  sehr  schwache  Potentialgefalle  im 
kathodenfemen  Felde,  welche  sonach  befriedigend  erklärt  sind, 
bilden  einen  verläßlichen  Beweis,  daß  die  ladende  Wirkung  der 
Kathodenstrahlen,  so  wie  es  Gleichung  (103)  verlangt,  desto 
stärker  ist,  je  schwächer  das  elektrostatische  Feld  ist,  voraus- 
gesetzt, daß  letzteres  immer  noch  viel  größer  ist  als  die  Ampli- 
tude Cj  des  Strahles. 

54.  Der  Kathodendunkelraum.  Nach  §  45  muß  die 
Lumineszenz  des  durchstrahlten  Gases  desto  stärker  sein,  je 
größer  die  Schwingungen  der  Leitfähigkeit  cet.  par.  sind,  denn 
aus  der  Größe  dieser  Schwingungen  kann  man  auf  die  Größe 
der  sie  verursachenden  chemischen  Schwingungen  schließen, 
welche  das  blaue  Lumineszenzlicht  exzitieren. 

Beide  Amplituden  f^  und  y^  der  Schwingungen  der  Leit- 
fähigkeit Y  sind  aber  nach  (89)  der  Feldstärke  verkehrt 
proportional. 

In  demselben  Kathodenstrahl  (also  bei  gegebener  Ampli- 
tude Ci  und  Schwingungsdauer)  wird  also  die  blaue  Lumines- 
zenz sehr  verschieden  sein  je  nach  der  Stärke  des  elektro- 
statischen Feldes,  welches  er  durchstrahlt.  In  dem  Kathoden- 
raume  wird  der  Strahl  der  bedeutenden  Stärke  des  Feldes  Cq, 
d.  i.  des  Potentialgefälles  wegen  nur  sehr  wenig  lumineszieren, 
der  Kathodenraum  bleibt  dunkel,  obgleich  er  offenbar 
ebenso  intensiv  durchstrahlt  ist  als  das  kathodenferne  Feld. 

Beim  Passieren  der  scharf  entwickelten,  positiv  geladenen 
Grenzschicht  kommt  der  Strahl  plötzlich  in  das  schwache 
kathodenferne  Feld,  muß  also  plötzlich  von  da  ab  stark  blau 
lumineszieren.  Hiemit  ist  erklärt,  daß  sich  das  blaue  Kathoden- 
licht auf  das  kathodenferne  Feld  beschränkt  und  scharf  von 
dem  Kathodendunkelraum,  welcher  gleichzeitig  der  Raum  des 
starken  Kathodengefälles  ist,  getrennt  ist. 

12.  Energieflufi,  Strahlrichtung  und  Wärmewirkung  der 

Longitudinalstrahlen. 

55.  In  elektrischen  Longitudinalstrahlen,  deren  Amplitude 
im  ganzen  Querschnitt  einigermaßen  konstant  ist,  kommen 
keine  magnetischen  Schwingungen  vor,  welche  von  gleicher 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  457 

Größenordnung  mit  den  elektrischen  Schwingungen  wären, 
stets  vorausgesetzt,  daß  kein  starkes  magnetisches  Feld  m^ 
vorhanden  ist.  Es  ist  also  kein  Poynting'scher  Energiefluß  vor- 
handen und  der  Energiefluß  dieser  Strahlen  ist  ausschließlich 
durch  jenen  Teil  des  elektromagnetischen  Energieflusses 
bestimmt,  welchen  wir  in  §  11  als  Wärmestrom  bezeichnet 
haben,  dessen  Divergenz  aber  nur  in  kalten  Metallen  stets 
Wärmeproduktion,  in  chemisch  leicht  veränderlichen  Medien 
aber  auch  chemische  Energieänderungen  bestimmt. 

Die  Größe  des  Energiefiusses  wird  durch  Gleichung  (8), 
§11,  bestimmt.  Der  mittlere  Energiefluß  ^m  der  Longitudinal- 
strahlen  ist: 

»m^E„,t^—Botit  (104) 

4 


oder 


8„  =  -Li<>^ef?o.  (105) 

4  "4 


Der  mittlere  Energiefluß  ist  gleich  der  auf  die  Zeit-  und 
Querschnittseinheit  des  Strahles  bezogenen  Wärmemenge 
(in  mechanischem  Maße),  welche  ein  bestrahlter  Körper  ge- 
winnt, so  daß  wir  auch  über  die  Wärmewirkung  der  Longi- 
tudinalstrahlen  unterrichtet  sind. 

Ober  die  Richtung  des  Energieflusses  sind  wir  aber 
hiedurch  nicht  unterrichtet  und  diese  ist  sehr  wichtig,  weil  sie 
die  Strahlrichtung  bestimmt,  die  insbesondere,  wenn  der 
Longitudinalstrahl  schief  gegen  die  elektrostatische  Feld- 
stärke Co  fortschreitet,  nicht  mit  der  longitudinalen  Richtung, 
d.  i.  die  Richtung  der  Wellennormalen  zusammenfallen  müßte. 
Dies  kann  durchaus  nicht  anders  entschieden  werden,  als 
indem  das  Nahewirkungsgesetz  aufgefunden  wird,  welches  den 
Energiefluß  unabhängig  als  Funktion  der  Feldvariablen 
bestimmt.  Dieses  Gesetz  haben  wir  in  Gleichung  (25),  §  23, 
ausgesprochen  und  wollen  es  nun  prüfen.  Dasselbe  lautet: 

V-V,ö,=^i— -(t-c).  (106) 

Ol 

30* 


458  G.  Jaumann» 

Nun  ist  durch  diese  Differentialgleichung  allerdings  der 
Energiefluß  1^1  nicht  völlig  bestimmt,  wohl  aber  sein  Mittel- 
wert d^w  im  Strahle,  auf  welchen  es  allein  ankommt.  Wir  dürfen 
deshalb  in  dieser  Gleichung  alle  Glieder  vernachlässigen,  welche 
dem  statischen  Felde  angehören,  ferner  auch  jene,  welche  von 
erster  Ordnung  unendlich  klein  sind,  weil  diese  im  Zeitintegral 
über  die  Schwingungsdauer  bei  einem  rein  periodischen  Strahle 
sich  aufheben,  endlich  vernachlässigen  wir  gleich  noch  alle 
Glieder,  welche  von  zweiter  Ordnung  unendlich  klein  sind,  aber 
sich  im  Zeitintegral  aufheben.  Dann  können  wir  setzen: 

T*^  — Ti'ti  sin^a, 
«1  ^  2»ni  sin«  a  . . .        V.  Vy«.  ^  —  ^^ «^  sin«  a. 

Der  mittlere  Energiefluß  eines  elektrischen  Lon- 
gitudinalstrahles  hat  also  den  nach  Größe  und  Richtung 
völlig  bestimmten  Wert: 

Er  ist  dem  Ladungsstrome  proportional,  welcher  nach 
(101)  gleich  Yi*ti  ist,  hängt  aber  ferner  vom  Quadrate  der  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit ab. 

Die  Wärmewirkung  der  Kathodenstrahlen,  welche  durch  i9w 
bestimmt  ist,  ist  aber  erfahrungsgemäß  einigermaßen  (mit  Ab- 
weichungen von  5  bis  157J  dem  Produkte  der  Potentialdiffe- 
renz des  Dunkelraumes  und  des  Ladungsstromes  proportional. 
Würde  dies  genau  gelten,  so  würde  daraus  folgen,  daß  die 
Wärmewirkung  der  Kathodenstrahlen  beim  Auftreffen  auf  die 
Glaswand  nicht  erkauft  wird  durch  eine  entsprechende  Ab- 
kühlung des  Kathodendunkelraumes,  sondern  durch  die  Strom- 
arbeit, also  von  außen  her,  geliefert  wird,  was  ja  an  sich  sehr 
wahrscheinlich  ist. 

Da  c«  in  Gleichung  (107)  ersetzt  werden  kann  durch  das 
Quadrat  des  Kathodengefalles,  so  würde  folgen,  daß  die  Aus- 
dehnung des  Kathodendunkelraumes  in  der  Strahlrichtung  dem 
Kathodengefälle  Cq  proportional  ist,  ein  nicht  unwahrschein- 
liches Resultat. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  459 

Nicht  unwichtig  ist,  daß  die  Gleichung  (107)  mit  der  auf 
völlig  anderem  Wege,  nämlich  aus  (8),  §  11,  bestimmten  Glei- 
chung (105)  präzise  übereinstimmt,  wenn  man  setzt: 

z=-*-^.  (108) 

Es  erfüllen  also  nur  jene  Kathodenstrahlen  die  Gleichung 
(8),  welche  eine  vom  jeweiligen  Druck  abhängende  bestimmte 
Schwingungsdauer  haben.  Diese  sind  also  wohl  zur  Strahl« 
bildung  besonders  geeignet  und  dürften  scharfe  Schatten 
werfen.  Daß  alle  Kathodenstrahlen  die  Gleichung  (8)  präzise 
erfüllen,  ist  nicht  zu  erwarten,  weil  diese  Gleichung  nur  für 
ungedämpfte  Strahlen  gilt. 

Nun  werde  ich  wohl,  ohne  einen  Einwand  fürchten  zu 
müssen,  folgenden  Satz  aufstellen  dürfen: 

Die  Strahlrichtung  dm  elektrischer  Longitudinal- 
strahlen  steht  bei  Abwesenheit  eines  starken  magne- 
tischen Feldes  oIq  auf  der  Wellenfläche  senkrecht, 
gleichgültig,  welchen  Winkel  diese  mit  der  elektro- 
statischen Feldstärke  Cq  einschließt. 

13.  Die  Kanalstrahlen  und  Anodenstrahlen. 

56.  Wir  kehren  nun  zu  den  allgemeinen  Gleichungen 
für  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  c  und  Dämpfung  x  der 
longitudinalen  elektrischen  Wellen  (§  40)  zurück.  E^  ist  nach 
(82)  und  (83): 


und  nach  (81): 


x=z-^±^.  (110) 

rs — 1 


Die  Dämpfungskonstante  %  muß,  wenn  sie  positiv  ist,  eine 
gegen  1  kleine  Zahl  sein,  wenn  die  Strahlung  als  solche  leicht 
erkennbar  sein  soll  und  nur  solche  gut  beobachtbare  Strahlen 
ziehen  wir  in  den  Kreis  unserer  Betrachtung. 


460  G.  Jaumann, 

Die  Werte  r  und  s  sind  der  Schwingungsdauer  nach  (77) 
proportional: 

*'=^^*'       ^=  T^-  ^^''> 

Die  drei  Materialkonstanten  a,,  a^  und/?,  welche  das  Ver- 
halten der  elektrischen  Longitudinalstrahlen  im  unmagnetischen 
Felde  völlig  bestimmen,  sind  nach  dem  Verhalten  der 
Kathodenstrahlen,  d.  i.  der  langsam  schwingenden  Longi- 
tudinalstrahlen (§  43,  44  und  52)  als  sehr  grofie,  durchaus 
negative  Werte  erkannt  worden. 

Außer  den  langsam  schwingenden  Kathodenstrahien 
werden  aber  auch  alle  sehr  rasch  schwingenden  Longi- 
tudinalstrahlen wenig  gedämpft,  also  leicht  beobachtbar 
sein  und  die  Eigenschaften  dieser  Strahlen  wollen  wir  nun 
berechnen. 

Für  Strahlen  hinreichend  kleiner  Schwingungs- 
dauer t  sind  r  und  5  kleine  Werte,  so  daß  wir  rs  gegen  1 
vernachlässigen  können.  Diese  Strahlen  haben  also  die  Dämp- 
fung: 

«  =  — (s-^r).  (112) 

Da  r  und  s  negative  Zahlen  sind,  so  sind  diese  Strahlen 
positiv  gedämpft,  d.  h.  ihre  Amplitude  wird  in  der  Fortpflan- 
zungsrichtung immer  kleiner,  sie  verhalten  sich  also  in  dieser 
Hinsicht  ganz  normal  wie  alle  Strahlen,  ausgenommen  die 
Kathodenstrahlen  im  Kathodengefälle. 

57.  Die  Wellengeschwindigkeit  der  rasch  schwin- 
genden Longitudinalstrahlen  ergibt  sich  nach  (109),  wenn 
wir  5*  gegen  1  vernachlässigen: 


1 


t^--a^t^,  (113) 

Da  a^  negativ  ist,  pflanzen  sich  diese  Strahlen  stets  in  der 
Richtung  der  positiven  Feldstärke  c^  oder  in  spitzem 
Winkel  zu  derselben  fort  und  müssen  deshalb  mit  den  Kanal- 
strahlen und  Anodenstrahlen  identifiziert  werden. 

Die  raschschwingenden  Longitudinalstrahlen  können  von 
der  der  Kathode  gegenüberliegenden  Glaswand   gegen   die 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  461 

Kathode  gehen  und  (wenn  diese  durchlöchert  ist)  durch  sie 
hindurch  in  das  hinter  ihr  liegende  Feld^  vorausgesetzt,  daß  in 
diesem  Felde  die  Feldstärke  dieselbe  Richtung  hat  wie  vor  der 
Kathode  oder  daß  hinter  der  Kathode  die  Feldstärke  sehr  klein 
ist.  Die  so  verlaufenden  Strahlen  wurden  von  Gold  stein  ent- 
deckt und  Kanalstrahlen  genannt. 

Diese  raschschwingenden  Longitudinalstrahlen  können 
aber  auch  von  der  Anode  zu  der  dieser  gegenüberliegenden 
Glaswand  gehen,  ebenfalls  in  der  Richtung  der  positiven  Feld- 
stärke, und  dann  nennt  man  sie  Anodenstrahlen.  Diese 
wurden  von  Gehrcke  und  Reichenheim*  in  jüngster  Zeit 
entdeckt.  Doch  hätte  ich  sicher  auch  ohne  Kenntnis  dieser 
Entdeckung  die  Möglichkeit  dieser  Strahlen  behauptet. 

58.  Die  ladende  Wirkung  der  raschschwingenden  Lon- 
gitudinalstrahlen bestimmt  sich  nach  (102)  durch: 

i^hP^itin^'-2B,p  —  ti.  (114) 

Der  Ladungsstrom  der  Kanal-  und  Anodenstrahlen 
hat  hienach  die  gleiche  Richtung  wie  ihre  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit und  wie  die  elektro- 
statische Feldstärke  t^.  Jene  Fläche,  auf  welche 
diese  Strahlen  auffallen,  wird  positiv  geladen.  Dies 
stimmt  vortrefflich  mit  den  Tatsachen. 

59.  Der  mittlere  Energieinhalt  Em  der  Kanal-  und 
Kathodenstrahlen  ist  nach  Gleichung  (92) : 

Em=  le,(H-2a,tt.eo)e2.  (115) 

4 

Nach  (113)  ist  aber: 

also  ergibt  sich  merkwürdigerweise: 

£m=— —  eoef.  (116) 

4 


^  Veiliandl.  d.  Deutschen  phys.  Ges.,  Bd.  VlII,  p.  559. 


462  G.  Jaumann, 

Der  Energieinhalt  dieser  Strahlen  ist  wesentlich 
negativ. 

Das  Energieprinzip  fordert  nach  Gleichung  (8),  §  11,  daß 

n*»^  =  E„,.  (117) 

Wenn  also  der  Energie  inhalt  eines  Strahles  negativ  ist,  so 
muß  der  Energiefluß  ^m  desselben  mit  der  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit einen  stumpfen  Winkel  einschließen.  Da 
nach  §  55  der  Energiefluß  sämtlicher  Longitudinalstrahlen 
longitudinal  ist,  so  muß  er  in  den  Kanal-  und  Anodenstrahlen 
genau  entgegengesetzt  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
sein. 

Man  kann  aber  ferner  nach  (107),  also  auf  ganz  anderem 
Wege,  den  Energiefluß  der  Kanal-  und  Anodenstrahlen  direkt 
berechnen.  Derselbe  ist  nach  (107)  für  Kathodenstrahlen  und 
somit  für  alle  Longitudinalstrahlen  von  wesentlich  entgegen- 
gesetzter Richtung  als  der  Ladungsstrom: 

2 

Nach  (1 14)  folgt  noch  ausführlicher  für  Kanal-  und  Anoden- 
strahlen: 

k 

Es  muß  also: 


2pa^ 


und  es  ergibt  sich,  daß  alle  Kanal  strahlen,  von  der  größten 
Schwingungsdauer  bis  zur  Schwingungsdauer  Null  die  Glei- 
chung (8)  oder  (117)  dem  Vorzeichen  und  der  Größe  nach 
genau  erfüllen,  so  daß  über  Vorzeichen  und  Größe  ihres 
Energieflusses  kein  Zweifel  bestehen  kann.  Am  einfachsten  ist 
es,  diesen  Schluß  auf  die  Richtung  des  Ladungsstromes  2  zu 
gründen.  Da  dieser  in  den  Kanal-  und  Anodenstrahlen  die 
Richtung  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  hat,  so  hat  der 
Energiefluß  dieser  Strahlen  wirklich  nicht  die  Richtung  des 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  463 

Strahles,  sondern  die  genau  entgegengesetzte,  was  vom  Stand- 
punkte der  Strahlungstheorie  durchaus  zulässig  ist. 

Jedoch  möchte  ich  daraus  schließen,  daß  die  Kanal-  und 
Anodenstrahlen,  soweit  sie  im  starken  elektrostatischen  Felde, 
also  in  ihrem  Emissionsraume,  verlaufen,  und  dies  ist  ja  die  Vor- 
aussetzung unserer  Rechnung,  ebenso  wie  die  Kathoden- 
strahlen im  Kathodengefälle  dem  Medium  Energie  ent- 
ziehen, welche  durch  äußere  Zufuhr  ersetzt  werden  muß.  Die 
Kathodenstrahlen  tun  dies,  obwohl  sie  positiven  Energie  Inhalt 
haben,  weil  sie  negativ  gedämpft  sind  (vergl.  §  43).  Die  Kanal- 
und  Anodenstrahlen  verhalten  sich  ebenso,  obwohl  sie  positiv 
gedämpft  sind,  weil  sie  negativen  Energieinhalt  haben. 

Daß  letzteres  wirklich  der  Fall  ist,  kann  man  sehr  anschau- 
lich machen,  wenn  man  die  mechanischen  Wirkungen  dieser 
Strahlen  betrachtet. 

60.  Die  mechanischen  Wirkungen  bestimmen  sich  nach 
§  47  durch  die  MaxwelKsche  Spannungsdyade,  welche 
geradeso  wie  die  Energie  sich  durch  ein  Produkt  des  Vektors 
€•€  mit  dem  elektrischen  Vektor  c  darstellen  läßt  (vergl.  Glei- 
chung 93).  Da  der  Energie  Inhalt  negativ  ist,  so  hat  auch  die 
Spannungsdyade  notwendig  das  umgekehrte  Vorzeichen  und 
es  müssen  also  die  mechanischen  Wirkungen  der  Kanal-  und 
Anodenstrahlen  gerade  umgekehrt  wie  jene  der  Kathoden- 
strahlen sein  und  dieses  kann  nur  dann  eintreten,  wenn  der 
Energieinhalt  negativ  ist.  Einige  dieser  mechanischen  Wir- 
kungen sind  aber  deutlich  und  rein  zu  beobachten. 

Da  in  den  rasch  schwingenden  Strahlen  e^  merklich  von 
Null  verschieden  ist,  bestimmt  sich  die  Spannungsdyade 
nach  (94)  etwas  kompliziert,  beschränken  wir  uns  aber  auf 
Kanal-  und  Anodenstrahlen,  welche  in  der  Richtung  Zq  fort- 
schreiten und  senkrecht  auf  eine  Fläche  fallen,  so  verhält  sich 
die  Kraft,  welche  sie  ausüben,  zu  jener,  welche  Kathoden- 
strahlen ausüben  würden,  wie  die  Energie inhalte  dieser 
Strahlen,  also  wie  — 3  zu  1.  Die  Kanalstrahlen  müssen  also 
einen  verhältnismäßig  großen,  aber  immer  noch  nicht  rein 
beobachtbaren  Druck  auf  die  bestrahlte  Fläche  ausüben. 

Sehr  wichtig  ist  hingegen  die  mechanische  Wirkung  auf 
das  durchstrahlte  verdünnte  Gas. 


464  G.  Jaumann, 

Die  Kraft  pro  Volumseinheit,  welche  dieses  erfährt,  ist 
nach  (95)  und  (115): 

V.8«^  — —  eo%nc2(l-h2öiit.Co). 

t 

Also  wenn  wir  z.  B.  nur  Kanal-  und  Anodenstrahlen  be- 
trachten, welche  in  der  Richtung  Cq  fortschreiten: 

Diese  Kraft  hat  also  stets  dieselbe  Richtung  wie  die 
Strahlung  und  sie  erzeugt  Beschleunigungen  des  verdünnten 
Gases,  welche  oft  größer  als  10*^w/sec^  sein  dürften.  Diese 
Strahlen  werden  also  von  heftigen  Strömen  des  ver- 
dünnten Gases  begleitet,  so  daß  mitgerissene  leuchtende 
Dämpfe  den  Dopplereffekt  zeigen. 

Die  Kanal-  und  Anodenstrahlen  erzeugen  an  sich  nach 
§  54  ebenso  wie  die  Kathodenstrahlen  eine  Lumineszenz  des 
durchstrahlten  Gases.  Die  Kanalstrahlen,  welche  von  der  Glas- 
wand gegen  die  Kathode  gehen,  sind  aber  kaum  sichtbar, 
da  auch  die  Strömung  des  verdünnten  Gases,  welche  sie  be- 
gleiten muß,  keine  leuchtenden  Salzdämpfe  führt.  Dort,  wo 
diese  aber  auf  die  Kathode  aufprallt,  wirbelt  sie  die  Natrium- 
dämpfe auf  und  es  entsteht  die  gelb  leuchtende  Schicht  an  der 
Kathode.  Hat  diese  ein  Loch,  so  dringen  nicht  nur  die  Kanal- 
strahlen hindurch,  sondern  auch  der  sie  begleitende  Gasstrom, 
welcher  jetzt  ziemlich  viel  Salzdämpfe  aufgenommen  hat,  so 
daß  das  schwach  blau  lumineszierende  Kanalstrahlenbündel 
nun  hinter  der  Kathode  eine  Strecke  weit  von  einer  mattgelben 
Flamme  begleitet  wird. 

Noch  viel  günstiger  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Anoden- 
strahlen. Gehrcke  und  Reichenheim  regen  dieselben  in  der 
Wehnelt'schen  Weise  durch  glühende  Salze  an,  mit  welchen 
die  Anode  überzogen  ist.  Diese  kräftigen  Anodenstrahlen  müssen 
von  einem  starken  Strome  des  verdünnten  Gases  begleitet  sein, 
welcher  ebenfalls  von  der  Anode  ausgeht  und  deshalb  große 
Mengen  leuchtender  Salzdämpfe  mitreißt.  Tatsächlich  be- 
schreiben die  Beobachter  die  Anodenstrahlen  als  leuchtende 


I 

I 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  465 

Fackeln,  deren  Farbe  und  Spektrum  durch  das  auf  der  Anode 
glühende  Salz  bestimmt  wird. 

14.  Elektrostatische  Ablenkung  der  Kathodenstrahlen  und 

Kanalstrahlen. 

61.  Es  wurde  in  §  55  nachgewiesen,  daß  der  Energiefluß 
der  elektrischen  Longitudinalstrahlen  longitudinal  ist,  d.  h.  auf 
der  Wellenfläche  senkrecht  ist,  vorausgesetzt,  daß  kein  magne- 
tisches Feld  nto  vorhanden  ist.  Eine  Richtungsänderung  dieses 
Energieflusses  und  damit  des  Strahles  kann  also  nur  dadurch 
zu  Stande  kommen,  daß  sich  die  Wellenfläche  dreht. 

Es  sei  f  der  Flächenvektor  eines  kleinen  Teiles  der  Wellen- 
fläche. Dieser  Vektor  hat  dieselbe  Richtung  wie  die  Wellen- 
geschwindigkeit c  in  dem  betrachteten  Punkte  des  Feldes.  Nach 
einer  kleinen  Zeit  8/  hat  sich  dieses  Stück  der  Wellenfläche  um 
die  Strecke  c8/  fortgepflanzt  und  dabei  gedreht,  so  daß  jetzt 
der  Flächenvektor  den  Wert  f-t-8f  hat,  welcher  übrigens  bis 
auf  Größen  höherer  Ordnung  sich  nur  durch  seine  Richtung 
von  dem  ursprünglichen  Werte  f  unterscheidet,  so  daß  8f  nahezu 
senkrecht  auf  f  steht.  Es  dreht  sich  auch  die  Wellengeschwindig- 
keit c  und  die  Strahlrichtung  mit  und  die  Strahlen,  welche  die 
Orthogonaltrajektorien  des  Systems  der  Wellenflächen  sind, 
werden  im  allgemeinen  gekrümmt  sein. 

Wir  haben  den  Krümmungsradius  r^  des  Strahles 
zu  berechnen,  welcher  durch  das  betrachtete  Flächenelement 
dringt.  Rechnen  wir  den  Krümmungsradius  des  Strahles  von 
dem  Krümmungsmittelpunkt  desselben  aus  positiv,  so  ist: 

—  =^  — xf— X8f).  .(118) 

h        c8/       Vf  7 

Die  Änderung  8f  der  Größe  und  Richtung  der  Fläche  f 
wird  durch  die  Verteilung  der  Geschwindigkeit  c  ihrer  Punkte 
bestimmt  Nach  einem  von  mir  aufgestellten  sehr  verwendbaren 
Integralsatze ^  ist: 

'^*  =ä=— f.Vxc 


dt 


1  Jaumann,  Grundlagen  der  Bewegungslehre.  Leipzig  1905,  p.  254.  — 
Vergl.  auch  Ann.  d.  Phys.,  Bd.  19  (1906).  p.  909. 


466  G.  Jaumann, 


und  somit: 


-^^(jX(f.V:^C))xtt.  (119) 

Hiemit  ist  der  Krümmungsradius  des  Strahles  bestimmt, 
denn  die  Verteilung  der  Wellengeschwindigkeit  c  ist  als  Funk- 
tion der  gegebenen  Feldstärke  Cq  und  der  Richtung  der  Wellen- 
fläche bekannt.   Es  ist  nach  (82)  und  (83): 

c=^*eo,  (120) 

worin: 

1+5« 

fc  -=.  a. . 

2(rs— 1) 

Diese  Beziehung  ist  allerdings  nur  abgeleitet  worden  für 
ein  gleichförmiges  Feld  Cq  und  für  ebene  Wellenflächen,  aber 
man  darf  dieses  Resultat  ebenfalls  auf  einen  Teil  eines  un- 
gleichförmigen Feldes  übertragen,  welcher  hinreichend  klein 
ist  und  für  jedes  unendlich  kleine  Flächenelement  einer  ge- 
krümmten Wellenfläche  anwenden. 

Wir  nehmen  der  Einfachheit  wegen  an,  daß  die  Wellen- 
fläche an  dem  betrachteten  Punkte  kugelförmig  gekrümmt  ist, 
und  verlegen  den  Ursprung  der  Ortsmessung  in  ihren  Krüm- 
mungsmittelpunkt, von  welchem  aus  wir  den  Ortsvektor  r 
zählen.  Der  Operator  V  wird  definiert  durch: 

V-rJ=/    oder    Vxr=^— 2/. 

Mit  Iq  haben  wir  die  Projektion  von  Cq  auf  die  Wellen- 
normale c  bezeichnet.  Da  es  nur  auf  die  Verteilung  der  Wellen- 
geschwindigkeit c  in  der  betrachteten  Wellenfläche  ankommt, 
in  dieser  aber  die  Vektoren  c  und  x  gleiche  Richtung  haben,  so 
können  wir  setzen: 

c=^*(feo)Y  (121) 

und  wir  erhalten: 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  467 

Nun  ist: 

V(t-Co)=^V.t.Co+V.eo-t=^eo-+V.eo-r 


und: 


Das  mit  dieser  linearen  Dyade  behaftete  Glied  fällt  bei  der 
nachherigen  rotorischen  Multiplikation  mit  -=-  ganz  weg.  Es  ist 
also: 

l.^k[jx  ((fX(eo+V.c,.r))  X  y)j  X  tt 

und  wenn  wir  uns  nun  auf  die  Betrachtung  eines  Punktes  der 
Wellenfläche  beschränken,  in  welcher  diese  den  Krümmungs- 
radius tj  hat,  so  können  wir  in  (121)  x^  statt  des  Ortsvektors  r 
setzen  und  erhalten  schließlich : 


(122) 


oder: 


J-  i  i  (_L  X  Co)  X  tt  +  *(c  X  (Co  j  V.tt))  X  «.         (123) 

Bei  der  Umgestaltung  des  zweiten  Gliedes  wurde  berück- 
sichtigt, daß  Co  ein  Potential  hat,  also  die  derivierte  Dyade  c^yV 
symmetrisch  ist  und  daß  c  und  x^  gleiche  Richtung  haben. 

Aus  (123)  ersieht  man,  daß  die  Krümmung  —  der  elek- 
trischen  Longitudinalstrahlen  abhängt  einerseits  von  der  Krüm- 
mung —  ihrer  Wellenfläche,   andrerseits   von   der  Ungleich- 
st 
fönnigkeit  Cq^V  des  elektrostatischen  Feldes,  in  welchem  sie 

fortschreiten,  und  daß  diese  beiden  Einflüsse  voneinander 
unabhängig  sind  und  sich  einfach  addieren.  Wir  können  des- 
halb diese  beiden  Einflüsse  getrennt  voneinander  betrachten. 


468  G.  Jaumann, 

Für  Kathodenstrahlen  hat,  da  man  für  diese  1  gegen  rs 
und  s^  vernachlässigen  darf,  k  den  negativen  Wert: 

k=^^.  (124) 

Für  Kanal-  und  Anodenstrahlen  hat,  da  man  für 
diese  rs  und  s^  gegen  1  vernachlässigen  darf,  k  den  positiven 
Wert: 

*  =  — —  a,.  (125) 

2 

62.  Elektrostatische  Ablenkungen  im  gleichför- 
migen elektrischen  Felde.  In  einem  gleichförmigen  elektro- 
statischen Felde  ist  Co;V=^0  und  der  Krümmungsradius  ti  der 
Strahllinie  bestimmt  sich  also  durch : 

^    ^^^(^^Xt^Xn.  (126) 


Der  Krümmungsradius  der  Strahlen  ist  also  cet.  par.  dem 
Krümmungsradius  tg  der  Wellenfläche  proportional  und  wech- 
selt mit  diesem  das  Vorzeichen.  Strahlen  mit  ebenen  Wellen- 
flächen werden  im  gleichförmigen  Felde  selbstverständlich 
gerade  verlaufen. 

Die  Strahlen  werden  ferner  desto  stärker  gekrümmt,  je 
kleiner  ihre  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  ist,  denn  n  ist  die 
reziproke  Fortpflanzungsgeschwindigkeit.  Ferner  ist  die  Ab- 
lenkung der  transversalen  ablenkenden  elektrostatischen  Kraft 
proportional,  sie  ist  nämlich  desto  stärker,  je  stärker  das  elektro- 
statische Feld  Cq  ist  und  je  größer  der  Sinus  des  Winkels 
zwischen  diesem  und  der  Wellennormale  ist  und  wechselt 
auch  mit  diesem  Winkel  das  Vorzeichen. 

Wir  wollen  nun  die  hiedurch  bedingten  Erscheinungen  im 
einzelnen  verfolgen. 

63.  Krümmung  der  Randstrahlen  eines  Kathoden- 
strahl enbüschels.  Wir  betrachten  die  Fortpflanzung  eines 
dünnen  Kathodenstrahlenbüschels  in  der  Richtung  der  negativen 
Feldstärke.  Das  Büschel  möge  aus  einer  planen  oder  etwas 
konvexen   Kathode  austreten   oder  ein  Lenard'sches  Fenster 


] 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  469 

passiert  haben.  Jedenfalls  sind  dann  die  Wellenflächen  von 
Anfang  etwas  konvex,  ihr  Krümmungsradius  hat  also  die  Rich- 
tung der  Wellengeschwindigkeit.  Nun  wollen  wir  untersuchen, 
ob  diese  anfanglich  gegebene  geringe  Divergenz  der  Strahl- 
richtungen  dieses  Bündels  beim  Fortschreiten  desselben  größer 
oder  kleiner  wird. 
Nach  (126)  ist: 

i^+ifv  (.27, 

worin  e^  die  Projektion  von  e^  auf  die  Wellenfläche  ist.  Da 
der  axiale  Strahl  des  Bündels  in  der  Richtung  — e^  fortschreiten 
möge,  ist  für  ihn  Cq  gleich  Null  und  er  bleibt  also  geradlinig. 
Für  alle  Randstrahlen  des  Bündels  ist  e^  desto  größer,  je  weiter 
sie  von  der  Achse  abstehen,  diese  krümmen  sich  also  desto 
stärker.  Die  Projektion  e^  hat,  da  Cq  nach  der  konkaven  Seite 
der  Wellenfläche  gerichtet  ist,  die  Richtung  radial  nach  außen, 
da  aber  k  bei  Kathodenstrahlen  nach  (124)  negativ  ist,  so  hat 
der  Krümmungsradius  x^  der  Randstrahlen  die  Richtung  radial 
nach  innen  und  die  Strahlen  sind  also  nach  außen  konkav 
gekrümmt,  und  zwar  desto  stärker,  je  schiefer  sie  gegen  die 
negative  Feldstärke  oder  die  Achse  des  Bündels  verlaufen.  Die 
anfänglich  vorhandene  kleine  Divergenz  des  Strahl- 
bündels verstärkt  sich  also  beim  Fortschreiten  des- 
selben immer  mehr,  das  Bündel  nimmt  immer  größeren 
Querschnitt  an  und  seine  Wellenflächen  werden  immer  stärker 
nach  vorne  konvex. 

Ein  von  Anfang  an  schief  gegen  die  negative  elektro- 
statische Kraft  fortschreitendes  dünnes  Kathodenstrahlenbündel 
krümmt  sich  ebenfalls  nach  außen,  so  daß  der  Winkel  seiner 
Fortschreitungsrichtung  gegen  die  Richtung  — t^  immer  größer 
wird,  denn  nach  (127)  ist  auch  der  axiale  Strahl  dieses  Bündels 
nach  außen  gekrümmt.  Der  anfänglich  kreisrunde  Querschnitt 
des  Bündels  vergrößert  sich  beim  Fortschreiten  und  wird  in 
radialer  Richtung  länglich,  weil  die  am  meisten  radial  nach 
außen  verlaufenden  Strahlen  am  stärksten  gekrümmt  werden. 

Nimmt  man  aus  einem  Kathodenstrahlenbündel,  das  axial 
symmetrisch  in  der  Richtung  der  negativen  Feldstärke  verläuft, 


470  G.  Jaumann, 

durch  einen  Schirm  den  zentralen  Teil  weg,  so  verlaufen  doch 
die  übrigbleibenden  Randstrahlen  nach  außen  konkav.  Das 
gleiche  gilt  auch  für  zwei  diametral  gegenüberliegende  Strahlen 
dieses  Büschels,  wenn  man  diese  allein  bestehen  läßt  und  die 
anderen  Strahlen  dieser  hohlen  Strahlröhre  abblendet  Denn 
immer  noch  sind  beide  Strahlen  schief  und  symmetrisch  gegen 
die  Feldstärke.  Die  beiden  Strahlen  scheinen  also  sich  gegen- 
seitig abzustoßen.  Blendet  man  aber  noch  den  einen  derselben 
ab,  so  kann  die  Selbststreckung  (vergl.§  6)  des  übrig  bleibenden 
Strahles  zur  Geltung  kommen.  Er  ladet  die  Seite  der  Glaswand, 
welche  er  trifft,  stärker  negativ,  wird  abgestoßen  und  streckt 
sich.  Damit  ist  die  scheinbare  Abstoßung  zweier  Ka- 
thodenstrahlen, welche  Crookes  beschrieben  hat,  genügend 
erklärt. 

Wenn  jedoch  das  Kathodenstrahlenbüschel  von  einer  Hohl- 
kathode ausgeht,  so  sind  seine  Wellenflächen  anfanglich  kon- 
kav. Dann  hat  die  Projektion  Zq  die  Richtung  radial  nach  innen, 
da  aber  auch  der  Krümmungsradius  der  Wellenfläche  nun  ent- 
gegengesetzte Richtung  hat  wie  n,  so  ist  der  Krümmungsradius 
der  Strahlen  t^  abermals  radial  nach  innen  gerichtet,  die 
Strahlen  wieder  nach  außen  konkav  gekrümmt.  Die  anfanglich 
vorhandene  starke  Konvergenz  des  Strahlbündels  und  der 
Querschnitt  desselben  verkleinern  sich  so  lange,  bis  weit  außer- 
halb des  Krümmungsmittelpunktes  der  Hohlkathode  die  Strahlen 
parallel  geworden  sind  und  das  Bündel  sich  ungemein  ver- 
schmälert hat.  Ist  das  elektrostatische  Feld  präzise  gleich- 
förmig, so  bewahrt  das  Strahlbündel  weiterhin  seinen  kleinen 
Querschnitt  und  seine  ebenen  Wellenflächen.  In  Wirklichkeit 
gelangt  es  jedoch  bald  über  diesen  toten  Punkt.  Die  zentralen 
Strahlen  pflanzen  sich  spurweise  rascher  fort,  weil  doch  das 
Feld  in  der  Achse  stets  am  stärksten  sein  wird.  Damit  ist  eine 
spurweise  Konvexität  der  Wellenfläche  gegeben,  welche  sich 
dann  nach  obigem  rasch  verstärkt 

Alles  dies  stimmt  trefflich  mit  der  Beobachtung.  Die  Ver- 
schmälerung  des  Strahlbündels  einer  Hohlkathode  und  die 
federbuschartige  sehr  bedeutende  Krümmung  der  Randstrahlen 
desselben  nach  außen  ist  bekannt  und  wurde  von  mir  u.  a.  mehr- 
fach beschrieben  und  abgebildet.  Diese  Erscheinung  darf  nicht 


] 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  47 1 

verwechselt  werden  mit  der  Kreuzung  von  Kathodenstrahlen 
großer  Amplitude  im  Krümmungsmittelpunkte  der  Hohlkathode. 
Diese  Strahlen,  welche  den  Crookes'schen  Brennpunkt  zeigen, 
dürften  auch  verhältnismäßig  kleine  Wellenlängen  haben, 
denn  sie  werfen  scharfe  Schatten  und  sie  dürften  inkohärent 
von  den  verschiedenen  Punkten  der  Kathodenoberfläche 
exzitiert  werden.  Die  kohärenten  Kathodenstrahlen  kleiner 
Amplitude,  welche  bei  nicht  allzu  niedrigem  Drucke  durch 
Zuleitung  von  Drahtwellen  zu  der  Kathode  angeregt  werden, 
verhalten  sich  in  der  berechneten  Weise,  sie  kreuzen  sich  nicht 
und  werfen  sehr  unscharfe  Schatten. 

Die  schmälste  Stelle  dieses  von  einer  Hohlkathode  aus- 
gehenden Strahlbüschels  bildet  sehr  oft  einen  langen,  dünnen 
Stiel,  welcher  den  Teil,  in  welchem  die  Wellenflächen  konkav 
sind,  mit  dem  entfernteren  Teile  des  Strahlbüschels,  in  welchem 
die  Wellenflächen  konvex  sind,  verbindet.  Dieser  Stiel  sitzt 
sogar  meistens  unmittelbar  auf  der  Kathodenoberfläche  auf,  so 
daß  also  der  Teil  des  Büschels,  in  welchem  die  Wellenflächen 
konkav  sind,  meist  ganz  unterdrückt  ist.  Ich  werde  deshalb 
im  folgenden  nur  solche  Strahlen  betrachten,  deren  Wellen- 
flächen nach  vorne  konvex  oder  eben  sind,  denn  alle  Versuche 
über  elektrostatische  Ablenkung  wurden  mit  solchen  Strahlen 
gemacht. 

64.  Elektrostatische  Ablenkung  divergenter  Ka- 
thodensirahlen  .im  gleichförmigen  elektrostatischen 
Felde.  Die  grundlegenden  Versuche,  welche  die  elektrosta- 
tische Ablenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen  entgegen  der  damals 
allgemeinen  Überzeugung  bewiesen  haben,  rühren  von  mir 
her.^  Sie  nehmen  auch  in  allen  anderen  Beziehungen  gegenüber 
den  späteren  bestätigenden  Experimenten  von  J.  J.  Thomson 
und  W.  Wien  eine  Sonderstellung  ein. 

Zunächst  möchte  ich  die  weitverbreitete  und  auch  von 
unbefangener  Seite  ausgesprochene  Ansicht  widerlegen,  als 
wären  meine  Versuche  nicht  völlig  rein  oder  nicht  beweis- 
kräftig. 


1  Vcrgl.  §  6. 
Sitzb.  d.  mathem.-natunv.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  31 


472  G.  Jaumana, 

Daß  die  Strahlen,  welche  ich  abgelenkt  habe,  echte 
Kathodenstrahlen  sind,  kann  nicht  bestritten  werden  und  wird 
nicht  bestritten. 

Daß  diese  Strahlen  bei  meinen  Experimenten  zufolge  der 
Ablenkung  gekrümmt  werden,  wurde  von  E.  Wiedemann 
ohne  triftige  Gründe  bestritten  und  dieser  unberechtigte  Ein- 
wand von  mir  experimentell  völlig  widerlegt* 

Da  diese  starke  Krümmung  der  Kat hodenstrahlen  von  mir 
durch  Annäherung  eines  geriebenen  Hartgummistabes  von 
außen  erzielt  wurde  und  ein  geriebener  Glasstab  die  umge- 
kehrte Krümmung  bewirkt,  so  ist  dies  eine  elektrostatische 
Wirkung  auf  die  Kathodenstrahlen.  Meine  Experimente  sind 
also  beweiskräftig. 

Femer  ist  das  Vorzeichen  der  elektrostatischen  Ablenkung 
der  Kaihodenstrahlen,  welche  ich  beobachtet  habe,  das  um- 
gekehrte, wie  es  aus  der  Emissions  (Elektronen)  theorie  der 
Kathodenstrahlen  folgt  und  deshalb  bilden  meine  Experimente 
einen  schlagenden  Gegenbeweis  gegen  diese  Theorie. 

Begreiflicherweise  behaupten  also  die  Elektronentheo- 
retiker, daß  meine  Versuche  einen  Fehler  haben.  Welchen 
Fehler  sie  aber  haben,  hat  keiner  von  ihnen  gesagt.  Im  Gegen- 
teile werde  ich  sogleich  nachweisen,  daß  meine  Versuche  weit 
überzeugender  sind  als  die  späteren  von  Thomson  und  Wien. 
Daß  erstere  der  herrschenden  Theorie  widersprechen,  erklärt, 
aber  rechtfertigt  es  nicht,  daß  man  selbst  in  historischen  Refe- 
raten das  Verdienst  meiner  Versuche  zu  schmälern  gesucht  hat. 

Die  elektrostatische  Ablenkung  der  Kathodenstrahlen  war 
bei  meinen  \'ersuchen  eine  vorübergehende  Erscheinung. 
Die  Strahlen  krümmen  sich  sofort  bei  Annäherung  des  ge- 
riebenen Stabes,  aber  sie  strecken  sich  sehr  bald  trotz  der 
dauernden  Nähe  des  geriebenen  Stabes  wieder.  Gerade  dies 
beweist  die  Reinheit  meiner  Versuche.  Es  ist  eine  sekundäre 
Wirkung  vorhanden,  welche  die  elektrostatische  Ablenkung  der 
Strahlen  stört,  nämlich  die  ladende  Wirkung  derselben, 
zufolge  deren  die  Glaswand  des  Rezipienten  sehr  bald,  aber 
nicht  sogleich,  eine  solche  Ladungsänderung  erfährt,  daß  die 


1  Wicd.  Ann.,  Bd.  64  (1S98).  p.  2ÖS. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  473 

elektrostatische  Wirkung  des  genäherten  Stabes  im  Innern  des 
Rezipienten  aufgehoben  wird.  Auf  diese  Erklärung  dieser  sekun- 
dären Wirkung  kommt  aber  nichts  an.  Sicher  steht,  daß  sie 
vorhanden  ist,  denn  man  kann  mit  dem  Auge  ihre  Wirkung 
verfolgen,  man  sieht,  wie  die  anfangliche  Ablenkung  des 
Kathodenstrahles  trotz  dauernder  Nähe  des  ablenkenden  Körpers 
allmählich  zurückgeht.  Umso  augenscheinlicher  ist  es,  daß  die 
anfangliche  Ablenkung  des  Kathodenstrahles  eine  reine  elek- 
trostatische Wirkung  des  genäherten  geriebenen  Stabes  auf 
den  Kathodenstrahl  ist.  Ich  fordere  die  Elektronentheoretiker 
auf,  zum  Versuche  der  Verteidigung  ihrer,  wie  ich  glaube,  un- 
haltbaren Theorie  bestimmt  anzugeben,  welche  störende  Ursache 
die  Richtung  der  elektrostatischen  Krümmung  der  Kathoden- 
strahlen bei  meinen  Versuchen  beeinflußt  haben  könnte. 

Von  dem  Werte  der  Versuche  Thomson's  und  Wien's 
bin  ich  überzeugt  und  will  durchaus  kein  Bedenken  erheben 
oder  andeuten,  doch  sind  dieselben  nicht  reiner,  sondern  im 
Gegenteile  weniger  vollständig  und  charakteristisch  als  meine 
Versuche.  Es  handelt  sich  bei  jenen  Versuchen  um  Dauer- 
ablenkungen der  Strahlen  durch  innere  Elektroden.  Dauer- 
ablenkungen, und  gar  solche  durch  innere  Elektroden,  lassen 
aber  nicht  unterscheiden,  was  elektrostatische  Wirkung  und  was 
sekundäre  Beeinflussung  infolge  der  Entladungsvorgänge  ist. 
Dauerablenkungen  der  Kathodenstrahlen  durch  elektrostatischen 
Einfluß  und  durch  innere  Elektroden  wurden  ja  schon  vor 
30  Jahren  von  Gold  stein  beobachtet  und  niemand  erkannte 
dieselben  als  elektrostatische  Wirkungen. 

Man  wird  mit  Recht  darauf  hinweisen,  daß  bei  den  Gold- 
stein'schen  Versuchen  die  Umkehrung  der  Ablenkung  bei 
Umkehrung  der  ablenkenden  elektrostatischen  Feldstärke  nicht 
aufgewiesen  werden  kann  und  daß  erst  diese  Umkehrung  den 
Beweis  der  elektrostatischen  Ursache  der  Ablenkung  der  Ka- 
thodenstrahlen erbringt.  Ganz  richtig,  aber  dieser  Beweis 
rührt  ausschließlich  von  mir  her  und  ist  ein  Gegen- 
beweis gegen  die  Elektronentheorie.  Weil  man  die  wahrhaft 
elektrostatische  Natur  der  Ablenkung  an  dieser  Umkehrung 
des  Ablenkungssinnes  erkennt,  so  sind  meine  Versuche  be- 
weisend. Sollte  aber  noch  eine  Nebenwirkung  mitspielen,  so 

31* 


476  G.  Jaumann, 


^    ^*(nx(ea;V.c))x«.  (129) 


«1 


Die  Ungleichförmigkeit  des  Feldes  bestimmt  den  Wert  der 
derivierten  Dyade  tojV  der  Feldstärite.  Der  Vektor: 

4^ieo!V.ci(cV)eo 
dt 

kann  die  partielle  Derivation  des  Vektors  Cq  nach  dem  Vekor  c 

genannt  werden.    Er  hat  folgende  anschauliche  Bedeutung.   In 

einem  mit  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  c  des  Strahles 

im  elektrostatischen  Felde  bewegten  Punkte  ändert  sich  der  in 

demselben  jeweils  vorhandene  vektorische  Wert  von  Cq  um  dt^ 

dt 
in  der  Zeit  dt  und  man  bezeichnet  —^  als  die  totale    vekto- 

dt 

rische    Fluxion   von   e^    in   diesem   bewegten   Punkte.    Diese 

Fluxion   Cq-V*c   bestimmt    nach    (129)    die   Krümmung   des 

Strahles. 

dtQ 

Bezeichnen  wir  mit  -=^  die  Projektion  dieser  Fluxion  auf 

dt 

die  Wellenfläche,  so  ist  nach  (129): 

J=*u8  -^-  (130) 


rj  dt 

Die  Krümmung  des  Strahles  ist  also  wieder  cet.  par.  der 
ersten  Potenz  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  verkehrt  pro- 
portional. Die  Krümmung  des  Strahles  ist  nicht  nur  dann  Null, 
wenn  das  Feld  gleichförmig  ist,  sondern  auch  wenn  die  Strahl- 
richtung gerade  in  eine  Hauptrichtung  der  Dyade  Cq^V  fällt, 

dt 
weil  dann  -37-  auf  der  Wellenfläche  senkrecht  steht. 
dt 

Bei  den  Versuchen  von  Thomson  und  Wien  ist  das 
durch  das  Diaphragma  tretende  Kathodenstrahlenbündel  sicht- 
lich parallelstrahlig.  In  der  Braun'schen  Röhre,  die  allgemein  in 
Verwendung  ist,  kann  man  sehen,  daß  diese  Strahlenbündel 
auf  einem  sehr  langen  Wege  sich  kaum  merklich  verbreitern. 

Gleich  nach  dem  Durchtritte  durch  das  Diaphragma  geht 
der  Strahl   zwischen    zwei    parallelen    kleinen,   innerhalb   der 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  477 

Vakuumröhre  befindlichen  entgegengesetzt  geladenen  Platten 
hindurch,  befindet  sich  also  zunächst  in  einem  gleichförmigen 
elektrostatischen  Felde  und  wird  nicht  abgelenkt.  Sobald  er 
aber  die  ablenkenden  Platten  passiert  hat,  gelangt  er  in  ein 
transversales    Feld    von   stets    abnehmender   Stärke.    Die 

Fluxion  -^  ist  also  transversal  gerichtet  und  da  die  trans- 

versale  ablenkende  Kraft  Cq  von  der  positiven  Seitenplatte  weg 

gerichtet  ist  und  in  der  Strahlrichtung  abnimmt,  so  ist     77 

dt 

gegen  die  positive  Platte  gerichtet,  und  da  k  in  (130)  negativ 

ist,  so  ist  der  Krümmungsradius  des  Strahles  von  der  positiven 

Platte  weggerichtet,  derselbe  verläuft  konkav  gegen  die  positive 

Platte  gekrümmt  und  diese  scheint  ihn  also  anzuziehen,  wie 

Thomson  und  Wien  beobachtet  haben. 

Es  besteht  aber  noch  ein  wichtiger  Unterschied  zwischen 
meinen  Versuchen  und  jenen  von  Thomson  und  Wien.  Meine 
Strahlen  verlaufen  im  starken  elektrischen  Felde  (Cq  ungefähr 
gleich  500  Volt  pro  cm\  hingegen  ist  in  dem  Räume  hinter 
dem  Lenard*schen  Fenster  bei  dem  Wien'schen  Versuche  über- 
haupt keine  longitudinale  elektrostatische  Kraft  vorhanden. 
Man  hat  es  also  mit  dem  komplizierten  Falle  zu  tun,  in  welchem 
die  Grundgleichungen  in  den  abhängigen  Variablen  nichtlinear 
sind  (vergl.  §  50).  Sicher  kann  man  nach  meiner  Theorie  an- 
nehmen, daß  der  Strahl,  wenn  die  Platinfolie  des  Lenard*schen 
Fensters  ungemein  dünn  wäre  und  wenig  reflektieren  würde, 
mit  eben  jener  Geschwindigkeit,  mit  denselben  Amplituden 
und  mit  derselben  ladenden  Wirkung  durch  das  Fenster  treten 
müßte,  mit  welcher  er  aus  dem  Emissionsfelde  vor  dem  Fenster 
anlangt.  Es  scheint  mir  auch  sehr  wahrscheinlich,  daß  die 
Gleichung  (130)  für  den  Krümmungsradius  des  Strahles,  welche 
die  longitudinale  Feldstärke  gar  nicht  enthält,  auch  für  diese 
Strahlen,  die  mit  großer  Geschwindigkeit  transversal  zur 
elektrostatischen  Kraft  gehen,  gilt.  Immerhin  befindet  man  sich 
hier  nicht  mehr  auf  dem  Boden  der  exakten  Rechnung  wie  bei 
der  Deutung  meiner  Versuche. 

66.  Elektrostatische  Ablenkung  der  Kanal-  und 
Anodenstrahlen.    Für  diese  Strahlen  hat  die  Konstante  k 


476  G.  Jaumann, 


^    ^-fe(nx(eo.V.c))xn.  (129) 


«1 


Die  Ungleichförmigkeit  des  Feldes  bestimmt  den  Wert  der 
derivierten  Dyade  CpjV  der  Feldstärke.  Der  Vektor: 

4^ieo5V.ci(cV)eo 

dt 

kann  die  partielle  Derivation  des  Vektors  Cq  nach  dem  Vekor  c 
genannt  werden.  Er  hat  folgende  anschauliche  Bedeutung.  In 
einem  mit  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  c  des  Strahles 
im  elektrostatischen  Felde  bewegten  Punkte  ändert  sich  der  in 
demselben  jeweils  vorhandene  vektorische  Wert  von  Cq  um  dt^ 

in  der  Zeit  dt  und  man  bezeichnet  —t~  als  die  totale    vekto- 

dt 

rische   Fluxion   von   Cq    in   diesem   bewegten   Punkte.    Diese 

Fluxion   Co-V*c   bestimmt    nach    (129)    die   Krümmung   des 

Strahles. 

d% 

Bezeichnen  wir  mit  -=-  die  Projektion  dieser  Fluxion  auf 

dt 

die  Wellenfläche,  so  ist  nach  (129): 

=L*u8  ^.  (130) 


t^  dt 

Die  Krümmung  des  Strahles  ist  also  wieder  cet.  par.  der 
ersten  Potenz  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  verkehrt  pro- 
portional. Die  Krümmung  des  Strahles  ist  nicht  nur  dann  Null, 
wenn  das  Feld  gleichförmig  ist,  sondern  auch  wenn  die  Strahl- 
richtung gerade  in  eine  Hauptrichtung  der  Dyade  eo?V  fällt, 

weil  dann  -rr  auf  der  Wellenfläche  senkrecht  steht. 
dt 

Bei  den  Versuchen  von  Thomson  und  Wien  ist  das 
durch  das  Diaphragma  tretende  Kathodenstrahlenbündel  sicht- 
lich parallelstrahlig.  In  der  Braun*schen  Röhre,  die  allgemein  in 
Verwendung  ist,  kann  man  sehen,  daß  diese  Strahlenbündel 
auf  einem  sehr  langen  Wege  sich  kaum  merklich  verbreitern. 

Gleich  nach  dem  Durchtritte  durch  das  Diaphragma  geht 
der  Strahl   zwischen    zwei   parallelen    kleinen,   innerhalb  der 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  477 

Vakuumröhre  befindlichen  entgegengesetzt  geladenen  Platten 
hindurch,  befindet  sich  also  zunächst  in  einem  gleichförmigen 
elektrostatischen  Felde  und  wird  nicht  abgelenkt.  Sobald  er 
aber  die  ablenkenden  Platten  passiert  hat,  gelangt  er  in  ein 
transversales    Feld    von    stets    abnehmender   Stärke.    Die 

Fluxion  -^  ist  also  transversal  gerichtet  und  da  die  trans- 
versale ablenkende  Kraft  Cq  von  der  positiven  Seitenplatte  weg 

~  Ao 

gerichtet  ist  und  in  der  Strahlrichtung  abnimmt,  so  ist  -~- 

dt 

geg^n  die  positive  Platte  gerichtet,  und  da  ife  in  (130)  negativ 

ist,  so  ist  der  Krümmungsradius  des  Strahles  von  der  positiven 

Platte  weggerichtet,  derselbe  verläuft  konkav  gegen  die  positive 

Platte  gekrümmt  und  diese  scheint  ihn  also  anzuziehen,  wie 

Thomson  und  Wien  beobachtet  haben. 

Es  besteht  aber  noch  ein  wichtiger  Unterschied  zwischen 
meinen  Versuchen  und  jenen  von  Thomson  und  Wien.  Meine 
Strahlen  verlaufen  im  starken  elektrischen  Felde  (Cq  ungefähr 
gleich  500  Volt  pro  cm),  hingegen  ist  in  dem  Räume  hinter 
dem  Lenard*schen  Fenster  bei  dem  Wien'schen  Versuche  über- 
haupt keine  longitudinale  elektrostatische  Kraft  vorhanden. 
Man  hat  es  also  mit  dem  komplizierten  Falle  zu  tun,  in  welchem 
die  Grundgleichungen  in  den  abhängigen  Variablen  nichtlinear 
sind  (vergl.  §  50).  Sicher  kann  man  nach  meiner  Theorie  an- 
nehmen, daß  der  Strahl,  wenn  die  Platinfolie  des  Lenard'schen 
Fensters  ungemein  dünn  wäre  und  wenig  reflektieren  würde, 
mit  eben  jener  Geschwindigkeit,  mit  denselben  Amplituden 
und  mit  derselben  ladenden  Wirkung  durch  das  Fenster  treten 
müßte,  mit  welcher  er  aus  dem  Emissionsfelde  vor  dem  Fenster 
anlangt.  Es  scheint  mir  auch  sehr  wahrscheinlich,  daß  die 
Gleichung  (130)  für  den  Krümmungsradius  des  Strahles,  welche 
die  longitudinale  Feldstärke  gar  nicht  enthält,  auch  für  diese 
Strahlen,  die  mit  großer  Geschwindigkeit  transversal  zur 
elektrostatischen  Kraft  gehen,  gilt.  Immerhin  befindet  man  sich 
hier  nicht  mehr  auf  dem  Boden  der  exakten  Rechnung  wie  bei 
der  Deutung  meiner  Versuche. 

66.  Elektrostatische  Ablenkung  der  Kanal-  und 
Anodenstrahlen.    Für  diese  Strahlen  hat  die  Konstante  k 


478  G.  Jaumann, 

nach  (125)  einen  positiven  Wert  und  deshalb  hat  die  elektro- 
statische Krümmung  der  Kanal-  und  Anodenstrahlen  durch 
eine  transversale  ablenkende  Kraft  das  umgekehrte  Vorzeichen 
wie  für  Kathodenstrahlen,  wie  dies  zuerst  von  W.  Wien  kon- 
statiert wurde. 

Hingegen  hat  die  Krümmung  der  Randstrahlen  eines 
Anodenstrahlenbüschels  nach  Gleichung  (127)  dasselbe  Vor- 
zeichen wie  für  Kathodenstrahlen,  da  in  dieser  Gleichung  Iq 
nicht  die  transversale  ablenkende  Kraft,  sondern  die  Projektion 
der  Feldstärke  auf  die  Wellenfläche  ist.  Da  die  Anodenstrahlen 
im  spitzen  Winkel  gegen  die  Feldstärke  fortschreiten,  hat  Cq 
in  (127)  umgekehrtes  Vorzeichen  als  für  Kathodenstrahlen  und 
da  auch  k  umgekehrtes  Vorzeichen  hat,  so  muß  sich  auch  die 
Divergenz  der  Strahlen  eines  im  starken  elektrischen  Felde 
fortschreitenden  Anoden  Strahlenbüschels  fortschreitend  ver- 
größern, die  Randstrahlen  verlaufen  federbuschartig  nach  außen 
konkav  gekrümmt. 

Stark  divergente  Anodenstrahlen  im  starken  elektrostati- 
schen Felde  sollen,  wenn  sie  sehr  kleine  Amplitude  haben, 
nach  meiner  Theorie  von  einem  von  außen  genäherten  gerie- 
benen Hartgummistab  abgestoßen,  von  einem  Glasstab  an- 
gezogen werden,  denn  in  Gleichung  (128)  hat  tg^CQ  das  um- 
gekehrte Vorzeichen  wie  für  Kathodenstrahlen. 

15.  Longitudinale  Strahlen  in  starken  magnetischen  Feldern. 

67.  Wir  kehren  nun  zu  den  allgemeinen,  für  verdünnte 
Gase  geltenden  elektrischen  Amplitudengleichungen  (74)  zurück 
und  betrachten  die  Strahlung  in  einem  Felde,  in  welchem  außer 
den  elektrostatischen  Kräften  Cq  auch  starke  statische  magne- 
tische Kräfte  m^  gegeben  sind.  Dann  sind  longitudinale  Strah- 
lungen streng  genommen  nicht  möglich,  sondern  jede  im 
wesentlichen  longitudinale  Strahlung  in  diesem  Felde  weist, 
wenn  auch  verhältnismäßig  kleine,  so  doch  merkliche  trans- 
versale elektrische  und  magnetische  Schwingungen  auf.  Die 
überwiegende  Größe  der-longitudinalen  Schwingungen  bietet 
aber  einen  Rechenvorteil,  wir  können  die  longitudinalen  und 
transversalen  Schwingungen  getrennt  berechnen,  was  so  ge- 
schehen  kann,  daß  man   die  Gleichungen  (74,  1)  und  (74,  2) 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  479 

einerseits  mit  c-  skalar,  andrerseits  mit  cx  rotorisch  multi- 
pliziert  So  erhält  man  die  vier  Gleichungen: 

SoC.ei+ai((pCi-4-(p'c2)-Co -0,  (131,  1) 

e^cxCi ^ux(ei  +  2xc2)— ^3ii*(w/Ci+ft/c2)i«o=^0,       (132,  1) 

eoC-C2  +  ^i(Tt2— T'ei).eo=:0,  (131,2) 

CoCxta ^ttx(c2— 2xei)  — *8tt*(n;Ca — nft^m^^Q,       (132,2) 

Wo 

Die  Projektion  der  magnetostatischen  Feldstärke  vx^  auf 
die  Wellenfläche  ist: 

iiio=^— cx(ttxmo), 

nur  diese  erscheint  in  diesen  Gleichungen,  die  longitudinale 
Komponente  von  vx^  hat  keinen  Einfluß  auf  die  elektrischen 
und  stofflichen  Schwingungen  in  der  Welle,  auch  nicht  auf 
ihre  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  und  Dämpfung. 

Die  Konstanten  w  und  «/  der  Welle  hängen  nach  (61) 
und  (62)  von  ihrer  Schwingungsdauer  ab.  Es  ist: 

n/=  io^f_JL  +  2x^).  (134) 

Die  Materialkonstante  h^  ist  ungemein  groß,  viel  größer 
als  a^  weil,  wie  schon  in  §  35  erwähnt  wurde,  die  diamagne- 
tische Dyade  erfahrungsgemäß  sehr  wenig  von  dem  chemischen 
Zustande  des  Mediums  abhängt  und  also  {t — (Iq  auch  in 
Kathodenstrahlen  stets  äußerst  klein  bleibt.  Die  Schwingungen 
der  magnetischen  Leitfähigkeit  €  sind  aber  keineswegs  klein, 
obwohl  der  Ruhewert  dieser  stofflichen  Variablen  Null  ist.  Des- 
halb ist  q  ein  Wert  von  gleicher  Größenordnung  wie  h^. 

Für  die  langsam  schwingenden  Kathodenstrahlen  ist  h^z 
noch  eine  sehr  große  Zahl.  Der  kleinen  Dämpfung  wegen  ver- 
schwindet auch  das  zweite  Glied  von  «/,  was  die  Rechnung 


480  G.  Jaumann, 

sehr  vereinfacht.    Es  darf  also  für  die  Kathodenstrahlen 
gesetzt  werden: 

^>     *4       >  (135) 

Dies  dürfte  auch  noch  für  die  Anodenstrahlen  und 
Kanalstrahlen  gelten,  obwohl  dieselben  eine  viel  kleinere 
Schwingungsdauer  als  die  Kathodenstrahlen,  aber  wohl  meist 
eine  größere  als  das  Licht  haben. 

Wir  dürfen  uns  ferner  noch  einige  Vereinfachungen  der 
Rechnung  gestatten.  Die  Dämpfung  x  der  Strahlen  ist  jedenfalls 
sehr  klein,  für  Longitudinalstrahlen  im  unmagnetischen  Felde 
ist  <p'  =  0  und  fg  ^  0  (siehe  §  40). 

Auch  für  Longitudinalstrahlen  im  magnetischen  Felde 
werden  also  x,  cp'  und  Cj  sehr  kleine  Werte  haben  und  wenn  wir 
sie  auch  nicht  selbst  vernachlässigen  dürfen,  so  dürfen  wir 
doch  jedenfalls  ihre  Produkte  miteinander  vernachlässigen. 

Wir  vernachlässigen: 

(p'Cg  gegen  tft^  ] 
und  >  (136) 

2x^2  gegen  t^.    J 

Ferner  haben  wir  schon  in  den  Gleichungen  (131)  und 
(132)  %^  gegen  1  vernachlässigt.  Diese  nehmen  hiedurch  die 
einfache  Form  an: 

eoC-fi+a.^ti.Co^O,  (137,  1) 

e^cxei ^uxti— &3n-(wCi-4-n/c2)iiio=^0,  (138, 1) 

SoC  •  C8-4-ai((pe,— (p'Ci).Co  =  0,  (137,  2) 

BoCxe^ o.„^(j^_2xej) — b^n*{fvt^^n/t^)mQ^O.  (138,2) 

Diese  Gleichungen  gelten  nur  für  Longitudinalstrahlen. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  48  i 

Femer  können  wir  nach  (135)  in  (138, 1)  n/  gleich  Null 
setzen  und  erhalten: 

(ßoC« ^)  ttxe^— w&gtt.fi  nio  ^  0.  (139) 

Diese  Gleichung  dient  zur  Bestimmung  der  transversalen 
Komponente  von  e^,  also  jener  transversalen  Schwingung, 
welche  mit  der  longitudinalen  gleichphasig  ist.  Es  gibt  aber 
auch  noch  eine  um  eine  Viertelwellenlänge  verschobene 
elektrische  Schwingung  in  dem  Strahle,  welche  transversal  ist 
und  deren  Amplitude  Cg  aus  (138,  2)  berechnet  werden  kann. 
Man  ersieht  aus  dieser  Gleichung,  daß  Cg  mit  c^  und  tt  koplanar 
ist.  Die  Ebene  dieser  Vektoren  steht  nach  (138,  1)  auf  OTq  senk- 
recht, in  dieser  Ebene  finden  also  die  elliptischen  Schwingungen 
des  elektrischen  Vektors  statt.  Die  Schwingungsellipse  ist  sehr 
stark  exzentrisch  und  ihre  große  Achse  weicht  wenig  von  der 
longitudinalen  Richtung  ab,  so  daß  der  Strahl  nahezu  longi- 
tudinal  genannt  werden  kann. 

Wenden  wir  die  Rechenregel: 

e^-Co  =  ti-CiC-Co+tixCi-cxeo 

auf  (139)  an,  so  ergibt  sich: 

(soC*— -^)(ti-eo— cfiit-eo)— ^3n;c-Citito-(Jixeo)  =  0,       (140) 
worin  Mq  die  totale  magnetische  Feldstärke  ist.  Wir  setzen: 

3  (141) 


hc'—^ 


und  erhalten  somit  aus  (137, 1): 

c=^— e^^aj(pc.tt-(Co+25(eoxmo)).  (142) 

Der  Wert  z,  welchem  der  Einfluß  der  magnetostatischen 
Kraft  auf  den  Strahl  proportional  ist,  ist  der  Differenz  der 
Quadrate  der  Geschwindigkeit  c  des  betrachteten  Longitudinal- 
strahles  und  der  Lichtgeschwindigkeit  c^Js/z^  verkehrt  pro- 
portional.   Longitudinalstrahlen,    deren    Geschwindigkeit    die 


482  G.  Jaumann, 

Lichtgeschwindigkeit  eben  erreichen  würde,  würden  also  eine 
ungemein  große  Einwirkung  von  Seite  magnetischer  Kräfte  nto 
erfahren,  doch  dürfte  ihre  Geschwindigkeit  meist  viel  kleiner 
sein. 

Der  Wert  (p  ist  durch  (75)  bestimmt,  hängt  also  von  der 
Dämpfung  ab,  welche  im  magnetischen  Felde  spurweise  anderen 
Wert  hat  als  im  unmagnetischen  Felde.  Dieser  Unterschied  ist 
aber  ganz  unmerklich  klein.  Tatsächlich  hängt  für  die  von  uns 
ausschließlich  betrachteten  Strahlen  sehr  großer  oder  sehr 
kleiner  Schwingungsdauer,  da  man  entweder  1  gegen  rs  und  5* 
oder  umgekehrt  vernachlässigen  darf,  cp  überhaupt  nicht  von 
der  Dämpfung  ab.  Es  verschwindet  x  (s-hr)  stets,  und  zwar  im 
ersten  Falle  gegen  rs,  im  zweiten  Falle  gegen  1.  Stets  ist  für 
Kathodenstrahlen : 


T  = 


^4 


und  für  Anoden-  und  Kanalstrahlen: 


h 


Wir  können  also  nach  (124),  beziehungsweise  (125)  all- 
gemein schreiben: 

cJ=*c;tt-(eo-4-2;(Coxmo)).  (143) 

16.  Magnetische  Ablenkung  der  Kathodenstrahlen,  Anoden- 

und  Kanalstrahlen. 

68.  Magnetische  Krümmung  der  Kathodenstrahlen. 
Wir  berechnen  nun  in  derselben  Weise  wie  in  §  61  den  Krüm- 
mungsradius eines  allgemeinen  Longitudinalstrahles,  jedoch  für 
den  allgemeinen  Fall,  daß  sich  derselbe  unter  der  gleichzeitigen 
Wirkung  eines  starken  statischen  elektrischen  Feldes  c©  und 
magnetischen  Feldes  nto  fortpflanzt. 

Wir  erhalten  nun  statt  (121),  da  nun  das  Gesetz  (143)  für 
die  Wellengeschwindigkeit  zu  Grunde  gelegt  werden  muß, 
folgende  Gleichung: 

c=Lir.(Co+:j(Coxmo))  — .  (144) 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  483 

Wir  haben  also  einfach  in  der  ganzen  Rechnung  statt  Cq 

zusetzen  (Co+2^(eo5<i»o))- 

Man  erhält  also  statt  (123)  für  den  Krümmungsradius  r^ 
eines  Longitudinalstrahles  im  allgemeinen  Felde: 

— -  ^  *(—  X  Co)  Xti+*(cx(Co?V.n))Xn+ 

+*25^—  X(eoXiiio))  Xtt+A2(cx((eoXmo)?V.it))xit.  (145) 

Die  ersten  zwei  Glieder  sind  dieselben  wie  in  (123),  stellen 
also  die  eventuell  gleichzeitig  mit  der  magnetischen  Ablenkung 
eintretende  elektrostatische  Ablenkung  der  Strahlen  dar.  Das 
dritte  Glied  bestimmt  die  magnetische  Ablenkung  von  Strahlen, 

deren  Wellenfläche  die  Krümmung  —  hat  im  gleichförmigen 

magnetischen  Felde  m^,  das  vierte  Glied  bestimmt  die  Krümmung 
von  parallelstrahligen  Longitudinalstrahlen  im  ungleichförmigen 
elektromagnetischen  Felde. 

Wir  berechnen  nun  die  magnetische  Krümmung  des 
Strahles  für  den  wichtigsten  Fall,  daß  das  elektrostatische 
sowohl  als  das  magnetostatische  Feld  gleichförmig  sind  und 
daß  der  Strahl  in  der  Richtung  ±Cq  fortschreitet,  so  daß  keine 
elektrostatische  Ablenkung  eintritt.  Dann  sind  alle  Glieder 
in  (145)  Null  außer  dem  dritten  Gliede  und  dieses  nimmt,  da 
nach  (144): 

.     •        1 


die  einfache  Form  an: 


i: 

—  h' 

1     JL 

'«•«0 

(146) 


Der  Krümmungsradius  t^  des  Strahles  ist  also  parallel  der 
Projektion  (tQ^m^)  des  Vektors  (Co^itto)  auf  die  Wellenfläche, 
der  Strahl  ist  also  in  einer  zur  magnetischen  Kraft 
senkrechten  Ebene  gekrümmt,   wie  dies  den  Tatsachen 


484  G.  Jaumann, 

entspricht.  Das  Vorzeichen  der  Krümmung  wird  durch  das  Vor- 
zeichen von  Zy  also  wh^  bestimmt,  aus  der  beobachteten  Rich- 
tung der  magnetischen  Krümmung  ergibt  sich,  daß 

qb^b^<  0. 

Die  Größe  der  magnetischen  Ablenkungen  hängt 
nach  (133)  einigermaßen  von  der  Schwingungsdauer  des 
Strahles  ab,  so  daß  eine  merkliche  Dispersion  stattfinden  muß, 
und  wächst  mit  dem  Werte  2j  sehr  stark,  wenn  sich  die 
Geschwindigkeit  des  Strahles  der  Lichtgeschwindig- 
keit nähert. 

Da  erfahrungsgemäß  die  im  unelektrischen  Felde  sich  fort- 
pflanzenden Kathodenstrahlen  mit  der  Lichtgeschwindigkeit 
vergleichbare  Geschwindigkeiten  haben,  so  werden  sie  beträcht- 
lich magnetisch  abgelenkt,  obgleich  sie  meist  wenig  divergieren. 

69.  Magnetische  Krümmung  der  Kanalstrahlen 
und  Anodenstrahlen.  Ist  ein  elektrostatisches  Feld  Cq  und 
magnetostatisches  Feld  iWo  gegeben,  so  pflanzen  sich  in  dem- 
selben Kathodenstrahlen  in  spitzem  Winkel,  Anoden-  und 
Kanalstrahlen  in  stumpfem  Winkel  zur  negativen  elektro- 
statischen Kraft  fort,  für  diese  zwei  Strahlenarten  hat  also  Tg  «Co 
entgegengesetztes  Vorzeichen  und  deshalb  werden  sie  nach 
(146)  in  entgegengesetzter  Richtung  magnetisch  ab- 
gelenkt, wie  dies  den  Tatsachen  entspricht. 

Die  Größe  der  magnetischen  Ablenkung  hängt  aber  von: 


ab,  man  muß  also  schließen,  daß  p  viel  größer  als  a^  ist,  so  daß 
die  Kanalstrahlen  eine  weit  geringere  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit c  als  die  Kathodenstrahlen  haben, 
wodurch  sich  nach  (146)  ihre  außerordentlich  kleine 
magnetische  Ablenkung  erklärt. 

Da  die  Anodenstrahlen  von  Gehrcke  und  Reichenheim 
in  einem  sehr  starken  elektrostatischen  Felde  fortsch ritten,  ist 
kein  Grund  abzusehen,  warum  ihre  Fortpflanzungsgeschwindig- 
keit, die  nach  (144)  der  Feldstärke  proportional  ist,  ebenso 
klein  gewesen  sein  soll  wie  die  der  Kanalstrahlen.  Im  Gegenteil 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  485 

ist  ZU  en-varten,  daß  diese  Anodenstrahlen  weit  stärker 
magnetisch  ablenkbar  sein  mußten,  und  dies  haben  auch 
Gehrcke  und  Reichenheim  konstatiert,  allerdings  mit 
einigem  Widerstreben,  weil  es  der  Elektronentheorie  wider- 
spricht. 

70.  Magnetische  Richtungsänderung  der  Longi- 
tudinalstrahlen.  Außer  der  Krümmung  erfahren  die  Longi- 
tudinalstrahlen  aber  noch  eine  Richtungsänderung  zufolge 
der  transversalen  magnetischen  Kraft  hIq.  Es  ändert  sich  näm- 
lich zufolge  des  Vorhandenseins  des  magnetischen  Feldes  der 
Energiefluß  ^  der  Strahlen,  derselbe  ist  nicht  mehr  genau  longi- 
tudinal  und  also  fällt  auch  die  Strahlrichtung  nicht  mehr  in  die 
Richtung  der  Wellengeschwindigkeit  c.  Dies  hat  aber  keinen 
merklichen  Einfluß  auf  die  oben  berechnete  Krümmung  der 
Strahllinien.  Allerdings  haben  wir  nur  die  Drehung  der  Wellen- 
fläche, also  die  Krümmung  der  Vektorlinien  der  Wellen- 
geschwindigkeit c  berechnet,  mit  welchen  die  Strahllinien  nicht 
zusammenfallen.  Doch  schneiden  sich  diese  zwei  Kurven- 
scharen in  jedem  kleinen  Teile  des  Feldes  unter  konstantem, 
sehr  kleinem  Winkel,  den  wir  sogleich  berechnen  werden.  Der 
Krümmungsradius  ist  also  bis  auf  Größen  höherer  Ordnung  für 
die  Orthogonaltrajektorien  der  Wellenflächen  ebenso  groß  und 
nahezu  ebenso  gerichtet  wie  für  die  Strahllinien. 

Im  magnetischen  Felde  werden  die  elektrischen  Longi- 
tudinalstrahlen  von  transversalen  magnetischen  Schwin- 
gungen begleitet,  so  daß  der  Poynting'sche  Energiefluß  nicht 
Null  ist.  Derselbe  ist  im  Mittel  transversal  gerichtet  und  dies 
bedingt  die  Abweichung  der  Strahlrichtung  von  der  Wellen- 
normale. 

Die  Amplituden  m^  und  m^  der  magnetischen  Schwingungen 
ergeben  sich  aus  (55,  1)  und  (55,  2).  Wir  können  die  geringen 
transversalen  Anteile  der  elektrischen  Schwingungen  vernach- 
lässigen und  nur  die  transversalen  magnetischen  Schwingungen 
berücksichtigen. 

Dann  ist: 


486  G.  Jaumann, 

Der  mittlere  Poynting'sche  Energiefluß  ist  also: 

«'=^  4^o(eiXt»i)=^  v('oC«— ^)^ef(ttxm,).      (147) 

Verglichen  mit  (146)  ergibt  sich,  daß  dieser  transversale 
Energiefluß  allgemein  genau  die  entgegengesetzte  Richtung 
hat  wie  der  Krümmungsradius  x^  der  Strahllinie.  Für  Kathoden- 
strahlen hat  zwar  tt  die  entgegengesetzte  Richtung  als  Cq,  dafür 
ist  aber  auch  t2'^o  negativ.  Für  Kanal-  und  Anodenstrahlen 
hat  n  die  Richtung  Cq,  aber  r^*  c^  ist  positiv. 

Für  Kathodenslrahlen  verstärkt  also  die  Ablenkung  des 
Strahles  aus  der  Wellennormale  die  Ablenkung  des  Strahles 
zufolge  der  Krümmung  der  Strahllinien.  Für  Kanal-  und 
Anodenstrahlen  hat  aber  der  longitudinale  Energiefluß  die  ent- 
gegengesetzte Richtung  und  deshalb  gilt  für  diese  das  um- 
gekehrte. Jedoch  ist  diese  Abweichung  aus  der  Strahlrichtung 
aus  der  Wellennormale  verhältnismäßig  sehr  klein. 

Der  longitudinale  Energiefluß  hat  für  Kathodenstrahlen 
nach  (104)  den  Wert: 

4 

Die  Tangente  des  Ablenkungswinkels  der  Strahlrichtung 
gegen  die  Wellennormale  hat  also  den  vektorischen  Wert: 

-?^=^2-^M(ttxttlo)xtt.  (148) 

71.  Magnetische  Torsion  der  Kathodenstrahlen. 
Hingegen  ist  es  ausschließlich  diese  für  gewöhnlich  kleine  Ab- 
lenkung der  Strahlrichtung  aus  der  Wellennormale,  welche  den 
bekannten  schraubenförmigen  Verlauf  von  Kathoden- 
strahlen erklärt,  welche  in  einem  sehr  starken  magnetischen 
Felde  ungefähr  in  der  Richtung  der  magnetischen  Feldstärke 
oder  in  der  gerade  entgegengesetzten  fortschreiten. 

Der  axiale  Strahl  eines  Kathodenstrahlenbüschels  verlaufe 
genau  in  der  Richtung  ±i»o.  Nach  (147)  weicht  dieser  nicht 
von  der  Wellennormale  ab.  Die  Randstrahlen  dieses  Büschels 
divergieren  aber,  die  Wellenflächen  sind  nach  vorne  konvex. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  487 

Proportional  ihrem  radialen  Abstände  von  der  Achse  vergrößert 
sich  also  der  Wert  nxnto,  weil  der  Winkel  zwischen  n  und  der 
stets  der  Achse  parallelen  Feldstärke  Mq  wächst.  Zufolge  dessen 
ist  die  Abweichung  der  Strahlrichtung  der  Randstrahlen  aus 
der  longitudinalen  Richtung  nach  (147)  ihrem  radialen  Abstände 
von  der  Achse  proportional. 

Die  Richtung  dieser  Abweichung  ist  aber  nach  (147)  peri- 
pher, nämlich  senkrecht  auf  der  Richtung  m^  der  Achse  des 
Buscheis  und  auf  der  Wellennormale  n  des  Randstrahles.  Also 
verlaufen  die  Randstrahlen  in  Schraubenlinien,  deren  Gang- 
höhe für  alle  Randstrahlen  gleich  ist,  während  die  Wellen- 
normalen ein  nicht  tordiertes,  federbuschartiges  Büschel  ebenso 
wie  bei  Abwesenheit  des  magnetischen  Feldes  bilden. 

Blendet  man  die  axialen  Strahlen  und  alle  Randstrahlen 
bis  auf  ein  dünnes  Bündel  ab,  so  kann  man  dessen  schrauben- 
förmigen Verlauf  leicht  beobachten.  Die  Bedingungen  für  den 
Verlauf  desselben  haben  sich  nämlich  durch  das  Abblenden 
der  übrigen  Strahlen  nicht  wesentlich  geändert,  da  das  elektro- 
statische Feld  nach  wie  vor  der  Achse  parallel  bleiben 
dürfte. 

72.  Magnetische  Dispersion  der  Kathoden-  und 
Kanalstrahlen.  Die  sämtlichen  Wirkungen  der  magnetischen 
Feldstärke  auf  die  Longitudinalstrahlen  sind  dem  Werte  fv  pro- 
portional, welcher  nach  (135)  mit  Annäherung  als  eine  Material- 
konstante angesehen  werden  kann.  Strenge  genommen  fet  dies 
aber  nicht  der  Fall,  sondern  dieser  Wert  fv  hängt  nach  (133)  von 
der  Schwingungsdauer  t  des  Strahles  ab.  Zufolge  dessen 
müssen  alle  magnetischen  Ablenkungen  der  Longitudinalstrahlen 
von  ihrer  Schwingungsdauer  einigermaßen  abhängen  und 
ein  inhomogenes  Strahlbündel  erfährt  bei  der  magnetischen 
Ablenkung  eine  Dispersion,  indem  die  Strahlen  kleinerer 
Schwingungsdauer  stärker  abgelenkt  werden. 

Das  der  Schwingungsdauer  verkehrt  proportionale  Glied 
des  Wertes  fv  ist  sehr  charakteristisch,  da  es  nicht  nur  die 
Dispersion  der  magnetisch  abgelenkten  Kathodenstrahlen,  son- 
dern, wie  weiter  unten  nachgewiesen  wird,  auch  die  Dispersion 
der  magnetischen  Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichtes 
und  den  ZeemanefTekt  erklärt 

Sitzb.  d.  matbem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  32 


488  G.  Jaumann, 

17.  Longitudinalstrahlen  in  Metallen. 

73.  In  festen  und  flüssigen  Stoffen  ist  im  allgemeinen 
weder  a^  noch  a^  Null,  doch  haben  beide  Materialkonstanten 
oft  sehr  kleine  Werte.  In  elektrisch  doppelbrechenden  Medien 
ist  dies  aber  nicht  der  Fall. 

Bezüglich  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Longi- 
tudinalstrahlen macht  dies  keinen  wesentlichen  Unterscliied 
aus,  es  tritt  nur  an  Stelle  der  Konstanten  a^,  falls  a^  nicht  Null 
ist,  die  Konstante  a^  +  ^j.  In  elektrisch  doppelbrechenden 
Medien  könnten  hienach  elektrische  Longitudinalstrahlen  recht 
wohl  fortschreiten.  Sind  dieselben  aber  Nichtleiter,  so  ist  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  dieser  Strahlen  verschwindend 
klein,  der  Kleinheit  der  Konstanten  p  wegen.  Die  Dämpfung 
derselben  pro  Wellenlänge  ist  nach  (86)  viel  größer  als  im 
Vakuum,  und  weil  der  kleinen  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
wegen  die  Wellenlängen  ungemein  klein  sind,  so  werden  die 
Longitudinalstrahlen  schon  auf  sehr  kurzen  Weglängen  beim 
Eindringen  in  feste  oder  flüssige  Nichtleiter  völlig  bis  zur  Un- 
merklichkeit gedämpft. 

Anders  aber  in  Metallen.  Obwohl  auch  in  diesen  wie  in 
allen  dichten  Medien  zufolge  der  großen  Kapazität  ihrer  Volums- 
einheit für  alle  Energien,  durch  den  Strahl ungs Vorgang  nur 
sehr  kleine  Änderungen  (Schwingungen)  ihres  chemischen  und 
Wärnlezustandes  bewirkt  werden  können,  so  reichen  diese,  der 
bedeutenden  Leitungsfähigkeit  der  Metalle  wegen,  aus, 
um  merkliche  Änderungen  dieser  Leitfähigkeit  zu  bewirken. 
Für  Metalle  kann  also  die  Konstante/?  der  Gleichung (XI)  Werte 
haben,  welche  mit  dem  großen  Werte  derselben  im  Vakuum 
einigermaßen  vergleichbar  sind  und  deshalb  können  Kathoden- 
strahlen sich  in  Metallen  rascher  fortpflanzen  und  auch  weiter 
eindringen  als  in  dichten  Nichtleitern. 

Da  jedoch  kalte  Metalle  wenig  lumineszenzfähig  sind, 
dürfte  der  Energiefluß  in  denselben  sich  nicht  durch  Gleichung 
(25)  bestimmen.  Ich  habe  deshalb  das  Gesetz  des  Energie- 
flusses in  Metallen  besonders  studiert  und  in  Gleichung  (37) 
aufgestellt.  Es  ist  hienach  kein  Zweifel,  daß  nach  meiner 
Theorie  eine  beträchtliche  Energiemenge  durch  Strahlung  in 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  489 

einem  elektrischen  Longitudinalstrahl  eine  Metallfoiie  passieren 
kann,  womit  der  Lenard'sche  Versuch  erklärt  ist. 

Der  Ladungsstrom  der  Kathodenstrahlen,  welche  das 
Lenard'sche  Fenster  passiert  haben,  ist  nach  W.  Wien  noch 
sehr  merklich.  Dieser  Strom  kann  nach  meiner  Theorie  die  zur 
Erde  abgeleitete  Metallfoiie  als  Ladungsstrom  des  Strahles 
durchdringen  und  muß  sie  nicht  etwa  notwendig  als  Leitungs- 
Strom  in  dem  Metalle  passiert  haben. 


Dritter  Teil 


Transversale  Strahlen  in  starken  elektromagnetisehen 

Feldern. 

18.  Strahlungen  in  festen  und  flüssigen  Nichtleitern. 

74.  Die  festen  und  flüssigen  Nichtleiter  verhalten  sich 
insofern  einfacher  als  die  Gase,  insbesondere  die  verdünnten 
Gase,  als  bei  ersteren  kleine  Energieänderungen  nur  kleine 
Eigenschaftsänderungen  herbeiführen  können,  was  bei  ver- 
dünnten Gasen  nicht  gilt. 

Da  also  der  chemische  und  Wärmezustand  der  dichten 
Nichtleiter  zufolge  der  Strahlung  nur  ganz  geringe  periodische 
Änderungen  erfährt,  so  bleiben  die  Leitfähigkeiten  y  und  S  stets 
unmerklich  klein  und  man  kann 

p=zO     und     ^  =  0  (149) 

setzen. 

Hingegen  verhalten  sich  die  dichten  Medien  insoferne 
komplizierter  als  die  Gase,  als  in  ersteren  nicht  nur  die  Kon- 
stanten a^  und  2^3,  sondern  auch  die  Konstanten  a^  und  b^  nicht 
selten  einen  merklich  von  Null  verschiedenen  Wert  haben,  wo- 
durch sich  die  elektrische  Doppelbrechung  im  gleichförmigen 
elektrischen  Felde  und  die  magnetische  Drehung  der  Polarisa- 
tionsebene erklärt. 

Hingegen  habe  ich  kein  Anzeichen,  daß  b^  in  irgend  einem 
Stoffe  von  Null  verschieden  ist,  und  fehlen  noch  die  Experi- 
mente, welche  Aufschluß  über  den  Wert  a^  geben  können,  doch 
werden  solche  Experimente  weiter  unten  vorgeschlagen. 

32* 


490  G.  Jaumann, 

Die  elektrische  Doppelbrechung  im  gleichförmigen 
elektrischen  Felde  ist  wohl  zu  unterscheiden  von  einer  anderen 
Art  der  elektrischen  Doppelbrechung,  jener  im  ungleich- 
förmigen elektrischen  Felde,  welche  auf  gänzlich  anderen 
Ursachen  beruht  und  gänzlich  andere  Beeinflussung  des  Licht- 
strahles bewirkt. 

Bestimmt  beobachtet  und  wohl  untersucht  ist  bisher  nur 
die  erstere  Art  der  elektrischen  Doppelbrechung,  welche  wir  im 
folgenden  Kapitel  behandeln  werden. 

Indes  fehlen  Gegenbeweise  gegen  die  Doppelbrechung  im 
ungleichförmigen  Felde.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  manche 
dichten  Medien  diese  Erscheinung  wohl  erkennen  lassen,  es 
können  dies  auch  Stoffe  sein,  welche  die  eigentliche  elektrische 
Doppelbrechung  im  gleichförmigen  Felde  nicht  zeigen. 

Die  elektrische  Doppelbrechung  im  ungleichförmigen  Felde 
ist  eine  gewöhnliche  kristallische  Doppelbrechung.  Nur  die 
Ursache  des  kristallischen  Verhaltens  des  für  gewöhnlich  iso- 
tropen Mediums  folgt  aus  der  Grundgleichung  (E),  §  29,  meiner 
Theorie.  Im  statischen  Zustand  und  im  ungleichförmigen  Felde 
zeigt  nach  (E)  die  dielektrische  Dyade  s  des  Mediums  eine 
dyadische  Abweichung  von  ihrem  Ruhewerte  e^,,  welcher  auch 
isotrop  sein  kann.  Das  Medium  hat  also  die  optischen  Eigen- 
schaften eines  Kristalles  und  hieraus  folgt  nach  der  gewöhn- 
lichen Maxwell'schen  Theorie  dann  weiter  die  Doppelbrechung. 
Die  elektrische  Doppelbrechung  im  ungleichförmigen  Felde 
kann  also  auch  ein  Medium  zeigen,  dessen  Konstante  a^  Null 
ist,  wenn  nur  die  Konstante  a^  keinen  sehr  großen  Wert  hat. 

Es  ist  also  für  feste  und  flüssige  Medien  zulässiger  als  für 
Gase,  der  Konstanten  a^  einen  verhältnismäßig  kleinen  Wert 
zuzuschreiben.  Da  überdies  für  Lichtstrahlen  die  Schwin- 
gungsdauer T  viel  kleiner  ist  als  für  alle  Kathodenstrahlen,  ja 
sogar  kleiner  als  jene  der  langwelligeren  Kanalstrahlen,  so 
können  wir  mit  noch  mehr  Recht  als  für  letztere 


z 
2«    * 


als  eine  gegen  1  verschwindende  Zahl  betrachten. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  49 1 

Ferner  betrachten  wir  zunächst  nur  vollkommen  durch- 
sichtige Nichtleiter,  so  daß  wir  die  Dämpfungskonstante  x  als 
verschwindend  klein  gegen  1  annehmen  können. 

Hiedurch  nehmen  die  Konstanten  einer  elektromagnetischen 
Welle  in  einem  festen  oder  flüssigen  Nichtleiter  nach  (49),  (61), 
(62)  und  (149)  folgende  Werte  an: 

T=-|-,     ?'=-|r,  (150) 

w  =  0,       n/=— -^^^.  (151) 

Die  Amplitudengleichungen  (67)  nehmen  hiedurch  folgende 
Gestalt  an: 

+  —0360(11. ei+rtt-e2)-Co+fc2**^"''*^^^^"*" 

-^b^ft/n^t^nxm^^O,    (152,  1) 

+  -2"^8eo(ii*Ca— rii.ei)*eo— fe2n/ll.»otlxCl— 
— &8f!/ii.ei  Äxnio  ^  0.    (152, 2) 

Aus  diesen  Gleichungen  folgen  mehrere  neue  experimen- 
telle Anregungen.  Wir  wollen  jedoch  hier  nur  die  wichtigsten 
Deduktionen  durchführen. 

19.  Elektrische  Doppelbrechung  im  gleichförmigen 

elektrischen  Felde. 

75.  Im  unmagnetischen  Felde,  also  für  iHo  —  0,  darf 

gesetzt  werden.  Das  Licht  kann  also  fast  genau  linear  schwingen, 
doch  werden  die  elektrischen  Schwingungen  e^  im  allgemeinen 
nicht  genau  transversal  sein. 


492  G.  Jaumaan, 

Es  verschwinden  nämlich  sämtliche  Glieder  der  Gleichung 
(152,  2)  mit  hinreichender  Annäherung,  der  Kleinheit  von  r 
wegen.  Ganz  präzis  gilt  aber  e,  =  0,  wenn  die  elektrischen 
Schwingungen  tj  auf  der  elektrostatischen  Feldstärke  tp  senk- 
recht stehen. 

Es  bleibt  nur  Gleichung  (152,  1)  übrig,  welche  die  einfache 
Gestalt  annimmt: 


"*i 


uxnj  .  Ci+  ySo^i^o-  «1»+  ■2-Soa3tt.CiCo=^0.      (154) 


Da  das  zweite  Glied  longitudinal  gerichtet  ist,  kann  die 
elektrische  Schwingung  c^  nur  dann  rein  transversal  sein,  wenn 
to-  tj  =  0,  d.h.  wenn  sie  gegen  die  elektrostatische  Feldstärke  Cq 
transversal  ist.  Um  den  longitudinalen  Anteil  von  Cj  von  dem 
transversalen  zu  trennen,  multiplizieren  wir  (154)  einerseits 
skalar  mit  c-,  andrerseits  rotorisch  mit  ex.  So  ergibt  sich: 


( 


l+Yö,eo-ttjc.e, +  Yaieo-«i  =  0.  (155) 

c^\  1 

SoC»  — --^lcxe,+  -2-eoa,c-eitxeo=2=0.  (156) 

Es  sind  hienach  linear  polarisierte  Strahlen  in  diesem  Felde 
nur  möglich,  wenn  die  Schwingungsebene  eine  von  zwei  ganz 
bestimmten  Orientierungen  hat,  so  daß  ein  aus  einem  indiffe- 
renten Medium  einfallender  Lichtstrahl  sich  in  zwei  linear- 
polarisierte Strahlen,  deren  Schwingungsebenen  aufeinander 
senkrecht  stehen,  spalten  muß. 

Die  Gleichungen  (155)  und  (156)  können  nur  in  folgenden 
zwei  Fällen  erfüllt  sein : 

1.  Wenn  Cq-Ci  =  0  ist,  d.  h.  wenn  die  elektrischen  Schwin- 
gungen Ci  auf  der  elektrostatischen  Feldstärke  Cq  senkrecht 
stehen. 

Dann  ist  nach  (155)  auch  c-Cj  =:  0,  d.  h.  die  elektrischen 
Schwingungen  stehen  auf  der  Richtung  der  Wellennormale 
senkrecht,  die  Welle  ist  präzis  linear  und  transversal. 

Dann  verschwindet  aber  das  zweite  Glied  von  (156)  und 
es  folgt: 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  493 

C«=-^,  (157) 

Soft) 

d,  h.  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  eines  Licht- 
strahles, dessen  elektrische  Schwingungen  senk- 
recht zu  der  beliebig  gerichteten  elektrostatischen 
Feldstärke  gerichtet  sind,  ist  gleich  der  normalen 
Lichtgeschwindigkeit.  Der  so  polarisierte  Strahl  erfährt 
keinerlei  Beeinflussung  von  Seite  des  elektrostatischen  Feldes. 

Die  Gleichungen  (155)  und  (156)  können  aber  auch  erfüllt 
werden,  wenn; 

2.  Ci*cxCo  =:  0,  also  cxCi  parallel  cxCq  ist,  d.  h.  wenn  die 
elektrischen  Schwingungen  in  der  Ebene  der  elektrostatischen 
Kraft  und  der  Fortpflanzungsrichtung  liegen. 

Dann  folgt  aus  (155): 

c>e,=—   /tto-gi     ,  (158) 

Führen  wir  diesen  Wert  in  (156)  ein  und  bezeichnen  zur 
Abkürzung: 

so  ergibt  sich: 

(soC«— -^jCxti-liCxCoCo-Ci.  (160) 

Nun  berücksichtigen  wir,  daß: 

cxCoeo-ei^cxc^eg— CoXCiC-eo. 

Das  zweite  Glied  auf  der  rechten  Seite  von  dieser  Gleichung 
kann  noch  sehr  wichtig  werden,  wenn  man  die  Doppelbrechung 
für  schief  zur  elektrostatischen  Kraft  fortschreitende  Strahlen 
beobachtet,  um  die  Konsequenzen  meiner  Theorie  mit  den  Tat- 
sachen zu  vergleichen.  In  der  bisherigen  experimentellen  Praxis 
war  es  aber  Null,  da  stets  die  elektrostatische  Kraft  Cq  auf  der 
Fortpflanzungsrichtung  des  Strahles  c  senkrecht  stand.  In 
diesem  Falle  ist: 


494  G.  Jaumann, 

und  es  folgt  aus  (160): 


ro 


oder: 


c  = 


^0 


V^ol^  2i 


^^^--^l^ 


^  1  


V/^om  8^0 


Der  linear  polarisierte  Strahl,  dessen  elektrische  Schwin- 
gungen in  der  Ebene  der  elektrostatischen  Kraft  und  Wellen- 
normalen liegen,  hat  also  eine  andere  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit als  der  hiezu  senkrecht  polarisierte,  womit  die  elektrische 
Doppelbrechung  erklärt  ist. 

Der  Gangunterschied  beider  Strahlen  ist  cet.  par.  dem 
Quadrate  der  elektrostatischen  Feldstärke  pro- 
portional, wie  dies  tatsächlich  durch  die  Messungen  des  Ent- 
deckers dieser  Erscheinung,  Kerr,  und  anderer  Beobachter 
festgestellt  ist. 

76.  Sehr  wichtig  und  charakteristisch  ist  die  Folgerung 
meiner  Theorie,  daß  das  senkrecht  zu  der  elektrostatischen 
Kraft  schwingende,  linear  polarisierte  Licht  keinerlei  Einfluß 
von  Seite  des  elektrostatischen  Feldes  erfahrt.  Der  ganze  Gang- 
unterschied kommt  also  ausschließlich  durch  die  Beeinflussung 
des  anderen  Strahles  zu  stände. 

Tatsächlich  hat  Kerr  beobachtet,  daß  der  senkrecht  zu 
der  Ebene  der  elektrostatischen  Kraft  und  der  Fortpflanzungs- 
richtung schwingende  Strahl  keine  erkennbare  Einwir- 
kung von  Seite  des  elektrostatischen  Feldes  erfahrt,  wobei 
seine  Interferenzexperimente  so  empfindlich  waren,  daß  ihm 
eine  solche  Einwirkung,  wenn  sie  nur  Yioo  ^^^  Einwirkung  auf 
den  anderen  Strahl  erreichen  würde,  nicht  hätte  entgehen 
können.  Dies  ist  eine  sehr  zu  Gunsten  meiner  Theorie 
sprechende  Tatsache. 

Nur  im  Nitrobenzol,  welches  auch  eine  ganz  ungewöhn- 
lich starke  elektrische  Doppelbrechung  zeigt,  findet  eine  Aus- 
nahme statt.  In  diesem  Stoffe  erfährt  auch  der  sonst  unbeein- 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  495 

flußte  Strahl  einen  Einfluß  von  Seite  des  elektrostatischen 
Feldes,  der  allerdings  kleiner  ist  als  auf  den  anderen  Strahl. 
Eine  der  Voraussetzungen  unserer  Rechnung  trifft  also  speziell 
für  diesen  offensichtlich  eine  besondere  Stellung  einnehmenden 
Stoff  nicht  zu.  Vielleicht  ist  a^  für  denselben  nicht  ver- 
schwindend klein. 

77.  Die  elektrische  Doppelbrechung  ist  ferner  proportional 
dem  Produkte  der  Konstanten  a^  und  a^.  Ein  Stoff,  in  welchem 
also  nur  eine  dieser  Konstanten  Null  ist,  zeigt  keine  elektrische 
Doppelbrechung.  Das  Vorzeichen  der  elektrischen  Doppel- 
brechung hängt  von  dem  Vorzeichen  dieser  beiden  Konstanten  ab. 

Für  die  Gase  ist  a^  präzise  gleich  Null,  deshalb  zeigen 
diese  präzise  keine  elektrische  Doppelbrechung,  obgleich  a^  für 
verdünnte  Gase  beträchtlichen  Wert  hat. 

78.  Schließlich  möge  darauf  aufmerksam  gemacht  werden, 
daß  ein  Strahl,  welcher  die  Einwirkung  von  Seite  des  elektro- 
statischen Feldes  erfahrt,  da  seine  elektrische  Schwingung  c^ 
den  Poynting'schen  Energiefluß  bestimmt,  selbstverständlich 
ein  rein  transversaler  Strahl  bleibt.  Jedoch  fällt  die  Strahl- 
richtung nicht  in  die  Wellennormale,  so  daß  die  dem  Strahle  zu 
Grunde  liegende  Welle  teilweise  longitudinal  ist. 

Die  Abweichung  der  Strahlrichtung  von  der  Wellennormale 
ist  ungemein  klein  und  aus  (161)  und  (158)  leicht  zu  berechnen. 
Die  Tangente  dieses  Ablenkungswinkels  ist: 

2 


Cxti  2     CpXC 


20.  Magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichtes. 

79.  Wir  gehen  nun  wieder  zu  den  Amplitudengleichungen 
(152)  zurück  und  nehmen  jetzt  an,  daß  Co  — 0,  daß  also  kein 
starkes  elektrostatisches  Feld  vorhanden  ist.  Dann  hindert 
nichts,  anzunehmen,  daß: 

n-tj  =  0 
und 

«•Ca  =  0. 


496  G.  Jaumann, 

Es  sind  also  rein  transversale  elektromagnetische 
Wellen  in  diesem  Falle  möglich  und  die  Amplitudengleichungen 
(152)  nehmen  die  einfache  Form  an: 


So ^tt*)ei+&2Wtt-ttiottxc,=3-0,  (164,1) 


(eo— —  tt»)cj— &,«/«.  Wo«  xCi^O.  (164,2) 

Es  hat  also  in  diesem  Falle  nur  die  longitudinale  Kom- 
ponente des  statischen  magnetischen  Feldes  nto  Einfluß  auf  den 
Strahl. 

Man  ersieht  ferner,  daß  diese  zwei  Gleichungen  in  Bezug 
auf  die  Amplituden  e^  und  Cg  der  beiden  um  eine  Viertelwellen- 
länge  gegeneinander  verschobenen  Schwingungen  des  elek- 
trischen Vektors  ganz  symmetrisch  sind,  daß  femer  c^  und  c, 
stets  zueinander  senkrecht  sind.  Es  ist  also  kein  anderes  als 
Zirkular  polarisiertes  Licht  in  einem  Medium  möglich, 
dessen  Konstante  b^  von  Null  verschieden  ist 

Multiplizieren  wir  jede  der  beiden  Gleichungen  (164)  mit 
dem  Faktor,  welchen  e,  in  ihr  hat,  und  addieren,  so  ergibt  sich: 

eo-  -^it«  =  dob^n/n^m^,  (165) 

ro 

worin  mo=^Ctt-mo. 

Setzt  man  dies  in  (164,  1)  ein,  so  ersieht  man,  daß  bei 
gegebener  Richtung  c^  die  andere  Amplitude  Cg  ihr  Vorzeichen 
wechselt,  je  nachdem  man  das  obere  oder  untere  Vorzeichen 
in  (165)  wählt,  es  ist  also  eine  rechtszirkulare  ebensowohl  als 
eine  linkszirkulare  Welle  möglich. 

Aus  (165)  folgt: 

c«=-^db-«— itto.  (166) 

Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten  der  rechtszirkularen, 
beziehungsweise  linkszirkularen  Welle  weichen  also  um  gleiche, 
aber  entgegengesetzte  Beträge  von  der  normalen  Lichtgeschwin- 
digkeit ab.  Der  Gangunterschied  wird  nur  durch  die  longi- 
tudinale Komponente  m^  der  magnetischen  Feldstärke  bestimmt. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  497 

SO  daß  er  cet  par.  desto  kleiner  ist,  je  schiefer  die  Strahlen 
gegen  die  magnetische  Feldstärke  verlaufen.  Werden  beide 
Strahlen  gespiegelt,  so  daß  sie  auf  dem  eben  zurückgelegten 
Weg  in  umgekehrter  Richtung  zurückkehren,  so  ist  der  rechts- 
zirkulare  Strahl  nun  linkszirkular  und  umgekehrt  Aber  auch  Wq 
in  Gleichung  (166)  hat  nun  umgekehrte  Richtung,  so  daß  der 
auf  dem  Hinwege  vorauseilende  Strahl  auch  auf  dem  Rück- 
wege vorauseilt  und  sich  also  der  Gangunterschied  weiter  ver- 
stärkt. 

Hiemit  ist  die  Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichtes 
vollkommen  erklärt. 

21.  Dispersion  der  magnetischen  Drehung  der  Polarisations- 
ebene. 

80.  Nun  möge  der  Gangunterschied  der  beiden  entgegen- 
gesetzt zirkularpolarisierten  Strahlen  ausführlicher  berechnet 
werden.  Nach  (166)  ist: 

c=      .fl— d=  — 8.  (167) 

N/eoft)         2 

Bezeichne  Sq  die  longitudinale  Komponente  der  magne- 
tischen Feldstärke  m^,  so  ist: 


--U 


^■•  =  -T\/^^""         <'»"> 


die  Differenz  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten  der  beiden 
Wellen.  Diese  Differenz  muß  der  ersten  Potenz  der  Schwingungs- 
dauer t  verkehrt  proportional  sein,  weil  nach  (151)  n/  in  dieser 
Weise  von  der  Schwingungsdauer  abhängt.  Es  ist: 

n/  =  —  JLlo£o_  (jgg) 

Aus  der  Differenz  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten 
ergibt  sich  die  Drehung  der  Polarisationsebene  d  für 
die  Längeneinheit  in  folgender  Weise: 

t    4 


498 


G.  Jaumann, 


Es  ergibt  sich  also  schließlich: 


4=r  e. 


Ä 


2 


.2 


2 


/iiLAi«. 


C?  *.   "^   ~     X«   V    ft)      *4 


«0 


(170) 


worin  X  die  Wellenlänge  ist. 

Es  muß  also  die  Drehung  der  Polarisationsebene  dem 
Quadrate  der  Schwingungszahl  n  des  Lichtstrahles 
gerade  proportional  sein. 

Es  ist  dies  bekanntlich  wirklich  mit  großer  Annäherung 
der  Fall.  Keine  andere  einkonstantige  Formel  als  eine  von 
der  Form  (170)  stellt  die  Dispersion  der  Rotationspolari- 
sation hinreichend  dar.  Um  das  ungünstigste  Beispiel  anzu- 
führen ist  für  Schwefelkohlenstoff  nach  Verdet: 


Fraunhofer- 
linie 

n  10-1* 

«2  10-28 

d 
beobachtet 

J.T«.10»8 

C 

0-460 

0-211 

0-59 

2-80 

D 

0-513 

0-263 

0-76 

2-90 

B 

0-581 

0-338 

1-00 

2-96 

F 

0-621 

0-386 

1-23 

3-19 

G 

0-685 

0-469 

1-70 

3-52 

Wenn  auch  die  Zahlen  der  letzten  Kolonne  einen  deut- 
lichen Gang  zeigen,  so  sind  sie  doch  in  erster  Annäherung 
merklich  konstant. 

Der  Umstand,  daß  diese  einkonstantige  Dispersionsformel 
(170)  ganz  ohne  alle  Zusatzhypothesen,  ja  sogar  unter  mög- 
lichst vereinfachter  Rechnung  aus  meiner  Theorie  folgt, 
spricht  sehr  zu  Gunsten  derselben. 

Die  natürliche  Dispersion  und  auswählende  Absorption 
sind  in  meiner  Theorie  nicht  berücksichtigt.  Kein  Zweifel,  daß 
diese  Eigentümlichkeiten  des  Mediums  auch  auf  sein  magneto- 
optisches Verhalten  nicht  ohne  Einfluß  sind,  wodurch  sich  der 
Gang  obiger  Zahlen  erklären  mag.   Umso  bemerkenswerter  ist 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  499 

aber,  daß  nach  meiner  Theorie  die  Dispersion  der  Rotations- 
polarisation im  wesentlichen  unabhängig  ist  von  der  natür- 
lichen Dispersion  und  auswählenden  Absorption  und  nach 
meinen  Differentialgleichungen  auch  in  vollkommen  durch- 
sichtigen und  geringe  Refraktionsdispersion  zeigenden  Medien 
eintreten  muß. 

22.  Dichroismus  der  Zirkularpolarisation  in  absorbierenden 

Medien. 

81.  Schließlich  möge  der  Einfluß  der  auswählenden 
Absorption  des  Mediums  auf  sein  magnetooptisches  Ver- 
halten untersucht  werden.  Die  auswählende  Absorption  erklärt 
sich  durch  chemische  Eigenschwingungen  des  Mediums.  Diese 
Absorption  des  Lichtes  im  unelektrischen  und  unmagnetischen 
Felde  ergibt  sich  aber  nicht  nach  meinen  Differentialgleichungen 
wenigstens  nicht  besser  als  nach  der  Maxwell'schen  Theorie, 
nämlich  nur  durch  Annahme  einer  natürlichen  Leitfähigkeit  Yq 
des  Mediums,  welche  die  Dämpfung  r^  des  Lichtes  bewirken  muß. 
Die  auswählende  Dämpfung  kann  man  in  der  Weise  in  die 
Differentialgleichungen  einführen,  daß  man  annimmt,  daß  diese 
Leitfähigkeit  Yo  eine  entsprechende  Funktion  der  Schwingungs- 
zahl H  ist: 

Yo  =  2ir«v  (171) 

Will  man  z.  B.  die  auswählende  Absorption  eines  Stoffes 

in    die    Differentialgleichungen    einführen,    welcher    bei    der 

Schwingungszahl  n^  einen  Absorptionsstreifen  hat,  so  kann 

man  setzen: 

Xo  =:  Jfe  ^r-^(«-»«)*    (k  und  c  konstant).  (172) 

Je  größer  die  Konstante  c  angenommen  wird,  desto 
schmäler  ist  die  Absorptionslinie.  Freilich  ist  dies  nur  ein  Not- 
behelf. Aber  man  geht  doch  weit  sicherer,  wenn  man  sich  für 
denselben  entscheidet,  als  wenn  man  die  auswählende  Absorp- 
tion gar  nicht  in  die  Gleichungen  einführt,  da  man  sie  nach- 
träglich doch  berücksichtigen  muß.  Hingegen  können  wir  immer 
nachträglich  Yo  gleich  Null  setzen,  so  daß  die  Annahme  (171) 
in  ihren  Wirkungen  kontrolliert  und  eventuell  nachträglich 
fallen  gelassen  werden  kann. 


500  G.  Jaumann, 

89.  In  einem  absorbierenden  Medium  ist  die  Dämpfungs- 
konstante x  der  Lichtwellen  nicht  klein  und  dies  hat  einen 
merklichen  Einfluß  auf  das  Verhalten  des  Lichtes 
in  starken  elektromagnetischen  Feldern,  weil  die 
Konstanten  cp,  tp',  tv  und  *f/  der  Welle  nach  (56),  (57),  (61) 
und  (62)  von  der  Dämpfung  x  abhängen. 

Dies  ist  die  Ursache,  warum  wir,  ohne  den  Rahmen  dieser 
Theorie  zu  überschreiten,  auf  die  auswählende  Absorption 
Rücksicht  nehmen  müssen. 

Die  magnetooptischen  Wirkungen  der  Absorption  beruhen 
darauf,  daß  wegen  des  beträchtlichen  Wertes  von  x  nach  (61) 
die  Konstante  fv  auch  in  einem  gewöhnlichen  Medium,  welches 
selbst  nur  vorübergehend  keine  magnetische  Leitfähigkeit 
anzunehmen  vermag,  für  welches  also  ^  =  0  ist,  den  Wert: 

fv=—-^'-^x  (173) 

hat,  während  iv  für  ein  durchsichtiges  Medium  nach  (151)  den 
Wert  Null  hat. 

Ferner  dürfen  wir  nun  in  den  elektrischen  Amplituden- 
gleichungen (67)  ebenfalls  die  mit  x  behafteten  Glieder  nicht 
vernachlässigen.  Dieselben  nehmen  bei  Abwesenheit  eines 
elektrostatischen  Feldes  und  für  transversale  Strahlen,  also  für 

Co=^0,     tt.Ci=0,     tt-Ca  =  0  (174) 

die  Form  an: 


{h 


+&2(^«^ei-f-n/iixea)tt*mo=^0,      (175,  1) 
•{•b^{fvn>^t2 — w'nxCi)tt-tiio=^0,      (175,  2) 


in  welchen  Gleichungen  ferner  berücksichtigt  wurde,  daß  die 
Leitfähigkeit  y^  als  von  Null  verschieden  angenommen  werden 
soll. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  501 

Trennen  wir  die  Glieder  dieser  Gleichungen,  welche  die 
Richtung  c^,  bezüglich  c,  haben,  unter  der  Voraussetzung,  daß 
wieder  diese  beiden  gegeneinander  um  eine  Viertelwellenlänge 
verschobenen  Schwingungen  aufeinander  senkrecht  stehen,  so 
ergibt  sich: 


(' 


"    h, 


2-tt»lei+&jn/wxejtt-mo-ä=0,  (176,1) 


T  c5 

Toe2— 2-^xtt2ej4-*2w«xei«.moiO,        (177,1) 


2i:  ■"''        {lo 

So—-^n*]t,-b,tt/tt^t,tt'Xtto^O,  (176,2) 

1*0 


YoCi+2-®  xii2ei-f-&2«;nxe8tt*nto=^0.     (177,  2) 


2ic  •«  ^        ft) 

Tatsächlich  können,  obgleich  nun  doppelt  so  viel  Glei- 
chungen als  Unbekannte  gewonnen  sind,  dennoch  diese  Glei- 
chungen leicht  erfüllt  werden,  woraus  folgt,  daß  die  Annahme, 
daß  Cj  und  tg  aufeinander  senkrecht  stehen,  richtig  ist. 

Die  Gleichungen  (176,1)  und  (176,2)  sind  identisch  mit 
(164,  1)  und  (164,  2).  Das  Medium  zeigt  also  wieder  magne- 
tische Drehung  der  Polarisationsebene,  d.  h.  es  sind  in 
demselben  nur  zirkuläre  Lichtwellen  möglich,  auch  die  Dis- 
persion der  Drehung  der  Polarisationsebene  berechnet  sich  so 
wie  in  Kapitel  21.  Hienach  hätte  die  auswählende  Absorption 
des  Mediums  keinen  Einfluß  auf  die  Dispersion  der  Rotations- 
polarisation, dies  ist  aber  nur  in  erster  Annäherung  richtig. 

Wir  haben  nämlich  in  den  Gleichungen  (176),  obwohl  wir 
die  Dämpfung  x  nicht  vernachlässigen  durften,  doch  x*  gegen  1 
vernachlässigt,  was  nur  in  erster  Annäherung  gestattet  ist,  so 
daß  strenge  genommen  die  Gleichungen  (176)  nicht  ganz 
identisch  mit  den  Gleichungen  (164)  sind,  was  gerade  die  Dis- 
persion der  Rotationspolarisation  ein  wenig  beeinflussen  muß. 

Die  Gleichungen  (177,  1)  und  (177,2)  sind  identisch,  wenn 
man  berücksichtigt,   daß  c^  und  Cg  gleiche  Größe  haben  und 


502  G.  J  au  mann, 

aufeinander  senkrecht  stehen.  Multiplizieren  wir  (177,  1)  skalar 
mit  e,  [oder  auch  (177,  2)  skalar  mit  ej,  so  ergibt  sich: 

Yo— 2-^-xtt2)cf+&2wn-(eiXCa)it-iiio  =  0.       (178) 


27C      "  |lo 

Nun  ist: 


t,xt,^±tln-^^-..  (179) 


v/ 


Soft) 

Hiemit  ist  nur  ausgedrückt,  da6  e^  und  e^  gleich  groß  sind, 
aufeinander  und  auf  n  senkrecht  stehen  und  daß  die  reziproke 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  n  mit  für  diesen  Zweck  weitaus 

hinreichender  Annäherung  die  Größe       ^^    hat.  Das  obere 

Vorzeichen  in  (179)  gilt  für  den  rechtszirkularen, 
das  untere  Vorzeichen  für  den  linkszirkularen  Strahl. 
Setzt  man  (179)  in  (178)  ein,  so  ergibt  sich  jene  Bedingung 
für  die  Konstanten,  welche  die  Dämpfung  x  der  beiden  ent- 
gegengesetzt Zirkularen  Strahlen  bestimmt.  Es  ist: 


-^To-~2goXd=fr,n;^'^'^  n-moz^o.  (180) 

Die  beiden  entgegengesetzt  zirkulären  Strahlen 
werden  verschieden  stark  absorbiert.  Es  muß  jedes 
Medium,  dessen  Konstante  b^  von  Null  verschieden  ist,  welches 
also  überhaupt  Drehung  der  Polarisationsebene  zeigt,  auch 
Dichroismus  der  beiden  entgegengesetzt  zirkulären 
Strahlen  zeigen,  wenn  nur  aus  irgend  einem  Grunde  die  Kon- 
stante fv  von  Null  verschieden  ist. 

Die  Undurchsichtigkeit  des  Mediums  ist  allerdings  meist 
der  Grund,  warum  nach  (173)  tv  von  Null  verschieden  ist,  doch 
ist  diese  Rolle  der  auswählenden  Absorption  des  Mediums 
offenbar  nebensächlich. 

Führen  wir  den  Wert  (173)  in  (180)  ein,  so  ergibt  sich: 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  503 


worin : 


*4    V    IS) 


Diesen  Dichroismus  der  Rotationspolarisation  zeigt  nach 
neueren  Untersuchungen  besonders  das  Eisen  sehr  deutlich. 
Gerade  bei  diesem  könnte  die  bedeutende  Größe  des  Wertes  fv 
auch  von  der  Größe  des  Wertes  q  herrühren,  also  von  der 
magnetischen  Leitfähigkeit  des  Eisens.  Doch  ist,  wie  aus 
obigem  hervorgeht,  auch  für  magnetisch  nicht  leitfähige  Sub- 
stanzen in  der  Nähe  einer  Absorptionslinie  Dichroismus  bei  der 
Zirkularpolarisation  zu  erwarten. 

23.  Der  Zeemaneffekt. 

82.  Die  Ausführungen  des  vorhergehenden  Kapitels  gelten 
für  alle  absorbierenden  Stoffe,  also  auch  für  alle  dichten  Gase 
und  glühende  Metalldämpfe.  Auch  diese  zeigen,  wenn  auch  in 
geringem  Maße,  magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene, 
ihre  Konstante  b^  ist  also  von  Null  verschieden,  wenn  auch  oft 
äußerst  klein.  Dafür  muß  nach  (173)  die  Konstantem  in  der 
Nähe  einer  Absorptionslinie  sehr  große  Werte  annehmen. 

Die  dichten  Gase  und  glühenden  Metalldämpfe  werden 
also,  wenigstens  in  der  Nähe  einer  Absorptionslinie,  Dichrois- 
mus der  Rotationspolarisation  zeigen  und  hiedurch 
erklärt  sich  das  Zeeman*sche  Phänomen. 

Es  muß  die  Dämpfung  der  Lichtstrahlen  mit  den  Schwin- 
gungszahlen w,  welche  in  der  Nähe  der  in  der  Absorptionslinie 
am  stärksten  absorbierten  Schwingungszahl  Hq  liegen,  durch 
ein  Gesetz  von  ungefähr  der  Form  (172)  bestimmt  sein.  Jeden- 
falls muß  die  Absorption  durch  eine  gerade  Potenz  von 
(n — «0)  mit  einem  scharfen  Maximum  bei  n — n^  =  0  bestimmt 
sein.  Darauf  allein  kommt  es  hier  an  und  nur  dies  setzen  wir 
voraus. 

Wenn  aber  das  Licht  sich  in  der  Richtung  einer  starken 
magnetischen  Kraft  fortpflanzt,  so  ist  nach  (181)  seine  natür- 
liche Dämpfung  x^  um  einen  Bruchteil  vermehrt,  welcher  der 
magnetostatischen  Feldstärke  m^  gerade  und  der  Schwin- 
gungsdauer t  verkehrt   proportional    ist.   Die  Ursache 

Sitzb.  d.  mAthem.-naturw.  Kl. ;  CXV7.  Bd.,  Abt.  II  a.  33 


504  G.  Jaumann, 

davon  liegt  in  den  Grundlagen  der  Theorie  und  ist  nicht  durch 
eine  Zusatzannahme  hinzugekommen.  Wenn  man  dieser  Ur- 
sache nachgeht,  so  findet  man,  daß  die  Konstante  der  Welle  tv 
deshalb  der  Schwingungsdauer  verkehrt  proportional  ist,  weil 
nach  der  Grundgleichung  (F),  §  29,  die  Abweichung  der  dia- 
magnetischen Dyade  (x  von  ihrem  Ruhewerte  \Iq  durch  eine 
Derivation  der  elektrischen  Vektorverteilung  bestimmt  ist.  Auch 
muß  hier  daran  erinnert  werden,  daß  aus  der  gleichen  Ursache 
sich  nach  Kapitel  21  die  Dispersion  der  magnetischen 
Drehung  erklärt. 
Nach  (181)  ist: 

x  =  Xo  (1  dtm^n),  (182) 

Zufolge  dieser  von  der  Schwingungszahl  abhängenden 
magnetischen  Dämpfung  liegt  nun  das  Maximum  der  Absorption 
nicht  mehr  bei  der  Schwingungszahl  Kq,  d.  h.  die  Absorp- 
tionslinie verschiebt  sich  zufolge  der  magnetischen 
Wirkung. 

Um  die  neue  Lage  des  Absorptionsmaximums  zu  be- 
rechnen, differenzieren  wir  Gleichung  (182)  nach  n  und  erhalten 
für  die  Schwingungszahl  n^  des  Absorptionsmaximums  im 
magnetischen  Felde: 

<^{^i  -  Wo)  (1  =b  Wo  ff)  =b  Wo  =  0.  (1 83) 

welche  Gleichung  sich  hinreichend  genau  in  der  Form  schreiben 
läßt: 

AM 

«i-«o  =  =F-^;  (184) 

von  dem  Doppelvorzeichen  bezieht  sich  das  obere  auf  den 
rechtszirkularen,  das  untere  auf  den  linkszirkularen  Strahl.  Für 
diese  beiden  Strahlen  ist  also  das  Absorptionsmaximum  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  zufolge  der  magnetischen 
Wirkung  aus  dem  natürlichen  Absorptionsmaximum  ver- 
schoben. 

In  jedem  Medium,  ausgenommen  die  sehr  verdünnten 
Gase,  kann  also  in  der  Richtung  einer  starken  magnetischen 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  505 

Kraft  im  allgemeinen  nur  zirkuläres  Licht  fortschreiten.  Der 
rechtszirkulare  und  linkszirkulare  Strahl  sind  stets  etwas  ver- 
schieden stark  gedämpft  und  dieser  Unterschied  der  magne- 
tischen Feldstärke  proportional.  Die  Absorptionslinien  in  dem 
rechtszirkularen,  beziehungsweise  linkszirkularen  Spektrum 
sind  aus  ihrer  natürlichen  Lage  in  entgegengesetztem  Sinne 
verschoben. 

Umgekehrt  sendet  nach  dem  KirchhofT'schen  Prinzip  ein 
leuchtender  Dampf  in  der  Richtung  der  starken  magnetischen 
Kraft  des  Feldes,  in  welchem  er  sich  befindet;  statt  einer  natür- 
lichen Emissionslinie  nach  (184)  das  Zeeman*sche  Duplet 
von  zwei  in  entgegengesetzter  Richtung  im  Spektrum  ver- 
schobenen, entgegengesetzt  zirkularpolarisierten  Linien  aus. 

Hiemit  ist  der  Zeeman'sche  Longitudinaleffekt  im 
Prinzip  befriedigend  aus  den  Differentialgleichungen  meiner 
Theorie  ohne  jede  besondere  Zusatzannahme  erklärt. 

Aus  (181)  folgt,  daß  die  Distanz  der  beiden  Linien  des 
Duplets  der  magnetischen  Feldstärke  proportional  ist. 

Ferner  ist  nach  (184)  der  Zeeman'sche  Longitudinaleffekt 
dem  Werte  c  verkehrt  proportional,  also  nach  (172)  desto 
größer,  je  weniger  scharf,  je  stärker  verbreitert  die 
Emissionslinie  ist.  Deshalb  erfahren  nur  die  Linien  der- 
selben Serie  miteinander  vergleichbare  Zerlegungen,  weil  die 
Linien  verschiedener  Serien  desselben  Elementes  oder  isolierte 
Linien  verschieden  stark  verbreitert  sind. 

Endlich  ist  nach  (184)  die  Differenz  der  Schwingungs- 
zahlen der  beiden  Komponenten  des  Duplets  für  Linien  der- 
selben Serie  gleich,  was  bekanntlich  experimentell  hinreichend 
bestätigt  ist.  Nach  (184)  sind  die  Verschiebungen  beider  Kom- 
ponenten gleich  und  entgegengesetzt,  wie  dies  meist  beob- 
achtet wird.  Die  seltener  beobachteten  unsymmetrischen  Ver- 
schiebungen derselben  könnten  durch  unsymmetrische  Ver- 
breiterung der  Spektrallinie  erklärt  werden.  Überhaupt  kann 
man  die  genaue  Form  des  Gesetzes  (184)  nur  für  symmetrisch 
verbreiterte  Spektrallinien  aufrecht  halten,  weil  dieselbe  von 
der  speziellen  Form  der  Absorptionsfunktion  (172)  abhängen 
könnte,  besonders  wenn  letztere  unsymmetrisch  ist,  d.  h.  die 
Spektrallinie  einseitig  verbreitert  ist. 

33* 


506  G.  J  au  mann, 

Der  Zeemaneffekt  erklärt  sich  also  aus  meinen  Differential- 
gleichungen durch  den  Dichroismus  der  magnetischen  Rotations- 
polarisation, also  durch  die  Abhängigkeit  des  Wertes  tu  von  der 
Dämpfung  der  Strahlen,  ohne  dafi  man  gezwungen  ist  anzu- 
nehmen, daß  das  magnetische  Feld  eine  direkte  Wirkung  auf 
die  chemischen  Eigenschwingungen  des  Mediums  hat,  welche 
die  Ursache  der  Emission  der  Spektrallinie  ist. 

24.  Die  magnetischen  Transversalwirkungen  auf  trans- 
versales Licht. 

83.  Nach  den  Amplitudengleichungen  (67)  werden  die 
Effekte  einer  transversal  gerichteten  magnetostatischen 
Kraft  Wo  durch  die  Glieder: 

&3(n;tt-ti-4-fi/tt*C2)ttxWo, 
beziehungsweise : 

bestimmt.  Ist  also  das  Licht  präzise  transversal,  d.  h.  ist 

tt*Ci  =  0     und     tfC2=:0, 

so  hat  eine  transversal  gerichtete  magnetische  Kraft  nach 
diesen  Gleichungen  keinen  Effekt. 

Eine  longitudinale  Komponente  nimmt  aber  nach  den- 
selben das  Licht  nur  an,  wenn  eine  elektrostatische  Kraft 
vorhanden  ist  und  die  Lichtschwingungen  nicht  senkrecht  zu 
derselben  erfolgen.  Obgleich  diese  longitudinale  Komponente 
der  Lichtschwingungen  meist  ungemein  klein  sein  wird,  könnte 
sie  doch  merkliche  Wirkungen  der  transversal  gerichteten 
magnetischen  Kraft  ermöglichen. 

Hieraus  folgt  ein  neues  experimentelles  Motiv.  Es  muß 
eine  elektromagnetische  Doppelbrechung  und  elektro- 
magnetische Zirkularpolarisation  geben,  das  sind  Wir- 
kungen, welche  in  manchen  Medien  deutlich  sein  dürften  und 
davon  abhängen,  daß  sich  das  Licht  in  einem  Felde  fortpflanzt, 
in  welchem  eine  starke  elektrostatische  Kraft  c^  und  eine  starke 
magnetostatische  Kraft  nto  gleichzeitig  vorhanden  sind,  und 
zwar  am  besten  so,  daß  e^  zu  nto  senkrecht  ist. 


Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern.  507 

84.  Bei  Abwesenheit  einer  elektrostatischen  Kraft  ist  aber 
nach  den  Gleichungen  (67)  keine  Ursache  vorhanden,  warum 
das  Licht  teilweise  longitudinal  sein  müßte  und  also  können 
diese  Gleichungen  keinen  rein  magnetischen  Trans- 
versaleffekt darstellen. 

Die  Ursache  davon  liegt  in  einer  Vernachlässigung,  welche 
wir  uns  der  dadurch  bedingten  außerordentlich  großen  Er- 
leichterung der  Rechnung  wegen  gestattet  haben.  Es  dürfte 
aufgefallen  sein,  wie  einfach  die  Rechnung  in  Kapitel  6  sich 
gestaltete,  obgleich  es  sich  doch  um  die  Lösung  von  nicht 
weniger  als  42  simultanen  Differentialgleichungen  handelt. 

Für  diese  Einfachheit  der  Rechnung  habe  ich  die  Möglich- 
keit der  Erklärung  der  rein  magnetischen  Transversalefifekte 
geopfert.  In  §  19  wurde  hervorgehoben,  daß  der  Einfachheit 
wegen  darauf  verzichtet  wurde,  die  Gleichungen  (VII)  und  (VIII) 
ganz  symmetrisch  auszugestalten.   Es  wurden  die  derivierten 

Dyaden 

a'V,  w    und     ft'V,  m 

der  magnetischen  Vektorverteilung  m,  welche  offenbar  nach 
dem  Prinzip  der  Dualität  in  (VII),  beziehungsweise  (VIII)  ihren 
Platz  finden  sollten,  einfach  weggelassen,  was  nur  für  solche 
Medien  gestattet  ist,  in  welchen  die  zugehörigen  sechs  Kon- 
stanten a'  und  V  Null  sind.  So  kommt  es,  daß  aus  den  Ampli- 
tudengleichungen wohl  die  wichtige  elektrische  Doppelbrechung 
erklärt  wird,  aber  die  dual  entsprechende,  allerdings  viel 
seltener  zu  beobachtende  magnetische  Doppel- 
brechung unerklärt  bleibt,  was  doch  sicherlich  nicht  meiner 
Theorie,  sondern  der  bezeichneten  Vernachlässigung  zur  Last 
zu  legen  ist. 

Der  Zeeman'sche  Transversaleffekt  beweist,  daß 
Licht,  dessen  elektrische  Schwingungen  in  der  Richtung  der 
magnetostatischen  Kraft  fallen,  keine  Wirkung  erfährt.  Die 
so  linear  polarisierte  Komponente  des  emittierten  Lichtes  bildet 
deshalb  die  mittlere  Linie  des  Triplets.  Hingegen  dürfte  das 
senkrecht  zur  magnetostatischen  Kraft  schwingende  Licht  auch 
bei  Abwesenheit  einer  elektrostatischen  Kraft  eine  longitudinale 
Komponente  annehmen  und  zufolgedessen  nach  obigen  Aus- 
führungen der  magnetischen  Transversalwirkung  unterliegen. 


508  G.  Jaumann,  Strahlungen  in  elektromagnetischen  Feldern. 

25.  Elektrische  Konvektion  des  Lichtes. 

85.  Schließlich  möge  es  gestattet  sein,  noch  auf  ein  neues 
experimentelles  Motiv  hinzuweisen.  Im  obigen  wurde  stets  die 
Konstante  a^  gleich  Null  gesetzt,  da  in  einem  Medium,  in 
welchem  diese  Konstante  einen  merklichen  Wert  hat,  ein  eigen- 
tümlicher, noch  nie  beobachteter  elektrischer  Longitu- 
dinaleffekt  nachweisbar  sein  müßte. 

Nun  ist  aber  ein  zwingender  Grund  nicht  vorhanden, 
warum  diese  Konstante  a,  in  keinem  Medium  von  Null  ver- 
schieden sein  sollte,  so  daß  anzunehmen  ist,  daß  dieser  Longi- 
tudinalefTekt  nur  deshalb  nicht  gefunden  wurde,  weil  er  noch 
nicht  gesucht  worden  ist 

Nach  den  Amplitudengleichungen  (67)  muß  in  einem 
Medium,  in  welchem  a^  einen  beträchtlichen  Wert  hat,  das 
Licht  in  der  Richtung  der  elektrostatischen  Kraft 
des  Feldes  mit  anderer  Geschwindigkeit  sich  fortpflanzen, 
als  in  der  gerade  entgegengesetz:en  Richtung,  ein  Unterschied, 
der  sich  durch  Ipterferenzversuche,  eventuell  durch  Reflexions- 
\*ersuohe  leicht  feststellen  üeße.  Insbesor.dere  das  Nitrobenzol 
wänf  daraufhin  zu  untersuchen. 


509 


Ober  das  Potential  der  Spannungskräfte  in 
elastischen  Körpern  als  Maß  der  Bruehgefahr 

von 

Dr.  Rudolf  Girtler, 

Assistent ßlr  Physik  an  der  k.  k.  Technischen  Hochschule  in  Wien. 
(Mit  2  Tafeln  und  2  Textfiguren.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  28.  Februar  1907.) 

I. 

Die  Festigkeit  eines  bestimmten  Stoffes,  d.  h.  der  Wider- 
stand gegen  eine  Trennung  seiner  Moleküle  ist  für  den  Physiker 
in  demselben  Maße  interessant  wie  für  den  Ingenieur,  wenn 
auch  beide  ihre  Untersuchungen  zu  einem  anderen  Endzweck 
ausführen.  Der  Techniker  betrachtet  in  der  Regel  in  erster 
Linie  Materialien,  welche  ihrer  Form  und  ihrem  Inhalte  nach 
für  seine  technischen  Konstruktionen  von  Wichtigkeit  sind 
und  legt  gewöhnlich  den  Anschauungen,  inwieweit  seine 
Resultate  mit  den  anderen  physikalischen  Eigenschaften  in 
Zusammenhang  stehen,  weniger  Wert  bei.  Aber  gerade  dem 
letzteren  muß  der  Physiker,  der  nach  einem  einheitlichen  Natur- 
bilde strebt,  die  größte  Beachtung  schenken.  Liegen  schon 
deswegen  über  das,  was  bei  einer  bestimmten  Angriffsweise 
von  Oberflächen-  und  äußeren  Massenkräften,  welche  auf  den 
gegebenen  Körper  wirken,  für  das  Zustandekommen  des  Bruches 
maßgebend  sei,  einander  widersprechende  Anschauungen  beider 
oben  bezeichneten  Richtungen  vor,  so  wird  die  Zahl  der 
Meinungen  über  diesen  Gegenstand  noch  vermehrt  durch  die 
Schwierigkeit  der  Frage  an  sich. 


510  R.  Girtler, 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Einflüsse,  welche  bei  den  Experi- 
mentaluntersuchungen  zu  berücksichtigen  sind,  die  Schwierig- 
keit der  Beobachtung,  die  wirkliche  Herstellung  jener  Bedin- 
gungen, welche  man  theoretisch  voraussetzt,  sind  daran  haupt- 
schuldtragend. Auf  den  letzten  Umstand  hat  Prof.  Föppl^ 
sehr  nachdrücklich  hingewiesen.  Er  hat  durch  Versuche  gezeigt, 
daß,  wenn  ein  Würfel  zwischen  zwei  Druckplatten  gepreßt 
wird,  keine  reine  Druckelastizitätswirkung  eintritt,  sondern  daß 
infolge  der  an  den  Würfelflächen  auftretenden  Reibung  ein 
sehr  komplizierter  Beanspruchungsfall  entsteht.  Dadurch  werden 
auch  alle  jene  Folgerungen,  welche  daraus  in  der  falschen 
Meinung,  es  liege  reine  Druckelastizität  vor,  für  die  Druck- 
festigkeit des  gepreßten  Stoffes  gezogen  wurden,  hinfällig.  Da 
die  Reibung  nie  ganz  durch  Schmiermittel  zu  eliminieren  ist, 
so  ist  die  Herstellung  reiner  linearer  Druckelastizität  so  gut  wie 
unmöglich. 

Die  Unzulänglichkeit  der  molekularen  Theorie  fester 
Körper,  welche  bei  Gasen  ein  so  schönes  Bild  ihrer  Gesetze 
gezeitigt  hat,  läßt  es  gar  nicht  erwarten,  daß  in  absehbarer  Zeit 
jene  Gesetzmäßigkeit  in  obige  Frage  gebracht  wird,  welche  von 
einer  nach  allen  Richtungen  ausgebauten  Theorie  zu  erwarten 
ist,  die  auf  unzweifelhaften  Beobachtungstatsachen  im  Vereine 
mit  wertvollen  Hypothesen  ruht.  Es  muß  Schritt  für  Schritt 
weiter  gekämpft  werden  und  einen  solchen  Schritt  möchte  ich 
im  Folgenden  gerne  unternommen  haben. 

II. 

Ich  werde  zuerst  möglichst  kurz  die  heute  gebrauchten 
Anschauungen  über  das  Maß  der  ßruchgefahr  einer  Betrachtung 
unterziehen. 

Unter  allen  diesbezüglichen  Annahmen  erfreut  sich  die 
von  Kavier*  aufgestellte  und  in  der  Folge  von  de  Saint- 
Venant  und  in  Deutschland  besonders  von  F.  Grashof  ver- 
fochtene,    wegen    ihrer    verhältnismäßigen    Einfachheit    der 


1  A.  Föppl,  Mitteilungen  aus  dem  mech.-techn.  Laboratorium  in  München, 
Heft  27  bis  29. 

2  L.  M.  H.  Kavier,  Resistence  des  corps  solides. 


Potential  der  Spannungskräfte.  511 

weitesten  Verwendung.  Sie  besagt,  dafi  die  Bruchgefahr  in 
einem  Punkte  eines  Körpers  um  so  größer  sei,  je  größer  die  in 
diesem  Punkte  auftretende  größte  Hauptdilatation  ist. 

Die  Erfahrung  hat  gezeigt  —  insbesondere  sind  hier  die 
Versuche  W.  Voigt's^  und  Wehage's*  zu  erwähnen  —  daß 
diese  Anschauung  bei  einem  nichtlinearen  Spannungszustande 
sicher  falsch  ist,  und  daß  bei  einem  Spannungszustande  mit 
zwei  gleichen  Hauptdilatationen  beide  Hauptdilatationen  in  das 
Maß  der  Bruchgefahr  eintreten  müssen.  Voigt  zerriß  ein  Stein- 
salzprisma und  in  der  Folge  ein  Stäbchen  aus  einem  Gemische 
von  Stearin,  Palmitinsäure  und  Paraffin  zuerst  in  Luft  und  dann 
in  komprimierter  Kohlensäure  und  fand  die  Zerreißungslast  in 
beiden  Fällen  gleich.  Wehage  fand,  daß  ein  Stahlzylinder,  der 
normal  zur  Achse  von  innen  durch  eine  Flüssigkeit  gepreßt 
wurde,  bei  gleichzeitigem  Zuge  parallel  zur  Achse  des  Zylinders 
bei  einem  kleineren  Zuge  zerriß,  als  in  dem  Falle,  wo  der  Zug 
parallel  zur  Achse  allein  vorhanden  war.  Das  Versuchsresultat 
Voigt's  stimmt  also  mit  dem  von  Wehage  nicht  überein,  denn 
nach  Wehage  müßte  der  Paraffinstab  in  Kohlensäure  bei  einer 
größeren  Last  als  der  in  Luft  zerrissen  worden  sein.  Voigt  zieht 
aus  seinen  Versuchen  den  Schluß,  daß  die  Differenz  zwischen 
den  beiden  gleichsinnig  gerechneten  Hauptspannungen  normal 
und  parallel  zum  Zerreißungsquerschnitt  eine  für  den  Moment 
des  Zerreißens  charakteristische  Konstante  sein  müsse. 

Zu  einer  allgemeineren  Ansicht  kommt  Prof.  Mohr,®  der  die 
Diff'erenz  der  größten  und  kleinsten  Hauptspannung  als  Krite- 
rium der  Beanspruchung  betrachtet  und  sie  aus  den  Versuchs- 
reihen, welche  Bausch inger  in  München  angestellt  hatte, 
schloß. 

IIL 

Es  fragt  sich  nun,  inwieweit  man  überhaupt  berechtigt  ist, 
die  Deformationsgrößen  allein  als  Maß  der  Beanspruchung  hin- 


1  W.  Voigt,  Wied.  Ann.,  Bd.  53,  1894,  p,  43  bis  56;  Bd.  67,  1899,  p.  452 
bis  458. 

>  Wehage,  Mitteilungen  der  techn.  Versuchsanstalt  zu  Berlin,  6.  Jahrg., 
1888. 

>  O.  A.  Mohr,  Zivilingenieur,  1882. 


512  R.  Girller, 

zustellen.  Die  Anstrengung  in  einem  Punkte  eines  festen  Stoffes 
muß  offenbar  durch  eine  Funktion  der  infolge  einer  Belastung 
seiner  Oberfläche  auftretenden  Veränderungen  im  allgemeinen 
und  der  physikalischen  Eigenschaften  im  besonderen  gemessen 
werden.  Diese  Veränderungen  werden  aber  bei  einem  Körper 
von  bestimmter  chemischer  Beschaffenheit  unter  sonst  gleichen 
Umständen  verschieden  sein,  je  nachdem  seine  Temperatur  zu 
Anfang  des  Versuches  variiert,  die  Art  und  Zeit  der  Wirksam- 
keit der  äußeren  Kräfte  verschieden  ist  und  insbesondere,  wenn 
durch  der  Zeit  nach  vorhergehende  Beanspruchungen  seine 
molekulare  Beschaffenheit  geändert  wurde.  Auf  das  letztere,  zu 
dem  auch  die  sogenannte  elastische  Nachwirkung  zu  rechnen 
ist,  hat  Prof.  Föppl  in  bereits  zitierter  Abhandlung  hingewiesen 
und  unter  dem  Namen  »Vorgeschichte  des  Materials«  zu- 
sammengefaßt. Die  genannten  Veränderungen  sind  der  Haupt- 
sache nach:  Auftretende  innere  Reibung  /?,  Temperatur- 
erhöhung, beziehungsweise  Erniedrigung  und  Deformationen  X, 
die  mit  der  inneren  Reibung  in  einer  unbekannten  Beziehung 
stehen  müssen.  Die  innere  Reibung  zu  beurteilen,  liegt  bis 
heute  außer  dem  Bereiche  der  Möglichkeit,  ihr  Einfluß  wird 
jedoch  bei  manchen  Körpern,  wie  z.  B.  bei  Blei,  ein  sehr 
bedeutender  werden.  Sie  wird  bei  jenen  Eigenschaften  eines 
Stoffes,  welche  man  als  zäh,  dehnbar  etc.  bezeichnet,  neben 
den  Kohäsionskräften  eine  wichtige  Rolle  spielen.  Die  infolge 
Volumsänderung  auftretenden  Änderungen  der  Temperatur  des 
Körpers  ist  sicher  von  zu  vernachlässigendem  Einfluß.  Wenn 
wir  also  annehmen,  daß  ein  Körper  vorliegt,  dessen  innere 
Reibung  sehr  klein  ist,  so  kann  man  sagen,  daß  das  Maß  der 
Beanspruchung  in  einem  Punkte  eines  Körpers  eine  Funktion 
der  dort  auftretenden  Deformationen  X  sein  müsse,  was  wir 
symbolisch  mit 

V = m  (1) 

bezeichnen.  Sind  die  Größen  X  in  Gleichung  (1)  nur  elastischer 
Natur,  dann  verstehen  wir  unter  ihnen  die  aus  den  elastischen 
Grundgleichungen  folgenden  Hauptdilatationen  \,\9\9  durch 
welche  ja  der  Deformationszustand  in  einem  Punkte  vollkommen 
definiert  ist.  Die  elastischen  Grundgleichungen  berücksichtigen 


Potential  der  Spannungskräfle.  513 

bekanntlich  die  innere  Reibung  nicht.  Die  Größen  X  können 
aber  auch  unelastischer  Natur  sein,  d.  h.  die  äußeren,  auf  den 
Körper  wirkenden  Kräfte  sind  so  groß  geworden,  daß  die 
Elastizitätsgrenze  überschritten  wurde. 

Unelastische  Deformationen  können  bis  heute  theoretisch 
nicht  verfolgt  werden.  Der  Zusammenhang  zwischen  Deforma- 
tionen und  Spannungen  ist  dann  sicher  kein  linearer,  es  werden 
die  in  einem  Punkte  des  Körpers  auftretenden  Hauptspannungen 
Pi9  P%9  Ps  ^^  einem  anderen  als  dem  linearen  Funktional- 
zusammenhange mit  den  drei  Hauptdilatationen  \i\y\  stehen. 
Im  Bereiche  der  unelastischen  Deformationen  wird  die  innere 
Reibung,  wenn  sie  überhaupt  in  Rechnung  gezogen  werden 
muß,  von  bedeutenderem  Einfluß  sein  als  im  Gebiete  der 
elastischen  Formänderung. 

Für  elastische  Deformationen  nimmt  man,  den  Deduktionen 
Navier's^  und  Poisson's*  folgend,  an,  daß  die  Hauptspan- 
nungen linear  abhängig  seien  von  den  Hauptdilatationen.  Es 
wurde  durch  J.  O.  Thompson^  experimentell  gezeigt,  daß  eine 
solche  Abhängigkeit  nur  annähernd  besteht,  und  Prof.  Finger* 
entwickelte  dementsprechend  eine  Theorie,  in  welcher  die 
Spannungen  auch  neben  den  ersten  Potenzen  der  Deformations- 
elemente solche  in  der  zweiten  Potenz  enthalten.  Ich  erwähne 
das  hier  kurz,  um  mich  weiter  unten  darauf  berufen  zu  können. 
Unter  den  oben  näher  auseinandergesetzten  Beschränkungen 
ist  also  das  Maß  der  Beanspruchung  in  einem  Punkte  eines 
festen  Körpers  eine  Funktion  der  Größen,  welche  die  Deforma- 
tion in  diesem  Punkte  charakterisieren.  Für  gewöhnlich  führt 
man  in  dieses  Maß  nur  die  elastischen  Deformationen  ein  und 
setzt  seine  Gültigkeit  oberhalb  der  Elastizitätsgrenze  voraus, 
obwohl  in  diesem  Gebiete  bereits  nichtelastische  Deformationen 


1  L.  M.  H.  Kavier,  Memoire  sur  requilibre  et  le  monoement  des  corps 
solides  elastiques.  Memoires  de  I'Acad.  d.  Sciences  1824,  VII. 

2  S.  D.  P^oisson,  Memoire  sur  requilibre  et  le  monoement  des  corps  ela- 
stiques. Memoires  de  TAcad.  d.  Sciences  1828,  VIII. 

8  J.  O.  Thompson,  Ober  das  Gesetz  der  elast.  Dehnung.  Wied.  Ann. 
1891,  Bd.  44. 

^  J.  Finger,  Das  Potential  der  inneren  Kräfte  etc.  Diese  Sitzungsber.. 
Bd.  cm,  Abt.  IIa,  1894. 


514  R.  Girtler, 

vorhanden  sind.  Man  sagt  also,  es  sei  das  Maß  der  Bean- 
spruchung unterhalb  der  Elastizitätsgrenze  auch  ein  Maß  für 
die  Bruchgefahr. 

Das  ist  darin  begründet,  —  ganz  abgesehen  davon,  daß 
man  berechenbare  Größen  braucht  —  daß  bei  vielen  Körpern 
ein  Anwachsen  der  bestimmten,  die  Anstrengung  des  Materials 
ausdrückenden  Größe  an  gewissen  Stellen  unterhalb  der 
Elastizitätsgrenze  für  das  unelastische  Gebiet  eine  Verminde- 
rung der  Widerstandsfähigkeit  vorbereitet,  wodurch  an  diesen 
Stellen  der  Bruch  herbeigeführt  wird.  Das  kann  man  besonders 
von  feingekühlten  Gläsern  voraussetzen,  überhaupt  spröden 
Körpern,  deren  Elastizität  gering  ist. 

Nach  dem  Vorgeschickten  würde  man  meinen,  daß  man  in 
der  Geschichte  unserer  Frage  von  allem  Anfang  an  V  als 
Funktion  der  drei  Hauptdilatationen  (als  jenen  Größen,  welche 
die  Deformation  in  einem  Punkte  charakterisieren)  angesehen 
hätte.  Das  ist,  wie  wir  in  Teil  II  gezeigt  haben,  nicht  der  Fall, 
mit  einer  einzigen  Ausnahme,  die  ich  jetzt  nachträglich  be- 
sprechen werde. 

IV. 

E.  Beltrami^  hat  zuerst  den  Gedanken  ausgesprochen, 
daß  das  Potential  der  Spannungskräfte  pro  Volumseinheit  als 
Maß  für  die  Bruchgefahr  eines  Körpers  für  einen  bestimmten 
Punkt  desselben  angesehen  werden  müsse,  ohne  daß  diese 
Anschauung  zu  einer  Verbreitung  gekommen  wäre. 

Ehe  ich  die  Gründe  entwickle,  warum  ich  mich  für 
Beltrami  erkläre,  möchte  ich  noch  einzelne  Bemerkungen  an 
den  Teil  II  knüpfen.  Der  Schluß,  den  Prof.  Voigt  aus  seinen 
Versuchen  zog,  ist  als  der  einfachste  der  am  nächsten  liegende; 
man  könnte  aber  ebenso  schließen,  das  Maß  der  Beanspruchung 
müsse  für  jeden  einzelnen  Körper  eine  Funktion  der  Haupt- 
spannungsdifferenz in  dem  dort  bezeichneten  Sinne  sein.  Der 
Versuchsanordnung  liegt  auch  ein  spezieller  Spannungszustand 
zu  Grunde,  es  sind  nämlich  zwei  Hauptspannungen  gleich;  bei 


1  E.  Beltrami,  Sülle  condizioni  di  resistenza  dei  corpi  elastici.  Lomb. 
Ist.  Rend.  (2)  XVIII  (1885);  Beiblätter  z.  d.  Ann.  d.  Physik,  1885. 


Potential  der  Spannungskräfte.  515 

dem  allgemeinsten  Spannzustande,  wo  die  drei  Hauptspan- 
nungen verschieden  sind,  braucht  dasselbe  Kriterium  für  die 
Bruchgefahr  nicht  zu  gelten,  es  steht  dann  vielmehr  zu  erwarten^ 
daß  alle  drei  Hauptspannungen  in  die  Funktion  für  die  Bruch- 
gefahr eintreten  müssen. 

Der  einfachste  Ausdruck,  in  welchem  alle  drei  Haupt- 
spannungen vertreten  sind,  ist  die  kubische  Dilatation,  sie  hat 
die  Eigenschaft,  daß  sie  bei  isotropen  elastischen  Körpern, 
welche  beliebigen  äußeren  Oberflächenkräften  ausgesetzt  sind, 
wenn  die  Volumskräfte  Gravitationskräfte  Newton'scher  Art 
sind,  nur  an  der  Oberfläche  ihren  Maximalwert  erlangen  kann.^ 
Es  ist  aber  selbstverständlich,  daß  auch  bei  isotropen  Körpern 
der  Bruch  nicht  immer  an  der  Oberfläche  beginnen  muß, 
obwohl  man  das  oft  beobachten  kann. 

Anders  ist  es  aber  mit  dem  Potential  der  Spannungskräfte. 
Die  oben  genannten  Veränderungen  repräsentieren  nach  dem 
Prinzip  der  Erhaltung  der  Energie  eine  Energiegröße,  die  gleich 
der  von  den  wirkenden  Kräften  geleisteten  sein  muß.  Hat  man 
also  Reibung  und  Erwärmung  vernachlässigt,  so  kann  man 
sagen,  die  Energie  der  äußeren  Kräfte  setzt  sich  in  potentielle 
Energie  der  Spannungskräfte  allein  um,  welche  für  den  Bereich 
der  elastischen  Deformation  für  isotrope  Körper  pro  Volums- 
einheit die  Formel : 

/=  _ür[x2+x|+x|+e(Xi+x,+x,)«]  (2) 

besitzt,  wobei  K,  0  die  Kirchhoff'schen  Elastizitätskoeffizienten, 
^>  ^  y  ^  di^  Hauptdilatationen  vorstellen. 

Wenn  die  potentielle  Energie  der  Spannungskräfte  einen 
bestimmten  Wert  in  einem  gegebenen  Punkte  des  Körpers 
erlangt  hat,  so  tritt  in  diesem  Punkte  die  Trennung  der  Teilchen, 
d.  h.  der  Bruch  ein.  Es  fragt  sich  nun,  ob  dort,  wo  das  Potential 
ein  größeres  ist,  auch  die  Gefahr  für  die  Trennung  der  Teilchen 
eine  größere  ist.  Das  ist  nämlich  die  Behauptung  Beltrami*s^ 
das  letzte  Wort  kann  nur  durch  sehr  viele  Versuche  gesprochen 
werden. 


1  R.  Girtler,  Zeitschrift  für  Math,  und  Physik,  Bd.  53,  1906. 


516  R.  Girtler, 

Abgesehen  davon,  daß  es  von  vornherein  sehr  verständlich 
ist,  zu  behaupten,  ein  Teilchen  sei  mehr  angestrengt,  je  mehr 
Arbeit  verwendet  wurde,  um  es  zu  deformieren,  —  es  ist  das 
gewissermaßen  das  Prinzip  der  Erhaltung  der  Energie  auf 
unser  Problem  angewendet  —  hat  das  Potential  der  Spannungs- 
kräfte noch  andere  Eigenschaften,  welche  es  für  die  Beurteilung 
unserer  Frage  tauglich  erscheinen  lassen:  es  enthält  die  Eiasti- 
zitätskonstanten  explizit,  sein  Differential  hat  man  mit  gutem 
Grunde  als  vollständiges  anzunehmen,  d.  h.  es  ist  eine  Größe, 
deren  Endwert  von  dem  Wege,  auf  welchem  er  erreicht  wurde, 
unabhängig  ist;  ferner  kann  man  durch  entsprechende  Zusatz- 
glieder,  über  die  Prof.  Finger^  eingehend  geschrieben  hat, 
die  schon  vor  der  äußeren  Belastungsaufbringung  im  Körper 
vorhandenen  Spannungen  und  die  Abweichungen  vom  Hook- 
sehen  Gesetze,  wie  ich  schon  oben  erwähnte,  zum  Ausdrucke 
bringen.  Das  Potential  enthält  also  in  sich  alles,  was  das 
elastische  Verhalten  eines  Stoffes  charakterisiert. 

Kurz  will  ich  hier  noch  erwähnen,  daß  nach  unserer  An- 
schauung für  eine  einfache  Zugbeanspruchung  die  Bean- 
spruchung nicht  der  ersten  Potenz  der  Hauptdilatation,  sondern 
dem  Quadrate  derselben  proportional  ist,  denn  es  ist  dann: 

f=-KXl±^.  (3) 

14-28 

Ob  die  Versuchsresultate  von  Prof.  Voigt  zu  der  Ansicht, 
daß  das  Potential  der  Spannungskräfte  die  Beanspruchung 
messe,  ein  Widerspruch  sind,  läßt  sich  nicht  sagen,  da  wir  über 
das  Potential  der  Spannungen  jenseits  der  Elastizitätsgrenze 
nichts  Allgemeines  wissen;  wir  können  nur  sagen,  daß  es  als 
eine  Funktion  der  herrschenden  Spannungen  ausdrückbar  sein 
muß,  also  im  Falle  der  geschilderten  Beanspruchung  des 
Paraffinstäbchens  als  eine  Funktion  zweier  Hauptspannungen. 
Würde  nachgewiesen  werden  können,  daß  die  fragliche  Funk- 
tion eine  solche  der  Differenz  der  beiden  Hauptspannungen  ist, 

1  J.  Finger,  Das  Potential  der  inneren  Kräfte.  Diese  Sitzungsber., 
Bd.  cm,  Abt.  IIa,  1894. 


Potential  der  Spannungskräfle.  517 

SO  stellte  sich  die  Ansicht  von  Voigt  als  spezieller  Fall  der- 
jenigen von  Beltrami  dar.  Das  Paraffin  ist  übrigens  ein  Körper, 
der  sich  dadurch  dem  Kautschuk  nähert,  daß  seine  Poisson'sche 
Konstante  m  nahezu  nach  den  Versuchen  von  Mallock^ 
gleich  2  ist.  Dieses  ganz  besondere  Verhalten  von  Paraffin  ist 
vielleicht  einer  der  Gründe,  warum  das  Versuchsresultat  von 
Prof.  Voigt  in  direktem  Widerspruche  zu  dem  von  Wehage 
steht. 

Wir  legen  uns  nun  die  Frage  vor,  ob  die  Annahme,  das 
Potential  der  Spannungskräfte  sei  für  die  Bruchgefahr  maß- 
gebend, nicht  im  Widerspruche  mit  der  Erfahrungstatsache 
stehe,  nach  welcher  ein  von  allen  Seiten  gleichmäßig  gedrückter 
Körper  (in  Flüssigkeit  unter  hohem  Druck)  erst  bei  einer  im 
Vergleiche  zur  reinen  Druckfestigkeit  sehr  großen  Belastung  Q 
pro  Flächeneinheit  oder  überhaupt  gar  nicht  zerdrückt  werden 
kann. 

Die  Versuche  von  Prof.  Föppl*  in  dieser  Richtung  haben 
ergeben,  daß  sehr  poröse  Körper,  wie  z.  B.  Zementwürfel,  bei 
welchen  man  annehmen  kann,  daß  die  Druckflüssigkeit  in  die 
Poren  eindringt  und  eine  Art  Sprengwirkung  hervorruft,  zer- 
drückt werden  konnten,  während  sehr  dichte  Körper,  wie  Glas, 
Blei,  Kupfer,  Zinn  unter  noch  so  hohem  Flüssigkeitsdrucke 
nicht  zerstört  werden  konnten  und  entweder  gar  keine  oder 
nur  eine  geringe  Deformation  konstatiert  wurde.  Durch  reine 
Druckwirkung  —  ein  Kreiszylinder  werde  zwischen  zwei 
Druckplatten  normal  zur  Achse  gepreßt  und  die  Reibung  werde 
durch  Schmierung  der  Basisflächen  so  viel  als  möglich  elimi- 
niert —  sind  die  meisten  Stoffe  zerstörbar  oder  zum  mindesten 
einer  sehr  starken  bleibenden  Deformation  zugänglich. 

Bei  allseits  gleichem  Flüssigkeitsdrucke  -^  sind  die  drei 

Hauptspannungen  untereinander  gleich  -^  und  gegeben  durch 

die  Gleichung 

0  =  — 2X^(1 4-3e)X  (a) 


1  Mallock,  Proc.  royal  Soc.  of  London,  1879. 

2  FÖppl,  Mitteilungen  aus  seinem  Laboratorium,  27  bis  29. 


518  R.  Girtler, 

und  das  Potential  der  elastischen  Kräfte  ist  für  jeden  Punkt 
dasselbe  und  hat  den  Wert 

/•-_A_öL_  fj,) 

Für  reine  Druckbeanspruchung  -^^  erhalten  wir  für  das 

CfH 

elastische  Potential 

/--._J.0«_L±2?__  fc) 

•^«~"     2  ^»(i+3e)j5r'  ^^ 

Sind  öl  und  Q^  einander  gleich,  so  ergibt  sich  aus  (b) 
und  (c) 

/i = — ^ — /«•  r^^ 

'       2(1+26)   " 

Solange  wir  uns  innerhalb  der  elastischen  Deformationen 

befinden,  wird,  weil  6  für  die  meisten  Stoffe  zwischen  1  und  -jr- 

1  3 

liögtj  fi  zwischen  —  f^  und  —  f^  liegen. 

Wir  sehen  also,  daß,  wenn  der  Flüssigkeitsdruck  gleich 
der  linearen  Druckbelastung  wird,  das  Potential  f^  zwar  kleiner 
als  f^  ist,  aber  nicht  in  dem  Maße,  als  die  Erfahrung  verlangt, 
nach  welcher  der  Flüssigkeitsdruck  bedeutend  viel  größer  sein 
muß  als  die  reine  lineare  Druckfestigkeit,  um  ein  Zerdrücken 
des  Materials  herbeizuführen. 

Wir  stehen  daher  vor  einem  Widerspruche,  der  sich  aber 
löst,  wenn  man  bedenkt,  daß  nach  der  bestehenden  Anschauung 
über  die  Konstitution  der  Materie  die  Bewegung  der  Moleküle 
gegeneinander,  wie  sie  bei  Flüssigkeitsdruckwirkung  auf  die 
Oberfläche  eines  Körpers  auftreten  muß,  nur  bis  zu  einer 
bestimmten  Grenzlage  möglich  sein  wird,  d.  h.  die  Zusammen- 
drückbarkeit  eines  beliebigen  festen  Stoffes  wird  um  so 
geringer  werden,  je  größer  der  allseits  wirkende  Flüssigkeits- 
druck wird.  Mathematisch  ausgedrückt  heißt  das,  die  Poisson- 
sche  Konstante  m  wird  bei  allseits  unter  Flüssigkeitsdruck 
stehenden  Körpern  mit  dem  fortgesetzten  Zusammendrücken 


Potential  der  Spannungskräfte.  5 1 9 

sich  der  Größe  2  nähern,  wodurch  f^  in  (b)  weniger  rasch 
wachsen  wird  als  f^  in  (c)^  denn  bei  reiner  linearer  Druck- 
wirkung ist  eine  rapide  Abnahme  der  Konstanten  m  bei 
zunehmendem  Druck  nicht  nötig,  weil  ein  seitliches  Ausweichen 
des  Materials  möglich  ist.  Bei  allseits  gleichem  Flüssigkeits- 
druck wird  also  infolge  der  Konstitution  der  Materie  das 
Potential  der  Spannungskräfte  nur  bis  zu  einem  bestimmten 
Grenzwerte  F  wachsen  können,  während  bei  reiner  Druck- 
beanspruchung dem  fortgesetzten  Anwachsen  von  f^  nichts 
entgegensteht.  Ist  der  Grenzwert  F  nicht  genügend  groß,  um 
ein  Zerstören  der  Materie  herbeizuführen,  so  wird,  abgesehen 
von  sekundären  Einflüssen,  wie  die  oben  erwähnte  Spreng- 
wirkung, bei  vollkommener  Isotropie  des  Materials  ein  Bruch 
überhaupt  nicht  eintreten  können.  Die  verschiedene  Variabilität 
der  Poisson'schen  Konstanten  w,  folgend  aus  der  Konstitution 
der  Materie,  mit  der  Art  der  Beanspruchung  des  Materials  und 
der  Zunahme  der  äußeren  Kräfte,  wird  insbesondere  bei  Druck- 
beanspruchungen von  großer  Bedeutung  sein.  Daß  die 
Elastizitätskonstanten  bei  Voraussetzung  der  Gültigkeit  des 
Hook'schen  Gesetzes  überhaupt  nicht  als  konstant  zu  betrachten 
sind,  daraufhaben  in  neuerer  Zeit  Prof.  Finger  und  Thomp- 
son in  bereits  zitierter  Abhandlung  hingewiesen.  Man  findet 
dort  auch  die  diesbezüglichen  Literaturangaben. 

Wir  gehen  nun  daran,  einen  der  häufigst  vorkommenden 
Fälle  der  Beanspruchung  exakt  nach  der  Elastizitätstheorie  für 
isotrope  Körper  zu  berechnen,  die  Maximalkurven  des  elastischen 
Potentials  aufzustellen  und  hierauf  experimentell  an  eigens  zu 
dem  Zwecke  hergestellten  Versuchskörpern  zu  zeigen,  inwieweit 
sich  die  Erfahrung  mit  der  Theorie  decke,  beziehungsweise 
decken  kann. 

V. 

Ein  isotroper  Kreiszylinder  von  der  Höhe  2c  werde 
zwischen  Druckbacken  so  gepreßt,  daß  sich  die  Druckiast  — Q 
gleichförmig  auf  die  Zylinderbasen  verteilt,  die  infolge  der 
zwischen  ihnen  und  den  Druckbacken  auftretenden  Reibung 
gehindert  seien,  normal  zur  Achse  auszuweichen.  Die  Mantel- 

Sltzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  34 


520  R.  Girtier, 

fläche  des  Zylinders  sei  frei  von  Kräften,  die  Schwerkraft  werde 
vernachlässigt 

Wir  haben  also  als  wirkende  Oberflächenkräfte: 

1.  Druck  — Q  gleichmäßig  auf  die  Basen  des  Zylinders  ver- 
teilt. 

2.  Schubspannung  an  den  Basisflächen  von  zu  bestimmender 
Verteilung. 

Als  Oberflächenbedingungen  bestehen: 

1.  Längs   der  Mantelfläche   seien   die   Schubspannungen   r 
parallel  zur  Zylinderachse  gleich  Null. 

2.  Die  in  die  Richtung  des  Radius  a  fallenden  Spannungen  Rr 
verschwinden  längs  der  Mantelfläche. 

3.  Die  Druckspannung  längs  der  Zylinderbasen  sind  konstant 
gleich  — Q. 

4.  Die  Peripheriekreise  der  Basen  behalten  infolge  der  auf- 
tretenden Reibung  ihre  Größe  unverändert  bei. 

N.  G.  Filon^  hat  einen  ähnlichen  Fall  behandelt,  er  nahm 
aber  als  Oberflächenbedingung,  daß  die  Basisebenen  des 
Zylinders  bei  der  elastischen  Deformation  eben  bleiben  müssen, 
woraus  sich  ergab,  daß  die  Druckverteilung  über  die  Basis* 
ebenen  nicht  gleichmäßig  sein  konnte.  Wie  wir  weiter  unten 
sehen  werden,  ist  es  bei  gleichmäßiger  Druckverteilung  aus- 
geschlossen, daß  die  Basen  eben  bleiben.  In  den  Fällen  der 
Praxis  wird  im  Bereiche  der  elastischen  Deformation  ein  Mittel- 
ding zwischen  dem  von  Fi  Ion  gelösten  und  dem  von  uns  zu 
betrachtenden  Fall  eintreten,  d.  h.  es  werden  die  Basen  weder 
eben  bleiben,  noch  wird  die  Druckverteilung  über  sie  eine 
gleichförmige  sein.  Um  exakt  vorzugehen,  wären  bei  jedem 
einzelnen  Fall  auch  die  Elastizitätsverhältnisse  des  drückenden 
Körpers  heranzuziehen.  Da  aber  nach  meiner  Meinung  eine 
gleichförmige  Druckverteilung  durch  passende  Wahl  von  Druck- 
platten- und  Zylindermatenal  eher  zu  erreichen  ist  als  das 
Ebenbleiben   der   Zylinderbasen    durch    passende  Wahl    der 


1  N.  G.  Filon,  »On  the  elastic  cquilibrium  of  circular  cylinders  under 
ceitain  practica!  syslems  of  loads.«  Phil,  Trans.  1902.  198  A. 


Potential  der  Spannungskräfte.  52 1 

Druckverteilung  über  dieselben  und  es  daher  im  ersten  Fall 
leichter  ist,  die  der  Theorie  entsprechenden  Voraussetzungen 
praktisch  wirklich  herzustellen,  wählte  ich  als  eine  der  Grenz- 
bedingungen gleichmäßige  Druckübertragung.  Aber  noch  ein 
anderer  Beweggrund  leitete  mich  bei  der  Stellung  des  Problems: 
Durch  die  längs  der  Basisflächen  auftretenden  Schubspannungen 
wird  eine  Größe  definiert,  welche  als  statische  Reibung 
bezeichnet  wird.  In  der  Definition  dieser  Reibung  kommt  ja 
immer  die  gleichmäßige  Druckübertragung  als  Voraussetzung 
vor.  Nach  dem  oben  Gesagten  ist  es  klar,  daß  man  nicht  für 
alle  Körper  von  einer  Reibung  in  diesem  Sinne  sprechen  kann. 
Je  gleichartiger  die  beiden  einander  reibenden  Körper  sind,  desto 
angenäherter  wird  die  von  uns  abzuleitende  Beziehung 
zwischen  Druck  und  Reibung  richtig  sein. 

Was  die  Methode  der  Lösung  betrifft,  so  verweise  ich  in 
dieser  Hinsicht  auf  die  Abhandlungen  von  N.  G.  Filon,^  von 
Chree*  und  von  Pochhammer.® 

Wir  werden  uns  also  gestatten,  die  einleitenden  Glei- 
chungen mit  Hinweisung  auf  die  Quellen  kürzer  auszulegen 
und  erst  bei  Verwendung  der  Oberflächenbedingungen  ein- 
gehendere Betrachtungen  zu  pflegen. 

Bei  Einführung  zylindrischer  Koordinaten  lauten  die 
elastischen  Grundgleichungen : 

^     ^   ,  8v         Fl   3S       8951        „  i^u 


)     (4) 


8v       f  1  arS      1  aal 


8«w 
8/2 


1  N.  G.  Filon,  On  the  elastic  equilibrium  of  circular  cylinders  under 
certain  practical  Systems  of  Load.   Phil.  Trans,  of  London,  1902.  198  A. 

'  Ch.  Chree,  The  equations  of  an  isotropie  elastic  solid  in  Polar-  and 
cylindrical  coordinates,  their  Solution  and  application.  Cambr.  phil.  trans.» 
vol.  14. 

>  L.  Pochhammer,  Beitrag  zur  Theorie  der  Biegung  von  Kreiszylindem. 
Crslle's  Journal,  1876. 

34* 


322  R.  Girtler, 

Für  den  Fall,  daß  die  rechten  Seiten  dieser  Gleichungen 
verschwinden,  haben  Chree  und  Pochhammer  die  allge- 
meinen Lösungen  dieser  Differentialgleichungen  angegeben.  In 
ihnen  ist: 

^_   iv^ 1    8n; 


8r         iz  ' 


H,Vyfv  stellen  die  Verschiebungen  parallel  zur  Zylinder- 
achse, normal  und  parallel  zum  Radius  vor,  f ,  r,  z  sind  die 
Punktkoordinaten,  X,  |i  sind  die  Lame*schen^  Elastizitätskon- 
stanten, V  bedeutet  die  kubische  Dilatation,  i^,  ^q,  Z^  sind  die 
Komponenten  der  Volumskräfte,  welche  wir  vernachlässigen 
wollen.  Die  n,  u*Ebene  ist  in  der  halben  Zylinderböhe  liegend 
gedacht,  die  M*-Achse  fallt  mit  der  Achse  des  Zylinders  zu- 
siunmen. 

Für  unser  Problem  gilt  also 

da  r  verschwindet. 

Die  kubische  Dilatation  v,  deren  allgemeiner  Ausdruck 

i^t.  hat  hier  den  Wert 

^  ~  V    er     '•^    cT  * 


i  M.  O  l«m«.  l*^oas  «r  :*  ä.v*»  ie  : 


Potential  der  SpannungskrSfle. 


523 


Wir  erhalten  daher  aus  (4): 


8*» 


J3»»  1     dH\  ( 


8r« 


_l_8w\ 
r   ir  / 


4-(X+2|i.) 


3«w 

82« 


=  0. 


(40 


Die  auftretenden  Spannungen  reduzieren  sich  wegen  der 
herrschenden  Symmetrie  auf 


Z,  =  Xv4-2|i-g^, 

Z,  =  i?.  =  t=tt^_  +  -^j 


(5) 


Durch  Einsetzen  von  v  in  (5)  gehen  diese  Gleichungen  in 
/?,=  (X+2ft)-j^  +  X-  +  X— , 


„        ,3«       .   u      ^     „  V  3w 
^  =  X -j^  +  X  — +(X+2  |t) -j^ , 


...       />     «  »  »*       X  3«       ,  Sw 

r/  =  (x+2n)y  +  x-j^  +  x 


8z  ' 


'^\3r  ^  3a/ 


(50 


Ober.  Die  Lösung  der  Gleichungen  (4')  läßt  sich  auf  die  Lösung 
der  Differentialgleichung 


(»»+Z)»)y=8 


(6) 


524  R.  Girtler, 

iu  ifV 

zurückführen,  wenn  man  für  Y  -r— ,  beziehungsweise  -r—  setzt 

OZ  OT 

a    1    8  8< 

und  d*  die  Operation  ^ r— r  und  D^  die  Operation  -r-^ 

bedeutet 

Die  Gleichung  führt  aber  für  zwei  Systeme  partikulärer 
Integrale  im  Prinzip  auf  die  Lösung  der  zwei  Differential- 
gleichungen 


^-:|-^-(^--)«.  =  °.   1 


+Jfe«Z,  =  0, 


(7) 


wobei  das  Produkt  R^  Z^  der  Differentialgleichung 

(*«+Z)«)i?,Zi  =  0  (8) 

genügt,  i?i  eine  Funktion  von  r  allein,  Z^  eine  Funktion  von  z 
allein  und  i  eine  zu  bestimmende  Konstante  bedeutet. 

Die  erste  der  beiden  Gleichungen  (7)  ist  die  Bessel'sche 
Differentialgleichung,  fuhrt  also  auf  Zylinderfunktionen  zweiter 
Art,  die  zweite  ist  linear  homogen  zweiter  Ordnung  und  führt 
auf  trigonometrische  Funktionen. 

Chree^  hat  die  allgemeine  Lösung  für  u  und  v  aus  (4^  in 
zwei  Lösungsformen  angegeben.  Die  eine  derselben  ist  eine 
unendliche  Reihe,  welche  nach  Potenzen  von  r  und  z  fort- 
schreitet Durch  eine  geistreiche  Kombination  eines  partikulären 
Falles  dieser  Lösungsform  von  Chree  mit  den  partikulären 
Lösungen  von  n  und  t;,  wie  sie  sich  aus  (7)  und  (8)  ergeben, 
fand  Filon  die  für  unser  Problem  ebenfalls  tauglichen  par- 
tikulen  Integrale  von  (40* 

Berücksichtigt  man  noch,  daß  u  bei  unseren  Bedingungen 
nur  eine  gerade  Funktion  von  c,  w  nur  eine  ungerade  Funktion 
von  z  sein  kann,  so  vermögen  wir  die  Lösungen  für  u  und  v  in 
folgender  Form  zu  schreiben : 


^  Ch.  Chree,  Cambr.  phil.  trans.,  vol.  14^.  Sect.  X  seiner  Abhandlung. 


Potential  der  Spannungskräfte.  525 


K    '  K 

fv  =z  gZ'^-hjs^'hiz^'^kr^Z'i-lr^z^+mr^Z'h 


+v 


^  /o  (Kr)  +  -^  r/,  (JiTr)]  sin  (üä), 


(9) 


wonn 

f  =  oo 


'"<^'-'  =  Z  ¥J 


(^^)»H-25 


2«+25n(5)n(s+ii) 

und  ä,  b,  dy  dy  ^,/  gy  Ä,  i,  i,  /,  w,  >lj,  -4^ ,  Q,  ^  zu  bestimmende 
Konstante  sind. 

Aus  der  Bedingung,  daß  (9)  den  Gleichungen  (40  genügen 
müssen,  ergeben  sich  die  Bedingungen: 


(10) 


2(X4-n)^+2*n.+3(X4-2n)Ä  =  0,  (11) 

4(X+n)^+8w|t+3(X4-2(Ji)/  =  0,  (12) 

2(X+{i)/+5i(X+2(JL)  +  |i./  =  0,  (13) 

4(X+2|t)i^-H^{i+(X+|i)t  z=  0,  (14) 

12(X+2|i)c4-<?|i.+  2fw(X+{i)  =  0,  (15) 

4(X4-2|i.)^+3(X+{i)Z+6/iJL  =:  0.  (16) 

Die  Gleichungen  (5^  gehen  über  in: 

Z,  =  2Xa+(X+2n)^+2;*[2/X+5i(X+2|i.)]+ 

+2«[2JX+3Ä(X+2{i)]-l-rV[4^X-f-3/(X+2|i.)]  + 
+r»[4feX-i-*(X+2|i)]+r*[6cX-i-(X4-2|JL)w]-H 

+2{(>^+2^)i43-X^,-X-^|/,(ü:r)  cos  (Äi)  + 
+2nO/i(Ä:r)cos(Äi), 


526  R.  Girtler, 

Rr  =  2(X+n.)a4-X^+r2[2&C2X+3(JL)+*X]+ 

+r*[2c(3X4-5|i.)r4-wX]-|-z«[2^(X+n.)+3ÄX]-H 
-♦-«V«[2(2X+3(JL)<j+3X/]+2*[2/(X+[i)+5A]  + 

{2X+3\l) Äi+[i.AAlQ(Kr)  cos  (Kz)  + 


Z-^iÄrf^^-^^f^^^'+f^^l^o 


+2\i.{^ Cr\I^(Kr)  cos  (Kz), 


^i^-'^} 


Tt  =  2(X+|j.)ä+X^+r2[2fc(2X4-(Ji)+iSjX]4- 

+r*[2(3X+2(i.)^4-wX]+rV[2^(2X+|i.)+3/X] 

4-«*[2J(X+|Ji)  +  3ÄX]-4-«*[2/(5^+|J^)+5;X]  + 


-^^o(^^>-xT^}^^^^^ 


(17) 


T  =  \i[2(d+k)rz'h2(l  +  2f)rz^+2(e+2fn)r^z]-^ 

^\Ll{A^+A^)I^(Kr)  sin  (Äi)4-2Cr/o(Xr)  sin  (Äs).  J 

Aus  den  Oberflächenbedingungen  ergibt  sich: 
Wenn  2rz:±^,   muß  Zs=  —  ö  für  jeden  Wert  von  r, 
d.  h.  es  müssen  die  folgenden  vier  Gleichungen  bestehen: 

K-=,  — ; Ä     (w  eine  ganze  positive  Zahl),         (18) 

2  c 

w(X+2(i)+6rX=:0,  (19) 

(X4-2|i)(3/^«+*)+X(4&+4^c»)  =  0,  (20) 

2X5+(X+2|i)^4-2X(Jc2  +  <7V)4- 

-4-(X+2(Ji)(3Atr2+5i(7*)  =  — ß.      (21) 

Es  muß  ferner,  wenn  a  der  größte  Zylinderradius  ist,  t  für 
r  '=z  a  verschwinden,  d.  h.: 


Potential  der  Spannungskräfle.  527 

0  =  2(rf+*)a«+2(/+2/)a2;»+2(ö+2m)a»«+ 

oo 

+  y  [(A+ A) A  {Kä)^2CaI^(Kä)]  sin  (Ü5s),      (22) 

0 

und  zwar  für  jeden  Wert  von  z.  Wir  entwickeln  z  und  z^  in 
eine  Fourier'sche  Reihe: 


z 

oo 
0 

-1)« 

8g 

(2M+1)*«« 

-sin 

2«+l 
2g          ' 

•    ' 

z^ 

oo 
0 

-1)- 

24  g» 

(2M+1)''«« 

.(,. 

8 

(2«+l)« 

• 

.     2i 
sin  — 

•«+1 

icz. 

(23) 


2g 

Mit  der  Bedingung  (18)  ergibt  sicli  daraus  die  Beziehung: 

8g 


(  —  iy[2(d+k)a+2(e+2m)a*] 


(2«+l)»it 


1*8 


+  2(/+2/)a. — fl ](—iy  = 

(2«+l)«ic»\         (2»4-l)''ic»/ 

=  — [(^1 + A)  A  (^ö) + 2  G»/o  (/(Ta)] .     (24) 

Weiters  soll  Rr  für  r  =:  a  für  jeden  Wert  von  z  ver- 
schwinden, was,  weil  nach  (18)  cos  (Kc)  für  jeden  Wert  von  n 
Null  ist,  die  drei  Bedingungen : 

2(\+^)ä+Xg  =  —a»[2b(2\+3^)+k\]— 

•  —a*[2^(3\+5v.)+mXl     (25) 

(—l)» If! (i § V2(X-t-lt)^+3AX+ 

(2«+l)ir   V         (2«+l)»w»/ 

+a*{2(2X+n)c+3/X}]-f- 

■,(-i)..-J;^[,_     ■^     -H^gl— ]x 

(2«+l)it    L         (2h+1)H*       (2m+1)*ic*J 


528 


R.  Girtter, 


rAJ,(Ka)    ^Ka,U^  ] 

L       Ka  2    X+2|t      '       ^  J 

2(X+|i)J+X^+a«[26(2X+3|i.)+*X]+ 

+a*[2^(3X+5ji)4-wX]+c^[2rf(X+|t)+3ÄX]+ 
+£:«a«[2(2X-H3|i)^+3X/]+r*[2/(X+|i)+5fX]  =  0       (27) 

nach  sich  zieht. 

(25)  und  (26)  ergeben  sich  leicht,  wenn  z^  und  :^  in  eine 
Fourier'sche  Reihe  entwickelt  worden  sind: 


=  y(_i) — lf!_(i_ 


8 


(2«+l)' 


'it«/ 


2»+l 

•  cos KZ, 


2c 


OO 


«*  = 


=  X(-')' 


4r* 


(i ii_ 


(2ii+l)ic    ^         (2ii+l) 

384       \           2«4-l 
H 1  cos «« 

(2«+l)*ic*/  2c  i 


(250 


und  dabei  auch  die  Bedingung  (10)  beachtet  wurde. 

Endlich  soll  die  Größe  m  für  r  =  a  und  2;  =  r,  um  auch 
Punkt  4  (siehe  oben)  der  Oberflächenbedingungen  zu  erfüllen, 
einer  bestimmten  Länge  a  gleich  sein;  setzen  wir  o  gleich  Null, 
so  tritt  unsere  Aufgabe  in  Erscheinung. 


o  =  äa+6a*+ca*+ Jac«+^a*^-l-yac*. 


(28) 


Hiemit  wären  die  Oberflächenbedingungen  erschöpft 
Aus  den  Gleichungen  (10)  bis  (28)  können  die  Konstanten 
gerechnet  werden. 

Zunächst  ergibt  sich  aus  (19): 


c  = 


m    X-f-2tt 
6         X 


(«) 


Potential  der  Spannungskräfle.  529 


aus  (15): 


^=^(3X+4^),  (ß) 


aus  (12): 


Sm    3X+2pi 


(T) 


aus  (16): 


aus  (13): 


/=  ~-^(5X+6|t),  (8) 


*-=:^-^(5X+4h.).  (e) 


Infolge  (25)  lautet  (27): 

[2rf(X+|i,)+3ÄX]+a«[2(2X+3{t)«+3X/]+ 

+c»[2/(X+{t)+5iX]  =  0.     (27  a) 

Eliminiert  man  aus  (27a)  und  (1 1)  das  h,  so  erhält  man 
die  erste  Beziehung  zwischen  d  und  k.  Verbindet  man  (20)  mit 
(14)  unter  Berücksichtigung  von  (a)  bis  (e),  so  ergibt  sich  durch 
Elimination  von  b  die  zweite  Beziehung  zwischen  d  und  k.  Es 
können  also  d  und  k  berechnet  werden;  das  Resultat  ist: 

_    4fH<:»(45X«+70X{H-24n») 


dz= 


3X(5X+4jt) 

2»»a«(13X+  12n)(3X+4|i) 


X(5X+4ii) 


(0 


4«wc«(55X«+102ttX+48ti«)       2wa«(13X+12n) 
~  3X(5X+4n)  (5X+4|i,)        '        ^ 

b  ergibt  sich  aus  (14): 


.              m<:»(55X«+92aX+36u.«) 
b  zzi + 


3X(5X+4{t) 

♦«a»(13X+12{t)(X+2ti) 


2X(5X+4n) 


(*) 


530  R.  Girtler, 

Endlich  folgt  aus  (11): 

_         8wg«(45X«4-80|iX4-36|i*) 
""~  9X(5X+4|jl) 

4wa«(13X-4-  12[Ji)(3X+2ti) 
**"  3X(5X+4n) 

Setzt  man  in  (25)  die  Werte  (a)  bis  (e)  ein,  so  erhalten  wir: 

2wa*(109X«-4-196[tX-4-88|i.«)a     . 

2(X+tt)a+x^z=: ^^ ^ «izi:l  + 

^  (3X(5X+4(i.) 

2wg'flV(145X»+252|JLX+108{t«) 
"*"  3X(5X+4|i) 

und  aus  (21)  folgt  durch  Substitution  derselben  Werte: 

3X(5X+4ji) 
16f«a«c«tt(13X4-12ti.)(tt+X)       ^    ^^^ 


X(5X+4|i.) 
Aus  (25a)  und  (21a)  folgt: 

__    -wa*(X4-2ti.)(109X»+196[tX4-89tt^ 
"~  3X(5X+4ti)(3X+2i]) 

_80w£*(X+jiO      wc«a»(145X«+252[iX+108n')(X-l-2[i) 
3(5X+4|i)  3X(5X+4j«.)(3X+2|i) 

8wa''g''(13X+12tt)((t4-X)  \Q 

(5X+4|j.)(3X+2n)  2n(3X+2tt)  ' 

_  2»«a*(109X«+196|iX+88n«)         I60mc*(\-*-^)* 
~  3(5X+4|j.)(3X+2n)  3X(5X+4n) 

(X4-n)Ö  16f»a«<:«(13X+12n)(X+n)» 


{t(3X+2n)  X(5X+4{t)(3X+2|i.) 

2>wc»a«(145X«+252ttX+108t«.') 
3(5X+4n)(3X+2ji) 


iv) 


Potential  der  SpannungskrVfte. 


531 


Aus  (26)  folgt  mit  Benützung  von  (25),  (27)  und  («)  bis  (x): 


64mc*^(7\+6v.)  f  28  Ifl 

-3X(2»-t-l)«      \        (2«+l)»i:»        (2i»+l)*« 


X+2|t 


2n+X 


—  [ — ^ —  /o  (Äa)+ nÄi»  ^^tlL  /  (Äa)1  A.    (A) 


(2{i+X) 


X+2{t 


Aus  (24)  ergibt  sich  mit  Hinblick  auf  (10): 


(-!)• 


8 


<2i»+l)»x« 


[ 


8f»^a(99X«+172|tX+72|t*) 


3X(5X-h4|i) 


X(5X+4|i) 


-]- 


1024mat*(k+f.)  f 
a(2«+1/x*      '« 


1  — 


8 


(2n+  l)*x 


-I  .<-iy 


:  wir  fA/  -'"--  ^^J  '-•  -*r  abgekürzten  Form: 

4«..v  =  ^,g+^Ä; 


/yiV 


rh- 


j 


jf= 


-'-.*.   <-^', * 


-;«  ««-^-  X 


^* 


-  V/ 


'V> 


■V 


532  R.  Girtler, 


N  =  (-1)- ^.^ 

(2«+l)«w«X(5X+4n) 


^.'(99X«.M72,X^.72,«)  _,,^,^^^y^  _ 


_(_!)«  (l § ) 

V         (2«+l)««»/ 


256(X+K.)a^^  (30) 


(2«+l)»«»/    X(2i«+1)*«« 


O  =  _  — L(2X+3p.)/o(Ä-a)+  11!i/,(ü:«)+ 
2n.+X  Äi» 

^^:KaO^^  (31) 

X+2|t 

P  = ^^  L  (Ka)—}f.Ka  J±l!^  /  (iCä),  (32) 

2|H-X    "^  '^        X+2n    * 

Ö  =    ^^(^^P-)   I^(Ka)-I,(Ka),  (33) 

i?  =  -   ^^(^+1^)   l^iKa)-I,{Kä).  (34) 

X+2|i. 

Also  ist  abgekürzt  geschrieben: 

A=:4w ,  (v) 

'  OR^PQ 

A=z4w ^^^ — ,  (p) 

^  OR—PQ  ^ 

worin  die  Werte  von  (29)  bis  (34)  einzusetzen  sind.  Bis  jetzt 
wurden  alle  Konstanten  durch  m  ausgedrückt,  m  aber  kann 
aus  (28)  gefunden  werden. 

Setzt  man  darin  die  Werte  für  ä,  b,  c,  d,  e^f  ein,  so  erhält 
man  m: 


=-ih 


2|j.(3X+2(t)  / 

6X(5X+4  n)  (3  X+ 2  n) 


10aV(7X«+34|i>>*+34ii«X»+12|t»)+a»(X+2|i.)(X+n)x(29X+28ti.) 


(t) 


Potential  der  Spannungskräfle.  533 

Die  Spannungen  ergeben  sich  aus  (17)  mit  Hilfe  der  ge- 
fundenen Werte: 

\  3X(5X+4|t) 

4a»<:«a(13X+12u,)(u,+X)  16a(X+{i,)    , 


(5X+4n)X  3X 

4(X+jt)|t 


3X(5X+4n) 


[3a«(13X4-12n)— 2c«(25X+18n)]«»— 


X  X 


Hä4^'«^'>-^<'^'>'.H-<^> 


X+2n  X+2p. 


Z  Ä  i' [- x-^/- <^''- ^  *^'-^' H)  ■- H  (ä^) 


i?^=:  4f«/ — 


(109X«+196ttX+88|i.«) 


6X(5X+4tt) 

a«c»H(145X»+252nX+108n«) 
6X(5X+4n) 

r»g«H(145X«+252ttX+108[t«) 
6X(5X+4n) 

a«r«H(91X»+162nX+72[t«)         r*iJi(llX+10|i) 


4X(5X+4|i)  12X 

22»<;«n(7X+6n)        «»a«{i(13X+12|j.) 


3X  X 

g«r»n(13X+12tt)         22*ti(7X+6(i) 


3X 


+ 


LJ^Am\.Kr  X+2n    '  2n+X  J 


534  R.  Girtler, 


(109X»+  196n?i+88n«)n 


+ 


6X(5X+4n) 

6X(5X+4|j.) 
»'•c:«H(35X«+68nX+36{t«        a»r«  tt(65X«+86|i>^t-24ji^ 


6X(5X+4|t)  4X(5X+4n) 

r«tt(7X+2pi.)  ,  2tt(7X+6n)       g«a«;i.(13X+12tt) 

12X  3X  X 

^r«.V(7X-4-4,x)_^^ 

X  3X  ^ 


X+2(Ji  JiTr 


8 


-ä^<^"tÄ;:>««<*>J-<''> 


}  cos  (Kz)  \ 


_  _    _    .   2c:«(99X»+172nX+72n«)r« 

T  — 


^  4|j.»«/ 


3X(5X+4n) 


_4a«(13X+12|t)(X-htt)rz_32^     ^     ^^,^4(X+p.)^^^ 
X(5X+4n)  3X  X 

-^"^[^[It^^  hiKr)  +  I,(Kr)^Xsm{Kz)\.     (38) 

Wir  wollen  jetzt  unsere  Formeln  für  den  Fall  reiner  Druck- 
beanspruchung, wobei  also  von  der  an  den  Zylinderbasen  auf- 
tretenden Reibung  abgesehen  wird,  spezialisieren.  Dann  sind 
die  drei  Hauptdilatationen 

^  g(X^(i)  ,         ,    ^  XQ 

H(3X+2|t)  '      ^       ^        2p.(3XH-2|i)  ' 


Potential  der  Spannungskräfte.  535 


Für  Xg  können  wir  aber  schreiben 

x.  =  — =        ^Ö 


dr  2|Ji(3X4-2|Ji) 

Integrieren  wir  die  letzte  Gleichung  von  0  bis  0,  so  erhalten 
wir  die  Verschiebung  eines  Punktes  der  Zylindermantelfläche 
in  der  Richtung  des  Radius,  wenn  auf  die  Zylinderbasen  die 
gleichmäßig  verteilte  Last  — Q  wirkt 

X  ~    '  ~X      2{t(3X+2K.)    -    2n(3X+2ti)  ' 

Für  diesen  Wert  von  o  wird  aber  aus  (35)  bis  (38),  wenn 
der  Wert  für  m  aus  (t)  eingesetzt  gedacht  ist: 

Z,  =  —Q,      Rr=Tt  =  T  =  0, 

was  eine  Probe  für  die  Richtigkeit  unserer  Rechnung  ist. 

Nun  gehen  wir  daran,  unseren  allgemeinen  Fall  auf  ein 
besonderes  Beispiel  anzuwenden.  Für  die  leichtere  Berechnung 
der  Besserschen  Funktionen  zweiter  Art  empfieht  es  sich,  mit 
Rücksicht  auf  Gleichung  (18),  die  Höhe  2  c  des  Zylinders 
gleich  %a  zu  setzen.  Das  Verhältnis  der  Höhe  des  Zylinders 
zum  Durchmesser  ist  dann  1  -57  :  1. 

a  nehmen  wir  Punkt  (4)  unserer  ursprünglichen  Oberflächen- 
bedingungen  folgend  gleich  0. 

Femer  sei 

X  =  2|t, 

was   0  =  1  und  in  :=3  entspricht,   wenn  in  die  sogenannte 
Poisson'sche  Konstante  ist. 

Mit  diesen  Werten  ergeben  sich; 

aö  0-2003  ^  öQ  0-0834 

32|t      a*  40       a^ 

aO    1015 
1=  -^ — ; 

16{t      a* 

S«ixb.  d.  malhcni.-iialunr.  KL;  CXVI.  ::d.,  AM.  IIa.  35 


536 


R.  Girtler, 


_        aQ  1-0682         ^_      aQ     2-136 
— T : — >      /  —  — r^ : — > 


16(1      a 


w,  = 


_       aQ  2-2497 


24  |j.      a' 


b  =  — 


_   aQ  5-0104 


*  = 


16|i      a» 


a  =  — 


/  = 


32 

a»     ' 

ff/,  = 

'  40t», 

9347 

aQ  1- 

5338 

24  |i 

a»     ' 

<i  = 

aÖ     1 
16{t 

•3295 

aQO- 
8|t 

1323 

1- 

a 

ö 
8n  ' 

_   öÖ 

1-0256 

3g 

K39) 


8|t       a  8(1. 


Zur  Berechnung  von  ^,  und  A^  benötigen  wir  die  Werte 
(29)  bis  (34): 


„      /     ,XH    -^aV    /  »  28«  192       \        ] 

"'"«  +  n^         (2«  +  l)>        (2«+l)*a/ 


10, 
3(2«  +  l) 


N 


2a*        [n*  1 

=  (_1)» fi^^ JL  .  203— 144  — 

(2m4-1)«.7icL3  J 


V  (2«+!)«  /  (2M+1)« 


0  = 


P  = 


(2»i+l)tt  /  (2m+1)' 

7|lr/o        ,^  .         8  +  3(2«+!)*      ,_     .  ,, 
— --p/o(2«+l)+n--— -i -^/,(2«+l), 

4  4(2«+l) 

--^/o(2«+l)— ?-p,(2„+l)/,(2«+l), 

4  4 


Q  =  — /,(2«+l)  +  — (2«+l)/o(2«+l), 

4 

i?  =  -/i(2»i+l) 3(2«*  +  l)   /^(2«+i). 


(40) 


Potential  der  Spannungskräfte. 


537 


Die  daraus  sich  ergebenden  Werte  von  A^  und  A^  sind  in 
folgender  Tabelle  zusammengestellt;  es  ergab  sich  leider  dabei 
die  Notwendigkeit,  verschiedene  Werte  von  I^  und  I^  zu 
berechnen,  da  die  Bessel'schen  Funktionen  zweiter  Art,  soweit 
mir  bekannt,  nur  bis  zum  Argumentwerte  6  berechnet  sind.  Die 
berechneten  Funktionswerte  sind: 


W)  = 

168-594904, 

A(7)    = 

156  039096, 

/o(9)    = 

1093-590156, 

7,(9)    = 

1030-918409, 

/o(ll)  = 

7268-431797, 

/tOl) 

6948-858628, 

/o(13)  = 

49433-14485, 

7,(13)  = 

47502-98721, 

/oa5)  = 

339651-567, 

7,(15)  = 

328129-904, 

/o(17)  = 

2353951-893, 

7,(17)  _ 

2284589-231. 

Ferner  ergeben  sich  aus  (35)  bis  (38): 


Z..=  -Q+ 


8    L 


5-8859       1 -60242*       6 -3391z» 


a 


a' 


a 


8 


2-4036*-«z«       5-9301 


_gQ  [2-4142       2-1471r^       0-2671f^       0-51: 
8    L     a  a'  a^  a 


(35  a) 


12g« 

8 


3'8057gV«      l-3353g^1      ag  y 


a' 


a' 


8 


(36  a) 


y,  _  aQf  2-414       0-511! 
' ""    8    I-     a  a» 


22J«       3-80572^2       1- 3353  g* 
_H 


a' 


a' 


aQ  r     6-29: 
8    L  a3 


0- 1030^2       0-1335r*       aß  V  /o^   x 

a^  a^  8    ^--' 

l'2018y^g  I 
a*         J 


2920  3-2048f'g» 


8    ^^ 


(38  a) 


35* 


r^^is 


R.  Girtler, 


Tabelle  1 

'2c 

=  «a. 

m 

H     " 

0 

1 

2 

3 

4 

.\/ 

13-85708 

-24-43001 

18-390334 

-  13-91947 

1 1 • 085049 

<l'|l. 

N 

19-075770 

9-952667 

-   2-930639 

2 - 05430 

1-254891 

0 

-  0-661429 

2-989274 

53-323138 

568-746791 

5274-00925 

V- 

P 

-  0-740385 

-10-115281 

-  98-068626 

-  861-354041 

-  7232-096739 

?- 

Q 

0-384391 

7-028414 

77-813878 

729-084182 

6350-815459 

R 

-  1-514709 

-14-935154 

-  126-485162 

-1041-162374 

-  8412-652277 

• 

MR 

-20-989449 

364-865962 

-2326-104338 

14492-428792 

-93254-662965 

-XP 

14-123414 

100-674023 

-  385-472366 

1769-479604 

-  9075-49306 

<j*a 

OX 

-12-617267 

29-751249 

-  209-594006 

1168-376531 

-  6618-306804 

flljJL 

-Q.\f 

-  5-326537 

171-704224 

-1431-023206 

10148-465371 

-70399-101007 

• 

OR 

1-001872 

-44-645268 

-6744-585642 

-592157-7728 

-44368406 • 467 

1^ 

0-284597 

71-094383 

7631- 100100 

627999-6039 

45929711-8199 

Q 

-  1-069337 

3-5255492 

-  0-612655 

+  0-090878 

-  0-0131278 

8|i.l._, 

Q 

-  2-793804 

-  1-525638 

-  0-370683 

+  0-063245 

-  0-0098806 

Potential  der  Spannungskrälle. 


539 


für  A^  und  ^tg. 


Xzr  2(1,  orzO. 


6 


-0-176815 


0-837344 


45871-75645 


-  59145-191399 


53015-703697 


-  66913-420953 


6 14052  085534 


49524-870813 


38410-439656 


486515-307703 


-30694361^-24 


3135623939-079 


+  0-002008 


+  0-001588 


8 


-  7-817420 
"  0-606107 
383954  07653 

-  475512-419212 

434470-16679 

-  529476-14821 

-4139137-36635 

-  288211-4063 

-  232717-2555 
-3396435  -  796 

-203294524215-65 
206595961954-5 

-0-000269 
-0-0Ö02201 


-6  8036785 


0-456036 


3140821-8071 


-3776374-312 


3492950-236 


-4149210-044 


28229890 • 868985 


1722162-6302 


1432327-8103 


23764910-177 


-13031929220778 


13190687366459 


0-0000377906 


+  0-0000317896 


6-020128 


0-355475 


25277872-087 


-29717000-6857 


27728297-392 


32297475-854 


-194434933-57 


-  10563650-93 


-  8985651-5492 


-166927897-162 


-816411438973200 


824001829677297 


-  0-0000054096 


-  0-00000^6421 


540 


R.  Girtler, 


Die  Punkte  nach  den  Summenzeichen  ersetzen  die  aus 
Tabelle  1  zu  berechnenden  Ausdrücke,  in  welche  noch  folgende 
aus  Tabellen  nicht  entnehmbare  BesseFsche  Funktionswerte 
eintreten: 


'.  (f ) = 
'•  (?) = 


97-73492, 


123-463482, 


506-43374, 


(f)  = 


2 
27 


107-01052, 


=  133-817911, 


(?)  = 


540-32436. 


Die  Hauptspannungen  sind: 
Pi  =  T,, 


H41) 


Daraus  folgen  die  drei  Hauptdilatationen  \,  X,,  \  mit  den 
Werten : 


"^ = i  ['^- 


3X4-2(1 
2u.  L 


(Pi+Ps+Pi 


.)]  = 


2|J, 


(3X+2{i) 


(r,+z,+/?J, 


Ni 


=  i:[^«- 


3X+2|i 


(;?i+Ä+P8)j  =  - 


2(1. 

2   ^  3X+2n 


Za-4-i?r 


2|i 

(r,+z,+i?,)], 


\, 


=  i^  [^»- 


3X4-2(1 


(/»i+Pg+P») 


_    1     \Z,—Rr 

211.1-      2 


— -  \/(z,— 2?r)»+4t« — (r<+z,+;? J . 


(42) 


Potential  der  Spannungskräfte. 


541 


Daher  ist  das  elastische  Potential 


/= -PL  [x;+x|+>^+ ^  (Xj +X,+ X,)«] : 


/=- 


2(3X+2n)« 


{Tt+Z,+Rr)'— 


|2(X+H.)  X  12 

[3X+2n^*~3X+2it^^'~^^^J 

1  1   r      X« 


8[i 


2|i.  L(3X+2|i.)' 


4(3X+2n) 
Ist  X  =  2  [1,  so  wird 

x,=  l^[3r,-z.-i?,], 


(3X+2ii)' 


(42) 


X,  =  g^  [/?,+z,-r,+2  V(^,-ier)«+4t«] , 

op» 

X,  =  -^  \R,+Z^T,-2  v/(Z.-i?,)«+4t«], 


>  (41ö) 


und 


/•= 


—  g^  [(3  T,-Z,-Rr)'+2(Rr+Z^-  Tt)'+ 


8(Z,— Är)"+32t«+(J?,+2',+  r,)»].     (42a) 


Wir  setzen 


3  Tt—Z^—Rr 

Z,—Rr 
Rr+Zz'^Tt 


A,    ] 

B, 

C, 

E, 
D.    J 


(43) 


542 


R.  Girtler, 


Daher  können  wir  schreiben: 


/  = 


64  n» 


[i4»+25*+8  Ch- JS«+32Z)''] . 


(42  ft) 


A,  B,  C,  E  ergeben  sich  aus  (35  a)  bis  (38  a)  mit: 


31672»      100152V 


^sfi       \ 


^     aQ\     10575       5-31C 
8    L  a  a» 

4-27306S«      40919r»      0-1334rM     oQ  y 
a»  a»  a*      J"     8  ^"' 

^     aQ  [5-8859      l-6024s*      6-33912» 
L     ö  a»  a» 

3-8859y»      0-1336r*1     aQy 
a»  a»      J       3  ^"" 


8 
2-4036r»=» 


8    L     <» 


2 -93772*       5-82782» 


6-2093r»:»       80772r» 


+0-2671 


a' 


8  ^-J 


=-..^( 


5-2078c^r« 


u 


10-7142      ^  OAI.I-'        l'068c* 
/ •3615 


3^6800    _  0-4006  r*1      oOy 


(43a) 


In  folgender  Tabelle  2  sind  die  Werte  von  A  Ä  QD^E,/,  u, 
n\  T:  nach  v4oj\  v*^«"»'^  ^^^  C^\^  ^^  verschiedene  Werte  von  r 
und  r  zusammengestellt. 

Die  Zahlen  der  folgenden  Tabelle  2  sind  dann,  wenn  für 
sie  die  Berechnung  Bessel'scher  Funktionswerte  not^*endig 
war,  nur  bis  zur  zweiten  Derinialstelle  als  richtig  ru  betrachten. 


Potential  der  Spanntingskräfle. 


543 


In  den  beiden  folgenden  Zeichnungen  sind  die  Kurven 
gleichen  elastischen  Potentials  (Fig.  1)  und  die  Gestalt  des 
Zylinders  nach  der  elastischen  Deformation  (Fig.  2,  p.  546}  dar- 
gestellt. 


t 


z 


m  4h71 


O-H  Ott 


iH6 


0^ 


(HS 


&7t 


IL 


X  =  2|ji,     0  =  0. 
Fig.  1. 


In  Fig.  1  wurde  die  Maximalkurve  des  elastischen  Paten- 


ö 


2 


tials,  das  die  Größe — 0*81  ^^  besitzt,  stark  hervorgehoben.  Aus 

dem  Vorlauf  der  Kurven  ersieht  man,  daß  die  Flächen  gleichen 
Potentials  gegen  die  Basen  des  Zylinders  zu  teilweise  annähernd 
Kegelflächen  mit  der  Zylinderachse  als  Rotationsachse  sind, 


544 
X  =  2|i. 


R.  Girtler, 


Tabelle  2 


z 

r 

A:Q 

B:Q 

C:Q 

D:Q 

0 

0 

0-8678 

-0-2643 

-0-5660 

— 

0 

a 
4 

1-2108 

-0-9173 

-1-0453 

0 

0 

a 

T 

1-1618 

-0-9173 

-1-0453 

0 

0 

3a 
4 

1-0905 

-0-9779 

-1-0759 

0 

0 

a 

1-0834 

-1-3262 

-1-4462 

0 

c 

T 

0 

0-9576 

-0-3815 

-0-6696 

0 

c 
4 

3a 
T 

1-506 

-1-0052 

-1-1124 

0-1864 

c 

4 

a 

1-5203 

-1-3364 

.1-2446 

0 

c 

0 

1-0901 

-0-6761 

-0-8756 

0 

c 
2 

a 
4 

2-4841 

-1-3372 

-1-8565 

0-1258 

c 
2 

a 
"2" 

2-5072 

-1-2394 

-1-7236 

0-2280 

c 
2 

3a 

4 

2-5139 

-1-0729 

-1-5777 

0-1932 

c 
2 

a 

2-6657 

-0-4445 

-0-6660 

0 

3r 
T 

0 

0-7614 

-0-9766 

-0-8696 

0 

Zc 
T 

3a 
T 

3-3618 

-1-0648 

-2-1122 

-0-1835 

3ff 

4 

a 

3-8445 

-0-5945 

-0-9734 

0 

tf 

0 

-0-7440 

-0-9972 

-0-1276 

0 

c 

a 
4 

-0-5831 

-1-0158 

-0-1840 

-0-3416 

c 

a 

-0-1015 

-1-0647 

-0-3062 

-0-6576 

c 

3a 

T 

0-6964 

-1-1451 

-0-6265 

-1-0710 

e 

a 

1-804 

-1-2683 

-l-OOO 

0 

Potential  der  Spannungskräfte. 


für/,  u,  w  und  T<. 


545 
0  =  0 


E.Q 

u :  — 

w: 

T-rß 

0-3392 

-0-055 

0 

0 

0-3018 

-0-568 

-0-1716 

— 

— 

0-1574 

-0-6744 

-0-1846 

— 

— 

01227 

-0-9112 

-0-205 

— 

— 

0  0563 

-1-4920 

-0-3713 

-0-1292 

0 

-0-1214 

0-1936 

-0-0756 

— 

— 

0-2879 

0-5600 

-0-2437 

— 

— 

0-2505 

0-600 

-0-2827 

— 

— 

0-0918 

-0-2792 

-0-1262 

— 

— 

0-207 

-0- 1984 

-0-5988 

— 

— 

0-5734 

+0-0264 

-0-5422 

— 

— 

0-6339 

0-3632 

-0-4608 

— 

— 

0-7205 

0-9832 

-0-1450 

0-4005 

-0-1450 

1-1105 

1-1944 

-0-1556 

— 

— 

-0-1084 

1-1360 

-0-8051 

— 

— 

1-1304 

2-7224 

-0-4754 

— 

— 

1  -  6303 

-2-7432 

-0-1594 

0 

-0-0962 

-0-8721 

-2-6120 

-0-2058 

— 

— 

-0-7995 

-2*224 

-0-3407 

-0-0349 

-0-5037 

-0-5827 

-1-5984 

-0-7102 

— 

— 

-0-2146 

-0-7312 

-0-2344 

0 

-0-2973 

0-2698 

m 


546 


R.  Girtler, 


gegen  die  Mitte  zu  jedoch  Zylinderflächen  ähneln  mit  derselben 
Achse  wie  die  genannten  Kegel.  Dieses  theoretische  Ergebnis 
steht  in  einer  merkwürdigen  Obereinstimmung  mit  der  Tatsache, 


daß  annähernd  homogen  hergestellte  Würfel,  deren  Basen  einer 
analogen  Druckwirkung  ausgesetzt  werden^  wie  wir  bei 
unserem  Zylinder  angenommen  haben,  beim  Bruch  in  solche 
Kegel  und  Zylinder  zerfallend  Bevor  ich  nun  die  Versuchs- 
resultate mitteile,  welche  ich  selbst  erhalten  habe,  möchte  ich 
noch  einiges  über  die  Reibung  an  den  Zylinderbasen  sagen. 

1  C.  Bach,  ElastizUäU-  und  Festigkeitslehre,  p.  156. 


Potential  der  Spannungskräfte.  547 

Nach  dem  eingangs  dieses  Teiles  Gesagten  können  wir  von 
Reibung  nur  in  einem  beschränkten  Sinne  sprechen,  nämlich 
nur  von  jenen  Fällen,  in  welchen  längs  der  Berührungsfläche 
der  reibenden  Körper  eine  gleichmäßige,  normal  auf  sie  stehende 
Druckübertragung  stattfindet.  Nehmen  wir  also  solche  Stoffe, 
für  welche  eine  gleichmäßige  Druckübertragung  annähernd 
möglich  ist,  so  wird  die  Reibung  R  als  Integral  der  über  die  Be- 
rührungsflächen verbreiteten  Schubspannung  aufgefaßt  werden 
können,  in  unserem  betrachteten  Beispiel  also  als  Integral  der 
Schubspannungen  über  die  Basisfläche  des  Zylinders.  Die  in 
Formel  (38)  nach  Einsetzen  von  m  aus  (t)  vorkommende 
Größe  o  ist  selbst  offenbar  eine  Funktion  von  Q  und  müßte  der 
Zusammenhang  mit  Q  durch  Beobachtungen  festgestellt 
werden,  o  wird  für  die  zwei  drückenden  Materialien  charak- 
teristisch sein. 

Die  Sache  allgemein  zu  packen,  d.  h.  die  theoretische 
Herleitung  der  Reibung  für  nicht  gleichmäßige  Druckübertragung, 
ist  mit  ungeheueren  theoretischen  Schwierigkeiten  verknüpft. 

Nach  (38)  ist 

'=  (^-^  o    ll^o      )z{rS^Tr^+'^rVI,{Kr)-^ 
\        2[t(3X-h2(i.j  / 

-k-WI^(Kr)y     (44) 

Z,  S,  r,  F,  W  sind  nur  Funktionen  von  a,  c,  also  der 
Dimensionen  des  Zylinders  und  der  Elastizitätskonstanten  X,  (Ji, 
und  haben  die  Bedeutung 

6tiX(5X-h4(Ji)(3X4-2tx) 

~  10a8£r«(7X3+34jiX2-f34[i*^X^+12|t3)-fa*(X-f-2[x)(X-f-|x)(29X+28|Ji)  ' 

2g»(99X«-hl72{iX+72ti^     4ag(13X-hl2|A)(X-f|i)r      32^» 

3X(5X+4|i)  X(5X-+-4(i.)  3X    ^  "^^^^ 

4(X-h[i)r 
X         ' 

MR—NP  RiX-hy.)       ON—QMKQ.-\-v) 
"       OR—PQ   X4-2|JL    '^  OR—PQ   X4-2(JL   ' 

^_    MR—NP    .    ON—QM 


Z  = 


OR—PQ  OR—PQ 


(45) 


548  R.  Girtler, 

M,  iV,  O,  P,  Qy  R  Sind  aus  (29)  bis  (34)  entnehmban 
Nach  Obigem  ist  die  Reibung 

na 
xdrdff . 

Zur  Ausführung  des  Integrals   /  rlQ(Kr)dr  berücksichtige 
man,  daß 

daher 

C""  Krl^dr=  C''  Krl[dr+  f^^h^r 

Jo  Jo  Jo 

und  das  erste  Integral  rechts  partiell  integriert: 

=  aI^{Ka)-r  I^{Kr)dr+  ^  I^{Kr)dr, 

Jo  Jo 


daher 


rrI,(Kr)dr=^I,{Kr), 
Jo  A. 


Ferner  ist,  da  I^  =  /^  ist: 


Jo  Jo  K  K 

Demgemäß  erhalten  wir,  wenn  wir  auch  noch  die  übrigen 
leicht  zu  berechnenden  Integrale  auswerten: 


2(i(3X+2[i.)  J  L    2  2 

"^TC  W   V  1 

S  F---  ö7, (Aa)  +  --^  2ic  /o(/i:ö)J  •    (46) 


Der  zweite  eckige  Klammerausdruck  ist  bei  gegebenem 
Zylinder  konstant  und  sei  gleich  A  gesetzt;  daher: 

/?=L ^ÜÖ Ja,  (46a) 

worin  3  als  experimentell  zu  bestimmende  Funktion  von  Q 
betrachtet  werden  muß. 


Potential  der  Spannungskräfte.  549 

Da  o  sicher  dem  Drucke  Q  nicht  proportional  ist,  so  ist  R 
auch  nicht  dem  Druck  proportional.  Nur  bei  sehr  hohen 
Drucken,  wo  man  annehmen  kann,  daß  a  verschwindet,  wird  R 
dem  Q  proportional  gesetzt  werden  dürfen.  Aus  den  Ausdrücken 
(36)  bis  (38)  für  Rr,  Tt\  t  sehen  wir,  daß  diese  Spannungen  der 
Reibung  R  proportional  sind. 

Fassen  wir  das  Vorhergehende  kurz  zusammen,  so 
ergab  sich: 

1.  Die  Annahme,  daß  das  Potential  der  Spannungskräfte 
ein  Maß  für  die  Beanspruchung  in  einem  Punkte  eines  Körpers 
sei,  für  die  Erwägungen  physikalischer  Natur  sprechen,  braucht 
in  keinem  Widerspruche  mit  den  bisherigen  Versuchsresultaten, 
insbesondere  den  von  Prof.  Voigt  erhaltenen,  zu  stehen;  um 
jedoch  gewisse  Erscheinungen,  die  am  Schlüsse  des  Teiles  IV 
besprochen  wurden,  näher  zu  erklären,  ist  die  Annahme  der 
Nichtkonstanz  der  Poisson'schen  Größe  m  notwendig. 

2.  Eine  gleichmäßige  Druckübertragung  auf  die  Basen 
eines  Zylinders  zieht  eine  .Krümmung  derselben  notwendig 
nach  sich,  während  das  Ebenbieiben  der  Basen  die  Voraus- 
setzung ungleichmäßiger  Druckübertragung  in  sich  schließt 
(Gleichung  18,  Fig.  2,  Hinweis  auf  N.  G.  Filon). 

3.  Die  Reibung,  als  Integral  der  Schubspannungen  längs 
einer  Berührungsfläche  von  Zylinder  und  einem  zweiten  gleich- 
mäßig den  Druck  übertragenden  Körper  betrachtet,  ist  dem 
Druck  nicht  proportinal  (Gleichung  46  a). 

4.  Die  bei  einer  im  Teil  V  näher  geschilderten  Belastung 
eines  isotropen  Kreiszylinders  auftretenden  Spannungen  Rr  Tt 
und  T  sind  der  Reibung  an  den  Basisebenen  proportional  [(36) 
bis  (38)  und  Gleichung  (46  a)]. 

VI. 

Wir  haben  im  Teil  V  die  Kurven  gleichen  elastischen 
Potentials  eines  Zylinders  unter  den  dort  näher  auseinander- 
gesetzten Oberflächenbedingungen  und  Kraftwirkungen  be- 
rechnet, wobei  das  Verhältnis  des  Basisdurchmessers  des 
Zylinders  zur  Höhe  d:h=  1 : 1  -57  und  X  ==  2(1,  also  m  =  3 
war. 


550  R.  Girtler, 

Im  Folgenden  bringen  wir  die  Resultate  von  Versuchen,  die 
wir  mit  Glaszylindern,  deren  Basisdurchmesser  zur  Höhe 
angenähert  oder  genau  in  demselben  angegebenen  Verhältnisse 
stand,  erhalten  haben.  Wir  wählten  als  Material  Glas,  weil  man 
von  diesem  Material,  wenn  es  feingekühlt  wie  Jenenser  Glas 
ist,  am  ehesten  Isotropie  voraussetzen  kann;  femer  ist  nach  den 
Versuchen  von  Winkelmann  mit  Jenenser  Glas  die  Poisson- 
sche  Größe  m  für  die  meisten  Sorten  zwischen  2  •  5  und  3  gelegen, 
wodurch  wir  uns  dem  berechneten  Spezialfall  nähern.  Drittens 
hat  das  deformierte  Glas  erfahrungsgemäß  sehr  kleine  Dila- 
tationen selbst  bei  sehr  hoher  Belastung,  wodurch  eine  der 
Voraussetzungen  der  angewendeten  Elastizitätsgleichungen 
sehr  angenähert  bis  zum  vollkommenen  Bruche  des  Materials 
bestehen  bleibt,  daher  die  aus  den  Versuchen  gezogenen 
Schlüsse  gesicherter  erscheinen  als  bei  Verwendung  von  vielen 
anderen,  technisch  wichtigen  Stoffen,  bei  welchen  die  Um- 
stände, welche  das  Potential  der  Spannungskräfte  bestimmen, 
viel  komplizierter  liegen.  Man  kann  auch  sagen,  daß  bei  Glas 
Elastizitätsgrenze  und  Bruch  sehr  nahe  aneinander  liegen 
werden. 

Freilich  setzen  die  Elastizitätsgleichungen  auch  die 
Gültigkeit  des  Hook'schen  Gesetzes  voraus,  das  sicher  auch 
innerhalb  der  Elastizitätsgrenzen  nur  angenähert  besteht;  aber 
die  hiedurch  notwendig  werdenden  Korrekturen  werden  bei 
sehr  kleinen  Dilatationen  sicher  weniger  ins  Gewicht  fallen  als 
bei  verhältnismäßig  großen,  wie  z.  B.  den  bei  Gußeisen.  Femer 
kann  man  bei  Glas  das  erste  Auftreten  der  Sprünge  und  das 
Fortschreiten  der  Zerstörung  des  Materials  bei  wachsendem 
Druck  sehr  gut  verfolgen. 

Da  endlich  nach  unserer  Anschauung  der  Hauptgrund  der 
nicht  gleichmäßigen  Druckübertragung  zwischen  Druckplatte 
und  Zylinder  in  der  Verschiedenartigkeit  der  Krümmung  von 
Druckplatte  und  Zylinderbasen  zu  suchen  ist,  so  muß,  um  eine 
gleichmäßige  Druckübertragung  der  theoretischen  Voraus- 
setzung gemäß  praktisch  wirklich  angenähert  herzustellen,  ein 
Material  gewählt  werden,  deren  Krümmung  überhaupt  nicht 
sehr  ins  Gewicht  fällt;  und  dafür  halte  ich  wieder  homogenes 
Glas  am  tauglichsten. 


Potential  der  Spannungskräfte.  55 1 

Die  Druckplatten  bestanden  aus  gehärtetem  Stahl  und 
hatten  einen  Durchmesser  von  7 '9  cm.  Die  untere  der  Druck- 
platten war  durch  Kugelkontakt  beweglich  gemacht,  die  obere  war 
normal  auf  ihre  Fläche  beweglich.  Der  Druck  wurde  hydraulisch 
hergestellt.  Es  ergab  sich  aus  den  Versuchen,  daß  die  geringste 
Nichtparallelität  der  Druckplatten  schon  eine  sehr  bedeutende 
Exzentrizität  des  Druckes  längs  der  Zylinderbasen  zur  Folge 
hatte.  Die  verwendeten  Glaszylinder  waren  aus  verschiedenen 
Glassorten  hergestellt: 

a)  aus  Flaschenglas, 

b)  aus  böhmischem  Kristallglas, 

c)  aus  Jenenser  Glas  O  Nr.  3452. 

Die  Basisflächen  wurden  bei  den  unter  bj  und  c)  genannten 
Gläsern  vom  Optiker  parallel  zueinander  und  normal  auf  die 
Erzeugenden  geschliffen.  Die  Untersuchungen  wurden  mit  der 
Druckfestigkeitsmaschine  des  mechanisch-technischen  Labora- 
toriums des  Prof.  Kirsch  der  hierortigen  technischen  Hochschule 
ausgeführt  und  bin  ich  dem  Konstrukteur  dieses  Institutes  Herrn 
Dr.  Gessner  für  seine  diesbezüglichen  Bemühungen  zu  Dank 
verpflichtet. 

Bevor  ich  zur  Spezialbetrachtung  übergehe,  will  ich  jetzt 
über  das  Allgemeine  in  den  von  mir  vorgenommenen  Versuchen 
berichten.  Die  Zylinder  aus  Flaschenglas  brachen  bei  10  bis 
15  Tonnen  Druck  auf  eine  Druckfläche  von  19  cm^  mit  einer 
kleinen  Detonation  plötzlich  in  tausend  nach  allen. Seiten  aus- 
einanderspringende Trümmer.  Der  Grund  davon  wird  in  den 
schon  von  allem  Anfang  an  im  Glase  vorhandenen  Spannungen 
zu  suchen  sein  und  war  auch  eine  Gesetzmäßigkeit  des  Zer- 
springens  nach  bestimmten  Flächen  deswegen  von  vornherein 
nicht  zu  erwarten.  Böhmisches  Kristallglas  und  insbesondere 
das  Jenenser  Glas  O  Nr.  3452  zeigten,  wenn  die  Stahidruck- 
platte  ohne  Zwischenlage  direkt  mit  den  Basen  der  Zylinder  in 
Berührung  stand,  auf  eine  Fläche  von  16  bis  17  cm^  die  ersten 
Sprünge,  welche  entweder  —  und  das  in  den  weitaus  meisten 
Fällen  —  an  der  Basisfläche  selbst  oder  —  und  das  höchst 
selten  —  in  der  Mantelfläche  in  einer  zur  Basisfläche  parallelen 
Ebene  in  der  unmittelbaren  Nähe  des  Basiskreises  lagen. 

Silzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II a.  36 


552  R.  Girtler, 

Die  ersten  Sprünge  an  den  Basisflächen  hatten  mehr  oder 
weniger  konzentrische  Richtung  (siehe  Tafel  I,  Fig.  3  und  4).  Bei 
weiterer  Druckzunahme  setzten  sich  zuerst  die  konzentrischen 
Sprünge  der  Basen  längs  des  gegen  die  Basisflächen  zu  liegen- 
den Teiles  der  Mantelfläche  in  Zylindererzeugenden  fort  und 
drangen  auch  längs  konaxialen  Ebenen  gegen  die  Mittel-  oder 
zu  ihr  parallelen  Achse  des  Zylinders  hin  v^or,  und  zwar  um  so 
weiter,  je  mehr  sie  sich  von  den  Basen  entfernten  (siehe  Tafel  II, 
Fig.  7,  die  Parallelen  zur  Zylinderachse).  Erst  bei  ziemlich  hohem 
Druck  trat  zu  den  konzentrischen  Sprüngen  ein  mehr  oder 
weniger  kreisförmig  angeordneter  Sprung  in  der  Basisebene  mit 
beiläufig  um  einen  halben  Zentimeter  kleineren  Radius  als  der 
Umfangskreis,  und  zwar  ausnahmslos  bei  den  Versuchen  mit 
Jenenser  Glas  hinzu;  bei  böhmischem  Kristallglas  zeigte  sich 
der  kreisförmige  Sprung  in  der  Mehrheit  der  Fälle  (siehe  Tafel  I, 
Fig.  4,  5,  6). 

Nach  dem  Auftreten  dieses  Kreises  sprang  das  Glas  auch 
an  der  Mantelfläche  in  zu  den  Basiskreisen  mehr  oder  weniger 
parallelen  Linien  (siehe  Fig.  7,  Tafel  II,  die  Parallelen  zum 
Basiskreis). 

Man  konnte  so  den  Druck  bis  40  /  und  etwas  darüber  fort- 
setzen, ohne  daß  das  Glas  vollkommen  in  Trümmer  auseinander 
fiel.  Weiter  wurde  mit  Ausnahme  zweier  Fälle,  von  welchen 
der  eine  weiter  unten  beschrieben  ist,  die  Belastung  nicht 
geführt,  um  der  vollständigen  Zertrümmerung  auszuweichen, 
wodurch  eine  Wiedergabe  der  Sprungfiguren  unmöglich  ge- 
worden wäre. 

Aus  dem  Vorhergehenden  glauben  wir  Folgendes  schließen 
zu  dürfen :  Die  konzentrischen  Sprünge  zu  Anfang  des  Versuches 
deuten  darauf  hin,  daß  die  Druckverteilung  keine  gleichmäßige 
gewesen  ist,  sondern  daß  im  Zentrum  der  Sprünge  anfänglich 
ein  maximaler  Druck  herrschte.  Dieser  maximale  Druck  war 
auch  oft  etwas  exzentrisch,  wie  aus  den  Abbildungen  deutlich 
zu  ersehen  ist.  Erst  bei  gesteigerter  Druckzunahme  wurde  die 
Druckverteilung  eine  gleichmäßigere  und  es  trat  dann  auch 
immer  an  den  Basisflächen  der  bereits  beschriebene  Kreis  auf, 
welcher  nach  unserer  Anschauung  dem  dort  vorhandenen 
maximalen  Potential  entspricht  (siehe  Fig.  1).  Dementsprechend 


Potential  der  Spannungskräfte.  553 

müssen  auch  die  aus  Fig.  7,  Tafel  II,  ersichtlichen,  zum  Basiskreis 
parallelen  Linien  Kurven  gleichen  Spannungspotentials  für 
gleichmäßige  Ehiickübertragung  sein. 

Wurde  zwischen  Zylinderbasen  und  Druckplatten  eine 
0'58cm  starke  Bleiplatte  von  etwas  größerem  Durchmesser  als 
der  der  Basis  eingeschaltet,  so  zeigte  sich  im  Gegensatz  zu  früher 
bis  40 1  auf  eine  Fläche  von  1 7  cm'  überhaupt  kein  Sprung,  nur 
die  Bleiplatten  virurden  schüsseiförmig  deformiert  (siehe  Tafel  II, 
Fig.  9).  Bei  etwas  über  40 1  trat  der  Bruch  plötzlich  ein,  und 
zwar  zerfiel  der  Zylinder  längs  der  Mantelfläche  in  einzelne 
Säulen  A,  B,  Q  Z),  E  (siehe  Fig.  8,  ein  Teil  der  Säulen  ist  leider 
herausgefallen),  und  gegen  die  Zylinderachse  nahm  die  Zer- 
splitterung immer  mehr  zu.  Die  Bleiplatten  haben  also  insofern 
einen  günstigen  Einfluß,  als  sich  bis  40  /  Belastung  überhaupt 
keine  Trennung  des  Materials  längs  Sprüngen  zeigte.  Die 
mutmaßlichen  Gründe  für  dieses  merkwürdige  Verhalten 
werden  wir  in  dem  speziellen  Teil  geben,  zu  dem  wir  uns  nun 
wenden. 

Wir  heben  aus  der  größeren  Anzahl  von  Versuchen,  die 
wir  anstellten,  die  Haupttypen  heraus: 

1.  Zylinder  aus  grünem  Flaschenglas.  Basisdurchmesser 
50  cm,  Höhe  9'0  cm,  Druckplatten  direkt  mit  den  Basen  in 
Berührung.  Totale  Zersplitterung  bei  8  /. 

2.  Zylinder  aus  Jenenser  Glas  O  Nr.  3452.  Basisdurch- 
messer d  =  44-7  mm,  Höhe  h  =  70*2  mm,  d:h  =\:  1  -57; 
Druckplatten  direkt  mit  den  Basen  in  Berührung.  Bei  15  / 
Belastung  Auftreten  der  radialen  Sprünge  (siehe  Tafel  I,  Fig.  3). 
Druckverteilung  nicht  gleichmäßig. 

3.  Zylinder  aus  Jenenser  Glas  O  Nr.  3452.  Basisdurch- 
messer ^  zz  45- 1  mm,  Höhe  h  z=z  70*85  mnf,  d:h  =zl:l'57; 
Druckplatten  direkt  mit  den  Basen  in  Berührung.  Bei  36  t 
Belastung  Sprungfiguren  auf  den  Basen  wie  Fig.  4  und  6, 
Tafel  II,  zeigt.  Druck  war  etwas  exzentrisch.  Sprungfiguren  auf 
der  Mantelfläche,  siehe  Tafel  II,  Fig.  7,  in  welcher  deutlich 
die  mit  den  Erzeugenden  zusammenfallenden  und  auf  ihnen 
normalen  Sprünge  ersichtlich  sind. 

36* 


554  R.  Girtler, 

4.  Zylinder  aus  böhmischem  Kristallglas.  Durchmesser 
4  •  7  ctUy  Höhe  h=z7'l  cm,  d:h  z=zl:l'5l.  Druckplatten  direkt 
mit  den  Basen  in  Berührung.  Druck  40 1  und  etwas  exzentrisch, 
dementsprechend  auch  der  Sprungkreis  nicht  geschlossen. 

5.  Zylinder  aus  böhmischem  Kristallglas.  Zwischenlage  von 
Bleiplatten,  deren  Durchmesser  5' 49 cm  und  Höhe  0 •  58 rm  sind. 
Durchmesser  des  Zylinders  dz=z  4 '925  cm,  Höhe  A  =  7*312  cm, 
d:h=:  1:1' 48,  Der  Zylinder  brach  bei  40 /  anscheinend  plötz- 
lich. Die  aus  Fig.  9,  Tafel  II,  ersichtliche  deformierte  Bleiplatte 
zeigte  an  den  Stellen,  welche  um  die  Achse  des  Zylinders  (an 
der  Stelle  B)  lagen,  eine  größere  Dicke  als  gegen  den  (an  den 
Stellen  A)  Rand  zu.  Das  Blei  hat  bekanntlich  die  Eigenschaft, 
unter  hohem  Drucke  wie  eine  zähe  Flüssigkeit  zu  fließen. 
Betrachtet  man  Fig.  2,  nach  welcher  bei  gleichmäßiger  Druck- 
verteilung der  Teil  der  Basen,  der  um  die  Achsen  sich  befindet, 
höher  liegt  als  jener  in  der  Nähe  der  Mantelfläche,  so  ist  die 
besprochene  verschiedene  Dicke  der  Bleiplatte  —  gleichmäßige 
Druckverteilung  vorausgesetzt  —  damit  zu  erklären,  daß  das 
Blei  infolge  der  Gestalt  des  deformierten  Zylinders  gegen  die 
Ränder  zu  abfließen  konnte,  gegen  die  Achse  des  Zylinders 
aber  am  Abfließen  gehindert  war.  Da&  die  Druckverteilung 
aber  im  letzten  Augenblick  ■  vor  dem  Bruche  eine  nahezu 
gleichförmige  war,  dafür  spricht  Fig.  8,  wo  wir  deutlich  die 
kreisförmige  Anordnung  der  äußeren  Säulen  wahrnehmen 
können.  Vor  dieser  gleichförmigen  Druckverteilung  muß  wieder 
eine  solche  vorhanden  gewesen  sein,  welche  die  radialen,  aus 
der  Figur  deutlich  ersichtlichen  Sprünge  bewirkte.  Zum  Unter- 
schied aber  von  den  Fällen  2,  3,  4  muß  die  Zeitdauer  während 
der  Wechsel  von  ungleichmäßiger  in  gleichmäßige  Druck- 
verteilung sehr  kurz  gewesen  sein,  so  kurz,  daß  es  dem  Beob- 
achter beinahe  plötzlich  vor  sich  zu  gehen  schien. 

Was  vor  diesem  Wechsel  für  eine  Druck-  und  daher 
Reibungsverteilung  auf  den  Zylinderbasen  herrschte  und  die 
Ursache  war,  daß  das  Glas  erst  bei  40 1  jäh  zerbrach,  kann  aus 
den  Beobachtungen  nicht  einmal  vermutet  werden.  Der  Voll- 
ständigkeit halber  möchte  ich  noch  erwähnen,  daß  die  Zylinder- 
basen in  allen  beschriebenen  Versuchen  an  den  Basen  unpoliert 
gewesen  sind. 


Potential  der  Spannungskräfte.  555 

ScUufi. 

Wir  können  uns  nicht  verhehlen,  daß  die  im  vorher- 
gehenden ausgesprochene  Behauptung,  nach  welcher  die  Glas- 
zylinder nach  Kurven  gleichen  Spannungspotentials  gesprungen 
seien,  insofern  etwas  Hypothetisches  anhaftet,  als  wir  über 
die  Druckverteilung  auf  den  Basen  eigentlich  nur  Vermutungen 
aussprechen  konnten.  Allerdings  kann  diesen  Vermutungen 
durch  keine  beobachtbare  Tatsache  widersprochen  werden  und 
es  wäre  gewiß  höchst  absonderlich,  wenn  es  noch  eine  andere 
ungleichmäßige  Druckverteilung,  respektive  bei  gleichmäßiger 
Druckverteilung  geometrische  örter  anderer  Funktionen  geben 
würde,  die  so  ganz  der  Theorie  entsprechend  sich  praktisch 
wirklich  zeigen.  Der  volle  Beweis  für  die  Richtigkeit  unserer 
Anschauung,  daß  das  Potential  der  Spannungskräfte  wirklich 
als  Maß  der  Bruchgefahr  gelten  könne,  müßte  durch  weitere 
Beobachtungsweisen  unter  anderen  Verhältnissen  erbracht 
werden.  Doch  glaube  ich,  wenigstens  einen  kleinen  Ansporn 
nach  vorwärts  gegeben  zu  haben. 


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557 


Büschel-  und  oszillierende  Spitzenentladung 
in  Helium,  Argon  und  anderen  Gasen 

von 

Dr.  Karl  Przibram. 

Aus  dem  Institute  für  theoretische  Physik  an  der  k.  k.  Universilät  in  Wien. 

(Mit  5  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  21.  MSrx  1907.) 

Frühere  Untersuchungen^  über  die  Büschelentladung 
haben  zu  dem  Schlüsse  geführt,  daß  das  positive  Büschel  das 
negative  um  so  mehr  an  Ausdehnung  übertrifft,  je  rascher  sich 
in  dem  betreffenden  Gase^  die  negativen  Ionen  im  Verhältnis 
zu  den  positiven  bewegen,  ein  Verhalten,  daß  sich  etwa  so 
erklären  läßt:  je  rascher  sich  die  Ionen  von  einer  Elektrode, 
an  der  sie  erzeugt  werden,  wegbewegen,  umso  unwahrschein- 
licher ist  es,  daß  an  dieser  Elektrode  ein  genügend  großes 
Potentialgefälle  eintritt,  um  eine  größere  Strecke  des  Gases  zu 
durchschlagen. 

Es  hat  nun  Edmunds'  die  Beweglichkeit  der  Ionen  in 
Helium  bestimmt  und  für  die  positiven  Ionen  i;^  3=  1  -42,  für  die 

negativen  i/«  =  2*03  gefunden;  das  Verhältnis  also  —  =  1  •  43. 

Wenn  der  oben  ausgesprochene  Satz  richtig  ist,  so  müßte  also 
in  diesem  Gase  das  positive  Büschel  das  negative  eher  noch 
mehr  übertreffen,  als  dies  in  Luft  der  Fall  ist,  da  in  Luft  das 

Verhältnis  der  Beweglichkeiten  nach  Zeleny*  —  =  1  375  ist. 

^-f 

1  Diese  Sitzungsberichte,  US,  464  (1904);  U3,  1491  bis  1507  (1904). 

s  In  schlechtleitenden  Flüssigkeiten  scheint  eine  ähnliche  Beziehung  zu 
bestehen:  Diese  Sitzungsberichte,  114,  1461  bis  1476  (1905). 

8  J.  J.  Thomson,  Conduction  of  Electricity  through  Gases,  2.  Auflage, 
Cambridge  1906,  p.  80. 

^  Ebenda,  p.  58. 


558  K.  Przibram, 

Ich  habe  deshalb  die  Büschelentladung  in  Helium  untersucht 
und  bei  dieser  Gelegenheit  die  ganze  Frage  nochmals  auf- 
genommen, indem  ich  teils  ältere  Versuche  wiederholte,  teils 
auf  neue  Gase  ausdehnte.  Da  ferner  nach  v.  Wesen donk^  die 
merkwürdigen,  an  Spitzen,  die  mit  einem  Teslapol  verbunden 
sind,  beobachteten  polaren  Wirkungen  mit  dem  Überwiegen 
des  positiven  Büschels  zusammenhängen,  so  muß  auch  bei 
diesen  Versuchen  die  Reihe  der  Gase,  wie  sie  schon  Himstedt 
aufgestellt  hat,  sich  mit  derjenigen  decken,  die  man  erhält,  wenn 

man  sie  nach  fallenden  anordnet,  so  daß  auch  diese  Ver- 

suche  zur  Prüfung  herangezogen  werden  können.  Ich  bemerke 
gleich  hier,  daß  die  zu  schildernden  Versuche  die  aufgestellte 
Behauptung  durchaus  bestätigen.  Zur  Ausmessung  der  Büschel 
wurde  wie  in  einer  älteren  Arbeit*  die  Entladung  direkt  über 
die  photographische  Platte  geschickt.  Als  Elektrizitätsquelle 
dient  eine  kleine  Wimshurstmaschine  von  26  an  Scheiben- 
durchmesser mit  zwei  Verstärkungsflaschen  von  zirka  Acm 
Durchmesser  und  8  cm  Beleghöhe.  Die  Versuchselektroden 
sind  mit  den  äußeren  Belegen  verbunden,  die  inneren  mit  den 
Konduktoren  der  Maschine  (Kugeln  von  12  mm  Durchmesser), 
so  daß  bei  jedem  Funken  zwischen  den  letzteren  auch  eine 
Entladung  über  die  Platte  geht.  Die  Änderung  des  Abstandes  der 
Konduktoren  gestattet,  die  zur  Wirkung  kommende  Spannung 
beliebig  zu  regulieren.  Der  Rezipient,  in  welchem  die  Aufnahme 
gemacht  wird,  ist  ein  flaches  Glasgefaß  von  14  cm  Höhe, 
10  5cw  Breite  und  O'öcm  Tiefe;  es  ist  unten  offen  und  trägt 
oben  einen  Dreiweghahn,  der  eine  Verbindung  mit  der  Atmo- 
sphäre oder  mit  einem  Gasbehälter  herstellen  läßt.  Die  photo- 
graphische Platte  wird  in  das  Gefäß  eingeführt  und  durch  einen 
nachgeschobenen  kleinen  Kautschuk propfen  festgehalten.  Die 
Elektroden  sind  Platindrähte,  die  sich  federnd  auf  die  Platte 
legen.  Das  Gefäß  wird  in  einen  größeren  Behälter  mit  Queck- 
silber eingesenkt,  wobei  die  Luft  verdrängt  wird.  Dann  wird 
der  Hahn  umgelegt,  das  Gas  bis  zur  Erreichung  des  Atmo- 


1  Phys.  Zcitschr.,  4.  465  (1903). 

2  Diese  Sitzungsberichte,  108,  1161  bis  1171  (1899). 


Büschel-  und  Spttzenentladung.  559 

Sphärendruckes  eingelassen  und  nach  erfolgter  Entladung 
wieder  in  den  Gasbehälter  zurückgepreßt.  Hierauf  wird  der 
Hahn  wieder  umgelegt  und  das  Gefäß  aus  dem  Quecksilber 
herausgehoben,  die  Platte  herausgenommen  und  entwickelt. 
Das  wiederholte  Versenken  der  Platte  in  Quecksilber  beein- 
trächtigt zwar  die  Schönheit  der  Bilder  vom  photographischen 
Standpunkte  ein  wenig,  übt  jedoch  keine  wesentliche  störende 
Wirkung  aus. 

Zur  Untersuchung  der  Spitzenausströmung  dient  ein 
Apparat,  der  einem  früher  beschriebenen^  ähnlich  ist.  Die  Spitze 
ist  ein  bis  auf  wenige  Millimeter  in  Glas  eingeschmolzener 
Platindraht,  der  mit  einem  Pol  einer  kleinen  Teslaanordnung 
verbunden  ist.  (Der  andere  Pol  ist  isoliert.)  Ihr  gegenüber 
befindet  sich  ein  verstellbares  Quecksilberniveau,  dessen 
Ladung  mittels  eines  wenig  empfindlichen  Elektroskopes 
geprüft  wird.  Die  Gasfüllung  geschieht  wieder  durch  Queck- 
silberverdrängung. Störend  wirken  die  starken  Wandladungen. 
Das  Gefäß  konnte  aber  wegen  der  geringen  Gasmengen,  die 
zur  Verwendung  kamen,  nicht  weiter  genommen  werden  und 
bei  Verwendung  eines  die  Spitze  ganz  umschließenden  Metall- 
zylinders als  zweite  Elektrode  wäre  die  sehr  wünschenswerte 
Möglichkeit,  den  Abstand  zu  verändern,  weggefallen.  Da  es 
sich  femer  bei  diesen  Versuchen  bloß  um  Vergleichung  der 
Gase  untereinander  und  nicht  um  absolute  Messungen  handelt, 
so  genügt  der  angegebene  Apparat  vollkommen. 

Das  Helium  wurde  von  Thomas  Tyrer  &  Co.  in  London 
in  Röhren  zu  100  cw*  bezogen.  Gleich  der  erste  Versuch,  die 
Büschelentladung  in  diesem  Gase  zu  photographieren,  schien 
die  gehegte  Erwartung  zu  erfüllen.  Die  Entladung  war,  der 
geringen  elektrischen  Festigkeit*  des  Heliums  entsprechend, 
sehr  ausgedehnt,  das  sehr  schön  verästelte  positive  Büschel 
übertraf  das  rundliche,  unzerteilte  negative  eher  mehr  als  in  Luft. 
Es  stellte  sich  jedoch  heraus,  daß  bei  diesem  Versuche  eine 
beträchtliche  Menge  Luft  eingedrungen  war;  er  mußte  daher 


1  Phys.  Zeitschr.,  4,  581  bis  583  (1903). 

2  Ramsayft  Collie,  Strutt,  siehe  J.  J.Thomson,  1.  c,  p.  449;  Ewers, 
Ann.  d.  Phys.,  17,  781  bis  860  (1905). 


560  K.  Przibram, 

mit  einer  frischen  Heliumprobe  .wiederholt  werden.  Die  größere 
Reinheit  des  Gases  äußerte  sich  in  einer  noch  größeren  Aus- 
dehnung der  ganzen  Entladungserscheinung,  es  erschien  aber 
jetzt  gegen  alle  Erwartung  das  negative  Büschel  auf  Kosten 
des  positiven  vergrößert 

Allein  die  Ähnlichkeit  der  so  erhaltenen  Ejitladungsbilder 
mit  den  Bildern  in  verdünnter  Luft  (Verschwommenheit,  Breite 
der  Büscheläste  etc.)  sowie  der  Umstand,  daß  von  Stellen  des 
Anodendrahtes,  die  weiter  von  der  Kathode  entfernt  sind,  sehr 
lange  positive  Büschelfäden  ausgehen,  weckten  die  Vermutung, 
daß  man  es  hier  mit  einer  Zurückdrängung  des  positiven 
Büschels  durch  die  von  der  Kathode  herkommenden  Ionen* 
schwärme  zu  tun  hat.  So  wird  bei  Verdünnung  der  Luft  das 
positive  Büschel  immer  mehr  zurückgedrängt,  ^  was  sich  nach 
den  hier  vertretenen  Anschauungen  leicht  erklärt,  da  durch  die 
Ionen,  welche  die  negative  Entladung  in  die  Nähe  der  Anode 
bringt,  hier  durch  bloße  Leitung  ein  reichlicher  Elektrizitäts- 
ausgleich stattfindet,  so  daß  das  Gefälle  nicht  mehr  für  so  lange 
Büschel  ausreicht  Ist  dies  auch  im  Helium  der  Fall,  so  muß 
das  richtige  Verhältnis  der  Liüschel  zu  erhalten  sein,  wenn  man 
beide  Büschel  für  sich  allein,  ohne  Beeinflussung  von  Seite 
des  anderen,  beoba*  :itet  Es  wurde  deshalb  jetzt  nur  eine 
Elektrode  mit  der  Maschine  verbunden,  die  andere  isoliert 
gehalten.  Und  jetzt  ergab  sich  in  der  Tat  das  erwartete  Resultat: 
die  Anode  gdb  ein  prachtvolles  verästeltes  Büschel  (Fig.  1), 
die  Kathode  nur  einen  runden  Fleck  (Fig.  2).  Die  größte  Aus- 
dehnung des  positiven  Büschels  betrug  4Qfnm^  des  negativen 
7  mm,  das  Verhältnis  also  gleich  7.  Der  Versuch  wurde  mit 
gleichem  Resultate  wiederholt;  das  Verhältnis  der  Büschel 
ergab  sich  zu  7  -  5.  Vergleichsaufnahmen  in  Luft  lieferten  unter 
gleichen  Bedingungen  die  Zahlen  24mm,  3' 5 mm,  6*8  (Fig.  3). 
Der  Abstand  der  Konduktoren  der  Maschine  war  in  diesen 
Fällen  lern. 

In  Übereinstimmung  zeigte  sich  femer  das  Verhalten  des 
Heliums  gegen  die  oszillierende  Spitzenentladung.  War  der 
oben  beschriebene  Apparat  mit  Luft  gefüllt,  so  empfing  das 


1  Diese  Sitzungsberichte,  108,  1165  (1899);  iiJ,  461  (1904). 


Büschel-  und  Spiteenaotladung. 


561 


Quecksilber  bei  einem  Abstand  von  zirka  33mm  von  der  Spitze 
stets  eine  starke  positiv«  Ladung.  Ein  beiläußges  MaQ  für  die 
Aufladung  gibt  die  Zeit,  die  vom    Einschalten    des  Tesla- 


Flg.  1. 

apparates  bis  zum  Anschlagen  der  Elektroskopblättchen  an  die 
SchutKplatten  vergeht.  Wurde  nun  Helium  eingefüllt,  so  war 


^ 


Ü¥^ 


Fig.  2. 


Fig,  3. 


die  Aufladung  auch  positiv.    Im   folgenden  gebe  ich  einige 
Messungen  der  angegebenen  Zeit: 

Luft .  stark  - 

Helium  , 


Luft . . . 
Helium 
Luft .  . . 
Helium 


Blättchen  schlagen  an  nach  zirka  3" 

.     2",  3" 


1-5^,2" 
3-5" 

l-ö",  2-5" 
1". 


Aus  diesen  und  ähnlichen  Versuchen  geht  hervor,  daß 
Helium  die   positive  Spitzenausströmung  in  ganz  ähnlicher 

Weise  begünstigt  wie  die  Luft,  wie  nach  dem  Verhältnis  ^ 

und  nach  der  Untersuchung  der  Büschelgröße  zu  erwarten  war. 
Es  dürfen  bei  diesen  Versuchen  die  leuchtenden  Büschel, 
welche  man  im  Dunkeln  von  der  Spitze  ausgehen  sieht,  nicht 
ganz  bis  zum  Quecksilber  hinüberreichen,  da  sonst  Unregel- 
mäßigkeiten auftreten.  Bei  der  Leichtigkeit,  mit  der  die  Ent- 
ladung im  Helium  erfolgt,  ist  hier  besonders  darauf  zu  achten. 
Um  möglichst  viele  untereinander  vergleichbare  Resultate 
zu  erhalten,  wurden  die  schon  früher  untersuchten  Gase:  Luft, 
Sauerstoff,  Wasserstoff  und  Kohlendioxyd  wieder  geprüft.  Die 
folgende  Tabelle  gibt  unter  A  die  Funkenlänge  zwischen  den 
Maschinenkonduktoren  in  Millimetern,  unter  B+  und  B_  die 
Durchmesser  des  positiven,  respektive  negativen  Büschels,  senk- 
recht zur  Verbindungslinie  der  Elektroden  gemessen,  in  Milli- 
metern, unter  -H^  schließlich  das  Verhältnis  der  beiden  Größen. 


Die  mit  der  oszillierenden  Spitzenentladung  in  diesen 
Gasen  erhaltenen  Resultate  decken  sich  mit  denen  von  Harvey 
&  Hird  '■  und  Himstedt.  "  Es  ergaben  sich  nämlich  die 
folgenden  Ausschläge: 

1  Phil.  Mag.  (5).  36.  45  (1893). 
t  Wied.  Ann.,  S2,  473  (1894). 


Büschel-  und  Spitzenentladung. 


563 


Luft stark  +,  in  zirka  2"  an, 

O2 +,  »       »    13''    » 

H« sehr  schwach  — ,  schlägt  nicht  an. 

COa stark  — ,  in  zirka  8''  an. 

In  der  ersten  Arbeit  von  Zeleny  ^  über  das  Verhältnis  der 
lonenbeweglichkeiten  ist  dieses  Verhältnis  noch  für  N2O  und 
C2H2  angegeben.  Es  wurden  deshalb  auch  diese  Gase  unter- 
sucht. Es  ergaben  sich  die  folgenden  Zahlen: 


il  s=  10  mm 

20  mm 

B^ 

B_ 

B^ 
B^ 

B^ 

B_ 

B^ 
B^ 

N20 

12 
8-5 

4 

4 

3 

2-1 

10 
15 

10 
13 

1-0 
1-2 

v^  rla   ••■...••••..• 

■        4    ••••••••••••• 

Die  zu  verschiedenen  Malen  in  N2O  erhaltenen  Bilder 
weichen  stark  voneinander  ab.  In  Acetylen  muß,  seiner  großen 
Festigkeit"  entsprechend,  zur  Erzielung  guter  Büschel  A  groß 
gewählt  werden.  Es  treten  hiebei  leicht  Funken  auf,  welche 
die  Platte  schwärzen,  wodurch  die  r^yy. 
Wiedergabe     der    Bilder     erschwert  b 


Fig.  4. 


wird.  Fig.  4  gibt  wenigstens  in  den   4. 

wesentlichsten    Zügen    die   Umrisse 

einer  solchen  Entladung  in  Acetylen. 

Die  Ähnlichkeit  der  beiden  Büschel  ist  hier  sehr  auffallend. 

Bei  der  oszillierenden  Spitzenentladung  gibt  N2O  eine  sehr 
schwache  positive  Ladung,  C2H2  eine  sehr  starke  negative,  wie 
von  den  untersuchten  Gasen  sonst  nur  CO2. 

Berücksichtigt  man  noch  die  Angaben  Himstedt's^  über 
das  Verhalten  von  NHs  und  Leuchtgas  gegen  die  oszillierende 


1  Phil.  Mag.,  46,  120  (1898);  J.  J.  Thomson,  1.  c,  p.  52. 

2  Natterer,  diese  Sitzungsberichte,  98,  990  bis  1001  (1889). 

3  L.  c. 


564 


K.  Przibram, 


Spitzenentladung,  so  sind  alle  Gase  untersucht,  für  welche 
das  Verhältnis  der  lonenbeweglichkeiten  bisher  wenigstens 
annähernd  bekannt  ist.  Auf  den  Stickstoff  komme  ich  später 
noch  zu  sprechen. 

Um  einer  weiteren  Prüfung  der  eingangs  aufgestellten 
Behauptung  vorzuarbeiten,  wurde  die  Büschel-  und  oszillierende 
Spitzenentladung  auch  noch  in  Kohlenoxyd  und  in  Argon 
untersucht. 

In  CO  sind   die  erhaltenen  Bilder  recht  undeutlich.  Das 

beste  ergibt  bei  A=  10mm,  B^=  11,  B-=:4,  ^  =  2 -8.  Die 

oszillierende  Spitzenentladung  gibt  eine  schwache  positive 
Ladung,  aber  sehr  schwankend  und  launenhaft. 

Das  Argon  wurde  von  derselben  Quelle  bezogen  wie  das 
Helium.  Die  Büschelentladung  ist  sehr  schön  entwickelt,  in  der 
Ausdehnung^  zwischen  Luft  und  Helium  stehend.  Die  Ver- 
größerung gegen  Luft  betrifft  jedoch  fast  nur  das  positive 
Büschel;  das  negative  ist  unscheinbar  und  übertrifft  kaum  das- 
jenige in  Luft.   Drei  Aufnahmen  ergaben  folgende  Resultate: 


■ 

A  =  ^mm 

lOmm 

B^ 

B_ 

B^ 

B^ 

B_ 

Argon 

40 

1 

8 

5 

46 
50 

6 

6 

7-7 
8-3 

Eigentümlich  ist  auf  diesen  Bildern  das  Auftreten  schöner 
Schichtungen  in  den  Büschelästen,  wie  sie  sonst  bei  Atmo- 
sphärendruck nur  sehr  selten  zu  beobachten  sind  (Fig.  5). 

Wird  in  Argon  die  oszillierende  Spitzenentladung  ein- 
geleitet, so  schlagen  die  Blättchen  des  Elektroskopes  sofort 
heftig  an,  so  daß  die  Zeit  mit  der  Stopuhr  kaum  mehr  fest- 


1  über  die  elektrische  Festigkeit  des  Argons  siehe  Bouty,  Compt.  rend., 
13S,  616  bis  618  (1904).  Minimumpotenüal :  Ewers,  1.  c. 


Büschel-  und  Spitzenentladung.  565 

zustellen  ist.  Die  Aufladung  ist  positiv  und  nach  der  Heftigkeit 
der  Ausschläge  stärker  als  in  Luft  und  Helium. 

Die  mitgeteilten  Zahlen  sollen  nun  zur  Prüfung  der  ein- 
gangs aufgestellten  Behauptung  verwendet  werden,  wobei  auch 
noch  die  älteren  Ergebnisse  herangezogen  werden  mögen. 
Besteht  der  behauptete  Zusammenhang,  so  muß  die  Reihe  der 


Fig.  5. 

Gase,  geordnet  nach  fallendem  — =^,  sich  decken  mit  der  Reihe, 

B        ^"^ 
geordnet  nach  fallendem  -^^.    Eine    flüchtige   Prüfung    zeigt 

zunächst,    daß    in    der    Tat    den    größten    Werten    von 


B^ 


^+ 


(Luft,  He)  die  größten  Werte  von  -z~^  entsprechen,   und   den 

kleinsten  Werten  von (COj,  C2H2)  die  kleinsten.  Zur  voll- 

ständigen  Einordnung  ist  aber  noch  folgendes  zu  bemerken. 
G.  Wiedemann^  hat  daraufhingewiesen,  daß,  da  das  negative 
Büschel  im  allgemeinen  das  kleinere  ist,  jede  Größenänderung 
an  ihm  weniger  hervortreten  wird  und  daß  sich  daraus  die 
größere  Ähnlichkeit  beider  Büschel  in  den  schwerer  zu  durch- 
schlagenden Gasen,  wie  Sauerstoff,  Leuchtgas  oder  Chlor- 
wasserstoff erklären  ließe.  Wohl  reicht  dieser  Umstand  zur 
Erklärung  nicht  aus,  da   z.  B.  auch  bei  gleicher  Größe  des 


1  Elektrizität,  IV.  Bd.,  §  836. 


566  K.  Przibram, 

negativen  Büschels  in  Luft  und  CO2  doch  das  positive  im  erst- 
genannten Gas  weit  größer  ist  als  im  zweiten,  oder  in  Wasser- 
stoff trotz  seiner  geringeren  Festigkeit  die  beiden  Büschel 
ähnlicher  sind  als  in  Luft,  doch  ist  der  ungleichen  Ausdehnung 
oder  der  verschiedenen  elektrischen  Festigkeit  der  Gase  Rech- 
nung zu  tragen.  Man  hat  also  nicht  die  Büschel  bei  gleichem  A^ 
sondern  bei  gleichem  jB_  zu  vergleichen.  Bei  den  älteren  Auf- 
nahmen, bei  denen  ^  in  der  Regel  größer  als  20mm  war,  wurde 
die  verschiedene  Festigkeit  schon  teilweise  durch  Veränderung 
von  A  kompensiert,  so  daß  sie  untereinander  vergleichbare 
Resultate  lieferten.  Würde  man  bei  gleichem  A  vergleichen,  so 
fiele  z.  B.  der  Sauerstoff  ganz  aus  der  Reihe.  Damit  dürfte  ein 
scheinbarer  Widerspruch  aufgeklärt  sein,  der  zwischen  der  hier 
aufgestellten  Behauptung  und  den  Angaben  Faraday's  über 
die  Büschel  in  verschiedenen  Gasen  besteht.  Die  Stelle,  *  aus 
der  so  ziemlich  alle  späteren  Angaben  über  den  Einfluß  der 
Gasart  auf  die  Büschelentladung  geschöpft  sind,  lautet:  »In  Luft 
ist  die  Überlegenheit  des  positiven  Büschels  wohl  bekannt. 
In  Stickstoff  ist  sie  ebenso  groß  oder  sogar  größer  als  in  Luft. 
In  Wasserstoff  verliert  das  positive  Büschel  einen  Teil  seiner 
Überlegenheit,  indem  es  nicht  so  gut  ist  als  in  Stickstoff  oder 
Luft,  während  das  negative  Büschel  nicht  beeinträchtigt 
erscheint.  In  Sauerstoff  ist  das  positive  Büschel  gedrungen  und 
ärmlich,  während  das  negative  nicht  kleiner  wird.  Die  beiden 
waren  so  ähnlich,  daß  das  Auge  häufig  eines  vom  anderen 
nicht  unterscheiden  konnte,  und  diese  Ähnlichkeit  blieb  bestehen, 
wenn  der  Sauerstoff  allmählich  verdünnt  wurde.  In  Leuchtgas 
sind  die  Büschel  schwer  zu  erzeugen  im  Vergleich  zum  Stick- 
stoff und  das  positive  dem  negativen  nicht  sehr  überlegen  in 
seinem  Charakter,  weder  bei  gewöhnlichen,  noch  bei  niedrigen 
Drucken.  In  Kohlensäuregas  trat  diese  Annäherung  im  Charakter 
auch  auf  In  Chlorwasserstoffgas  war  das  positive  Büschel  nur 
wenig  besser  als  das  negative  und  beide  schwer  zu  erzeugen 
im  Vergleich  zur  Leichtigkeit  in  Stickstoff  und  Luft.«  Zahlen 
sind  nicht  angegeben,  so  daß  man  es  hier  wohl  nur  mit  sub- 
jektiven Schätzungen  zu  tun  hat.  Es  dürfte  daher  dem  Vergleiche 


1  Experimcntal  Rcsearches,  I.  Bd.,  §  1476. 


Büschel-  und  Spitzenentladung.  567 

desselben  Büschels  in  verschiedenen  Gasen  weniger  Gewicht 
beizulegen  sein  als  dem  Vergleiche  beider  Büschel  im  selben 
Gas.  Ich  habe  stets  gefunden,  daß  unter  sonst  gleichen  Um- 
ständen auch  das  negative  Büschel  in  O2  kleiner  ausfiel  als 
in  Luft,  was  bei  den  Faraday'schen  Versuchen  wohl  nur  wegen 
der  Schwierigkeit  des  direkten  Vergleiches  nicht  festgestellt 
werden  konnte.  So  finde  ich  auch  stets  in  Wasserstoff  eine 
Vergrößerung  des  negativen  Büschels  gegen  Luft,  während 
nach  Faraday  keine  wesentliche  Änderung  eintritt. 

Vergleicht  man  nun  die  Büschel  in  verschiedenen  Gasen 
nicht  bei  gleichen  äußeren  Bedingungen,  sondern  bei  gleicher 

Ausdehnung  der  negativen  Büschel,  so  ergibt  sich  -«^in  Sauer- 

ß— 

Stoff  lange  nicht  so  klein,  als  nach  Faraday   zu  erwarten 

wäre  und  es  ist  anzunehmen,  daß  Faraday  bei  verstärkter 

Elektrizitätszufuhr  auch  einen  größeren  Unterschied  zwischen 

den  beiden  Büscheln  im  Sauerstoff  beobachtet   hätte.  Reit- 

linger^  hat  gezeigt,  daß  die  Lichtenberg'schen  Figuren  in  Luft, 

O2,  H2  und  CO2  mit  den  zitierten  Faraday'schen  Beobachtungen 

übereinstimmen.  Ich  habe  die  Versuche  wiederholt,  wobei  ich 

die  zur  Anwendung  kommende  Spannung  variierte,  und  erhielt 

Resultate,  die  sich  mit  den  photographischen  Bildern  vollständig 

decken. 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  Gase  nach  fallendem  — ^ 

geordnet.  Die  erste  Kolumne  gibt  den  Namen  des  Gases,  die 
zweite  das  Verhältnis  —^  nach  den  älteren  Angaben  Zeleny's, 

die  dritte  di«  neueren  Werte  nach   Zeleny  und  den  Wert 

JD 

für    He   nach   Edmunds,   die  vierte  das  Verhältnis  -  —  für 

A  =  10mm,  die  fünfte  dasselbe  für  A=:  20  mm,  die  sechste 
die  früher  erhaltenen  Werte  dieses  Verhältnisses,  wobei,  wie 
schon  bemerkt,  A  größer  als  20  mm  war  und  nach  der  Festigkeit 
des  Gases  verändert  wurde.  Die  siebente  und  achte  geben  das 
Verhältnis  bei  gleicher  Größe  des  negativen  Büschels,  und  zwar 
für  einen  Durchmesser  zwischen  5  •  5  und  7  mm  und  zwischen 


1  Diese  Sitzungsberichte,  43,  S5  (1861). 
Silzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  37 


568 


K.  Prsibram, 


10  und  12  mm.  Die  Zahlen  der  neunten  Kolumne  schließlich 
bedeuten  Ordnungszahlen,  welche  das  Verhalten  der  Gase 
gegen  die  oszillierende  Spitzenentladung  charakterisieren  sollen, 
indem  die  an  der  Spitze  stehenden  Gase  bei  einer  bestimmten 
Elektrodendistanz  starke  positive  Ladungen  vermitteln,  die 
letzten  starke  negative. 


B^ 

B^ 

s 

S 

Gas 

v_ 

v_ 

S 

S 

S 

s 

S 

«'+ 

v+ 

S 

i 

S 

CD 

-* 

0 

0 
Ol 

0 

CM 

•2 

JA 

1 

fl 

A 

1 

1 

-^ 

-^ 

'^ 

OQ 

0^ 

Ar 

— 

1-43 

8 
7-2 

— 

— 

8 

7-5 

1 

He 

?     2 

Luft 

1-24 

1-375 

4-7 

4-3 

45 

4-7 

4-3 

/ 

0, 

1-24 

1-32 

2 

31 

4-1 

31 

— 

3 

N2 

1-23 

— 

— 

3-2 

6 

Leuchtgas  .  . 

115 

— 

— 

}' 

H2 

1-14 

1-19 

31 

3-5 

20 

31 

NgO 

1-105 

— 

2-5 

— 

— 

4 

NH3 

1-045 

— 

— 

— 

) 

CO2 

1-00 

1-07 

1-8 

— 

2-6 

1-8 

— 

7 

C2H2 

0-985 

— 

— 

1-1 

— 

— 

10 

1 

Ein  Blick  auf  die  letzten  drei  Kolumnen  lehrt,  wie  weit- 
gehend die  Übereinstimmung  im  Verhalten  der  Gase  gegen 
Büschel-  und  oszillierende  Spitzenentladung  ist:  je  länger  das 
positive  Büschel  im  Vergleich  zum  negativen  ist,  umso  größer 
die  positive  Ladung,  die  ein  Leiter  in  einem  bestimmten  Abstand 
von  der  Spitze  am  Teslapol  erhält,  womit  die  Anschauung 
V.  Wesendonk's  vollkommen  gerechtfertigt  erscheint. 

Aber  auch  der  Zusammenhang  mit  dem  Verhältnis  der 
Beweglichkeiten  scheint  mir  unverkennbar.  Wenn  man  auch 
vielleicht  den  geringen  Unterschieden  unter  den  mittleren 
Gliedern  der  Reihe  nicht  allzuviel  Gewicht  beilegen  darf  —  bei 


Büschel-  und  Spitzenentladung.  569 

dem  etwas  unsicheren  NgO  kommt  hier  auch  eine  Umstellung 
vor  —  so  ist  doch  die  übereinstimmende  Stellung  der  ersten 
und  letzten  Glieder  sehr  auffallend  und  ich  lege  daher 
besonderes  Gewicht  auf  die  in  He  und  CbHs  gewonnenen 
Resultate  als  neue  Stützen  der  aufgestellten  Regel. 

Das  Verhalten  des  Stickstoffes  muß  noch  erörtert  werden. 
Nach  Farad ay  sind  in  diesem  Gase  die  polaren  Unterschiede 
der  Büschel  dieselben,  wenn  nicht  noch  gröfiere,  als  in  Luft. 
Meine  älteren  Bilder  ergaben  aber  ein  kleineres  Verhältnis.  Die 
Himstedt'schen  Versuche  sprechen  auch  für  ein  Zurückdrängen 
des  positiven  Büschels   im  Stickstoff.  Der  Zeleny'sche  Wert 

1  -23  für  -^^  ist  kaum  kleiner  wie  der  für  Luft;  dies  wäre  mit 

der  Faraday'schen  Beobachtung  in  Übereinstimmung,  während 
die  neueren  Versuche  einen  kleineren  Wert  erwarten  ließen. 
Die  Ursache  dieser  Widersprüche  ist  wohl  darin  zu  suchen,  daß 
alle  Entladungserscheinungen  gerade  im  Stickstoff  außer- 
ordentlich stark  von  Verunreinigungen,  besonders  durch  Sauer- 
stoff,   beeinflußt   werden.^   Es   muß   übrigens   noch   erwähnt 

werden,  daß  die  hier  angeführten  Werte  von  — ^  gar  nicht  die 

wirklich  maßgebenden  sein  müssen.  J.  Frank' hat  gezeigt,  daß 
bei  der  Spitzenentladung  die  lonenbeweglichkeit  in  der  Nähe 
der  Spitze  eine  weit  größere    ist  als    die   von   Chattock^ 

gefundene  und  daß  das  Verhältnis für  Luft,  im  Felde  der 

Entladung  selbst  gemessen,  sich  zu  3*8  ergibt  Es  ist  nun  sehr 
gut  denkbar,  daß  dieses  Verhältnis  der  anfänglichen  Beweglich- 
keiten von  Gas  zu  Gas  nicht  streng  parallel  verläuft  mit  dem 
gewöhnlichen  Beweglichkeitsverhältnis.  Leider  liegen  voll- 
ständige Angaben  nur  für  Luft  vor.  Für  Stickstoff  konnte  nur 
die  Beweglichkeit  der  positiven  Ionen  =  9*2  bestimmt  werden; 


1  Warburg,  Ann.d.Phys.,  2,  307  (1900);  Strutt,  siehe  J.J.  Thomson, 
1.  c,  p.  448. 

2  Aim.  d.Phys.,  21,  972  bis  1000  (1906). 

s  Phil.  Mag.,  ^8,401  (1899);  mit  Walker  und  Dixon,  Phil.  Mag.  (4),  /, 
79  (1901). 

37* 


570  K.  Przibram,  Büschel-  und  Spitsenentladung. 

von  der  Beweglichkeit  der  negativen  ließ  sich  nur  aussagen, 
daß  sie  größer  als  16  ist. 

In  der  Tabelle  findet  sich  auch  das  Argon  eingetragen. 
Wenn  die  bisher  gefundene  Obereinstimmung  als  stichhältig 
betrachtet  werden  kann  und  das  Verhältnis  der  lonenbeweglich- 
keiten  also  wirklich  immer  der  ausschlaggebende  Faktor 
für  die  polaren  Unterschiede  der  Büschel  ist  (daß  es  e  i  n  Faktor 
ist,  scheint  mir  nicht  mehr  bezweifelt  werden  zu  können),  so 
ist  aus  den  Beobachtungen  in  Argon  zu  schließen,  daß  dieses 

Gas  auch  in  Bezug  auf  das  Verhältnis  —  an  der  Spitze  steht 

und  daß  dieses  Verhältnis  größer  als  1-43  gefunden  werden 
wird.  Die  mit  CO  erhaltenen  Resultate  sind  zu  unsicher,  um 
diesem  Gase  einen  bestimmten  Platz  in  der  Reihe  anzuweisen, 
doch  dürfte  es  sich  zwischen  O2  und  H2  einordnen. 

Die  Ergebnisse  der  vorliegenden  und  früherer  Arbeiten 
zusammenfassend,  läßt  sich  der  Satz  aussprechen:  Ordnet  man 
die  Gase  nach  fallenden  Verhältnissen  der  Beweglichkeiten  der 

negativen  und  positiven  Ionen  — ^,  so  fällt  in  dieser  Reihe  im 

großen  und  ganzen  auch  das  Verhältnis  der  Ausdehnung  des 

positiven   Büschels   zu   der  des   negativen  -^^    und    nimmt 

gleichzeitig  auch  der  positive  Charakter  der  Teslaausströmung 

ab.  Eine  ionentheoretische  Begründung  für  dieses  Verhalten  ist 

früher  gegeben  worden.^  Die  Gültigkeit  des  Satzes  vorausgesetzt, 

v_ 
läßt  sich  vorhersagen,  daß  —  für  Argon  sich  größer  ergeben 

1;+ 

wird  als  für  irgend  eines  der  bisher  untersuchten  Gase. 


1  Diese  Sitzungsberichte,  113,  1491  bis  1507  (1904). 


571 


Absolute  Messungen  der  näehtliehen  Aus- 
strahlung in  Wien 

von 

J.  Kr6mäf'  und  Dr.  R.  Schneider. 

(Mit  1  Tafel.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  21.  März  1907.) 

Um  zur  Lösung  der  Frage  über  den  Gang  der  nächtlichen 
Ausstrahlung  beizutragen,  haben  wir  an  der  k.  k.  Zentralanstalt 
für  Meteorologie  und  Geodynamik  in  Wien,  Hohe  Warte,  einige 
kontinuierliche  Reihen  von  Messungen  in  wolkenlosen  Sommer- 
nächten ausgeführt. 

Bei  den  Messungen  wurde  das  Ängström*sche  elektrische 
Kompensationsaktinometer^  benützt,  bei  dem  die  Intensität  der 
Ausstrahlung  in  Grammkalorien  pro  Quadratzentimeter  und 
Minute  gegeben  ist  durch 

Ö=i:konst.f«(l-ha/), 
wo 

i  =:  Intensität  des  Kompensationsstromes  in  Milliampere, 

a  =1  Temperaturkoeffizient  des  Widerstandes  der  Streifen, 

/  =  die  Temperatur  derselben  in  Graden  Celsius. 

Bei  dem  Apparate  Nr.  1,^  mit  dem  die  Messungsreihen 
vom  31.  Juli  bis  1.  August  und  14.  bis  15.  August  1906  aus- 


1  Knut  Angström,  Über  die  Anwendung  der  elektrischen  Kompensations- 
methode zur  Bestimmung  der  nächtlichen  Ausstrahlung.  Nova  acta  reg.  soc. 
scient  Upsal.  Ser.  IV,  vol.  I,  Nr.  2. 

2  Derselbe  wurde  als  erster  derartiger  Apparat  von  Herrn  Prof.  Angström 
in  Upsala  dem  Direktor  der  k.  k.  Zentralanstalt  für  Meteorologie  und  Geo- 
dynamik, Herrn  Hofrat  Prof.  J.  M.  Pernter,  freundschaftlich  verehrt. 


572 


J.  Krcmär  und  R.  Schneider, 


geführt  wurden,  betrug  die  Konstante  nach  vorläufigen  Angaben 
des  Herrn  Prof.  Ängström  16-4;  die  Änderungen  des  Wider- 
standes der  Streifen  mit  der  Temperatur  wurden  hier  nicht 
berücksichtigt. 

Bei  dem  zweiten  Apparate,  Nr.  7,  mit  dem  am  31.  August, 
1.  bis  2.,  2.  bis  3.,  3.  bis  4.  und  4.  September  gemessen  wurde, 
beträgt  die  Konstante  10*5  und  a  ==  0  0022. 

Es  sei  hier  noch  erwähnt,  daß  der  Apparat  Nr.  1  schon 
längere  Zeit  vorher  in  Verwendung  stand  und  dadurch  die 
berußten  Plättchen  etwas  durch  Staub  gelitten  haben,  was 
aber,  wie  sich  zeigte,  keinen  merklichen  Einfluß  auf  den 
Gang  der  Ausstrahlung  hat. 

Bei  den  Messungen  wurde  der  Apparat  zirka  26  tn  hoch 
über  dem  Erdboden  auf  dem  Turme  des  Observatoriums  so 
exponiert,  daß  er  noch  zirka  2  m  über  die  höchste  Plattform 
hinausragte.  Die  Seehöhe  der  Anstalt  beträgt  202  m.  Der  Hori- 
zont von  dieser  Stelle  aus  ist  nach  allen  Richtungen  fast  frei, 
nur  in  W — N  durch  ganz  niedrige  Berge  unbedeutend 
beschränkt. 

Was  die  Beobachtungen  anbelangt,  möge  folgendes  bemerkt 
werden.  Es  wurde  jede  Viertelstunde  gemessen,  und  zwar  fünf 
ganze  Nächte  hindurch  und  drei  halbe,  wo  die  weiteren  Mes- 
sungen durch  Eintritt  der  Bewölkung  verhindert  wurden.  Der 
Gang  der  Ausstrahlung  ist  aus  den  vollständigen  Nächten 
berechnet  worden,  und  zwar  umfaßt  er  die  Zeit  von  8**  p.  bis 
3*»  45™  a.  (Wiener  Zeit). 

Bei  der  Berechnung  des  mittleren  Ganges  haben  wir  zu- 
erst die  ersten  zwei,  mit  dem  Apparat  Nr.  1  gemessenen  Reihen 
ausgelassen  und  nur  die  drei  mit  dem  Apparat  Nr.  7  ge- 
wonnenen benützt,  die  folgenden  mittleren  Gang  zeigen: 


Zeit 

Ausstrahlung 

S'OO"?... 

..     0-164 

8    15        .. 

..     0168 

8    30        .. 

..     0-171 

8   45       .. 

..     0-171 

9   00       .. 

..      0169 

9    15       .. 

. .     0-174 

Zeit 

Ausstrahlung 

9"  30°?... 

. .     0-173 

9  45       ... 

. .     0-166 

10  00       ... 

. .     0-168 

10   15       ... 

. .     0-169 

10  30       ... 

. .     0-165 

10   45       ... 

, .     0165 

Nächtliche  Ausstrahlung  in  Wien. 


573 


Zeit 

Ausstrahlung 

Zeit 

Ausstrahlung 

IfCO^p.. 

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l''30"a.... 

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...     0-160 

1    45       ... 

.      0' 

143 

11    30 

...     0-158 

2   00       ... 

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144 

11    45       . 

...     0-154 

2    15       ... 

.  .      0' 

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. ...     0  146 

2   30       ... 

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3   00       ... 

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3    15       ... 

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1   00 

...     0-146 

3   30       ... 

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•129 

1    15 

. ...     0-143 

3   45       .. 

..     0 

•129 

Die  Untersuchung  der  ersten  zwei  in  dieser  Tabelle  aus- 
gelassenen Nächte  ergab  denselben  Gang,  so  daß  auch  die- 
selben in  die  weitere  Betrachtung  eingezogen  wurden.  Die  so 
gewonnenen  Werte  sind  in  der  nächsten  Tabelle  enthalten, 
denen  zugleich  der  korrespondierende  Gang  der  Lufttemperatur, 
der  relativen  Feuchtigkeit  und  des  Dampfdruckes  beigefügt  ist. 
Diese  Elemente  wurden  in  der  Turmhülte,  21 '3  m  über  dem 
Erdboden,  jede  Stunde  direkt  abgelesen  und  für  die  Zwischen- 
termine aus  den  sich  dort  befindlichen  Registrierinstrumenten 
gewonnen. 

Die  Nächte  fallen  ziemlich  nahe  aneinander  und  die  Sonne 
ging  an  diesen  Tagen  durchschnittlich  um  6^  58"*  unter  und 
um  5^*  6"  auf.  Die  Werte  beginnen  also  zirka  eine  Stunde  nach 
Sonnenuntergang.  Die  Ausstrahlung  hat  hier  eine  ziemlich 
stark  ansteigende  Tendenz  bis  gegen  9**  p.,  wo  sie  ihr  Maximum 
erreicht.  Zwischen  1 1  bis  12^p.  zeigt  sich  eine  rasche  Abnahme 
derselben,  dann  bleibt  sie  bis  2^  a.  gleich  und  nimmt  sogar 
einen  kleinen  Anlauf  zu  einem  sekundären  Maximum,  nach 
dem  dann  eine  kontinuierliche  Abnahme  bis  gegen  Sonnenauf- 
gang folgt.  Bei  den  einzelnen  Messungsreihen,  wie  man  in  den 
Tabellen  sieht,  wird  diese  Abnahme  zirka  drei  Viertelstunden 
vor  Sonnenaufgang  auffallend  rascher  und  ebenfalls  zirka  drei 
Viertelstunden  nach  dem  Sonnenuntergang  erfolgt  ein  ganz 
symmetrischer,  rascher  Anstieg  der  Ausstrahlung.  Es  liegt  nahe, 
anzunehmen,  daß  das  in  der  Strahlung  der  oberen  Luftschichten 
seinen  Grund  habe,  denn  die  mit  dem  Ausstrahlungsapparate 


574 


J.  KrSmaf  und  R.  Schneider, 


Zeit 


Ausstrahlung 


Temperatur 
(Grad  Celsius) 


Relative 
Feuchtigkeit 


Dampfdruck 


81»  00™  p. 

8  15 

8  30 

8  45 

9  00 
9  15 
9  30 
9  45 

10  00 

10  15 

10  30 

10  45 

11  00 
11  15 
11  30 

11  45 

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0  45 

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1  15 
1  30 
1  45 


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2 
2 
2 
3 
3 
3 
3 


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15 
30 
45 
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15 
30 
45 


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59 
59 
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63 
64 
65 
65 
66 
66 
67 
68 
69 
70 
70 
71 
72 
72 
72 
72 
74 
76 
77 
79 
79 
79 
79 
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6 
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7 


Nächtliche  Ausstrahlung  in  Wien.  575 

gewonnenen  Werte  sind  bekanntlich  die  Differenzen  der  abso- 
luten Strahlung  S  und  der  Himmelsstrahlung  H.  Diese  Strah- 
lung der  noch  nach  dem  Sonnenuntergänge  bestrahlten  Luft- 
schichten nimmt  mit  der  alimählich  unter  den  Horizont 
sinkenden  Sonne  immer  mehr  und  mehr  ab,  so  daß  das  S  immer 
größer  wird.  In  analoger  Weise  wird  sich  schon  einige  Zeit  vor 
dem  Sonnenaufgang  die  Strahlung  der  bestrahlten  Luftschichten 
durch  die  Verminderung  der  Ausstrahlungswerte  S  bemerkbar 
machen. 

Betrachtet  man  den  korrespondierenden  mittleren  Gang 
der  Lufttemperatur,  so  sieht  man,  daß  im  allgemeinen  mit  ab- 
nehmender Temperatur  die  Ausstrahlung  abnimmt.  Bei  den 
einzelnen  Tagen  zeigen  sich  in  dem  Zusammenhang  einige 
Details,  die  später  erwähnt  werden. 

Die  relative  Feuchtigkeit  steigt  im  allgemeinen  während 
der  in  Betracht  gezogenen  Zeit  und  dort,  wo  die  Ausstrahlung 
gleich  bleibt,  scheint  auch  die  Feuchtigkeit  konstant  zu  bleiben. 

Der  Dampfdruck  ändert  sich  im  Laufe  der  Nacht  so  wenig, 
daß  ein  Einfluß  des  Wasserdampfgehaltes  der  Atmosphäre  auf 
den  Gang  der  Ausstrahlung  in  einzelnen  Nächten  nicht  ge- 
nügend ersichtlich  ist. 

Von  den  einzelnen  Messungsreihen  sei  folgendes  hervor- 
gehoben : 

Der  Eintritt  des  Maximums  der  Ausstrahlung  schwankt 
zwischen  der  neunten  und  zehnten  Stunde  abends.  Die  rasche 
Abnahme  vor  Mitternacht  ist  nicht  in  allen  Nächten  gleich 
stark  ausgeprägt  und  in  der  Nacht  vom  1.  auf  den  2.  September 
hat  sie  sich  erst  zwischen  1  bis  2^  a.  eingestellt.  In  der  Regel 
hat  dieser  Abfall  der  Ausstrahlung  ein  deutliches,  etwas  ver- 
spätetes Sinken  der  Temperatur  zur  Folge.  Mit  der  steigenden 
relativen  Feuchtigkeit  scheint  die  Intensität  der  Ausstrahlung 
abzunehmen,  ebenso  mit  dem  steigenden  Wasserdampfgehalte 
der  Luft.  Das  wurde  deutlich  bei  Gelegenheit  anderer  Messungs- 
reihen (besonders  am  17.  Juli  1906)  beobachtet,  wo  der  Dampf- 
druck um  1**  a.  um  mehr  als  11%  gesunken  ist  und  die  Aus- 
strahlung gleichzeitig  um  177o  stieg.  Der  Himmel  war  dabei 
wolkenlos,  erst  zirka  eine  Stunde  darauf  fing  die  Wolken- 
bildung an. 


576  J.  Krömär  und  R.  Schneider, 

Die  Windgeschwindigkeit  wie  auch  die  Windrichtung 
änderten  sich  im  Laufe  der  Messungen  sehr  unbedeutend, 
doch  erwies  es  sich,  daß  die  kleinsten  Werte  so  wie  bei  den 
ersten  mit  dem  Apparat  Nr.  1  ausgeführten  Messungsreihen,  so 
auch  bei  den  mit  dem  zweiten  Apparat  ausgeführten  auf  die 
Windstille  fallen.  Bei  Nordwind  ist  die  Ausstrahlung  größer  als 
beim  Südwind,  der  von  der  Stadt  herkommt  und  viel  Rauch 
und  Staub  mit  sich  bringt. 

Ein  interessantes  Beispiel  dafür  bietet  uns  die  Nacht  vom 
2.  auf  den  3.  September,  wo  sich  der  schwache  Wind  nach  3**  a. 
plötzlich  von  Süden  nach  Norden  gedreht  hat  Die  Ausstrahlung 
ist  gleichzeitig,  ganz  gegen  ihren  normalen,  zu  dieser  Zeit  ab- 
fallenden Verlauf,  bedeutend  gestiegen.  Näheres  darüber,  wie 
auch  über  den  Zusammenhang  der  anderen  meteorologischen 
Elemente  mit  der  Ausstrahlung,  läßt  sich  wohl  erst  auf  Grund 
weiterer  Messungen  sagen,  die  in  Ausführung  begriffen 
sind. 

Aus  den  drei  letzten  vollständigen  Messungsreihen  wollen 
wir  auch  die  Summe  der  von  einer  horizontalen  Fläche  von 
einem  Quadratzentimeter  ausgestrahlten  Wärme  für  die  ein- 
zelnen Stunden  bestimmen  (siehe  nachfolgende  Tabelle). 

Es  hat  also  im  Mittel  in  diesen  drei  Septembernächten 
71-1  ^-Kal.  pro  Quadratzentimer  in  den  7^1^  Stunden  von  8**  p. 
bis  3*^  45"  a.  ausgestrahlt.  Die  einzelnen  Nachtsummen  nehmen 
ab,  während  die  mittlere  Temperatur  und  Dampfdruck  steigen. 
Aus  der  mittleren  Summe  der  nächtlichen  Ausstrahlung  ergibt 
sich  pro  Minute  und  Quadratzentimeter  der  Wert  0-  153^-Kal. 

Es  möge  der  Wert  mit  ähnlichen  Messungen  verglichen 
werden,  wobei  selbstverständlich  auf  die  Verschiedenheit  der 
Umstände  (Apparate,  Jahreszeit,  Seehöhe,  Temperatur  etc.), 
unter  welchen  diese  Messungen  angestellt  wurden,  Rücksicht 
zu  nehmen  ist: 

Maurer^  fand  im  Mittel  aus  drei  Juninächten  bei  einer 
mittleren  Temperatur  seiner  kalorimetrischen  Platte  von  15*  C 


1  J.  Maurer,  Über  die  nächtliche  Strahlung  und  ihre  Gröfie  in  absolutem 
Mafie.  Sitzungsber.  der  kgl.  Preufl.  Akad.  der  Wiss.,  mathem.-natun*'.  Klasse, 
Berlin  1887,  p.  502. 


Nächtliche  Ausstrahlung  in  Wien. 


577 


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03 


578  J.  Krem ar  und  R.  Schneider» 

hat  Homen*  zu  derselben  Jahreszeit  im  Jahre  1896  in  Wik- 
karais  im  südlichen  Finnland  seine  kontinuierlichen  Messungen 
angestellt,  wobei  er  viel  niedrigere  Werte  bekommen  hat,  und 
zwar  betrug  in  der  Nacht  vom  1.  auf  den  2.  September  die 
mittlere  Intensität  der  Ausstrahlung  in  der  Zeit  von  5**  20"  p. 
bis  5"  50"  a.  0-067^-Kal.  pro  Minute  und  Quadratzentimeter, 
in  der  Nacht  vom  2.  auf  den  3.  September  in  der  Zeit  von 
5*'40™p.  bis  5*"  10"  a.  0-084  ^-Kal.,  wogegen  am  14.  bis 
15.  August  in  der  Zeit  von  6**  10"  p.  bis  6**  20"  a.  0-  158^-Kal. 
gefunden  wurden. 

In  neuester  Zeit  hat  F.  M.  Exner*  im  Juni  am  Sonnblick 
im  Mittel  0*19^-Kal.  bekommen  bei  mittlerer  Temperatur  von 
—  1'1**C.;  das  Maximum  der  Ausstrahlung  scheint  dort  auf 
1*^  a.  zu  fallen. 

Zum  Schlüsse  möge  auf  Grund  des  früher  berechneten 
Wertes  der  Ausstrahlung  £  =  0*  153  ^-Kal.  pro  Minute  und 
Quadratzentimeier  diejenige  Wärmemenge  bestimmt  werden, 
v/elche  eine  horizontale  Fläche  pro  Quadratzentimeter  und 
Minute  in  einer  klaren  Septembernacht  durch  Rückstrahlung 
von  der  nicht  erleuchteten  Atmosphäre  wieder  empfängt. 

Es  ergibt  sich  nämlich  nach  der  Stefan'schen  Formel  für 
die  absolut  ausgesandte  Strahlung  der  Plättchen  bei  18*6' C. 
der  Wert  (a  =  0-00367): 

S=  0-723xlO-i«x273Vl+aö)*  =  0-523 ^-Kal.  {cm',  Min.), 

so  daß  also  für  die  Wärmestrahlung  der  Atmosphäre  pro 
Quadratzentimeter  und  Minute: 

S— 2  =  0-37^-Kal. 

resultieren,  ein  Wert,  der  mit  dem  von  Maurer*  auf  einem 
ganz  anderen  Wege  gefundenen  (0-39)  gut  übereinstimmt  und 


1  Homen  Theodor,  Der  tägliche  Wärmeumsats  im  Boden  und  die  Wärme- 
Strahlung  zwischen  Himmel  und  Erde.  Leipzig  1897,  p.  141. 

3  Exner  Felix  M.,  Messungen  der  Sonnenstrahlung  und  der  nächtlichen 
Ausstrahlung  auf  dem  Sonnblick.  Meteorol.  Zeitschr.,  38,  1903,  p.  409. 

'  Annalen  der  schweizerischen  meteorol.  Zentralanstalt,  1885,  Bd.  XXIL 


Näehüiche  Ausstrahlung  in  Wien.  579 

natürlich   höher  ist  als  die  für  den  3095  m  hohen  Sonnblick 
von  J.  M.  Pernter  und  F.  M.  Exner  berechneten  Werte. 

Berechnet  man  weiter  die  absolute  Strahlung  für  jede 
Stunde,  indem  man  in  die  Stefan'sche  Formel  die  entsprechen- 
den Temperaturen  einsetzt,  so  zeigen  die  gewonnenen  Werte 
einen  mit  der  beot>achteten  Ausstrahlung  ziemlich  parallel  ab- 
fallenden Veriauf,  mit  Ausnahme  des  Anfanges  bis  zirka  10*^  p., 
wo  vielleicht  der  normale  Verlauf  der  Ausstrahlung  durch  die 
schon  früher  erwähnte  Strahlung  der  oberen  Luftschichten 
gestört  wird. 

Da  an  der  meteorologischen  Zentralanstalt  auch  die 
Sonnenstrahlung  mit  dem  Angström'schen  elektrischen  Kom- 
pensationspyrrheliometer  regelmäßig  gemessen  wird,  so  bietet 
sich  die  Gelegenheit,  einen  Vergleich  zwischen  der  Sonnen- 
strahlung und  der  Ausstrahlung  zu  ziehen.  Auf  Grund  jener 
Messungsreihen  der  Sonnenstrahlung  wurde  die  gesamte,  einer 
horizontalen  Fläche  pro  Quadratzentimeter  in  diesen  Tagen 
von  der  Sonne  zugekommenen  Wärme  berechnet  und  es 
ergaben  sich  für  den  1.  September  318,  für  den  2.  September  321 
und  für  den  3.  September  311  ^-Kal.  direkter  Insolation  pro  Tag. 

Berücksichtigt  man,  daß  die  diffuse  Wärmestrahlung 
(nach  Trabert*)  zirka  40  Prozent  der  direkten  Insolation 
beträgt,  so  erhält  man  für  die  erwähnten  Tage  445,  respektive 
449  und  435  ^-Kal. 

Und  wenn  man  zur  genäherten  Berechnung  der  gesamten, 
in  24  Stunden  ausgestrahlten  Wärme  die  in  der  Nachtzeit  von 
8^p.  bis  3*^  45" a.  gefundene  mittlere  Intensität  der  Ausstrahlung 
annimmt,  so  bekommt  man  für  die  erwähnten  Tage  folgende 
Summen  der  ausgestrahlten  Wärme: 

Für  den  1.  September 230^- Kai.  pro  Quadratzentimeter. 

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Man  erhält  also  für  den  1.  September  eine  positive  Wärme- 
bilanz von  2 15^- Kai.,  für  den  2.  September  228  und  für  den 
3.  September  225,  im  Mittel  also  223^-Kal.  pro  Tag. 


1  Trabert  W.,   Benützung   des  täglichen  Temperaturganges   zur   Er- 
mitUung  der  diffusen  Wärmestrahlung.  Hann-Band  d.  Met.  Zeit.,  1006,  p.  336. 


580 


J.  Krcmir  und  R.  Schneider, 


Zusammenfassung. 

In  wolkenlosen  Septembemächten  zeigt  die  Ausstrahlung 
in  Wien  ein  Maximum  zwischen  9  bis  10^  p.,  eine  raschere 
Abnahme  gegen  Mitternacht  und  dann  langsames  Sinken  bis 
zum  Sonnenaufgang.  Der  Zusammenhang  des  Ganges  mit  den 
meteorologischen  Elementen  ist  aus  den  bisherigen  Messungs- 
reihen noch  nicht  genügend  klar. 

Im  Mittel  aus  drei  klaren  Nächten  hat  eine  horizontale 
Fläche  von  1  cm'  in  der  Zeit  von  8^  p.  bis  3^  45"  a.  71  •  1  ^-Kal. 
ausgestrahlt,  was  der  Intensität  von  0"153^-Kal.  pro  Quadrat- 
zentimeter und  Minute  entspricht. 

Daraus  ergibt  sich  für  die  Strahlung  der  nicht  erleuchteten 
Atmosphäre  der  Betrag  von  0"37^-Kal.  gegen  eine  horizontale 
Fläche  von  1  cm'  pro  Minute. 

Wenn  man  auch  für  den  Tag  die  gleiche  Intensität  der 
Ausstrahlung  annimmt  wie  in  der  Nacht,  so  war  in  diesen 
Tagen  die  mittlere  Wärmebilanz  +223^-Kal.  pro  Quadratzenti- 
meter. 


Wien,  im  März  1907. 


K.  k.  Zentral&nstalt  für  Meteorologie 
und  Geodynamik. 


Nächtliche  Ausstrahlung  in  Wien. 


581 


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Sitzungsberichte  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907. 


•  •  • 


601 


Über  die  niehtarehimedisehen  Größejisysteme 

von 

Hans  Hahn  in  Wien. 

(Vorgelegt  in  der  SiUung  am  7.  MBrz  1907.) 

Das  Studium  der  nichtarchimedischen  Größensysteme  geht 
zurück  auf  P.  Du  Bois-Reymond^  und  O.  Stolz.*  Ausführ- 
lich finden  sich  einige  hieher  gehörende  Fragen  behandelt  in 
der  von  der  Accademia  dei  Lincei  preisgekrönten  Schrift  von 
R.  Bettazzi:  Teoria  delle  grandezze.*  In  seinen  mathematisch 
und  philosophisch  bedeutungsvollen  »Fondamenti  di  geo- 
metria«*  baute  sodann  G.  Veronese  eine  Geometrie  auf  ohne 
Benützung  des  archimedischen  Axioms  und  kam  später,  anläß- 
lich verschiedener  gegen  sein  Werk  gerichteter  Einwände, 
wiederholt  auf  den  Gegenstand  zurück.*  Weitere  Unter- 
suchungen über  nichtarchimedische  Größensysteme  rühren 
von  T.  Levi-Civita  her,®  der  sich  eine  arithmetische  Dar- 
stellung des  Veronese'schen  Kontinuums  zum  Ziele  setzte  und 
dabei  zu  Resultaten  von  großer  Allgemeinheit  geführt  wurde. 
Femer  sei  hier  noch  eine  Arbeit  von  A.  Schoenflies  genannt,' 
von  der  weiter  unten  eingehender  zu  sprechen  sein  wird. 

Unter  einem  nichtarchimedischen  Größensystem  wird  im 
folgenden  ein  System  einfach  geordneter  Größen  verstanden, 
in  dem  eine  gewissen  sechs  Forderungen  genügende  Addition 
definiert  ist  und  in  dem  das  Axiom  des  Archimedes  nicht  gilt. 


1  Math.  Ann..  8  (1875),  11  (1877). 

2  Math.  Ann.,  18  (1881),  p.  269;  22  (1883);  39  (1891). 

3  Pisa,  1891. 

*  Padua,  1891,  deutsch  von  A.  Schepp,  Leipzig,  1894. 

5  Math.  Ann.,  47  (1896);  Rend.  Line.  (5),  6  (1897);  (5),  7  (1898). 

6  Atti  ist.  Ven.  (7),  4  (1892/93);  Rend.  Line.  (5),  7  (1898). 

7  Jahresber.  deutsch.  Math.  Ver.,  15  (1906). 

39* 


602  H.  Hahn, 

Die  Größen  eines  solchen  Systems  lassen  sich  dann  so  in 
Klassen  zusammenfassen,  daß  innerhalb  jeder  einzelnen  Klasse 
das  Axiom  des  Archimedes  gilt.  Diese  Klassen  bilden  nun  selbst 
eine  einfach  geordnete  Menge,  deren  Ordnungstypus  ich  als 
den  Klassentypus  unseres  nichtarchimedischen  Größensystems 
bezeichne.  Es  besteht  dann  (§  1)  der  Satz,  daß  es  nicht- 
archimedische Größensysteme  von  beliebig  vor- 
gegebenem Klassentypus  gibt.^ 

Beispiele  nichtarchimedischer  Größensysteme  von  end- 
lichem Klassentypus  liefern,  wie  seit  langem  bekannt,  die 
komplexen  Zahlen  mit  n  Einheiten,  wenn  man  zwischen  ihnen 
eine  geeignete  Ordnungsbeziehung  festsetzt  Umgekehrt  hat 
Bettazzi  in  seiner  oben  genannten  Preisschrift  gezeigt,  daß 
jedes  nichtarchimedische  Größensystem  vom  endlichen  Klassen- 
typus n  sich  arithmetisch  durch  komplexe  Zahlen  mit  n  Ein- 
heiten darstellen  läßt.  Ich  zeige  nun  in  §  2  allgemein,  daß 
jedes  nichtarchimedische  Größensystem  sich  arithmetisch  dar- 
stellen läßt  durch  komplexe  Zahlen,  deren  Einheiten  eine  (im 
allgemeinen  unendliche)  einfach  geordnete  Menge  bilden*  — 
der  Ordnungstypus  dieser  Menge  ist  der  Klassentypus  unserer 
Größensysteme  — ,  wobei  in  jeder  einzelnen  solchen  Zahl  die 
Einheiten,  deren  Koeffizient  von  Null  verschieden  ist,  eine 
»absteigend  wohlgeordnete«  Menge  bilden,^  d.  h.  eine  Menge, 
welche  bei  Umkehrung  der  Ordnungsbeziehung  zwischen  ihren 
Elementen  in  eine  w*ohIgeordnete  Menge  im  Sinne  von  G.  Can tor 
übergeht  Über  die  Art  meiner  Beweisführung  muß  ich  einige 
Worte  vorausschicken;  sie  beruht  nämlich  auf  der  Annahme, 
daß  jede  Menge  wohlgeordnet  werden  kann.  Die  Frage  nun, 
ob  der  von  E.  Zermelo*  für  diese  Behauptung  publizierte 
Beweis  bindend  ist,  ist  bekanntlich  kontrovers  und  besonders 


1  Dies  Resultat  deckt  sich  inhaltlich  mit  den  Überlegungen  von  Levi- 
Civita,  Rend.  Line.  (5),  7'1,  p.  113  flf. 

3  Auch  Veronese  bezeichnet  die  von  ihm  aufgestellten  Zahlen  gelegent- 
lich als  komplexe  Zahlen  mit  unendlich  vielen  Einheiten. 

^  Ein  Hinweis  auf  die  Möglichkeit  von  Zahlen,  die  mit  Hilfe  solcher 
absteigend  wohlgeordneter  Mengen  gebildet  sind,  findet  sich  in  der  genannten 
Arbeit  von  Schoenflies. 

*  Math.  Ann.,  59  (1904). 


Nichtarchimedische  Gröflensysteme.  603 

schwerwiegend  sind  die  Bedenken,  die  in  letzter  Zeit  Poincare^ 
gegen  diesen  Beweis  geltend  gemacht  hat.  Es  muß  daher 
besonders  darauf  hingewiesen  werden,  daß  das  Resultat  von  §  2 
nur  unter  der  Voraussetzung  gewonnen  ist,  daß  es  eine  Wohl- 
ordnung der  Größen  unseres  Systems  gibt.  Es  ist  übrigens 
nicht  zum  ersten  Mal,  daß  von  dem  Wohlordnungssatze  in 
Fragen,  die  nicht  direkt  die  Mengenlehre  berühren,  Gebrauch 
gemacht  wird:  G.  Hamel*  hat  diesen  Satz  verwendet,  um 
die  Existenz  unstetiger  Lösungen  der  Funktionalgleichung 
/(^+^)  =.f(x)'^f(y)  nachzuweisen. 

In  §  3  werden  die  nichtarchimedischen  Größensysteme  in 
vollständige  und  unvollständige  unterschieden.  Bekannt- 
lich ist  die  Dedekind'sche  Stetigkeitsforderung  in  nicht- 
archimedischen Größensystemen  unerfüllbar.  Veronese  hat  sie 
durch  ein  System  von  zwei  Forderungen  ersetzt,  deren  erste 
die  Dedekind'sche  Stetigkeit  innerhalb  jeder  einzelnen  Klasse 
verlangt,  während  die  zweite  festsetzt,  daß  zwischen  zwei 
gegen  einander  konvergierenden  Größen  des  Systems,  deren 
Differenz  kleiner  wird  als  jede  Größe  des  Systems,  immer  noch 
eine  Größe  des  Systems  liegt.*  Man  erkennt  nun  leicht,  daß 
unsere  vollständigen  Systeme  auch  immer  stetig  sind  im 
Sinne  von  Veronese,  während  das  Umgekehrte  nicht  zutrifft: 
es  gibt  Systeme  mit  Veronese*scher  Stetigkeit,  die  nicht  voll- 
ständig sind.*  Hilbert  hat  für  archimedische  Größensysteme 
die  Dedekind'sche  Stetigkeitsforderung  in  zwei  Forderungen 
gespalten/  deren  erste  das  Axiom  des  Archimedes  enthält, 
während  die  zweite  —  das  sogenannte  Vollständigkeits- 
axiom —  verlangt,  es  solle  nicht  möglich  sein,  das  System 
durch  Hinzufügung  neuer  Größen  so  zu  erweitern,  daß  auch  im 
erweiterten  Systeme  alle  übrigen  Axiome  —  die  Axiome  der 
Verknüpfung,   die  Axiome  der  Anordnung  und  das  archi- 


1  Revue  de  metaphysique  et  de  morale,  1905. 

2  Math.  Ann.,  60  (1905). 

3  Schoen flies  untersucht  1.  c.  die  Tragweite  der  zweiten  Forderung, 
wenn  man  die  erste  nicht  als  erfüllt  voraussetzt. 

^  Zum  Beispiel  die  von  Levi-Civita  1.  c.  angegebenen. 
^  Grundlagen  der  Geometrie,  2.  Aufl.,  p.  26;  Jahresber.  deutsch.  Math. 
Ver.,  8  (1900). 


604  H.  Hahn, 

medische  Axiom  —  weiter  gelten.  Schoenflies  spricht  nun 
in  seiner  oben  genannten  Arbeit  die  Vermutung  aus,  es  könne 
keine  nichtarchimedischen  Größensysteme  geben,  für  welche 
ein  Vollständigkeitsaxiom  gilt.  Diese  Behauptung  ist  sicher 
richtig,  wenn  man  hier  dem  Vollständigkeitsaxiom  den  Inhalt 
geben  will,  es  solle  nicht  möglich  sein,  das  System  so  zu 
erweitern,  daß  die  Axiome  der  Verknüpfung  und  Anordnung 
erhalten  bleiben. 

Man  beachte  aber,  daß  die  Frage  noch  in  andrer  Weise 
gestellt  werden  kann.  Das  Vollständigkeitsaxiom,  wie  es  für 
archimedische  Systeme  formuliert  ist,  verlangt  auch  Weiter- 
bestehen des  archimedischen  Axioms  im  erweiterten  Systeme, 
und  man  kann  ihm  also  auch  die  Form  geben,  es  solle  nicht 
möglich  sein,  daß  die  Axiome  der  Verknüpfung  und  Anordnung 
weiter  bestehen  und  jede  der  neu  hinzugekommenen 
Größen  mit  einer  Größe  des  ursprünglichen  Systems 
in  dieselbe  Klasse  gehört.  In  dieser  Form  nun  gestattet 
das  Vollständigkeitsaxiom  sofort  eine  Übertragung  auf  nicht- 
archimedische Größensysteme  und  damit  diese  Forderung 
erfüllt  sei,  ist  notwendig  und  hinreichend,  daß  das  Größen- 
system ein  vollständiges  ist.  Archimedische  und  nicht- 
archimedische Größensysteme  unterscheiden  sich  dann  nur 
mehr  durch  das  archimedische  Axiom.  Diesem  Axiom  kann 
man  aber  die  Form  geben:  Unser  Größensystem  soll  vom 
Klassentypus  1  sein.  Für  ein  nichtarchimedisches  Größen- 
system tritt  dann  an  Stelle  dieser  Forderung  die  Festsetzung 
des  Klassentypus  dieses  Systems,  etwa:  Das  System  soll  vom 
Typus  o)*-4-ö)  sein  oder  es  soll  vom  Ordnungstypus  des  Kon- 
tinuums  sein,  so  daß  also  vollständiger  Parallelismus  für  archi- 
medische und  nichtarchimedische  Größensysteme  erreicht  ist. 

Im  letzten  Paragraphen  wird  gezeigt,  daß  für  vollständige 
nichtarchimedische  Größensysteme,  zwischen  deren  Klassen 
sich  eine  allen  Regeln  der  gewöhnlichen  Addition  der  reellen 
Zahlen  genügende  Addition  definieren  läßt,  eine  allen  Regeln 
der  gewöhnlichen  Multiplikation  der  reellen  Zahlen  genügende 
Multiplikation  definiert  werden  kann,  die  also  auch  eine  inverse 
Operation  zuläßt:  die  Division.  Es  ist  dies  deshalb  bemerkens- 
wert, weil   dadurch  gezeigt  ist,  daß   der  für  komplexe  Zahl- 


Nichtarchimedische  GröOensysteme.  605 

Systeme  mit  einer  endlichen  Anzahl  von  Einheiten  gültige 
Satz  von  der  Unmöglichkeit  einer  allen  Regeln  der  gewöhn- 
lichen Arithmetik  genügenden  Multiplikation  für  komplexe 
Zahlen  mit  unendlich  vielen  Einheiten  seine  Gültigkeit  ver- 
liert. Hierauf  ist  schon  von  Veronese  hingewiesen  worden. 
Hier  nun  wird  die  Fragestellung  in  voller  Allgemeinheit  be- 
handelt. 

Auf  die  Behandlung  einiger  spezieller  nichtarchimedischer 
Größensysteme,  insbesondere  solcher,  die  sich  zur  arithmeti- 
schen Darstellung  des  Veronese'schen  Kontinuums  verwenden 
lassen,  hoffe  ich  bald  zurückkommen  zu  können. 

§1. 

Wir  werden  im  folgenden  ein  System  von  Dingen  als  ein 
Größensystem  bezeichnen,  wenn  zufolge  irgend  einer  Regel 
zwei  beliebige  Dinge  des  Systems  a  und  b  als  einander  gleich 
(a  =  b)  oder  ungleich  (a  z^  b)  definiert  sind.  An  die  Definition 
der  Gleichheit  werden  dabei  nur  die  folgenden  zwei  Forde- 
rungen gestellt: 

1.  Es  muß  zufolge  dieser  Regel  jedes  Ding  des  Systems  sich 
selbst  gleich  sein  (a  =  ä), 

2.  Wenn  zwei  Dinge  des  Systems  einem  und  demselben 
dritten  gleich  sind,  so  müssen  sie  untereinander  gleich 
sein  (wenn  a  =z  b^  b  =  c,  so  ist  auch  a  z=  c). 

Wir  werden  es  nur  mit  einfach  geordneten  Größen- 
systemen zu  tun  haben.  Wir  nennen  ein  Größensystem  einfach 
geordnet,  wenn  von  zwei  auf  Grund  der  obigen  Regel  als 
ungleich  definierten  Dingen  a,  b  zufolge  einer  weiteren  Regel 
das  eine  (a)  als  das  kleinere,  das  andere  (p)  als  das  größere 
definiert  ist  (a<b  oder  b  >  a).  An  die  Definition  der  Zeichen 
>  und  <  stellen  wir  dabei  nur  die  folgenden  zwei  Forde- 
rungen: 

1.  Wenn  a>b,  b>c  ist,  so  muß  auch  a>c  sein. 

2.  Wenn  d>b  und  a  =  a\  bz=iV^  so  muß  auch  a'>V  sein. 
Wir  werden  weiter  voraussetzen,  daß  in  unseren  Größen- 
systemen sich  eine  Addition  definieren  läßt,  d.  h.  eine  Operation, 
der  die  folgenden  Eigenschaften  zukommen: 


606  H.  Hahn, 

1.  Sie  gestattet,  aus  irgend  zwei  Dingen  a  und  b  des  Systems 
in  eindeutiger  Weise  ein  drittes  Ding  a+Ä  des  Systems 
herzuleiten. 

2.  Wenn  az=i  a!  und  hznV^  so  ist  a-^h  =z  a'+K 

3.  Sie  ist  assoziativ:  (a-h^)-hr  ^  a-^(b-hc), 

4.  Sie  ist  kommutativ:  a+b  =z  b-ha. 

5.  Sie  läßt  eine  eindeutige  Umkehrung  (die  Subtraktion)  zu, 
d.  h.  wenn  a  und  c  zwei  beliebige  Größen  des  Systems 
sind,  so  gibt  es  stets  eine  Größe  b,  derart,  daß  a-hb  =  c 
ist  und  für  jede  andere  Größe  ^,  für  die  ebenfalls  a+&'=:  c 
besteht,  gilt:  b  z=  b^, 

6.  Aus  b>b'  folgt  a+&>a-h^. 

Die  Subtraktion  drücken  wir  wie  gewöhnlich  durch  das 

—  Zeichen  aus,  so  daß,  wenn  a-hb  =:  c  ist,  b,=z  c — a  gesetzt 
wird.  Man  beweist  leicht,  daß  für  irgend  zwei  Größen  a  und  b 
des  Systems  a — a  m  b — b  wird.  Diese  Größe  des  Systems  — 
sowie  jede  ihr  gleiche  —  wird  mit  0  bezeichnet.  Sie  ist  die 
indifferente  Größe  (der  Modul)  der  Addition:  aH-0  =  a. 

Diejenigen  Größen  des  Systems,  welche  >0  sind,  heißen 
positiv,  diejenigen,  welche  <0  sind,  heißen  negativ.  Die  Größe 
0 — a  heißt  die  zu  a  entgegengesetzte  und  wird  auch  kurz  mit 

—  a  bezeichnet.  Die  zu  einer  positiven  Größe  entgegengesetzte 
ist  negativ  und  umgekehrt.  Für  jedes  positive  b  gilt:  a-^-b^Uy 
für  jedes  negative  b  gilt  a-4-^<a.  Die  Summe  aus  n  einander 
gleichen  Summanden  a  bezeichnen  wir  mit  na  und  nennen 
sie  ein  Vielfaches  von  a  (dabei  bedeutet  n  eine  natürliche 
Zahl). 

Wir  unterscheiden  die  einfach  geordneten  Größensysteme, 
in  denen  eine  unseren  Forderungen  genügende  Addition  besteht, 
in  archimedische  und  nichtarchimedische,  je  nachdem 
in  ihnen  das  sogenannte  Postulat  des  Archimedes  erfüllt 
ist  oder  nicht.  Dasselbe  lautet: 

Es  seien  a  und  b  zwei  beliebige  positive  Größen  des 
Systems  und  a<ib.  Dann  gibt  es  stets  ein  solches  Vielfaches  na 
von  a,  daß  na^b. 

Die  Gesamtheit  der  reellen  Zahlen  bildet  ein  archimedisches 
Größensystem;  Beispiele  nichtarchimedischer  Größensysteme 
werden  wir  im  folgenden  in  großer  Zahl  aufstellen. 


Nichtarchimedische  Gröfiensysteme.  607 

Sei  uns  ein  beliebiges  nichtarchimedisches  Größensystem 
gegeben  und  seien  a  und  h  irgend  zwei  positive  Größen  des- 
selben. Dann  bilden  die  folgenden  vier  Möglichkeiten  eine 
vollständige  Disjunktion. 

I.  Zu  jedem  Vielfachen  na  von  a  gibt  es  ein  Vielfaches  mh 
von  fc,  so  daß  mb>na  und  umgekehrt  zu  jedem  Viel- 
fachen m'b  von  b  ein  Vielfaches  f^a  von  a^  so  daß 
n'a^m'b. 
II.  Zu  jedem  Vielfachen  na  von  a  gibt  es  ein  Vielfaches  mb 
von  b,  so  daß  mb>na,  aber  nicht  umgekehrt. 

III.  Zu  jedem  Vielfachen  m'b  von  ^  gibt  es  ein  Vielfaches  n'a 
von  a,  so  daß  n'a>m'b,  aber  nicht  umgekehrt. 

IV.  Es  gibt  weder  zu  jedem  Vielfachen  na  von  a  ein  Viel- 
faches mb  von  &,  so  daß  mb^na,  noch  zu  jedem  Viel- 
fachen m'b  von  ^  ein  Vielfaches  n'a  von  a,  so  daß 
nfa'>m'b. 

Im  Falle  I  wollen  wir  sagen,  a  und  b  sind  von  derselben 
Höhe,  in  Zeichen  ar^b.  Es  ist  offenbar,  wenn  a  -=  a'  ist,  auch 
ar^a'  und  wenn  a^s^fr  und  ^r^r,  so  auch  a^v^r. 

Im  Falle  II  sagen  wir,  a  sei  von  geringerer  Höhe  als  &,  in 
Zeichen  a-^b  oder  &  8-  a  und  haben  demgemäß  im  Falle  III 
zu  schreiben  b-^a  oder  a^b.  Man  erkennt,  daß  sich  die 
Zeichen  0-^^  -3,  £-  gegenseitig  ausschließen.  Es  ist  ferner  leicht 
zu  sehen,  daß  im  Falle  II  jedes  Vielfache  von  a  kleiner  als  b 
(na<b  für  jedes  n  und  daher  auch  na<mb  für  jedes  n 
und  w),  im  Falle  III  jedes  Vielfache  von  b  kleiner  als  a  sein 
muß.  Denn  wäre  etwa  im  Falle  II  na>b,  so  wäre  auch  (nach 
Eigenschaft  6  der  Addition)  mna>mb  für  jede  natürliche 
Zahl  m  und  es  gäbe  zu  jedem  Vielfachen  von  b  ein  größeres 
Vielfaches  von  a  entgegen  der  Voraussetzung,  daß  Fall  II 
vorliegt. 

Fall  IV  endlich  kann  überhaupt  nicht  auftreten.  Denn 
wenn  es  nicht  zu  jedem  Vielfachen  von  a  ein  größeres  Viel- 
faches von  b  gibt,  so  muß,  wie  eben  gezeigt,  für  jedes  n  die 
Ungleichung  bestehen  na<b,  speziell  für  «  rr  1  erhält  man 
a  <  fe.  Gäbe  es  nun  auch  nicht  zu  jedem  Vielfachen  von  b  ein 
größeres  Vielfaches  von  a,  so  müßte  ebenso  b<ia  sein,  was 
unmöglich  ist. 


608  H.  Hahn, 

Wir  sehen  also,  daß,  wenn  a  und  h  irgend  zwei  positive 
Größen  unseres  Systems  sind,  immer  eine  und  nur  eine  der 
drei  Beziehungen  stattfindet: 

a^K^b,    a-iby     ai-  b. 

Femer  haben  wir  erkannt,  daß  aus  a-^b  immer  auch 
folgt  a<b  und  aus  airb  auch  a>b^  aber  nicht  umgekehrt. 

Ist  eine  der  beiden  Größen  a  und  b  negativ,  etwa  a,  so 
ersetzen  wir  sie  durch  die  entgegengesetzte  — a,  die  dann 
positiv  ist  und  setzen  fest,  daß  zwischen  a  und  b  diejenige 
unserer  drei  Ordnungsbeziehungen  bestehen  möge,  welche 
zwischen  — a  und  b  besteht.  Sind  a  und  b  beide  negativ,  so 
ersetzen  wir  sie  durch  — a  und  — b  und  setzen  wieder  für  a 
und  b  die  zwischen  — a  und  — b  bestehende  Ordnungs- 
beziehung fest.  Nunmehr  besteht  zwischen  irgend  zwei  von 
Null  verschiedenen  Größen  unseres  Systems  eine  und  nur  eine 
der  drei  Ordnungsbeziehungen  r^,  -3,  £-. 

Nun  fassen  wir  alle  Größen  unseres  Systems,  die  unter- 
einander gleiche  Höhe  haben,  in  eine  Größenklasse  zusammen 
und  fügen  jeder  einzelnen  Größenklasse  noch  die  Null  hinzu. 
Jede  Größe  unseres  Systems  mit  Ausnahme  der  Null  steht  also 
in  einer  und  nur  einer  Klasse,  die  Null  hingegen  in  jeder 
Klasse. 

Seien  nun  A  und  B  zwei  verschiedene  Größenklassen 
imseres  nichtarchimedischen  Größensystems  —  man  erkennt 
leicht,  daß  jedes  nichtarchimedische  Größensystem  mindestens 
zwei  verschiedene  Klassen  enthalten  muß  —  sei  a  eine  von 
Null  verschiedene  Größe  aus  A^  b  eine  von  Null  verschiedene 
Größe  aus  b.  Dann  ist  entweder  a-ib  oder  a  £-  fr,  und  die- 
selbe Ordnungsbeziehung  wie  zwischen  a  und  b  besteht  dann 
zwischen  irgend  einer  von  Null  verschiedenen  Größe  aus  A 
einerseits  und  irgend  einer  von  Null  verschiedenen  Größe  aus  B 
andrerseits.  Wir  setzen  dieselbe  Ordnungsbeziehung  zwischen 
den  Klassen  A  und  B  selbst  fest.  Zwischen  irgend  zwei  von- 
einander verschiedenen  Klassen  A  und  B  unseres  Größensystems 
besteht  also  eine  der  beiden  Ordnungsbeziehungen  >1  -3  -B  und 
Ai-B,  von  denen  jede  die  andere  ausschließt  Femer  folgt 
aus  Ai-B  und  JBf-C  offenbar  AirC.  Die  Klassen  unseres 


Nichtarchimedische  Gröflensysteme.  6G9 

Größen  Systems  bilden  daher  —  nach  der  Terminologie  von 
G.  Cantor  —  eine  einfach  geordnete  Menge,  der  somit  ein 
bestimmter  Ordnungstypus  zukommt.  Wir  bezeichnen  ihn  als 
den  Klassentypus  unseres  nichtarchimedischen  Größen- 
systems. 

Jedes  archimedische  Größensystem  besteht  nur  aus  einer 
einzigen  Klasse^  und  hat  somit  den  Klassen typus  1. 

Ein  nichtarchimedisches  Größensystem  vom  Klassen- 
typus 2  bilden  die  gemeinen  komplexen  Zahlen  a-^bi,  wenn 
man   zwischen   ihnen   die  nachstehende  Ordnungsbeziehung 

festsetzt: 

a-\'bi>a''^Vi,    wenn  a>a' 

a'hbi>a+Vi,     wenn  b>V, 

Dann  wird  die  Klasse  geringerer  Höhe  gebildet  von  allen 
rein  imaginären  Zahlen,  die  höhere  Klasse  von  den  Zahlen  mit 
nicht  verschwindendem  reellen  Teile. 

Ebenso  erhalten  wir  ein  nichtarchimedisches  Größen- 
system von  beliebigem  endlichen  Klassentypus  n  durch 
Bildung  eines  komplexen  Zahlsystems  mit  n  Einheiten:  ä^^j-i- 
+^2^8+- .  • +^»^«»  in  dem  die  Addition  definiert  ist  durch: 

und  die  folgenden  Ordnungsbeziehungen  festgesetzt  sind: 

^i^i+^2^2"*"- •  •"♦"^»^«>Mi+^2^2+ •  •  •'*"*«^«>  wenn  a^>b^ 
oder  im  Falle 

a^ziz  &^, . . .,     cii—i  =  fti—i,     wenn  ai>bi. 

Die  M  Klassen  sind  dann  der  Reihe  nach  gebildet  aus 
den  Größen:  a«^«,  a»_i^„-i4-an^»  (a„_i  zJiO),...,  a2^a+---  + 
-ha»^n(a,  =^  0),  ai^j+ag^2-4- . . .  -4-a«^„  (a^  dfi  0),  während  die 
Null  selbst  in  allen  Klassen  steht. 


1  Von  diesem  Standpunkt  aus  kann  man  die  archimedischen  Größen- 
systeme als  Spezialfall  der  nichtarchimedischen  auffassen,  nämlich  als  nicht- 
archimedische  Gröfiensy Sterne  vom  Klassentypus  1. 


610  H.  Hahn, 

Wir  können  aber  auch  nichtarchimedische  Größensysteme 
von  überendlichem  Klassentypus  angeben  und  es  gilt  der  Satz : 

Sei  eine  beliebige  einfach  geordnete  Menge  F 
gegeben.  Dann  gibt  es  stets  nichtarchimedische 
Größensysteme,  deren  Klassentypus  mit  dem  Ord- 
nungstypus von  r  übereinstimmt. 

Wir  bezeichnen  die  Elemente  von  F  mit  7,  7^. . ..  Eine  der 
Menge  F  ähnlich  geordnete  Menge  bilden  dann  die  Symbole 
e^,  ^' . . .  (wir  werden  sie  im  folgenden  als  »Einheiten«  be- 
zeichnen), wenn  wir  festsetzen: 

e^-ie^',     wenn  t-3t'- 

Das  gesuchte  nichtarchimedische  Größensystem  erhalten 
wir  nun  in  der  folgenden  Weise:  Wir  greifen  aus  den  Sym- 
bolen e^,  e^' . . .  eine  beliebige  endliche  Menge  heraus:  ^,,  ^,, 
.  > .  y  e^  ,    die   wir   uns    nach   absteigendem   Range   geordnet 

n 

denken  (e^^  8-  ^^,  f-. .  .E-  ^^  )  und  bilden  das  Symbol:* 


WO  04,,^^,,...^^  reelle  Zahlen  bedeuten.  Wir  machen  die 
Gesamtheit  der  so  erhältlichen  Symbole  zu  einem  Größen- 
system durch  die  folgende  Festsetzung:  Zwei  unserer  Sym- 
bole —  sie  mögen  mit  A  und  B  bezeichnet  werden  —  heißen 
dann  und  nur  dann  einander  gleich,  wenn 

1.  jede  in  A,  nicht  aber  in  B  vorkommende  Einheit  e^  in  A 
den  Koeffizienten  Null  hat  und  umgekehrt,  und 

2.  jede  sowohl  in  A  als  in  B  vorkommende  Einheit   in  A 
und  B  denselben  Koeffizienten  hat 

Auf  Grund  dieser  Gleichheitsdefinition  sieht  man,  daß, 
wenn  irgend  zwei  Symbole  A  und  B  gegeben  sind,  man  sie 
immer  so  schreiben  kann,  daß  jede  in  A  auftretende  Einheit 


1  Es  wäre  logisch  richtiger,  die  einzelnen  Glieder  dieses  Symbols  nicht 
von  vornherein  durch  das  Zeichen  -t-  der  Addition  zu  verbinden,  sondern  durch 
irgend  ein  anderes  Zeichen,  das  nicht  schon  von  vornherein  eine  Bedeutung 
hat,  doch  zeigt  die  Art,  wie  weiter  unten  die  Addition  unserer  Symbole  ein- 
geführt wird,  daß  hiedurch  keine  Zweideutigkeit  entstehen  kann,  da  taUächlich 
das  Symbol  a-j,^^,-!-. .  .-h  ^t„^t»  ^'^  Summe  der  n  Symbole:  ^7,^7,,  <iTt«7,  •  •  •» 
fl^    e^     wird. 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  611 

auch  in  B  auftritt  und  umgekehrt.  Ist  etwa  e^  eine  in  -4,  nicht 
aber  in  B  auftretende  Einheit,  so  kann  man  ja  in  B  an  der 
geeigneten  Stelle  das  Glied  o.e^  hinzufügen,  wodurch  nach 
unserer  Gleichheitsdeßnition  B  nicht  geändert  wird. 

Um  nun  zu  definieren,  welches  von  zwei  ungleichen 
Symbolen  A  und  B  größer  heißen  soll,  denken  wir  uns  A 
und  B  in  der  angegebenen  Weise  mit  Hilfe  derselben  Ein- 
heiten angeschrieben.  Es  können  dann  nicht  alle  Einheiten 
in  A  und  B  denselben  Koeffizienten  haben  und  unter  denen, 
die  verschiedene  Koeffizienten  haben,  muß  es  eine  von  höch- 
stem Range  geben,  etwa  e-^.  Als  das  größere  der  beiden  Sym- 
bole wird  dann  dasjenige  bezeichnet,  in  dem  e^  den  größeren 
Koeffizienten  hat.  Auf  Grund  dieser  Definitionen  bilden  unsere 
Symbole  ein  System  einfach  geordneter  Größen. 

Um  die  Addition  unserer  Größen  zu  definieren,  denken 
wir  uns  wieder  A  und  B  durch  dieselben  Einheiten  dargestellte 

und  setzen  fest: 

A-^B  =  (a^^4-^.)^7,4-(fl7.-^feT>7.+  . . .  +(^7„+\)  V 

Es  ist  klar,  daß  diese  Addition  alle  sechs  Bedingungen 
erfüllt,  die  wir  eingangs  an  eine  Addition  gestellt  haben.  Ins- 
besondere erkennt  man,  daß  eine  Größe  dann  und  nur  dann 
gegenüber  unserer  Addition  indifl"erent  ist,  wenn  ihre  sämt- 
lichen Einheiten  e^  die  Koeffizienten  Null  haben.  Alle  diese 
Größen  sind  einander  gleich,  wie  es  sein  muß,  und  werden 
mit  0  bezeichnet. 

Man  erkennt  nun  sofort,  daß  zwei  Größen  A  und  B  dann 
und  nur  dann  in  dieselbe  Klasse  gehören,  wenn  in  beiden  die 
Einheit  höchsten  Ranges,  deren  Koeffizient  von  Null  ver- 
schieden ist,  übereinstimmt.  Sind  hingegen  diese  beiden  Ein- 
heiten verschieden,  in  A  etw  e^,  in  B  aber  ^',  dann  hat  die 
Klasse  von  A  geringere  oder  größere  Höhe  als  die  von  5,  je 
nachdem  t-Jt'  o^^^  tE-t'-  Die  Klassen  unseres  Großensystems 
bilden  somit  eine  Menge,  die  ähnlich  geordnet  ist  der  Menge 


612  H.  Hahn, 

der  Einheiten  e^  und  somit  auch  ähnlich  ist  der  ursprünglichen 
Menge  F,  so  wie  wir  behauptet  hatten. 

Doch  ist  das  hier  angegebene  Größensystem  nur  ein 
spezieller  Fall  viel  aUgemeinerer  Grofiensysteme  vom  selben 
Klassentypus.  Um  sie  zu  erhalten,  gehen  wir  folgendermaßen 
vor:  Wir  bilden  aus  der  Menge  T  Teilmengen  A^  mit  den  nach- 
stehenden Eigenschaften: 

1.  Die  Menge  N  enthält  ein  Element  höchsten  Ranges. 

2.  Jede  Teilmenge   von    N  enthält   ein   Element   höchsten 
Ranges. 

Wie  man  sieht,  wird  die  Menge  N  wohlgeordnet,  wenn 
man  zwischen  je  zweien  ihrer  Elemente  die  Beziehung  ir 
durch  -3  ersetzt.  Wir  wollen  eine  solche  Menge  »absteigend 
wohlgeordnet«  nennen.  Jedenfalls  ist  jede  absteigend  wohl- 
geordnete Menge  einer  wohlgeordneten  Menge  äquivalent,  ihre 
Mächtigkeit  daher  ein  «.  Wir  greifen  nun  aus  der  Menge  T  nur 
solche  absteigend  wohlgeordnete  Teilmengen  N  heraus,  deren 
Mächtigkeit  kleiner  ist  als  ein  beliebig  vorgegebenes  «,  etwa  N,t. 
Seien 

die  Elemente  von  N  (der  Index  a  wird  alle  Ordinalzahlen  zu 
durchlaufen  haben,  die  kleiner  sind  als  eine  bestimmte,  der 
Zahlklasse  Z(ft*^)  vorangehende  Ordinalzahl  ß).  Aus  den  ent- 
sprechenden Einheiten: 

bilden  wir  dann  das  Symbol:^ 


1  Auch  hier  wäre  es  korrekter,  die  Glieder  des  Symbols  nicht  gerade 
durch  das  Zeichen  +  der  Addition  zu  verbinden,  doch  kann  auch  hier  keine 
Zweideutigkeit  entstehen,  aus  denselben  Gründen  wie  oben,  wenn  unsere 
absteigend  wohlgeordnete  Menge  sich  auf  eine  endliche  Menge  reduziert;  ist 
aber  diese  absteigend  wohlgeordnete  Menge  transfinit,  so  aus  dem  Grunde,  weil 
eine  Summe  aus  transßnjt  vielen  Summanden  in  unserem  Grüfiensystem  über- 
haupt nicht  definiert  wird. 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  613 

WO  die  Koeffizienten  cu   reelle  Zahlen  bedeuten  und  die  Summa- 
tion  sich  über  alle  Ordinalzahlen  a  zu  erstrecken  hat,  die  der 
Zahl  ß  vorangehen. 
Sei  dann: 

B  =z  bf  e^'-{-b-f  ^-j'-f" . . .  -f-&-j'  ^'  -4- . . .   (a •<  ßO 

ein  analog  gebautes  Symbol^  so  definieren  wir:  Das  Symbol  A 
heiße  gleich  dem  Symbol  B,  wenn: 

1.  Jede  in  A  nicht  aber  in  B  vorkommende  Einheit  e^  in 
A  den  Koeffizienten  Null  hat  {a^  =  0)  und  umgekehrt,  und 
wenn 

2.  jede  sowohl  in  A  als  in  B  vorkommende  Einheit  {e^  =  e^'  ) 
in  A  und  B  denselben  Koeffizienten  hat  (a    =:  &y  ). 
Speziell  werden  wir  dann  und  nur  dann  -4  =  0  setzen, 

wenn  die  Koeffizienten  sämtlicher  Einheiten  von  A  Null  sind. 
Auch  hier  dürfen  wir  immer  annehmen,  daß  jede  in  A 
vorkommende  Einheit  auch  in  B,  jede  in  B  vorkommende 
Einheit  auch  in  A  vorkommt  Seien  in  der  Tat  A^'  und  N"  zwei 
absteigend  wohlgeordnete  Teilmengen  von  F,  deren  Mächtigkeit 
kleiner  ist  als  k^.  Die  Vereinigungsmenge  N'-^N"  in  der  durch 
r  gegebenen  Anordnung  der  Elemente  bildet  dann  selbst,  wie 
unmittelbar  ersichtlich,  eine  absteigend  wohlgeordnete  Menge. 
Da  nun  bekanntlich,  wenn  [jl'<(i.''  ist,  M|i'H-«^"  =  ft^^"  ist,  so 
folgt  aus  |i'<  |i,  {!.''<  |JL  auch: 

und  somit  gehört  die  Menge  ^'-hiV"  als  absteigend  wohl- 
geordnete Menge  von  einer  Mächtigkeit  <  N,i  auch  zu  den 
von  uns  betrachteten  Teilmengen  von  F.  Statt  nun  bei  Bildung 
von  A  über  die  Menge  N'  zu  summieren,  kann  man  ebensogut 
über  die  Menge  N'+N"  summieren,  wenn  man  nur  jeder  in 
N'-hN'',  nicht  aber  in  N'  vorkommenden  Einheit  den  Koeffi- 
zienten Null  erteilt,  und  Analoges  gilt  für  B. 

Um  nun.  zu  definieren,  welches  von  zwei  Symbolen  A 
und  B  das  größere  heißen  soll,  denken  wir  uns  A  und  B  in  der 
angegebenen  Weise  aus  denselben  Einheiten  gebildet.  Wenn 
A  und  B  nicht  gleich  sind,  so  gibt  es  eine  Teilmenge  ihrer 


614  H.  Hahn, 

Einheiten,  welche  in  A  und  B  verschiedene  Koeffizienten  haben. 
Nach  den  Eigenschaften  der  zur  Bildung  unserer  Symbole 
verwendeten  Teilmengen  von  F  muß  es  unter  diesen  Einheiten 
eine  von  höchstem  Range  geben,  etwa  e^  .  Größer  heiße  dann 
dasjenige  der  beiden  Symbole,  in  welchem  ^  den  größeren 
Koeffizienten  hat.  Unsere  Symbole  bilden  nunmehr  ein  einfach 
geordnetes  Größensystem. 

Um  die  Addition  unserer  Symbole  zu  definieren,  denken 
wir  uns  wieder  A  und  B  aus  denselben  Einheiten  gebildet: 


^  =  ^.^.+^,^.+  •  •  •  +^a^„+  •  •  •     («<ß) 

B  =  ^•^•+^.^.+. .  +^.^>+•  •  •  («<?) 

und  setzen  fest: 

A+B  =  (<^,+ftJ^-r.+(<^,+&T,)^,+ . . .  + 

Man  erkennt  wieder,  daß  eine  Größe  unseres  Systems 
dann  und  nur  dann  indifferent  gegenüber  dieser  Addition  ist, 
wenn  ihre  sämtlichen  Einheiten  den  Koeffizienten  Null  haben, 
und  daß  alle  diese  Größen  einander  gleich  sind.  Sie  werden 
wieder  mit  0  bezeichnet. 

Daß  das  so  erhaltene  nichtarchimedische  Größensystem 
wieder  den  gewünschten  Klassentypus  hat,  zeigt  man  wie  oben. 
Man  erhält  das  früher  behandelte  spezielle  Größensystem,  indem 
man  für  das  Nji  unserer  allgemeinen  Erörterungen  speziell 
t^Q  wählt 

Bemerkenswerte  nichtarchimedische  Größensysteme  erhält 
man,  wenn  man  für  die  geordnete  Menge  F  etwa  die  Menge  der 
rationalen  Zahlen  in  ihrer  natürlichen  Reihenfolge  oder  das 
Kontinuum  wählt  Man  erhält  dann  verschiedene  Systeme,  je 
nachdem  man  für  das  N^i  unserer  allgemeinen  Theorie  »^  oder 
Kj  wählt 

§2. 

Wir  wollen  nun  beweisen,  daß  die  eben  angegebenen 
nichtarchimedischen  Größensysteme  die  allgemeinsten  sind. 
Genauer  gesprochen:  Wir  wollen  zeigen,  daß  den  Größen  eines 


Nichtarchiinedische  Gröfiensysteme.  615 

beliebigen   nichtarchimedischen   Größensystems  sich   in   ein- 
deutiger Weise  Symbole  von  der  Form: 

ItO^e^  (1) 

zuordnen  lassen,  wo  die  a^  reelle  Zahlen  bedeuten,  die  ^  aber 
Symbole   für  eine  Rangordnung  (»Einheiten«)  sind  und  die 
Summation  sich  über  absteigend  wohlgeordnete  Mengen   er- 
streckt. Und  zwar  wird  diese  Zuordnung  die  folgenden  Eigen- 
schaften haben: 
(a)  Ungleichen  Größen  des  Systems  entsprechen  verschiedene 
Symbole.  Dabei  sollen  —  übereinstimmend  mit  §  1  —  zwei 
Symbole  dann  und  nur  dann  als  nicht  verschieden  be- 
trachtet werden,  wenn  jede  Einheit,  die  im  einen  vorkommt, 
im  anderen  aber  nicht,  im  ersteren  den  Koeffizienten  Null 
hat,  und  wenn  jede  Einheit,  die  in  beiden  vorkommt,  auch 
in  beiden  denselben  Koeffizienten  hat.^ 
(P)  Haben   die   beiden   Größen  g  und  g'  des   Systems  die 

Symbole: 

g=  la^e^         g'  =  la'^e^,  (2) 

so  hat   die   gleichfalls  im  System  vorkommende   Größe 
g+g'  das  Symbol 

(t)  Ist  g  die  größere  der  beiden  Größen  (2),  so  ist  unter  allen 
Differenzen  a^ — a^  die  erste  von  Null  verschiedene  positiv. 
Sei  uns  also  irgend  ein  nichtarchimedisches  Größen- 
system G  gegeben.  Ferner  sei  uns  eine  einfach  geordnete 
Menge  T  von  Elementen  y  gegeben,  deren  Ordnungstypus  der 
Klassentypus  von  G  ist.  Wir  denken  uns  —  für  den  Fall,  daß 
zwischen  den  Klassen  von  G  und  den  Elementen  von  F  mehr 
als  eine  ähnliche  Beziehung  möglich  sein  sollte  —  eine  derselben 
festgehalten.  Jeder  Klasse  von  G  entspricht  also  in  eindeutiger 
Weise  ein  Element  y  von  F,  dem  wir  eine  Einheit  e^  zuordnen. 


1  Auf  Grund  dieser  Festsetzung  können  wir  wie  in  §  1  immer  annehmen, 
daß  zwei  vorgegebene  Symbole  der  Form  (1)  genau  dieselben  Einheiten  e-^  ent- 
halten, wovon  bei  Formulierung  der  Eigenschaften  (ß)  und  (y)  Gebrauch 
gemacht  ist 

Sitzb.  d.  mathero.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  40 


616  H,  Hahn, 

die  wir  zur  Bezeichnung  der  Klasse  verwenden  wollen;  wir 
bezeichnen  die  betreffende  Klasse  kurz  als  die  Klasse  ^. 

Wie  schon  in  §  1  bemerkt,  muß  es  im  System  eine  gegen 
die  Addition  indifferente  Größe  geben.  Wir  bezeichnen  sie  mit  0 
oder  einem  Symbol  der  Form  (1),  in  dem  alle  Koeffizienten  a^ 
Null  sind. 

Gebrauch  machend  von  dem  Satze,  daß  jede  Menge  einer 
wohlgeordneten  Menge  äquivalent  ist,  denken  wir  uns  nun  die 
von  Null  verschiedenen  Größen  von  G  eineindeutig  auf  eine 
geeignete  wohlgeordnete  Menge  bezogen.  Die  dadurch  zwischen 
den  Größen  von  G  festgesetzte  Rangordnung  denken  wir  uns 
zunächst  noch  in  nachfolgender  Weise  modifiziert.  Unter  allen 
positiven  Größen  der  Klasse  e^  gibt  es  eine  vom  niedrigsten 
Range  (wegen  einer  bekannten  Eigenschaft  der  wohlgeordneten 
Mengen).  Nehmen  wir  nun  in  jeder  Klasse  e^  das  positive  Element 
niedersten  Ranges,  so  bilden  diese  Elemente  als  Teilmenge  einer 
wohlgeordneten  Menge  selbst  eine  wohlgeordnete  Menge  Afj, 
und  das  gleiche  gilt  aus  demselben  Grunde  für  die  nicht  in  M^ 
enthaltenen  Größen  von  G;  diese  zweite  wohlgeordnete  Menge 
nennen  wir  M^,  Ebenso  ist  die  Menge  M  zu  M^-i-M^  wohl- 
geordnet (wenn  jedes  Element  von  M^  hinter  jedes  Element 
von  M^  geordnet  wird,  die  Elemente  von' M^  untereinander, 
ebenso  wie  die  von  Afg  ihre  Rangordnung  behalten).  Die  durch 
die  Menge  M  gegebene  Wohlordnung  von  G  denken  wir  uns 
nun  für  das  Folgende  festgehalten : 

In  Afi  steht  aus  jeder  Klasse  von  G  eine  und  nur  eine 
Größe.  Die  der  Klasse  e-^  angehörige  Größe  von  M^  bezeichnen 
wir  mit  dem  Symbol  1 .  e-^  oder  kurz  mit  e^  selbst. 

Allen  Größen  von  M^  ist  somit  ein  Symbol  zugeordnet. 
Die  Zuordnung  von  Symbolen  zu  den  übrigen  Größen  voll- 
ziehen wir  durch  Induktion:  Wir  nehmen  an,  allen  Größen 
von  G,  die  in  M  einer  bestimmten  Größe  g  vorangehen,  seien 
bereits  Symbole  zugeordnet  und  setzen  sodann  fest,  welches 
Symbol  der  Größe  g  zuzuordnen  ist. 

Wir  führen  folgende  Bezeichnung  ein:  Eine  Größe  ^  heiße 
darstellbar  durch  die  vorhergehenden,  wenn  eine  Relation 
besteht: 

ng  =  Wi^i-hWj^g-h. .  .-hntigiy 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  617 

^'0  g^fg^j. .  >fgi  eine  endliche  Anzahl  von  Größen  ist,  die  in 
M  der  Größe  g  vorangehen  und  n,ini,m^,, .  .^mi  von  Null 
verschiedene  ganze  (positive  oder  negative)  Zahlen  bedeuten. 
Eine  Größe  g  heiße  durch  die  vorhergehenden  darstellbar 
bis  auf  Größen  der  Klasse  e^,  wenn  sich  eine  endliche  Anzahl 
von  Größen  g^,  g^y  *,giy  die  in  Af  der  Größe  g  vorangehen, 
sowie  von  Null  verschiedene  ganze  (positive  oder  negative) 
Zahlen  «,  m^^  m^,,  >  -,^i  so  aufßnden  lassen,  daß  die  Differenz 

ng—m^g^—m^g^—. .  .—ntigi 

eine  Größe  wird,  deren  Klasse  nicht  höher  ist  als  die  Klasse  ^. 
Sei  nun  g  eine  Größe  aus  ilfg.  Wir  setzen  voraus,  den  der 
Größe  g  in  M  vorangehenden  Größen  seien  bereits  Symbole 
der  Form  (1)  zugeordnet,  und  zwar  so,  daß  folgende  Forderungen 
erfüllt  sind: 

1.  Es  seien  g^,  g^,. .  .,gi  eine  endliche  Anzahl  von  Größen, 
die  in  M  der  Größe  g  vorangehen  und  zwischen  denen  eine 
Relation  von  der  Form : 

^lÄ  +  ^2  Ä  +  •  •  •  -^^igi  =  0  (3) 

besteht  (wo  die  w,-  nicht  verschwindende  ganze  Zahlen  be- 
deuten). Ferner  sei  a^*)  der  Koeffizient  von  ^  im  Symbol  von  gk, 
beziehungsweise  sei  a^*)  =z  0,  wenn  e^  im  Symbol  von  gjt  nicht 
auftritt;  dann  soll  stets  auch : 

Wi  a^^^+ Wjj  a\^'^  . . .  +mi  a^O  =  0  (4) 

sein  und  umgekehrt,  wenn  die  Relation  (4)  für  alle  y  gilt,  so  soll 
auch  die  Relation  (3)  bestehen. 

2.  Allemal,  wenn  zwischen  den  Größen  g^^,  ^2>-  •  •>  <?»  ®^^^ 
Relation  von  der  Form  besteht:^ 

^1^1  +  »*?  Ä  +  •  •  •  -^^igi  =  g*y  (^) 

so  soll  für  alle  y  derart,  daß  die  Klasse  e^  höher  ist  als  die 
Klasse  von  g*  die  Relation  bestehen: 

Wi  <^+ Wj,  a\^'-¥- . . .  ^mid^  =  0  (6) 


1  Dabei  kann  g*  eine  beliebige  Größe  von  G  sein  und  muß  nicht  in  M 
vor  g  stehen. 

40* 


618  H.  Hahn, 

und  umgekehrt,  wenn  die  Relation  (6)  für  alle  7  besteht,  für 
welche  ^f-^,  soll  auch  eine  Relation  von  der  Form  (5) 
bestehen,  wo  g*  höchstens  von  der  Klasse  e^  ist. 

3.  Sei  g'  eine  beliebige  Größe  von  G,  die  in  M  vor  g  steht, 
und  es  sei  in  dem  ihr  zugeordneten  Symbol  al^  der  Koeffizient 
von  ^,  beziehungsweise  sei  fl(=  0,  wenn  e^  in  diesem  Symbol 
nicht  auftritt.  Dann  lassen  sich  zu  einem  vorgegebenen  7*  eine 
endliche  Anzahl  Größen  ^1,  Ä»-  •  -»^ö  ^'®  *^  ^  vor  g  stehen, 
sowie  ganze  Zahlen  n ,  m ^  m^, . . . ,  f» /  so  auffinden,  daß  für 
jedes  t£-T*- 

für  Y  zz  Y*  aber  und  für  jedes  7  -3  y*- 

m^c^^^-^m^a^-^^'h . . .  +i«,a<*)  =  0 

wird.  Dabei  bedeutet  aW  den  Koeffizienten  von  ^  im  Symbol 
von  gky  beziehungsweise  die  Null,  wenn  e-^  in  diesem  Symbol 
nicht  auftritt. 

4.  Seien  gitg^i-  -  -ygi  Größen  von  G,  die  in  M  vor  g 
stehen,  und  m^jm^^  . .,  w^  irgendwelche  ganze  Zahlen,  femer 
habe  a(*>  dieselbe  Bedeutung  wie  oben.  Ist  dann  die  sicher  in 
G  vorkommende  Größe 

positiv,  so  ist  auch  unter  den  reellen  Zahlen 

die  erste  nichtverschwindende  positiv  [daß  es  unter  den  nicht- 
verschwindenden  Größen  (7)  eine  erste  geben  muß,  d.  h.  eine 
in  der  7  den  höchsten  Rang  hat,  folgt  sofort  aus  den  bekannten 
Eigenschaften  der  wohlgeordneten  Mengen]. 

Daß  für  die  bereits  vollzogene  Zuordnung  von  Symbolen 
zu  den  Größen  von  M^  diese  vier  Forderungen  erfüllt  sind,  liegt 
auf  der  Hand.  Nun  gehen  wir  dazu  über,  auch  der  Größe  g 
ein  Symbol  von  der  Form  (1)  zuzuordnen.  Wir  unterscheiden 
drei  Fälle: 


Nichtarchimedische  Gröfiensysteme.  619 

I.  Die  Größe  g  sei  darstellbar  durch  vorhergehende  Größen; 
etwa: 

^g  =  *»*iÄ+*«aÄ+  •  •  •  -^^igi- 

Hat  dann  wieder  a^*)  die  mehrmals  verwendete  Bedeutung, 
so  habe  im  Symbol  von  g  die  Einheit  e^  den  Koeffizienten: 

Dieser  Koeffizient  ist  dadurch  eindeutig  festgelegt.  Denn  sei : 

^g  =  <ä'+<ä'+  •  •  •  +^jgj 

eine  andere  Darstellung  von  g  durch  vorhergehende  Größen, 
so  ist: 

n'fH^g^'^n'm^g^+. . .  -^n'migi—nm'^gl—nm'^g^—. .  .— 

—nmjgj  =  0 
somit  nach  der  Forderung  1: 

wo  a'W  für  gk  dieselbe  Bedeutung  hat  wie  aW  für  gk>  Hieraus 
folgt  die  Behauptung. 

Daß  diejenigen  Einheiten  e^,  welche  hiebei  einen  von  Null 
verschiedenen  Koeffizienten  erhalten,  eine  absteigend  wohl- 
geordnete Menge  bilden,  ist  evident.  Es  ist  also  der  Größe  g 
ein  Symbol  der  Form  (1)  zugeordnet. 

II.  Sei  e^^  die  Klasse  von  g  und  g  sei  nicht  darstellbar 
durch  vorhergehende  Größen,  auch  nicht  darstellbar  bis  auf 
Größen  einer  Klasse  e^,  wo  t  -3To-  Dann  gehen  wir  so  vor: 

In  M^  steht  eine  und  nur  eine  Größe  der  Klasse  e^;  sie 
werde  bezeichnet  mit  g^.  Mit  g  bezeichnen  wir  die  Größe  g 
selbst  oder  die  ihr  entgegengesetzte,  je  nachdem  g  positiv  oder 
negativ  ist.  Die  Größe  g  ist  also  jedenfalls  positiv.  Es  läßt  sich 
daher  eine  ganze  positive  Zahl  n^  (die  auch  Null  sein  kann)  so 
finden,  daß: 


620  H.  Hahn, 

Sei  nun  d  eine  ganze  Zahl  >1.  Dann  läßt  sich  wieder 
eine  ganze  Zahl  n^  (^0  und  <d)  so  bestimmen,  daß: 

sodann  eine  ganze  Zahl  n^  (^0  und  <.d)^  so  daß: 

(n^d^+n^d-^n^)g^<d^g<{n^d^+n^d'¥n^  +  \)g^. 

Allgemein,  wenn  in  dieser  Weise  «q,  «j,.  . .,  «,-1  bestimmt 
sind,  läßt  sich  Hi  so  bestimmen,  daß: 

<(#*orf^+Wirf*-*H-. .  .+«,_id4-if,  +  l)^o 

wird,  wo  alle  Hj^,  ausgenommen  n^,  nicht  negative  ganze 
Zahlen  < d  bedeuten  und  n^'^O  ist. Gleichheitszeichen  können 
bei  diesem  Prozeß  nie  auftreten,  weil  sonst  g  durch  g^  dar- 
stellbar wäre,  entgegen  der  Voraussetzung. 

Wir  bilden  nun  den  unendlichen  systematischen  Bruch: 

und  geben  der  Größe  g  das  Symbol  ä^^e^^  oder  — ^öf^^e^^,  je 
nachdem  g'=-g  oder  ^  =  — g  war.  Die  Größe  g  hat  somit 
ein  Symbol  von  der  Form  (1)  erhalten. 

III.  Sei  wieder  e^  die  Klasse  von  g,  und  g  sei  zwar  nicht 
exakt  durch  vorhergehende  Größen  darstellbar,  wohl  aber  bis 
auf  Größen  von  niedrigerer  Klasse  als  e^^,  etwa  in  der  Form : 

^&  =  ^iÄ+^aÄ+  •  •  •  -^^igi^g^^K  (8) 

wo  die  Klasse  von  g^^^  von  geringerer  Höhe  ist  als  ^^.  Sei  nun 
e^j^  die  erste  Klasse  von  geringerer  Höhe  als  ^^,  deren  Koeffizient 
im  Symbol  von  gt  nicht  Null  ist.  Auf  Grund  von  Forderung  3 
können  wir  dann  unter  den  der  Größe  ^  in  ilf  vorausgehenden 
Größen  die  Größen  gi,ky  g2,k,'  --,  gij^^k  so  auswählen,  daß  für 
geeignete  ganze  Zahlen  nk,fH\^ki  ^2,^-  -  -,  »w,-^,*  die  Beziehung: 


Nichtarchimedische  Gröfiensysteme.  621 

für  alle  *)f£-T*  gilt,  während  für  alle  t^T*  cli©  Beziehung: 

gilt.  Daraus  folgt  unmittelbar  unter  Benützung  von  Forderung  2, 
daß  die  Differenz  der  beiden  Größen : 

«jL^g. . .  «/Wi^i+Wi«,. . .  w^Wj^g-4- . . .  +n^n^. . .  HifHigi 

und: 

«aUg-  •  •  «<»^i(wi,i^i,i4-fW2, 1^2,1+  . . .  +iw,-,,i^,„i)+ 

.  .  .  +  M^fla  .  .  .  «,_i  W,- (Wi,  ,•  ^1,  i + W2,  ,•  ^2, 1  +  . . .  +  W/ .,  /  gi.^  i)         (9) 

von  geringerer  Klasse  als  e-^^  ist.  Mithin  ist  auch  die  Differenz 
von  nn^n^.  >  .fiig  und  der  Größe  (9)  von  geringerer  Klasse 
als  e^^.  Daraus  schließen  wir: 

Ist  eine  Darstellung  der  Form  (8)  möglich,  so  ist  auch 
stets  eine  analoge  Darstellung: 

^g  =  Wi^i+W2^2+ . . .  ^rngj-^g^^^ 

möglich,  derart,  daß  für  jedes  t-JTo- 

^i^"+^4"^+  •  •  •  +wrä<')  =  0  (10) 

wird.  Wir  nehmen  daher  an,  die  Darstellung  (8)  habe  von 
vornherein  die  durch  (10)  ausgedrückte  Eigenschait,  so  daß 
also  für  T  -9  To  • 

^i^7*^+^8^?^+  •  •  •  +w,^<'^  =:  0 

ist.  Dieselbe  Relation  besteht  aber  —  wegen  Forderung  2  — 
für  t£"Toj  w®'1  i^  ^®r  Gleichung: 

die  rechts  stehende  Größe  von  der  Klasse  e^^  ist.  Hingegen 
ist  die  Zahl: 

a^=-??^a<»  +  -?^a«>+...  +  -^a(')  (11) 


022  H.  Hahn, 

gewiß  nicht  Null,  weil  sonst  nach  Forderung  1  die  Beziehung 
bestehen  müßte: 

während  ng—g^^>  als  Differenz  zweier  Größen  verschiedener 
Klasse  nicht  Null  sein  kann.  Die  durch  (11)  definierte  Zahl  a^ 
sei  der  Koeffizient  von  e^^  im  Symbol  der  Größe  g  (während 
jede  höhere  Einheit  ^  den  Koeffizienten  Null  habe). 

Durch  diese  Festsetzung  ist  der  Koeffizient  o^  eindeutig 
festgelegt.  Dann  sei: 

n'g  =  m[gi+fn',gi+ . . .  ^m^gj+g'(^)  (12) 

eine  andere  Darstellung  von  g,  wo  wieder  g'^^^  von  niedrigerer 
Klasse  als  e^^  sei,  dann  ist: 

«'wj^i  'hn'in^g^'^...'^n'fnigi—nm[g['-Hm'^g^—...'-nm^gJ  = 

=  ngni)—n'g(^) 

ebenfalls  von  niedrigerer  Klasse  als  e^^  und  mithin  wegen 
Forderung  2 : 


n'     '•  n'     ••  n'     ^ 

wie  behauptet.  Hat  ferner  die  Darstellung  (12)  ebenfalls  die 
Eigenschaft: 

w;a;">-4-mia(«>+ . . .  +iifja^O)  =  0     für  t  "^  To.       (»3) 

so  folgt  aus  Forderung  1,  daß: 

ist. 

Wir  bilden  nun  die  Differenz: 


Nicht&rcbimedische  Größensysteme.  623 

bezeichnen  mit  e^^  die  Klasse  von  g^^^  —  wo  also  Ti  "3  To  —  ^^^ 
unterscheiden  wieder  zwei  Fälle: 

Erster  Fall.  Die  Größe  g  sei  nicht  durch  Größen,  die  ihr 
in  M  vorangehen,  darstellbar  bis  auf  Größen  einer  geringeren 
Klasse  als  e^^.  Dasselbe  gilt  dann  offenbar  von  g^^^  und  wir 
können  wie  im  Falle  II  einen  unendlichen  systematischen 
Bruch  bestimmen: 

^'  ^       d         d^  d^ 

derart,  daß  (unter  g^^^  die  Größe  ^<^>  oder  ihre  entgegengesetzte 
verstanden,  je  nachdem  g^^^  positiv  oder  negativ  und  unter 
g^^^  diejenige  Größe  der  Klasse  e^\,  die  in  M^  steht)  für  jedes  i: 

<(fio^'+«i^'-^+  . . .  +ni^id+ni  +  l)g^^y 

Femer  können  wir  immer  annehmen,  in  (8)  sei  die  ganze 
Zahl  n  positiv.  Je  nachdem  nun  ^<^>  =:  ^<^>  oder  ^W  =  — g^^\ 

wählen  wir  — ^  oder als  Koeffizienten   a^^  von  e»,  im 

Symbol  von  g,  während  alle  Einheiten  ^^,  die  im  Range  zwischen 
e^^  und  dyj  stehen,  sowie  alle,  die  von  niedrigerem  Range  als  ^^, 
sind,  in  diesem  Symbol  nicht  vorkommen  sollen. 

Die  Zuordnung  eines  Symbols  der  Form  (1)  zur  Größe  g 
ist  somit  vollzogen,  nur  ist  wieder  zu  zeigen,  daß  auch  die 
Bestimmung  von  a^^  eindeutig  ist.  Wären  wir  nun  statt  von  der 
Darstellung  (8)  von  einer  anderen,  etwa  (12),  ausgegangen,  für 
welche  die  Gleichungen  (13)  gelten  sollen  und  in  der  wir 
wieder  »'  positiv  annehmen  dürfen,  so  ergäbe  sich: 

und  somit  wegen  (14): 

^^/(i)  -.  ^/^(i)^  (15) 

Hieraus  folgt  zunächst,  daß,  wenn  g^^^  nicht  darstellbar  ist 
bis  auf  Größen  von  niedrigerer  Klasse  als  e^^,  dasselbe  von  g'^^^ 


624  H.  Hahn, 

gilt  Geht  man  nun  weiter  mit  g'^^^  so  vor  wie  eben  mit  g^^\  so 
gelangt  man  zu  einem  systematischen  Bruche: 

a'   =  «'  4-  -^  +  -^  +  .  . .  H h  . . . 

und  unsere  Behauptung  geht  dahin,  daß: 

Wäre  etwa  nä(^^>n'ä^^,  so  müßte  sich  k  so  wählen 
lassen,  daß: 

wird.  Aus: 

w'^(i)<{,i'no^*+w'Wi  J*-i+  . . .  +>»'(«* +  1)}4*> 

würde  dann  folgen:  ng'^^^  >  n'£(^\  entgegen  der  Gleichung  (15). 
Unser  Beweis  ist  somit  erbracht. 

Zweiter  Fall.  Die  Größe  g  sei  durch  Größen,  die  ihr  in  M 
vorangehen,  darstellbar  bis  auf  Größen,  deren  Klasse  niedriger 
ist  als  ^^.  Sei  etwa 

n(2)^  =  fnf)gp+fHf)g^^)+  . . .  +f»?'^4*'+^<2)  (16) 

eine  solche  Darstellung,  wo  die  Klasse  ^,  von  g^  geringeren 
Rang  hat  als  e^^.  Wir  können  wie  oben  annehmen,  daß  für 
alle  t-BTi^ 

mf>af'^^+mf>af^^+  . . .  -hm^^af^^  =  0  (17) 

ist.  Ferner  muß,  da  auch  (16)  eine  Darstellung  von  g  von  der 
Form  (12)  ist: 

n(2>       ^*  «(2)        1f»  ,|(2)       T»  ^ 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  625 

sein,  und  analog  erkennt  man,  dafl  für  alle  anderen  78-Ti  ^i^ 
Gleichung  (17)  bestehen  muß.  Als  Koeffizienten  von  e^^  im 
Symbol  von  g  wählen  wir  dann  die  Zahl: 

^'  «(2)       Ift  „(2)       Ti  ^(2)       T. 

und  überzeugen  uns  ähnlich  wie  oben,  daß  diese  Definition 
von  der  Wahl  der  Darstellung  (16)  unabhängig  ist.  Sodann 
unterscheiden  wir,  analog  wie  oben,  zwei  Fälle.  Wir  bezeichnen 
mit  d^,  die  Klasse  von  g^^  und  haben  den  ersten  Fall,  wenn 
eine  Darstellung  von  g  bis  auf  Größen  von  geringerer  Klasse 
als  ^,  unmöglich  ist;  in  diesem  Falle  ist  mit  diesem  Schritte 
die  Bestimmung  des  Symbols  für  g  abgeschlossen.  Der  zweite 
Fall  hingegen  tritt  ein,  wenn  eine  Darstellung  von  g  bis  auf 
Größen  geringerer  Klasse  als  e^,  möglich  ist;  in  diesem  Falle 
ist  dasselbe  Schlußverfahren  nochmals  anzuwenden. 

Wir  gehen  sogleich  ganz  allgemein  vor  und  nehmen  an,  es 
seien  im  Symbol  von  g  bereits  für  eine  absteigend  wohl- 
geordnete Menge  von  Klassen  ^7,,  ^,. .  .^t  . . .,  wo  der  Index  a 
kleiner  sei  als  eine  gewisse  Ordinalzahl  ß,  die  zugehörigen 
Koeffizienten  fl^^  ö^,,.  . .,  0^  ...  bestimmt,*  und  zwar  so,  daß  zu 
jeder  dieser  Klassen  e^  sich  eine  Darstellung  von  g  durch 
vorhergehende  Größen  bis  auf  Größen  einer  niedrigeren  Klasse 
als  e,   angeben  läßt:' 

+«,(.«+!)  tf(«+l)  +^(«+«)      (18) 

derart,  daß  für  T  =  Ta  ^"^  für  jedes  y£-  Ta 

+fw(«+^>a<«+^''«+i>     (19) 

<a+l        T  ^       ^ 


1  Jede  Einheit  e-^,  die  höheren  Rang  als  irgend  ein  c^    hat,  ohne  aber  mit 
einem  anderen  ^    übereinzustimmen,  habe  den  Koeffizienten  o^  =  0. 

3  Wenn  es  eine  solche  Darstellung  gibt,  so  müssen  für  jede  andere  Dar- 
stellung der  Form  (18)  ebenfalls  die  Gleichungen  (19)  gelten,  woraus  sofort 
folgt,  dafi  eine  andere  unseren  Forderungen  genügende  Wahl  der  Klassen  e-^ 
und  der  Koeffizienten  a^    unmöglich  ist. 


626  H.  Hahn, 

und  wir  wollen  zeigen,  daß  sich  dann  die  Aufstellung  des 
Symbols  für  g  entweder  zum  Abschluß  bringen  oder  in  ein- 
deutiger Weise  um  einen  Schritt  weiter  führen  läfit.  Es  sind 
zwei  Hauptfalle  zu  unterscheiden. 

Erster  Hauptfall.  Es  sei  nicht  möglich,  g  durch  vorher- 
gehende Größen  darzustellen  bis  auf  Größen,  deren  Klasse 
niedriger  ist  als  alle  e^   (A<ß)*  In  diesem  Falle  geben  wir  im 

Ol 

Symbol  von  g  jeder  Klasse,  die  niedriger  ist  als  alle  e^  {aL<^\ 
den  Koeffizienten  Null,  und  die  Aufstellung  des  Symbols  fQr  g 
ist  fertig.  Es  ist  klar,  daß  dieser  Fall  nur  auftreten  kann,  wenn 
die  Ordinalzahl  ß  eine  Grenzzahl  ist^  (d.  h.  keine  unmittelbar 
vorhergehende  besitzt),  denn  im  entgegengesetzten  Falle  gäbe 
es  unter  den  e^  ein  niederstes  und  es  ließe  sich  nach  Voraus- 
Setzung  g  darstellen  bis  auf  Größen  von  niedrigerer  Klasse 
als  e^  . 

Zwe  it  er  Hauptfall.  Es  sei  möglich^^durch  vorhergehende 
Größen  darzustellen  bis  auf  eine  Größe  g^^\  deren  Klasse 
niedriger  ist  als  alle  e^  (a<ß): 

n<^)g  =  mfg!p+mfg^^)+  . . .  +  f«(ß)^(P)+^(P) .       (20) 

Wir  dürfen  dann  wieder  annehmen,  diese  Darstellung  sei 
bereits  so  gewählt,  daß  für  jede  Klasse  ^^  die  niedriger  ist  als 
alle  e^  : 

W»a<P.i)+f«(?)a(?-2)+ . . .  +»»(?' aC-'p)  =  0  (21) 

ist.  Ist  dann: 

eine  zweite  solche  Darstellung,  für  die  ebenfalls  für  jedes  y,  das 
niedriger  ist  als  alle  y^: 


1  Das  ist  der  Grund,  warum  in  den  schon  erledigten  Fällen  ß  ss  0  imd 
ß  =  1  dieser  Fall  nicht  auftrat 


Nichtarchimedische  GröOensysteme.  627 

SO  gilt  für  jedes  7: 

=  «(l')(»»i(f')a;<f>.«+. . .  +««'.(P)a'(ß.>?)), 

denn  für  ein  y>  das  höheren  Rang  hat  als  irgend  ein  y«»  gilt  diese 
Gleichung,  weil  dann  jede  der  beiden  Seiten  gleich  wird 
jf(ß)n'(Wa^;  für  ein  f,  das  im  Range  niedriger  ist  als  alle  7^  aber 
gilt  sie,  weil  dann  ihre  beiden  Seiten  Null  sind.  Es  ist  also: 

und  somit: 

^/(P)^(P)  -_.  „(p)^/(P), 

• 

Die  Klasse  von  g'^^  ist  also  dieselbe  wie  die  von  g^^\  wir 
bezeichnen  sie  mit  e^'  sie  sei  die  erste  auf  alle  e^  folgende 
Klasse,  die  im  Symbol  von  g  einen  von  Null  verschiedenen 
Koeffizienten  habe;  diese  Klasse  ist  somit  eindeutig  festgelegt 
Es  ist  nun  zunächst  der  Koeffizient  a^^  von  e^^  im  Symbol 
von  g  zu  bestimmen.  Hiezu  unterscheiden  wir  zwei  Unterfälle: 

Erster  UnterfalL  Eine  Darstellung  von  g  bis  auf  Größen 
niedrigerer  Klasse  als  e^^  sei  nicht  möglich.  Dann  werde  der 
Koeffizient  von  ^^  wie  im  analogen  Falle  oben,  durch  Zuhilfe- 
nahme eines  unendlichen  systematischen  Bruches  definiert. 
Daß  diese  Bestimmung  eine  eindeutige  ist,  zeigt  man  wie  oben. 
Jede  Einheit,  die  im  Range  niedriger  ist  als  e^.,  erhält  den 
Koeffizienten  Null,  und  die  Definition  des  Symbols  von  g  ist 
somit  auch  hier  abgeschlossen. 

Zweiter  Unterfall.  Es  sei  eine  Darstellung  von  ^ bis  auf 
Größen  von  niedrigerer  Klasse  als  e^^  möglich,  etwa: 

n<?+^)g  z=z  m<P+i)^(P+i)+ . . .  +  w<P+|)^p+^^)+^(?+i) .     (22) 

Den  Koeffizienten  o^^  bestimmen  wir  dann  aus: 

ff(H-i)a^^  =:  miP+i)fl<P+i'i>4- . . .  +wj?+i)a^(?+^'  'ß+D       (23) 

und  überzeugen  uns  auf  dem  schon  wiederholt  angewendeten 
Wege,  daß  auch  diese  Bestimmung  eindeutig,  d.  h.  von  der 
speziellen  Wahl  der  Darstellung  (22)  unabhängig  ist. 


628  H.  Hahn, 

Wir  befinden  uns  nun  in  genau  denselben  Verhältnissen, 
von  denen  wir  ausgegangen  sind,  nur  daß  die  absteigend  wohl- 
geordnete Menge  e^^,  e^^. .  .e^  ...  ein  Glied  mehr  umfaßt,  da  der 
Index  a  nun  alle  Ordinalzahlen  <ß4-l  durchläuft.  In  der  Tat 
sind  die  dort  gemachten  Voraussetzungen  auch  für  unsere  um 
ein  Glied  vermehrte  absteigend  wohlgeordnete  Menge  erfüllt. 
Um  dies  behaupten  zu  können,  brauchen  wir  nur  folgendes  zu 
zeigen:  Es  läßt  sich  eine  Darstellung  von  g  bis  auf  Größen  von 
niedrigerer  Klasse  als  e^,^ 

pi  *     PI'* 
so  angeben,  daß  für  t  =:  Yß  und  jedes  T  8-  Tß- 

w(P+i)a,  =  w(Hi)a(P+i,  1)+  . . .  +fw(?+i)  a(^i'  »>+i>       (24) 

Man  erkennt  leicht,  daß  die  Darstellung  (22)  eine  Dar- 
stellung der  Eigenschaft  (24)  ist.  Daß  dies  stattfindet,  sobald  y 
von  höherem  Range  als  irgend  ein  Ta(*<ß)  ^st,  ist  klar,  weil 
ja  (22)  gleichzeitig  eine  Darstellung  der  Form  (18)  ist.  Für 
7  =:  Y3  ergibt  Gleichung  (23)  die  gewünschte  Eigenschaft,,  und 
es  ist  (24)  daher  nur  noch  als  richtig  zu  erweisen  für  solche  7, 
die  im  Range  zwischen  73  und  allen  7«  liegen.  Aus  (20)  und  (22) 
folgt  aber: 

p     p 
_«(P)(w(?+iM?+i)+  . . .  +m<?+i)tf (?+!))  = 

*ß4-l     'ß+1 
=:  M(?)^(ß+l)_«(ß+l)^(?), 

wo  die  rechte  Seite  von  der  Klasse  e^o  ist.  Daher  für  78-  Tp- 

w(ß+i)(wf  a^^3,i)+ . . .  ^ntf  a<?'*?))  = 

=  w(?)(mi?+i)a(?+^0+ . . .  +  fw(;+J)  a(P+^»P+i>) 

und  daher  wegen  (21)  sobald  T"3To  für  jedes  a: 
wie  behauptet. 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  629 

Wir  sehen  also  folgendes:  Sind  im  Symbol  für  ^  die 
Koeffizienten  Äj^a^,,. ..,  Äj  ...  (a<ß)  einer  absteigend  wohl- 
geordneten Menge  von  Einheiten  ^,,^,,.-.,^7  ...(a<p)  so 
bestimmt,  daß  die  durch  (18)  und  (19)  ausgedrückte  Eigenschaft 
besteht,  so  läßt  sich  bei  einem  folgenden  Schritte  entweder  die 
Bestimmung  des  Symbols  von  g  zu  Ende  führen  (erster  Haupt- 
fall und  erster  Unterfall  des  zweiten  Hauptfalles)  oder  es  läßt 
sich  die  erste  auf  alle  Einheiten  e^  («  <  ß)  folgende  Einheit  ^^^ 
auffinden,  deren  Koeffizient  im  Symbol  von  g  nicht  Null  ist  und 
dieser  Koeffizient  in  eindeutiger  Weise  so  bestimmen,  daß  die 
durch  (18)  und  (19)  ausgedrückten  Eigenschaften  auch  für  die 
absteigend  wohlgeordnete  Menge  e^  (a^ß)  bestehen.  Dann 
aber  kann  das  ganze  Verfahren  wieder  angewendet  werden. 

Hieraus  aber  folgt  weiter,  daß  einmal  bei  Fortführung 
dieses  Prozesses  der  erste  Hauptfall  oder  der  erste  Unterfall  des 
zweiten  Hauptfalles  eintreten  muß.  Denn  träte  bei  jedem  neuen 
Schritte  immer  wieder  der  zweite  Unterfall  des  zweiten  Haupt- 
falles ein,  so  ließe  sich  der  Prozeß  so  lange  fortsetzen,  bis  die 
Mächtigkeit  der  absteigend  wohlgeordneten  Menge  e^  (a  <  ß) 
ein  beliebig  vorgegebenes  k  wird.  Das  ist  aber  unmöglich,  da 
eine  solche  Menge  als  Teilmenge  von  V  nie  die  Mächtigkeit 
von  r  übertrefifen  kann.  Sobald  aber  einmal  nicht  der  zweite 
Unterfall  des  zweiten  Hauptfalles  eintritt,  wird  beim  nächsten 
Schritte  die  Bildung  des  Symbols  von  g  abgeschlossen,  so  daß 
also  auch  im  Falle  III  der  Größe  g  ein  Symbol  der  Form  (1) 
zugeordnet  ist. 

Wir  behaupten  nun  weiter,  daß  auch  für  jenen  Abschnitt 
der  wohlgeordneten  Menge  M,  der  aus  allen  der  Größe  g 
vorangehenden  Größen  und  der  Größe  g  selbst  besteht,  die 
Forderungen  1,  2,  3  und  4  erfüllt  sind. 

Für  die  erste  Hälfte  der  Forderung  1  ist  dies  evident.  Denn 
besteht  eine  Relation 

f»!  ^1  +f«2  Ä  +  •  •  •  +  mgi+fni^i  g  =  0, 

so  ist  g  darstellbar  durch  vorhergehende  Größen,  wir  befinden 
uns  im  Falle  I  und  dann  wurden  ja  die  Koeffizienten  a^  gerade 
aus  dieser  Relation  bestimmt. 


630  H.  Hahn, 

Die  zweite  Hälfte  von  Forderung  1  aber  verlangt  um- 
gekehrt, daß  wenn  unter  den  der  Gröfie  ^  in  Af  vorangehenden 
Größen  sich  eine  endliche  Anzahl  g^^  g%,"  *fgi  so  finden  läßt, 
daß  für  alle  7: 

m^aü^ -^-m^a^ '\' . . .  H-w,a<*>+f#f,.4-ia^  =  0,  (25) 

wo  m^^m^,. .  .,mi,fni^i   ganze    Zahlen    sind,    auch   die   Be- 
ziehung gilt: 

^1Ä  +  *«2Ä+  •  •  •  +W|^i  +  W,H.l^  =  0.  (26) 

Nehmen  wir  zuerst  an,  wir  befinden  uns  im  Falle  I  und  es 
bestehe  die  Relation: 

^g  =  Kä'+Kä'+  •  •  •  +^jgJ'  (27) 

Dann  ist  für  alle  ^: 


i+X      ^  J 


und  somit  wegen  Forderung  1: 
m+i(fn[gi'hfn'^g^+  . . .  ^m^gj)-i- 

woraus  in  Verbindung  mit  (27),  (26)  folgt. 

Im  Falle  II  können  wir  zeigen,  daß  Relationen  der 
Form  (25)  nicht  für  alle  y  bestehen  können.  Sei  in  der  Tat  e^  die 
Klasse  von  g  und  sei  wieder  g  gleich  g  oder  gleich  — g,  je 
nachdem  g  positiv  oder  negativ  ist.  Wir  bilden  die  Größe: 

WiÄ+»^2Ä+  •  •  •  ^^igi+f^i+ig  =  g*  (28) 

die  notwendig  auch  in  der  Klasse  e^^  steht;   denn   in   einer 
höheren  Klasse  kann  g*  nach  Forderung  2  nicht  stehen,  weil 

fürT£-T.: 

m^ai^^'k'm^ai^^+ . . .  -^mid')  =  0, 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  63 1 

in  einer  niedrigeren  Klasse  kann  aber^*  nicht  stehen,  weil 
sonst  —  entgegen  der  Voraussetzung  —  g  durch  vorhergehende 
Größen  darstellbar  wäre  bis  auf  Größen  von  geringerer  Klasse 
als  e^^.  Wir  bezeichnen  nun  wieder  mit  g  den  absoluten  Betrag 
von  g  und  schreiben  (28)  in  der  Form, 

wo  wir  offenbar  iw/^i  positiv  annehmen  dürfen.  Unter  Bei- 
behaltung der  oben  benützten  Bezeichnung  haben  wir  dann: 

=  a..  in  «0  -< — ^  +  —  -  +  ...  H h  . . . , 

'•         "^       d        d'  d^ 

wo: 

w,^.i(i«o^*4-«i^*-^-h  .  . .  'hnk-id+nk)gQ<ini^id^g< 

Andrerseits  ist  aber  auch  wegen  Forderung  4: 
fni^i(nQd^+n^d^-^+  . .  .  +«*_i^4-«ik)^o< 

Daraus  würde  nun  folgen,  daß  für  jedes  k: 

d^\g*\<fni^igQ 

sein  muß,  was  unmöglich  ist,  wenn  g*  in  derselben  Klasse  wie 
g^  steht  Die  Relation  (25)  kann  also  für  7  =  To  nicht  bestehen. 
Liege  endlich  der  Fall  III  vor,  so  können  wir  wieder 
zeigen,  daß  die  Relationen  (25)  nicht  für  alle  7  erfüllt  sein 
können.  Je  nachdem  dann  unter  den  Einheiten  e.  ,  die  im 
Symbol  von  g  einen  von  Null  verschiedenen  Koeffizienten 
haben,  eine  niedrigste  vorhanden  ist  oder  nicht,  befinden  wir 
uns  im  zweiten  Hauptfall  (und  zwar  im  ersten  Unterfall)  oder 
im  ersten  Hauptfall. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  41 


632  H.  Hahn, 

Nehmen  wir  also  zuerst  an,  wir  befinden  uns  im  ersten 
Hauptfall.  Dann  gibt  es  zu  jedem  a  (<ß)  eine  Darstellung: 

+  „,(a+l)^(a+l)^.^(a-Hl)^ 

WO  ^(*+^>  von  niedrigerer  Klasse  als  e^  und  für  jedes  TfcTa- 

ft  — — 

Hingegen  gibt  es  keine  Darstellung  von  g  bis  auf  Größen, 
deren  Klasse  niedriger  ist  als  alle  ^  . 

'OL 

Wir  bilden  die  Größe: 
Dann  ist  für  T^Ta- 

Somit  gilt  nach  Forderung  2  die  Relation: 

wo  ^<'«+^)*  von  niedrigerer  Klasse  als  e^   ist.  Somit  gilt  auch: 
nti^ig  =  —(in^gt-hm^g^^,. .  +^,-^0+^^*'^^^**      (29) 

wo  ^'«+1)**  ebenfalls  von  niedrigerer  Klasse  als  e^  ist,  und  zwar 
gilt  diese  Formel  für  jedes  a  (<  ß).  Es  wäre  also  durch  (29)  eine 
Darstellung  von  g  bis  auf  Größen  von  niedrigerer  Klasse  als 
alle  e-^   geliefert,  was  unmöglich  ist. 

Befinden  wir  uns  hingegen  im  zweiten  Hauptfall,  und 
zwar  im  ersten  Unterfall  und  ist  e^.  die  niederste  Einheit  mit 
von  Null  verschiedenem  Koeffizienten,  so  gibt  es  eine  Dar- 
stellung: 

«^ß\^  =  mfg[^^'h  . . .  +f«(ß)^/?)+^(P), 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  633 

WO  g<^^  von  niedrigerer  Klasse  als  alle  e^  (a  <  ß)  und  wo  für 
jedes  Y  derart,  daß  für  irgend  ein  a:  TfcTa>  die  Gleichung 
besteht: 

für  jedes  y  hingegen,  das  niedrigeren  Rang  als  alle  7^  hat: 

fnfaf^)^ . . .  +w(ß)  a(P''>)  z=  0. 

Dann  ist  e^^  die  Klasse  von  g^^'>  und  es  gibt  keine  Dar- 
stellung von  g  bis  auf  Größen  von  niedrigerer  Klasse  als  e^  . 

Wir  setzen  nun: 

— *f<?)(f»i^i+i«g^2-4- . . .  -hntigi)  — 

-mi^,{mfg^^)^mfgi^)+  . . .  +f«g>4?))  = 

=  ffti^ig^^^^g*     (30) 

und  erkennen,  daß  g*  ebenfalls  von  der  Klasse  e^^  sein  muß. 
In  der  Tat,  von  höherer  Klasse  kann  g*  nicht  sein,  da  für 
jedes     f-  7p: 

+w,-^i(wf  a^P'i)+w^?)a<ß.2)+  . . .  +w^)a(?'»ß>)  =  0 

ist,  somit  nach  Forderung  2  die  linke  Seite  von  Gleichung  (30) 
höchstens  von  der  Klasse  e^^  ist  Von  niedrigerer  Klasse  als  e^^ 
aber  kann  g*  auch  nicht  sein,  weil  sonst  g^^'>  und  somit  auch  g 
darstellbar  wäre  bis  auf  Größen  von  niedrigerer  Klasse  als  e^^ . 
Wir  bezeichnen  nun  mit  g^^^  den  absoluten  Betrag  von  g^^\ 
bestimmen  mi^i  so,  daß  ffti^ig^^^  =:mi^ig^^'^  wird  und  dürfen 
immer  annehmen,  die  Zahl: 

— ff(P)(Wia^i^+f»2^7ß^"^  •  •  •  4-fn,a(0)  z=  fHi^iä^o 

sei  positiv.  Dann  ist  wegen  Forderung  4  auch  die  linke  Seite 
von  (30)  positiv.  Durch  Betrachtung  des  systematischen  Bruches: 

41* 


034  R  Hahn, 

gelangt  man  wie  oben  zu  einem  Widerspruch.  Das  Fortbestehen 
von  Forderung  1  ist  somit  allgemein  nachgewiesen. 

Wir  gehen  nun  dazu  über,  das  Fortbestehen  von  Forde- 
rung 2  zu  beweisen.  VV^ir  haben  also  zunächst  zu  zeigen, 
daß  wenn 

WO  g*  von  der  Klasse  e^  sei,  für  alle  y  f-  7*  die   Relationen 
bestehen : 

Wir  können  uns  selbstverständlich  auf  den  Fall  7*-3To 
beschränken,  wenn  ^^  die  Klasse  von  g  bedeutet  Wir  gehen 
wieder  die  einzelnen  Fälle  durch. 

Befinden  wir  uns  im  Falle  I,  so  haben  wir: 

^g  =  K^i+'''2<?2+  •  -  •  +»'./<?/ 
und: 

Nun  ist  aber' 
n(m^g^-h > .  .'¥mig;)+mi^i(tH[g['h . .  .-htn'jgj)  =  n.g* 

und  somit  nach  Forderung  2  für  alle  ti-t*: 

was  zu  beweisen  war. 

Im  Falle  II  ist  eine  Darstellung  der  Form  (31)  unmöglich. 

Befinden  wir  uns  im  Falle  III  und  werden  wieder  mit  e^ 
die  Einheiten  bezeichnet,  die  im  Symbol  von  g  von  Null  ver- 
schiedene Koeffizienten  haben,  so  ist  im  ersten  Hauptfall  die 
Relation  (31)  gewiß  nur  möglich,  wenn  für  irgend  ein  a:  7*8-7«. 
Nun  aber  ist: 

n'-'-^  g  =  m\^^^  gr'^^^'-h  . . .  4-m'^-^^Vf»-^i'+;^'«+>      (32) 
wo  ^<'«+'>  von  niedrigerer  Klasse   als  e,    und  für  alle  T^Ta 


Nichtarchimedische  Größensysteme. 


635 


Aus: 


«(«+i)(Wi^^+  . . .  +W/^,)  + 


w,4.iK«+i)^(«+i) + . . .  +w^+;>^4-+;>)  = 


=  «(«+1)^*— W,-4.i^(«+l) 


folgt  aber  wieder  für  alle  t  £-  T* 

wie  zu  beweisen  war. 

Befinden  wir  uns  endlich  im  zweiten  Hauptfalle  von  III 
(und  zwar  dann  im  ersten  Unterfall),  so  gibt  es  unter  den  Ein- 
heiten, die  im  Symbol  von  g  nicht  verschwindende  Koeffizienten 
haben,  eine  niedrigste  e-^^  und  es  gilt: 


(33) 


wo  g^^^  von  der  Klasse  ^^^.  Da  nun  offenbar  in  diesem  Falle  7* 
nicht  von  niedrigerem  Range  als  Yß  sein  kann,  folgt  aus  (33) 
auf  dem  obigen  Wege  das  gewünschte  Resultat. 

Nun  ist  noch  die  zweite  Hälfte  von  Forderung  2  nach- 
zuweisen: Wenn  unter  den  der  Größe  g  vorangehenden  Größen 
sich  giyg^y  '  -ygi  so  wählen  lassen,  daß  für  alle  y8-T*' 


w,<> 


.(2) 


fHaa^-^ 


-¥-fnia)l>-\'fni.^ia^  =  0, 


(34) 


dann  ist: 


rf* 


WiÄ+W2^8+  •  •  •  +Wi,?»+W»4-l^  =  g  y 


(35) 


wo  die  Klasse  von  g*  nicht  höher  als  e-^  ist.  Wir  können  uns 
wieder  ohneweiters  auf  7*-3To  beschränken. 
Im  Falle  I  haben  wir: 


ng  =  m[g[-hm'^g^^ 


ntjg'j^ 


wo  für  alle  7: 


na^  =  m\a\^^ '\'m\a\'^ -k- . . .  4-mja^O). 


636  H.  Hahn, 

Daher  ist  für  t8"T*- 

woraus  nach  Forderung  2  in  der  Tat  (35)  folgt. 

Im  Falle  II  kann,  wie  schon  bewiesen,  die  Relation  (34) 
für  T  =  To  nicht  erfüllt  sein. 

Im  ersten  Hauptfall  von  Fall  III  kann  —  wie  ebenfalls 
schon  bewiesen  — jedenfalls  nicht  y*"3To  ^^^  ^^^^  ^  sein.  Wir 
haben  daher  für  ein  geeignetes  a:  T*8-Ta-  ^^  zweiten  Hauptfall 
hingegen  kann  nicht  y*  -3  Tß  sein.  Mit  Hilfe  von  (32),  beziehungs- 
weise (33)  schließt  man  dann  weiter  wie  eben  im  Falle  I. 

Wir  kommen  zum  Beweis  für  das  Fortbestehen  von 
Forderung  3.  Hier  ist  zu  zeigen:  Es  lassen  sich,  wenn  y* 
gegeben  ist,  unter  den  der  Größe  g  vorangehenden  Größen 
gv  Ä»-  •  •>  ^»  so  finden,  daß  für  t  f- T*: 

für  T^Tf*: 

Wir  können  uns  offenkundig  auf  y*  -3  To  beschränken. 
Im  Falle  I  haben  wir: 

n'g  =  ntf^g^^m'^g^-h  . . .  -^fn^gj.  (36) 

Nach  Forderung  3  kann  man  nun  #i*\  ^i,*\ . . . , //*^  so 
wählen,  daß: 

^     '  ^     '  '*    ^  \0  für  TdT* 

Hieraus  aber  folgt  in  Verbindung  mit  (36): 
Ä<2)w<3). .  .niJ) m;(^i)ä(i'i)+w^i)ä0.2)+ . . .  +^(.1)  ä(i.».))-H 
4-Ä<^>«(3>. .  .«<>>  wj(wf  a(2.i)+^^) ^(2.2)^.  ^  ^  ^  +mP)ä<2'0)4- . . . 
+«<!). .  .«<>-^>wj(w<>)ä(>'i)+^>)äa'2)+. .  .^^(y^  ~ 

_  r  «^iH7<2)  ^  ^  ^  ^(Ow'a^  für  Y  £-  T 
""io  fürY^t 

womit  in  diesem  Falle  die  Behauptung  erwiesen  ist. 


* 
* 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  637 

Im  Falle  II  ist  die  ganze  Fragestellung  trivial.  Im  ersten 
Hauptfall  des  Falles  III  können  wir  uns  ersichtlich  beschränken 
auf  den  Fall,  daß  nicht  für  alle  a:  T*"3Ta'  Sei  etwa  «^  die  erste 
unter  den  Ordinalzahlen  a  derart,  daß  nicht  y*  -3  y«-  W'ir  haben 
schon  gesehen,  daß  es  dann  eine  Darstellung  gibt: 

wo: 

^(-.)a(-..i)+ . . .  +«.(«•) a(-.W  =  [  "'^'^  ^""^  ^  ^  ^^ 
'      '  '«•    ^  \0  für  tJt«. 

Diese  Darstellung  liefert  offenbar  das  Verlangte. 

Im  zweiten  Hauptfall  von  Fall  III  (erster  Unterfall)  können 
wir  annehmen,  es  sei  7*tT?>  wenn  e^^  die  letzte  Einheit  mit 
von  Null  verschiedenem  Koeffizienten  im  Symbol  von  g  be- 
deutet. Dieselbe  Schlußweise  führt  dann  zum  Ziele. 

Wir  kommen  zu  Forderung  4.  Hier  ist  zu  beweisen:  Wenn 

• 

^iÄ+^2Ä-*-  •  •  •  '^^igi+^i+\g>0  (37) 

ist,  so  ist  der  erste  nichtversch windende  Ausdruck: 

nt^a^^^-^m^a^-^^'i' . . .  +mia^*^-\-mi^ia^  (38) 

positiv. 

Befinden  wir  uns  zunächst  wieder  im  Falle  I,  so  haben  wir: 

ng  =  wUi+<ä'+  •  •  •  -^^jgj^ 
wo  wir  n  als  positiv  annehmen  können  und  wo  für  alle  7: 

Aus  (37)  folgt  dann: 

+fni-}.t(fn[g[+m'^gi'{- . . .  +m^'gj)>0 

und  somit  ergibt  Forderung  4,  daß  in  der  Tat  der  erste  nicht- 
verschwindende  unter  den  Ausdrücken: 

«(WiO^^+Wg^*^-*-  •  •  •  +»^i  ^^'0  + 

+w,.+i(mX'''+wX'''+  . . .  +wX<^>)  = 

positiv  sein  muß,  wie  behauptet. 


G38  H.  Hahn, 

Wir  gehen  zu  Fall  II  über.  Ist  der  Index  *(*  des  ersten 
nichtverschwindenden  Ausdruckes  (38)  von  höherem  Range 
als  Yo  (^'O  e^^  die  Klasse  von  g),  so  reduziert  sich  dieser  Aus- 
druck auf: 

m^a{V + f»2  alS^  +  . . .  +  nti  a^^ ,  (39) 

so  daß  die  Größe: 

von  höherer  Klasse  als  g  wird.  Soll  dann  (37)  gelten,  so  muß 
(40)  positiv  sein  und  somit  nach  Forderung  4  auch  (39)  positiv 
sein,  womit  die  Behauptung  erwiesen  ist 

Ist  hingegen  (39)  für  alle  7  £-To  gleich  Null,  so  ist  der  erste 
nichtverschwindende  Ausdruck  (38): 

w jöl]^ + tn^  a^J^ -h  .  . .  H-  ffti  a^|)  +  W/4.1  a^^ ,  (41) 

denn  dieser  Ausdruck  kann,  wie  schon  bewiesen,  nicht  ver- 
schwinden. 

Hierin  hat  a^^  das  Zeichen  von  g.  Ist  nun: 

so  ist  die  Größe  (40)  von  geringerer  Klasse  als  gy  mithin  gilt 
die  Ungleichung  (37),  wenn  mi^ig  >  0.  Dann  aber  ist  auch 
mi^\a^^>Oy  was  wieder  der  Behauptung  entspricht.  Ebenso 
folgt  unmittelbar,  daß,  wenn  sowohl  (40)  als  nti^ig  positiv  sind, 
der  Ausdruck  (38)  positiv  ausfällt.  Es  bleibt  also  der  Fall,  daß 
von  den  beiden  Größen  (40)  und  ifii^xg  die  eine  positiv,  die 
andere  negativ  ausfallt;  etwa: 

Wegen  Ungleichung  (37)  ist  dann: 

Wi^i+«*2i^2+-  ••+^*<?»>^/>i^-  (42) 

Wir  betrachten  die  systematischen  Brüche: 


^ni^x 


-  7,   u.   *l    ^   *2     .  .     ^*     . 

—  '»o^ r r  .  .  .  H +  . .  . 

d        d^  d" 


\ 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  639 


und: 


a^.  z=  n^H — ^  H — ^^  -4- . .  .  H 

d        d^  d^ 


wo  beidemale  die  linken  Seiten  positive  Zahlen  sind.  Mit  g^ 
werde  die  Größe  1  ,e^^  bezeichnet.  Nach  F'orderung  4  ist  dann 
für  alle  k\ 

iüij^iQt^d^ -{- . . .  '^hit-\d-hhk)gQ  ^  d^i^hSi-^  -  •  •  +^»^0  ^ 

^  tw,+i(Äo^*+  . .  .  +hk_id'hhk-h  1)Ä) 

und  nach  Definition  von  ä^^: 

fni+i{nQd^+ . . .  +w*_i^+«*)^o < ^* w/+i^< 

<iw,+i(;io^*+  . . .  -^nk-.id-hfik'h  l)^o- 
Wäre  nun: 

so  wäre  für  alle  genügend  großen  k: 

und  demnach: 

nii^ig  >  fn^g^-^nt^g^-h  . . .  -hmigi, 

entgegen  der  Ungleichung  (42).  Es  ist  also  auch  in  diesem  Falle 

(Gleichheit  zwischen  diesen  zwei  Zahlen  ist  ja  ausgeschlossen) 
oder  was  dasselbe  ist: 

was  wieder  der  Behauptung  entspricht,  die  somit  auch  für  Fall  11 
vollständig  bewiesen  ist. 

Liege  der  erste  Hauptfall  von  Fall  III  vor.  Dann  kann  der 
Ausdruck  (38),  wie  schon  bewiesen,  nicht  für  jedes  y  ver- 
schwinden, das  höheren  Rang  als  irgend  ein  y«  ^^^  (wenn  e^  wied er 
diejenigen  Einheiten  bezeichnet,  deren  Koeffizient  im  Symbol 
von  g  von  Null  verschieden  ist).  Es  gibt  also  solche  y„,  welche 


640  H.  Hahn, 

von  niedrigerem  Range  als  y*  sind;  sei  7«^  das  erste  unter 
denselben. 

Wir  benützen,  wie  schon  wiederholt,  die  Relation: 

wo  ^(«0-+-^)  von  niedrigerer  Klasse  als  e^  und  daher  auch  von 
niedrigerer  Klasse  als  e-f  ist.  Die  ganze  Zahl  wK+i)  kann  positiv 
angenommen  werden.  Die  Größe: 

^1  Si  +  Wg  Ä  +  •  •  •  +  W/^,-f  w,+i  g  (43) 

hingegen  ist  genau  von  der  Klasse  e-^  (wegen  Forderung  2). 
Die  Größe: 

«<-^+*)(Wi^i+Wa^a+  . . .  +W/^)+ 

hat  daher  das  Zeichen  von  (43)  und  ist  somit  nach  (37)  positiv. 
Hier  aber  ergibt  Forderung  4,  daß  dann: 

nK+i)(Wja^l>4- . . .  -htniO^O+nti^ia^) 

positiv  sein  muß,  wie  behauptet. 

Es  bleibt  der  zweite  Hauptfall  von  Fall  III  zu  betrachten, 
und  zwar  der  erste  Unterfall.  Ist  ^p  die  letzte  Einheit,  die  im 
Symbol  von  g  einen  von  Null  verschiedenen  Koeffizienten 
hat,  so  wissen  wir  bereits,  daß  nicht  7*-3Tp  sein  kann. 

Ist  zunächst  T*E-Tßi  so  gehen  wir  aus  von  der  Darstellung: 

«(P)  g  =  mfg<^)+  . . .  +  wf)  ^P>+^<» ,  (44) 

wobei  wir  immer  annehmen  dürfen,  daß  n(^>  positiv  ist  und  daß 
für  alle  y>  <^i6  niedrigeren  Rang  haben  als  sämtliche  dem  e^o 
vorausgehenden  Einheiten,  die  im  Symbol  von  g  einen  von  Null 
verschiedenen  Koeffizienten  haben,  die  Gleichungen  erfüllt  sind: 

w,(ß)a(ß»i)-+. . . .  H-wWa(^'p)  =  0. 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  641 

Dann  ist  ^^P)  genau  von  der  Klasse  ^g  und  somit  von 
niedrigerer  Klasse  als  die  Größe  (43)  und  wir  können  weiter 
schließen  wie  im  ersten  Hauptfall. 

Ist  hingegen  T*  =  Tp>  so  folgt  aus  (37)  und  (44): 

m(?>(w,^i+W2^2-4-  . . .  +w,-^,)  + 

+w,+i(w<P)^(P)+  . . .  -4-fM(ß>^(P))-4-w,^_i^(P)>  0 

und  die  im  Falle  II  verwendete  Argumentation  lehrt,  daß  der 
Ausdruck: 

«<?)(Wia^V+  . . .  +w,a<'>)+iw,-4.i(f»ff>a<P'^)+  . . .  +w<P)  a<?'''ß>)+ 

'P  Tß  '  ••^       Tß  'p       Tß 

«(P)(Wiö4J^+ . . .  -4-w,a<'^+fW/+ia^p) 

• 
positiv  sein  muß,  so  daß  unsere  Behauptung  auch  hier  be- 
wiesen ist. 

Wir  sehen  also:  Sind  allen  der  Größe  g  \n  M  vorher- 
gehenden Größen  Symbole  zugeordnet,  so  daß  die  Forderungen  1, 
2,  3,  4  erfüllt  sind,  so  läßt  sich  auch  der  Größe  g  ein  Symbol 
so  zuordnen,  daß  auch  in  dem  von  der  Größe  g  und  allen 
vorhergehenden  gebildeten  Systeme  unsere  vier  Forderungen 
erfüllt  sind.  Hieraus  aber  folgt  unmittelbar,  daß  sich  allen  in 
der  wohlgeordneten  Menge  M  enthaltenen  Größen  Symbole 
zuordnen  lassen,  derart,  daß  für  alle  diese  Größen  die 
Forderungen  1,  2,  3,  4  bestehen.  In  der  Tat,  wäre  das  nicht  der 
Fall,  so  gäbe  es  eine  erste,  der  sich  kein  den  vier  Forderungen 
genügendes  Symbol  zuordnen  ließe,  während  für  alle  vorher- 
gehenden dies  der  Fall  ist.  Dies  aber  steht  in  Widerspruch  mit 
dem  eben  ausgesprochenen  Resultat. 

Damit  ist  aber  der  zu  Beginn  dieses  Paragraphen  an- 
gekündigte Satz  bewiesen.  In  der  Tat  bilden  in  dem  einer 
Größe ^  zugewiesenen  Symbol  die  Einheiten  e^,  deren  Koeffizient 
nicht  Null  ist,  eine  absteigend  wohlgeordnete  Menge.  Forde- 
rung a)  und  ß)  sind  nur  Spezialfälle  unserer  Forderung  1, 
Forderung  7)  aber  ist  ein  Spezialfall  von  Forderung  4. 

Wir  können  dieses  Resultat  in  den  Satz  zusammenfassen: 
Die    Größen    eines    beliebigen    nichtarchimedischen 


642  H.  Hahn, 

Größensystems  lassen  sich  ausdrücken  durch  kom- 
plexe Zahlen,  deren  Einheiten  eine  geordnete  MengeF 
bilden,  deren  Ordnungstypus  der  Klassentypus 
unseres  Größen  Systems  ist.  In  jeder  dieser  komplexen 
Zahlen  bilden  die  Einheiten  mit  von  Null  verschie- 
denem Koeffizienten  innerhalbFeine  ab  steigend  wohl- 
geordnete Menge.  Die  Addition  erfolgt,  indem  man 
die  Koeffizienten  gleicher  Einheiten  addiert.  Von 
zweien  dieser  komplexen  Zahlen  gehört  diejenige 
zur  größeren  Größe,  in  welcher  die  erste  Einheit,  die 
nicht  in  beiden  komplexen  Zahlen  gleichen  Koeffi- 
zienten hat,  den  größeren  Koeffizienten  besitzt. 

§3. 

Wir  wollen  nun  definieren,  wann  ein  nichtarchimedisches 
Größensystem  G  als  ein  vollständiges  bezeichnet  werden 
soll.  Sei  wieder  F  eine  Menge  von  geordneten  Elementen  y» 
deren  Ordnungstypus  übereinstimmt  mit  dem  Klassentypus 
von  G.  Man  ordne  nach  obigem  Verfahren  den  Größen  von  G 
Symbole  (komplexe  Zahlen  mit  den  Einheiten  e^)  zu.  Nun  bilde 
man  eine  beliebige  absteigend  wohlgeordnete  Menge  aus  den 
Elementen  e-^  und  gebe  jedem  in  dieser  absteigend  wohlgeord- 
neten Menge  enthaltenen  e^  eine  beliebige  reelle  Zahl  a^  als 
Koeffizienten.  Wenn  dann  jede  auf  diesem  Wege  erhältliche 
komplexe  Zahl  unter  den  zur  Bezeichnung  der  Größen  von  G 
verwendeten  Symbolen  vorkommt,  heiße  das  Größensystem  G 
ein  vollständiges. 

Die  gewöhnlichen  komplexen  Zahlen  mit  n  Einheiten: 

bilden,  wenn  man  sie  in  der  auf  p.  G09  angegebenen  Weise 
ordnet,  ein  vollständiges  nichtarchimedisches  Größensystem  vom 
(endlichen)  Ordnungstypus  «,  vorausgesetzt,  daß  a^  a^,. .  .,a„ 
alle  reellen  Zahlen  durchlaufen.  Würden  Uy^,  a^,» , .,  a^  etwa 
auf  die  ganzen  oder  die  rationalen  Zahlen  beschränkt,  so  hätten 
wir  ein  unvollständiges  nichtarchimedisches  Größensystem  vom 
Ordnungstypus  n.  Auch  die  p.  613  angegebenen  Größensysteme 


Nichtarchimedische  Größen-^ysteme.  643 

können  unvollständig  sein.  Desgleichen  im  allgemeinen  die 
nach  den  Vorschriften  des  Herrn  Levi-Civita  gebildeten 
Größensysteme. 

Da  das  einer  Größe  unseres  Systems  zugeordnete  Symbol 
verschieden  ausfällt,  je  nach  der  Wohlordnung  der  Größen 
von  G,  von  der  wir  ausgehen,  muß  zunächst  bewiesen  werden, 
daß  die  Eigenschaft,  vollständig  oder  unvollständig  zu  sein, 
von  der  Wahl  dieser  Wohlordnung  unabhängig  ist. 

Seien  also  zwei  Wohlordnungen  von  G  gegeben;  aus- 
gehend von  der  ersten  erhalte  eine  Größe  g  von  G  das  Symbol: 


g=zila,j^^,  (45) 

ausgehend  von  der  zweiten  das  Symbol: 

^=^^^J^a^  (46) 

wo  die  Summation  beide  Male  über  eine  absteigend  wohl- 
geordnete Menge  sich  erstreckt.  Kommt  der  Index  y  unter 
den  Y«  nicht  vor,  so  sei  0^  =  0;  analog,  wenn  ?  unter  den  7^ 
nicht  vorkommt:  äf  =1 0. 

Es  sei  bekannt,  daß  bei  Zugrundelegung  der  ersten  Wohl- 
ordnung jedem  Symbol  der  Form  (45)  auch  umgekehrt  eine 
Größe  von  G  entspricht.  Wir  wollen  zeigen,  daß  dann  bei  Zu- 
grundelegung der  zweiten  Wohlordnung  auch  jedem  Symbol  (46) 
eine  Größe  von  G  entspricht. 

Wir  bemerken   zunächst,  daß  es  zu  jeder  Größe  g  eine 

Größe  g^  :=z—  gibt,  derart,  daß  ng'  =  g.  In  der  Tat,  hat  g  im 

ft 

ersten  System  das  Symbol  IiU^e^,  so  ist  g'  die  Größe,  deren 

Symbol  E— ^^^  ist.    Sodann  zeigen   wir,  daß  jedem  Symbol 

ä^^e^^  eine  Größe  entspricht.  Das  ist  sicher  richtig  für  ä-^^=i\ 
nach  der  Art  der  Einführung  unserer  Symbole.  Es  sei  dies  die 
Größe  ^0  und  im  ersten  System  von  Symbolen  sei: 

wo   offenbar  das  erste   e^    mit   von  Null  verschiedenem  a^ 
ebenfalls  ^,  ist.  Dann  entspricht  aber  auch,  sobald  ä^^  rational 


644  H.  Hahn, 

ist,  dem  obigen  Symbol  eine  Größe,  nämlich  diejenige,  welche 
im  ersten  System  das  Symbol 

hat.  Sei  endlich  ä^^  irrational.  Wir  betrachten  wieder  die  im 
ersten  System  durch  (47)  symbolisierte  Größe.  Sie  habe  im 
zweiten  System  das  Symbol: 

wo  offenbar  das  erste  e^^.  nichts  anderes  als  c^  der  Koeffizient  b^^ 
aber  —  wegen  Forderung  4  —  gleich  ö^  sein  muß.  Nach 
Forderung  3  aber  können  wir  g^,  g^^ ,gi  so  bestimmen,  daß: 


für  alle  übrigen  7 


wobei  m.,frf., yfi/,  ft  ganze  Zahlen  und  ö*,*^  der  Koeffizient 

von  ^  im  Symbol  des  zweiten  Systems  der  Größe  gt  bedeutet 

Die   Größe   ^igi-^nt^g^-^- -^n^igi    hat    dann   im   zweiten 

System  das  Symbol  11 J,^^,^;  der  i/teTeil  dieser  Größe  hat  daher 
das  Symbol  ä^^e^^  und  unsere  Behauptung  ist  erwiesen. 

Aus  der  Ausführbarkeit  der  Addition  folgt  dann  sofort,  daß 
auch  jedem  Symbol: 

wo  die  Zahl  der  Summanden  endlich  ist,  eine  Größe  entspricht. 
Sei  nun  das  Symbol  des  zweiten  Systems: 


Sü-A  (48> 


gegeben,  wo  wie^ier  7^  eine  absteigend  wohlgeordnete  Menge 
durchläuft.  Wir  nehmjcn  an,  es  sei  für  jedes  ?<a*  bewiesen, 

daß  dem  Svmbol: 

TK'-..  (49) 


wo  7„  also  nur  einen  Abschnitt  der  obigen  absteigend  wohl- 
geordneten Menge  durchläuft,  eine  Größe  zugehört  und  be- 
weisen, daß  dann  dasselbe  vom  Symbol: 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  645 


z 


-  'a    'a 

o  <  a* 

gilt.^ 

Wir  drücken  zunächst  die  dem  Symbol  (49)  entsprechende 
Größe  ^(?>  durch  ein  Symbol  des  ersten  Systems  aus.  Sei  a(P> 
der  Koeffizient  der  Einheit  e^  in  diesem  Symbol. 

Ist  dann  ß<p'<a*  und  g^^'^  die  dem  Symbol 


a  <ß' 


entsprechende  Größe,  so  ist  ^<P) — g^^'^  höchstens  von  der 
Klasse  e^^.  Stellen  wir  auch  g^^  durch  ein  Symbol  des  ersten 
Systems   mit  den  Koeffizienten  a^'^  dar,  so  ist  demnach  für 

Wir  bezeichnen  diesen  gemeinsamen  Wert  mit  a^,  so  daß 
die  Zahl  a^  für  jedes  t^To*  definiert  ist  und  diejenigen  7,  für 
welche  flj4^0  eine  absteigend  wohlgeordnete  Menge  bilden. 
Wir  setzen  noch  a^  =:  0  für  7  ^  Ya*.  Durch  diese  Werte  der  a^ 
ist  ein  Symbol  des  ersten  Systems  gegeben;  die  zugehörige 
Größe  nennen  wir  ^<**)  und  drücken  sie  durch  ein  Symbol  des 
zweiten  Systems  aus,  dessen  Koeffizienten  ä(**>  heißen  mögen. 

Aus  der  Definition  von  ^(«•^  folgt,  daß  die  Größe  ^(«*>— ^<?> 
höchstens  von  der  Klasse  e^^  ist,  somit  haben  wir  für  jedes  y> 
das  höheren  Rang  hat  als  irgend  ein  fp: 

Nach  Forderung  3  aber  lassen  sich  ^1,  Ä»*  •  •><?»  ^^  ^®" 
bestimmen,  daß: 


in  =  i  ^^T 
'        10 


je    nachdem   y   höheren   Rang   hat   als   irgend   ein   Tß(ß<0 
oder  T  niedrigeren  Rang  hat  als  sämtliche  T3(ß<a*). 


1  Wir  beschränken  uns  dabei  auf  den  Fall,  daß  a*  eine  Grenzzahl  ist, 
da  andernfalls  die  Behauptung  evident  ist. 


646  H.  Hahn, 

Das  im  zweiten  System  der  Größe  fn^^gi  +  fn^gi-^  •••  +^igi 
zugehörende  Symbol  ist  also: 


2 

a  <  a* 


•a     'a 


und  der  «te  Teil  dieser  Größe  ist  die  gewünschte. 

Hieraus  aber  folgt  nach  den  Eigenschaften  wohlgeordneter 
Mengen  unmittelbar,  daß  auch  dem  Symbol  (48)  eine  Größe 
zugehört. 

Ob  ein  System  nichtarchimedischer  Größen  vollständig 
oder  unvollständig  ist,  ist  also  von  der  zugrunde  gelegten  Wohl- 
ordnung dieses  Systems  unabhängig,  es  ist  eine  Eigenschaft 
des  Systems  selbst. 

Wir  erinnern  nun  daran,  daß  unter  einem  nichtarchimedi- 
schen Größensystem  ein  einfach  geordnetes  Größensystem 
verstanden  wurde,  zwischen  dessen  Größen  eine  sechs  Forde- 
rungen genügende  Verknüpfung,  die  Addition,  möglich  ist.  Auf 
Grund  dieser  Forderungen  ließ  sich  innerhalb  dieses  Systems 
der  Begriff  der  Größenklasse  definieren. 

Unter  allen  nichtarchimedischen  Größensystemen  lassen 
sich  dann  speziell  die  archimedischen  hervorheben  durch 
Hinzufügung  der  weiteren  Forderung: 

A.  Unser  Größensystem  soll  vom  Klassentypus  1 
sein,  welche  nur  eine  andere  Formulierung  des  sogenannten 
archimedischen  Axioms  ist. 

Um  nun  unter  diesen  Systemen  weiter  die  voUstän-digen 
hervorzuheben,  braucht  man  noch  eine  Forderung,  welche 
D.  Hubert  als  Vollständigkeitsaxiom  bezeichnet  und  der 
wir  hier  die  Form  geben: 

B.  Es  soll  nicht  möglich  sein,  durch  Hinzufügung 
neuer  Größen  zu  den  Größen  unseres  Systems  ein 
um  fassende  re  s  ein  fachgeordnetesSystem  zu  er  halten, 
in  dem  wieder  eine  unseren  sechs  Forderungen  ge- 
nügende Addition  möglich  ist,^  ohne  daß  dadurch 
neue  Größenklassen  entstehen. 


1  Dabei  ist  angenommen,  daß  die  Ordnung  des  erweiterten  Systems  für 
die  auch  im  ursprünglichen  System  enthaltenen  Grö£en  die  ursprüngliche  sei 
und  ebenso  die  Addition. 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  647 

Den  Größen  eines  auch  den  Forderungen  A)  und  B)  ge- 
nügenden Größensystems  lassen  sich  die  reellen  Zahlen  so 
zuordnen,  daß  gleichen  Größen  dieselbe  Zahl,  verschiedenen 
Größen  aber  verschiedene  Zahlen  entsprechen,  und  zwar  der 
kleineren  Größe  auch  die  kleinere  Zahl  und  so,  daß  die  der 
Summe  zweier  Größen  entsprechende  Zahl  die  Summe  der  den 
beiden  Größen  entsprechenden  Zahlen  ist.  Diese  Größensysteme 
sind  also  vom  Standpunkt  der  Arithmetik  aus  von  dem  System 
der  reellen  Zahlen  nur  unwesentlich  verschieden. 

Man  erkenntnun,wiediese  Verhältnisse  auf  die  allgemeinen 
nichtarchimedischen  Größensysteme  zu  übertragen  sind.  An 
Stelle  der  Forderung  Ä)  tritt  die  Forderung: 

A'.  Unser  Größensystem  soll  einen  gegebenen 
Kiassentypus  haben  und  um  aus  allen  Systemen  des 
gegebenen  Klassentypus  die  vollständigen  herauszuheben,  dient 
wieder  die  Forderung  J5). 

Indem  man  den  Größen  eines  solchen  Systems  nach  dem 
in  §  2  angegebenen  Verfahren  komplexe  Zahlen  zuordnet,  sieht 
man  wieder,  daß  alle  vollständigen  Größensysteme  von  gleichem 
Ordnungstypus  nur  unwesentlich  verschieden  sind,  insofern 
sie  sich  ja  arithmetisch  durch  dieselben  komplexen  Zahlen 
darstellen  lassen. 

Aus  diesen  Überlegungen  geht  hervor,  daß  die  allgemeinen 
nichtarchimedischen  Größensysteme  sich  im  Hinblick  auf  das 
Vollständigkeitsaxiom  durchaus  nicht  anders  verhalten  als  die 
archimedischen  Größensysteme. 

Es  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  man  nicht  an  Stelle 
von  JB)  die  Forderung  aufstellen  darf,  es  solle  unmöglich  sein, 
das  System  so  zu  erweitern,  daß  der  Klassentypus  erhalten 
bleibt  (für  den  Klassentypus  1  sind  diese  beiden  Forderungen 
identisch),  da  diese  letztere  Forderung  im  allgemeinen  nicht 
erfüllbar  wäre. 

§4. 

Von  nun  an  beschränken  wir  uns  auf  vollständige  nicht- 
archimedische Größensysteme  G,  deren  Klassentypus  noch 
obendrein  folgender  Bedingung  genügt:  Sei  F  eine  einfach 
geordnete  Menge,  deren  Ordnungstypus  der  Klassentypus  von 

Sitzb.  d.  mathem.'Daturw.  Kl. ;  CXVL  Bd.,  Abt.  IIa.  42 


648  H.  Hahn, 

G  ist,  und  seien  y  ihre  Elemente;  die  Einschränkung,  die  wir 
dem  Klassentypus  von  G  auferlegen,  ist  die,  daß  für  die 
Elemente  7  eine  unseren  sechs  Forderungen  genügende  Addi- 
tion^ definiert  sein  so!!. 

Unter  diesen  Voraussetzungen  werden  wir  be- 
weisen, daß  sich  für  die  Größen  von  G  eine  Multi- 
plikation definieren  läßt,  der  folgende  Eigenschaften 
zukommen. 

1.  Sie  gestattet,  aus  zwei  Größen  des  Systems  g^  und  g^ 
in  eindeutiger  Weise  eine  dritte,  g^^g^,  herzuleiten. 

2.  Wenn  g^-g[  und  ^  =4»  so  ist  g^.g^=glgl 

3.  Sie  ist  assoziativ:  {g^g^)g^  =<?iCää)- 

4.  Sie  ist  kommutativ:  ^1-^2  —  Ä-Ä- 

5.  Sie  ist  in  Verbindung  mit  der  Addition  distributiv: 

(^i  +  ä)Ä=<?iÄ+ÄÄ  und  ^i(ä+ä)=Ää+ÄÄ- 

6.  Ihre  Umkehrung,  die  Division,  ist  eindeutig  ausführbar 
außer  durch  die  Null  (die  gegenüber  der  Addition  indifferente 
Größe),  d.  h.  wenn  g^  und  g^  beliebige  Größen  des  Systems 
sind,  und  g^  ^0,  dann  gibt  es  stets  eine  Größe  g^,  derart,  daß 
g^.g^  =  g^  und  für  jede  andere  Größe  g^^  für  die  ebenfalls 
gl  •  <?2  =  Ä  ist,  gilt  g'^  =  g^. 

7.  Aus  g^>g[  und  g^>0  folgt:  g,g^>g[g^. 

Wir  denken  uns  den  Größen  unseres  Systems  nach  der 
in  §  2  durchgeführten  Art  komplexe  Zahlen  zugeordnet;  dann 
genügt  es  offenbar,  nachzuweisen,  daß  es  im  System  dieser 
komplexen  Zahlen  eine  unseren  Forderungen  genügende  Multi- 
plikation gibt. 

Zunächst  definieren  wir,  was  unter  dem  Produkt  zweier 
Zahlen  der  Form  a^^e^^  und  a\>e^  verstanden  werden  soll.  Wir 
setzen  fest: 

wo  auch  die  rechts  stehende  Zahl  unserem  System  angehört, 
da  nach  Voraussetzung  die  Summe  zweier  Elemente  von  V 
wieder  ein  Element  von  F  liefert. 


^  Dabei  ist  in  diesen  Forderungen  das  Zeichen  >  durch  ^  zu  ersetzen. 


Nichtarchimedische  Gröfiensysteme.  649 


Seien  rma  allgemein : 


A  =:  ItO^  e^      und     -4'  zu  S  a'^  e^'  (50) 


'a    'a  'a    'a 


zwei  komplexe  Zahlen  unseres  Systems,  wo  also  die  Summa- 
tion  sich  über  absteigend  wohlgeordnete  Mengen  erstreckt. 

Wir  bilden  allgemein  die  Einheiten  ^  ^^'  ^,  wo  f^  sowohl 
als  7^,  jedes  für  sich  die  entsprechende  absteigend  wohl- 
geordnete Menge  durchlaufe.  Wh"  behaupten:  Die  so  ent- 
stehende Menge  von  Einheiten  ist  selbst  absteigend  wohl- 
geordnet. 

In  der  Tat,  wäre  sie  es  nicht,  so  enthielte  die  Menge  der 
To+T^'  ®^^®  Teilmenge  ohne  höchstes  Element  und  es  ließen 
sich  daher  unendlich  viele  Paare  Ya    und  ^'af    finden,  so  daß: 

Da  nun  die  Ya  einer  absteigend  wohlgeordneten  Menge 
entnommen  sind,  so  gibt  es  unter  ihnen  eines  von  höchstem 
Range,  etwa  x«  .  Unter  allen  Ya  («  >  »i)  gibt  es  wieder  eines 
von  höchstem  Range,  es  heiße  Yo,,  u.  s.  w.  Wir  haben  dann: 

neben: 

Ta„j  fc  Ta„j,  fc  •  •  •  fc  To«^  fc  •  •  •  > 

woraus  folgen  würde : 

'^«  "^  "^«K  "3  •  •  •  ^  T^«;  -^  . . . , 


was  unmöglich  ist,  da  auch  die  y«*     einer  absteigend  wohl- 

geordneten  Menge  angehören  und  es  daher  unter  ihnen  ein 
höchstes  geben  muß.  Unsere  Behauptung  ist  somit  erwiesen. 
Wir  behaupten  weiter:  In  den  beiden  absteigend  wohl- 
geordneten Mengen  der  Zahlen  (50)  kann  es  nur  eine  endliche 
Anzahl  von  Paaren  Ya  und  y^'  geben,  derart,  daß  Ya-^^Tfi'  ^'^ 

42* 


650  H.  Hahn, 

vorgegebenes  Element  y  von  F  ergibt.  In  der  Tat,  gäbe  es 
unendlich  viele  solche  Paare  Ya  ,  7^'  derart,  daß: 

so   können  wir,  da  die   ■/«    einer  absteigend  wohlgeordneten 
Menge  angehören,  immer  annehmen,  es  sei: 

To,  C"  T««j  t~  » • .  t   Y«^  c~  •  •  •  > 

woraus  sofort  wieder  folgen  würde: 

Tri;  "5  T*:  "3  •  •  •  "^  7o'  "^  . . . , 

was  unmöglich  ist. 

Wir  können  nun  definieren,  was  wir  unter  dem  Produkt 
AA'^i  B  der  beiden  Zahlen  (50)  A  und  A'  verstehen  wollen.  Um 
den  Koeffizienten  zu  bestimmen,  den  die  beliebige  Einheit  tf^ 
in  B  hat,  gehe  man  so  vor:  .Man  stelle  7  auf  alle  möglichen 
Weisen  als  Summe  Ya+Ta'  ^^r,  wo  sowohl  y«  als  yJi»  der  ent- 
sprechenden absteigend  wohlgeordneten  Menge  (50)  angehören. 
Es  ist  dies  nur  auf  eine  endliche  Anzahl  Arten  möglich,  etwa: 


Der  Koeffizient  b^  von  e^  in  B  sei  dann: 

beziehungsweise  sei  K=:0,  wenn  eine  Darstellung  y  =  Ya+Y^' 
überhaupt  unmöglich  ist. 

Die  Einheiten  ^«^,  deren  Koeffizient  b-^  von  Null  verschieden 
ausfällt,  bilden  dann,  wie  oben  gezeigt,  eine  absteigend  wohl- 
geordnete Menge,  so  daß  durch  diese  Vorschrift  das  Produkt  B 
von  A  und  A'  wirklich  als  Zahl  unseres  Systems  definiert  ist. 

Man  erkennt  zunächst,  daß  diese  Multiplikation  assoziativ 
ist.  Seien  in  der  Tat  A,  ß,  C  drei  Zahlen  unseres  Systems: 


A  z=z  ^a^e^  B  z=  I^b^'  e^' 


C=  ^c^i^^. 


Nichtarchimedische  GrÖfiensysteme.  651 

dann  erhält  man  zur  Bildung  von  {AB)C  sowohl  als  von  A{BC) 
die  Vorschrift:  Man  stelle  f  auf  alle  möglichen  Weisen  dar 
als  Summe  Ta-f-T^+T?,  etwa: 

und  nehme  als  Koeffizienten  von  e^  den  Ausdruck: 


'»    '''• 


beziehungsweise  die  Null,  wenn  keine  Darstellung  von  y  in  der 
Form  Ta+Tß+T«'  niöglich  ist. 

Daß  unsere  Multiplikation  kommutativ  und  in  Verbindung 
mit  der  Addition  distributiv  ist,  ist  ohneweiters  klar.  Eigen- 
schaft 7)  (p.  648)  weist  man  in  folgender  Weise  nach: 

Sei  A>A'  und  B>0.  Sind  dann  e^^  e^'^  e^"  die  höchsten 
Einheiten  mit  von  Null  verschiedenem  Koeffizienten  in  A,  A',  B, 

so  ist  b^n>0  und  entweder  To  £"To  ^^^^  ^^  Falle  To^^To  wenig- 
stens a^^>a{'.  Die  höchsten  Einheiten  mit  von  Null  verschie- 
denem Koeffizienten  in  den  Produkten  AB  und  A'B  sind  dann 
e^^^Y'  ^^^  ^+f">  i^^®  Koeffizienten  off'enbar  a^^  b-f^*  und  a!f  b^^ 

und  es  ist  entweder  e^^^'  f-  ^+v'  oder  im  Falle  ^,+f'  "=■  ^'-f-y 
wenigstens  a^Jj^^^  a'-^b^*,  so  daß  die  Behauptung  bewiesen  ist. 

Es  ist  nun  noch  zu  zeigen,  daß  auch  die  Forderung  6 
erfüllt  und  somit  die  Division  (außer  durch  Null)  allgemein 
ausführbar  ist. 

Seien  also: 

zwei  Zahlen  unseres  Systems  (die  Summation  erstreckt  sich 
beide  Male  über  eine  absteigend  wohlgeordnete  Menge).  Gesucht 
wird  eine  Zahl  B,  derart,  daß  C  =  AB  ist. 
Wir  setzen : 

und  bilden: 


^7. 


^1  —  C'-B^A  _  c"^^^^  V^^4''  \^''^ ' ' '  "^^^'^  V 


652  H.  Haha, 

ist  dann  Q  =  0,  so  ist  B^  die  gesuchte  Zahl  B,  Ist  hingegen 
Q  4i0>  so  können  wir  immer  annehmen,  es  sei  r^)=^0.  Jeden- 
falls ist  dann  Q  von  niedrigerer  Klasse  als  C  (fj^^  -3  y©)-  Wir 
setzen: 

und  bilden: 

Cg  =  C     Sgil  =  c^y) ^^)+^7ö)  ^fii}'^  •  •  •  "^^7{»^Ty "*"  •  ' ' 

Ist  dann  C^  =  0,  so  ist  B^  die  gesuchte  Größe.  Ist  C^  =^0, 
kann  man  annehmen:  c%d^O  und  hat  To^^-ifi^^  Wir  setzen 
dann: 

Sg  =:  5jj  +  — -  c^2)_^,  =  —  ^-^•+  -r-  ^ii^-T.+  "T"  ^i«-T- 

**Tf«  '^T«  "!•  "l%       ^ 

Entweder  kommt  man  auf  diesem  Wege  für  irgend  einen 
endlichen  Index  n  zu  einer  Zahl: 

so  daß: 

Cn  =  C—BnA  =  0 

wird,  und  dann  ist  Bn  die  gesuchte  Zahl  B  oder  C — 5« -4  ist  für 
alle  endlichen  Indices  n  von  Null  verschieden.  Im  letzteren 
Falle  können  wir  die  Zahl  5«  bilden: 

WO  die  Summation  sich  über  alle  endlichen  Indices  n  erstreckt 

und  Yo't-T;'^&-...E-Tr&---- 
Wir  bilden  weiter: 


Nichtarchimedische  Gröflensysteme.  653 

Ist  Cm  =:  0,  SO  ist  B^  die  gesuchte  Zahl  B.  Ist  hingegen 
CwH^O,  so  kann  man  wieder  annehmen  c%=^0  und  es  läßt 

sich  beweisen,  daß  yJ">  -3  t^^  für  jedes  endliche  n,  und  der 
Prozeß  läßt  sich  dann  wieder  um  einen  Schritt  weiterführen. 

Wir  gehen  gleich  allgemein  vor.  Sei  ic  irgend  eine  trans- 
finite  Ordinalzahl  und: 

wo  die  Summation  sich  über  alle  Ordinalzahlen  <  it  erstreckt, 
und: 

^■yj  ?"  ^1)  £"...?"  c^)  f-  . . . 

Ist  f  eine  Ordinalzahl  <ic,  so  werde  unter  Bp  diejenige 
Zahl  verstanden,  die  nwin  erhält,  wenn  in  (51)  die  Summation 
nur  über  alle  Ordinalzahlen  <  p  erstreckt  wird,  und  es  sei  für 
alle  p<ic: 

C,  =  C—B,A  =  c^J,  ^g»+^;<p)  ^ifW- . .  -  +  ^Ji)^w-h  . . . , 

wo  c^iyd^O  und  die  Summation  sich   über   eine   absteigend 
wohlgeordnete  Menge  erstreckt. 
Wir  bilden: 

Ist  dann  (^  =:  0,  so  ist  if«  die  gesuchte  Zahl  B.  Ist  hin- 
gegen de  4=0,  so  können  wir  annehmen  c^(«)4=0  und  beweiS'Oi, 

daß  für  jede  Ordinalzahl  p<ic: 
Setzen  wir  in  der  Tat: 

Brt  •=•  J5p+5J, 

so  haben  wir: 


654  H.Hahn, 


Femer  haben  wir: 


C,  =  C—(B,+B;)A  =  C,—BIA 

und  da  das  Glied  höchsten  Ranges  in  Cp  und  B^A  überein- 
stimmend ^Tp)^t<p)  ist,  so  ist  gewiß  die  Klasse  e^  von  C«  von 
geringerem  Range  als  die  Klasse  e^m  von  Cp,  wie  behauptet. 

Wir  sehen  also:  Sind  die  Zahlen  J5p  gegeben  und  wird  5, 
gebildet  nach  (51),  so  ist  die  Differenz  C — B^A  gewiß  von 
niedrigerer  Klasse  als  alle  Differenzen  C — B^A,  wo  p<ic. 

Ist  nun  C — BicA  ==  0,  so  ist  Ä  die  gesuchte  Zahl  B,  ist 
hingegen  C — B^^Az^O,  so  kann  der  Prozeß  fortgesetzt  werden. 
Er  gestattet  Zahlen  B^  zu  berechnen,  deren  Indices  immer 
höhere  Ordinalzahlen  sind  und  wird  nur  aufgehalten,  wenn 
für  eine  Ordinalzahl  tCq  die  Differenz  C — B^c^A  Null  wird,  dann 
aber  ist  5«^  die  gesuchte  Zahl  Ä  Und  dieser  letztere  Fall  muß 
einmal  eintreten,  jedenfalls  bevor  die  Ordinalzahl  ic  die  Anfangs- 
zahl der  Zahlklasse  Z(fctv)  erreicht,  wenn  Nv  die  auf  die  Mäch- 
tigkeit von  r  unmittelbar  folgende  Mächtigkeit  bedeutet;  denn 
ist  eu)  die  Klasse  von  C — Bj^A,  so  hätte  sonst  die  absteigend 

wohlgeordnete  Menge,  die  von  den  7§^)  gebildet  wird,  höhere 
Mächtigkeit  als  die  Menge  F,  was  unsinnig  ist. 

Es  ist  also  in  der  Tat  möglich,  eine  Zahl  B  zu  bestimmen, 
derart,  daß  A.B^z  C  ist,  und  es  bleibt  nur  noch  zu  zeigen, 
daß  es  nur  eine  solche  Zahl  geben  kann. 

Um  das  zu  zeigen,  beachte  man,  daß  offenbar  bei  unserer 
Multiplikation  ein  Produkt  nur  verschwinden  kann,  wenn  ein 
Faktor  verschwindet,  so  daß,  wenn  C  =:  0  ist,  auch  B  =:0 
sein  muß.  In  der  Tat,  ist  Az^O,  Bz^O,  a^^e^  das  höchste  Glied 
von  -4,  fc^o^i  das  höchste  Glied  von  B  mit  nicht  verschwin- 
dendem Koeffizienten,  so  kommt  in  C  das  Glied  o^^fc^J^^^+^J,  vor 
und  es  ist  daher  auch  Cz^O,  Ist  daher  AB  z=  C  und  AB'=i  C, 
so  ist  A{B — B')z=:0  und  wegen  der  Voraussetzung  -44=0 
muß  B:=B'  sein. 

Für  die  von  uns  definierte  Multiplikation  gelten  also  alle 
sieben  auf  p.  648  gestellten  Forderungen. 

Da  innerhalb  der  Menge  F  eine  den  sechs  Forderungen 
von  p.  606  genügende  Addition  bestehen  soll,  so  gibt  es  in  F 


Nichtarchimedische  Größensysteme.  6o5 

ein  Element  7^,  das  gegenüber  dieser  Addition  indifferent  ist. 
Man  sieht  sofort,  daß  dann  die  Zahl  \.e^^  gegenüber  unserer 
Multiplikation  indifferent  ist. 

Man  kann  nun  die  reellen  Zahlen  in  unser  System  kom- 
plexer Zahlen  einordnen,  indem  man  festsetzt,  die  reelle  Zahl  a 
soll  gleich  heißen  unserer  komplexen  Zahl  a,e^^.  Jede  positive 
Zahl  unseres  Systems,  deren  Klasse  von  höherem  Range  als  e^^ 
ist,  ist  dann  größer  als  jedes  Vielfache  na;  man  kann  sie  daher 
als  aktual-unendlich  groß  bezeichnen.  Jedes  Vielfache 
einer  positiven  Zahl,  deren  Klasse  von  geringerem  Range  als  e^^ 
ist,  ist  hingegen  kleiner  als  jede  positive  reelle  Zahl;  eine  solche 
Zahl  kann  daher  als  aktual  unendlich  klein  bezeichnet 
werden. 


Sitzb.  d.  mainem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  43 


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,(7061)811  .bH  ,.idA  .AlI,.bA}IA  i9n9iWi9b  .198  .sii2  ,.0  nnAoiuAl 

,800-986  .q 

.nlM^n  JdA 


Zeemaneifekt,  Theorie  des  — . 

iaU4*«nn  C,  Site.  ßer.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt.,  Bd.  1  IG  (1907), 
p.  389—508. 


Winneletiu«^  Patftier'-  und  Tliofnaonelfekt,  Zur  Theorie  decseiben. 

Jaumann  G.,  SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd  116  (1907), 
p.  389—508. 


Girtler  R.,  Über  das  Potential  der  Spannungskräfte  in  elastischen  Körpern  als 
Maß  der  Bruchgefabr. 

Site.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  509—555. 


Bruchgefahfy  Das  Potential  der  Sponnungskräfte  in  elastischen  Körpern  als 
Maß  derselben. 

Girtler  R.,  Site.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  509—555. 


Potential,  Über  das  —  der  Spahnungskräftc  m  elastischen  Körpern  als  Maß 
der  Bruchgefahr. 

Girtler  R.,  Sitz.  Ber,  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  509—555. 


Spannungskräfte,  Das  Potential  der  —  in  elastischen  Körpern  als  Maß  der 
Brachgefahr. 

Girtler  R.,  Sits.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  HB  (1907), 
p.  509^555. 


Przibram  K.,  Büschel-  und  osaillierenda  SpiUeneolUduog  in  Heliumi  Argon 
und  anderen  Gasen. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907).  p.  557—570. 


Entladung,    Büschel-    und    oszillierende    Spitzen-    — ,    in    Fielium,  Argon  und 
anderen  Gasen. 

Pcf^ibra»  K„  Sits.  ßer.der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  557--i570.  ■ 


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SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DE  WISSENSCHAFTER 


MATHEHATISCH-NATORWISSENSCHAFTUCHE  KLASSE. 


CXVI.  BAND.  IV.  HEFT. 


ABTEILUNG  U  a. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


-«*>- 


44 


657 


Der  Peltiereffekt  Eisen-Konstantan  zwischen 

0  und  560'  C. 

von 

Dr.  Paul  Cermak. 

(Mit  2  Textfiguren.) 

Aus  dem  physikalischen  Institut  der  k.  k.  deutschen  Universit&t  in  Prag. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  21.  MIrz  1907.) 

Der  Peltiereffekt  Eisen-Konstantan  wurde  mit  Hilfe 
des  von  Professor  L e  c  h  e  r  ^  angegebenen  thermoelektrischen 
Kalorimeters  zwischen  0  und  560*  C.  gemessen. 

Figur  1  gibt  ein  in  der  Vertikalrichtung  verkürztes  Bild 
des  für  die  nachfolgenden  Untersuchungen  benützten  Kalori- 
meters im  elektrischen  Ofen  mit  den  in  sein  Inneres  reichenden 
Drahtkombinationen. 

Das  Kalorimeter  bestand  aus  zehn  hintereinander 
geschalteten  Thermoelementchen,  die  in  einem  Kreise  von 
1-2  cm  Durchmesser  angeordnet  waren.  (In  der  Figur,  die  einen 
Durchschnitt  darstellt,  sind  nur  zwei  davon:  T^N^^  und  T^N^ 
gezeichnet)  Die  unteren  zehn  Lötstellen  (J)  tauchten  in 
ein  kleines  Bad  von  Petroleum  (B),  die  oberen  zehn  (N)  befanden 
sich  außerhalb  der  Badflüssigkeit  in  ebenfalls  kreisförmiger 
Anordnung.  Die  Therihoelementchen  waren  aus  0'5mm  dickem 
Eisen-  beziehungsweise  Konstantandrahte  von  je  12  cm  Länge 
hergestellt  und  mit  hartem  Silberlote  verlötet.  Kupferne 
Leitungsdrähte  führten  vom  Kalorimeter  zu  einem  Edel- 
mann'schen  Drehspulengalvanometer  hoher  Empfindlichkeit 
mit  objektiver  Ablesung.  Die  Thermoelementchen  waren  von- 
einander gut  isoliert,  mit  einem  aus  Wasserglas  und  Mennige 


1  E.  Lecher,  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  p.  1506  (1906). 

44* 


658 


P.  Cermak, 


Fig.  1. 


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hergestellten  Kitte 
auf  ein  Glasrohr 
gekittet  und  nach 
außen  sowohl  wie 
nach  innen  durch 
weitere  Glasröhren 
geschützt  (Nicht  ge- 
zeichnet.) 

Bei  Anwendung 
höherer  Tempera- 
turen wurde  als  Ka- 
lorimeterflüssigkeit 
(B)  zunächst  Reten, 
bei  den  höchsten  zur 
Beobachtung  be- 
nutzten Tempera- 
turen Chrysen  ver- 
wendet. Die  Flüssig- 
keitsmenge war  so 
gewählt  worden,  daß 
die  unteren  Enden  T 
der  Thermoelement- 
chen etwaSfwm  ein- 
tauchten. 

In  das  Innere  des 
Kalorimeters  ragten 
die  zur  Bestimmung 
des  Peltiereflfektes 
dienenden  Draht- 
kombinationen. (Sie 
sind  in  der  Figur 
stark  gezeichnet.) 
Ein  Eisendraht  war 
mit  einem  Konstan- 
tandrahte  hart  ver- 
lötet; beide  hatten 
einen  Durchmesser 
von  2mm (Fe^;  Kon.) 


Peltiereffekt  Eisen-Konstantan.  659 

An  diese  Drähte  sind  weit  außerhalb  des  Kalorimeters  (in  etwa 
80  cm  Entfernung)  Kupferdrähte  angelötet^  die  zu  einer 
Akkumulatorenbatterie  (4  Volt)  führen.  In  derselben  Leitung 
befinden  sich  noch  ein  Amperemeter,  Widerstände  und  ein 
Stromwender. 

Um  das  Kalorimeter  für  jede  Messung  eichen  zu  können, 
wurde  der  Jouleeffekt  in  einem  dünnen  Drähtchen  bei  bekannter 
Stromstärke  gemessen.  Zu  diesem  Zwecke  war  an  den  ins 
Innere  des  Kalorimeters  führenden  Eisendraht  Fe^  ein  dünnes 
Konstantandrähtchen   (JJ   (0*06  mm  Durchmesser  und   zirka 

1  cm  Länge)  hart  angelötet,  dessen   zweites  Ende  mit  einem 

2  mm  dicken  Eisendrahte  (Fe^)  verbunden  war.  Das  Drähtchen 
befand  sich  ganz  in  der  Kalorimeterflüssigkeit  Eine  einfache 
Schaltvorrichtung  gestattete,  mit  ein  und  demselben  Ampere- 
meter die  Stromstärke  bei  Bestimmung  des  Peltiereffektes  und 
der  Joule'schen  Wärme  zu  messen.  Ferner  ermöglichten  eine 
Zweigleitung  zum  Galvanometer  und  ein  in  den  Stromkreis 
geschalteter  Normalwiderstand,  den  Widerstand  des  Konstantan- 
drähtchens  bei  jedem  Versuche  zu  bestimmen. 

Das  ganze  Kalorimeter  mit  den  hineinragenden  Draht- 
kombinationen befand  sich  in  einem  40  cm  langen  eprouvetten- 
artigen Glasgefaße  (in  der  Figur  E)  von  2  cm  lichter  Weite, 
an  das  ein  kleiner  Rückflußkühler  angesetzt  war.  (In  der  Figur 
nur  teilweise  gezeichnet.)  Dieses  Glasgefaß  wurde  in  einen 
vertikal  gestellten  elektrischen  Ofen  gebracht,  dessen  Länge 
(65  cm)  so  gewählt  war,  daß  das  Kalorimeter  sich  ungefähr  in 
der  Mitte  des  Ofens  befand.  (In  der  Figur  verkürzt.) 

F.  Meißner^  hat  gezeigt,  wie  überraschend  schnell  in 
den  Öfen  gewöhnlicher  Konstruktion  die  Temperatur  von  der 
Mitte  gegen  die  Enden  abnimmt,  wenn  dieselben  von  dickeren 
Drähten  durchsetzt  werden.  Um  diese  Fehlerquelle  wenigstens 
abzuschwächen,  wurde  statt  des  üblichen  Porzellanrohres  beim 
Baue  des  Ofens  ein  Messingrohr  verwendet,  in  der  Annahme, 
daß  das  gut  wärmeleitende  Messing  die  Temperatur  im  Ofen 


1  F.  Meißner,   Diese  Sitzungsberichte,  Bd.   CXV,  Abt.  IIa,  p.  847 ff. 
(1906). 


660  P-  Ccrmak, 

besser  ausgleichen  werde  und  auf  diese  Weise  die  12  cm  von- 
einander entfernten  Enden  der  Thermosäule  (7 und  N)  möglichst 
gleiche  Temperatur  haben  würden.  Auf  das  Messingrohr  wurde 
nach  entsprechender  Isolation  mit  Asbestpappe  als  Heizdraht  ein 
Nickeldraht  von  0*5  mm  Dicke  aufgewickelt,  und  zwar  bifilar, 
um  magnetische  Wirkungen  zu  vermeiden.  Diese  Wickelung 
wurde  nach  außen  durch  Asbest-  und  Luftschichten  gegen 
Wärmeabgabe  geschützt  und  schließlich  wurde  der  ganze  Ofen 
mit  einer  dicken  Wattehülle  umgeben. 

An  dem  oben  erwähnten  Thermoelement  Eisen-Konstantan 
(Fe^—Kon),  durch  welches  der  Peltiereffekt  gemessen  werden 
sollte,  war  noch  eine  Zweigleitung  zum  Galvanometer  ange- 
bracht. Außerdem  war  ein  zweites  aus  genau  denselben  Drähten 
bestehendes  Thermoelement,  das  ebenfalls  zum  Galvanometer 
geschaltet  werden  konnte,  in  einem  zweiten  elektrischen  Ver- 
gleichsofen eingebettet,  der  ein  bis  550**  C.  geeichtes  Queck- 
silberthermometer enthielt.  Mit  diesen  beiden  Anordnungen 
konnte  leicht  die  Temperatur  im  Kalorimeter  gemessen  werden. 
Den  Ausgleich  der  Temperatur  in  der  Kalorimeterflüssigkeit 
bewirkte  eine  magnetische  Rührvorrichtung  nach  Art  der  im 
Beckmann'schen  Gefrierapparate  verwendeten.  (In  der  Figur 
nicht  gezeichnet.) 

Beobaehtungsweise. 

Vor  dem  Beginne  des  jeweiligen  Versuches  galt  es,  die 
Temperatur  des  Kalorimeters  im  Ofen  zu  bestimmen.  Nachdem 
die  Nullage  des  Galvanometers  festgestellt  war,  wurde  das 
Konstantan-Eisenelement  des  Hilfsofens  in  den  Galvanometer- 
kreis geschaltet.  Das  Galvanometer  mußte  durch  Vorschalt- 
widerstände  unempfindlich  gemacht  werden.  Der  Ausschlag 
wurde  angemerkt  und  dazu  die  Temperatur  erstens  des  Thermo- 
meters im  Hilfsofen,  zweitens  des  Thermometers  an  der 
zweiten  Lötstelle  (Eisen-,  beziehungsweise  Konstantan-Kupfer) 
abgelesen.  Dann  wurde  das  Thermoelement  des  Versuchsofens 
in  den  Galvanometerkreis  geschaltet.  Durch  Proportional- 
setzung der  erhaltenen  Ausschläge  konnte  die  Temperatur  des 
Kalorimeters  berechnet  werden. 


Peltiereffekt  Eisen-KonsUntan.  66 1 

War  dies  geschehen,  so  wurde  der  Widerstand  des  dünnen 
Konstantandrähtchens  bestimmt,  mit  dem  die  Joule'sche  Wärme 
gemessen  werden  sollte.  Auch  dies  geschah  galvanometrisch 
durch  Proportionalsetzung  jener  Ausschläge,  die  erhalten 
wurden,  wenn  ein  und  derselbe  Strom  geringer  Stärke  einmal 
durch  das  dünne  Drähtchen,  das  andere  Mal  durch  einen 
Normalwiderstand  von  1  Ohm  floß. 

Das  hier  mit  30.000  Ohm  belastete  Galvanometer  diente 
dann  als  Voltmeter.  Für  die  folgenden  Messungen  wurden  diese 
30.000  Ohm  durch  Abbiendung  ausgeschaltet 

Nach  Beendigung  dieser  Vorbestimmungen  wurden  die 
zehn  Thermoelementchen  des  Kalorimeters  dauernd  mit  dem 
Galvanometer  verbunden.  Da  die  oberen  und  unteren  Enden 
der  Thermosäule  (F  und  N)  trotz  aller  Sorgfalt  nie  genau  die 
gleiche  Temperatur  hatten,  mußte  eine  Vorrichtung  getroffen 
werden,  um  den  Lichtfleck  des  Galvanometers  immer  im 
mittleren  Skalenbereiche  zu  halten.  Zu  diesem  Zwecke  wurde 
ein  Widerstand  von  etwa  0'  1  Ohm  in  die  Galvanometerleitung 
geschaltet  und  an  die  Enden  dieses  Widerstandes  wurde  ein 
Hülfsstromkreis  (Beutelelement  mit  vorgeschaltenen  zirka 
1000  Ohm  Widerstand)  angebracht.  Durch  Änderung  dieses 
Widerstandes  gelingt  es  leicht,  den  Galvanometerausschlag  auf 
eine  beliebige  Stelle  der  Skala  zu  bringen. 

Nun  wurde  zunächst,  um  das  Kalorimeter  zu  eichen,  der 
Jouleeffekt  während  sechs  halber  Minuten  bestimmt.  Ein 
Strom,  dessen  Stärke  so  gewählt  war,  daß  die  zu  stände 
kommende  Erwärmung  der  Erwärmung,  beziehungsweise  Ab- 
kühlung beim  später  zu  messenden  Peltiereffekte  ungefähr 
gleichkam,  wurde  durch  das  System  Eisendraht-Konstantan- 
drähtchen-Eisendraht  {Fe^-J-Fe^  geschickt.  Vor  dem  Versuche 
und  nach  dem  Versuche  wurde  der  Gang  des  Galvanometer- 
ausschlages eine  Zeit  lang  beobachtet  und  aus  diesen  Beob- 
achtungen wurden  die  Ausschläge  des  Hauptversuches  korri- 
giert. Die  Art  der  Messung  war  dieselbe,  wie  sie  Prof.  Lech  er  ^ 
angibt.  Während  der  Vorperiode,  des  Hauptversuches  und  der 
Nachperiode  wurde  der  Stand  des  Galvanometerausschlages 


1  E.  Lecher,  1.  c,  p.  1512. 


662  P.  Cermak, 

alle  halben  Minuten  nach  dem  Schlage  einer  genauen  Pendeluhr 
abgelesen  und  verzeichnet.  Die  Nachperiode  setzte  nicht 
sofort  nach  dem  Ausschalten  des  Stromes  ein,  doch  nahm  diese 
Verzögerung  bei  höheren  Temperaturen  ab. 

Sodann  wurde  der  Peltiereffekt  gemessen.  Der  Gang 
des  Galvanometers  wurde  zunächst  wieder  vier  halbe  Minuten 
(Vorperiode)  beobachtet,  dann  ein  bestimmter  Strom  sechs 
halbe  Minuten  durch  das  System  Eisen-Konstantan  (Fe^-Kon) 
geschickt.  Nach  Abwarten  der  Nachperiode  und  einer  neuer- 
lichen Vorperiode  wurde  die  Beobachtung  mit  umgekehrter 
Stromrichtung  wiederholt  Da  die  beiden  Ausschläge  nach  ent- 
gegengesetzter Richtung  erfolgten^  erhielt  man  durch  Addition 
ihrer  korrigierten  absoluten  Beträge  und  durch  Division  mit 
zwei  den  Ausschlag,  der  dem  Peltiereffekt  der  jeweiligen  Strom- 
stärke während  sechs  halber  Minuten  entsprach. 

Die  Auswertung  geschah  in  folgender  Weise:  Man  rechnet 
nach  der  bekannten  Formel 

0-239, i^.w.t 

den  Wert  des  Jouleefifektes  für  3  Minuten  in  Grammkalorien  aus. 
Entspricht  diesem  Werte  A  ein  Ausschlag  von  a  cnty  so  ent- 
sprechen den  bcm  Ausschlag  die  bei  der  Bestimmung  des 
Peltiereffektes  während  3  Minuten  gefunden  wurden 

Ab 
B  = Grammkalorien. 

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Dividiert  man  noch  B  durch  den  Betrag  der  Stromstärke 
(in  Ampere)  und  die  Sekundenzahl  der  Beobachtungszeit,  so 
erhält  man  den  Peltiereffekt  in  Grammkolarien  pro  Coulomb. 

War  nun  der  Peltiereffekt  gemessen,  so  wurde  noch  eine 
zweite  Bestimmung  des  Jouleetfektes  zur  Kontrolle  vor- 
genommen und  am  Schlüsse  des  Versuches  zum  zweiten  Male 
die  Temperatur  im  Kalorimeter  bestimmt. 

Zur  Verdeutlichung  der  Beobachtungsweise  sei  mir  ge- 
stattet, den  Verlauf  eines  Versuches  mittlerer  Güte  als  Beispiel 
hier  vollständig  anzuführen. 

Die  Temperaturbestimmungen  des  Versuches  ergaben 
160**  C;  die  Widerstandsbestimmung  für  w  \'77  Ohm. 


Peltiereffekt  Eisen-Konstantan. 


663 


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665 


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666 


P.  Cermak, 


EFgebnisse. 

Die  ersten  Versuche  wurden  bei  Zimmertemperatur  aus- 
geführt. Sie  ergaben,  wie  aus  den  nachfolgenden  Tabellen 
ersichtlich  ist,  den  Wert  3 '6. 10~^  Grammkalorien  pro  Sekunde. 
Dieser  Wert  steht  in  guter  Übereinstimmung  mit  dem  von 
Prof.  Lecher^  gefundenen  3*4.10~^ 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  Ergebnisse  bei  0*  C, 
20^  130%  240%  320**  und  560^  C.  verzeichnet.  Als  Kalorimeter- 
flüssigkeit diente  bei  0%  20%  130^  Petroleum,  bei  240^  Reten, 
bei  320"*  und  560°  C.  Chrysen.  Bei  0"*  C.  befand  sich  das  ganze 
Glasgefaß,  welches  das  Kalorimeter  enthielt,  in  schmelzendem 
Schnee,  bei  den  übrigen  Temperaturen  im  elektrischen  Ofen. 
Bei  0°  C.  und  bei  Zimmertemperatur  wurden  je  10  Beob- 
achtungen gemacht,  aus  denen  das  Mittel  genommen  wurde, 
bei  den  höheren  Temperaturen  mußten  meist  mehr  Beob- 
achtungen erfolgen,  unter  denen  nur  jene  zehn  ausgewählt 
wurden,  die  um  nicht  mehr  als  ±  5**  C  von  der  angegebenen 
Durchschnittstemperatur  abwichen. 


Temperatur 

0*C. 

20«  C. 

130«  C. 

240«  C. 

320«  C. 

560«  C. 

1 

1 

2" 

•95 

3-71 

4-11 

6-08 

7-11 

U-9 

3 

•06 

3-63 

4-65 

5-97 

8-40 

13-1 

Einzelne 
Werte 

2- 
3' 

"98 
04 

3-70 
3-64 

4-63 
5-24 

6-16 
6-84 

7-91 
9-02 

12-2 
11-7 

in  Gramm- 

3' 

•06 

3-40 

4-47 

6-21 

8-70 

12-4 

kalorien 

3- 

11 

3-65 

4-39 

6-52 

7-76 

11-6 

1 

10-3 

2- 

99 

3-74 

4-33 

6-29 

7-96 

13-8 

1 

3 

•69 

3-70 

4-48 

5-88 

8-03 

12-9 

2 

•89 

3-71 

4-37 

5-98 

8-30 

12-6 

3 

•03 

3-60 

4-36 

6-43 

8-00 

12-8 

1 

Mittelwert  . . . 

3 

1 

3-6 

4-5 

6-2 

8-2 

12-5 

1  £.  Lecher,  1.  c,  p.  1520. 


Peltiereffekt  Eisen-Konstantan. 


667 


Bis  zu  den  Temperaturen  von  160*  C.  wurde  der  elek- 
trische Ofen  mit  dem  Gleichstrome  der  Hausbatterie  (30  Akku- 
mulatoren), bei  höheren  mit  dem  Wechselstrom  der  städtischen 
Leitung  geheizt.  Bei  letzterem  traten  leider  oft  größere  Strom- 
schwankungen ein,  die  wohl  zur  etwas  größeren  Abweichung 


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300 


600 


Fig.  2. 


der  einzelnen  Werte  bei  höheren  Temperaturen  beigetr'agen 
haben  dürften. 

Trägt  man  die  so  gefundenen  Werte  in  ein  Koordinaten- 
system ein,  wobei  als  Einheit  der  Abszisse  100**  C,  als  Einheit 
der  Ordinate  10~"'  Grammkalorien  genommen  werden,  so  erhält 
man  von  der  Abhängigkeit  des  Peltiereffektes  von  der  Tem- 
peratur das  Bild  in  Fig.  2. 


668  P.  C  e  r  m  a  k ,  Peltiereffekt  Eisen-KonsUmtan. 

Dieses  Bild  weicht  ziemlich  stark  ab  von  demjenigen,  das 
E.  Bausenwein^  angegeben  hat;  doch  erklärt  sich  die  Ab- 
weichung aus  der  weit  geringeren  Zuverlässigkeit  seiner 
Methode. 

Für  vielfache  Anregung  und  Förderung  während  der 
Arbeit  bin  ich  Herrn  Prof.  Lech  er  zu  größtem  Danke  ver- 
pflichtet 


1  E.  Bausenwein,  Diese  Berichte,  Bd.  CXIV,  Abt.  IIa,  p.  1632  (1905). 


669 


Zur  algebraischen  Behandlung  eines  v.  Staudt- 
sehen  Fundamentalsatzes  der  Geometrie  der 

« 

Lage 

von 

V/.  Fr.  Meyer  in  Königsberg  i.  Pr. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  14.  MSrz  1907.) 

Um  das  »Harmonische«  ohne  MaßbegrifTe  zu  begründen, 
bedient  sich  v.  Staudt^  des  Fundamentalsatzes: 

»Werden  die  Ecken  zweier  Vierecke  einer  Ebene  einander 
paarweise  zugeordnet  und  treffen  sich  fünf  Paare  entsprechender 
Seiten  beider  Vierecke  auf  einer  und  derselben  Geraden  g,  so 
treffen  sich  auch  die  sechsten  Seiten  auf  gy  und  beide  Vierecke 
liegen  zueinander  perspektiv.« 

V.  St  au  dt  leitet  diesen  Satz  aus  einem  entsprechenden 
Satze  über  zwei  ebene,  aber  in  verschiedenen  Ebenen  befind- 
liche Vierecke  her.  Es  ist  aber  von  besonderem  Interesse,  die 
erstere  Konfiguiation  einer  direkten  Untersuchung  zu  unter- 
ziehen, die  unter  Voraussetzung  des  Koordinatenbegriffs  die 
notwendigen  und  hinreichenden  Bedingungen  für  die  Existenz 
jener  Konfiguration  verfolgt  und  die  zugleich  die  Gültigkeits- 
grenzen des  obigen  Satzes  festzulegen  im  stände  ist. 

Dies  wird  im  wesentlichen  erreicht  durch  Aufstellung  einer 
Identität,  die  den  geometrischen  Gehalt  der  Figur  erschöpft. 
Die  linke  Seite  der  Identität  ist  eine  (identisch  verschwindende) 
simultane  Invariante  der  beiden  Vierecke  und  einer  willkür- 
lichen Geraden  der  Ebene.  Die  vom  Verfasser  bei  anderer 
Gelegenheit'  aufgestellte  analoge  Identität  für  die  entsprechende 

1  Geometrie  der  Lage,  Nürnberg  1847,  p.  40. 

9  Wiener  Monatshefte  für  Mathematik  und  Physik,  XVIII,  p.  138  (1907), 
insbesondere  p.  152. 


670 


W.  Fr.  Meyer, 


räumliche  Figur  von  zwei  Vierecken,  respektive  Tetraedern 
ist  trotz  ihrer  äußerlichen  Ähnlichkeit  von  wesentlich  anderem 
Charakter,  da  die  linke  Seite  der  für  den  Raum  geltenden 
Identität  eine  Simultaninvariante  der  beiden  Vierecke  allein  ist. 


§  1.  Eine  Hilfsidentität. 

Versteht  ntän  unter  X/,  X^,  X/,  X,„;  X,-,  Xi,  X/,  X{»  zwei  Reihen 

von  vier  Variabein,  so  werde  irgend  eine  der  sechs  aus  der 

Matrix 

X|,  Xjk,  X/,  X,„ 

X',  Xjk,  X/,  X{„ 


(1) 


zu  entnehmenden  zweireihigen  Determinanten  bezeichnet  mit 


Pik  = 


X/,  Xjt 
X/,  Xi 


(2) 


Die  vier  Indices  /,  i,  /,  m  lassen  sich  auf  drei  Weisen  in 
zwei  Paare  teilen:  (ik)(lfn),  (il)(kfn),  (im)  (kl).  Nennt  man  die 
vier  Größen  PihPkm,  Pik,  Pmi  die  der  Teilung  (ik)(lnt)  »ent- 
sprechenden«, so  überzeugt  man  sich  sofort  von  der  Richtigkeit 
der  Identität: 


Pil^k^+Pnti^kh+Plkh^m+Pkmh^l  =  0, 


(I) 


wo  die  Faktorenprodukte  XjtX,„  etc.  auch  durch  die  aus  den  X' 
analog  gebildeten  XiX{„  etc.  ersetzbar  sind.  Im  folgenden  wird 
nur  der  Fall  in  Betracht  kommen,  daß  sämtliche  acht  Größen 
X,X'  endlich  und  von  Null  verschieden  sind.  Setzt  man  zur 
Abkürzung: 

qi  =  ^     (i  =  i,k,l,m\  (3) 

so  wird  Qi — qk  =  .^'*  und  die  Identität  (1)  nimmt  die  triviale 
Gestalt  an:  '  * 


(*»—?/)+(«*—?«)  =  («I— 9«t)+(?*— «/). 


(4) 


Verschwinden  daher  irgend  drei  der  Differenzen  ^, — q^ 
Qm — ?»,  Qi — Qki  9k — 9my  so  verschwindet  stets  auch  die  vierte 


Behandlung  eines  v.  Staudf sehen  Satzes.  671 

und  da  ctlsdann  ^/  =  ^t=^/=^«,  auch  jede  der  beiden  übrigen 
Differenzen  qi — ^»,  qi — qm.  Entsprechend  zieht  das  Ver- 
schwinden von  irgend  drei  der  Größen  Piu  Pmu  Pik^  Pkm  stets 
dasjenige  der  vierten  und  damit  auch  das  der  beiden  übrigen 
Pik,  Pim  nach  sich. 

Diese  Aussage  wird  aber  gerade  durch  das  Bestehen  der 
Identität  (I)  [sowie  der  beiden,  den  Teilungen  (il)(km\  (int)  (kl) 
korrespondierenden]  zusammengefaßt 

§  2.  Die  mit  zwei  Vierecken  einer  Ebene  verknüpfte  Identität 
bei  einer  kanonischen  Lage  des  Koordinatendreieckes.  Der 

V.  Staudt'sche  Satz. 

Es  mögen  in  einer  Ebene  zwei  beliebige  Vierecke  vor- 
liegen. Beide  Vierecke  seien  jedoch  eigentliche,  d.  h.  die  vier 
Ecken  je  eines  Viereckes  sollen  voneinander  verschieden  sein 
und  keine  drei  sollen  auf  einer  Geraden  liegen. 

Überdies  wird  vorläufig  angenommen,  daß  auch  keine 
Ecke  des  einen  Viereckes  mit  einer  solchen  des  zweiten  Vier- 
eckes koinzidiert. 

Die  Ecken  beider  Vierecke  seien  einander  eineindeutig 
zugeordnet  und  in  diesem  Sinne  mit  i,  *, /,  w;  V,Vyl',m*  be- 
zeichnet. Damit  entsprechen  sich  dann  auch  die  Seiten  (/*), 
(i'k')  etc.  beider  Vierecke  und  damit  auch  die  Ecken  beider 
Hauptdreiecke  (die  »Hauptecken«)  und  deren  Seiten  (die 
»Hauptgeraden«). 

Das  Koordinatendreieck  ABC  werde  so  gewählt,  daß  sich 
die  Geraden  (ik)y  (i'k^  in  der  Ecke  5(0,1,0)  und  analog  die 
Geraden  (/w),  (l'm^  in  der  Ecke  C  (0,0,1)  treffen,  so  daß  die 
Gerade  BC  mit  x=:0  zusammenfallt,  wenn  unter  x,y,z  die 
Dreieckskoordinaten  eines  beliebigen  Punktes  der  Ebene  ver- 
standen werden.  Die  Lage  der  Ecke  A  wird  beliebig  gelassen. 

Ferner  sei  0(ahc)  der  Schnittpunkt  (ik\  (Im)  una  analog 
0'(a'l/c')  der  Schnittpunkte  (ViT),  (l'm^. 

Unter  den  angegebenen  Voraussetzungen  über  die  beiden 
Vierecke  läßt  sich  die  Bezeichnung  ihrer  Ecken  stets  so 
wählen,  daß  5,  C,  O,  O'  vier  verschiedene  Punkte  sind,  die  ein 
eigentliches  Viereck  bilden,  mit  alleiniger  Ausnahme  des 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  45 


672  W.  Fr.  Meyer, 

singulären  Falles,  daß  jede  der  drei  Hauptecken  des  einen 
Viereckes  (iklm)  mit  der  entsprechenden  des  zweiten  Vier- 
eckes {VÜVm^  zusammenfällt  (siehe  §  4). 

Fiir  die  Koordinaten  der  Ecken  beider  Vierecke  hat  man 
dann  die  Darstellung: 


i)  a,  *+X/,  c\  i')  a\  y+XJ,  c'\    \ 

k)  a,  ^-4-X,,  c\  V)  a\  V^V^,  c'\  ( 


V)  a\  V,  c'+XJ;     [ 


(5) 


wo  X,-,  X;fe,  X/,  X,„;  X{,  Xi,  X/,  XJ«   acht   Parameter   bedeuten,    die 
endlich  und  von  Null  verschieden  sind. 

Legt  man  dem  Schnittpunkt  der  Geraden  {il)  mit  der 
Geraden  J9C(;i;=:0)  die  Koordinaten  Q^yn^zn  bei,  entsprechend 
dem  Schnittpunkt  von  {VI')  mit  ^=0  die  Koordinaten  0,>'J/,  r'/ 
u.  s.  f.,  so  folgt  aus  (5): 

yn  __       X|        ^ii  Mi 

Zu  kl        Zu  Kl 

Die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung  dafür,  daß 
sich  die  Geraden  {il)  und  {j'l')  auf  der  Geraden  BC  begegnen, 
lautet  demnach: 

[/,/]-X,X{-XzM::-p,-;ziiO.  (7) 

Nach  (I)  gilt  somit  zwischen  den  vier  Ausdrücken  [/,  /], 
[w,  i\  \kym\  [/,jfe]  die  lineare  Identität: 

7:  .  [r,  /]X,X„,  +  [*,  >;x]X,X/+[m,  /]XA/+[/,  fe]X,Xm  -  0       (10 

und  damit  der  Satz: 

I.  »Die  Identität  (lO,  die  für  zwei  eigentliche  Vier- 
ecke (der  Ebene)  mit  getrennten  Ecken  bei  geeigneter 
Lage  des  Koordinatendreieckes  besteht  —  ausgenom- 
men den  singulären  Fall,  daß  jede  Hauptecke  des 
einen  Viereckes  mit  der  entsprechenden  des  anderen 
Viereckes  zusammenfällt  —  ist  der  algebraische  Aus- 
drucK   des   v.    Staudt'schen   Satzes,    daß,    wenn    sich 


Behandlung  «nes  v.  StflUdVdchen  Satzes.  673 

fünf  Paare  entsprechender  Seiten  beider  Vierecke  auf 
ein  und  derselben  Geraden  treffen,  dies  auch  für  das 
sechste  Paar  zutrifft.c 

Die  durch  Satz  I  charakterisierte  Lage  zweier  Vierecke 
werde  die  »v.  Staudt'sche  Lage«  derselben  genannt. 

Es  seien  jetzt  die  Bedingungen  (7)  dieser  Lage  erfüllt 

gedacht,  so  daß  die  vier  Verhältnisse  tj  »  TT »  TT* »  \r  ^®^ 
nämlichen  Wert  besitzen,  der  gemäß  (3)  mit  q  bezeichnet  sei: 

Gemäß  (5)  sind  die  Koordinaten  eines  beliebigen  Punktes 
der  Geraden  (ii^  von  der  Form  a — v,a',  (b+\i) — v^(fc'+X(), 
c — v^c',  wo  v/  einen  Parameter  bedeutet;  für  ViZ=:q  werden  also 
diese  Ausdrücke  wegen  (70: 

a — qa'y  b — qb',  c^qc',  (8) 

Entsprechendes  gilt  für  die  Geraden  {kk!),  (11%  {mm% 

Das  ist  der  Inhalt  des  v.  Staudt'schen  Korollars  zum 
Satze  I: 

I'.  »Befinden  sich  zwei  Vierecke  einer  Ebene  in 
v.  Staudt'scher  Lage,  so  liegen  die  Vierecke  zuein- 
ander perspektiv.«  »Das  Perspektivitätszentrum  P 
besitzt  die  Koordinaten  (8).« 

Es  werden  nunmehr  die  beiden  Hauptdreiecke  der  Vier- 
ecke in  Betracht  gezogen. 

Ein  erstes  Paar  entsprechender  Hauptecken  wird  durch 
0,  O'  gebildet;  die  Verbindungsgerade  {00')  enthält  den 
Punkt  P  (8).  Ein  zweites  Paar  0^0[  entsprechender  Haupt- 
ecken sind  die  Schnittpunkte  der  Geraden  (//),  {km),  respektive 
(f'/O,  {Vfn!),  Setzt  man  zur  Abkürzung: 

7c,,n  =  X/  X^  —  \kh ,     ^m  =  X{X;„ — Xi  X{ ,  (9) 

wo  diese  beiden  Größen  it,-,«,  vfim  vorderhand  als  von  Null 
verschieden    vorausgesetzt    werden,    so    berechnen    sich   die 

45* 


674 


W.  Fr.  Meyer, 


Koordinaten  x^.y^^z^,  beziehungsweise  x[,y[,z[  von  Oi,Oj  auf 
Grund  von  (5)  zu: 

Hieraus  geht  das  dritte  Paar  Og,  O^  entsprechender  Haupt- 
ecken, die  Schnittpunkte  der  Geraden  (im)  (kl),  respektive 
(i'm^  (kfl^  hervor,  indem  man  die  Indices  /  und  m  miteinander 
vertauscht. 

Hiebei  werden  wiederum  die  nach  der  Vorschrift  (9)  ge- 
bildeten Größen  ic,/,  n'n  vorderhand  als  von  Null  verschieden 
angenommen. 

Ein  beliebiger  Punkt  der  Geraden  (0^0^  hat  die  Koordi- 
naten x^'h'^xl,  y^+zy^y  z^+zz[,  unter  t  wiederum  einen  Para- 
meter verstanden.  Mit  Rücksicht  auf  (10)  und  (T')  erhalten  jene 
Koordinaten  die  Werte: 


''^im  ( ^ 


Ä 


xa' 
xV 


im 


t: 


9 
zc 


im 


q* 


rS 


(11) 


Bestimmt  man  hier  z  durch  die  Forderung: 

T  zu  — ^«, 


(12) 


so  werden  die  Ausdrücke  (11)  denen  in  (8)  respektive  pro- 
portional. 

Der  analoge  Schluß  gilt  für  das  Haupteckenpaar  Oj,  Og. 
Somit  hat  man  unter  der  Voraussetzung,  daß  die  Größen 
Äiwo  '^'im'y  '^ih  '^ii  (9)  von  Null  Verschieden  sind,  den  Satz: 

II.  »Sind  zwei  Vierecke  einer  Ebene  in  v.  Staudt- 
scher Lage,  so  sind  auch  die  beiden  Hauptdreiecke 
der  Vierecke  perspektiv  und  ihr  Perspektivitäts- 
Zentrum  fällt  mit  dem  der  beiden  Vierecke  zu- 
sammen.« 

Dieser  Satz  bleibt  erhalten,  wenn  auch  die  Größe  ir,ni  (9) 
und  damit  zugleich  icfm  (oder  auch  st//  und  i^i)  verschwinden, 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  675 

während  «,/,  w}/  (respektive  ic^«,  ic{^)  von  Null  verschieden 
sind.  Denn  dann  fallen  die  entsprechenden  Hauptecken  0,,  0[ 
(respektive  O^,  O^  zusammen,  aber  die  beiden  Hauptdreiecke 
besitzen  immer  noch  ein  bestimmtes  Perspektivitätszentrum 
und  dieses  ist  mit  P  identisch. 

Verschwinden  dagegen  gleichzeitig  «,•»,,  ic,/  und  damit 
auch  Tsfitny  icj/,  fallen  also  die  entsprechenden  Hauptecken  O^,  O^; 
Og,  Og  zusammen,  so  wird  das  Perspektivitätszentrum  der 
beiden  Hauptdreiecke  auf  der  Geraden  (0  O')  unbestimmt  und 
der  Satz  II  ist  dann  dahin  einzuschränken,  daß  die  Verbin- 
dungsgerade der  beiden  nicht  koinzidierenden  entsprechenden 
Hauptecken  O,  O'  durch  das  Perspektivitätszentrum  der  beiden 
Vierecke  laufen  muß. 

In  dem  oben  ausgeschlossenen  singulären  Falle,  daß  jede 
Hauptecke  des  einen  Viereckes  mit  der  entsprechenden  des 
anderen  Viereckes  zusammenfällt,  ist  offenbar  die  v.  Staudt*sche 
Lage  beider  Vierecke  überhaupt  unmöglich. 

Wir  fragen  jetzt  bei  der  v.  Staudt'schen  Lage  beider  Vier- 
ecke nach  der  Perspektivitätsachse  der  beiden  Hauptdreiecke 

(00,03),  (cyo(o,o. 

Gemäß  (10)  trifft  die  Hauptgerade  00^  die  Gerade  BC(x  =  0) 
in  demjenigen  Punkte  cog,  für  den: 


Für  den  Schnittpunkt  der  entsprechenden  Hauptgeraden 
(yO[  mit  x:=0  hat  man  in  (13)  statt  der  X  die  X'  einzusetzen; 
hiebei  behält  aber  die  rechte  Seite  von  (13)  wegen  (7^  ihren 
Wert  bei.  Die  beiden  entsprechenden  Hauptgeraden  (00^), 
(O'O^  schneiden  sich  demnach  auf  der  Geraden  ;tr~0  im 
Punkte  (Og  (13). 

Analog  treffen  sich  die  beiden  entsprechenden  Haupt- 
geraden (00g)  und  (O'OgO  auf  ;r  =  0  in  dem  Punkte  ooj,  für  den: 


y_^ hhjKn — X/)  , 

c  """     X/X,,(X,— Xk)  ^     ^ 


676  W.  Fr.  Meyer, 

Endlich  schneiden  sich  die  dritten  Hauptgeraden  (OjOjj), 
(0[0^  auf  ;i:  =:  0  in  dem  Punkte  (o  mit: 

h^k     2X| — (X/+X,„) 


^/^m  X/  —  X/ 


(15) 


Damit  ist  der  Satz  bewiesen: 

III.  Befinden  sich  zwei  Vierecke  {i,kJ,m),{i'^h',V,nt') 
einer  Ebene  in  v.  Staudt'scher  Lage,  so  daß  die 
Schnittpunkte  Pik,  Pim\  Pih  Pkm\  Pim.  Pki  zugeordneter 
Seiten  auf  ein  und  derselben  Geraden  ^,  derPerspek- 
tivitätsachse  beider  Vierecke  liegen,  so  ist  diese 
zugleich  die  Perspektivitätsachse  der  beiden  Haupt- 
dreiecke. Ist  O -=  {ik)  {Im)  irgend  eine  der  drei  Ecken 
des  ersten  Hauptdreieckes,  so  treffen  die  beiden  von 
O  auslaufenden  Seiten  des  Dreieckes  die  Gerade  g 
in  einem  zum  Paare  (Pik,Pim)  harmonischen  Paare.« 

Der  Satz  III  gilt  auch  dann  noch,  wenn  Pu  mit  Pkm  oder 
Pi,n  mit  Pki  zusammenfällt  oder  auch,  wenn  beides  zugleich 
stattfindet. 

Hier  ordnet  sich  auch  der  bekannte  Satz  von  Desargues 
ein,  daß  die  drei  Punktepaare  {PikyPim\  (PihPkm),  {Pim,Pki) 

y 

auf  g  einer  Involution  angehören.  Denn  die  Koordinate  -^  =  4 

z 

auf   ;r  =  0    für   jene    drei   Paare    besitzt   die   Werte  (0,  oo), 
X,-  Xjt\    /      X/  \k 


,       ^    /,  \      ^    ,  — T")'   Bedeuten   demnach   5,  V  zu- 

sammengehörige  Werte,  so  ist  die  Gleichung  der  Desargues- 
schen  Involution: 

5S'  =  -rV^=r  const.  (16) 

Schwieriger  ist  die  Umkehrung  der  Sätze  I',  II,  III,  d.  h.  die 
Beantwortung  der  Frage,  welche  von  den  dort  ausgesprochenen 
Perspektivitätseigenschaften  beider  Vierecke  und  ihrer  Haupt- 
dreiecke bereits  hinreichen,  um  die  v.  Staudt'sche  Lage  der 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  677 

Vierecke  zu  charakterisieren.  Diese  Frage  soll  später  (in  §  5) 
bei  einer  anderen  Wahl  des  Koordinatendreieckes  wieder  auf- 
genommen werden. 

§  3.  Aufstellung  der  Identität  (I^)  bei  beliebigem  Koordinaten- 
dreieck. 

Das  Koordinatendreieck  liege  jetzt  beliebig.  Die  aufeinander 
bezogenen  Ecken  der  beiden  Vierecke  seien  wieder  /,  k,  /,  m; 
i\k\  V.in!.  Man  verbinde  wie  oben  die  Punkte  Pik  =:  {ik){Vk^) 
und  Pim  =  {lnt){Vm')  durch  eine  Gerade  gikjm  =  g- 

Die  vier  weiteren  Schnittpunkte  entsprechender  Seiten 
seien  analog  Pu,  Pkml  Pmt,  Pik-  Versteht  man  ferner  unter 
A//,  \km\  ^mi,  ^ik  die  vier  dreireihigen  Determinanten  aus  den 
Koordinaten  der  Punkte  P,*,  P/^  und  respektive  P,/,  Pjt,„; 
Pmiy  Pik,  so  sagt  deren  Verschwinden  aus,  daß  respektive  der 
Punkt  P,7,  Pkm,  Pntiy  Pik  ^lit  den  beiden  Punkten  P,jt,  P/„t 
auf  einer  und  derselben  Geraden,  nämlich  g,  liegt.  Zwischen 
den  vier  Ausdrücken  A,/,  A^^m,  ^mi,  ^ik  wird  dann  als  Ver- 
allgemeinerung von  {V)  eine  lineare  Identität  bestehen,  deren 
Inhalt  wieder  der  v.  Staudt'sche  Satz  I  ist. 

Man  konstruiere  die  fragliche  Identität  schrittweise:  man 
frage  vorerst  nach  der  geometrischen  Bedeutung  des  Ver- 
schwindens  der  in  (X)  auftretenden  Koeffizienten,  stelle  darauf- 
hin bis  auf  gewisse  unbekannte  Faktoren  die  Form  der 
gesuchten  Identität  fest  und  ermittele  endlich  durch  Rückgang 
von  dem  beliebigen  Koordinatendreiecke  zu  dem  kanonischen 
des  §  2  jene  Faktoren. 

Die  in  (!')  auftretenden  Koeffizienten  sind  Produkte  von 
zweien  der  vier  Größen  X/,  Xjt,  X/,  X^. 

Die  Gleichung  X/  '=:  0  besagt,  daß  die  Ecke  {i)  auf  der 
Seite  {Im)  liegt.  Umgekehrt  berechnet  sich  die  dreireihige,  aus 
den  kanonischen  Koordinaten  der  Ecken  /,  /,  m  gebildete 
Determinante  {Um)  auf  Grund  von  (5)  zu  a'ki{\i—\m)  und  analog 
die  drei  weiteren  Determinanten  {klm)y  {lik),  {mik). 


{Um)  -=2  aXi{\i  —  X;„),       {klm)  ^= 
{lik)  =  —a  X/().,  —  X*),     (m 


m)  =  a\kQ^i—\m)y      )    ,j^. 
ik)  =  —  aX;„(X/— X;t).  J 


678  W.  Fr.  Meyer, 

Die  Multiplikation  der  linken  Seite  J  von  (iO  mit 

führt  somit  zu  der  Umformung 

a2(X,  — X,)(X/  — X^).J-7,  =  [/,/](*/m)(wi*)  + 

+[*,w](//w)(/i*)  +  [w,i](ife/m)(//*)+[/,*](«7w)(wi*).     (18) 

Die  Bedingung  ri,/]?^p,7  =  0  hat  denselben  Inhalt,  wie 
jetzt,  bei  beliebigem  Koordinatendreieck,  die  Bedingung  A,/  =  0. 
Umgekehrt  trage  man  in  die  Bildung  A,/  die  kanonischen 
Koordinaten  (5)  der  Ecken  beider  Vierecke  ein  und  stelle  den 
Faktor  fest,  mit  dem  [/,/]  =/?,/  dabei  behaftet  erscheint  Versteht 
man  unter  a,-,^i,t;i,  respektive  a\^Viydi  die  allgemeinen  Koordi- 
naten der  Ecke  (i),  respektive  (f)  u.  s.  f.;  unter  (frc),*,  (Vc')i^ 
die  Ausdrücke  biCk  —  ^jkQ,  Vidk  —  &4c{  u.  s.  f.,  so  erhält  der 
Punkt  Pik  als  Koordinaten  die  Determinanten  der  Matrix: 

{bc)ik,     {ca)ik,     {ab)n  I 
{Vd)ik.   {(^a%,  {a'V)iu  \ ' 

Gemäß  (5)  werden  dann  die  kanonischen  Koordinaten  der 
Punkte  P,*,P/„,: 


Pik)     O,  (X,— X,)(X{-Xi)(^a'— acO, 

Plm)      0,  O,  (X;~X,„)(X 


""  \  (20) 


während  man  von  den  Koordinaten  von  Pn  nur  die  erste 
braucht,  die  sich  als  — aa'pa  ergibt. 

Demnach  erhält  A^/  den  kanonischen  Ausdruck: 

A,/=;?,/[aa'(X,— X,)(X{-Xi)(X;-X,„)(X{-X;„)(^^'-Ä'^)(a^/-a'<7)] 

-piiF,     (21) 

wo  der  Faktor  F  von  pu  für  alle  vier  Determinanten  A,/,  A*;„, 
A„,i,  A/*  ein  und  derselbe  ist.  Man  multipliziere  daher  den 
Ausdruck  J^  (18)  noch  mit  h\  wodurch  J^  entstehe: 

FJ^  L_  Jj.  (22) 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  679 

»Dann  geht  dieser  Ausdruck  J^  beim  Übergange 
von  dem  kanonischen  Koordinatendreieck  des  §  2  zu 
dem  jetzt  zu  Grunde  gelegten  beliebigen  bis  auf  eine 
Potenz  der  Substitutionsdeterminante  über  in  die 
linke  Seite  der  gesuchten  Identität,  so  daß  diese 
lautet: 

+ljj,{ilm)  (mik)  =  0.*     (II) 

Die  Gestalt  von  (II)  wird  übersichtlicher,  wenn  man  die 
(klm)  u.  s.  f.,  d.  s.  die  Determinanten  der  aus  den  allgemeinen 
Koordinaten  der  Ecken  i,k,l,m  gebildeten  Matrix  bezeichnet, 
wie  folgt: 


ilfn)  =  Di,  (ikm)  =  (mik)  =  Dl,       )       . 

Um)  =  —Dt,        iikl)  =  (lik)  =  — A«.  j 


(klm)  = 
( 


Da  A//  =:  — A/,-  u.  s.  f.,  so  gewinnt  damit  die  Identität  (II) 
das  Aussehen : 

A//A  A+A*mö*A«+A,-;„  AA„+AwZ>*Z>/  =  0,        (11') 

wo  nunmehr  die  Indices  stets  die  natürliche  Reihenfolge  beob- 
achten. 

Der  so  erweiterten  Identität  (II')  stehen  zwei  analog 
gebaute  zur  Seite,  indem  man  die  bisher  ausgezeichnete  Paar- 
einteilung (ik)y  (Im)  ersetzt  durch  die  beiden  anderen  (//),  (km), 
respektive  (im),  (kl). 

Andrerseits  sind  nach  §  1  die  Di,  Dk,  Di,  Dm  auch  mit  den 
aus  den  X(-,  Xi,  X/,  X{,t  entsprechend  gebildeten  Größen  Z)/,  Dl, 
Dl,  Ufn  vertauschbar. 

Indem  wir  uns  auf  die  ersteren  drei  Typen  der  Identität  (II') 
beschränken,  können  wir  dieselben  durch  einen  einzigen,  hin- 
sichtlich aller  vier  Ecken  gleichmäßig  konstruierten  Typus 
zusammenfassen. 

Fügt  man  jedem  Faktor  A//  u.  s.  f.  die  jeweils  zu  Grunde 
gelegte  Paareinteilung  als  obere  Indices  hinzu,  so  lauten  die 
drei  Typen  von  (II'): 


680 


W.  Fr.  Meyer, 


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Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  681 

IV.  »Der  allgemeinste  algebraische  Ausdruck  des 
V.  Staudt'schen  Satzes  für  zwei  Vierecke  einer  Ebene 
wird  durch  die  Identität  (III)  angegeben.« 

Hiebet  umfaßt  ihrer  Herleitung  nach  die  Identität  (III)  alle 
Fälle,  in  denen  überhaupt  die  v.  Staudt*sche  Lage  zweier 
eigentlicher  Vierecke  einer  und.  derselben  Ebene  möglich  ist. 
Denn  in  dem  einzigen  Falle,  wo  jene  Lage  nicht  eintreten 
kann,  wenn  nämlich  jede  Hauptecke  des  einen  Viereckes  mit 
der  entsprechenden  des  anderen  Viereckes  zusammenfällt, 
verschwindet  jeder  der  sechs  Klammerfaktoren  in  (III)  identisch, 
d.  h.  für  alle  u^,  u,^,  Wg. 

Man  bemerke  die  eigentümliche  Analogie,  die  der  Aufbau 
der  Identität  (III)  mit  der  vom  Verfasser^  für  den  Raum  auf- 
gestellten aufweist,  die  aussagt,  daß,  wenn  von  zwei  ebenen 
oder  räumlichen,  aber  im  ersteren  Falle  nicht  in  einer  und 
derselben  Ebene  gelegenen  Vierecken,  fünf  Paare  zugeordneter 
Kanten  sich  treffen,  dies  auch  für  das  sechste  Paar  gilt. 

§  4.  Singulare  Fälle. 

Die  Identität  (III)  versagte,  wenn  beide  Vierecke  ein  ge- 
meinsames Hauptdreieck  besitzen  und  wenn  überdies  jede 
Hauptecke  mit  ihrer  zugeordneten  koinzidiert;  dann  war  aber 
auch  die  v.  Staudt'sche  Lage  beider  Vierecke  unmöglich. 
Dagegen  erhebt  sich  die  Frage,  ob  nicht  doch  bei  gemeinsamem 
Hauptdreieck  die  Ecken  der  beiden  Vierecke  4örart  einander 
zugeordnet  werden  können,  daß  die  v.  Staudt'sche  Lage  mög- 
lich wird. 

Das  gemeinsame  Hauptdreieck  (A^A^A^)  werde  als  Koordi- 
natendreieck gewählt;  die  Koordinaten  eines  beliebigen  Punktes 
seien  mit  x^,  x^^  x^  bezeichnet.  Dann  besitzen  die  Ecken  beider 
Vierecke  Koordinaten  von  der  Form: 

i)  <J^vP2yPz)'^  ^)  (-PvP2yPs)> 

i')  {Pv  Pv  rö;  ^)  i-Pv  P^v  ^3);   I  (24) 

d  {Pv  — /^2»rs);     ^^0  {PvP2^  -Pz)'^  j 

i')  (Pv  -P2^  pO'    ^')  (Pv  p^v  -rö;  - 


1  Wiener  Monatshefte  für  Mathematik  und  Physik,  XVIII  (1907),  p.  138, 
insbesondere  p.  150. 


682 


W.  Fr.  Moyer, 


WO  die  Größen  p^,  p^,  p^\  ^tJ,  j/^^  /^  im  übrigen  willkürlich 
gewählt  werden  können,  nur  so,  daß  keine  von  ihnen  ver- 
schwindet, da  beide  Vierecke  als  eigentliche  vorausgesetzt 
werden.  Es  sei  A^  •=  {ik){lin),  A  =:  (il)(km\  A^  =  (im){kl)\ 
die  Zuordnung  der  Ecken  des  zweiten  Viereckes  zu  denen  des 
ersten  bleibe  noch  vorbehalten. 

Da  die  vier  Ecken  des  zweiten  Viereckes  gleichberechtigt 
sind,  so  dürfen  wir  annehmen,  daß,  während  die  Ecken  i,  ky  /,  m 
des  ersten  Viereckes  festgehalten  werden,  etwa  der  ersten 
Ecke  /  die  erste  Ecke  i'  fest  zugeordnet  wird. 

Dann  sind  nur  drei  Typen  A,  B,  T  von  Zuordnungen 
möglich: 


A) 


B) 


r) 


k 
y 
k 
v 
k 

V 


l     m 

\ 

1 

/     m 

**    m' 

\ 

l     m 

m'  V 

• 

25  a) 


25?) 


25  T) 


Die  24  Zuordnungen  der  beiderlei  Ecken,  die  im  ganzen 
möglich  sind,  verteilen  sich  auf  die  drei  Typen  A,  B,  F  derart, 
daß  der  erste  Typus  4,  der  zweite  4.3,  der  dritte  4.2  jeweils 
gleichberechtigte  Zuordnungen  umfaßt. 

Die  drei  Typen  A,  B,  F  lassen  sich  einfach  dahin  charak- 
terisieren, daß  beim  ersten  Typus  jede  Hauptecke  sich  selbst 
entspricht,  beim  zweiten  Typus  zwei  Hauptecken  sich  wechsel- 
seitig entsprechen,  die  letzte  sich  selbst,  z.B.  {A^^Ä^y  (-4^,-4,), 
(-43,^13),  während  beim  dritten  Typus  die  Hauptecken  sich 
zyklisch  entsprechen,  z.  B.  {A^,  ^),  {A^,  A^y  (.4j,  A^. 

Beim  ersten  Typus  bleibt  das  Perspektivitätszentrum  beider 
Dreiecke  gänzlich  unbestimmt,  beim  zweiten  Typus  auf  einer 
Hauptgeraden  unbestimmt,  während  beim  dritten  Typus  über- 
haupt kein  Perspektivitätszentrum  existiert. 

Die  Verbindungsgerade  einer  Ecke  i  mit  einer  Ecke  k 
heiße  ^,t,  die  einer  Ecke  r'  mit  einer  Ecke  s'  heiße  grs-  Dann 
berechnen  sich  die  Koordinaten  u,  v,  w  der  sechs  Seiten  des 
ersten  Viereckes  ohneweiters  wie  folgt: 


Behandlung  eines  v.  Staudl'schen  Satzes. 


683 


» 

V 

^.»; 

0 

—Pa 

gim) 

0 

Pa 

gn) 

Pi 

0 

gim) 

Pa 

0 

gim) 

Pt 

Px 

gkl) 

Pa 

Pi 

(26) 


Pt 
Pi 

■Px 

Px 
0 

0,1 


aus  denen  die  Koordinaten  der  Seiten  glu  u.  s.  f.  des  zweiten 
Viereckes  durch  Akzentuierung  der  p^,  p^j  p^  hervorgehen. 

Da  der  Typus  A  erledigt  ist,  sind  noch  die  Typen  B  und  T 
zu  untersuchen. 

Der  Typus  B. 

Aus    (26)   entnimmt   man    die    Koordinaten    der   Punkte 
S  =  (gik,  gli)  und  C  =  (gim,  gim): 


Ay  P2Pzy   -Ps/^i);/ 


B)     (PsP'v  PtP'i^      /'«/'sX 
Q     iPzP\ 


(27) 


während  andrerseits  die  Punkte  0=z(giit^gim)  und  0'=:{gihgim) 
mit  den  Koordinatenecken  A^,  A^  zusammenfallen.  Die  (wie  in 
§  2  bezeichneten)  Punkte  B,  C,  0,  O'  bilden  daher  ein  eigent- 
liches Viereck,  so  daß  die  Voraussetzungen  des  §  2  erfüllt  sind- 
Gemäß  (27)  liegen  die  Punkte  B,  C  auf  einer  Geraden  g, 
deren  Gleichung  ist: 


g)     ^iPiP'B—^iPzP'i  =  0, 


(28) 


und  zwar  harmonisch  getrennt  durch  A^  und  x^zizO. 

Der  Punkt  (il),  (i'^f)  hat  die  Koordinaten  PiP'^,  PtPsy  PbPs» 
liegt  also  dann  und  nur  dann  auf  der  Geraden  g  (28),  wenn: 

Für  den  Punkt  (km),  (l'm^  mit  den  Koordinaten  p^p'^y 
P2PS9  — P^Ps  wird  die  Bedingung,  der  Geraden  g  (28)  an- 
zugehören^ gleichfalls  durch  (29)  angegeben. 


684  W.  Fr.  Meyer, 

Die  beiden  weiteren  Punkte  (ifw),  (i'fn^  und  (kl),  (tfl^  sind 
mit  A^  identisch,  liegen  also  von  selbst  auf  g. 

Andrerseits  fragen  wir  nach  der  Bedingung,  unter  der 
sich  die  vier  Verbindungsgeraden  entsprechender  Ecken  (ii'}, 
{fnm\  {kl%  {IV)  in  einem  und  demselben  Punkte  treffen. 

Mittels  der  Kürzungen: 


PtP^^'-PtP^i  =  \^  PsPi'^PiP'i  =  Kf  PiPt—PiPi  =  \y 

P2Pz'^PsP2  =  Kl»  PsP^l-^PlPi  =  V^ 


} 


(30) 


erhalten  die   Koordinaten  der  Geraden  (ii^,  O^fw'),  (*/'),  (k^i) 
die  Werte: 

(ii^:  Q^y\f\)f     (ntfn^:  (X^,  X^, — \)y\  ,oi\ 


(*/0:  (\>n,h,\);        (*'/) 


SO   daß   die  Koordinaten    der  Schnittpunkte  (ii^.  (mm^   und 
(*/0,  (/*0  werden : 

(iiO,  (wwO:  (— Xg,  Xj,  0),  \ 


(kn  {^^ 


:  (_x^,  x„  0), ) 


Beide  Punkte  gehören  also  der  Koordinatenseite  ^r,  zz  0  an; 
sollen  sie  zusammenrücken,  so  entsteht  die  Bedingung 
Xj  [i, — \  {tj  =  0  oder  entwickelt,  gerade  die  Bedingung  (29). 
Ist  diese  erfüllt,  so  besitzen  beide  Vierecke  das  Perspektivitäts- 
zentrum  P: 

PJ     (PiP's^PzP'v^)'  (33) 

Das  Perspektivitätszentrum  beider  Hauptdreiecke  {A^A^A^\ 
(^jA^s)  ^^^^  ^^f  der  Geraden  ;r3  zr:  0  unbestimmt  und  diese 
läuft  durch  P,  in  Übereinstimmung  mit  §  2. 


Der  Typus  F. 

Die  Punkte  5,  C  und  damit  die  Gerade  g,  desgleichen  die 
Punkte  O,  0'  sind  die  nämlichen  wie  beim  Typus  B.  Für  den 

Punkt   (il)(i'M')  wird   3_  — _^^   für    den    Punkt    (*#»)(/'*') 

dagegen  — -  =: ^r-  Sollen  daher  beide  Punkte  der  Geraden^ 

(28)  angehören,  so  müßte  gleichzeitig   Ag*;  z=  i^ifcj  =  — *3*^ 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  685 

sein,  mithin  i^ij  ==  0,  was  bei  zwei   eigentlichen  Vierecken 
nicht  eintreten  kann. 

Demnach  ist  das  Ergebnis: 

V:  »Besitzen  zwei  eigentliche  Vierecke  der  Ebene 
ein  gemeinsames  Hauptdreieck,  so  verteilen  sich  die 
24  Möglichkeiten,  die  Ecken  beider  Vierecke  ein- 
ander zuzuordnen,  zu  je  4,  12,  8  auf  drei  Typen  A,B,  F. 
Beim  Typus  A,  wo  jede  Hauptecke  sich  selbst  ent- 
spricht, sowie  beim  Typus  F,  wo  sich  die  Hauptecken 
zyklisch  entsprechen,  ist  die  v.  Staudt'sche  Lage  der 
Vierecke  unmöglich.  Dagegen  ist  beim  Typus  B,  wo 
zwei  Hauptecken  sich  wechselseitig  entsprechen,  die 
dritte  sich  selbst,  für  das  Eintreten  der  v.  Staudt'schen 
Lage  die  einzige  Bedingung  (29)  notwendig  und  hin- 
reichend und  dies  ist  zugleich  die  Bedingung  dafür, 
daß  die  vier  Verbindungsgeraden  zugeordneter  Ecken 
beider  Vierecke  durch  einen  und  denselben  Punkt 
laufen.« 

Nunmehr  bietet  sich  der  Fall  dar,  wo  die  beiden  Vierecke 
zwei  gemeinsame  Hauptecken  Af  B  besitzen,  während  die 
dritten,  C  und  C,  getrennt  sind.  Die  Zuordnung  beider  Vier- 
ecke kann  dann  eine  dreifache  sein;  entweder  entspricht  jede 
der  beiden  Hauptecken  A,  B  sich  selbst  oder  aber  diese  ent- 
sprechen sich  wechselseitig  oder  endlich  es  findet  keines  von 
beiden  statt. 

Da  die  beiden  letzteren  Unterfälle  genau  nach  der  Vor- 
schrift des  §  2  zu  behandeln  sind  und  im  übrigen  keine  singu- 
lären  Eigenschaften  aufweisen,  so  können  wir  uns  auf  den 
ersteren  Unterfall  beschränken. 

Es  ist  dieser  Spezialfall  eben  derjenige,  der  bei  v.  St  au  dt 
zur  Definition  des  Harmonischen  dient.  Trotzdem  er  rein  geo- 
metrisch keine  Schwierigkeiten  bietet,  ist  es  doch  von  Interesse 
das  analytische  Äquivalent  in  Betracht  zu  ziehen. 

Man  wähle  jetzt  ein  Koordinatendreieck,  von  dem  ^(1,0,0) 
und  J3  (0,1,0)  zwei  Ecken  sind,  während  die  dritte  Ecke 
beliebig  bleibe.  Es  mögen  sich  in  B  die  Geraden  (/Ä), 
{i'V),  {Im),  {Vifif)  trefifen,  in  A  die  Geraden  (i/),  {i'l'),  (km), 
(Vm'). 


686 


W.  Fr.  Meyer, 


Dann  erhalten  die  Ecken  beider  Vierecke  Koordinaten  x,y,z 
der  Gestalt: 


(34) 


i)  (m>  v-v  0;   ^)  (>^.  m.  1);   i)  (^,  jii.  1);   *»)  (^,  t>«.  0: ) 

wo  der  Akzent  wiederum  die  Zuordnung  angebe. 

Die  Geraden  (im),  (kl),  (i'm%  (Vl^  schneiden  die  Gerade 
^=:  ^5  (z  =  0)  in  den  Punkten: 


(im):  — 

y 


(ifni>):  — 

y 


IH— fts' 


X 

J 

X 

y 


(kl):  —  =  — 


(Vn.  ~  = 


_       \-\ 


Kl— m 
K-h4 


(35) 


Die  Bedingung,  daß  sich  (im),  (i'm')  auf  g  in  einem 
Punkte  Pim  begegnen,  ist  dieselbe  wie  die,  daß  sich  (kT),  (*'/') 
auf^  in  einem  Punkte  Pa  begegnen,  nämlich: 


=  n  =  o. 


(36) 


Ist  diese  Bedingung  der  v.  Staudt'schen  Lage  erfQllt,  so 
bilden  Pf»,  und  Ptt  gemäß  (35)  mit  A,  B  zwei  harmonische 
Punktepaare. 

Andrerseits  ergeben  sich  für  die  Verbindungsgeraden  (ii') 
u.  s.  f.  zugeordneter  Ecken  die  Gleichungen : 


(ii^):  ar({ij- 

(**'):  x(iLt- 

(II'):  ;r(ji,- 

(mm'):  x(^- 


■v-[)-y(}^—K)+={\hQ^i-K)-\(v-i 
\>0-y(}^~K)+^{\hQ^—K)-K(}h 
K)-yih—K)+='{v-i(^—K)—\(v-i 
vO-y(h—K)+^{v^(h-K>-h  (\^ 


—K)—-L(iu—v')\  =  0.i 


i4)} 
K)} 


0  1 

0 

0 


(37) 


Bezeichnet  man  die  mit  abwechselnden  Vorzeichen  ge- 
nommenen dreireihigen  Determinanten  aus  der  Matrix  der 
Koeffizienten  von  (37)  respektive  mit  A,,  A»,  A/,  A„,  so  liefert 
einfache  Umrechnung  das  durchsichtige  Gesetz: 


^i  =  (m-  vO  (K—  K)  n,  A»  =  (F4-  K)  (K—K)  n. 


A,  =  ({«,— |i4)  (\—x[)  n,  A,„  =  (m— ni)  (Xi— xj)n 


i)n.  / 


(38) 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes. 


687 


Da  die  Ecken  beider  Vierecke  getrennt  sein  sollen,  darf 
keiner  der  Faktoren  X^ — X[  u.  s.  f.  verschwinden.  Demnach 
können  die  vier  Größen  A^,  Aj^,  Ai,  A^  dann  und  nur  dann 
verschwinden,  d.h.  die  vier  Geraden  (ii%. .  ,(fnm')  durch  einen 
und  denselben  Punkt  P  laufen,  wenn  die  Bedingung  (36)  der 
V.  Staudt'schen  Lage  erfüllt  ist. 

Berechnet  man  noch  aus  (34)  die  Koordinaten  der  dritten 
Hauptecken  C,  C: 


Q 


X,+Xg     ji^+ji. 


1 


aj  (^- 


K 


^i+ 


^,i), 


(39) 


sowie  andrerseits  aus  (37),  unter  der  Voraussetzung  11  =  0, 
die  Koordinaten  von  P: 


•  (i^i— 1^)— (K— p-O» 


so  erkennt  man,  daß  die  Gerade  (CC),  auf  der  das  Perspek- 
tivitätszentrum  der  beiden  Hauptdreiecke  unbestimmt  wird, 
durch  das  Perspektivitätszentrum  P  der  beiden  Vierecke  läuft, 
so  daß  auch  in  diesem  Falle  der  allgemeine  Satz  des  §  2  seine 
Gültigkeit  behält.  Somit  lautet  das  Ergebnis: 

VI.  »Besitzen  zwei  eigentliche  Vierecke  derEbene 
mit  getrennten  Ecken  zwei  gemeinsame  Hauptecken 
A,B,  während  die  dritten  Hauptecken  C,  C  getrennt 
sind,  so  ist  eine  dreifache  Zuordnung  beider  Vier- 
ecke möglich.  Hiebei  entsprechen  sich  entweder  A 
undjB  je  selbst  oder  aber  wechselseitig,  oder  endlich 
es  tritt  keines  von  beiden  ein.  Die  beiden  letzteren 
Fälle  befolgen  das  allgemeine  Gesetz  des  §  2  und 
sind  im  übrigen  nicht  als  singulär  anzusehen.  Im 
ersten  Falle,  der  bei  v.  Staudt  zur  Definition  des  Har- 
monischen dient,  ist  für  das  Eintreten  der  v.  Staudt- 
schen  Lage  nur  eine  Bedingung  11  =  0  notwendig  und 
hinreichend, und  diese  Bedingung  fällt  zusammen  mit 
der,  daß  die  vier  Verbindungsgeraden    zugeordneter 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;    XVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  46 


(40) 


688  W.  Fr.  Meyer, 

Ecken  durch  einen  und  denselben  Punkt  P  laufen. 
Dieses  Perspektivitätszentrum  P  beider  Vierecke 
liegt  dann  auf  der  Verbindungsgeraden  der  dritten 
Hauptecken  C,  C« 

Es  erübrigt  der  Fall,  wo  nur  eine  gemeinsame  uod 
zugleich  sich  selbst^  entsprechende  Hauptecke  ^=(fifc)(/«i)  = 
(i'V)(ym')  existiert. 

Man  wähle  B  als  eine  Koordinatenecke  (0,  1, 0),  den 
Schnittpunkt  C=:  (i7),  {Vl^  als  eine  zweite  (0,0,1).  Die  Ecken 
(i),  (lO  seien  die  Punkte  (ahc\  {a'Vc^.  Dann  hat  man  die 
Koordinatentabelle: 


'  ^^'         1  (41) 


l)    {a.b.c+h)]     m)    (a,  fr+X«, 

während  bei  den  zugeordneten  Ecken  die  akzentuierten  Größen 
eintreten.  Die  Bedingungen  der  v.  Staudt'schen  Lage,  daß  sich 
respektive  die  Geraden  {kl),  {k!l')\  {im),  {i'm^;  {km),  {kfn/)  auf 
der  Geraden  g  =  {BC)  treffen,  sind  unter  Beibehaltung  der 
Bezeichnungen  des  §  2: 

Pii  =  0,    pi„t  =  0,    pki-^pim  =  0,  (42) 

deren  linke  Seiten  offenbar  an  die  Identität  geknüpft  sind: 

.  {Pkl+Plm)—Pkl—Plm  ^^  0.  (43) 

Sind  zwei  der  Bedingungen  (42)  erfüllt,  so  auch  die  dritte 
und  es  wird   y^  =  ^  zz:  -^,  d.  i.  ^ik  =  ^/  =  ^,„  =:  q. 

Die  beiden  Vierecke  besitzen  dann  ein  Perspektivitäts- 
zentrum P  mit  Koordinaten  wie  in  §  2: 

P)    a—qa',     b—qV,     c—qd,  (44) 

Andrerseits  ergibt  sich  für  die  beiden  weiteren  Haupt- 
eckenpaare 0^  =  {il),{km),  0[  =  {Vl'),{k!m')  und  0^  =  {im),{kl), 
(y^  =  {i'm'),{k'V): 


1  Der  Fall,  daß  die  gemeinsame  Hauptecke  sich  nicht  selbst  entspricht, 
bietet  wiederum  nichts  Besonderes  dar. 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes. 


689 


( 


Oy)    \a,b,c  + 


hh 


^'^>  {^^''^^y 


oj 


oi) 


u 


(^  +  -^ — — ^ — I  c  + 


(45) 


Aus  (45)  geht  wieder  hervor,  daß  das  Perspektivitäts- 
zentrum  der  Vierecke  mit  dem  der  beiden  Hauptdreiecke 
zusammenfällt. 

Der  besondere  Fall  X*=:X,n  (und  damit  Xi  =  X{„),  respektive 
Xt=z — X^  (und  damit  Xj^zr — X{„)  führt  auf  den  oben  erledigten 
zurück,  da  dann  eine  zweite  gemeinsame  und  sich  selbst 
entsprechende  Hauptecke  Oj  =  0(,  respektive  Og  =  O^  auf  g 
existiert.  Es  gilt  also: 

VII.  »Haben  beide  Vierecke  nur  eine  gemeinsame 
und  sich  selbst  entsprechende  Hauptecke,  so  gilt  der 
v.  Staudt'sche  Satz;  die  beiden  Bedingungen  für  das 
Eintreten  der  v.  Staudt'schen  Lage  sind  zugleich  die 
eines  Perspektivitätszentrums  P  beider  Vierecke  und 
dieses  fällt  mit  dem  der  beiden  Hauptdreiecke  zu- 
sammen.« 


Eine  andere  Klasse  singulärer  Erscheinungen  bietet  sich 
dar,  wenn  beide  Vierecke  eine,  respektive  zwei  entsprechende 
Ecken  gemeinsam  besitzen. 

Es  möge  zuvörderst  nur  eine  gemeinsame  und  sich 
selbst^  entsprechende  Ecke  {i)  =  («0  existieren.  Man  wähle 
diese  als  eine  Koordinatenecke  5(0,1,0),  den  Schnittpunkt 
{lm),{Vm^  als  eine  zweite,  C (0,0,1).  0{a,b,c),  0'{a',V,c') 
seien  die  Schnittpunkte  {Bk),  {Im),  respektive  {BW),  {Vm'), 


1  Entspricht  die  Ecke  (i)  nicht  der  mit  ihr  zusammenfallenden  (/'),  .so 
Hegt  wieder  der  Typus  des  allgemeinen  Falles  des  §  2  vor. 

46* 


690  W.  Fr.  Meyer, 

Die  Voraussetzung  des  §  2  versagt  hier,  da  die  dortigen 
Parameter  X,-,  XJ  jetzt  unendlich  groß  werden.  Dagegen  haben 
die  Ecken  *,  /,  m,  kf,  /',  m'  Ausdrücke  von  der  unter  (5)  an- 
gegebenen Form.  Soll  die  v.  Staudt'sche  Lage  eintreten,  so  daß 
sich  die  Geraden  {kl),  (ä70;  (kni\  (ft'wO  auf  g=BC  begegnen, 
so  hat  man  die  beiden  voneinander  unabhängigen  Be- 
dingungen: 

/7«  =  XA{— X/Xi  =  0,    Pkm^hK—'^'kKt  =  0,        (46) 

Sind  diese  erfüllt,  so  ist  -r^  z=  -yJ-  =:  ^r  >  ^-  '•  9k=^9i=^9m 

=  q  und  die  Vierecke  besitzen  dann  wieder  ein  Perspektivitäts- 
zentrum  P  von  der  Form  (44),  das  auf  der  Verbindungsgeraden 
der  beiden  zugeordneten  Hauptecken  O,  O'  liegt. 

Ein  zweites  Paar  entsprechender  Hauptecken  wird  gebildet 
durch  Ol  =:  (il),  (km);  0[  =  {i'l%  {tfm').  Man  findet  für  sie  die 
Koordinaten : 

00    [a,  &-^(X,-X^),  c-fX,], 

)  (47) 

0[)    [a',y— ^(XJ-X;.),c'.^X{J 

Auf  Grund  von  (46)  gehört  P  auch  der  Geraden  {0^0^  an 
und  das  Nämliche  gilt  von  dem  letzten  Haupteckenpaar  O^,  O'^y 
das  aus  (47)  durch  Vertauschung  von  X/  mit  X,„  entsteht. 


Besitzen  beide  Vierecke  noch  ein  zweites  Paar  zusammen- 
fallender und  sich  entsprechender  Ecken,  etwa  {m)  z=z  (m^,  so 
tritt  nur  eine  geringe  Modifikation  ein. 

Seien  5  =  (f)  =  (tO  =  (0,1,0)  und  C=(w)  =  (fifO  =  (0,0, 1) 
zwei  Koordinatenecken  und  0(abc\  0'{a'Vc^  die  Schnitt- 
punkte (5*),  (C/)  und  (ßkf),  (Cl').  Die  Koordinaten  der  Ecken 
(Jfe),  (/),  (äO,  (/O  sind  wieder  von  der  Form  (8)  in  §  2. 

Die  V.  Staudt'sche  Lage,  die  aussagt,  daß  sich  (i/),  (Jf/O 
auf  .<  =  BC  in  einem  Punkte  Pki  treffen,  erfordert  die  einzige 
Bedingung  pui  =  0,  d.  i.  qt^=z  qiz=  q,  und  wenn  diese  erfüllt 
ist,  existiert  wieder  ein  Perspektivitätszentrum  P  beider  Vier- 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  69 1 

ecke  von  der  Form  (44).  Ein  erstes  Paar  zugeordneter  Haupt- 
ecken besteht  aus  O,  0';  ein  zweites  fallt  in  P«,  und  für  das 
dritte  Paar  O^,  Og  erhält  man  die  Darstellung: 

OJ  (a,  b+h,  c^h);     OiJ  (a',  y+X4,  c'+XJ).         (48) 

Mit  Rücksicht  auf  pki  =  0  ist  also  P  der  Schnittpunkt 
von  (00% (0^0^,  Somit  ist  das  Ergebnis: 

VIII.  »Besitzen  beide  Vierecke  ein  einziges  Paar 
zugeordneter,  zusammenfallender  Ecken,  so  sind  die 
beiden  für  das  Eintreten  der  v.  Staudt'schen  Lage 
erforderlichen  und  hinreichenden  Bedingungen  von- 
einander unabhängig,  und  sind  zugleich  die  für  die 
Existenz  eines  Perspektivitätszentrums  P  beider 
Vierecke,  das  dann  mit  dem  Perspektivitätszentrum 
beider  Hauptdreiecke  zusammenfällt.  Existiert  noch 
ein  zweites  Paar  zugeordneter,  zusammenfallender 
Ecken,  so  tritt  nur  die  eine  Änderung  ein,  daß  sich 
die  obigen  zwei  Bedingungen  der  v.  Staudt'schen 
Lage  auf  eine  einzige  reduzieren.« 

Der  Fall  VIII  ist  insofern  bemerkenswert,  als  bei  ihm  der 
V.  Staudt'sche  Satz  seine  Eigenart  verliert;  in  der  Tat  zieht 
hier  das  Sichtrefifen  von  fünf  Paaren  entsprechender  Seiten 
beider  Vierecke  auf  einer  und  derselben  Geraden  g  die  nämliche 
Eigenschaft  des  sechsten  Paares  nicht  mehrnach  sich. 


Die  bisher  verwendeten  Hilfsmittel  reichen  auch  aus,  um 
die  Fälle  zu  diskutieren,  wo  nicht  mehr  sämtliche  Ecken  beider 
Vierecke  reell  sind;  auf  die  Aufzählung  der  einzelnen  hiebei 
auftretenden  Möglichkeiten  soll  indessen  verzichtet  werden. 

§  5.  Die  notwendigen  und  hinreichenden  Bedingungen  für  die 

V.  Staudt'sche  Lage  zweier  Vierecke. 

Das  Gesamtergebnis  der  bisherigen  Entwicklungen  war, 
daß  stets,  wenn  sich  zwei  eigentliche  Vierecke  einer  Ebene  in 
V.  Staudt'scher  Lage  befinden,  sie  auch  ein  Perspektivitäts- 
zentrum P  besitzen,  und  dieses  zugleich  ein  Perspektivitäts- 
zentrum der  beiden  Hauptdreiecke  ist;  wird  im  besondem  das 


692 


W.  Fr.  Meyer, 


letztere  auf  einer  Geraden  unbestimmt,  so  läuft  diese  durch  P 
hindurch. 

Wir  denken  uns  jetzt  umgekehrt  die  Bedingungen  der 
Perspektivität  beider  Vierecke  bereits  erfüllt,  so  daß  die  Ver- 
bindungsgeraden zugeordneter  Ecken  (i/'),  (ifcjfe'),  (//'),  {mm^ 
durch  einen  und  denselben  Punkt  P  gehen,  und  fragen  nach 
einer  weiteren*  notwendigen  und  hinreichenden  Bedingung  für 
das  Eintreten  der  v.  Staudt*schen  Lage.  Das  Koordinatendreieck 
sei  vorderhand  beliebig. 

Sei  P  (a,  &,  c)  das  Perspektivitätszentrum  der  beiden  Vier- 
ecke; die  Ecken  iyk,l,fn  des  ersten  Viereckes  mögen  die 
Koordinaten  a„  fe/,  c,  {i  =  i,  k,  /,  m)  besitzen,  dann  haben  die 
der  zugeordneten  Ecken  i\  V,  l',  m'  des  zweiten  Viereckes 
Koordinaten  von  der  Form  aX/+ai,  Z?X,-f-&i,  rXj-f-c:,-. 

Die  Koordinaten  der  Geraden  (P,i)  =  ^,-,  d.  s.  die  Determi- 

a   ^   c  ' 

I ,  nennen  wir  «,,  t;,,  w,;  die  Koordi- 

Ui  bi  Ci. 

naten  der  Geraden  g^c  =  (i,  *),  gU  =  (4  V)  seien  mit  «,*,  i;«,  Wi», 
respektive  w/^,  t;^,  fv%k  bezeichnet,  und  endlich  die  ihres  Schnitt- 
punktes Pik  mit  Xikyyik,  Zik. 

Die    »rt,  i;/t,  fUik    sind    die    Determinanten    der    Matrix 
Ui  bi  Ci 


nanten  der  Matrix 


Ä*  bk  Ck 


,  die  «i/t,  i;/jk,  w/*  diejenigen  der  Matrix 

a  \i  -^ai,     b  "ki  +  bif     cXi  -f-r,- 
ah+aky     b\k+bky     cXk-^c^ 


oder  entwickelt: 


Uik  +X/%— Xjfe«, 
t'i*  +X,t;ik— Xtt;, 


(49) 


Hieraus  erhält  man  die  Koordinaten  ^/ifejjv«,  2i*  von  P,*, 
z.  B.  Xik', 


Xik  =  X| 


Vik     Vk 
fVik   Wk 


—h 


Vik     Vi 
fVik   Wi 


1  Die  in  §  4  behandelten  Fälle,  wo  eine  weitere  solche  Bedingung  über- 
flüssig ist,  bleiben,  als  erledigt,  im  folgenden  ausgeschlossen. 


Behandlung  eines  v.  Staudt*schen  Satzes. 


693 


oder,  wenn  man  sich  der  Abkürzung  bedient: 


^ik  = 


b  c 
bi  d 
bk    Ck 


(50) 


nach  einfacher  Umrechnung: 


Xik  =  iiik(}^iak—\itai), 
ya  =  ^ik(^ibjt—hbi)y 

oder  auch,  da  für  eigentliche  Vierecke  A^^^O:^ 

^1*  =  h^k — ^k^i,    yik  =  \bk — y^kbi,    Zik  =.  hCk — ^*^j.     (51) 

Aus  (51)  ist  unmittelbar  ersichtlich,  daß  die  Determinante 
der  Koordinaten  von  P,*,  P«,  Ph  verschwindet,  wie  es  sein 
muß,  da  die  Dreiecke  (i,  k,  l)  und  (i',  kf,  l')  perspektiv  liegen. 

Sei  p^  die  Perspektivitätsachse  beider  Dreiecke;  versteht 
man  unter  (kbc)ni  die  Determinante: 


(kbc) 


m 


\i     Xjfc     X/ 
bi     bt     bi 

Ci       Ck       Ci 


(52) 


so  ergeben  sich  auf  Grund  von  (51)  die  Koordinaten  Um,Vm,Wm 
von  p^  als: 

U„,  =  (kbcU     V„,  =  (kcaU     W„,  =  (kab)^.        (53) 


Bildet  man  daher  die  Determinante: 


A  =:  li dby^iCikbiC 


mj 


(54) 


so  sind  die  Koordinaten  Umy  Vf„,  W^  von  p^  proportional  den 
ersten  Minoren  km,  B,„,  F,«  der  Elemente  a^,  &m,  ^m  von  A,  so 
daß  die  Gleichung  von  p^  wird: 

1  Es  kann  hn  besonderen  vorkommen^  dafl  ein  einzelnes  der  A^^^,  z.  B.  A^q, 
verschwindet,  wenn  nämlich  die  beiden  Punktepaare  (11')»  (22')  auf  der  näm- 
lichen Geraden  liegen.  Von  den  übrigen  A  kann  dann  eventuell  auch  noch  A34 
verschwinden,  während  die  vier  verbleibenden  A  wieder  von  Null  verschieden 
sind.  Die  Schlufiweise  des  Textes  wird  dadurch  nur  unwesentlich  modifiziert. 


L^-i: 


Pm  =- 


w. 

Fr.  Meyer, 

X,- 

\k     h     0 

Äi 

ajt    ai    X 

h 

bk    bi    y 

Ci 

Ck      Ci      z 

=  0. 


(55) 


Die  Bedingungen  des  Zusammenfallens  zweier  Geraden 
/*/.  Pm  bestehen  in  dem  Verschwinden  der  Determinanten  der 
Matrix : 

A,    B,    r, 


A».     B 


=  0. 


(56) 


'fft 


m 


m 


Nach  einem  elementaren  Determinantensatz  ist  aber  z.  B.: 


A;        B;    I  ^  ^     X,       \ 


'm 


B 


>  =  tiZik. 


m 


Ci       Ck 


(57) 


Solange  also  A  (54)4=0,  ist  der  Schnittpunkt  der  Geraden 
PhPm  der  Punkt  P,*  (51).  In  der  Tat  kommt  ja  bei  beiden  Drei- 
eckspaaren (ikl)y  {i'Ül^  und  (ikm),  (i'kfm')  der  Schnittpunkt 
(ik),  {i'V)  z=z  Pa  vor. 

Verschwindet  aber  A  und  nur  dann,  so  wird  der  Schnitt- 
punkt von  irgend  zweien  der  vier  Dreiecksperspektivitäts- 
achsen  pi  unbestimmt,  d.  h.  diese  vier  Achsen  fallen  in  eine 
einzige,  die  Perspektivitätsachse  p  beider  Vierecke,  zusammen. 
In  der  Tat  gilt  für  A  =  0: 

A„,:B^:r«  =  A,:B/:r/  =  A,:B*:r,  =  A/:B,:r,    (58) 

und  die  rechten  Seiten  (55)  von  pm,  Ph  Pk,  Pi  werden  einander 
proportional. 

Gibt  man  dem  Koordinatendreieck  eine  kanonische  Lage, 
so  daß  die  Ecken  x,  ft,  /,  m  die  Einheitspunkte  werden  —  also 
das  Koordinatendreieck  das  Hauptdreieck  des  ersten  Vier- 
eckes —  nach  dem  Schema; 


i 

k 

; 

m 

1 

\ 

0 

0 

1 

0 

1 

0 

1 

0 

0 

ii 

(59) 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  695 

SO  nimmt  A  (54)  den  einfachen  Wert  an: 

A  =  — X/+X»+X/-f.X^  (60) 

und  für  A  =  0  wird  die  Gleichung  der  Perspektivitätsachse  p: 

^(X/+X«)+>'(X^+X0+2(Xjk+X/)  zz  0.  (61) 


Nunmehr  werden  die  linken  Seiten  der  Bedingungen  auf- 
gestellt, daß  irgend  drei  der  sechs  Punkte  P,*  auf  einer  Geraden 
liegen.  Da  der  Typus  (P,*,  P/,-,  P«)  schon  erledigt  ist  (die 
betreffende  Bedingung  ist  identisch  erfüllt),  so  verbleiben  noch 
zwei  Typen:  (P,*,  P,;,  P,m)  und  (P,*,  P/^,  P/,). 

Auf  Grund  von  (51)  kommt  ohneweiters: 

(P,*,  P,v,  Pim)  =  X?A;  (62a) 

(P^*,  P/m,  P//)  =  XA*A.  (62  &) 

Mit  Rücksicht  auf  (57)  und  (62)  gilt  also  der  Satz: 

IX.  »Liegen  zwei  Vierecke  (iklm),  {i'VVtf^  einer 
Ebene  perspektiv,  so  daß  die  Verbindungsgeraden 
(i»'),  (ktf),  (11%  (mm')  zugeordneter  Ecken  durch  einen 
und  denselben  Punkt  P  laufen,  so  ist  für  das  Ein- 
treten der  V.  Staudt'schen  Lage  notwendig  und  hin- 
reichend, daß  entweder  irgend  zwei  der  vier  Perspek- 
tivitätsachsen  der  Dreieckspaare  (/*/),  (i'kfl')  u.  s.  f. 
zusammenfallen  oder  daß  von  den  sechs  Punkten 
Pii=:(ik),(i'kr)  irgend  drei  Punkte  des  Typus  Pik,  Pu,  Pim 
oder  aber  des  Typus  Pik,  Pimy  Pn  auf  einer  Geraden 
liegen. 

In  allen  drei  Fällen  ist  dann  die  betreffende 
Gerade  die  Perspektivitätsachse  p  beider  Vierecke.« 

Nunmehr  schreiten  wir  zur  Bedingung  für  die  perspective 
Lage  beider  Hauptdreiecke. 

Behufs  Kürzung  der  Rechnung  bedienen  wir  uns  der 
kanonischen  Lage  (59)  des  Koordinatendreieckes,  das  zugleich 
das  erste,  durch  Oi*,  O,/,  0,m  bezeichnete  Hauptdreieck  dar- 
stellt. Dann  führt  einfache  Rechnung  zu  folgenden  Tabellen. 


696 


W.  Fr.  Meyer, 


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Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes.  697 


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11 

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II 

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CO 

CD 


^  T  +  5  j. 

^  :^  7  -^  ' 

^-^  ^  Ä  'r'  Ä 

+  +  +  +  + 

Ä  ^  Ä  '^  S- 

^  r<  f<  ^  r< 

+  +  +  +  + 

-^  ^  -^  CVJ  C^l 

II  II  II  II  II 


698  W.  Fr.  Meyer, 

SO  daß  zwischen  den  Ausdrücken  ^k,  ^i,  \hn9  M  die  Relation 
herrscht: 

2  Af— ([i*+|t/-f-|tm)  =  1,  (64) 

und  berücksichtigt,  daß  durch  gleichzeitige  Vertauschung  von 
b  mit  c,  X/  mit  X,„  der  Wert  von  c^  in  den  von  yU  übergeht 
u.  s.  f.,  so  gewinnt  man  für  die  bei  der  vorliegenden  Frage 
allein  in  Betracht  kommenden  Koordinaten  jv/*,  zU,  z'u,  x'n, 
Xifn,y!m  der  Hauptecken  Oä,  O//,  Olm  die  Werte: 


yU  =  ^ic—b[Lk)'hb(kl^^Xnt)M 
zfk  =  A(^  — cfi.*)+r(X/+X«)Af 

x'ii  =r  A(r — a(i./)+a(X„+X;t)3f 
x'un  =  Mb—a^n)+a(kk+h)M 
y!,n  =  A(a— &[!,„)+&  (Xt4-X;)Af 


11 
} 


] 


(65) 


Die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung  für  die 
Perspektive  Lage  beider  Hauptdreiecke  wird  geliefert  durch  das 
Verschwinden  des  Ausdruckes  P: 

P  =  ^ik  xhyL—yh  zin  xU .  (66) 

Dieser  Ausdruck  ist  vom  dritten  Grade  in  A;  wie  man 
jedoch  sofort  erkennt,  verschwindet  das  freie  Glied,  so  daß  der 
Faktor  A  heraustritt. 

Damit  ist  zunächst  von  neuem  der  erste  Teil  des  Satzes  II 
des  §  2  bewiesen,  daß  sich  bei  der  v.  Staudtschen  Lage  zweier 
Vierecke  einer  Ebene  auch  die  beiden  Hauptdreiecke  in 
perspektiver  Lage  befinden. 

Weiter  erhält  man  aus  je  zwei  zusammengehörigen  der 
Gleichungen  (65)  durch  Elimination  von  M: 

cy!,-bz!,  =  ^(b^-c^,\ 
hxl^—ayU  =  A(a2— &2),  >  (67) 

az't — cxli  =:  A(c:* — a^.  ] 

Bei  der  gewählten  Lage  des  Koordinatendreieckes  sind  die 
drei  Differenzen  b^ — c\  a^ — ?>*,  c^ — a^  von  Null  verschieden. 

Somit  folgt  aus  (67)  nicht  nur  der  zweite  Teil  des  Satzes  II 
des  §  2,  daß  bei  der  v.  Staudt'schen  Lage  zweier  Vierecke 


Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes. 


699 


deren  Perspektivitätszentrum  mit  dem  der  beiden  Hauptdreiecke 
zusammenfällt,  sondern  auch  der  engere  Satz: 

X.  »Für  das  Eintreten  der  v.  Staudt'schen  Lage 
zweier  Vierecke  einer  Ebene  ist  notwendig  und  hin- 
reichend, daß  einmal  die  Verbindungsgeraden  zu- 
geordneter Ecken  durch  ein  Perspektivitätszentrum  P 
laufen,  sodann,  daß  irgend  eine  einzelne  der  Ver- 
bindungsgeraden zugeordneter  Hauptecken  durch  P 
geht« 

Schließlich  ist  der  ergänzende  Satz  für  die  gemeinsame 
Perspektivitätsachse  der  Vierecke  und  ihrer  Hauptdreiecke 
abzuleiten.  Dazu  bedarf  man  noch  der  jeweiligen  dritten 
Koordinate  ^/t,J///,«/m  der  Punkte  04,  0//,  OL-  Die  Tabelle  (Z>) 
ist  daher  noch  zu  ergänzen  durch  die  Werte  (bei  denen 
wiederum  der  Faktor  2  unterdrückt  ist): 


Vik 

Vltn 

fVik 

fVim 

Vik 

Vi 

i  mk  wi 

^Vi„, 

Vi 

^Im 

fVi 

=  -4, 


=  2a-f-fc — c, 


=  2a— &— t:. 


=  — 2a+b—c, 


=  2a+b  +  c. 


(DO 


Vik     Vm 
Wik  W^ 

VlmVk 
fVimn^k 

Auf  Grund  von  (49)  und  der  Tabellen  (-4), . . .  (D^  gewinnt 
man  z.  B.  für  Xijt  die  Darstellung: 

—x!m  =  4+2a(X.— Xft+X/+X,„)-f-(&+^)(X,-f-Xk— X/-f-X^) 

-^a{a(X,— XA)(X/+X«)+&(X,X^+X*X/)+r(X,X,+X4X«)}.     (68) 

Hier  ist  der  in  geschweiften  Klammern  eingeschlossene 
Faktor  von  a  schon  oben  bei  zU  betrachtet  worden ;  er  hat  den 
Wert  A(l — fijk)-^-(Xjk-<-X«)(ilf — 2).  Drückt  man  auch  in  dem 
übrig  bleibenden  Teile  der  rechten  Seite  von  (68)  vermöge  (60) 
X,-  durch  A  und  X*,  X/,  X^  aus,  so  erfährt  (68)  die  Umgestaltung: 

—xlk  =  —^(a+b'^C'ha]l.k)+M{a(kl'hlm)'^2}.      (680 

Entsprechendes  gilt  für  die  yli^zltn*  Setzt  man  noch  zur 
Abkürzung: 

a-^b'hc  =  s,    X,+X;„=:v*,    X,„+X*  =  v;,     X*-<-X/ =  Vm,     (69) 


<650 


700  W.  Fr.  Meyer,  Behandlung  eines  v.  Staudt'schen  Satzes. 

SO  vervollständigt  sich  die  Tabelle  (65)  zu  der  folgenden: 

x'  y' 

Oll)      A(c—a\ii)'ha^iM,  — A(5+i?{t/)4-Jtf(&v/4-2), 

0}m)       ^(b—a\inn)'^ayfnMy  £i(a'^b^m)+bVfnM, 

z' 

0!k)      Mp—c^k)-^c^kM 
Oll)      A(fl — c^i)'^c^iM 
OL)  — A(5-f-c(t;^)+Af(cv,„+2). 

Hieraus  entnimmt  man  sofort  die  Gleichungen  der  Haupt- 
geraden des  zweiten  Hauptdreieckes.  Man  hat  z.  B.  für 
(Oü,  OL)'. 

{Oh,  OL):  — :«^(6v/+^v^-h2)4-a>v/+a5v,n  =  0.         (70) 

Der  Schnittpunkt  dieser  Hauptgeraden  mit  der  zugeordneten 
(O//,  0,',„)  i.  e.  X  =  0  des  ersten  Hauptdreieckes  bestimmt  sich 
somit  durch:  ^^^^^^     .  =  _v;.  (71) 

Dieser  Punkt  liegt  aber  auf  der  Geraden  (61),  d.  i.  der 
Perspektivitätsachse  beider  Vierecke.  Damit  ist  der  Satz  III 
des  §  2  von  neuem  bewiesen  und  zugleich  vervollständigt. 

XI.  »Im  Falle  der  v.  Staudt'schen  Lage  zweier 
Vierecke  einer  Ebene  fällt  die  Perspektivitätsachse 
der  beiden  Vierecke  mit  der  der  beiden  Haupt- 
dreiecke zusammen;  es  ist  indessen  bereits  hin- 
reichend, daß  sich  auf  der  als  existierend  voraus- 
gesetzten Perspektivitätsachse  beider  Vierecke 
irgend  ein  einzelnes  Paar  entsprechender  Haupt- 
geraden trifft.« 

Im  vorstehenden  ist  mit  den  einfachsten  Hilfsmitteln  ein  die 
V.  Staudt'sche  Lage  zweier  Vierecke  einer  Ebene  unter  Berück- 
sichtigung aller  besonderen  Fälle  beherrschender  algebraischer 
Apparat  hergestellt. 

Es  sei  dem  Leser  überlassen,  hieraus  weitere  Eigenschaften 
der  für  den  Aufbau  der  projektiven  Geometrie  fundamentalen 
Konfiguration  abzuleiten. 


701 


üntersuehungen  über  radioaktive  Substanzen. 

(X.  Mitteilung). 
Ober  die  Zerfallskonstante  von  Radium  D 

von 

Dr.  Stefan  Meyer  und  Dr.  Egon  Ritter  v.  Schweidler. 

Aus  dem  Institut  für  theoretische  Physik  und  dem  II.  physikalischen  Institut  der 

k.  k.  Universität  in  Wien. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  2.  Mai  1907.) 

Über  die  Zerfallsgeschwindigkeit  von  Radium  D,  des 
primären  Bestandteiles  des  Radioblei,  liegen  bisher  nur  spärliche 
Angaben  vor.  E.  Rutherford*  fand  aus  dem  Vergleiche  der 
ß-Strahlung  von  RaC  mit  derjenigen  von  RblE  (eigentlich  RaJE2) 
für  die  Halbierungskonstante  des  RaZ)  zirka  40  Jahre,  ein 
Wert,  an  dem  er  noch  in  neuester  Zeit*  keine  Änderung 
angebracht  hat.  Wir  fanden'  aus  dem  Vergleiche  der  a-Strahlung 
von  RaC  mit  derjenigen  von  Polonium  (RaF)  den  niedrigeren 
Wert  von  zirka  24  Jahren,  der  bei  Berücksichtigung  der 
verschiedenen  ionisierenden  Wirkung  der  beiden  Strahlenarten 
noch  zu  verkleinern  gewesen  wäre.  Da  aber  die  Versuchs- 
bedingungen für  diese  Bestimmungen  nicht  gut  vergleichbar 
waren,  maßen  wir  unserer  Zahl  kein  entscheidendes  Gewicht  bei. 

Wir  sahen  uns  jedoch  dadurch  veranlaßt,  der  Frage  weiter 
nachzugehen,  um  unmittelbar  nach  beiden  Methoden  (Verhältnis 
der  a-Strahlungen  und  Verhältnis  der  ß-Strahlungen)  direkt 
vergleichbare  Resultate  zu  erhalten. 


1  E.  Rutherford,  Radioaktivity,   2.  Aufl.,  p.  405  und  409  (1905);  Phil, 
mag.  (VI),  8,  p.  641  (1904). 

2  E.  Rutherford,  Phil.  mag.  (VI),  13,  p.  112  (1907). 

3  St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler,  diese  Sitzungsberichte,  US,   IIa, 
709  (1906). 


702  St  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 

Theorie  der  Versuche. 

In  einem  abgeschlossenen  Räume»  dessen  Gehalt  an 
Radiumemanation  konstant  sei,  werde  ein  Körper  durch  eine 
Zeit  A  aufbewahrt,  dann  aus  diesem  Räume  entfernt  und  auf 
seine  Aktivität  geprüft.  Bereits  wenige  Stunden  nach  dem 
Beginne  der  Expositionszeit  befindet  sich  auf  der  Oberfläche 
des  Körpers  eine  Menge  von  Ra  C,  die  mit  Q  bezeichnet  werden 
soll  und  die  weiterhin  bis  zum  Herausnehmen  des  Körpers  aus 
dem  emanationshaltigen  Räume  konstant  bleibt. 

Bezeichnet  t  die  mittlere  Lebensdauer  des  nächstfolgenden 
Umwandlungsproduktes,  Rai),  so  ist  inzwischen  eine  Menge 
von  RslD  gebildet  worden,  die  gegeben  ist  durch 

-A  A 

D^  =.  -Doo(l — ^    0  =  annähernd  Dqo , 

t 

wenn  A  klein  gegen  t  ist.  [Die  Abweichung  des  Näherungswertes 

/A\2 
ist  von  der  Größenordnung  I  —  1  ].  Doo  bezeichnet  dabei  jene 

Menge  von  RaZ),  die  bei  unendlich  langer  Expositionszeit 
gebildet  würde,  also  mit  der  Menge  Q  von  Radium  C  im 
radioaktiven  Gleichgewichte  steht. 

Ist  A  zugleich  groß  gegen  die  mittlere  Lebensdauer  von 
Ra£  (beziehungsweise  RslE^  und  RaJSs),  so  kann  die  Menge 
dieses  Produktes  E^,  die  sich  in  der  Zeit  A  gebildet  hat,  auf- 
gefaßt werden  als  mit  der  Menge  D^  im  Gleichgewicht  stehend. 
Bezeichnet  man  weiters  mit  £oo  jene  Menge,  die  mit  Dqo  und 
daher  auch  mit  Cq  im  Gleichgewichte  stehen  würde,  so  ist 

£a  =  —  jBoo. 

Für  Polonium  (Ra.F)  ist  infolge  seines  langsameren 
Zerfalles  eine  analoge  Annahme  nicht  mehr  zulässig.  Zur 
Zeit  A  ist  eine  Menge  Fi  gebildet,  die  gegeben  ist  durch  die 
Formel: 


Fl  =  Fi[l-- 


g-yy 


XA 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen.  703 

Hierin  ist  wieder  F^  jene  Menge,  die  mit  D\  im  Gleich- 
gewicht stünde;  X  die  Zerfallskonstante  von  Polonium  (RaF). 
[Für  die  Halbierungskonstante  des  Polonium  HC=i  138-6  Tage, 
die  dem  gefundenen  Mittelwerte  sehr  nahe  liegt,*  wird  X  gerade 

gleich  5*00. 10~' ].  Man  erhält  diese  Formel,  indem  man 

Tage 

unter  Vernachlässigung  der  kurzlebigen  Zwischenphasen  Ra£^ 
und  RaE^,  die  aus  der   nahezu   linear  ansteigenden  Menge 

Doo 

Dt  = 1  gebildete  Menge  F'  gleichsetzt: 

A 


und 


-P 


Fi=  l    a  —  -  e-^(^-'>dt 


/'i  =  -f  Z)i. 

Jene  Menge,  die  mit  Dqo  und  Q  im  Gleichgewicht  steht, 

ist  dann  —  F^=:  Foo- 
A 

Es  sind  also  Q,  Dqo,  ^oo  und  Foo  die  Mengen  der 
aufeinanderfolgenden  Zerfallsprodukte,  die  im  Verhältnisse  des 
radioaktiven  Gleichgewichtes  stehen  würden. 

Tatsächlich  sind  am  Ende  der  Expositionszeit  A  vorhanden 
die  Mengen: 


von  Radium  C Q 


A 


D Z>A=— Z>oo 

r 


•  »        E E^  =  —  E 


A  ^ 

X 


» 


t         V  XA     / 


Nach  Beendigung  der  Expositionszeit  A  sinkt  dann  die 
Menge  von  RaCab  nach  der  Curie-Danne'schen  Formel,*  D  und 

1  Vcrgl.  st  Meyer  und  E.  v.  Seh  weidler,  Jahrb.  der  Radioaktivität  und 
Elektronik,  III,  394  (1007). 

2  Vergl.  den  Anhang. 

Sitsb.  d.  mathem.-natunft'.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  47 


704  St.  Meyer  und  E.  v,  Schweidler, 

damit  E  bleiben  praktisch   konstant,   F  steigt  infolge  Nach- 
erzeugung noch  langsam  an. 

Geht  man  von  der  vereinfachten  Annahme  aus,  daß  die 
verschiedenen  radioaktiven  Substanzen  für  den  Zerfall  jedes 
Atomes  bei  gleicher  Strahlenart  (a-,  respektive  ß-Strahlung)  die 
gleiche  ionisierende  Wirkung  hervorbringen,  mit  anderen 
Worten,  daß  die  verschiedenen  Umwandlungsprodukte  im 
radioaktiven  Gleichgewichte  die  gleiche  Strahlungsintensität,  /, 
besitzen,  so  folgt  aus  obigen  Formeln : 

MC,)=-^ME,)      oder      t^aÄI 


und 


MC,)=--MF,)     oder      ^  =  ^^^. 


Berücksichtigt  man  aber,  daß  je  ein  a-,  beziehungsweise 
ß-Partikel  je  nach  der  Anfangsgeschwindigkeit,  die  bei  den 
verschiedenen  Substanzen  verschieden  ist,  auch  eine  ver- 
schiedene Anzahl  von  Ionen  erzeugt,  so  gehen  die  Formeln 
über  in: 

-'' Jp(£).*(p,C)~      Ja{F),k{aL,Cy 

wobei  k  die  Anzahl  der  Ionen  bezeichnet,  die  je  ein  Partikel 

(a  oder  ß)  der  betreffenden  Substanz  im  Versuchsraum  erzeugt. 

j 

—     ist    dann   die   Anzahl    der   pro   Zeiteinheit    zerfallenden 
k 

Atome. 

Für  die  a-Strahlung  läßt  sich  nun  diese  Korrektur  leicht 
durchführen,  wenn  man  dem  Versuchsraum,  in  dem  die  ioni- 
sierende Wirkung  der  Strahlen  gemessen  wird,  derartige 
Dimensionen  gibt,  daß  die  a-Strahlen  vollkommen  in  der  Luft 
absorbiert  werden.  Aus  der  von  Mc  Clung^  angegebenen 
Kurve  für  die  lonisierungsstärke  der  a- Strahlen  des  RaC 
(Range  =  zirka   7  cm)   in   verschiedener   Entfernung  von  der 


1  Mc  Clung,  Phil.  mag.  (VI),  11,  p.  131  (1906). 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen.  705 

Strahlenden  Oberfläche  und  der  übereinstimmenden  Angabe 
verschiedener  Autoren,  daß  der  Range  der  Poloniumstrahlen 
4  cm  betrage,  berechnet  sich  auf  graphischem  Wege  das  Ver- 
hältnis: 

k  (a,  C)        26  •  1 

Der  nach  der  ersten  vereinfachten  Methode  gefundene 
Wert  wird  also  hier  durch  die  Anwendung  der  exakteren  Formel 
verkleinert. 

Bei  der  ß- Strahlung  dagegen  ist  diese  Rechnung  praktisch 
kaum  durchführbar.  Da  nämlich  die  ß-Strahlung  im  Versuchs- 
raum nur  teilweise  absorbiert  wird,  ist  k  abhängig  von  den 
Dimensionen  dieses  Raumes  und  bei  gegebenen  Dimensionen, 
falls  diese  nicht  sehr  groß  sind,  größer  für  eine  weiche  als  für 
eine  harte  ß-Strahlung.  Da  nun  RslE  eine  relativ  sehr  weiche, 
hingegen  RaC  eine  harte  ß-Strahlung  aussendet,  wird  die 
exaktere  Formel  zu  einem  höheren  Werte  der  mittleren  Lehens- 
dauer führen  als  die  vereinfachte  erste  Formel.  Eine  genauere 
Berechnung  des  Verhältnisses  der  beiden  k  scheitert  aber  daran» 
daß  die  ß-Strahlung  von  RaC  nicht  homogen  ist,  also  keinen 
definierten  Absorptionskoeffizienten  besitzt.  Ferner  ist  zu  be- 
rücksichtigen, daß  an  der  beobachteten  ionisierenden  Wirkung 
auch  die  an  den  Wänden  des  Versuchsgefößes  durch  die 
ß-Strahlung  erzeugten  Sekundärstrahlen  in  einem  nicht  ab- 
schätzbaren Betrage  beteiligt  sind,  endlich  daß  nach  den 
neueren  Untersuchungen  die  ß-Strahlung  von  RslB  nicht  voll- 
kommen vernachlässigt  werden  darf. 

Aus  diesen  Überlegungen  ergibt  sich  von  vornherein,  daß 
die  auf  die  Messung  der  a-Strahlen  von  RaC  und  Rai* 
gegründete  Berechnung  zu  verläßlicheren  Werten  füi 
die  mittlere  Lebensdauer  von  RslD  führt  als  diejenige 
die  auf  die  Messung  der  ß-Strahlen  von  RaCund  RaE'g 
gegründet  ist. 

Versuchsergebnisse. 

Im  geschlossenen  Gefäße,  zusammen  mit  zirka  O'bg 
Radium-Bariumbromid  ('schätzungsweise  zirka  G07o  Radium- 

4"* 


I  • 


706  St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 

bromid,  40%  Bariumbromid)  wurde  ein  Platinblech  durch  eine 
Expositionszeit  A  =:  263  •  6  Tage  aufbewahrt. 

Nach  dem  Herausnehmen  aus  dem  AktivierungsgefäO 
wurde  das  Platinblech  in  drei  Stücke  I,  II,  III  zerschnitten,  und 
zwar  unter  Anwendung  größtmöglicher  Vorsicht,  damit  hiebe! 
nicht  auf  mechanischem  Wege  ein  Verlust  des  an  der  Ober- 
fläche niedergeschlagenen  radioaktiven  Belages  eintrete.  I  wurde 
unbedeckt  bezüglich  seiner  Gesamtstrahlung,  III  in  dreifacher 
Umhüllung  von  Stanniol  (Gesamtdicke  =  0*0318  mw  Sn)  be- 
züglich seiner  ß-Strahlung  untersucht;  II  diente  bloß  zu  Kontroll- 
versuchen; seine  Gesamtstrahlung  war  ungefähr  die  gleiche 
wie  die  von  I,  seine  ß-Strahlung  ebenso  ungefähr  gleich  der 
des  Stückes  III.  Aus  den  beiden  Werten  folgte,  daß  bei  Ver- 
suchsstück I  die  ß-Strahlung  gegenüber  der  Gesamtstrahlung 
vernachlässigt  werden  konnte. 

Bei  der  großen  Intensität  der  vorhandenen  Strahlung 
konnte  zu  ihrer  Messung  eine  galvanometrische  Methode  an- 
gewendet werden;  für  die  hohen  Anfangswerte  der  qt-Strahlung 
bei  Stück  I  wurde  direkt  der  Dauerausschlag  des  Galvano- 
meters (1  Pars  =  3'31 .  10~*®  Ampere)  beobachtet  bei  einer 
Spannung  von  zirka  1500  Volt,  die  nach  Kontroll  versuchen 
ausreichte,  um  Sättigungsstrom  zu  erzielen.  Die  kleineren 
Werte  des  Stromes  für  die  a-Strahlung  von  I,  nach  dem  Ver- 
schwinden von  Ra  C  sowie  diejenigen  für  die  ß-Strahlung  von 
Stück  III  wurden  nach  einer  ballistischen  Methode  bestimmt. 
Der  Strom  führte  durch  eine  gemessene  Zeit  einem  Glimmer- 
kondensator von  I  Mikrofarad  Kapazität  und  zu  vernachlässi- 
gender Leitung  und  Rückstandsbildung  eine  Ladung  zu,  die  dann 
durch  das  Galvanometer  entladen  und  durch  den  ballistischen 
Ausschlag  gemessen  wurde  (ballistisch  1  Pars  =  13-9. 10"^** 
Coulomb). 

Die  unmittelbaren  Ergebnisse  der  Messung  waren  die 
folgenden: 

1 .  a-Strahlung  von  Stück  I. 

Wird  die  Zeit  t  vom  Moment  der  Entnahme  aus  dem 
Aktivierungsgefäß  gerechnet,  so  war: 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen.  707 

für  /  =    23  Minuten 7  =  227  Partes 

60        »        131 

120        »         40 

>24  Stunden 2-95 

Indem  man  diesen  Restwert  gleich  der  Strahlung  von  Fi 
setzt  und  mittels  der  Curie-Danne'schen  Kurve  (vergl.  die 
Tabelle  des  Anhanges)  aus  den  ersten  drei  Werten  den  Betrag 
der  Ra  C-Strahlung  für  /=:0  extrapoliert,  erhält  man 

Co  =  253,  beziehungsweise  256  und  264;  im  Mittel:  257. 

Femer  findet  man: 

1  Fi 

1 ^-XA  0'44o 

1 

XA 

und  daraus  nach  der  ersten  vereinfachten  Annahme  gleicher 
ionisierender  Wirkung  der  verschiedenen  Produkte  die  mittlere 
Lebensdauer: 

t  =  A ^  =  10270  Tage  =  28- 1  Jahre 

und  daraus  die  Halbierungskonstante  HC  =  19' 5  Jahre. 

Unter  Berücksichtigung  der  geringeren  ionisierenden 
Wirkung  der  Polonium (RaF) Strahlung  und  Einsetzung  des 
oben  erwähnten  Faktors  0'631  erhält  man  endlich  den  ver- 
kleinerten Wert 

t=  17-2  Jahre 

/ifC=ll-9Jalire. 

2.  ^Strahlung  von  Stfick  III. 

Die  Intensität  der  ß-Strahlung  (in  anderen  Einheiten  wie 
die  der  «-Strahlung  der  vorhergehenden  Messungsreihe  aus- 
gedrückt) ergab  sich: 

für  /  =  80  Minuten 7=150 

für  /  >  24  Stunden J  =    060. 


708  St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 

Daraus  bestimmt  sich: 

Q  =  42-7 
Ex=    0-60 

und  weiters 

T  zzz  18790  Tage  =  51  -5  Jahre 
//C  =  35-7  Jahre. 

Diese  Zahl  stimmt  gut  überein  mit  der  nach  gleicher 
Methode  erhaltenen  E.  Rutherford's  (zirka  40  Jahre).  Die 
Korrektion  für  die  verschiedene  ionisierende  Wirkung  der  RaC- 
und  RaJSg-Strahlung  kann,  wie  oben  erwähnt,  praktisch  nicht 
durchgeführt  werden,  hätte  aber  die  Tendenz,  den  gefundenen 
Wert  zu  vergrößern. 

Wie  sich  hieraus  ergibt,  besteht  also  eine  be- 
deute n  de,  die  Be  ob  ach  tu  ngs  fehler  weit  übersteigende 
Differenz  zwischen  den  Werten  der  mittleren  Lebens- 
dauer, beziehungsweise  den  Halbierungskonstanten 
von  Radium  Z),  die  man  aus  dem  Vergleich  der  a-Strah- 
lungen  und  die  man  aus  dem  der  ß-Strahlungen 
erhält. 

Auf  Grund  der  oben  ausgeführten  Überlegungen  halten 
wir  die  aus  der  a-Strahlung  abgeleiteten  Resultate  für  die 
zuverlässigeren. 

Daß  die  Methode  der  Vergleichung  der  ß-Strahlungen  zu 
einem  zirka  dreimal  so  großen  Werte  führt,  ist  möglicherweise 
in  folgenden  Umständen  begründet: 

Der  Rechnung  liegt  die  Voraussetzung  zu  Grunde,  daß 
RaCein  einheitlicher  Körper  sei;  wenn  aber  im  sogenannten 
RaC  zwei  oder  mehr  ß-strahlende,  in  der  Umwandlungsreihe 
aufeinanderfolgende  Zerfallsprodukte  vorhanden  wären,  so 
müßte  auch  der  gefundene  Wert  für  die  mittlere  Lebensdauer 
des  RslD  sich  im  Verhältnis  zum  richtigen  Werte  verdoppeln, 
beziehungsweise  vervielfachen.  Für  eine  solche  Annahme 
sprechen  nun  in  der  Tat  auch  anderweitige  Gründe. 

Während  im  allgemeinen  für  eine  bestimmte  radioaktive 
Substanz  Gleichartigkeit  der  von  ihr  ausgesandten  Strahlen 
beobachtet  wurde,  ist  die  ß-Strahlung  von  RaC  komplex  und 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen,  709 

nach  H.  W.  Schmidt^  in  zwei  homogene  Strahlengruppen  mit 
bestimmten  Absorptionskoeffizienten  zerlegbar;  dies  macht 
auch  eine  komplexe  Natur  der  strahlenden  Substanz  selbst 
wahrscheinlich.  Zu  einer  analogen  Annahme  gelangt  auch 
E.  Rutherford^  auf  Grund  der  Beziehungen  zwischen  der 
Zerfallsgeschwindigkeit  der  radioaktiven  Stoffe  und  der  Anfangs- 
geschwindigkeit der  von  ihnen  ausgesendeten  a-Partikeln. 

Wird  also  tatsächlich  die  ß-Strahlung  von  Ra£  mit  der  von 
zwei  oder  (unter  Hinzurechnung  der  Strahlung  von  RaB)  drei 
Zerfallsprodukten  verglichen,  so  ist  das  Auftreten  eines 
Multiplums  des  richtigen  Wertes  erklärlich. 

Eine  Bestätigung  unserer  Annahme,  daß  der  kleinere  Wert 
für  die  Halbierungskonstante  des  RaD  der  richtige  sei,  lieferten 
Beobachtungen  über  die  Änderungen  der  a-Aktivität  alter 
Präparate,  in  denen  RajPaus  RaZ>  nacherzeugt  wurde. 

Denkt  man  sich  zur  Zeit  t  z^O  eine  Menge  Dq  von  RaZ? 
abgetrennt,  so  wird  das  daraus  entwickelte  Quantum  von  RaF 
als  Funktion  der  Zeit  dargestellt  durch  die  Formel: 


F  erreicht  ein  Maximum  zur  Zeit: 


/-  r= ^' log^ 

Q.p — \d)  log  e  \d 


E.  Ruther ford^  berechnet  J  zu  2-6  Jahren  =  949  Tagen 
unter  der  Annahme  HC=z  40  Jahre.  Setzt  man  aber  HC=  12  J, 
so  wird  7=  714  Tage. 

Eine  Eisenplatte,  die  im  Jahre  1905  durch  einige  Wochen 
in  Radiumemanation  aktiviert  worden  war,  zeigte  folgenden 
zeitlichen  Gang  ihrer  a-Aktivität: 


1  H.  W.  Schmidt,  Ann.  d.  Phys.  (4)  21,  611  (1906). 

2  E.  Rutherford,  Phil.  Mag.  (6),  Jänner  1907,  p.  116. 

3  E.  Rutherford-Aschkinass,  Die  Radioaktivität,  p.  421  (1907). 


710  St  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 

21.  Juni  1905 J z=i    3-75 ^ 

Minuten 

27.  Juni  1905 4-13 

23.  Oktober  1905 8-50 

7.  April  1906 11-58 

7.  Jänner  1907 12-93 

28.  April  1907 12*50 

Durch  Extrapolation  berechnet  sich  der  Zeitpunkt,  für 
welchen  J=  0  ist,  zu  40  Tage  vor  dem  Beginne  der  Messungen 
gelegen  (also  12.  Mai  1905).  Am  28.  April  1907,  also  717  Tage 
später,  ist  das  Maximum  bereits  überschritten.  Mit  dem  oben 
aus  der  Halbierungskonstante  von  12  Jahren  berechneten 
Werte  r=714  Tage  steht  dieses  Resultat  in  guter  Über- 
einstimmung. 

Eine  Bleiplatte,  die  im  Mai  1905  in  heißer  Lösung  von 
Radiobleichlorid  aktiviert  worden  war/  zeigte  einen  analogen 
Gang;  die  zunächst  ansteigende  a-Aktivität  hat  bereits  ihr 
Maximum  überschritten,  so  daß  wieder  r<  2  Jahre  ist. 

Für  eine  genaue  Bestimmung  der  HC  des  RaZ)  ist  diese 
Methode  der  Beobachtung  des  Maximums  des  entwickelten 
RaF  nicht  sehr  geeignet,  einerseits,  da  bei  der  langsamen  zeit- 
lichen Änderung  die  Lage  des  Maximums  nicht  scharf  fest- 
zustellen ist,  andrerseits,  weil  beträchtliche  Variationen  des 
Wertes  für  HC  die  Zahl  T  relativ  wenig  verändern  (für 
ifC  =  10  Jahre:  r=680Tage;  für  i?C  =  12  Jahre:  7=714 
Tage;  für  ifC=  15  Jahre:  7=754  Tage).  Immerhin  aber 
ergeben  diese  Messungsreihen,  daß  die  Halbierungskonstante 
des  RaZ?  von  der  Größenordnung  10  bis  12  Jahre  ist,  und 
bestätigen  so  die  Richtigkeit  der  aus  der  a-Strahlung  abgeleiteten 
Resultate. 

Zusammenfassung  der  Resultate. 

Die  Halbierungskonstante  von  RaZ>  läßt  sich  berechnen, 
indem  man  an  einem  in  Radiumemanation  aktivierten  Körper 
entweder  1.  die  auf  RaC  und  auf  Polonium  (Rajp)  entfallenden 


1  St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler,  diese  Sitzungsberichte,  114,  IIa, 
1202  (1905). 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen.  7 1  1 

Beträge  der  a -Aktivität  oder  2.  die  auf  RaC  und  auf  Ra£ 
entfallenden  Beträge  der  ß-Aktivitäten  vergleicht.  Die  darauf 
bezüglichen  Formeln  wurden  abgeleitet.  Ferner  wurde  gezeigt, 
in  welcher  Weise  die  verschiedene  ionisierende  Wirkung  der 
einzelnen  Strahlenarten  die  Resultate  beeinflußt.  Die  daraus 
sich  ergebenden  Korrektionen  wurden  für  die  a- Strahlung 
von  RaC  und  Rai^  numerisch  durchgeführt,  während  für  die 
ß-Strahlungen  infolge  von  Komplikationen,  die  durch  Sekundär- 
strahlen, Inhomogenität  der  Strahlung  des  RaC  etc.  bedingt 
sind,  diese  praktisch  undurchführbar  erscheinen. 

An  einem  durch  263  •  6  Tage  über  einem  starken  Radium- 
präparat aktivierten  Platinblech  wurden  durch  direkte  galvano- 
metrische Bestimmungen  der  a-,  beziehungsweise  ß -Aktivität 
folgende  Werte  für  die  Halbierungskonstante  von  Rai9  ge- 
funden: 

1.  aus  a- Strahlung  unkorrigiert  19  "5  Jahre,  korrigiert 
11-9  Jahre; 

2.  aus  ß-Strahlung  unkorrigiert  35*7  Jahre,  korrigiert 
größer  als  35  •  7  Jahre. 

Die  Nichtübereinstimmung  der  nach  beiden  Me- 
thoden erhaltenen  Werte  ist  erklärbar  unter  der  An- 
nahme, daß  RaCkein  einheitlicher  Körper  sei,  sondern 
aus  zwei  aufeinanderfolgenden,  ß-strahlenden  Pro- 
dukten  bestehe  und  eventuell  auch  die  Strahlung 
von  Ra.B  zu  berücksichtigen  sei. 

Der  Wert,  der  sich  nach  der  ersten  Methode  ergibt, 
erscheint  demnach  als  der  verläßlichere. 

Er  findet  eine  weitere  Stütze  in  Beobachtungen  über  den 
zeitlichen  Gang  der  Entwicklung  von  Ra^F  und  RaZ).  Nach 
der  Theorie  würde  ein  Maximum  der  Aktivität  erreicht  nach 
949  Tagen  für  HC =40  Jahre,  nach  7 1 4  Tagen  für  HC  =12  Jahre. 
Tatsächlich  wurde  in  zwei  Fällen  beobachtet,  daß  das  Maximum 
zu  einer  Zeit  von  700  Tagen  schon  überschritten  ist. 


712  St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 

A  n  h  a  n  gf  • 

Da  die  zuerst  von  P.  Curie  und  J.  Danne^  berechnete 
Kurve  für  die  Abklingung  der  induzierten  Radiumaktivität  viel- 
fach für  Reduktionen  herangezogen  werden  muß,  mit  Rücksicht 
auf  die  neueren  Konstantenbestimmungen  für  den  Zerfall  von 
RaAf  Ra5  und  RaC  aber  einer  Rektifikation  bedarf,  geben  wir 
im  folgenden  eine  auf  Grund  der  von  F.  v.  Lerch^  bestimmten 
Halbierungskonstanten  berechnete  Tabelle  für  den  zeitlichen 
Abfall  der  Aktivität  von  RaC  nach  unendlich  langer  Exposi- 
tionszeit in  Radiumemanation. 

Die  Theorie  ergibt  die  Formel:  ' 


=q{ 


.-.'II-       "^      ■      ^^ 


(a-ß)(Y-ß)       (a-ß)(T-a) 


-»- 


(a-ß)  (T-P)  ^  (a-ß)(a-Y)/  ' 

worin  C  die  Menge  des  zur  Zeit  t  vorhandenen  RaC,  Cq  die- 
selbe zur  Zeit  /=zO;  a,  ß  und  y  die  Zerfallskonstanten  von 
RaA,  RslB,  RaC  sind. 

Der  Berechnung  liegen  zu  Grunde  die  Annahmen  für  die 
Zerfallskonstanten,  respektive  die  Halbierungskonstanten: 

a=zO-2310   ! ;HC=    3-0  Minuten  für  Ra^ 

Minuten 

ß  3=0-02596        »        ;HC=  26-7        »  *    RslB 

Yi=0-03555        »        ;  HC=  19'0        »  »   RaC. 

Daraus  ergibt  sich : 

C 


Q 


=  —  ^-T'.  3 -19935 -h^J^'.  4 -17632 +^-«'.  0-023029. 


Das  dritte  Glied  hat  nach  10  Minuten  den  Wert  von 
0-00229,  nach  20  Minuten  0-00023,  nach  30  Minuten  0-00002. 
ist  also  praktisch  schon  nach  kurzer  Zeit  zu  vernachlässigen. 


1  P.  Curie  und  J.  Danne,  C.  r.,  136,  364  (1903);  vergl.  auch  H.  W. 
Schmidt,  Ann.  d.  Phys.  (I\0,  21,  620,  628  (1906). 

2  F.  V.  Lerch,  diese  Sitzungsberichte,  HS,  IIa,  197  (1906). 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen. 


713 


Abklingung  des  Radium  C 


Minuten 


C 


t 

Minuten 


'0 


0 
5 
10 
15 
20 
25 
30 

35 
40 
45 
50 
55 
60 

70 

80 

90 

100 

110 

120 

130 
140 
150 


1 
0 
0 
0 
0 
0 
0 

0 
0 
0 
0 
0 
0 

0 
0 
0 
0 
0 
0 

0 
0 

0 


00000 
99686 
98156 
95298 
91376 
86701 
81552 

76152 

70672 
65243 
599  öS 
54883 
50064 

41291 
33724 
27327 
21999 
17615 
14039 

11145 

OSSI  9 
06959 


160 
170 
180 

190 
200 
210 
220 
230 
240 

250 
260 
270 
280 
290 
300 

310 
320 
330 
340 
350 
360 


0 
0 
0 

0 
0 
0 
0 
0 
0 

0 
0 
0 
0 
0 
0 

0 
0 
0 
0 
0 
0 


05477 
04301 
03371 

02638 
02061 
01608 
01254 
00976 
00758 

00590 
00458 
00355 
00276 
00214 
00166 

00129 
00099 
00077 
00060 
00046 
00035 


7T5 


Änderung  des  Peltiereffektes  Ni-Cu  zwischen 

20  und  800*  C. 

von 

Karl  Rziha. 

Aus  dem  physikalischen  Institut  der  k.  k.  deutschen  Universität  in  Prag. 

(Mit  3  Textflguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  26.  April  1907.) 

Die  vorliegende  Arbeit  hat  die  Aufgabe,  die  Abhängigkeit 
des  Peltiereffektes  eines  Ni-Cu-Elementes  von  der  Temperatur 
festzustellen. 

Der  Verlauf  der  thermoelektromotorischen  Kraft  eines 
solchen  Elementes  wurde  schon  zu  wiederholten  Malen  unter- 
sucht  und  es  hatte  sich  gezeigt,  daß  dieselbe  nicht  proportional 
der  Temperatur  ansteigt.  Die  thermoelektromotorische  Ge- 
schwindigkeit ändert  sich  vielmehr  entsprechend  den  zwei 
Knickungen  der  Ni-Linie  im  Tait*schen  Diagramm  bei  zirka 
230  und  360''  C.  In  der  vorliegenden  Arbeit  nun  handelt  es  sich 
vor  allem  darum,  zu  untersuchen,  ob  auch  die  Kurve  für  den 
PeltiereflFekt  den  Änderungen  der  thermoelektromotorischen 
Geschwindigkeit  entsprechende  Änderungen  erfährt. 

Die  Methode  der  Untersuchung,  bei  der  es  besonders 
darauf  ankam,  durch  Bestimmung  vieler  Punkte  die  thermo- 
elektromotorische Kraft,  den  Peltiereffekt  und  die  Temperatur 
möglichst  gleichzeitig  zu  messen,  schloß  sich  im  allgemeinen 
an  die  seinerzeit  von  E.  Bausenwein^  bei  Bestimmung 
der  Abhängigkeit  des  Peltiereffektes  von  Fe-Cu,  Fe-Ag  und 


1  E.  Bausenwein,  diese  Sitzungsberichte,   Bd.  113,  Abt.  IIa,  p.  663, 
und  Bd.  114,  Abt.  IIa,  p.  1625. 


704  St  Meyer  und  E.  v.  Schweidler, 

damit  E  bleiben  praktisch    konstant,   F  steigt  infolge  Nach- 
erzeugung noch  langsam  an. 

Geht  man  von  der  vereinfachten  Annahme  aus,  daß  die 
verschiedenen  radioaktiven  Substanzen  für  den  Zerfall  jedes 
Atomes  bei  gleicher  Strahlenart  (a-,  respektive  ß-Strahlung)  die 
gleiche  ionisierende  Wirkung  hervorbringen,  mit  anderen 
Worten,  daß  die  verschiedenen  Umwandlungsprodukte  im 
radioaktiven  Gleichgewichte  die  gleiche  Strahlungsintensität,  J, 
besitzen,  so  folgt  aus  obigen  Formeln : 

J^(C,)=-^ME,)      oder       ,  =  ^:^^ 


und 


MC,)  =  ^MF,)     oder      t^A^yft- 


Berücksichtigt  man  aber,  daß  je  ein  a-,  beziehungsweise 
ß-Partikel  je  nach  der  Anfangsgeschwindigkeit,  die  bei  den 
verschiedenen  Substanzen  verschieden  ist,  auch  eine  ver- 
schiedene Anzahl  von  Ionen  erzeugt,  so  gehen  die  Formeln 

über  in: 

Jp(C).fe(ß,£)__      Ja(C).fe(a,F) 

-  "^  ME),k(?,  C)  ""      Ja(F).k(a,  C) ' 

wobei  k  die  Anzahl  der  Ionen  bezeichnet,  die  je  ein  Partikel 

(a  oder  ß)  der  betreffenden  Substanz  im  Versuchsraum  erzeugt. 

j 

—     ist    dann   die   Anzahl    der   pro   Zeiteinheit    zerfallenden 
k 

Atome. 

Für  die  a-Strahlung  läßt  sich  nun  diese  Korrektur  leicht 
durchführen,  wenn  man  dem  Versuchsraum,  in  dem  die  ioni- 
sierende Wirkung  der  Strahlen  gemessen  wird,  derartige 
Dimensionen  gibt,  daß  die  a-Strahlen  vollkommen  in  der  Luft 
absorbiert  werden.  Aus  der  von  Mc  Clung^  angegebenen 
Kurve  für  die  lonisierungsstärke  der  a- Strahlen  des  RaC 
(Range  z=  zirka   7  cm)   in   verschiedener   Entfernung  von  der 


1  Mc  Clung,  Phil.  mag.  (VI),  11,  p.  131  (1906). 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen.  705 

Strahlenden  Oberfläche  und  der  übereinstimmenden  Angabe 
verschiedener  Autoren,  daß  der  Range  der  Poloniumstrahlen 
4  cm  betrage,  berechnet  sich  auf  graphischem  Wege  das  Ver- 
hältnis: 

k(ai,F)        16-0 


k(ji,C)       26-1 


=  0-613. 


Der  nach  der  ersten  vereinfachten  Methode  gefundene 
Wert  wird  also  hier  durch  die  Anwendung  der  exakteren  Formel 
verkleinert. 

Bei  der  ß- Strahlung  dagegen  ist  diese  Rechnung  praktisch 
kaum  durchführbar.  Da  nämlich  die  ß-Strahlung  im  Versuchs- 
raum nur  teilweise  absorbiert  wird,  ist  k  abhängig  von  den 
Dimensionen  dieses  Raumes  und  bei  gegebenen  Dimensionen, 
falls  diese  nicht  sehr  groß  sind,  größer  für  eine  weiche  als  für 
eine  harte  ß-Strahlung.  Da  nun  Ra£  eine  relativ  sehr  weiche, 
hingegen  RaC  eine  harte  ß-Strahlung  aussendet,  wird  die 
exaktere  Formel  zu  einem  höheren  Werte  der  mittleren  Lehens- 
dauer führen  als  die  vereinfachte  erste  Formel.  Eine  genauere 
Berechnung  des  Verhältnisses  der  beiden  k  scheitert  aber  daran* 
daß  die  ß-Strahlung  von  RaC  nicht  homogen  ist,  also  keinen 
definierten  Absorptionskoeffizienten  besitzt.  Ferner  ist  zu  be- 
rücksichtigen, daß  an  der  beobachteten  ionisierenden  Wirkung 
auch  die  an  den  Wänden  des  Versuchsgefäßes  durch  die 
ß-Strahlung  erzeugten  Sekundärstrahlen  in  einem  nicht  ab- 
schätzbaren Betrage  beteiligt  sind,  endlich  daß  nach  den 
neueren  Untersuchungen  die  ß-Strahlung  von  RaB  nicht  voll- 
kommen vernachlässigt  werden  darf. 

Aus  diesen  Überlegungen  ergibt  sich  von  vornherein,  daß 
die  auf  die  Messung  der  a-Strahlen  von  RaC  und  Rai* 
gegründete  Berechnung  zu  verläßlicheren  Werten  füi 
die  mittlere  Lebensdauer  von  RaZ)  führt  als  diejenige 
die  auf  die  Messung  der  ß-Strahlen  von  RaCund  RaSg 
gegründet  ist. 

Versuehsergebnisse. 

Im  geschlossenen  Gefäße,  zusammen  mit  zirka  0-5^ 
Radium-Bariumbromid  (schätzungsweise  zirka  607o  Radium- 

47* 


704  St.  Meyer  und  E.  v.  Seh  weidler, 

damit  E  bleiben  praktisch    konstant,   F  steigt  infolge  Nach- 
erzeugung noch  langsam  an. 

Geht  man  von  der  vereinfachten  Annahme  aus,  daß  die 
verschiedenen  radioaktiven  Substanzen  für  den  Zerfall  jedes 
Atomes  bei  gleicher  Strahlenart  (a-,  respektive  ß-Strahlung)  die 
gleiche  ionisierende  Wirkung  hervorbringen,  mit  anderen 
Worten,  daß  die  verschiedenen  Umwandlungsprodukte  im 
radioaktiven  Gleichgewichte  die  gleiche  Strahlungsintensität,  7, 
besitzen,  so  folgt  aus  obigen  Formeln : 

J^(C,)=^ME,)     oder      t^aÄI 


und 


MCo)  =  ^Ja(F,)     Oder      z  =  ^:^^. 


Berücksichtigt  man  aber,  daß  je  ein  a-,  beziehungsweise 
ß-Partikel  je  nach  der  Anfangsgeschwindigkeit,  die  bei  den 
verschiedenen  Substanzen  verschieden  ist,  auch  eine  ver- 
schiedene Anzahl  von  Ionen  erzeugt,  so  gehen  die  Formeln 
über  in: 

"      Jß(£) .*(ß,  C)  ~      Ja(F).k(aL,  C) ' 

wobei  k  die  Anzahl  der  Ionen  bezeichnet,  die  je  ein  Partikel 

(a  oder  ß)  der  betreffenden  Substanz  im  Versuchsraum  erzeugt. 

j 

—     ist    dann   die   Anzahl    der   pro   Zeiteinheit    zerfallenden 
k 

Atome. 

Für  die  a-Strahlung  läßt  sich  nun  diese  Korrektur  leicht 
durchführen,  wenn  man  dem  Versuchsraum,  in  dem  die  ioni- 
sierende Wirkung  der  Strahlen  gemessen  wird,  derartige 
Dimensionen  gibt,  daß  die  a-Strahlen  vollkommen  in  der  Luft 
absorbiert  werden.  Aus  der  von  Mc  Clung^  angegebenen 
Kurve  für  die  lonisierungsstärke  der  a- Strahlen  des  RaC 
(Range  r=  zirka   7  cm)   in   verschiedener   Entfernung  von  der 


1  Mc  Clung,  Phil.  mag.  (VI),  11,  p.  131  (1906). 


Untersuchungen  über  radioaktive  Substanzen.  705 

Strahlenden  Oberfläche  und  der  übereinstimmenden  Angabe 
verschiedener  Autoren,  daß  der  Range  der  Poloniumstrahlen 
4  cm  betrage,  berechnet  sich  auf  graphischem  Wege  das  Ver- 
hältnis: 

k(ai,F)  _  16-0  _ 


ife(a,C)  ""26-1 


0-613. 


Der  nach  der  ersten  vereinfachten  Methode  gefundene 
Wert  wird  also  hier  durch  die  Anwendung  der  exakteren  Formel 
verkleinert. 

Bei  der  ß-Strahlung  dagegen  ist  diese  Rechnung  praktisch 
kaum  durchführbar.  Da  nämlich  die  ß-Strahlung  im  Versuchs- 
raum nur  teilweise  absorbiert  wird,  ist  k  abhängig  von  den 
Dimensionen  dieses  Raumes  und  bei  gegebenen  Dimensionen, 
falls  diese  nicht  sehr  groß  sind,  größer  für  eine  weiche  als  für 
eine  harte  ß-Strahlung.  Da  nun  RaE  eine  relativ  sehr  weiche, 
hingegen  RaC  eine  harte  ß-Strahlung  aussendet,  wird  die 
exaktere  Formel  zu  einem  höheren  Werte  der  mittleren  Lehens- 
dauer führen  als  die  vereinfachte  erste  Formel.  Eine  genauere 
Berechnung  des  Verhältnisses  der  beiden  k  scheitert  aber  daran^ 
daß  die  ß-Strahlung  von  RaC  nicht  homogen  ist,  also  keinen 
definierten  Absorptionskoeffizienten  besitzt.  Ferner  ist  zu  be- 
rücksichtigen, daß  an  der  beobachteten  ionisierenden  Wirkung 
auch  die  an  den  Wänden  des  Versuchsgefäßes  durch  die 
ß-Strahlung  erzeugten  Sekundärstrahlen  in  einem  nicht  ab- 
schätzbaren Betrage  beteiligt  sind,  endlich  daß  nach  den 
neueren  Untersuchungen  die  ß-Strahlung  von  RaS  nicht  voll- 
kommen vernachlässigt  werden  darf. 

Aus  diesen  Überlegungen  ergibt  sich  von  vornherein,  daß 
die  auf  die  Messung  der  a-Strahlen  von  RaC  und  Rai* 
gegründete  Berechnung  zu  verläßlicheren  Werten  füi 
die  mittlere  Lebensdauer  von  RaZ)  führt  als  diejenige 
die  auf  die  Messung  der  ß-Strahlen  von  RaCund  RrE^ 
gegründet  ist. 

Versuchsergebnisse. 

Im  geschlossenen  Gefäße,  zusammen  mit  zirka  0*5^ 
Radium-Bariumbromid  (schätzungsweise  zirka  607o  Radium- 

47* 


720 


K.  Rziha, 


Fe-Kon 
10-3  Volt 

Temperatur 

in 

Celsiusgraden 

Cu-Ni, 
willkürliches  Mafi 

T.  E.  K. 

n 

21-74 

428 

26-08 

914 

22-26 

447 

26-86 

9-53 

24-10 

473 

28-64 

10-21 

25-75 

490 

30-61 

11-02 

28-41 

546 

34-24 

11-57 

30-23 

584 

35-8 

12-05 

35-50 

650 

42-46 

13-58 

43-34 

770 

53  -  02 

13-23 

44-75 

800 

55-49 

11-43 

Die  erste  Vertikalreihe  enthält  die  Werte  der  Thermo- 
spannung  zwischen  Fe-Kon  in  Millivolt.  Diese  Werte  liefern 
aus  der  p.  7 1 8  zitierten  Tabelle  die  entsprechenden  Temperaturen 
in  Celsiusgraden,  welche  in  der  zweiten  Reihe  stehen.  Die 
dritte  Kolumne  unter  T.E.K.  enthält  die  beobachteten  Galvano- 
meterausschläge der  Thermospannung  Cu-Ni  bei  der  ent- 
sprechenden Temperatur  der  einen  Lötstelle  Ni-Cu,  während 
die  zweite  Lötstelle  Cu-Ni  desselben  Stromkreises  auf  Zimmer- 
temperatur (IS"*  C.)  gehalten  wurde,  in  Teilstrichen  der  Skala. 
Die  vierte  Kolumne  gibt  die  Werte  des  Peltierefifektes  ebenfalls 
in  Teilstrichen  der  Skala;  die  beiden  letzten  Maße  sind  also 
willkürlich. 

Die  diesen  gefundenen  Werten  entsprechende  graphische 
Darstellung  zeigt  Fig.  3. 

Die  Abszissenachse  gibt  die  Temperaturen  in  Celsius- 
graden, die  Ordinaten  geben  die  thermoelektromotorische  Kraft 
und  den  Peltiereffekt  in  willkürlichen,  voneinander  unabhängigen 
Maßen. 

Was  nun  die  Thermokurve  anlangt,  so  zeigt  sie  bei  den 
Temperaturen  von  zirka  250  und  350**  C.  die  den  Umkehrungen 
der  Nickellinie  des  Tait'schen  Diagrammes  entsprechenden 
Knickungen,  zwischen  diesen  beiden  Punkten  und  außerhalb 


Änderung  des  Peltiereflfektcs. 


721 


derselben    verläuft    sie    vollkommen   geradlinig.    Eine    dritte 
Knickung  wurde  nicht  beobachtet. 

Die  Kurve  des  Peltierefifektes  steigt  zunächst  an  bis  zu 
der  ersten  Knickung  der  Thermokurve  bei  zirka  250°  C. 
Dieser  Teil  der  Kurve,  nach  rückurärts  verlängert,  schneidet  die 
Abszissenachse  entsprechend  der  Theorie  bei  — 273°  C.  Von 
250**  C.  an  fallt  sie  dann  wieder,  und  zwar  etwas  steiler  ab  bis 
zur  zweiten  Knickung  der  Thermokurve  bei  zirka  350°  C,  um 
dann  wieder  geradlinig  anzusteigen.  Die  letzten  zwei  Beob- 
achtungen bei  770  und  800°  bedingen  zwar  noch  eine  dritte 


«00  ÜOO  «oo 

TeiHfteratur  im  frlsiasgraden/ 

Fig.  3. 


Umkehrung,  doch  scheinen  mir  diese  beiden  Punkte  sehr 
unzuverlässig  zu  sein,  da  infolge  der  bereits  sehr  starken  Oxy- 
dation der  dünnen  Fe-Drähte  die  Leitungsfähigkeit  derselben 
beträchtlich  herabgemindert  wurde.  Übrigens  zeigt  auch  die 
Thermokurve  keine  entsprechende  Knickung. 

Auf  große  Genauigkeit  kann  die  angewendete  Methode 
zwar  keinen  Anspruch  erheben,  da  besonders  zwei  Fehler- 
quellen nicht  berücksichtigt  wurden.  Es  wäre  nämlich  eine 
Korrektur  für  den  Wärmeverlust  durch  Ausstrahlung  während 
der  Wirkungszeit  des  Hauptstromes  anzubringen,  da  dieselbe 
Korrektur  bei  verschiedenen  Temperaturen  vielleicht  ver- 
schieden ist.  Viel  wichtiger  erscheint  aber  der  durch  Änderung 
der  spezifischen  Wärme  mit  der  Temperatur  verursachte  Fehler. 

4S* 


722  K.  Rziha,  Änderung  des  Peltiereffektes. 

Diese  Änderung  der  spezifischen  Wärme  von  Cu  und  Ni  bis 
zu  so  hohen  Temperaturen  ist  noch  nicht  untersucht  Trotzdem 
aber  eignet  sich  die  angewendete  Methode  sehr  gut  dazu, 
Wendepunkte  zu  bestimmen  und  so  den  allgemeinen  Verlauf 
der  Kurven  festzustellen. 

In  diesem  Sinne  hoffe  ich,  daß  die  vorliegenden  Beob- 
achtungen als  Vorarbeit  für  spätere  absolute  Messungen  gute 
Dienste  leisten  können. 


Zum  Schlüsse  sei  es  mir  noch  gestattet,  Herrn  Prof.  Dr. 
Ernst  Lech  er,  auf  dessen  Anregung  hin  ich  diese  Unter- 
suchung vornahm,  für  seine  vielseitigen  Ratschläge  und  die 
liebenswürdige  Überliassung  der  notwendigen  Präzisionsinstru- 
mente meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen. 


723 


Gewitterbeobaehtungen  und  Gewitterhäufig"- 
keit  an  einigen  meteorologischen  Beobaeh- 
tungsstationen  der  Alpen,  insbesondere  an 

Gipfelstationen 

von 

Albert  v.  Obermayer, 

k.  M.  k.  Akad. 

(Mit  2  Textfiguren.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  26.  April  1907.) 

Im  Jahre  1869  hat  Wilhelm  von  Bezold  in  einer  Abhand- 
lung: »Ein  Beitrag  zur  Gewitterkunde«*  die  von  den  Versiche- 
rungsanstalten des  Königreiches  Bayern  1844  bis  1856  auf- 
gezeichneten Blitzschäden  nach  halbmonatlichen  Perioden 
geordnet  und  dabei  im  Sommer  zwei  Maxima  der  Gewitter- 
häufigkeit aufgefunden,  von  dem  das  eine  auf  die  erste  Hälfte 
des  Monats  Juni,  das  zweite,  und  zwar  das  absolute,  auf  die 
zweite  Hälfte  des  Monats  Juli  fällt.  Dieses  Resultat  fand  er  in 
der  52  Jahre  umfassenden  Gewitterbeobachtungsreihe  am 
Hohenpeissenberge  bestätigt.  W.  v.  Bezold  weist  bei  dieser 
Gelegenheit  auch  darauf  hin,  daß  die  halbmonatlichen  Tem- 
peraturmittel gleichfalls  zwei  Maxima  zu  jenen  Zeiten  auf- 
weisen. 

In  einer  späteren  Abhandlung:  »Das  doppelte  Maximum 
in  der  Häufigkeit  der  Gewitter  während  der  Sommermonate «* 
wird  dieses  Resultat  bestätigt. 


1  Pogg.  Ann.  der  Phys.  und  Chem.,  Bd.  136,  p.  513. 

2  Sitzungsber.  der  kgl.  bayr.  Akad.  der  Wissenschaften,  mathem.-physik. 
Klasse,  Juli  1875. 


724  A.  V.  Obermayer, 

In  einer  Abhandlung:  »Die  Gewitterperioden  in  Wien«^ 
hat  Dr.  J.  Hann  gezeigt,  daß  auch  in  Wien  jene  doppelte 
Periode  der  Gewitterhäufigkeit  Geltung  besitzt  und  daß  sich 
eine  solche  Doppelperiode  auch  in  den  Hagelfallen  ausspricht, 
wie  Prettner  für  Kärnten  und  Fournet  für  das  RhonetaP 
nachgewiesen  haben.  Hann  sagt  dortselbst:  »Da  diese  Ge- 
witterperioden unstreitig  mit  den  Störungen  im  jährlichen 
Wärmegange,  namentlich  mit  den  großen  Kälterückfallen  in  der 
zweiten  Junihälfte  zusammenhängen,  wäre  eine  eingehende 
Untersuchung  derselben  an  vielen  Orten  Europas  von  Interesse. 
In  der  Gewitterfrequenz  scheinen  sich  die  Wärmerückgänge, 
wie  die  Unterbrechungen  der  Regenperioden  deutlicher  abzu- 
spiegeln, wie  in  den  Mittelwerten  der  meteorologischen  Ele- 
mente selbst«. 

Bei  einer  Zusammenstellung  der  Gewitterbeobachtungen 
auf  dem  Hohen  Sonnblick  nach  Drittelmonaten,  d.  i.  nach  der 
in  den  meteorologischen  Jahrbüchern  gebräuchlichen  Einteilung, 
anschließend  an  die  im  internationalen  meteorologischen  Kodex 
empfohlene  Beibehaltung  des  bürgerlichen  Monats,  haben  sich 
zwei  solche  Maxima  sehr  deutlich  ergeben,  und  zwar  eines  für 
das  erste  Drittel  des  Monats  Juni,  ein  zweites  für  das  dritte 
Drittel  des  Monats  Juli.  Das  zwischenliegende  Minimum  fiel 
ausgesprochen  während  des  in  Betracht  gezogenen  Zeit- 
abschnittes 1888 — 1906  auf  das  zweite  Drittel  des  Monats  Juni, 
in  welchem  im  jährlichen  Gange  der  Temperatur  nach  Pentaden- 
mitteln*  ein  Rückgang  der  Temperaturmittel  bis  zu  1*5'  C. 
gegen  den  Anfang  Juni  stattfindet.  Wie  nicht  anders  zu  er- 
warten, wurde  ein  gleiches  Resultat  auch  für  die  Gewitter- 
häufigkeit der  Fußstation  des  Sonnblick  im  Lehneitiäusl  in 
Bucheben  gefunden. 

Ich  habe  hienach  auch  die  Gewitterbeobachtungen  der 
anderen  österreichischen  Gipfelstationen,  d.  s.  Schmittenhöhe 
(1935  m)  bei  Zell  am  See,  Schafberg  (1776  m)  bei  St.  Wolfgang 
und  Hochobir  (2044  m)  in  Kärnten,  und  als  deren  Fußstationen 


1  Meteorolog.  Zeitschr.,  Bd.  XXI,  1886,  p.  237. 

2  Meteorolog.  Zeitschr.,  Bd.  VIII,  1875,  p.  161  und  172. 
8  X\^  Jahresbericht  des  Sonnblick-Vereines,  p.  34,  1906. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  725 

Kremsmünster  (389  m)  und  Klagenfurt  (448  w),  dann  die  lang- 
jährige Beobachtungsreihe  auf  dem  Hohenpeissenberg  in 
Bayern  und  zum  Vergleiche  jene  von  München,  in  der  gleichen 
Weise  geordnet,  und  für  den  Zeitschnitt  seit  1856  gefunden, 
daß  jenes  sekundäre  Minimum  der  Gewitterhäufigkeit  durch- 
wegs im  zweiten  Drittel  des  Monats  Juni  eintritt,  nur  Klagenfurt 
zeigt  dasselbe  im  ersten  Drittel  dieses  Monats. 

Wie  aus  der  graphischen  Darstellung  der  Gewitterhäufig- 
keit in  Fig.  1  und  2  entnommen  werden  kann,  weisen  diese  den 
jährlichen  Gang  der  Gewitterhäufigkeit  darstellenden  Kurven 
während  der  Sommermonate  drei  Maxima  auf,  oder  sie  zeigen 
wenigstens  an  Stelle  des  dritten  Maximums  einen  verzögerten 
Abfall.  Die  Lage  des  ersten  Maximums  fällt  in  allen  in  Betracht 
gezogenen  Stationen  auf  das  erste  Drittel  des  Monats  Juni,  nur 
in  Klagenfurt  tritt  es  schwach  ausgesprochen  im  dritten  Drittel 
des  Monats  Mai  ein.  Auf  dem  Hohenpeissenberg  wird  dasselbe 
zum  Hauptmaximum  und  in  München  hat  es  denselben  Betrag 
wie  das  spätere  Maximum  im  Juli.  Das  erste  Minimum  im 
zweiten  Drittel  des  Juni  ist  allen  Stationen  gemeinschaftlich, 
nur  in  Klagenfurt  tritt  es  bereits  im  ersten  Drittel  dieses  Monats 
ein. 

Der  Obir  und  der  Hohenpeissenberg  zeigen  das  zweite 
Sommermaximum  im  dritten  Drittel  des  Juni,  bei  allen  anderen 
Stationen  fällt  es  als  Hauptmaximum  in  den  Juli. 

Sonnblick,  Bucheben  und  Schmittenhöhe  zeigen  einen 
sehr  ähnlichen  Verlauf  der  jährlichen  Gewitterhäuflgkeit,  ebenso 
verhalten  sich  Schaf  berg  und  Kremsmünster,  Hohenpeissenberg 
und  München  ähnlich,  Obir  und  Klagenfurt  scheinen  aber  merk- 
lich voneinander  abzuweichen. 

In  Fig.  2  sind  aus  der  Beobachtungsreihe  1857 — 1904  von 
Kremsmünster  zehnjährige  Mittel  des  jährlichen  Ganges  der 
Gewitterhäufigkeit  gebildet.  So  verschieden  die  so  erhaltenen 
fünf  Kurven  sind,  so  zeigen  sie  alle  im  zweiten  Drittel  des  Juni 
eine  mehr  oder  minder  ausgesprochene  Einsenkung.  Das  erste 
Maximum  hält  sich  bis  1895  im  ersten  Drittel  des  Juni,  in  dem 
Zeitabschnitt  1896 — 1904  rückt  es  auf  den  Mai  zurück.  Das  in 
den  Juli  fallende  Hauptmaximum  aller  fünf  Zeitabschnitte 
scheint   vom    dritten  Drittel  des  Juli   auf  das   erste  zurück- 


72ß 


A.  V.  Obermayer, 


gewichen  und  dann  wieder  auf  das  dritte  Drittel  vorgerückt  zu 
sein.  Das  darauffolgende  sekundäre  Maximum  ist  bald  mehr^ 


^Bn^tiheiv         I   ^4-/  I       I [       1    \4. Ü^^^T^-*^^^ 

J.        Fb      Mk.     Jp.      ^f.      Jan.  Jul.    Aug.    Sep      0k.    sVov.    Dez. 

Fig.   1. 


bald  weniger  ausgebildet.  Zum  Vergleich  ist  in  Fig.  2  die  der 
ganzen  Periode  1857 — 1904  entsprechende  Häufigkeitskurve 
oberhalb  angefügt.  Auch  sind  in  Fig.  2  Hohenpeissenberg  und 
München  aufgenommen. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen. 


727 


Die  Schwierigkeiten,  welche  der  Erlangung  einwurfsfreier 
Gewitterbeobachtungen  entgegenstehen,  sind  von  J.  Hann* 
und  von  W.  v.  Bezold*  erörtert,  von  letzterem  die  Unzuver- 
lässigkeit  vieler  Angaben  betont  und  die  diesbezüglichen 
Mängel  einzelner  Beobachtungsreihen  nachgewiesen  worden. 


Fb.     Mm,-    A/k      M.      Jan.*   Jnl.    Atuf.    Sep.     Ok .     Xfio.    Hex. 

Fig.  2. 


Aus  diesem  Grunde  ist  es  auch  schwer,  mit  Sicherheit 
festzustellen,  ob  die  Zahl  der  Gewittertage  im  Laufe  der  Zeit 
zugenommen  hat  oder  nicht. 


1  Ober  die  Gewitterperioden  in  Wien.  Meteorolog.  Zeitschr.  1886,  p.  337. 

2  Über  die  gesetzmäßigen  Schwankungen  in  der  Häufigkeit  der  Gewitter 
während  längerer  Zeiträume.  Sitzungsber.  der  Münchener  Akad.  der  Wissensch., 
mathem.-physik.  Klasse,  Juni  1874,  p.  284  bis  322.   Ges.  Abhandlungen  p.  35. 


728  A.  V.  Obermayer, 

In  den  beiden,  sich  bezüglich  der  Gewitter  ähnlich  ver- 
haltenden Stationen  Hohenpeissenberg  und  Kremsmünster 
betragen,  aus  verschiedenen  Zeitabschnitten  gerechnet,  die 
mittleren  Zahlen  der  Gewittertage  im  Jahre: 

GewitterUge 
0 


Kremsmünster  1763—1799 18 

1802—1850 27 

1856—1904 30 

Hohenpeissenberg  1795 — 1810....  36 

1795—1850 25 

1879—1898 35 


3 

0 

Ol 

0 

0 


Es  ist  kaum  anzunehmen,  daß  Hohenpeissenberg  durch 
einen  Zeitabschnitt  doppelt  so  viele  Gewittertage  hatte  als 
Kremsmünster.  Die  Art,  in  welcher  die  Gewittertage  gezählt 
werden,  spielt  hiebei  sicher  eine  große  Rolle.  Bezold  hielt  für 
den  richtigsten  Maßstab  zur  Beurteilung,  ob  ein  Tag  als 
Gewittertag  zu  zählen  ist,  den  Beschluß  des  Wiener  Meteoro- 
logenkongresses, wonach  dafür  entscheidend  sei,  ob  Donner 
gehört  wurde.  Nach  dem  internationalen  meteorologischen 
Kodex  (G.  Hellmann  und  H.  H.  Hildebrandson)  soll  als 
Gewittertag  nur  ein  solcher  bezeichnet  werden,  an  welchem 
Blitz  und  Donner  beobachtet  worden.  Blitze  ohne  Donner  sollen 
als  Wetterleuchten  eingetragen  werden,  allerdings  wird  unter  4, 
p.  18,  auch  empfohlen,  nach  Möglichkeit  die  Zahl  der  Tage  für 
jeden  der  Fälle,  daß  Donner  gehört,  Blitze  wahrgenommen, 
Blitz  und  Donner  beobachtet  wurden,  gesondert  anzuzeigen. 
Auf  Hochgipfeln,  welche  zu  Gewitterzeiten  in  Nebel  gehüllt 
sind,  mag  es  wohl  vorkommen,  daß  von  einem  entfernten 
Gewitter  der  Donner  gehört,  aber  der  Blitz  nicht  wahrgenommen 
wird. 

In  den  zur  vorliegenden  Untersuchung  benützten  Gewitter- 
beobachtungsreihen dürften  solche  wechselnde  Anschauungen 
über  die  Bezeichnung  als  Gewittertage  auch  zur  Geltung  ge- 
langt sein;  indessen  scheint  der  Einfluß  dieser  Ungleichmäßig- 


1  Ohne  1799. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  729 

keiten  bezüglich  der  Darstellung  des  jährlichen  Ganges  der 
Gewitterhäufigkeit  von  keiner  wesentlichen  Bedeutung  zu  sein, 
wofür  die  Gleichartigkeit  des  Verlaufes  der  Häufigkeitskurven 
für  die  verschiedenen  Beobachtungsorte  spricht. 

Begegnet  die  einwurfsfreie  Feststellung  der  Zahl  der 
Gevvittertage  bereits  an  den  meteorologischen  Observatorien  ge- 
wissen Schwierigkeiten,  so  ist  dies  in  noch  ausgesprochenerem 
Maße  auf  den  Gipfelstationen  der  Fall.  Gewöhnlich  sind  dort 
wissenschaftlich  ungeschulte  Beobachter,  zu  Zeiten  das  Dienst- 
personal des  Hotelbesitzers  mit  solchen  Beobachtungen  be- 
traut, oder  die  Beobachter  selbst  durch  die  Bewirtschaftung  der 
mit  dem  Observatorium  verbundenen  Schutzhütte  während  der 
Sommermonate  in  Anspruch  genommen.  Die  häufigen  Wechsel 
der  Beobachter  sind  einer  gleichförmigen  Aufzeichnung  sehr  im 
Wege,  auch  sind  die  Beobachter  mitunter  nicht  sehr  schreib- 
gewandt, so  daß  es  recht  beschwerlich  fällt,  die  Aufzeichnungen 
zu  entziffern.  Die  besten  derlei  Beobachtungen  sind  übrigens 
seit  dem  Jahre  1881  auf  dem  Hochobir  gesammelt  worden. 

Der  nachfolgenden  Untersuchung  sind,  wo  es  möglich  ist, 
die  Gewittertage  zu  Grunde  gelegt  und  bei  den  einzelnen  Beob- 
achtungsstationen ist  darauf  hingewiesen,  auf  welchem  Wege 
die  angeführten  Zahlen  gewonnen  sind.  Von  den  besonderen 
Bemerkungen,  welche  in  den  Beobachtungsbögen  angefügt 
sind,  habe  ich  diejenigen,  die  mir  besonders  beachtenswert 
scheinen,  hier  aufgenommen. 

Auf  dem  Hohen  Sonnblick  begannen  regelmäßige  Auf- 
zeichnungen von  Gewittern  mit  dem  Jahre  1888  durch  den 
Beobachter  Peter  Lech n er  und  wurden  von  ihm  bis  zum  Jahre 
1894  fortgeführt.  In  der  Zeit  vom  20.  Juli  1890  bis  zum  30.  Juni 
1902,  dann  vom  Februar  1893  bis  zum  Mai  1894  stellte  er  über 
Anregung  der  Herren  Elster  und  Geitel  Beobachtungen  über 
Elmsfeuer  an,^  welche  in  diesen  Sitzungsberichten  veröffentlicht 
wurden.  Allerdings  führte  er  zu  diesem  Zweck  ein  eigenes 


1  Elster  Julius  und  Geitel  Hans,  Elmsfeuerbeobachtungen  auf  dem 
Hohen  Sonnblick.  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CI,  Abt.  IIa,  p.  1485  bis  1504.  — 
Elektrische  Beobachtungen  auf  dem  Sonnblick.  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CIV, 
Abt.  IIa,  p.  37  bis  45. 


730  A.  V.  Obermayer, 

Protokoll  und  es  sind  nicht  alle  von  ihm  beobachteten  Elms- 
feuer in  die  Beobachtungsbögen  der  k.  k.  Zentralanstalt  ein- 
getragen. Peter  Lechner  machte  hiebei  auch  die  Wahrnehmung, 
daß  nach  blauen  Blitzen  negatives  Elmsfeuer,  nach  rötlichen 
Blitzen  positives  Elmsfeuer  auftritt,  eine  Erscheinung,  welche 
Elster  und  Geitel  während  ihres  Aufenthaltes  auf  dem  Sonn- 
blick bestätigt  fanden  und  der  sie  besondere  Aufmerksamkeit 
widmeten.* 

In  den  Beobachtungsbögen  finden  sich  im  Jahre  1889  Be- 
merkungen, wie: 

2.  August  1889  Gewitter  von  5  bis  9^p.,  Hagel,  rote  und 

bläuliche  Blitze,  positives  und  negatives  Elmsfeuer 

bis  1^  a., 
oder: 

1.  September  Gewitter  von  6  bis  7^  p.  mit  lichtroten 
Blitzen,  Regen.  Gewitter  von  7  bis  9**  p.  mit  bläulichen 
Blitzen,  Schnee,  von  10**  p.  bis  Mitternacht  negatives 
Elmsfeuer. 

Dagegen  heißt  es  im  Jahre  1890: 

Am  22.  Juni  Gewitter  von  10**  p.  bis  4**  a.  bei  positivem 
und  negativem  Elmsfeuer;  nach  den  roten  Blitzen 
kommt  positives,  nach  den  bläulichen  negatives  Elms- 
feuer. 

Vom  Jahre  1894  an  wurden  die  Gewitterbeobachtungen 
von  den  späteren  Beobachtern  und  deren  Gehilfen  fortgesetzt 
und  wenn  nach  den  sonstigen  besonderen  Aufzeichnungen 
geschlossen  werden  soll,  mit  keiner  besonderen  Sorgfalt.  Ins- 
besondere fällt  in  Tabelle  III  auf,  daß  in  den  Jahren  1899  bis 
1902  auf  dem  Sonnblick  merklich  weniger  Gewitter  auf- 
gezeichnet sind,  als  in  der  Fußstation,  im  Lehnerhäusl,  in 
Bucheben  (1200 1»),  die  etwa  7500  w  vom  Sonnblick  entfernt 
ist.  Die  Bedeckung  des  Gipfels  mit  Nebel  dürfte  wohl  dazu  bei- 
tragen,  daß   entfernte   Gewitter   übersehen   werden,   dagegen 


1  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  XCIX,  p.  1025.  und  Bd.  CI,  p.  1501,  Tab.  II. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  731 

genießt  der  Sonnblick  den  Ausblick  nach  Süden,  welcher  für 
Bucheben  durch  den  Tauernkamm  völlig  abgeschnitten  ist.  Die 
in  dem  Zeiträume  von  1888  bis  1906  gewonnene  Zahl  von 
314  Gewittertagen  ist  zur  Berechnung  der  mittleren  Zahl  der 
Gewitter  im  Jahre,  um  die  8  Gewittertage  des  Jahres  1896,  für 
welches  die  Junibeobachtungen  fehlen,  zu  vermindern.  Es 
ergeben  sich  dann  17  Gewittertage  auf  das  Jahr.  Aus  den  oben 
angeführten  Gründen  schätze  ich  diese  Zahl  für  zu  niedrig, 
wofür  der  Umstand  spricht,  daß  Bucheben  21  Gewittertage  im 
Jahre  im  Mittel  aufweist  und  daß  in  den  Beobachtungsbögen 
der  beiden  Stationen  die  Tage,  an  denen  Gewitter  verzeichnet 
sind,  nicht  völlig  übereinstimmen. 

Während  der  von  Prof.  Karl  Prohaska  in  der  meteoro- 
logischen Zeitschrift  beschriebenen  Wetterstürze  in  den  Alpen 
am  12.  und  13.  Juli  1890,  am  3.  und  7.  August  1890,  am  25.  und 
26.  August  1890,  am  21.  und  22.  August  1892,  am  4.  September 
1894,  am  5.  und  7.  August  1896,  am  9.  August  1898,  am  21.  und 
28.  Mai  1904,  am  3.  Juli  1906  sind  auch  auf  dem  Sonnblick 
mehr  oder  weniger  heftige  Gewittererscheinungen  beobachtet 
worden. 

Das  Zittelhaus  auf  dem  Sonnblick  ist  so  ziemlich  blitz- 
sicher. Solche  Blitzschläge  in  das  Haus,  wie  dieselben  im 
folgenden  bezüglich  des  Obir  und  des  Schafberges  angeführt 
werden,  oder  wie  dieselben  auf  dem  verhältnismäßig  gewitter- 
armen Ben  Nevis  in  Schottland  (etwa  7  Gewitter  im  Mittel  im 
Jahre)  vorkommen,  sind  auf  dem  Sonnblick  nicht  verzeichnet 
worden.  Es  ist  dies  wohl  der  dortselbst  angewendeten  Blitz- 
sicherung zuzuschreiben.  Dieselbe  ist  zum  Teil  nach  dem 
Melsens'schen  System  angeordnet.  Es  sind  Drahtlitzen  unter- 
halb des  Dachrandes  um  das  ganze  Haus  geführt  und  eben- 
solche Litzen  rund  um  das  Haus  herum  eingegraben  worden. 
Diese  beiden  Litzen  sind  durch  Drähte  mehrfach  untereinander 
und  an  den  geeigneten  Stellen  mit  den  drei  Auffangstangen  der 
Blitzableiteranlage,  dann  mit  den  Eisenstangen  verbunden, 
mit  welchen  das  Holzhaus  gegen  den  Untergrund  nieder- 
gezogen ist  Die  Erdleitung  führt  über  den  Gletschersattel 
zwischen  dem  Goldberggletscher  und  dem  Kleinen  Fleißkers 
zum   Goldbergspitz    und    von   dort   zum   Pilatussee;    sie   ist 


732  A.  V.  Obermayer, 

ungefähr  2250  m  lang  und  dient  auch  zur  Erdung  des  Tele- 
phons, welches  durch  zwei  hintereinander  geschaltete  Blitz- 
platten gesichert,  aber  doch  vorsichtshalber  ausgeschaltet  wird, 
so  oft  zwischen  den  Zacken  der  Blitzplatte  schnalzende  Funken 
überzugehen  beginnen. 

Seitenentladungen  in  das  Haus  sind  wohl  selten  beob- 
achtet worden,  dagegen  kommen  solche  außerhalb  des  Hauses, 
in  der  Nähe  der  ei-wähnten  Eisenstangen  vor.  So  ist  im  Sommer 
1906  der  auf  dem  Sonnblick  zu  Triangulierungszwecken  be- 
schäftigt gewesene  Hauptmann  Julius  Gregor  des  k.  u.  k. 
Militärgeographischen  Instituts  von  einer  solchen  Seitenent- 
ladung getroffen  worden,  ohne  indes  Schaden  zu  nehmen. 

Die  Blitzschläge,  welche  das  Haus  treffen,  schmelzen 
häufig  die  außerhalb  desselben  befindlichen  Kupferdrähte, 
welche  zur  Telephonleitung  führen  und  beschädigen  auch 
diese,  so  daß  die  telephonische  Verbindung  gestört  ist.  Solche 
Blitzschläge  sind  aufgezeichnet  am  20.  Mai  1888,  am  25.  Juni 
1888,  am  21.  August  1890,  am  4.  Juli  1891,  am  4.  und  5.  Sep- 
tember 1891;  am  30.  Juni  1892,  auch  mit  Beschädigung  der 
Luftleitung  vom  Sonnblick  herab  und  Beschädigungen  des  Tele- 
phons in  Kolm-Saigurn  und  im  Badehause  verbunden;  am 
21.  August  1892  mit  etwa  20  Blitzschlägen  in  die  Leitung,  durch 
welche  die  überflüssigen  (noch  immer  empfohlenen)  Platin- 
spitzen der  Blitzableiter  abgeschmolzen  wurden  (Meteorolog. 
Zeitschr.,  1892,  p.  23);  am  9.  Juli  1893,  am  4.  August  1894,  am 
19.  Juli  1898.  Ferner  sind  angeführt  am  26.  Juni  1904  6  bis  8, 
am  9.  August  1896  6,  am  5.  September  1906  9  Blitzschläge  in 
die  Leitung. 

Über  das  Jahr  verteilen  sich  die  aufgezeichneten  23  Fälle 

von  Blitzschlägen  in  das  Haus,  deren  Zahl  sicher  zu  gering  ist, 

in  folgender  Weise: 

Mai 1 

Juni 5 

Juli 8 

August 6 

September  . .  3 

Der  jährliche  Gang  der  Gewitterhäufigkeit  ist  in  Tabelle  I 
und  Fig.  1  ersichtlich  gemacht.   Die  Ermittlung  des  täglichen 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  733 

Ganges  ist  mit  einer  gewissen  Unsicherheit  behaftet,  da  in  den 
Beobachtungsbögen  die  Bezeichnungen:  »Den  ganzen  Tag 
Gewitter«,  »Nachmittags  Gewitter«  u.  dgl.  vorkommen.  Derselbe 
ist  in  Tabelle  II  mitgeteilt. 

Im  Lehnerhäusl  in  Bucheben  (1200  w)  wurden  die 
Gewitterbeobachtungen  im  Jahre  1898  durch  Peter  Lech n er 
begonnen  und  bis  zu  seinem  Tode,  im  Jänner  1901,  fortgeführt. 
Seither  beobachtet  sein  Ziehsohn  Makarius  Janschütz  und 
liefert  auch  in  anderer  Beziehung  recht  brauchbare  Aufzeich- 
nungen. Der  jährliche  und  der  tägliche  Gang  der  Gewitter- 
häufigkeit ist  aus  den  Tabellen  I  und  II  zu  entnehmen.  Die  in 
der  Zeit  von  9  Jahren  verzeichneten  190  Gevvittertage  geben  im 
Mittel  21  Gewittertage  im  Jahre. 

Auf  der  Schmittenhöhe  (1935  w)  bei  Zell  am  See  wurden 
die  meteorologischen  Beobachtungen  im  Jahre  1880  durch  den 
Gasthofbesitzer  Albert  Hu  binger  begonnen  und  bis  1894 
fortgeführt.  Von  diesem  Jahre  an  beobachtete  Karl  Hasch ke. 
Bis  zum  Jahre  1888  scheinen  die  Gewitteraufzeichnungen  nicht 
in  gleichmäßiger  Weise  geführt  zu  sein,  sie  fehlen  überdies  für 
drei  Jahre.  In  den  18  in  Betracht  kommenden  Jahren,  von  1888 
bis  1905,  wurden  424  Gewittertage  angegeben,  woraus  im 
Mittel  23  bis  24  Gewittertage  im  Jahre  folgen.  Da  die  Eintritts- 
zeiten der  Gewitter  nur  in  einzelnen  Fällen  mitgeteilt  sind,  ließ 
sich  der  tägliche  Gang  der  Gewitterhäufigkeit  nicht  ermitteln. 

Die  meteorologischen  Beobachtungen  auf  dem  Schafberg 
bei  St.  Wolfgang  (1776  w)  wurden  am  7.  September  1870  von 
Wolfgang  Grömer,  Gasthofbesitzer  in  St.  Wolfgang  und  Eigen- 
tümer des  Hotels  auf  dem  Schafberg,  begonnen,  während 
seiner  Anwesenheit  auf  dem  Gipfel  in  den  Sommermonaten 
durch  ihn  selbst,  in  den  Herbst-,  Winter-  und  Frühjahrsmonaten 
aber  durch  seine  Bediensteten  fortgeführt.  Bei  der  isolierten 
Lage  des  Schaf  berges  und  dem  vollständigen  Mangel  an  Wasser 
bis  tief  unterhalb  des  Gipfels  konnte  für  das  Haus  nur  ein  ganz 
ungenügender  Blitzschutz  erzielt  werden,  so  daß  vielfache  Ent- 
ladungen in  das  Haus  selbst  stattfanden,  welche  von  Grömer 
zunächst  kurz  beschrieben  wurden.  Seine  Aufzeichnungen  über 
die  Zahl  der  Gewitter  und  über  die  Zeit  ihres  Eintritts  scheinen 
sehr  vollständig  zu  sein.  Nicht  das  gleiche  läßt  sich  von  den 


734  A.  V.  Obermaycr, 

bezüglichen  Aufzeichnungen  seiner  oft  gewechselten  Gehilfen 
behaupten.  Es  fehlen  aus  den  Jahren  1872,  1873,  1874,  1875, 
1877, 1879, 1887  und  1892  die  Beobachtungsbögen  für  einzelne 
Monate,  von  1893  an  aber  für  mehrere  Monate  im  Jahre.  Von 
1900  bis  1902  liegen  überhaupt  keine  Gewitterbeobachtungen 
vor,  erst  im  Jahre  1903  beginnen  dieselben  wieder.  Nach  dem 
Bau  eines  neuen  Hotels  auf  dem  Gipfel  des  Schaf  berges  begann 
Franz  Humer  im  Jahre  1894  zu  beobachten.  Mit  dem  Jahre 
1904  schließen  diese  Beobachtungen,  das  Hotel  brannte  1906  ab. 

In  dem  Zeiträume  von  1871  bis  1904,  d.  i.-  von  34  Jahren, 
finden  sich  18  Jahre,  für  welche  die  Gewitterbeobachtungen  als 
brauchbar  angesehen  werden  können  und  darunter  smd  1874 
mit  7  und  1882  mit  5  Gewittertagen  zweifelhaft.  Aus  diesen 
18  Jahren  kann  auf  eine  Zahl  von  19  Gewittertagen  im  Jahre 
geschlossen  werden. 

Auch  diese  Zahl  glaube  ich  für  zu  niedrig  halten  zu 
sollen.  Trotz  der  Lückenhaftigkeit  dieser  Beobachtungen  ergeben 
dieselben  den  jährlichen  und  täglichen  Gang  der  Gewitter- 
häufigkeit einigermaßen  befriedigend. 

In  der  Tabelle  I  sind  die  aus  der  Beobachtung  folgenden 
Zahlen  in  den  Monatsdritteln  eingetragen  und  dann  die  durch 
ein  sehr  einfaches  Verfahren  auf  34  Jahre  umgerechneten 
Zahlen.  Es  ändert  dies  am  jährlichen  Gange  nichts  wesentliches, 
nur  die  Zahl  der  Gewittertage  vermehrt  sich.  Der  jährliche 
Gang  der  Gewitterhäufigkeit  ist  in  Fig.  1  mit  Hilfe  der  korri- 
gierten Zahlen  dargestellt  worden. 

Die  in  den  Beobachtungsbögen  angegebenen  103  Blitz- 
schläge in  das  Haus  oder  in  dessen  Nachbarschaft  verteilen 
sich  wie  folgt  über  das  Jahr: 

März 1 

•April 7 

Mai 19 

Juni 29 

Juli 31 

August 9 

September 6 

Oktober 1 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  735 

Aus   den   sehr  ausführlichen    besonderen   Bemerkungen 
Grömer's  seien  die  folgenden  herausgehoben: 

Bemerkenswerte  Blitzschläge  und  Gewitter. 

5.  Jänner  1873:  Blitzschlag  in  das  Haus,  einen  Mann  am  Auge 

beschädigt,  das  Gold  der  Etiketten  der  Vöslauerflaschen  in 
das  Glas  eingebrannt. 

6.  September  1876:  Intensiv  blaue  Blitze. 
6.  Juli  1877:  Dunkelblaue  Blitze. 

10.  September  1880:  Blaue  Farbe  der  Blitze. 
4.  Juni  1882:  Farbe  der  Blitze  tiefviolett. 

22.  Juli  1887:  Blaue  Blitze  (in  Bayern  Gewitter). 

14.  Juni  1889:  200  Schritte  vom  Hotel  eingeschlagen,  die  Erde 
gebrannt. 

12.  Juli  1889:  l'^a.  blaue  Blitze. 

28.  August  1889:  Die  Telegraphenglocken  läuten  von  selbst. 
3.  September  1889:  12^  30°"  p.  sind  im  Gebäude  von  der  Tele- 
graphenleitung starke  Funken  am  Boden  übersprungen. 
Die  Apparate  in  St.  Wolfgang  wurden  durch  den  gleichen 
Blitzschlag  beschädigt,  die  Leitung  unterbrochen. 

23.  Juni  1890:  Schlägt  ein  schwacher  Blitzstrahl  ein,  der  Knall 

wie  der  einer  starken  Kapsel. 
25.  August  1890:  Von  Mittag  an  mehrere  Gewitter.  Wettersturz 

vom  25.  und  26.  August  1890  in  den  Ostalpen. ^ 
22.  Mai  1895:  Der  Blitz  schlägt  zuerst  auf  der  höchsten  Spitze 

der  Wand  in  das  Gebäude  und  geht  von   da  ins  Haus, 

durch  zwei  Mauern  zum  Blitzableiter. 

8.  August   1898:    Nachmittags    Gewitter,    Südweststurm,   8, 

nachts  starker  variabler  Wind. 

9.  August  1898:  Nachmittags  zeitweise  Donner  bei  Nebel  und 

Regen,  die  auch  den  10.  anhielten  (Gewitter  und  Hagel  in 
den  Ostalpen).* 
21.  November  1903:'   Den  ganzen  Tag  Sturm  und  Schnee- 
gestöber, die  ganze  Nacht  Sturm,  9,  von   12^15"*p.  bis 


i  Meteorolog.  Zeitschr.,  1892,  p.  161. 

2  Prohaska  Karl,  Meteorolog.  Zeitschr.,  1899,  p.  224. 

3  Prohaska  Karl,    Gewitter  und  Stürme  in  der  Nacht   vom  21.  zum 
22.  November  1903.  Meteorolog.  Zeitschr.,  1903,  p.  573. 

Sitzb.  d.  maihem.-nalurw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  49 


736  A.  V.  Obermayer, 

12**25™p.  öfter  Gewitter  mit  Hagel,  um  l'^p.  abermals 
Gewitter.  Zuerst  fiel  abends  das  Barometer  sehr  rasch,  die 
Temperatur  wird  viel  höher,  in  der  Frühe  wieder  tiefer. 
Barometer  am  20.,  9**p.:  ßloöntm,  am  21.,  9^p.:  609*0 ww, 
am  22.,  7**a.:  613-Oww;  Temperatur  am  21.,  7^^a.:  — 6*  C, 
am  21.,  9**p.:  — 3*  C,  am  22.,  7^  a.:  —8**  C.  In  Deutsch- 
land und  WestösteiTeich  herrschten  heftige  Stürme  und 
Gewitter  mit  zündenden  Blitzen. 

Kugelblitzähnliche  Erscheinungen. 

9.  September  1872:  Sprang  ein  elektrischer  Funken  im  Ge- 
bäude in  der  Flur  von  der  Mauer  in  den  Boden  über.  Der- 
selbe war  von  der  Größe  einer  Haselnuß,  der  Knall  wie 
jener  einer  großen  Kapsel,  bei  35  cm  Schlagweite. 

2.  September  1880:  1^^  30'"  p.,  20  Schritte  von  hier  einge- 
schlagen; gleich  darauf,  50  Schritte  weit,  unmittelbar  auf 
diesen  Schlag,  heftiger  elektrischer  Ausgleich  zweimal  vor 
der  Türe,  Funkengröße  wie  ein  Ei.  Ausgleichshöhe  zwi- 
schen Nebel  und  Erde  4  Zoll,  Geräusch  wie  beim  Los- 
gehen eines  großen  Pulverhaufens.  Am  Boden,  im  Gebäude 
im  hinteren  Teile  Funkensprühen. 
29.  Juli  1890:  ll*'30™p.,  50  Schritte  von  hier  eingeschlagen, 
gleich  darauf  das  Telephon  zerstört;  von  der  Leitung  im 
Gebäude  flogen  kleine  Kugelblitze  auf  Lampe  und  Glocke 
und  am  Boden  herum. 

Elmsfeuer. 

1865,  Juni,  am  Dreifaltigkeitssonntage:  Im  Inneren  des  Hauses 
eine  2  m  hohe,  flammenartige  Elmsfeuererscheinung, 
welche  von  K.  Prohaska  beschrieben  wurde.^ 

23.  Mai  1875:  Sausen  der  Blitzableiter. 

16.  Juli  1884:  10^*  Elmsfeuer  auf  der  Triangulierungspyramide 
und  auf  dem  Flaggenstocke. 

16.  September  1888:  Schönes,  großes  Elmsfeuer  1000  Schritte 
vom  Gipfel  entfernt. 


1  Meteorolog.  Zeitschr.,  1893,  p.  223. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  73« 

11.  Juli  1889:    11**  p.  bis  0M5°*a.  Elmsfeuer  an  den   Finger- 

spitzen von  der  Gröfie  eines  Nadelkopfes,  an  der  Flaggen- 
stange ungewöhnlich  starkes  Sausen. 

12.  Juli  1889:    1**  30™  a.  Elmsfeuer  an  der  Flaggenstange. 

12.  Juli  1890:  Nach  einem  von  S^  20™  p.  bis  10**  p.  währenden 
Gewitter*  um  10**15™p.  an  der  Flaggenstange  ein  2  m 
langes.  30  cm  dickes  Elmsfeuer  bei  heftigem  Sausen. 

2.  Juli  1891:   An  der  Flaggenstange  heftiges  Sausen  zufolge 

elektrischer  Ausströmung. 
4,  September  1892:«  7»»  30™  a.  Schnee,  um  lM5™p:  Schnee- 
gestöber, dichter  Nebel  und  Donner  hörbar,  um  2**  30™  p. 
dasselbe  gegen  Südwesten,  dauert  ununterbrochen  fort, 
um  6**  p.  starkes  Blitzen,  gewaltige  und  langrollende 
Donnerschläge,  um  7**  p.  langanhaltender  Blitz,  furchtbarer 
Donner,  starke  Elmsfeuer  am  Flaggenstock  und  Blitz- 
ableiten  Entfernung  des  Gewitters  1500  bis  1800m.  Dichter 
Nebel,  massiger  Schneefall,  an  der  Flaggenstange  intensives 
Sausen,  8**p.  Entfernung  des  Gewitters,  dauerte  bis  9''45"p. 
Die  ganze  Zeit  variabler  Wind,  1. 

Brände  während  des  Gewitters  entstanden   und  vom 

Schafberg  beobachtet. 

3.  August  1871 :  Über  der  Donau. 

15.  August  1871 :  In  Zell  am  Moos. 

8.  Juli  1875:  Drei  Brände  gegen  Westen,  ein  Brand  gegen 
Süden,  unmittelbar  am  Fuße  des  Dachsteins. 

12.  Juni  1877:  Brand  durch  Blitzschlag  gegen  Braunau. 

20.  Juli  1881 :  9'*p.  Brand  in  Bayern;  im  Umkreise  sechs  Brände 
durch  Blitzschlag. 

16.  Juli  1884:    Brand  am  Inn,   dann  in  Nordwesten  und  bei 

Schwanenstadt  (ein  Gewitter,  welches  ganz  Deutschland 
durchzog,  für  welches  Börnstein  die  Isobroten  veröffent- 
lichte). 


1  Prohaska  Karl,  Der  Wettersturz  vom  12.  und  13.  Juli  1890  in  den 
Ostalpen.  Meteorolog.  Zeitschr.,  1800,  p.  456. 

*  Prohaska  Karl,  Die  Gewitter  und  der  Wettersturz  vom  4.  September 
1892  in  den  Ostatpen.  Meteorolog.  Zeitschr.,  1894,  p.  249. 

49* 


738  A.  V.  Obermayer, 

22.  Juli  1887:  Brand  in  Nußdorf  am  Attersee,  ausgedehnter  auch 

in  Bayern  beobachteter  Gewitterzug. 
1.  August  1887:  Brand  in  Hof  und  im  Norden. 
16.  August  1887:  Brand  in  Trum,  im  Salzburgischen,  nächst 

Schärding,  am  Meierhof  berg,  gegen  Neubau  und  Enns. 
13.  August  1890:  lO^p.  Brand  im  Norden,  lO''  IS^p.  ein  zweiter 

Brand   in    gleicher   Richtung,    lO*"  20"  p.    ein    Brand    in 

Bayern. 

Auf  der  Sternwarte  des  Stiftes  Kremsmünster  werden 
die  Gewitter  seit  1763  mit  geringfügigen  Unterbrechungen  fort- 
laufend aufgezeichnet.  Im  I.  Jahrbuche  der  k.  k.  Zentralanstalt 
für  Meteorologie  in  Wien  sind  die  Zahlen  der  Gewittertage  in 
den  einzelnen  Monaten  von  1763  bis  1850  veröffentlicht. 

W.  V.  Bezold^  führt  in  seiner  Abhandlung:  »Über  gesetz- 
mäßige Schwankungen  in  der  Häufigkeit  der  Gewitter«  an,  daß 
nach  Angabe  Dr.  Augustin  Reslhuber*s  in  dem  Zeiträume 
1802  bis  1833  Gewitterzahlen  eingetragen  seien,  während  vor 
und  nach  diesem  Zeiträume  die  Gewittertage  angegeben  werden. 

Für  den  Zeitabschnitt  1763  bis  1799  gibt  Karl  Kreil  im 
I.  Jahrbuch  als  mittleren  Wert  der  Zahl  der  Gewittertage  im 
Jahre  18-0,  für  den  Zeitabschnitt  1802  bis  1850  27 '3  an. 

Zur  Ableitung  der  Gewitterzahlen  für  die  Monatsdrittel 
wurden  verschiedene  Originalmitteilungen  benutzt*  und  mir 
die  fehlenden  3  Jahre  durch  den  Herrn  Direktor  der  Sternwarte, 
P.  Thiemo  Schwarz,  in  dankenswerter  Weise  ergänzt. 

Der  jährliche  Gang  der  Gewitterhäufigkeit  ist  für  Krems- 
münster für  je  10  Jahre  in  Tabelle  I  aufgenommen  und  es  sind 
in  Fig.  2  die  entsprechenden  Kurven  gezogen;  es  ist  auch  der 
aus  der  ganzen  Reihe  folgende  jährliche  Gang  gerechnet  und 
graphisch  in  Fig.  1  und  2  dargestellt. 

Die  1485  Gewittertage  in  dem  Zeiträume  von  1856  bis  1904 
ergeben  30  Gewittertage  auf  das  Jahr. 


1  Ges.  Abhandlungen,  p.  37. 

-  Von  1856  bis  1871.  P.  Augustin  Reslhuber,  Resultate  aus  den  auf  der 
Sternwarte  zu  Kremsmünster  angestellten  Beobachtungen;  —  von  1872  bis  1898 
die  Beobachtungsbögen  der  k.  k.  Zentralanstalt;  von  1899  bis  1903.  P.  Thiemo 
Schwarz,  Resultate  aus  den  auf  der  Sternwarte  zu  Kremsmünster  angestellten 
Beobachtungen. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  739 

In  Tabelle  II  wird  der  von  P.  Koloman  Wagner  ermittelte 
tägliche  Gang  der  Gewitterhäufigkeit  angeführt. 

Das  mehrfache  Maximum  der  Gewitterhäufigkeit  während 
der  Sommermonate  ist  von  Prof.  P.  Koloman  Wagner  in  dem 
nach  Dekaden  geordneten  jährlichen  Gange  der  Gewitterzahlen 
nachgewiesen  worden.^  Es  stellt  sich  dabei  ein  merklicher 
Unterschied  zwischen  den  Zeitabschnitten  1802 — 1840  und 
1840—1887,  aber  auch  ein  Unterschied  mit  der  von  mir  nach 
Drittelmonaten  geordneten  Reihe  der  Gewittertage  von  1857 
bis  1904  heraus.  Ich  führe  die  in  Betracht  kommenden  Zahlen 
aus  der  Abhandlung  P.  Wagner's  hier  an: 

1802—1840   1840—1887   1802—1887 

11.  Mai  bis  20.  Mai 66  81  147 

21.     »  »     30.     »    79  82  161 

31.     »  »       9.  Juni 66*  169  235 

10.  Juni  -     19.     »    93  152  245 

20.     »  »     29.     »    114  147*  261 

30.     »  *       9.  Juli 95  155  250 

10.  Juli  »     19.     »    80*  157  237* 

20.     »  »     29.     «►    91  156  247 

30.     »  »  8.  August  ...  105  142  247 

9.  August»  18.       *        .,.       81  120  201 

Das  für  den  jährlichen  Gang  der  Gewitterhäufigkeit  in  den 
letzten  50  Jahren  so  charakteristische  Minimum  des  zweiten 
Drittels  Juni  findet  sich  in  der  älteren  Reihe  1802  bis  1840  aus- 
gesprochen im  ersten  Drittel  dieses  Monats,  während  in  die 
ältere  Beobachtungsreihe  des  Hohenpeissenberges  dieses  Mini- 
mum auf  das  dritte  Drittel  des  Monats  Juni  fallt. 

Auf  dem  Obir  (2044  m)  bei  Klagenfurt  hat  der  um  die 
Meteorologie  Kärntens  so  verdiente  Jos.  Prettner  meteoro- 
logische Beobachtungen  eingerichtet.^   Dieselben  bezweckten 


1  Programm  des  k.  k.  Obergymnasiums  zu  Kremsmünster,  1888.  Nieder- 
schläge und  Gewitter  in  Kremsmunster. 

3  Temperaturbestimmungen  in  verschiedenen  Höhen  am  Berge  Obir  in 
Kärnten.  Aus  den  Berichten  über  die  Mitteilungen  der  Freunde  der  Naturwissen- 
schaften in  Wien,  herausgegeben  von  Wilhelm  Haidinger.  V.  Bd.,  März  1849, 
p.  218. 


740  A.  V.  Obermayer, 

die  Ermittlung  der  Temperaturänderung  mit  der  Höhe  und  des 
Ganges  der  Temperatur  in  den  höheren  Luftschichten  und 
wurden  in  drei  Berghäusern,  welche  zu  den  13  Bleibergbauen 
der  Gebrüder  Komposch  gehörten,  durch  die  Vorsteher  an- 
gestellt und  von  dem  Hutmanne  Andreas  Ortner  in  Kappe) 
überwacht  und  kontrolliert.  Diese  Beobachtungsstationen  waren 
die  folgenden: 

Obir  1,  3879  Wiener  Fuß,  Vorsteher  Mathias  Weiß nigg; 

Obir  II,  Seealpe,  5091  Wiener  Fuß,  Vorsteher  Jobst,   und 

Obir  III,  6462  Wiener  Fuß,  datiert  mit  Asterz. 

Von  Obir  I  schreibt  Prettner:  Dasselbe  ist  ein  Berghaus» 
von  kahlen  Bergflächen  und  Schutthalden,  Kalkgerölle,  um- 
geben, welche  durch  Insolation  sich  selbst  und  die  Luft  stark 
erwärmen,  es  ist  daher  diese  Station  nicht  viel  wert.  1868 
gingen  mit  der  Pensionierung  Weißnigg's  die  Beobachtungen 
daselbst  ein.  Das  Berghaus  Obir  III  ist  am  11.  Mai  1865  ab- 
gebrannt. 

Die  Beobachtungen  scheinen  an  einer  anderen  Station 
fortgesetzt  worden  zu  sein,  welche  der  Beobachter  Mal  In  er 
mit  Obir  II/III  bezeichnet  und  für  welche  Prettner  den  Namen 
»Hochobir«  vorschlug,  unter  welchem  dieselbe  in  den  Beob- 
achtungsbögen weitergeführt  ist.  Prettner  gibt  die  Höhe  der- 
selben zu  6441  Wiener  Fuß  =  1044  Toisen,  d.  i.  286  Wiener 
Fuß  =  46'4  Toisen  unter  dem  Gipfel,  an. 

Aufzeichnungen  von  Gewittern  finden  sich  vereinzelt  in 
den  Beobachtungsbögen,  die  mit  1851  beginnen,  schon  im 
Jahre  1852,  woselbst  am  21.  Juli  Blitz  und  Donner,  »schauder- 
liches Gewitter«  notiert  ist,  aber  zusammenhängende  Beob- 
achtungen sind  erst  vom  Jahre  1866  von  Lorenz  Mallner  vor- 
handen. Mit  dem  Beobachterwechsel  1870  werden  dieselben 
unvollständig,  von  1872  bis  1875  liefern  sie  die  Zahl  der  Ge- 
witter; von  1876  und  1877  sind  überhaupt  keine  Beobachtungs- 
bögen vorhanden.  Brauchbare  Gewitterbeobachtungen  beginnen 
erst  1880  durch  Em m er] in g,  aber  erst  1881  sind  auch  die 
Eintrittszeiten  der  Gewitter  und  die  Zugrichtungen  angegeben. 
In  gleicher  Weise  wurden  die  Beobachtungen  bis  zum  Oktober 
1883  von  Ferdinand  Jamnigg  und  weiter  bis  zum  Oktober 
1888  durch  Anton  Pissonitz  und  von  dieser  Zeit  an  bis  zur 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen,  74 1 

* 

Gegenwart  durch  Johann  Mattevveber  in  mustergültiger 
Weise  fortgeführt. 

Die  Station  beim  Berghause  am  Obir  wurde  1882  durch 
den  Berg-  und  Hüttenverwalter  Raimund  Prugger  unter  Bei- 
hilfe der  k.  k.  österreichischen  Gesellschaft  für  Meteorologie  in 
eine  Station  I.  Ordnung  umgewandelt  und  im  Jahre  1891  durch 
den  Bau  der  Hannwarte  auf  dem  Gipfel  ergänzt.  Es  unterliegt 
wohl  keinem  Zweifel,  daß  die  von  Prugger  gegebenen  An- 
leitungen wesentlich  zu  der  mustergültigen  Führung  der  Beob- 
achtungen auf  dem  Hochobir  beigetragen  haben. 

In  dem  Zeiträume  von  1880  bis  1905  sind  auf  dem  Hoch- 
obir 663  Gewittertage  notiert  worden,  was  im  Mittel  25  bis 
26  Gewittertage  im  Jahre  ergibt. 

Von  Pissonitz  sind  am  11.  Oktober  1884,  am  6.  März 
1885  und  am  8.  Mai  1885  Elmsfeuer  an  der  Windfahne  vor 
dem  Berghause  während  oder  nach  Gewittern  beobachtet 
worden. 

Blitzschläge  in  die  Signal-  und  Fahnenstangen,  in  die 
Telephonleitung,  ohne  größeren  Schaden,  sind  von  Pissonitz 
am  29.  Mai  1884,  am  21.  Juni  1887;  von  Matteweber  am 
27.  Juli  1889,  am  12.  Juni  1894,  am  22.  Juli  1897  (die  Detona- 
tion glich  der  einer  Dynamitpatrone);  am  19.  August  1903  (der 
Blitz  schlug  in  das  Telephon,  beschädigte  die  Fahnenstange 
am  Gipfel  und  mehrerer  Telephonslangen)  und  am  8.  Oktober 
1904  aufgezeichnet  worden. 

Am  17.  Juni  1897  bei  einem  Gewitter  von  9*' 45'"  bis 
11*^  p.  zündete  der  Blitz  im  Schutzhause  unter  dem  Dachfirst. 
Durch  rasches  Eingreifen  konnte  das  Feuer  erstickt  werden. 
»30  Fensterscheiben  fielen  zum  Opfer«. 

Am  21.  Juli  1897,  nach  einer  größeren  Zahl  von  Gewittern 
seit  Mittag,  schlug  bei  dem  letzten  derselben  um  9**  55"  p.  der 
Blitz  iq  die  Telephonleitung,  »wo  derselbe  die  Erde  3  m  lang, 
^/g  m  breit  und  V4  ^'*  hoch  aufgeworfen  hat,  eine  zentner- 
schwere Steinplatte,  welche  bei  der  Instrumentenhütte  lehnte, 
in  drei  Stücke  zerriß  und  dieselben  fortschleuderte«. 

Am  20.  Mai  1901  schlug  der  Blitz  am  Gipfel,  an  der  Süd- 
seite, 2  m  von  der  Warte  entfernt,  ein,  warf  Steine  bis  zu  5  kjf 
an   die  Oberfläche,   Erde   und   Rasen    lagen   auf  50  Schritte 


742  A.  V.  Obermayer, 

zerstreut.  Im  Wohnzimmer  schlug  der  Blitz,  »durch  die  Leitung 
gekommen«,  3  m  vom  Apparat  entfernt,  in  die  Mauer,  machte 
dortselbst  ein  handgroßes  Loch  und  schleuderte  den  Mörtel  im 
Zimmer  umher.  Der  Beobachter  selbst  hatte  in  den  Füßen  die 
Empfindung,  als  ob  ihn  jemand  elektrisiert  hätte. 

Am  14.  Juni  1905,  während  eines  Gewitters  von  12^  15°*p. 
bis  12^  40"*  p.,  schlug  der  Blitz  in  das  Wohnzimmer  des  Beob- 
achters. Zwei  Mauerseitenwände  wurden  stark  beschädigt,  am 
Plafond  entstanden  vier  Löcher,  die  Glasscheibe  vom  Wirt- 
schaftstarife wurde  zersplittert,  in  der  Küche  waren  im  Plafond 
zwei  Löcher  entstanden,  in  der  Vorlauben  der  Boden  auf- 
gerissen, dann  ging  die  Blitzspur  durch  den  Speisekasten  und 
den  Ofen  in  das  Gesellschaftszimmer,  welches  gleichfalls  be- 
schädigt wurde. 

Die  11  aufgezeichneten  Blitzschläge  verteilen  sich  wie 
folgt  über  das  Jahr: 

Mai 2 

Juni 5 

Juli 2 

August 1 

September ....  0 

Oktober 1 

Über  die  meteorologischen  Beobachtungen  in  Klagenfurt, 
zirka  \1  lim  vom  Obir  nordnordwestlich  gelegen,  finden  sich 
1854  und  1855  Berichte  über  mehrere  Stationen  umfassende 
Beobachtungen  vor  mit  der  Aufzeichnung  eines  Wintergewitters 
um  6*'  bis  8*"  p.  am  6.  Jänner  1854,  mit  neun  starken  Blitz-  und 
Donnerschlägen  und  reichlichem  Schneefalle.  Diese  meteoro- 
logischen Beobachtungen  wurden  von  Josef  Prettner^  geleitet 
und  späterhin  für  Klagenfurt  fortgeführt.  Die  Gewitter  scheinen 
sehr  sorgfältig  aufgezeichnet  zu  sein,  aber  die  Tagesstunden, 


1  Die  Zahl  der  Gewittertage  ist  den  Beobachtungsbögen  der  k.  k.  Zentral- 
anstalt in  Wien  entnommen.  W.  v.  Bezold  weist  in  seiner  Abhandlung:  »Die 
Schwankungen  der  Gewitterhäufigkeitc,  Ges.  Abhandl.,  p.  38,  darauf  hin,  daß 
die  in  den  Jahrbüchern  der  k.  k.  Zentralanstalt  veröffentlichten  Zahlen  mit  den 
von  Prettner  im  Jahrb.  des  naturhist.  Landesmuseums  in  Kärnten,  XI,  1S73, 
in  »Klima  von  Kärntenc  veröffentlichten  Zahlen  nicht  übereinstimmen. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  743 

ZU  welchen  dieselben  eintraten,  sind  nur  in  einzelnen  Fällen 
angegeben. 

Die  Beobachtungsbögen  enthalten  zahlreiche  Notizen  über 
Gewittererscheinungen  und  Blitzschläge,  von  denen  einige  hier 
angeführt  und  dabei  auf  die  gleichzeitig  auf  dem  Obir  notierten 
Erscheinungen  hingewiesen  werden  soll. 

Am  13.  Juli  1864  ein  Hagelwetter  mit  Nordweststurm, 
währenddessen  zahllose  Bäume  entwurzelt  und  an  50000 
Fensterscheiben  eingeschlagen  wurden;  auf  dem  Obir  ist  am 
1 2.  Juli  abends  Gewitter  angegeben. 

Am  28.  Februar  1866  fiel  während  eines  heftigen  Gewitters, 
worüber  vom  Obir  nichts  gemeldet  wird,  von  5^  30"^  bis  10''  p. 
Schnee  von  rostbrauner  Farbe.  20  Maß  Schmelzwasser  ergaben 
13  Wiener  Gran  (0*95^)  Bodensatz. 

Die  Beobachtungsbögen  von  1867  bis  1874  fehlen,  erst 
von  1875  an  sind  dieselben  wieder  vorhanden  und  von  1877  an 
ist  Bergrat  Ferdinand  Seeland  als  Beobachter  eingeschrieben. 
Aus  den  besonderen  Bemerkungen  der  aus  den  folgenden 
Jahren  stammenden  Beobachtungsbögen  seien  die  folgenden 
hervorgehoben. 

Am  12.  Juli  1877  (von  Obir  fehlt  der  Beobachtungsbogen), 
nachmittags  wolkenbruchartiger  Regen,  in  IV2  Stunden  Slfnnt, 
Im  Nordwesten  von  Klagenfurt  ein  starkes  Hagelwetter  und  eine 
Windhose,  welche  die  stärksten  Bäume  entwurzelte  und  Gebäude 
abdeckte.  Die  Längenachse  dieser  Sturm-  und  Hagelregion  er- 
streckte sich  von  Wölfnitz  bis  Viktring,  die  kurze  Achse  von 
Krumpendorf  zur  westlichen  Stadtgrenze. 

Am  25.  Februar  1879^  fiel  zwischen  1'^  30"  und  3*^  p.  bei 
Südoststurm  rotgelber  Schnee  aus  einer  roten  Wolke,  welche 
über  Lesina  heraufzog  und  afrikanischen  Wüstenstaub  enthielt. 
Am  Hochobir  herrschte  Südoststurm,  vom  23.  bis  zum  25.  Fe- 
bruar fiel  229  mm  Niederschlag. 

Über  den  großen  Staubfall  am  10.  März  1901  ^  ist  ange- 
geben: 3^  a.  Hagel  mit  Sturm.  Die  Schneedecke  zeigte  morgens 
punktierte  Vertiefungen  und  eine  gelbliche  Färbung.  Sonnblick 


1  Meteorolog.  Zeitschr.,  1879,  p.  141  und  146. 

2  Meteorolog.  Zeitschr.,  1902,  p.  180,  463,  533. 


744  A.  V.  Obermayer, 

berichtete  hierüber  erst  am  25.  März:  »Wunderschönes  Wetter 
mit  herrlicher  Aussicht  auf  die  mit  rötlichem  Schnee  bedeckten 
Gebirge.« 

Zum  Teil  besonders  bemerkenswerte  Blitzschläge  sind  in 
Klagenfurt  aufgezeichnet: 

Am  14.  August  1884  zwei  Blitzschläge  in  die  Südostecke 
des  Südbahnhofes.  Obir  notiert  4^  30"  bis  5^  10"*  p.  Gewitter 
in  Nordwesten. 

Am  27.  September  1885,  8^  a.  Blitzschlag  in  den  Bene- 
diktinerturm. Am  Obir  sind  an  diesem  Tage  drei  Gewitter 
aufgezeichnet:  1^  bis  5^  a.  in  Südwesten,  8*^  40*"  bis  9^  10"  a.  in 
Südwesten,  4*"  20"  p.  zwei  Blitze  und  Donner  in  Südwesten. 

Am  23.  Juli  1887  während  der  Gewitter  von  10^  a.  bis  5**  p. 
Blitzschläge  in  einen  Blitzableiter  bei  Kazettl  und  in  die  Tabak- 
fabrik; Obir  notiert  Gewitter  von  1 1*"  a.  bis  12*^  in  Norden  und 
Süden,  12^  bis  2^  p.  in  Westen  und  Osten;  3^  bis  6**  p.  ent- 
ferntes Gewitter. 

Am  15.  Juni  1892  während  eines  Gewitters  von  3**  p.  bis 
7^  p.  (Sonnblick  meldet:  Gewitter  von  4**  bis  7^  30"  a.  mit 
starken  Blitzschlägen;  Obir:  Gewitter  um  6^15"p.  in  Süd- 
westen und  Osten)  aus  Nordwesten,  fuhr  der  Blitz  in  eine  hohe 
Pappel  an  der  Nordwestecke  des  Suppangartens,  sprang  auf 
das  Ziegeldach  der  Gartenmauer,  zum  Bleche  des  Glashauses, 
dessen  aufstehender  Rand  zweimal  gelocht  wurde,  endlich  zum 
Blechsaume  und  zur  Dachrinne  des  Wohnhauses  nach  dem 
Wasserabfallrohre,  durch  drei  Erdlöcher  nächst  dem  Trottoir 
zum  Straßenkanal.  Die  Hausbewohner  blieben  unversehrt,  trotz- 
dem sie  ganz  von  elektrischen  Funken  umzingelt  waren,  die 
eine  an  der  Gartenmauer  stehende  Fichte  schwärzten  und  den 
wilden  Wein  am  Glashause  verbrannten. 

Am  7.  Juni  1895  meldet  Obir  kein  Gewitter,  dagegen 
Klagenfurt  sehr  heftiges  Gewitter  mit  Blitzschlägen  in  den 
Blitzableiter  des  Stadtturmes  und  südöstlich  des  Lendkanals, 
wo  nächst  der  Maut  ein  Feldarbeiter  getötet  wurde. 

Am  4.  Juli  1903  meldet  Obir  kein  Gewitter,  dagegen  schlug 
in  Klagenfurt  der  Blitz  in  den  Heustadl  des  Tischlermeisters 
Bloth  bei  Franzensmühl  und  zündete;  in  St.  Rupprecht  wurden 
zwei  Schornsteine  und  der  Oberboden  demoliert,   der  Blitz- 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  i  45 

ableiter  des  Hauses  Nr.  19  am  Bismarckringe  umgebogen,  die 
Blätter  des  an  der  Westseite  stehenden  Trompetenbaumes 
wurden  auf  der  Nordseite  welk  und  fielen  ab,  noch  mehr  die 
von  dem  außerhalb  des  Gartens  stehenden  Kastanienbaume 
auf  der  Ringstraße,  die  an  der  Ostseite  ganz  verdorrten. 

Am  23.  Juni  1904  meldet  Obir  von  Z^  30"  bis  6*^  40*"  p. 
Gewitter  in  Nordwesten  und  Südwesten,  Klagenfurt  Gewitter 
von  2**  30™  bis  8*"  15°*  p.  und  Hagel  in  Krumpendorf,  woselbst 
ein  Mann  durch  den  Blitz  getötet  wurde. 

Am  5.  Juli  1904  meldet  Obir:  Gewitter  von  6**  bis  6^  18'"  p. 
in  Norden  und  Osten;  Klagenfurt  meldet:  Hinter  Predigtstuhl 
schlug  während  eines  Gewitters  von  4**  50*"  bis  7''  p.  der  Blitz 
ein  und  zündete  zwei  Objekte.  In  der  Landwehrkaserne  wurde 
ein  Kugelblitz  beobachtet. 

Am  18.  Juli  1904  meldet  Obir  Gewitter  von  3^  15*"  p.  bis 
3^  45"*  p.  Nordwesten  bis  Süden,  7^'  30"*  bis  8^  45"*  p.  Nordosten 
bis  Südosten;  Klagenfurt  Gewitter  um  2**  35"*  p.  und  7^  30'"  p. 
in  Zell  durch  Blitzschläge  zwei  Gehöfte  abgebrannt. 

Am  21.  Juli  1904  meldet  Obir  Gewitter  von  3^15"*p.  bis 
4''  10"  p.  in  Nordwesten  bis  Südwesten  Hagel  und  Regen; 
Klagenfurt  Gewitter  von  2'*  30"*  bis  3**  15°*  p.  und  um  7''  p.  Ge- 
witter in  Stein  bei  Viktring,  woselbst  eine  Magd  vom  Blitze 
getötet  wurde. 

Von  den  bemerkenswerten  in  Klagenfurt  aufgezeichneten 
Hagelfällen  vom  18.  Juli  1880  mit  haselnußgroßen  geschichteten 
Hagelkörnern,  vom  14.  Juli  1884  und  vom  24.  August  1894 
mit  Hagelkörnern  von  10  bis  22  mm  Durchmesser,  meldet  Obir 
nichts  Bemerkenswertes.  Dagegen  wurde  während  des  am 
25.  August  1890  in  Klagenfurt  beobachteten,  von  5^  50"*  p.  bis 
5**  55"*  p.  währenden  Hagelfalles  mit  Hagelkörnern  von  50  mm 
in  der  großen  Achse,  von  denen  80  auf  ein  Zollpfund  gingen,^ 
auf  dem  Obir  um  4**  p.  entfernte  Gewitter  in  Südwesten  und 
Nordosten,  von  7**  bis  8**  30"*  p.  heftige  Gewitter  auf  allen 
Seiten,  Südostslurm  und  Neuschnee  notiert. 

Am  16.  Juli  1902  meldet  Obir  Gewitter  von  3^  15"*  p.  bis 
3**  45"*  p.  mit  Nordwest-  und  Südweststurm,  während  in  Klagen- 


1  Meteorolog.  Zeitschr.,  1902,  p.  161. 


746  A.  V.  Obermayer, 

furt  während  eines  Gewitters  von  2^  40"*  bis  3*^  30"*  p.  nußgroße 
und  taubeneigroße  Hagelkörner  fielen  und  viel  Schaden  an- 
richteten, insbesondere  Nordfenster  einschlugen. 

Während  eines  am  21.  Mai  1904*  in  Klagenfurt  von  7**  p. 
bis  8^  p.  notierten  Gewitters  mit  Sturm,  Wolkenbruch  und 
Hagelfall  berichtet  Obir:  Gewitter  von  7^*30°*  bis  8^p.  in  Norden 
und  Südwesten. 

Es  ist  noch  anzufügen,  daß  in  Klagenfurt  von  1896  bis 
1897  E.  Janezic  beobachtete  und  im  April  1901  Prof.  Jäger 
zu  beobachten  begann,  welcher  die  Gewitter  mit  Angabe  der 
Zeit  und  der  Weltgegend  sorgfältig  aufzeichnete.  Aus  diesen 
fünf  vollständigen  Jahrgängen  ist  der  tägliche  Gang  der  Ge- 
witterhäufigkeit abgeleitet  worden;  derselbe  ist  in  Tabelle  II 
eingetragen. 

In  dem  Zeiträume  1857  bis  1866  sind  273,  in  jenem  1875 
bis  1905  966,  zusammen  1239  Gewitter  aufgezeichnet  worden, 
was  im  Mittel  30  Gewittertage  auf  das  Jahr  ergibt. 

Die  seit  1884  angeführten  11  Blitzschläge  verteilen  sich 
wie  folgt  über  das  Jahr: 

Juni 3 

Juli 6 

August 1 

September ....  1 

Auf  dem  Hohenpeissenberg  (989  w)  sind  meteoro- 
logische Beobachtungen  von  der  »Societas  Palatina«,  welche 
der  Kurfürst  Karl  Theodor  1780  begründet  hatte,  durch  den 
geistlichen  Rat  und  Aufseher  der  kurfürstlichen  Kunstkammer 
der  Naturlehre,  Johann  Jakob  Hemmer,  im  Jahre  1871  ein- 
geleitet worden.  Die  Beobachtungen  wurden  von  den  dem 
Kloster  Rottenbuch  zugehörigen  Pfarrern  unter  Beihilfe  der 
Schullehrer  begonnen  und  später  unter  staatlicher  Aufsicht 
durch  diese  Persönlichkeiten  weitergeführt.  Die  seit  1792  ge- 
sammelten Beobachtungen  sind  von  Lamont  im  I.  Supplement- 
bande zu  den  Annalen  der  Münchener  Sternwarte,  1851,  bis 
zum  Jahre  1850  veröffentlicht  worden.   Die  Gewitter  sind  nach 


1  Meteorolog.  Zeitschr.,  1905,  p.  177. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  747 

den  Beobachtungsstunden  notiert,  ich  habe  sie  nach  Gewitter- 
tagen geordnet. 

Es  haben  sich  auf  diese  Art  1330  Gewittertage  in  53  Jahren, 
aus  denen  Beobachtungen  vorliegen,  ergeben,  was  im  Mittel 
25  Tage  mit  Gewittern  im  Jahre  ausmacht. 

W.  V.  Bezold  war  der  Ansicht,  daß  die  Gewitterbeob- 
achtungen auf  dem  Hohenpeissenberg  nicht  nach  einheitlichen 
Gesichtspunkten  geführt  sind  und  benützte  dieselben  nicht  bei 
seinen  Untersuchungen  über  die  gesetzmäßigen  Schwankungen 
in  der  Häufigkeit  der  Gewitter.^ 

Die  Gewitterbeobachtungsreihe  des  Hohenpeissenberges 
ist  mit  dem  Jahre  1850  unterbrochen  und  beginnt  erst  wieder 
mit  dem  Jahre  1879;  sie  ist  bis  zum  Jahre  1898  veröffentlicht.^ 

Die  in  diesen  20  Jahren  aufgezeichneten  699  Gewittertage 
ergeben  im  Mittel  35  Gewittertage  auf  das  Jahr.  Die  in  Sonder- 
abdrucken der  Augsburger  Abendzeitung  erscheinenden  monat- 
lichen »Übersichten  über  die  Witterungsverhältnisse  im  König- 
reiche Bayern«  ergeben  von  1899  bis  1906  247  Gewittertage, 
somit  im  Mittel  31  Gewittertage  auf  das  Jahr. 

In  Tabelle  I  ist  der  jährliche  Gang  nach  der  älteren  und 
neueren  Beobachtungsreihe  in  Drittelmonaten  angegeben  und 
in  Fig.  2  ist  derselbe,  der  neueren  Beobachtungsreihe  ent- 
sprechend, graphisch  dargestellt. 

Zum  Vergleiche  sind  von  mir  auch  die  Gewitterbeobach- 
tungen in  München  herangezogen  worden. 

Die  Zahl  der  Gewittertage  für  die  Jahre  1842  bis  1859 
beträgt  nach  Dr.  Ph.  CarP  339,  somit  auf  das  Jahr  19.  Die 
neuere  Reihe  von  1879  bis  1898*  ergibt  627  Gewittertage  und 
jene  von  1899  bis  1906*  293  Gewittertage,  somit  31  und 
37  Gewittertage  auf  das  Jahr. 

Im  Mittel  geben  von  1879  bis  1906  der  Hohenpeissen- 
berg 34  und  München  33  Gewittertage  auf  das  Jahr. 


1  Ges.  Abhandlungen,  p.  43. 

2  Beobachtungen  der  meteorologischen  Stationen  im  Königreiche  Bayern. 

3  Pogg.  Ann.  der  Phys.  und  Chemie,  Bd.  112,  1862,  p.  107. 

^  Beobachtungen  der  meteorologischen  Stationen  im  Königreiche  Bayern* 
^  Übersicht  über  die  Witterungsverhältnisse.   Separatabdruck  aus   der 
Augsburger  Abendzeitung. 


748  A.  V.  Obermayer, 

Aus  der  Reihe  1879  bis  1898  ist  der  jährliche  Gang  in 
Drittelmonaten  abgeleitet,  in  Tabelle  II  angeführt  und  in  Fig.  2 
graphisch  dargestellt. 

Prof.  Karl  Prohaskain  Graz  hat  im  Jahre  1885  mit  Unter- 
stützung des  Naturwissenschaftlichen  Vereines  für  Steiermark 
ein  Gewitterbeobachtungsnetz  in  Steiermark,  Kärnten  und 
Krain  eingerichtet.  Die  Meldungen  sind  eingelaufen  in  den 
Jahren  1885  bis  1892  und  1896  bis  1902,  d.  i.  während  15  Jahren. 
In  der  Meteorologischen  Zeitschrift,  1906,  p.  134,  sind  die 
gefundenen  Ergebnisse  in  einer  Mitteilung:  »Ober  die  jährliche 
und  tägliche  Periode  der  Gewitter  und  Hagelfälle  in  Steiermark, 
Kärnten  und  Krain«  zusammengestellt, 

Nach  Dekaden  geordnet  führe  ich  hieraus  die  folgenden 
Zahlen  der  Gewittermeldungen  an,  welche  den  Rückgang  der 
Gewitterhäufigkeit  im  zweiten  Drittel  des  Monats  Juni  so,  wie 
er  sich  auch  an  den  im  vorhergehenden  in  Betracht  gezogenen 
Stationen  ergeben  hat,  zum  Ausdrucke  bringen: 

11.  Mai  bis  20.  Mai 4988 

21.  Mai  »    30.  Mai 7938 

31.  Mai  »      9.  Juni 14409 

10.  Juni  »    19.  Juni 8915* 

20.  Juni  »    29.  Juni 11314 

30.  Juni  >      9.  Juli 13160 

10.  Juli  »    19.  Juli 15228 

20.  Juli  »    29.  Juli 14205 

30.  Juli  .      8.  August 13653 

9.  August  »    18.  August 9947 

In  der  Tabelle  II  ist  der  tägliche  Gang  der  Gewitterhäufig- 
keit für  Sonnblick,  Bucheben,  Schafberg,  Kremsmünster,  Hoch- 
obir  und  Klagenfurt  angeführt  und  zum  Schluß  eine  diesbezüg- 
liche Zusammenstellung  Karl  Pro  haska's^  beigefügt.  Dem  in 
der  letzteren  ausgesprochenen  Morgenmaximum  in  der  Stunde 
1  **  bis  2**  a.  begegnet  man  wieder  im  täglichen  Gange  der  Ge- 
witterhäufigkeit  von  Kremsmünster  und  des  Zeitabschnittes 


1  Ober  die  jährliche  und  tagh'che  Periode  der  Gewitter  und  HagelfüIIe  in 
Steiermark,  Kärnten  und  Krain.  Meteorolog.  Zeitschr..  1906,  p.  134. 


Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen.  749 

1881  bis  1890  auf  dem  Obir.  Das  Hauptminimum  von  4^  a. 
bis  8*'  a.  der  Prohaska'schen  Reihe  scheint  in  Kremsmünster 
etwas  verspätet,  auf  den  Gipfelstationen  auf  eine  frühere  Stunde 
zu  fallen,  was  indessen  nur  vermutet  werden  kann.  Das  Haupt- 
maximum von  3*"  bis  5^  p.  findet  sich  am  Schaf  berg,  in  Krems- 
münster, am  Obir  und  in  Klagenfurt.  Auf  dem  Sonnblick  und 
in  Bucheben  ist  es  auf  5^^  bis  6^  p.  verschoben.  Auf  dem  Sonn- 
blick erscheinen  überhaupt  die  Stunden  4**  bis  10''  p.  bezüglich 
der  Gewitterhäufigkeit  nur  wenig  voneinander  verschieden. 
Schafberg  und  Kremsmünster  zeigen  noch  ein  zweites  sekun- 
däres Maximum  von  8**  bis  9**  p.  und  von  7**  bis  9**  p. 

In  der  Tabelle  III  ist  eine  Zusammenstellung  der  Zahl  der 
Gewittertage  im  Jahre  für  solche  Stationen,  von  denen 
längere  Beobachtungsreihen  vorliegen  und  der  im  vorher- 
gehenden betrachteten  Gipfelstationen  versucht.  Die  eingeklam- 
merten Zahlen  entsprechen  Jahren,  in  welchen  die  Beob- 
achtungen für  einzelne  Monate  fehlen. 

In  Kremsmünster  sind  von  1856  bis  1870  die  Zahlen  den 
Reslhuber*schen  Mitteilungen,  von  1871  bis  1897  den  Beob- 
achtungsbögen der  k.  k.  Zentralanstalt,  von  1898  bis  1904  der 
Mitteilung  von  P.  Thiemo  Schwarz  entnommen.  Für  Hohen- 
peissenberg  und  München  sind  von  1899  an  die  Beobachtungen 
aus  den  Übersichten  über  die  Witterungsverhältnisse  aus  der 
Augsburger  Abendzeitung  entnommen. 

Die  großen  Unterschiede  in  den  Gewitterzahlen  einzelner 
Jahre  in  benachbarten  Stationen  lassen  wohl  vermuten,  daß  die 
Gewitterbeobachtungen  nicht  nach  den  gleichen  Gesichts- 
punkten geführt  sind. 


750 


A.  V.  Obermayer, 


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19 

26 

25 

82 

24 

5 

13 

28 

• 

• 

23 

28 

83 

18 

14 

25 

34 

• 

7 

38 

23 

84 

21 

19 

13 

28 

• 

10 

24 

20 

1885 

31 

26 

27 

29 

• 

13 

29 

34 

86 

35 

20 

38 

34 

• 

• 

31 

25 

87 

33 

12 

41 

36 

■ 

• 

29 

21 

88 

32 

17 

30 

33 

19 

11 

22 

27 

89 

40 

26 

53 

38 

21 

20 

29 

31 

1890 

39 

22 

45 

29 

22 

« 

26 

21 

29 

91 

39 

21 

39 

30 

23 

18 

30 

30 

92 

31 

16 

50 

27 

20 

19 

28 

31 

93 

35 

(8) 

44 

26 

17 

43 

31 

31 

94 

33 

(5) 

46 

28 

22 

13 

27 

37 

1895 

34 

(7) 

46 

37 

15 

24 

28 

30 

96 

25 

(8) 

42 

32 

(8) 

6 

42 

47 

97 

25 

(4) 

39 

33 

11 

56 

25 

34 

98 

22 

21 

34 

40 

17 

20 

41 

29 

48 

99 

34 

(7) 

35 

40 

16 

22 

15 

18 

40 

1900 

31 

• 

22 

51 

13 

25 

14 

16 

30 

758 


A.  V.  Obermayer,  Gewitterbeobachtungen  in  den  Alpen. 


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• 

26 

26 

16 

20 

16 

18 

27 

03 

35 

17 

31 

27 

14 

13 

21 

11 

27 

04 

38 

24 

30 

31 

21 

29 

29 

30 

51 

1905 

• 

• 

34 

38 

17 

25 

26 

14 

36 

06 

« 

• 

41 

39 

13 

16 

• 

• 

• 

759 


Zur  Rotation  von  Gasmolekülen 


von 


Dr.  Rudolf  Girtler, 

Assistent  für  Physik  an  der  k.  k.  technischen  Hochschule  in  Wien. 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  10.  Mai  1907.) 

Um  sich  die  Differenzen  zwischen  der  unter  Voraus- 
setzung alleiniger  fortschreitender  Bewegung  der  Moleküle 
berechneten  spezifischen  Wärme  eines  Gases  und  experimen- 
tellen Ergebnissen  zu  erklären,  nahm  Claus ius  neben  der 
fortschreitenden  kinetischen  Energie  der  Moleküle  auch  eine 
potentielle  Energie  der  ein  Molekül  zusammensetzenden  Be- 
standteile an,  indem  er  eine  intramolekulare  Kräftefunktion 
einführte,  durch  deren  entsprechende  Wahl  allein  schon  die 
Verschiedenartigkeit  des  Verhältnisses  x  der  beiden  spezifi- 
schen Wärmen  eines  Gases  erklärt  werden  könnte.  Maxwell 
fand  (Phil.  Mag.,  IV,  20,  1860),  daß  die  Rotationsenergie  eines 
elastischen  Gasmoleküls  von  beliebiger  Gestalt  seiner  Trans- 
lationsenergie im  Mittel  gleich  sein  müsse,  und  schloß  aus 
seiner  Untersuchung,  daß  eine  derartige  Annahme  über  die 
Art  der  Moleküle  mit  den  Erfahrungstatsachen  in  Bezug  auf  x 
nicht  in  Vereinbarung  zubringen  sei.  Boltzmann  (Gastheorie, 
II.  Bd.)  verband  die  Anschauungen  von  Clausius  und  Max- 
well und  schrieb  jedem  Gasmolekül  eine  fortschreitende  kine- 
tische Energie  Q^  und  eine  intramolekulare  Energie  Q^  zu,  von 
welchen  die  letztere  sich  zusammensetzt  aus  der  kinetischen 
und  potentiellen  Energie  Q^  und  Q^\  für  die  kinetische  Energie 
der  Atome  Q^  kommt  insbesondere  auch  die  Rotation  derselben 


760  R.  Girtler, 

um  irgend  eine  Achse  in  Betracht.  Boltzmann  stellte  dann 
seine  berühmte  Formel  für 

auf,,  worin  bekanntlich  pi  die  Anzahl  der  Freiheitsgrade  des 
Moleküls  und  s  das  Verhältnis  der  gesamten  intramolekularen 
Energie  zur  Erhöhung  der  potentiellen  Energie  der  Atome  bei 
Erwärmung  des  Gases  vorstellt.  Durch  nähere  Bestimmung 
von  (1  und  s  in  jedem  einzelnen  Falle  ist  eine  große  Mannig- 
faltigkeit der  Werte  von  x  gegeben.  Da  e  im  allgemeinen  von 
der  Temperatur  abhängig  sein  wird,  so  ergibt  sich  x  aus  (1) 
als  eine  Funktion  der  Temperatur.  Boltzmann  sagt  aber 
selbst,  daß  eine  Betrachtung  vieler  spezieller  Fälle  wohl  nicht 
schwierig,  jedoch  überflüssig  erscheine,  solange  nicht  um- 
fassenderes experimentelles  Material  vorliege. 

Wir  wollen  im  folgenden  zur  Bestimmung  von  x  einen 
unseres  Wissens  neuen  Weg  einschlagen,  nämlich  den  der 
Herleitung  von  x  aus  dem  von  Clausius  aufgestellten  Virial- 
begrifT.  Wir  fassen  zunächst  die  Moleküle  als  absolut  glatte, 
elastische  Körperchen  von  vorerst  beliebiger  Gestalt  auf,  zwi- 
schen denen  weiter  keine  Kräfte  als  die  im  Momente  des 
Stoßes  zur  Tätigkeit  gelangenden  Abstoßungskräfte  wirken 
sollen.  Sie  werden  dann  neben  der  fortschreitenden  kinetischen 
Energie  auch  eine  Rotationsbewegung  besitzen  müssen  und  es 
wird  sich  das  Virial  dementsprechend  in  ein  solches  der  fort- 
schreitenden und  rotierenden  Bewegung  Vf  und  Vr  teilen 
müssen.  Das  Gesamtvirial  V  ist  daher 

V=Vf^Vr,  (2) 

Für  7hat  Clausius  (Wied.  Ann.,  Jubelband,  1874,  p.422) 
den  Ausdruck 


y^L^d(U.-T.)  ^^^2.  ^^/^vg-  (3) 

2  dq^  2         dt 

aufgestellt.  Darin  ist  f/^  das  Kräftepotential,  Jv  die  lebendige 
Kraft  des  Systems,  q^  repräsentiert  die  generalisierten  Koordi- 


Rotation  von  Gasmolekülen.  761 


naten  eines  Teilchens  und  p^  -=.  -= — .  Die  Querstriche  bedeuten, 

daß  die  Mittelwerte  der  Summen  £  über  eine  genügend  große 
Zeit  /  genommen  werden  sollen.  Für  Vf  fand  schon  Clausius 

Vf  =  —^Y.X,  +  Yy^Z,,  (4) 


Vr  folgt  aus  (3):  Die  lebendige  Kraft  T^^  eines  Teilchens  ist 
T:  =  Jilf,^^,+ Jitf.J^.+J'il/.rfd,,  (5) 

wenn  wir  ein  rechtwinkliges  Koordinatensystem  x,  y,  z  zu 
Grunde  legen  und  Af^,  My^  Mz  die  auf  diese  Achsen  bezüg- 
lichen Drehungsmomente,  ^xt  *>-,  *»  aber  die  in  einem  be- 
stimmten Sinne  genommenen  Drehungswinkel  bedeuten.  Da 
nach  unserer  Voraussetzung  über  die  wirkenden  Kräfte  C/v  =  0 
ist  und  bei  einer  stationären,  d.  h.  einer  solchen,  für  welche 
nach   einer  genügend    großen   Zeit    immer  genau   dieselben 

dp  Q 

Werte  *x,  ^y,  *«  wiederkehren,  ^  '  =  0  gesetzt  werden 
kann,  so  ergibt  sich  aus  (3)  unter  Berücksichtigung  von  (5) 

2  d^x  ^^y  d^2 

und  daher 

1 


Vr=: S  Mx»x+My»y+M:»: .  (7) 

Die  gesamte  mittlere  lebendige  Kraft  während  einer  ge- 
nügend großen  Zeit  wird  daher  nach  (4)  und  (7) 


1  „t: r: — —      1 


V  — S^*  +  Yy-¥Zz  —  —  S  Mxbx-^My%.-¥M.M .        (8) 

Die  Gleichung  (7)  kann  auch  direkt  aus  den  dynamischen 
Grundgleichungen  hergeleitet  werden,  ohne  auf  Gleichung  (3) 
zurückzugreifen.  Um  die  Gleichung  (7)  etwas  durchsichtiger 
zu  gestalten,  werden  wir  das  im  folgenden  kurz  tun. 


762 


R.  Girtler, 


Die  allgemeinste  Bewegung  eines  Körpers  setzt  sich  be- 
kanntlich aus  einer  Rotation  um  eine  durch  den  Anfangs- 
punkt O  des  Koordinatensystems  gehende  Achse  und  einer 
fortschreitenden  Bewegung  des  Schwerpunktes  zusammen. 
Die  zu  den  drei  Achsen  ;r,  jv,  z  parallelen  Geschwindigkeits- 
komponenten der  Rotationsgeschwindigkeit  eines  materiellen 
Teilchens  |i.  des  Körpers  sind: 


dx 
dt 

dy 
dt 

dz 
dt 


=  zq — yr  =  A 


=  xr — zp  =  B 


'^  yp — ^i  =  c 


d^r 
dt 

— 

• 
P 

d^y 

dt 

= 

? 

d»^ 

♦• 

dt 


(9) 


Die  gesamte  mittlere  Rotationsenergie  unseres  Gases  ist  also 


2 
Die  Rotationsenergie  eines  Moleküls  ist 


Vr  = 


2 


2  Lv  dt 


ä^A\> 


PJ  + 


d»^ 
dt 


M^)^- 


n- 


r  ^^v  dd-i 


dt       dt 


yz-h 


dt 
d^x      d^s 


dt        dt 


xz-^ 


d^x      d^*^ 


dt 


dt 


xy^ 


Pxi  pyj  9z  bezeichnen  die  Größe  der  Drehungshalbmesser 
des  Teilchens  |jl  bezüglich  der  Achsen  x^y^  z. 
Aus  den  Gleichungen  (9)  folgt 


dz  dy  d^x 

y ^zz=.  — — 

dt  dt  dt 


(y+»«)_;,(i^^^  +  i^,),    (10) 

^  dt  dt     ^ 


wozu  noch  zwei  analoge  Gleichungen  durch  zyklische  Ver- 
tauschung von  Xyyy  z  entstehen. 


Rotation  von  Gasmolekülen. 


763 


ja 

Aus  (10)  erhalten  wir  durch  Multiplikation  mit  —        ^ 


2     dt 


die  Gleichung: 


iL  /    dz 

—  [y 

2   V     di 


dy\d»^  _ 
dtJ   dt 


2 


d^x  V  , 


dt 


xy 


dd'y  d^X 


dt       dt 


—  xz 


d^z    d^j^ 


dt       dt 


d^A 
di  J 


Über  die  Werte  der  zuletzt  aufgeschriebenen  Gleichung 
nehmen  wir  die  Zeitmittelwerte  für  eine  genügend  große 
Zeit  T,  d.  h. 


^    2  X    \     dt 


dv\  d^~ 
dtl   dt 


dt  — 


=  TfX'[( 


dt  I  dt      dt 


xz 


d^z   d^i 


dt     dt 


^^^L//.  (1 
dt  J 


1) 


Die   linke   Seite   von    (11)    können   wir    durch    partielle 
Integration  umformen: 


X    ^    dt  dtl   dt 


-i 


'     dz    d^r  T'    dv   d^r 

Jq 


dt     dt  Jq       dt     dt 


=[»-f]:-r»'( 


dy   dz           —  ,  - - 
-•^ y-y ]dt 

dt    dt  dt^l 


— )  dt—  Wz 


dy 
dt^ 


0 


Also  ist: 


.C\(^iy.+.^)ät 

1        \dt    dt  dt^l 


m- 


dy 
~dt 

dz 


d^ 
dt 


dt  — 


=K^f-f)H'»'(^'|f- 


z^y-\dt.  (12) 

dt^l 


764  R.  Girtler, 

Denken  wir  uns  den  zuletzt  gefundenen  Ausdruck  in  (11) 
eingesetzt  und  ist  die  Rotation  eine  stationäre,  d.  h.  liegen  die 
den  Bewegungszustand  eines  Teilchens  (t  charakterisierenden 
Größen  in  einem  solchen  Bereiche,  daß  sie  nach  einer  genügend 
großen  Zeit  immer  wiederkehren,  so  verschwindet  der  erste 
Ausdruck  auf  der  rechten  Seite  von  (12)  und  wir  erhalten  dem- 
gemäß aus  (1 1),  wenn  wir  über  alle  Teilchen  |i.  summieren 

2z  J^  L\  dt  I  dt     dt  dt      di  J 

Das  Zeichen  S  bezieht  sich  auf  die  Summierung  über  ein 
Molekül.  Zu  den  zuletzt  aufgeschriebenen  Gleichungen  gibt 
es  zwei  analoge  Gleichungen  bezüglich  der  y-  und  c-Achse. 
Addiert  man  diese  Gleichungen  zu  (11,  IIa)  und  bedenkt,  daß 

als  Zeitmittelwert  der  auf  ein  Molekül  wirkenden  äußeren 
Momente  angesehen  werden  kann,  so  ergibt  sich  bei  Summa- 
tion  über  alle  Moleküle  der  Ausdruck 


was  wir  bereits  gefunden  haben. 

Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  daß  die  Gleichung  (7) 
nach  einem  bekannten  Satze  der  Mechanik  auch  richtig  bleibt, 
wenn  x.y^  z  die  Koordinaten  in  einem  Achsensystem  bedeuten, 
das  mit  dem  betreffenden  Molekül  fortschreitet  und  seinen 
Ursprung  im  Schwerpunkte  des  Moleküls  hat.  Da  sich  also 
ergibt,  daß  die  Rotationsenergie  des  Gases  unabhängig  von  der 
Wahl  des  Koordinatensystems  ist,  kann  geschlossen  werden, 
daß  jede  Rotationsachsenrichtung  im  Räume  gleich  wahrschein- 
lich ist. 


Rotation  von  Gasmolekülen. 


765 


Nach  unserer  Annahme  wirkt  als  äußere  Kraft  der  auf  die 
Begrenzungsfläche  o)  des  Gasvolumens  v  sich  gleichmäßig  ver- 
teilende Druck  p  pro  Flächeneinheit. 

Für  diesen  Druck  p  geht  die  Gleichung  (7)  über  in 


Vr  = 


--f 

2  Jco 


pdiü[y  cos  (ms) — z  cos(«^)]  arctg 

1    r  X 

—  /  pd(ü[z  cos  (nx) — ,r  cos  (ws)]  arctg  — 

2    Joi  *^ 


(13) 


2  X 


y 


pdiü\x  cos  {ny)  — y  cos  («  x)\  arctg  ^^ 


wobei  wir  uns  erinnern,  daß 

M^—yZ—zY,    My  =  zX—Zx,     AU  =  xY—yX. 

n  bedeutet  die  nach  innen  gezogene  Normale  der  Fläche  w, 
die  Integrale  sind  über  die  ganze  Fläche  ««>  zu  nehmen. 
(13)  kann  auch  so  geschrieben  werden: 


VrZ= 


2X 


pdtü  cos  {nx) 


X 


z  arctg y  arctg 


(13a) 


i] 


l  pä(ü  COS  (ny)  X  arctg  ^ —  z  arctg  — 

/  odo)  cos  (W2J)  y  arctg -^^ ;»; arctg  — 

2  J«,  L-"         y  ^  J 


Nun  lautet  ein  Satz  der  Mathematik,  durch  welchen  man 
von  einem  Oberflächenintegral  auf  ein  Volumintegral  über- 
gehen kann: 


\  dv  =  —  I  Fcos(fi;r)^ 


(0 


und  zwei  entsprechende  Gleichungen  für  die  y-  und  2-Achse. 
Setzen  wir  F,  was  eine  stetige  Funktion  bedeuten  muß,  be- 
ziehungsweise gleich  den  eckigen  Klammerausdrücken  in  (13  a), 
so  erhalten  wir  die  folgenden  Gleichungen: 


766 


R.  Girtler, 


P  \   V  ^^^^8":: y  arctg—j  COS  («;»:)  du)  = 


=  i''X(^+^5^)''" 


-^'JS 


y 


X  arctg  ^ s  arctg  — )  cos  {ny)  dm  ^ 


i^X(^ 


-|-y2  y2 


dv 


— p  l  f^  arctg -^^ «  arctg  — 1  cos  («2)^(0  = 


=  —P 


i>> 


.2 


\^^y 


2_L^2 


Z^-^X^ 


\dv 


Addiert  man  die  Gleichungen  (14),  so  erhält  man 


(14) 


(15) 


Die  Gleichung  (7)  gilt,  wie  schon  erwähnt,  auch,  wenn 
man  die  dort  vorkommende  Summe  £  Mx^x+My^y-^M^^z  auf 
jedes  einzelne  Molekül  in  Bezug  auf  ein  mit  dem  Molekül  fest- 
verbundenes Achsensystem  nimmt  und  über  alle  Moleküle 
summiert.  Sind  die  Moleküle  Rotationskörperchen,  so  ver- 
schwindet das  Produkt  ilf*,  das  sich  auf  die  Rotationsachse 
bezieht,  z.  B.  M^^j.  für  jedes  Molekül.  Daraus  erkennt  man, 
daß  auch  für  ein  außerhalb  der  Moleküle  liegendes  festes 
Achsensystem,  für  den  Fall,  daß  die  Moleküle  Rotations- 
körperchen sind,  die  Gleichung  (7)  die  Form 


annehmen  kann. 

Um  aber  keinen  Zweifel  an  der  Richtigkeit  von  Gleichung 
(7a)  unter  den  angeführten  Umständen  aufkommen  zu  lassen, 
führen  wir  folgende  Betrachtung  durch.  Das  mit  jedem  Molekül 
fest  verbundene  Achsensystem  habe  die  Bezeichnung  x,y,z. 


Rotation  von  Gasmolekülen. 


767 


das  von  der  Bewegung  der  Moleküle  unabhängige  Achsen- 
system heiße  x',  y',  z'.  Das  System  x^  y^  z  kann  für  jedes 
Molekül  gegenüber  dem  System  x\y\z^  durch  drei  Winkel 
d,/,  (p  festgelegt  werden,  von  welchen  0  von  Null  bis  ic,  /  von 
Null  bis  2ä,  ^  von  Null  bis  2ä  läuft.*  Die  Wahrscheinlichkeit 
dafür,  daß  für  die  Achsen  x^y^  z  der  Winkel  *  zwischen  ^  und 
^•\-d^^  /zwischen  /  und  f'¥df  und  <p  zwischen  ^  und  <p+ Jcp 

sin  ^d^df  dtp 
hegen,  ist — ~ — ^• 

Die  Transformationsgleichung  für  die  beiden  Achsen- 
systeme lautet  beispielsweise  für  die  Momente  bezüglich  der 
«'-Achse: 

Mi  =  filcos  (xx')X'^cos  (xy')Y'^cos  (xz^)  Z]  — 

— €  [cos  (xy')  X-h  cos  (yy')  Y-^  cos  (zy')  Z]  + 
-f-cos  (zx')Mx'^cos  (zy')My^cos  (zz')Mz,      (A)  * 

worin  yj,  S  die  Koordinaten  des  Schwerpunktes  des  heraus- 
gehobenen Moleküls  im  x'^y'^z'-Sysi^m  bedeuten. 
Da  nun 


cos  {xx')  ■=.  — cos  ff  cos/ cos  b — sin  9  sin/ 
cos  {xy')  =z  — cos?p  sin  /  cos  d  + sin  9  cos/ 
cos  (xz')  =  cos  ff  sin  S* 


cos  ( xy') 
cos  (yy') 
cos  (zy') 

cos  (zx') 
cos (zy') 
cos  (zz') 


—  sin  ff  cos/ cos  d 
— sin  (p  sin/ cos  *- 
sin  ff  sin  ^ 

cos/  sin  d 
sin  /  sin  ft 
cosd 


cos  9  sin/ 
cos  9  cos/ 


(BJ 


1  Kirchhoff,  Vorlesungen  über  mathem.  Physik,  Mechanik,  fünfte  Vor^ 
lesung. 


Sitzb.  d.  mathem.-oaturw.  KL;  CXVI.  Dd.,  Abt.  IIa. 


51 


'68 


R.  Girticr, 


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H- 1  (A^ 

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P  c 

ce  otf 


Rotation  von  Gasmolekülen. 


769 


In  (13)  verschwindet  also,  wenn  die  Moleküle  Rotations- 
körperchen sind,  das  dritte  Integral  und  wir  erhalten  nach 
analoger  Ordnung  wie  früher: 


^2 


2 


dv 


-^x' 


>  (14a) 


P  j  ^  eLTCtg—  cos  (Hx)diA  r=  — p  j  - 

"ir^  I  -^arctg-^cos(«>')^ü)  :=  —p  l  — — 
p  rf_y  arctg-^^ ;»;  arctg^jcos  (w-:)dci)  = 


Durch  Addition  der  Gleichungen  in  (14a)  ergibt  sich 

Vf  r=  pv,  (15a) 

Sind  die  Moleküle  Kugeln,  so  wird,  wie  leicht  zu  ersehen, 


Fr=:0. 


(15fe) 


Da  das  Virial  der  äußeren  Kräfte  für  die  fortschreitende 

Bewegung  gleich  — ^  ist,  so  ergibt  sich  mit  Hilfe  der  bekannten, 

von  Kirchhoff  (Vorlesungen  über  theoretische  Physik, Wärme, 
p.  169)  für  X  aufgestellten  Formel 


x  =  1  + 


V, 


/ 


3      Vf  +  Vr 


(16) 


in  welcher  Vf  die  Energie  der  fortschreitenden,  Vy  die  der 
rotierenden  Bewegung  ist,  unter  Voraussetzung  der  Gültigkeit 
von  (15) 

x  =  1+  — •—  =  1-33, 
3      2 

unter  Voraussetzung  der  Gültigkeit  der  Gleichung  (15a) 

I        2      1-5 
X  =  1  H ==:  1*4 


3      2-5 


51* 


770  R.  G  i  r  1 1  e  r,  Rotation  von  Gasmolekülen. 

und  wenn  die  Moleküle  Kugeln  sind, 

x  =  1-66, 

da  dann  F^  =  0  ist. 

Aus  dem  Vorhergehenden  ersehen  wir,  daß  es  nicht  not- 
wendig ist,  um  zu  den  bekannten  Werten  von  x  für  einatomige 
und  zweiatomige  Gase  zu  kommen,  auf  die  Wahrscheinlich- 
keit einer  bestimmten  Rotationsgeschwindigkeit  eines  Mole- 
küls einzugehen,  sondern  daß  diese  Werte  direkt  aus  dem 
erweiterten  Virialbegriflfe  fließen. 


771 


Über  einige  physikalische  Eigenschaften  der 

Kolloide 

von 

Dr.  N.  Stücker. 

(Mit  1  Tafel  und  2  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitxang  am  25.  April  1907.) 

So  sehr  sich  in  den  letzten  Jahren  unsere  Kenntnis  über 
das  chemische  Verhalten  der  Kolloide  erweitert  hat,  so  ist  dies 
mit  derjenigen  ihrer  physikalischen  Eigenschaften  nicht  in 
demselben  Grade  der  Fall. 

Auf  Veranlassung  von  Herrn  Prof.  Dr.  E.  Wiedemann 
habe  ich  zunächst  in  Erlangen  einige  elektrische  imd  optische 
Eigenschaften  kolloidaler  Metalle,  soweit  ich  darüber  in  der 
Literatur  keine  Angaben  fand,  untersucht;  und  zwar  .stellte  ich 
meine  Beobachtungen  an  Silber  und  Gold  (letzteres  in  der  roten 
und  blauen  Modifikation)  sowohl  in  festem  als  auch  in  gelöstem 
Zustand  an.  Ober  die  Darstellung  der  von  mir  benützten 
Metalle  finden  sich  die  erforderlichen  Angaben  in  den  Arbeiten 
von  Herrn  Prof.  Dr.  Paal,^  welcher  mir  auch  die  Kolloide  zu 
meinen  Untersuchungen  in  liebenswürdigster  Weise  zur  Ver- 
fügung stellte,  wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle  meinen 
besten  Dank  ausspreche. 

Zur  Untersuchung  der  elektrischen  und  optischen  Eigen- 
schaften der  kolloidalen  Metalle  mußten  von  denselben  möglichst 
gleichförmige  Schichten  auf  Glasplatten  aufgetragen  werden. 
Um  dies  zu  erreichen,  verfuhr  ich  folgendermaßen:  Ich  löste  die 
Metalle  in  warmem  Wasser,  welchem  einige  Tropfen  Ammoniak 


1  >Über  kolloidales  Silber«,  Ber.  der  Deutschen  ehem.  Ges.,  35,  2224 
(1902),  und  »Ober  kolloidales  Golde,  ebenda,  35,  2236  (1902). 


772 


N.  Stück  er, 


zugesetzt  waren,  und  goß  die  Lösung  auf  eine  Glasplatte, 
auf  welcher  sie  sodann  vorsichtig  zur  Trockene  eingedampft 
wurde.  Leider  war  die  Schicht,  insbesondere  beim  Silber,  oft 
ungleichmäßig,  ein  Umstand,  der  die  Genauigkeit  dieser  Ver- 
suche beeinträchtigte.  Die  Dicke  der  Metallschicht  wurde  aus 
Wägungen  gefunden. 

Das  elektrische  Leitungsvermögen  der  Kolloide. 

Um  zu  untersuchen,  ob  die  festen,  auf  Glas  niedergeschla- 
genen Kolloide  ein   elektrisches  Leitungsvermögen   besitzen, 


OaedegU^er 


Fig.  1. 


verwendete  ich  eine  dicke  Glasplatte  von  3  cm  Breite  und 
8  cfH  Länge,  die  anhaftende  Metallschicht  hatte  eine  Dicke 
von  0' 0008  mtn.  An  den  beiden  Enden  derselben  (siehe  die 
Figur)  waren  zwei  durchbohrte  Korke  befestigt,  in  welche 
Quecksilber  gegossen  wurde.  Die  ganze  Vorrichtung  wurde 
sodann  in  einen  elektrischen  Stromkreis  von  220  Volt  Span- 
nungsdifferenz eingeschaltet;  da  sich  unter  diesen  Umständen 
selbst  bei  einem  empfindlichen  Galvanometer  kein  Ausschlag 
zeigte,  so  war  die  Leitfähigkeit  eine  sehr  kleine.  Dies  kann 
davon  herrühren,  daß  die  einzelnen  kolloidalen  Metallteilchen 
durch  das  Eiweifi  voneinander  isoliert  sind.  Nehmen  wir  als 
Grenze  für  einen  eben  bemerkbaren  Ausschlag  1  mm  an,  so 
lag  demnach  die  Leitungsiahigkeit  der  Platte  unter  6.10~^ 
wenn  die  Empfindlichkeit  des  Galvanometers  2*8. 10"**  betrug. 
Spätere  Versuche  in  Graz  ergaben,  daß  die  Leitfähigkeit  von 
der  Größenordnung  10~*^  war. 


Physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide.  773 

Das  optische  Verhalten  der  Kolloide. 

Da  von  den  optischen  Eigenschaften  dieser  Substanzen 
die  diffuse  Reflexion  und  die  hiebei  auftretenden  Polarisations- 
erscheinungen bereits  früher  eingehend  untersucht  worden  sind 
(die  Arbeit  von  Vannino  habe  ich  erst  lange  nach  Abschluß 
der  meinigen  zu  Gesicht  bekommen),  so  habe  ich  die  elliptische 
Polarisation  an  der  Oberfläche  fester  Kolloide  sowie  die  Ab- 
sorption in  festen  und  gelösten  Kolloiden  ermittelt. 

A.  Die  elliptische  Polarisation. 

Die  Messungen  über  elliptische  Polarisation  führte  ich  mit 
dem  Babinet'schen  Kompensator  aus,  und  zwar,  da  es  sich  hier 
nur  um  Orientierungsversuche  handelt,  für  rotes,  gelbes  und 
grünes  Licht,  wobei  eine  Lithium-,  Natrium-  und  Thalium- 
flamme  als  Lichtquellen  dienten.  Dabei  wurden  die  Werte  für 
den  Haupteinfallswinkel  ^  und  das  Hauptazimut  A  ermittelt. 
Mit  Hife  der  bekannten  Formeln^  berechnete  ich  hierauis 
den  Brechungsexponenten,  das  Reflexionsvermögen  und  den 
E^xtinktionskoeffizienten. 

Für  das  Absorptionsvermögen  ergibt  sich: 

tg2^ 

1  + 


oder  näherungsweise,  indem  wir  den  Nenner  gleich  1  setzen, 

X  iz:  tg  2  ^. 

Für    den    Brechungsexponenten     und    das    Reflexions- 
vermögen erhalten  wir: 

sin  4>  tg  4> 

n  -=  —  


l+n«(lH-tg^2^)-2« 
~   l-h«2(l-4-tg2  2^)-4-2« 


1  Kohlrauschy  Lehrbuch  der  praktischen  E^hysik,  p.  298. 


774  N.  Stücker, 

Außerdem  sei  der  Extinktionskoeffizient  g  =  n%.  Experi- 
mentell ist  g  durch  folgende  Formel  gegeben: 

worin  J  die  Intensität  des  eintretenden,  J'  die  des  austretenden 
Lichtes,  X  die  Wellenlänge  im  Vakuum  und  d  die  Dicke  der 
absorbierenden  Schicht  bedeuten;  X  ist  in  Mikron,  d  in  Zenti- 
metern gemessen.* 

B,  Der  Extinktionskoeffizient. 

Die  Messungen  führte  ich  mit  dem  Spektrophotometer 
von  Glan  aus;  bei  der  Untersuchung  wurde  genau  nach  der 
in  dem  Buche  von  Wiedemann-Ebert  angegebenen  Methode 
verfahren.  Die  beiden  Spalte  wurden  durch  eine  Nernstlampe 
gleichmäßig  beleuchtet  und  mittels  eines  Stativs  die  beiden 
Schichten  vor  den  Spalthälften  befestigt.  Für  die  Versuche 
mit  Flüssigkeiten  verwendete  ich  einen  Glastrog  mit  einem 
sogenannten  Schulz'schen  Körper.  Hiebei  zog  ich  diejenige 
Schichtdicke  d  in  Rechnung,  welche  dem  Metall  eigen  wäre, 
wenn  es  sich  in  festem  Zustande  befände.  Es  seien  p  Gramm 
des  Metalles  in  v  Kubikzentimetern  Wasser  gelöst,  5  sei  das 
spezifische  Gewicht  des  Metalles  und  6  die  Dicke  der  Lösung, 
so  ist 


SV 


Die  Messungen  an  festen  Kolloiden  sind  weit  weniger 
zuverlässig  als  die  an  flüssigen,  da  es  kaum  möglich  war,  stets 
gleiche  Oberflächen  herzustellen;  auch  haben  sich  bei  der 
Dickenbestimmung  mancherlei  Schwierigkeiten  ergeben. 

Um  eine  Kontrolle  über  die  Versuchsresultate  zu  erhalten, 
habe  ich  von  jedem  Metall  zwei  Reihen  von  Beobachtungen 
mit  verschieden    konzentrierten   Lösungen    und  verschieden 

^  Zunächst  wurden  die  von  Prof.  E.  Wiedemann  untersuchten  Kupfer- 
und  Messingspiegel  nochmals  geprüft,  die  Konstanten  der  elliptischen  Polari- 
sation ermittelt  und  mit  den  früher  gefundenen  Werten  gut  übereinstimmend 
gefunden. 


Physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide.  775 

dicken  Schichten  ausgeführt;  dieselben  ergaben  gute  Über- 
einstimmung (vergl.  Tabelle  2).  Die  so  gewonnenen  Resultate 
sind  in  den  folgenden  Tabellen  zusammengestellt,  und  zwar 
für  die  Versuche  mit  Silber,  rotem  und  blauem  Golde,  wobei  ein 
jedes  in  festem  und  gelöstem  Zustande  untersucht  wurde.*  Die 
weiteren  Tabellen  geben  eine  Übersicht  über  die  Werte 
von  <t>,  Aj  n,  R  und  g  (letzteres  beobachtet  und  berechnet).  In 
Tabelle  3  befinden  sich  sämtliche  Daten  einer  Beobachtungs- 
reihe für  rotes  gelöstes  Gold,  in  Tabelle  4  endlich  die 
Mittelwerte  von  g  für  alle  untersuchten  Metalle.  Die  Kurven 
auf  der  Tafel  enthalten  eine  graphische  Darstellung  der  für  die 
Extinktionskoeffizienten  gefundenen  Werte. 

Diskussion  der  Versuchsdaten. 

A,  Die  elliptische  Polarisation. 

Die  optischen  Konstanten,  welche  bei  den  meisten  Metallen 
nur  wenig  voneinander  abweichen,  haben  gerade  bei  den  Edel- 
metallen sehr  verschiedene  Werte;  so  z.  B.  ist  der  Brechungs- 
exponent sehr  klein,  während  das  Reflexionsvermögen  den 
Betrag  von  90%  erreicht.  Diese  Eigenschaften  treff'en  wir 
jedoch  bei  diesen  Metallen  in  der  kolloidalen  Modifikation 
nicht  an.  Ihre  Haupteinfallswinkel  sind  nahezu  gleich  denen 
der  Metalle  in  gewöhnlichem  Zustande,  ihre  Hauptazimute 
hingegen  bedeutend  kleiner;  dies  hat  nun  wieder  ein  Zunehmen 
des  Brechungsindex  sowie  ein  Abnehmen  des  Reflexions- 
vermögens zur  Folge.  Das  Reflexionsvermögen  erreicht  für 
rotes  Gold  im  gelben  Lichte  sein  Maximum,  beim  Silber  nimmt 
es  mit  abnehmender  Wellenlänge  überhaupt  zu.  Die  beiden 
Modifikationen  des  Goldes  weichen  in  ihren  Werten  nicht 
wesentlich  voneinander  ab.  Beim  blauen  Golde  konnte  ich 
wegen  der  schlechten  Beschaffenheit  meiner  Spiegel  nur  für 
gelbes  Licht  einigermaßen  verläßliche  Werte  erhalten. 


1  Da  von  vielen,   besonders  älteren  Forschem  nicht  der  Extinktions- 

1  / 

koeffizient,  sondern  die  Absorptionskonstante  a  =  —  log  —    angegeben  ist, 

d         J' 

so  teile  ich  auch  die  Werte  für  diese  Größe  mit. 


776 


N.  Stücker, 


Gold 


Silber 


Cft 

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a 

Physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide. 


777 


Tabelle  2. 

Übersicht  über  die  Werte  für  a  und  g  bei  verschiedener 
Konzentration,  beziehungsweise  Schichtdicke. 

a)  Silber  (fest). 
Zwei  Beobachtungsreihen. 


p.  gemessen 

1 
a 

g 

m 

I 

II 

Mittel 

I 

1 

II 

Mittel 

0-708 

4-7545 

4-8074 

4-781 

0-563 

0-571 

0-57 

674 

5-4418 

5-5774 

5-510 

0-614 

0  629 

0-62 

647 

6-3326 

6-4983 

6-415 

0-684 

0-702 

0-69 

619 

7-4599 

7-4946 

7-477 

0-766 

0-773 

0-77 

595 

8-5398 

8-7368 

8-638 

0-851 

0-870 

0-86 

580 

10-1030 

10-0609 

10-082 

0-981 

0-977 

0-98 

562 

1 l • 8043 

1 1 • 7832 

11-794 

1-110 

1-108 

111 

531 

15-1761 

15*4989 

15-337 

1-349 

1-377 

1-36 

503 

21-9655 

22-0656 

22-016 

1-849 

1-858 

1  •  85 

486 

— 

— 

— 

— 

— 

2-35 

470 

— 

1 

— 

— 

4-45 

b)  Silber  (gelöst). 
Zwei  Beobachtungsreihen. 


X 

in  {JL  gemessen 

a 

g 

I 

II 

Mittel 

I 

II            Mittel 

0-708 
674 
647 
619 
595 
580 
562 
531 

1-1444 

1  -  2504 
1-5031 
2-1468 

2  -  7647 

3  -  8005 
6 • 0690 

1-0544 
1-1311 
1-2569 
1-5144 
2-1659 
2-7254 
3-8327 
5-9710 

1-054 
1-139 
1-254 
1-509 
2-156 
2-745 
3-817 
6013 

0-142 
0-148 
0-171 
0-234 
0-294 
0-392 

0-591 

1 

0-137 
0-140 
0-149 
0172 
0-236 
0-290 
0-396 
0-582 

0-137 
0-141 
0-149 
0-171 
0-235 
0-292 
0-394 
0-587 

77« 


N.  Stücker, 


Tabelle  3. 

Beobachtete  Daten  und   aus   denselben  berechnete  AA^erte 
von  a  und  g  ftir  rotes  Gold  in  gelöstem  Zustande.^ 


X  (in  ji) 


o-ros 


,"-  •> 


«»x> 


9 


41*»42' 

2-0746 

39»5' 

3-7382 

iV^*16* 

4*2633 

37*»18' 

4-8397 

34*I9' 

6-63SS 

31*49* 

1 

1 

S-5790 
11  75^1 

:^.^*lo'       1 

l7-9»>4*> 

iS'7243 

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0-270 
0-462 
0*505 
0*555 
0-725 
0-913 
1-226 
2-0OO 
2-799 


2 -91» 


-to? 


^        ^5^ 


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\        \     -    V    ^     — 


Physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide. 


779 


Tabelle  4. 
Übersicht  über  die  Werte  von  g. 


\ 

(inji) 


0-758 
708 
674 
647 
619 
595 
580 
568 
555 
531 
503 
486 
470 
446 
419 
397 


Silber 


gelöst 


fest 


Gold  (rote 
Modifikation) 


gelöst 


fest 


Gold  (blaue 
Modifikation) 


gelöst 


0-14 

0-57 

0' 

26 

0-62 

105 

0-14 

0-62 

0' 

'44 

1-20 

1-26 

0-15 

0-69 

0" 

49 

2-40 

1-48 

0-17 

0-77 

0- 

55 

2-04 

1-29 

0-24 

0-86 

0« 

73 

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0-51 

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— 

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1 

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0-38 

0-04 

— 

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0 

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0-13 

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— 

0 

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— 

0-29 

— 

0 

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0-58 

fest 


0-92 
1-08 
1-16 


1-22 
1«39 
1-47 

1-35 

1-04 
0-84 
0-78 
0-71 
0-60 
0-33 
0-48 


1  X  =  0-402  [1. 


r^  '  N.  Stücker, 

B.  Die  Extinktionskoeffizienten. 

Im  folgenden  sollen  die  Extinktionskoeftizieriten  an  der 
Hand  der  nach  ihnen  konstruierten  Kurven  sowie  die  auf- 
tretenden Farben  der  festen  Körper  und  Lösungen  näher 
besprochen  werden: 

1.  Silber.  Bei  demselben  verlaufen  die  Kurven  für  den 
gelösten  und  festen  Zustand  ziemlich  ähnlich.  Beide  steigen 
vom  Rot  bis  gegen  die  C-Linie  fast  unmerklich,  sodann  wächst 
der  Extinktionskoeffizient  mit  abnehmender  Wellenlänge  un- 
verhältnismäßig stark,  die  Beobachtungen  reichen  nur  bis  zur 
jF-Linie,  da  die  allzugroße  Absorption  die  Versuche  im  Violett 
unmöglich  machte. 

2.  Gold,  rote  Modifikation.  Im  Gegensatze  zu  Silber 
zeigen  hier  die  Kurven  für  den  gelösten  und  festen  Zustand 
große  Verschiedenheiten.  Die  Kurve  für  den  ersteren  steigt  im 
Rot  stärker,  bleibt  im  Orange  mehr  konstant,  steigt  sodann  von 
der  D-Linie  bis  jenseits  der  £-Linie,  wo  sich  das  Maximum 
befindet,  um  das  Vierfache  ihrer  Höhe,  um  bei  der  jF-Linie 
wieder  auf  die  gleiche  Höhe  wie  bei  der  Z)-Linie  herabzusinken. 
Die  Kurve  für  das  feste  Gold  hingegen  steigt  rasch  zu  einem 
Maximum  im  Orange  und  fällt  dann  allmählich  gegen  das 
Violett  hin.  Die  Verschiedenheit  dieser  beiden  Kurven  ist  durch 
die  Farbe  der  Modifikation  bedingt:  Im  durchgehenden  Lichte  ist 
das  eistere  rubinrot,  das  letztere  blau,  im  reflektierten  aber 
olivengrün,  beziehungsweise  goldgelb.  Da  das  rote  Gold  beim 
Eindampfen  einen  Farbenumschlag  in  Blau  aufweist,  so  müßte 
eine  solche  Schicht  durch  Zuführen  von  Feuchtigkeit  wieder  rot 
werden.  Dies  war  nun  in  der  Tat  bei  einigen  MetaJlspiegeln  der 
Fall,  die  durch  Anhauchen  sofort  rot  wurden  und,  nachdem  die 
gebildeten  Wassertröpfchen  verdampft  waren,  wieder  ihre 
ursprüngliche  blaue  Farbe  zeigten.  Bei  einigen  Spiegeln  trat 
jedoch  der  erwähnte  Farbenumschlag  nur  von  Blau  in  Rot  ein, 
welche  dann  eine  violette  Farbe  beibehielten,  während  andere, 
besonders  solche,  die  schon  auf  sehr  hohe  Temperaturen 
erhitzt  worden  waren,  ihre  Farbe  überhaupt  nicht  veränderten. 
Endlich  erhielt  ich  beim  Eindampfen  der  Goldlösung  einmal 
einen  Spiegel  von  grüner  Farbe  im  durchscheinenden  Lichte 


Physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide. 


781 


welcher  hierin  an  das  gewöhnliche  Metall  erinnert;  mit  diesem 
gemeinsam  hatte  er  auch  die  Eigenschaft,  sich  in  Wasser  oder 
Ammoniak  nicht  mehr  aufzulösen.  Wegen  der  Ungleichmäßig- 
keit  dieses  Spiegels  konnte  ich  jedoch  nur  eine  ungefähre 
Angabe  des  Extinktionskoeffizienten  geben. 

3.  Gold,  blaue  Modifikation.  Die  Kurve  für  das 
gelöste  Gold  zeigt  ein  ausgeprägtes  Maximum  im  Orange  und 
ein  auffallend  tiefes  Minimum  im  Blau,  während  sie  gegen  das 
Violett  hin  wieder  rasch  steigt.  Die  Kurve  für  das  feste  Gold 
ist  die  konstanteste  aller  besprochenen;  sie  steigt  ganz 
langsam  bis  ins  Gelb  und  sinkt  wieder  allmählich  gegen 
das   Ende   des   sichtbaren    Spektrums.    Eigentümlich   ist   die 


Cd 


Ag 


rot 


Au 


blau 


Fig.  2. 


Erscheinung,  daß  beim  roten  festen  und  beim  blauen  gelösten 
Golde  das  Maximum  im  Orange  liegt,  beim  blauen  festen  Golde 
aber  im  Gelb,  obwohl  alle  drei  Modifikationen  im  durchgehenden 
Lichte  dieselbe  Farbe,  nämlich  die  blaue,  zeigen.  Im  reflektierten 
Lichte  ist  das  blaue  gelöste  Gold  dunkelbraun,  das  feste  gold- 
gelb mit  einem  Stich  ins  Braun. 

Die  im  vorhergehenden  besprochenen  Erscheinungen  über 
die  Absorption  werden  bestätigt  durch  die  photographischen 
Aufnahmen  ihrer  Spektren,  welchen  ich  das  Funkenspektium 
des  Cadmiums  als  Vergleichsspektrum  beigefügt  habe.  Das 
Silber,  welches  die  roten,  nicht  aber  die  grünen  Strahlen 
hindurchläßt,  zeigt  fast  gar  keine  hellen  Stellen,  da  die  roten 
Strahlen  die  Platte  nicht  angreifen  und  im  Grün  die  Absorption 
sehr  groß  ist;  erst  im  Blau  findet  ein  Durchgang  des  Lichtes 


782 


N.  Stücker, 


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N-^ 

Physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide.  783 

statt.  Das  Gold  in  roter  Modifikation  besitzt  für  die  roten  und 
gelben  Strahlen  eine  große  Durchlässigkeit;  die  starke  Ab- 
sorption im  Grün  zeigt  sich  auch  hier  wieder  sehr  deutlich. 
Die  blaue  Modifikation  läßt  in  dem  Spektralgebiet  vom  Orange 
bis  zum  Blau  überall  fast  gleich  viel  Licht  hindurch,  was  mit 
der  verhältnismäßig  geringen  Absorptionsverschiedenheit  für 
die  verschiedenen  Wellenlängen  zusammenhängt.  Die  Fig.  2 

m 

zeigt  uns  die  eben  besprochenen  Erscheinungen. 

Auf  p.  782  gebe  ich  eine  Übersicht  über  die  Oberflächen- 
farben der  festen  Kolloide,  wenn  dieselben  von  verschiedenen 
Flüssigkeiten  umgeben  sind,  und  zwar  sowohl  mit  als  auch 
ohne  dichroskopische  Lupe  betrachtet;  man  sieht  deutlich  die 
bei  verschiedenen  Einfallswinkeln  auftretenden  Farbenunter- 
schiede. 

Zum  Schlüsse  erlaube  ich  mir,  meinem  hochverehrten 
Lehrer,  Herrn  Prof.  Dr.  E.  Wiedemann  sowie  Herrn  Prof.  Dr. 
Reiger,  welche  mich  bei  meinen  Versuchen  in  Erlangen  mit 
ihrem  Rate  unterstützten,  meinen  aufrichtigsten  Dank  aus- 
zusprechen. Leider  konnte  ich  die  Arbeit  in  dem  Erlanger 
Institute  nicht  zum  Abschluß  bringen;  daher  danke  ich  auch 
verbindlichst  Herrn  Hofrat  Dr.  L.  Pfaundler,  welcher  mir  zur 
Anstellung  der  endgültigen  Messungen  bereitwilligst  sein  Labo- 
ratorium zur  Verfügung  stellte. 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  J>2 


Stucker,N.=  Physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide. 

IxhiiKlJünsKonffjzitTi/en 


I 


I 

r 

I 


Zeichen  erkläruna  : 

1)  Silber  L)  GoM  (roteModJ  5.)  Gold  (bbueMod.) 

gelöst  gdöst  fest  (violeft)  gclojst 

— fest  ..^^^fest  ..._   fest((frun)  fest 

UÜLAxutLrlh.BHMmßnaihyrten. 

Sitzungsberichte  d.k2iis.Akud.d.WLs.s.,niaiIirJiatunv. Klasse,  Bd.CXVI.^th.lLa  1907. 


785 


Über  die  Legendre'schen  Symbole  für  quadra- 
tische Reste  in  einem  imaginären  quadrati- 
schen Zahlkörper  mit  der  Klassenanzahl  1 

von 

£.  Dintzl. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  2.  Mai  1907.) 

1. 

Sowie  für  kubische  und  biquadratische  Reste  im  Gebiete 
der  aus  den  dritten  und  vierten  Einheitswurzeln  gebildeten 
Zahlen  lassen  sich  auch  für  quadratische  Reste  in  einem 
beliebigen  imaginären  quadratischen  Zahlkörper,  sofern  nur 
seine  Klassenanzahl  1  ist,  Legendre'sche  Symbole  definieren 
und  durch  elliptische  Funktionen  darstellen.^  Scheibner 
leitete  das  allgemeine  quadratische  Reziprozitätsgesetz  für 
diese  Symbole  mit  Hilfe  der  Jacobi'schen  Funktion  tg  am  u 
her.  Er  beschränkte  sich  hiebei  jedoch  auf  sogenannte  nor- 
male binomische  Zahlen,  das  sind  ganze  komplexe  Zahlen  von 
der  Form  a+bx,  wo  t  die  Basis  des  betreffenden  Körpers 
bedeutet  und  a  =  1  (mod  2),  fc  =  0  (mod  2)  ist.  Für  den  be- 
sonderen Fall  des  kubischen  Kreisteilungskörpers  leitet  auch 


1  Eisenstein,  Applications  de  I'algebre  a  rarithmetique  transcendante . 
Crelle's  Journal,  Bd.  29;  v.  Dan t scher,  Bemerkungen  zum  analytischen  Be- 
weise des  kubischen  Reziprozitätsgesetzes,  Math.  Annalen,  Bd.  XII ;  Scheibner, 

Zur  Theorie  des  Legendre- Jacobi'schen  Symbols  f — j  ,   Abhandlung  II  im 

XXVII.  Bande  der  Abhandl.  der  math.-phys.  Klasse  der  königl.  sächsischen 
Gesellschaft  der  Wissenschaften ;  Mertens,  Ober  die  Darstellung  der  Legendre- 
schen Syml>ole  der  biquadratischen  kubischen  und  bikubischen  Reste  durch 
Thetareihen.  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  Okt.  1906. 

52* 


786  E.  üintzl, 

Mertens  das  quadratische  Reziprozitätsgesetz  mittels  der  aus 
den  Thetareihen  gebildeten  Funktion    ^  ,  ^j)  w.  ,  s  ab. 

Im  folgenden  werden  aus  der  Transformation  der  Weier- 
straß'schen  ^q-  und  a-Funktionen*  Darstellungen  der  Legendre- 
schen Symbole  für  quadratische  Reste  zunächst  unter  Zu- 
grundelegung eines  beliebigen  quadratischen  Zahlkörpers  mit 
der  Klassenanzahl  1,  sodann  für  die  speziellen  Körper  k(\/ — 1), 
k{\/ — 3)  und  insbesondere  für  *(\/ — 2)  hergeleitet. 

2. 

Es  bedeute  D  eine  ganze  rationale  negative  Zahl,  die  durch 
kein  Quadrat  außer  1  teilbar  ist.  Die  quadratische  Gleichung 

x'^—D  z=  0 

bestimmt    dann   einen    imaginären    quadratischen   Zahlkörper 
k(\/D),  Als  Basis  dieses  Körpers  können  die  beiden  Zahlen: 

(3  — l+V^ 
1,T  = 


gelten,  wo  o  zz  2  oder  1  ist,  je  nachdem  D  =  l  (mod  4)  ist  oder 
nicht. 

Das  Periodenverhältnis  der  hier  zur  Anwendung  kommen- 
den elliptischen  Funktionen  sei,  wenn  2«  und  2»'  die  beiden 
Perioden  bezeichnen: 


0)  a 

Bedeuten  ferner  p  =  a-k-bx  eine  ungerade  komplexe  Prim- 
zahl des  Körpers  und 

p' =  a-hbv',    p  =zpp'  :=z  a^+--^ ^-ab ^ ^— -  b^ 


1  Die  Bezeichnungen  sind  der  von  Schwarz  herausgegebenen  Sammlung 
von  »Formeln  und  Lehrsätzen  zum  Gebrauche  der  elliptischen  Funktionen  nach 
Vorlesungen  von  Weierstraß«  entnommen. 


Legendre'sche  Symbole  für  quadratische  Reste.  787 

deren  Konjugierte,  beziehungsweise  Norm,  so  lassen  sich  stets 
zwei  ganze  rationale  Zahlen  c  und  d  so  bestimmen,  daß: 

2d)  =  a.2(i)-hfe.2a)',     2öJ  =  c.2a)+^.2<o'  (ad—bc  =  1) 

ein  primitives  Periodenpaar  bilden.  Das  neue  Periodenverhältnis: 


(b  a+bz  p 

2(3—1)  ^         D—('3—\y  _ 
/  =  ac:  +  -  ^ -bc ^ —bd 


) 


genügt  sowie  das  ursprüngliche  der  Bedingung,  daß  der  imagi- 
näre Bestandteil  positiv  ist. 

Aus  den  allgemeinen  Eigenschaften  der  Funktion: 


U      .      1       /l* 


a,  &  =  0,  ±1,  ±2, . . .  ifcoo 
fv  =  a.2ü)-hfc.2ö>' 
ausgenommen  fV  :=:0 
folgt  daher: 

Da  auch  2  o)  =:  2  ö5,  /.  2  co  H-  2  <o'  =  2  öi'  ein  primitives 
Periodenpaar  bilden,  so  liefert  die  allgemeine  Transformation 
/7ter  Ordnung  folgende  Produktdarstellung: 

/A.25'           ^     A      //f. 25'  _     A 

Ol — u]  «0,0)' l.a  ( — h u;  <o, a>' > 

=  p.^®«\o(«).nÄ ^ ^ 

Jfe.25^    .     A 
^        «      fh.2üi'  \  ,  «—1 


788  E.  Dintzl, 

oder,  da  —  -=  —  =. ist  und  (<i),ö>0  durch  (w.o)')  ersetzt 

p         p  p  V  '     /  \  »     / 

werden  können, 

o(pw;  CO,  ü)')  =:  C,e®»\(j(u).Una(u-i-  ^^(^"^^^)  .  2a>;  w,«') 


C  =      '-"        "  6=:±l,±2,...±.t=l. 

Wenn  A  ein  anderes  Restesystem  mod  p  durchläuft,  so 
daß  sich  stets  je  zwei  Reste  bloß  durch  das  Zeichen  von- 
einander unterscheiden,  so  ändert  sich  in  der  obigen  Formel 
nur  der  Wert  der  Konstanten  C  Insbesondere  kann  man 
//(c-frft)  durch  hz  ersetzen  und  erhält: 

a(pw)  =  C.^^'^"'o(w).nÄa(«+  *'-"*'  ,  co,  co'V  (1)  ^ 

Vermöge  der  Gleichung: 

i^{n)-(p{v)  =  ;  

a^(«)(3*(i;) 
kann  man  (1)  auch  derart  umformen: 

o(pn;  (0,0)0  =  p.^««\o^(«).nÄ|ii>(«)— p(-^ -]}• 
Daher  hat  die  Funktion: 

die  Perioden  2<o,  2o)'.  Daraus  kann  man  Ausdrücke  zur  Berech- 
nung von  &  ableiten;  so  folgt  z.  B.  aus/(fi+2<o)  z=zf{u): 

ÖJco*  zz  — (aT,  +  Z?7]')(^ö>-4-&(o') /?^<«>,  (2) 


1  Die  Herleitung  dieser  Formel  ist  dem  von  Mertens  zur  Darstellung 
von  J^i(p«)  angewandten  Verfahren  nachgebildet.  Scheibner  gewinnt  den 
Ausdruck  durch  Umformung  der  Produklformel  für  c(tt). 


Legendrc'sche  Symbole  für  quadratische  Reste.  789 


WO 


^  "    o(ü))  '     ^  "■    o(a>0 
bedeuten. 

In  den  aus  den  vierten  und  dritten  Einheitsvvurzeln  ge- 
bildeten   Körpern    *(\/— 1)  und    k{\/ — 3),   wo    z  ■=.  i    und 

l+/\/3 

,  ü)'  =  To),  Y)'  =  t't]  ist,^  folgt  mit  Hilfe  der  Legendre- 

^  1 

sehen  Relation  yi'co— ina>'  =  —  icf  insbesondere: 

2 

®  =  0. 

Für  eine   ungerade    reelle  Primzahl  q  des   betreffenden 
Körpers  k(\/D)  gilt  eine  ähnliche  Gleichung  wie  (l).  Denn  aus 


erhält  man  durch  zweimalige  Transformation  ^ter  Ordnung: 
/  f\        n     ^  \u        f     .    Ä.2co+*.2a)'  / 

A,  t  =  0,  d=l,  =t  2, . . .  dz— ;   ausgenommen  h  ^z  k  =iO. 


Um  auch  für  Oi(pw;  co,  w'),  a2(p«;  w,  co'),  <53(p«;  co,  co')  ana- 
loge Ausdrücke  wie  für  o{pu)  abzuleiten,  ersetze  man  in  (1) 
fi  der  Reihe  nach  durch  w+©,  «-hco'  und  «-+-o>''  (o)"  =  cd+o)'). 
Da  p  eine  ungerade  komplexe  Primzahl  bedeutet,  so  lassen 
sich  die  Größen  po),  po)'  und  pva"  stets  auf  die  Form  bringen: 

pco  =  a.2a)-hß.2cö'+a>x,       pw'  =  a'.2ci)-4-ß'.2<i)'-|-ü)^, 

pa>"  z=  (x".2a)+ß".2a)'+ö>,, 

wo  a  und  ß  ganze  rationale  Zahlen  sind  und  co,,  o)^,  w.,  abge- 
sehen von  der  Reihenfolge  mit  co,  <o',  w"  übereinstimmen.  Be- 

zeichnet  man  die  den  co  entsprechenden  Werte  von  — t-t-  mit 

'^  a(w) 

1  Siehe  u.  a.  Burkhardt,  Elliptische  Funktionen,  2.  Teil,  §  89  und  §  90. 


^,X.' Physikalische  Eigeiiöchaften  der  Kolloide. 

ExtüiKhüjisKonllhzieiilen 


Zeichen  erklänma : 

^r  2.)  Gold  (rote  ModJ  5.)  Gold  (bJaueMod) 

gelöst  (gelöst  fest  (violett)  gdöst 

fest  ..„^^fesi  .-._   fest  i  <)riin)  fest 

LiÜL  Aiurt.r.Th.Baniiwiut)t,Wien . 

•erichte  d.k2iLS.Akiid.d.Wiss.,maiiLriiaturvv.Kla.S8e,  Bd.CXVI.AbÖi.lIa  1907. 


780 


r  die  Legendre'sehen  Symbole  für  quadra- 
le  Reste  in  einem  imaginären  quadrati- 
hen  Zahlkörper  mit  der  Klassenanzahl  1 

von 

E.  Dintzl. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  2.  Mai  1907.) 

1. 

>owie  für  kubische  und  biquadratische  Reste  im  Gebiete 
US  den  dritten  und  vierten  Einheitswurzeln  gebildeten 
n  lassen  sich  auch  für  quadratische  Reste  in  einem 
igen  imaginären  quadratischen  Zahlkörper,  sofern  nur 
Klassenanzahl  1  ist,  Legendre'sche  Symbole  definieren 
iurch  elliptische  Funktionen  darstellen.*  Scheibner 
das  allgemeine  quadratische  Reziprozitätsgesetz  für 
Symbole  mit  Hilfe  der  Jacobi'schen  Funktion  tg  am  u 
•>  beschränkte  sich  hiebei  jedoch  auf  sogenannte  nor- 
jinomische  Zahlen,  das  sind  ganze  komplexe  Zahlen  von 
orm  a+bz,  wo  t  die  Basis  des  betreffenden  Körpers 
tet  und  a  =  \  (mod  2),  b  =  0  (mod  2)  ist.  Für  den  be- 
ren  Fall  des  kubischen  Kreisteilungskörpers  leitet  auch 


Eisenstein,  Applications  de  l'algebre  a  1* arithmettque  transcendante . 

Journal,  Bd.  29;  v.  Dantscher,  Bemerkungen  zum  analytischen  Be- 

:s  kubischen  Reziprozitätsgesetzes,  Math.  Annalen,  Bd.  XII;  Scheibner, 

sorie  des  Legendre-Jacobi*schen  Symbols  \     ')  >   Abhandlung  II  im 

Bande  der  Abhandl.  der  math.-phys.  Klasse  der  königl.  sächsischen 
hafl  der  Wissenschaften;  Mertens,  Ober  die  Darstellung  der  Legendre- 
ymbole  der  biquadratischen  kubischen  und  bikubischen  Reste  durch 
hen.  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  Okt.  1906. 

52* 


786  E.  Dintzl, 

Mertens  das  quadratische  Reziprozitätsgesetz  mittels  der  aus 

den  Thetareihen  gebildeten  Funktion    r.  .  .J)  !^  ,  .   ab. 

Im  folgenden  werden  aus  der  Transformation  der  Weier- 
straß'schen  f?-  und  o-Funktionen^  Darstellungen  der  Legendre- 
schen Symbole  für  quadratische  Reste  zunächst  unter  Zu- 
grundelegung eines  beliebigen  quadratischen  Zahlkörpers  mit 
der  Klassenanzahl  1,  sodann  für  die  speziellen  Körper  k(\/ — 1), 
k{\/ — 3)  und  insbesondere  für  k{\/ — 2)  hergeleitet. 

2. 

Es  bedeute  D  eine  ganze  rationale  negative  Zahl,  die  durch 
kein  Quadrat  außer  1  teilbar  ist.  Die  quadratische  Gleichung 

x^-^D  =  0 

bestimmt    dann   einen   imaginären   quadratischen   Zahlkörper 
k(\/D).  Als  Basis  dieses  Körpers  können  die  beiden  Zahlen: 

0  — l  +  V^ 

1,T  = 


gelten,  wo  o  =  2  oder  1  ist,  je  nachdem  D  =  1  (mod  4)  ist  oder 
nicht. 

Das  Periodenverhältnis  der  hier  zur  Anwendung  kommen- 
den elliptischen  Funktionen  sei,  wenn  2  a)  und  2  a)'  die  beiden 
Perioden  bezeichnen: 


0)  a 

Bedeuten  ferner  p  =  a+bx  eine  ungerade  komplexe  Prim- 
zahl des  Körpers  und 

a— 1— VS  \ 

'=  ö J' 


1  Die  Bezeichnungen  sind  der  von  Schwarz  herausgegebenen  Sammlung 
von  »Formeln  und  Lehrsätzen  zum  Gebrauche  der  elliptischen  Funktionen  nach 
Vorlesungen  von  Weierstraß«  entnommen. 


Legendre'sche  Symbole  für  quadratische  Reste.  787 

1  Konjugierte,  beziehungsweise  Norm,  so  lassen  sich  stets 
ganze  rationale  Zahlen  c  und  d  so  bestimmen,  daß: 

z  a.2a)-f  i?.2co',     2(a'  =  c.2ü)-t-^.2a>'  (ad—hc  =  1) 

rimitives  Periodenpaar  bilden.  Das  neue  Periodenverhältnis: 


&'  _ 

&   ~ 

c+dz 
a+bx 

— 

l+v 
P 

2(a- 

--'l  ,r 

D 

-(a- 

3» 

-1)* 

l  z=z  ac-\ bc ^; <—bd 

^t  sowie  das  ursprüngliche  der  Bedingung,  daß  der  imagi- 

Bestandteil  positiv  ist. 

Aus  den  allgemeinen  Eigenschaften  der  Funktion: 

a(«;  ü>,  CO')  =  «.n'(l— ^)  ^^"^^-Ti;^ 

a,fe=i:0,±l,±2,...±oo 
IV  :=  a.2(ü+b,2(ü' 
ausgenommen  w  =iO 
daher: 

Da  auch  2a>^2«5,  /.2ö>  +  2<o'  =  2  5)'  ein  primitives 
denpaar  bilden,  so  liefert  die  allgemeine  Transformation 
»rdnung  folgende  Produktdarstellung: 


U),  w')  = 

i.25'           _     A      /Ä.25)'  _  _,\ 
«;  Wjw'l.o  I +«;  WjO)') 

p.e®«'.o(«).nft^ ^ 


0« 


/h.2B'    _     .\ 


@  =  Sft^  f  — ^ ,  S,  S'j  /«  =r  1,  2, .  .  . 


790 


E.  Dintzl, 


■"Ix»  ''iii'  "^^i  SO  erhält  man  aus  (2)  folgende  Ausdrücke,  welche 
für  die  weitere  Rechnung  bequemer  sind  als  (2): 


@0}> 


@<o'« 


@(0 


=  2  («'t)  +  ßV  +  i-Tj  J  (o'o)  +  ßV  +  -1  <o^)  —  i- 
'  =  2  (a"T)+ß'Y+  —  \]  fa"<üH-ß'V+  —  <i>,l  — 


/>1J0> 


pr/tü' 


2 

2 

—prf'oi" 
2 


(3) 


Setzt  man  in  (1)  zunächst  statt  w:  w-hco,  so  erhält  man,  da 


0(^+0)^;  0),  co')  ^  a(a)j3.^V'.0j^(«^;iü,  ö)') 


und 


o(it-f/;. 2(0+^.20)')  = 


)    W 


^     ( l)l'+«+P^.^2(i?>J-fjT/)(M+/»0)+^<0')      g^^^ 


ist: 


Ersetzt  man  @a)^  durch  seinen  Wert  aus  (3)  und  berück- 
sichtigt, daß: 

1 

T^"  1 

a((o)  ==  e--      .c^,      q  =  -j— =-jp=^ 
ist,  so  geht  (5)  über  in: 


TT       /         Ä.2a>'\ 


(6) 


Legendre*sche  Symbole  itir  quadratische  Reste. 


791 


Ebenso  erhält  man,  wenn  man  in  (1)  statt  u:  w+co',  be- 
ziehungsweise w+co"  setzt: 


.03(^)11*03  (^w+ — —j 


1 


/^-l    . 


H (y]  (ö  — TfiV )  +  ^^^ .  iic 


iji~ji 


^    (7) 


—  T.'m' 
.     2    ' 


(j(<o')  =  ie         .c',      c'  =:  — 


>}'e8— «j  .  >y^i— «s 


und 

3 


,(p»)  =  (—1)«"+ ?'•+«•••?••. c«".c"P-i.  l^^.C.e«"'-. 

a(o),) 

.  ag(«) .  IT*  Og  (^»  +  — — j 


^    (8) 


+  Y(1v"-VV')+^-»« 


/ 


a(«")  =  \fie 


.c",      c" 


1 


>y^— «,  "i/e^—e^ 


Da  die  Funktion  (»'(u)  der  Bedingung  genügt: 


<»'(«)  = 


SO  folgt  aus  der  Verbindung  der  Gleichungen  (1),  (6),  (7)  und  (8;: 


i  =  Z 


£  =  y  a^OH-gu>^^(i;C./,^         ^  --  5(^.8'+«". 


fsl 


Da  T„«t — T,t«,   entweder  0,  + -^^  oder ^  ist,   so 

ist  ^^  eine  Potenz  von  i:  t\  Endlich  läßt  sich  das  Produkt 


792  E.  Dintzl. 

cc'c"  rr  (\/^i— ^2  ^^1 — ^8  ^^8 — ^s)*  durch  ^^  ersetzen,  wo 

G  •=  — (^2""27^|)  und  ^g,  ^j  die  Invarianten  von  g^(tt)  sind; 
16 

daher: 

</(piO  =(-l)^/^(Y.>5^G")''"^«y(fO.^*p'(fi+  (9) 


3. 


Es  seien  p  =  a+tt  und  q  =  a'-^Vz  zwei  ungerade  kom- 
plexe Primzahlen  des  Körpers  k(^D),  dessen  Klassenanzahl  1 
ist;  p  und  q  bedeuten  die  Normen  dieser  beiden  Primzahlen. 
Ist  nun  : 

ein  halbes  Restesystem  mod  q,  so  durchläuft  auch: 

pmi,pW2,...pw     j 


abgesehen    vom    Vorzeichen    dasselbe    Restesystem    mod  q. 
Daher  ist: 

p  .  n  iHi  r^  Y) .  n  w/     (mod  q) 

und   das   Legendre'sche   Symbol    für   quadratische   Reste    in 
diesem  Körper  ist  durch: 


=(|.^) 


definiert. 

Zur  Darstellung  dieses  Zeichens  mittels  elliptischer  Funk- 
tionen sei  im  folgenden  die  ungerade  Funktion  i^(u)  benützt. 
Mit  Hilfe  derselben  läßt  sich  das  Legendre'sche  Symbol  in  der 
Form  ausdrücken: 


^^,(mi.2i»> 


Legen dre'sche  Symbole  für  quadratische  Reste.  793 


oder  nach  (9) 


'-'    .     ^-^  ^    -  \|(/'-i)(^-i) 


(i..)=<_„--..-'.(|^; 

.npM— ^- — ±-^-— 

\      q  ,  p 

wo  w,-  und  «jt  halbe  Restesysteme  mod  q  und  mod  p  durch- 
laufen. Ebenso  ist: 

(i.2)  =  (_„^-.,.^''(i.^)^"-'«-'>. 

V  q  p 

wo  s'  und  p'  sich  aus  der  Formel  für  ^(q  w)  analog  wie  s  und  p 
aus  i^ipu)  ergeben.  Daraus  folgt 


{i^){h^)= 


=   (—1)    ^  ^  -  2      ^.     2  .  ^jQj 

Diese  Formel  läßt  noch  weitere  Vereinfachungen  zu,  wenn 
man  besondere  Zahlkörper  untersucht,  z.  B.  k(\/ — 1)  und 
k(\/ — 3),  das  sind  die  Körper  der  aus  den  vierten  und  dritten 
Einheitswurzeln  gebildeten  Zahlen.  In  diesen  beiden  Fällen 
läßt  sich  jede  ungerade  komplexe  Primzahl  durch  Multiplika- 
tion mit  einer  Einheit  des  betreffenden  Körpers  auf  die  Form 
bringen  p  zu  a+bz,  v/o  a  =  1  (mod  2),  b  3  0  (mod  2)  ist.  Daher 
stimmen  die  Größen  (o^,  (o^,  co^  auch  der  Reihenfolge  nach  mit 
«0,  ü)',  »''  zusammen  und  die  Größen  o,  ß,  ?l  erhalten  folgende 
Werte: 

a  — ,1^  —  — ,     X  —  —  • , 

2  2  2  cj^ 

^.        a  —  1        b      2(a  — 1)  .,  ,    ^,,       ^     ^, 

2  2^ 


794  E.  DJntzl, 


St  =  — ß ,  31'  =  «' h- vt. 


W  =  («"— ß«)  •  —  +  ^—^  zi 


2  2  2  V       ^  o« 

Ebenso  erhält  man : 


)    (mod2) 


,      p'        a'—l       V    2{ri—\)        Z)— (0—1)8         \ 

e'  +  — = 1 [— ^H ^ ^  +  1      (mod2) 

2  2  2  ^       ^  "^  / 

und  wegen  der  Kongruenzen: 

p—\  ^  h^     2(a  — 1) 
2       ~  T  ö 

^—1   _  ^/     2(0—1) 


(mod  2), 


(mod  2) 
2  2  a  " 

folgt: 

Insbesondere  ist  für  D  •=.  — 1 :  o  z=  1,/?  =  1,  ^  =  1  (mod  4): 


{\-)={\4 


4. 

Im  Körper  *(V— 2)  ist  jede  ungerade  komplexe  Primzahl 
von  der  Form: 


p  =  a+i?T  (a  zz  1   (mod  2),     t  =  V— 2); 

die  Norm   derselben  ist  eine  reelle  Primzahl  von   der  Form 
8/1+1  oder  8ii+3. 


1  Mertens,  I.  c,  p.  14,  und  Scheibner,  1.  c,  p.  708. 


Legendre'sche  Symbole  für  quadratische  Reste.  795 

Zur  Darstellung  des  Legendre'schen  Zeichens  eignet  sich 
in  diesem  Falle  am  besten  die  Funktion:^ 

Dieselbe  ist  eine  ungerade  elliptische  Funktion  mit  den 
Perioden:  4a),  2cü'.  Es  ist  ferner: 

pw'  =:  a'.2w-hß'.2a>'-h<     a'  =  -^,     ß'  =  ^^ ; 

daher  folgt  aus  (1)  und  (7),  wenn  man  überdies  h.2tü'  durch 
liAiü'  ersetzt  und  berücksichtigt,  daß  ^^(^n)  mit  OgCp»*)  zu- 
sammenfällt: 

4(a-l)(&-l)  /  Ä    4ö)'\ 

7(pti)  =  (-i)'  ./-^c'i'-^tp(«).n(p(^ii+-Y-j-  (11) 

Das  Legendre'sche  Symbol  für  quadratische  Reste  läßt 
sich  dann  auf  die  Form  bringen: 

/     miAtü' 

TP 


(i,2)  =  ni:^ '—L, 


1  Aus  der  Transformation  der  ^9  (ii)  -  Funktion  lassen  sich  fiir  diesen 
besonderen  Fall  in  einfacher  Weise  Relationen  zwischen  den  Größen  Ci  =  ^0  (tu), 
^2  =  p(tt>"),  Cq  =  p(iü')  und  den  Invarianten  g^  ^"^  «fa  herstellen.  Wenn  man 
nämlich  in  der  Gleichung: 


iP(iV2«;  «,,  a>')  =  -  -i  i^  U;  -  ^  ,  J  =  -  i. 


3*^3— 4- <^2 


^^(«) 


1 
4 


beiderseits  die  Koeffizienten  von  «o  und  u^  berechnet,  so  erhält  man: 

2  g     6  jj 

—  ^2  ^  3^3»  "^«fa  —  — 3^3- 

Daraus  folgt  insbesondere  der  Wert  für  die  absolute  Invariante: 

...                gl                  125 
j{x)  =  — =  . 


79(5  E.  Dintzl, 


WO  p  =  a-^-hsf^^  und  q  =  a'+i/v/— 2  zwei  ungerade  kom- 
plexe Primzahlen  bedeuten  und  m/  ein  halbes  Restesystem 
mod  q  durchläuft. 
Aus  (11)  folgt: 


|,2]  =  (-1)^  .1  -    .c'^ 


.n,  »-tif!: 


(wii . . .  halbes  Restesystem  mod  q,  »* . . .  halbes  Restesystem  mod  p). 
Ebenso  ist: 

(-.2)  =  (-l)'  .,  -    ..'- 

Wegen : 

^^—  -  fc«   (mod  4),     ^~^-  =  y*  (mod  4), 

l(a_l)(&_l)(^-l)+l(a'-l)(d'-l)(/,— 1)- 
4  4 

=  -^^f^  (>_l)y+  -^Lzi (ft'_i)6    (med  2) 

und  da  man  jede  Primzahl  p  und  q  durch  Multiplikation  mit 
einer  Einheit  ±1  derart  umformen  kann,  daß  a  =  l,  a'  =  l 
(mod  4)  ist,  erhält  man : 

-,2J  =  (-!)-       -        ^^      -  -^•(|.2). 

5. 


l 


Um  den  auf  die  Primzahl  i\/2  des  Körpers  *(>/ — 2)  sich 
beziehenden  Ergänzungssatz  zu  erhalten,  gehe  man  von  den 
folgenden  Transformationsgleichungen  aus: 


Legendre'sche  Symbole  für  quadratische  Reste.  797 


(i\/2w;  (0,0)0  =  /\/2of«;— —  ,ft)j  = 


i 


\\J2       4-'i«*-V« 


o(a>0 


2 


•  e  .5(«)o(«+a)')  == 


1 


=  i\/2,e^        o(w)33(«).     (12) 

Ersetzt  man  darin  w  durch  w-h2(ü  und  vergleicht  die  neue 
Gleichung  mit  (12),  so  bekommt  man  die  Relation: 

^gö)  =:  T]'.i\/2  — 2y]     oder ^goxo'  =  7j'(o+t](i>'.     (13) 

Ferner  folgt  aus  (12)  für  w  =  co  und  zufolge  (13): 


-•  Tj'oa'  —  TJCO  —  T)'01 


o(a>0^  =  i\f2^e^  .(3(a>)a(ü>'0-  (14) 


0)' 


Aus  (12)  gehen,  wenn  man  «  durch  «+a),  i* und 

0)'  2 

w+o) ersetzt,  folgende  Gleichungen  hervor: 

'33(/  y  2  w)  =  ^         .  Oi(») .  a2(«) 
oder 


j2(/ V2u)  =  ^^.«  •  a(«)  +  ^Oq(a)-iOq(a>^^4-u)q((«)^^-tO 
•'  a2(ü))a«((o") 


ferner: 


Oj(/  v2  li)  =: e 

a(a))a(<i)') 


^2 


fV2  T^^^-'ö-'^"* 


a((o03(a)'0 


-2^*«*       /            ü)'  \     /  ü>' 

.olcoH h«)ou     " 


798 


E.  Dintzl. 


c 
o 

c 

C 

to 

G 
ü 

]5 
O 

(/} 


C 

'S 
> 

(/) 


(M 


+ 
3 


c^i 


(M 


W 


oieo 


3 
V 

3 

-f 
ß 

V 

^  'SM 


OJ 


;i  > 


3 


> 


3 


> 


+ 

3 


<tt 


CM 
> 


II 


«4 


8^ 
9- 


C 

•4-» 

(fi 

•o 
*S 


c 

t>0 


Co 
T3 

ü 


OJ 


>l^ 


o 

S 
>» 

(/] 

cd 

Q 


3 


3 

+ 

3 


3 


3 


3 
o 


3 


+1 

3 


_3 

+ 
3 

-h 
^3 

■•  IcM 


I      C4 


<u 


ie^» 


3 


c^i 


Legendro'sche  Symbole  für  quadratische  Reste. 


799 


03 


O 


tS3 


3 
o 

3 
T3 


T3 
O 


s 

03 

03 

03 


Q> 


o 


CVI 


+ 
3 


cvi 


3 

3 
B 
+ 

V 

3 

ß 
V 


I     C^ 


3 


o 


3  !  c^ 


+ 
3 


<^3 


^ 


M 


ca 


^ 


•»• 


03 


T3 
O 

ü) 


t3 

O 

E 


+ 


c 

c 

Q 


3 

+ 

3 
+ 
3 


(0 


(M 


»C^ 


3 


C^J 


II 

3 


I 


<^3 


3 


+ 


M 


c^a 


+ 
3 


+ 


3 


3i 

+ 
3 

b) 

+ 

3 

CV3 


C^J 


+ 
3 

Cd 


3  I  cvi 


3    ^i 


u> 

I 
I 


3 

Ü) 


+ 

3 


CÜ 

+     ^a 


3 


0) 


^5 


rC^ 


I  r 


^^ 


+ 
3 


T3 

C 

O 


3 
o 

c 

CS 

c 

•4— > 

N 

'S 

O) 

o 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a. 


53 


80() 


E.  Dintzl,  Legendre'sche  Symbole  für  quadratische  Reste. 


^  ^* 


3 


3 

I 


CO 


3 
«o 

+ 

S 


S    ^^ 


?* 


I 


^    ^^ 


+ 

®      ■     + 


M 


C 
(1> 

•o 

c 

c 

o 

Ol 

c 
o 

'S 
15 


c 

CS 

c 


?* 


c^ 


> 


*  >* 


^^ 


^     K 


M 


"N. 


2fc 


801 


Nr.  X  der  Berichte  der  Phonogramm- Arehivs- 
Kommission  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Wien. 

Zweiter  Bericbt  Ober  meine  plionograpliisclien  Aobalimen  in  Heu-6ninea  (Britiscli- 
Nen-6uinea  vom  7.  Oiitober  1905  bis  znm  1.  Februar  1906) 

von 
Dr.  Rudolf  Pöch. 

rMit  1  Tafel  und  3  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  10.  Mai  1 907.) 

Den  zweiten  Archiv-Phonographen,  der  mir  von  dem 
Phonogramm-Archiv  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften 
zur  Verfügung  gestellt  war,  fand  ich  bei  meiner  Ankunft  in 
Sydney  am  21.  Juni  1905  schon  vor.  Es  war  einer  der  neuen 
leichten  Apparate  aus  Magnalium,  ferner  waren  zwei  Kistchen 
mit  zusammen  72  Wachsplatten  zur  Aufnahme  und  eine 
größere  Anzahl  von  Membranen  beigegeben  worden. 

Ich  hatte  zwischen  den  Besuch  des  deutschen  und  des 
britischen  Schutzgebietes  von  Neu-Guinea  diese  Reise  nach 
Australien  eingeschaltet,  um  meine  Ausrüstung  für  das  zweite 
Jahr  zu  ergänzen  und  zu  verbessern  und  dann  auch,  um  zum 
Vergleiche  mit  den  Papuas  australische  Ureinwohner  zu  sehen. 

Da  mir  wenig  Zeit  dafür  zur  Verfügung  stand,  entschied 
ich  mich  für  die  Eingeborenen  von  Neu-Süd- Wales  und  ver- 
zichtete darauf,  das  nördliche  Queensland  oder  Westaustralien 
aufzusuchen,  wo  die  Ureinwohner  allerdings  noch  viel  zahl- 
reicher sind.  Der  Kurator  des  »Australian  Museum  c  in  Sydney, 
R.  Etheridge  jun.,  lenkte  meine  Aufmerksamkeit  auf  den 
Clarence-Distrikt;  er  sagte  mir,  ich  würde  dort  noch  einige 
reinrassige  Ureinwohner  von  Neu-Süd-Wales  vorfinden,  ein 

53* 


802  R.  Poch, 

gutes  Material  zu  physisch-anthropologischen  Untersuchungen, 
aber  von  einem  Studium  der  Sitten  und  Gebräuche  könnte 
unter  diesen  letzten  Resten  versprengter  Stämme,  die  schon 
stark  von  europäischer  Kultur  beeinflußt  sind,  keine  Rede  mehr 
sein.  So  nahm  ich  mir  von  vornherein  vor,  mich  im  Clarence- 
Distrikt  ganz  auf  die  physische  Anthropologie  zu  beschränken 
und  ließ  bei  meiner  Abreise  von  Sydney  am  16.  Juli  den 
Phonographen  auch  zurück.  Wie  sehr  ich  damit  recht  getan 
hatte,  sah  ich  gleich  bei  meinem  ersten  Aufenthalte  in  Copman- 
hurst  am  Clarence-River.  In  einem  kleinen  Lager  fand  ich  dort 
drei  Eingeborene  vor,  von  denen  jeder  eine  andere  Mutter- 
sprache hatte,  also  Vertreter  von  drei  verschiedenen,  wohl  zum 
größten  Teile,  vielleicht  sogar  bis  auf  diesen  letzten  Mann, 
verschwundenen  Stämmen.  Ich  hätte  also  ohne  jegliche 
Kontrolle,  ohne  jemand  anderen  Sprachkundigen  und  ohne 
Dolmetsch,  ganz  auf  das  Belieben  und  Verstehen  eines  einzelnen 
Eingeborenen  angewiesen,  Aufnahmen  zu  machen  gehabt,  die 
wohl  von  zweifelhaftem  wissenschaftlichen  Werte  gewesen 
wären,  so  daß  es  besser  war,  daß  sie  ganz  unterblieben  sind. 
Ähnliche  Sprachverhältnisse  waren  in  den  freien  Lagern  von 
Grafton  und  in  einem  entfernter  gelegenen  »Aboriginal  Home«, 
wo  es  außerdem  viele  Mischlinge  gab.  Dagegen  konnte  ich  die 
physisch-anthropologischen  Untersuchungen  mit  über  einem 
Dutzend  genauer  Messungen  und  photographischer  Aufnahmen 
befriedigend  abschließen. 

Am  10.  September  verließ  ich  das  Festland  von  Australien 
ganz  und  erreichte  nach  einer  Bereisung  der  britischen 
Salomons-Inseln  am  7.  Oktober  Samarai  an  der  Ostspitze  von 
Britisch  -  Neu  -  Guinea.  Mein  Ziel  war  die  neugegründete 
Regierungsstation  Cape  Nelson  in  der  North-Eastern  Division. 
Die  erste  Gelegenheit  zu  phonographischen  Aufnahmen  boten 
große  Tanzfeste,  welche  bald  nach  meiner  Ankunft  dort  statt- 
fanden. Der  Regierungsbeamte,  Resident  Magistrate  G.  O. 
Manning,  hatte  Boten  an  viele  Stämme  seines  Distriktes  aus- 
gesandt und  sie  zu  Tänzen  eingeladen.  Es  war  das  zweite  Mal, 
da  die  Station  erst  seit  4  Jahren  besteht.  Die  Leute  kamen 
ganz  in  ihrem  ursprünglichen  Schmuck  und  die  Tänze  und 
Gesänge  spielten  sich  ebenfalls  in  der  vollständig  Ursprung- 


Phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  803 

liehen  Weise  ab.  Außer  einem  Missionar  und  zwei  Regierungs- 
beamten gibt  es  in  dem  ganzen  Bezirke,  der  so  groß  wie  Nieder- 
österreich ist,  keine  Europäer.  Viele  Leute  waren  Tagereisen 
weit  längs  der  Küste  oder  aus  dem  Innern  herbeigekommen. 
Solche  Reisen  und  gemeinsame  große  Tänze  sind  eine  papuani- 
sche  Sitte,  die  Regierung  (und  zwar  die  englische  wie  auch  die 
deutsche)  hat  sie  klug  adoptiert  und  erhöht  dadurch  ihr  Ansehen 
und  Vertrauen  unter  den  Eingeborenen. 

Die  Aufnahmen  auf  den  Platten  Nr.  505  bis  530  stammen 
fast  alle  von  Gesängen,  die  unmittelbar  zu  diesen  Tänzen 
gehören.  Tanz  und  Gesang  sind  fast  immer  vereint,  nur  bei 
den  sehr  lebhaften  Tänzen  vom  Mambari  River,  die  in  der 
Kompliziertheit  der  Leistungen  an  unsere  Bailettaufführungen 
erinnern,  unterbleibt  der  Gesang.  Liedern,  die  ohne  Tanz 
gesungen  werden,  habe  ich  in  dieser  Gegend  nicht  begegnet. 

Die  Platten  Nr.  505  bis  508  betreffen  Leute  aus  dem 
Westen,  die  Onjöb  und  Oian,  und  einzelne  Leute,  die  in  der 
Nähe  des  Mambari  wohnen.  Die  letzteren  befanden  sich  als* 
Polizeisoldaten  auf  der  Regierungsstation,  die  anderen  waren 
schon  fmher  gekommen,  so  daß  ich  diese  Aufnahmen  noch  in 
voller  Ruhe  machen  und  gleichzeitig  auch  die  günstigsten 
Bedingungen  dazu  herausfinden  konnte.  Da  bei  den  Tänzen  von 
allen  Tänzern  zugleich  im  Chor  gesungen  wird,  habe  ich  die 
Aufnahmen  auch  immer  als  Chorgesang  gemacht  in  der  Weise, 
daß  ich  eine  größere  Reihe  von  Leuten  um  den  Trichter  treten 
ließ.  Bei  der  Gruppierung  nahm  ich  auf  die  lauten  und  guten 
Stimmen  besondere  Rücksicht,  bei  einigen  Gesängen  gibt  es 
einen  »Führer«,  eine  Art  Vorsänger  (z.  B.  Platten  Nr.  529 
und  530),  der  natürlich  in  den  Vordergrund  kommen  muß.  Die 
Gesänge  und  Tänze  werden  immer  von  Trommelschlag  begleitet 
mit  den  Handtrommeln  (Abbildung  1,  Beschreibung  siehe 
unten).  Diese  mußten,  so  gut  es  ging,  auch  noch  in  dem  Bereiche 
des  Trichters  gehalten  werden.  Die  Leute  aus  dem  Westen 
benützen  ein  Tritonshorn  zur  Begleitung  außer  den  Hand- 
trommeln. Ein  kleiner  Knabe  bläst  es,  der  Ton  wiederholt  sich 
immer  in  denselben  Intervallen,  der  Knabe  geht  dabei  um  die 
Tanzenden  in  weitem  Kreise  herum.  Diese  Töne  mit  auf  die 
Platte  zu  bekommen,  bot  einige  Schwierigkeiten,  da  der  Junge 


804  R.  Pöch, 

immer,  wie  er  es  beim  Tanz  zu  tun  pflegt,  in  größerer  Ent- 
fernung von  den  Singenden  bleiben  wollte.  So  kommt  das 
Tritonshorn  bei  den  Mambari-Leuten  auf  Platte  Nr.  507  noch 
wenig  zur  Geltung,  besser  gelang  es  bei  den  Okena  auf  Platte 
Nr.  521.  Wie  bei  den  ersten  Aufnahmen  bei  den  Monumbo  in 
Deutsch-Neu-Guinea  ^  machte  ich  auch  hier  bei  den  Stämmen 
um  Cape  Nelson  in  Britisch-Neu-Guinea  die  Erfahrung,  daß  es 
zu  wirklich  guten  Aufnahmen  unerläßlich  ist,  das  Verständnis 
und  Interesse  der  Leute  selbst  an  diesen  Aufnahmen  wach- 
zurufen und  dann  zu  benützen.  Zu  diesem  Zwecke  hatte  ich 
in  Potsdamhafen  (Monumbo)  einen  kleinen  Edison -Phono- 
graphen mit,  der  auch  für  Aufnahmen  eingerichtet  war;  diese 
Walzen  brauchten  nicht  geschont  zu  werden  und  ich  repro- 
duzierte sie  beliebig  oft  zur  Unterhaltung  der  Monumbo-Leute. 
Dort  wußten  dann  die  Leute  selbst  genau,  worauf  es  bei  einer 
guten  Aufnahme  ankommt.  Im  zweiten  Jahre  hatte  ich  von 
Sydney  diesen  Apparat  leider  nicht  mehr  mitgenommen,  da 
mein  Gepäck  durch  einen  Kinematographen  ohnehin  vergrößert 
war  und  ich,  um  mobil  zu  bleiben,  auf  manches  weniger  Not- 
wendige verzichten  mußte. 

Ich  half  mir  nun  in  Britisch-Neu-Guinea  in  der  Weise,  daß 
ich  die  Platten  zweimal  abhorchen  und  dabei  die  Papuas  die 
Hörschläuche  benützen  ließ.  Zwischendurch  mußte  ich  wieder 
abhorchen  und  in  der  Eile  war  es  oft  nicht  möglich,  die  Oliven 
der  Hörschläuche  früher  zu  reinigen,  was  ja  seinen  Nachteil 
hat  bei  den  meist  recht  schmutzigen  Ohröffnungen  der  Papuas. 
Doch  gehört  das  zu  der  Kategorie  jener  Unannehmlichkeiten, 
die  ein  im  Felde  draußen  arbeitender  Ethnograph  vollständig 
übersehen  lernen  muß,  will  er  sich  nicht  in  seinen  Arbeiten 
fortwährend  behindert  fühlen. 

Als  die  große  Menge  der  Gäste  versammelt  war,  begannen 
die  Tänze  und  Gesänge  jeden  Tag  gegen  10  Uhr  morgens. 
Stamm  für  Stamm  fand  sich  auf  dem  Tanzplatze  ein  und  bald 
war  das  ganze  große  Grasfeld  vor  dem  Wohnhause  des 
Regierungsbeamten  voll  von  tanzenden  Gruppen.  Die  meisten 


*  Nr.  V  der  Berichte  der  Phonogrnmm-Archivs-Kommission  der  kniserl. 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien. 


Phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  805 

waren  mit  ihren  schönen  Kopfputzen  aus  Paradiesvogelfedern, 
Nashornvogelschnäbeln  und  Kasuarfedern  geschmückt,  es  war 
ein  äußerst  buntes  und  lebendiges  Bild,  die  verschiedenen, 
gleichzeitig  vorgebrachten  Gesänge  und  der  Trommelschlag 
erfüllten  die  Luft. 

In  den  heißesten  Stunden  trat  Ermüdung  ein,  am  späten 
Nachmittag  war  aber  wieder  alles  in  vollster  Lebendigkeit  und 
gegen  1 1  Uhr  nachts  mußte  den  Leuten  von  dem  Beamten  das 
Zeichen  zur  Ruhe  gegeben  werden.  Obzwar  es  vielfach  mit- 
einander wenig  bekannte  Stämme  waren,  kam  die  ganze  Zeit 
keine  Streitigkeit  vor. 

Tagsüber  machte  ich  kinematographische  Aufnahmen.  Sie 
erfüllen  nicht  nur  den  Zweck,  die  Tanzfiguren  genau  wieder- 
zugeben, sondern  sie  halten  überhaupt  Lebensäußerungen  einer 
Kultur  fest,  die  vor  der  vordringenden  europäischen  Zivilisa- 
tion rasch  verschwunden  sein  wird. 

Zu  den  phonographischen  Aufnahmen  wählte  ich  den 
dunklen  und  kühlen  Abend.  Ich  machte  alle  Aufnahmen  im 
Freien,  denn  im  Hause  oder  auch  unter  der  gedeckten  Veranda, 
ja  in  der  bloßen  Nachbarschaft  einer  Hauswand  wurde  die 
Aufnahme  durch  den  Widerhall  beeinträchtigt.  Außerdem,  daß 
ich  die  helle  Zeit  für  den  Kinematographen  brauchte,  wäre  die 
Manipulation  mit  dem  Phonographen  im  prallen  Sonnenlichte 
auf  dem  Grasfelde  eine  unnötige  Erschwerung  gewesen.  Ich 
glaube  auch,  daß  sich  die  Leute  in  dem  Dunkel  der  Nacht 
leichter  dem  Hineinsingen  und  dem  Abhorchen  hingegeben 
haben.  Es  hatte  nur  den  einen  Nachteil,  daß  ich  bei  der  mangel- 
haften Beleuchtung  einer  Windlaterne  viermal  die  Platten  schief 
auflegte,  wodurch  in  diesen  vier  Fällen  die  Aufnahmen  leider 
unbrauchbar  wurden. 

Schon  bei  den  ersten  vier  Aufnahmen,  die,  wie  schon 
erwähnt,  noch  in  aller  Ruhe  vor  dem  Erscheinen  der  großen 
Menge  der  Gäste  gemacht  werden  konnten,  hatte  es  sich 
gezeigt,  daß  der  Papiermachetrichter  des  Archiv-Phonographen 
für  die  Aufnahme  eines  Chorgesanges  von  etwa  einem  halben 
Dutzend  Leuten  nicht  ausreicht.  Es  wurde  ein  Ansatz  impro- 
visiert, wodurch  die  Öffnung  des  Trichters  mehr  als  doppelt 
vergrößert  erschien.  Die  Verlängerung  der  Trichterwand  war 


806  R.  Poch, 

aus  mehrfach  übereinandergelegten  Packpapierlagen  hergestellt, 
die  in  Ermanglung  eines  anderen  Klebemittels  mit  Arrow  root 
zusammengekleistert  wurden.  Die  Abbildung  auf  der  Tafel  ist 
eine  photographische  Aufnahme  einer  Gruppe  von  Baifa-Leuten 
in  dem  Augenblicke,  da  sie  in  den  Trichter  hineinsingen.  Im 
Vordergrunde  steht  der  Archiv-Phonograph  auf  einem  Stuhl, 
auf  dem  Boden  liegen  die  Kassetten  mit  den  Wachsplatten  und 
die  Hörschläuche.  Der  Apparat  wird  beaufsichtigt  von  dem 
Motu-Manne  Tämotu,  dem  Diener  des  Regierungsbeamten.  Da 
derselbe  schon  für  verschiedene  Dienstleistungen  für  den 
Europäer  abgerichtet  war,  wurde  er  mir  für  schwierigere  Dinge 
stets  zur  Verfügung  gestellt.  Er  hat  auch  den  Stuhl  gezimmert, 
auf  welchem  der  Archiv-Phonograph  steht  Die  Baifa-Leute, 
welche  im  Bogen  singend  und  ihre  Handtrommeln  schlagend 
den  Trichter  des  Apparates,  der  schon  den  oben  besprochenen 
Ansatz  trägt,  umstehen,  waren  die  weitest  gereisten  Gäste.  Sie 
waren  vom  oberen  Laufe  des  Musa-River  mehrere  Tage  weit 
herbeigekommen.  Der  eine  von  ihnen,  ganz  am  rechten  Ende, 
trägt  einen  Zopf.  Obzwar  aus  verschiedenen  Dorfschaften 
stammend  und  auch  nicht  einheitlich  geschmückt,  hatten  diese 
Baifa-Leute  ihre  Tänze  besonders  gut  einstudiert,  sie  sollen  auch 
unterwegs  noch  geübt  haben  und  tanzten  auch  immer  mit 
besonderer  Genauigkeit. 

Bei  den  Aufnahmen  konnte  ich  wiederholt  beobachten, 
wie  die  Leute  während  des  Singens  tanzen  mußten.  Sie 
konnten  nicht  stille  halten  und  machten  wenigstens  stampfende 
oder  wiegende  Bewegungen  mit  den  Beinen.  Ebenso  wurde 
natürlich  stets  die  Trommel  geschlagen. 

Als  ich  die  Texte  der  Gesänge  aufnahm  und  dann  die 
Bedeutung  zu  ermitteln  suchte,  konnte  ich  meist  die  bei  den 
Monumbo  zuerst  gemachte  Wahrnehmung  bestätigen,  daß  die 
Texte  der  Lieder  den  Leuten  heute  in  der  Regel  unverständlich 
sind,  daß  sie  also  wahrscheinlich  alten,  toten  Sprachen 
angehören.  Doch  gilt  diese  Regel  hier  durchaus  nicht  so  all- 
gemein, wie  es  bei  den  Monumbo  der  Fall  war.  Der  Text  des 
Gesanges  auf  Platte  Nr.  509  (Maissin),  den  ich  auch  von  den 
Kworafi  gehört  habe,  besteht  aus  zwei  Worten,  »Karinanda 
Genembo«,  die  verständlich  sind.  In  der  Kworafi-Sprache  heißt 


Phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  807 

kari  eine  rote  Blüte,  nanda  ist  ein  Possessivsuffix,  genembo 
heißt  Mensch. 

Bei  einigen  Gesängen  wurde  übrigens  von  einem  Nieder- 
schreiben des  Textes  abgesehen,  wenn  ich  bemerkte,  daß  die 
Leute  dadurch  ermüdeten  und  die  Lust  verloren.  Denn  schließlich 
schienen  mir  diese  Chorgesänge  vor  allem  zu  späteren  musika- 
lischen Untersuchungen  wichtig.  In  Bezug  auf  den  Text  konnten 
kaum  mehr  neue  Dinge  zum  Vorschein  kommen. 

Die  Gesänge  um  Cape  Nelson  an  der  Nordostküste  von 
Britisch-Neu-Guinea  erscheinen  dem  europäischen  Ohre  zweifel- 
los viel  melodischer  als  die  der  Monumbo,  welche  den  Haupt- 
bestandteil der  ersten  Serie  der  Phonogrammaufnahmen  bilden. 
Sie  sind  überhaupt  die  angenehmsten  Melodien,  welche  ich 
auf  meiner  Reise  in  Neu- Guinea  und  den  umliegenden  Inseln 
zu  hören  bekam. 

Oft  hat  es  die  ersten  zwei  oder  drei  Takte,  mit  denen  ein 
Lied  beginnt,  den  Anschein,  als  ob  sich  ein  kompliziertes  Motiv 
entwickeln  wollte.  Da  bricht  die  Melodie  aber  plötzlich  ab  und 
das  Lied  besteht  aus  einer  endlosen  monotonen  Wiederholung 
eines  solchen  Motivansatzes.  Als  besonders  melodiös  empfand 
ich  während  der  Tänze  das  Lied  »wöse  wose  däraiyo«  (Platte 
Nr.  51 1)  der  Maissin,  musikalisch  interessanter  ist  Platte  Nr.  510. 

Eine  ähnliche  Wiederholung  wie  die  Melodien  zeigen  auch 
die  Texte.  Sie  bestehen  meist  nur  aus  wenigen  Worten,  die 
immer  und  immer  in  derselben  Weise  wiederkehren,  bisweilen 
sogar  nur  aus  einem  einzigen  Worte,  wie  das  Lied  »Alinamburo« 
der  Baifa-Leute  auf  Platte  Nr.  523  und  524. 

Merkwürdige  musikalische  Leistungen  sind  die  Gesänge 
Nr.  512  der  Maissin-  und  Nr.  530  der  Yassi- Yassi-Leute.  Beides 
sind  Gesänge  nach  einem  erfolgreichen  Kriegszug.  Der  Melodie 
folgen  einige  gellende  Aufschreie  »eh-eh«,  die  Zahl  derselben 
soll  der  Zahl  der  erbeuteten  Feinde  entsprechen. 

Angenehm  zu  hören  waren  auch  die  Gesänge  der  Moküro, 
namentlich  die  Aufnahmen  auf  Platte  Nr.  514  bis  517.  Bei 
Nr.  514  kommt  auch  die  Handtrommel  am  besten  zur  Geltung. 

Einige  Lieder  der  Yassi-Yassi-Leute  (Dorf  Irewowöna) 
haben  die  Eigentümlichkeit,  daß  sie  gegen  Schluß  immer  leiser 


R.  PSch, 


und  leiser  werden,  um  schließlich  ganz  zu  verklingen,  so  als 
ob  die  Sänger  immer  weiter  und  weiter  fortziehen  würden. 

Etwa  zwei  Wochen  nach  Beendigung  der  Tänze  war  ich 
mit  dem  Regierungsbeamten  in  dessen  Kutter  nach  dem  Osten 
gefahren.  Wir  lagen  auf  der  Reede  von  Yassi- 
Yassi  und  hörten  die  Leute  aus  dem  nahen 
Dorfe  Irewowona  singen.  Es  waren  wieder 
dieselben  Melodien  mit  dem  allmählichen 
Verhallen  des  Gesanges.  In  der  Stille  der 
Nacht  kamen  die  Lieder  gut  zur  Geltung 
und  wir  beide  waren  darüber  einig,  daß  sich 
auch  ein  europäisches  Ohr  trotz  der  Mono- 
tonie dieser  Gesänge  nicht  ihrer  beabsichtigten 
Wirkung  entziehen  konnte. 

Noch   bei   ihrer  Anwesenheil   auf  Cape 
Nelson    hatten    die    Leute    von    Irewowona 
(Yassi-Yassi)  uns  zwei  eigentümliche  Gesänge 
zum  besten   gegeben,  die  auf  Platte  Nr.  529 
und  530  festgehalten  sind.   Es  sind  Gesänge 
nach    einem   Kriegszuge,    wie    schon    früher 
erwähnt,  mit  dem  Schrei  eh-eh  (wie  Nr.5 1 2  der 
Maissin).  Außerdem  ruft  aber  ein  Vorsänger 
ein  Rezitativ  hinein.  Die  Worte  dazu  bedeuten 
nach  der  Angabe,  die  mir  gemacht  wurde,  daß 
der  Fischadler  angerufen  wird.  Man  sagt  ihm 
gewissermaßen   Dank   für   den   glücklich   be- 
endeten Kriegszug.  Ich  fand  an  dieser  Küste 
vielfach   Spuren    eines  Totemkultes,  so  daß 
diese  Beziehung  der  Yassi-Yassi-Leute  zu  dem 
Seeadler   als   ihrem  schützenden  Tiere  ohne 
weiteres  verständlich  wird. 
Mit  Platte  Nr.  531   schließen  die  phonographischen  Auf- 
nahmen, die  anläßlich  dieser  Tänze  in  Cape  Nelson  gemacht 
worden    waren.    Zum    Schlüsse    soll    das    Musikinstrument 
beschrieben  werden,  welches  bei  diesen  Tänzen  und  Gesängen 
zur  Begleitung  und  zum  Takthalten  dient.  Es  ist  eine  Hand- 
trommel (siehe  Fig.  1)  von  sanduhrförmiger  Gestalt,  ein  Musik- 
instrument, das  verschieden  variiert  eine  sehr  weite  Verbreitung 


Fig.  1.  Hand- 

Irommel  von  der 

Nordostküsle 
von  Brilisch-Neu- 

(Vg  nal.  Gröüe.) 


Phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  809 

auf  Neu-Guinea  hat.  Die  Sanduhrform  hat  keine  direkte 
Beziehung  zu  dem  ursprünglichen  Holzstück,  aus  dem  die 
Trommel  gemacht  ist.  Ich  habe  die  Herstellung  im  Dorfe  Uiäku 
bei  den  Maissin  gesehen:  Ein  rein  zylindrisches  Holzstück 
wird  aufrecht  auf  den  Boden  gestellt,  rings  herum  mit  Prügeln, 
die  in  den  Boden  getrieben  werden,  fixiert,  dann  wird  das  Loch 
gebohrt  und  die  Außenfläche  zugeschnitten.  Die  Trommeln  an 
der  Nordostküste  in  der  Gegend  von  Cape  Nelson  und  in  der 
Callingwood-Bai  haben  keinen  Henkel,  sondern  werden  einfach 
mit  der  Hand  um  die  Einschnürung  in  der  Mitte  umfaßt  und 
gehalten.  Überspannt  ist  die  Trommel  mit  einem  Stück  Fell 
einer  großen  Waraneidechse.  Die  Haut  wird  naß  über  die 
Trommelöffhung  gezogen  und  an  das  Holz  mit  Baumharz  fest- 
geklebt. (An  der  Nordküste  in  Deutsch-Neu-Guinea  wird  ein 
Ring  über  das  Fell  gezogen  und  dieses  in  der  Art  befestigt  wie 
der  Stoff  auf  einer  Sticktrommel.)  In  der  Gegend  von  Cape 
Nelson  werden  auf  das  Waranfell  oben  einige  Halbkugeln  aus 
Wachs  aufgeklebt.  Ich  sah  öfters,  wie  vor  dem  Tanze  eine 
solche  Halbkugel  dazugeklebt  oder  eine  weggenommen  wurde, 
um  das  Instrument  zu  »stimmen«.  Geschlagen  wird  die 
Trommel  mit  dem  flachgehaltenen  zweiten,  dritten  und  vierten 
Finger  der  rechten  Hand. 

Nach  Beendigung  der  Tänze  schloß  ich  mich  dem 
Regierungsbeamten  auf  einer  Inspektionsreise  in  die  Colling- 
wood-  und  Goodenough-Bai  an.  Im  Zusammenhange  damit 
stehen  die  Aufnahmen  auf  Platte  Nr.  533  bis  535.  Wir  benützten 
zur  Fahrt  den  Segelkutter  »Murua«,  der  zur  North-Eastern 
Division  der  Kolonie  gehört.  Ein  besonderer  Kapitän  war  zur 
Zeit  nicht  engagiert,  sondern  der  Beamte  selbst  befehligte  die 
Mannschaft,  die  durchwegs  aus  Papuas  bestand,  Steuermann 
war  Lagiöa,  der  vom  Ostkap  von  Neu-Guinea  herstammte. 
Wir  hatten  die  Übergangszeit  zwischen  Südost-  und  Nordwest- 
monsum  gewählt,  denn  nur  zu  jener  Zeit  kann  man  die 
betreffende  Strecke  hin-  und  zurücksegeln,  während  man  im 
eigentlichen  Monsum  zu  sehr  von  der  herrschenden  Wind- 
richtung beherrscht  ist.  Die  Übergangszeit  hat  dafür  die  Un- 
annehmlichkeit häufiger  Windstillen.  Wenn  die  »Murua«  nun 


810 


R.  Poch, 


'  ( 


0 

Fig.  2,  Flöte, 
»higo«,  vom  Ost- 
kap von  Neu- 
Guinea. 
(I/4  nat.  Grüße.) 


Stundenlang  auf  dem  bleiernen  Meeresspiegel 
dalag,  mit  Segeln,  die  schlaff  herabhingen, 
ließ  Lagiöa  bisweilen  eine  Beschwörungs- 
formel vernehmen,  um  den  Südostwind  herbei- 
zurufen. Sie  ist  auf  Platte  Nr.  533  und  534 
festgehalten.  Dem  Winde  wird  genau  der 
Weg  vorgesagt,  den  er  aus  dem  Südosten  zu 
uns  einzuschlagen  hat,  alle  die  Inseln  werden 
genannt,  die  er  entlang  streifen  muß.  Der 
eigentliche  Lockruf  besteht  in  einem  hinaus- 
geschmetterten »ga-ga-ga«.  Lagiöa  hatte 
immer  Erfolg  mit  seiner  Beschwörung,  denn 
er  rief  seine  Zauberformel  niemals  früher,  ehe 
er  nicht  im  Südosten  am  Horizont  jenen 
schmalen  dunklen  Streifen  bemerkte,  der  das 
Kräuseln  der  Wellen  bedeutet  und  ein  Heran- 
nahen der  Brise  verkündet.  Vor  der  anderen 
papuanischen  Mannschaft  aber  war  Lagiöa's 
Ruf  als  mächtiger  Windzauberer  zweifellos. 
Von  demselben  Manne  rühren  auch  die 
Aufnahmen  auf  den  Platten  Nr,  535  und  537 
her,  wo  sein  Flötenspiel  festgehalten  ist.  Die 
Flöte  {Fig,  2)  ist  ein  53  cm  langes,  sehr  festes 
Rohr,  oben  ist  eine  Öffnung  zum  Hineinblasen, 
ihr  gegenüber  eine  kleine  Gegenöffnung,  dann 
gibt  es  unten  zwei  seitliche  Öffnungen.  Bei 
der  Aufnahme  mußte  die  untere  Öffnung  der 
Flöte  in  den  Aufnahmstrichter  hineingehalten 
werden,  einmal  wurde  das  übersehen,  Lagiöa 
hielt  die  Flötenöffnung  unter  den  Trichter, 
diese  Aufnahme  wurde  zu  leise  und  unbrauch- 
bar. Der  Name  des  Instrumentes  ist  in  der 
Suäu-Sprache  »higo«.  Lagiöa  wußte  damit, 
namentlich  des  Abends,  melancholische  Melo- 
dien zu  blasen.  Nach  unserer  Rückkehr  nach 
Cape  Nelson  verkaufte  er  mir  die  Flöte.  Später 
aber  wurde  er  sehr  traurig  und  sagte,  er  sei 
jetzt  ganz  ohne  Flöte,  weil  das  Rohr,  aus  dem 


Phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  811 

sie  gemacht  war,  nur  in  seiner  Gegend  (d.  i.  beim  Ostkap) 
wächst. 

In  der  Gegend  von  Cape  Nelson  war  ich  nicht  mehr  in 
ganz  derselben  glücklichen  Lage  in  Bezug  auf  die  Sprache  wie 
bei  den  Monumbo,  wo  mir  ein  Pater  F.  Vor  mann,  ein  Missionar, 
zur  Seite  gestanden  war,  der  sich  durch  vier  Jahre  intensiv 
mit  dem  Studium  der  Monumbo-Sprache  und  der  Abfassung 
einer  Grammatik  beschäftigt  hatte.  Die  Regierungsbeamten  in 
Britisch -Neu-Guinea  sprechen  mit  den  Eingeborenen  in  der 
Regel  in  der  Motu-Sprache,  der  Sprache  von  Port  Moresby,  und 
diese  Sprache  soll  allgemeine  Verkehrssprache  für  die  Kolonie 
werden.  Außerdem  hatte  der  Resident  Magistrate  von  Cape 
Nelson  seit  kurzer  Zeit  begonnen,  die  Kworafi-Sprache  zu 
studieren.  Auch  ich  hatte  ein  Vokabular  aufgenommen  und 
einige  Phrasen  ermittelt.  Die  Platte  Nr.  540  zeigt  einige  Proben 
dieser  Sprache.  Außer  Zahlwörtern,  einigen  Verwandtschafts- 
namen u.  s.  w.  habe  ich  versucht,  an  einigen  Wörtern  einen 
Laut  zu  zeigen,  der  guttural  ist  und  zwischen  r  und  ch  steht. 
Platte  Nr.  538  bringt  einige  Worte  aus  der  benachbarten 
Winiäpi-Sprache. 

Von  Cape  Nelson  fuhr  ich,  einer  Einladung  des  Gouverneurs 
Kapitän  F.  R.  Barton  folgend,  nach  Port  Moresby  und  verblieb 
dort  einige  Wochen.  Trotz  der  relativ  kurzen  Zeit  konnte  ich 
wieder  36  Aufnahmen  machen,  womit  dann  mein  ganzer  Vorrat 
an  Platten  erschöpft  war. 

Sehr  glücklich  war  der  Umstand,  daß  gerade  zur  Zeit 
meinerAnwesenheit  dieLakatoi  derMotu-Leute  aus  dem  Westen 
zurückkehrten.  Die  Lakatoi  sind  große  Segelfloße,  welche  die 
Motu-Leute  bauen.  Sie  sind  aus  vielen,  oft  mehr  als  einem 
Dutzend  mächtigen  Einbäumen  zusammengebunden.  Jedes 
Floß  trägt  zwei  Mattensegel  mit  einem  eigentümlichen  elip- 
tischen  Ausschnitte  am  oberen  Ende.  Am  Ende  der  Trockenzeit, 
wenn  die  Nahrung  schon  knapp  wird,  segeln  die  Boote,  noch 
vom  Südostmonsum  getrieben,  nach  dem  Westen.  Ihre  Ladung 
sind  Töpfe,  eine  Industrie,  welche  von  den  Motu-Frauen  in 
großer  Vollkommenheit  geübt  wird.  Das  Ziel  sind  die  Fluß- 
niederungen im  Golf  von  Papua.  Diese  Gegenden  sind  sago- 
reich, man  kennt  aber  dort  nicht  die  Töpferei.  Der  Sago  wird 


von  den  Motu-Leuten  gegen  die  Töpfe  ein- 
getauscht und  die  mitgebrachte  Nahrung 
behebt  die  Hungersnot,  die  jährlich  um  diese 
Zeit  droht  Alle  drei  Dörfer  in  der  Nähe  Port 
Moresbys,  Hanuabada,  Eliwara  und  Tanu- 
bada,  hatten  dieses  Jahr  ein  Boot  ausgesendet 
und  ich  sah  alle  drei  zurückkehren. 

Die  Motu-Leute  haben  viele  Lieder,  welche 
sich  auf  dieLakatoi  beziehen,  und  auch  solche, 
die  nur  während  der  Fahrt  gesungen  werden. 
Sie  sind  auf  den  Platten  Nr.  469,  498  bis  500 
und  502  enthalten.  Nr.  469  ist  ohne  Instru- 
mentalbegleitung aufgenommen,  bei  allen 
übrigen  wurde  die  sogenannte  Sede  geschlagen 
(Fig.  3).  Das  ist  ein  großes  Bambusrohr  mit 
einerArt  Zunge  wie  eine  Maultrommel.  Gerade 
auf  diese  Zunge  wird  mit  einem  Klöppel 
geschlagen.  Der  Ton  ist  laut,  weil  das  ganze 
mächtige  Bambusrohr  als  Resonanzkasten 
dient.  Sehr  sonderbar  ist  die  Ausnehmung  des 
Bambusrohres  unten,  wodurch  es  in  der  Gestalt 
entschieden  etwas  an  die  im  Golf  übhchen, 
mit  Waranfeil  überzogenen  Holztrommeln 
erinnert. 

Der  erste  Lakatoi-Gesang  Nr.  469  wurde 
von  einem  Koitapu-Manne  gesungen;  die 
übrigen  durchwegs,  oder  wenigstens  vor- 
wiegend, von  Motu-Leuten.  Die  Lakatoi  sind 
Motu-Erfindung,  daher  die  Lieder  auch  von 
ihnen  herrührend  und  in  ihrer  Sprache.  Bei 
den  Fahrten  tun  aber  auch  die  Koitapu  mit, 
es  leben  überhaupt  in  vielen  Dörfern  Koitapu 
und  Motu  so  eng  nebeneinander,  daß  nur  der 
Eingeweihte  an  kleinen  Merkmaien  des  Hauses, 
Flg.  3.  Die       ^jgg  Giebels  u.  s.  w.  merkt,  wo  die  Koitapu- 

l^katoi- Trommel,  . ,      .,            .       „      .        ,,                  ,    ,. 

•  sede-  d     Mot  Abteilung  im  Dorf  aufhört  und  die  Motu-Ab- 

Leute.  teilung  anfangt.  Die  Koitapu  sind  ursprünt'- 

(Vg  nat.  Größe.)  liche  Inlandbevölkerung,  die  Motu  sind  zur 


Fhonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  813 

See  eingewandert  und  haben  ihre  Häuser  vorwiegend  in 
den  Lagunen  erbaut,  schließlich  haben  sich  beide  Stämme 
in  einer  so  eigentümlichen  engen  Weise  vereinigt.  Und  doch 
sind  beide  Sprachen  ganz  verschieden.  Es  gibt  in  jedem  dieser 
Dörfer  Leute,  welche  die  Sprache  der  anderen  Gruppe  der 
Dorfangehörigen  gar  nicht  sprechen  oder  verstehen.  Ahuia, 
der  Sänger  auf  Platte  Nr.  469,  ist  z.  B.  ein  sehr  intelligenter  und 
angesehener  Koitapu-Mann,  der  auch  in  der  Motu-Abteilung 
seines  Dorfes  viel  gilt.  Er  spricht  die  Motu-Sprache  vollkommen, 
aber  bei  diesen  Lakatoi-Liedern,  die  offenbar  alte  Motu-Tradition 
sind,  erklärte  er  sich  für  inkompetent  und  brachte  mir  immer 
lieber  Motu-Leute  herbei;  es  sind  die  letzten  Gesänge.  Dazu 
wurden  drei  Sede  geschlagen.  Interessant  war  noch  das  folgende 
Detail  bei  der  Aufnahme:  bei  Nr.  498  hatte  ich  die  Leute,  wie  ich 
es  von  früher  gewohnt  war,  mit  den  Sede  in  der  Hand  um  den 
Trichter  herumgestellt.  Die  Aufnahme  kam  nicht  so  gut  heraus, 
wie  es  sein  sollte,  und  schließlich  erklärten  die  Leute,  sie  können 
es  nicht  gut  machen,  weil  man  bei  Lakatoi-Liedern  immer  sitzt! 
Sie  werden  eben  während  der  Fahrten  auf  dem  Segelfloß  ge- 
sungen. Nr.  502,  wo  ich  ihnen  gern  diese  Freiheit  gönnte,  ist 
viel  besser  ausgefallen.  Bei  allen  diesen  Gesängen  ist  ein  un- 
angenehm heiserer  Ton  in  der  Stimme  der  Sänger  auffallend. 
Das  rauhe  Singen  ist  in  diesen  Fällen  affektiert  und  gehört  zu 
der  vorgeschriebenen  Technik.  Platte  Nr.  500  enthält  einen 
Gesang,  der  sich  mit  dem  Mythus  über  Edai,  den  Erfinder  der 
Lakatoi,  beschäftigt. 

Außerdem  spielt  in  der  Erzählung  auch  eine  Wasser- 
gottheit eine  Rolle,  die  den  Edai  zu  sich  herabzieht  und  ihm 
die  Geheimnisse  des  Baues  der  Lakatoi  anvertraut.  Eigen- 
tümlich ist,  daß  dieser  Mythus,  der  in  recht  poetischer  Weise 
beginnt,  schließlich  mit  einer  ganz  prosaischen,  höchst  genau 
in  alle  Einzelheiten  eingehenden  Anleitung  zum  Baue  der 
Lakatoi  endet.  Der  Mythus  wurde  auf  die  Platte  Nr.  504  ge- 
sprochen. Auf  Platte  Nr.  485  wurde  noch  von  einem  Motu- 
Manne  einiges  über  die  diesjährige  Ankunft  des  Lakatoi  erzählt 
und  in  sehr  gewissenhafter  Weise  alles  erwähnt,  was  das 
Lakatoi  mitgebracht'  hat. 


814  R.  Poch, 

In  der  Trockenzeit,  bevor  die  Lakatoi  ausziehen,  werden 
die  Angelegenheiten  des  Dorfes  in  Sitzungen  geordnet,  an 
denen  angesehene  Leute  teilnehmen.  Der  Ort,  wo  das  statt- 
findet, ist  eine  Plattform  auf  Pfählen,  die  »Dubu«,  welche  nicht 
in  der  Lagune,  sondern  am  festen  Lande  erbaut  ist.  Platte 
Nr.  501  bringt  ein  Lied,  das  zur  Zeit  der  Dubu-Sitzungen  ge- 
sungen wird.  Es  ist  begleitet  von  einer  Holztrommel,  die  mit 
Eidechsenfell  überzogen  ist,  ganz  ähnlich  wie  die  Trommeln 
der  Nordostküste.  Nr.  503  bringt  das  Ausrufen  zu  einer  solchen 
Sitzung.  Der  Ausrufer  spricht  den  Mann,  welcher  zur  Beratung 
erscheinen  soll,  an;  er  zählt  dann  alle  Dinge  auf,  welche  man 
ihm  im  voraus  für  seine  Mühe  schenkt,  durchwegs  Lebens- 
mittel. Das  sind  also  gewissermaßen  die  »Diäten«  dieser 
primitiven  Parlamentarier.  Das  Ausrufen  endet  mit  dem  »ku-i« 
oder  »u-i«,  dem  in  Australien  und  auch  in  vielen  GegendenNeu- 
Guineas  üblichen  Ruf  (einen  ganz  ähnlich  klingenden  Ruf 
hörte  ich  bei  den  Kai  auf  dem  Sattelberg  in  Deutsch-Neu- 
Guinea). 

Die  anderen  Aufnahmen  bringen  verschiedene  Gesänge 
und  auch  Sprachproben  in  verschiedenen  Sprachen  der  Süd- 
küste. 

Die  Lieder  aller  Stämme  dieser  Küste  sind  sehr  wenig 
melodiös  und  stehen  damit  in  grellem  Kontrast  zu  den  Liedern 
der  Nordostküste. 

Nr.  471  und  472  sind  die  Gesänge  zweier  Motu-Mädchen, 
Nr.  477  bis  481  sind  Lieder  von  Motu-Männern.  Nr.  478  ist  ein 
Liebeslied,  Nr.  479  und  480  sind  Klagelieder,  das  erste  drückt 
die  Trauer  eines  Mannes  um  die  Frau  aus,  die  er  verloren  hat. 
Der  Sänger  von  Platte  Nr.  481  wurde  mir  als  ein  besonders 
guter  bezeichnet;  alle  anderen  traten  sofort  vor  ihm  zurück,  als 
er  kam.  Die  Platte  zeigt  aber  deutlich,  daß  er  eine  viel 
schlechtere  Stimme  hatte  als  die  Vorhergehenden,  dagegen 
zeigte  er  sich  in  den  Texten  besonders  beschlagen  und  wußte 
viel  mehr  Gesänge.  Das  sind  also  die  Eigenschaften,  nach 
denen  ein  Sänger  unter  diesen  Leuten  beurteilt  wird.  Zu  den 
Gesängen  wurden  mir  häufig  Übersetzungen  gegeben.  Die 
Übersetzung  besorgte  ich  entweder  selbst  mit  Hilfe  des  Pidgin- 
English  oder  mit  Unterstützung  eines  Beamten,  die  ja  alle  der 


Phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  815 

Motu-Sprache  mächtig  sind.  Dagegen  wurde  mir  zu  der  Auf- 
nahme auf  Platte  Nr.  496  gesagt,  daß  der  Sänger  Rähu,  ein 
junger  Motu-Mann,  das  Lied  nicht  verstehe,  dagegen  wohl 
ältere  Leute.  Nr.  497  ist  ein  Gesang  der  Motu-Leute  beim 
Fange  des  Dugong.  Der  Dugong,  Seekuh  (Halicore),  ist  an  der 
Südküste  Neu-Guineas  nicht  selten. 

Noch  monotoner  als  die  Motu-Gesänge  sind  die  Lieder 
der  Hula  und  besonders  der  Maiwa,  beides  ebenfalls  Stämme 
der  Südküste.  Nr.  484  und  490  sind  zwei  Maiwa-Lieder,  die 
aber  von  einem  Koitapu- Jüngling  gesungen  wurden.  Auch  die 
Hula(Hura)gesänge  Nr.  482  und  486  wurden  von  einem 
Koitapu  gesungen.  Nr.  494  ist  ein  Gesang  der  Koitapu-Leute, 
gesungen  von  einem  Koitapu.  Trotzdem  erklärt  er,  daß  ihm  die 
Worte  vollständig  unverständlich  seien. 

Ein  Winiapi-Mann,  Bauru,  der  von  der  Nordostküste  als 
Soldat  mit  nach  Port  Moresby  gekommen  war,  lieferte  die 
Aufnahmen  Nr.  487  bis  489.  Seine  für  diese  Gegend  typischen 
Lieder  (auf  Platte  Nr.  487  und  489)  lassen  hier,  mitten  unter 
denen  der  Südküste,  den  Gegensatz  im  Charakter  besonders 
hervortreten.  Während  dieser  Aufnahmen  wurde  Bauru  von 
Heimweh  befallen  und  begann  laut  zu  weinen,  aber  noch  nicht 
beim  Hineinsprechen,  sondern  erst  dann,  als  er  das  Lied  selbst 
abhörte.  Befragt,  warum  er  weine,  drückte  er  sein  Heimweh 
sehr  merkwürdig  in  der  Weise  aus,  daß  er  sagte,  er  sehne  sich 
nach  den  Tarofrüchten  seiner  Heimat,  die  in  dem  trockenen 
Port  Moresby  nicht  wachsen.  Die  mittlere  Platte  Nr.  488  hat 
Bauru  besprochen;  er  erzählt,  wie  er  von  Cape  Nelson  nach 
Port  Moresby  gekommen  ist,  redet  aber,  seiner  momentanen 
Stimmung  entsprechend,  viel  zu  leise.  Auf  Platte  Nr.  492  ist 
nochmals  ein  Gesang  der  beiden  Motu-Mädchen,  auf  Platte 
Nr.  493  schwatzen  und  lachen  sie  in  ganz  ungezwungener 
Weise.  Hiezu  möchte  ich  bemerken,  daß  das  papuanische 
Lachen  für  mich  niemals  den  eigentümlichen  Beiklang  des 
»Nigger-Lachens*  hatte. 

Nr.  491  ist  eine  Aufnahme  in  der  Koitapu-Sprache.  Der 
Sprecher  Kabüa  zählt  auch.  Die  Motu-Leute  haben  ein  aus- 
gebildetes Zahlensystem,  das  wahrscheinlich  aus  Polynesien 
herstammt.  Kabua's  Zählen  ist  wertlos.  Er  hat  es  in  der  Schule 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  54 


816  R.  Pöch, 

gelernt  und  geübt  und  schnarrt  es  in  unkenntlicher  Weise 
herunter,  so  wie  Schulknaben  das  überall  mit  gut  auswendig 
gelernten  Lektionen  zu  tun  pflegen. 

Die  Platten  Nr.  475  und  476  bringen  Aufnahmen  mit  einer 
Maultrommel,  »Susap«  genannt.  Es  ist  aber  nicht  die  ein- 
heimische Maultrommel,  sondern  ein  in  Europa  gemachtes, 
eingeführtes  Instrument  und  »Susap«  ist  aus  dem  englischen 
»jews-harp«,  Judenharfe,  verdorben.  Dieses  aus  einer  Messing- 
»Harfe«  und  einem  eisernen  Mundstück  hergestellte  Instrument 
ist  auch  in  Europa  als  Belustigung  für  Kinder  bekannt.  Die 
Ware  trug  immer  den  Vermerk:  »Made  in  Austria«.  Wo  sie 
eingeführt  wird,  verdrängt  sie  rasch  die  einheimischen  Maul- 
trommeln aus  Bambus,  weil  der  Ton  der  eisernen  viel  heller 
und  lauter  klingend  ist.  Es  werden  auf  den  »Susap«  zunächst 
genau  dieselben  Melodien  vorgeführt  wie  auf  den  aJten  ein- 
heimischen Maultrommeln.  Auf  der  Rückreise  hörte  ichMaiayen 
auf  denselben  Instrumenten  europäische  Melodien  wieder- 
geben. Das  Instrument  wird  mit  dem  zweiten  und  vierten 
Finger  der» rechten  Hand  an  die  halbgeöffnete  Zahnreihe  ge- 
preßt, außerdem  mit  den  Lippen  festgehalten,  der  dritte  Finger 
versetzt  die  Zunge  durch  Zupfen  in  Schwingungen,  die  Ton- 
höhe wird  durch  die  willkürliche  Vergrößerung  und  Ver- 
kleinerung der  Mundhöhle  erzeugt. 

So  hatte  ich  in  Port  Moresby  auch  die  zweite  Serie  der 
Wachsplatten  beschrieben  und  verpackte  sie  ebenso  wie  den 
Phonographen  zum  Transport  nach  Wien.  Ich  fuhr  nach 
Thursday-Island  und  verschiffte  von  dort  all  mein  großes 
Gepäck  nach  Europa. 

Ich  hatte  die  Absicht,  von  Thursday-Island  direkt  über  Java 
heimzukehren.  Meinen  ursprünglichen  Plan,  auch  Holländisch- 
Neu-Guinea  zu  besuchen,  hatte  ich  aufgeben  müssen,  da  die 
Verbindungen  von  Thursday-Island  dahin  nicht  mehr  be- 
standen. Es  war  ein  außerordentlicher  Glücksfall,  daß  der 
holländische  Regierungsdampfer  »Valk«  gerade  zur  Zeit 
meiner  Anwesenheit  dienstlich  nach  Thursday-Island  kam. 
Das  war  schon  seit  fast  zwei  Jahren  nicht  mehr  geschehen. 
Ich  wurde  in  liebenswürdiger  Weise  nach  Merauke  mit- 
genommen. 


Phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea.  817 

Da  diese  Reise  unerwartet  kam,  traf  sie  mich  auch  in 
vielem  unvorbereitet;  dazu  gehört  auch  der  Umstand,  daß  ich 
mir  für  diesen  Aufenthalt  leider  keine  phonographischen  Platten 
mehr  reserviert  hatte.  So  konnte  ich  bei  dem  letzten  und 
interessantesten  Volksstamme  der  Papuas,  den  ich  kennen 
lernte,  den  Tugeri  oder  Kaja-Kaja  von  Merauke,  leider  keine 
phonographischen  Aufnahmen  mehr  machen.  Und  doch  wären 
sie  gerade  hier  besonders  dankbar  und  wertvoll  geworden.  Die 
Kaja-Kaja  sind  ein  noch  sehr  wenig  erforschter  Volksstamm, 
in  vielen  Dingen  primitiver  und  auch  abweichend  von  dem, 
was  ich  bisher  kennen  gelernt  hatte.  Der  Assistent  Resident 
von  Holländisch-Süd-Neu- Guinea  Hellwig  hatte  mir  den  an- 
gestellten Dolmetsch  zur  Verfügung  beigegeben.  Es  war  ein 
Papua  aus  Fak-Fak,  der  aber  durch  Jahre  unter  den  Kaja-Kaja 
wie  ein  Stammesgenosse  gelebt  hatte  und  deren  Sprache  voll- 
ständig beherrschte,  außerdem  auch  malayisch  sprach.  Da  ich 
auch  malayisch  gelernt  hatte,  konnte  ich  hier  sehr  rasch  ein 
reiches  Vokabular  aufnehmen.  Zwei  Eigentümlichkeiten  der 
Sprache  seien  hier  kurz  erwähnt:  zur  Bekräftigung  kann  allen 
Worten  ein  kurzes  »kö«  angehängt  werden,  das  hängt  z.  B. 
auch  an  dem  Worte  »Merauke«.  Dann  begegnete  ich  der  eigen- 
tümlichen Gewohnheit,  bei  wichtigen  Dingen  absichtlich  tiefer 
zu  sprechen,  als  die  natürliche  Stimme  ist.  Die  Kaja-Kaja 
kennen  auch  Maskentänze  und  haben  Lieder  dazu. 

Von  Merauke  konnte  ich  mit  einem  holländischen  Dampfer 
nach  Java  gelangen  und  fuhr  von  dort  mit  dem  Norddeutschen 
Lloyd  nach  Hause. 

Gleichzeitig  mit  mir  kamen  die  Plattensendung  von 
Samarai  und  die  zweite  Hälfte  der  Platten  mit  dem  Phono- 
graphen von  Thursday-Island  in  Europa  an. 


54* 


•    • 


•  •• 


819 


Grundzüge  einer  Theorie  der  synoptischen 

Lufldruckveränderungen 

(IL  Mitteilung) 

von 

Dr.  Felix  M.  Exner. 

(Mit  3  Tafeln  und  3  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  In  der  Sitzung  am  6.  Juni  1907.) 

Im  vorigen  Jahre  wurde  eine  Arbeit  unter  dem  obigen 
Titel  veröffentlicht,*  in  welcher  der  Versuch  gemacht  ist,  einen 
mathematischen  Ausdruck  für  die  zeitliche  Änderung  des  Luft- 
drucks an  einem  Orte  der  Erdoberfläche  aufzustellen  und  an 
den  Tatsachen  zu  prüfen.  Die  vorliegende  Arbeit  enthält  einige 
neuere  Rechnungen  in  engem  Anschlüsse  an  die  frühere  und 
mag  daher  unter  demselben  Titel  als  II.  Mitteilung  erscheinen, 
obwohl  die  darin  enthaltenen  Anschauungen  nur  ein  Ergebnis 
der  Rechnung  sind  und  an  der  Erfahrung  nicht  ausreichend 
geprüft  werden  konnten,  weswegen  ich  dieselben  lieber  als 
Hypothesen  bezeichnet  hätte. 

Man  mag  solche  Hypothesen  vielleicht  überflüssig  flnden; 
sie  sind  entstanden  aus  dem  Bedürfnis,  eine  Anschauung 
von  den  Vorgängen  der  täglichen  Luftdruckschwan- 
kungen zu  erhalten  und  machen  keinen  Anspruch  darauf, 
als  etwas  anderes  genommen  zu  werden;  insbesondere  ist  an 
eine  Verwendung  dieser  Rechnungen  für  die  tägliche  Wetter- 
prognose noch  nicht  gedacht  worden.  Ob  sie  für  deren  Ent- 
wicklung einmal  brauchbar  werden  können,  mag  die  Zeit 
lehren. 


1  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa  (1906). 


820  F.  M.  Exner, 

Um  die  Voraussetzungen  der  Rechnungen  genau  festlegen 
zu  können,  bin  ich  gezwungen,  auf  die  oben  genannte  Arbeit 
zurückzugreifen  und  einiges  daraus  zu  wiederholen,  besonders 
da  die  vorliegende  von  jener  den  Ausgang  nahm. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  den  Erdball  mit  seiner  Gashülle, 
so  ist  die  Höhe  der  letzteren  so  klein  gegenüber  dem  Radius 
der  Erde,  daß  wir  den  Eindruck  haben,  die  Erdoberfläche  sei 
von  einer  dünnen  Schichte,  der  Atmosphäre,  überzogen;  finden 
in  dieser  Bewegungen  relativ  zur  Erde  statt,  so  werden  sie  haupt- 
sächlich parallel  zur  Erdoberfläche  gerichtet  sein;  die  vertikalen 
Strömungen  werden  viel  geringer  sein.  Diese  Vorstellung  von 
unserer  Atmosphäre  als  einer  dünnen  Schichte,  welche  die 
große  Erde  umgibt,  ist  in  der  ersten  oben  genannten  Mitteilung 
benützt  und  auch  in  dieser  zweiten  beibehalten  worden.  Zwar 
wissen  wir,  daß  der  vertikale  Luftaustausch  eine  große  Rolle 
spielt,  am  auffalligsten  vielleicht  in  der  Zirkulation  der  Atmo- 
sphäre vom  Äquator  zu  höheren  Breiten,  doch  konnte  derselbe 
in  der  vorhergehenden  Arbeit  nicht  berücksichtigt  werden  und 
wurde  auch  in  dieser  zwar  nicht  ausgeschlossen,  aber  beiseite 
gelassen. 

Da  die  Ausdehnung  der  Lufthülle  nach  dem  Weltraum  zu 
eine  unbegrenzte  ist,  war  es,  um  mit  bestimmten  Luftmengen 
und  Lufttemperaturen  zu  rechnen,  notwendig,  die  Atmosphäre 
in  zwei  Schichten,  eine  untere  und  eine  obere,  geteilt  zu 
denken.  Die  untere  erstreckt  sich  bis  zu  einer  gewissen  Höhe 
oder  einer  bestimmten  Niveaufläche  des  Luftdrucks,  die  obere 
von  dieser  hinaus  ins  Unbegrenzte. 

In  der  ersten  Mitteilung  ging  ich  nun  von  der  Annahme 
aus,  daß  sich  die  untere  Luftschichte  in  all  ihren  Höhenlagen 
gleichmäßig  bewege,  so  daß  die  Bewegung  am  Erdboden  die 
gleiche  Richtung  und  Größe  habe  wie  in  allen  Schichten  über 
demselben  bis  hinauf  zur  Grenze  jener  unteren  Atmosphären- 
schichte. Die  Geschwindigkeit  dieser  Bewegung  sollte  nach 
der  bekannten  Guldberg-Mohn'schen  Formel  vom  Luftdruck- 
gradienten an  der  Erdoberfläche  abhängen ;  da  noch  die  Reibung 
an  letzterer  vernachlässigt  wurde,  so  bewegte  sich  die  Luft 
parallel  zu  den  Isobaren.  Die  Bewegung  wurde  als  adiabatisch 
angenommen.   Aus   gleichzeitigen    Druck-   und   Temperatur- 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  82 1 

Schwankungen  in  Nordamerika  wurde  eine  durchschnittliche 
Höhe  der  in  Betracht  kommenden  unteren  Atmosphären- 
schichte berechnet,  für  welche  die  Annahme  der  gleichmäßigen 
Strömung  in  allen  Höhenlagen  im  allgemeinen  ausreichend 
und  erlaubt  war.  Die  obere  Atmosphärenschichte  sollte  an  den 
unperiodischen  Druckschwankungen,  wie  sie  die  Wetterkarten 
zeigen,  nicht  mehr  beteiligt  sein. 

Es  ergab  sich  aus  diesen  Bedingungen  eine  Gleichung 
für  die  zeitliche  Luftdruckänderung  an  einem  Orte  der  Erd- 
oberfläche, und  zwar  wurde  dieselbe  als  Funktion  der  hori- 
zontalen Druck-  und  Temperaturgradienten  daselbst  gefunden. 
Sie  war  der  Größe  nach  verkehrt  proportional  der  Fläche,  welche 
zwei  benachbarte  Isobaren  mit  zwei  benachbarten  Isothermen 
der  Mitteltemperatur  an  jenem  Orte  einschlössen ;  dem  Vorzei- 
chen nach  stieg  der  Druck,  wenn  die  Luft  aus  kälteren  in 
wärmere  Gebiete  strömte,  und  fiel  im  umgekehrten  Falle. 

Da  die  an  der  Erdoberfläche  beobachtete  Temperatur  für 
die  Mitteltemperatur  der  Luftsäule  bis  zur  Grenze  der  unteren 
Schichte  nicht  maßgebend  ist,  man  diese  Mitteltemperatur  aber 
aus  dem  Luftdruck  und  der  Höhe  jener  Schichte  berechnen 
kann,  so  wurden  statt  der  oben  genannten  Temperatur- 
gradienten  jene  der  Höhe  eingeführt.  Wurde  hiezu  die  Höhe 
der  unteren  Luftschichte  als  zeitlich  konstant,  aber  von  Ort 
zu  Ort  variabel  angenommen,  so  konnte  die  zeitliche  Druck- 
änderung als  Funktion  der  horizontalen  Gradienten  des  Druckes 
und  dieser  Höhe  berechnet  werden.  Unter  einfachen  Voraus- 
setzungen über  die  Verteilung  der  Höhe  konnte  die  gefundene 
Differentialgleichung  auch  integriert  werden,  wodurch  der 
Dmck  als  Funktion  von  Ort  und  Zeit  hervorging. 

Jene  Höhen  bildeten  eine  Niveaufläche,  in  welcher  ein 
bestimmter  Druck  herrschte;  da,  wo  die  Mitteltemperatur  der 
Luftschichte  geringer  war,  also  z.  B.  im  Winter  über  einem 
Kontinent  wie  Nordamerika,  mußte  jener  Druck  tiefer  liegen 
als  über  wärmeren  Orten,  wie  z.  B.  den  Ozeanen  im  Westen 
und  Osten.  Die  genannten  Höhen  waren  also  über  dem  Kon- 
tinente kleiner,  über  dem  Meere  größer.  Aus  den  beobachteten 
Lufttemperaturen  an  der  Erdoberfläche  konnten  sie  für  Nord- 
amerika   ungefähr    berechnet    werden.    Zur    Integration   der 


822  F.  M.  Exner, 

Differentialgleichung  wurden  die  Linien  gleicher  Höhe  als 
Sinuslinien  angenommen;  damit  ergab  sich  eine  Druckwelle, 
die  von  Westen  nach  Osten  über  den  Kontinent  hinwegzog, 
derart,  daß  am  Kontinent  aus  einer  zonalen  Anfangsverteilung 
heraus  der  Luftdruck  im  Westen  fiel,  diese  Depression  in  der 
Mitte  am  stärksten  wurde  und  sich  auf  dem  Wege  zur  Ost- 
küste wieder  abflachte,  um  nach  der  Zeit  einer  Schwingung 
wieder  zonale  Verteilung  des  Druckes  zu  erreichen. 

Da  es  sich  in  jener  Arbeit  nur  um  ein  Beispiel  der  Wirkung 
ungleicher  Temperaturen  handelte,  konnte  das  geschilderte 
Resultat,  die  Entstehung  einer  derartigen  Druckwelle,  hin- 
genommen werden. 

Würden  die  tatsächlichen  Verhältnisse  den  zuletzt  dar- 
gelegten gleichen,  so  wäre  aber  in  der  mittleren  Druck- 
verteilung während  einer  solchen  Periode  im  Winter 
der  Druck  in  der  Mitte  des  Kontinents  tiefer  als  an 
den  Ost-  und  Westküsten,  was  den  Tatsachen  nicht 
entspricht. 

Es  entstand  daher  die  Aufgabe,  die  Annahmen  für  die 
Rechnungen  der  obigen  Arbeit  so  zu  modifizieren,  daQ  sie 
auch  für  die  mittlere  Druckverteilung  über  Land  und  Meer  mit 
der  Erfahrung  besser  übereinstimmende  Resultate  ergeben  als 
bisher.  Dies  war  der  Ausgangspunkt  für  die  vorliegende  Arbeit. 
In  dieser  wurde  nun  die  Annahme  von  adiabatischer 
Bewegung  der  Luft  fallen  gelassen,  da  es  schien,  als 
wäre  gerade  diese  Voraussetzung  die  Ursache  für  die  oben 
genannte  Abweichung  der  Rechnungsresultate  von  der  Er- 
fahrung gewesen. 

Die  folgenden  Rechnungen  sind  daher  allgemeiner  als  jene 
der  ersten  Mitteilung;  im  übrigen  war  ich  genötigt,  ähnliche 
V^ereinfachungen  zu  machen  wie  im  früheren  Fall;  die  Be- 
rechtigung hiezu  hatte  sich  schon  teilweise  aus  der  Prüfung 
jener  Theorie  an  den  Tatsachen  ergeben,  worauf  hier  noch 
besonders  verwiesen  sei. 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  82 1 

Schwankungen  in  Nordamerika  wurde  eine  durchschnittliche 
Höhe  der  in  Betracht  kommenden  unteren  Atmosphären- 
schichte berechnet,  für  welche  die  Annahme  der  gleichmäßigen 
Strömung  in  allen  Höhenlagen  im  allgemeinen  ausreichend 
und  erlaubt  war.  Die  obere  Atmosphärenschichte  sollte  an  den 
unperiodischen  Druckschwankungen,  wie  sie  die  Wetterkarten 
zeigen,  nicht  mehr  beteiligt  sein. 

Es  ergab  sich  aus  diesen  Bedingungen  eine  Gleichung 
für  die  zeitliche  Luftdruckänderung  an  einem  Orte  der  Erd- 
oberfläche, und  zwar  wurde  dieselbe  als  Funktion  der  hori- 
zontalen Druck-  und  Temperaturgradienten  daselbst  gefunden. 
Sie  war  der  Größe  nach  verkehrt  proportional  der  Fläche,  welche 
zwei  benachbarte  Isobaren  mit  zwei  benachbarten  Isothermen 
der  Mitteltemperatur  an  jenem  Orte  einschlössen;  dem  Vorzei- 
chen nach  stieg  der  Druck,  wenn  die  Luft  aus  kälteren  in 
wärmere  Gebiete  strömte,  und  fiel  im  umgekehrten  Falle. 

Da  die  an  der  Erdoberfläche  beobachtete  Temperatur  für 
die  Mitteltemperatur  der  Luftsäule  bis  zur  Grenze  der  unteren 
Schichte  nicht  maßgebend  ist,  man  diese  Mitteltemperatur  aber 
aus  dem  Luftdruck  und  der  Höhe  jener  Schichte  berechnen 
kann,  so  wurden  statt  der  oben  genannten  Temperatur- 
gradienten jene  der  Höhe  eingeführt.  Wurde  hiezu  die  Höhe 
der  unteren  Luftschichte  als  zeitlich  konstant,  aber  von  Ort 
zu  Ort  variabel  angenommen,  so  konnte  die  zeitliche  Druck- 
änderung als  Funktion  der  horizontalen  Gradienten  des  Druckes 
und  dieser  Höhe  berechnet  werden.  Unter  einfachen  Voraus- 
setzungen über  die  Verteilung  der  Höhe  konnte  die  gefundene 
Differentialgleichung  auch  integriert  werden,  wodurch  der 
Druck  als  Funktion  von  Ort  und  Zeit  hervorging. 

Jene  Höhen  bildeten  eine  Niveaufläche,  in  welcher  ein 
bestimmter  Druck  herrschte;  da,  wo  die  Mitteltemperatur  der 
Luftschichte  geringer  war,  also  z.  B.  im  Winter  über  einem 
Kontinent  wie  Nordamerika,  mußte  jener  Druck  tiefer  liegen 
als  über  wärmeren  Orten,  wie  z.  B.  den  Ozeanen  im  Westen 
und  Osten.  Die  genannten  Höhen  waren  also  über  dem  Kon- 
tinente kleiner,  über  dem  Meere  größer.  Aus  den  beobachteten 
Lufttemperaturen  an  der  Erdoberfläche  konnten  sie  für  Nord- 
amerika   ungefähr    berechnet    werden.    Zur    Integration   der 


824  F.  M.  Exner, 

Nach  der  barometrischen  Höhenformel  ist: 

p=PHe^T^  (2) 

Als  zweite  Annahme  führen  wir  jetzt  ein,  daß  H  kon- 
stant nach  Ort  und  Zeit,  pn  aber  mit  der  Zeit  konstant,  örtlich 
variabel  sei,  d.  h.  wir  betrachten  eine  Luftsäule  von  der  Höhe  H 
und  nehmen  an,  daß  über  einem  Orte  in  dieser  Höhe  stets 
derselbe  Druck  pn  vorhanden,  derselbe  aber  an  verschiedenen 
Orten  verschieden  sein  könne.  Diese  Voraussetzung  ist  nur 
formell  von  der  in  der  ersten  Mitteilung  gemachten  unter- 
schieden, welche  Konstanz  des  pn  und  örtliche  Verschieden- 
heit des  i/ enthielt.  Es  ist  notwendig,  für  eine  derartige  Rechnung 
eine  solche  Annahme  zu  machen,  um  ein  abgegrenztes  Luft- 
volumen zu  haben. 

Aus  Gleichung  (2)  ergibt  sich  dann : 

dp  p     dpH       pgH   äT 


dt        PH      dt         RT^    dt 
und 

dt  gH  ^  p      dt        ph     dt 

Der  letzte  Ausdruck  in  die  Wärmegleichung  (1)  eingesetzt 
stellt  eine  Beziehung  der  Wärmezufuhr  zu  den  Druckände- 
rungen in  der  Höhe  H  und  an  der  Erdoberfläche  dar, 
und  zwar: 


dQ  ^       RT    dp  fc.T   ^  ^^\      CpR-p    1 
dt  p     dt   WH  )        ^H    Pf 


^^       (3) 
p      dt   \gH  I         gH    Ph     dt 

Die  Größe  H  bedeutet  also  die  Höhe  einer  Luftsäule,  über 
welche  hinaus  sich  (wegen  Konstanz  des  pn)  die  sogenannten 
aperiodischen  Luftdruckveränderungen,  welche  uns  durch  die 
synoptischen  Wetterkarten  angezeigt  werden,  nicht  weiter  in 
die  Höhe  erstrecken.  Eine  derartige  Annahme  ist  eigentlich 
selbstverständlich,  da  mit  der  Entfernung  von  der  Erde  diese 
Gebilde  natürlicherweise  schließlich  verschwimmen  müssen. 

Als  dritte  Annahme  führen  wir  ein,  daß  die  Luftsäule 
sich  in  allen  Schichten  bis  zur  Höhe  H  gleichmäßig  bewege; 


Theorie  der  synoptischen  Lufldruckänderungen.  825 

diese  Bewegung  wird  einen  Durchschnittswert  repräsentieren, 
indem  in  Wirklichkeit  die  Bewegung  an  der  Erdoberfläche 
meist  infolge  der  Reibung  eine  einströmende,  zum  tiefen  Druck 
gerichtete,  in  größerer  Höhe  oft  eine  ausströmende  (bezüg- 
lich der  Isobaren  an  der  Erdoberfläche)  sein  wird.  Durch  die 
dritte  Annahme  wird  schon  von  selbst  gefordert,  daß  die  be- 
trachtete Höhe  H  nicht  zu  groß  sein  darf,  da  die  Annahme  sonst 
zu  wenig  genau  sein  wird. 

Aus  den  Rechnungen  der  ersten  Mitteilung  ist  schon  eine 
bestimmte  Größenordnung  von  H  für  Nordamerika  mit  Hilfe 
von  Beobachtungsdaten  wahrscheinlich  gemacht  worden.  Wir 
behalten  diesen  Wert  auch  hier  bei  und  setzen  H  =  5000  m. 
(Vierte  Annahme.) 

Es  wurde  auch  versucht,  die  Wärmegleichung,  wie  dies 
exakt  wäre,  nur  auf  eine  dünne  Luftschichte  anzuwenden,  die 
Ungleichformigkeit  der  Bewegung  in  verschiedenen  Höhen- 
lagen zu  berücksichtigen  u.  s,  w.  Doch  wäre  es  da  notwendig, 
die  von  Ort  zu  Ort  ungleiche  Temperaturabnahme  nach  oben 
in  die  Rechnung  einzuführen,  was  nicht  möglich  ist  und  bei 
den  übrigen  Vereinfachungen  auch  wohl  die  Arbeit  nicht 
lohnen  würde. 

Als  fünfte  Annahme  soll  die  Bewegung  der  Luft  parallel 
zu  den  Isobaren  an  der  Erdoberfläche  vor  sich  gehen,  was  im 
Hinblick  auf  das  bei  der  dritten  Annahme  Gesagte  und  auf  die 
geringe  Höhe  von  5  km  im  Durchschnitt  keine  wesentlichen 
Fehler  mit  sich  bringen  dürfte.  Es  wird  also  von  der  vertikalen 
Bewegung  abgesehen  und  die  Reibung  an  der  Erdoberfläche 
vernachlässigt. 

Man  erhält  dann  aus  den  Bewegungsgleichungen  für  die 
rotierende  Erde  mit  Weglassung  der  horizontalen  Beschleuni- 
gungen (sechste  Annahme),  die  durchschnittlich  keine  große 
Rolle  spielen  werden,  die  Winkelgeschwindigkeit  der  Luft- 
säule von  der  Höhe  H  durch  folgende  Gleichungen: 

d'f  _  RT  dp       d\__  RT  2p 

dt      2a)r2/?sin?pcosY      9k/      dt  2  cor*/?  sin  rp  cos  ^  3^ 

Hier  ist  co  die  Winkelgeschwindigkeit  der  Erdrotation  und  r  der 
Erdradius.  Aus  der  Annahme,  daß  die  Geschwindigkeit  stets 


826  F.  M.  Exner, 

senkrecht  auf  dem  Gradienten  steht,  folgt,  daß  alle  späteren 
Überlegungen  auf  den  Äquator  und  die  Nähe  des- 
selben nicht  angewendet  werden  dürfen,  da  dort  für 
jeden  endlichen  Gradienten  die  Geschwindigkeit  unendlich 
würde.  Es  wurde  auch  die  Zentrifugalkraft  in  diesen  Bewegungs- 
gleichungen vernachlässigt,  einfach  darum,  weil  sich  mit  Bei- 
behaltung derselben  nicht  rechnen  ließ.  Bekanntlich  spielt  sie 
im  allgemeinen  gegen  die  ablenkende  Kraft  der  Erdrotation 
eine  geringe  Rolle,  doch  ist  sie  nach  Ferrel  in  der  Nähe  der 
Kalmengürtel  von  großem  Einfluß,  so  daß  wir  bei  ihrer 
Weglassung  auch  über  diese  Gegend  keine  richtigen  Auf- 
schlüsse zu  erhalten  erwarten  dürfen. 

Zur  Wärmegleichung  (3)  zurückkehrend,  wollen  wir  nun 

dp  dpu 

die  totalen  Differentialquotienten  ~  und  -~t~  in  die  partiellen 

zerlegen  und  erhalten: 

dp  8/?         8p   d^   ^  8/7    d[k 


di  8/  89    di         8X    dt 

und 

dpH  ipH    ,    ^PH    drf  2pH    dk 

—  -r- -I 


dt  it  87     dt         8X     dt 

Über  ph  wurde  schon  die  Annahme  gemacht,  daß  es  mit 
der  Zeit  unveränderlich  sei.  Da  die  Temperatur  der  Luft  vom 
Äquator  gegen  die  Pole  abnimmt,  so  wird  der  Luftdruck /7h  in 
der  Höhe  H  über  dem  Äquator  größer  sein  als  über  höheren 
Breiten,  wenn  nicht  der  Druck  am  Boden  umgekehrt  vom 
Äquator  zum  Pol  zunimmt,  was  nicht  der  Fall  ist.  Es  wird  also 

8/7// 

ein  positives  Gefälle  "i —  vom   Äquator   zum  Pole  vorhanden 

sein.  Wir  wollen  annehmen,  daß  auch  der  Einfluß  der  Länder 
und  Meere  auf  die  Mitteltemperatur  der  Luftsäulen  über  ihnen 
nicht  höher  als  bis  zur  Höhe  H  reicht;  dann  wird  in  dieser 
Höhe  der  Druck  pn  über  jedem  Breitenkreise  einen  konstanten 
Wert  haben.  Wir  können  demnach  für  die  Verteilung  von  pn 
über  der  Erdoberfläche  als  siebente  Annahme  die  einfache 
Gleichung  schreiben: 

Pff  =8-4-7  cos2?p. 


Theorie   der  sj'^noptischen  Lufldruckänderungen.  827 

Es  wird  dann  am  Äquator/;//  =  s+y,  am  Pol  e — y  sein, 
und  für  die  DifTerentialgleichung  (3)  ergibt  sich: 

!^=,0,        i^=- 2t  sin  2^,^  =  0; 
7  ist  eine  noch  zu  bestimmende  Konstante. 


In  der  ersten  Mitteilung  wurde  die  Atmosphäre  nicht 
durch  die  Höhe  i/,  sondern  durch  die  Niveaufläche  pn  in  zwei 
Schichten  getrennt  gedacht.  Der  Unterschied  ist  nicht  von 
Bedeutung;  doch  wurde  damals  das  variable  i/ nicht  nur  als 
abhängig  von  der  Breite  angesehen,  wie  hier  jetzt  pn,  sondern 
auch  von  der  geographischen  Länge.  Durch  diese  Annahme 
konnte  damals  der  Einfluß  des  Kontinents  in  Rechnung  gezo- 
gen werden,  führte  aber,  wie  oben  mitgeteilt,  zu  irrigen  Resul- 
taten bei  Berechnung  der  mittleren  Druckverteilung  über  Nord- 
amerika. Um  diesen  Fehler  zu  vermeiden,  wurde  in  dieser 
Arbeit  pn  von  X  als  unabhängig  angenommeh  und  die  Zu-  und 

Abfuhr  von  Wärme  freigestellt. 

dp 

Setzt  man  nun  in  die  obigen  Gleichungen  für    -^—     und 

dt 

dpfi  d^  d)s 

——  die  Komponenten  der  Geschwindigkeit  —7—    und    ~7~ 
dt  dt  dt 

nach  den  Gleichungen  (4)  ein  und  benützt  noch  die  siebente 

Annahme,  so  wird,  da 

dp    dff         ip     d\ 


ist,  auch 


8fp     dt         8X     dt 


=  0 


dp        dp  dpH  2^RT       dp 

und 


dt         dt  dt  (ür^p         8X 

Die  Wärmegleichung  (3)  lautet  daher  jetzt: 
dQ  RT  fCpT      ^\dp         2^CpR^T^    dp 


=-v(^-) 


oder 


dt  p    \gH  J  dt  (ür^gHppH     d\ 

dp 2yCpRT^  dp 

8/    ""  ""  (ür^pnfcp  T+AgH)        8X 

pgH  dQ 

Rticp  T+AgH)  '     dt 


ip) 


828  F.  M.  Exner, 

Diese  Gleichung  (5)  tritt  nun  an  Stelle  jener  Differential- 
gleichung in  der  ersten  Mitteilung,  welche  die  Gradienten  von 
Druck  und  Mitteltemperatur  enthielt.  Wird  keine  Wärme  zu- 

noch  abgeführt,  ist  also  ~—  =  0,    so  bedeutet  sie  einfach, 

9/7 

daß  bei  positivem  ~^y  also  auf  der  Nordhemisphäre  bei   süd- 

liehen  Winden,  der  Luftdruck  an  einem  Orte  um  ein  Bestimmtes 
fällt,  bei  nördlichen  Winden  steigt,  proportional  dem  Gradienten 
oder  der  Windstärke.  Bei  einer  Depression  mit  südlichen  Winden 
im  Osten,  nördlichen  im  Westen  wird  folglich  der  Druck  im 
Osten  fallen,  im  Westen  steigen,  so  daß  es  den  Anschein 
gewinnt,  als  bewege  sich  die  ganze  Depression  von  Westen 
nach  Osten;  die  gleiche  Überlegung,  auf  ein  Hochdruckgebiet 
angewendet,  ergibt  auch  dessen  Wanderung  nach  Osten.  Die 
Geschwindigkeit  der   Bewegung  wird  durch   den  Faktor  von 

■~rr"  bestimmt,  wie  später  noch  gezeigt  werden  soll. 

cK 

Ist  die  Bedingung  adiabatischer  Bewegung  nicht  mehr 
erfüllt,  also  —  ^  0,  so  wird  z.  B.  für  den  Fall,  daß  —  zu  O,  bei 

dt  ax 

Zufuhr  von  Wärme  der  Druck  an   einem  Orte  mit  der  Zeit 

fallen,  bei  Entziehung  von  Wärme  steigen.  Ist  — ^O,  so  hangt 

8X 

es  ganz  von  dem  Größenverhältnis  der  beiden  Glieder  der 
rechten  Seite  von  (5)  ab,  ob  der  Druck  steigt,  gleich  bleibt  oder 
fällt.  Aus  der  vorwiegenden  Bewegung  der  kleineren  Luftdruck- 
gebilde von  Westen  nach  Osten  in  den  höheren  Breiten  läßt 

sich  schließen,  daß  das  Glied  mit -^^  daselbst  im  allgemeinen  den 

3X 

Ausschlag  gibt  und  durch  die  Wärmezufuhr  meist  nur  Modi- 
fikationen in  der  allgemeinen  West-Ostbewegung  der  Druck- 
gebilde hervorgebracht  werden. 

Es  wird  also  alles  darauf  ankommen,  die  der  Luftsäule 
zugeführte  oder  entzogene  Wärme  zu  kennen,  um  die  Ände- 
rung des  Luftdruckes  vorausbestimmen  zu  können. 


Theorie  der  sjrnoptiscben  Luftdruckänderungen.  829 

Denken  wir  uns,  es  sei  zu  irgend  einer  Zeit  auf  einem 
Gebiete  der  Erdoberfläche  der  Luftdruck  am  Boden  überall  der 
gleiche,  es  werde  der  dort  lagernden  Luft  aber,  z.  B.  durch 
eine  besonders  warme  Erdoberfläche,  Wärme  zugeführt,  dann 
wird  nach  Gleichung  (5)  der  Druck  daselbst  fallen.  Über  die 
Ursache  dieses  Fallens  gibt  unsere  Rechnung  keine  weitere 
Aufklärung,  doch  stimmt  das  Resultat  mit  der  Erfahrung.  Ist 
die  Wärmezufuhr  auf  einen  runden  begrenzten  Bezirk  be- 
schränkt, so  wird  nach  Gleichung  (5)  ein  Gebiet  tiefen  Druckes 
daselbst  entstehen,  eine  Depression. 

Nach  der  ursprünglichen  Wärmegleichung  (1)  ist  einfach 
mit  Wärmezufuhr  Temperaturerhöhung  und  Druckerniedrigung 
verbunden.  In  Wirklichkeit  wird  bei  Erwärmung  der  Luftsäule 
diese  sich  ausdehnen,  nicht  nur  nach  den  Seiten,  sondern  auch 
nach  oben;  es  wird  gerade  das  vertikale  Aufsteigen  der  Luft 
und  das  seitliche  Abfließen  in  der  Höhe  die  eigentliche  Ursache 
der  Druckerniedrigung  sein.  Vertikale  Bewegung  haben  wir 
hier  aber  nicht  berücksichtigt,  auch  ausgeschlossen,  daQ  über 
der  Höhe  H  noch  Veränderungen,  wie  seitliches  Ausfließen 
der  Luft  über  einem  besonders  warmen  Orte,  vor  sich  gehen. 
Wir  haben  in  unserer  Rechnung  auch  die  Kontinuität  der  Luft- 
massen nicht  berücksichtigt.  Aber  gerade  die  letztere  Tatsache 
enthält  die  Möglichkeit,  trotzdem  mit  unseren  einfachen 
Gleichungen  im  wesentlichen  richtige  Druckänderungen  ab- 
zuleiten; denn  der  Vorgang  ist  mit  ihnen  so  dargestellt,  als 
wenn  die  Luft,  durch  deren  Abfließen  der  Druck  sinkt,  einfach 
verschwinden  würde.  Diese  rohe  Darstellungsweise  scheint 
aber  für  unseren  Zweck  doch  zu  genügen  und  ist  auch  nicht  so 
auffallend,  wie  auf  den  ersten  Anblik  erscheinen  mag,  wenn 
wir  uns  wieder  wie  früher  die  Atmosphäre  als  eine  sehr  dünne 
Luftschichte  im  Gegensatz  zum  Erdradius  vorstellen. 

Zugleich  erklärt  diese  Vorstellung  auch,  wie  es  möglich 
ist,  die  Entstehung  von  Gebieten  hohen  oder  tiefen  Druckes 
ohne  Berücksichtigung  der  vertikalen  Bewegung  abzuleiten, 
nachdem  doch  M.  Margules^  bewiesen  hat,  daß  die  Stürme 


1  Über  die  Energie  der  Stürme.  Jahrbücher  der  k.  k.  Zentralanstalt  für 
Meteorologie,  Jahrgang  1903,  Anhang. 


830  F.M.  Exncr, 

und  mit  ihnen  die  Luftdruckgradienten  nur  durch  vertikale 
Bewegungen  entstehen  können  und  ihre  Energie  aus  der 
Arbeit  der  Schwerkraft  schöpfen.  Wir  machen  nämlich  hier 
von  der  Zu-  oder  Abfuhr  der  Wärme,  die  nach  Margules  die 
Luftschichten  aus  dem  Gleichgewicht  bringt  und  sich  als 
potentielle  Energie  der  Lage  in  ihnen  aufspeichert,  gleichsam 
einen  Sprung  bis  zur  entstehenden  Druckänderung  und  über- 
gehen dabei  die  vertikalen  Verlagerungen  der  Luftschichten ; 
wir  haben  dieselben  in  unserer  Rechnung  nicht  berücksichtigt, 
aber  wir  haben  sie  auch  nicht,  etwa  durch  Verwendung  der 
Kontinuitätsgleichung,  ausgeschlossen. 

Diese  schematische  Darstellung  der  Luftbewegung  in  einer 
Schichte  scheint  somit  nicht  nur  für  das  Studium  von  Luft- 
druckveränderungen und  von  Verschiebungen  der  Luftdruck- 
gebilde geeignet  zu  sein,  sondern  auch  für  jenes  der  Ent- 
stehung und  Auflösung  dieser  Gebilde  durch  Wärmezu-  und 
-abfuhr  an  einzelnen  Orten  der  Erdoberfläche. 


dO 

Die  Größe  -^  wird  man  sich  im  wesentlichen  zusammen- 

dt 
gesetzt  denken  können  aus  der  Wärme,  welche  die  Luftsäule 
von  der  Höhe  H  durch  Konvektion  von  der  Erdoberfläche, 
über  der  sie  lagert,  erhält,  ferner  aus  dem  Anteil  Sonnen- 
strahlung, den  sie  absorbiert  und  aus  der  Ausstrahlung  der 
Atmosphäre  gegen  den  Weltraum,  wobei  wohl  die  Konvektion 
die  Hauptrolle  spielen  wird.  Nebstbei  mag  noch  manches  andere 
in  Betracht  kommen,  was  sich  ohne  genaue  Kenntnis  der 
Einzelsituation  nicht  feststellen  läßt.  Wie  man  sieht,  ist  jenes 

dO 

— ,  welchem  nach  unserer  Gleichung  ein  so  bedeutender  Ein- 

dt 

fluß  zukommt,  eine  bisher  so  gut  wie  unbekannte  Größe;  aus 
der  Theorie  der  atmosphärischen  Zirkulation  ist  bekannt,  daß 
die  Luft  in  niederen  Breiten  Wärme  zugeführt  erhält,  hiebei 
aufsteigt  und  gegen  nördliche  Breiten  abfließt,  um  als  Passat 
wieder  zurückzukehren,  daß  also  diese  zugeführte  Wärme  die 
Hauptursache  der  großen  Strömungen  ist;  über  die  Größen- 
ordnung derselben  hat  man   meines  Wissens  keine   genaue 


Theorie  der  synoptischen  Lufldnickänderungen.  831 

Vorstellung.  Nachdem  nun  in  dieser  Arbeit  die  Reibung  an  der 
Erdoberfläche  vernachlässigt  wurde,  mithin  die  Ausdrücke  (4) 
für  die  Geschwindigkeit  der  Luftbewegungen  auf  die  Nähe  des 
Äquators  nicht  anwendbar  sind,  so  konnte  hier  jene  haupt- 
sächliche Äußerung  der  Wärmezufuhr  am  Äquator,  durch 
welche  die  großen  Zirkulationen  zwischen  niederen  und 
höheren  Breiten  eingeleitet  werden,  keine  Behandlung  finden. 
Wir  sind  gezwungen,  uns  auf  höhere  Breiten  zu  beschränken. 

Auch  in  diesen  wird  die  ungleiche  Wärmezufuhr  unter 
verschiedenen  Breitegraden  eine  Rolle  spielen,  aber  bei  der 
vorwiegend  westöstlichen  Luftströmung,  wie  sie  auch  an  der 
Erdoberfläche  am  deutlichsten  auf  der  Südhalbkugel  zum 
Ausdruck  kommt,  wohl  eine  viel  geringere  als  in  niederen 
Breiten.  Vielmehr  dürfte  in  höheren  Breiten  für  die  Wärme- 
zufuhr und  -entziehung  die  Verteilung  der  Kontinente 
und  Meere  von  größtem  Einfluß  sein.  Erstere  sind  im 
Winter  kalt,  letztere  warm.  Eine  von  Westen  nach  Osten 
strömende  Luftmasse  wird  daher  über  den  Kontinenten  Abküh- 
lung, über  den  Meeren  Erwärmung  erfahren.  Auf  diesen  Einfluß 
wurde  hier  das  Hauptgewicht  gelegt. 

Einige  Anhaltspunkte,  welche  für  die  Beurteilung  dieser 
Erwärmungen  und  Abkühlungen  vorliegen,  sind:  die  mittlere 
Temperatur-  und  Druckverteilung,  die  in  den  höheren  Breiten 
der  Nordhemisphäre  im  Winter  Wärme  und  tiefen  Druck  auf 
den  Ozeanen,  Kälte  und  hohen  Druck  auf  den  Kontinenten 
zeigt,  dann  die  Bevorzugung  der  Meere  durch  die  Depressionen, 
ferner  die  langsame  Erwärmung  einer  großen  Luftmasse  bei 
einem  Kälteeinbiuch,  bei  dem  die  Luft  aus  kalten  in  wärmere 
Gebiete  strömt;  gerade  der  letzte  Fall  würde  sich  vielleicht 
am  unmittelbarsten  zu  einem  direkten  Studium  unserer  Frage 
eignen. 

Leider  sind  unsere  Kenntnisse  der  Wärmezufuhr,  die  eine 
Luftsäule  über  einem  Orte  erfährt,  völlig  unzureichend, 
um  unsere  Differentialgleichung  (5)  auf  einen  bestimmten  Fall 
direkt  anzuwenden  und  so  zu  prüfen,  ob  die  gemachten 
Annahmen  l  bis  7  brauchbare  Resultate  liefern.  Insbesondere 
die  Größenordnung  der  Faktoren  in  jener  Gleichung  wäre  zu 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  11  a.  55 


832  F.  M.  Exner, 

prüfen,  das  Vorzeichen   der  beiden  Glieder  der  rechten  Seite 

dürfte  viel  eher  als  richtig  erkannt  werden. 

Wie  gesagt,  ist  dies  leider  nicht  möglich,  da  wir  von  der 

dQ 
Größe  —  fast  nichts  wissen;  wenn  dieser  Umstand  nun  auf 

dt 
das  Studium  der  Wärmezufuhren  deutlich  hinweist,  so  wollen 
wir  doch  unterdessen  den  Versuch  machen,  die  Gleichung  (5) 
in  schematischer  Weise  auszuwerten,  indem  wir  von  deren 
direkter  Verwendung  absehen,  eine  einfache  Voraussetzung 

dQ 

für  den  Verlauf  von  -^-  einführen    und    die   Gleichung   inte- 

dt 
grieren.  Mittels  des  Resultates  wollen  wir  dann  erst  die  Größe 

von  —  selbst  bestimmen  und  die  Ergebnisse  der  Integration, 
dt 

soweit  dies  möglich  ist,  mit  der  Erfahrung  vergleichen. 

Wir  betrachten  zu  diesem  Zwecke  die  Zu-  und  Abfuhr 
von  Wärme  als  alleinig  bedingt  von  dem  Einfluß  der  Erd- 
oberfläche, indem  wir,  ohne  uns  auf  weitere  Details  einzu- 
lassen, voraussetzen,  daß  die  letztere  der  darüber  lagernden 
Luft  Wärme  zu-  oder  abführt ;  von  Strahlungsvorgängen  sehen 
wir  ganz  ab,  also  auch  von  einer  etwaigen  täglichen  Periode 

dQ 
von  — .  Ferner  denken  wir  uns  zur  Vereinfachung  die  Erde 

dt 

als  ein  Wärme-  beziehungsweise  Kältereservoir,  dessen  Inhalt 
durch  die  an  die  Luft  abgegebene  oder  von  ihr  aufgenommene 
Wärme  nicht    geändert  wird.  Unter  diesen  Voraussetzungen 

könnten  wir  z.  B.  die  Annahme  machen,  die  Wärmezufuhr  -^ 

dt 

sei  der  Differenz  der  mittleren  Erdbodentemperatur  (z.  B.  im 
Winter)  und  der  Temperatur  der  Luft  über  derselben  pro- 
portional. Die  Temperatur  der  Luft  würde  sich  dann  mit  der 
Zeit  so  herstellen,  daß  keine  Schwankungen  mehr  einträten; 
die  Gleichung  5  würde  nämlich  eine  gedämpfte  Schwingung 
darstellen.  Tatsächlich  werden  aber  die  Druck-  und  Temperatur- 
schwankungen in  unseren  Breiten  immerfort  erneuert.  Wir 
gehen  daher  zu  der  einfacheren  Voraussetzung  über,  daß  jeder 
Ort  der  Erdoberfläche  (natürlich  zu  einer  bestimmten  Jahreszeit) 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  833 

der  Luft   darüber    eine   bestimmte,    konstante   Wärmemenge 

dO 
zuführe  oder  entziehe.  Es  soll  also  —^  von  der  Zeit  (innerhalb 

dt 

einer  Jahreszeit)  unabhängig  und  nur  eine  Funktion  der  geo- 
graphischen Koordinaten  sein. 

Mit  dieser  einfachen  Annahme  ist  aber  noch  eine  Schwierig- 
keit verbunden;  es  würde  nämlich,  wenn  unter  einer  hohen 
Breite  fortwährend  dieselbe  Wärme  entzogen,  unter  einer 
niederen  Breite  fortwährend  zugeführt  würde,  der  Luftdruck  im 
Norden  fortwährend  steigen,  im  Süden  fallen.  Wir  müssen 
daher,  wenn  das  Wärmereservoir  der  Erde  unerschöpflich  sein 
soll,  voraussetzen,  daß  über  jedem  ganzen  Breitenkreise  die 
Summe  der  zu-  und  abgeführten  Wärmen  Null  ist,  eine  Voraus- 
setzung, die  vielleicht  für  höhere  Breiten  nur  wenig  von  den 
Tatsachen  abweicht.  Die  geographische  Verteilung  der 
Wärmezufuhr  wird  dann  nur  von  der  Lage  der  Meere 
und  Länder  bestimmt.  Selbstverständlich  ist  hier  stets  von 
jener  Wärme  die  Rede,  welche  eine  bestimmte  Luftsäule  erhält; 
die  Wärmeänderungen  an  einem  Orte  der  Erde  werden  natürlich 
auch  von  den  verschieden  temperierten  Winden  beeinflußt  und 
dieser  Einfluß  ist  in  der  Differentialgleichung  (5)  schon  in  dem 

Gliede  mit  -—-  enthalten. 

Da  nun  die  Gliederung  von  Land  und  Meer  auf  der  Erd- 
Oberfläche  sehr  kompliziert  ist,  sei  für  die  Rechnung  die 
folgende  Vereinfachung  benützt:  Wir  nehmen  einen  Weltkörper 
an,  auf  dem  die  Land-  und  Wasserbedeckungen  ganz  sym- 
metrisch verteilt  sind.  Es  sei  dies  eine  Kugel,  deren  Oberfläche 
aus  je  zwei  Meeren  und  Kontinenten  bestehe,  die,  durch  Meri- 
diane begrenzt,  je  ein  Viertel  der  Erdoberfläche  einnehmen  und 
abwechselnd  aneinandergereiht  sind.  Zwei  Ebenen,  die  sich 
unter  90°  schneiden  und  deren  Schnittlinie  zugleich  die  Achse 
des  Weltkörpers  sei,  werden  dann  auf  der  Oberfläche  die 
Kontinente  und  Meere  voneinander  trennen  und  die  Küsten 
bilden.  Im  übrigen  nehmen  wir  an,  dieser  Weltkörper  rotiere 
wie  die  Erde  und  habe  auch  deren  Größe.  Wenn  wir  mit  dieser 
Fiktion  rechnen,  so  können  die  Resultate  natürlich  nur  in  Ana- 
logien auf  unsere  Erde  übertragen  werden;  den  einen  Kontinent 


55* 


834  F.  M.  Exner, 

denken  wir  uns  an  Stelle  Nordamerikas,  den  anderen  an  Stelle 
Asiens  (auf  der  Nordhälfte). 

Wir  wollen  voraussetzen,  daß  zur  kalten  Jahreszeit  die 
Kontinente  in  niederen  Breiten  relativ  warm,  in  höheren  kalt, 
die  Meere  umgekehrt  temperiert  seien,  und  daß  ein  bestimmter 
Breitenkreis  die  Gegensätze  voneinander  scheidet.  Demgemäß 
ist  die  Wärmezufuhr  in  relativ  warmen  Gebieten  positiv,  in 
kalten  negativ.  Die  folgende  Rechnung  bezieht  sich  nur  auf 
den  Winter. 

dO 

Über  den  Verlauf  von  —7-  machten  wir  schon  oben  die 

dt 

Annahme,  daß  dessen  Integral  über  einen  ganzen  Breitenkreis 
Null  sei,  d.  h.  eine  Luftsäule,  die  sich  in  einem  Breitenkreise 
über  die  beiden  Kontinente  und  Meere  hinweg  bewegt,  nimmt 
auf  den  Meeren  ebensoviel  Wärme  auf,  als  sie  über  den  Kon- 
tinenten abgibt  oder  umgekehrt,  je  nach  der  Breitenlage.  Die 
Luft  kann  dann  doch  im  Mittel  im  Norden  kälter,  im  Süden 
wärmer  sein;  sie  ist  im  Mittel  in  einem  stationären  Zustande. 
Wie  schon  oben  gesagt,  soll  für  eine  bestimmte  Breite  der 
thermische  Gegensatz  zwischen  Meer  und  Kontinent  ver- 
schwinden; südlich  davon  ist  der  Kontinent  wärmer,  nördlich 
davon  das  Meer.  Für  diese  kritische  Breite  nehmen  wir  30*  an. 
Jener  Gegensatz  soll  auch  am  Pol  verschwinden.  Für  den 
fingierten  Weltkörper  mit  je  zwei  Kontinenten  und  Ozeanen 
von  gleicher  Breite  läßt  sich  die  Wärmezufuhr  dann  am  ein- 
fachsten als  eine  Sinus-  oder  Cosinusfunktion  der  geo- 
graphischen Länge  darstellen;  auf  einem  ganzen  Breitenkreise 
werden  zwei  ganze  Wellen  Platz  finden. 
Demnach  setzen  wir 

dO 

— =-  zr  B  cos  ^  (cos  ff — cos  30)  cos  2  X,  (6) 

dt 
wo  B  eine  vorläufig  unbekannte  Konstante  sei. 

Für  X  =  0  und  ^p  >  30*  wird  dann  -^  ein  Minimum  auf 

dem  Breitenkreise  sein;  es  soll  daher  der  Anfang  der  Längen- 
gradzählung in  die  Mitte  des  einen  der  Kontinente  gelegt 
werden. 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  835 

%  dO 

Für  X  ^  —  ist  -^-  positiv  und  ein  Maximum,  wie  dies 

M  Off 

für  die  Mitte  jedes  Meeres  auch  gefordert  wird.  Wenn  <p  <  30**, 

dO 

kehrt  sich  das  Vorzeichen  von  -^  um.   Das  Maximum  der 

dQ 

Schwankung  von  — ^  zwischen  Meer  und  Kontinent  liegt  bei 

dt 

zirka  65*  Breite. 

Setzen  wir  nun  den  Ausdruck  (6)  in  Gleichung  (5)  ein  und 

schreiben 


i^r^PHippT^AgH) 


=  a 


und 


''"  B  =  ?, 


RT(CpT+AgH) 


so  ergibt  sich 


-^  =  — 0L-~- — ß  cos  «(cos  ff — COS  30)  cos  2X.  (7) 

Nun  machen  wir  noch  die  Vereinfachung,  daß  a  und  ß 
konstant  genommen  werden,  was  sie  der  Größenordnung  nach 
auch  sind;  dann  steht  der  Integration  von  Gleichung  (7)  nichts 
im  Wege.  Wir  haben  nur  für  den  Druck  eine  bestimmte 
Anfangsverteilung  vorauszusetzen,  um  ihn  aus  dieser  Gleichung 
als  Funktion  von  Ort  und  Zeit  zu  erhalten. 

Erste  Anfangsverteilung.  Es  sei  zunächst  der  Druck 
zu  Anfang  (für  /  =  0)  überall  derselbe  und  habe  den  Wert  a; 
dann  ergibt  sich  durch  Integration 

ß 
p  =  a —  -^  cos  <p  (cos  (p — cos  30)  [sin  2X — sin  2(X — a/)]. 

Wie  man  sich  durch  Differentiation  leicht  überzeugen  kann, 
entspricht  dieser  Ausdruck  der  Differentialgleichung  und  der 
Anfangsbedingung. 

Zweite  Anfangsverteilung.  Als  zweites  Beispiel  sei 
der  Druck  für  /  =  0  gegeben  durch 

Pq  =  a+ftcos  2^, 


836  F.  M.  Exner, 

er  nehme  also  mit  zunehmender  Breite  fortwährend  ab,  habe 
bei  45*  Breite  den  Wert  ö,  am  Pole  den  Wert  a — b\  dieses  Bei- 
spiel entspricht  eher  der  rotierenden  Bewegung  um  die  Pole 
des  Weltkörpers,  wie  sie  uns  besonders  von  der  südlichen 
Halbkugel  der  Erde  bekannt  ist  und  auf  der  nördlichen  in 
größerer  Höhe  vorkommen  muß.  Das  Integral  lautet: 

p  zu  a+b  cos  2^ ^ — cos'f  (coscp — cos  30)- 

.[sin2X— sin2(X— ö/)]. 

Die  Form  des  Integrals  ist  also  in  beiden  Beispielen  die- 
selbe: Die  Anfangs  Verteilung  wird  überlagert  von  einer  kon- 
stanten Verteilung,  die  durch  das  Glied  mit  sin  2X  gegeben  ist, 
und  einer  mit  der  Zeit  fortschreitenden  Welle  sin2(X — a/). 
Diese  Welle  bewegt  sich  nach  wachsendem  X,  also  nach  Osten. 

Ihre  Schwingungsdauer  ist  — ,  die  Wellenlänge  ist  ^,  daher  die 

OL 

Geschwindigkeit  der  Fortpflanzung  a,  ausgedrückt  in  Winkel- 
maß. Zur  Reduktion  auf  Längenmaß  ist  dieselbe  mit  r  cos  f  zu 
multiplizieren,  daher 

V  zu  ar  cos  ^ 

die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Welle  in  Metern  pro 
Sekunde. 


Die  Größe  a  ist  leicht  zu  berechnen.  Da  i/  =r  5000  m  sein 
soll,  können  wir  die  Mitteltemperatur  finden,  indem  wir  lineare 
Temperaturabnahme  nach  oben  zu  annehmen  und  dieselbe  5* 
pro  lOOOnt  setzen.  Es  handelt  sich  hier  stets  um  Durchschnitts- 
werte, da  ja  OL  nicht  eigentlich  konstant  ist.  Sei  die  mittlere 
Temperatur  am  Boden  273"  absolut,  so  ergibt  sich  das  mittlere  T 
zu  260°.  Um  ferner  y  zu  finden,  werde  angenommen,  daß  die, 
mittlere  Jännertemperatur  am  Boden  am  Äquator  27**  C,  am 
Pol  — 30°  C.  betrage.  Für  den  mittleren  Luftdruck  am.  Boden 
von  durchwegs  760  mm  findet  man  hieraus  den  Druck  in  der 
Höhe  von  5000  m  (gleichfalls  unter  Voraussetzung  linearer 
Temperaturabnahme  im  obigen  Ausmaße) 


somit 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  837 

am  Äquator  zu  419  mm, 
am  Pole         zu  364  mm, 

s  =  392,     Y  =  28  mm 


und  ph  im  Durchschnitte  zu  392  iww. 
Setzt  man  noch 

424 
so  ergibt  sich  der  Durchschnittswert 

a=z:3-3.10-«(sec-i). 
Die  Schwingungsdauer  der  oben  berechneten  Welle  t  =:  — 

OL 

beträgt  folglich  11-02  oder  rund  11  Tage,  Die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit V  :=  ar  cos  fp  wird  beispielsweise  für  die  Breite 

von  50®: 

V  m  13*4  w/sec.  =  48  km  pro  Stunde. 

Die  Größe  ß  enthält  neben  bekannten  Werten  die  Un- 
bekannte B;  um  einen  beiläufigen  Wert  hiefür  zu  erhalten,  kann 
man  folgendermaßen  vorgehen: 

Denken  wir  uns  den  Ausdruck  für  p  nach  der  zweiten 
Anfangsverteilung  über  eine  ganze  Schwingungsdauer  t  inte- 
griert, so  wird  offenbar  das  Glied  mit  sin  2(X— o/)  zu  Null  und 
wir  erhalten  für  den  mittleren  Druck  während  einer  oder  einer 
beliebigen  ganzen  Zahl  von  Schwingungsdauern 

ß 

p  z=z  a-hb  cos  2  9 =—  cos  ^  (cos  cp — cos  30)  sin  2X. 

2a 

Dies  ist  die  Gleichung  für  die  mittlere  Druck- 
verteilung, welche  aus  unseren  Voraussetzungen  hervorgeht, 
am  ehesten  mit  der  wahren  mittleren  Druckverteilung  im  Jänner- 
monate zu  vergleichen.  Hält  man  den  Ausdruck  (6)  für  die  zu- 
geführte Wärme  dagegen,  so  ergibt  sich  neben  der  allgemeinen 
Druckabnahme  gegen  den  Pol  eine  Phasenverschiebung  von 

— 45*  in  der  geographischen  Länge  des^  gegen  — ^  •    In  der 

Mitte  der  Kontinente,  für  X  =  0  und  X  =  180,  wird  in  Breiten  über 


838  F.  M.  Exner, 

30**  auf  einem  bestimmten  Breitenkreise  die  meiste  Wärme  ent- 
zogen; daselbst  hat  der  Luftdruck  einen  mittleren  Wert.  Für 

X  1=  45  wird  auf  demselben  Breitenkreise  — -^  =  0  sein,  was 

dt 

einem  mittleren  Werte  dieser  Größe  entspricht,  während  der 
Druck  dort  ein  Maximum  hat;  X  =  45  (oder  auch  X  —  225) 
bezeichnet  aber  die  Ostküsten  der  Kontinente.  Analog  hat  der 
Druck  einen  Mittelwert  in  der  Mitte  der  Meere,  wo  die  zuge- 
führte Wärme  am  größten  ist,  einen  Minimalwert  aber  an  den 

dO 
Westküsten  der  Kontinente,  wo  — ^  =:  0  ist. 

dt 

Betrachtet  man  eine  mittlere  Isobarenkarte  der  Erde  für 
den  Jänner  auf  der  Nordhemisphäre,  so  findet  man  einige  Ähn- 
lichkeiten mit  obigem  Schema  heraus.  Freilich  ist  eine  genaue 
Übereinstimmung  schon  wegen  der  ungleichen  Lagerung  von 
Wasser  und  Land  auf  der  Nordhälfte  unserer  Erde  gar  nicht 
möglich.  Nach  obiger  Rechnung  soll  der  tiefste  Druck  an  den 
Westküsten  der  Kontinente,  der  höchste  an  deren  Ostküsten 
liegen.  In  Wirklichkeit  betragen  die  Verschiebungen  des  tiefen 
Druckes  von  der  Mittellinie  der  Meere,  des  hohen  von  jener 
der  Kontinente  weniger  als  45 "*  und  im  allgemeinen  haben  in 
den  höheren  Breiten  die  Kontinente  im  Winter  hohen,  die 
Meere  tiefen  Druck;  immerhin  ist  eine  Verschiebung  der  Iso- 
baren gegen  Osten  zu  bemerken,  besonders  am  europäisch- 
asiatischen Kontinent  und  in  dem  flachen  Verlaufe  der  Isobaren 
an  der  Nordwestküstc  Europas,  dem  steilen  an  der  Ostküste 
Nordamerikas. 

Denken  wir  uns  aber  aus  der  Druckverteilimg  p  mittels 
der  barometrischen  Höhenformel  die  Mitteltemperaturen  be- 
rechnet, so  finden  wir  dort,  wo  auf^inem  Breitenkreise  der 
Druck  tief  ist,  die  Mitteltemperatur  hoch,  dort  wo  er  hoch  ist, 
dieselbe  tief.  Wir  erhalten  also  dann  Isothermen,  welche  die 
höchste  Temperatur  an  der  Westküste  der  Konti- 
nente, die  tiefste  an  deren  Ostküste  bezeichnen,  was 
mit  dem  tatsächlichen  Verlaufe  der  Winterisothermen  schon 
viel  besser  übereinstimmt.  Freilich  können  weder  die  Isobaren 
noch  die  Isothermen  so  einfache  Kurven  sein,  wie  unsere 
Rechnung  sie  gibt. 


Theorie  der  synoptischen  Luitdruckanderungen.  839 

Zur  Berechnung  der  Größe  ß  wollen  wir  nun  in  Anlehnung 
an  die  Jänner-Isobarenkarte  der  Erde  annehmen,  daß  auf  dem 
Breitenkreise  von  60**  die  ganze  Schwankung  des  Luftdruckes 
zwischen  dem  Minimum  an  der  Westküste  und  dem  Maximum 
an  der  Ostküste  des  Kontinents  20  mm  betrage.  Es  wird  also 

—2  .  -;^  cos  60(cos  60— cos  30)  =  20  mm 

gesetzt.  Daraus  berechnet  sich  mit  Verwendung  des  Wertes 
von  a  die  Größe  ß  =  3*7. 10~*  und  daraus  mit  Benützung  von 
T=  260,  p  =  760  im  Durchschnitte  die  Größe  5  =  5  •  26 ,  10"^ 
sie  ist  ausgedrückt  in  Kilogrammkalorien  pro  Sekunde. 

Um  eine  Vorstellung  von  der  so  errechneten  Größenord- 
nung der  zugeführten  Wärme  zu  bekommen,  wollen  wir  an- 
nehmen, daß  an  dem  Orte  X  =  0  und  f  =z  60®  dieselbe  Luft- 
masse einen  Tag  lang  der  Wärmeentziehung  durch  den  Kon- 
tinent ausgesetzt  wäre,  wollen  also  in  der  Wärmegleichung,  da 
sie  ftier  nur  für  einen  Ort  verwendet  wird,  statt  der  totalen 
Diflferentialquotienten  nach  der  Zeit  die  partiellen  schreiben, 

ip  iT  ipH 

durch  -^--  ersetzen  und,  da     1^,     zu  0,  schreiben: 


8/     8/  '  U 

dQ_  _  CpT^AgH  ^  =5cos60(cos60-cos30). 
dt  T  Tit 

Daraus  ergibt  sich 

=  — 3*41 .  10"**  Grade  pro  Sekunde 

8f 


8/ 
oder 

8r 


8/ 


=:  — 2-9  Grade  pro  Tag. 


Um  diesen  Betrag  wird  also  die  Mitteltemperatur  einer 
Luftsäule  von  5000  m  Höhe  in  24  Stunden  abnehmen  infolge 
des  abkühlenden  Einflusses  der  Mitte  des  Kontinents  in  60"* 
Breite.  Es  wurde  hier  als  Beispiel  fast  das  Maximum  jener 
Wirkung  berechnet,  da  wir  dasselbe  oben  bei  zirka  65*  Breite 
fanden.  In  der  Mitte  eines  Meeres  wird  infolge  der  Symmetrie, 


840  F.  M.  Exner, 

die  unsere  Gleichung  ausdrückt,  die  Mittel temperatur  der  Luft 
um  den  gleichen  Betrag  zunehmen.  Der  Luftdruck  an  der  Erd- 
oberfläche würde  über  dem  Kontinent  durch  jene  Abkühlung 
um  etwa  5  mm  zunehmen,  wie  eine  kurze  Rechnung  lehrt.  Da 
sich  .die  Schätzung  auf  den  Zeitraum  von  24  Stunden  bezieht, 
dürfte  die  Größenordnung  keine  unmögliche  sein  und  folglich 
auch  die  Konstante  B  keinen  unwahrscheinlichen  Wert  haben. 


Auf  diese  Weise  sind  die  Konstanten  a  und  ß  der  Diffe- 
rentialgleichung (7)  für  die  schematischen  Voraussetzungen 
unseres  Weltkörpers  bestimmt.  Zu  den  Integralgleichungen  für 
den  Druck  als  Funktion  der  Zeit  zurückkehrend,  welche  für  die 
beiden  Beispiele  von  Anfangsverteilungen  gelten,  läßt  sich  also 
sagen,  daß  die  Wirkung  von  Land  und  Wasser  darin  besteht, 
daß  der  Druck  nördlich  vom  30.  Breitengrade  über  Land  steigt, 
über  Wasser  fällt,  daß  aber  diese  Druckzunahme,  beziehwngs- 
weise  -abnähme  um  einen  Mittelwert  oszilliert,  d.  h.  der  Druck- 
unterschied zwischen  Land  und  Wasser  in  einer  gewissen 
Breite  ist  zu  Anfang  der  Schwingungsdauer  Null,  wird  dann 

1 
nach  —  T  eine  positive  Größe,  die  dem  Mittelwert  entspricht, 

r 
steigt  weiter,  bis  er  zur  Zeit  —  ein  Maximum  erreicht,    sinkt 

^  3 

dann  wieder  zum  Mittelwert,  den   er  nach  —  x  erreicht,  und 

sinkt  schließlich  weiter  bis  Null,  um  dann  eine  neue  Schwin. 
gung  zu  beginnen.  Dieser  Vorgang  findet  auch  statt,  wenn  zu 
Anfang  der  Zeit  der  Druck  überall  derselbe  war  (erste  Anfangs- 
verteilung). Wir  haben  also  hier  eine  Welle,  die  wir,  da  sie  rein 
thermischen  Ursprungs  ist,  als  »thermische  Welle«  bezeichnen 
können. 

Dritte  Anfangsverteilung.  Als  ein  drittes  Beispiel  von 
Anfangsverteilung  wollen  wir  den  Mittelwert  der  Druckvertei- 
lung ^  des  zweiten  Beispiels  einführen,  also  setzen: 

ß 
Pq  ==  ^  +  ^cos  2'f ^^— cos  <p(cos  tp — cos  30)  sin2X. 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  84 1 

Führt  man  die  Integration  für  diese  Anfangsbedingung 
durch,  so  heben  sich  die  Glieder,  welche  die  Zeit  enthalten, 
weg,  und  es  bleibt  der  Druck  pznp^,  die  Anfangsverteilung 
bleibt  erhalten,  sie  ist  ein  Gleichgewichtszustand-  Jener  Mittel- 
wert p,  der  den  Isobaren  im  Monatsmittel  entspricht,  ist  also 
ein  Zustaad,  in  welchem  sich  der  Wechsel  ungleich  temperierter 
Luft  und  die  Zu-  oder  Abfuhr  von  Wärme  das  Gleichgewicht 
halten.  Strömt  z.  B.  an  einem  Orte  kalte  Luft  an  die  Stelle  von 
warmer,  so  steigt  der  Luftdruck  trotzdem  nicht,  weil  zugleich 
der  kalten  Luft  gerade  genug  Wärme  zugeführt  wird,  um  die 
Temperaturerniedrigung  wieder  auszugleichen. 

Wie  schon  anfangs  erwähnt,  wurde  im  ersten  Teile  dieser 
Arbeit  für  die  Bedingung  adiabatischer  Bewegung  die  Regel 
abgeleitet,  daß  der  Druck  stets  steigen  oder  fallen  müsse,  wo 
zwei  Isobaren  und  zwei  Isothermen  miteinander  eine  Fläche 
einschließen,  d.  h.  wo  sich  die  beiden  Kurvensysteme  schneiden. 
Wenn  diese  Regel  auch  im  allgemeinen  für  die  täglichen  Druck- 
schwankungen das  richtige  Vorzeichen  ergab,  so  stimmte  sie 
doch  nicht,  wenn  man  sie  auf  die  Monatsmittel  von  Druck-  und 
Temperaturkarten  anwandte.  Denn  da  geben  z.  B.  am  Atlan- 
tischen Ozean  die. gegen  die  Westküste  Europas  ansteigenden 
Isothermen  mit  den  daselbst  nach  Süden  ausgebogenen  Iso- 
baren des  isländischen  Minimums  ganz  bedeutende  Schnitt- 
flächen und  doch  ist  keine  Rede  davon,  daß  sich  jenes  Minimum 
nach  Osten  bewegt,  wie  danach  zu  erwarten  wäre. 

Jene  Isobaren  und  Isothermen  repräsentieren  eben  nach 
dem  nunmehr  gefundenen  Resultat  infolge  der  Zufuhr  von 
Wärme  einen  Gleichgewichtszustand,  obwohl  die  Schnittflächen 
vorhanden  sind. 

Dasselbe  gilt  auch  für  die  aus  unserer  Rechnung  hervor- 
gehenden mittleren  Druck-  und  Temperaturkurven.  Es  wäre 
vielleicht  umgekehrt  möglich,  gerade  aus  der  Größe  der  Schnitt- 
flächen und  der  hienach  zu  erwartenden  Druckänderung  und 
der  Tatsache  des  Gleichgewichtes  einen  Schluß  auf  die  Zu- 
und  Abfuhr  der  Wärme  zu  ziehen,  wie  sie  an  den  einzelnen 
Punkten  unserer  Erde  in  den  verschiedenen  Monaten  auftreten 
muß. 


842  F.  M.  Exner, 

dO 

Genau  genommen  wird  allerdings  die  Größe  —rr-  auch 

zur  Zeit  eines  gewissen  Sonnenstandes  nicht  stets  dieselbe  sein, 
sondern  von  Bewölkung,  Niederschlag,  wohl  auch  den  voraus- 
gegangenen Witterungszuständen  abhängen,  sofern  nicht  die 
Sonnenstrahlung  selbst  bedeutenderen  Schwankungen  unter- 
liegt. Ein  Studium  der  Menge  der  zu-  und  abgeführten  Wärme 
wäre  also  jedenfalls  auch  für  die  Kenntnis  der  Luftbewegungen 
sehr  wichtig. 

Wir  erhielten  aus  den  beiden  ersten  Anfangsverteilungen 
keine  abgeschlossenen  Zentren  hohen  oder  tiefen  Druckes,  wie 
sie  doch  die  Wetterkarten  täglich  zeigen.  Es  dürfte  dies  wahr- 
scheinlich daher  rühren,  daß  die  Entstehung  dieser  Gebilde  an 
ziemlich  lokale  Erwärmungs-  und  Abkühlungsgebiete  gebunden 
ist,  die  auf  unserer  Erde  durch  die  komplizierte  Struktur  der 
Festländer  und  Meere  häufig  gegeben  sind.  Ich  erinnere  nur  an 
die  Entstehung  von  Depressionen  im  Mittelmeer  oder  die  Aus- 
bildung solcher  im  Süden  unserer  Alpen  aus  Föhnsituationen. 
Es  läßt  sich  aber  untersuchen,  wie  einmal  gegebene  Maxima 
und  Minima  sich  unter  dem  Einflüsse  der  Wärmezufuhr  durch 
die  großen  Meere  und  Kontinente  verhalten,  wobei  natürlich 
die  Wirkungen  lokaler  Wärmezufuhrsgebiete  der  oberwähnten 
Art  unberücksichtigt  bleiben.  Wir  haben  eben  eine  sehr  ein- 
fache Verteilung  der  Wärmezufuhr  vorausgesetzt. 

Vierte  Anfangsverteilung.  Wir  wollen  daher  die  Diffe- 
rentialgleichung (7)  noch  unter  der  Annahme  einer  Anfangs- 
verteilung integrieren,  welche  Depressionen  und  Antizyklonen 
enthält.  Eine  solche  möglichst  einfache  Anfangsverteilung  ist 
z.  B.  gegeben  durch : 

Pq  =:  a+b  cos  2^+(;  sin  2^  cos  «X. 

Hier  bedeuten  die  ersten  Glieder  rechts  wie  früher  eine 
Abnahme  des  Druckes  gegen  den  Pol;  dazu  kommt  das  dritte 
Glied,  welches  eine  Reihe  von  Hoch-  und  Tiefdruckgebieten 
ausdrückt,  die  ihr  Zentrum  alle  auf  dem  45.  Breitengrade  haben; 
die  Amplitude  dieser  Cosinus  welle  ist  ^.sin  2^,  wird  also  am 
Äquator  und  Pol  zu  Null.  Die  Zahl  n  ist  voriäufig  allgemein  die 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  843 

Zahl  der  Hochdruck-  oder  Niederdruckgebiete,  die,  in  gleicher 
Anzahl  vorhanden,  abwechselnd  auf  dem  ganzen  Umfange  des 
Weltkörpers,  und  zwar  mit  den  Zentren  auf  dem  45.  Breiten- 
grad angeordnet  sind.  Die  Verteilung  wird  noch  allgemeiner, 
wenn  man  statt  cosnX  schreibt:  cos««(X+4»),  wo  ^  eine  kon- 
stante Phasenverschiebung  bedeutet. 

Die  Integration  der  Gleichung  (7)  unter  dieser  Anfangs- 
bedingung gibt: 

p  •=!  a+b  cos  2fp+c  sin  2^  cos  w(X+^— a/)  — 

—  1-^^il  (cos  »—cos  30)[sin  2X— sin  2(X— o/)] .        (8) 

« 

Dieser  Ausdruck  für  den  Druck  p  enthält  zwei  Wellen, 
welche  sich  mit  der  Zeit  nach  Osten  bewegen,  eine  Welle,  die 
eine  Fortbewegung  der  Anfangsverteilung  bezeichnet  und  die 
schon  oben  gefundene  thermische  Welle,  durch  ganz  denselben 
Ausdruck  gegeben,  der  oben  gefunden  wurde.  Die  Schwingungs- 
dauer der  ersten  beträgt  t^  =:  ,  die  der  zweiten  (wie  oben 

Hl 

schon)  Tg  =:  —  Ist  n  =  2,  d.  h.  sind  auf  dem  ganzen  Umfange 

des  Weltkörpers  zu  Anfang  nur  zwei  Depressionen  und  zwei 
Maxima  vorhanden,  so  ist  t^  =:  tg,  die  Schwingungsdauer  der 
Gesamtwelle  p  also  die  gleiche.  Hat  n  aber  einen  beliebigen 
anderen  Wert  (natürlich  muß  es  eine  ganze  Zahl  sein),  so  ist 
die  Schwingungsdauer  der  Gesamtwelle  offenbar  das  kleinste 
gemeinschaftliche  Vielfache  von  t^  und  tg,  kann  daher  zu 
anderer  Größe  anwachsen.  In  jedem  Falle  kann  man  sich  den 
Ausdruck  über  diese  gesamte  Schwingungsdauer  t  integriert 
denken  und  den  Mittelwert  des  Luftdruckes  für  dieselbe  bilden; 
derselbe  ist  dann  gegeben  durch: 

p=z  a+b  cos  2fp — -^-cos  9  (cos  9  — cos  30)  sin  2X. 

Der  mittlere  Druck  ist  also  genau  derselbe,  wie  er  bei  der 
vorher  gewählten  einfacheren  zweiten  Anfangsverteilung  war, 
die  Hoch-  und  Tiefdruckgebiete,  die  superponiert  wurden,  haben 


844  F.  M.  Exner, 

auf  denselben  keinen  Einfluß,  weswegen  ein  Vergleich  des- 
selben mit  dem  tatsächlich  aufder  Erde  bestehenden  berechtigter 
erscheint  als  bisher. 

Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  ersten  Welle  ist 
wieder  a,  also  dieselbe,  wie  die  der  zweiten  »thermischen 
Welle*. 

Um  in  obiger  Gleichung  (8)  das  c  kennen  zu  lernen,  wurde 
angenommen,  daß  in  der  Anfangsverteilung  die  Zentren  der 
Maxima  und  Minima  einen  um  20  mm  verschiedenen  Druck 
(in  45*"  Breite)  haben;  daraus  folgt  cz=  10  mm. 


Es  wäre  nun  am  angenehmsten,  die  Gleichung  (8)  in  der 
Art  zu  verwenden,  daß  man  z.  B.  die  Bahnen  der  Maxima  und 
Minima  berechnet.  Hiezu  wäre 

^P       ^       ^P      ^Q 


8cp  8X. 

zu  setzen,  aus  den  beiden  Gleichungen  die  Zeit  zu  eliminieren 
und  so  die  Gleichung  jener  Bahn  aufzustellen.  Man  kommt 
hiebei  aber  auf  einen  Ausdruck  vierten  Grades,  weshalb  dies 
unterlassen  wurde. 

Wenn  nicht  mathematische  Schwierigkeiten  da  wären, 
könnten  aus  diesen  beiden  Gleichungen  auch  die  Geschwindig- 
keiten der  Maxima  und  Minima  berechnet  werden. 

So  aber  mußte  ich  mich  darauf  beschränken,  die  Gleichung 
für  p  für  einen  Ort  zu  verschiedenen  Zeiten  und  für  ver- 
schiedene Orte  zu  einer  Zeit  auszuwerten,  also  das  zu  berechnen, 
was  man  sonst  als  Barographenkurven  und  Wetterkarten  be- 
zeichnet. 

Hiezu  muß  eine  Wahl  über  die  Größe  n  getroffen  werden. 

(Erstes  Beispiel.)  Ist  «  nr  2,  so  ergibt  sich  p  als  eine 

iz 
Welle  von  der  Schwingungsdauer  tg  =  — ,  die  schon  oben  zu 

1 1  Tagen  berechnet  wurde.  Die  beiden  Einzelwellen  von  Sinus- 
form setzen  sich  zu  einer  neuen  von  der  gleichen  Form  zu- 
sammen. Wir  erhalten  daher  für  den  Druck  an  einem  Ort  eine 
einfache  Sinuswelle  mit  der  Zeit. 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  845 

(Zweites  Beispiel.)  Für  w  =  4  bleibt  die  Schwingungs- 
dauer der  Gesamtwelle  die  gleiche,  die  Kurve  ist  keine  Sinus- 
welle mehr,  sondern  eine  ziemlich  einfache  Kurve  mit  zwei 
Maximis  und  Minimis.  Je  nach  der  angenommenen  Phasen- 
verschiebung 4>  hat  sie  verschiedene  Gestalt.  Ein  Beispiel  für 
ihren  Verlauf  zeigt  die  Fig.  1,  p.  847;  dabei  wurde  gesetzt: 

«  =  4,     ^)  =:  15,     9  =  50.     X  =  0. 

Von  der  für  einen  Ort  konstanten  Größe  a+b  cos  2(f  ist 
abgesehen  und  nur  die  Schwankung  des  Luftdruckes  dar- 
gestellt worden. 

(Drittes  Beispiel).  Für  «  z=  3  wird  die  Kurve  schon  viel 

komplizierter.  Hier  ist  t,  =:  -^-^,  tg  wie  früher  =.  —    Die  ge- 

oOL  CK, 

meinsame  Schwingungsdauer  der  ganzen  Druckwelle  als  das 
kleinste  gemeinschaftliche  Vielfache  der  beiden  Teilwellen  ist 

somit  T  =r  ;  in  diese  Zeit  fallen  drei  ganze  Wellen  der 

a 

ersten,    zwei  ganze   der  letzten  Art.   Die  Schwingungsdauer 

beträgt  also  in  diesem  Falle  22  Tage.  Ein  Beispiel  für  diese 

Schwankung  ist  in  Fig.  2  dargestellt;  hier  wurde  gesetzt: 

w  =:  3,     ^  =  0,     ^f  =  50,     X  ==  0. 

An  demselben  Orte  der  Erde  wie  beim  obigen  Beispiel,  unter 

50"*  Breite  in  der  Mitte  des  einen  Kontinents,  zieht  daher  eine 

Luftdruckwelle  von  der  angegebenen  Gestalt  hinweg.   In  dem 

einen  Falle  wiederholt  sich  die  Kurve  nach  1 1  Tagen,  in  dem 

anderen  nach  22  Tagen. 

(Viertes  Beispiel.)  Da  «  eine  ganze  Zahl  bleibt,  so  ist 

die  Schwingungsdauer  für  jede  andere  Annahme  von  n  immer 

2r 

—  =  22  Tage,  solange  für  die  Anfangsverteilung  die  Form 

cos«(X-4-^ — at)  gewählt  wird.  So  erhält  man  für  5  Zyklonen 
und  Antizyklonen  in  der  Anfangslage  eine  Barographenkurve, 
wie  sie  die  Fig.  3  darstellt;  hiebei  wurde  gesetzt: 

M  =  5,     (J>  =  20,     f  =  50,     X  =:  0. 


846  F.  M.  Exner, 

Zeichnet  man  aus  den  täglichen  Wetterberichten  für 
ein  Wintermonat  den  Gang  des  Luftdruckes  einer  Station  im 
Innern  Nordamerikas  auf,  so  erhält  man  leicht  ähnliche  Kurven, 
wie  die  von  Fig.  3,  wobei  allerdings  der  große  Unterschied 
besteht,  daß  sich  dieselben  in  Wirklichkeit  nach  einem  be- 
stimmten Zeiträume  nicht  wiederholen,  wie  dies  hier  der  Fall 
sein  sollte.  Es  ist  aber  klar,  daß  man  für  etwas  kompliziertere 
Annahmen  über  die  Wärmezu-  und  -abfuhr  sowie  über  die 
Anfangsverteilung,  wie  sie  hier  gemacht  wurden,  leicht  sehr 
unregelmäßige  Barographenkurven  mit  langer  Schwingungs- 
dauer der  Gesamtwelle  erhalten  würde;  wenn  sich  dann  während 
des  Ablaufes  einer  Periode  die  Jahreszeit  ändert  und  mit  ihr 

dO 

die  Zu-  und  Abfuhr  von  Wärme  — ^ ,  so  kann  auch  die  Periode 

dt 

sich  nicht  wiederholen  und  die  Kurve  wird  unperiodisch  und 
vollkommen  unregelmäßig.  Der  Zweck  dieser  Kurvendarstellung 
konnte  also  nur  der  sein,  die  äußere  Ähnlichkeit  zwischen  den 
Resultaten  der  Rechnung  und  der  Beobachtung  zu  zeigen,  ohne 
irgend  welchen  Anspruch  darauf  zu  machen,  den  wirklichen 
Gang  des  Luftdruckes  durch  solche  einfache  Funktionen  dar- 
zustellen. 

(Fünfte  Anfangsverteilung.)  Um  noch  einen  Begriff 
von  den  aus  der  Superposition  der  Anfangswelle  und  der  ther- 
mischen Welle  entstehenden  Druckverteilungen  nach  gewisser 
Zeit  über  der  Oberfläche  unseres  Weltkörpers  zu  bekommen, 
wurden  einige  Wetterkarten  berechnet.  Die  bisher  angenommene 
Anfangsverteilung  wurde  hiezu  ein  wenig  abgeändert;  sie 
wurde  gesetzt: 

Pq  =:  a-hb  cos  2tf—c  cos  3^  cos  «(X-4-^). 

Tritt  nämlich  — ^cos3^  an  Stelle  von  crsin2cp,  so  er- 
strecken sich  die  Druckdifferenzen  der  Maxima  und  Minima 
nicht  so  weit  zum  Äquator,  sondern  verschwinden  schon  bei 
30**.  Da  es  sich  hier  stets  nur  um  Breiten  handelt,  die  dem 
Äquator  nicht  zu  nahe  liegen,  so  spielt  die  Verteilung,  welche 
durch  diesen  Ansatz  in  Breiten  unter  30**  zu  Anfang  herrschen 
würde,   keine  Rolle   und    wurde   nicht  weiter  berücksichtigt. 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen. 


847 


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Sitzb.  d.  math CID.- natu rw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa. 


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56 


848  F.  M.  Exner, 

Die  Zentren  des  tiefen,  beziehungsweise  hohen  Druckes  der 
Anfangsverteilung  liegen  jetzt  bei  60"  (für  das  Glied  c  cos  3^» 
•  cos  «(X +<[))),  am  Pole  verschwinden  die  Unterschiede.  Über 
diese  Verteilung  ist  noch  die  Abnahme  des  Druckes  gegen 
den  Pol  a-^b  cos  2?p  gelagert.  Wir  wollen  a  =  755  mm, 
b  =  10  mm,  c  -=.  10  mm  und  ^p  =:  0  setzen  und  damit  zunächst 
die  Anfangsverteilung  darstellen  (Tafel  1).  Die  Wetterkarte 
zeigt  die  angenommene  Anfangsdruckverteilung  für  den  Fall, 
daß  drei  Minima  und  drei  Maxima  vorhanden  sind,  also  für 
n  -=.  3.  Sie  stellt  in  Merkatorprojektion  unseren  Weltkörper  von 
30  bis  90**  nördlicher  Breite  dar.  Wie  bisher  werden  auf  dem- 
selben zwei  Kontinente  und  zwei  Meere  angenommen;  das 
Gebiet  der  letzteren  ist  auf  der  Karte  mit  Wellenlinien  bedeckt. 
Die  Veränderung  der  Druckverteilung  wird  berechnet  aus 
der  Integralgleichung 

p  =:  a+b  cos  2?p — c  cos  3tp  cos3(X — cä)  — 

P  cos  9  (cos  fp — cos  30) 


2a 


[sin2X-sin2(X— a/)]. 


Setzt   man    z.  B.   a/  =  45**,   so   erhält   man   die   Druck- 

t 
Verteilung  nach  der  Zeit  — ,   oder,   da  t  =  22   Tage,    nach 

o 

2  •  75  Tagen.  Das  Resultat  dieser  Rechnung  ist  in  Tafel  2  dar- 
gestellt. Es  zeigt  sich,  daß  statt  der  drei  Maxima  und  drei  Minima 
eigentlich  jetzt  nur  mehr  zwei  vorhanden  sind.  Das  östliche 
Minimum  hat  im  Westen  eine  Isobarenausbuchtung,  die  das 
dritte  verkümmerte  Minimum  nachweist.  Auch  das  zwischen 
den  beiden  anfangs  gelegene  Maximum  ist  verschwunden.  Hin- 
gegen hat  sich  das  westliche  Minimum  vertieft,  die  beiden 
Maxima  sich  erhöht,  in  ungleicher  Weise. 

Ferner  fanden  wir  für  die  Geschwindigkeit  der  Bewegung 
der  Anfangsverteilung  im  früheren  a  =:  3*3. 10~*/sec~^  im 
Winkelmaß  oder  im  gleichen  Maß  pro  Tag  0*285,  was  gleich 
ist  16 '4  Längengraden.  Dies  gibt  in  2  75  Tagen  den  Weg  von 
45 '1  Längengraden.  Aus  dem  Vergleiche  der  Tafeln  1  und  2 
sieht  man,  daß  in  dieser  Zeit  das  mit  I  bezeichnete  Minimum 
tatsächlich  etwa  den  Weg  von  50*  zurückgelegt  hat,  das  mit  III 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  849 

bezeichnete  einen  solchen  von  nur  20**.  Die  Geschwindig- 
keit der  Bewegung  der  Depressionen,  welche  45  Längengrade 
betragen  sollte,  wird  also  durch  die  thermische  Welle  sehr  ver- 
ändert. Nebstbei  hat  das  Minimum  I  sowie  die  Maxima  westlich 
und  östlich  davon  auch  eine  von  der  Ost— West-Richtung  ab- 
weichende Bewegung  eingeschlagen.  Das  Minimum  ist  etwas 
gegen  Süden  gezogen,  die  Maxima  gegen  Norden.  Wir  beob- 
achten also  sowohl  eine  Intensitätsänderung  als  eine  Änderung 
der  Geschwindigkeit  und  Zugrichtung  der  Gebiete  hohen  und 
tiefen  Dmckes. 


Bei  der  Willkürlichkeit  in  der  Wahl  der  Bedingungen  wird 
von  einer  weiteren  Darstellung  des  Verlaufes  der  Druckver- 
teilung abgesehen,  da  dies  eine  Beispiel  genügen  dürfte,  um  zu 
zeigen,  wie  einfache  Voraussetzungen  schon  so  komplizierte 
Veränderungen  im  Gefolge  haben.  Es  muß  aber  noch  darauf 
hingewiesen  werden,  daß  der  Einfluß  von  Wasser  und  Kon- 
tinent nicht  bloß  darin  besteht,  den  Druck  zu  erniedrigen, 
beziehungsweise  zu  erhöhen,  sondern  daß  es  ganz  darauf  an- 
kommt, mit  welcher  Phasenverschiebung  die  thermische  Welle 
und  die  Druckwelle  der  Anfangsverteilung  aufeinandertrefifen. 
Zur  Zeit  Null  ist  die  thermische  Welle  ausgeglichen.  Dann 
beginnt  der  Druck  über  dem  Kontinent  zu  steigen,  hiedurch 
wird  z.  B.  das  Minimum  III  an  der  Westküste  des  einen  Kon- 
tinents in  seiner  Bewegung  gebremst  und  bewegt  sich  in  der 

Zeit  —  eben  nur  um  etwa  20  Längengrade  statt  um  45.  Würde 

o 

das  Minimum  an  der  Westküste  zu  einer  anderen  Phase  der 

thermischen  Welle  auftrefifen,  etwa,  wenn  auf  dem  Kontinent 

der  Druck  durch  sie  zu  fallen  beginnt,  so  würde  die  Bewegung 

des  Minimums  beschleunigt  werden  können.  Die  Depression  II, 

zu  Anfang  am  Kontinente,  wird  durch  Wärmeentziehung  fast 

ausgeglichen;  es  bleibt  nur  eine  Isobarenausbuchtung  zurück; 

am  Meere  wird  sie  sich  wieder  ausbilden,  wie  eine  Berechnung 

t 
für  den  Zeitpunkt  —  zeigt. 

56* 


850  F.  M.  Exner, 

Auf  Tafel  3  wurde  noch  die  Verteilung  des  mittleren  oder 
normalen  Luftdruckes  p  für  den  Verlauf  einer  Periode  dar- 
gestellt, wie  sie  sich  aus  der  oben  angeführten  Integralgleichung 
mit  den  gewählten  Konstanten  ergibt.  Die  Lage  der  Minima  an 
der  Ostgrenze  der  Meere,  der  Maxima  an  der  Ostgrenze  der 
Kontinente  stimmt  mit  der  Erfahrung,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  nicht  überein.  In  Wirklichkeit  liegen  dieselben  um 
weniger  als  die  halbe  Breite  des  Meeres  verschoben  von  der 
Mittellinie  der  Meere  und  Kontinente  entfernt  Natürlich  wird 
hier  die  spezielle  Gestaltung  der  Küsten  von  Einfluß  sein;  doch 
kommt  auch  bei  einer  bloßen  Berechnung  dieser  Lagen,  wie  sie 
hier  versucht  wurde,  die  Voraussetzung,  die  über  die  zugeführte 
Wärme  gemacht  wird,  sehr  in  Betracht. 

Man  könnte  z.  B.  diese  Annahme,  wie  schon  oben  ange- 
deutet, auch  so  formulieren,  daß  die  Wärmezufuhr  dem  Unter- 
schiede der  normalen  Oberflächentemperatur  d  des  Weltkörpers 
und  der  jeweiligen  Lufttemperatur  proportional  gesetzt  wird, 
also 

wobei 


wenn  8  die  Temperaturabnahme  nach  oben  bezeichnet.  Auf 
diese  Weise  erhält  man  durch  Integration  eine  Verschiebung 
des  normalen  Druckes  im  obigen  Sinne,  die  nicht  gerade  die 
halbe  Breite  eines  Meeres  beträgt,  sondern  von  der  Konstanten  a 
abhängig  ist. 

Das  hauptsächliche  Resultat  dieser  Annahmen  und  Rech- 
nungen ist  der  Nachweis,  daß  sich  aus  denselben  die  Entwick- 
lung zweier  Druckwellen  von  ungleicher  Periode  und  Phase 
ergibt,  deren  Übereinanderlagerung  recht  komplizierte  und 
langperiodische  Schwingungen  des  Luftdruckes  hervorrufen 
kann.  Hiebei  ist  die  »thermische«  Welle  etwas  Primäres,  die 
angenommene  Anfangsverteilung,  die  sich  nach  Osten  ver- 
schiebt, etwas  mehr  Sekundäres. 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  85 1 

Die  Entstehung  der  Luftdruckgebilde,  die  in  die  Anfangs- 
verteilung einzusetzen  sind,  ist  vielleicht,  wie  schon  oben 
gesagt,  auf  unserer  Erde  durch  recht  geringfügige  Details  in 
der  Verteilung  von  Wasser  und  Land  gegeben.  Die  thermische 
Welle  auf  unserer  Erde  wird  dagegen  wesentlich  von  der  Land- 
und  Wasserverteilung  in  großen  Zügen  abhängen,  weswegen 
es  vielleicht  bei  genauerer  Kenntnis  der  zu  verschiedenen 
Zeiten  und  an  verschiedenen  Orten  zugeführten  Wärmemenge 
möglich  sein  wird,  diese  Druckwelle,  wenigstens  in  ihrem 
Wesen,  auch  für  unsere  Erde  zu  berechnen.  Mit  einer  Kenntnis 
derselben  wird  man  dann  an  eine  gegebene  Anfangsverteilung 
herantreten  können,  die  wirklich  beobachtet  wurde,  und  die 
Veränderungen,  welche  sie  erleidet,  auswerten  können. 

Es  ist  bisher  kein  Nachweis  erbracht  worden,  daß  eine 
derartige  thermische  Welle  wirklich  existiert.  Sie  müßte  unter 
dem  Kriterium  gesucht  werden,  daß  zu  einer  bestimmten 
Jahreszeit  und  an  einem  Ort  eine  periodische  Druckschwankung 
von  mehrtägiger  Dauer  aus  dem  Gange  des  Barometers  ent- 
nommen werden  kann.  Nach  Abzug  dieser  Druckschwankung 
müßte  eine  andere  Welle  übrig  bleiben,  welche  sich  gegen 
Osten  verschiebt;  letzteres  wäre  nachzuweisen,  indem  derselbe 
Vorgang  für  einen  anderen  Ort  im  Osten  des  ersteren  ein- 
geschlagen würde.  Hier  müßte  gleichfalls  die  thermische  Welle, 
vielleicht  von  anderer  Periode,  berechnet  und  aus  der  Druck- 
kurve eliminiert  werden;  das  Übrigbleibende  müßte  dann  jene 
Welle  vom  westlich  gelegenen  Orte  mit  einer  gewissen  Phasen- 
verschiebung sein.  Daß  es  bei  der  Struktur  unserer  Erde  mög- 
lich ist,  daß  die  thermische  Welle  in  jeder  Breite  eine  andere 
Periodenlänge  hat,  ist  wohl  klar;  sie  kann  vielleicht  als  Summe 
mehrerer  Sinuswellen  dargestellt  werden.  Eine  derartige  Unter- 
suchung wurde  hier  nicht  durchgeführt.  Sie  könnte  aber  unter 
Abwägung  der  wahren  und  nur  scheinbaren  Wellenlängen 
vielleicht  gemacht  werden,  wenn  versucht  würde,  die  Baro- 
graphenkurve durch  eine  Fourier'sche  Reihe  darzustellen.  Eine 

dO 

mehr  physikalische  Methode  wäre  es,  die  Größe  von  -^  durch 

at 

Messungen   zu  bestimmen,   wobei    freilich    die  Schwierigkeit 

darin  besteht,  stets  die  Temperatur  derselben  Luftmenge  zu 


852  F.  M.  Exner, 

messen.  Diese  Untersuchung  wäre  wohl  auch  abgesehen 
von  der  weiteren  Rechnung  sehr  nützlich,  da  die  Anwendung 
unserer  Differentialgleichung  (5)  dann  auch  ohne  Integration 
schon  praktische  Verwendbarkeit  hätte. 

Eine  kleine  Andeutung  für  die  Realität  der  errechneten 
thermischen  Welle  scheint  wenigstens  in  einem  Falle  vorhanden 
zu  sein.  Die  Depressionen,  welche  vom  Stillen  Ozean  im  Winter 
gegen  den  nordamerikanischen  Kontinent  ziehen,  bleiben  ein- 
mal an  der  Westküste  zuweilen  ein  paar  Tage  lang  stehen,  ehe 
sie  auf  den  Kontinent  wandern,  ein  anderes  Mal  bewegen  sie 
sich,  scheinbar  ohne  Widerstand  zu  finden,  über  die  Küste  weg. 
Dieser  Vorgang  erinnert  geradezu  an  das  oben  besprochene  Bei 
spiel  auf  Tafel  2.  Die  zuweilen  beobachtete  Rückläufigkeit  von  De- 
pressionen kann  auch  in  der  thermischen  Welle  begründet  sein. 

Ein  schmälerer  Kontinent  und  ein  schmäleres  Meer  ver- 
ursachen eine  Verkleinerung  der  Länge  unserer  thermischen 
Welle,  eine  Verbreiterung  derselben  eine  Vergrößerung.  Auf 
unserer  Erde,  wo  auf  der  Nordhälfte  die  Kontinente  Nord- 
amerika und  Asien  so  verschiedene  Ausdehnung  haben,  wird 
die  thermische  Welle  keine  einfache  Sinusschwingung  mehr 
sein.  Ohne  Rechnung  ist  zu  erwarten,  daß  die  Welle  hier  aus 
einer  kürzeren  und  einer  längeren  Periode  bestehen  wird,  die 
aufeinanderfolgen. 

Was  die  Geschwindigkeit  des  Fortschreitens  der  thermi- 
schen Welle  wie  der  gegebenen  Anfangsverteilung  des  Druckes 
betrifft,  so  ist  der  für  den  Winter  berechnete  Wert  kein  unwahr- 
scheinlicher; vermöge  der  in  der  Formel  für  a  vorkommenden 
Größe  7,  der  Druckabnahme  gegen  den  Pol  in  der  Höhe  i/i 
ergibt  sich  leicht,  daß  die  Geschwindigkeit  im  Winter  am 
größten,  im  Sommer  am  kleinsten  ist,  da  die  Temperaturdiffe- 
renzen zwischen  Äquator  und  Pol  denselben  Gang  haben;  dies 
stimmt  mit  der  Erfahrung  überein. 

Der  ganzen  schematischen  Rechnung  wird  man  daher  eine 
gewisse  Berechtigung  nicht  absprechen  können.  Auch  ist  die 
Bedeutung  der  Wärmezu-  und  -abfuhr  für  die  Bewegung  der 
Luft  nicht  zu  leugnen.  Da  man  aber  bisher  über  diese  Größen 
wenig  oder  nichts  weiß,  so  ist  die  Prüfung  der  Rechnungs- 
ergebnisse nicht  recht  möglich. 


Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen.  853 

Die  allgemeine  Vorstellung,  welche  aus  dieser  Unter- 
suchung gewonnen  wurde,  ist  also  folgende:  Die  Luftdruck- 
gebilde (Maxima,  Minima  und  alle  Zwischenstadien)  bewegen 
sich  ursprünglich  mit  einer  ziemlich  konstanten  Geschwindig- 
keit von  Westen  nach  Osten,  die  aber  von  der  Jahreszeit 
abhängt.  Sie  werden  modifiziert  durch  den  erwärmenden,  be- 
ziehungsweise abkühlenden  Einfluß  der  Meere  und  Kontinente 
auf  die  über  sie  hinstreichenden  Luftmassen.  Durch  diesen  Ein- 
fluß wird  die  mittlere  Druck-  und  Temperaturverteilung  über 
Wasser  und  Land  rechnerisch  in  ziemlich  ausreichender  Weise 
erklärt,  was  die  Größenordnungen  betrifft.  Die  Meere  und  Kon- 
tinente führen  der  Luft  zwar  zu  einer  Jahreszeit  stets  ungefähr 
gleiche  Wärmemengen  zu  (oder  ab),  aber  trotzdem  ist  die  da- 
durch hervorgebrachte  Wirkung  auf  den  Luftdruck  keine  kon- 
stante, sondern  eine  schwankende.  Dies  kommt  daher,  daß  sich 
mit  Änderung  des  Luftdruckes  auch  die  Bewegung  der  Luft- 
massen ändert  und  mithin  die  Temperatur  der  Luft,  welche  im 
Laufe  der  Zeit  über  einen  Ort  hinwegkommt.  Die  Schwankungen 
des  Luftdruckes  nur  unter  dem  Einflüsse  von  Wärmezufuhr 
finden  um  einen  Mittelwert  herum  statt,  der  einen  Gleich- 
gewichtszustand repräsentiert  und  in  den  mittleren  Isobaren- 
karten zum  Ausdrucke  kommt.  Neben  dieser  »thermischen 
Welle«  wird  der  Luftdruck  durch  die  vorhandenen  Luftdruck- 
gebilde bestimmt,  die  von  Westen  nach  Osten  sich  bewegen. 
Der  tatsächliche  Verlauf  des  Luftdruckes  wird  auf  diese  Weise 
aus  der  thermischen  Druckwelle  und  den  von  Westen  her 
sich  verschiebenden  Luftdruckgebilden,  die  sich  durch  peri- 
odische Funktionen  darstellen  lassen,  zusammengesetzt;  die 
Kombination  beider  Wellen  gibt  leicht  komplizierte  Perioden 
von  langer  Schwingungsdauer,  welche  den  Aufzeichnungen  der 
Barographen  analog  sein  sollen.  Die  zu  Anfang  aufgestellte 
Differentialgleichung  (5),  welche  unter  den  sieben  zitierten  An- 
nahmen abgeleitet  wurde,  enthält  den  wesentlichen  Inhalt  des 
oben  Gesagten ;  sie  ist  aber  allgemeiner  als  die  Integralgleichung. 

Die  große  Rolle,  welche  der  »Anfangsverteilung«  hier  zu- 
geschrieben wurde,  wird  sich  in  Wirklichkeit  etwas  anders  dar- 
stellen.  Die  kleineren  Druckgebilde  werden  wohl  wesentlich 
durch  lokale  Wärmezu-  und  -abfuhr  entstehen  und  vergehen. 


854       F.  M.  Exner,  Theorie  der  synoptischen  Lufldruckändeningen. 

d.  h.  die  Funktion  — ^  wird  in  Wahrheit  viel  komplizierter,  auch 

dt 

von  der  Zeit  abhängig  sein.  Dadurch  werden  die  kleineren  Druck- 
gebilde die  ihnen  hier  in  der  Anfangsverteilung  vorgeschriebene 
unbegrenzte  Lebensdauer  verlieren,  und  eine  fortwährende  Um- 
und  Neubildung  derselben  muß  eintreten.  Der  äußerst  einfache 

Ansatz  für  -^#  ist  der  formale  Grund  für  die  unbeschränkte 

dt 

Lebensdauer  der  Maxima  und  Minima  unseres  Beispiels.  Wird 

^,  wie  Oben  angedeutet,  von  der  Zeit  abhängig,  so  können 

neben  der  Dämpfung  der  Perioden  des  Druckes  stets  neue 
Maxima  und  Minima  durch  lokale  Wärme-  und  Kältezentren 
entstehen.  Die  Welle  der  Anfangsverteilung  wird  dann  als 
gedämpfte  Schwingung  bestehen  bleiben  und  daneben  die 
thermische  Welle  eine  weitaus  kompliziertere  Form  annehmen. 
Somit   ist    es   wohl    klar,   daß  eine   Kenntnis  der  Größe 

—^-  in  diesem  Stadium  der  Angelegenheit  das  zu  sein  scheint, 
dt 

was  uns  am  meisten  abgeht.  Wäre  für  irgend  einen  Fall  die 
zugeführte  Wärme  bekannt,  so  ließe  sich  die  Gleichung  (5) 
sofort  prüfen;  nach  wenigen  derartigen  Proben  könnte  dann  der 
umgekehrte  Weg  eingeschlagen  und  diese  Größe  aus  der  beob- 
achteten Druckänderung  und  dem  beobachteten  Gradienten 
mittels  jener  Gleichung  für  jene  Orte  der  Erdoberfläche  bestimmt 
werden,  an  welchen  man  nicht  hoffen  kann,  durch  direkte  Mes- 
sungen eine  Vorstellung  von  der  Wärmezufuhr  und  Abfuhr  zu 
erhalten. 

Es  sei  zum  Schlüsse  nochmals  betont,  daß  die  gegebenen 
Rechnungen  nur  als  Hypothesen  aufgefaßt  werden  sollen,  daß 
insbesondere  eine  Übertragung  der  gefundenen  Resultate  auf 
die  tatsächlichen  Verhältnisse  nur  in  Form  von  Analogien  mög- 
lich ist.  Die  Arbeit  ist  aus  dem  rein  persönlichen  Bedürfnis 
entstanden,  in  dem  Chaos  der  Luftdruckveränderungen  an 
Stelle  keiner  Vorstellung  doch  wenigstens  eine  schematische 
zu  setzen. 


Exner  F.  M.:  Theorie  der  synoptischen  Luftdruckänderungen. 


Tafel  I. 


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Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  der  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt  IIa,  1907. 


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855 


Ober  die  Kältemisehung  aus  kristallisiertem 
Natriumsulfat  und  konzentrierter  Salzsäure 

von 
Lr.  Szydlowski. 

Aus  dem  physikalischen  Institute  der  k.  k.  Universität  Graz. 

(Mit  3  Textfiguren.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  2.  Mai  1907.) 

I.  Vorbemerkungen, 

Die  Kältemischung  aus  Glaubersalz  und  konzentrierter 
Salzsäure  wurde  schon  vor  mehreren  Dezennien^  zur  Er- 
zielung von  tiefen  Temperaturen  verwendet.  Bevor  die  feste 
Kohlensäure  und  die  flüssige  Luft  bekannt  und  allgemein 
zugänglich  waren,  wurde  diese  Kältemischung,  wie  auch 
mehrere  andere,  häufig  benützt,  und  zwar  vorwiegend  von  den 
Chemikern,  da  die  Ausgangsmaterialien  (kristallisiertes  Natrium- 
sulfat und  konzentrierte  Salzsäure)  meistens  bei  der  Hand  und 
in  jeder,  selbst  in  der  heißen  Jahreszeit  gut  haltbar  sind. 

Obwohl  aber  diese  Kältemischung  seit  langer  Zeit  bekannt 
ist,  sind  die  Angaben  über  dieselbe  sehr  mangelhaft,  zum  Teil 
auch,  wie  weiter  unten  dargelegt  wird,  unrichtig.  Das  meist- 
verbreitete Rezept  lautet:  Die  Kältemischung  besteht  aus  acht 
Teilen  Glaubersalz  und  fünf  Teilen  konzentrierter  Salzsäure  und 
erniedrigt  die  Temperatur  von  +12**  auf — 18*. 


^  Von  wem  und  wann  die  Mischung  zuerst  angewendet  wurde,  konnte 
aus  der  Literatur  nicht  ersehen  werden.  Es  sei  nur  erwähnt,  daß  das  angeführte 
Rezept  bereits  in  den  Lehrbüchern  der  Fünfzigerjahre  des  vorigen  Jahrhunderts 
enthalten  ist,  unter  anderem  in  dem  Lehrbuche  der  physikalischen  Chemie 
von  H.  Buff,  H.  Kopp  und  F.  Zam miner,  1857  (bei  Vieweg  &  Sohn), 
p.  231. 


85b  L.  Szydlowski, 

Über  den  physikalisch-chemischen  Vorgang,  der  die 
Temperaturerniedrigung  verursacht,  war  nur  bekannt,  daß  das 
Kristallwasser  des  Glaubersalzes  verflüssigt  wird  und  daß  sich 
dabei  Natriumchlorid  bildet. 

Soweit  die  Angaben,  welche  sich  in  den  meisten  Lehr- 
und  Handbüchern  finden. 

Eine  Ausnahme  davon  bildet  nur  die  Abhandlung  von 
M.  A.  Ditte,^  in  welcher  die  Theorie  des  Vorganges  ein- 
gehender erörtert  wird.  Obwohl  nicht  alle  Ansichten  Ditte's 
richtig  sind,  so  seien  doch  die  wichtigsten  Stellen  aus  seiner 
Abhandlung  im  folgenden  angeführt,  weil  nämlich  dort  der 
ganze  Komplex  der  einschlägigen  theoretischen  Fragen  auf- 
geworfen wird. 

Die  betreffenden  Stellen  sind  einem  Referate  in  »Jahres- 
bericht über  die  Fortschritte  der  Chemie«,  Bd.  33,  p.  104  bis  107 
(1880)  entnommen  und  lauten  folgendermaßen: 

»M.  A.  Ditte  erörtert  die  Kältemischungen  aus  einer  Säure 
und  einem  hydratwasserhaltigen  Salze.  Nach  ihm  hat  bei  der 
Mischung  von  Glaubersalz  und  überschüssiger  Salzsäure 
folgender  Vorgang  statt: 

Na2SO^.10H2O-4-2HCl  =  'iNaCl+H^SO^-^-lOHaO, 

fest  flüssig  fest  flüssig 

gemäß  dem  Prinzipe  des  Arbeitsmaximums,  da  das  wasserfreie 
Sulfat  von  Salzsäure  unter  Wärmeentbindung  zersetzt  wird. 
Die  Temperaturerniedrigung  bei  Anwendung  des  kristallisierten 
Sulfats  kommt  daher,  daß  das  gebildete  Natriumchlorid  wasser- 
frei ist,  folglich  sämtliches  vorher  an  das  Sulfat  gebundene 
Wasser  frei  wird  und  nach  der  Reaktion,  mit  Ausnahme  eines 
Niederschlages  von  Kochsalz,  alles  flüssig  ist.  Der  Einfluß  der 
Zustandsänderung  des  Wassers  tritt  deutlich  hervor,  wenn  man 
von  ungefähr  33*  ausgeht  und  in  einem  Falle  festes  und  im 
anderen  in  seinem  Kristallwasser  geschmolzenes  Glaubersalz 
anwendet.   Im   ersteren  Falle  sinkt  die  Temperatur   plötzlich 


1  M.  A.  Ditte,  Sur  les  melanges  refrigerants  formes  d'un  acide  et  d'un 
sei  hydrate.  Compt.  rend.,  90,  11C3  (1880). 


Kältemischung  aus  Natnumsulfat  und  Salzsäure.  857 

gegen  — 8®,  im  zweiten  bemerkt  man  nur  eine  schwache 
Temperaturänderung;  in  beiden  Fällen  aber  bilden  sich  die- 
selben Produkte,  nämlich  gelöste  Schwefelsäure  und  nieder- 
geschlagenes Natriumchlorid.  Mit  16  Teilen  Glaubersalz  und 
12  Teilen  Salzsäure  des  Handels,  welche  ungefähr  ein  Drittel 
Chlorwasserstoff  enthält  und  demnach  der  Zusammensetzung 
HCI.4H2O  entspricht,  erhält  man  eine  Abkühlung  um  un- 
gefähr 33**. 

Abgesehen  von  einigen  Besonderheiten,  finden  ähnliche 
Verhältnisse  statt  bei  den  Mischungen  von  Salpetersäure  und 
Natriumphosphat  oder  Natriumsulfat,  von  Salzsäure  und  Alaun 
oder  Natriumsulfat.  Daher  ist  bei  der  Mischung  eines  hydrat- 
wasserhaltigen Salzes  mit  einer  Säure  die  Abkühlung  nicht  der 
einfachen  Lösung  des  Salzes  zuzuschreiben,  sondern  es  findet 
stets  eine  doppelte  Umsetzung  statt,  entsprechend  dem  Grund- 
satze der  größten  Arbeit.  Diese  Umsetzung,  welche  nur  dann 
vollständig  ist,  wenn  das  neugebildete  Salz  in  der  sauren 
Flüssigkeit  sich  nicht  löst,  ist  gewöhnlich  unvollständig  und 
durch  den  entgegengesetzten  Vorgang  begrenzt  und  mit  einer 
Wärmeentbindung  verknüpft.  Die  beobachtete  Temperatur- 
erniedrigung rührt  daher,  daß  die  angewandten  Salze  eine 
große  Menge  Wasser  enthalten,  welche  bei  der  Bildung  eines 
wasserfreien  Salzes  von  dem  festen  Salze  abgespalten  und 
verflüssigt  wird.  Diese  Zustandsänderung  verschlingt  die  bei 
der  Reaktion  entbundene  Wärme  und  entzieht  der  Flüssigkeit 
den  Überschuß  der  zu  ihrem  Vollzuge  nötigen  lebendigen 
Kraft.«  —  So  weit  Ditte. 

»Berthelot*  stimmt  bezüglich  dieser  Erklärung  der  Kälte- 
mischungen aus  einer  Säure  und  einem  hydratwasserhaltigen 
Salze  im  allgemeinen  mit  Ditte  überein.  Entsprechend  dem 
Prinzipe  des  Arbeitsmaximums  findet  der  chemische  Vorgang 
unter  Wärmeentbindung  statt.  Dieser  wirken  als  Wärme 
bindende  Vorgänge  in  vierfacher  Gestalt  entgegen:  Die 
Dissoziation  des  Glaubersalzes,  die  Desaggregation  durch  das 
Lösungsmittel    (Gleichgewicht    zwischen  Natriumdisulfat  und 


1  M.  Berthelot,  Sur  les  melanges  refrigerants  formes  par  un  acide  et 
un  sei  hydrate.  Compt.  rend.,  90,  1191  (1880). 


858  L.  Szydlowski, 

Wasser),  die  Lösung  (welche  bei  Glaubersalz  und  Salzsäure 
nur  ein  Mittelglied  ist),  endlich  die  Verflüssigung  (des  Kristall- 
vvassers)«. 

Wie  man  sieht,  erblicken  Berthelot  und  Ditte  in  dem 
chemischen  Vorgange  bei  unserer  Kältemischung  eine  Be- 
stätigung des  Prinzips  des  Arbeitsmaximums.  Und  es  sei  daher 
hingewiesen  auf  eine  entgegengesetzte  Auffassung  von  J.  H. 
van  't  Hoff,  der  gerade  in  diesem  Vorgange  ein  Beispiel  einer 
Reaktion  sieht,  die  dem  Prinzipe  des  Arbeitsmaximums  wieder- 
spricht. 

J.  H.  van  't  Hoffi  sagt: 

»Dennoch  ist  es  nicht  schwer,  Beispiele  anzuführen,  bei 
denen  eine  chemische  Reaktion  unter  Wärmeabsorption  erfolgt: 
Die  Kältemischungen,  z.  B.  von  Salzsäure  und  Glaubersalz, 
welche  auf  Stattfinden  einer  chemischen  Reaktion  beruhen,  im 
gegebenen  Falle: 

Na2SO4.10H2O  +  2HCl  =  2NaCH-HaSO^-+-10HjO 

zeugen  von  Tatsachen,  welche  dem  »Principe^  du  travail 
maximum«  widersprechen.« 

Ich  beschränke  mich  an  dieser  Stelle  nur  auf  die  Anführung 
der  Ansichten  der  vorerwähnten  Autoren  und  überlasse  die 
Diskussion  der  betreffenden  Fragen  dem  Schlußworte,  wo 
dieselbe  an  der  Hand  der  gewonnenen  Resultate  der  Unter- 
suchung erfolgen  kann. 

Was  den  Gang  der  Untersuchung  anlangt,  so  wurden 
mir  die  kalorimetrischen  Methoden  vom  Herrn  Vorstande  des 
physikalischen  Institutes  der  Universität  Graz,  Hofrat  Prof. 
L.  Pfaundler,  mitgeteilt,  dessen  Anregung  die  vorliegende 
Arbeit  ihre  Entstehung  zu  verdanken  hat.  Auch  Pfaundlers 
»Über  die  Kältemischungen  im  aligemeinen  etc.«  und  die 
Arbeiten  seiner  Schüler  Tollinger,^  Hammerl*  und  P.  E. 

1  Acht  Vorträge  über  physikalische  Chemie,  p.  20  bis  21  (bei  Vieweg  & 
Sohn,  1902). 

2  To  Hing  er,  Über  die  beim  Lösen  des  salpetersauren  Ammoniaks  in 
Wasser  auftretenden  Wärmeerscheinungen  etc.  Diese  Sitzungsberichte,  72(1875). 

3  Hammerl,  Über  die  Kältemischung  aus  Chlorcalcium  und  Schnee. 
Diese  Sitzungsberichte,  78,  59  (1878). 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  859 

Neumayr^  waren  für  mich  in  mancher  Beziehung  maßgebend, 
und  insofern  schließt  sich  die  vorliegende  Abhandlung  an  die 
Reihe  der  vorerwähnten  Publikationen  an.  Dieselbe  weist  aber 
auch,  der  Natur  der  untersuchten  Prozesse  entsprechend, 
wesentliche  Unterschiede  von  den  zitierten  Abhandlungen  auf. 
Es  wurde  nämlich  der  ganzen  Untersuchung  eine  ausschließlich 
experimentelle  Grundlage  gegeben  und  ein  neues  Kapitel,  die 
gewichtsanalytische  Untersuchung  der  Reaktionsprodukte,  den 
früher  angewandten  Methoden  hinzugefügt.  Dagegen  unterblieb 
die  mathematische  Behandlung  des  Gegenstandes,  da  dieselbe 
im  vorliegenden  Falle  nicht  gut  anwendbar  war.  Und  da  ferner 
die  experimentelle  Untersuchung  allein  die  vollständige  Auf- 
klärung der  in  Frage  stehenden  Prozesse  lieferte,  so  war  die 
mathematische  Bearbeitung  der  Resultate  auch  ohne  Belang. 

Um  die  Fragen,  die  bei  der  Untersuchung  in  Betracht 
kamen,  zu  beantworten,  wurden  folgende  Bestimmungen  und 
Messungen  ausgeführt: 

1.  Direkte  Bestimmungen  der  Temperaturerniedrigungen. 

2.  Messungen  des  Kälteeffektes  der  Mischungen  bei  0**  in 
Bunsen'schen  Eiskalorimetern. 

3.  Messungen  des  Kälteeffektes  oberhalb  von  0**,  und 
zwar  bei  6*  und  15**  nach  der  Mischungsmethode. 

4.  Quantitativ-analytische  Untersuchung  der  nach  be- 
endigter Reaktion  vorhandenen  Gemische. 

Was  die  erreichbare  niedrigste  Temperatur  anbelangt,  so 
konnte  dieselbe  nicht  in  üblicher  Weise  bestimmt  werden. 
Näheres  darüber  in  dem  betreffenden  Abschnitte. 

Bei  sämtlichen  Versuchen  wurde  kristallisiertes  Natrium- 
sulfat in  Form  des  feinen  Kristallmehles  angewandt,  weil  nur  in 
dieser  Form  das  Salz  den  genauen  Kristallwassergehalt  von 
10  Molekülen  (55-907o)  besitzt.  Auf  die  Bestimmungen  des 
Kristall  Wassers  wurde  besondere  Sorgfalt  verwendet  und  nur 
diejenigen  Proben  des  Salzes  gebraucht,  bei  denen  der  ge- 
fundene Kristallwassergehalt  um  nicht  mehr  als  0 -2070  ^^" 
dem  berechneten  Werte,  55-907o»  differierte.  Meistens  aber  war 
die  Differenz  nur  0-05  bis  0*  lO^/o- 

^  Neumayr,  Über  die  Bestimmung  von  Lösungswärmen  im  Bunsen'schen 
Eiskalorimeter.  Ber.  d.  Innsbr.  natur.-med.  Ver.,  1877. 


860  L.  Szydlowski, 

IL  Direkte  Bestimmungen  der  Temperaturerniedri- 
gungen. 

Die  folgenden  Versuche  haben  hauptsächlich  einen  orien- 
tierenden Wert  und  machen  keinen  Anspruch  auf  große  Ge- 
nauigkeit. Trotzdem  sind  dieselben  angeführt,  weil  sie  einige 
nicht  unwichtige  Resultate  lieferten,  denen  zufolge  die  bisherigen 
Angaben  über  die  Kältemischung  modifiziert  werden  müssen. 
Erstens  war  nämlich  die  beobachtete  Temperaturemiedrigung 
bei  mehreren  Versuchen  um  ein  Beträchtliches  größer  als  die 
bis  jetzt  angegebene,  und  zwar  statt  30**  (von  4-12**  bis  — 18**), 
im  günstigsten  Falle  39 -8  (von  +21-2**  bis  —18-6**);  allerdings 
war  dabei  die  Anfangstemperatur  um  zirka  9**  höher. 

Wenn  man  die  Anordnung  der  Versuche  in  Betracht  zieht, 
so  ist  es  klar,  daß  die  gefundenen  Werte  für  die  Temperatur- 
erniedrigungen wegen  der  unvermeidlichen  großen  »Kälte- 
verluste« keinesfalls  zu  hoch,  sondern  nur  zu  niedrig  sein 
können. 

Zweitens  ersieht  man  aus  den  angeführten  Verhältnissen 
zwischen  Salz  und  Säure,  daß  man,  um  das  günstigste  Resultat 
zu  erhalten,  weniger  Salzsäure  braucht,  als  im  Rezept  angeführt 
ist  (auf  8  Teile  Salz  5  Teile  Säure),  ein  Resultat,  welches  auch 
bei  den  kalorimetrischen  Messungen  bestätigt  wurde. 

Drittens  wurde  festgestellt,  daß  im  allgemeinen  die 
Mischungen  mit  stärkster  Säure  die  größten  Temperatur- 
erniedrigungen liefern. 

Schließlich  wurde  gefunden,  daß  es  Mischungsverhältnisse 
gibt,  bei  denen,  nachdem  die  Reaktionsprodukte  wieder  die 
Anfangstemperatur  erlangt  hatten,  fast  kein  fester  Rückstand 
in  der  Mischung  zu  finden,  sondern  beinahe  alles  gelöst  war. 
Solche  Mischungsverhältnisse  waren  die  günstigsten,  d.  h.  bei 
denselben  wurden  die  größten  Temperaturerniedrigungen  beob- 
achtet. Wie  aus  den  Tabellen  zu  ersehen  ist,  sind  es  die  Ver- 
suche: Gruppe  I,  Nr.  3,  Gruppe  II,  Nr.  3,  und  Gruppe  III,  Nr.  1 
und  2. 

Die  Versuche  wurden  in  folgender  Weise  ausgeführt: 
Das  kristallisierte  Natriumsulfat  wurde  in  einem  zirka  150  rw* 
fassenden  Kölbchen  abgewogen,  die  Anfangstemperatur  notiert, 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure. 


861 


dann  möglichst  rasch  aus  einer  Bürette  die  erforderliche  Menge 
Salzsäure  zugesetzt,  innig  gemischt,  die  niedrigste  Temperatur 
notiert  und  schließlich,  nachdem  die  Mischung  wieder  die 
Anfangstemperatur  der  Ausgangssubstanzen  erreicht  hatte,  von 
neuem  gewogen.  Außerdem  wurde  womöglich  der  Verlauf  der 
Reaktion  und  das  Aussehen  der  Mischung  nach  Beendigung 
des  ganzen  Prozesses  beobachtet. 

Das  gebrauchte  Thermometer  war  in  Fünftelgrade  ein- 
geteilt und  gestattete,  Temperaturen  bis  auf  O'l"  deutlich 
abzulesen. 

Die  Resultate  sind  in  den  folgenden  Tabellen  zusammen- 
gestellt und  es  bedeuten: 

p  das  Gewicht  des  Salzes; 
g  das  Gewicht  der  Salzsäure; 
p-^gz=  m  das  Gewicht  der  Mischung; 

100^  Salzsäure 


p       kristallisiertes  Natriumsulfat 
100p    kristallisiertes  Natriumsulfat 


m 


Mischung 


in  Prozenten , 


in  Prozenten. 


In  der  letzten  Kolumne  sind  außerdem  die  Anmerkungen 
über  die  Menge  und  das  Aussehen  des  Niederschlages  ent- 
halten. 

Tabelle  I. 
Gruppe  I:  Versuche  mit  36'69prozentiger  Salzsäure. 


Nr. 

P 

100^ 

100;? 
m 

1 

'                        1 

1                                                ■ 

1     /'**     ■    It    ■       Anmerkungen 

1 

l 

47-30 

6-13 

12-96 

88-53 

20-1* 

-15-6*» 

35-7« 

In  der  Reaktionmasse 
beträchtlicher  kri- 
stallinischer Nie- 
derschlag. 

2 

42- 15 

916 

21-73 

82-15 

20-2 

-17-2 

37-4 

Kristallinischer  Nie- 
derschlag, weniger 
als  bei  1 . 

3 

45  06 

11-62 

25-79 

79-49 

21-2 

-18-6 

39*8 

Fast  kein  Nieder- 
schlag. 

862 


L.  Szydlowski, 


Xr. 


g 


\QOg 


100/7 


m 


*o 


A/ 


Anmerkungen 


6 


8 


53-70 


49-44 


50-30 


35-60 


25-39 


17-61 


26-29 


29-59 


35-29 


41-97 


32-79 


53-18 


58-83 


99-13 


165-30 


75-30 


65-28 


62-96 


50-22 


37-69 


•  :;o 


21-5 


21-4 


21-6 


21-6 


21-2 


-14-8** 


-15-2 


-15-3 


— 1*>.9 


-  8-1 


36-3^ 


36-6 


36-9 


33-8 


29-3 


Geringer  amorpher 

Niederschlag. 

Amorpher     Nieder- 
schlag. 

Amorpher    Nieder- 
schlag. 

Amorpher    Nieder- 
schlag. 

Amorpher    Nieder- 
schlag. 


Tabellen. 
Gruppe  II:  Salzsäure  —  30  137o  HCl. 


Nr. 

P 

g 

100^     100/7 

p      1     m 

1 

<« 

t"* 

M 

Anmerkungen 

1 

50-68 

5-70 

11-24 

89-88 

20-4*» 

zirka 
O«» 

20  •4*» 

Nur  geringe    Ver- 
flüssigung.) 

44-72 

7-09 

15-86 

86-31 

20-0 

-12-6*» 

32-6 

Beträchtlicher    kri- 
stallinischer Nie- 
derschlag. 

3 

43-60 

9-22 

21-14 

82-54 

19-9 

-17-2 

37-1 

Fast    kein    Nieder- 
schlag. 

4 

40-92 

13-33 

32-58 

75-43 

20-0 

-14-8 

34-8 

Geringer       Nieder- 
schlag. 

5 

40-83 

21-76 

53  -  29 

65-23 

20-4 

-15-6 

36-0 

Geringer  amorpher 

Niederschlag. 

6 

41-78 

24-05 

57-56 

63-46 

19-7 

-14-4 

34-1 

Amorpher    Nieder- 
schlag. 

7 

35-04 

35-41 

101-05 

49-74 

19-7 

-11-8 

31-5 

Amorpher     Nieder- 
schlag. 

8 

35-38 

41-47 

117-21 

46-04 

19-7 

-11-8 

31-5 

Amorpher    Nieder- 
schlag. 

1  Unc 

I  dadui 

•ch  wurc 

ie  die  B 

eobach 

tung  ers 

jchwen 

Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure. 

Tabelle  III. 
Gruppe  III:  Salzsäure  —  24-477o  HCl. 


863 


Nr. 

P 

g 

100/ 
P 

100^7 

m 

/* 

r» 

A/ 

Anmerkungen 

1 
2 

3 

4 

38-30 
39-31 
34-30 
27-63 

12-52 
21-64 
33  73 
44-78 

32-69 

56-57 

98-34 

162-07 

75-36 
63-86 
50-42 
38-16 

21 -O« 
20-5 
19-8 
19-9 

-11-8* 
-12-0 
-10-0 
-  8-2 

32 -8« 
32-5 
29-8 
28- 1 

Geringer  kristallini- 
scher Niederschlag. 

Fast    kein  Nieder- 
schlag. 

Amorpher     Nieder- 
schlag. 

Amorpher    Nieder- 
schlag. 

III.  Bestimmung  des  Kälteeffektes  der  Mischungen  im 

Bunsen'sohen  Eiskalorimeter. 

Der  kalorische  Effekt  der  untersuchten  Kältemischung 
hängt  nicht  nur  von  dem  Mischungsverhältnisse  zwischen  kri- 
stallisiertem Natriumsulfat  und  Salzsäure  und  von  der  Kon- 
zentration der  letzteren,  sondern  auch  von  der  Anfangstempe- 
ratur der  Bestandteile  ab.  Infolgedessen  mußte  man,  um  das 
günstigste  Mischungsverhältnis  und  die  günstigste  Konzentra- 
tion der  Salzsäure  zu  finden,  eine  Reihe  von  Messungen  bei  einer 
konstanten  Temperatur  vornehmen.  Weil  aber  diese  wichtige 
Bedingung  bei  den  kalorimetrischen  Messungen  nach  der 
Mischungsmethode  schwer  zu  erfüllen  ist,  so  wurden  die 
folgenden  Messungen  in  Bunsen'sohen  Eiskalorimetern  aus- 
geführt, und  auf  diese  Weise  konnte  die  Reaktionswärme  genau 
bei  0*  bestimmt  werden. 

Außerdem  handelte  es  sich  bei  den  folgenden  Messungen 
um  die  Frage,  ob  und  unter  welchen  experimentellen 
Bedingungen  sich  das  Bunsen'sche  Kalorimeter  zur  Messung 
der  negativen  Wärme  (»Kälte«)  eignet.*  Denn,  wie  bekannt, 


1  Die  zitierte  Abhandlung  von  Ne um ayr,  welche  auch  die  Bestimmung 
des  Kälteeffektes  einer  Kältemiscbung  im  Bunsen'schen  Kalorimeter  zum  Thema 
hat,  lädt  in  dieser  Beziehung  manche  Unklariietten  übrig. 

Sitzb.  d.  roathem.-naluru'.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  57 


864  L.  Szydlowski, 

sind  die  direkten  Messungen  der  negativen  Wärme  im  Bunsen- 
schen  Kalorimeter  infoige  der  Unterkühlungserscheinungen 
nicht  genau  möglich.  Infolgedessen  habe  ich  nach  Pfaundler^ 
bei  den  folgenden  Versuchen  die  »Kältemenge«  der  Mischung 
durch  die  Einführung  einer  bekannten  Wärmemenge  kompen- 
siert und  den  Überschuß  der  letzteren  bestimmt,  woraus  sich 
die  der  Kältemischung  entsprechende  »Kältemenge«  berechnen 
ließ.  Als  Erhitzungskörper  wurde  Quarz  (SiOg)  gebraucht, 
dessen  spezifische  Wärme  sicher  festgestellt  ist  (0"19)  und 
der  von  Salzsäure  nicht  angegriffen  wird. 

Was  die  verschiedenen  Modifikationen  des  Bunsen'schen 
Eiskalorimeters  anbetrifft,  so  wurde  diejenige  von  Schuller 
und  Wartha  für  den  vorliegenden  Zweck  am  geeignetsten 
gefunden.^  Die  gebrauchten  Apparate  waren  auch  im  wesent- 
lichen nach  der  Vorschrift  von  Schuller  und  Wartha  her- 
gestellt und  mit  Dreiwegehähnen  nach  Pfaundler  versehen. 
Die  Apparate  wurden  zuerst  in  Gefäße  mit  destilliertem  Wasser 
und  dann  erst  in  Eis  eingestellt.  In  das  destillierte  Wasser 
wurden  außerdem  Stücke  von  chemisch  reinem  Eise  geworfen, 
um  dadurch  die  Unterkühlungserscheinungen  im  Wasser  zu  ver- 
hindern. Zur  Erzeugung  der  Eishülle  im  Innern  des  Apparates 
selbst  wurden  feste  Kohlensäure  und  Alkohol  verwendet.  Die- 
selben wurden  in  das  Innere  des  eprouvettenförmigen  Gefäßes 
des  Apparates  hineingebracht,  und  zwar  zuerst  Alkohol,  dann 
mehrere  Male  in  kleinen  Portionen  Kohlensäure,  worauf  die 
Eishülle  rasch  und  leicht  entstand. 

Eine  wichtige  Bedingung  für  das  Gelingen  der  Messungen 
ist  die  Art  der  Einführung  der  Substanzen  in  das  eprouvetten- 
förmige  Gefäß  des  Kalorimeters.  Es  muß  nämlich  dabei  sorg- 
fältig vermieden  werden,  daß  ein  Teil  der  Substanz  an  den 
Wänden  des  Gefäßes  hängen  bleibt;  es  muß  sowohl  das  Salz 
wie  die  Säure  ohne  Verlust  bis  auf  den  Boden  des  Gefäßes 


1  Müller-Pfaundler's  Lehrbuch  der  Physik,  Bd.  II,  2.  Abt.  (Wärme- 
lehre), p.  312  und  449. 

2  In  Bezug  auf  den  Grad  der  Genauigkeit  der  Messungen  im  Bunsen'schen 
Eiskalorimeter  mit  Skalenrohr  und  demjenigen  nach  Schuller  und  Wartha 
schließe  ich  mich  der  Ansicht  Longuinin's  an,  der  die  Messungen  im  Schuller- 
Wartha'schen  Kalorimeter  für  genauer  halt. 


Kältemischung  aus  Natnumsuifat  und  Salzsäure.  865 

gelangen.  Ferner  muß  vermieden  werden,  daß  das  Natriumsulfat 
in  der  Zeit,  während  welcher  die  Substanzen  vor  dem  Versuch 
im  Innern  des  Kalorimeters  verbleiben,  Wasser  anzieht.  Um 
diesen  Hauptbedingungen  zu  entsprechen,  wurden  sowohl 
kristallisiertes  Natriumsulfat  wie  Salzsäure  in  dünnwandige 
Glaskugeln  eingeschmolzen,  letztere  an  dünnen  Zwimfäden  in 
das  Innere  des  eprouvettenförmigen  Gefäßes  gebracht,  dort 
mehrere  Stunden  gelassen,  bis  mit  Sicherheit  anzunehmen  war, 
daß  dieselben  die  Temperatur  von  0*  angenommen  hatten,  und 
schließlich  vor  dem  Versuch  mittels  eines  dünnen  Glasstabes, 
welcher  ebenfalls  die  ganze  Zeit  vor  dem  Versuch  im  Innern 
des  Gefäßes  sich  befand,  zerbrochen.  Die  Substanzen  wurden 
innig  gemischt  und  dann  erst  der  auf  den  Siedepunkt  des 
Wassers  erhitzte^  Quarz  hineingeworfen.  Um  die  Korrektion 
zu  bestimmen,  wurde  in  üblicher  Weise  das  Quecksilber  in  der 
Vor-  und  in  der  Nachperiode  gewogen. 

Nach  jedem  Versuch  wurden  der  hineingebrachte  Quarz 
und  die  Reaktionsprodukte  entfernt  und  das  Innere  des  eprou- 
vettenförmigen Gefäßes  mit  Wasser,  Alkohol  und  Äther  ge- 
waschen und  vollständig  getrocknet.  Der  nächste  Versuch 
konnte  erst  ausgeführt  werden,  nachdem  das  durch  erwähnte 
Operationen  gestörte  Gleichgewicht  im  Innern  des  Kalorimeters 
wieder  hergestellt  war,  d.  h.  nachdem  die  Zu-,  beziehungs- 
weise Abnahme  des  Quecksilbers  möglichst  gering  und  regel- 
mäßig geworden  war. 

Bei  den  Berechnungen  wurde  die  Kalorie  15**  nach 
Dieterici*  angenommen,  d.  h. 

^16  =  0-015460^  Hg. 

Die  Resultate  sind  in  folgenden  Tabellen  zusammengestellt 
und  es  bedeuten: 

p  das  Gewicht  des  Salzes; 

g  das  Gewicht  der  Säure; 

p-hg  =  m  das  Gewicht  der  Mischung; 


^  Im  Pfaundler'schen  Erhitzungsapparat. 

2  C.  Dieter ici,  Ann.  d.  Physik,  1905,  Nr.  4. 

57* 


866 


L.  Szydlowski, 


100^    Säure    .    _ 

—      in  Prozenten; 


P 
lOOp 


Salz 
Salz 


in  Prozenten; 


m        Mischung 
WE  Reaktionswärme  (negative)  pro  1  g  des  Salzes; 
W^E^  Reaktionswärme  (negative)  pro  1  g  der  Mischung. 


Tabelle  IV. 
Die  Versuche  mit  36'60prozentiger^  Salzsäure. 


Nr. 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 


^ 


11' 
9 
5 
5 
5- 
5 
5 
6 
7 
4 
6 
4 
7 
5 
3 


100^       1    lOOp 


0493 

6921 

1594 

7599 

7749 

5445 

5486 

6950 

8645 

•8240 

3458 

'8120 

9028 

2 

■3475 

3551 

2 

5915 

1307 

3 

•5082 

1612 

2 

■2698 

7102 

3 

■7949 

5125 

6 

■1407 

2210 

12 

■5148 

1354 

11 

•7991 

2134 

12 

•0552 

m 


WE 


W,E, 


15-31 
19-21 


26 

30 

31 

33 

39 

40 

49 

54 

56 
136-08 
173-31 
229-76 
375-15 


74 
55 
10 
90 
77 
78 
20 
55 
55 


86-72 
83-88 
78-90 


76- 

76" 

74" 

71" 

71' 

67- 

64 

63 

42 

36 

30 

21 


60 
28 
68 
55 
03 
02 
71 
88 
37 
59 
33 
05 


22- 

25- 

34- 

35 

36 

41' 

43 

43 

46 

45 

45' 

31 

30 

30 

28 


422 

68 

77 

60 

82 

30 

45 

91 

26 

66 

23 

04 

48 

23 

92 


19' 
21' 
27 
27 
27 
30 
31 
31 
31 
29 
28 
13 
11 
9 
6 


44 
52 
43 
28 
43 
85 
08 
19 
Ol 
55 
89 
15 
15 
17 
09 


Tabelle  V. 
Die  Versuche  mit  24*47  prozentiger  Salzsäure. 


8246 
4970 
9174 
9719 
9296 


1- 
2 
3' 
4 
12 


8811 
5946 
3197 
2332 
5689 


27 
39 
47 
60 
181 


56 
93 
99 
72 
38 


78-40 
71-46 
67-57 
62-22 
35*54 


25 
35 
40 
43 
35 


77 
99 
23 
13 
66 


20 
25 
27 
26 
12 


21 
72 
18 
84 
67 


1  Mittel  aus  drei  Bestimmungen:  36*47,  36*65  und  36-d80'o. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure. 


867 


1 

o 

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868  L.  Szydlowski, 

Die  Resultate  der  Versuche  mit  36-60prozentiger  Salz- 
säure sind  in  der  Fig.  1  graphisch  dargestellt,  wobei  auf  der 

Abszissenachse  die  Prozente  Säure  auf  1  ^  Salz  ( ^j  auf- 
getragen sind  und  die  Ordinaten  die  entsprechenden  Werte  für 
Kälteeffekte  pro  1  g  Salz  darstellen  (l^^E), 

IV.  Bestimmung  des  Kälteeffektes  und  der  spezifischen 
Wärme  der  Mischungen  oberhalb  von  0°. 

Nachdem  durch  die  vorhergegangenen  Versuche  der  Kälte- 
effekt der  Mischungen  und  das  günstigste  Mischungsverhältnis 
bei  0'  bestimmt  worden  waren,  war  es  weiter  notwendig» 
dasselbe  auch  bei  anderen  Temperaturen  zu  bestimmen,  um 
dadurch  die  Abhängigkeit  der  Reaktionswärme  von  der  Tem- 
peratur und  die  günstigste  Anfangstemperatur  der  Ausgangs- 
materialien finden  zu  können.  Dabei  wurde  auch  die  spezifische 
Wärme  der  Lösungen,  welche  die  Mischungen  mit  Wasser 
'lieferten,  bestimmt.  Die  angewandte  Methode  läuft  im  wesent- 
lichen auf  die  Messung  der  Lösungswärme  hinaus,  und  zwar 
wurde  einerseits  diejenige  des  kristallisierten  Natriumsulfats 
H-Salzsäure  bestimmt,  wobei  dieselben,  ohne  miteinander 
in  Berührung  zu  kommen,  gelöst  wurden,  andrerseits 
wurde  diejenige  der  Reaktionsprodukte  gemessen,  nachdem  die 
Mischung  wieder  die  Anfangstemperatur  der  Materialien,  und 
zwar  in  beiden  Fällen  dieselbe  Temperatur,  erlangt  hatte. 

Die  theoretische  Grundlage  für  die  angewandte  Methode 
bildet  das  bekannte  Gesetz  von  Hess:  »Die  Energiedifferenz 
zwischen  zwei  Zuständen  eines  chemischen  Systems  ist  un- 
abhängig von  dem  Wege,  auf  welchem  es  aus  dem  einen 
Zustand  in  den  anderen  gelangt  ist.« 

In  der  untersuchten  Kältemischung  hat  man  in  beiden 
Fällen  als  Endzustand  die  Lösung  der  Ausgangssubstanzen 
in    Wasser.^    Im  ersten    Falle,  wenn   kristallisiertes   Natrium- 


^  Allerdings  sind  dabei  die  Dissoziationsverhältnisse  in  beiden  Lösungen 
verschieden,  da  im  ersten  Falle  kristallisiertes  Natriumsulfat  und  konzentrierte 
Salzsäure  unmittelbar  in  Wasser  gelöst  werden,  im  zweiten  Falle  aber  die 
aus  den  letzteren  entstandenen  Reaktionsprodukte.   Diese  Verschiedenheit  in 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  869 

sulfat+ konzentrierte  Salzsäure  gelöst  werden,  ohne  mitein- 
ander in  Berührung  zu  kommen,  geht  das  System  kri- 
stallisiertes Natriumsulfat + konzentrierte  Salzsäure  in  dasjenige 
der  wässerigen  Lösung  unmittelbar  über  und  die  dabei  auf- 
tretende Lösungswärme  stellt  die  gesamte  mefibare  Quantität 
der  EnergiedifTerenz  dar. 

Im  zweiten  Falle,  d.  h.  wenn  die  Reaktionsprodukte  der 
Kältemischung  gelöst  werden,  setzt  sich  die  gesamte  Energie- 
difTerenz aus  der  Energie  der  Kältemischung  und  der  Lösungs- 
wärme der  Reaktionsprodukte  zusammen.  In  beiden  Fällen  muß 
der  Wert  für  die  gesamte  Energiedifferenz  der  gleiche  sein. 
Bezeichnet  man  mit  A  die  Lösungswärme  im  ersten  Falle  (für 
Säure  und  Salz  getrennt),  mit  B  diejenige  im  zweiten  Falle  und 
mit  X  die  Energie  der  Kältemischung  (alle  Werte  einheitlich, 
also  z.  B.  pro  1  g  des  Salzes  berechnet),  so  ist  i4r=:A;4-Ä 

In  diesem  Ausdruck  ist  ^  bei  den  in  Betracht  kommenden 
Mischungsverhältnissen  negativ.  Dagegen  ist  B  negativ  nur 

Säure 
bis  zum  Verhältnisse  -^— j —  iz:  0  *  25  (annähernd)  für  eine  36  •  56- 
prozentige  Salzsäure.  Bei  mehr  Säure  wird  B  positiv,  d.  h. 
die  Reaktionsprodukte  in  ihrer  Summe  haben  eine  positive 
Lösungswärme.  Das  bedeutet,  daß  der  Vorgang  in  der  Kälte- 
mischung in  Bezug  auf  den  Wärmeverbrauch  weiter  geht  als 
derjenige  beim  Lösen  des  kristallisierten  Natrium sulfats  und 
der  Salzsäure  (getrennt)  im  ersten  Falle  und  infolgedessen 
muß,  um  zu  demselben  Zustande  zu  gelangen  wie  im  ersten 
Falle,  im  zweiten  Falle  Wärme  entwickelt  werden. 

Daher  stellt  der  Ausdruck  A-n-x-^z^B  eine  algebraische 
Summe  dar,  wobei  das  Vorzeichen  bei  B  sich  ändert,  je  nach- 
dem beim  Lösen  der  Reaktionsprodukte  ein  Aufstieg  oder  ein 
Abstieg  des  Thermometers  beobachtet  wurde.  Der  Kälteeffekt 
der  Mischung  ist  ;*;  =  i4d=J?,  und  zwar  addiert  man  5  zu  ^  in 


den  Dissoziationsverhältnissen  muSte  aber,  wenn  eine  solche  bei  derartigen 
Messungen  überhaupt  berücksichtigt  werden  soll,  ihren  Ausdruck  in  der 
Änderung  des  Wertes  der  spezifischen  Wärme  der  betreffenden  Lösungen 
finden  und,  da  die  spezifische  Wärme  jedesmal  bestimmt  wurde,  so  wurde 
damit  der  eventuelle  Einfluß  der  Dissoziationsverschiedenheiten  auch  mit- 
berücksichtigt. 


870  L.  Szydlowski, 

allen  denjenigen  Fällen,  wo  die  Reaktionsprodukte  eine  positive 
Lösungswärme  haben,  und  zieht  von  A  ab,  wenn  letztere 
negativ  ist. 

Die  Versuche  wurden  in  folgender  Weise  ausgeführt: 

1.  Salz  und  Säure,  jedes  für  sich  in  einer  dünnwandigen 
Glaskugel  eingeschmolzen  und  genau  gewogen,  wurden  in  ein 
mit  Wasser  gefülltes  Platinkalorimeter  gebracht  und  in  diesem 
eine  längere  Zeit  (1  bis  2  Stunden)  samt  Thermometer  und 
Rührer  bei  einer  möglichst  konstanten  Temperatur  stehen 
gelassen.  Um  die  Lösungswärme  zu  bestimmen,  wurden  die 
Kugeln  zerbrochen,  deren  Inhalt  in  Wasser  vollständig  gelöst 
und  die  Temperaturemiedrigung  notiert.  Außerdem  wurde  die 
Vor-  und  Nachperiode  beobachtet  und  die  Korrektion  für  die 
Hauptperiode  nach  Regnault-Pfaundler  berechnet. 

Der  Lösungsvorgang  dauerte  höchstens  2  Minuten.  Nach 
Beendigung  des  Lösungsversuches  wurde  die  spezifische  Wärme 
der  entstandenen  Lösung  in  üblicher  Weise  ^  mittels  Quarz 
(SiOa)  bestimmt. 

Aus  den  erhaltenen  Zahlen  wurde  die  Lösungswärme  des 
Systems  kristallisiertes  Natriumsulfat -f- konzentrierte  Salzsäure 
(getrennt)  berechnet,  und  zwar  pro  1  g  des  Salzes  und  pro  1  g 
der  Mischung. 

2.  Salz  und  Säure  wurden  in  demselben  Verhältnisse 
wie  bei  1.  in  ein  und  derselben  Glaskugel  zusammengemischt 
und  abgewogen.*  Die  zugeschmolzene  Kugel  wurde  in  das 
Kalorimeter  gebracht  und  die  Lösungswärme  wie  bei  L  be- 
stimmt. Auch  die  spezifische  Wärme  wurde  in  derselben  Weise 
und  mit  derselben  Probe  von  Quarz  bestimmt. 

Die  beiden  Lösungsversuche  (1  und  2)  wurden  womöglich 
bei  derselben  Anfangstemperatur  begonnen. 

Das  gebrauchte  Thermometer  wurde  in  0*02**  eingeteilt 
und  gestattete,  Temperaturen  bis  auf  O'Ol**  genau  abzulesen 
und  die  Tausendstel  noch  abzuschätzen. 

Das  Verhältnis  zwischen  Salzsäure  und  kristallisiertem 
Natriumsulfat  sollte  sowohl  bei  1.  wie  bei  2.  dasselbe  sein. 


i^ToUinger,  p.  4  bis  5  in  früher  zitierter  Abhandlung. 
2  Die   Glaskugel    wurde  zugeschmolzen   und    das   Ganze   abgewogen, 
nachdem  die  Reaktionsmasse  annähernd  die  Anfangstemperatur  erreicht  hatte. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  87 1 

Diese  wichtige  Bedingung  konnte  allerdings  experimentell 
nicht  genauer  als  auf  einige  Zehntelprozente  erreicht  werden. 

Bei  folgenden  Versuchen  wurde  nur  konzentrierte  36  •  56- 
prozentige  Salzsäure  gebraucht,  da  durch  die  vorangegangenen 
Messungen  im  Bunsen'schen  Eiskalorimeter  bereits  gezeigt 
worden  war,  daß,  je  konzentrierter  die  Säure,  desto  größer  der 
KälteeflFekt  pro  Gewichtseinheit  der  Mischung  war. 

Die  Resultate  der  Versuche  sind  in  den  beiden  folgenden 
Tabellen  zusammengestellt. 

Tabelle  VI  enthält  erstens  die  Daten  der  Bestimmungen 
der  Lösungswärme  von  kristallisiertem  Natriumsulfat + Salz- 
säure getrennt  und  zweitens  diejenige  der  Reaktionsprodukte, 
wobei  die  Paare  von  Versuchen,  bei  welchen  die  Bestandteile 
in  nahezu  denselben  Verhältnissen  genommen  wurden,  mit  l 
und  la,  2  und  2a  u.  s.  w.  bezeichnet  sind,  und  zwar  la,  2a, 
3a  u.  s.  w.  die  Versuche  mit  Reaktionsprodukten  bedeuten. 
Weiter  wurde  bezeichnet  mit 

g  das  Gewicht  der  Säure; 

p  das  Gewicht  des  Salzes; 

g-^p  =  nt  das  Gewicht  der  Mischung; 

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in  Prozenten; 


in  Prozenten; 


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/*  die  Anfangstemperatur; 

A/  die  Temperaturänderung   infolge    des   Lösungsvorganges 

(Aufstieg  oder  Abstieg  des  Thermometers) ; 
LWE  Lösungs wärme  pro  1  g  des  Salzes; 
Lj  W^  E^  Lösungswärme  pro  1  g  der  Mischung. 

Die  Versuche  zerfallen  in  zwei  Gruppen,  von  denen  die 
erste  diejenigen  bei  einer  Anfangstemperatur  von  zirka  15** 
und  die  zweite  diejenigen  bei  zirka  6**  umfaßt.  Außerdem  wurde 
ein  Versuch  bei  zirka  10*5**  ausgeführt. 

Die  Tabelle  VII  enthält  die  auf  Grund  der  Werte  der 
Tabelle  VI  berechneten  Kälteeffekte  der  Mischungen,  wobei  für 


872 


L.  Szydlowski, 


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873 


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Ol 


CO 


'S 
CO 


874 


L.  Szydlowski, 


Tabelle  VII. 
Reaktionswärme. 


Nr. 

100/ 
P 

100^ 
III 

RW 

Mittlere 
ÄiWi       Anfangs- 

itemperatur 

1 

Gruppe 

1 

Maxi-  f  2 
raum  W 

4 
5 
6 
7 
8 

15-42 
25-85 
26-11 

33-98 
52-86 
59-56 
88-70 
166-01 

86-63 
79-54 
79-30 

74-64 
65-42 
62-67 
53-00 
37-60 

41-06 
56-32 
57-22 
56-38 
52-01 
48-64 
42-95 
34-59 

35-64 
45-34 
45-41 

42-12 
34-05 
30-46 
22-77 
12-95 

15-11*» 

15-58 

15-10 

15-32 

15-50 

15-62 

15-03 

15-20 

I 

1 

34-30 

74-43 

55-07 

41-01 

10-63 

1 
2 
3 

25-66 
34-04 
50-53 

79-59 
74-60 
66-43 

51-05 
54-18 
51-00 

41-23 
40-29 
33-98 

6-01 
6-28 
6-45 

II 

die   Verhältnisse 


Säure 


und 


Salz 


Salz  Mischung 

und  1  a,  2  und  2  a  u.  s.  w,  genommen  wurden. 
Es  bedeuten: 


die   Mittel   aus   1 


100^    Säure 


V 

100/7 


Salz 
Salz 


ni 


in  Prozenten; 


in  Prozenten; 


Mischung 

RW  Kälteeffekt  pro  1  g  des  Salzes; 
R^W^  Kälteeffekt  pro  1  g  der  Mischung. 

In  der  sechsten  Kolumne  befinden  sich  die  Mittelwerte  für 
die  Anfangstemperatur  aus  1  und  la,  2  und  2a  u.  s.  w.  Die 
Werte  für  die  Lösungs-  und  Reaktionswärme  (»Kälteeffekte«) 
sind,  wie  üblich,  in  Grammkalorien  angegeben. 

Wie  man  aus  der  Tabelle  ersieht,  liefern  die  größte  Kälte- 
menge die  Mischungen  2  und  3  in  der  ersten   Gruppe,  bei 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure. 


875 


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O 

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1          -                                                 -_    -  . 

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876  L.  Szydiowski, 

Die  spezifische  Wärme  der  Mischungen. 

Die  spezifische  Wärme  der  Lösungen,  welche  die  Kälte- 
mischungen mit  Wasser  lieferten,  wurde  bei  der  Berechnung 
der  Lösungswärme  berücksichtigt.  Die  diesbezüglichen  Werte 
werden  aber  an  dieser  Stelle  nicht  angeführt,  weil  dieselben  für 
die  Definition  der  Kälternischung  ohne  Belang  sind.  Dagegen 
ist  die  Kenntnis  der  spezifischen  Wärme  der  Kältemischungen 
selbst  wichtig,  da  dieselbe  unter  anderem  unerläßlich  ist  für 
die  Berechnung  der  Abkühlungswerte  der  Mischungen. 

Die  spezifische  Wärme  der  Mischungen  läßt  sich  aus  den 
Daten,  die  bei  der  Bestimmung  der  spezifischen  Wärme  der 
Lösungen  erhalten  wurden,  berechnen,  wenn  man  annimmt, 
daß  die  Wasserwerte  der  Lösungen  gleich  sind  der  Summe  der 
Wasserwerte  der  Bestandteile. 

Diese  Annahme  ist  aber  bekanntlich  nicht  einwandfrei,  da 
für  die  Lösungen  von  Salzen  und  Säuren  in  Wasser  (und  die 
Reaktionsprodukte  bestehen  eben  aus  Salzen  und  Säuren)  kein 
durchgreifendes  Gesetz  in  Bezug  auf  die  spezifische  Wärme 
gefunden  werden  konnte.  Da  aber  andrerseits  die  direkte 
Bestimmung  der  spezifischen  Wärme  der  Mischungen  nicht 
unerhebliche  experimentelle  Schwierigkeiten  bietet,  so  teile  ich 
im  folgenden  die  auf  diesem  Wege  gewonnenen  Resultate  mit. 

Die  Werte  sind  direkt  aus  den  Beobachtungsdaten  auf 

Grund  der  Formel  x  = —--5 — j^ berechnet,  wobei 

0  ist  die  durch  das  Einwerfen  des  erhitzten  Quarzes  eingeführte 

Wärmemenge; 
M   der  Wasserwert   des    Wassers    (spezifische   Wärme   des 

Wassers  =  1), 
W  der  Wasserwert  des  Apparates  (Kalorimeter,  Rührer  etc.); 
/i"* — /**  rr  A/''  die  Temperaturerhöhung  nach  Anbringung  von 

sämtlichen  Korrektionen; 
m  das  Gewicht  der  Kältemischung; 
X  die  gesuchte  spezifische  Wärme  der  Mischung. 

Die  erhaltenen  Werte  sind  in  folgender  Tabelle  zusammen- 
gestellt, und  es  bedeuten: 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure. 


877 


100p 


Salz 


in  Prozenten; 


m        Mischung 
5  die  spezifische  Wärme  der  Mischung. 

Die  Versuche,  bei  welchen  konzentrierte  Salzsäure  und 
kristallisiertes  Natriumsulfat  in  ähnlichen  Verhältnissen  ge- 
nommen wurden,  sind  wieder  mit  1  und  1  a  u.  s.  w.  bezeichnet, 
außerdem  sind  in  der  vorletzten  Kolumne  die  Mittelwerte  für  die 
spezifische  Wärme  aus  je  zwei  Versuchen  1  und  1  a  u.  s.  w. 
angegeben.  Die  Mittelwerte  sind  nur  mit  zwei  Dezimalen 
angegeben,  da  schon  die  zweite  Dezimale  unsicher  ist,  indem 
ein  Ablesungs-  oder  Korrektionsfehler  von  0*01  *  die  zweite 
Dezimale  vollständig  verändert.  Gruppen  bedeuten  dasselbe 
wie  früher,  d.  h.  die  Gruppen  der  Versuche  bei  je  zirka  15" 
und  zirka  6°  Anfangstemperatur. 


Tabelle  VIII. 

Spezifische  Wärme. 

t 

Nr. 

lOOp 
m 

1 
1 

Mittel-  • 
*      '  werte  'Gruppe 

für  5  ! 

F                                                               • 

Nr.     '^P 
m 

s 

Mittel- 
werte 
für  s 

Gruppe 

1 

86-69 

0-741 

0-74 

8 

37-73 

0-422 

0-42 

I 

1  a 

86-58 

0-744 

8a 

37-46 

0-422 

o 

79-61 
79-48 

0-850 
0-846 

0-85 

2a 

1 

74-50 

0-752 

0-76 

bei 

3 

79-48 

0-851 

0-85 

\a 

74-37 

0-764 

10-6° 

3^ 

79-38 
74-72 

0-847 
0-769 

4 

0-77 

I 

1 

79-61 

0-819 

0-81 

4  a 

74-56 

0-768 

la 

79-57 

0-795 

5 

5  a 

65-47 
65-37 

0-643 
0-638 

0-64 

2 
2.a 

74-77 
74-44 

0-761 
0-753 

0  76 

II 

6 

62-59 

0-619 

0-62 

3 

66-63 

0-637 

0-64 

Oa 

62-75 

0-614 

3  a 

66-24 

0-641 

7 

53-03 

0-562 

0-55 

7a 

52-97 

0-546 

878 


L.  Szydlowski, 


Die  Temperaturemiedrigungen  und  die  niedrigste  erreichbare 

Temperatur. 

Unter  Benützung  der  Werte  für  die  Reaktionswärme  der 
Mischungen  und  derjenigen  für  die  spezifische  Wärme  lassen 
sich  die  theoretisch  möglichen  Temperaturemiedrigungen  be- 
rechnen. Die  Werte  für  die  Temperaturemiedrigungen  sind  im 
vorliegenden  Falle  die  Quotienten  aus  der  Reaktionswärme  und 

R  W 

der  entsprechenden  spezifischen  Wärme,  also  — ^  ~,  wobei 

i?i  W^  die  Reaktionswärme  pro  1  g  der  Mischung  und  5  deren 
spezifische  Wärme  ist. 

Die  folgende  Tabelle  enthält  diese  Werte  für  die  Anfangs- 
temperatur von  15*.  Zum  Vergleich  mit  den  theoretischen 
sind  auch  die  direkt^  beobachteten  Temperaturerniedrigungen 
angeführt.  Die  Bezeichnungen  sind  dieselben  wie  in  früheren 

R  W 
Tabellen,  wobei  A  /  =  — — ~  ist. 

s 

Tabelle  IX. 


Nr. 

100  ;7 
in 

R,W, 

5 

A/* 

'     Direkt 
beob- 
achtet 

1 

Differenz 

1 

86-6 

35-64 

0-74 

48-2*» 

35-7* 

12-5*» 

2 
3 

79-5 
79-3 

45-34 
45-41 

0-85 
0-85 

53-3 
53-4 

\    39-8 

13-6 

4 

74-6 

42-12 

0-77 

54-7 

36-3 

18-4 

5 

65-4 

34-05 

0-64 

53-2 

36-6 

16-6 

6 

62-7 

30-46 

0-62 

49-1 

36-9 

12-2 

7 

53-0 

22-77 

0-55 

41-4 

33-8 

7-6 

8 

37-6 

12-98 

0-42 

30-9 

29*3 

1-6 

Die  Tabelle  zeigt,  daß  zwischen  den  theoretischen  und 
den  beobachteten  Werten  für  die  Temperaturerniedrigung  sich 


i  Dieselben  sind  der  Tabelle  I  im  Abschnitte  »Direkte  Beobachtungen  der 
Temperaturemiedrigungen«  entnommen. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  879 

große  Differenzen  ergeben.  Diese  können  kaum  durch  die 
»Kälteverluste«  während  der  Ausführung  der  Versuche  erklärt 
werden,  sondern  müssen  vielmehr  eine  andere  Ursache  haben. 
In  der  Tat  hat  man  bei  anderen  Kältemischungen  gefunden^  daß 
die  theoretisch  mögliche  Temperaturerniedrigung  und  das  damit 
zusammenhängende  Temperaturminimum  in  Wirklichkeit  durch 
die  jeweilige  Gefrier-,  beziehungsweise  Sättigungstemperatur 
der  betreffenden  Lösung  beschränkt  wird,  da  bei  dieser 
Temperatur  der  Lösungsprozeß,  welcher  die  eigentliche  Quelle 
der  Kälteerzeugung  ist,  seine  Grenze  erreicht  und  infolgedessen 
auch  die  Kälteerzeugung  aufhören  muß,  beziehungsweise  der 
noch  vorhandene  Überschuß  an  Kälte  zur  Erzeugung  von  Eis 
oder  zur  Abscheidung  von  Salz  verbraucht  wird. 

Die  Bestimmung  der  Sättigungs-,  beziehungsweise  Gefrier* 
temperatur  wurde  auch  bei  der  untersuchten  Kältemischung 
durchzuführen  versucht,  es  hat  sich  dabei  aber  Folgendes 
ergeben. 

L  Die  Reaktionsgemische,  in  denen  den  Analysen  zufolge 
Schwefelsäure  vorhanden  war,  zeigten  keine  konstanten  Gefrier- 
punkte, obwohl  bei  manchen  Versuchen  fast  bis  auf  — 70**  in 
einem  Kohlensäure-Alkoholbade  abgekühlt  wurde. 

2.  In  zwei  Fällen,  wo  die  Ausgangsmaterialien  im  Verhalt- 

Salzsäure 

nisse  ■   .,,,..  ^ — :rr-T-' ttt  =  ^'22 — 0-26  genommen 

kristallisiertes  Natnumsulfat 

wurden,  konnte  ein  gewisser  Stillstand  des  Thermometers 
bei  — 20**  bis  — 22*  beobachtet  werden,  jedoch  waren  die 
Beobachtungsresultate  nicht  genügend  sicher.  Wie  aus  den 
Analysen  zu  ersehen  ist,  bestehen  die  Reaktionsgemische  bei 
diesen  Verhältnissen  zwischen  Salzsäure  und  kristallisiertem 
Natriumsulfat  nur  aus  verdünnter  Salzsäure  und  aus  dem  voll- 
ständig oder  zum  größten  Teile  entwässerten  Natriumsulfat, 
enthalten  dagegen  keine  Schwefelsäure  und  kein  Natrium- 
chlorid. 

3.  Die  Lösungen,  aus  welchen  die  Gemische  teilweise 
bestehen,  sind  schon  oberhalb  von  0*,  daher  weit  oberhalb 
(z.  B.  bei  2"*  in  einem  Falle)  der  beobachteten  niedrigsten 
Temperatur  gesättigt  und  trotzdem  sinkt  die  Temperatur  bis 
— 15  bis  — 19*.  Dieser  scheinbare  Widerspruch  erklärt  sich 

Sit2b.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  58 


880  L.  Szydlowski, 

aber,  wenn  man  annimmt,  dafi  die  Quelle  der  Kälteerzeugung 
im  vorliegenden  Falle  nicht  der  einfache  LösungsprozeS, 
sondern  die  Verflüssigung  des  Kristallwassers  des  kristallisierten 
Natriumsulfats  ist,  wobei  sich  das  kristallwasserfreie  Salz,  bis 
auf  den  geringen  Teil,  der  in  Losung  geht,  sofort  abscheidet. 
Das  Natriumchlorid  wird  den  Analysen  gemäß  ebenfalls  nicht 
gelöst.  Die  durch  Verflüssigung  des  Kristallwassers  entstandene 
Kältemenge  erniedrigt  inzwischen  die  Temperatur  der  Mischung 
weiter,  bis  der  Gefrierpunkt  und  somit  auch  das  Temperatur- 
minimum erreicht  werden. 

Nachdem  das  Reaktionsgemisch  wieder  die  Anfangs- 
temperatur der  Ausgangssubstanzen  erreicht  hat,  lösen  sich 
Natriumsulfat  und  in  Spuren  auch  Natriumchlorid  teilweise  in 
der  vorhandenen  Flüssigkeit  wieder  auf.  Und  aus  diesem 
Grunde  führt  die  Bestimmung  des  Sättigungspunktes  einer 
solchen  Lösung  zu  unbrauchbaren  Resultaten. 

Und  somit  bleibt  im  vorliegenden  Falle  für  die  Bestimmung 
der  niedrigsten  erreichbaren  Temperatur  nur  die  direkte 
Beobachtung  derselben  übrig,  die  wegen  der  dabei  unvermeid- 
lichen Kälteverluste  nur  wenig  genau  sein  kann. 

Der  Abkühlungswert  der  Kältemischung. 

Unter  dem  Abkühlungs werte  einer  Kältemischung  versteht 
man  diejenige  Kältemenge,  die  zur  Abkühlung  eines  fremden 
Körpers  übrig  bleibt,  nachdem  die  Kältemischung  jene  Tempe- 
ratur, auf  welche  abgekühlt  werden  soll,  bereits  erreicht  hat. 

Auf  Grund  der  experimentell  gewonnenen  Daten  lassen 
sich  die  Abkühlungswerte  für  verschiedene  Mischungsverhält- 
nisse mit  der  Formel  R^W^ — 5.A/'  berechnen,  wobei  ÄiTi'j 
wie  früher  die  Reaktionswärme  pro  1  g  der  Mischung,  5  die 
spezifische  Wärme  bei  dem  betreffenden  Mischungsverhält- 
nisse und  A/"*  das  Temperaturintei-vall  von  der  Anfangs-  bis 
zur  Abkühlungstemperatur  bedeuten. 

Die  Abkühlungswerte  sind  für  sechs  Mischungsverhält- 
nisse berechnet,  wobei  die  Anfangstemperatur  15*  geträgt  und 
die  Abkühlungstemperaturen  0,  — ^5,  — lOund  — 15*  sind.  Sonst 
bedeuten  die  Bezeichnungen  dasselbe  wie  in  früheren  Tabellen. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure. 


881 


Tabelle  X. 


Nr. 

100^ 
m 

Abkühlungswert  für 

0* 

— ö*» 

—10« 

— 15« 

1 
2 
3 
4 
5 
6 

86-63 
79-54 
79-30 
74-64 
65-42 
62-67 

24-5 
32-6 
32-7 
30-6 
24-4 
21-2 

20-8 
28-4 
28-4 
26-8 
21-2 
18-1 

17-1 
24-2 
24-2 
22-9 
18-0 
15-1 

13-4 
19-9 
20-0 
19-1 
14-8 
12-0 

Wie  man  aus  der  Tabelle  ersieht,  besitzt  den  größten 
Abkühlungswert  gerade  dasjenige  Mischungsverhältnis,  welches 
auch  den  größten  KälteefTekt  liefert,  nämlich  das  Verhältnis 

^^^=79 -3070  oder  1^0^  =  26- 11. 


V.  Analysen  der  Reaktionsprodukte. 

Um  den  physikalisch-chemischen  Vorgang  in  der  Kälte- 
mischung erklären  zu  können,  wurden  die  nach  beendigter 
Reaktion  entstehenden  Gemische  analysiert. 

Eine  auffallende  Erscheinung  im  vorliegenden  Falle  ist 
die  Entstehung  eines  weißen,  meist  amorphen  Niederschlages 
nach  beendigter  Reaktion,  der  nach  den  bisherigen  Angaben 
hauptsächlich  aus  Natriumchlorid  bestehen  sollte.  Die  Bildung 
des  Natriumchlorids  bei  der  Reaktion  wurde  überhaupt  von 
allen,  die  diese  Kältemischung  erwähnen,  angenommen.  Wenn 
man  beachtet,  daß  die  genaue  Bestimmung  des  Natriumchlorids 
und  die  Abhängigkeit  der  Menge  desselben  von  dem  Verhältnisse 
zwischen  kristallisiertem  Natriumsulfat  und  konzentrierter  Salz- 
säure (Ausgangssubstanzen)  ein  Mittel  gibt  zur  Berechnung 
der  übrigen  Reaktionsprodukte,  so  ist  es  klar,  daß  der  Zweck 
der  folgenden  Analysen  eben  die  Bestimmung  des  Natrium- 
Chlorids    war    und    auch    sein    mußte,    indem    die    direkte 

58* 


882  L.  Szydlowski, 

Bestimmung  der  übrigen  Reaktionsprodukte  im  vorliegenden 
Falle  so  gut  wie  unmöglich  war. 

Die  Analysen  der  Reaktionsgemische  wurden  in  folgender 
Weise  ausgeführt. 

Kristallisiertes  Natriumsulfat  in  Form  des  feinen  Kristall- 
mehls wurde  in  einem  Wägegläschen  abgewogen  und  mit  kon- 
zentrierter Salzsäure  versetzt.  Nachdem  die  Reaktion  beendigt 
war  und  die  Mischung  wieder  die  Anfangstemperatur  der  Aus- 
gangssubstanzen erlangt  hatte,  und  zwar  bei  einer  Reihe  der 
Versuche  möglichst  dieselbe  Temperatur,  wurde  wieder  gewogen. 
Die  Differenz  der  beiden  Wägungen  ergab  dann  das  Gewicht 
der  Salzsäure.  Darauf  wurde  das  Gemisch  durch  einen  in 
üblicher  Weise  hergestellten  und  auf  Gewichtskonstanz  ge- 
prüften Goochtiegel  quantitativ  filtriert,  möglichst  vollständig 
abgesaugt  und  mit  einer  gemessenen  Menge  99prozentigen 
Äthylalkohols  nachgewaschen. 

Da  nach  dem  Schema: 

Na,SO^.10H,O+2HCl  =  2NaCl-4-HS2O4+10H,O 

in  dem  Reaktionsgemisch  Natriumchlorid,  Schwefelsäure  und 
eventuell  unverändertes  Natriumsulfat  und  überschüssige  Salz- 
säure sein  konnten  und  da  aus  dem  festen  Rückstande  die 
letzten  Reste  von  Salz-  und  Schwefelsäure  entfernt  sein  sollten, 
so  mußte  der  Waschalkohol  auf  Salz-  und  Schwefelsäure 
geprüft  werden.  Die  Prüfung  konnte  sich  aber  nur  auf  Schwefel- 
säure erstrecken,  weil  das  Natriumchlorid  in  Alkohol  löslich  ist 
und  daher  beim  Auswaschen  mit  in  Lösung  geht,  während 
Natriumsulfat  in  Alkohol  unlöslich  ist.  Das  Auswaschen  wurde 
deshalb  nur  so  lange  fortgesetzt,  bis  eine  Probe  des  Wasch- 
alkohols nach  dem  Verdünnen  mit  Wasser  keine  Schwefelsäure- 
reaktion  mehr  zeigte,  was  in  der  Regel  schon  nach  einigen 
Füllungen  des  Goochtiegels  mit  Alkohol  der  Fall  war.  Schließ- 
lich wurde  der  Tiegel  samt  dem  Inhalte  getrocknet  und  bis  zur 
Gewichtskonstanz  schwach  geglüht. 

Die  Menge  der  getrockneten  Substanz  stellte  nicht  genau 
diejenige  des  festen  Rückstandes  im  Reaktionsgemische  dar, 
sondern  war  etwas  größer,  weil  beim  Nachwaschen  aus  den 
im   Wägegläschen   und    im   Tiegel   vorhandenen  Resten   der 


Kältemischung  aus  Natrtumsulfat  und  Salzsäure.  883 

Lösung  durch  den  Alkohol  das  gelöste  Salz  mitgefällt  wurde. 
Für  die  Bestimmung  der  Gesamtmenge  des  sich  bei  der  Reaktion 
bildenden  Natriumchlorids  ist  aber  dieser  Umstand  ohne  Belang. 
Dagegen  mußte  bestimmt  werden,  wieviel  Natriumchlorid  der 
abgesaugte  Rückstand  enthält,  weil  die  Vorversuche  gezeigt 
hatten,  dafi  derselbe  nicht  nur  aus  Natriumchlorid  besteht, 
sondern  auch  Natriumsulfat  enthält.  Zu  dem  Zwecke  wurde 
der  Goochtiegelinhalt  mittels  Durchsaugens  von  Wasser  quanti- 
tativ gelöst  und  in  der  Lösung  die  Chlorbestimmung  ausgeführt. 
Bei  der  Berechnung  des  Wertes  des  sich  in  der  Kältemischung 
bildenden  Natriumchlorids  mußte  außerdem  berücksichtigt 
werden,  daß  ein  geringerer  Teil  desselben  beim  Nachwaschen 
des  Absaugrückstandes  mit  Alkohol  in  Lösung  geht,  und  infolge- 
dessen mußte  die  entsprechende  Korrektion  angebracht  werden. 
Zur  Kontrolle,  ob  der  ganze  Inhalt  des  Goochtiegels  gelöst 
worden  war,  wurde  der  leere  Tiegel  getrocknet  und  wieder 
gewogen. 

Weiter  mußte  untersucht  werden,  ob  nicht  ein  Teil  des 
Natriumchlorids  in  dem  Filtrate  des  Goochtiegelrückstandes  sich 
befindet.  Zu  dem  Zwecke  wurde  die  Lösung  zuerst  mit  Alkohol 
und  dann  noch  mit  Äther  versetzt,  und  zwar  so  lange,  als  noch 
eine  merkliche  Abscheidung  stattfand,  dann  das  Ganze  durch 
einen  Goochtiegel  abgesaugt,  mit  wenig  Alkohol  nachgewaschen 
und  getrocknet,  schließlich  bis  zur  Gewichtskonstanz  schwach 
geglüht.  Der  Goochtiegelinhalt  wurde  dann  mittels  durch- 
gesaugten Wassers  gelöst  und  auf  Chlor  geprüft.  Dabei  zeigte 
sich,  daß,  ausgenommen  den  Versuch  II,  bei  weichem  eine 
sehr  schwache  Fällung  beobachtet  wurde  (gefunden  O'OT^o 
des  theoretischen  Wertes*),  beim  Versetzen  der  Lösung  mit 
Silbemitrat  entweder  keine  oder  nur  eine  äußerst  schwache 
Opaleszenz  entstand,  was  darauf  hinweist,  daß  in  der  abgeschie- 
denen Substanz  kein  Natriumchlorid  vorhanden  war,  denn 
dieses  hätte  doch  wenigstens  zum  Teil  mitabgeschieden  werden 
müssen,  wenn  es  in  der  Lösung  vorhanden  war.  Die  abgeschie- 
dene Substanz  wurde  als  reines,  wasserfreies  Natriumsulfat 

1  Unter  dem  »theoretischen  Werte«  versteht  sich,  wie  weiter  unten  aus- 
einandergesetzt ist,  derjenige  Wert  (lir  das  Na  Gl,  welcher  erhalten  werden 
sollte,  wenn  das  ganze  Natriumsulfat  in  Chlorid  verwandelt  wäre. 


884  L.  Szydlowski, 

erkannt.  Die  Fällung  des  letzteren  war  allerdings  nicht  quanti- 
tativ, da  sich  beim  Umrechnen  der  Werte  des  erhaltenen 
wasserfreien  Natriumsulfats  und  des  Natriumchlorids  auf  das 
angewandte  kristallisierte  Natriumsulfat  zeigte,  daß  die  Werte 
des  gefundenen  Salzes  um  0*54  bis  2*63  Vo  niedriger  waren 
als  diejenigen  des  angewandten.  Da  es  sich  aber  bei  den 
beschriebenen  Versuchen  um  die  Bestimmung  des  Natrium- 
chlorids und  nicht  um  diejenige  des  Sulfats  handelte,  so  ist  jene 
Abweichung  ohne  Belang. 

Aus  der  Menge  des  gefundenen  Natriumchlorids  lassen 
sich  die  übrigen  Bestandteile  des  Reaktionsgemisches,  und  zwar 
die  Schwefelsäure,  die  nicht  in  die  Reaktion  eingetretene  Salz- 
säure und  schließlich  das  wasserfreie  Natriumsulfat  berechnen. 
Eine  solche  Berechnung  ist  leicht  an  der  Hand  der  weiter  unten 
mitgeteilten  Werte  auszuführen.  Dieselbe  wurde  aber  unter- 
lassen, weil  sie  für  den  speziellen  Zweck  der  vorliegenden 
Untersuchung,  nämlich  die  Auffindung  desjenigen  Mischungs- 
verhältnisses zwischen  Salzsäure  und  kristallisiertem  Natrium- 
sulfat, bei  welchem  die  meiste  Wärme  absorbiert  wird,  ohne 
Belang  ist,  und  infolgedessen  wurden  die  bei  den  Analysen 
gewonnenen  Resultate  in  einer  anderen,  weiter  unten  beschrie- 
benen Weise  verwendet. 

Bei  der  Bestimmung  des  Natriumchlorids  wurde  gefunden, 
daß  es  Mischungsverhältnisse  gibt,  bei  welchen  dasselbe  nur  in 
Spuren  nachzuweisen  war  (weniger  als  O'lOVo  ^®s  theoreti- 
schen Wertes).  Diese  geringen  Mengen  können  wohl  den  Ver- 
suchsfehlern zugeschrieben  werden,  woraus  folgt,  daß  es 
Mischungsverhältnisse  gibt,^  bei  welchen  kein  Natriumchlorid 
sich  bildet  und  der  in  der  Mischung  vorhandene  Niederschlag 
nur  aus  Natriumsulfat  besteht.  Wie  aus  der  Tabelle  zu  ersehen 
ist,  ist  dies  der  Fall  bei  den  Versuchen  1  und  1  a,  bei  welchen 

Säure 

-— —  =  0*15,  beziehungsweise  0"14  war.  Außerdem  wurde 


1  Sehr  kleine  Mengen  Natriumchlorids  müssen  sich  allerdings  schon  im 
ersten  Momente  bei  dem  Zusammentreffen  der  Salzsäure  mit  dem  kristallisierten 
Natriumsulfat  bilden.  Die  Salzsäure  soll  übrigens  tropfenweise  und  unter 
beständigem  Umrühren  zugesetzt  werden,  damit  nicht  an  irgend  einer  Stelle  viel 
Säure  mit  wenig  Salz  in  Berührung  kommt. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  885 

beobachtet,  daß  bei  diesen  Verhältnissen  zwischen  den  Aus- 
gangssubstanzen der  Niederschlag  im  Reaktionsgemische  aus 
amorpher  und  aus  kristallinischer  Substanz  bestand,  woraus 
zu  schließen  ist,  daß  dabei  wahrscheinlich  nicht  die  ganze 
Masse  des  kristallisierten  Natriumsulfats  in  das  kristallwasser- 
freie Salz  verwandelt  wurde.  Bei  den  Versuchen  2  und  2  a 
/Säure 


— 


kristallisiertes  Natriumsulfat  f — 2.     )  aufgetragen  sind  und  daß 


.  zu  0*281  wurde   nur  wenig  Natriumchlorid  gefunden, 

bei  den  Versuchen  3  bis  5  schon  viel  mehr,  bis  endlich  bei  den 

-  — j —  =  3"65 1  fast  sämtliches  Natrium- 
sulfat in  Chlorid  verwandelt  war. 

Drückt  man  die  gefundenen  Werte  für  das  Natriumchlorid 
in  Prozenten  desjenigen  Wertes  aus,  welcher  erhalten  werden 
sollte,  wenn  das  ganze  angewandte  Natriumsulfat  in  Chlorid 
verwandelt  wäre  (»theoretischer  Wert«),  so  erhält  man  die 
Daten,  die  in  den  Tabellen  aufgeschrieben  sind.  Stellt  man 
weiter  die  erhaltenen  Resultate  graphisch  in  der  Weise  dar, 
daß  auf  der  Abszissenachse  die  Prozente  der  Salzsäure  auf  1  g 

P 
die  entsprechenden  Ordinaten  die  gefundenen  Werte  für  das 

Natriumchlorid  in  Prozenten  des  theoretischen  Wertes  dar- 
stellen, so  ersieht  man  aus  der  Fig.  3,  daß  die  Verbindungs- 
linie der  Endpunkte  der  Ordinaten  für  die  Werte  der  Ver- 
suche 2,  3  und  4  eine  sehr  schwach  nach  oben  gekrümmte 
Kurve  ist.  Um  den  Schnittpunkt  dieser  Kurve  mit  der  Abszissen- 
achse zu  finden,  verlängert  man  die  Verbindungsgerade  der 
Endpunkte  der  Ordinaten  für  Versuch  2  und  3  bis  zum  Schnitt- 
punkte mit  der  Abszissenachse,  wobei  der  begangene  Fehler 
infolge  der  äußerst  geringen  Krümmung  der  Kurve  in  dem 
Falle  kein  großer  sein  kann. 

Wie  man  aus  der  Fig.  3  ersieht,  wird  die  Abszissenachse 
etwa  bei  53  geschnitten,  was  nach  dem  Maßstabe  26*57o  ^^"" 
zentrierter  Salzsäure  entspricht;  dies  bedeutet,  daß  bei  einem 

.r    u-M*  •  konzentrierte  Salzsäure  ^  ^-_  .      ,     ^ 

Verhaltnisse  -;— : — -r-: r; — : r;: —  ==  0  265  m  der  Re- 

kristallisiertes  Natriumsulfat 

aktionsmasse   kein    Natriumchlorid   sich    bilden    soll.    Dieses 


886 


L.  Szydlowski, 


Resultat  ist  sehr  beachtenswert,  wenn  man  berücksichtigt,  daß 
bei  Anwendung  einer  Salzsäure  von  derselben  Konzentration 
und  bei  fast  demselben  Verhältnisse  zwischen  den  Ausgangs- 
substanzen bei  15*  Anfangstemperatur  kalorimetrisch  der 
größte  Kälteeflfekt  gefunden  wurde.  Näheres  darüber  im 
Schlußworte. 

Um  die  Abhängigkeit  der  Menge  des  Natriumchlorids  von 
der  Temperatur  der  Ausgangssubstanzen  zu  bestimmen,  wurden 
das  kristallisierte  Natriumsulfat  und  die  konzentrierte  Salzsäure 


100 

90 
MO 
70 
CO 
SO 
40 
30 
SO 
10 


-- 

— 

/ 

/^ 

1 

1 

y 

A 

1 

4 

y^ 

1 

—4 

1 

A 

y 

! 

-1 

A 

/ 

y 

/ 

i 

— 1 

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1      ; 

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1 

1 

1 

1 

u 

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0 

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4 

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J     c 

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9 

9 

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£ 

10      £ 

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1 

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10     Ü 

W     li 

PO      Jl 

10 

J! 

w     t 

00 

sio    r 

B0      £30 

XK 

Fig.  3.  Maßstab:  1  mm=r  10/^  Salzsäure,  respektive  \%  NaCl  (des  theoreti- 
schen Wertes). 

vor  der  Reaktion  zuerst  auf  0*  abgekühlt  und  das  Reaktions- 
gemisch auch  bei  0"*  (annähernd)  abgesaugt.  Dabei  wurde  ge- 
funden, daß  die  experimentell  bestimmten  Werte  sich  nur  sehr 
wenig  von  den  durch  Interpolation  aus  der  Fig.  3  gefundenen 
unterscheiden  und  daher  die  Abweichungen  wahrscheinlich  auf 
die  Versuchsfehler  zurückzuführen  sind.  So  erhält  man  bei  0* : 


Gefunden 

Versuch  1 33-377o 

Versuch  2 40*40 


Interpoliert 

32 • 75  Vo 
40-50 


Daraus  folgt,  daß  bei  0  bis  15*  Anfangstemperatur  dieselbe 
wahrscheinlich  ohne  merklichen  Einfluß  auf  die  Menge  des 
sich  bildenden  Natriumchlorids  ist. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure. 


887 


Obwohl  die  beschriebene  Methode  keinen  Anspruch  darauf 
macht,  eine  einwandfreie,  quantitativ-analytische  zu  sein,  so 
erfüllt  dieselbe  ihren  speziellen  Zweck,  indem  sie  das  oben 
erwähnte,  für  die  Definition  des  günstigsten  Mischungsverhält- 
nisses wichtige  Ergebnis  liefert  und  überhaupt  die  zur  Erklärung 
des  chemischen  Vorganges  in  der  Kältemischung  nötigen  Tat- 
sachen gibt. 

Die  Resultate  sind  in  der  folgenden  Tabelle  zusammen- 
gestellt, wobei  die  Bezeichnungen  dasselbe  wie  früher  bedeuten. 
>  Prozente  NaCU  bedeutet  das  gefundene  Natriumchlorid  in 
Prozenten  des  theoretischen  Wertes. 

Tabelle  XI. 
Versuche  mit  36*67prozentiger  Salzsäure. 

Anfangstemperatur  15  bis  16^. 


Nr. 

P 

^ 

100^ 
P 

Prozente 
NaCl 

1 

16-7534 

2-5080 

14 -970/0 

0-040/0 

la 

15-8367 

2-1918 

13-84 

0-02 

2 

19-4686 

5-5232 

28-40 

2-16 

2a 

17-4967 

4-9288 

28-17 

2-01 

3 

11-0175 

5-6882 

51-63 

26-40 

9a 

12-1545 

6-2912 

51-76 

26-79 

4 

7-5199 

5-5028 

73-18 

44-54 

4a 

8-1178 

5-9625 

73-45 

44-95 

5 

4-5126 

4-9857 

110-48 

49-67 

5a 

5-6715 

6-2472 

110-15 

49-17 

6 

6-1560 

22-4740 

365 • 07 

99-46 

6a 

6 • 6498 

24-2580 

364-79 

99-57 

Schlußwort. 

Die  Resultate  der  Untersuchung  lassen  sich  in  folgender 
Weise  zusammenfassen: 

1.  Zur  Herstellung  der  Kältemischung  eignet  sich  am 
besten  die  konzentrierteste  Salzsäure,  weil,  je  konzentrierter 


888  L.  Szydlowski, 

die  Säure,  desto  weniger  von  derselben  erforderlich  ist,  um  den 
größten  Kälteeffekt  pro  1  g  der  Mischung  zu  erzielen.  Der  Grad 
der  Konzentration  der  Salzsäure  ist  nur  durch  die  Haltbarkeit 
derselben  bei  der  günstigsten  Anfangstemperatur  der  Ausgangs- 
substanzen begrenzt. 

Bei  der  Untersuchung  wurde  eine  36'5prozentige  Salz- 
säure und  das  kristallisierte  Natriumsulfat  in  Form  des  feinen 
Kristallmehls  angewendet. 

2.  Aus  der  Vergleichung  der  Resultate  der  Messungen  bei 
verschiedenen  Anfangstemperaturen  folgt,  daß  der  KälteefTekt 
der  Mischung  desto  größer,  je  höher  die  Anfangstemperatur 
ist.  Daher  ist  die  hiefür  günstigste  Anfangstemperatur  eben 
diejenige  höchste  Temperatur,  welche  durch  die  Haltbarkeit 
der  Substanzen  gestattet  ist.  Da  eine  konzentrierte  Salzsäure 
oberhalb  von  25*  schon  erheblich  zu  rauchen  beginnt  und  auch 
das  kristallisierte  Natriumsulfat  sich  bei  höheren  Temperaturen 
schlecht  hält,  so  dürfte  eine  Anfangstemperatur  von  20  bis  25° 
die  günstigste  sein. 

3.  Als  das  günstigste  Mischungsverhältnis  zwischen  kon- 
zentrierter Salzsäure  und  kristallisiertem  Natriumsulfat  wurde 
dasjenige  gefunden,  bei  welchem  in  der  Reaktionsmasse  sich 
kein  Natriumchlorid  bildet. 

4.  Beachtet  man,  daß  die  Entstehung  des  Natriumchlorids 
und  der  Schwefelsäure  und  die  Hydratation  der  letzteren  mit  der 
Entwicklung  von  positiver  Wärme  verbunden  sind*  und  infolge- 
dessen den  definitiven  Kälteeffekt  vermindern  und  daß  ferner 
die  Quelle  der  Kälteentwicklung  die  Verflüssigung  des  Kristall- 


1  Daß  dies  wirklich  der  Fall  ist,  läßt  sich  nicht  nur  theoretisch  begründen, 
sondern  wurde  auch  von  mir  im  Bunsen'schen  Eiskalorimeter  direkt  nach- 
gewiesen. Es  wurden  Versuche  angestellt,  um  die  Wärmemenge  zu  bestimmen, 
die  bei  der  Einwirkung  von  konzentrierter  Salzsäure  auf  das  entwässerte 
Natriumsulfat  entbunden  wird.  Genaue  Messungen  sind  aber  hiebei  schwer 
durchzufuhren,  weil  die  Substanzen  sich  im  Innern  des  Kalorimeters  nicht 
innig  genug  zusammenmischen  lassen.  Das  wasserfreie  Natriumsulfat  ballt 
sich  nämlich  unter  Einwirkung  von  konzentrierter  Salzsäure  zu  festen  Klumpen 
zusammen,  wodurch  die  Genauigkeit  der  Messungen  sehr  beeinträchtigt  wurde. 
Jedoch  stellt  der  jedesmal  beobachtete  beträchtliche  Rückgang  des  Quecksüber- 
fadens  im  Skalenrohr  die  Tatsache  der  Entwicklung  von  positiver  Wärme 
zweifellos  dar. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  889 

Wassers  ist  und  diese  letztere  von  der  Anfangstemperatur  ab- 
hängt, so  lassen  sich  die  Bedingungen  über  die  günstigste 
Anfangstemperatur  und  das  günstigste  Mischungsverhältnis 
folgendermaßen  zusammenfassen : 

Das  günstigste  Mischungsverhältnis  und  die  günstigste 
Anfangstemperatur  der  Ausgangssubstanzen  ist  dasjenige 
Mischungsverhältnis  und  diejenige  Temperatur,  bei  welchen 
das  ganze  Kristallwasser  verflüssigt  und  kein  Natriumchlorid 
in  der  Reaktionsmasse  gebildet  wird.  Experimentell  wurde 
ein  diesen   Bedingungen   nahezu    entsprechendes   Verhältnis 

Salzsäure  ^  «y.*»       /.      , 

,   .  ^  „.  .  _^ rr-r^ r?-:  =■  0-265  gefunden,  und  zwar  für 

kristallisiertes  Natnumsulfat 

eine  36"5prozentige  Säure  und  eine  Anfangstemperatur  von 

-+-15^ 

5.  Bei  fast  demselben  Verhältnisse^  wurde  auch  die  niedrig- 
ste Temperatur,  nämlich  — 18-6*  und  die  größte  Temperatur- 
erniedrigung von  39 -6** beobachtet;  diesem  Mischungsverhält- 
nisse kommt  auch  der  größte  Abkühlungswert  zu. 

Das  hiemit  gewonnene  Resultat  hat  auch  in  ökonomischer 
Hinsicht  eine  gewisse  Bedeutung.  Es  stellt  sich  nämlich  erstens 
heraus,  daß  man,  um  das  günstigste  Resultat  zu  erzielen,  viel 
weniger  Salzsäure  braucht,  als  in  der  bisherigen  Vorschrift  an- 
gegeben ist,  und  zwar  statt  0  •  625  g  Salzsäure  auf  1  g  Natrium- 
sulfat (oder  auf  8  Teile  Glaubersalz  5  Teile  Salzsäure). nur 
0*265^,  daher  weniger  als  die  Hälfte. 

Zweitens  wird  die  Wiedergewinnung  der  Ausgangs- 
materialien dadurch  erheblich  vereinfacht,  indem  bei  dem  ge- 
fundenen günstigsten  Mischungsverhältnisse  die  Reaktions- 
masse nur  aus  Natriumsulfat  und  verdünnter  Salzsäure  besteht 
und  weder  Natriumchlorid  noch  Schwefelsäure  enthält.  Die 
Trennung  des  Natriumsulfats  von  der  Salzsäure  läßt  sich  leicht 
erreichen,  indem  man  die  Reaktionsmasse  abkühlt  (womöglich 
auf  0**),  wobei  sich  das  Natriumsulfat  fast  vollständig  abscheidet. 
Dieses  kann  abgesaugt  und  durch  Umkristallisieren  wieder  in 
das  kristallisierte  Natriumsulfat  verwandelt  werden.  Die  Salz- 


Säure 

1   =  0-258. 

Salz 


890  L.  Szydlowski, 

säure  läßt  sich  aus  der  Lösung  abdestillieren,  wobei  man  eine 
reine  verdünnte  Säure  erhält.^ 

Es  bleibt  schließlich  noch  die  Erörterung  der  in  der  Ein- 
leitung erwähnten  theoretischen  Fragen  übrig.  Wie  aus  den 
dort  angeführten  Zitaten  zu  ersehen  ist,  wurde  angenommen, 
daß  der  Vorgang  der  Kälteerzeugung  in  dem  vorliegenden  Falle 
auf  dem  Stattfinden  der  chemischen  Reaktion  zwischen  Natrium- 
sulfat  und  konzentrierter  Salzsäure  beruht,  d.  h.  daß  mit  Hilfe 
der  bei  dieser  Reaktion  entwickelten  Wärme  die  Verflüssigung 
des  Kristallwassers  bewerkstelligt  wird.  Dieses  ist  aber  im 
allgemeinen  nicht  der  Fall.  Die  Tatsache,  daß  es  eine  Reihe 
von  Mischungen  gibt,  bei  denen  die  erwähnte  Reaktion  gar 
nicht  stattfindet  (Mischungen  mit  wenig  Salzsäure),  und  das 
Ergebnis  der  Untersuchung,  daß  den  größten  Kälteeffekt  eben 
dasjenige  Mischungsverhältnis  zwischen  konzentrierter  Salz- 
säure und  kristallisiertem  Natriumsulfat  liefert,  bei  welchem 
das  ganze  Kristallwasser  verflüssigt  und  dabei  kein  Natrium- 
chlorid gebildet  wird,  zeigen,  daß  zur  Verflüssigung  des 
Kristallwassers  die  lösende  Kraft  der  Salzsäure  und  die  bei 
der  Hydratation  der  letzteren  entstehende  Wärme  genügen. 
Dagegen  ist  der  Überschuß  der  Salzsäure  nur  schädlich,  indem 
dadurch  die  mit  der  Wärmeentwicklung  verbundene  Reaktion 
entsteht.  Dieses  gilt  allerdings  nur  für  die  Anfangstemperaturen 
oberhalb  von  0**  und  hauptsächlich  für  15**  und  darüber.  Bei 
0**  dagegen  sind  die  Verhältnisse  komplizierter.  Den  größten 
KälteefTekt  liefert  bei  15*    eine   Mischung  vom   Verhältnisse 

Säure 

-^-j—  =:  0*26  (45 -4  cal.  pro  1  g  der  Mischung),  dagegen  steigt 

dieses  Verhältnis  bei  0**  bis  etwa  0-5  (31*0  cal.  pro  \g  der 
Mischung);  der  Kälteeffekt  erreicht  aber  den  Wert,  welchen  er 
bei  15*  hat,  nicht.  Das  bedeutet,  daß  bei  0*  zur  Verflüssigung 
des  Kristallwassers  die  lösende  Kraft  der  Salzsäure  allein  nicht 
genügt  und  daß  Wärme  zugefügt  werden  muß,  um  den  Rest 


1  Ein  umgekehrtes  Verfahren,  nämlich  die  Salzsäure  aus  der  Reaktions- 
masse zuerst  abzudestillieren,  dürfte  sich  kaum  empfehlen,  weil  am  Ende  der 
Destillation  bekanntlich  eine  Salzsäure  von  zirka  20%  HCl  entstehen  würde, 
welche  auf  das  Natriumsulfat  im  Sinne  der  Bildung  von  Natriumchlorid  ein- 
wirken könnte. 


Kältemischung  aus  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  89 1 

des  Kristallwassers  zu  verflüssigen.  Diese  Wärme  wird  durch 
die  chemische  Reaktion  geliefert,  das  Gesamtresuttat  in  Bezug 
auf  die  Kälteentwicklung  wird  aber  dadurch  erniedrigt.  Die 
Hauptquelle  der  Kälteerzeugung  ist  jedoch  in  allen  Fällen  die 
Verflüssigung  des  Kristallwassers  durch  die  Salzsäure,  während 
die  chemische  Reaktion  entweder  nur  untergeordnete  Bedeutung 
besitzt,  wie  bei  0**  Anfangstemperatur,  oder  direkt  überflüssig 
ist,  wie  gegen  15**. 

Was  schließlich  die  Frage  anbetrifft,  ob  der  Vorgang  in 
der  Kältemischung  dem  Prinzipe  des  Arbeitsmaximums  ent- 
spricht oder  nicht,  so  muß  hervorgehoben  werden,  daß  derselbe 
dieses  Prinzip  weder  bestätigen  noch  widerlegen  kann,  weil 
dieser  Vorgang  selbst  keineswegs  einheitlicher  Natur  ist,  sondern 
sich  aus  mehreren  grundverschiedenen  Vorgängen  zusammen- 
setzt. In  der  Tat  besteht  der  Vorgang,  abgesehen  von  sekun- 
dären Prozessen  (Hydratation,  Lösung  etc.)  hauptsächlich  in 
der  Verflüssigung  des  Kristallwassers  und  bei  überschüssiger 
Salzsäure  außerdem  in*  der  chemischen  Umsetzung  zwischen 
Natriumsulfat  und  Salzsäure.  Der  erste  Vorgang  ist  die  Über- 
führung des  Wassers  in  einen  höheren  Aggregatzustand  und 
als  solcher  mit  einem  Wärmeverbrauch  verbunden.  Sobald  aber 
die  Konzentration  der  Salzsäure  eine  gewisse  Grenze  über- 
schreitet, beginnt  der  zweite  Vorgang,  nämlich  die  Wechsel- 
wirkung zwischen  Natriumsulfat  und  Salzsäure.  Der  letztere 
entspricht  vollständig  dem  Prinzipe  des  Arbeitsmaximums,  so 
weit  das  Prinzip  selbst  Geltung  hat,  was  eben  bei  niederen 
Temperaturen  der  Fall  ist,  indem  bei  diesen,  wie  aus  der  Regel 
von  Le  Chatelier  folgt,  vorzugsweise  diejenigen  Reaktionen 
vor  sich  gehen,  die  mit  Wärmeentwicklung  verbunden  sind. 


l 


.8dd  — "föd  .q  tC^Oei)  Oi  I  .ba  ,JdA  .B II  ,.b»3lA  lansiW  wb  .laH  .s»i2 


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«(\0(^l)  811  .ba  ,.idA  .bII  ,.bB^A  lanoiW  19b  .19B  .sii2  ,.H  jIbaii»:) 

.8ea— Tod  ,q 


/)  ®00g  bfiiJ  0  ndrioaivfs  i)l9tl9i9ill9M  19G  (ii98ia-fiJÜfiJÜ«iioX 
,(TOei)  an  .ba  «.IdA  .bII  ,.bB}lA  i9n9iW  19b  .i9ti  .siia  ,/l  31601190 

.8d0 — Tod  .q 


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,(TOßl)  an  .ba  ,.ldA  .bII  ,.bB>IA  lanaiV/  i9b  .108  .äJiZ  ,.4  alBinigO 

.808—708  .q 


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.a^Bvl  19b  ohlsmodO  19 b  <^9SiBsLB}n9rn 
.i)f)l—QhH  .q  ,(VOei)  ai  I  .ba  ,.idA  .ß  il  ,.bAjlA  i9n9iW  i9b  .isfl  .xii2 


.99BJ  19b  oht»mo90 
an   .ba   ,.ldA  .bII  ,.bB}<A  i9fl9iW  19b   .19a   .sii2   ,.ii    W  19X9M 

,007-088  .q  ,(TOei) 


.—  19b  9hi9aio90  (S^aJ 
an   .ba  ,.ldA   .aII  ,.bB)JA  i9n9iW  19b  .19a   .sliS  ..i*?  .W  19X»M 

.007—088  .q  ,(7001) 


.^^aJ  lab  9tii9rnod0  i9b  nt  sjfic:lA}n9fnAbnii'?  i9il9a')bifjUeä  .v 
811    .ba   ,JdA  .All  (.bAjIA  i9n9iV/  19b  .198   .s}i2  ..i*^  .W  i9i(9M 

.007—088  .q  ,(7001) 


-090  19b  ai&iAzUitt^aiAbnu'H  n9rioa'}buA)2  .v  89ni9  9nulbnAri9a  9flo«ijitd9^tA 

"*-  .98aJ  19b  9a}9m 

811  .ba  ,.)dA  .All  ,.bA]fA  i9n9tW  19b  .19a  .s}t2  «.i*?  .W  19^9!/. 

.007— 088. q  ,(7001) 

.lhqA,fiII  .tri/. 


.M^yfT  $1,  1^4  J86hw0i4^r  £••  y,.^   Untorsucbun^en  über  irf^dioaktive   Sub- 
stapzen, .  (X>  MitteU,ung.).,Über  die  ZeifallskoastAnta  von  Radium  Z>. 

SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  V  a,  Abt»  Bd.  116  (1907),  p.  701—7 13.  • 


Schweidler  E.,  v.  und  Meyer  St^    Untersuchungen  über  radioaktive  Sub- 
,  stanzen.  (X.  Mitteilung.)  Ober  die  Zerfallskonstante  von  Radium  D. 
SiU^.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  11  a.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  701—713. 


■  »  X-        « 


'  J        •  I  i      !•  I 


Rftdloaktive  Substanzen,  Untersuchungen  über .  (X.  Mitteilung.)  Ober 

die  Zerfallskonstante  von  Radium  D. 

Meyer  St  und  Schweidler  E.,  v.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad., 
^^"llra:'9Ä)t.,'fifd.  11»(11W7),  p.  701— 713. 

Radium  Z)^  Ober  die  Zerfallskonstante  von  — .  Untersuchungen  über  radio- 
aktive Substanzen.  (X.  Mitteilung.) 

Meyer  St  und  Schweidler  E.,  v.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad., 
•  IP4.  Abt.,  ^A.  1 16  t1«>9),  f  J'^Ot-^riS. 

\      .  \  v  ■        •  '     •         '  • 


»  ,  < 


Rsiba  K«,  Änderung  des  Peltiereffektes  Ni-Cu  zwischen  20  und  800*  C. 

.. :,  Süz-Ber.^eriWMOer Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  1 16  (1907),  p.  715—722. 


Peltiereffekt  Ni-Cu,  Änderung  desselben  zwischen  20  und  800*  C. 

Rziha  K.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907), 

,..IV.7i5-7;2.. 

,  <-  I  I         ■     ■  .    .  .  .  ' 

Ni-Cü,  Änderung  des  Pelttereffekies  zwischen  20  und  800*  C. 

Rziha  K.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116(1907), 
p.  715—722. 

'         1  V 

■•Kt*f  '  *"  '','1  •  ' 


»  .»        '  . 


1-..   V. 


Obemayer  A.  y^  Gewittef1>eobaehtungen  und  Gewitterhäuflg^ek  an  einigen 
meteorologischen   Beobachtungsstationen    der  Alpen,    insbesondere   an 
'    ii'>'<]|piblitttii>neti;  •  >•  ' 

Sit».  Ber.  der  W1en^Akatf./fla.  Abt,  B4.  l|»(tW7),  >.  '^^-^7%^. ' 


Gewltterbeobachtwngen  und  GewltterhäuAgkeit  an  einigen  meteorologischen 

, .  « ^ohafbtuj^atationen  4^r  Alpen,  insbesondere  an  Gip(«l8lationen. 

.  .Obermayer  A.,y^  Sitz,  Ber.  der  Wiener  Akad^  IIa,  Abt,  Bd.  116 
(1907),,p'.  723— 758,    . :    .  \.     ;        v.i    r  . 


l 


0  ^Od6  bnu  0  nsrlci^i'^s  nainBizno'A-n^in'd  i>(9t'tai»ilt9^  19(1  ,M  jUmidD 
.8H0— 7ßd  .q  «(fOei)  Ol  I  .ba  ,.idA  .b  II  ,.b*jlA  idndiW  i9b  .1*8  .5*12 


,(70ej)  811  .ba  ..icTA  .all  «.bB^A  idnaiW  lab  .198  .sif2  ,.M  ^Bmi9v0 

.Söd—TöÖ  .q 


.')  ^Odö  bnu  0  n9doetws  l}l9Y)9i9ii{9'l  19G  (asaia-nBlaAlano)! 
,{\OQi)  öll    ba  ,.)dA  ,«I!  ,.ba)IA  i9n9iW  19b  .198  .sii8  ,.M  jlBnn90 

.886—^08  .q 


.0  ^Obö  bnu  o  n9ri'jfii7/s  nBinBleno>I-n9ei3  i3l9D9i9iil9S  19G  ,i3l9ll9i9Ül9^ 
,(TOßI)  811  .ba  ,.)dA  .bII  ,.bB3«A  i9n9iV/  i9b  .198  .sJi8  ,.*!  ^BimgO 

.888—708  .q 


•BbnuH  norioe'ibuBi^  .v  89nr9  jgnulbnBri»a  n9d9<iiBid9)9lB  luS  ,.1^  «W  19X9M 

.9^J  19b  9rii9mo90  19b  '>9Si6alA}n9ni 
.ry)7 -688  .q  .(TOOI)  81 1  .b8  ,.ldA  .b  il  ,.bB]IA  lonsiW  19b  .198  .sii2 


.99BJ  19b  ohl»ffl099 
811   ,ba  ,.JdA  .Btl  ,.bBjlA  i9fl9iW  19b   .198  .sit2   ,Y*{    W  19^9  M 

.007-988  .q  ,(70«  f) 


. —  19b  dhi9mo90  «a^J 
811   .ba  ,.JdA  .bII  ,.bBilA  i9n9tW  19b  .198   .siia  ,.1^  .W  i9X9M 

.007—088  .q  ,(7001) 


.t»;DBj  vjb  9hi9m(»üO  i9b  n\  s}B(s(Bln9aiBbnul  i9rioa'lbujU8  .v 
8t  I   .b8  ,.ldA  .bII  ,.bB)IA  i9n9iW  19b  .198  .s]i2  «.i'^  .W  19^91/ 

.()07—e88  .q  ,(7001) 


-o:>0  19b  «so^flBaUinaoiBbriu'-I  n9r(02'lbuBi3  .v  a9ni9  9nulbfurf98  »itaaUida^ilA 

'^  •99BJ  19b  9rU9fn 

8n  .b8  «.)dA  .bII  ,.bB}IA  i9n9iW  19b  .198  .sii2  ,.il.Wi9yaM 

.007—088  .q  ,(7001) 

.lhqA,Bn.tdA 


G^^^WNiWnflcttfllu-WMl  G^witUfbdQliaplitiingcn  An  einigen  meteorologischen 
•Bt>i|acllkrogt»to*iQn<yi  «kr  AlfMii».Miabe6ondere  an  Gipfelstatioiien. 

Ol>«rmftxec  A.  IT»»  Sit#.  Ilw^.4#r  Wiener  AkaiL»  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
ilWfh  pw  723-758. 


Gipfelstationen   und  meteorologische  Beobachtungsstationen  der  Alpen.   Ge- 
'      ^ittefbeeboehtimgen  und  GewItteriittQfiglceit  an  einigen  — . 

Oibcriliay^r  A.  v.>  SfU.  B«r.  3^r Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 


Beobachtangsstationeii,  meteorologische,    insbesondere    Gipfelstationen    der 
Alpen.    Gewitterbeobachtungen  und  Gewitterhäufigkeit  an  einigen  — . 

Obermayer  A.  v.,  Sitas.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
C1ÖÖ7),  p.  72Ä— 758i  ..  N 


GliUer  R.,  Zur  Dotation  von  Gasmolekülen. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  759—770. 


Rotatiotii  2^ur -r- vOkft  GiyimokdclUen.        :        y  •  •  • 

OirtUT.IUiSita*  «ec;  ileK\Wafirr  Uüuid.^JU.  Abt.,  M,  11S  <imn, 
f>.  759—770. 


Gasmolekfile,  Zur  Rotation  derselben. 

-    '  Cfrtfer  lfr*te."Bcf.  der  Wleh«f  Akatl.,  Ita.  Abt.,  Bd.  116  (ld075, 
p.  759—770. 


•    * 


1   1. 


Stficker  N.,  Ober  einige  physikalische  Eigenschaften  der  Kolloide. 

Sits.Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  771—783. 


KoHoide,  Ober  ^igciplir«MiAabe  EigeiufchftfUttl  derselhio. 

Stücker  N.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  771—783. 


^  m 


Dintzl  £.y  Dba^'dle  Legendre'schen  Symbole  für  quadratische  Reste  in  einem 
imagttilrefi  qüadratiMhehZahlkofper  MitVder  KlassenartflaMl- 1 !  •  - '  >  • 
Sitz/B4r.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  785—800. 


•  .SK— lOV  q  »(^aOI)  811  .ba  ,JdA  .äIJ  „ba^lA  wnöiW  i©b  .lafl  .aJf2 


du?.   dvitslBoibKi   i9dü   n9;Hnuii9iJ2idJ0vJ    ,J2   lo^^H  bnu   .v  ,<3  i^Ibiawilod 

.G  muibsH  nov  dlnjildrtojIglifi'hoX  9ib  isdO  (.^nuIidjiiM  .X)  »assjMiü 
.eiT— 107  .q  ,(70et)  dl  I  .ba  ,.ldA  .ßll  ,.bA3lA  isnsiW  19b  .loa  .xitö 


iddO  (.;^nu!i9i}iM  .X)  . —  —  isdü  na^nu ri3U?>i9inTJ  ,fidSfiJüaduS  9vi)3lAoibA$I 

.d  mu'ibaH  nov  dinjsleno^l^ItcIldS  »tb 
,.b«]IA  i9n9tW  19b  .10a  .s)i2  «.v  ,.3  lotbiswiioS  bnu  J2  id^^M 

.8K~I0T  .q  ,(^Oei)  dll  .ba  ,.idA  .«II 


-olbfft  iddü  nd^ni/ff3ijri-idinU  . —  nov  9injii8ho:fatlAh9S  9fb  iddO  ,(1  muibaü 

(.gnuli9lliM  .X)  .n9sniiiedij2  9vii3Üi 
«.bftalA  i9n9tW  19b  .198  .sii2  «.v  ,.3  I9lbt9wd9  2  bni/  .12  i9X9M 

.81T— lOT  .q  ,(^001)  dll  .ba  ,.ldA  .all 


.:j  <*008  bnu  OS  n9ri92iviiis  ti>lH  BoHOkn^äm  «9b  ^meibaA  ,.X  AdlcSI 

A'ST-  aiT  .q  <(Voei)  an  .ba  ,JdA  .all  «.basIA  i9n9iW  19b  .198  .slt2 


D  ^008  bnu  OS  norioerws  nddl9e89b  ;gnui9bnA  ,u3-ill  ljl9ll9i9iJl9S 
,(TOei)  8M  .ba  ,.ldA  .«11  ,.b«]IA  i9n9iW  19b  .198  .sli2  ,.>!  «disH 

.SST— au  .q 


.3  ^008  bnu  OS  n9d38iwK  89l2l9n9i9iil9^  89b  ;smji9biiA  ,tf04IC 
,(TO«l)dtl  .bfl  ,.ldA  .all  ,.b«3f A  i9n9lW  -mb  .1*8  .ai}^  <.)!  «ifisit 

.^ST— sn  ,q 


n99UtJ9  nA  li93l;^riuüdi9lliv/90  bau  n9]|nuldoAdü9di9iliw90  cV  .A  i^x^wnidtfO 
nA   9i9bao89d<tn(    ^oqLA   iv>L    nsnoilAliUisauldoAdtwa   a9dAei^oloiu9l9ai 

.fi9aobal8i9lqK) 
.»e'^-eST  .q  ,(TOei)  dU  .ba  ,.ldA  .all  ,.b«]IAi9n9iWi9b  .198  .zftZ 


n9il08fgoloio9l9ffl  fM^bii»  riA  li9}I^AuJifh9fffw9i>  bnu  m^au$ä9md09&vM:W9S^ 

.rr9noiljil8l9')qiO  na  9i9b(i<)<<9d8ni  ,n9q!A  i9b  ndnodAteHgnuiiloJKfoefl 
811  .bB  ,.ldA  .«11  «.bftjfA  i9n9)W  i^b  .198  .«HS  ,.v  .A  i9Yami9dO 

.8dV— frST  .q  ,(7ÖÖ!> 


Legtudsi^MMi  ßyinb«le  für  quadratische  Reste  in  einem  imaginären  quadra- 
tischtn  ZaMkorper  mit  der  Kiassenzahl  1. 

Dintsl  S,,  SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  785—800. 


P5ch  R.,  Kr.  X  der  Berichte  der  Phonogramm-Archivs-Kommission  der  kaiserl. 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien.  Zweiter  Bericht  über  meine 
phonographischen  Aufnahmen  in  Neu-Guinea  (Britisch-Neu-Guinea  vom 
7.  Oktober  1905  bis  zum  1.  Februar  1906). 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  801—817. 


Neu-Guinea,  Bericht  über  phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea  (Bntisch- 
Neu-Guinea  vom  7.  Oktober  1905  bis  zum  1.  Februar  1906). 

POch  R.,  SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  801—817. 


Britiseh-Nev-Gnlnea,  Bericht  über  phonographische  Aufnahmen  in  Neu-Guinea 
(Britisch-Neu-Gninta  vom  7.  Oktober  1905  bis  zum  1.  Februar  1906). 

Pöch  R.,  SiU.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.  Bd.  116  (1907), 
p.  801—817. 


Phonographische     Avfiuüiaien    in    Neu-Guinea    (Britisch-Neu-Guinea    vom 
7.  Oktober  1905  bis  zum  1.  Februar  1906). 

Pöch  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  801—817. 


Exner  F.  M.,  Grundzüge  einer  Theorie  der  synoptischen   Lufldruckverände- 
rungen.  (II.  Mitteilung.) 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116(1907),  p.  819— 854. 


Synoptische  Luftdmckver&ndenmgen,    Grundzüge  einer  Theorie  der   — . 
(II.  MitteUung.) 

Exner  F.  M.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad..  II  a.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  819—854. 


8 


an  .bä  ,JclA  .ß  II  ..LbjIA  i©n5iW  i»b  .lati  .5ii8  ,.v  .A  is^BimsdO 

.8ö7~P.SV  .q  .(TOei) 


tob    rianoiJfiJslslqit)    oiäbnoftad^ni     ^9ddai;gol(nudJ»fn   «ffonoll^ea^if^ilOAdodfl 

-  -  nojjtnia  na  tit»l><rtijiiriiöJ)iwoi)  bnu  n'j^nuiddAdoddialiiwoO    .nsqlA 
Oll  .bÜ  ,.tdA  .Ali  ,.bA](A  -i9n»iW  i9b  .isfl  .slt2  ,.v  .A  id^BimtdO 

.Sc^— eST  .q  .(VOei) 


.OTT-  ößT  q  .nOÜI »  Oi  [  .U!  ..JdA  .äH  ..bBjlA  i&nwW  löb  .»a  .sli2 


.natiiJbfcMiitBD  n<rr  —  HiS  «aoilAtoH 

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Szydlowski  L.,  Über  die  Kältemischung  aus  Kr,\*jk  -v«' 
konxentrierter  Salssäure. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  :  )t 


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KältemiBChoiig  aus  kristallisiertem  Natriumsulfat  und  konzentneru;;  'a../ 

Szydlowski  L.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  H^^      .^ 
(1907).  p.  8S5-r-$9i.        •        - 1 


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SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXVLBAND.   V.HEFT. 


ABTEILUNG  Ua. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


I»- 


59 


895 


Ober  die  Anzahl  inkongruenter  Werte,  die  eine 
ganze  Funktion  dritten  Grades  annimmt, 


von 


Dr.  R.  Daublebsky  v.  Stemeck, 

Professor  der  Mathematik  an  der  Universität  Graz. 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  6.  Juni  1907.) 

Es  gelingt  auf  vollkommen  elementarem  Wege,  die  Anzahl 
der  inkongruenten  Werte  zu  bestimmen,  die  die  allgemeine 
Funktion  dritten  und  spezielle  Funktionen  vierten*  Grades 
annehmen,  wenn  die  Variable  die  sämtlichen  Elemente  eines 
vollständigen  Restsystems  bezüglich  eines  gegebenen  Primzahl- 
moduls p,  den  wir  größer  als  3  voraussetzen,  durchläuft.  Dies 
soll  in  der  folgenden  kurzen  Mitteilung  gezeigt  werden. 

I. 

Wir  betrachten  die  allgemeine  Funktion  dritten  Grades 
mit  ganzzahligen  Koeffizienten 

fix)  =  Ax^-^-Bx'-^Cx-^D, 

Ist  A  durch  p  teilbar,  so  liegt  der  einfachere  Fall  einer 
quadratischen  Funktion  vor,  der  sich  unmittelbar  erledigen 
läßt;  denn  Bx^^-^Cx-^D  durchläuft,  wenn  B  nicht  durch  p  teil- 
bar ist,  jede  Restklasse,  von  einer  einzigen  abgesehen,  zweimal; 
soll  nämlich  für  zwei  inkongruente  Werte  x  und  y 

Bx^-h  Cx-^D  =E  5y -I-  Cy-^D  (mod  p) 

sein,  so  muß 

B(x  +y)'hC'z££0  (mod  p) 

sein;  so  daß  zu  jedem  Wert  x  ein  bestimmter,  im  allgemeinen 
von  ihm  verschiedener  Wert  ^  gehört;  nur  zu  dem  Werte  x,  der 

der  Kongruenz  2  5;r+ C  ^  0  (mod  ;,) 

59* 


896  R.  Daublebsky  v.  Sterneck, 

genügt)  gehört  kein  inkongruenter  Wert  y.  Die  Gesatntzahl  der 
inkongruenten  Werte,  die  eine  Funktion  zweiten  Grades  an- 

nimmt,  beträgt  daher  (bei  durch  p  unteilbarem  B)  ^-5—;  bei 

teilbarem  B  aber,  wo  wir  den  Fall  einer  linearen  Funktion  vor 
uns  haben,  offenbar /7  oder  1,  je  nachdem  C  durch  p  unteilbar 
oder  teilbar  ist. 

Nunmehr  setzen  wir  voraus,  daß  A  nicht  durch  p  teilbar 
ist.  Indem  wir  zunächst  die  Funktion  mit  AI^  das  der  Kongruenz 

AA'-\  (mod/7) 

genügt,  multiplizieren,  dann  durch  eine  Substitution  ;r  =^+A 
das  quadratische  Glied  zum  Verschwinden  bringen,  endlich 
von  der  für  unser  Problem  unwesentlichen  Konstanten  absehen, 
erkennen  wir,  daß  wir  nur  die  speziellere  Funktion 

fix)  =  Tfi %X 

zu  untersuchen  brauchen,  wo  oc  irgend  eine  positive  oder 
negative  ganze  Zahl  bedeutet. 

Zwei  inkongruente  Werte  x  und  y^  für  welche 

f(x)  =f{y)  (mod  p) 

sein  soll,  erfüllen  dann  die  Kongruenz 

x^ — y^ — a{x—y)  —  0  (mod  p) 
oder 

x^-^-xy-^-y^ — a  ^  0  (mod  p), 

die  sich  nach  Multiplikation  mit  4  in  eine  der  folgenden: 

(2  x-hyy  —  4  a — 3  v*  (mod  p), 
respektive 

{2y'¥xf  ~  Aa—'&x^  (mod  p) 

verwandelt.  Zwei  Werte  x  und  y,  die  zu  kongruenten  Funktions- 
werten führen,  wollen  wir  des  kürzeren  Ausdruckes  halber  als 
konjugiert  bezeichnen.  Zu  einem  bestimmten  :r  sind  entweder 
zwei  oder  ein  oder  gar  kein  Wert  y  konjugiert;  es  wird  also 
fix),  wenn  x  ein  volles  Restsystem  durchläuft,  einige  Werte 
dreimal,  andere  zweimal,  andere  nur  einmal  annehmen;  die 
Anzahl  dieser  Werte  werde  bezüglich  mit  Tg,  7,,  T^  bezeichnet. 


Anzahl  der  inkongruenten  Werte  etc.  897 

Wir  betrachten  zunächst  den  Fall  eines  durch  p  unteilbaren 
a  und  bestimmen  T,,  d.  h.  die  Anzahl  jener  Zahlen  x  im  Rest^ 
System,  zu  denen  ein  einziger  Wert  j/  konjugiert  ist.  Dies  ist 
vor  allem  für  jene  x  der  Fall,  für  welche 

4  a— 3;»r«  =  0(mod;?) 

ist;  denn  dann  hat  die  Kongruenz 

(2^-4-;r)8  =  0  (mod/7) 

eine  und  nur  eine  Wurzel  y^  die  erstens  offenbar  von  x 
verschieden  ist,  da  sonst  x  und  somit  auch  a  durch  p  teilbar 
sein  müßte,  was  gegen  die  Voraussetzung  verstößt 

Zweitens  ist  der  zu  x  konjugierte  Wert  _y  nicht  etwa  selbst 
von  der  Art,  daß  er  gleichfalls  die  Kongruenz 

4  a— 3y  =  0  (mod/7), 

der  X  genügte,  befriedigt;  denn  aus  dem  Bestehen  dieser  beiden 
Kongruenzen  könnte  man 

x'^  =y^  (mod  p), 
somit 

X  =  — ^  (mod  p) 

und  daraus  x^y  =  0  (mod  p)  folgern,  was  wieder  zu  a  =  0 
(mod  p)  entgegen  unserer  Voraussetzung  führen  würde. 

Aus  diesen  beiden  Bemerkungen  ergibt  sich  zunächst, 
daß  T^  mindestens  gleich  ist  der  Anzahl  der  Wurzeln  der 
Kongruenz  4  a — ^x^  =  0  (mod  /?). 

Für  alle  jene  x^  die  diese  Kongruenz  nicht  erfüllen,  hat 

{2y'{'xy  =  4  a— 3;»r«  (mod  p) 

entweder  keine  oder  zwei  Wurzeln  y;  doch  kann  eventuell  von 
den  zwei  Wurzeln  eine  mit  x  zusammenfallen,  was  einen 
weiteren  Beitrag  zu  T^  liefern  würde;  es  soll  abgezählt  werden, 
für  wie  viele  Werte  x  letzteres  der  Fall  ist. 

Die  Annahme  y^x  (mod  p)  führt  zur  Bedingung 

12A;2  =  4a(mod/7), 
beziehungsweise 

3x^=Ea  (mod  p); 


898  R.  Dauhlebsky  v.  Sterneck, 

heißt  die  zweite  Wurzel  der  Kongruenz  y\  so  ist  dieses,  wie 
man  sofort  einsieht,  in  unserem  Falle  von  y  und  somit  auch 
von  X  verschieden;  denn  es  ist 

2y^'\-x  =  — (2jv-4-^)  =  — 3;i?  (mod  p\ 
somit 

y  =  — 2x  (mod  p\ 

woraus  die  Verschiedenheit  von  x  hervorgeht. 

Diese  zweite  Wurzel  y^  ist  nun  aber,  wie  leicht  zu  zeigen, 
von  der  Art,  daß 

4  a— 3y«  =  0(mod/;) 
ist;  denn 

4a— Sy«  =  4a  — 12:tr«  =  4(a— Sat«)  =  0  (mod  p). 

Wir  sehen  somit,  daß  die  aus  x  und  _y'  bestehenden  Paare 
konjugierter  Zahlen  genau  mit  den  oben  besprochenen  Paaren 
übereinstimmen  und  wir  somit  keinen  weiteren  Beitrag  zu  T^ 
erhalten.  T^  ist  somit  genau  gleich  der  Anzahl  der  Wurzeln  der 
Kongruenz  4  a — Zx^  =  0  (mod  p);  also 

im  Falle  (—)=+!  T^  =  2 

im  Falle  (— )  =  — 1         T^  =  0. 

Um  nun  auch  T^  und  T^  zu  ermitteln,  bezeichnen  wir  mit 
Lj  und  Lj  die  Anzahl  der  Werte  x  im  vollständigen  Restsystem 
(mod  p),  für  welche 

'4oL—3x^\ 
1  =  + 1,  respektive  r=  — 1 

ist. 

Die  in  Li  gezählten  Werte  x  vereinigen    sich  dann  zu 

je  dreien  zu  einem  Tripel  konjugierter  Werte,  nur  im  Falle 

'3a\  .       . 

—  1  m  -Hl  gehen  zwei  dieser  Werte  verloren,  da  sie,  wie  wir 

P  ! 
gesehen  haben,  nur  je  einen  konjugierten  Wert  besitzen.  Es  ist 

daher 


Anzahl  der  inkongruenten  Werte  etc.  899 


(^)= 


im  Falle    — h=+l         T,  = 


_  ij— 2 


t 


3 


(¥)=- 


^    A 


im  Falle  (^-.1  =  — 1         7,= 

Die  Anzahl  7^  fällt  in  allen  Fällen  mit  L^  zusammen. 

Die  Bestimmung  von  I^  und  I^  ist  einfach;  setzt  man  in 
— Sx^  für  X  ein  vollständiges  Restsystem  (mod  p)  ein,  so  durch- 
läuft es  jedenfalls  den  Wert  0,  dann  aber  entweder  jeden  Rest 
oder  jeden  Nichtrest  doppelt,  je  nachdem  ob  —3  Rest  oder 
Nichtrest  von  p  ist.  Entsprechend  dem  quadratischen  Rest- 
charakter von  a  durchläuft  dann  4a — 3x*  außer  dem  Werte  a 
noch  (und  zwar  doppelt)  eines  der  Systenie  r'-hr",  r'+n"^ 
n'-hr",  n'-^n",  wo  ein  mit  einem  Striche  versehener  Buchstabe 
ein  fixes,  ein  mit  zwei  Strichen  versehener  aber  ein  variables 
Element  des  betreffenden  quadratischen  Restcharakters  be- 
zeichnet. Die  Anzahlen,  wie  oft  jedes  dieser  Systeme  einen 
Rest,  beziehungsweise  einen  Nichtrest  durchläuft,  habe  ich  an 
anderer  Stelle^  angegeben  und  finde  mit  Verwendung  der 
dortigen  Formeln  folgende  Werte  für  L^  und  I^: 

■■(7)=-.    (t)=- 

^•(7)=-.     (^)=-' 

'p.~2+\^)                          P—2+   ~^ 
A  ^^ ö '"^'        A  ^= ö 


^-  (7) = -■■ 


3^ 


P 


=  +1 


p—2+(—)  p—2+1— 


2  '  '  2 


1  Ober  die  Kombinationen  der  Potenzreste  einer  Primzahl  zu  bestimmten 
Summen.  Diese  Sitzungsber,  Bd.  114,  Abt  IIa,  p.  718  (1905). 


900  R.  Daublebsky  v.  Sterneck, 

(=1)  ,_4_(3l) 

Diese  Formeln  lassen  sich  durch  die  einheitlicheren  Aus- 
drücke : 


L  -—JU—ULL  r-  ^P 

^1  -  2  •         ^~  2 

ersetzen,  aus  denen  wir  schließlich 

.-(^)-3(^)-3 
«~  6 

7-1= 2 

erhalten,  wozu  wir  noch  unser  obiges  Resultat 

hinzufügen. 

7^  +  72+ Tg   stellt   die   Anzahl   sämtlicher    inkongruenter 
Werte  der  Funktion  x^ — ax  dar;  man  findet  hiefür: 

wenn  wir  in  üblicher  Weise  mit  diesem  Symbol  die  nächste  an 

2/7 

-~  gelegene  ganze  Zahl  bezeichnen.  Wir  haben  somit  den  Satz: 
o 

Die  Funktion  x^ — ax  nimmt,  sobald  a  nicht  durchp 

flV        ^   '  (2,  f7\ 

teilbar  ust,  im  ganzen    y-^\   inkongruente  Werte  an, 

wenn  x  ein  vollständiges  Restsystem  (mod  p)  durch- 
läuft. 


Anzahl  der  inkongruenten  Werte  etc.  90  t 

Der  Fall  a  =  0  (mod  p)  führt  zur  Funktion  Tfly  die  offenbar 

p — 1  /?+2 

entweder  p  oder  —-- h  1,  d.  i.  ^-r—  Werte  annimmt,  je  nach- 

dtm  p  die  Form  3w — 1  oder  3»-*-l  besitzt 
Die  allgemeine  Funktion  dritten  Grades 

in  welcher  wir  A  als  nicht  durch  p  teilbar  voraussetzen,  nimmt 

i2p\  »-4-2 

gleichfalls  entweder  ^-;^>  oder  p  oder  inkongruente  Werte 

an,  ersteres  in  dem  Falle,  wo  nach  der  Transformation,  die  das^ 
quadratische  Glied  beseitigt,  ein  durch  p  unteilbarer  Koeffizient 
der  ersten  Potenz  der  Variablen  auftritt  Diese  Bedingung 
wollen  wir  explizite  anschreiben: 

Setzen  wir  x  -rzy-^-h,  so  ergibt  sich 

f{x)  =  yiy-4-(3>lA+5)y+(3i4Ä«+25Ä-i-C)jv+ 

h  bestimmen  wir  aus  der  Kongruenz 

SAh-hB  —  O  (mod;?); 
soll  dann  auch 

3 i4Ä«  +  2 5Ä+  C  =  0  (mod  p) 

werden,  so  muß,  wie  eine  einfache  Überlegung  zeigt, 

3AC— B^  =  0  (mod  p) 

sein.  Für  eine  allgemeine  Funktion  dritten  Grades  haben  wir 
somit  den  Satz: 

Die   Funktion  Ax^-^Bx^-hCx-^D   mit   durch  p  un- 
teilbarem   A    durchläuft,    wenn    x   ein    vollständiges 

Restsystem   (mod   p)    durchläuft,    l-^}    inkongruente 

Werte,  wenn  3AC—B^  nicht  durch/?  teilbar  ist,  im  ent- 

p+2 
gegengesetzten  Falle  aber  ;?  oder  -^-;r —  Werte,  je  nach- 

o 

dem  p  die  Form  3« — 1  oder  3w  +  l  hat 


902  R.  Daublebsky  v.  Sterneck; 

IL 

Die  allgemeine  Funktion  vierten  Grades  läßt  keine  analoge 
Behandlung  zu,  dagegen  jene  speziellere,  die  die  Eigenschaft 
hat,  daß  bei  der  Transformation,  die  das  kubische  Glied  zum 
Verschwinden  bringt,  auch  der  Koeffizient  der  ersten  Potenz 
durch  p  teilbar  wird.  Eine  solche  Funktion  läßt  sich  nämlich 
durch  Multiplikation  mit  4  und  Addition  einer  bestimmten 
Konstanten  auf  die  Form 

bringen,  deren  inkongruente  Werte  sich  ebenfalls  leicht  abzählen 
lassen. 

Zwei  konjugierte  Werte  x  und  j/  erfüllen  die  Bedingung: 

{x'^^ay—{f-'\-ay  =  0  (mod  p) 

oder,  durch  x—y  dividiert: 

(;r»-+-j--t-2a)  (x^y)  =  0  (mod  p). 

Zu  einem  bestimmten  x  gehört  sonach  jedenfalls  der  Wert 

y  -z:  — X  als  konjugierter,  ferner  aber  auch  die  Wurzeln  y  der 

Kongruenz 

y4-;r2-4-2a  =  0  (mod  /?), 

deren  Anzahl  zwei,  eins  oder  Null  beträgt. 

Da  die  Funktion  (^*+a)^  bereits  alle  ihre  Werte  durchläuft, 

V — l 
wenn  x  die  Werte  0,  1,  2,. . .    -- —  annimmt,  so  wollen  wir 

uns  auf  diesen  Wertevorrat  beschränken;  wir  schalten  hiemit 
den  zu  x  konjugierten  Wert  — x  aus  und  brauchen  bloß  die 
Wurzeln  der  Kongruenz  j'^+at^h- 2a  =  0  (mod  p)  zu  unter- 
suchen. Diese  Kongruenz  hat  für  ein  bestimmtes  x  jedenfalls 
nicht  mehr  als  eine  unserem  Wertevorrat  angehörige  Wurzel. 
Zu  einem  bestimmten  x  gehört  dann  ein  konjugierter 
Wert  y,  wenn  — 2  a — x^  quadratischer  Rest  ist,  und  kein 
konjugierter  Wert,  wenn  es  ein  Nichtrest  ist.  Zu  jenem  Wert  x, 
der  die  Kongruenz  — 2a — x^  =  0  (mod  p)  erfüllt,  gehört  ^'  ^  0 
als  konjugierter  Wert. 


Ansahl  der  inkongruenten  Werte  etc.  903 

Es  entsteht  somit  vor  allem  ein  Paar  konjugierter  Werte, 

/  — 2  a\ 

wenn  I 1  z=:  -f-1    ist;  femer  entstehen  Paare  konjugierter 

\    p    /  j^ 

Werte  in  der  Anzahl  -^ ,  wo  L^  angibt,  für  wie  viele  Werte  des 

V  —  1 
Intervalls  1,  2. . .  ^ —  der  Ausdruck  — 2a — x^  quadratischer 

.3.  ,s.  „.  ,.  1  (=£)  =  ..  .  „„„  ^  .„.  E,„«  . 

\  p  I 
subtrahieren,  da  dann  auch  der  Fall  x^:y  eintritt;  analog  ent- 
stehen L^  isolierte  Werte,  wenn  L^  anzeigt,  für  wie  viele  Werte 
er  ein  Nichtrest  ist;  zu  diesen  L^  isolierten  Werten  kommt  aber 
noch  die  Null  hinzu,  wenn  — 2a  Nichtrest  ist,  und  der  sich 
selbst  konjugierte  Wert,  wenn  — a  Rest  ist. 

Die  Anzahlen  L^  und  L^  hängen  wieder  davon  ab,  welchen 
quadratischen  Charakter  — 2  a  und  — 1  haben,  denn  darnach 
entscheidet  es  sich,  welches  der  Systeme  r'-hf ",  r'+n",  n'+r", 
n'-^n"  der  Ausdruck  — 2a — x*  durchläuft.  Wir  müssen  sonach 
vier  Fälle  unterscheiden: 

2 


4. 


2^W-1      (—]--l     L-P^     L-P=^ 


Bedeutet  dann  wieder  T^  die  Anzahl  der  isolierten  Werte, 
die  die  Funktion  annimmt,  T^  die  Anzahl  der  Paare  von  Werten, 
so  ist  im  ersten  und  zweiten  Falle 


T,=L,+-^ 


r)-l.^.=^f-|[(?)-]-. 


dagegen  im  dritten  und  vierten  Falle 


-.  =  ^-t[(^)*']-.   -.=|-Tf(?)-] 


904       R.  Daublebsky  v.  Sterneck,  Anzahl  d.  iiricongr.  Werte  etc. 

Die  Formeln  lassen  sich  wieder  durch  folgende  einheitliche 
ersetzen: 

Ti  +  Tg  ist  die  Gesamtzahl  der  inkongruenten  Werte,  die 
die  Funktion  überhaupt  annimmt;  hiefür  findet  man  den  Aus- 
druck : 

7;+rg= ^ — ^ — c ^_  — ^(ö,^). 

Der  Fall  a  =  0  (mod  p)  ist  unmittelbar  zu  erledigen;  es  ist 
da  einfach  die  Funktion  x^  zu  betrachten,  die,  wenn  p  die  Form 

4ii+l  hat,   ^--— ,  wenn  aber  p  die  Form  An — 1  hat,    ^-^r — 

4  2 

inkongruente  Werte  durchläuft. 

Wir  haben  somit  das  Resultat: 

Die  Funktion  {x^-^-af  durchläuft,  wenn  a  nicht 
durch/?  teilbar  ist,  ^{a,p)  inkongruente  Werte,  wenn 

aber  a  durch  p  teilbar   ist,   entweder  ^——  oder  ^-^ — 

Werte,  je  nachdem  p  die  Form  4«+l  oder  4« — 1  hat. 
Daraus  läßt  sich  noch  folgender  Schluß  ziehen: 
Die  Funktion  Ax^-^-Bx^-^C,  in  welcher  A  durch  p 
unteilbarvorausgesetzt  wird,  durchläuft,  wenn5nicht 
durch  p  teilbar  ist,  ^{2AB,p)  inkongruente  Werte^ 
dagegen  im  Falle  eines  durch  p  teilbaren  B  entweder 

^-7—  oder  ^-— -  Werte,  je  nachdem  p  die  Form  4ii+l 
4  2  '  "^  ^ 

oder  4« — 1  hat. 


903 


Ober  die  Bestimmung  des  linearen  Ausdeh- 
nungskoefBzienten  und  dessen  Abhängigkeit 
von  der  Spannung  aus  den  Temperaturände- 
rungen bei  der  Dehnung  von  Hartgummi- 
stäben 

von 

phil.  Robert  V/agner. 

Aus  dem  mathematisch-physikalischen  Kabinett  der  Universität  Graz  ;  Vorstand 

Prof.  A.  Waömuth. 

(Mit  1  Textfigur.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  6.  Juni  1907.) 

A.  Waßmuth  hat  schon  1902^  darauf  hingewiesen,  daß 
die  beim  Ausdehnen  und  Zusammenziehen  von  Stäben  auf- 
tretenden Temperaturänderungen  ein  neues  Mittel  an  die  Hand 
geben,  aus  dem  Vergleiche  der  Theorie  und  der  Versuche  den 
linearen  Ausdehnungskoeffizienten  zu  bestimmen.  Seit  dieser 
Zeit  ist  die  Methode  der  genauen  Ermittlung  solcher  sehr 
kleiner  Temperaturdifferenzen  durch  zahlreiche  auf  diesem 
Gebiete  durchgeführte  Arbeiten  *  so  weit  ausgebildet  und  ver- 
bessert  worden,  daß  es  mir  möglich  wurde,  auf  diesem  neuen 
Wege  den  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  und  dessen 
Abhängigkeit  von  der  Spannung  zu  ermitteln.  Über  die 
direkte  Bestimmung  der  Änderung  des  linearen  Ausdehnungs- 


1  A.  Waßmuth,  diese  Sitzungsberichte,  Bd.  lll,  Abt.  IIa,  Juli  1902; 
Annalen  d.  Phys.,  IV,  11,  158. 

2  So  z.  B.  Haga,  Wiedem.  Annalen,  15,  1882;  A.  Waßmuth,  diese 
Sitzungsberichte,  Bd.  98,  IIa  (1889);  Annalen  d.  Phys.,  Bd.  13,  p.  182  (1904); 
Boltzmann-Festschrift,  p.  563  (1904). 


906  R.  Wagner, 

koeffizienten  von  Metalldrähten  mit  dem  Zuge  liegen  bekannt- 
lich Versuche  von  Dahlander^  und  Haga*  vor. 

Es  läfit  sich  nun  zeigen,  daß  die  Änderung  des  Aus- 
dehnungskoeffizienten infolge  der  Spannung  im  wesentlichen 
durch  die  Änderung  des  Elastizitätskoefßzienten  mit  der 
Temperatur  bedingt  wird.  Wenn  auf  einen  Stab  (Länge  /,  Quer- 
schnitt 9,  Elastizitätsmodul  E)  ein  Zug  SP  wirkt,  der  eine 
Verlängerung  8/  hervorbringt,  so  ist 

8/  _   1      iP 

/    ~  E  '    q 
oder 

1      __   1        3/    _  8  log/ 

E.q        l     iPr         iPr 
ferner  ist  der  lineare  Ausdehnungskoeffizient 

—  _L      S/    _31og/^ 

differenziert  man  die  rechte  Seite  dieser  Gleichung  nach  P 
(konstans  7)  und  die  vorhergehende  nach  T  (konstans  P),  so 
ergibt  sich: 

1 


8a  _^  E.q 
8P          8  7 

1        r_.    iq              8£ 

"    £^^«*r8r  +  *--8rJ 

Dann  folgt  aus 

q—q„{\+2%T) 

durch  Differentiation: 

• 

'  .  H.-.. 

oder 


^0     3r 

-rz  2aqo,  d.  i.  sehr  nahe  =  2aq; 


37 


1  Dahlander,  Pogg,  Annalen,  J4S,  147  (1872). 

2  H.  Haga,  Wiedem.  Annalen,  IS,  18  (1882). 


Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  etc.  907 


1       8£ 

setzt  man  f=z ,  so  wird: 

E     IT 


iP  JP.^M      ^      ■  '       J  E.q 

P 
oder,  wenn  man  den  spezifischen  Zug  (auf  1  mm')  pzn  — 

einführt: 

Sa  s  +  2a 


8/7  E 

Diese  Gleichung  soll  von  nun  an  kurz  die  D ah land er- 
sehe Formel  heiöen,  da  sie  der  von  ihm  auf  andere  Weise  abge- 
leiteten Beziehung  analog  ist. 

Für  die  Temperaturänderungen,  welche  bei  plötzlicher 
Änderung  der  Spannung  eines  Stabes  oder  Drahtes  auftreten, 
gilt  die  von  W.  Thomson  (1851)  aus  dem  II.  Hauptsatze  der 
mechanischen  Wärmetheorie  abgeleitete  Formel: 

_  Tq.%,P 

^  "■  '4277a)7c ' 

worin  P  die  Änderung  der  Spannung  in  Kilogramm,  a  den 
linearen  Ausdehnungskoeffizienten  bei  der  betreffenden  Span- 
nung, c  die  spezifische  Wärme,  (0  =  ^.(3  das  Gewicht  der 
Längeneinheit  (1  w)  des  Körpers  in  Kilogramm  und  t  die  bei 
der  absoluten  Temperatur  Tq  eintretende  Abkühlung  bedeutet. 
Nachdem  zuerst  Joule*  die  Richtigkeit  dieser  Formel 
experimentell  untersuchte  und  sie  im  allgemeinen  —  wenn  auch 
noch  merkliche  Differenzen  zwischen  Theorie  und  Versuch 
bestehen  blieben  —  bestätigt  fand,  hat  nachher  Edlund*  über 
diesen  Gegenstand  Versuche  angestellt,  aus  denen  er  zu 
schließen  glaubte,  daß  sich  nur  die  relativen  Werte  der  Tempera- 
turänderungen berechnen  ließen;  erst  Haga'  hat  gezeigt,  daß 
diese  Formel  auch  für  den  absoluten  Wert  gültig  ist,  indem  er 
daraus  das  mechanische  Wärmeäquivalent  hinreichend  genau 


i  Joule,  Froc,  Roy.  Soc,  8  (1857);  Phil. Trans.,  149  (1859). 

2  Edlund,  Pogg.  Annalen,  126,  539  (1865). 

3  Haga,  Wiedem.  Annalen,  IS,  18  (1882). 


908  R.  Wagner» 

bestimmen  konnte.  Dann  hat  Waßmuth  —  wie  erwähnt  — 
darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  es  möglich  sei,  falls  man  die 
TemperaturdifTerenzen  genau  zu  bestimmen  im  stände  sei,  auch 
den  Ausdehnungskoeffizienten  an  der  Hand  dieser  Formel  zu 
ermitteln.  Da  man  auf  diese  Weise  die  Ausdehnungskoeffi- 
zienten bei  verschiedenen  Zugkräften  erhalt,  kann  man  auch 
einen  Schluß  auf  die  Änderung  des  a  mit  der  Spannung  ziehen 
und  prüfen,  ob  und  inwieweit  die  Dahlander'sche  Formel 
erfüllt  ist 

Wenn  H  aga^  die  vollständige  Proportionalität  der  Tempera- 
turänderung mit  dem  Spannungsgewicbte  an  einem  Neusilber- 
draht bestätigt  fand,  so  liegt  das  darin,  daß  bei  einem  Metalle 
der  Elastizitätsmodul  E  ungemein  groß  und  die  Änderung 
-desselben  e  mit  der  Temperatur  sehr  klein  ist,  weshalb,  wie 

da 
die  Dahlander'sche  Formel  zeigt,  ^ö  ^o  klein  ausfallt,  dafi  eine 

Bestimmung  wohl  nicht  möglich  ist  Um  aber  trotzdem  auf 

ia 
diese  Art  ^-j^  annähernd  ermitteln  zu  können,  muß  ein  Stoff 

gewählt  werden,  der  ein  möglichst  kleines  £  und  veiliältnis- 
mäßig  großes  e  hat  Als  ein  solches  Material  empfiehlt  sich  Hart- 
gummi. Außerdem  hat,  wie  Waßmuth*  beobachtete,  dieser 
Stoff  das  Merkwürdige,  daß  es  Stäbe  gibt,  die  sicher  ein  großes 
positives  e  haben,  während  andere  Stäbe  große  negative 
Werte  für  e  aufweisen  und  bei  einem  Stabe  die  Änderung  des 
Elastizitätsmoduls  fast  Null  war. 

Es  wurden  daher  verschiedene  zylindrische  Hartgummi- 
stäbe (von  der  Gummifabriks-Aktiengesellschaft  in  Budapest) 
zu  den  Untersuchungen  herangezogen,  indem  sie  in  einem 
breiten,  allseits  verschlossenen  Holzrahmen  aufgehängt  und 
durch  direktes  Anhängen  von  Gewichten  gedehnt  wurden.  Den 
Sinn  und  die  Größe  der  auftretenden  Temperaturänderungen 
wies  ein  feines,  in  der  Mitte  des  Stabes  angebrachtes  Thermo- 
element aus  Konstantan  und  Eisen  nach,  das  mit  einem  sehr 
empfindlichen    Galvanometer    durch    dünngewalzte    Kupfer- 


1  Haga,  ibid.  p.  14. 

2  A.  Waßmuth,  Boltzmann-Fcstschrift,  p.  568. 


Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffisienten  etc. 


909 


streifen  —  zur  Verhütung  der  Deformationsströme  —  in  Ver- 
bindung stand.  Die  Befestigung  des  Thermoelementes  geschah 
in  der  Art,  daß  der  Hartgummistab  in  einem  Glasrohr  solange 
erwärmt  wurde,  bis  sich  die  durch  Ätzen  verdünnten  Drähte 
•des  Elementes  in  den  Stab  einfügen  ließen.  So  blieb  der  Stab 
nach  dem  Abkühlen  gerade  und  das  Thermoelement  steckte 
ungemein  fest  in  der  Mitte.  Dehnungsapparat,  Zuleitung  und 
Galvanometer  waren  durch  Watte  und  Pappdeckel  möglichst 
vor  Luftströmungen  geschützt.  Alle  Versuche  konnten  — 
wegen  der  erforderlichen  Ruhe  —  nur  in  den  Abendstunden 
angestellt  werden  und  wurde  zwischen  den  einzelnen  Ver- 
suchen mindestens  5  Minuten  gewartet,  bis  die  Nadel  des 
Galvanometers  wieder  zur  Ruhelage  zurückgekehrt  war. 

Der  zuerst  untersuchte  Stab  (Qual.  VII)  von  der  Dicke 
2a  =1 4' 89  mtn^  dem  spezifischen  Gewichte  or=:  1  •  27,  der  spezifi- 
schen Wärme  c  =  0-39,  dem  Elastizitätsmodul  E=312     ^ 


füftt 


hatte  ein  mittels  der  gleichförmigen  Biegung  bereits  bestimmtes 
€=-4-35.10"*.  In  der  folgenden  Tabelle  1  sind  die  Beob- 
achtungen vom  12.  März  1907  wiedergegeben. 

Die  Berechnung  der  Beobachtungen   erfolgte   nach  den 
Formeln: 

X.r 


T  = 


{\-z).R 


X=A-JC^, 


X  = 


1-hÄ 


(^1—^2)  +  (^8— ^a) 


Dabei  war  für  den  ersten  Stab: 
i  z=  1  •235  das  Dämpfungsverhältnis,  daher  f 1  =0-3, 

\  i-+-*y 

Co .^o\2 
-2210=1540 
4'29y 

die   thermoelektrische   Konstante   für  die  Schwingungsdauer 

T=3-58". 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl  ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a. 


60 


910 


R.  Wagner, 


Tabe 

lle  1. 

HL 

Spannen- 
des 
Gewicht  P 
in  Kilogr. 

Erster 
Aus- 
schlag 
A 

Erste 

Zweite 

X 

1 

— -lOÄ 
P 

«.10^ 

Distanz  der 
Uirkehrpunkte 

X 

Mittel 

T 

^i-*2 

*3-^2 

1 
t 

/an. . 
\ab.. 

8 
8 

•l 
•2 

5M 
5-8 

3-2 
4-2 

5-61 
5-20 

5-41 

0-00432*» 

864 

1184 

ran.. 
\ab.. 

IS- 
IS 

1 
•6 

U-2 
11-4 

8-4 
7-9 

9-22 
9-81 

9-52 

0-00760 

760 

1041 

fan.. 
l-5< 
\ab.. 

21' 
21' 

2 
•0 

15-9 
15-3 

10-9 
10*7 

13-16 
13-20 

13-18 

0-01052 

701 

960 

(bxl.. 
^\ab.. 

25 
26 

7 

1 

18-6 

19-0 

14-0 
13*4 

15-92 
16-38 

16-15 

0-01290 

645 

884 

f  an. . 
\ab.. 

31 
31 

■l 
1 

22-7 
23-1 

16-4 
16-8 

19-37 

1913 

19-25 

0-01537 

615 

843 

f  an. . 
\ab.. 

36 
36' 

2 
3 

25-8 
26-6 

18-6 
19-7 

22-88 
22-41 

22-65 

0-01809 

603 

826 

f  an. . 
\ab.. 

44 

45 

9 
8 

31-5 
32-9 

22-4 
24-6 

28-73 
28-55 

28-64 

0-02287 

572 

784 

\ab.. 

36 

36 

4 

2 

26*4 
26-1 

18*5 

19  1 

22-93 
22-64 

22-79 

0-01820 

607 

832 

Ferner  wurde  nach  einer  von  Haga  angegebenen 
Methode  —  die  vollständige  Theorie  hat  Onnes  gegeben  —  die 
sogenannte  Ausstrahlungskonstante  z  ermittelt.  Zu  dem  Ende 
wurde  vom  Moment  der  ersten  Elongation  an  in  gleichen  Zeit- 
intervallen (30")  der  Stand  der  GalvanometernadeJ  notiert,  das 
Verhältnis  der  Differenzen  von  der  Ruhelage  gebildet  und  die 

2-3 


Logarithmen  dieser  Quotienten  mit 


30 


multipliziert;   daraus 


resultieren  ziemlich  konstante  Zahlen  /i,  die  noch  mit  7  zu 
multiplizieren  sind,  um  z  zu  erhalten.  Es  ergaben  die  Beob- 
achtungen für  diesen  Tag  folgende  Werte:  0* 023, 0*022, 0*028, 
0  022,  woraus  als  Mittel  z=,0'02A  folgt. 

Demnach  bestimmen  sich  die  Temperaturdifferenzen  aus 
der  Gleichung: 

log  T  =  log  X  H-  0  •  9023  —  4. 


Bestimmung  des  linearen  Atisdehnungskoeffizienten  etc.  911 

Man   merkt  ;ein    starkes,  regelmäßiges   Sinken   der 

T 

Werte  — .  Trägt  man  sich  die  Gewichte  auf  der  Abscissenachse 

T 

und  die  zugehörigen  — -  auf  der  Ordinatenachse  auf,  erhält  man 

•  • .      •  >     ^ 

eine  Kurve  (siehe  Fig.  1,  Hl\  die  zuerst  verhältnismäßig  steil 

abfällt,  dann  aber  allmählich  in  eine  ungemein  schwach  geneigte 

Gerade  übergeht. 

i 
Setzt  man  nun  die  beobacht/Jten — in  die  Thomson'sche 

P 

Formel  ein,  so  gestattet  die  Gleichung 

427. (ü.c       T 
azn •  — 

Jo  P 

das  ist 

log  a  =  log—  -4-  0- 1367—2 

die  Berechnung  der  zugehörigen  Ausdehnungskoeffizienten. 
Werden  sie  mit  den  von  Kohl  rausch  angegebenen  Zahlen 

aiizr  0-0000770.. für  17  bis  25** 

«2  =  0-0000842 »    25    »    35** 

v'^ferglichen,  sieht  man,  daß  die  ersten  Werte  größer  ausfallen, 
worauf  die  Kurve  deutlich  hinweist.  Aus  der  Dahlanderschen 
Formel  ergibt  sich,  da  E  und  e  bekannt  sind: 

8a 


8P 


=:6-2.10-', 


also  ein  geringeres  Gefälle  für  die  Kurve,  als  —  wenigstens  im 
Anfange— hiefür  beobachtet  wurde.  Die  natürliche  Verlängerung 
der  Kurve,  wie  sie  größeren  Spannungen  entspreche,  würde  so 
verlaufen,  wie  es  die  Theorie  verlangt. 

Nun  könnte  vielleicht  der  Einwurf  erhoben  werden,  daß  in 
der  Thomson'schen  Formel  noch  das  Gewicht  der  Längen- 
einheit und  die  spezifische  Wärme  enthalten  sind  und  auch 
diese  Größen  mit  wachsender  Spannung  sich  wesentlich  ändern. 
Rechnet  man  aber  mit  dem  bekannten  Elastizitätsmodul  die 
Änderung  des  co,  so  findet  man  einen  außerordentlich  kleinen 

60* 


&12  R.  Wagner, 

Betrag;  zudem  kann  ja  «>  bei  der  Dehnung  nur  abnehmen, 

vermag  also  seinerseits  sicher  nicht  das  Sinken  von  —  zu 

P 

erklären.  Die  spezifische  Wärme  steigt  allerdings  mit  wachsen- 
der Spannung,  aber  so  minimal,  daß  es  auf  die  berechneten 
Werte  für  a  keinen  Einfluß  haben  kann.  Die  Formel  für  die 
Abhängigkeit  des  c  von  P  lautet: 

de       ^  _       dH 
=  4-  io  • 


dP  dT\ 

Nun  ist: 

/iz:/o(l4-ao/4-ßo^*)  =  /o[l4-(ao4-ßoOfl; 


daher 


und 


8/ 

—  =:/o(ao4-2ßoO 
8/ 


8«/ 

=  /o-2ßo; 


8/« 


setzt  man: 


Ä  —  oio  -4-  po  A 


ergibt  sich  ßo  aus  den  Versuchen  von  Kohlrausch  über  den 
Ausdehnungskoeffizienten  des  Hartgummi  bei  verschiedenen 
Temperaturen: 


also: 


8a 
po=3-^  =  8.10~^ 


8«/ 

=  /n.l6.10-' 


8/2 


und  es  wird 


^^  zzJo./o.ie.lO-^ 


dP 


verschwindend  klein. 

Daraus  geht  hervor,  daß  nur  die  verhältnismäßig  große 
Änderung  des  a  in  Betracht  kommen  kann. 

Derselbe  Stab  wurde  am  15.  März  einer  neuen  Versuchs- 
reihe unterworfen,  deren  Ergebnisse   die  Tabelle  2   enthält. 


Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  etc. 


^13 


Tabe 

lle2. 

> 

Hl 

p 

A 

*i-*2 

*8-^2 

X 

X 

Mittel 

X 

-1.105 
P 

a.107 
1200 

f  an. . 

0-5  < 

\ab.. 

7-8 
9-0 

5-7 
5-9 

3-5 
4-2 

5-04 
5-97 

5-51 

0-00438« 

876 

f  an.. 

15-0 
15-2 

10-6 
11-3 

7M 
81 

9-69 
9*38 

9-54 

p- 00759 

759 

1040 

fan  . 

21-5 
21-6 

16-0 
15-7 

11-5 
11-4 

13-25 
13-47 

13-36 

0-01062 

708 

970 

f  an. . 
lab.. 

260 
26-9 

18-5 
20-1 

13-1 
13-9 

16-52 
16-70 

16-61 

0-01321 

661 

906 

f  an. . 

\ab.. 

32-6 
31-7 

23-8 
23- 1 

16-7 
16-6 

20-45 
19-79 

20-12 

0-cieoo 

640 

877 

» 

Jan. . 
^\ab.. 

36-4 
370 

^6-2 
27-2 

19-4 
19-9 

22-72 
22-87 

22-80 

0-01813 

604 

827 

Jan. . 
\ab.. 

46-3 
46-2 

33-; 

33-2 

24-1 
25-1 

29-14 
28-71 

28-93 

0-02300 

575 

788 

fan. . 

\ab.. 

37-2 
37-3 

27-4 
27-9 

19-7 
20-4 

23-07 
22-81 

22-94 

0-01824 

608 

833 

Dazu  gehörte:  r  =  120,  r=:3-58^  R=  1540,  2;  =  0*020; 
log  r  =  log  X -h  0*9005 — 4.  Man  sieht,  daß  die  erhaltenen 
Zahlen  fast  vollständig  mit  den   früheren  zusammenfallen. 

Um  zu  sehen,  wie  sich  andere  Hartgummistäbe  in  dieser 
Hinsicht  verhielten,  untersuchte  ich  auf  gleiche  Art  noch  einige 
Stäbe  derselben  Fabrik. 

Der  zweite  Stab  (Qual.  III)  von  der  Dicke  2  a  =r  5 '00  mm 
dem  spezifischen  Gewichte  a  ==  1  •  325  und  dem  Elastizitäts- 

kg 


modul  E  =  368 

Zahlen. 

Dabei  war: 


mtn' 


lieferte  die  in  der  Tabelle  3  angegebenen 


Ä  = 


r=  1-20,  7=3-62", 
3-62^« 


3-58 


1540=1574,  «  =  0020; 


914 


R.  Wagner, 


daher 


und 


log  z  =  log  X^-O-SQIO— 4 


log  a  =:  log h  0-2013—2. 

Die  Werte  für  a  sind  etwas  kleiner  als  beim  ersten  Stab 
und  fallen  auch  nicht  so  stark  ab,  wie  die  entsprechende  Kurve 
(vergl.  Fig.  1,  HU)  deutlich  zeigt. 

Tabelle  3.  HU 


^3-*2 


X 


Mittel 


—•105 
P 


a.  107 


2 

2 

4 

4 

6 

7 

9 

10 

10 

10 

12 

12 

16 

16 


•1 

3- 

•3 

4- 

•6 

7- 

•9 

6- 

•8 

9- 

•0 

9- 

•1 

12- 

•1 

12- 

•9 

IS- 

•3 

IS- 

•6 

IS- 

•3 

IS- 

•4 

23- 

•0 

23- 

53 

13 

31 

58 

73 

77 

70 

29 

20{ 

65 

45 

16 

70 

53 


3-83 


7-00 


9-75 


12-50 


15-43 


18-31 


23-62 


0-00298^ 


0- 00545 


0-00759 


0-00973 


0-01201 


001425 


0-01838 


3^ 


596 


545 


506 


487 


480 


475 


460 


947 


866 


804 


774 


763 


755 


731 


Um  ZU  sehen,  inwieweit  die  Dahlander'sche  Formel  erfüllt 
ist,    mußte    die    Änderung    des    Elastizitätsmoduls    mit    der 


Temperatur  -- 


1       ZE 


dT 


=  8  mit  Hilfe  der  gleichförmigen  Biegung 


bestimmt  werden.  Der  Stab  wurde,  gestützt  auf  zwei  Schneiden 
von  der  Distanz  13*  9^:1«,  durch  gleiche,  an  seinen  Enden  nach 
abwärts  wirkende  Zugkräfte  p,  von  denen  jede  aqi  Arme  von 
5 -3 cw  drehte,  gleichförmig  nach  oben  gebogen.  Es  ließ  sich 


Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  etc. 


915 


nun  zweifellos  —  der  Sinn  wurde  auf  mehrfache  Weise  fest- 
gestellt — ^^  nachweisen,  daß  eine  Verstärkung  der  Biegung  mit 
einer  Erwärmung  und  eine  Entlastung  mit  einer  Abkühlung 
verbunden  war;  dieser  Hartgummi  verhält  sich  demnach  ent- 
gegengesetzt wie  ein  Metall  und  es  muß  also  b  positiv  sein/ 
Nun  wurde  versucht,  auch  den  Betrag  dieser  Größe 
annähernd  festzustellen. 


Tabelle 

4.  //IL 

p 

in  Gr. 

A 

x^-x^ 

*8~*2 

X 

X 

Mittel 

X 

log  ^ab 

log 
(Mi-Mi) 

«.10* 

150 

5-7 
5-9 

4-6 
4  7 

2-4 
2-5 

3-60 
3-74 

3-67 

0-00248*» 

— 

— 

250 

10-6 
10-3 

9-0 

■ 

8-5 

4-4 

4-7 

0-58 
6-34 

6-46 

0-00487 

0- 3765-8 

12-053) 

56 

400 

22-7 
23-6 

18-4 
19-9 

10-4 
10-4 

1406 
14-51 

14-29 

0-00967 

0-8567-3 

12-4487 

62 

500 

34-8 
34-5 

29-1 

28*7 

15-9 
14-8 

21-30 
21-45 

21-38 

0-01447 

0-0788-2 

12-7042 

63 

Mittel 

:  »  = 

+  60.10- 

*. 

Aus  den  in  der  Tabelle  4  wiedergegebenen  Versuchen 
lassen  sich  zuerst  die  Temperaturänderungen  t  berechnen  nach 


der  Formel  t  m  X  • 
Formel 


1-03 
1523 


;  dann  kann  mit  Hilfe  der  Voigt'schen 


^ab=^ 


E     V2.a«.ic« 


worin  7;r=  ^-^.419. 10*  die  spezifische  Wärme  der  Volums- 
einheit und  dflfr  die  TemperaturdiflFerenz  bei  der  Drehung  vont 
Momente  Ma  in  das  Moment  Mt  bedeutet,  s  bestimmt  werden 
aus  der  Gleichung: 

r.o.4-19.10'.£.it«.aö  »ab 


8  = 


27« 


m—Ml 


916 


R.  Wagher, 


oder 


log  e  =  log  »a&  +  12-5234  — log  (JlfJ  —  AfJ). 


Es  gibt  demnach  die  Dahiander*5che  Formel  mit  dem  auf 
diese  Art  gefundenen  e: 

8a 


8P 


=  8-5.10-^. 


>  Der  dritte  Stab  (Qual.  IV)  von  der  Dicke  2a=z4'92mm, 
und  dem  spezifischen  Gewichte  a  =  1  *  325  ergab  die  in  der 
Tabelle  5  enthaltenen  Werte.  Dazu  gehörte:  r=:  T  17,  T=3-  54", 


ti=  15ÜÖ, 

2  — t 

)-U2 

Jö; 

lOgT 

— 

lOgA  +  < 

J-9Ü14- 

-4,    h 

Dga  = 

- 

=  log  p  +0-1908-2. 

Tabelle  5.  J^III. 

F 

A 

X1-X2 

^8-^2 

X 

X 

Mittel 

T 

~-10Ä 
P 

01.107 

f  an. . 

\ab.. 

4-5 
5-3 

2 

3 

5 

4 

1-5 
2-7 

3 
3 

•30 

•47 

3  39 

0-.00270* 

540 

838 

Jan   . 

\ab.. 

8-5 
10-1 

4' 
5 

7 
6 

3-8 
4-7 

5 

7 

•95 
•Ol 

6-48 

0-00516 

516 

801 

f  an. 
\ab   . 

11-2 
12-9 

4" 
6- 

5 

•9 

4-0 
6-2 

8' 
8 

•65 

•97 

8-81 

0-00702 

468 

726 

(  an.  . 
\ab.. 

15-7 
17-5 

9- 
9" 

'2 
0 

7-5 

7-8 

10 
12 

•69 
■46 

11-58 

0- 00923 

462 

717 

f  an. . 
2-5^ 

\ab.. 

18-2 
21-1 

11 
11' 

■0 
"0 

6-4 
9-5 

13 

14 

•28 
95 

14-12 

0-01125 

450 

698 

\ab.. 

20-5 
24-8 

8< 
13 

•8 
•1 

8-3 
11-3 

15 
17 

•37 
•48 

16-43 

0-01309 

436 

677 

I'an. . 
"^tab.. 

28-2 
32-3 

12 
17" 

'5 
•0 

11-7 
14-8 

20 
22 

■94 
■76 

21-85 

0-01741 

435 

675 

/an. . 

27-4 

2 

'2 

3-1 

25 

81 

ab . . 
5< 
an. . 

42-6 
34-0 

25' 
13' 

•4 
0 

21-5 
12  •3 

28- 
26' 

53 
41 

27-07 

0-02157 

• 

481 

669 

L 

lab. . 

39-7 

21 

'5 

19-1 

27' 

'52 

Bestimmung  des  linearen  AusdehnungskoefRzienten  etc. 


917 


^ 

1 

• 

• 

• 

• 

«j» 

•    . 

, 

- 

»             - 

'     - 

1 

• 

/ 

» 

• 

f^ 

e^ 

/ 

^J 

i 

/ 

h 

f 

^ 

/ 

i 

t-« 

/ 

f 

/ 

11 

• 

/ 

t                    i 

/ 

/ 

/ 

1 

S5 

£ 

% 

1 

1 

^ 

^ 

1 

f 

t 

(l4 


930         R.  Wagner,  Erwärmung  beim  I>ehnen  eines  JodsUberstabes. 

Daraus  ersieht  man  also,  daß  die  Erscheinung  qualitativ^ 
unbedingt  nachgewiesen  ist,  ja  sogar  quantitativ  wenigstens 
insofern,  als  bei  wachsendem  Zuge  die  Temperatur- 
änderungen regelmäßig  ansteigen.  Dividiert  man  die  beob- 
achteten Temperaturdifferenzen  durch  die  dazugehörigen  Ge- 
wichte, so  erhält  man,  wenn  die  erste  Beobachtung  nicht 
berücksichtigt  wird,  für  die  1  ig  entsprechenden  Erwärmungen 
die  Werte:  0-00008,  0-00008,  0-00007. 

Eine  vollständige  Befriedigung  der  Thomson*schen  Formel 
konnte  bei  der  Kleinheit  der  zu  messenden  Temperatur- 
änderungen wohl  nicht  erwartet  werden. 


931 


Ober  den  Pohlke' sehen  Satz 


von 


Erwin  Kruppa. 

(Vorgelegt  in  der  SiUung  am  6.  Juni  1907.) 

Die  synthetische  Geometrie  lehrt  den  Satz,  daß  sich  alle 
MaßbegrifTe  als  projektive  Beziehungen  der  geometrischen 
Gebilde   zum   absoluten   Kegelschnitt  /darstellen   lassen.  So 

kann  der  Wert  eines  Winkels  AB  durch  die  Formel  ausgedrückt 
werden: 

/\        1 

welche  zeigt,  daß  er  nur  von  dem  Doppelverhältnis  abhängig 
ist,  das  die  unendlich  fernen  Punkte  aubu  seiner  Schenkel  mit 
/  bestimmen. 

Prof.  Dr.  E.  Müller  (Wien)  macht  in  seinem  Berichte;  »Die 
darstellende  Geometrie  als  eine  Versinnlichung  der  abstrakten 
projektiven  Geometrie«^  darauf  aufmerksam,  daß  der  obige  Satz 
fähig  ist,  eine  einheitliche  Grundlage  für  die  Lösung  sämtlicher 
Aufgaben  über  Maßverhältnisse  in  allen  linearen  Abbildungs- 
methoden  der  darstellenden  Geometrie  zu  liefern  und  er  zeigte 
in  seinen  Vorlesungen  über  die  »Abbildungsmethoden  der 
darstellenden  Geometrie«  im  Studienjahr  1905/06  an  der 
Technischen  Hochschule  in  Wien  seinen  Hörern  die  konstruk- 
tive Verwertung  dieses  Gedankens. 


1  Jahresbericht  der  deutschen    Mathematiker- Vereinigung«  Bd.  14,  1905. 


•920 


R.  Wagner, 


idaher: 
und 


log  T  =  log  A'+0-6474— 4 


log  a  =  log h  0  •  3644—2. 


Man  sieht  sofort,  daß  dieser  Stab  von  den  früheren  sich 

durch  das  schwächere  Abfallen  der-p-  unterscheidet  (vergl. 

Kurve  HIV).  In  der  Tat  verhielt  sich  der  Stab  bei  der  Biegung 
wie  ein  Metall,  da  er  ein  negatives  e  aufwies.  Siehe  Tabelle  8. 

4 

Tabelle  8.  HIV. 


p 

A 

1 

X 

X 

Mittel 

■  t 

log  ^ab 

log 

t.lO* 

5-9 

3-5 

1-4 

4-43 

150 

4-5 

0-6 

1-0 

4-02 

4-23 

0-00201* 

^^•^ 

^■^ 

5-9 

3-3 

1-4 

4-49 

• 

275 

4-64 

0-00220 

0-3423-3 

12-1732 

—27 

6-7 

3-5 

2-9 

4-78 

11-3 

5-8 

4-5 

8-21 

1 

400 

11-6 

5*0 

4-0 

8-90 
Mittel 

8-56 
:  e  = 

0-00406 
—  23.10- 

0-6083-3 

• 

12-5877 

—  19 

Dazu  gehörte: 


'c  =  X 


0^73 
1540 


log  s  =  log  »^i,+ 12 -2602  — log  (Ml—M^. 

Der  Elastizitätsmodul  bestimmte  sich  aus  mehreren  Beob- 
achtungen: 

£=336— ^• 
mm' 

Also: 

8a 


8P 


zu  2-1.10-'. 


Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  etc. 


921 


Dieser  Stab  hatte  demnach  ein  negatives  und  verhältnis- 
mäßig kleines  e,  d.  h.  er  näherte  sich  in  dieser  Hinsicht  einem 
Metalle  mit  relativ  hohem  s,  wie  es  z.  B.  Messing  mit  großem 
Zinkgehalte  darstellt  Um  nun  zu  sehen,  ob  Messing  bei  der 
Dehnung  ein  ähnliches  Verhalten  zeigt,  wie  dieser  letzte  Hart- 


Tabelle  9.  M. 


p 

A 

*i-^2 

^8-^2 

X 

X 

Mittel 

T 

— -105 
P 

a.107 

f  an. . 

\ab.. 

14-0 
14-6 

11-5 
11-9 

7-6 
7-9 

8-27 
8-66 

8-47 

0-00279« 

558 

197 

f  an. . 
1< 
\ab.. 

27-6 
28-8 

22-5 
23-2 

15  8 
17-3 

16-11 
16-65 

16-38 

0-00539 

539 

190 

Tan. . 
1-5^ 

42-4 

42-0 

35-2 
34-0 

25-2 
25-0 

24-28 
24-30 

24-29 

0-00799 

533 

188 

Jan. . 
^\ab.. 

56-2 
55-9 

46-7 
45-0 

39-6 
34-5 

32-41 
32-05 

32-23 

0-01060 

530 

187 

Tan. . 

2-5< 

\ab.. 

70-5 
69'2 

57-5 
56-5 

42-4 
41-7 

40-53 
39-74 

40-14 

001320 

528 

• 

186 

Jan. . 
\ab.. 

84-7 
82-8 

69-4 
67-1 

50-9 
50-3 

48  61 
47-58 

48-10 

0-01582 

527 

186 

Jan.. 
\ab.. 

114'0 
UO-8 

93-8 
89-9 

68-3 
66-9 

65-37 
63-76 

64-57 

0-02124 

581 

187 

Jan. . 
\ab.. 

140-6 
136-0 

115-0 
111-0 

72-0 
82-8 

84-50 
77-86 

81-18 

0-02670 

534 

188 

gummistab,  wurde  ein  Messingstab  (657o  Cu,  357o  Zn)  von  der 
Dicke  2az=z2'00fnfn,  dem  spezifischen  Gewichte  0  =  8 '39 
und  der  spezifischen  Wärme  <:  =  0*094  der  Dehnung  unter- 
worfen und  lieferten  die  Beobachtungen  die  in  der  Tabelle  9 
angegebenen  Zahlen. 

Dazu  gehörte: 
7=3-64'',     ;?=1592,     r=z0'51,     2  =  0-026; 

log  T  zz:  log  A:+0-5171  — 4,  log  a  =  log—  +  0'5474  — 3. 


922 


R.  Wagner, 


Aus  der  letzten  Reihe  sieht  man,  daß  für  a  nahezu 
konstante  Werte  sich  ergeben,  die  nur  anfangs  außerordent* 
lieh  wenig  sinken  (vergl.  Kurve  Af)-  Werden  sie  mit  dem  von 
Fizeau  angegebenen  a=:  186. 10^'  verglichen,  so  merkt  man 
das  vollständige  Übereinstimmen  bei  einem  Zuge  von  2kg 
an.  Berechnet  man  nach  der  Dahlander'schen  Formel  mit  dem 
bekannten*  6  =  — 15.10~*  die  Änderung  des  Ausdehnungs- 
koeffizienten mit  der  Spannung,  so  ergibt  sich: 

-  =  0-5.10-'. 
iP 

Die  Ergebnisse  dieser  Versuche  werden  in  der  folgenden 
Tabelle  veranschaulicht: 

Resultate. 


E    *^ 

•                                   t 

8.101 

8a 
hP 

:  Hl 

'h,i 

312 
368 
336 
336 

11000 

H-  35 
4-  60 
-h  36 

—  23 

-  15 

—  6-2 

—  8-5 

—  5-6 
-f-  2-1 
-f-  0-5 

1 
HUI 

H IV 

.\/ 

1 
1 

Ein  Ausdehnungskoeffizient,  der  von  der  Spannung  fast 
unabhängig  ist,  beziehungsweise  nur  in  sehr  geringem  Maße 
davon  abhängt,  zeigt  sich  nur  bei  Messing  und  beim  Hart- 
gummistab HIV,  Die  Ursache  finden  wir  darin,  daß  bei  beiden 
Stäben  s  im  V^erglelche  zu  den  übrigen  klein  und  negativ  ist. 
Daher  wird  der  Zähler  8-f-2a  klein,  wozu  bei  Messing  noch 
dazu  kommt,  daß  der  Nenner  E  sehr  bedeutend  ist.  Aus  diesem 
Grunde  erscheint  bei  den  übrigen  Hartgummistäben,  welche 


1  WAÖmuth:  Über  die  B«slimmung  der  thermischen  Änderungen  des 
Elastizitätsmoduls,  p.  77;  Wiener  Ber.,  115,  IIa  (1906). 


Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  etc.  023 

alle  ein  großes  positives  e  aufweisen,  der  Ausdehnungs- 
koeffizient in  erheblicher  Weise  abhängig  von  der  Spannung, 
und  zwar  nimmt,  wie  die  Versuche  ergaben,  derselbe  besonders 
für  kleine  Zugkräfte  mit  diesen  ab. 

Dort,  wo  der  Elastizitätsmodul  klein  und  seine  thermische 
Änderung  positiv  und  verhältnismäßig  groß  ist,  nimmt  der 
Ausdehnungskoeffizient  in  erheblicher  Weise  mit  dem  Zuge 
ab;  er  ändert  sich  nur  wenig  (nimmt  unbedeutend  zu),  wenn, 
wie  bei  den  Metallen,  der  Modul  sehr  groß  und  die  thermische 
Änderung  desselben  negativ  und  absolut  genommen  klein  ist. 

Durch  diese  Untersuchungen  dürfte  die  strittige  Frage  • 
betreffs  des  thermischen  Verhaltens  des  Elastizitätsmoduls  von 
Hartgummi  und  seiner  Beziehung  zur  Dahlander'schen  Formel 
der  Erkenntnis  näher  gerückt  worden  sein. 


1  Winkelmann,  Handb.  d.  Physik,  II,  2,  p.  64  (1896). 


925 


Ober  die  Erwärmung  beim  Dehnen  eines  Jod- 

Silberstabes 


von 


phil.  Robert  Wagner. 

Aus  dem  mathematisch-physikalischen  Kabinett  der  Universität  Graz;  Vorstand: 

Prof.  A.  Waflmuth. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  6.  Juni  1907.) 

Jene  festen  Körper,  bei  denen  der  lineare  Ausdehnungs- 
koeffizient positiv  ist,  müssen  nach  der  Thomson'schen  Regel 
beim  Dehnen  eine  Abkühlung  aufweisen.  Eine  große  Zahl  von 
Versuchen  an  Metallen  haben  dies  sowie  die  Übereinstimmung 
mit  der  erwähnten  Regel  bewiesen.  Demnach  müßten  Stoffe, 
wie  z.  B.  Jodsilber,  welches  einen  negativen,  wenn  auch  sehr 
kleinen  Ausdehnungskoeffizienten  hat,  sich  beim  Dehnen 
entgegengesetzt  verhalten,  also  erwärmt  werden.  Dieses 
anormale,  bisher  noch  nicht  nachgewiesene  Verhalten  des 
Jodsilbers  ist  durch  die  nachfolgenden  Versuche  bestätigt 
worden. 

Das  Silberjodid  wurde  durch  Fällung  von  Kaliumjodid  mit 
Silbernitrat  (AgNOg  -4-  KJ  =  KNO3  +  AgJ)  zunächst  als  gelber, 
schmieriger  Niederschlag  erhalten,  der  gründlich  gewaschen 
und  getrocknet  wurde.  Das  so  erhaltene  Pulver  wurde  dann  in 
einem  Tiegel  geschmolzen,  mit  einer  3  mm  dicken  Röhre  aus 
Hartglas  aufgesogen  und  rasch  in  kaltes  Wasser  getaucht., 
Die  auf  diese  Weise  gewonnenen  Stäbe  waren  vielfach  hohl 
und  zeigten  überhaupt  ein  sehr  lockeres,  stark  kristallinisches 
Gefüge,  so  daß  sie  schon  bei  einer  Belastung  von  wenig  über 
100^  rissen.  Der  Grund  lag  ersichtlich  darin,  daß  das  Glasrohr 
beim  Einsenken  in  das  Wasser  sofort  zersprang  und  daher  dem 

Sitzb.  d.  mathero.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  Ha.  61 


926  R.  Wagner, 

sich  ausdehnenden  Jodsilber  keinen  genügenden  Widerstand 
entgegensetzte.  Infolgedessen  wurde  ein  anderer  Weg  einge- 
schlagen. Eine  zylindrische  Stahlform  aus  starken  Wänden, 
die  aus  zwei  sehr  gut  schließenden  Teilen  bestand,  wurde  in 
einen  Schraubstock  eingeklemmt,  rings  mit  Schnee  umgeben 
und  das  über  den  Schmelzpunkt  hoch  erhitzte  Jodsilber 
hineingegossen.  Auf  diese  Art  war  die  Abkühlung  eine  sehr 
rasche  und  fand  gleichzeitig  unter  starkem  äußeren  Drucke 
statt,  was  die  Bildung  größerer,  ausgebildeter  Kristalle  hinderte 
und  verhältnismäßig  widerstandsfähige  Stäbe  von  nahezu 
amorpher  Beschaffenheit  lieferte.  Auch  bestand  der  große 
Vorteil  dieser  Methode  des  Gießens  darin,  daß  die  fein- 
gewalzten Drähte  eines  Thermoelementes  zwischen  den  Teilen 
der  Form  in  das  Innere  eingeführt  werden  konnten,  so  daß  die 
Lötstelle  im  Stabe  selbst  eingeschmolzen  war. 

Der  Ausdehnungskoeffizient  eines  auf  die  beschriebene 
Weise  hergggtellten  Stabes  wurde  qualitativ  folgendermaßen 
bestimmt.  Das  eine  Ende  wurde  in  einem  Metallfuße  auf  eine 
feste  Unterlage  gestellt  und  auf  das  andere  Ende  ein  langes, 
dünnes  Stäbchen  so  gelegt,  daß  es  einen  einarmigen  Hebel 
vorstellte.  Mit  einem  Mikroskope  konnte  man  die  Spitze  des 
Zeigers  verfolgen,  während  der  Jodsilberstab  erwärmt  und 
abgekühlt  wurde.  Ersetzte  man  das  Jodsilber  durch  ein 
beliebiges  Metall,  so  bewegte  sich  der  Zeiger  viel  rascher  nach 
der  entgegengesetzten  Richtung  hin.  Also  war  sicher  nach- 
gewiesen, daß  der  untersuchte  Jodsilberstab  einen  negativen, 
wenn  auch  sehr  kleinen  Audehnungskoeffizienten  hatte. 

Die  Stäbe  wurden  dann  mit  Marmorkitt  in  Ebonithülsen 
eingepickt,  in  einem  breiten,  allseits  verschlossenen  Holz- 
rahmen aufgehängt  und  durch  Anhängen  von  Gewichten  direkt 
gedehnt.  Dehnungsapparat,  Zuleitung  und  das  ungemein 
empfindliche  Galvanometer  (bezogen  von  Keiser  &  Schmidt) 
waren  durch  Watte  und  Pappdeckel  sorgfältig  vor  Wärme- 
strömungen geschützt. 

Um  überhaupt  einen  von  den  Temperaturdifferenzen 
herrührenden  Ausschlag  am  Galvanometer  zu  erhalten,  war  es 
notwendig,  den  Gesamtwiderstand  m;  (Thermoelement -h  Leitung 
-4- Galvanometer)  möglichst  klein  zu  machen,  was  besonders 


Erwärmung  beim  Dehnen  eines  Jodsilberstabes. 


^27 


durch  Wahl  von  dickeren  Drähten  für  das  Thermoelement 
{Eisen-Konstantan)  erreicht  wurde;  in  der  Tat  warn;  =r  0-65 
Ohm.  Die  dabei  trotz  der  geringen  Dehnung  auftretenden 
Deformationsströme  konnten  dadurch  vermieden  werden,  daß 
die  Verbindung  mit  der  Leitung  durch  fein  gewalzte  Kupfer- 
streifen vermittelt  wurde. 

Es  möge  hier  nur  eine  Versuchsreihe  vollständig  mitgeteilt 
werden,  die  am  7.  März  1907  nachts  bei  vollkommener  Ruhe 
angestellt  wurde.  Es  wurden  nacheinander  Ys»  ^>  ^V«»  2ife^ 
angehängt  und  abgehoben,  bei  2^1^  kg  riß  der  Stab.  Vor  jedem 
Versuche  wurde  solange  gewartet,  bis  der  Spiegel  des  Galvano- 
meters absolut  ruhig  stand,  so  daß  noch  Vio  ^^  sicher  abge- 
lesen werden  konnte.  Die  Resultate  der  Versuche  sind  in  der 
folgenden  Tabelle  angegeben: 


Spannendes 

Gewicht 

P 


VäV 


1*^< 


1V2*^{ 


an., 
ab., 
an. . 
ab. . 
an. . 
ab. . 

an. . 
ab., 
an. . 
ab. . 

an., 
l  ab. . 

an. . 
ab. . 
an. . 
ab. . 
an. . 
ab. . 


2*/ 


/an., 
jab.. 
I  an., 
lab.. 


Erster 

Ausschlag 

A 


0-8 
0-3 
0-5 
0-6 
0-6 
0-2 

0-9 
0-5 
0-4 
0-7 
1-2 
0-6 

0-7 
0-5 
l-l 
1-2 
1-6 
0-6 

0-7 
0-9 
1-0 
1-0 


Erste  Distanz 
der  Umkehr- 
punkte JTj — x^ 


0-4 
0-2 
0-7 
0-4 
0-7 
0-2 

0-4 
0-3 
0-4 
0-8 
1-3 
0-4 

0-3 
0-4 
0-9 


0 
1 
0 

0 
0 


3 
2 

4 

5 
4 


0-2 

0-5 


0 
0 
0 
0 
0 
0 

0 

0 
0 
0 
0 
0 

0 
0 
0 

1 

0 
0 

0 
0 
0 
0 


6 
2 
1 
4 
2 
1 

7 
3 
2 

2 
4 

4 

5 
3 
6 
0 
9 
4 

4 
7 
9 

7 


Mittleres 
X 


0-3 


0-4 


0-6 


0-7 


Mittleres 
beobachtetes 

t 


0-00006* 


0-00008^ 


000012" 


000014* 


61* 


928  R.  Wagner, 

Die  Berechnung  der  Beobachtungen  erfolgte   nach   den 

Formeln: 

X.fv 

X=  A—X,, 

dabei  war: 

k 
i  =1 1  "44  das  Dämpfungsverhältnis,  also  =:  0*6, 

x^—x^  die  erste  Distanz  der  Umkehrpunkte, 
A  der  erste  Ausschlag, 
w  =  0*65  fl  der  Widerstand, 

R  zu  3280  die  thermoelektrische  Konstante  für  die  Schwingungs- 
dauer T=  5-6''. 

Der  Sinn  der  Ablenkung  wurde  vor  und  nach  den  Ver- 
suchen auf  mehrfache  Weise  festgestellt.  Wurde  die  Mitte  des 
Stabes  mit  der  warmen  Hand  berührt,  so  ging  die  Nadel  des 
Galvanometers  auf  dieselbe  Seite  wie  bei  der  Belastung  des 
Stabes;  eine  Abkühlung  der  Stabmitte  brachte  einen  entgegen- 
gesetzten Nadelausschlag  in  der  Richtung,  wie  ihn  die  Ent- 
lastung lieferte.  Ein  zweites,  frei  eingeschaltetes  Thermo- 
element bestätigte  das  Gewonnene.  Es  ist  also  damit  zweifellos 
nachgewiesen,  daß  Dehnung  des  Jodsilbers  mit  einer  Er- 
wärmung und  die  Zusammenziehung  mit  einer  Ab- 
kühlung verbunden  ist. 

Berechnet  man  die  Temperaturänderungen  an  der  Hand 
der  von  W.  Thomson  für  vollkommen  elastische  Körper  auf- 
gestellten Formel 


427. CO. 6' 


worin  Tq  die  absolute  Temperatur,  a  den  linearen  Ausdehnungs- 
koeffizienten, P  das  spannende  Gewicht  in  Kilogramm,  co  das 
Gewicht  der  Längeneinheit  (1  m)  in  Kilogramm  und  c  die 
spezifische  Wärme  bedeutet,  so  findet  man  Werte,  die  nach 
der  Größenordnung  mit  den  beobachteten  ziemlich  überein- 
stimmen. Der  Stab  hatte  eine  mittlere  Dicke  2  r  zu  4-00  ww, 


Erwärmung  beim  Dehnen  eines  Jodsrlfoerstabes. 


929 


ein  spezifisches  Gewicht  o  =  5-62  und  für  die  spezifische 
Wärme  wurde  die  von  Regnaul  t  angegebene  Zahl  c  =  0*0616 
genommen.  Der  lineare  Ausdehnungskoeffizient  des  Jodsilbers 
ist  von  Fizeau  bestimmt  worden,  der  für  geschmolzenes  AgJ 
«= —0-00000139  bei  40*  erhielt.  Ferner  zeigte  er,  daß  die 
Änderung  desselben  mit  der  Temperatur  sehr  bedeutend  ist, 
so  daß  sich  für  17"  a  =— 0-00000107  ergibt.  Dieser  Wert 
gilt  aber  nur  unter  der  Voraussetzung,  daß  das  Silberjodid 
vollkommen  amorph  ist.  Bedenkt  man  aber,  daß  unser  Stab 
sicher  nicht  vollständig  amorph  war,  sondern  aus  lauter 
kleinen  Kriställchen  —  die  zum  hexagonalen  System  ge- 
hören —  bestand,  so  ist,  wie  aus  dem  folgenden  erhellt,  ein 
noch  kleinerer  Ausdehnungskoeffizient  zu  nehmen.  Denn  der 
Jodsilberkristall  hat  die  Eigentümlichkeit,  daß  er  in  der  Richtung 
der  Hauptachse  ein  negatives  und  normal  darauf  ein  positives  a 
hat,  nämlich: 

Ol  =:  —0-000003966,  a^  =  +  0-000000647. 

Hieraus  findet  man  den  mittleren  linearen  Ausdehnungs- 
koeffizienten nach  der  Formel:^ 

a  =  —  (a^  -h  202)  =  —0-000000891. 

Legt  man  nun  beide  Zahlen  der  Berechnung  zu  Grunde,  so 
findet  man  die  in  der  folgenden  Tabelle  enthaltenen  Temperatur- 
änderungen: 


p 

berechnet 
(amorph) 

berechnet 
(kristallinisch) 

beobachtet 

'k^g 

1  Ä^ 

0-00008« 
0-00017 
0-00025 
0  00033 

0-00007« 
0-00014 
0-00021 
0 • 00028 

0-00006« 
0-00008 
0-00012 
000014 

Zkg 

■^     ö  ■  •  •  • 

1  Winkelmann,  Handbuch  der  Physik.  II,  2,  p.  76,  1896.  Zu  ähnlichen 
Resultaten  kommt  man,  wenn  man  den  Jodsilberstab  als  einen  kristallinischen 
Rotationskörper  auffaßt  und  nun  die  allgemeinen  thermodynamischen  Formeln 
von  W.  Voigt,  Thermodynamik,  I,  p.  300.  1903,  anwendet. 


930         R.  Wagner,  Erwännung  beim  Dehnen  eines  JodsUberstabes. 

Daraus  ersieht  man  also,  da6  die  Erscheinung  qualitativ 
unbedingt  nachgewiesen  ist,  ja  sogar  quantitativ  wenigstens 
insofern,  als  bei  wachsendem  Zuge  die  Temperatur- 
änderungen regelmäfiig  ansteigen.  Dividiert  man  die  beob- 
achteten Temperaturdifferenzen  durch  die  dazugehörigen  Ge- 
wichte, so  erhält  man,  wenn  die  erste  Beobachtung  nicht 
berücksichtigt  wird,  für  die  1  kg  entsprechenden  Erwärmungen 
die  Werte:  0-00008,  0-00008,  0-00007. 

Eine  vollständige  Befriedigung  der  Thomson*schen  Formel 
konnte  bei  der  Kleinheit  der  zu  messenden  Temperatur- 
änderungen wohl  nicht  erwartet  werden. 


931 


Über  den  Pohlke'sehen  Satz 

von 

Erwin  Kruppa. 

(Vorgelegt  in  der  SiUung  am  6.  Juni  1907.) 

Die  synthetische  Geometrie  lehrt  den  Satz,  daß  sich  alle 
Maßbegriffe  als  projektive  Beziehungen  der  geometrischen 
Gebilde   zum   absoluten   Kegelschnitt  /darstellen   lassen.  So 

kann  der  Wert  eines  Winkels  AB  durch  die  Formel  ausgedrückt 
werden: 

/\        1 

2t 

welche  zeigt,  daß  er  nur  von  dem  Doppelverhältnis  abhängig 
ist,  das  die  unendlich  fernen  Punkte  auhu  seiner  Schenkel  mit 
/  bestimmen. 

Prof.  Dr.  E.  Müller  (Wien)  macht  in  seinem  Berichte:  »Die 
darstellende  Geometrie  als  eine  Versinnlichung  der  abstrakten 
projektiven  Geometrie«^  darauf  aufmerksam,  daß  der  obige  Satz 
iahig  ist,  eine  einheitliche  Grundlage  für  die  Lösung  sämtlicher 
Aufgaben  über  Maßverhältnisse  in  allen  linearen  Abbildungs- 
methoden  der  darstellenden  Geometrie  zu  liefern  und  er  zeigte 
in  seinen  Vorlesungen  über  die  »Abbildungsmethoden  der 
darstellenden  Geometrie«  im  Studienjahr  1905/06  an  der 
Technischen  Hochschule  in  Wien  seinen  Hörern  die  konstruk- 
tive Verwertung  dieses  Gedankens. 


1  Jahresbericht  der  deutschen    Mathematiker-Vereinigung,  Bd.  14,  1905. 


932  E.  Kruppa, 

Der  im  nachfolgenden  gegebene  Beweis  des  Pohlke'schen 
Satzes  und  einige  sich  anschliefiende  Folgerungen  sind  geeignet, 
die  Fruchtbarkeit  dieses  Gedankens  darzutun. 

Wir  sprechen  den  Satz  in  folgender  Form  aus: 

Ein  Viereck  u'x'yj  der  Bildebene  kann  aufgefaßt 
werden  als  Parallelprojektion  eines  Tetraeders  uxyz, 
das  zu  einem  gegebenen  Te traed er  ü^^r^y^s;^ ähnlich  isi. 

Es  soll  nun  gezeigt  werden,  daß  es  im  ganzen  acht  Tetra- 
eder nxyz  gibt,  welche  dem  Satze  genügen,  von  denen  jedoch 
vier  imaginär  sind. 

Legt  man  durch  den  Punkt  «^  den  Minimalkegel  und 
schneidet  ihn  mit  der  Ebene  w^  der  übrigen  Eckpunkte  ;r^>^  2^, 
so  erhält  man  einen  nuUteiligen  Kreis  K^, 

Wird  das  Dreieck  x^y^z^  dem  Dreieck  ^y^/  affin  zuge- 
ordnet, so  entspricht  dem  Kreis  K^  ein  nullteiliger  Kegelschnitt 
K!  der  Bildebene. 

Man  nehme  nun  in  der  Bildebene  einen  nuUteiligen  Kreis 
Di  an,  der  in  u'  dieselbe  Involution  konjugierter  Strahlen 
erzeugt  wie  K',  Di  und  K!  entsprechen  einander  dann  in  zwei 
reellen  Perspektiven  Kollineationen;  u'  ist  für  beide  das  Kol- 
lineationszentrum  und  die  beiden  reellen  Sehnen  E^  und  E^ 
von  Di  und  KI  sind  Kollineationsachsen. 

Legt  man  durch  Z),-  einen  Minimalkegel,  so  kann  -fi?  aufgefaßt 
werden  als  Schrägriß  von  zwei  ebenen  Schnitten  K^  und  K^ 
dieses  Minimalkegels,  für  eine  Projektionsstrahlenrichtung,  die 
durch  den  uneigentlichen  Punkt  p  der  Verbindungslinie  der 
reellen  Spitze  u  des  Minimalkegels  mit  ml  als  Projektions- 
zentrum bestimmt  ist.  Wir  bezeichnen  die  Ebenen  von  K^ 
und  Äg  mit  «j  und  »g  und  bemerken,  daß  sie  reell  sind.  Das 
projizierende  Prisma  durch  das  Dreieck  ^y«/  der  Bildebene 
schneidet  tü^  und  «g  in  zwei  Dreiecken,  die  x^y^z^  und  x^y^z^ 
heißen  mögen. 

Die  Ebene  w^  wurde  affin  der  Bildebene  zugeordnet;  durch 
die  eben  eingeführte  Parallelprojektion  ist  nun  co^  auch  mit  den 
Ebenen  (Dj  und  cog  affin  verwandt.  Beachtet  man  aber,  daß  dem 
Kreise  K^  in  w^,  der  Kreis  K^  in  Wj  und  der  Kreis  K^  in  a>g  ent- 
sprechen, so  folgt,  daß  das  Dreieck  oc^y^^  zu  den  Dreiecken 
x^y^z^  und  x^y^z^  ähnlich  ist. 


über  den  Pohlke'schen  Satz.  933 

Verbindet  man  nun  die  Punkte  x^  y\  z^  mit  der  Spitze  u 
des  Minimalkegels,  so  entstehen  daselbst  die  Winkel  a,  ß,  7, 
welche  mit  denen  bei  u^  am  gegebenen  Tetraeder  überein- 
stimmen müssen,  weil  die  Doppelverhältnisse  der  Punktepaare 
x^y^,  y^z^,  ^^  mit  K^  gleich  sind  den  Doppelverhältnissen  der 
Punktepaare  ^^yv  y\^\^  ^1^1  ™t  Äj.  Somit  ist  das  Tetraeder 
^^i^i^i  ^^"^  L5sung  unseres  Satzes.  Dasselbe  gilt  für  das 
Tetraeder  n^x^y^z^.  Da  man  durch  den  nullteiligen  Kreis  Z),  zwei 
Minimalkegel  legen  kann,  so  erhält  man  zwei  weitere  reelle 
Lösungen,  die  zu  den  bereits  gefundenen  bezüglich  der  Bild- 
ebene symmetrisch  liegen.  Das  Tetraeder  nx^y^z^  ist  das 
Spiegelbild  des  Tetraeders  nx^y^z^  bezüglich  der  durch  w 
gehenden,  zum  Projektionsstrahl  normalen  Ebene. 

Benützt  man  an  Stelle  des  nullteiligen  Kreises  Di  einen 
reellen  Kreis  Dy^  der  in  in!  dieselbe  Involution  konjugierter 
Strahlen  erzeugt  wie  ü?,  und  wiederholt  genau  den  gegebenen 
Gedankengang,  so  gelangt  man  zu  vier  imaginären  Lösungen 
des  Pohlke'schen  Satzes. 

Der  durchgeführte  Gedankengang  läßt  sich  auch  leicht 
zeichnerisch  verfolgen,  wodurch  man  eine  recht  einfache  Kon- 
struktion des  Projektionsstrahles  und  des  Spurdreieckes  der 
Bildebene  erhält.  Gewöhnlich  hat  man  es  in  der  Achsonometrie 
mit  einem  rechtwinklig-gleichschenkligen  Dreibein  zu  tun.  In 
diesem  Falle  ist  das  Dreieck  xf ^^  Polardreieck  und  sein 
Schwerpunkt  der  Mittelpunkt  von  K'.  Zeichnet  man  in  n'  das 
Rechtwinkelpaar  der  Involution,  so  enthält  der  eine  Recht- 
winkelstrahl die  Mittelpunkte  aller  Kreise  A,  der  andere  die  der 
Kreise  By.  Der  reelle  Vertreter  D  von  A  ist  der  Distanzkreis  des 
Punktes  is,  und  w«'  ist  der  gesuchte  Projektionsstrahl.  Bei  der 
Konstruktion  der  reellen  Sehnen  E^  und  E^  von  A  und  K 
wird  man  beachten,  daß  Di  und  JC  perspektiv  koUinear  liegen. 

Zeichnet  man  die  dem  Dreieck  xf^J  in  den  beiden  Kollinea- 
tionen  entsprechenden  Dreiecke,  so  erhält  man  die  Spurdrei- 
ecke mit  der  Bildebene.  Diese  Konstruktion  wird  man  anwenden 
müssen,  wenn  das  Dreibein  eine  allgemeine  Gestalt  hat.  Ist  es 
jedoch  bei  <*  rechtwinklig,  so  gelangt  man  auf  folgendem  Weg 
sehr  rasch  zum  Ziele.  Man  zeichnet  die  Pole  der  Geraden  n^, 
wy,  «2/  in  Bezug  auf  Z)/.  Zwei  Eckpunkte  des  Spurendreieckes 


934  E.  Kruppa, 

sind  nun  dadurch  ausgezeichnet,  daß  sie  bezüglich  Z>,-  konju- 
giert sind  und  ihre  Verbindungslinie  durch  einen  bestimmten 
dieser  Pole  hindurchgeht. 

Die  im  vorausgehenden  beschriebene  Konstruktion  des 
Projektionsstrahles  und  des  Spurdreieckes  für  den  allgemeinen 
Fall  kann  immer  ausgeführt  werden,  sobald  in  der  Bildebene 
ein  Viereck  u'xfy^J  und  ein  beliebiger  Kegelschnitt  IC  gegeben 
sind.  Jeder  Veränderung  von  K!  entspricht  eine  Veränderung 
der  Gestalt  und  der  Lage  des  entsprechenden  Tetraeders  im 
Räume.  Da  aber  alle  Tetraeder  des  Raumes  zueinander  affm 
verwandt  sind,  so  ergibt  sich  der  Satz: 

Die  achsonometrische  Abbildung  des  Raumes 
wird  projektiv  durch  das  Viereck  liVy«'  und  metrisch 
durch  den  Kegelschnitt  K!  festgelegt. 

Wir  machen  von  diesem  Satze  sogleich  Gebrauch.  Von 
einem  Ellipsoid  sei  ein  Tripel  konjugierter  Durchmesser  ux^ 
uy,  uz  bekannt,  sowie  eine  Parallel projektion  u'x'yz^  desselben. 
Man  konstruiere  den  Umriß  des  Ellipsoides.  Wir  ersetzen  das 
Ellipsoid  durch  eine  Kugel,  für  die  wVy«/  die  Projektion  eines 
orthogonalen  Tripels  von  Kugelradien  ist.  Wir  konstruieren 
dieses  rechtwinklig-gleichschenklige  Dreibein  und  haben  da- 
durch eine  Kugel  bestimmt,  die  zufolge  des  zuletzt  ausgespro- 
chenen Satzes  denselben  Umriß  haben  muß  wie  das  gegebene 
Ellipsoid.  Es  kann  im  allgemeinen  der  Satz  von  Nutzen  sein, 
wenn  sich  in  der  Reihe  der  zu  dem  darzustellenden  Körper 
affinen  einer  beßndet,  der  in  Bezug  auf  die  Darstellung 
einfacher  ist. 

Durch  metrische  Spezialisierung  der  Achsonometrie,  das  ist 
also  durch  Veränderung  von  K',  lassen  sich  aus  der  Achsono- 
metrie alle  anderen  Parallelprojektionen  herleiten,  was  nun 
von  diesem  Standpunkte  aus  gezeigt  werden  soll. 

Die  Projektionsstrahlen  stehen  normal  auf  der  Bildebene, 
wenn  die  in  u'  von  A"'  hervorgerufene  Involution  eine  Recht- 
winkelinvolution ist,  wenn  mithin  u'  Brennpunkt  von  K'  ist.  In 
diesem  Falle  fallen  zwei  Paare  reeller  und  zwei  Paare  imaginä* 
rer  Lösungen  zusammen.  Die  gewöhnliche  orthogonale  Achsono- 
metrie liegt  dann  vor,  wenn  uf  Brennpunkt  und  x^y^^  Polar- 
dreieck von  A''  ist. 


über  den  Pohlke'schen  Satz.  935 

Geht  K'  durch  die  Schnittpunkte  der  Minimalgeraden  durch 
u!  mit  ^y,  so  ist  der  Winkel  x^ü^y^  gleich  dem  Winkel  x^n'y. 
In  diesem  Fall  ist  die  Ebene  ux^y^  parallel  zur  Bildebene, 
was  natürlich  nicht  hindert,  die  Konstruktionsmethoden  der 
Achsonometrie  anzuwenden.  Faßt  man  die  zur  Bildebene 
parallele  Ebene  i^x^y^  als  zweite  Fundamentalebene  auf, 
so  liegt  das  gewöhnlich  als  schiefe  Projektion  bezeichnete 
Zweispurensystem  vor.  Es  ist  klar,  wie  man  von  der  Methode 
der  schiefen  Projektion  auf  die  achsonometrische  übergehen 
wird. 

Durch  Parallelverschiebung  in  derRichtung  derProjektions- 
strahlen  kann  die  Ebene  uxiy^  mit  der  Bildebene  zur  Deckung 
gebracht  werden.  Dann  ist  auch  der  achsonometrische  Grund- 
riß eine  direkte  Parallelprojektion  des  Objektes  auf  die  Bild- 
ebene. Es  handelt  sich  also  hier  um  ein  Zweibildersystem,  bei 
dem  das  Objekt  aus  zwei  verschiedenen  unendlich  fernen 
Projektionszentren  direkt  auf  die  Bildebene  projiziert  wird.  Auch 
hier  wird  man  mit  den  achsonometrischen  Konstruktions- 
methoden auskommen. 

Um  auch  zum  Auf-  und  Grundrißverfahren  zu 
gelangen,  legen  wir  wieder  K'  durch  die  Schnittpunkte  der 
Minimalgeraden  durch  u'  mit  xiy  und  machen  die  weiteren  An- 
nahmen, daß  der  reelle  Vertreter  D  von  Z),  durch  u'  gehe  und 
z'  der  Pol  von  xfy  bezüglich  K'  sei. 

Unter  diesen  Voraussetzungen  ist  der  achsonometrische 
Grundriß  eine  orthogonale  Projektion  auf  die  zur  Bildebene 
parallele  Ebene  ux^^y^  und  das  achsonometrische  Bild  ist  eine 
Parallelprojektion  für  eine  unter  45**  gegen  die  Bildebene 
geneigte  Projektionsstrahlenrichtung.  Führt  man  nun  eine  zu 
«V  normale  Ebene  als  Aufrißebene  ein,  so  sieht  man  ohne- 
weiters,  wie  man  den  Aufriß  a^  eines  Punktes  a  konstruieren 
wird,  wenn  sein  achsonometrisches  Bild  a"  und  sein  Grund- 
riß a'  gegeben  sind. 

Umgekehrt  wird  man,  falls  a^  und  a'  gegeben  sind,  a"' 
durch  eine  einfache  Streckenübertragung  finden,  und  somit 
auch  im  stände  sein,  eine  Aufgabe,  die  in  Auf-  und  Grundriß- 
verfahren zu  lösen  ist,  nach  der  Methode  der  schiefen  Achsono- 
metrie durchzuführen. 


936  E.  Krappa,  Cber  den  PoUke'sdien  Smiz. 

Zum  Schlüsse  soll  noch  einmal  der  Grundgedanke  dieses 
Aufsatzes  hervorgehoben  werden,  der  darin  besteht,  dafi  durch 
die  Annahme  des  Kegelschnittes  IC  die  Parallelprojektion 
metrisch  festgelegt  ist 


Meinem  geehrten  Lehrer,  Herrn  Prof.  Dr.  Emil  Müller 
<Wien),  sage  ich  für  sein  freundliches  Entgegenkommen  bei 
dieser  Arbeit  meinen  wärmsten  Dank. 


937 


Die  Fehlerfläehen  topographischer  Auftiahmen 

von 

Prof.  A.  Klingatsch  in  Graz. 

(Mit  1  Textflgur.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  3.  Mai  1907.) 

I. 

Das  Ergebnis  der  geodätischen  Punktbestimmung  bilden 
die  Koordinaten  x^y,z,  welche  als  Funktionen  jener  der  ge- 
gebenen Fundamentalpunkte  sowie  der  gemessenen  und  somit 
mit  unregelmäßigen  Fehlern  behafteten  Bestimmungselemente 
anzusehen  sind. 

Bedeuten  Mxy  My,  M^  die  mittleren  Fehler  in  x^y^z^  so 
sind  diese  und  somit  auch  der  mittlere  Punktfehler  M  Funk- 
tionen von  x^  y,  25,  so  daß 

M'  =  M^+Mß+M?  =  F(x,y,  z)  1) 

zu  setzen  ist. 

Hiebei  enthält  1)  Koeffizienten,  welche  für  dieselben 
Fundamentalpunkte  und  dieselben  Operationen  konstante  ge- 
gebene Größen  sind.  Alle  Punkte,  welchen  derselbe  mittlere 
Punktfehler  M  zukommt,  liegen  gemäß  1)  auf  einer  Fläche, 
welche  als  Fehlerfläche  bezeichnet  werden  soll.  Für  alle  mit 
den  Meßoperationen  verträglichen  Werte  von  M  erhält  man 
daher,  solange  die  Bedingungen  für  die  Unveränderlichkeit  der 
Koeffizienten  in  1)  zutreffen,  eine  Schar  von  Fehlerflächen, 
für  welche  M  den  Parameter  bildet.  Jede  einzelne  derselben 
begrenzt  dann  dasjenige  Gebiet,  in  welchem  die  von  den 
gegebenen  Punkten   nach  dem  der  Gleichung  1)  zu  Grunde 


938  ^  A.  Klingatsch, 

liegenden  Verfahren  vorzunehmenden  Punktbestimmungen  den 
durch  M  definierten  Genauigkeitsgrad  nicht  überschreiten. 

Werden  von  denselben  oder  aber  von  anderen  Funda- 
mentalpunkten Operationen  vorgenommen,  welche  auf  anderen 
Grundlagen  beruhen,  so  erhält  man  auch  eine  andere  Schar  von 
Fehlerflächen.  Werden  dann  die  demselben  M  entsprechenden 
Flächen  dieser  beiden  Scharen  zum  Schnitt  gebracht,  so  liegen 
*  die  betreffenden  Schnittkurven  auf  einer  neuen  Fläche,  welche 
als  Grenzfläche  bezeichnet  werden  soll.  Sie  begrenzt  eben 
dasjenige  Gebiet,  in  welchem  das  eine  oder  das  andere  Ver- 
fahren genauer  wird,  indem  die  Grenzfläche  ihrer  Erzeugung 
gemäß  diejenigen  Punkte  enthält,  für  deren  Bestimmung  beide 
Methoden  dieselbe  Genauigkeit  gewähren. 

Die  Fehlerflächen  haben  daher  für  die  räumliche  Punkt- 
bestimmung dieselbe  Bedeutung  wie  die  Fehlerkurven  ^  für  die 
Beurteilung  der  Genauigkeit  der  Projektion  dieser  Punkte  auf 
deren  Ebene.  Sie  werden  in  allen  jenen  Fällen  ihren  Zweck, 
einen  Einblick  in  die  Genauigkeitsverhältnisse  geodätischer 
Operationen  zu  geben,  erfüllen,  in  welchen  von  einem  oder 
von  mehreren  gegebenen  Punkten  zahlreiche  neue  Punkt- 
bestimmungen durchzuführen  sind,  wie  dies  bei  topographi- 
schen Aufnahmen  der  Fall  ist. 

In  dieser  Hinsicht  kommen  gegenwärtig  zwei  Methoden 
zur  Anwendung,  die  tachymetrische  und  die  photographische, 
wobei  die  letztere  in  dem  stereophotogrammetrischen  Meß- 
verfahren in  jüngster  Zeit  eine  wesentliche  Vervollkommnung 
erlangte. 

Die  Grenzfläche  zwischen  der  tachymetrischen  und  der 
Stereoaufnahme,  hiebei  dieselben  der  Aufnahme  zu  Grunde 
liegenden  Punkte  vorausgesetzt,  wird  dann  Anhaltspunkte 
liefern,  wie  weit  die  Stereophotogrammetrie  die  für  ziviltech- 
nische topographische  Aufnahmen  bisher  fast  ausschließlich 
angewendete  tachymetrische  Methode  bezüglich  der  Genauig- 
keit ersetzen  kann. 

Mit  dem  Vorstehenden  ist  auch  der  Inhalt  dieser  Abhand- 
lung angedeutet,  welche  sich  mit  den  Fehlerflächen  für  das 

1  Klingatsch,  Die  Fehlerkurven  der  photographischen  Punktbestim- 
iming.  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  Juli  1906. 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  939 

tachymetrische,  das  stereophotogrammetrische  und  das  photo- 
grammetrische  Aufnahmsverfahren  und  den  betreffenden  Grenz- 
flächen beschäftigt. 

IL 

Zur  Entwicklung  der  Gleichung  der  Fehlerfläche  für  die 
tachymetrische  Punktbestimmung  aus  einem  als  fehlerfrei  ge- 
geben vorausgesetzten  Fundamentalpunkte  wird  der  Mittel- 
punkt O  des  in  diesem  Punkte  aufgestellten  Instrumentes  als 
Anfangspunkt  eines  rechtwinkligen  Koordinatensystems  XYZ 
angenommen,  wobei  Y  mit  der  Vertikalen  durch  O  zusammen- 
fallen soll. 

Sind  x,y,z  die  Koordinaten  des  zu  bestimmenden  Punktes  P, 
a  der  Winkel,  welchen  OP  :=  p  mit  der  Projektion  E  auf  XZ 
bildet,  endlich  o>  der  Winkel  zwischen  E  und  X,  so  ist 

xz=zE. Costa,    y=zEAga,     zz=E,s\n(a,    | 
wo  \         2) 

E  =  s/x^-hz^,     p  =  y/i^Ty^+z«  J 

ist. 

Die  tachymetrische  Punktbestimmung  gibt  E  und  y  nach 
den  Gleichungen 

E  z=i  CL  cos*  a,    y  =:  CL  sin  a  cos  a,  3) 

wenn  C  die  Konstante  des  Fadendistanzmessers  und  L  den 
Unterschied  der  Ablesungen  an  den  Seitenfaden  an  einer  lot- 
rechten durch  P  gehenden  geteilten  Latte  bedeutet,  während  a 
durch  die  Ablesung  am  Ht>henkreise  des  Instrumentes  er- 
halten wird. 

Bezeichnen  AC,  AL,  Aa,  Aco  die  Änderungen,  welche  die 
voneinander  unabhängigen  C,  i,  o,  »  infolge  von  Messungs- 
fehlem erfahren,  so  erhält  man  aus  2)  wegen  3),  da  lediglich 
die  ersten  Ableitungen  zu  berücksichtigen  sind,  für  die  Koordi- 
natenänderungen A;r,  Aj,  A2:: 


Hx 

— 

ix 

iC 

•AC  + 

ix 
iL 

•AL  + 

ix 
ioL 

•Aa  + 

ix 

8b) 

•Ao) 

^y 

— 

iy 
iC 

•AC  + 

iy 
iL 

•AZ,+ 

iy 
3a 

•Ao, 

A« 

— 

iC 

•AC  + 

dz 

iL 

•AL  + 

8s 
da 

•Aa  + 

iz 
io> 

•Ao> 

4) 


940  A.  Klingatsch, 

Werden  die  DiiTerentialquotienten  mit  Benützung  von  2) 
und  3)  durch  x^  y^  2,  respektive  E  ausgedrückt,  so  folgt 

8,ir  __  X        8.r  _        2xy        Ix  _ 


8C 



X 

c' 

8>. 
8C 

-zz 

y 
c' 

%z 

Z 

iL        L  ha  E  8tt 

ly  y  hy  E^ — y^ 

Jl'^T'  "37"~      E      ' 

iz   z  hz  2yz        iz 


•=:  X 


iC        C       iL        L        hoL  E  9« 


Wird  ferner 


5> 


^C  \L  ^       ^ 


gesetzt,  wo  mc  und  mi  für  einen  bestimmten  Apparat  gegebene, 
von  X,  y,  z  unabhängige  Fehlerverhältnisse  und  Wg  die  Ab- 
weichung der  Latte  von  der  Vertikalen  durch  P  bedeuten, 
so  erhält  man  mit  5)  aus  4),  wenn  hier  AC,  AL,  Aa,  Aco 
und  demgemäß  in  6)  auch  w^,  nti  und  wj  in  die  betreffenden 
mittleren  unregelmäßigen  Fehler  übergehen,  die  Koordinaten- 
fehler Ml  M},  Ml 

Der  für  unsere  Untersuchungen  lediglich  in  Betracht 
kommende  mittlere  Punktfehler  M  läßt  sich  dann  wegen  1)  in 
der  Form 

M^  =  [(ffi?+f«?+wS)+(f«i+fw|)tg«a+w5,.cos«a].p« 

7 

oder 

M''=fia).p''  =  F{x,y,z) 

darstellen. 

Die  Fehlerflächen  sind  demnach  zu  XZ  symmetrische 
Rotationsflächen  vierten  Grades  mit  Y  als  Drehungsachse. 


•  R.  Wagner,  Über  die  mit  dem  Reichenbach*schen  Distanzmesser 
erreichbare  Genauigkeit.  Z.  f.  Verm.  1886,  p.  103.  Jordan,  Handbuch  der 
Vermessungskunde,  3.  Aufl.,  1888,  II.  Bd.,  p.  578. 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  941 


III. 

Von  der  durch  7)  gegebenen  Fläche  kommt  al3  Fehler- 
fläche tatsächlich  nur  diejenige  Zone  in  Betracht,  welche  mit 
dem  Instrumente  noch  bestrichen  werden  kann.  Diese  Zone 
ist  somit  durch  die  dem  größten  Winkel  ±  «  entsprechenden 
KreisBchnitte  begrenzt,  längs'  welcher  mit  den  gebräuchlichen 
Instrumenten,  den  Tachymetern,  noch  Einstellungen  und  Latten- 
ablesungen möglich  sind.  Die  in  7)  auftretenden  mittleren  Teil- 
fehler, also  die  Koeffizienten  von  1),  sind  ferner  der  Größe  nach 
innerhalb  angebbarer,  von  dem  verwendeten  Apparat  und  dem 
Beobachter  abhängigen  Grenzen  bekannt,  so  daß  es  naheliegend 
ist,  die  F'ehlerfläche  7)  durch  eine  einfachere,  nämlich  eine 
Rotationsfläche  zweiten  Grades,  zu  ersetzen,  welche  sich  inner- 
halb des  Geltungsbereiches  jener  möglichst  anschließt. 

Wir  setzen  zu  diesem  Zwecke,  da  gemäß  7)  Y  die 
Drehungsachse  ist, 

3/'2  =  (A  cos2  a-^5  sin«  a).p2  =  ?(a).p«.  8) 

Von  den  verschiedenen  Bedingungen,  welche  zur  Er- 
mittlung der  die  Halbachsen  bestimmenden  Konstanten  A,  B 
gestellt  werden  können,  um  die  Aufgabe  zu  bestimmen,  be- 
nützen wir  eine,  welche  sich  aus  der  Anwendung  der  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  auf  die  näherungsweise  Darstellung 
gegebener  Funktionen  ergibt. 

Es  sollen  nämlich  A  und  B  aus  der  Bedingung  hergeleitet 
werden,  daß  [es]  ein  Minimum  wird,  wenn 

6  =  'f  (a)-/(a)  9) 

der  Repräsentant  aller  Fehlergleichungen  ist,  wenn  man  a 
alle  Werte  zwischen  — a  und  -ha  in  den  Intervallen  Ja  an- 
nehmen läßt.  Wegen  der  Symmetrie  von  7)  genügt  es,  hiebe! 
die  Integrationen  auf  die  Grenzen  0  und  a  zu  beschränken. 

Mit  7),  8),  9)  lauten  dann  die  beiden  zur  Bestimmung  von 
A  und  B  dienenden  Gauß'schen  Normalgleichungen: 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  02 


10) 


942  A.  Klingatsch, 

f     COS*  ada-hB  j     sin*  a  cos*  aäa  z=z 

=  (ntl+mj+ml)  I    cos*a  Ja  + 

Jo 

+  (i«5+wf|)  /    sin*aJa+fifi  1     cos*arf« 
f     sin*a  cos*a^a+5  I     sin*aia=: 

H-(wS+wD  /    tg*asin*arfa+iifi  /     sin'acos*«^/« 

Werden  keine  größeren  Femrohrneigungen  als  a  =  30* 
vorausgesetzt,  so  erhält  man  aus  10)  für  die 

Annahme  a): 

60" 
w^  =  0-0001,  W/  =  0-001;   nu  =  m^  = ,  wj  =  0 

206265 

A  z=z  117865. 10-^S     B  =  120110.10-";  lO^i) 

hingegen  für  die 

Annahme  bj: 

60^' 
m,  =  0-001,  ffti  =  0-002;   w»  =  in,,,  = ,  mj  =  0 

206265 

A  =  516405.10-",     B  =  525532.10-".  10^) 

Die  zweite  Annahme  entspricht  einem  mittleren  Fehler- 
verhältnis ntc  in  der  Konstantenbestimmung  und  einem  eben- 
solchen ffti  in  der  Bestimmung  des  Lattenabschnittes,  wie  dies 
im  allgemeinen  bei  topographischen  Arbeiten  zu  technischen 
Zwecken  vorausgesetzt  werden  kann. 

Die  erste  Annahme  hingegen  nähert  sich  mehr  den  Ver- 
hältnissen, wie  sie  bei  genaueren  Arbeiten  vorausgesetzt  werden 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen. 


943 


können.  Bei  a)  und  h)  wurden  die  mittleren  Fehler  m«  und  m^ 
in  den  gemessenen  Höhen-  und  Horizontalwinkeln  mit  einer 
Minute  angesetzt. 

Die  nachstehende  Tabelle  gibt  für  die  dort  angegebenen  a 
die  nach  7)  berechneten  My  femer  die  aus  8)  mit  10a)  und  10^) 
erhaltenen  M\  endlich  die  Differenzen  M — M^  =  Ajlf. 


a 

o 

^; 

^) 

108 108 

P          P 

108 

P 

10« 

P 

108 

P 

AA/ 

108.  - 
P 

0 
5 
10 
15 
20 
25 
30 

1 

108556 
108573 
108597 
108635 
108686 
108750 
1 1 8824 

108592 
108598 
108601 
108611 
108653 
108744 
108916 

-+-36 
-h25 
-4-  4 
—24 
—33 
6 
-h92 

227246 
227260 
227306 
227379 
227481 
227604 
227747 

227359 
227360 
227361 
227369 
227389 
227432 
227514 

113 

100 

55 

—  10 

—  92 

—  172 
—233 

Ersetzt  man  demnach  7)  durch  8),  so  ist  für  die  beiden 

AM           1 
Annahmen  im  allgemeinen < .  Die  Abplattung  des 

M         1000 
Rotationsellipsoides  8)  ist  dann  eine  geringe;  sie  wird  jedoch 

wesentlich  stärker,  wenn  auch  ein  Lattenaufstellungsfehler  m\ 

vorausgesetzt  wird.  Weicht  beispielsweise  die  Latte  um  WQf 

von  der  richtigen,  der  vertikalen  Lage  ab,  so  erhält  man,  wenn 

sonst  die  Werte  h)  beibehalten  werden,  aus  10) 

A  =  458810. 10-^^     B  =  101696.10-», 

so  daß  für  a  =  10* 

10®  M'  10®  M  10®  AM 

---      =:  274174,     i^'^-  =  274537,     ^^  '^^    =  363 

P  P  P 

wird. 

Für  die  folgenden  Untersuchungen  wird  als  Fehlerfläche 
die  durch  8)  gegebene  benützt,  deren  Gleichung  mit  M'  ■=  K 
in  rechtwinkligen  Koordinaten 

A{x^'^z^)+By^  =K^  11) 

62* 


944 


A.  KUngatsch, 


ist,  WO  A  und  B  für  gegebene  Teilfehler  aus  10)  zu  bestimmen 
sind  und  K  den  Parameter  für  die  ganze  Schar  bedeutet. 

IV. 

Die  Feblerfläche  für  die  stereophotogrammetrische  Punkt- 
bestimmung  beziehen  wir  auf  ein  rechtwinkliges  Koordinaten- 
system, dessen  Anfangspunkt  O^  mit  d#m  Hauptpunkte  des 
Kameraobjektives  des  über  dem  einen  —  als  fehlerfrei  voraus- 
gesetzten —  der  beiden  die  Standlinie  bestimmenden  Funda- 
mentalpunkte aufgestellten  Instrumentes  zusammenfallen  soll. 
Ist  Og  die  Projektion  des  zweiten  Fundamentalpunkt'es  auf  die 
durch  Ol  gehende  Horizontalebene,  so  nehmen  wir  0^02  als 
Richtung  der  X,  Die  Bildebene  wird  bei  den  Aufnahmen  in 
beiden  Standpunkten  vertikal  und  parallel  zu  0^0^  voraus- 
gesetzt; wird  schließlich  die  Vertikale  durch  0^  als  Richtung 
der  Y  angenommen,  so  ist  jene  der  Z  parallel  zur  optischen 
Achse  des  Apparates. 

Bezeichnen  Ei^ifg^a  ^'®  ^^^  ^^^  Achsenkreuz  der  Auf- 
nahmsplatten bezogenen  Bilder  desselben  Punktes,  ferner 
El — Eg  =  a  die  stereoskopische  Parallaxe,  /  die  Bilddistanz, 
ÖiOa=:/  die  Projektion  der  Standlinie  auf  X,  endlich  ^,r, - 
die  Koordinaten  von  P,  so  gelten  die  Gleichungen^ 


^=äf-    -^^ä^-     '='a^' 


12) 


Da  /,/,  E,  t),  a  voneinander  unabhängige  gemessene  Größen 
sind,  hat  man  aus  12) 


ix    _    X 

hl  ~  l  ' 

ix          z 
oft    "/' 

ix  xz 
8  a              // 

iy         V 
8/    ~    /  • 

8^»          :; 
89i  ~/' 

8v  vz 
8a              // 

82             z 

8/           /  ' 

if  ~  f' 

iz  z' 
8o              // 

13) 


1  Schell,    Die   sUreophotogrammetrische   Bestimmung:   der   Lage   eines 
Punktes  im  Räume.  Wien,  1904. 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  945 

Bezeichnet  nti,  den  mittleren  Fehler  der  gemessenen  und 
auf  den  Horizont  von  Oj  reduzierten  Standlinie,  mj  jenen  in 
der  Bildweitenbestimmung,  mxy  nty  die  mittleren  Fehler  in  der 
Koordinatenausmessung,  endlich  ma  den  mittleren  Fehler  in 
der  Parallaxenbestimmung,  so  hat  man,  da  unbeschadet  der 
Allgemeinheit  ntx  =  tWy  =  wy  gesetzt  werden  kann,  aus  1)  mit 
M  -=1  K  d\t  Gleichung  der  Fehlerfläche 

{x^^y^^z^){a'^bz^-¥cz^  =  K\  14) 

wo 

^  —   *'^?       I.  —    ^* 3w| 

a  ==  ,     b  =:  ,     c  zr  1  o) 

ist  und  K  den  Parameter  für  die  Flächenschar  bedeutet. 

Der  Ort  gleich  genauer  Punktlagen  ist  demnach  eine  zu 
XY  symmetrische  Rotationsfläche  vierten  Grades  mit  Z  als 
Drehungsachse. 

Da  14)  auch  die  Form 

b       \  140 

a  (Ar2-h>'-)-h(a-hX2)c2  =  K^  I 

gegeben  werden  kann,  wenn  \  einen  Parameter  bedeutet,  so 
entsteht  die  einem  gegebenen  K  entsprechende  F^  aus  den 
Schnitten  der  den  Werten  X  entsprechenden,  mit  O^  konzentri- 
schen Kugeln  mit  den  denselben  Werten  entsprechenden  kon- 
zentrischen affinen  Rotationsellipsoiden  mit  Z  als  Drehungs- 
achse und  Xy  als  Affinitätsebene. 

V. 

Wird  für  zwei  von  demselben  Fundamentalpunkte  vorzu- 
nehmende Operationen  nach  dem  tachymetrischen  und  dem 
Stereoverfahren  der  Anfangspunkt  O  des  in  II  benützten  Achsen- 
systems mit  jenem  O^  des  in  IV  verwendeten  als  zusammen- 
fallend angenommen  und  die  X  und  Y  so  wie  in  IV  angegeben 
gewählt,  so  bestimmen  gemäß  der  in  I  gegebenen  Defini- 
tion 11)  und  14),  in  welchen  K  denselben  Wert  des  Punkt- 
fehlers bedeutet,  die  Grenzfläche  zwischen  den  beiden  Auf- 
nahmsmethoden. 


946  A.  Kltngatsch, 

Die  demselben  Werte  von  K  entsprechenden  Schnitt- 
kurven Hegen  daher  auf  der  zu  den  drei  Koordinatenebenen 
symmetrischen  F^ 

(x^^y%^::2)^a^hz^)—A{x^'h::^)—By^"¥cz^  =  0.        16) 


Mit  den  Abkürzungen 

A — a  =  a\    B — a  =:  b\     a-^c — A  =  c' 


] 


17) 


B-hc—A  =  d\    B—A  =  e' 

kann  16)  auch  durch  die  folgenden  beiden  Gleichungen: 

^*  4-^+2*  =  «  18) 

a'x^'-i-b^y^—ic'-^biijz^  =  0,  19) 

in  welchen  u  einen  Parameter  bedeutet,  gegeben  werden. 

Da  18)  eine  mit  O  konzentrische  Kugelschar,  19)  eine 
ebensolche  Schar  von  Kegeln  zweiter  Ordnung,  welch  letztere 
durch  jede  zu  Z  normale  Ebene  in  konzentrischen  ähnlichen 
und  ähnlich  gelegenen  Kegelschnitten  geschnitten  werden,  aus- 
drückt, so  entspricht  jedem  Werte  u  ein  auf  der  F^  gelegener 
sphärischer  Kegelschnitt. 

Da  andrerseits  jede  zu  Z  normale  Ebene  die  F^  in  dem 
Kegelschnitte 

-—  +  ^-  =  1,  20) 

3(2  ^  (^^!±f:V  ^  ^2  3,(^^!±o^         21) 

a'—bz^  V—bz^ 

ist,  schneidet,  so  erhält  man  mit 

a-^bz^  =  V  22) 

die  folgende  Parameterdarstellung  von  16) 

y^  =  m^u-hu^n.V'\-o^v-hp2    \  23) 


Fehlerflächen  topographischer  Aulnahmen. 


947 


wo 


ist. 


B 


m^  =  —    r=  1— Wjj,     «1  = 


Ol  = 


be^ 


>    ö,  = 


be^ 


7  =  —«2» 


O,  =  — (Oi+Og) 


Pi  = 


be' 


ac 


Pt  =  —-z-j^    P^  =  —(Pi+Pt) 


be 


24) 


Jedem  konstanten  Werte  von  f,  respektive  z  entspricht 
sohin  als  Kurve  U  ein  Kegelschnitt  20).  Die  Mittelpunkte  dieser 
Kegelschnitte  liegen  auf  Z,  ihre  Achsen  sind  parallel  zu  X 
und  y. 

Jedem  konstanten  Werte  von  u  entspricht  nach  18)  und  19) 
als  Kurve  V  ein  sphärischer  Kegelschnitt,  dessen  Projektionen 
auf  die  drei  Koordinatenebenen  die  Kegelschnitte 


x^ 


^2 


r8 


,2 


=  1, 


=  1, 


r    _ 


%* 


xy 


93* 


=  1     25) 


xy 


sind,  wo 


ist. 


«L  = 


Vu 


eL  = 


y« 


d'+bu 


93*,= 


-4.    6? 


a'w 


yz  — 


ZKxy   —  ;  >       -üj:  V 

c-\-bu 


Wegen  17)  gilt  die  Beziehung 


c-k-bu 


__   (c''^bu)n 


2tL-h»|.,  =  2tL+6|.  =  »!,.+(£!.  =  «. 


26) 


Da  in  den  Fällen  der  Anwendung  -4,  B,  a,  b,  c  positive 
Größen  sind  und  ebenso  ^'>0  und  V>a'>0  vorausgesetzt 
werden  kann,  so  sind  die  Projektionen  der  sphärischen  Kegel- 
schnitte auf  XZ  und  XY  Ellipsen,  auf  YZ  Hyperbeln. 


948  A.  Klingatsch, 

Da  unter  den  obigen  Voraussetzungen  die  Kegelflächen  19) 
durch  zu  Z  normale  Ebenen  in  Ellipsen  geschnitten  werden, 
deren  große  Achsen  parallel  zu  X  sind,  so  liegen  die  Fokal- 
strahlen dieser  den  Werten  u  entsprechenden  Kegel  in  XZ. 
Diese  durch  die  Brennpunkte  der  sphärischen  Kegelschnitte 
gehenden  Strahlen  sind  bekanntlich  dadurch  ausgezeichnet, 
daß  die  Summe  (Differenz)  der  Winkel,  welche  die  Erzeu- 
genden desselben  Kegels  mit  diesen  beiden  Strahlen  bilden, 
konstant  ist. 

Den  Winkel  ^,  den  die  zu  Z  symmetrisch  liegenden  Fokal- 
strahlen mit  Z  bilden,  erhält  man  aus  der  Bedingung,  daß  die 
in  YZ  liegenden  Kegelerzeugenden  mit  den  Fokalstrahlen 
wegen  der  Symmetrie  dieselben  Winkel  bilden  wie  die  in  XZ 
liegenden  Kegelerzeugenden  mit  Z, 

Man  erhält  dann  wegen  19)  und  17) 

a'{d''\'bu) 

Sind  4,  C  die  Koordinaten  der  in  XZ  liegenden  Brenn- 
punkte der  sphärischen  Kegelschnitte,  also  wegen  18) 

so  ergibt  sich,  da 

$2  zu  «.sin*  fj/,     C'^  =  u.cos^  ^ 

ist,  durch  Elimination  von  ^  aus  27)  die  Gleichung  der  Kurx'-e, 
auf  welcher  die  Brennpunkte  der  den  Werten  u  entsprechenden 
Kurven  V  liegen,  mit 

die  wegen  1 7)  auch  in  der  Form 

c+bu  ,-       c-hbn  ..        ^    }  28') 

— J r~^  =  ^ 

a'ti  e'n 

geschrieben  werden  kann. 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  940 

Die  Brennpunkte  für  die  Werte  u  liegen  daher  auf  der 
durch  28),  respektive  28')  bestimmten  Q,  welche  sich  als 
Schnitte  einer  Schar  konzentrischer  Kreise  mit  einer  eben- 
solchen ähnlicher  und  ähnlich  gelegener  Hyperbeln  ergibt, 
wenn  Kreis  und  Hyperbel  zu  demselben  Parameterwert  « 
gehören. 

Zwischen  den  die  Q  erzeugenden  Kegelschnitten  28') 
und  den  Projektionen  25)  der  Kurven  V  finden  noch  folgende 
Beziehungen  statt. 

Die  Projektion  der  V  auf  XZ^  also  die  Ellipse  25),  ist 
bekanntlich  affin  zu  dem  Kreise,  in  welchem  die  Kugel  «  die 
XZ  schneidet;  die  Affinitätsachse  ist  durch  den  einen  der 
beiden  Durchmesser  gegeben,  in  welchem  sich  Kreis  und 
Ellipse  schneiden. 

Die  dem  Werte  u  entsprechenden,  auf  Z  liegenden  Scheitel 
der  Hyperbel  28')  fallen  wegen  der  vierten  der  Gleichungen  26) 
mit  den  auf  Z  gelegenen  Scheiteln  jener  Hyperbel  zusammen, 
welche  die  Projektion  der  dem  Werte  n  entsprechenden  V  auf 
YZ  gibt. 

VI. 

Jede  Gleichung  zwischen  u  und  v  der  durch  16)  oder  23) 
dargestellten  F^  gibt  mit  23)  eine  auf  der  Fläche  liegende 
Kurve. 

So  entnimmt  man  beispielsweise  aus  23)  wegen  24),  daß 
die  Parameterbedingung 

V  z=  bu 

diejenige   auf  F^  gelegene  Kurve  darstellt,   welche    sich   auf 
Xy  orthogonal  als  mit  O  konzentrischer  Kreis  mit  dem  Halb- 


v/l 


messer  v/-7-  projiziert. 

Der  Schnittwinkel  zwischen  den  Kurven  U  und  V  ist  ver- 
änderlich. Man  kann  aber  jeder  U  diejenige  Fals  entsprechende 
zuordnen,  für  welche  dieser  Schnittwinkel  ein  rechter  wird. 
Die  entsprechenden  U  und  V  schneiden  sich  dann  in  einer 
neuen,  auf  der  F^  gelegenen  Kurve,  welche  nun  bestimmt 
werden  soll. 


l^oO  A.  Klingatsch, 

Da  wegen  23;  z  nur  von  v  abhängt,  lautet  die  bezügliche 
Parameterbedingung 

ix  /ex    ^    ly  _%y   ^^^  29) 


S»      8f;         9fi      Sc; 
welche  wegen  23)  mit  Rücksicht  auf  24)  und  1 7)  die  Gleichung 

iii'«f+>i'«-4-o'f+//  =  0  30) 

gibt,  wo 


he'^  be'^  b^e'^       [ 

) 


31) 


,        acd' 
ff  zu     — 


ist. 

Die  Gleichung  der  gesuchten  Kurve  ist  demnach  durch  23) 
und  30)  gegeben,  indem  erstere  durch  v  dargestellt  werden 
kann. 

Die  Gleichung  der  Projektion  auf  XZ  ist 

a"z''\'V'x^z^^c"x^'\-d"z^  =  0  32) 

und  diejenige  auf  YZ 

a'"z''\'b'"y'z'+c'"y^-{'d'"z''  =  0.  33) 

Hiebei  ist  wegen  31)  und  17) 


b'^e'^  h^e^^  b^e'^ 

b'^c'^ 
a'c        ,.„        ,„       „.  ..       ,„,  a'c'c 


)    34) 


^///_ :i^      V"  —  V\    c"'-c",     d"'  =  — 

Aus  32)  und  33)  erhält  man  durch  Elimination  von  r  die 
Projektionsgleichung  bezüglich  XY,  welche  wegen  34) 


/  a'" 


'^  =  ^'\-a" 


3.")) 


gibt. 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  951 

Die  gesuchte  Kurve  ist  demnach  der  Durchschnitt  der 
beiden  durch  Z  gehenden,  zu  YZ  symmetrisch  gelegenen, 
durch  35)  bestimmten  Ebenen  mit  der  Fläche.  Die  Gleichungen 
der  Projektionen  auf  XZ  und  YZ  können  wegen  32)  und  33) 
auch  in  der  Form 


a": 

:«+*";jr« 

—  x« 

«• 
■W 

=  ±. 

.v/- 

-c" 

'V^' 

'+X* 

beziehungsweise 

a"'z^ 

=  X« 

=  ±J 

'\/d' 

-c'" 

"+X2 

32') 


33') 


wo  X  einen  Parameter  bedeutet,  geschrieben  werden. 

Die  Projektionen  sind  demnach  Kurven  vierter  Ordnung^ 
welche  sich  als  Schnitte  einer  Schar  konzentrischer  ähnlicher 
und  ähnlich  gelegener  Kegelschnitte  mit  einem  konzentrischen 
Strahlenbüschel  ergeben. 

Da  eine  reelle  Kurve  von  der  durch  29)  gegebenen  Be- 
dingung auf  der  F^  nur  dann  besteht,  wenn  in  35)  a"  und  a'''' 
dasselbe  Vorzeichen  besitzen,  so  sind  in  diesem  Falle  die 
Kegelschnitte  in  32')  und  33')  entweder  beide  Ellipsen  oder 
beide  Hyperbeln. 

VII. 

Die  einem  konstanten  v,  respektive  ;:  entsprechenden 
Kurven  U  sind  durch  20)  und  21)  gegeben.  Wir  untersuchen 
die  Normalenfläche  längs  einer  U, 

Die  Gleichung  der  Normale  an  die  F^  im  Punkte  xyz  ist^ 
wenn  €,  y],  C  die  laufenden  Koordinaten  bezeichnen, 


:iH> 


« X 

8F 

i— : 

iF 

3F 

8.V 

Zy 

dz 

A.  Klingatseb, 


\\„>t«o  U5^  folgt  mit  Rücksicht  auf  17)  und  22> 
8F 


8.V 

8v 

9F 
8.- 


=  2(bz*—a')x  =  2(v~A)x 


=  2{bz*—V)y  -  2(v~B)y 


=  i\+c,x^  =  q+qy^ 


37» 


\vv> 


(\  = 


_   h'J'—(B—vy 


B—v 


'".' 


~  A—v 


ZZy  Cg  


C*^y       W  —  — 


B— 

A~ 


2z 


V 


2z 


V 


38) 


39) 


für  konstantes  v,  respektive  z  ebenfalls  konstant  sind. 

Da  wegen  37)  der  Richtungskegel  der  Normalenfläche, 
wio  man  leicht  findet,  von  der  vierten  Ordnung  ist,  demnach 
auch  dieselbe  Ordiiung  die  unendlich  ferne  Leitkurve  der 
Ntu-malenfläche  besitzt,  welche  somit  gleich  der  Klasse  der 
Dcvcloppablen  längs  U  ist,  so  ist  der  Grad  der  Normalenfläche 
die  Summe  der  Ordnungen  jener  unendlich  fernen  Leitkurve 
und  jener  des  Leitkegelschnittes  U.  Die  Normalenfläche  ist 
demnach  eine  F^.  Ihr  Schnitt  mit  XZ  ergibt  sich  aus  36) 
und  37)  niit 

40; 


als  die  Parabel 


■»]  =  0     und     C-s -"-' —  =  C' 

2{B-v) 


i'  = 


bz 


C. 


41) 


Der  Schnitt  der  Normalenfläche  mit  YZ  folgt  ebenso  au«? 
■^{\)  und  37)  mit 


^  =  0     und    c— C  + 


C. 


.i:s  die  Parabel 


2  (A—v) 


=  C" 


42) 


2   — 


'         bz 


ril 


43) 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  953 

Die  beiden  Parabeln  41)  und  43),  welche  die  gemeinsame 
Achse  Z  besitzen,  geben  die  in  XZ,  respektive  YZ  liegenden 
Doppelkurven  der  Normalenfläche.  Jede  derselben  gibt  mit  den 
in  der  betreffenden  Koordinatenebene  gelegenen  beiden  Flächen- 
normalen den  vollständigen  Durchschnitt  der  Normalenfläche 
mit  XZ,  respektive  YZ,  Die  beiden  Doppelkurven  sind  dem- 
nach kongruente  Parabeln. 

Wird  A=i  V  oder  wegen  22)  und  17)  s  =  ±  v /-r^  ,  so 

genügen  16)  die  beiden  Werte 


Die  den  obigen  Werten  von  z  entsprechenden  Kegel- 
schnitte degenerieren  als  Spezialität  der  Parabeln  in  die  vier 
zu  X  parallelen,  auf  der  Fläche  liegenden  geraden  Linien  44). 
Die  Flächennormalen  längs  derselben  sind  wegen  37)  parallel 
zu  YZy  welche  Koordinatenebene  in  diesem  Falle  die  Richt- 
ebene der  Normalenfläche  gibt. 

Wird  B  rr  v,  so  genügen  16)  die  beiden  Werte 


be' 


,r  =  ^y^-  —  ,  45) 


Die  entsprechenden  Kurven  U  zerfallen  dann  in  die  vier 
zu  Y  parallelen,  auf  der  F^  liegenden  geraden  Linien  45);  die 
XZ  ist  dann  die  Richtebene  für  die  betreffende  Normalenfläche. 

VIII. 

Die  Tangentialebenen  in  den  Punkten  einer  und  der- 
selben U  bestimmen  die  developpable  Fläche  der  F^  längs 
dieses  Kegelschnittes. 

Es  sei  E  die  im  Abstände  z  zu  XY  parallele  Ebene  der  U, 
Q  ihr  auf  Z  gelegener  Mittelpunkt. 

Sind  $Y]C  die  laufenden  Koordinaten  der  Tangentialebene 
an  die  F^  im  Punkte  x,  y,  z  der  U,  so  ist  ihre  Gleichung 
wegen  16) 


954  A.  KHngatsch, 

.9/^  ^F       ^  2F  iF  8F  8F 

4 h  Y] h  C =  ^ ^y ^ = 

ix  9y  82  2x  8>'  82 

=  2frc«(i:«+y+s2).     46) 

Für  den  Schnitt  dieser  Tangentialebene   mit  XZ  erhält 
man  mit  if]  =  0  und  wegen 

£—  =  2(t;— ^);r.S 

82; 


B—v 
die  Gerade 

/(5C^)  =/,;r£-h(/,^«+/3)C+/,A^«+/5  =  0,  47) 

wo  die  /  lediglich  von  z  abhängen,  demnach  konstant  sind. 

Die  Einhüllende  der  Spuren  der  den  Punkten  von  U  ent- 
sprechenden Tangentialebenen  ergibt  sich,  da  x  in  47)  den 
betreffenden  Parameter  bildet,  aus  dieser  und  der  Gleichung 

-^  -  -  =  0     oder    x  = — ^  •  $. 

8;r  2be'z(!:—z) 

Die  Spuren  der  Tangentialebenen  auf  XZ  umhüllen  daher 
vermöge  der  Symmetrie  der  F^  die  beiden  zusammenfallenden 
Kegelschnitte 

(v-A)K(v-B)^    ^,^ 


-h{:-z)[{'-bd^z^'h{bz^-^c'){v-B)}:+bd'z^]  =  0.     48) 

Den  auf  Z  gelegenen  Punkten  der  einen  Achse  genügen 
demnach  wegen  £  =  0  die  Koordinaten  C  =  s  und  C  =  Co,  wo 
für  den  letzteren  Wert  der  Ausdruck  in  der  eckigen  Klammer 
Null  wird. 

Mit 

r"  —  * {".uf  \ 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen. 


955 


ergibt  sich  die  Mittelpunktsgleichung 


e 


«'« 


2  */ä 


49) 


wo 


W« 


S'« 


be'z^(bz^-^cy 


ist. 


_  (v—B)^.z^(bz*'hc'y 

"   4[—bd'z*'h(v-B)(bz^'^c')y 


50) 


Mit  >1  ==  i;  gibt  47) 


b(i:—z){e'x^'hd'z^)'h(B-'V)c.ti  =  0. 


47^; 


Jede  durch  eine  der  vier  der  Gleichung  44)  entsprechenden, 
zu  X  parallelen  Geraden  gelegte  Ebene  ist  dann  eine  Tangential- 
ebene an  die  F^;  die  Schnitte  dieser  vier  Ebenenbüschel  mit  XZ 
bilden  dort  ebensoviele  Parallelstrahlenbüschel.  Die  beiden  Be- 
rührungspunkte jeder  durch  eine  dieser  Geraden  gelegten 
Ebene,  einem  bestimmten  C  entsprechend,  mit  der  F^  ergeben 
sich  aus  470,  cla  diese  die  Abszisse  x  gibt,  während  y  aus  44) 
folgt. 

Ebenso  führt  die  Bedingung  B  z=z  v  auf  vier  Strahlen- 
büschel in  XZ,  als  Schnitte  der  durch  die  vier  zu  Y  parallelen 
Geraden  45)  gelegten  Ebenenbüschel  mit  XZ. 

Ist  endlich  in  21)  bz*'^c'  =  0  oder  wegen  22)  und  17) 
V  zu  a-^c'  •=.  A^c  und  sind  die  beiden  Geraden 


V  =  ±^ 


fy-A 
V  v-B 


=z  -4-:r 


V 


c-i-e 


I  f 


in  welche  dann  20)  zerfällt,  reell,  so  liegen  in  dem  Abstände 


4^ 


:  it  i  / 7-  vier  zu  XY  parallele  Gerade  auf  der  Fläche, 

welche  sich  paarweise  auf  Z  schneiden. 

Die  Gleichung  47)  gibt  dann  für  den  Schnitt  der  Tangen- 
tialebene in  einem  Punkte  dieser  Geraden  mit  XZ,  wenn 
C— 2  =  C'  gesetzt  wird,  die  Gerade 


bc{C'he')xi+(be'x^'-e'{C'^e'))z.^'  =  0. 


956  A.  Klingatsch, 

Jede  durch  eine  dieser  vier  Geraden  gelegte  Ebene  ist 
somit  wieder  eine  Tangentialebene  an  die  F^  für  zwei  Punkte 
derselben  als  Berührungspunkte,  deren  x  sich  aus  der  oberen 
Gleichung  bestimmt.  Hieraus  ist  auch  zu  schließen,  daß  die 
in  VII  untersuchte  Normalenfläche  in  diesem  Falle  zwei  Richt- 
ebenen besitzt,  welche  durch  Z  und  durch  die  beiden  Geraden, 
in  welche  20)  zerfällt,  bestimmt  sind. 

In  analoger  Weise  wie  für  XZ  erhält  man  als  Einhüllende 
der  Spuren  der  Tangentialebenen  längs  U  auf  YZ  Kegel- 
schnitte, deren  Gleichung  mit  48)  der  Form  nach  überein- 
stimmt, deren  Mittelpunkte  ebenso  auf  Z  liegen  Und  deren 
Mittelpunktsgleichung  durch 


>g//2  g//2 


gegeben  ist,  wo 


«"«  =  - 


be'z\bz:^'{-cy 


(5''2  -- 


{v-Ayz^{bz^-^c'Y 


52) 


^l^]jcz^'^(v-Ä){bz''\'C')Y 

bedeutet. 

Die  Kegelschnitte  49)  und  51)  haben  daher  die  eine  mit  Z 
zusammenfallende  Achse  der  Lage  nach  gemein;  der  eine 
beiden  gemeinsame  Endpunkt  dieser  Achse  fällt  mit  dem 
Mittelpunkte  Q  der  U  zusammen. 

Die  in  YZ  und  XZ  gelegenen  Normalen  der/^^,  welche 

durch   die  Achspunkte    der   U  gehen,   treffen    die  Z  in    den 

Scheiteln  der  Parabeln  41),  respektive  43).  Die  Abstände  dieser 

Scheitel  von  der  Ebene  is,  also  auch  von  9,  sind  wegen  40) 

C  C 

und   42)   — "ö— r,^      -,    beziehungsweise    o7T--r-   Da   diese 

Z(/)  —  v)  Zi^A — v) 

Normalen  auf  den  betreffenden  Tangentialebenen  senkrecht 
stehen,  so  finden  zwischen  den  Abständen  2(£'  und  2®''  ihrer 
Spuren  auf  XZ,  respektive  YZ  von  ß,  ferner  den  Halbachsen 
^H»  58  (21)  der  ü  und  den  erwähnten  Abständen  der  Parabel- 
scheitel von  2  die  Relationen  statt: 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  957 


5(2~g//_S_,     332 ---_g^     ^1 


A—v  B'-v ' 


wie  diese  auch  aus  21),  38),  39),  50),  52)  mit  Beachtung  von  17) 
hervorgehen. 

Eben  damit  ergeberT' sich  auch  die  Beziehungen 

(3'  ?~  ^  ^—^  -  (^Y  —  —  — -^  — — • 

^Ö'*'/  "^   6"  '  v-A  ~  V»/  '  6"   ■"        C,  '  A-v' 


Die  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  untersuchte  F^ 
gibt,  wie  bereits  bemerkt,  die  Grenzfläche  zwischen  dem  tachy- 
metrischen  und  dem  stereophotogrammetrischen  Aufnahms- 
verfahren, sofern  eben  beide  Aufnahmen  von  demselben  Punkte 
aus  erfolgen. 

Hiebei  ist  unter  diesem  Punkte  bei  der  Stereoaufnahme 
derjenige  von  den  beiden  Aufstellungspunkten  des  photo- 
graphischen Apparates  gemeint,  von  welchem  aus  die  zur 
Bestimmung  der  Koordinatenabmessungen  5^  ^^  dienende  Ayf- 
nahme  geschieht.  Die  zweite  Aufnahme  in  dem  zweiten  Punkte 
der  Standlinie,  dessen  Projektion  auf  die  Horizontalebene  des 
ersten,  beziehungsweise  die  Horizontalebene  des  betrefifenden 
Instrumenthorizontes  eben  die  Lage  der  X  bestimmt,  bezweckt 
lediglich  die  Ermittlung  der  stereoskopischen  Parallaxe  a. 

In  der  Figur  ist  eine  Darstellung  der  F^  bezüglich  der  in 
Betracht  kommenden  Hälfte,  wobei  die  XZ  als  Zeichnungs- 
ebene angenommen  ist,  gegeben. 

Der  Konstruktion  liegen  für  die  Tachymeteraufnahme  die 
Annahmen  a)  von  III  zu  Grunde,  so  daß  sich  A  und  B  aus  10a) 
ergaben. 

Für  die  Stereoaufnahme  machen  wir  die  nachstehenden, 
mit  den  bisherigen  praktischen  Erfahrungen  übereinstimmenden 
Annahmen.  Das  Fehlerverhältnis  der  gemessenen  und  auf  den 

Horizont  von  O  reduzierten  Basis  /  sei z=.\/a  =:  0*001, 

die  mittleren  Fehler  fUxy  w^,  nta  der  im  Stereokomparator  zu 
bewirkenden  Abmessungen  y^^,,  a  wären  ntx  =  ^%  =  0*1  ntnty 

Sitzb.  d.  malhem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  63 


958  A.  Klingatsch, 

ma=^  0'0\  mm]  der  mittlere  Fehler  in  der  Bildweitenbestim- 
mung  fHf  r=  O'l  mm. 

Da  die  Grenzfläche  diejenigen  Punkte  enthält,  welche  sich 
durch  das  tachymetrische  und  das  Stereoverfahren  gleich  genau 
ergeben,  so  dürfen  bei  dem  letzteren  auch  keine  größeren,  von 
demselben  Standpunkte  zu  bewältigenden  Entfernungen  voraus- 
gesetzt werden  als  bei  dem  ersteren,  Entfernungen  p  also,  welche 
etwa  600  m  nicht  überschreiten,  womit  die  Annahme  /  =  50  m 
ihre  Begründung  findet. 

Die  Bildweite  des  Apparates  wurde  entsprechend  der  einen 
der  von  Zeiß  angefertigten  neuesten  Typen  mit  /^  180  «im 
bei  einem  Plattenformat  13  X  18  angenommen. 

Da  durch  diese  Angaben  die  Koeffizienten  17)  bestimmt 
sind,  so  können  für  anzunehmende  &  die  9  und  3  nach  21) 
berechnet  werden,  wodurch  die  Grundlage  für  die  Darstellung 
der  Fläche  gegeben  ist. 

In  21)  wird  hiebei 

a'  =  bz^  für  z^^  nz  380-4  fw,     ^  =  bz^  für  z^  =  403-6  i;/, 

während,  da  c'>0  stets  bz^-^c'  >0  bleibt. 

Für  o<c<2j  sind  daher  die  Kurven  U  Ellipsen,  für 
z^<z<Z2  hingegen  Hyperbeln. 

Mit  c  m  2j  erhält  man,  da  nur  positive  s  in  Betracht 
kommen,  die  beiden  zu  X  parallelen,  auf  der  Fläche  liegenden 
Geraden  g  in  dem  Abstände  ^  =  d=  2443  m  über  XZ.  Die 
beiden  zu  XY  parallelen  Ebenen  z-rz^iz^  werden  dann  zu 
den  reellen  asymptotischen  Ebenen  der  F^. 

Der  obere  Teil  der  Hgur  gibt  die  Darstellung  der  Fläche 
im  Maßstab  1 :200  durch  Schichtenkurven;  die  Schichtenhöhe 
ist  100 w  für  o<jv<1000w,  hingegen  200 w  für  1000 i>i< 
y<2000m.  Die  Schichtenkurven,  welche  sich  demnach  als 
Schnitte  äquidistanter,  zu  XZ  paralleler  Ebenen  ergeben,  sind 
Kurven  vierter  Ordnung;  die  Schnitte  ihrer  Ebenen  mit  der 
Ebene  z=:z^  geben  für  die  betreffende  Q  die  eine  von  den 
beiden  reellen  Asymptoten. 

Der  untere  Teil  der  Figur  zeigt  den  in  der  Entfernung 
2  =:  150  w  parallel  zxxXY  geführten  und  in  die  XZ  umgelegten 
Schnitt,  also  die  Ellipse  U,  sowie  die  Bestimmung  derjenigen 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen. 


959 


Punkte  ihres  Umfanges,  welchen  gegebene  Werte  y  ent- 
sprechen. In  der  Figur  ist  femer  C  der  Schnitt  der  F^  mit  XZ^ 
V  der  in  die  XZ  umgelegte  Schnitt  der  YZ  mit  der  Fläche. 
Die  Schnitte  der  zu  YZ  parallelen  Ebenen  sind  Q,  welche  im 
Schnitt  ihrer  respektiven  Ebenen  mit  c  =  Zg  ^^®  ^^"^^  ^^"^  ^®" 
beiden  reellen  Asymptoten  haben. 


L.._ 


In  dem  zwischen  der  Xyund  der  Grenzfläche  gelegenen 
Räume  wäre  das  Stereoverfahren,  in  dem  übrigen  Räume  das 
tachymetris  che  Verfahren  genauer.  Nun  ist  aber  jede  der  beiden 
Operationen  bezüglich  ihrer  Durchführbarkeit  von  dem  ange- 
nommenen Fundamentalpunkt  auf  eine  bestimmte  Zone  be- 
schränkt. So  ist  die  Tachymeteraufnahme  von  demselben  Punkte 
aus  auf  Entfernungen  p  ^  600  nt  und  Höhenwinkel  a  ^  30** 
zu  beschränken,  welch  letzterer  Umstand  eben  in  Ili  zur 
Herleitung  einer  genäherten  Fehlerfläche  11)  führte.  Bei  der 
Stereoaufnahme  hingegen  sind  die  von  demselben  Standpunkte 
zu  beherrschenden  Entfernungen  wesentlich  größer,  hingegen 
kommt  hier  nur  derjenige  Raum  in  Betracht,  der  durch  beide 
Aufnahmen  abgebildet  werden  kann. 

Lediglich  diejenigen  Teile  der  Grenzfläche,  welche  durch 
die  beiden  hier  in  Betracht  kommenden  Operationen  von  dem 
^er  Grenzfläche  zu  Grunde  liegenden  Fundamentalpunkte  tat- 
sächlich bestimmt  werden  können,  sind  für  die  Beurteilung  der 
Oenauigkeitsverhältnisse  maßgebend. 

63* 


d60  A.  Klingatsch, 

Im  vorliegenden  Falle  schneidet  jede  durch  die  Z  gehende 
Ebene  die  F^  in  einer  Q,  welche  in  O  einen  Doppelpunkt  besitzt. 

Für  den  ebenen  Schnitt  mit  XZ  ergeben  sich  die  Rich- 
tungen der  Tangenten  i'xnO  aus 


./ 


—  =  d=v/—  =63^57' 
dz  V   a! 

und  für  die  Tangenten  /'  des  ebenen  Schnittes  mit  der  YZ  aus 


dy  ,  c' 

dz         V  y 


=  60^  39'. 


Da  andrerseits  für  das  angenommene  Plattenformat  und 
die  vorausgesetzte  Bilddistanz  die  äußersten,  in  XZ  gelegenen 
Strahlen  5,  welche  noch  eine  Abbildung  bewirken  können,  mit 
der  Z  den  Winkel  26**  34',  die  äußersten  in  YZ  gelegenen 
Strahlen  s'  mit  der  Z  den  Winkel  19*  51'  bilden,  so  liegt  der 
von  dem  photographischen  Apparate  bestrichene  Objektraum 
ganz  in  jenem  Teile,  in  welchem  das  tachymetrische  Verfahren 
genauer  ist. 

In  der  Figur  bedeutet  abcd  die  Projektion  der  Aufnahms- 
platte aus  O  auf  die  Ebene  z  =  loO  m  und  sind  dort  die 
Strahlen  s  und  s',  letztere  in  der  Umlegung  in  die  XZ,  ein- 
getragen. 

Da  die  Fehlerflächen  7),  respektive  8)  Rotationsflächen 
mit  Y  als  Drehungsachse  sind,  so  gelten  dieselben  Schlüsse 
auch  für  den  ganzen  Umkreis  des  Aufstellungspunktes,  sofern 
in  diesem  Panorama-Aufnahmen  nach  dem  Stereoverfahren 
unter  sonst  gleichen  Umständen  durchgeführt  werden. 

Die  dieser  Grenzfläche  zu  Grunde  gelegte  Annahme  t»/  = 
rrO'OOl  kann  jedoch  bei  topographischen  Arbeiten  im  all- 
gemeinen nicht  eingehalten  werden.  Hier  sind  es  vielmehr  die 
in  III  gemachten  Annahmen  b),  welche  für  den  Vergleich  mit 
der  Stereoaufnahme  in  Frage  kommen.  Werden  für  die  letztere 
dieselben  Voraussetzungen  bezüglich  der  Teilfehler  gemacht 
wie  früher,  so  wird  in  21)  r'<0  und  für  alle  in  Betracht 
kommenden  c^ÜOOw,  a'—bz^>0,  b'—bz^>0,  bz^'hc^<0. 

Innerhalb  des  Objektraumes,  welcher  durch  beide  Opera- 
tionen von  demselben  Standpunkt  aus  bestimmt  werden  kann, 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  961 

liegt  dann  kein  reeller  Teil  der  Grenzfläche,  die  Stereophoto- 
grammetrie  ist  dann  die  genauere  Aufnahmsmethode. 

In  den  obigen  Beispielen  wurde  manche  Fehlerquelle  nicht 
berücksichtigt;  bei  der  Tachymeteraufnahme  der  Einfluß  einer 
schiefen  Lattenstellung,  der  nach  III  den  Gesamtfehler  wesent- 
lich vergrößert;  bei  der  Stereoaufnahme  hingegen  wurde  von 
dem  Fehler  abgesehen,  der  sich  ergibt,  wenn  die  Platten  bei 
beiden  Aufnahmen  nicht  genau  in  einer  Ebene  liegen.  Die 
letztere  Bedingung  ist  bei  den  neuesten  Typen  von  Zeiß 
infolge  der  dort  getroffenen  Einrichtung  mit  hinreichender 
Genauigkeit  erfüllt. 

Während  die  Bedeutung  des  von  Dr.  Pulfrich  in  Jena 
begründeten  stereophotographischen  Meßverfahrens  für  militär- 
topographische Zwecke^  außer  Frage  steht  —  wir  verweisen 
auf  die  von  Oberst  v.  Hübl  gemachten  Studien  und  prakti- 
schen Erprobungen  desselben  —  wird  es  sich  noch  darum 
handeln,  die  nach  der  Theorie  zu  gewärtigende  Überlegenheit 
der  Stereoaufnahme  gegenüber  der  Tachymeteraufnahme  für 
technische  Zwecke  durch  größere  praktische  Arbeiten  zu  er- 
proben, womit  auch  in  jüngster  Zeit  begonnen  wurde.* 


Von  der  Stereophotogrammetrie  verschieden  ist  die  bis- 
her angewandte,  die  sogenannte  Meßtischphotogrammetrie,  bei 
welcher  die  Abszissen  j^jg  und  Ordinaten  ^^^^  der  Bilder  des- 
selben Raumpunktes  den  von  zwei  Standpunkten  aufgenom- 
menen  Photographien  entnommen  werden.  Für  die  später  zu 
untersuchende  Grenzfläche  zwischen  dieser  und  der  Stereo- 
aufnahme wird  zunächst  die  Fehlerfläche  für  das  ältere  Ver- 
fahren entwickelt,  wobei  die  optischen  Achsen  des  Apparates 
bei  den  beiden  Aufnahmen  zueinander  parallel  und  senkrecht 
zu  der  durch  die  beiden  Aufstellungspunkte  gelegten  Vertikal- 
ebene vorausgesetzt  werden. 


^  Scheimpflug,  Die  Herstellung  von  Karten  und  Plänen  auf  photo- 
graphischem Wege.  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  Februar  1907. 

2  Truck,  Die  stereophotogrammetrische  Meßmethode  und  ihre  Anwen- 
dung auf  Eisenbahnvorarbeiten.  Zeitschr.  für  Verm.,  Stuttgart  1906|  Heft  12,  13. 


962 


A.  Klingatscb, 


So  wie  in  IV  soll  der  Koordinatenanfangspunkt  in  den 
Hauptpunkt  O^  des  Kameraobjektives  des  über  dem  einen 
als  fehlerfrei  angenommenen  Fundamentalpunkt  aufgestellten 
Instrumentes  verlegt  werden.  O,  bezeichnet  dann  die  Pro- 
jektion des  zweiten  Standpunktes  auf  die  Horizontalebene 
durch  0|.  Wird  die  Richtung  O^O^  als  X^  die  Vertikale  in  O^ 
als  y,  somit  die  Z  parallel  zur  optischen  Achse  genommen,  so 
wird  mit  0^02  =  /j  nach  12) 


X  =  2 —  y„    y  =  ^-  -  ^j,     z  •=! i — 


/.        53) 


Da  nunmehr  /i/,  EiE2  9i  ^'^  voneinander  unabhängig  ge- 
messenen Größen  sind,  so  hat  man  aus  53) 


ix    _    X 

8«    _        {x — /,)r         8ar    _    jrs 

8/,    ~   /,  ' 

8?.                   A       '      H^    ~  fh 

8j          y 

8^    _   :;         3j'    _        ^t         Sy    yz 

8/,           l,  ' 

8^.         /'      8£,              A'     8&         //, 

8/.    ~   /.  ' 

83                c«         8r           z*-         8s         r 
8ji              A  '      8?«   ~  /A  *     8/  "  / 

-    54) 


Nennt  man  wieder  m^my  die  mittleren  Fehler  in  der  Aus- 
messung der  Platten,  nif  jenen  in  der  Bestimmung  der  Bild- 
weite, endlich  nit  den  mittleren  Fehler  in  /„  so  hat  man  mit 
mx  =  my  =  m/  und  M=  K  aus  1)  die  Gleichung  der  Fehler- 
fläche 

(x^^y^^z^){a^'hb^z^)^'C^z^^d,xz^  =  K\  55) 

wo 


ml        ,  2m%  Smi        .  2w? 


^1  =  -^-'     ^  = 


56) 


ist. 


Die  Fehlerfläche  für  die  oben  angegebene  Stellung  der 
optischen  Achsen  ist  demnach  eine  F^.  Da  55)  auch  in  der 
Form 

bi(x^'hy^^z^)-+'d^x  =  X^  — Cj 


} 


55') 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  963 

geschrieben  werden  kann,  wo  X  einen  Parameter  bedeutet,  so 
entsteht  die  F^  im  Schnitt  einer  konzentrischen  Kugelschar, 
deren  Mittelpunkt  M  in  den  Halbierungspunkt  der  Strecke  0^02 
fällt  und  einer  Schar  konzentrischer,  affiner  Rotationsellipsoide 
mit  Z  als  gemeinsamer  Drehungsachse  und  -ST y  als  Affinitäts- 
ebene. 

Jedem  X  entspricht  als  Schnittkurve  der  beiden  zusammen- 
gehörigen F^  55')  eine  sphärische,  auf  der  F^  liegende  Q, 
deren  Projektion  auf  die  XZ  die  Parabel 

z^  =  Px^  Q 

und  deren  Projektion  auf  die  -YYder  Kreis 

ist,  wenn 

gesetzt  wurde. 

Mit  X  =:  0  ergibt  sich  die  diesem  Werte  entsprechende, 
auf  der  F^  liegende  Kurve  als  Schnitt  der  beiden  Kugel* 
flächen  55')  als  ein  Kreis,  dessen  Ebene  im  Abstände 


parallel  zu  YZ  ist. 

^  — 

^1^1 

Da  mit 

22   -, 

2a^v 

57) 
d^-^lb^v 

die  Gleichung  55)  auch  in  der  Form 

(x^vY-^y^  =  r^=  f{z)  55'') 

gegeben  werden  kann,  so  gehört  die  F^  zu  jenen  zyklischen 
Flächen,  welche  durch  die  Bewegung  eines  Kreises  mit  ver- 
änderlichem Halbmesser  r,  dessen  Ebene  parallel  znXY  bleibt, 
erzeugt  werden.  Der  Mittelpunkt  des  Kreises  durchläuft  in 
diesem  Falle   die   durch   57)   bestimmte  Kurve,  eine  in  XZ 


064  A.  Kiingatsch, 

gelegene,  zu  X  symmetrische  Q;  die  eine  reelle  Asymptote  ist 

im  AbStande  t;  =  —  /j  parallel  zu  Z,  die  zu  X  symmetrischen 

^  1 

Wendepunkte  haben  die  Abszisse  x-zi  —  ly 

Die  Mittelpunktskurve  läßt  sich  mit  dem  Parameter )/  auch 
in  der  Form 

—        2ai   _^  J  57') 


Z^  Z=L •  V 


geben,  daher  im  Schnitt  einer  Schar  zu  Z  paralleler  Geraden 
mit  einer  Parabelschar  mit  gemeinsamer  Achse  und  Scheitel 
erzeugen. 

Die  den  Werten  K  entsprechende  Flächenschar  55)  hat 
daher  eine  gemeinsame  Cg  als  Mittelpunktskurve  der  erzeu- 
genden Kreise. 

Wird  f»^  =r  0,  also  auch  a^  1=  0  gesetzt,  mithin  von  dem 
Fehler  in  der  Bestimmung  der  Projektion  \  der  Standlinie 
abgesehen,  so  sind  O^  und  Og  als  fehlerfrei  anzusehen;  aus  55) 
wird  dann,  wie  unmittelbar  klar  ist,  eine  Rotationsfläche,  deren 
Achse  durch  den  Halbierungspunkt  M  der  Strecke  0^0^  parallel 
zu  Z  hindurchgeht,  nämlich  eine  der  14)  analoge  Fläche,  wenn 
auch  dort  a  =  0  gesetzt  wird. 


Im  Anschluß  an  das  Vorhergehende  untersuchen  wir  zu- 
nächst die  Normalenfläche  längs  eines  Kreisschnittes. 

Da  für  diese  zyklische  Fläche  die  erzeugenden  Kreise  in 
parallelen  Ebenen  liegen,  so  umhüllen  die  Tangentialebenen 
längs  eines  solchen  Kreises  an  die  Fläche  einen  diese  be- 
rührenden Kegel.^  Da  die  Kegelspitze  S  in  XZ  liegt,  diese 
Koordinatenebene  also  eine  Hauptebene  des  Kegels  ist,  so 
gibt  die  durch  den  Mittelpunkt  Q  des  erzeugenden  Kreises  * 
gehende,  zur  Kreisebene  E  senkrechte,  also  in  XZ  liegende 
Gerade  eine  Doppelgerade  der  Regelfläche  vierten  Grades,  als 


1  Enzyklopädie  der  math.  Wissenschaften,  Bd.  III,  3,  Heft  2/3,  p.  2B1. 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen. 


965 


welche  sich  die  Normalenfläche  ergibt,  da  diese  für  den  Kreis- 
schnitt des  berührenden  Kegels  identisch  ist  mit  der  gesuchten. 

Der  Rest  der  Doppelkurve  der  Normalenfläche  ist  dann 
bekanntlich  ein  Kegelschnitt,  dessen  Ebene  zur  Hauptebene 
^Z  des  Kegels  senkrecht  steht  und  diese  nach  einer  Achse 
schneidet.  Die  orthogonale  Projektioti  dieses  Doppelkegel- 
schnittes auf  die  Ebene  des  Leitkreises  k  ist  dann  ein  Kreis. 
Die  Projektionen  der  Flächennormalen  längs  k  auf  die  XZ 
umhüllen  eine  Parabel. 

Um  S  zu  bestimmen,  gehen  wir  von  der  Gleichung  der 
Tangentialebene  im  Punkte  x^y^z  der  Fläche 

iE  hF  8F 

(i-x)^+(7l-^y)  -il  +  (C_.)-  -  =  0 

ox  oy  cz 

aus,  wo  S,Tf],  C  die  laufenden  Koordinaten  der  Ebene  bezeichnen. 
Für  die  F^  erhält  man  aus  55) 


wo 


JF 

^x 

8F 

hF  8F  3F 

X k-y hz 


^x 


2y 


hz 


=  a!^x^W 


=  alx^V 


=  a"'x-¥V'' 


a^-^b^z^ 


(a, — b^z^)d^z' 


a"'  = 


a^-hb^z^ 


58) 


59) 


a^-^b^z^ 

^„  ^    2{a,^2b,z^)K''-2b,c,z^ 

a^-hb^z^ 
gesetzt  wurde. 


60) 


966  A.  Klingatsch, 

Die  Gleichung  der  Spur  der  Tangentialebene  auf  XZ  ist 
dann  wegen  7)  =:  0  die  Gerade 

{a'x'\'V)t.'\'{a"x+V')i  =  a'"x^V".  61) 

Für  dieselbe  Fläche,  also  dasselbe  Ky  und  für  denselben 
Kreis  *,  also  konstantes  2,  sind  gemäß  59)  und  60)  in^  61) 
a  und  h  ebenfalls  konstant. 

Die  Spuren  der  Tangentialebenen  gehen  demnach  für  alle 
Werte  von  ^,  entsprechend  den  Punkten  des  Leitkreises,  durch 
denselben  in  XZ  gelegenen,  die  Kegelspitze  bezeichnenden 
Punkt  S,  dessen  Koordinaten  sich  gemäß  61)  im  Schnitte  der 
beiden  Geraden 

02> 


c  = 

a"  ,       a!" 

c 

V  ,       V" 

(>3) 

ergeben. 

Der  Gleichung  62)  genügen  wegen  57)  und  59)  die  Koordi- 
naten C  ==  2J  und  €  =  f;  diese  Gerade,  in  der  Folge  mit  g 
bezeichnet,  enthält  demnach  die  Kegelspitze  S  und  geht  auch 
durch  den  Mittelpunkt  ä  des  Kreises  k.  Mit  z — C  ==  C  und 
V — S  =  S',  wo  also  C'  und  S'  die  Koordinaten  von  g  in  Bezug 
auf  ö  als  Anfangspunkt  bezeichnen,  wird 

a" 
C'  =  ---£'.  64) 

Da  sich  andrerseits  aus  57)  wegen  59)  und  64) 
J^   __  _  {a,  ±b^z^^    _        a"  __    ^ 

ergibt,  so  berührt  die  g  die  Mittelpunktskurve  Q  in  Q. 

Da  ferner  a'a"a"'  wegen  59)  unabhängig  von  K  sind  und 
jede  im  Abstände  z  zu  -YY  parallele  Ebene  die  Flächenschar  55) 
in  konzentrischen  Kreisen  mit  Q  als  Mittelpunkt  schneidet,  so 
liegen  auch  die  Spitzen  S  der  berührenden  Kegel  längs  dieser 
konzentrischen  Kreise  an  die  Flächen  auf  der  Geraden  g  62). 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  967 

Wegen 

wo  c;'. . .  und  d' , . .  die  aus  60)  ersichtliche  Bedeutung  haben, 
also  für  konstantes  z  ebenfalls  konstant  sind,  gehen  für  alle  K 
die  entsprechenden  Geraden  63)  durch  einen  und  denselben 
in  XZ  gelegenen  Punkt 

C= — ;    i  = 65) 

c'  c'd''  ^ 

Einem  bestimmten  Werte  von  K  entsprechen  zwei  Kegel- 
erzeugende 5,  deren  Projektion  auf  XZ  eben  die  diesem  Werte 
entsprechende  Gerade  63)  ist.  Für  alle  Werte  von  Ky  hiebet 
wie  immer  z  konstant  vorausgesetzt,  schneiden  die  Erzeu- 
genden 5  der  diesen  Werten  von  K  entsprechenden  Kegel, 
demnach  zwei  feste  Gerade,  die  eine  g^  auf  welcher  dem 
Früheren  gemäß  die  Kegelspitzen  liegen,  und  die  zweite  g^^ 
welche  im  Punkte  65)  normal  zu  XZ  ist. 

Es  sei  ferner  o  der  Schnitt  der  zu  Xy  parallelen  Ebene  E 
des  Kreises  k  mit  XZ, 

Ist  So  die  Abszisse  für  den  Schnittpunkt  der  Geraden  63) 
mit  o,  so  hat  man  aus  63)  mit  C  =  2 

y'—Vz 

io  =  —gr-  ^~) 

Zwischen  £0,  ferner  der  Abszisse  v  des  Kreismittelpunktes  % 
endlich  dem  Halbmesser  r  des  Kreises  ife,  besteht  dann  die  aus 
55),  respektive  55''),  57)  und  66)  mit  Rücksicht  auf  60)  leicht 
ableitbare  Beziehung 

Hiebei  bezeichnet  2^  auch  die  Abszisse  für  die  einem 
gegebenen  Werte  K  entsprechenden,  auf  dem  Kreise  k  ge- 
legenen Berührungspunkte  Q  der  vorhin  erwähnten  Kegel- 
erzeugenden 5  mit  der  Fläche. 

Ist  endlich  ^y^  die  Ordinate  der  beiden  auf  li  gelegenen 
Punkte  Qy  so  ist  auch 

yi  =  ri-{v-i^)\  68) 


968  A.  IClingatsch, 

Aus  67)  und  68)  folgt  dann 

yl  =  5o(t^-6o),  ö9) 

also  eine  Beziehung  zwischen  den  Koordinaten  der  den 
Werten  K  entsprechenden  Q.  Diese  liegen  demnach  auf  einem 
festen,  in  der  Ebene  E  gelegenen,  durch  Q  gehenden  Kreise  l/, 

dessen  auf  a  gelegener  Mittelpunkt  die  Abszisse  —  hat. 

Die  Kegelerzeugenden  5  schneiden  daher  für  alle  Werte 
von  K  zwei  feste  Gerade  g  und  g^  und  einen  festen,  die 
Gerade  ^  in  Q  schneidenden  Kreis  k'.  Die  Geraden  s,  deren 
Projektionen  auf  XZ  der  Strahlenbüschel  63)  ist,  erzeugen 
sohin  eine  Regelfläche  dritten  Grades.  Hieb  ei  ist  g  eine  Doppel- 
gerade, g^  eine  einfache  Gerade  der  Regelfläche.  Die  beiden 
Tangentialebenen  durch  g^  an  k'  schneiden  dann  die  g  in  den 
beiden  Kuspidalpunkten,  deren  Verbindungslinien  mit  den 
Berührungspunkten  auf  f  die  Torsallinien  der  Regelfläche 
geben. 

Ebenso  folgt  hieraus  ohne  weiteres,  daß  je  zwei  in  der 
zu  XZ  senkrechten  Ebene  gelegene  Erzeugende  s  die  g^  in 
Punktpaaren  einer  Involution  schneiden,  deren  sich  selbst  ent- 
sprechende Punkte  auf  den  Torsallinien  liegen.  Die  auf  g 
gelegene  Reihe  der  Kegelspitzen  S  ist  dabei  projektiv  zu 
den  entsprechenden  Punktpaaren  der  Involution,  wenn  jedem 
Scheitel  das  Punktpaar  auf  seinen  Erzeugenden  entspricht. 

XII. 

Sowie  sich  aus  den  Fehlerflächen  11)  und  14)  die  Grenz- 
fläche 16)  ergab,  so  lassen  sich  aus  11)  und  55),  dann  aus 
14)  und  55)  die  Grenzflächen  zwischen  der  photographischen 
Punktbestimmung  mit  parallel  und  senkrecht  zur  Standlinie 
gestellten  Achsen  und  dem  tachymetrischen  Aufnahmsverfahren, 
beziehungsweise  zwischen  jener  und  der  Stereoaufnahme  ent- 
wickeln. 

Die  erstere,  hervorgehend  aus  1 1)  und  55),  führt  auf  eine  F^, 
welche  durch  die  Bewegung  eines  veränderlichen  Kegelschnittes 
mit  konstanten  Achsenrichtungen,  dessen  Mittelpunkt  in  XZ 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  969 

eine  Cg  beschreibt  und  dessen  Ebene  parallel  zu  XY  bleibt^ 
erzeugt  wird.  Die  Normalenflächen  längs  der  Kegelschnitte 
sind  auch  hier  Regelflächen  6.  Grades,  welche  von  der  XZ  in 
je  einer  Parabel  als  Doppelkurve  geschnitten  werden,  welch 
letztere  mit  den  in  XZ  liegenden  Flächennormalen  den  voll- 
ständigen Durchschnitt  der  Regelfläche  mit  dieser  Koordi- 
natenebene gibt.  Eine  durch  den  Mittelpunkt  des  Leitkegel- 
schnittes gehende,  zu  YZ  parallele  Ebene  wird  jedoch  dann 
von  der  Normalenfläche  in  einer  Q  geschnitten,  welche  mit 
den  in  der  Schnittebene  liegenden  beiden  Normalen  die  Q  als 
Schnittkurve  gibt. 

Die  Verbindung  von  14)  und  55)  gibt  die  zweite  der  oben 
erwähnten  Grenzflächen  unter  der  Voraussetzung,  daß  wieder 
der  eine  als  fehlerfrei  vorauszusetzende  Aufstellungspunkt 
beiden  Operationen  gemeinsam  ist  und  die  beiden  anderen 
Standpunkte,  je  einer  nämlich  für  das  betreffende  Verfahren,, 
mit  dem  ersten  in  derselben  vertikalen  Ebene  liegen. 

Mit 

ii^—a  —  a^,     b^ — b  =  feg,     c\ — c  =  c^,     d^  =  d^      70) 

erhält  die  Grenzfläche  die  Form 

(x^^y^^z^)(a^-hb^z^)-hc^z^'hd^xz^  =  0.  7l) 

Die  Fläche  ist  demnach  eine  der  öCi)  analoge  F^,  wenn 
dortselbst  A"  z=  0  gesetzt  wird. 

Da  die  Vorzüge  der  einen  oder  der  anderen  Methode  ins- 
besondere dann  zur  Geltung  kommen,  wenn  bei  beiden  das- 
selbe Instrument  vorausgesetzt  wird,  überhaupt  die  Operationen 
unter  sonst  gleichen  Umständen  stattfinden,  so  machen  wir  die 
Annahme  a^  =  0,  Cg  =  0,  setzen  also  die  Fehlerverhältnisse  in 
den  Basismessungen,  respektive  ihren  Reduktionen,  ebenso 
wie  die  Ergebnisse  der  Plattenausmessungen  bei  den  beiden 
Methoden  als  gleichwertig  voraus. 

Die  durch  7\)  gegebene  t\  zerfällt  dann  in  Z*  z=  0  und  in 
die  Kugel 

r2^yi+z^—-    '^_.r  =  0.  71') 

b—b^ 


970  A.  Klingatsch, 

Wird  /j  =  hI  gesetzt,  so  sind  die  Grenzflächen  für  ver- 
schiedene u  Kugelflächen,  welche  die  YZ  im  Koordinaten- 
anfangspunkt berühren;  der  Halbmesser  ergibt  sich  aus  15), 
56)  und  71')  mit 

r  = •  72» 

2  ml — wjw^ 

Innerhalb  der  einem  bestimmten  Werte  von  n  entsprechen- 
den Kugel  als  Grenzfläche  ist  die  Photogrammetrie  genauer, 
außerhalb  derselben  das  Stereoverfahren. 

Bisher  wurde  von  der  Realisierimg  der  Abbildung  abge- 
sehen. Man  kann  bei  gegebenen  Plattendimensionen  unter  der 
Annahme,  daß  die  drei  Aufstellungspunkte  in  demselben  Hori- 
zonte, nämlich  auf  X  gelegen  sind,  jenen  Wert  von  n  bestimmen, 
bei  welchem  durch  das  gewöhnliche  photogrammetrische  Ver- 
fahren nur  ein  auf  der  zugehörigen  Grenzfläche  gelegener 
Punkt  wirklich  abgebildet  wird. 

Die  rechteckige  Aufnahmsplatte  bestimmt  mit  dem  Haupt- 
punkte des  Objektives  für  jede  der  beiden  Aufnahmen,  wie 
bereits  bemerkt,  die  für  die  Abbildung  maßgebende  Pyramide. 
Die  beiden  Vertikalebenen,  welche  durch  die  Hauptpunkte  und 
durch  diejenigen  vertikalen  Seiten  der  Aufnahmsplatten,  welche 
für  die  Abbildung  aus  den  beiden  Standpunkten  in  Betracht 
kommen,  gelegt  werden  und  mit  X  dtn  Winkel  co  bilden  sollen, 
schneiden  sich  in  einer  zu  XZ  senkrechten  Geraden  g,  welche 
demnach  diejenigen  Raumpunkte  enthält,  die  von  den  beiden 
in  der  Entfernung  l^  befindlichen  Standpunkten  auf  beiden 
Platten  eben  noch  dargestellt  werden  können. 

Da  wegen  ff>l  bei  der  Stereoaufnahme  mit  der  Basis 
l<li  auch  eine  Abbildung  von  g  auf  beiden  Platten  erfolgt,  so 
wird  für  jenen  Wert  von  «  =:  «„  für  welchen  g  die  zugehörige 
Grenzfläche,  also  die  Kugel  71')  berührt,  dieser  Berührungs- 
punkt der  einzige  sein,  welcher  sich  nach  beiden  Methoden 
gleich  genau  ergibt.  Für  jeden  Wert  n<n^  ist  das  Stereo- 
verfahren —  von  rein  praktischen  Erwägungen  abgesehen  — 
bezüglich  aller  von  dem  betreffenden  Standpunkte  zu  bestim- 
menden Punkte  genauer.  Für  n  >  n^  hingegen  ist  die  Meßtisch- 
photogrammetrie   bezüglich   derjenigen    innerhalb   der   Kugel 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  971 

gelegenen  Punkte,  welche  tatsächlich  durch  die  beiden  Auf- 
nahmen abgebildet  werden,  vom  Standpunkte  der  Genauigkeit 
im  Vorteil. 

Da  der  Berührungspunkt  der  g  mit  der  betreffenden  Grenz- 
fläche in  XZ  liegt,  dieser  daher  die  Koordinaten  x  -zz  —  /-  == 

1  1  ^ 

=  — «/,  zz=,  —  w/.tgo)  besitzt,  welche  andrerseits  auch  der 

2  2 

Gleichung  71')  genügen  sollen,  so  erhält  man  mit  Rücksicht 

auf  72)  «1  aus 

2w|(l  — 2  cos^o)) 


n 


1    ""■  2 


m 


a 


Nimmt  man  gemäß  der  in  IX  vorausgesetzten  Bildweite 
und  Plattenabmessung  cö  —  63**  26',  ferner  m^  :=^  O'l  mm, 
nta  =  O'Ol  mnty  so  folgt  n^  =  10*95  ^  11. 

Es  ist  demnach  mit  den  obigen  Einschränkungen  die  Meß- 
tischphotogrammetrie  nur  dann  im  Vorteil,  wenn  /i>ll  /  ist. 


XIII. 

Während  die  Schar  der  Fehlerflächen  die  Fehlerverteilung 
für  die  einzelnen  Punkte  des  Raumes  gibt,  kann  für  einen 
gegebenen  Punkt  nach  den  mittleren  Fehlem  in  verschiedenen 
Richtungen  gefragt  werden.  Man  gelangt  dann  zu  einer 
neuen  Fläche,  welche  als  Verschiebungsfläche  bezeichnet 
werden  soll. 

Obwohl  mit  dem  Bisherigen  nicht  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhange stehend,  soll  anhangsweise  die  Verschiebungs- 
fläche für  die  stereophotogrammetrische  Punktebestimmung 
untersucht  werden. 

Es  bezeichnen  x^  y,  z  die  Koordinaten  eines  Punktes  P 
bezüglich  des  in  IV  angenommenen  Achsensystems. 

Für  eine  durch  den  Ursprung  0  gehende  Achse  X'  ist 

dann 

x'  z=.  a;ir-f  ßj^'+T^:,  73) 

wo  öt,  ß,  7  die  Richtungscosinus  der  X'  mit  X^  Y,  Z  bedeuten. 


972 


A.  KlingAtsch, 


Sind  Mx,  My,  Mg  die  mittleren  Fehler  in  den  Richtungen 
X,  Y,  Z,  hingegen  Mi  für  die  neue  Richtung  X',  so  ist  w^en  12) 

und  73) 


w|4- 


''")»• 
^1"" 


—  )nt}+[ jml.      74) 


Da  wegen  13) 


ix^ 

ix' 
8a~ 


X       .  y  z 

«—  +  S—  +  Y 
/  /  / 


z        ix'        „  z        ix' 
a-,     —    =  ß-,     -   - 

/       8t).  /        8/ 

— a ^^ T  — 

//  //  // 


V 


5) 


ist,  so  wird,  wenn  wieder  m^  =:  trty  =  wy  gesetzt  wird,  mit 


3/?   =   ^11,       ilf/  =   4722, 


M!  =  a 


/v2 


ml+ml  —  = 


P 


f 


xy 


^12  = 


P 


xz 


33 


^13  = 


a 


83 


wegen  74) 


76) 


.V;^  =  aiia2H-a22ß2+a33Y2+2ai2aß+2ai3aT+2ag3ßY.         77) 


Die  Richtungen  für  die  größte  und  kleinste  Verschiebung 
mit  der  Nebenbedingung 

a^+ß^+Y^  =  1 
bestimmen  sich  dann  aus  den  drei  Gleichungen 


rti2a+(a22— A/i2)ß+a23T  = 

^13^  +  ^23ß  +  (^33— ''^-^i^)T  = 


78) 


Fchlerflächea  topographischer  Aufnahmen.  973 

Für  die  Richtung  OP  wird  mit  ÖP  ==  p  =  \/i«+/+2^ 

und  damit  aus  77)  wegen  76)  und  13) 

M\  =  (ml-^ml  —]  ^  +  -^!^.  80) 

Da  aber  die  zusammengehörigen  Werte  79)  und  Mi  =  M^ 
den  drei  Gleichungen  78)  genügen,  so  wird  für  die  Richtung  OP 
die  Verschiebung  einen  ausgezeichneten  Wert  Afj,  und  zwar 
ihren  größten,  erreichen. 

Wird  von  P  die  der  Richtung  X'  zukommende  Ver- 
schiebung als  Strecke  aufgetragen,  so  liegen,  wenn  m,  v,  tv  die 
Koordinaten  des  Endpunktes  dieser  Strecken  für  ein  Achsen- 
system bezeichnen,  dessen  Anfangspunkt  P  ist  und  dessen 
Achsen  parallel  sind  zu  XYZ,  für  alle  Richtungen  X'  diese  so 
erhaltenen  Punkte  «,  v,  tv  auf  der  Verschiebungsfläche,  deren 
Gleichung  wegen 

Mi'  Mi'     ^        Mi 

sich  aus  77)  als  die  F^ 

•+'2a^^ufV'i'2a^^vfv      81) 
ergibt. 

Legt  man  die  Achse  U'  eines  neuen  rechtwinkeligen 
Koordinatensystems  in  die  Richtung  OP,  also  in  jene  der 
größten  Verschiebung,  so  lautet  81) 

A/fw'2-f-M|(w'«-4-«;'8)  =  (u'^+v'^+fv'^y,  82) 

wo  u'v'fv'  die  neuen  Koordinaten,  M^  den  aus  80)  folgenden 
größten,  M^  =z  —  ml  die  kleinsten  Punktfehler,  respektive  Ver- 
schiebungen bedeuten,  welche  demnach  in  einer  durch  P 
gehenden  zu  OP  senkrechten  Ebene  auftreten. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  64 


974         A.  Klingatsch,  Fehlerfl&chen  topographischer  Aufnahmen. 

Die  Verschiebungsfläche  ist  gemäß  82)  die  Fußpunkt- 
fläche eines  Rotationsellipsoides,  dessen  Halbachsen  die  größte 
und  kleinste  Verschiebung  angeben. 

Der  gesamte,  der  sogenannte  mittlere  Punktfehler  Jlf  genügt 
dann  der  Gleichung 

M«  =  MI+2MI 

in  Übereinstimmung  mit  14)  und  15),  wenn  dort  ÄT^Af  gesetzt 
wird. 


975 


Versuche  im  elektrostatischen  Wechselfelde 


von 


Viktor  V.  Lang, 

w.  M.  k.  Akad, 

(Mit  1  Tafel.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  80.  Juni  1907.) 

Charles  Borel^  hat  1893,  angeregt  durch  die  Versuche 
von  Fran9ois  Borel'  über  die  Rotation  einer  Eisenscheibe  im 
magnetischen  Wechselfelde  durch  Nähern  eines  Eisenstabes, 
eine  ähnliche  Erscheinung  für  das  elektrostatische  Wechsel- 
feld nachgewiesen.  Er  zeigte,  daß  in  einem  solchen  Feld  eine 
Papierscheibe  durch  Nähern  von  Isolatoren  und  Leitern  in 
Rotation  versetzt  werden  kann,  wobei  der  Sinn  dieser  Rotation 
für  verschiedene  Körper  in  verschiedenem  Sinn  erfolgt. 

Ch.  Borel  benützte  zu  seinen  Versuchen  eine  Influenz- 
maschine und  mufite  daher  noch  einen  Kommutator  einschalten, 
welcher  die  nötigen  Wechsel  besorgte.  Ich  versuchte  dieselben 
Erscheinungen  einfacher  mit  Hilfe  des  Wechselstromes  der 
hiesigen  internationalen  Elektrizitätsgesellschaft  zu  wieder- 
holen, so  wie  ich  auch  mit  derselben  Stromquelle  vor  kurzem 
die  Versuche  im  elektrostatischen  Drehfelde  ausführte.' 

Schon  bei  Beginn  der  Versuche  zeigte  es  sich,  daß  die- 
selben, selbst  was  den  Sinn  der  Drehung  der  Papierscheibe 


1  Arch.  des  Sc.  phys.  et  nat.  3y  t.  30,  Geneve  1 893,  p.  45.   Im  Auszuge : 
Compt.  rend.  de  TAcad.  d.  Sc,  t.  116,  p.  1102. 

2  La  Lumiere  elcctrique,  t.  29,  1888,  p.  53. 

3  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  115,  Abt.  IIa.  (1906),  p.  211. 

64* 


976  V.  V.  Lang, 

betrifft,  sehr  durch  die  Natur  des  Wechselfeldes  bedingt  sind. 
Ich  habe  mich  daher  im  Gegensatze  zu  Borel  auf  den  ein- 
fachsten Fall,  den  eines  parallelen  Wechselfeldes,  beschränkt. 
Auch  habe  ich  der  zu  untersuchenden  Substanz  statt  der 
Kugelform  die  Gestalt  eines  runden  Stabes  gegeben,  und  zwar 
wurden  immer  zwei  gleiche  Stäbe  zu  beiden  Seiten  der  Scheibe 
angewendet. 

Mein  Apparat  sah  folgendermaßen  aus.  Der  Wechselstrom 
wird  zuerst  durch  einen  Transformator  ^  auf  die  Spannung  von 
beiläufig  9200  Volt  gebracht;  die  Mitte  der  sekundären  Wicke- 
lung des  Transformators  ist  geerdet,  die  Enden  derselben 
führen  zu  zwei  Polplatten  P,  P'  (siehe  Tafel),  welche  aus 
Zink  200x100  ww  groß  in  der  Entfernung  von  170  mm  ein- 
ander gegenüberstehen.^  Die  Stärke  des  Feldes  zwischen  den 
Platten  hat  also  eine  Amplitude  von  etwa  1-8  elektrostatischen 
Einheiten.  In  der  Mitte  des  Feldes  befand  sich  die  Papier- 
scheibe S  an  einem  880  mm  langen  Seidenfaden  aufgehängt. 
Die  Natur  des  Papiers  ist  wohl  ziemlich  gleichgültig,  um  aber 
möglichst  durchsichtige  Versuchsbedingungen  zu  haben»  ver- 
wendete ich  ein  Papier,  das  ich  Dr.  v.  Hoor^  verdanke  und  das 
aus  reiner  Pflanzenfaser  bestand. 

Die  zumeist  benutzte  Scheibe  hatte  45  •  2  mm  Durchmesser 
und  trug  eine  Bleistiftteilung  in  90  Teile,  so  daß  ihre  Drehung 
bis  auf  2**  leicht  abgelesen  werden  konnte.  Als  Index  diente 
hiezu  der  Aufhängefaden,  wobei  die  Stellung  des  Auges  dadurch 
fixiert  wurde,  daß  der  Faden  sich  mit  einer  auf  der  anderen 
Seite  angebrachten  Marke  decken  mußte. 

Die  Versuche  gewannen  sehr  an  Reinheit,  als  die  Scheibe  iST 
von  einem  Becherglase  G  umgeben  wurde,  wie  dies  in  Fig.  1 
dargestellt  ist.  Dieses  Glas  hatte,  nachdem  sein  oberer  Rand 
abgeschnitten  worden  war,  eine  Länge  von  150  mm  und  einen 
äußeren  Durchmesser  von  60  mm. 

Im  Falle  stärkerer  Wirkungen  wurden  statt  der  Scheibe 
auch   Papierzylinder   benützt,   die   sich   mittels   eines  Achat- 


1  Ich  Qberzeugte  mich,  dafl  die  Versuche  auch  mit  einem  großen  Funken- 
induktor ausgeführt  werden  können. 

2  Sämtliche  Maße  sind  in  Millimeter  angegeben. 

3  Siehe  M.  v.  Hoor,  Elektrot  Zeitschr.,  Bd.  22  (1901),  p.  170. 


Versuche  im  elektrostatischen  Wechselfelde.  977 

hütchens  auf  der  Spitze  einer  Nähnadel  drehten,  wie  ich  sie  bei 
meinen   Versuchen   im   elektrostatischen   Drehfelde    benutzte 

<1.  c). 

Zu  dem  Apparate  gehört  noch  ein  schwerer  Fuß,  welcher 
in  seiner  Mitte  durchbohrt  ist,  wodurch  ein  auf  einen  Hart- 
gummistab befestigte  Hartgummischeibe  höher  und  niedriger 
gestellt  werden  kann.  Hierauf  kommt  nun  das  erwähnte  Becher« 
glas  oder  der  Träger  mit  der  Nähnadel  zu  stellen,  auf  welcher 
sich  die  Papierzylinder  drehen. 

Auf  dem  Fuße  dreht  sich  ferner  eine  Holzscheibe  von 
150  ww  Durchmesser,  welche  eine  gleich  große  Paraffinscheibe 
trägt  und  zur  Aufstellung  der  zu  untersuchenden  Stäbe  bestimmt 
ist.  Dickere  Stäbe  konnten  einfach  auf  die  Paraffinscheibe 
gestellt  werden,  zur  Aufstellung  von  dünneren  Stäben  dienten 
Glasgefäße,  die  ebenfalls  in  Fig.  1  abgebildet  sind,  und  aus 
einem  Glasrohr,  in  dessen  unteres  Ende  ein  flacher  Glasstoppel 
mit  Paraffin  eingekittet  war,  bestanden.  Man  überzeugte  sich, 
daß  diese  Glasfüße  für  sich  keine  Wirkung  auf  die  Scheibe 
ausüben,  wenigstens  in  der  gezeichneten  tiefen  Lage. 

Eine  zweite  Art,  dünnere  Stäbe  in  vertikaler  Stellung  zu 
erhalten,  war  die,  daß  ihr  unteres  Ende  in  kleine,  viereckige 
oder  kreisrunde  Stücke  einer  etwa  \OfHfn  dicken  Hartgummi- 
platte mittels  passender  Löcher  gesteckt  wurde. 

Um  die  Mitte  der  Stäbe,  die  ja  nicht  alle  dieselbe  Länge 
hatten,  in  die  Mitte  des  Wechselfeldes  zu  bringen,  waren  noch 
Paraffinscheiben  verschiedener  Dicke  vorhanden,  welche  unter 
die  Stäbe  gelegt  wurden. 

Die  beiden  zu  untersuchenden  Stäbe  wurden  nach  einer 
der  angegebenen  Arten  immer  symmetrisch  auf  einen  Durch- 
messer der  Paraffinscheibe  möglichst  nahe  dem  Becherglase 
aufgestellt,  so  daß  nur  ein  freier  Raum  von  etwa  3  mm  blieb. 
Die  Entfernung  der  Mitte  der  beiden  Stäbe  ergibt  sich  also, 
wenn  man  zu  dem  Durchmesser  eines  Stabes  die  Zahl 
60-*-6  =  66  addiert. 

Die  Verbindungslinie  der  Stäbe  wurde  immer  unter  60* 
gegen  die  Ebene  der  Polplatte  gestellt,  die  beiden  möglichen 
Stellungen  AB  und  A'B'  (Fig.  2)  unterscheiden  sich  daher  um 
einen  Winkel  von  60*. 


978  V.  V.  Lang, 

Nach  Erregung  des  Feldes  wurde  dann  in  diesen  beiden 
Stellungen  der  Stand  der  Papierscheibe  abgelesen;  die  halbe 
Differenz  dieser  Ablesungen  ist  die  von  den  Stäben  bewirkte 
Drehung  der  Scheibe. 

Diese  Drehung  wird  als  positiv  bezeichnet,  wenn  der  spitze 
Winkel  zwischen  dem  der  Feldrichtung  parallelen  Durchmesser 
der  Papierscheibe  und  der  Verbindungslinie  der  Stäbe  größer 
wird. 

I.  Isolatoren. 

Mit  isolierenden  Körpern  wurden  folgende  Resultate  er> 

halten: 

d  l  ^ 

Schwefel 13-2  217  —V2 

Rotes  Siegellack 13-0  223  —1-1 

Wallrat 13-8  128  —1-4 

Paraffin 13-5  210  —IM 

Stearin 13o  190  —1-3 

Ebonit 12-1  200  —0-2 

Grünes  Glas 12-1  280  —1-4 

d  bedeutet  hier  den  Durchmesser  der  betreffenden  zwei 
Stäbe,  /  ihre  Länge,  tp  die  durch  sie  bewirkte  Drehung  in  der 
angegebenen  Lage. 

Die  Länge  der  Stäbe  ist  allerdings  ziemlich  verschieden, 
doch  dürfte  dies  bei  Isolatoreh  im  Gegensatze  von  Leitern  nicht 
viel  bedeuten,  so  daß  vielleicht  nur  bei  Wallrat  die  Stäbe  bei 
einer  Länge  von  etwa  210  mm  einen  geänderten  Wert  von  ^ 
zeigen  würden. 

Die  Durchmesser  können  wohl  als  gleich  angesehen 
werden.  Allerdings  hat  derselbe  einen  Einfluß,  aber  erst  bei 
größeren  Unterschieden.  Dies  ergibt  sich  an  zwei  Beobach- 
tungen, die  ich  an  Siegellack  und  Paraffin  anstellte.  Ich  fand: 

d  i  tp 

Siegellack 17-0         182         —2-7 

Paraffin 36-8         197         —4-7 

Die  Vergleichung  mit  den  früheren  Angaben  lehrt,  daß  in 
beiden  Fällen  die  Ablenkung  mit  dem  Durchmesser  wächst 


Versuche  Im  elektrostatischen  Wechselfelde.  979 

Es  würde  sich  daher  empfehlen,  um  eventuelle  Unter- 
schiede im  Verhalten  verschiedener  Isolatoren  zu  konstatieren, 
Stäbe  von  größerem  Durchmesser  zu  benützen:  nach  den  vor- 
stehenden Zahlen  ist  dies  aber  nicht  aussichtsreich,  sie 
sprechen  mehr  für  gleiches  Verhalten  der  Isolatoren. 

Was  aber  die  Ursache  der  drehenden  Wirkung  der  Isola- 
toren betrifft,  so  dürfte  diese  wohl  in  der  Polarisation  liegen, 
welche  die  Isolatoren  parallel  den  Kraftlinien  des  Feldes  erfahren. 
Da  durch  die  isolierenden  Stäbe  die  Kraftlinien  des  Feldes  jeden- 
falls nur  eine  unbedeutende  Störung  erleiden,  so  dürfte  die  Ver- 
teilung der  positiven  und  negativen  Elektrizität  in  einem  be- 
stimmten Moment  auf  den  Polplatten,  Stäben  und  Scheibe 
wohl  die  in  Fig.  2  durch  -f-  und  —  angedeutete  sein.  Die 
Elektrizitäten  -+-  und  —  der  Stäbe  A,  B  wirken  nun  anziehend 
auf  die  —  und  +  Elektrizität  der  Scheibe  und  setzen  sie  in 
negativem  Sinne  in  Drehung. 

Für  diese  Erklärung  spricht  wohl  auch  der  Umstand, 
daß  die  Versuche  ebenso  vor  sich  gehen,  wenn  die  Scheibe  S 
aus  leitendem  Material,  Aluminium,  besteht.  Eine  solche  Scheibe 
von  derselben  Abmessung  wie  die  Papierscheibe  und  mit  ähn- 
licher Teilung  gab  für  die  Paraffinstäbe,  d  zz  36*8,  eine 
Drehung  von  — 4^4,  wobei  freilich  die  Einstellung  nicht  so 
scharf  wie  früher  war  und  um  etwa  2*  um  die  Ruhelage 
schwankte. 

Eine  ähnliche  Glimmerscheibe  (d  •=.  44*5)  gab  nur  — 3°2. 

II.  Gute  Leiter. 

Ich  gebe  zuerst  die  Beobachtungen,  die  an  runden 
Messingstäben  angestellt  wurden,  um  die  Abhängigkeit  ihrer 
Wirkung  von  Durchmesser  und  Länge  festzustellen.  Mit  Bezug 
auf  letztere  wurde  beobachtet: 

Messingstäbe   d^=z\2'l 

Länge  100  f=  -t-2 -4, 

176  2-0, 

210  4-4, 

250  5  •  0. 


980  V.  V.  Lang, 

Hier  fällt  vor  allem  auf,  daß  die  Drehung  positiv  ist.  Diese 
Drehung  wird  aber  mit  wachsendem  Durchmesser  immer  kleiner 
und  geht  endlich  ins  negative  wie  bei  den  Isolatoren  über.  Es 
ergibt  sich  dies  aus  folgenden  zwei  Beobachtungen: 

Länge  157 d-=z    8         9=+  4^4     beobachtet 

12-1  -f-  2-5     interpoliert 

Länge    91  "5 d:=z  12'\     ^  r=  +  2*4     interpoliert 

40-0  —13-0     beobachtet 

Die  interpolierten  Werte  ergeben  sich  aus  den  zuvor  ange- 
gebenen Messungen. 

Die  Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  wohl  darin  zu 
suchen,  daß  Metallstäbe  im  Gegensatze  von  isolierenden  Stäben 
das  parallele  Feld  stark  deformieren,  so  daß  sie  nicht  mehr  im 
Sinne  des  ursprünglichen  Feldes  polarisiert  werden.  Die  Kraft- 
linien werden  vielmehr  eine  Drehung  von  der  Verbindungs- 
linie der  beiden  Stäbe  weg  erfahren,  wodurch  (Fig.  2)  die 
negative  Elektrizität  des  Stabes  der  negativen  Elektrizität  der 
Scheibe  näher  rückt  als  die  positive,  so  daß  eine  Abstoßung 
zwischen  dem  Stab  und  der  Scheibe  eintritt,  wo  wir  bei  Isola- 
toren eine  Anziehung  hatten.  Überhaupt  dürfte  die  freie  positive 
Elektrizität  des  Stabes  A  mehr  nach  den  Enden  desselben 
gedrängt  werden,  so  daß  die  Wirkung  der  negativen  Elektrizität 
auf  die  Scheibe  desto  mehr  zur  Geltung  kommt,  je  länger  die 
Stäbe.  Dies  stimmt  auch  mit  den  Zahlen,  die  zu  Beginn  dieses 
Abschnittes  angeführt  sind. 

Im  Einklänge  hiemit  steht  die  Erscheinung,  daß,  wenn 
man  die  beiden  Stäbe  oben  oder  unten  durch  Leiter  oder  Halb- 
leiter verbindet,  die  positive  Drehung  der  Scheibe  sehr  große 
Werte  annimmt.  So  wurde  für  die  beiden  Stäbe  /  ==  250, 
d  ^  12-1  bei  gleichzeitiger  Berührung  mit  den  Händen 

?=  +23^ 

bei  Verbindung  durch  dünne  Kupferstreifen 

beobachtet.    Durch  die  Verbindung  beider  Stäbe  verschwindet 
nämlich  die  freie  Elektrizität  beider  Stäbe  vollkommen. 


Versuche  im  elektrostatischen  Wechselfelde.  981 

Nachstehende  Beobachtungen  wurden  an  Messingröhren 
ausgeführt,  c  bedeutet  hiebe!  die  Wandstärke  und  d  den 
äußeren  Durchmesser  der  Röhren. 


d 

t 

; 

? 

10 

0-7 

162 

+3-8 

13-6 

0-7 

201 

+2-2 

20-5 

0-55 

192 

+  1-8 

36-2         0-55         231         —4-9 

Auch  hier  geht  mit  wachsendem  Durchmesser  die  Drehung 
aus  dem  Positiven  ins  Negative  über.  Ebenso  wurde  die  Drehung 
stark  positiv,  wenn  die  beiden  Röhren  leitend  oder  halbleitend 
verbunden  wurden.  Dies  gilt  auch  für  den  Fall,  daß  die  ursprüng- 
liche Drehung  negativ  ist.  So  gab  die  letzte  Röhre  bei  Ver- 
bindung durch  die  Hände  oder  durch  Metall 

?  =  +42^ 

Mitunter  geriet  bei  den  letzten  Versuchen  die  Scheibe 
sogar  in  Rotation  nach  der  positiven  Seite.  Dies  fand  nämlich 
dann  statt,  wenn  der  verbindende  Metallstreifen  nicht  gut  auf- 
lag und  zwischen  demselben  und  der  betreffenden  Röhre  kleine 
Fünkchen  übersprangen.  Nachdem  die  Ursache  erkannt  war, 
konnte  die  Rotation  der  Scheibe  auch  mit  den  Händen  erzielt 
werden,  indem  die  eine  Hand  der  Röhre  nur  soweit  genähert 
wurde,  daß  kleine  Entladungen  vor  sich  gingen. 

III.  Halbleiter. 

Bei  diesen  werden  die  Verhältnisse  noch  komplizierter,  da 
ihre  Wirkung  sehr  von  dem  Grade  ihrer  Trockenheit  abhängt. 
Untersucht  wurden  Zylinder  aus  weichem  Holze  und  Röhren, 
die  aus  aufgerolltem  Schreibpapier  hergestellt  worden  waren. 

Die  ersteren  wurden  unter  anderen  untersucht,  einmal, 
nachdem  sie  über  Winter  in  einem  ungeheizten  Vorzimmer 
aufbewahrt  worden  waren,  dann  nachdem  sie  während  einer 
Nacht  in  Wasser  gelegen  waren,  wodurch  sie  um  beiläufig  11  Vo 
schwerer  wurden. 


968  A.  Klingatsch, 

Aus  67)  und  68)  folgt  dann 

also  eine  Beziehung  zwischen  den  Koordinaten  der  den 
Werten  K  entsprechenden  Q,  Diese  liegen  demnach  auf  einem 
festen,  in  der  Ebene  E  gelegenen,  durch  0  gehenden  Kreise  V, 

V 

dessen  auf  o  gelegener  Mittelpunkt  die  Abszisse  —  hat. 

Die  Kegelerzeugenden  5  schneiden  daher  für  alle  Werte 
von  K  zwei  feste  Gerade  g  und  g^  und  einen  festen,  die 
Gerade  ^  in  Q  schneidenden  Kreis  V,  Die  Geraden  s,  deren 
Projektionen  auf  XZ  der  Strahlenbüschel  68)  ist,  erzeugen 
sohin  eine  Regelfläche  dritten  Grades.  Hiebei  ist  g  eine  Doppel- 
gerade, g^  eine  einfache  Gerade  der  Regelfläche.  Die  beiden 
Tangentialebenen  durch  g^  an  ^  schneiden  dann  die  g  in  den 
beiden  Kuspidalpunkten,  deren  Verbindungslinien  mit  den 
Berührungspunkten  auf  V  die  Torsallinien  der  Regelfläche 
geben. 

Ebenso  folgt  hieraus  ohne  weiteres,  daß  je  zwei  in  der 
zu  XZ  senkrechten  Ebene  gelegene  Erzeugende  s  die  g^  in 
Punktpaaren  einer  Involution  schneiden,  deren  sich  selbst  ent- 
sprechende Punkte  auf  den  Torsallinien  liegen.  Die  auf  g 
gelegene  Reihe  der  Kegelspitzen  S  ist  dabei  projektiv  zu 
den  entsprechenden  Punktpaaren  der  Involution,  wenn  jedem 
Scheitel  das  Punktpaar  auf  seinen  Erzeugenden  entspricht. 

XII. 

Sowie  sich  aus  den  Fehlerflächen  11)  und  14)  die  Grenz- 
fläche 16)  ergab,  so  lassen  sich  aus  11)  und  55),  dann  aus 
14)  und  55)  die  Grenzflächen  zwischen  der  photographischen 
Punktbestimmung  mit  parallel  und  senkrecht  zur  Standlinie 
gestellten  Achsen  und  dem  tachymetrischen  Aufnahmsverfahren, 
beziehungsweise  zwischen  jener  und  der  Stereoaufnahme  ent- 
wickeln. 

Die  erstere,  hervorgehend  aus  1 1)  und  55),  führt  auf  eine  t\. 
welche  durch  die  Bewegung  eines  veränderlichen  Kegelschnittes 
mit  konstanten  Achsenrichtungen,  dessen  Mittelpunkt  in  XZ 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  969 

eine  Cg  beschreibt  und  dessen  Ebene  parallel  zu  XY  bleibt^ 
erzeugt  wird.  Die  Normalenflächen  längs  der  Kegelschnitte 
sind  auch  hier  Regelflächen  6.  Grades,  welche  von  der  XZ  in 
je  einer  Parabel  als  Doppel  kurve  geschnitten  werden,  welch 
letztere  mit  den  in  XZ  liegenden  Flächennormalen  den  voll- 
ständigen Durchschnitt  der  Regelfläche  mit  dieser  Koordi- 
natenebene gibt.  Eine  durch  den  Mittelpunkt  des  Leitkegel- 
schnittes gehende,  zu  YZ  parallele  Ebene  wird  jedoch  dann 
von  der  Normalenfläche  in  einer  Q  geschnitten,  welche  mit 
den  in  der  Schnittebene  liegenden  beiden  Normalen  die  Q  als 
Schnittkurve  gibt. 

Die  Verbindung  von  14)  und  55)  gibt  die  zweite  der  oben 
erwähnten  Grenzflächen  unter  der  Voraussetzung,  daß  wieder 
der  eine  als  fehlerfrei  vorauszusetzende  Aufstellungspunkt 
beiden  Operationen  gemeinsam  ist  und  die  beiden  anderen 
Standpunkte,  je  einer  nämlich  für  das  betrefifende  Verfahren^ 
mit  dem  ersten  in  derselben  vertikalen  Ebene  liegen. 

Mit 

cj^—a  —  c/g,     b^ — b  =  b^,     c\ — c  =  Cg,     ä^  =:  d^       70) 

erhält  die  Grenzfläche  die  Form 

{x^-^y^^z^){a.^^b^z^)+c^z^'^d^xz^  =  0.  7l) 

Die  Fläche  ist  demnach  eine  der  ob)  analoge  F^,  wenn 
dortselbst  üT  =  0  gesetzt  wird. 

Da  die  Vorzüge  der  einen  oder  der  anderen  Methode  ins- 
besondere dann  zur  Geltung  kommen,  wenn  bei  beiden  das- 
selbe Instrument  vorausgesetzt  wird,  überhaupt  die  Operationen 
unter  sonst  gleichen  Umständen  stattfinden,  so  machen  wir  die 
Annahme  a^  =  0,  Cg  =  0,  setzen  also  die  Fehlerverhältnisse  in 
den  Basismessungen,  respektive  ihren  Reduktionen,  ebenso 
wie  die  Ergebnisse  der  Plattenausmessungen  bei  den  beiden 
Methoden  als  gleichwertig  voraus. 

Die  durch  7\)  gegebene  F^  zerfällt  dann  in  Z^  z=  0  und  in 
die  Kugel 

b—b^ 


968  A.  Klingatsch, 

Aus  67)  und  68)  folgt  dann 

also  eine  Beziehung  zvvischen  den  Koordinaten  der  den 
Werten  K  entsprechenden  Q,  Diese  liegen  demnach  auf  einem 
festen,  in  der  Ebene  E  gelegenen,  durch  Q  gehenden  Kreise  *', 

dessen  auf  a  gelegener  Mittelpunkt  die  Abszisse  —  hat. 

Die  Kegelerzeugenden  5  schneiden  daher  für  alle  Werte 
von  K  zwei  feste  Gerade  g  und  g^  und  einen  festen,  die 
Gerade  ^  in  Q  schneidenden  Kreis  Ji^.  Die  Geraden  s,  deren 
Projektionen  auf  XZ  der  Strahlenbüschel  63)  ist,  erzeugen 
sohin  eine  Regelfläche  dritten  Grades.  Hiebei  ist  g  eine  Doppel- 
gerade, g^  eine  einfache  Gerade  der  Regelfläche.  Die  beiden 
Tangentialebenen  durch  g^  an  ^  schneiden  dann  die  g  in  den 
beiden  Kuspidalpunkten,  deren  Verbindungslinien  mit  den 
Berührungspunkten  auf  k'  die  Torsallinien  der  Regelfläche 
geben. 

Ebenso  folgt  hieraus  ohne  weiteres,  daß  je  zwei  in  der 
zu  XZ  senkrechten  Ebene  gelegene  Erzeugende  s  die  g^  in 
Punktpaaren  einer  Involution  schneiden,  deren  sich  selbst  ent- 
sprechende Punkte  auf  den  Torsallinien  liegen.  Die  auf  g 
gelegene  Reihe  der  Kegelspitzen  S  ist  dabei  projektiv  zu 
den  entsprechenden  Punktpaaren  der  Involution,  wenn  jedem 
Scheitel  das  Punktpaar  auf  seinen  Erzeugenden  entspricht. 

XII. 

Sowie  sich  aus  den  Fehlerflächen  11)  und  14)  die  Grenz- 
fläche 16)  ergab,  so  lassen  sich  aus  11)  und  55),  dann  aus 
14)  und  55)  die  Grenzflächen  zwischen  der  photographischen 
Punktbestimmung  mit  parallel  und  senkrecht  zur  Standlinie 
gestellten  Achsen  und  dem  tachymetrischen  Aufnahmsverfahren, 
beziehungsweise  zwischen  jener  und  der  Stereoaufnahme  ent- 
wickeln. 

Die  erstere,  hervorgehend  aus  1 1)  und  55),  führt  auf  eine  f\. 
welche  durch  die  Bewegung  eines  veränderlichen  Kegelschnittes 
mit  konstanten  Achsenrichtungen,  dessen  Mittelpunkt  in  XZ 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  969 

eine  Cg  beschreibt  und  dessen  Ebene  parallel  zu  XY  bleibt, 
erzeugt  wird.  Die  Normalenflächen  längs  der  Kegelschnitte 
sind  auch  hier  Regelflächen  6.  Grades,  welche  von  der  XZ  in 
je  einer  Parabel  als  Doppel  kurve  geschnitten  werden,  welch 
letztere  mit  den  in  XZ  liegenden  Flächennormalen  den  voll- 
ständigen Durchschnitt  der  Regelfläche  mit  dieser  Koordi- 
natenebene gibt.  Eine  durch  den  Mittelpunkt  des  Leitkegel- 
schnittes gehende,  zu  YZ  parallele  Ebene  wird  jedoch  dann 
von  der  Normalenfläche  in  einer  C4  geschnitten,  welche  mit 
den  in  der  Schnittebene  liegenden  beiden  Normalen  die  Q  als 
Schnittkurve  gibt. 

Die  Verbindung  von  14)  und  55)  gibt  die  zweite  der  oben 
erwähnten  Grenzflächen  unter  der  Voraussetzung,  daß  wieder 
der  eine  als  fehlerfrei  vorauszusetzende  Aufstellungspunkt 
beiden  Operationen  gemeinsam  ist  und  die  beiden  anderen 
Standpunkte,  je  einer  nämlich  für  das  betreffende  Verfahren, 
mit  dem  ersten  in  derselben  vertikalen  Ebene  liegen. 

Mit 

ci^—a  =  a^,     b^ — b  =  b^,     c\ — c  =  c\,     d^  =  d^      70) 

erhält  die  Grenzfläche  die  Form 

{x^^y^^::^){a.^-{-b^z^)'^-c^z^^d^xz^  =  0.  7l) 

Die  Fläche  ist  demnach  eine  der  55)  analoge  F^,  wenn 
dortselbst  A'  =  0  gesetzt  wird. 

Da  die  Vorzüge  der  einen  oder  der  anderen  Methode  ins- 
besondere dann  zur  Geltung  kommen,  wenn  bei  beiden  das- 
selbe Instrument  vorausgesetzt  wird,  überhaupt  die  Operationen 
unter  sonst  gleichen  Umständen  stattfinden,  so  machen  wir  die 
Annahme  ag  =  0,  Cg  =  0,  setzen  also  die  Fehlerverhältnisse  in 
den  Basismessungen,  respektive  ihren  Reduktionen,  ebenso 
wie  die  Ergebnisse  der  Plattenausmessungen  bei  den  beiden 
Methoden  als  gleichwertig  voraus. 

Die  durch  71)  gegebene  F4  zerfällt  dann  in  Z^  =.0  und  in 
die  Kugel 

X^^yi-^Z^-       "L^x^zO.  71') 

b—b^ 


970  A.  Klingatsch, 

Wird  /j  =  hI  gesetzt,  so  sind  die  Grenzflächen  für  ver- 
schiedene n  Kugelflächen,  welche  die  YZ  im  Koordinaten- 
anfangspunkt berühren;  der  Halbmesser  ergibt  sich  aus  15), 
56)  und  71')  mit 

2  ml — wSw* 


r  = •  72) 


Innerhalb  der  einem  bestimmten  Werte  von  n  entsprechcn- 
'den  Kugel  als  Grenzfläche  ist  die  Photogrammetrie  genauer, 
außerhalb  derselben  das  Stereo  verfahren. 

Bisher  wurde  von  der  Realisierung  der  Abbildung  abge- 
sehen. Man  kann  bei  gegebenen  Plattendimensionen  unter  der 
Annahme,  daß  die  drei  Aufsteliungspunkte  in  demselben  Hori- 
zonte, nämlich  auf  A"  gelegen  sind,  jenen  Wert  von  n  bestimmen, 
bei  welchem  durch  das  gewöhnliche  photogrammetrische  Ver- 
fahren nur  ein  auf  der  zugehörigen  Grenzfläche  gelegener 
Punkt  wirklich  abgebildet  wird. 

Die  rechteckige  Aufnahmsplatte  bestimmt  mit  dem  Haupt- 
punkte des  Objektives  für  jede  der  beiden  Aufnahmen,  wie 
bereits  bemerkt,  die  für  die  Abbildung  maßgebende  Pyramide. 
Die  beiden  Vertikalebenen,  welche  durch  die  Hauptpunkte  und 
durch  diejenigen  vertikalen  Seiten  der  Aufnahmsplatten,  welche 
für  die  Abbildung  aus  den  beiden  Standpunkten  in  Betracht 
kommen,  gelegt  werden  und  mit  Xden  Winkel  co  bilden  sollen, 
schneiden  sich  in  einer  zu  XZ  senkrechten  Geraden  g,  welche 
demnach  diejenigen  Raumpunkte  enthält,  die  von  den  beiden 
in  der  Entfernung  l^  beflndlichen  Standpunkten  auf  beiden 
Platten  eben  noch  dargestellt  werden  können. 

Da  wegen  n>l  bei  der  Stereoaufnahme  mit  der  Basis 
1<I^  auch  eine  Abbildung  von  g  auf  beiden  Platten  erfolgt,  so 
wird  für  jenen  Wert  von  n  :=:  n^^  für  welchen  g  die  zugehörige 
Grenzfläche,  also  die  Kugel  71')  berührt,  dieser  Berührungs- 
punkt der  einzige  sein,  welcher  sich  nach  beiden  Methoden 
gleich  genau  ergibt.  Für  jeden  Wert  «<Wi  ist  das  Stereo- 
verfahren —  von  rein  praktischen  Erwägungen  abgesehen  — 
bezüglich  aller  von  dem  betreffenden  Standpunkte  zu  bestim- 
menden Punkte  genauer.  Für  w  >  Wj  hingegen  ist  die  Meßtisch- 
photogrammetrie   bezüglich    derjenigen    innerhalb   der   Kugel 


Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen.  971 

gelegenen  Punkte,  welche  tatsächlich  durch  die  beiden  Auf- 
nahmen abgebildet  werden,  vom  Standpunkte  der  Genauigkeit 
im  Vorteil. 

Da  der  Berührungspunkt  der  g  mit  der  betreffenden  Grenz- 
fläche in  XZ  liegt,  dieser  daher  die  Koordinaten  x  zu  —  /,  = 

1  1  ^ 

=  — fi/,  z-zz  —  w/.tgcö  besitzt,  welche  andrerseits  auch  der 

2  2 

Gleichung  71')  genügen  sollen,  so  erhält  man  mit  Rücksicht 

auf  72)  Mj  aus 

2  _    2w|(l  — 2  cos^o)) 


Wf  z=z 


1  2 

ml 


Nimmt  man  gemäß  der  in  IX  vorausgesetzten  Bildweite 
und  Plattenabmessung  w  n  63**  26',  ferner  ntx  =  0-1  mm, 
nta  ^=-0-01  mm,  so  folgt  «j  m  10"95  ^  11. 

Es  ist  demnach  mit  den  obigen  Einschränkungen  die  Meß- 
tischphotogrammetrie  nur  dann  im  Vorteil,  wenn  /i>  1 1  /  ist. 


XIII. 

Während  die  Schar  der  Fehlerflächen  die  Fehlerverteilung 
für  die  einzelnen  Punkte  des  Raumes  gibt,  kann  für  einen 
gegebenen  Punkt  nach  den  mittleren  Fehlern  in  verschiedenen 
Richtungen  gefragt  werden.  Man  gelangt  dann  zu  einer 
neuen  Fläche,  welche  als  Verschiebungsfläche  bezeichnet 
werden  soll. 

Obwohl  mit  dem  Bisherigen  nicht  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhange stehend,  soll  anhangsweise  die  Verschiebungs- 
fläche für  die  stereophotogrammetrische  Punktebestimmung 
untersucht  werden. 

Es  bezeichnen  x,  y,  z  die  Koordinaten  eines  Punktes  P 
bezüglich  des  in  IV  angenommenen  Achsensystems. 

Für  eine  durch  den  Ursprung  O  gehende  Achse  X'  ist 

dann 

x^  =  ax-h^y-^TZ,  73) 

wo  a,  P,  T  die  Richtungscosinus  der  X'  mit  X,  Y,  Z  bedeuten. 


Elektrostatisches  Drehfeld.  989 

Die  Auflösung  dieses  Gleichungssystems  erfolgt  in  be- 
kannter Weise.  Nehmen  wir,  unserem  Falle  entsprechend, 
die  Kapazitäten  der  beiden  Kondensatoren  gleich  groß  an, 
C^=:C2^=C,  so  erhält  man  zur  Bestimmung  der  elektromotori' 
sehen  Kräfte  e^  und  e^  die  Gleichungen: 

(Pe^      2W^w^^fv^  de^  1         _  w^   dE  1 

'Jfi'^         NC  'di'^NC^^'^  "NC  It'^NC^ 

d^e^      2M^-f-Wi-f-n;2  de^  I         w^   dE  1 

IF'^         NC  'dt'^NC^^^''NC  'dT^NC^ 

Nun  sei  tv^  unendlich  klein  (w^rzO);  wir  können  dann  die 
Gleichungen  schreiben: 

d»e,       2W+W,  de.         1       _  «i  ^  .  _L  p 
dt"  C     '  dt       C»^~   C    dt       C» 

^Tp^       C        dt  '*'€»'-  C»  ^■ 

Ist  der  erste  Kondensator  unmittelbar  an  die  Pole  des 
Transformators  angeschlossen,  d.  h.  durch  einen  unendlich 
kleinen  Widerstand  (W=0)  mit  denselben  verbunden,  so  ist 
wegen  W=zO  und  Wj^O  auch  N=:0.  Schreiben  wir  jetzt 
statt  fv,  einfach  w,  so  erhalten  wir  schließlich  für  diesen  Fall: 

E 


de^ 
dt 

+ 

1 
mC 

«1 

■zz 

dE 
dt 

+  ■ 

1 
wC 

de^ 
dt 

+ 

1 
wC 

^8 

1 
wC 

■E. 

E  ist  eine  harmonische  Funktion  der  Zeit.  Setzen  wir 
demnach  £=jBsin  olL  Zur  Bestimmung  von  e^  dient  dann  die 
Gleichung: 

—7^  H 7^^,  :=  aE  cos  a/  H j:rS\nait,  (1) 

J/  wC    ^  fvC 

Ihre  Lösung  ist  ^^  =:  a^  sin  «/.  Die  Einsetzung  dieses 
Wertes  in  die  Gleichung  (1)  liefert: 

a.  a  cos  at H ~  sin  at  =  aJS  cos  at  H pr  sin  af, 

Sitzb.  d.  mathem.-naturwr.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  Ua.  65 


988  A.  Lampa, 

Es  seien  (Fig.  1)  P^  und  P^  die  Pole  der  Sekundärspule 
eines  Transformators,  welcher  die  elektromotorische  Kraft  E 
liefert.  An  dieselben  seien  zwei  Kapazitäten  Q  und  Cg  in  Parallel- 
schaltung durch  induktionslose  Widerstände  angeschlossen.  Es 
sei  der  Widerstand  der  Leiterstücke 

P^A^-^P^A^=W 

A,D^+A^D^  =  fv^ 

und  die  durch  die  Ladung  des  Kondensators  Q  hervorgerufene 
elektromotorische  Kraft  ^j,  jene  durch  die  Ladung  des  Kon- 
densators Q  hervorgerufene  e^.  Bezeichnen  wir  den  Strom 
in  W  mit  /,  den  Strom  in  w^  mit  Z^,  den  Strom  in  tv^  mit  ij,  so 
geben  die  Kirchhoff'schen  Sätze  die  Gleichungen 

/=  «i+ig 
Aus  diesen  Gleichungen  folgt: 


und 


ih  •+-  ^2)  ^'+  h^i  =E—e^ 


.  _  Efv^—e^(W+fV^)'he^W 

2 


,  _  EfV^—e^(W+fv^)+e^W 


h  = 


oder,  indem  wir  W{fv^+fv^-\'fv^fv^  =:  N  setzen: 

Ni^  =  Efv^—e^{W'\^fu^)+e^W, 

de,  dc^ 

Nun  ist  weiter  i^  =  Q  -j^  und  i^  =  Q  -j^ ,  womit  die 

beiden  letzten  Gleichungen  übergehen  in: 

NC,  ^  =  Efv,--e,(W-\-fi;,)+e^W 

NC,  "Jjj  =  Ew^—e^{W'\'fV,)-k-e^W. 


Elektrostatisches  Drehfeld.  989 

Die  Auflösung  dieses  Gleichungssystems  erfolgt  in  be- 
kannter Weise.  Nehmen  wir,  unserem  Falle  entsprechend, 
die  Kapazitäten  der  beiden  Kondensatoren  gleich  groß  an, 
Ci^iCgiziC,  so  erhält  man  zur  Bestimmung  der  elektromotori- 
schen Kräfte  e^  und  ^2  ^^^  Gleichungen: 

^dj  ^2W'\-w^^fv^  de^  1         _  fü^   dE  1 


dfi  NC  dt       NC^    '"NC    dt    '  NC 

d^e^      ZW-^fu^-^-w^  de^  1         _  w^    dE  1 

IF'^         NC  U'^NC^^^'^NC  li'^NC^ 

Nun  sei  tv^  unendlich  klein  (w^znO);  wir  können  dann  die 
Gleichungen  schreiben: 

d^e,       2W+fv,  de         1       _:!^d£      J_ 
dt''  C        dt       C*^~  C    dt       C» 

d*e,      2W+1V,  de,        1       _    1  p 

Ist  der  erste  Kondensator  unmittelbar  an  die  Pole  des 
Transformators  angeschlossen,  d.  h.  durch  einen  unendlich 
kleinen  Widerstand  (W=0)  mit  denselben  verbunden,  so  ist 
wegen  Wz=0  und  n;i=:0  auch  iV=nO.  Schreiben  wir  jetzt 
statt  fu^  einfach  w,  so  erhalten  wir  schließlich  für  diesen  Fall: 


de^ 
dt 

•+ 

1 
nfC 

^1 

— 

dE 
dt 

+  - 

1 

de^ 
dt 

+ 

1 

^2 

^^ 

1 
wC 

E. 

E  ist  eine  harmonische  Funktion  der  Zeit.  Setzen  wir 
demnach  E^=zE  s\n  clL  Zur  Bestimmung  von  e^  dient  dann  die 
Gleichung: 

—TT-  H -FT^x  =  a£cos  at  -I r^sxnat,  (1) 

J/  fvC    ^  wC 

Ihre  Lösung  ist  e^  =.  a^  sin  a/.  Die  Einsetzung  dieses 
Wertes  in  die  Gleichung  (1)  liefert: 

u  E 

a.  a  cos  a/ H ^  sin  at  =z  aE  cos  a/  H tt  sin  a^ 

Sitzb.  d.  mathem.-naturvir.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  Ua.  65 


990  A.  Lampa, 

Diese  Gleichung  soll  für  beliebige  /  gelten.  Dies  erfordert 
a^=zE,  womit  sich  e^=zEsin  at  ergibt.  Die  Potentialdifferenz 
des  ersten  Kondensators  hat  dieselbe  Amplitude  und  dieselbe 
Phase  wie  die  ladende,  vom  Transformator  gelieferte  elektro- 
motorische Kraft. 

Für  e^  hat  man  die  Gleichung 

-^  H e^  = E  sin  aL  (2) 

ät  fvC    '        wC 

Setzt  man 

e^  m  ög  sin  (a^ — rp), 

so  liefert  die  Substitution  dieses  Wertes  in  (2)  die  Gleichung: 

/  a«  E  \   .       . 

(^«a  sm  ©H TT  cos  © ^^  I  sm  at-h 

\  *  ^       fvC         ^       fvCJ 

4-  [a^oL  cos  ff j^  sin  9  j  cos  at  zu  0. 

Die  Forderung,  daß  diese  Gleichung  für  beliebige  i  erfüllt 
sei,  gibt  die  Gleichungen: 

a^a  sm  ?+  — ^  cos  <p  =  — -  (3) 

fv(^  fvC 

a„a  cos  © TT  sin  9  =:  0.  (4) 

Aus  Gleichung  (4)  folgt  tg  (p  = und  mit  diesem  Werte 

aus  (3): 


^2=T      l-4-«;«C2 

tv^C 
und  hiemit 


Ä 

V- 

a« 
WC« 

arvC 

1  +  - 

1 

v 


a» 


£        V  w^C* 


'% 


atvC       j  ^ 


sm  \ai — arc  tg 1  • 


;t;«C« 


Elektrostatisches  Drehfeld. 


991 


Die  PotentialdiiTerenz  des  zweiten  Kondensators  hat  bei 
endlichem  fv  eine  kleinere  Amplitude  als  die  treibende  elektro- 
motorische Kraft  und  ist  in  ihrer  Phase  gegen  dieselbe  ver- 
zögert. Die  Phasenverschiebung  ist  Null  und  e^  zn  E,  wenn 
fv=iO  ist,  die  beiden  Kondensatoren  also  durch  einen  un- 
endlich kleinen  Widerstand  verbunden  werden.  Die  Phasen- 

fuC 

Verschiebung  würde  90**  betragen,  wenn  tg  ©  = z=:  oo,  d.  h. 

OL 

E 
also  w  =  oo  wäre.  Dann  wäre  aber  auch  ag  m  —  =  0. 


C 


^ 


a^- 


Aus  den  vorstehenden  Überlegungen  geht  hervor,  daß  man 
bei  einer  Anordnung  der  beiden  Kondensatoren,  wie  sie  in  Fig.  2 
dargestellt  ist,  ein  Drehfeld  erhält, 
wenn  man  die  Platten  a^,  a^  an 
den  Transformator  anschließt  und 
je  eine  der  Platten  b  mit  je  einer  der 
Platten  a  durch  einen  passenden 
Widerstand  verbindet.  Verbindet 
man  a^  mit  fr^,  a^  mit  b^,  so  ist  der 
Drehungssinn  des  Feldes,  von  oben 
gesehen,  gleich  dem  Sinne  der  Uhr- 
zeigerbewegung; verbindet  man 
a^  mit  b^  und  a^  mit  bj^,  so  ist  sein 

Drehungssinn  entgegengesetzt.  Diese  Drehungsrichtungen  ent- 
sprechen der  Theorie.  Das  Drehfeld  ist  nicht  »homogen«,  indem 
weder  seine  Feldstärke  einen  konstanten  Wert  hat,  noch  auch 
seine  Winkelgeschwindigkeit  konstant  ist.  Zur  Demonstration 
eines  elektrostatischen  Drehfeldes  reicht  aber  die  angegebene 
Anordnung  vollkommen  aus;  gerade  für  diesen  Zweck  dürfte 
sie  sich  durch  ihre  Einfachheit  besonders  eignen. 

Als  Widerstand  w  zur  Verbindung  der  Kondensatorplatten 
verwendete  ich  zunächst  Holzstäbe,  zum  Nachweis  des  Dreh- 
feldes dienten  Papierzylinder,  wie  sie  von  v.  Lang  benützt 
benützt  wurden.*  Der  Versuch  gelang,  wie  bereits  erwähnt 
wurde,  vollständig.  Sowohl  im  Innenraum  zwischen  den  Platten 


*  V.  Lang,  Versuche  im  elektrostatischen  Drehfelde.  Diese  Sitzungsber., 
Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  März  1906. 


65* 


992  A.  LAmpa, 

ais  auch  außerhalb  derselben  erhält  man,  wie  dies  in  Fig.  2 
angedeutet  ist,  eine  Rotation  der  Papierzylinder.  Außerhalb  der 
Platten  ist  die  Rotationsrichtung  entgegengesetzt  der  Rotations- 
richtung im  Inneren.  Die  Lage  der  Überbrückungs widerstände 
ist  nicht  von  Belang;  man  kann  die  Stäbe  direkt  auf  die  Platten 
auflegen  oder  die  metallenen  Träger  der  Platten  durch  sie  ver- 
binden. 

Wie  ich  bei  mehrfacher  Wiederholung  der  Versuche  fand, 
war  es  ein  freundlicher  Zufall,  welcher  den  ersten  Versuch  mit 
den  Holzstücken  sogleich  gelingen  ließ.  An  einem  Tage,  der 
sich  durch  einen  besonders  hohen  Wert  der  Luftfeuchtigkeit 
auszeichnete  —  an  diesem  Tage  isolierte,  wie  ich  nachtiäglich 
erfuhr,  keines  der  in  unserem  Institutsgebäude  bei  den  Unter- 
suchungen über  Radioaktivität  gebrauchten  Elektroskope  — . 
mißlangen  die  Versuche  mit  den  Holzstäben.  Die  Theorie  gab 
mir  den  Fingerzeig,  dieses  Mißlingen  auf  den  hohen  Feuchtig- 
keitsgrad zurückzuführen  und  ich  fand  in  der  Tat,  daß  die 
Feuchtigkeit,  d.  h.  mit  anderen  Worten,  die  Leitfähigkeit  des 
Holzes  von  maßgebendem  Einfluß  ist.  Dieser  Einfluß  erstreckt 
sich  aber  auch  auf  die  Indikatoren  des  Drehfeldes,  die  Papier- 
zylinder. Und  dies  ist  wichtig  zu  wissen,  wenn  die  Versuche 
mit  Sicherheit  gelingen  sollen.  Trocknet  man  die  Papierzylinder 
vollkommen  aus,  etwa  indem  man  sie  längere  Zeit  über  eine 
durch  eine  Bunsenflamme  erhitzte  Metallplatte  hängt,  so 
rotieren  sie  in  dem  Drehfelde  nicht.  Sie  rotieren  aber  ebenso- 
wenig, wenn  sie  sehr  feucht  sind,  also  eine  zu  große  Leit- 
fähigkeit haben.  Man  braucht  einen  solchen  Papierzylinder  nur 
einige  Minuten  in  ein  Becherglas  zu  hängen,  auf  dessen  Boden 
sich  siedendes  Wasser  befindet,  um  ihn  als  Indikator  für  das 
Drehfeld  unbrauchbar  zu  machen.  Daß  die  Papierzylinder  nicht 
rotieren,  wenn  sie  vollkommen  trocken  sind,  weist  darauf  hin, 
daß  ihre  Rotation  nicht  durch  dielektrische  Hysteresis,  sondern 
bloß  durch  ihre  Leitfähigkeit  bedingt  ist.  Für  das  Drehungs- 
moment v)",  welches  eine  hysteresisfreie  leitende  dielektrische 
Kugel  mit  der  Dielektrizitätskonstante  £>,  und  der  Leitfähig- 
keit X/  in  einem  homogenen  Drehfeld  von  der  Periode  t  erfährt, 
das  von  einem   Medium  von  der  Dielektrizitätskonstante  Da 


Elektrostatisches  Drehfel4.  993 

und  der  Leitfähigkeit  X«  erfüllt  ist,  habe  ich  den  Ausdruck 
abgeleitet:^ 

4it  S{Dah-D{\a) 


»  =  a^R 


"*     ^^^(2K+\y^{2Da+Dd^ 


0} 


2ic  u 

hierin  ist  a  =  —  ,R  der  Radius  der  Kugel  und  -5-  das  Potential- 

gefalle  des  Feldes.  Ist  das  äußere  Medium  Luft  gewöhnlicher 
Dichte,  so  können  wir  2?«  =:  1  und  X^  =1  0  setzen  (die 
lonisierungsspannung  wird  bei  der  getroffenen  Versuchs- 
anordnung lange  nicht  erreicht)  und  erhalten: 


Dieses  Drehungsmoment  ist  Null  für  X,-  =:  0,  aber  auch 
für  X^  =  00.  Das  Maximum  des  Drehungsmomentes  erhält  man 

für  Xj2=-—  (2-4-A)-   Dies  macht  verständlich,  daß  der  nasse 

T  IC 

Papierzylinder  in  dem  Drehfeld  ebensowenig  rotiert  wie  ein 
Zylinder  aus  dünnem  Kupferblech. 

Daß  die  Leitfähigkeit  der  Materialien,  welche  als  Wider- 
stand w  verwendet  werden,  für  das  Zustandekommen  des 
Drehfeldes  von  Bedeutung  ist,  geht  aus  der  oben  entwickelten 
Theorie  hervor.  Glas,  Siegellack,  Paraffin  wirken  nicht,  ihre 
Leitfähigkeit  ist  zu  klein,  w  also  zu  groß;  aus  demselben 
Grunde  wirkt  auch  sehr  gut  getrocknetes  Holz  nicht.  Metalle, 
Bogenlampenkohle  und  nasses  Holz  wirken  nicht  wegen  zu 
hoher  Leitfähigkeit,  w  ist  in  diesem  Falle  sehr  klein  und 
zwischen  den  Platten  a  und  b  kommt  dann  keine  nennenswerte 
Phasenverschiebung  zu  stände.  Als  ein  sehr  geeigneter  Über- 
brückungswiderstand,  dessen  Größe  von  der  Luftfeuchtigkeit 
unabhängig  ist,  erweisen  sich  Geißler'sche  Röhren.   Ich  fand 


1  Ober  Rotationen  im  elektrostatischen  Drehfelde.  Ein  Beitrag  zur  Frage 
der  dielektrischen  Hysteresis.  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  Dezember 
1906. 


^86  V.  V.  Lang,  Versuche  im  elektrostatischen  Drehfelde. 

Der  Sinn  des  Drehfeldes  ist,  von  der  Verbindungslinie  der  Holz- 
brettchen  gerechnet,  negativ.  In  diesem  Felde  konnten  unter 
anderen  auch  die  Holz-  und  Pappeschachteln  in  Rotation  ver- 
setzt werden,  die  ich  bei  meinen  Versuchen  im  elektrostatischen 
Drehfelde  (1.  c.)  benützt  hatte.  Ebenso  konnte  gezeigt  werden, 
daß  auch  auf  der  äußeren  Seite  der  Holzbrettchen  ein  Drehfeld 
von  entgegengesetztem  Sinne  herrscht,  wie  dies  in  Fig.  3  an- 
gedeutet ist,  wo  die  so  vorhandenen  drei  Drehfelder  durch 
Papierzylinder  ersichtlich  gemacht  werden. 

Die  Entstehung  dieser  Drehfelder  dürfte  wohl  in  dem 
schlechten  Leitungsvermögen  des  Holzes  zu  suchen  sein,  wo- 
durch die  Ladung  und  Entladung  der  Holzbrettchen  sich  gegen 
die  der  Polplatten  etwas  verzögert. 


Langy.v.:  Versuche  im  oleklrosfahschenWechseJfelde. 


Ltth.  AiLKt.v.TTLBiiTiimurth  .Vfien . 

Sitzungsberichte  d.kaLs. Akad.d.Wiss.,  inath.-natunv.Kla^s^e,  Bd.CXVI.J\bth.IIa  1907 


^86  V.  V.  Lang,  Versuche  im  elektrostatischen  Drehfelde. 

Der  Sinn  des  Drehfeldes  ist,  von  der  Verbindungslinie  der  Holz- 
brettchen  gerechnet,  negativ.  In  diesem  Felde  konnten  unter 
anderen  auch  die  Holz-  und  Pappeschachteln  in  Rotation  ver- 
setzt werden,  die  ich  bei  meinen  Versuchen  im  elektrostatischen 
Drehfelde  (l.  c.)  benützt  hatte.  Ebenso  konnte  gezeigt  werden, 
-daß  auch  auf  der  äußeren  Seite  der  Holzbrettchen  ein  Drehfeld 
von  entgegengesetztem  Sinne  herrscht,  wie  dies  in  Fig.  3  an- 
gedeutet ist,  wo  die  so  vorhandenen  drei  Drehfelder  durch 
Papierzylinder  ersichtlich  gemacht  werden. 

Die  Entstehung  dieser  Drehfelder  dürfte  wohl  in  dem 
schlechten  Leitungsvermögen  des  Holzes  zu  suchen  sein,  wo- 
-durch  die  Ladung  und  Entladung  der  Holzbrettchen  sich  gegen 
die  der  Polplatten  etwas  verzögert. 


Lang y.v.:  Versuche  im  eleklTOStahschenWechsel Felde. 


LitiL  Aiutt  .v.Th.BiiiutmulJi  .VTicn . 

Sitzungsberichte  d.kaLs.Aka(l.d.WLSS.,  tna1Iirnatui-w.Kla.sse,  Bd.CXVI.Abth.IIa  1907. 


987 


Über  eine  einfache  Anordnung"  zur  Herstellung 
eines  elektrostatischen  Drehfeldes 


von 


Anton  Lampa. 


(Mit  2  Textfiguren.) 


(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  20.  Juni  1907.) 


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/;  t- 


Ci 


^, 


^? 


Herr  v.  Lang  hat  eine  eigenartige  Anordnung  zur  Er- 
zeugung eines  elektrostatischen  Drehfeldes  angegeben.^  Er 
befestigt  an  dem  einen  Rande  einer  jeden  Platte  eines  Konden- 
sators eine  in  den  Innenraum  des  Kon- 
densators hineinragende  Holzplatte,  derart, 
daß  Kondensator-  und  Holzplatten  längs 
der  Seiten  eines  Rechteckes  angeordnet 
erscheinen;  werden  die  Kondensator- 
platten an  die  Pole  der  Sekundärspule 
eines  Wechselstromtransformators  ange- 
schlossen, so  erhält  man  ein  Drehfeld. 
Diese  Anordnung  brachte  mich  auf  den 
Gedanken,  ob  nicht  auch  die  gewöhnliche 
Drehfeldanordnung  mit  vier  Metallplatten 
zur  Erzeugung  eines  Drehfeldes  mit 
Wechselstrom  allein  benützt  werden 
könne,  indem  man  das  eine  Plattenpaar  an  die  Pole  des  Trans- 
formators anschließt  und  je  ^ine  Platte  des  anderen  Paares  mit 
je  einer  Platte  des  ersten  durch  einen  schlechten  Leiter  ver- 
bindet. Der  Versuch  entsprach  den  gehegten  Erwartungen. 
Diese  Anordnung  läßt  sich  theoretisch  folgendermaßen  be- 
handeln: 


J)a 


J)2 


Fig.  1. 


1  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  Mai  1907. 


*UuM9||sky  v..StefBMkRn  Ober  die  Auu^l  ttüMmgrumm  Werte,  cKe^eme 
^Ipuise  Fuiiktioh  dritten«  Grades  anmmml. 

Stes.  Bcp.  der  WiMer  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  1 16  (1907),  p.  895—904. 


Ansahl  inkongruenter  Werte,  die  eine  ganze  Funktion  dritten  Grades  annimmt. 
Daublebsky    v.    Sterneck   R.,    Sitz.    Ber.   der  Wiener  Akad., 
1ra/Abt,%d.  116  (1907),  p.  895-904. 


.  »ii.1 


Funktion  dnrtcn  Grades.    Über  die  Anzahl  inkongruenter  Werte,   die  eine  — 
annimmt. 

Daublebsky    v.    Stern  eck    R.,    Sitz.   Bcr.    der   Wiener  Akad., 
•  II fli; Abt.,^Bdi  li&<l907),  p.  8^^.904. 


.yißgpfi^^Rtf  P^^  ^1^  Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  und 
dess^a  Abhängigkeit. van  der  Spannung  aus  d^n  Teinpe^turäxulerungen 
bei  der  Dehnung  von  Hartgummistäben. 

'  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  1 16  (1907),  p.  905—923. 

Ausdehnung^beffliient,   linearer;   Bestimmung   dcs.selben   und  dessen  Ab- 
'faifngigkeit  von  der  Spannung  aus  den  Temperaturänderungen  bei  der 
Dehnung  von  Hartgummistäben. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
>.e05^9^. 


V       •       •••     ^    ^   :    •   ...,  'V    -  —  ».     : 


Spannung,   Bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  und  dessen 
.,.  Aljhäqgigkeit  vpft  flerselben  aus   den  Temperaturänderungen    bei    der 
Dehnung  yon  Hartgumcpi Stäben. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p,  905—923, 


•    •  •  •  ■     .  1    ■       \ 


Temp^ratürlndeningen  bei  der  Dehnung  von  Hartgummistäben,  Bestimmung 
des  linearen  Ausdehnungskoeflizienten  und  dessen  Abhängigkeit  von  der 
Spannung  aus  denselben. 
I  at.schWaflier.l^M  :$stz.  Bfr..flef  Wiia^er  Aicajd.fUf^.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 


'     !• 


p.  96^1-993. 
Abt.  IIa.  Mal. 


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2 


...yofi  Hartgummiatäbefi  usad  Temperaturänderungen  bei  derselben, 
»tiii^n^ng.  des  iine«re^  Ausdehouni^kQefiizienten  und  dessen  Ab- 
agi^keit  von.  (tof  Spannung. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
905  -923. 


.mmistäbe,  bestimmung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten  und 
lessen  Abhängigkeit  von  der  Spannung  aus  den  Temperaturänderungen 
sei  der  Dehnung  derselben. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad..  IIa.  \bt.,  Bd.  116  (1907), 


ner  R.,  Üt>er  die  Erwärmung  beim  Dehnen  eines  Jodsilberstabes. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  925—930. 

irftnnung  beim  Dehnen  eines  Jodsilberstabes. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 

.  i?^9;f&^a3p.   , 


ehaung  eines  Jodsilberstabes,  dabei  auftretende  Erwärmung. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (190V), 
p.  925—930, 

lods  Über  Stab,  Erwärmung  beim  Dehnen  desselben. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  925-930. 


Kruppa  E.,  Über  den  Pohlke'schen  Satz. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad  ,  IIa.  Abt.,  Bd.  110  (1907),  p.  931—930. 


*'i     '-ti    ', 


Pohlke*SGfh6r  Lehralatz  ^fer  Aehs6nom'etrie,  Beweis  und  Pbige hingen.' 

Kruppa  K.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  931—930. 

KUngatgoli;  j^  Die  Fehlerflächen  topographischer  Aufnahmen. 

SitZi  Ben  deiVWseaer  Akail,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (KK)7),  p.  937—974. 


1 


.bTJiA    ■orrji''^    lob    .tjH     sJi?.    ..H    ji';omal2    .v    x^^^^^'^^^^ 

I  '■^.'     r.*]k  .q  ,(VOOI)  öl  I  .bfl  ,  tdA  .jsll 


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/  a  »Ji.  :..»■' 'l-jojif 'yiunribbeJuA  ndifiuiii!  ^ob  j^ni;mai'J''.-»M  oib  i^dü  ,.JI  lanjifiV/ 
,,(tLii/  :'j;iiJii'i9';iii"»T  nab  ?.jii  jjiiunnjiqS  isb  nov  i  193(9 13 nüddA  na^esb 

.aodiiJprmniujjhiiH  nov  ^nunrisG  lob  lod 
r:: '      ..■<'  .q     T  "'Ij  'U  f  .bM  ,  U'k  ßll  ..bß)iA  i^noiV/  läb  .isfl  ,sir8 


,..j,    .  .j   n«  i;;  rr-o.- .;,-ij;j-Tjqfr|.jX   f^-^h   <-;  n   ^nunriisq?.  lob   nov  tidilgr^oöd 

.n^dÜipfmmi/^hBH  nov  snwnrisa 
,.  .''♦M'j  .-'!    (   I  .JdA   lH  ,.br./iA  T.  jj'7/ lob  noa  .sJi2  ,.JI  tangßW 

.826— öOft  .q 


r^o--',»')   biiu   n9)naixiilooj|''3(^i;nr!'jb'»nA   n37B9ml  8öb    gnummÜedS    «^nunncq'^ 
"!'jb    10*1    n'.yrTUiobrhiüJßrjqmaT   nob    euB    nsdloaidb    nov   lid^lgtsnüitdA 

.nadBiPJmmu^JifiH  nov  gnL'nrioO 
»1^091)  Ol  i  .ba  ,.JdA  .all  ,.bn)IA  isnaiW  15b  .198  .aJi2  ,.fl  idng«V/ 

.ese—coe  q 


3ni(/nfT:rT;>0il  ,nDdj:?atfnfnu:^}iÄH  nov  jjnunrioG  lab  isd  ad^airtdbnAiciiAidqmsl 
v)b  i">v  iia^;'f.2f'kHdA  p-v^-jb  bfiü  nöJnaisütooJleanunridbzuA  nsiBonil  aab 

.nadloanob  au»  ^^nunnaqS 
,:M>ei)8II  .bS.N-fA   ßll  ,.bß3lAi9n9iW  lab.i^H  .sJi2  ..51  langÄW 

XSß-r.Oö  .q 

JcM.bII  MA 


2 


DohffiM  vofi  H&rtgummiatäbefi  und  Temperaturänderungen  bei  derselben, 
Bestiinmung.  des  lineve;[i  Ausdebnun^^kpeffizienten  und  dessen  Ab- 
hto^^keit  von  der  Spannung. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  905  -923. 


r. 
Hartgummi  Stäbe,    Bestimmung    des   linearen   Ausdehnungskoeffizienten   und 

dessen  Abhängigkeit  von  der  Spannung  aus  den  Temperaturänderungen 

bei  der  Dehnurig  derselben. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad..  IIa.  \bt.,  Bd.  116  (1907). 

r      •       ''  ^ 

Wagner  R.,  Über  die  Erwärmung  beim  Dehnen  eines  Jodsilberstabes. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  925—930. 

Erwärmnag  beim  Dehnen  eines  Jodsilberstabes. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 


Dehnung  eines  Jodsilberstabes,  dabei  auftretende  Erwärmung. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (190V), 
p.  925—930, 


JodsüberstAb,  Erwärmung  beim  Dehnen  desselben. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  925-930. 


4  •  *  •  < 


Kruppa  E.,  Über  den  Pohlke'schen  Satz. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad  ,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  931—936. 

I.        «.1.  '  1 

Pohlke'sdhi^f  Lehrsatz  dbr  Aehsonbmetrie,  Beweis  und  Folgerungen. 

Kru'p^a  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  931—936. 

Klingatadi' A^t  Die  Fehlerdächen  topographischer  Aufnahmen. 

^  SkZi  Ber.  deMVieaer  AkMxL.lla.  Abt.,  Bd.  1 16  (H)07),  p.  937—974. 


3 


KUngatsch  A.,  Sits.  Bcr.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116 
(1907),  p,^.7^974^... 


Topographische  AufnAhmen»  Fehlerflächen  derselben. 

'     *Kli'iig^!t»eh.AvSil2.  Ber*  4er  Wlctter  Akad^  IIa.  Abt.,  Bd.  116 

(19Ö7)/p.  937— 074 

»1.  '      St     '    •    .       * ••    .      »     . 

Aufnahmen,  topographische,  Fehlerflftchen  derselben. 

Klingatsch  A.,  Sitz.  Her.  der  Wiener  Akad.,  Ha.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  937—974. 


Lang  V.,  V.,  Versuche  im  elektrostatischen  Wechselfelde. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  975—986. 


Elektrostatisches  Wechselfeld,  Versuche  in  demselben. 

Lang  V.,  V.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  975—986. 


Wechselfeld,  elektrostatisches,  Versuche  in  demselben. 

Lang  V.,  V.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  ila.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  975—986. 


Drehfeld,  elektrostatisches,  Versuche  in  demselben. 

Lang  V.,  V.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  Ha.  Abt,  Bd.  116  (1907), 
p.  975-986. 


Kraftlinien,  Nachweis  derselben  mit  der  Flamme. 

Lang  V.,  V.,  Sitz.  Ber.  dci  Witner  Akad.,  Ha.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  975—986. 


Lampa  A.,  Über  eine  einfache  Anordnung  zur  Herstellung  eines  elektrostatischen 
Drehfeldes. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  Ha.  Abt.,  Bd.  116(1907),  p.  987  — 994. 


,(VOÖI)  Oll  .ba  ,.jdA  .All  ..UjiA  i9n5iW  15b  .108  .sii2  ,.A  ÄqfnaJ 


ssnia     ^fluttdisi^H    lus     gnunbionA    odoailniH     .esdoeiifilaoilisb    »blslddin 

^(TOör)  dll  .ba  ,JdA  .All  ,.bB>IA  i9n»iW  wb  .i^fl  .sJiS  ,.A  ßqmfiJ 

.f  «9-  78<>  .q 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERUCHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTUCHE  KLASSE. 


CXVI.  BAND.  VI.  HEFT. 


ABTEILUNG  IIa. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


■4a»- 


66 


997 


Die  Phasenverschiebung  durch  Reflexion  an 

den  Jamin'schen  Platten 

von 

E.  Mach, 

w.  M.  k.  Akad. 

(Mit  1  Textfigur.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  4.  Juli  1007.) 

Stellt  man  ein  exakt  geschliffenes  rechtwinkliges  Parallel- 
epiped  von  schlierenfreiem  Glas,  etwa  7ofnm  lang,  23  mm  hoch, 
1 3  mm  dick,  so  auf,  daß  die  Ebene  der  75  mm  langen  vertikalen 
Grenzfläche  sehr  nahe  an  einer  vertikalen  engen  Fenster- 
ladenspalte vorbeigeht,  welche  sich  in  dieser  Grenzfläche 
spiegelt,  so  kann  man,  die  Lupe  auf  die  von  der  Lichtquelle 
fernere  vertikale  Kante  dieser  Fläche  einstellend,  die  Hälfte 
eines  Interferenzstreifensysteras  beobachten,  dessen  mittlerer 
dunkler  Streifen  mit  der  eben  genannten  Kante  zusammen- 
fallt. Dies  ist  der  bekannte  Lloyd'sche  Versuch  mit  einem 
Spiegel,  welcher  gewöhnlich  als  Beleg  der  von  der  Theorie 
geforderten  Phasenverschiebung  von  einer  halben  Schwingung 
bei  Reflexion  am  optisch  dichteren  Medium  (Glas)  angeführt 
wird.  Es  ist  mir  nicht  bekannt,  daß  jemals  eine  Umkehrung 
dieses  Experiments  versucht  worden  wäre.  Mit  dem  genannten 
Parallelepiped  gelingt  die  Umkehrung  sehr  leicht,  indem  man, 
die  Lichtquelle  und  deren  Spiegelbild  vertauschend,  durch  das 
Glas  auf  die  Spalte  hinblickt  und  dieselbe  an  der  das  Glas 
begrenzenden  Luft  sich  spiegeln  läßt.  Dann  erhält  man  aber 
ein  Interferenzbild  von  genau  demselben  Charakter  wie  in  dem 
vorigen  Falle,  wobei  wieder  ein  dunkler  Streifen  in  der  Spiegel- 
ebene liegt.  Radiert  man  mit  der  Teilmaschine  zwei  feine 
Spalten  von  Vg  mm  Abstand  in  die  Versilberung  einer  Glas- 
platte,   so   kann    man   diese    so    an    der  vom    Licht    zuerst 

66* 


998  E.  Mach, 

getroffenen  Fläche  des  Parallelepipeds  befestigen,  daß  jede 
Spalte  in  den  Ort  des  Spiegelbildes  der  anderen  Spalte  fallt. 
Dann  sieht  man,  die  Lupe  oder  das  Mikroskop  auf  die  von  den 
Lichtquellen  fernere  Kante  einstellend,  ein  vollständiges 
Interferenzstreifensystem  mit  durchaus  gleich  breiten  Streifen, 
dessen  mit  der  Spiegelebene  zusammenfallende  Symmetrale 
dunkel  ist.  Die  Hälfte  des  Streifensystems  liegt  im  Glas,  die 
andere  Hälfte  in  der  Luft.  Schon  der  bloße  Anblick  läßt  hierüber 
keinen  Zweifel  und  ein  schwach  vergrößerndes  Mikroskop  mit 
Okularmikrometer  zeigt  alle  Abstände  zwischen  zwei  benach- 
barten Minimis  gleich  groß.  Anwendung  von  Licht  mit 
vertikaler  oder  horizontaler  Polarisationebene  ändert  diesen 
Befund  nicht.* 

Der  Lloyd'sche  Versuch  ergibt  also  für  beide  Fälle  das- 
selbe Resultat,  was  man  verständlich  findet,  wenn  man  bedenkt, 
daß  bei  streifender  Inzidenz  sowohl  die  Luft-  als  auch  die  Glas- 
grenze eine  für  den  Lichtprozeß  undurchdringliche  Wand  vor- 
stellt. Darum  hat  aber  auch  diese  auf  den  speziellen  Fall 
der  streifenden  Inzidenz  beschränkte  Versuchsform  keinen 
besonderen  Wert. 

Die  Frage  der  Phasenverschiebung  bei  der  Reflexion  trat 
zuerst  bei  dem  genaueren  Studium  der  Erscheinungen  am 
Newton*schen  Glase  auf  und  dieser  Fall  bot  auch  die  erste 
Gelegenheit,  derselben  experimentell  näher  zu  treten.  Eine 
vollständige  Analogie  zu  dem  Newton*schen  Glase  bilden  die 
Jamin'schen  Platten,  welche  jedoch  bei  dem  Umstände,  daß  die 
interferierenden  Strahlen  weit  getrennte  gesonderte  Wege 
verfolgen,  eine  viel  bequemere  Prüfung  und  Änderung  der 
Versuchsumstände  gestatten. 

Sonnenlicht  falle  auf  die  Linse  L,  deren  Brennpunkt 
zwischen  den  nahe  aneinander  gerückten  Jamin'schen  Platten 
J  und  y  liegt,  so  daß  die  Bündel,  soweit  sie  innerhalb  der 
Platten  verlaufen,  kleinen  Querschnitt  behalten  und,  abgesehen 
von  der  Oberdeckung  in  1  und  2,  reinlich  getrennt  bleiben.  Nur 


1  Wie  das  Ergebnis  des  umgekehrten  Lloyd'schen  Versuches  mit 
Fresnel's  Auflassung  zu  vereinigen  ist,  mag  hier  einstweilen  dahin  gestellt 
bleiben.  Vergl.  Fresnel,  Oeuvres,  T.  I,  p.  767  bis  799,  insbesondere  Verdefs, 
iVnmerkung  p.  789. 


Phasenverschiebung  durch  Reflexion. 


999 


*-1-* 


der  Achsenstrahl  ist  in  nebenstehender  Figur  dargestellt.  Bei  1 
trennen  sich  die  Bündel;  das  eine  verläuft  über  7,  das  andere 
über  7';  in  2  findet  wieder  Vereinigung  statt  Beide  Bündel 
gehen  nun  wieder  sich  überdeckend  bis  B,  wo  der  Schnitt  des 
Strahlenkegels  durch  einen  Projektionsschirm  die  Strahlen 
verschiedener  Neigung  in  verschiedener  Interferenzfarbe 
zeigt.  Da  beide  Strahlenbündel  genau  dieselben  Reflexionen 
und  Brechungen  durchmachen,  ist  der  kleinste  Gangunterschied 
Null.  Wir  erhalten  einen 
mittleren  weißen  Inter- 
ferenzstreifen, auf  welchen 
wir  den  Schatten  einer  vor  L 
gestellten,  durch  den  Doppel- 
pfeil angedeuteten  Nadel 
fallen  lassen.  Fassen  wir  nun 
das  von  A  ausgehende  Licht 
bei  C  ab,  so  erscheint  jetzt 
der  Schatten  der  Nadel  auf 
einem  dunklen  mittleren 
Interferenzstreifen.  Bezeich- 
nen wir  die  Phasenverschie- 
bung durch  äußere  Reflexion 
mit  a,  jene  durch  innere 
Reflexion  mit  i  und  messen 
wir  beide  durch  Bruchteile 
der  ganzen  Schwingung  (1), 
so  erfährt  der  über  7'  nach 
C    verlaufende     Strahl     die 

Phasenverschiebung  /,  der  über  J  nach  C  gelangende  Strahl 
aber  a-h2i.  Demnach  entspricht  das  Interferenzbild  bei  C  der 
Gleichung  a-hi  z=  Ya- 

Übertragen  wir  nun  die  Linse  L  mit  der  Nadel  nach  D  und 
lassen  wir  das  Licht  von  D  nach  1  einfallen,  wo  sich  die  Bündel 
trennen,  um  sich  bei  2  wieder  zu  vereinigen  und  bei  C  ein 
Interferenzbild  mit  mittlerem  weißen  Streifen  zu  liefern,  auf 
welchen  wir  den  Schatten  der  Nadel  einstellen.  Der  Schatten 
erscheint  aber  sofort  auf  einem  dunklen  mittleren  Streifen, 
wenn    wir   etwa   bei   J  die   Reflexion    an   Wasser,    welches 


1000  E.  Mach,  Phasenverschiebung  durch  Reflexion. 

schwächer  als  Glas,  bei  J'  an  Schwefelkohlenstoff,  der  stärker 
als  Glas  bricht,  stattfinden  lassen.^  Nach  unserer  Bezeichnung 
entspricht  der  ersteren  Reflexion  die  Phasenverschiebung  f,  der 
zweiten  aber  die  Phasenverschiebung  a.  Der  zweite  Doppel- 
versuch liefert  also  die  Gleichung  a—i=  Vg.  Aus  allen  vier 
Versuchen,  beziehungsweise  aus  den  beiden  Gleichungen  folgt 

Bei  dem  ersten  Doppelversuch  kann  man  die  beiden 
Bilder  B  und  C  bequem  nebeneinander  zugleich  sehen;  der 
zweite  Doppelversuch  zeigt  natürlich  die  beiden  Bilder  C  nach- 
einander. Der  Schatten  der  Nadel  bleibt  in  beiden  Versuchen 
auch  in  schwarzen  Streifen  vollkommen  deutlich,  weil  mit  der 
Änderung  der  Phasenverschiebung  zugleich  eine  Intensitäts- 
verschiedenheit der  interferierenden  Strahlen  eingeführt  wird. 

Die  beschriebenen  sehr  einfachen  Versuche*  bestätigen 
die  Folgerungen,  welche  Fresnel  aus  seiner  mechanischen 
Theorie  der  Reflexion  gezogen  und  die  Stokes*  schon  aus  der 
allgemeinen  einfachen  Voraussetzung  abgeleitet  hat,  daß  man 
(mit  umgekehrtem  Bewegungssinn)  den  einfallenden  Strahl 
(und  nur  diesen)  zurück  erhält,  wenn  man  den  aus  diesem 
hervorgehenden  reflektierten  und  gebrochenen  Strahl  synchron 
mit  Umkehrung  der  momentanen  Schwingungsgeschwindigkeit 
in  sich  zurückleitet.  Mit  den  entsprechenden  Modifikationen  — 
Einführung  polarisierten  Lichtes  und  spektraler  Auflösung  — 
dürften  sich  diese  Versuche  auch  zur  Erprobung  der  genaueren 
Cauchy'schen  Reflexionstheorie  eignen. 

1  Vergl.  Lieben-Festschrift,  Leipzig  1906,  p.  295. 

^  Es  ist  zwar  recht  bequem,  mikrometrische  Bewegungen  zur  Verfügung 
zu  haben,  meinem  Sohn  Ludwig  gelangen  aber  sämtliche  hier  beschriebenen 
Versuche  auch  aus  freier  Hand  mit  durch  Wachs  auf  einem  Brettchen  befestigten 
müßigen  Planplatten. 

8  Mathematical  and  Physical  Papers,  Cambridge  1883,  Vol.  II,  p.  90. 


r 


1001 


Zur  Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit 
nach  Fizeau  und  akustische  Analogien 

von 

Mathias  Cantor  in  Würzburg. 

(Mit  2  Textiiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitsung  am  6.  Juni  1907.) 

§  1.  Sieht  man  von  den  astronomischen  Messungen  ab, 
so  beruht  die  Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit  auf  den 
Überlegungen,  welche  von  Fizeau  angestellt  worden  sind; 
denn  dieselben  Überlegungen  liegen  auch  der  Methode  von 
Foucault  zu  Grunde.  Bei  der  fundamentalen  Bedeutung, 
welche  der  Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit  zukommt, 
erscheint  eine  exakte  Begründung  der  Fizeau'schen  Methode 
von  beträchtlicher  Wichtigkeit.  Der  Mangel  einer  solchen  zeigte 
sich  aber  auf  das  deutlichste  bei  der  Diskussion  jener  Versuche, 
welche  einen  Einfluß  der  Farbe  auf  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit des  Lichtes  ergaben. 

Young  und  Forbes*  hatten  durch  Messungen,  welche 
im  wesentlichen  nach  der  Fizeau'schen  Methode  angestellt 
worden  waren,  gefunden,  daß  das  blaue  Licht  sich  um  l'87o 
schneller  fortpflanzt  als  das  rote. 

Lord  Rayleigh'*  führte  dieses  Ergebnis  darauf  zurück, 
daß  bei  der  Fizeau'schen  Methode  nicht  die  »Lichtgeschwin- 
digkeit«, sondern  eine  »Gruppengeschwindigkeit«  bestimmt 
werde. 

Die  Gruppe  entsteht  durch  Übereinanderlagerung  zweier 
Wellenzüge  von   gleicher  Richtung  und   gleicher  Amplitude, 


1  Young  und  Forbes,  Nature,  24,  303  (1881). 

2  Rayleigh,  ibid.,  24,  382  (1881). 


1002  M.  Cantor, 

deren  Perioden  sich  ein  wenig  voneinander  unterscheiden.  Lord 
Rayleigh^  hatte  früher  solche  Wellengruppen  untersucht  und 
gezeigt,  daß  deren  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  von  der  eines 
einfachen  Weltenzuges  verschieden  ist,  und  er  nimmt  an,  daß 
bei  der  Fizeau'schen  Methode  die  Fortpflanzungsgeschwindig- 
keit einer  solchen  Gruppe  gemessen  wird. 

W.  H.  Macaulay  *  hat  auf  die  Schwierigkeit  hingewiesen, 
welche  der  Erklärung  von  Lord  Rayleigh  anhaftet,  und  den- 
selben zu  einer  weiteren  Darstellung*  veranlaßt  Indes  geht 
auch  aus  diesen  Betrachtungen  in  keiner  Weise  hervor,  wie 
durch  das  Fizeau*sche  Experiment  veranlaßt  wird,  daß  Wellen 
von  verschiedener  Periode  auftreten,  in  welcher  Beziehung  die 
Perioden  der  einzelnen  Wellen,  welche  die  Gruppe  bilden  sollen, 
zu  der  Periode  des  Lichtes  stehen,  mit  dem  der  Fizeau*sche 
Versuch  angestellt  wird,  und  warum  endlich  gerade  die  Ge- 
schwindigkeit der  Gruppe  bei  diesem  Versuch  bestimmt  wird. 

Spätere  Auseinandersetzungen*  beziehen  sich  auf  die 
Methode  von  Foucault  und  brauchen  deshalb  hier  nicht 
näher  besprochen  zu  werden.  Es  geht  aber  aus  ihnen  hervor, 
daß  sowohl  über  die  Grundlage  der  physikalischen  Methoden 
zur  Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit  als  auch  über  die 
Bedeutung  der  mit  diesen  Methoden  ausgeführten  Messungen 
eine  ziemliche  Unsicherheit  besteht  und  der  Zusammenhang 
zwischen  der  nicht  direkt  meßbaren  Lichtgeschwindigkeit  und 
den  Beobachtungen,  durch  welche  ihre  Größe  bestimmt  wird, 
nicht  streng  hergestellt  ist.  Unter  diesen  Umständen  schien  es 
angemessen,  zunächst  festzustellen,  was  bei  dem  Fizeau*schen 
Experiment  eigentlich  beobachtet  wird. 

§  2.  Die  Fizeau*sche  Anordnung  läßt  sich  im  Schema  durch 
die  Fig.  1  darstellen. 

Ein  Bündel  paralleler  Strahlen  durchsetzt  das  rotierende 
Zahnrad  R,  wird  vom  Spiegel  S  reflektriert  und  nach  noch- 


1  J.  W.  Strutt,  Baron  Rayleigh,  Theorie  des  Schalles.   Deutsch  von 
Neesen,  Braunschweig  1880,  1.  Bd.,  p.  327,  und  2.  Bd.,  p.  385. 
s  W.  H.  Macaul ay,  Nature,  24,  556  (1881). 

3  Rayleigh,  Nature,  25,  52  (1881/82). 

4  Vergl.  F.  Auerbach  im  Handbuch  der  Physik,  herausgegeben  von 
A.  Winkelmann,  2.  Aufl.,  Bd.  VI,  p.  480  (1906). 


Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit 


1003 


maligem  Durchgange  durch  das  Zahnrad  durch  das  Auge  bei  A 
wahrgenommen. 

Die  Beobachtung  ergibt,  daß  die  Intensität  der  wahr- 
genommenen Lichter  sich  mit  wachsender  Rotationsgeschwin* 
digkeit  periodisch  ändert.  Eine  exakte  Theorie  der  Erscheinung 
wird  die  Frage  zu  beantworten  haben:  Wie  hängt  die  beob- 
achtete Lichtintensität  von  den  Abmessungen  der 
Apparate  und  der  Geschwindigkeit  des  Rades  ab? 

§  3.  Um  zu  einer  Lösung  dieser  Frage  zu  gelangen,  kann 
zunächst  der  Spiegel  in  der  Fizeau'schen  Anordnung  ersetzt 
werden    durch    ein   zweites 


□ 


]l   c 


I 


5 


Zahnrad,  welches  dem  ersten 
ganz  gleich  ist,  sich  am  Orte 
des  Spiegelbildes  des  ersten 
befindet  und  mit  demselben 
vollkommen  synchron  be- 
wegt wird. 

Dies  vorausgesetzt,  soll 
der  Durchgang  eines  Bündels 
paralleler  Strahlen  durch  die 
beiden  rotierenden  Räder 
untersucht  werden.  Das  Bün- 
del sei  normal  zu  den  Rädern 
—  diese  Richtung  wird  zur 
jr-Achse  gewählt  —  und  sei 

so  schmal,  daß  es  an  allen  Stellen  als  von  gleicher  Intensität 
betrachtet  werden  kann. 

Der  Lichteindruck,  den  das  aus  dem  zweiten  Zahnrad  aus- 
tretende Licht  in  einem  dort  befindlichen  Auge  bewirkt,  wird 
dann  durch  den  zeitlichen  Mittelwert  der  Amplitudenquadrate 
bestimmt.  Der  Raum  zwischen  den  Zahnrädern  sei  erfüllt  von 
einem  homogenen  Medium,  in  welchem  die  Maxwell'schen 
Gleichungen  gelten,  so  daß  für  den  Lichtvektor  J5  die  Gleichung 


Fig.  1. 


8*£ 

8/« 


-=1  a> 


8 


8^ 


(0 


besteht,  wo  o)  die   Lichtgeschwindigkeit  in  dem  Medium  be- 
zeichnet. Zur  Bestimmung  von  E  ist  dann  weiter  der  Anfangs- 


1004  M.  Cantor, 

zustand  und  das  Verhalten  an  der  Stelle  :i:  ==  0,  wo  sich  das 
erste  Zahnrad  befindet,  gegeben. 

Durch  das  Zahnrad  wird  der  hinter  ihm  befindliche  Raum 
abwechselnd  beleuchtet  und  vollständig  verdunkelt  Ist  N  die 
Schwingungszahl  des  einfallenden  Lichtes  und  v  die  Zahl  der 
Verdunkelungen  in  der  Sekunde,  so  hat  man  für  x=zO 

E=Ssin2KNt,  (2) 

wo 

5=^1  H (cos  2icvt cos  6irv/4-  •  •  •)  r 

Dabei  bezeichnet  2A  die  Amplitude  des  einfallenden 
Lichtes. 

Bis  zur  Zeit  t  =  0  soll  das  Zahnrad  sich  in  einer  Stellung 
befinden,  in  welcher  das  Licht  ungestört  durchgeht,  so  daß  bis 
/  =  0 

£  =  2^  sin  2 7c  (Nt  —  —\  (3) 

Die  Differentialgleichung  (1)  kann  nun  entsprechend  den 
Nebenbedingungen  (2)  und  (3)  nach  der  vonRiemann^  an- 
gegebenen Methode,  welche  schon  bei  einer  früheren  Gelegen- 
heit ^  benützt  worden  ist,  integriert  werden.  Die  dort  angewen- 
dete Bezeichnung  und  Darstellung  wird  auch  hier  gebraucht. 

Die  Rechnung  wird  sehr  vereinfacht,  wenn  die  Verdunke- 
lungen nicht  sprungweise,  sondern  stetig  erfolgen.  Dies 
wird  erreicht,  wenn  man  statt  der  Zahnräder  Schirme  benützt, 
welche  den  Zähnen  entsprechende  Sektoren  tragen,  durch  die 
das  Licht  stetig  bis  zur  vollständigen  Abbiendung  geschwächt 
wird.  Auch  mit  einem  rotierenden  Spiegel  oder  Nichorschen 
Prisma  ließe  sich  eine  stetige  Abschwächung  des  Lichtes  aus- 
führen. Im  folgenden  soll  eine  solche  vorausgesetzt  werden 
und  dann  kann  S  in  (2)  ersetzt  werden  durch 

S'  =  2A  cos«  wv/. 


1  Heinrich  Weber,  Die  partiellen  Differentialgleichungen.  Braunschweig 
1901,  2.  Bd.,  p.  224. 

2  M.  Cantor,  Annalen  der  Physik,  4.  Folge,  20.  Bd.,  p.  333  (1906). 


Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit. 


1005 


Setzt  man  noch  ^zn  co/  und  stellt  E  in  der  ;ry-Ebene  dar 
(Fig.  2),  so  hat  man  für  E  im  Punkte  (xy) :  b 


f 


3_>* 


8;r 


Fig.  2. 

Aus  (3)  folgt  dann  für  ^y  z=  0 


£=  —2^  sin  ß;tr 
8£ 


9£ 

8^' 


=  —  2.4ß  cos  p^r 


=       2^ß  cos  ?A', 


wobei  zur  Abkürzung  gesetzt  ist  ß  = 


Es   folgt   hieraus,   daß 


/8£ 


27C.V 

(0 


(I) 


(3a) 


längs   den   zu   G, 


V  8;i:  ^y 

parallelen  Geraden  verschwindet,  und  man  erhält  deshalb  für 
x  =  0 

£  =  2-4  cos*  ay  sin  ^y 


—    =r       2^ß  COS*  oy  cos  ßj  — 2^asin  2asin  ß_>' 
8£ 


(2  a) 


8;r 


=  — 2i4ß  cos^  ay  cos  ßj'+2^a  sin  2asin  ß>', 


wo  a  = 


ÄV 


a> 


1006  M.  Cantor, 

Bei  Ausführung  der  in  (I)  angedeuteten  Integration  ist  zu 

berücksichtigen,  daß 

dx  =:0  längs  aO 

dy  =zO  längs  Ob 

und  daß  die  Koordinaten  von  a  und  b,  wie  in  Fig.  2  ersichtlich, 
durch  (y — x),  beziehungsweise  (y-^x)  angegeben  werden.  Für 
E  im  Punkte  (xy)  folgt  dann 

2E=i2A  cos^  cii(y—x)  s\n^(y—x)—2A^l     cos*ay  cos  ^ydy-h 

Jy—x 

ro  ry+x 

'h2Aal     sin  2aL  sin  ^ydy +2 A^l        cos^xdx 

Jy—x  J 

und  daraus  nach  einfacher  Umformung 

2£  =  2A  sin  %{y—x)^A  sin  i^^2d){y—x)'¥ 

^A  sin  (ß— 2a)  {y^x)     (la) 

oder,  wenn  ^'j  ot,  ß  durch  /,  v  und  U  ersetzt  werden, 
2£  r=:  2A  sin  2T:N(t—  — )  -hA  sin  27r(Ar+v)  (t—  — )  + 

-^-A  sin  2ir(.V-v)  [t—  — V       {Ih) 

Hienach  erhält  man  drei  fortschreitende  Wellenzüge;  einen 
mit  der  ursprünglichen  Periode  A^  und  zwei  neue,  deren 
Schwingungszahlen  um  die  der  Verdunkelung  vermehrt,  be- 
ziehungsweise vermindert  sind. 

Setzt  man  voraus,  daß,  wie  es  beim  Fizeau'schen  Experi- 
ment der  Fall  ist,  v  sehr  klein  gegen  A'^  ist,  so  kann  das  Auge 
die  neu  auftretenden  Farben  nicht  als  solche  wahrnehmen, 
sondern  erhält  einen  Lichteindruck,  welcher  der  ursprünglichen 
Periode  entspricht.  Die  Intensität  dieses  Lichteindruckes  wird 
erhalten^  wenn  man  die  drei  Wellenzüge  zu  einem  mit  der 
Periode  A^ und  zeitlich  veränderlicher  Amplitude-B  zusammenfaßt. 

Aus  (la)  folgt  nun 

Ez=:  A  [cos  ß^r+cos  ß,r  cos  2a(y'-x)]  sin  ßj/— 

— ^[sin  ß^r+sin  ^x  cos  2a(^— a:)]  cos  ß^', 


Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit.  1007 

woraus  man  findet 

B  =  2Acos^a(y''X),  (II) 

Dieses  Licht  wird  nun  durch  den  zweiten  rotierenden 
Schirm  beobachtet  und  durch  diesen  geschwächt  im  Verhältnis 

cos*  ay. 

Der  im  Auge  entstehende  Lichteindruck  wird  bestimmt 
durch  den  Mittelwert  des  Amplitudenquadrates  während  der 
Dauer  einer  Verdunkelungsperiode,  also   während    der  Zeit 

T  =  — .  Bezeichnet  also  /  die  wahrgenommene  Lichtstärke, 

so  hat  man  \    rT 

i  =z  —  /     B^  cos*  aydi 
Tjo 

oder,  wenn  statt  i  und  T  y  und  a  eingesetzt  wird, 


%  •=. /     cos*  (i[y — X)  cos*  fiydy, 

^    Jo 

Man  erhält  hieraus 

«  =  —  J^\\  -4-8  cos*  fiX'\ cos*  (ix\  • 

32       L  3  J 

Es  ändert  sich  hienach  die  wahrgenommene  Lichtstärke 
periodisch  mit  wachsendem  o,  d.  i.  mit  wachsender  Rotations- 
geschwindigkeit der  Schirme  und  erhält  immer  gleiche  Werte  für 

O.X  in  o^jr-h^i:, 

wenn  k  eine  ganze  Zahl  bedeutet. 

Die  Lichtstärke  verschwindet  nie  völlig,  aber  sie  hat  ein 
sehr  deutliches  Minimum  für 

2 

Die  kleinste  verhält  sich  zur  größten  Lichtstärke,  welche 
ceteris  paribus  durch  Veränderung  der  Rotationsgeschwindig- 
keit entsteht,  wie  3 :  35.  Die  kleinste  Geschwindigkeit,  welche 


1008  M.  Cantor, 

ein  Minimum  von  /,  also  die  möglichst  vollständige  Verdunke- 
lung des  Gesichtsfeldes  ergibt,  ist  bestimmt  durch 

ax  =  —'  (III) 

2 

Hiebei  bedeutet  x  den  Abstand  der  beiden  Schirme. 

Bei  dem  Fizeau'schen  Versuch  entspricht  x=:2l,  wenn 
mit  /  der  Abstand  des  Zahnrades  vom  Spiegel  bezeichnet  wird. 
Setzt  man  für  a  seinen  Wert  und  bezeichnet  mit  v^  die  Zahl 
der  Verdunkelungen  pro  Sekunde  bei  der  kleinsten  Geschwin- 
digkeit, die  ein  Minimum  von  i  ergibt,  so  muß 

4/Vo  =  a>. 

Beim  Fizeau'schen  Zahnrade  würde  v^  ausgedrückt  durch 

wenn  z  die  Anzahl  der  Zähne,  n  die  Tourenzahl  des  Rades 

angibt,  bei  welcher  die  erste  Verdunkelung  eintritt,  und  man 

erhält 

a>  m  4lzn, 

die  bekannte  Relation,  nach  welcher  die  Lichtgeschwindigkeit 
bestimmt  wurde. 

§  4.  In  der  MaxweH'schen  Gleichung  (1)  bedeutet  (o  eine 
durch  die  Natur  des  Mediums  bestimmte  Konstante.  Die  An- 
wendung dieser  Gleichung  setzt  voraus,  daß  in  dem  Medium 
keine  Dispersion  stattfindet.  Nimmt  man  aber  an,  daß  diese 
Gleichung  auch  noch  auf  dispergierende  Medien  angewendet 
werden  kann,  wenn  man  co  für  verschiedene  Schwingungs- 
zahlen verschiedene  Werte  beilegt,  so  läßt  sich  der  experimentell 
beobachtete  Einfluß  der  Farbe  auf  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit des  Lichtes  zum  Ausdruck  bringen. 

Wie  (I^)  zeigt,  treten  neben  der  ursprünglichen  Schwingung 
mit  der  Periode  A^  noch  solche  mit  den  Perioden  N-hy  und 
A^ — V  auf.  Wenn  nun  in  einem  dispergierenden  Medium  w  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  bedeutet  für  Licht  von  der 
Schwingungszahl  N,  so  müssen  den  beiden  anderen  Wellen- 


Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit  1009 

Zügen  davon  verschiedene  Werte  o'  und  v^"  beigelegt  werden. 
Dies  vorausgesetzt,  erhält  man  aus  (Ift): 

2 £  =  2i4  sin  2Äiv(/— — ) +>!  sin  2ic(iV+v)  (/— ^) -h 

+^  sin  27c(A^-v)(/ ^)-       (Ic) 

Nun  ist  V  sehr  klein  gegen  N  —  bei  den  Versuchen  von 

V 

Fizeau  war  —  etwa  10""'  —  und  man  kann  deshalb  setzen 

N 

8(0 
{o'=:(0  +  -    — v=:ra)(l4-s) 

8A^ 

w''  =r  0) V  m  co(l  —  e), 

8iV 


wo 


V     8a) 


(ü    8A^ 

auch  ein  sehr  kleiner  Bruch  ist. 

Führt  man  dies  in  (Ic)  ein  und  vernachlässigt  die  Glieder 
zweiter  Ordnung,  so  erhält  man 

2£  =  2A  sin  27cN(t—  —]  -i-A  sin  2T:X[t—  -  -f-  — )  + 


4->lsm27tiV  / L 

\         0)         a>  / 


wo 

(ö/v         :rv 

.V         N 
gesetzt  ist. 

Drückt  man  /,  v,  iV  wieder  durch  y,  a,  ß  aus,  so  wird 

2£  =  2^  sin  ß  {y—x)^A  sin  ß  (^— ;»r+w)H-^  sin  ß  {y-^x-^m). 

Für  die  Amplitude  des  resultierenden  Wellenzuges  erhält 

man 

5  =  -4(1  + cos  ßw) 


1010  M.  Cantor, 


oder,  wenn  man  für  m  seinen  Wert  setzt,  nämlich 


wird 


/:r   8w  -.  \  V 


B  =  A[i  + cos  2a[y-x^^^^N)] 


Setzt  man  zur  Abkürzung 


SO  wird 

B  =  2A  cos«  aCr— 6).  (IIa) 

Man  erhält  also  denselben  Ausdruck  wie  in  (II),  wenn 
dort  X  durch  S  ersetzt  wird. 

Die  Bedingung  für  die  erste  möglichst  vollständige 
Verdunkelung  des  Gesichtsfeldes  wird  also  wie  in  (III)  gegeben 
sein  durch 

a€=y.  {\\\a) 

Wenn  wieder  v^j  die  dem  ersten  Minimum  entsprechende 
Anzahl  von  Verdunkelungen  pro  Sekunde  bedeutet  und  x-zzll 
gesetzt  wird,  so  erhält  man 

8(1) 
ia—N 


iN 
oder 

Nicht  wesentlich  verschieden  davon  ist  die  Relation 

8 
4vo/=:g^(A^co). 

ist    die    von    Lord    Rayleigh    als    Gruppengeschwindigkeit 
bezeichnete   Größe,    welche   durch   die   Beobachtung  von   v^ 


Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit.  1011 

bestimmt  wird.  Ist  die  Dispersion  des  Mediums  bekannt,  so 
kann  hienach  co  berechnet  werden. 

§  5.  Im  vorstehenden  ist  gezeigt,  daß  neben  der  ursprüng- 
lichen Welle  mit  der  Schwingungszahl  N  neue  mit  den 
Schwingungszahlen  iV-f-v  und  /V— v  auftreten.  Es  bedeutet 
das,  daß  bei  der  Beleuchtung  durch  den  rotierenden  Schirm 
eine  Erscheinung  auftritt,  wie  sie  nach  dem  Dopple r'schen 
Prinzip  bei  der  Reflexion  an  einen  oszillierenden  Spiegel  zu 
erwarten  ist. 

Würde  mit  monochromatischem  Licht  beleuchtet  und  das 
Licht  nach  Durchgang  durch  den  ersten  Schirm  spektral 
zerlegt,  so  würde  man  drei  äquidistante  Linien  erhalten.  Die 
Intensität  der  mittleren  wäre  viermal  so  groß  als  die  der  beiden 
äußeren.  Vielleicht  steht  das  häufig  beobachtete  Vorkommen 
von  Triplets^  hiemit  im  Zusammenhang. 

Wenn  das  Licht  nicht  streng  monochromatisch  ist,  so 
würde  man  eine  Verbreiterung  der  entsprechenden  Spektral- 
linie beobachten  können.  Wenn  die  Verdunkelung  nicht  stetig, 
wie  hier  vorausgesetzt  wurde,  sondern  sprungweise  durch  ein 
Zahnrad  erfolgt,  so  würden  außer  den  erwähnten  noch  Wellen 
mit  anderen  von  N  weiter  entfernten  Schwingungszahlen 
entstehen.  Die  Intensität,  die  diesen  entspricht,  nimmt  aber 
rasch  ab,  so  daß  auch  dann  die  Erscheinung  nicht  wesentlich 
geändert  würde. 

Indes  scheint  es  mit  mechanischen  Mitteln  nicht  erreichbar, 
die  Zahl  der  Unterbrechungen  so  weit  zu  steigern,  um  eine 
merkbare  Verbreiterung  zu  erhalten. 

Günstiger  liegen  die  Verhältnisse  bei  akustischen  Beob- 
achtungen, für  welche  sich  dieselben  Folgerungen  ergeben. 

Es  ist  in  der  Tat  wiederholt  beobachtet  worden,  daß  ein 
einfacher  Ton  beim  Durchgang  durch  eine  rotierende  durch- 
lochte Scheibe  in  einen  Dreiklang  aufgelöst  wird.^  Es  würde 
ferner  die  der  Rechnung  zu  Grunde  gelegte  Modifikation  des 
Fizeau'schen  Versuches  die  Möglichkeit  bieten,  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit des  Schalles  zu  bestimmen. 

1  Vergl.  H.  Kays  er  im  Handbuch  der  Physik,  herausgegeben  von 
A.  Winkelmann,  2.  Aufl.,  Bd.  VI,  p,  717  (1906). 

2  Vergl.  J.  Stefan,  diese  Sitzungsberichte,  Bd.  54  (2),  p.  508,  1866. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  67 


1012  M.  CahtoT,  Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit 

§  6.  Zum  Schlua&e  möchte  ich  darauf  hinweisen,  da§  mit 
Hilfe  des  Fizeau'schen  Versuches  die  Messung  der  Zeit  auf 
die  der  Länge  zurückgeführt  werden  kann. 

Wird  nämlich  dieser  Versuch  im  Vakuum  ausgeführt  und 
der  Umlauf  des  Zahnrades  auf  das  erste  Minimum  eingestellt, 
so  beschreibt  dieses  Rad  direkt  eine  Uhrenbewegung.  Die 
Anzahl  der  Zähne,  welche  von  einem  als  Nullpunkt  der  Zeit- 
messung gewählten  Augenblick  an  durch  eine  bcstinunte  Stelle 
hindurchgehen,  würde  unmittelbar  die  Maßzahl  der  Zeit 
angeben. 

Zur  Reproduzierbarkeit  dieser  physikalischen  Zeit- 
maße wäre  bloß  erforderlich,  daß  eine  Längenmessung  — 
die  von  /  —  möglich  sei  und  daß  Helligkeitsgrade  unter- 
schieden, beziehungsweise  daß  solche  als  unverändert  beurteilt 
werden  können. 

Statt  des  Vakuums  könnte  auch  ein  anderes  Medium  als. 
Normalmedium  benützt  werden,  wenn  dasselbe  und  die 
Farbe  des  Lichtes  eindeutig  bestimmbar  sind.  Dies  vorausgesetzt 
ist  dann  nach  Michelson  eine  reproduzierbare  Längeneinheit 
festgelegt. 


1013 


Die  Schallenergie  des  elektrischen  Funkens 

•  von 

Rudolf  V^agner. 

Aus  dem  physikalischen  Institute  der  k.  k.  Universität  in  Innsbruck. 
(Vorgelegt  in  der  Sitsung  am  4.  JuH  1907.) 

Für  eine  Schallwelle,  welche  auf  eine  vollkommen  reflek- 
tierende Wand  normal  auffallt,  ist  nach  Rayleigh^  die  Größe 
des  auftretenden  Druckes  p  durch  die  Gleichung 

bestimmt,  wo  E  die  in  der  Sekunde  auffallende  Energie  und  v 
die  Schallgeschwindigkeit  bedeutet,  p  ist  direkt  zu  messen^ 
und  zwar  für  harmonische  Schwingungen  entweder  nach  einer 
Methode  von  Boltzmann,  welche  vonToepler  und  Boltz- 
mann*  ausgeführt  und  von  Raps*  weiter  ausgearbeitet  wurde 
oder  nach  einer  zweiten  manometrischen  Methode  von  M.Wien.^ 
Auch  wurde  eine  Methode  von  W.  Altberg*^  angegeben,  welche 
gestattet,  mittels  Drehwage  und  Spiegelablesung  den  Druck  für 
beliebige  Komplexe  von  Schallwellen  zu  bestimmen.  Der  Zweck 
dieser  Arbeit  ist,  nach  demselben  Prinzipe  die  Abhängigkeit 
der  Schallenergie,  die  im  elektrischen  Funken  auftritt,  vom  ver- 
wendeten Material  der  Elektrodenkugeln  zu  untersuchen. 


1  Lord  Rayleigh,  Phil.  Mag.  (6),  3,  p.  383  (1902). 

2  M.  Toepler  und  L.  Boltzmann,  Pogg.  Ann.,  141,  p.  321  (1870). 

3  A.  Raps,  Wied.  Ann.,  50,  p.  193  (1893). 
^  M.  Wien,  Wied.  Ann.,  36,  p.  384  (1889). 

5  W.  Altberg,  Ann.  d.  Physik,  1 1,  p.  405  (1903). 

67* 


1014  R.Wagner, 

An  einer  stark  mittels  Paraffinöl  gedämpften  Wage,  deren 
Empfindlichkeit  passend  geregelt  worden  war,  wurde  eine 
Halbkugelschale  aus  Glas  äquilibriert.  Schalen  aus  Metall 
eigneten  sich  nicht,  weil  sie  infolge  der  in  ihnen  induzierten 
elektrischen  Schwingungen  eine  ziemlich  starke  Anziehung 
gegen  die  Funkenstrecke  zeigten.  Letztere  war  vertikal  ver- 
schiebbar und  wurde  so  eingestellt,  daß  sie  sich  im  Momente 
der  Ablesung  genau  im  Mittelpunkte  der  Halbkugel  befand. 
Zeigt  die  Wage  infolge  des  Schalldruckes  des  Funkens  ein 
gewisses  Übergewicht  g  an,  so  ist,  weil  hier  nur  die  vertikale 
Komponente  des  Druckes  zum  Ausdrucke  kommt, 

■r%  A       a  A  2jE 

P  zz.  \r^%p  •=!  Ag  r=.  

V 

der  Gesamtdruck,  den  die  Schallwelle  auf  einer  Kugelfläche 
vom  Radius  r  hervorbringt,  v  ändert  sich  mit  der  Entfernung. 
Verwendet  man  jedoch  immer  gleich  große  Kugelschalen,  so 
ist  jedenfalls  g  ein  relatives  Maß  für  die  ausgesandte  Schall- 
energie £.  Übrigens  ergaben  Versuche  mit  Glasschalen  ver- 
schiedener Größe  (r  =  7  •  5,  6,  5  und  4  cm)  quantitativ  gleiche 
Resultate. 

Die  Wage  wurde,  um  kleine  Unregelmäßigkeiten  der 
Dämpfung  zu  beseitigen,  von  Teilstrich  zu  Teilstrich  geeicht. 
Über  derselben  war,  um  Luftströmungen  zu  vermeiden,  Gaze 
gespannt,  welche  nur  vorn  zum  Zwecke  der  Ablesung  ein 
Glasfenster  freiließ.  Der  Strom  wurde  einem  Ducretet -Trans- 
formator mit  angeschaltetem  Kondensator  (141  w)  entnommen, 
welcher  durch  den  Straßenstrom  (110  Volt,  84  Wechsel)  ge- 
speist wurde.  Bei  jeder  Messung  wurde  die  Spannung  des 
Sekundärstromes  und  die  Stärke  des  primären  beobachtet, 
letztere  bei  allen  Versuchen  konstant  auf  4  Ampere  gehalten. 
Die  Funkenstrecke  betrug  1  mm,  der  Durchmesser  der  Elek- 
trodenkugeln 8  mm. 

Fehler  entstehen  vor  allem  dadurch,  daß  sich  die  Funken- 
strecke im  Momente  der  Messung  nicht  genau  im  Mittelpunkte 
der  Halbkugel  befindet.  Bezeichnet  man  mit  a  die  vertikale 
Entfernung  der  als  punktförmig  angenommenen  Schallquelle 


Schallenergie  des  elektrischen  Funkens. 


1015 


vom  Mittelpunkte  der  Kugel,  mit  P  den  so  erhaltenen  Druck, 
mit  Pq  den  Druck,  den  der  Funke  vom  Mittelpunkte  der  Schale 
aus  ausüben  würde,  so  findet  man: 


P  = 


Ti.p 

\                1        a^       r^     a^             11 

a 

f         a         a^ 
—  PI            .1 

r        2r3 


-...) 


In  unserem  Falle  war  der  Halbmesser  der  Glasschale 
l'bcm^  so  daß  dieser  Fehler  sicher  unter  3%  herabsinkt, 
sobald  man  auf  a  <  2  mm  genau  einstellt. 

Eine  weitere  Fehlerquelle  bilden  die  Luftströmungen,  die 
durch  die  Erwärmung  der  Elektrodenkugeln  entstehen.  Diese 
Wirkung  ist  aber  sicher  klein  (<3f«^),  was  man  erkennt, 
wenn  man  in  die  Funkenstrecke  eine  kleine  Spirale  aus  Platin 
einschaltet  und  durch  einen  hindurchgeschickten  Strom  zum 
Glühen  bringt  Übrigens  vermindert  sich  dieser  Fehler  noch 
dadurch,  daß  hier  nicht  die  absolute  Größe  des  Druckes, 
sondern  nur  dessen  Abhängigkeit  vom  Material  untersucht 
wurde. 

Messungen,  bei  welchen  sich  infolge  von  kleinen  Strom- 
schwankungen eine  Unregelmäßigkeit  im  Funken  zeigte,  was 
man  am  besten  an  größeren  Schwankungen  des  eingeschalteten 
Hochspannungselektrometers  erkennen  konnte,  wurden  unbe- 
rücksichtigt gelassen. 

Unvermeidliche  Fehler  entstehen  außerdem  durch  un- 
richtiges Einstellen  der  Funkenstrecke  auf  1  mm  und  durch 
die  Erosion  der  Kugeln. 

Trotzdem  stimmen  die  Resultate  ziemlich  gut  überein. 
Es  wurde  nämlich  aus  einer  Reihe  von  sechs  aufeinander- 
folgenden Messungen  der  Mittelwert  g^  genommen,  dann  die 
Kugeln  abgeschraubt,  gereinigt  und  nochmals  das  Mittel  g^ 
aus  einer  zweiten  Serie  von  sechs  Messungen  gebildet.  /  be- 
deutet die  Schmelztemperatur  des  betreffenden  Metalls,  V  die 
beobachtete  Spannung  im  Sekundärkreis. 


1016 


R.  Wagner, 


gl 

g2 

V 

/ 

Platin 

25  mg 

— 

-c.    550  Volt 

1780*» 

Elementenkohle 

30  » 

31«^ 

950     > 

— 

Silber 

34  » 

30  » 

c.  3000     » 

1000 

Messing 

40  » 

37  » 

1500     » 

912 

Aluminium .... 

44  » 

41   > 

1100     » 

c.    700 

Gaskohle 

43  » 

41   » 

1100     > 

Reines  Zink  . . , 

41   • 

48   . 

c.  1200     » 

415 

Käun.  Zink  . . . 

46  * 

48  « 

c.  1000     » 

412 

Kadmium 

56  » 

51   » 

c.  1300     » 

320 

Blei 

65  . 

69  > 

c.  48  » 

63  > 
62  > 
44  » 

800     » 
1200     » 

325 
230 

c.  1300 

Zinn 

Eisen  

Antimon 

c.  71   » 

62  » 

800     » 

630 

Messing,  amal- 
gamiert 

59 

Silber,  amalga- 
miert 

44 

Die  Tabelle  zeigt  eine  Abhängigkeit  des  Schalldruckcs 
und  also  auch  der  Schallenergie  des  elektrischen  Funkens 
vom  Material,  und  zwar  ist  letztere  um  so  größer,  je  niedriger 
die  Schmelztemperatur  desselben  ist.  Vielleicht  findet  dies 
seine  Erklärung  darin,  daß  mit  steigender  Schmelztemperatur 
auch  die  zum  Verdampfen  des  Metalls  verbrauchte  Strom- 
energie wächst,  die  hervorgebrachte  Schallenergie  also  ab- 
nimmt. Eisen  und  Antimon  allein  machen  eine  Ausnahme. 
Letztere  Messung  ist  jedoch  wenig  zuverlässig,  da  wegen  der 
Sprödigkeit  dieses  Metalls  die  Kugeln  nicht  präzise  hergestellt 
werden    konnten.    Der   ungewöhnlich   hohe  Wert   für  Eisen 


Schalietiergse  des  elektrischen  Funkens. 


1017 


dürfte  auf  die  sich  sofort  bildenden  Oxydschichten  zurück- 
zuführen sein. 

Um  die  Abhängigkeit  des  Druckes  von  der  im  Sekundär- 
kreis eingeschalteten  Kapazität  zu  untersuchen,  wurde  die- 
selbe bis  zu  705  m  gesteigert.  Nach  einem  kurzen  Anstieg 
erfolgte  ein  deutliches  Sinken  des  gemessenen  Druckes,  wie 
folgende  Tabelle  zeigt,  in  welcher  g  der  direkt  an  der  Wage 
abgelesene  Druck  in  Milligramm,  C  die  Kapazität  in  Metern 
bedeutet.  Auch  hier  wurde  der  Primärstrom  konstant  auf 
4  Ampere  gehalten. 


c 


30 

45 

50 

47 

42 

42 

40 

45 

41 

43 

40 

37 

35 

34 

47 

94 

141 

188 

235 

282 

329 

376  423  470 

517 

564 

611 

658 

32 
705 


Die  Elektrodenkugeln  waren  aus  Aluminium.  Die  Funken- 
strecke blieb  in  dieser  Reihe  ungeändert  auf  c.  1*2  mm,  so  daß 
hier  der  Fehler  wegen  falscher  Einstellung  derselben  fortfällt. 
Doch  machte  sich  hier  die  Erosion  des  Metalls  unangenehm 
bemerkbar. 

Eine  Vergrößerung  der  Funkenstrecke  führte,  wie  zu  er- 
warten, eine  bedeutende  Steigerung  des  Druckes  herbei.  Es 
ergaben  sich  folgende  Werte: 


Funkenstrecke 0*5  mm 

Druck 9      mg 


1  mm 
37  m£ 


2  *  1  mm 
c.  90      mg 


Ferner  wurde  der  Schalldruck  des  Funkens  in  Kohlen- 
säure gemessen,  wobei  als  Elektroden  Messingkugeln  ver- 
wendet wurden.  Es  zeigte  sich  der  Schalldruck  in  Kohlensäure 
um  c.  40^0  größer  als  der  in  Luft. 


Schlüsse  aus  den  erhaltenen  Werten  auf  den  im  Funken 
selbst  herrschenden  Druck  zu  ziehen,  geht  bei  der  hier  ver- 
wendeten Methode  schon  deshalb  nicht  an,  weil  die  zur  Ver- 
fügung stehende  Wechselzahl  gering  war  und  hier  im  offenen 
Räume  eine  jede  Welle  nur  einmal  auf  die  Kugel  trifft.  Das 
Zeitintegral  des  Druckes  ist  also  kein  Maß  für  den  in  jeder 
einzelnen  Schallwelle  herrschenden  Druck,  und  zwar  offenbar 
um  vieles  kleiner.  Immerhin  zeigt  sich  in  einigen  Punkten  — 
Abhängigkeit  von   der  Natur   des   Gases,   Funkenlänge   und 


1018  R.  Wagner,  Schallenergie  des  elektrischen  Funkens. 

Kapazität  —  eine  bemerkenswerte  Übereinstimmung  mit  den 
von  Haschek  und  Mache^  durch  manometrische  Messung 
innerhalb  einer  geschlossenen  Kugel  erhaltenen  Resultaten. 

Als  wesentlich  neues  Ergebnis  erscheint  somit  hauptsäch- 
lich der  Zusammenhang  zwischen  der  akustischen  Energie  des 
Funkens  und  der  Schmelztemperatur  des  Elektrodenmaterials. 


1  Wied.  Ann.,  68,  p.  740  (1809). 


1019 


Studien  über  die  Anomalien  im  Verhalten  der 

Dielektrika 

von 

Prof.  Egon  Ritter  v.  Schweidler. 
Mit  dem  Baumgrartner-Frelse  ausgrezelclinete  Arbelt. 

(Mit  7  Tafeln  und  6  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  6.  Juni  1907.) 

Einleitung*. 

Vom  Standpunkt  der  allgemeinen  Theorie  der  elektrischen 
Erscheinungen  ist  ein  homogenes  und  isotropes  Dielektrikum 
durch  zwei  Materialkonstanten  ausreichend  zu  charakteri- 
sieren: durch  seine  Dielektrizitätskonstante  und  durch 
sein  spezifisches  Leitvermögen. 

Viele  Dielektrika  zeigen  nun  Anomalien  ihres  Verhaltens, 
die  sich  nicht  ohneweiters  in  den  Rahmen  der  allgemeinen 
Theorie  fassen  lassen,  ähnlich  wie  dies  auf  dem  Gebiet  des 
Magnetismus  bei  den  ferromagnetischen  Substanzen  der  Fall 
ist.  Da  sich  ohne  spezielle  Hypothesen  nachweisen  läßt,  daß 
die  verschiedenen  Arten  der  Anomalien  in  gegenseitigem  Zu- 
sammenhange stehen,  sind  sie  hier  auch  im  Zusammenhange 
behandelt. 

Die  hier  gegebene  Darstellung  zerfällt  in  drei  Haupt- 
teile. 

Im  I.  Teile  werden  die  Hauptformen  des  anomalen 
Verhaltens  der  Dielektrika  auf  Grund  der  bisher  vorliegenden 
experimentellen  Ergebnisse  ohne  Anwendung  einer  speziellen 
Hypothese  oder  Theorie  zusammengestellt;  als  solche  Haupt- 
formen werden  unterschieden: 

1.  die  Rückstandsbildung,  das  ist  das  Auftreten  nach 
bestimmten  Gesetzen  zeitlich  variabler  Ströme  in  Dielektrikas 


1020  E.  V.  Schweidler, 

unter  der  Einwirkung  eines  konstanten  oder  sehr  langsam  ver- 
änderlichen elektrischen  Feldes; 

2.  die  Energieverluste  (Umwandlung  elektrischer 
Energie  in  Wärme)  in  Dielektrikas  unter  dem  Einfluß  eines 
Wechsel-  oder  Drehfeldes; 

3.  die  ponderomotorischen  Kräfte,  die  ein  Dielek- 
trikum im  elektrischen  Drehfeld  erfährt; 

4.  die  scheinbare  Abhängigkeit  der  Kapazität  eines 
Kondensators  und  somit  auch  der  Dielektrizitätskonstante 
seines  Dielektrikums  von  der  Ladungsdauer  bei  konstanter 
Spannung,  beziehungsweise  Periodendauer  bei  Wechsel- 
spannung. 

Der  Ausdruck  »Hysteresis«,  der  für  die  unter  2.  und  3. 
genannten  Erscheinungen  häufig  gebraucht  wird,  ist  hier  vor- 
läufig vermieden,  da  er  bereits  eine  nicht  allgemein  angenom- 
mene Voraussetzung  über  die  Natur  dieser  Phänomene  zur 
Grundlage  hat. 

Der  II.  Teil  behandelt  die  Theorie  der  anomalen  Er- 
scheinungen. Es  wird  zunächst  der  oben  erwähnte  gegenseitige 
Zusammenhang  der  vier  Hauptformen  abgeleitet;  hierauf 
wird  die  Unvereinbarkeit  der  Anomalien  mit  den  einfachen 
Annahmen  der  allgemeinen  Theorie  nachgewiesen;  es  folgt 
eine  Diskussion  der  verschiedenen  Möglichkeiten,  diese  Ano- 
malien theoretisch  zu  behandeln  durch  Zurückführung  auf 
Anomalien  der  Struktur  des  Mediums  (Inhomogenität, 
MaxweU'sche  Theorie  der  geschichteten  Dielektrika)  oder  der 
Leitungsvorgänge  (lonenleitung)  oder  endlich  des  dielek- 
trischen Verhaltens  (Nachwirkung,  Hysteresis,  Viskosität). 

Der  Versuch  einer  Modifikation  der  einzigen  bisher 
vorliegenden  präzisen  Formulierung  einer  solchen  Theorie  (der 
Pellat'schen  Theorie)  bildet  zusammen  mit  dem  Nachweis,  daß 
aus  den  Gesetzen  der  Rückstandsbildung  die  übrigen  Formen 
des  anomalen  Verhaltens  der  Dielektrika  quantitativ  darstellbar 
sind,  den  wesentlichsten  Bestandteil  dieser  Studien. 

Der  III.  Teil  enthält  die  Resultate  experimenteller  Unter- 
suchungen des  Verfassers.  Da  nach  seiner  Ansicht  die  bisher 
vorliegenden,  im  I.  Teile  besprochenen  Ergebnisse  ausreichen, 
um  die  im  II.  Teile  dargelegten  theoretischen  Folgerungen  zu 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1 02 1 

Stützen,  bieten  sie  nichts  prinzipiell  Neues,  sondern  dienen 
bloß  zur  Eriäuterung,  Bestätigung  und  Ergänzung  jener  Ergeb- 
nisse und  zur  Aufstellung  eines  Schemas  für  die  Charakteri- 
sierung eines  Dielektrikums  durch  Angabe  seiner  Material- 
konstanten. 

Eine  Zusammenfassung  der  Ergebnisse  schließt  die 
vorliegenden  Studien  ab. 

Der  Anhang  enthält  ein  Verzeichnis  der  einschlägigen 
Literatur,  auf  das  die  Zitate  innerhalb  des  Textes  bezogen  sind. 


I.Teil. 


Die  Hauptformen  des  anomalen  Verhaltens  der 

Dielektrika. 

1.  Die  Rückstandsbildung. 

Werden  die  Belegungen  eines  Kondensators  mit  den  Polen 
einer  Stromquelle  konstanter  elektromotorischer  Kraft  ver- 
bunden, so  tritt  in  den  Zuleitungen  ein  Strom  auf,  dessen 
Intensität  mit  der  Zeit  abnimmt.  Bei  einem  idealen  nicht- 
leitenden Dielektrikum  gilt  nach  der  allgemeinen  Theorie  für 
den  »normalen  Ladungsstrom«   die  Differentialgleichung: 

d'^i  dt         1 

dt^  dt        C 

wobei  C  die  Kapazität  des  Kondensators,  S  den  Selbstinduk- 
tionskoeffizienten und  TV  den  Widerstand  des  äußeren  Leitungs- 
kreises darstellt.  Je  nach  dem  Verhältnis  der  numerischen 
Werte  dieser  drei  Konstanten  erfolgt  die  Ladung  des  Kon- 
densators  gedämpft  oszillatorisch  oder  aperiodisch  gedämpft. 
Bei  nicht  sehr  großem  Widerstände  des  äußeren  Leitungs- 
kreises sinkt  die  Stromstärke  in  jedem  der  beiden  Fälle  sehr 
rasch  ab,  so  daß  in  den  praktisch  realisierbaren  Fällen  der 
normale  Ladungsstrom  nach  Zeiten  von  der  Größenordnung 
eines  kleinen  Bruchteiles  einer  Sekunde  gleich  Null  gesetzt 
werden  kann. 


1022  E.  V.  Schweidler, 

Falls  das  Dielektrikum  nicht  vollkommen  isolierend  ist,  so 
ist  dem  normalen  Ladungsstrom  ein  »normaler  Leitungs- 
strom« a  übergelagert,  der  gegeben  ist  durch  die  Formel 

47cX 
a  =1 CEj 

K 

wobei  X  das  spezitische  Leitvermögen,  K  die  Dielektrizitäts- 
konstante des  Mediums,  C  die  Kapazität  des  Kondensators  und 
E  die  elektromotorische  Kraft  der  Stromquelle  bezeichnet  (alle 
Größen  sind  in  absoluten  elektrostatischen  Einheiten  gemessen 
gedacht). 

Tatsächlich  nun  beobachtet  man  bei  vielen  Dielektrikas, 
daß  dem  normalen  Ladungsstrom  i\  und  dem  normalen 
Leitungsstrom  a  noch  ein  »anomaler  Ladungstrom«  v, 
übergelagert  ist,  so  daß  der  gesamte  Strom  darstellbar  ist 
durch : 

Dabei  ist  y^  eine  Funktion  der  Zeit,  die  asymptotisch  auf 
Null  absinkt,  aber  viel  langsamer  als  der  normale  Ladungs- 
strom iy 

Werden  die  Belegungen  des  Kondensators,  nachdem  sie 
durch  ein  Zeitintervall  5  auf  konstanter  Potentialdififerenz  ge- 
halten wurden,  miteinander  leitend  verbunden,  so  sind  bezüglich 
der  Gesetze  des  Entladungsstromes  zwei  Typen  zu  unter- 
scheiden: 

a)  Der  Entladungsstrom  J^  entspricht  dem  normalen 
Entladungsstrom  /g,  der  durch  eine  ganz  analoge  Differential- 
gleichung wie  der  normale  Ladungsstrom  i\  bestimmt  ist; 

b)  analog  wie  bei  der  Ladung  ist  ein  »anomaler  Ent- 
ladungsstrom« ^'2  übergelagert  und  es  ist  y^  wieder  eine  mit 
wachsender  Zeit  auf  Null  absinkende  Funktion  dieser.  Dabei 
gilt  noch  die  Bezeichnung  zwischen  y^  und  yy. 

y,dt=—l      y^ät, 

Jo 

d.  h.  die  gesamte  Elektrizitätsmenge,  die  infolge  des  anomalen 
Entladungsstromes  einen  Querschnitt  der  Leitung  passiert,  ist 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1023 

entgegengesetzt  gleich  derjenigen,  die  während  der  Ladungs- 
dauer 8  durch  den  anomalen  Ladungsstrom  transportiert  wurde. 
Während  im  Falle  a),  der  besonders  bei  verschiedenen  schlecht 
leitenden  Flüssigkeiten  realisiert  ist(Koller,IV,3;  Schweidler, 
IV,  7,  8, 10;  Gädeke,  IV,  9),  der  Ladungsprozeß  so  verläuft, 
als  ob  das  Leitvermögen  des  Mediums  durch  den  Strom- 
durchgang zeitliche  Änderungen  erfahren  würde,  ist  im  Falle  b) 
der  Ladungsprozeß  ein  reversibler;  das  Medium  verhält  sich, 
als  ob  die  dem  Zeitintegral   des   anomalen    Ladungsstromes 

y^ät  entsprechende  Elektrizitätsmenge  absorbiert  wäre, 

um  bei  der  Entladung  allmählich  wieder  frei  zu  werden. 

Diesen  reversiblen  Prozeß  bezeichnet  man  gewöhnlich  als 
Bildung,  beziehungsweise  Freiwerden  des  »Rückstandes« 


[ 


r 


und  das  Integral  /   yidt  als  die  in  der  Zeit  8  gebildete  »Rück- 


standsladung«. 

Prinzipiell  weniger  einfach  sind  die  Verhältnisse,  wenn  die 
Belegungen  des  Kondensators  nicht  auf  konstanten  Potentialen 
gehalten  werden,  sondern  eine  von  ihnen  isoliert  ist;  doch  ist 
gerade  diese  Form  der  Rückstandserscheinungen  die  historisch 
primäre  und  bei  dieser  wurde  man  auf  die  oben  erwähnte 
Bezeichnungsweise  geführt.  Wird  ein  Kondensator  geladen  und 
dann  die  eine  der  beiden  Belegungen  isoliert,  so  nimmt  die 
Potentialdifferenz  V  der  Belegungen  und  damit  die  durch  das 
Produkt  £^V  gegebene  sogenannte  »disponible  Ladung«  ab. 
Diese  Abnahme  erfolgt  rascher,  als  es  dem  stationären  Leitungs- 
strom a  entsprechen  würde.  Wird  umgekehrt  der  geladene 
Kondensator  durch  vorübergehende  leitende  Verbindung  der 
Belegungen  entladen  und  hierauf  die  eine  Belegung  isoliert,  so 
tritt  allmählich  eine  neuerliche  Ladung  vom  gleichen  Vorzeichen 
wie  die  ursprüngliche  auf,  wächst  bis  zu  einem  Maximum 
an,  um  dann  wieder  (infolge  der  Leitung  des  Dielektrikums) 
asymptotisch  auf  Null  zu  sinken. 

Bezüglich  der  Gesetze,  die  für  den  zeitlichen  Verlauf  der 
Rückstandserscheinungen  sowie  für  ihre  Abhängigkeit  von 
anderen  Nebenbedingungen  gelten,  haben  die  experimentellen 
Untersuchungen  zu  folgenden  Resultaten  geführt: 


X 


1024  E.V.  Schweidler, 

Der  anomale  Ladungsstrom  oder  rückstandsbildende 
Strom  y^  ist  an  einem  gegebenen  Kondensator  bei  gegebener 
elektromotorischer  Kraft  als  Funktion  der  Zeit  darstellbar  durch: 

Dabei  ist  w<l. 

Diese  Formel  kann  nur  als  Annäherung  betrachtet  werden. 
Zunächst   erhält   man    für  /  =  0,   ^^1=00,    wobei    allerdings 

y.di  ==  —^ für  endliches  8  endlich  bleibt.  Ferner  wird 

1 fL 

0 

XOQ 
y^dt  =.  00,  was  ebenfalls  aus  später  zu  be- 
sprechenden Gründen  unwahrscheinlich  ist.  Der  Verlauf  des 
Stromes  innerhalb  des  ersten  unendlich  kleinen  Zeitelementes 
sowie  nach  unendlich  langer  Zeit  läßt  sich  natürlich  nicht 
empirisch  bestimmen.  Innerhalb  der  der  Beobachtung  zugäng- 
lichen Zeitintervalle  hat  sich  aber  obige*  Formel  gut  bestätigt 
gezeigt  (Kohlrausch,  I,  1;  Hopkinson,  I,  9,  10,  11;  Giese, 
1, 15;  J.  Curie,  I,  21  u.  a.).  Versuche,  welche  über  weil  längere 
Zeiträume  als  in  den  zitierten  Arbeiten  die  Gültigkeit  dieser 
Formel  prüfen,  sind  im  III.  Teile  angeführt 

Wird  derselbe  Kondensator  unter  der  Einwirkung  ver- 
schiedener elektromotorischer  Kräfte  untersucht,  so  ergibt  sich, 
daß  der  Rückstandsstrom  y^  der  elektromotorischen  Kraft  E 
proportional  ist  bei  unveränderter  Form  des  zeitlichen  Ver- 
laufes. Also  y^=B.t-^  =  b.EJ-^ 

(Kohlrausch,  I,  1;  J.  Curie,  I,  21). 

Wird  ein  bestimmtes  Dielektrikum  in  verschiedenen  Schicht- 
dicken untersucht,  so  ist  nach  Hopkinson  (1,9,  10,  11)  der 
Rückstandsstrom  y^  der  Dicke  umgekehrt  proportional,  wieder 
bei  unveränderter  Form  des  zeitlichen  Verlaufes.  Da  Proportio- 
nalität des  Stromes  mit  dem  Querschnitt  (Flächengröße  der 
Belegung)  selbstverständlich  ist,  kann  man  auch  den  Strom 
proportional  der  Kapazität  des  Kondensators  setzen  und  man 
erhält  die  Formel: 

jVi  z^i'.^./-''^  p.c. £./-«, 

wo  jetzt  ß  und  n  Konstanten  des  Mediums  als  solchen  sind. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1025 

Bezüglich  des  Entladungsstromes  y^  gelten  folgende 
Gesetze:  Nach  sehr  langer  Ladungsdauer  des  Kondensators 
ist  der  Entladungsstrom  dem  Ladungsstrom  entgegengesetzt 
gleich: 

y%  =  —yv 

bei  kürzerer  Ladungsdauer  8  ist^g<>^j,  zeigt  rascheren  zeit- 
lichen Abfall,  und  zwar  darstellbar  durch  die  Formeln: 

y,  =  -f{t)-\-f{t-^i), 

wobei  /  die  vom  Beginn  der  Ladung  (bei  y^y  respektive  Ent- 
ladung (bei  y^)  gerechnete  Zeit,  S  die  Ladungsdauer  bezeichnet. 

Dieses  Ergebnis  kann  so  interpretiert  werden:  Der  beob- 
achtete Entladungsstrom  y^  entsteht  aus  der  Superposition 
des  dem  Ladungsstrom  y^  =f(t)  entgegengesetzt  gleichen 
Stromes  — /(/)  und  eines  Stromes  /(/-*-8),  der  einfach  als 
ungestörte  Fortsetzung  des  Ladungsstromes  auch  nach  der 
Entladung  aufgefaßt  werden  kann. 

Dieses  sogenannte  Superpositionsprinzip  wurde 
experimentell  gefunden  von  Hopkinson  (I,  9,  10,  11)  und 
J.  Curie  (I,  21). 

Die  oben  erwähnte  Formel: 


Xoo  r*l 

y,di  =  ^     y,dt 
Jo 


ist  eine  Konsequenz  desselben. 

Das  Superpositionsprinzip  kann  noch  erweitert  werden: 
Bei  mehrmaligen  sprungweisen  Änderungen  der  Spannungs- 
difterenz  der  Belegungen  superponieren  sich  die  jeder  Änderung 
entsprechenden  Ströme,  als  ob  sie  unabhängig  voneinander 
wären.  Wenn  also  zu  den  Zeiten 

^  =  81,82,63. .  .8* 

Sprünge   in   der   Potentialdiflferenz    um    die    (positiven    oder 
negativen)  Beträge: 


1026  E.  V.  Schweidler, 

eintreten,  so  ist  der  resultierende  Strom: 

y  =  E^f{t-l,)+E^f{t-\)+  . .  .E,f(t—l,y 

Eine  Verallgemeinerung  dieses  empirisch  gefundenen  und 
bestätigten  Superpositionsprinzipes  führt  zur  Darstellung  des 
Stromes  bei  beliebig  variierender  Spannungsdifferenz 

durch  die  Formel 


4/ 


' —  oo 


Darin  ist  /(/)  die  Funktion,  die  den  Verlauf  nach  einer 
einzigen  sprungweisen  Änderung  im  absoluten  Betrage  1  dar- 
stellt, also  nach  dem  oben  Mitgeteilten: 

annähernd  /(/)  =:  ß.  C /""•*. 

Wie  alle  Materialkonstanten  sind  auch  die  den  Verlauf  der 
Rückstandsbildung  bestimmenden  Konstanten  ß  und  n  als 
Funktionen  der  Temperatur  zu  betrachten.  Die  Angaben 
verschiedener  Beobachter  (Bedell  und  Kinsley,  I,  26; 
Hopkinson  und  Wilson,  I,  34;  Naccari,  IV,  6  und  I,  37,« 
Schvveidler,  I,  46)  über  den  Einfluß  der  Temperatur  zeigen 
Widersprüche,  die  aber  vielleicht  nur  scheinbare  sind.  Gewöhn- 
lich wird  angegeben,  daß  der  Rückstand  mit  steigender 
Temperatur  abnehme;  andere  Beobachter  geben  an,  daß  mit 
steigender  Temperatur  die  Konstante  ß  zunehme,  während  der 
Exponent  n  nicht  wesentlich  von  der  Temperatur  beeinflußt 
werde.  Aus  dieser  letzteren  Angabe  würde  folgen,  daß  die  in 

gegebener  Zeit  8  gebildete  Rückstandsladung R-=z^.C.E'  j— 

mit  der  Temperatur  wachse. 

Wird  aber  nach  längerer  Ladungsdauer  der  Kondensator 
momentan  entladen,  hierauf  die  eine  Belegung  isoliert  und  nun 
mittels  einer  elektrometrischen  Methode  die  bis  zu  einem 
Maximum  ansteigende,  dann  wieder  abnehmende  Rückstands- 
ladung messend  verfolgt,  so  kann  bei  höherer  Temperatur  das 
beobachtete  Maximum  erniedrigt  sein,  wenn  nämlich  das  Leit- 
vermögen   des   Dielektrikums    mit    der  Temperatur    rascher 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1027 

ansteigt  als  die  Größe  ß.  Einige  Versuche  über  diese  Frage  sind 
im  III.  Teile  besprochen. 

Erwähnenswert  sind  noch  zwei  Beobachtungen  über  die 
Beeinflussung  der  Rückstandsbiidung  durch  mechanische  und 
elektrische  Zustandsänderungen. 

Nach  Hopkinson  (I,  10)  werden  die  anomalen  Ladungs- 
und Entladungsströme  bei  einer  Leydnerflasche  verstärkt  durch 
gleichzeitige  mechanische  Erschütterungen. 

Nach  V.  Hoor  (VI,  2)  kann  die  Rückstandsbildung  eines 
Kondensators  verringert  werden  durch  oft  wiederholtes  »For- 
mieren«, d.  i.  abwechselndes  Laden  und  Entladen. 

2.  Energieumwandlung  im  Wechsel-  oder  Drehfelde. 

Kondensatoren  mit  flüssigem  oder  festem  Dielektrikum 
zeigen  häufig  eine  Erwärmung,  wenn  ihre  Belegungen  durch 
Verbindung  mit  einer  Wechselstromquelle  alternierend  geladen 
werden  (Siemens,  II,  1;  Naccari  und  Bellati,  II,  2; 
Borgmann,  II,  3;  Steinmetz,  II,  6;  Janet,  11,8;  Kleiner, II,  11; 
Fritz,  11,  14;  Düggelin,  11,21;  Benischke,  11,24;  Eisler, 
II,  25;  Rosa  und  Smith,  11,35;  Mercanton,  11,41;  Moscicki 
und  Altenberg,  II,  49).  Dasselbe  findet  statt,  wenn  ein 
Dielektrikum  sich  in  einem  elektrischen  Drehfelde  befindet 
(Guye  und  Den  so,  II,  50). 

Bezüglich  der  verschiedenen  Stärke  dieser  Wärme- 
produktion in  verschiedenen  Substanzen  sind  besonders  die 
Untersuchungen  von  Kleiner  (II,  11),  P>itz  (II,  14)  und 
Düggelin  (II,  21)  zu  nennen.  Kautschuk,  Ebonit,  Glas,  Siegel- 
lack und  Guttapercha  zeigen  diese  Erscheinung  in  besonderer 
Intensität,  Glimmer,  Paraffin  und  viele  isolierende  Flüssigkeiten 
in  schwachem  bis  unmerklichem  Grade. 

Eine  Reihe  von  Untersuchungen  betriff't  die  Abhängigkeit 
von  der  Effektivspannung  des  Wechselfeldes;  die  meisten 
Beobachter  finden  Proportionalität  zwischen  der  pro  Zeiteinheit 
entwickelten  Wärmemenge  W  und  dem  Quadrat  der  Effektiv- 
spannung JE :  W^  =  a£*  (Borgmann,  II,  3;  Steinmetz,  II,  6; 
Hess,  II,  23;  Benischke,  11,24;  Eisler,  II,  25;  Houllevigue, 
II,  29);  doch  finden  andere  Beobachter  (Mercanton,  II,  41; 

Silzb.  d.  mathera.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  68 


1028  E.  V.  Schweidicr, 

Moscicki  und  Altenberg,  11,49)  auch  Abweichungen  von 
diesem  Gesetze. 

Weitere  Resultate  betreffen  die  Abhängigkeit  von  der 
Periodenzahl  n  des  angewandten  Wechselstromes.  Im  all- 
gemeinen steigt  die  Wärmemenge  W  mit  der  Periodenzahl  an 
(Hess,  II,  23;  Eisler,  II,  25,  Beaulard,  II,  36  und  37; 
Moscicki  und  Altenberg,  II,  49;  Guye  und  Denso,  II,  50). 
Wird  die  entwickelte  Wärmemenge  auf  die  Dauer  der  Periode 
des  Wechselstromes  t  bezogen  statt  auf  die  Zeiteinheit,  so 
ergibt  sich,  daß  die  Funktion  TW^=i/(ff)  bei  einem  gewissen 
Werte  von  n  ein  Maximum  besitzt  (Mercanton,  II,  41;  Rosa 
und  Smith,  II,  35). 

Analog  wie  beim  Rückstand  kann  bisweilen  die  Wärme- 
produktion im  Dielektrikum  durch  wiederholte  Beanspruchung 
(»Formieren«)  herabgedrückt  werden  (Kleiner,  II,  20;  v.  Hoor, 
VI,  2). 

3.  Ponderomotorische  Kräfte  im  elektrischen  Drehfelde. 

Diese  Erscheinungen  treten  auf  bei  relativer  Rotation 
des  Dielektrikums  zu  einem  elektrischen  Felde,  also  entweder 
wenn  ein  ruhendes  Dielektrikum  sich  in  einem  elektrischen 
Drehfelde  befindet  oder  wenn  ein  Dielektrikum  in  einem 
ruhenden  Felde  rotiert.  Es  zeigt  sich,  daß  in  diesen  Fällen 
Drehungsmomente  auf  das  Dielektrikum  ausgeübt  werden,  auch 
wenn  es  die  Form  eines  Rotationskörpers  mit  zur  Feldrichtung 
senkrechter  Achse  hat,  also  aus  Symmetriegründen  bei  relativer 
Ruhe  keine  Drehungsmomente  entstehen  können  (Arno,  II,  7, 
15  bis  19,  27;  Quinke,  III,  2;  Borel,  II,  12;  Threlfall,  II, 
30,  31;  Schaufelberger,  II,  32,  34;  Heydweiller,  III,  6; 
Graetz,  III,  7;  v.  Lang,  II,  52). 

Ist  das  Dielektrikum  von  Luft  umgeben,  so  entsteht  ein 
Drehungsmoment,  das  es  im  Sinne  der  Rotation  des  Feldes 
zu  drehen  sucht:  also  Mitnehmen  des  ursprünglich  ruhenden 
Dielektrikums  im  rotierenden  Felde  oder  Hemmung  des 
rotierenden  Dielektrikums  im  ruhenden  Felde. 

Ist  aber  der  Körper  in  eine  sehr  schlecht  leitende  Flüssig- 
keit eingetaucht,  so  kann  sich  das  Vorzeichen  des  Drehungs- 
momentes umkehren:  im  ruhenden  Felde  wird  eine  vorhandene 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1 029 

Rotation  des  Körpers  beschleunigt  (Quincke,  III,  2),  im 
Drehfelde  eine  der  Feldrotation  entgegengesetzte  Rotation  des 
Körpers  hervorgerufen  (v.  Lang,  II,  52). 

Eine  quantitative  Bestimmung  des  Drehmomentes  kann 
erfolgen  im  Drehfelde  aus  der  Torsion  einer  elastischen 
Suspension,  die  dem  elektrischen  Drehmomente  das  Gleich- 
gewicht hält,  im  ruhenden  Felde  aus  der  Dämpfung  von 
Schwingungen  (Arno,  Threlfall,  Schaufelberger).  Für  die 
Abhängigkeit  des  Drehmomentes  D  von  der  elektrischen  Feld- 
intensität jF  findet  Schaufelberger  die  Beziehung: 

Arno  und  Threlfall  dagegen: 

wobei  n  in  verschiedenen  Fällen  verschieden  (1*5  bis  1*96), 
aber  immer  kleiner  als  2  war. 

Bei  konstanter  Feldintensität  nimmt  das  Drehungsmoment 
mit  wachsender  Rotationsgeschwindigkeit  zu  (Arno,  II,  27). 

4.  Abhängigkeit  der  Dielektrizitätskonstante  von  Ladungs- 
dauer, beziehungsweise  Periodenzahl. 

Sowohl  wenn  die  Kapazität  eines  Kondensators  bei 
kurzdauernder  Verbindung  mit  einer  Stromquelle  konstanter 
Spannung  bestimmt  wird  als  auch  bei  Verwendung  einer 
Wechselstrommethode  ergaben  viele  Versuche  eine  Abhängig- 
keit des  unmittelbar  gefundenen  Wertes  für  die  Kapazität  und 
somit  auch  des  Wertes  der  Dielektrizitätskonstante  von  der 
Ladungsdauer,  respektive  von  der  Periodenzahl  (Frequenz)  des 
Wechselstromes  (vergl.  Literaturverzeichnis,  Abteilung  V). 

Mit  einer  einzigen  Ausnahme  (Lech er,  V,  6)  fanden  alle 
Beobachter,  daß  die  Dielektrizitätskonstante  um  so  kleiner  wird, 
je  kürzer  die  Ladungsdauer,  respektive  je  größer  die  Perioden- 
zahl ist.  Bisweilen  sind  die  Unterschiede  sehr  bedeutend;  z.  B. 
findet  J.  J.  Thomson  (V,  5) 

für  Glas,  bei  Frequenz  n  r=  zirka  100  Vscc :  Ä'=  9  bis  11, 

n=  25.10«:A^=2-7; 

68* 


1030  E.V.  Schweidler, 

analog  Northrup  (V,  17) 

für  Glas,  bei  w  ==  100  :ür=6-25. 

»     n=  10«  bis  10':Ä'=5-86; 

und  Beaulard  (V,  15) 

für  Glas,  bei  Ladungsdauer  A  =  0*008   sec  :  Ä'=  6-22, 

A  =  0-0004    »    :i:=3-66. 


IL  Teil. 
Die  Theorie  des  anomalen  Verhaltens  der  Dielektrika. 

1.  Zusammenhang  der  Hauptformen  anomalen  Verhaltens. 

Die  im  I.  Teile  dargestellten  Hauptformen  des  anomalen 
Verhaltens  sind  nicht  unabhängig  voneinander,  sondern  es  läßt 
sich  nachweisen,  daß  aus  dem  Bestehen  der  ersten  Hauptfonn, 
der  Rückstandsbildung,  das  Auftreten  von  den  anderen  Haupt- 
formen analogen  Erscheinungen  notwendig  folgt. 

Es  ist  bereits  im  Abschnitt  I,  1  erwähnt  worden,  daß  das 
zunächst  experimentell  gefundene  Superpositionsprinzip 
verallgemeinert  bei  beliebiger  zeitlicher  Variation  der  angelegten 
Spannung:  £  =  ^(/)  zu  folgender  Formel  für  den  Rückstands- 
strom führt:  ^ 

J—oo 

wobei  f(f)  eine  Funktion  ist,  die  den  zeitlichen  Gang  des 
Rückstandsstromes  darstellt,  falls  zur  Zeit  t  =  0  an  den  vorher 
unendlich  lange  Zeit  der  Einwirkung  elektrischer  Kräfte  ent- 
zogenen Kondensator  plötzlich  eine  Spannungsdifferenz  von 
der  Größe  1  angelegt  wird.  Nach  den  bereits  gegebenen 
Resultaten  kann/(^  annähernd  dargestellt  werden  durch 

/(0  =  ß.C.^-«         (w<l). 

Es  soll  zunächst  der  Spezialfall  untersucht  werden,  daß 
die  Spannungdifferenz  der  Kondensatorbelegungen  eine  ein- 
fache periodische  Funktion  der  Zeit  sei,  also 

-,       —          2ic/ 
E=:  Eq  sin 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1 03 1 


Aus  obiger  Formel  folgt  dann: 


wobei 


u  =  —  EJ     d^  cos  -^^ /(/—»); 

«/ —  oo 

setzt  man  (/ — ^)  m  w,  so  ergibt  sich  daraus: 

2ic  _  /  .          2ic/       _    .     2icn 
1/  =:  —  iB^)  M  cos h-D  sm > , 

-4  =  I      /(w)  cos du 

f(u)  sin dl*. 

r 

Dieser  Strom  it  ist  dem  normalen  Strome  übergelagert, 
der  sich  wieder  aus  dem  normalen  Ladungsstrom  und  dem 
normalen  Leitungsstrom  zusammensetzt  und  unter  Vernach- 
lässigung von  Selbstinduktion  und  Widerstand  im  äußeren,  die 
Belegungen  verbindenden  Kreise  dargestellt  wird  durch: 

2ic  ^„           2Tct        4ttX  ^_,    .      2ir/ 
CE(.  cos 1 CE  sin  • 

t  °  t  ^  T 


Der  anomale,  auf  Rückstandsbildung  beruhende  Ström  ü 
besteht  somit  aus  zwei  Gliedern,  die  einfach  zum  normalen 
Ladungs-,  respektive  Leitungsstrom  hinzugerechnet  werden 
können  und  sich  durch  eine  scheinbare  Änderung  der  Normal- 
werte von. Kapazität  und  Widerstand  des  Kondensators  inter- 
pretieren lassen. 

Man  erhält  für  die  »scheinbare  Kapazität«  den  Wert: 

a  =  C+A 
für  den  reziproken  »scheinbaren  Widerstand«: 

t 

Führt  man  für  die  bisher  unbestimmt  gelassene  Funktion 
f(ti)  den  experimentell  gefundenen  Näherungswert 


1032  E.  V.  Schweidler, 


2th 

ein,  so  wird  mittels  der  Substitution  lo  = 

Az=( — )       .ßCl      «-"cosäJ« 


und: 


=  (— )        .gC.r(l  — ll)C0S         ^ 

^  231'  -• 

/   ^    ■^1— «  /»oo 

5^1  — )       .ßCl      «i»~"sin»J« 

■2z/  jo 


=  f^ 


^   1—« 

P 


•"^  2r(ii)  cos  -^^ — ^-^— 

Da  if<l,  also  1 — n  positiv  ist,  ergibt  sich,  daß  die  schein- 
bare Kapazität  C  für  unendlich  rasche  Schwingungen  den 
Normalwert  C  besitzt,  bei  endlicher  Periodendauer  r  vergrößert 
ist  und  mit  wachsender  Periodendauer  zunimmt,  was  mit  den 
im  Abschnitt  I,  4  mitgeteilten  Versuchsergebnissen  überein- 
stimmt 

Analog  erhält  man  für  die  scheinbare  Leitfähigkeit  den 
Ausdruck: 


Ü 


2  IT  /    -    ^— " 


2^^'  sr^cos^^::;^ 


d.  h.  die  scheinbare  Leitfähigkeit  steigt  mit  abnehmender 
Periodendauer  an.  Dementsprechend  ist  also  auch  im  Dielek- 
trikum eine  Wärmeentwicklung  zu  erwarten,  die  größer  ist  als 
die  aus  dem  stationären  (wahren)  Leitvermögen  berechnete  und 
die  mit  zunehmender  Frequenz  des  Wechselstromes  wächst, 
unter  sonst  gleichen  Bedingungen  aber  wie  die  wahre  Joule*sche 
Wärme  dem  Quadrat  der  EfTektivspannung  proportional  ist. 
Auch  hier  besteht  also  Obereinstimmung  mit  den  im  Abschnitt  1, 2 
besprochenen  experimentellen  Resultaten. 

Daß  bei  vorübergehender  Verbindung  eines  Kondensators 
mit  einer  Stromquelle  konstanter  elektromotorischer  Kraft  (z.B. 
bei  Kapazitätsmessungen  mittels  des  ballistischen  Galvano- 
meters) der  Rückstandsstrom  ebenso  wie  der  normale  Leitungs- 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1033 

Strom  den  unmittelbar  gefundenen  Wert  der  Kapazität  erhöht, 
und  zwar  um  so  mehr,  je  länger  die  Ladungszeit  war,  ist 
unmittelbar  ersichtlich. 

Es  sind  also  Wärmeproduktion  im  Dielektrikum  im 
Wechselfelde  und  Abhängigkeit  der  scheinbaren  Dielek- 
trizitätskonstante von  Frequenz  des  Wechselstromes,  respektive 
von  der  Ladungszeit  bei  Gleichstrom  notwendige  Folge- 
erscheinungen, wenn  Rückstandsbildung  vorliegt.  Es 
sind  aber  nicht  auch  umgekehrt  die  ersteren  Erscheinungen 
notwendig  auf  Rückstandsbildung  zurückzuführen,  sondern 
können  ohne  Rückstandsbildung  des  Mediums  durch  andere 
Ursache  (z.  B.  Leitung)  bedingt  sein. 

Die  ponderomotorischen  Kräfte,  die  ein  Dielektrikum  im 
relativen  Drehfelde  erfahrt,  sind  vorläufig  nicht  berücksichtigt 
worden.  Der  gegenseitige  Zusammenhang  aber  von  pondero- 
motorischen Kräften  und  Wärmeproduktion  kann  unabhängig 
von  jeder  speziellen  Hypothese  aus  allgemeinen  energetischen 
Prinzipien  abgeleitet  werden. 

Erfährt  ein  ursprünglich  ruhendes  Dielektrikum  im  rotie- 
renden Felde  ein  Drehungsmoment  im  Sinne  der  Rotation  des 
Feldes  und  wird  es  durch  äußere  Kräfte  in  seiner  Ruhelage 
erhalten,  so  ist  die  Arbeit,  die  das  elektrische  Drehungsmoment 
an  dem  relativ  zu  ihm  rotierenden  Dielektrikum  leistet,  äqui- 
valent der  im  Dielektrikum  entstehenden  Wärme.  Analog  ist 
bei  durch  äußere  Kräfte  konstant  erhaltener  Rotation  des 
Dielektrikums  im  ruhenden  Felde  die  Arbeit  dieser  äußeren 
Kräfte  das  Äquivalent  der  entwickelten  Wärme.  Bezeichnet 
also  W  die  pro  Zeiteinheit  im  Dielektrikum  entwickelte  Wärme, 
D  das  Drehungsmoment  der  elektrischen  Kräfte,  a>  die  Winkel- 
geschwindigkeit der  relativen  Rotation  von  Feld  und  Dielek- 
trikum, so  können  die  Größen  W  und  D  wechselseitig  aus 
einander  bestimmt  werden  nach  der  Formel: 

ir=Z?.ci). 

Falls  D  negativ  ist  (der  Feldrotation  entgegengerichtetes 
Drehungsmoment  im  Drehfelde,  respektive  beschleunigendes 
Drehungsmoment  bei  im  ruhenden  Felde  rotierendem  Dielek- 
trikum), wird  Arbeit  gewonnen ;  das  Äquivalent  muß  dann  im 


1034  E.  V.  Schweidler, 

verminderten  Energieverbrauch  in  der  den  stationären  Zustand 
aufrecht  erhaltenden  Stromquelle  liegen. 

2.   Die  Unvereinbarkeit  der  Anomalien   mit  der  Annahme 

normalen  Verhaltens  der  Dielektrika. 

Es  soll  nun  eingehender  untersucht  werden,  inwieweit  die 
im  I.  Teil  geschilderten  Anomalien  wirklich  unvereinbar  mit 
den  Annahmen  der  allgemeinen  Theorie  sind,  die  ein  homogenes 
isotropes  Dielektrikum  durch  die  Angabe  von  zwei  Material- 
konstanten: Dielektrizitätskonstante  K  und  spezilisches  Leit- 
vermögen X  als  ausreichend  charakterisiert  annimmt. 

Die  Erscheinungen  des  anomalen  Ladungsstroraes  und 
der  Rückstandsbildung  fallen  sofort  als  unvereinbar  mit  diesen 
Annahmen  heraus. 

Bezüglich  der  Erscheinungen  der  Energieverluste,  der 
Drehungsmomente  im  Drehfelde  und  der  Variabilität  der 
scheinbaren  Kapazität  mit  Ladungsdauer  oder  Periodenzahl  ist 
dies  nicht  auf  den  ersten  Blick  ersichtlich;  es  wurde  oben 
nachgewiesen,  daß  in  einem  Medium,  das  Rückstandsbildung 
zeigt,  auch  diese  Erscheinungen  auftreten  müssen,  daß  sie  aber 
auch  ohne  Rückstandsbildung  denkbar  wären. 

a)  Die  Wärmeproduktion  kann  einfach  als  Joule*sche 
Wärme  des  schwach  leitenden  Dielektrikums  aufgefaßt  werden. 
Viele  Beobachter  haben  sich  begnügt,  die  Abhängigkeit  der 
pro  Zeiteinheit  entwickelten  Wärmemenge  W  von  der  Effektiv- 
spannung E  des  Wechselfeldes  zu  untersuchen  und  aus  dem 
Resultate,  daß  W  proportional  E^  sei,  auf  Leitung  als  Ursache 
zurückgeschlossen.  Diese  Schlußweise  ist  nicht  bindend;  als 
Joule'sche  Wärme  müßte  die  Größe  W  unabhängig  von  der 
Frequenz  des  Wechselstromes  sein,  was  tatsächlich  nicht  der 
Fall  ist,  und  auch  im  konstanten  elektrischen  Felde  denselben 
Betrag  zeigen.  Mehrfache  Untersuchungen  haben  aber  das 
Resultat  ergeben,  daß  die  aus  dem  Leitvermögen  im  stationären 
Zustande  berechnete  Joule'sche  Wärme  viel  kleiner  ist  als  die 
im  Wechselfelde  direkt  beobachtete.  So  findet  Moscicki  und 
Altenberg  (II,  49),  daß  bei  Glas  nur  etwa  2%  der  im  Wechsel- 
felde erzeugten  Wärme  dem  stationären  Leitvermögen  ent- 
sprechen und  Corbino  (II,  51),  daß  die  an  einem  Paraffin- 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1033 

Papierkondensator  ermittelten  Energieverluste  einem  Wider- 
stände des  Dielektrikums  von  1400  Q  entsprechen  würden, 
während  natürlich  der  wahre  Wert  des  Widerstandes  enorm 
viel  größer  ist. 

Unter  Berücksichtigung  der  quantitativen  Verhältnisse  sind 
daher  die  beobachteten  Energieverluste  in  Dielektrikas  mit  der 
Annahme  einer  normalen  Leitung  nicht  vereinbar. 

b)  Daß  ein  leitender  Körper  in  einem  relativen  Drehfelde 
Drehmomente  erfahrt,  ist  bereits  von  Hertz  (III,  1)  theoretisch 
nachgewiesen  worden.  Verallgemeinerungen  dieses  Beweises 
rühren  von  Heydweiller  (III,  3)  und  Schweidler  (III,  5)  her. 
Das  Resultat  ist  folgendes:  Rotiert  eine  Vollkugel  vom  Radius  R 
und  dem  spezifischen  Leitvermögen  (im  stat.  Maße)  X,,  die  von 
einem  Medium  mit  dem  Leitvermögen  \a  umgeben  ist,  um  eine 
zu  der  Richtung  eines  homogenen  elektrischen  Feldes  von  der 
Stärke   F  senkrechte   Achse    mit    der    konstanten    relativen 

2« 

Winkelgeschwindigkeit   —  (also  t  gleich  Umlaufsdauer),  so 

ist  das  Drehungsmoment  gegeben  durch  die  Formel : 

Vst(X,— X,) 


D  —  R^f* 


l+V9t-(2X,-hX,)« 


Das  Drehungsmoment  ist  positiv  (beschleunigend  im 
ruhenden  Felde,  entgegen  der  Feldrotation  gerichtet  im  Dreh- 
felde), wenn  Xa>X/,  negativ  (hemmend  im  ruhenden  Felde, 
im  Sinne  der  Feldrotation  im  Drehfelde),  wenn  X,>Xa;  der 
absoluten  Größe  nach  hängt  D  auch  von  der  Winkel- 
geschwindigkeit ab,  und  zwar  derart,  daß  bei  sonst  konstanten 
Verhältnissen  einer  bestimmten  Geschwindigkeit  ein  Maximum 
von  D  entspricht 

Qualitativ  sind  also  die  beobachteten  Formen  des  Auf- 
tretens ponderomotorischer  Kräfte  im  relativen  Drehfeld  auf 
Leitung  zurückzuführen.  Zur  quantitativen  Darstellung  erweist 
sich  aber  wieder  diese  Annahme  als  unzureichend.  Die 
experimentellen  Ergebnisse  von  Arno  (II,  7, 15  bis  19,  27)  und 
Threlfall  (II,  30,  31)  liefern  zwischen  Drehungsmoment  und 
Feldstärke  eine  Beziehung:  D  prop.  F",  wo  «<2,  statt  der 
theoretischen  Beziehung  D  prop.  F*. 


1036  E.  V.  Schweidler, 

Bei  einigen  Versuchen  v.  Lang's  (II,  52)  ist  sogar  der 
Sinn  der  Rotation  der  umgekehrte,  als  es  nach  dem  Betrage 
von  X/ — Xa  zu  erwarten  wäre;  schlecht  leitende  feste  Körper  in 
besser  leitenden  Flüssigkeiten  rotieren  bisweilen  im  Sinne  des 
Drehfeldes  statt  entgegengesetzt. 

c)  Daß  infolge  der  Leitung  die  Dielektrizitätskonstante 
eines  Mediums  scheinbar  zu  groß  bestimmt  wird,  ist  ein  Um- 
stand, der  seit  langem  bei  der  Messung  von  Dielektrizitäts- 
konstanten berücksichtigt  und  entweder  durch  die  Wahl  der 
Versuchsanordnung  (sehr  kurze  Ladungszeiten  oder  sehr 
schnelle  Schwingungen)  oder  rechnerisch  durch  separate  Be- 
stimmung der  Leitung  eliminiert  wird.  Wollte  man  die  im 
Abschnitt  I,  4  angeführten  Beispiele  auf  diese  Weise  erklären, 
so  würde  man  auf  Werte  des  spezifischen  Leitvermögens  der 
Medien  geführt  werden,  die  von  anderer  Größenordnung  sind 
als  die  tatsächlich  beobachteten.  So  z.  B.  erhält  man  aus  den 
Angaben  Beaulard*s  (vergl.  p.  1030)  für  Glas  den  spezifischen 
Widerstand  o  =  4. 10^*^9  rw,  während  er  tatsächlich  min- 
destens zu  10"  bis  10**,  also  rund  etwa  lO.OOOmal  größer 
anzunehmen  ist. 

Obwohl  also  Erscheinungen  von  qualitativ  gleicher  Art 
wie  die  beobachteten  durch  bloße  Leitung  entstehen  können, 
folgt  aus  den  quantitativen  Verhältnissen,  daß  diese  Erklärung 
unzureichend  ist.  Dies  sowie  die  überhaupt  mit  der  allgemeinen 
Theorie  unvereinbare  Rückstandsbildung  zwingen  also,  in  irgend 
welcher  Weise  die  Anomalien  durch  modifizierte  Annahmen  in 
die  Theorie  einzufügen. 

3.  Anomalien  der  Struktur  (Inhomogenität). 

Die  erste  Möglichkeit,  die  Anomalien  theoretisch  zu  be- 
gründen, liegt  darin,  zwar  die  allgemeinen  Grundannahmen  der 
Theorie  unverändert  beizubehalten,  aber  jene  Medien,  die 
Anomalien  zeigen,  als  nicht  homogen  aufzufassen. 

In  der  Tat  hat  Maxwell  (I,  5)  gezeigt,  daß  ein  »geschich- 
tetes« Dielektrikum,  dessen  einzelne  Schichten  sich  durchaus 

normal   verhalten,  bei  dem  aber  der  Quotient   —  nicht  den 

gleichen    Wert    in    jeder    Schichte    besitzt,    als   Ganzes  die 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1037 

Erscheinungen  der  Rückslandsbildung  zeigen  müsse.  Er  hat 
ferner  darauf  hingewiesen,  daß  bei  nicht  blätteriger  Struktur, 
sondern  beliebiger  räumlicher  Anordnung  der  nicht  gleich- 
artigen Bestandteile  des  Mediums  analoge  Resultate  sich  er- 
geben. Weitere  Ausführungen  dieser  Maxwell'schen  Theorie 
der  geschichteten  Dielektrika  finden  sich  in  den  Arbeiten  von 
Hess  (I,  24)  und  Houllevigue  (I,  33). 

In  der  Maxweirschen  Darstellung  werden  folgende  Größen 
als  Funktionen  der  Materialkonstanten  und  der  Anfangsbedin- 
gungen explizit  berechnet: 

1.  Die  »disponible  Ladung«;  2.  der  stationäre  Leitungs- 
strom nach  unendlich  langer  Einwirkung  einer  konstanten 
elektromotorischen  Kraft;  3.  der  zeitliche  Verlauf  der  freien 
Rückstandsladung  eines  Kondensators,  dessen  Belegungen  nach 
unendlich  langdauernder  Ladung  durch  eine  konstante  elektro- 
motorische Kraft  plötzlich  entladen  und  hierauf  voneinander 
isoliert  werden;  4.  die  gesamte  Elektrizitätsmenge  (gesamte 
Rückstandsladung),  die  einen  nach  unendlicher  Ladungsdauer 
angelegten  Kurzschluß  zwischen  beiden  Belegungen  durchfließt. 

Der  Rückstandsstrom  bei  konstanter  elektromotorischer 
Kraft  als  Funktion  der  Zeit  wurde  von  Maxwell  nicht  be- 
rechnet. Dieses  Problem  führt  auf  große  mathematische  Schwie- 
rigkeiten und  ist  daher  im  folgenden  nur  so  weit  ausgeführt, 
daß  die  Gültigkeit  des  Superpositionsprinzips  theoretisch  ab- 
geleitet werden  kann. 

Die  Voraussetzungen  der  folgenden  Ableitung  sind  gegen- 
über denen  MaxwelTs  einerseits  eingeschränkt  durch  die 
Annahme,  daß  die  Dielektrizitätskonstante  K  des  inhomogenen 
Mediums  durchwegs  konstant  sei,  andrerseits  erweitert  durch  die 
Annahme,  daß  bei  Fortschreiten  in  einer  bestimmten  Richtung 
(der  X-Achse)  das  Leitvermögen  X  nicht  sprungweise  eine 
endliche  Anzahl  von  Änderungen,  den  Werten  \  bis  X^  ent- 
sprechend, sondern  kontinuierlich  sich  ändere,  also  durch  eine 
beliebige  stetige  Funktion  X(;ir)  darstellbar  sei. 

Es  sei  also  gegeben  eine  unendlich  ausgedehnte  Platte 
eines  Dielektrikums  von  der  Dicke  /,  die  zwischen  zwei  metalli- 
schen Belegungen  mit  konstanten  Potentialen  V-=.E  und  V=0 
sich  befinde. 


1038 


E.  V.  Schweidler, 


Die  Dielektrizitätskonstante  habe  den  konstanten  Wert  K, 
das  spezifische  Leitvermögen  sei  eine  gegebene  Funktion  \(x). 


Yarj 


VE 


Fig.  1. 


Für  einen  beliebigen  Punkt  im  Dielektrikum  gelten  dann 
die  Differentialgleichungen: 


dX       47C 


-p 


— 3^[M^)^, 


(1) 


(2) 


wobei  X  die  elektrische  Feldstärke,  p   die   Raumdichte  der 
wahren  Ladung  bezeichnet. 

Daraus  erhält  man  für  die  Feldstärke  X  die  Differential- 
gleichung: 


4ic    dxit 


^x 


(3) 


und  durch  Integration: 


K   iX 


4ä     8f 


■¥\{x)X=if{t). 


W 


(|)(/)  ist  zunächst  eine  als  Integrationskonstante  bei  der 
Integration  nach  x  auftretende  willkürliche  Funktion  der  Zeit. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1039 

die  aber  dadurch  bestimmt  ist,  daß  zu  jeder  Zeit  die  Bedingung 
erfüllt  sein  muß: 

Xdx  =  E.  (5) 


X 


Da  =  0=1     dx^  erhält  man  aus  Gleichung  (4): 

W)=\rHx)Xdx.  (6) 

Diese  Funktion  i|<(/)  hat  eine  einfache  physikalische  Be- 
deutung; sie  ist  der  Gesamtstrom  pro  Flächeneinheit  in  der 
Richtung  der  positiven  ^ -Achse;  in  Gleichung  (4)  ist  die  Zer- 

K    ^X 
legung    in    einen    Verschiebungsstrom und    einen 

4;c    8/ 
Leitungsstrom  \{x)X  angedeutet. 

Gleichung   (4)   liefert   nach   abermaliger  Integration    die 

Formel: 

X=e    ^        |T"^I    ^^^^  dx7=: 


:=  e 


Durch  diese  Integralgleichung  ist  die  Feldintensität  X  als 
Funktion  von  x  und  t  bestimmt;  eine  explizite  Darstellung  von 
X  oder  t|>(/)  daraus  zu  gewinnen,  ist  dem  Verfasser  nicht 
gelungen.  Immerhin  genügen  die  erhaltenen  Resultate  zum 
Nachweis  des  Superpositionsprinzips. 

Aus  den  Gleichungen  (4)  und  (6)  folgt,  daß  bei  konstanter 
Potentialdifferenz  die  Dififerentialgleichung  gilt: 

^.}2^^X{x)X  =  \rX\(x)dx. 
4:c      8/  /  Jo 

Wenn  also  an  einem  Kondensator,  für  den  Ky  l  und  X(;t:) 
gegeben  sind,  in  zwei  Versuchen  bloß  die  Anfangsbedingungen 
für  /  =  0,  Xz=lX^{x)  und  X'=X'^{x)  sowie  die  Größen  E  und 
E'  verschieden  sind,  so  ist  in  beiden  Fällen  obige  DifTerential- 


1040  E.  V.  Schweidler, 

gleichung  erfüllt.  Setzt  man  daher  Xlz=  Xt+Z^t,  so  gilt  auch 
für  die  Differenz  A/  die  Gleichung: 

K    3A/ 


4ic    3/ 


=11- 


+  X(;r)A/  =  —  /    ^t.'k(x)äx, 


d.  h.  der  zeitliche  Verlauf  der  Änderung  der  Feldintensität  -Y' 
und  damit  auch  der  diese  Änderung  begleitende  Rückstands- 
strom kann  aufgefaßt  werden  als  Superposition  der  beiden 
Vorgänge,  die  sich  abspielen  würden,  wenn  zur  Zeit  /mO  ein- 
mal die  momentane  Verteilung  der  elektrischen  Kraft  durch  X^, 
das  andere  Mal  durch  A^  gegeben  wäre.  Wird  also  in  einem 
beliebigen  Stadium  der  Rückstandsbildung  die  Potentialdifferenz 
der  Belegungen  plötzlich  um  den  Betrag  A£  und  damit  die 

A£ 

Feldstärke  überall  um  den  Betrag  geändert,  so  ist  der 

weitere  Ablauf  des  Rückstandsstromes  gegeben  durch  die 
Superposition  jenes  Stromes,  der  ohne  Änderung  der  Potential- 
differenz weiter  erfolgt  wäre,  und  eines  Rückstandsstromes,  der 
durch  Anschauung  der  Spannung  A£  an  den  vorher  unendlich 
lange  Zeit  ungeladenen  Kondensator  erzeugt  worden  wäre. 

Die  Maxweirsche  Theorie  der  inhomogenen  Dielektrika 
gibt  also  Aufschluß  über  die  wesentlichsten  Eigenschaften,  die 
an  den  anomalen  Dielektrikas  tatsächlich  vorgefunden  werden. 
Die  explizite  Darstellung  der  experimentell  beobachtbaren 
Größen  führt  aber  auf  mathematische  Schwierigkeiten,  so  daß 
eine  Prüfung  der  Theorie  durch  Vergleich  mit  der  Erfahrung 
bezüglich  der  quantitativen  Verhältnisse  nicht  ausgeführt 
werden  kann. 

4.  Anomalien  der  Leitung. 

Eine  zweite  Möglichkeit  der  theoretischen  Darstellung  der 
Erscheinungen  an  Dielektrikas  besteht  darin,  die  Annahme  eines 
konstanten  spezifischen  Leitvermögens  fallen  zu  lassen  und 
zu  ersetzen  durch  eine  solche,  die  kompliziertere  Formen  des 
Leitungsvorganges  voraussetzt.  Insbesondere  in  Anlehnung  an 
die  bei  ionisierten  Gasen  beobachteten  Erscheinungen  können 
die  Gesetze  der  lonenleitung  auf  flüssige  und  feste  Dielek- 
trilia  übertragen  werden. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1041 

Die  Theorie  der  Elektrizitätsleitung  in  ionisierten  Gasen 
geht  von  folgenden  Voraussetzungen  aus: 

Durch  Wirkung  eines  »Ionisators«  entstehen  pro  Volum- 
und  Zeiteinheit  q  lonenpaare;  ein  Teil  der  Ionen  verschwindet 
durch  Wiedervereinigung  zu  neutralen  Molekülen  (»Moli- 
sierung«),  und  zwar  ist  dieser  Betrag,  pro  Volum-  und  Zeit- 
einheit gerechnet,  gegeben  durch  an^n^,  wo  n^  und  n^  die 
Zahlen  der  in  der  Volumeinheit  vorhandenen  positiven,  respek- 
tive negativen  Ionen,  a  ein  für  eine  bestimmte  Gattung  von 
lonenpaaren  charakteristischer  sogenannter  »Wiedervereini- 
gungskoeffizienten« ist.  Es  gilt  also  die  Gleichung: 

dn 

—  =  q — an.n^, 

dt 

In  einem  elektrischen  Felde  ist  in  dieser  Gleichung  noch 
ein  Glied  einzufügen,  das  die  Differenz  der  Zahlen  der  durch 
den  Strom  zu-  und  abgeführten  Ionen  angibt,  also: 

dn. 

— ^zzi^  —  atiiffg— 5i 


dt 

dn^ 
dt 


=  q — an^Wg — s^. 


Die  positiven,  beziehungsweise  negativen  Ionen  bewegen 
sich  nun  in  einem  elektrischen  Felde  mit  einer  der  Feldintensität 
proportionalen  Geschwindigkeit  u^  =  c^X,  u^=,  — c^X,  worin 
c^  und  c^  die  sogenannten  spezifischen  Geschwindigkeiten  oder 
Beweglichkeiten  der  beiden  lonenarten  sind. 

Daraus  ergeben  sich  für  den  F'all  der  Elektrizitätsleitung 
in  einem  von  zwei  unendlich  ausgedehnten  parallelen  Platten 
(in  der  Distanz  /)  begrenzten  ionisierten  Gase  —  bei  konstanter 
Potentialdifferenz  E  der  beiden  Platten  —  folgende  Gleichungen: 

[«1— «g]e=:— 4ff  -—  (l) 

ox 

-jj-  =  ?  -  ««1««  —  —  («1  Ci  X]  (2) 


1042  E.  V.  Schweidler, 


8  «2  8 


/-  =  «  —  «  «i»fg  +  — -  [n,  c,  X]  (3) 

Ol  ^x 


X 


Xdx  =  E.  (4) 

0 


Die  allgemeine  Integration  dieses  Gleichungssystems  ist 
bisher  nicht  durchgeführt  (vergl.  J.  J.  Thomson,  Conduction 
of  electricity  through  Gases,  p.  64  bis  73,  Cambridge  1903); 
doch  sind  folgende  Resultate  leicht  ersichtlich): 

Durch    Einschalten    eines   elektrischen   Feldes   wird  der 

ursprüngliche  lonengehalt  n,  =  y  ±  verringert,   die   Strom- 

stärke  nimmt  mit  der  Zeit  ab  und  erreicht  einen  stationären 
Grenzwert,  der  bei  Anwendung  verschiedener  Werte  der  elektro- 
motorischen Kraft  nicht  dieser  proportional  ist;  das  spezifische 
Leitvermögen  eines  ionisierten  Gases  ist  also  nach  Strom- 
schluß zeitlich  variabel  und  im  stationären  Endzustand  eine 
Funktion  der  §tromdichte,  und  zwar  eine  mit  steigender  Strom- 
dichte abnehmende. 

Die  zeitliche  Variation  erfolgt  in  Gasen  sehr  schnell,  so 
daß  sie  in  den  meisten  Fällen  experimentell  nicht  verfolgt 
werden  kann;  die  Abhängigkeit  des  stationären  Leitvermögens 
von  der  Stromdichte,  beziehungsweise  von  der  elektromotorischen 
Kraft  zeigt  sich  in  bekannter  Weise  durch  die  »Charakteristik«, 
d.  i.  die  Kurve  /  =/(£),  welche  zu  der  Unterscheidung  »Ohm- 
scher Strom«  (dem  Ohm'schen  Gesetz  gehorchender  Strom)  für 
kleine  Feldintensitäten  oder  Spannungen,  »unvollständig  ge- 
sättigter Strom«  für  mittlere  und  »Sättigungsstrom«  (von  der 
elektromotorischen  Kraft  unabhängiger  konstanter  Strom)  für 
große  Feidintensitäten  oder  Spannungen  geführt  hat. 

Ferner  folgt  aus  den  Gleichungen,  daß  im  stationären 
Zustande  die  lonenzahl  pro  Volumeinheit  nicht  mehr  räumlich 
konstant  ist:  in  den  den  Elektroden  benachbarten  Schichten 
sind  Ionen  des  einen  (und  zwar  dem  der  Elektrode  entgegen- 
gesetzten) Vorzeichens  im  Überschusse  vorhanden;  dadurch 
ist  auch  das  ursprünglich  homogene  elektrische  Feld  gestört, 
in  der  Nähe  der  Elektroden  über  den  Mittelwert  erhöht,  in  der 
Mitte  unter  denselben  erniedrigt. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1043 

Es  ist  ein  naheliegender  Gedanke,  diese  Annahmen  auch 
auf  flüssige  und  feste  Dielektrika  zu  übertragen,  die  Leitung  in 
diesen  Medien  als  lonenleitung  aufzufassen. 

Einige  anomale  Erscheinungen  bei  der  Leitung  flüssiger 
Dielektrika  (vergl.  im  Literaturverzeichnis  Abteilung  IV),  so  die 
zeitliche  Abnahme  der  Stromstärke  und  die  Nichtproportionalität 
von  Stromstärke  und  elektromotorischer  Kraft  im  stationären 
Zustande,  wurden  auch  bereits  in  dieser  Weise  gedeutet,  ja  an 
einigen  flüssigen  Dielektrikas  wurden  der  Größenordnung  nach 
lonenbeweglichkeiten  und  lonenzahlen  bestimmt  (Schweidler, 
IV,  7,  8,  10). 

Aber  auch  die  Erscheinungen  der  Wärmeproduktion,  der 
Rotationen  und  der  Rückstandsbildung  lassen  sich  qualitativ 
auf  diesem  Wege  ableiten. 

Bezüglich  der  Wärmeproduktion,  von  der  oben  nach- 
gewiesen wurde,  daß  sie  nicht  als  die  einem  konstanten 
Leitvermögen  entsprechende  Joule'sche  Wärme  gedeutet  werden 
könne,  ist  zunächst  ersichtlich,  daß  bei  Anwendung  alternie- 
render Felder  (Wechselstrom)  nicht  der  infolge  des  Strom- 
durchganges verringerte  Wert  des  Leitvermögens  im  stationären 
Zustande,  sondern  jener  Wert  einzusetzen  ist,  der  kurz  nach 
Stromschluß  vorhanden  ist;  es  wird  damit  auch  begreif  lieh,  daß 
das  mittlere  Leitvermögen  abhängig  ist  von  der  Dauer  der 
Einwirkung  des  Feldes  in  bestimmter  Richtung,  daß  mit  ab- 
nehmender Periodendauer  des  Wechselstromes  das  Leit- 
vermögen immer  näher  an  den  —  im  feldlosen  Räume  gültigen 

—  Wert  (Ci+c^)^nQ  =z  (^i+^a)8  v/ —  heranrückt. 

Bezüglich  der  Rotationserscheinungen  und  Drehungs- 
momente, die  nach  der  im  Abschnitt  II,  2  angegebenen  Formel 
auf  die  Leitungskonstanten  zurückführbar  sind,  gilt  dasselbe. 
Insbesondere  wird  es  verständlich,  daß  das  Drehungsmoment  D 
langsamer  wächst  als  F*,  da  das  spezifische  Leitvermögen  mit 
steigender  Feldintensität  abnimmt. 

Auch  die  Rückstandsbildung  im  engeren  Sinne  kann 
zurückgeführt  werden  auf  die  durch  die  Stauung  der  Ionen  in 
der  Nähe  der  Elektroden  bedingten  Feldstörungen.  Es  läßt  sich 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  KL;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  69 


1044  E.  V.  Schweidler, 

hier  einfach  die  im  vorigen  Abschnitt  behandelte  Maxwell'sche 
Theorie  der  geschichteten  Dielektrika  anwenden: 

Ein  Medium  mitlonenleitung  ist  zwar  nicht  von  vornherein 
inhomogen,  aber  es  wird  inhomogen  bezüglich  seiner 
Leitfähigkeit  infolge  des  Strom durchganges;  die  ursprüngliche 
Leitfähigkeit  im  feldlosen  Räume  wird  — •  wie  oben  erwähnt  — 
verändert,  und  zwar  in  der  Nähe  der  Elektroden  stärker 
erniedrigt  als  in  der  Mitte.  Somit  muß  ein  derartiges  Medium 
nach  einiger  Dauer  der  Einwirkung  des  elektrischen  Feldes 
das  Verhalten  eines  geschichteten  Dielektrikums  zeigen. 

Wenn  so  die  Annahme  von  lonenleitung  auch  in  flüssigen 
und  festen  Dielektrikas  genügt,  die  anomalen  Erscheinungen 
in  qualitativer  Hinsicht  zu  erklären,  so  ergeben  sich  doch 
Bedenken  bei  der  Anwendung  dieser  Theorie  zur  Darstellung 
der  quantitativen  Verhältnisse. 

Zunächst  sind,  wie  oben  erwähnt,  Schwierigkeiten  mathe- 
matischer Natur  vorhanden,  welche  die  exakte  Lösung  des 
Problemes  verhindern:  in  einem  Medium,  dessen  Ionen- 
konstanten  (lonisierungsstärke  q,  Koeffizient  der  Wieder- 
vereinigung a,  Beweglichkeiten  c^  und  c^)  gegeben  sind,  den 
Strom  als  Funktion  der  Zeit  und  der  elektromotorischen  Kraft 
darzustellen.  Diese  Schwierigkeiten  nun  beeinträchtigen  wohl 
die  Anwendbarkeit  der  Theorie,  ohne  natürlich  gegen  ihre 
Richtigkeit  etwas  zu  beweisen. 

Aber  auch  in  Bezug  auf  die  Richtigkeit  ergeben  sich 
Bedenken.  Wäre  die  Abnahme  des  Rückstandsstromes  von 
seinem  Anfangswerte  auf  einen  hiezu  relativ  kleinen  Endwert 
bedingt  durch  die  Entionisierung  infolge  des  Stromdurchganges, 
so  müßte  man  annehmen,  daß  der  stationäre  Strom  der 
unvollkommen  oder  vollkommen  gesättigten  Phase  angehört 
(vergl.  Fig.  2). 

Es  zeigt  sich  aber  tatsächlich,  daß  der  stationäre  Endwert 
des  Stromes  in  einem  rückstandbildenden  Dielektrikum  (z.  B. 
Glas)  innerhalb  weiter  Grenzen  dem  Ohm'schen  Gesetze  ent- 
spricht, d.  h.  der  elektromotorischen  Kraft  proportional  ist  (man 
vergleiche  die  experimentellen  Resultate  von  E.  Warburg, 
Wied.  Ann.,  21,  622,  und  F.  M.  Exner,  Verh.  d.  D.  Phys.  Ges., 
3,   26,   [1901]    sowie   E.   v.    Schweidler   [I,   46]).    Für  den 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


1045 


»Ohm'schen  Strom«  (Phase  I)  aber  ist  wiederum  die  Differenz 
zwischen  dem  Anfangswerte  des  Stromes  für  /  =  0  (in  der 
Figur  durch  die  Gerade  1  dargestellt)  und  dem  stationären 
Endwerte  (in  der  Figur  Kurve  2)  gering. 

Die  Annahme  blofi  einer  Gattung  von  lonenpaaren  ist 
also  nicht  zulässig. 

Man  könnte  nun  annehmen,  daß  von  jedem  Vorzeichen 
Ionen  mit  sehr  verschiedenen  Werten  der  spezifischen  Ge- 
schwindigkeit gleichzeitig  im  Dielektrikum  vorhanden  seien,  so 


Fig.  2. 

I.  Phase :  Ohm*scher  Strom. 
II.  Phase :  Unvollständig  gesättigter  Strom, 
ni.  Phase:  Sättigungsstrom. 


daß  bei  bestimmter  elektromotorischer  Kraft  für  die  eine 
Gattung  (die  leicht  beweglichen)  bereits  Sättigungsstrom 
eintritt,  während  für  die  anderen  (schwer  beweglichen)  noch 
Ohm'scher  Strom  herrscht.  Aber  auch  diese  kompliziertere 
Annahme  ist  vollkommen  unvereinbar  mit  folgender  Tatsache: 
Nach  Einschaltung  einer  elektromotorischen  Kraft  vom 
Werte  E^  zur  Zeit  /  =:  0  beobachtet  man  einen  Strom, 
darstellbar  durch  i^  =  äi+/(0>  wobei  /(/)  von  einem  hohen 
Anfangswerte  asymptotisch  auf  Null  absinkt  und  a^  den 
stationären  Endwert  darstellt;  wird  nach  hinreichend  langer 
Zeit  T,  so  daß/(r)  praktisch  gleich  Null  gesetzt  werden  kann, 
die  elektromotorische  Kraft  plötzlich  vergrößert,  z.  B.  auf  den 

69* 


1046  E.V.  Schweidlef, 

Wert  £b  =  kE^,  so  beobachtet  man  tatsächlich  einen  Strom  i,, 
der  als  Funktion  der  Zeit  gegeben  ist  durch  die  Formel: 

i^=ka,  +  (k—l)f{t—T), 

entsprechend  der  früher  erwähnten  Proportionalitätsbeziehung 
zwischen  stationärem  Teil  der  Strömung  und  elektromotori- 
scher Kraft,  sowie  dem  Superpositionsprinzip  für  den  zeitlich 
variablen  Bestandteil  des  Stromes.  Da  f(0)  groß  gegen  a^  ist, 
setzt  also  unmittelbar  nach  der  Vergrößerung  der  elektromotori- 
schen Kraft  der  Strom  ig  mit  einem  Werte  ein,  der  nahezu 
(k — l)mal  größer  ist  als  der  Anfangswert  von  ij  für  /  =  0. 

Der  auf  lonenleitung  beruhende  Strom  könnte  aber 
unmittelbar  nach  Einschaltung  der  elektromotorischen  Kraft  E^ 
höchstens  den  Wert  ka^  erreichen,  da  ja  die  Leitfähigkeit  des 
Mediums  durch  den  langdauernden  Strom  jj  bereits  auf  den 

mittleren  Betrag  von  -^  herabgedrückt  wurde. 

Es  ist  also  resümierend  über  die  Anwendung  der  Theorie 
der  lonenleitung  auf  flüssige  und  feste  Dielektrika  zu 
sagen,  daß  die  von  ihr  geforderten  anomalen  Eigenschaften  des 
spezifischen  Leitvermögens  (zeitliche  Variabilität,  Abhängigkeit 
von  Stromdichte)  zwar  an  den  tatsächlich  beobachteten  Er- 
scheinungen mitbeteiligt  sein  können,  daß  sie  aber  für  sich 
allein  nicht  ausreichend  ist,  die  wesentlichen  Eigentümlich- 
keiten* der  beobachteten  Phänomene,  vor  allem  die  Gesetze  der 
Rückstandsbildung  zu  erklären. 

5.  Anomalien  des  dielektrischen  Verhaltens. 

Eine  dritte  Möglichkeit  der  theoretischen  Behandlung  liegt 
in  der  Annahme  von  Anomalien  des  dielektrischen  Verhaltens. 
An  Stelle  der  Voraussetzung,  daß  die  dielektrische  Verschiebung 
(oder  Polarisation)  zu  jeder  Zeit  der  elektrischen  Feldstärke 
proportional  sei  und  daß  dieser  Proportionalitätsfaktor  eben 
durch  den  konstanten  Wert  der  Dielektrizitätskonstante  gegeben 
sei,  treten  kompliziertere  Bedingungen,  nach  denen  der 
jeweilige  Wert  des  Verschiebungsvektors  I)  nicht  allein  eine 
Funktion  des  simultanen  der  Feldstärke  (5,  sondern  auch  der 
vorhergegangenen  Zustände  des  Mediums  sein  soll.  Mit  andern 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1047 

Worten:  analog  wie  in  Bezug  auf  Elastizität  und  Magnetismus 
zeigen  viele  Medien  auch  in  Bezug  auf  dielektrische  Vorgänge 
Nachwirkungserscheinungen  oder  Hysteresis  im 
weiteren  Sinne  des  Wortes. 

Allgemein  gehaltene  Sätze  analogen  Inhaltes  sind  oftmals 
ausgesprochen  worden,  doch  nur  wenige  Versuche  liegen 
vor,  die  funktionelle  Beziehung  zwischen  Momentanwert  der 
Verschiebung  und  der  »Vorgeschichte«  des  Mediums  präzise 
zu  formulieren  und  damit  das  Fundament  für  eine  eigentliche 
Theorie  der  Hysteresiserscheinungen  zu  schaffen. 

a)  Hysteresis  im  engeren  Sinne. 

Unter  Hysteresis  im  engeren  Sinne  (»hysteresis  proprement 
dit«)  bezeichnen  manche  Autoren,  speziell  Beaulard  (11,  37) 
jene    Form    der    Nachwirkungserscheinungen,    wie     sie    an 
ferromagnetischen  Substanzen,  besonders  an  weichem  Eisen, 
experimentell  gründlich  untersucht  und  auch  theoretisch   bis 
zu   einem   gewissen   Grade    befriedigend    dargestellt   wurden 
(vergl.  Winkelmann,  Handbuch  der  Physik,  Bd.  V,  1,  p.  217 
bis   222).  Es  ist  naheliegend,  die  Gesetze  der  magnetischen 
Hysteresis   einfach   auf  die   dielektrische   zu    übertragen:    bei 
variabler  Feldintensität  ist  die  einem  bestimmten  Werte  der- 
selben zugeordnete  Verschiebung  größer  bei  abnehmendem  als 
bei  zunehmendem  Gange  der  Feldintensität;  infolgedessen  tritt 
bei    zyklischer    Elektrisierung     (Wechselspannung)     in     der 
graphischen  Darstellung  eine  geschlossene  Kurve  auf  (Hyste- 
resisschleife),  deren  Flächeninhalt  bekanntlich  die  pro  Periode 
in  Wärme  umgesetzte  Energie  angibt.  Außerdem  führt  diese 
Anschauung  zu   den   Begriffen   »dielektrische    Koerzitiv- 
kraft«    (durch    OA)    und    »remanente    Elektrisierung« 
(durch  OB  dargestellt). 

Für  die  Abhängigkeit  der  Hysteresisarbeit  von  der 
Amplitude  der  periodischen  Magnetisierung  haben  die  Versuche 
im  allgemeinen  eine  Formel  ergeben  von  der  Form: 

W  =  fi-H^,  wo  «  =  zirka  1  •  6. 

Die  Übereinstimmung  der  von  Arno  (1.  c.)  gefundenen 
Beziehung  zwischen  der  elektrischen  Hysteresisarbeit  und  der 


1048 


E.  V.  Schweidier, 


Effektivspannung  (Wprop.  £*,  wo  n  zwischen  1-5  und  1  -96) 
mit  obiger  Formel  wurde  oftmals  als  Beweis  für  die  Analogie 
der  magnetischen  und  der  dielektrischen  Hysteresis  betrachtet. 
Insbesondere  Beaulard  (II,  37)  hat  die  Unanwendbarkeit 
dieser  Theorie  nachgewiesen.  Bei  der  magnetischen  Hysteresis 
ist  die  Amplitude  der  periodisch  wechselnden  magnetischen 
Feldintensität  §  in  erster  Linie  maßgebend,  die  Perioden- 
dauer von  minder  wesentlichem  und  noch  nicht  ganz  sicher 
festgestelltem   Einfluß.    Die   Abhängigkeit    der   dielektrischen 


Fig.  3. 


»Hysteresisarbeit«  von  der  Dauer  der  Periode  (vergl.  Abschnitt 
I,  2  und  3)  stört  die  Analogie  bedeutend. 

Ferner  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  »Remanenz«  und 
»Koerzitivkraft«  auf  elektrischem  Gebiete  noch  nicht  experi- 
mentell sichergestellt  werden  konnten  (Germanischskaja, 
VI,  3)  und  endlich,  daß  die  Rückstandserscheinungen,  bei  denen 
der  zeitliche  Verlauf  des  anomalen  Stromes  das  erste  Problem 
bildet,  in  dieser  der  magnetischen  Theorie  nachgebildeten 
überhaupt  nicht  darstellbar  sind. 

b)  Viskose  Hysteresis. 

&j).  Auf  Grund  der  oben  angeführten  Überlegungen  hat 
eine    Reihe    von    Forschern    die    Theorie    der    elektrischen 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1049 

Hysteresis  im  engeren  Sinne  —  analog  der  magnetischen 
Hysteresis  —  verworfen  und  ^viskose  Hysteresis«  (auch 
»elektrische  Viskosität«  genannt)  angenommen  (Schaufel- 
berger,  II,  32,  34;  Beaulard,  II,  36,  37;  Arno  in  seinen 
späteren  Arbeiten,  II,  27;  Porter  und  Morris,  II,  22  u.  a.). 

Hierunter  versteht  man  die  Tatsache,  daß  bei  plötzlicher 
Erregung  eines  elektrischen  Feldes  die  dielektrische  Ver- 
schiebung nicht  momentan  den  durch  K®  gegebenen  Wert 
annimmt,  sondern  ihn  erst  allmählich  ansteigend  asymptotisch 
erreicht.  Bei  kontinuierlicher  (eventuell  periodischer)  Änderung 
des  Feldes  6  bleibt  daher  die  Verschiebung  2)  stets  hinter  ihrem 
»Sollwerte«  zeitlich  zurück. 

Diese,  als  »dielektrische  Nachwirkung«  auch  auf  dem 
Gebiete  der  Rückstandsbildung  versuchte  Annahme  (Boltz- 
mann,  Romich  und  Nowack,  I,  7;  Hopkinson,  I,  9  bis  11; 
Wüllner,  I,  12;  u.  a.)  erfordert  nun  eine  schärfere  Fassung. 

b^),  Pellat's  Theorie. 

Die  einzige  bisher  tatsächlich  erfolgte  präzise  Formulierung 
rührt  von  Pellat  her  (I,  39,  41  identisch  mit  II,  33,  39).  Der 
Grundgedanke  ist  folgender: 

Wird  an  einer  Stelle  eines  dielektrischen  Mediums,  das 
hinreichend  lange  Zeit  der  Einwirkung  eines  elektrischen 
Feldes  entzogen  war,  plötzlich  zur  Zeit  /  zu  0  ein  Feld  von  der 
Intensität  S^  erzeugt  und  für  t>0  konstant  erhalten,  so  nimmt 
die  Verschiebung  2)  ebenfalls  plötzlich  zur  Zeit  /  =  0  den 
WertüTSo  an,  steigt  aber  dann  allmählich  an  nach  der  Formel: 

wo  OL  und  s  zwei  Materialkonstanten  sind. 
Es  wird  für 

t  =  oo,  ®/  =  2)oo  =  (H-8)Ä'go. 

Somit  gilt  allgemein  die  Gleichung: 


dt 


=  a^-»'.Ei^®o  =  — a(S)/— 3ioo), 


1050  E.  V.  Schweidler, 

d.  h.  die  Verschiebung  strebt  einem  stationären  Endwerte  2)ao 
zu  und  ihre  Änderungsgeschwindigkeit  ist  jederzeit  proportional 
der  Differenz  dieses  Endwertes  und  des  momentanen  Wertes. 
Bei  beliebiger  zeitlicher  Variation  der  Feldintensität 
@/  =/(0  gilt  ebenfalls  die  Diflferentialgleichung: 

oder  wenn  man  S)/  =  ir@/+3)/  setzt: 


dt 


=  a[i^g/-?)a. 


Pellat  bezeichnet  die  Größe  £*  als  »wahre  Dielektrizitäts- 
konstante«, K^  als  »fiktive  Polarisation«  und  2/  als  »wahre 
Polarisation«. 

An  Stelle  dieser  —  vom  Standpunkte  der  MaxwcIFschen 
Theorie  aus  etwas  willkürlich  gewählten  —  Bezeichnungsweise 
Pellat's  soll  im  folgenden  K^  »normale  Verschiebung«  und  5/ 
»viskose  Verschiebung«  genannt  werden. 

Auf  Grund  obiger  Annahmen  ist  also  ein  Dielektrikum  im 
allgemeinen  durch  vier  Materialkonstanten  zu  charakterisieren: 
zu  Dielektrizitätskonstante  K  und  spezifischem  Leitvermögen  X 
treten  noch  die  Größen  e  und  a;  e  ist  von  der  Dimension  einer 
reinen  Zahl  und  gibt  das  Verhältnis  des  stationären  Endwertes 
der  viskosen  Verschiebung  zu  der  normalen  Verschiebung  an; 

a  ist  von  der  Dimension  einer  reziproken  Zeit  und  —  bedeutet 

a 

die  Relaxationszeit  der  viskosen  Verschiebung. 

Es  ergeben  sich  ferner  folgende  Konsequenzen: 

1.  Bei  konstanter  Feldintensität  S^  ist 

und  daher  der  Verschiebungsstrom  pro  Flächeneinheit 

4ic     dt        4« 

Ein  diesem  Verschiebungsstrom  entsprechender  Leitungs- 
strom zirkuliert  in  der  Zuleitung.  Hat  das  Dielektrikum  eines 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1051 

Kondensators  die  Flächengröfie  der  Belegung/ und  die  Dicke  d, 
so  daß  die  Potentialdifferenz  der  Belegungen  gegeben  ist  durch 
is  =:  t^.  (£q,  so  gilt  für  den  Gesamtstrom  in  der  Zuleitung: 

Wird  der  Kondensator  nach  unendlich  langer  Ladungs- 
dauer entladen,  indem  zur  Zeit  /=i:0  die  Belegungen  ohne 
Einschaltung  einer  elektromotorischen  Kraft  direkt  leitend  ver- 
bunden werden,  so  ist 

y^  =  —  — --—  =  —  --  e-^BK(S^  =  —y,, 
4ir    dt  4ic 

d.  h.  der  durch  »Freiwerden  des  Rückstandes«  entstandene 
Strom  y^  ^^^  ^^^  »rückstandsbildenden  Strom«  y^  entgegen- 
gesetzt gleich.  Wird  der  Kondensator  nach  der  endlichen 
Ladungsdauer  T  entladen,  so  ist 

für  /  z=  0;  3)  =  8ü:eo(l— ^-*0 


für  /  >  0;  2)  =  6ü:e.(l— ^-"0^"*' 


0 
0 


d.   h.   der  nun    auftretende   Strom    entspricht    dem    Super- 
positionsprinzip. 

Qualitativ  sind  also  die  empirischen  Gesetze  der  Rück- 
standsbildung aus  der  Pellat'schen  Theorie  abzuleiten;  in 
quantitativer  Beziehung  besteht  Nichtübereinstimmung  bezüg- 
lich der  Form  des  zeitlichen  Verlaufes,  für  den  die  Theorie 
eine  Exponentialfunktion  e-^,  die  Erfahrung  die  Formel  Bt~^ 
liefert.  Pellat  meint,  die  Versuche  J.  Curie's  zitierend  (I,  21), 
daß  die  Beobachtung  nicht  hinreichend  genau  sei,  um  die 
Differenz  zwischen  der  theoretischen  und  der  empirischen 
Formel  mit  Sicherheit  konstatieren  zu  können.  Dies  ist  wohl 
ein  Irrtum;  außer  J.  Curie's  haben  auch  die  von  Pellat  nicht 
zitierten  Experimentaluntersuchungen  von  Kohlrausch  (I,  1), 
Hopkinson  (I,  9, 10,  11),  Giese  (I,  15),  Dieterici  (1, 18)  u.  a. 
das  gleiche  Resultat  ergeben,  und  Beobachtungsfehler  von  der 


1052  E.  V.  Schweidler, 

Größe  der  Differenz  der  nach  beiden  Formeln  berechneten 
Stromstärken  sind  schlechthin  ausgeschlossen. 

Bezüglich  der  Gesetze  der  Rückstandsbildung  bedarf  also 
die  Pellat*sche  Theorie  jedenfalls  einer  Modifikation. 

2.  Für  den  Fall  eines  sinusförmigen  Wechselfeldes 

:=:  ®o  sm 


lassen  sich  die  Erscheinungen  übersehen,  indem  man  in  die 
im  II.  Teile,  Abschnitt  1,  angeführten  Formeln  (p.  1031)  für  die 
unbestimmt  gelassene  Funktion  f{u)  auf  Grund  der  eben  ab- 
geleiteten Resultate  setzt: 

f(u)  iziasC.e-«'. 

Man  erhält  also: 

t  = {A  cos y-B  sm > , 


wobei 


A  =  I      oL^Cer^^  cos du  =  eC 


i 


t  4it«+a«t" 


B=\"azCe-^sm^^du=z^C     ^''^ 


=x 


4tt*-f-a*t* 


Somit  —  unter  weiterer  Anwendung  der  auf  p.  1031  und 
1032  abgeleiteten  Formeln  —  für  die  scheinbare  Kapazität 
des  Kondensators: 


c'  =  c|i  +  s-i^!^!-l, 


also  mit  zunehmender  Periodendauer  steigende  Kapazität, 
und  für  den  reziproken  Wert  des  scheinbaren  Wider- 
standes: 

Ü  =  L+eC , 

also  Zunahme  des  scheinbaren  Leitvermögens  und  damit  der 
in  Wärme  umgewandelten  Energie  mit  abnehmender  Perioden- 
dauer. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1053 

Die  qualitative  Übereinstimmung  mit  den  empirischen 
Resultaten  ist  wieder  vorhanden. 

&j).  Modifikation  der  Pellat'schen  Theorie. 

Eine  Erweiterung  der  Pellat'schen  Theorie  erhält  man 
durch  folgende  Annahmen: 

Die  dielektrische  Verschiebung  besteht  aus  einem  Bestand- 
teil (normale  Verschiebung),  der  jeweils  der  momentanen  Feld- 
intensität proportional  ist,  und  einer  Summe  von  Gliedern, 
deren  jedes  für  sich  nach  einem  analogen  Gesetz,  wie  es  die 
Pellat'sche  Theorie  annimmt,  einem  Grenzwert  zustrebt,  bei 
denen  aber  die  einer  bestimmten  Feldintensität  entsprechenden 
Endbeträge  und  die  Zeitkonstanten  verschieden  sind.  Also: 

wobei  S)J  der  Differentialgleichung  genügt: 

ät 
Im  stationären  Endzustande  bei  @  =:  g^,  und  /  =  oo  wird: 

Wird  ein  Kondensator  zur  Zeit  /z=0  plötzlich  geladen,  so 
ist  der  Rückstandsstrom  gegeben  durch: 


47C    dt 

Die  Zeitfunktion  /(/),  die  den  Abfall  des  Rückstands- 
stromes darstellt,  ist  also  durch  eine  Summe  von  einfachen 
Exponentialfunktionen  gegeben.  Da  jede  Funktion,  die  stetig 
abnimmt  und  deren  sämtliche  Ableitungen  ebenfalls  stetig 
abnehmen,  mit  beliebiger  Annäherung  durch  eine  solche  Summe 
von  Exponentialfunktionen  darstellbar  ist,  genügt  die  modi- 
fizierte Theorie  jeder  empirisch  gefundenen  Form  für  /(/), 
welche  obiger  Bedingung  bezüglich  der  Derivierten  entspricht. 


1054  E.  V.  Schwcidler, 

Die  Gesetze  der  Superposition  bei  beliebig  veränderlicher 
Feldintensität  @/  gelten  natürlich  für  die  Summe  der  Exponen- 
tialfunktionen ebenso  wie  für  die  einzelne  im  früheren  Falle  der 
Pellat'schen  Theorie.  Speziell  für  einfach  periodische  Wechsel- 
felder ergibt  sich: 

g)^sin^^.Ar@o(i  +  Ss,        ^-^^      ) 


—  cos Ä@oSs/ 


4ic«-4-a?t« 


und  analog  wie  früher  für  die  scheinbare  Kapazität  und  die 
scheinbare  Leitfähigkeit  Ausdrücke,  die  nur  durch  die  Ein- 
fügung des  Summenzeichens  £  modifiziert  sind. 

Diese  Formeln  lassen  sich  nun  noch  in  anderer  Weise 
darstellen.  Statt  einer  endlichen  Anzahl  von  Gliedern  der  Form 
S),-  =  Sjir®  kann  man  eine  unendliche  Anzahl  annehmen,  deren 
Zeitkonstanten  a^-  kontinuierlich  zwischen  den  Werten  0  und  oo 
abgestuft  sind.  An  Stelle  der  Sättigungswerte  ZiK®  tritt  dann 
eine  Funktion  K®e(a)dcL,  die  angibt,  welcher  Betrag  vom  ge- 
samten Verschiebungsvektor  auf  jene  Bestandteile  entfällt, 
deren  Zeitkonstanten  zwischen  den  Grenzen  a  und  a-k-da  liegen, 
analog  wie  man  z.  B.  in  der  Theorie  der  Strahlung  die  Inten- 
sitätsverteilung über  verschiedene  Wellenlängen  X  darstellt 
durch    eine   Funktion   /(X)    und    die   Gesamtintensität   setzt: 

y  =  r"/(X)^x. 

Die  obigen  Gleichungen  nehmen  dann  folgende  Form  an: 
Im  stationären  Zustande  für  /=oo  bei  konstanter  Feldstärke  6^: 


Tba.=K^ 


oli  +  f^'eC«)^«}; 


bei  plötzlicher  Einschaltung  eines  Feldes  (Sq  zur  Zeit  /=:0: 


%t=Ki&A\  +  C'"  i{a){i—er-<^d<X 


.__ 1    d%t 

~       4jt    dt 


=  /({)=~®S'"a.B(a)e-"da; 
4«     Jo 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1055 


bei  einfach  periodischem  Felde  (S  =  (^  sin 


_cos ureJ  y    doL 

Man  kann  nun  auch  umgekehrt  die  Forderung  stellen,  die 
Funktion  e(a)  zu  bestimmen,  wenn  z.  B.  der  zeitliche  Verlauf 
des  Rückstandstromes  i  =^f{t)  empirisch  ermittelt  ist. 

Es  vvoirde  bereits  erwähnt,  daß  empirisch  mit  großer 
Annäherung  sich  die  Formel  i  =:f(f)  ==  b^.t~-^  ergibt. 

Aus  der  Gleichung: 


4ä  Jo 


.t(a)e-''^da  =  h,t-* 


erhält  man  dann:^ 


a.s(a)  z=, •  ar^^  *^> 

K     r(i— w) 

oder 

e  (a)  =: a~"^^~*>. 

K       T(l  —  n) 

Da  w<l,  also  (2 — n)  positiv  ist,  wird  für  a=0  die  Funk- 
tion 6(a)=  oo;  auch  müßte  im  stationären  Zustande  die  durch: 


3)oo-ir^   1  + 


-|       s(a)da 

Jo  I 


gegebene   Verschiebung   unendlich   groß   werden,   und   zwar 
durch  die  Integration  von  Null  bis  zu  einem  beliebig  kleinen  04, 

endlich   bleibt.  Es  wurde  bereits  im  Teile  I, 
_ 
Abschnitt  1,  p.  1024,  erwähnt,  daß  die  Annahme  exakter  Gültigkeit 

der  empirischen  Näherungsformel  iz=b.t~^  zu  unwahrschein- 
lichen Konsequenzen  führt.  Nimmt  man  an,  daß  für  sehr  große 


1  Vergl.  Serret,  Differential-  und  Integralrechnung,  III/l,  p.  190. 


1056  E.  V.  Schweidler, 

Zeiten  diese  Formel  nicht   mehr  gilt,  sondern    daß   dann  die 

Xoo 
idt  endlich 

bleibt,  so  ist  dann  auch  die  Funktion  8(a)  zu  modifizieren,  und 
zwar  gerade  in  jenem  Gebiet,  für  welches  ai=:0  oder  sehr 
klein  ist;  denn  der  Rückstandsstrom  nach  sehr  langer  Zeit 
(/  groß)  ist  bedingt  durch  jene  Bestandteile  der  viskosen  Ver- 
schiebung, die  sich  sehr  langsam  ändern  (a  sehr  klein).  Es 
genügt  also  im  Intervalle  von  a  zu  0  bis  «1=0^,  wo  a^  sehr 
klein  sein  kann,  e(a)  durch  eine  andere  Funktion  als  die  oben 

angegebene  zu  ersetzen,  die  der  Bedingung  genügt:  |  e(a)  Ja 
=  endlich,  für  a<a^  aber  die  obige  Form  beizubehalten;  das 

Xoo 
e(a)da  endlich  bleibt  und  daß  die  Strom- 

/»oo 

stärke  i  z=:\      ci.z{(£)e~^da  bis  zu  großen  Werten  von  /  durch 

die  Formel  i-=,hJ^^  dargestellt  wird,  erst  dann  rascher  als 
nach  dieser  Formel  gegen  Null  konvergiert  und  daß  die  »Rück- 

Standsladung«     1       idt  endlich  bleibt.  Für  die  Vorgänge,  die 


Xoo 


sich  im  periodisch  wechselnden  Felde  abspielen,  ist  die  Form 
der  Funktion  e(a)  für  kleine  Werte  des  Argumentes  unwesent- 
lich, solange  die  Periodendauer  t  nicht  sehr  groß  wird,  da 
die  dabei  auftretenden  Koeffizienten  A  und  B  durch  Integration 
von  Produkten  ae(a),  beziehungsweise  a*s(a)  entstehen,  somit 
die  Integration  im  Intervall  von  0  bis  04  (04  sehr  klein)  Beträge 
liefert,  die  unendlich  klein  von  der  ersten,  beziehungsweise 
zweiten  Ordnung  sind. 

Die  Charakterisierung  eines  Dielektrikums  erfolgt  also 
nach  der  modifizierten  Pellat'schen  Theorie  folgendermaßen: 

Außer  der  Dielektrizitätskonstante  K  und  dem  spezifischen 
Leitvermögen  X  des  Mediums  ist  noch  eine  Funktion  8(a)  im 
Bereich  a  =1 0  bis  a  =  00  anzugeben ;  das  Integral 


X 


00 

a.z(a)e-^daL=f{t) 
0 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1057 

liefert  dann  das  Gesetz  des  zeitlichen  Verlaufes  des  Rückstands- 
stromes; umgekehrt  kann  die  Funktion  8(a)  aus  der  empirisch 
gefundenen  Funktion /(/)  ermittelt  werden.  Vermöge  der  Gültig- 
keit des  Superpositionsprinzipes,  die  sich  aus  den  Annahmen 
der  Theorie  ergibt,  lassen  sich  dann  die  Gesetze  des  Strom- 
verlaufes bei  beliebig  variierender  Feldintensität  prinzipiell  ab- 
leiten, also  insbesondere  die  Vorgänge  im  Wechselfelde:  die 
scheinbare  Kapazitätsänderung  bei  Variation  der  Periode  und 
die  in  Wärme  umgewandelte  Energie,  ferner  die  damit  zu- 
sammenhängenden ponderomotoristhen  Kräfte,  die  ein  Dielek- 
trikum bei  relativer  Rotation  zu  einem  konstanten  elektrischen 
Felde  erfährt. 

Die  Fassung  dieser  erweiterten  Theorie  ist  also  allgemein 
genug,  um  beliebige  empirisch  gefundene  oder  noch  zu 
findende  Formen  des  zeitlichen  Verlaufes  der  Rückstands- 
bildung darstellen  zu  können,  und  präzisiert  genug,  um  die 
quantitative,  nicht  bloß  qualitative  Ableitung  der  übrigen  Haupt- 
formen anomalen  Verhaltens  aus  der  Rückstandsbildung  zu 
ermöglichen. 

Bloß  in  einem  Detail  ergibt  sich  ein  Widerspruch  zwischen 
den  Resultaten  der  theoretischen  Ableitung  und  dem  direkten 
Ergebnis  des  Experimentes;  die  im  Wechselfelde  umgewandelte 
Energie  und  damit  die  Drehungsmomente  im  rotierenden  Felde 
müssen  nach  der  Theorie  proportional  dem  Quadrat  der  Feld- 
intensität sein,  während  von  einigen  Beobachtern  eine  andere 
Beziehung  (proportional  ©*»,  wo  «  zu  1  -5  bis  1  '96,  vergl.  p.  1028 
und  1029)  gefunden  wurde.  In  diesen  Fällen  spielt  vielleicht  die 
anomale  Art  der  Leitung  mit,  deren  Effekte  sich  über  die  der 
dielektrischen  Nachwirkung  überlagern. 

b^.)    Molekulartheoretische    Bedeutung    der    modifi- 
zierten Pellat'schen  Theorie. 

Die  Zerlegung  des  tatsächlich  vorhandenen  Verschiebungs- 
vektors S)  in  eine  beliebig  große  Anzahl  von  Teilbeträgen,  die 
alle  einer  bestimmten  Differentialgleichung  genügen,  aber  für 
die  darin  enthaltenen  Parameter  a  und  s  verschiedene  Werte 
aufweisen,  erscheint  auf  den  ersten  Blick  als  eine  gekünstelte. 


1058  E.  V.  Schweidler, 

rein  mathematische  Fiktion,  die  schließlich  nur  darauf  hinaus- 
läuft, für  die  Darstellung  einer  komplizierten  empirisch 
gegebenen  Funktion  beliebig  viele  Konstanten  einzuführen.  Es 
soll  nun  gezeigt  werden,  wie  diese  Fiktion  einer  einfachen 
physikalischen  Interpretation  fähig  ist. 

In  der  vormaxwellschen  Zeit  wurden  die  dielektrischen 
Erscheinungen  gedeutet  als  bedingt  durch  die  Einlagerung 
kleiner  (molekularer)  leitender  Teilchen;  diese  Anschauung 
gipfelt  in  der  bekannten  Clausius-Mosotti'schen  Theorie. 

Eine  Zeit  lang  wurden  durch  die  MaxwelFsche  Formulierung 
der  Grundgleichungen  die  molekularphysikalischen  Betrach- 
tungsweisen auf  dem  Gebiete  der  Dielektrika  ganz  zurück- 
gedrängt. 

Die  Anschauungen  der  modernen  Ionen-  und  Elektronen- 
theorie führten  aber  solche  wieder  ein,  und  zwar  konnten  die 
Vorstellungen  der  alten  Theorie  mit  leichten  Modifikationen 
wieder  verwendet  werden.  Anstelle  des  leitenden  Partikels 
oder  Moleküls  —  grob  versinnlicht  durch  eine  kleine  Metallkugel 
in  einem  isolierenden  Medium  eingebettet  —  tritt  das  aus  ent- 
gegengesetzt geladenen  Ionen  (negatives  Elektron  und  positives 
Restatom)  bestehende  Molekül.  Die  relative  Verschiebbarkeit 
der  beiden  Bestandteile  ersetzt  die  Leitung  im  alten  Sinne.  Die 
Moleküle  als  lonenkomplexe  können  nun  auch  als  »Resona- 
toren« aufgefaßt  werden,  indem  die  aus  der  Gleichgewichtslage 
gebrachten  Ionen  eine  bestimmte  Dauer  der  Eigenschwingung 
besitzen.  Die  Erscheinungen  der  normalen  und  anomalen 
Dispersion  elektrischer  Wellen  sowie  die  damit  zusammen- 
hängende Absorption  werden  in  der  modernen  Theorie  von 
diesem  Gewichtspunkte  aus  behandelt. 

Es  liegt  nun  nahe  anzunehmen,  daß  neben  Molekülen, 
deren  Ionen  eine  Eigenschwingung  von  bestimmter  Dauer  und 
bestimmtem  Dämpfungsverhältnis  bedingen,  auch  solche  vor- 
handen seien,  bei  denen  die  Dämpfung  so  groß  ist,  daß  an  Stelle 
einer  Schwingung  eine  aperiodisch  gedämpfte  Bewegung 
auftritt.  Unter  dem  Einfluß  eines  plötzlich  auftretenden,  dann 
konstant  bleibenden  elektrischen  Feldes  stellt  sich  dann  der 
neue  Gleichgewichtszustand  derart  her,  daß  die  Abweichung 
von  diesem  nach  einer  Exponentialfunktion  e-^  abnimmt. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1059 

Die  molekularphysikalische  Deutung  der  Pellat'schen  Theorie 
wäre  daher  folgende:  Neben  den  Molekülen,  die  als  Resonatoren 
mit  bestimmter  (sehr  kleiner)  Schwingungsdauer  einem  relativ 
langsam  veränderlichen  elektrischen  Felde  ohne  merkliche 
Phasendiflferenz  Folgen,  sind  in  einem  anomalen  Dielektrikum 
auch  Moleküle  vorhanden,  in  denen  die  Verschiebung  der 
Ionen  aperiodisch  gedämpft  erfolgt,  und  zwar  so,  daß  die 
Konstante  a  der  obigen  Formel  für  alle  Moleküle  den  gleichen 
Wert  besitzt.  Die  Größe  e  gibt  an,  in  welchem  Verhältnis  der 
Verschiebungsfluß  dieser  aperiodisch  gedämpften  Moleküle  zu 
dem  der  oszillatorisch  beweglichen  steht. 

In  der  modifizierten  Theorie  wird  angenommen,  daß  nicht 
eine  Gattung  solcher  aperiodisch  gedämpfter  lonenkomplexe 
mit  bestimmter  Zeitkonstante  a  vorhanden  sei,  sondern  eine 
große  Anzahl  verschiedener  Gattungen  mit  verschiedenen 
Werten  ihrer  Zeitkonstanten  Oj,  die  in  verschiedener  Anzahl 
(proportional  Si)  pro  Volumeinheit  vorhanden  sind. ' 

Eventuell  kann  man  die  möglichen  Werte  der  Dämpfung 
als  kontinuierlich  abgestuft  auffassen  und  die  Funktion  e(a)  gibt 
an,  nach  welchem  Gesetze  die  Häufigkeit  der  von  0  bis  oo 
variierenden  a-Werte  verteilt  ist. 

Der  Zerlegung  einer  empirisch  gegebenen  Funktion  in 
eine  Summe  einfacher  Exponentialfunktionen  entspricht  daher 
physikalisch  eine  Sonderung  der  Wirkungen,  die  von  ver- 
schiedenen Gruppen  unter  sich  gleichartiger  Moleküle  hervor- 
gebracht werden. 


III.  Teil. 

Experimentelle  Beiträge  zur  Untersuchung  der  Rüok- 

standsbildung. 

1.  Versuchsanordnung. 

Um  den  Rückstandsstrom  bezüglich  seines  zeitlichen 
Verlaufes,  seiner  Abhängigkeit  von  Ladungsdauer,  elektromoto- 
rischer Kraft,  Temperatur  etc.  zu  untersuchen,  wurde  die 
Methode  der  direkten  galvanometrischen  Messung  angewendet. 

Sitzb.  der  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  70 


1060 


E.  V.  Schweidler, 


Das  benutzte  Instrument  war  ein  hoch  empfindliches  Dreh- 

Spulengalvanometer,  dessen  Reduktionsfaktor  3  •  19 .  lO"^"*  

betrug;  hieraus  und  aus  der  Schwingungsdauer  und  Dämpfung 
der  Spule  berechnete  sich  der   ballistische  Reduktionsfaktor 

Ch 


zu  1-34. 10-» 


pars 


l  p2C2J5rcr|  ] 


Erd» 


7 


'B 


R 

TT?. 


Nebenstehende  Skizze  zeigt  die  Schaltung  an;  der  zu 
untersuchende  Kondensator  K  ist  einerseits  mit  einem  Punkt 
von  konstantem  Potential  +  £  verbunden,  andrerseits  über  das 

Galvanometer  G  zur 
Erde  abgeleitet.  Um  den 
heftigen  Ausschlag  des 
Galvanometers  beim 
Ein-  oder  Ausschalten 
der  elektromotorischen 
Kraft  E  zu  vermeiden, 
ist  ein  Schlüssel  S\  als 
Kurzschluß  der  Gal- 
vanometerleitung an- 
gebracht; zugleich  ge- 
stattete es  dieser 
Schlüssel  in  Verbin- 
dung mit  dem  Schlüssel 
Sil  jederzeit,  ohne  Unterbrechung  des  den  Kondensator  durch- 
fließenden Stromes,  den  Nullpunkt  zu  prüfen.  Bei  Anwendung 
kleiner  Werte  von  E  konnte  bei  geöffnetem  Schlüssel  S\  aus 
dem  ballistischen  Ausschlage  die  Kapazität  des  Kondensators  K 
bestimmt  werden. 

Da  in  verschiedenen  Versuchsreihen  sehr  verschiedene 
Meßbereiche  nötig  waren,  wurden  diese  nach  Bedarf  geändert. 
Eine  Erhöhung  des  Meßbereiches  (Erniedrigung  der  Empfind- 
lichkeit) auf  das  Zehn-,  Hundert-  oder  Tausendfache  des 
normalen  Wertes  wurde  in  der  üblichen  Weise  durch  Anlegen 
von  Shunts  zur  Galvanometerspule  bewerkstelligt.  Um  den 
Meßbereich  auch  auf  schwache  Ströme  (von  etwa  lO"*  A  ab- 
wärts bis  10*^*  -4),  die  einen  für  genauere  Messung  zu  geringen 
Ausschlag  erzeugten,  auszudehnen,  wurde  folgende  Versuchs- 


Pig.  4. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


1061 


anordnung  getroffen:  Die  über  das  Galvanometer  zur  Erde 
führende  Stromleitung  kann  durch  einen  Schlüssel  SIII  unter- 
brochen werden.  Parallel  zu  dieser  Leitung  ist  eine  zweite 
geschaltet,  die  einen  Glimmerkondensator  GK  von  1  Mikrofarad 
Kapazität  enthält.  Der  Glimmerkondensator  nimmt  dann  während 
der  Unterbrechungsdauer  T  infolge  des  (als  konstant  voraus- 
gesetzten) Stromes  i  die  Ladung  i  T  an,  welche  durch  Schließen 
von  SIII  aus  dem  ballistischen  Ausschlag  ermittelt  werden  kann. 
Ein  Strom,  der  einen  Dauerausschlag  von  1  pars  bewirkt,  gibt  pro 
Sekunde  der  Unterbrechungszeit  einen  ballistischen  Ausschlag 


£rdt< 


•Ar 


_ — o 


^-v^  -^ 


JEWfe-4- 


CJ^ 


lg.  0. 


von 


1 


4-21 


partes,  also  bei  500  Sekunden  Unterbrechungszeit 


einen  Ausschlag  von  119  partes,  d.  i.  eine  Erhöhung  der 
Empfindlichkeil  auf  das  rund  120fache  der  normalen.  Infolge 
der  großen  Kapazität  des  Glimmerkondensators  bleibt  das 
Potential  der  aufgeladenen  Belegung  auch  nach  längerer  Zeit 
klein,  z.  B.  0*16  Volt  nach  500  Sekunden  im  früheren 
Beispiel,  so  daß  die  den  Strom  i  unterhaltende  elektromotori- 
sche Kraft  E  (gewöhnlich  100  bis  300  Volt)  praktisch  als 
konstant  betrachtet  werden  kann.  Der  Ladungsverlust  durch 
Leitung  und  Rückstandsbildung  im  Glimmerkondensator  selbst 
war  zu  vernachlässigen. 

Unmittelbar  nach  der  Ein-  oder  Ausschaltung  der  elektro- 
motorischen Kraft  ist  die  zeitliche  Änderung  des  Rückstands- 
stromes eine  so  rapide,  daß  das  infolge  seiner  starken  Dämpfung 

70* 


1062 


E.  V.  Schweidler, 


träge  Galvanometer  eine  Messung  der  zu  einer  bestimmten 
Zeit  vorhandenen  Stromstärke  durch  den  gleichzeitig  beob- 
achteten Ausschlag  unmöglich  macht;  erst  nach  etwa  einer 
halben  Minute  kann  der  —  nun  langsamer  abnehmende  —  Aus- 
schlag als  Maß  des  Stromes  angesehen  werden.  Um  nun  auch 
kurz  nach  Stromschluß  wenigstens  einen  Wert  der  Strom- 
stärke zu  bestimmen,  wurde  folgende  Schaltung  angewendet: 
Parallel  dem  Galvanometer  liegt  eine  Leitung,  die  den 
Schlüssel  SI  und  einen  Widerstand  W^  {W^  =  1  Ohm)  enthält. 
An  den  Enden  des  Widerstandes  W^  liegt  wieder  eine  Leitung, 


Srdt 


^WWvW- 


l-<" 


m 


"i 


M 


u 


— o 


— ^vwvvv^A/V^AA^ — ^ 


Fig.  6. 


die  einen  Akkumulator  A  und  einen  Regulierwiderstand  R 
enthäli.  Das  Verfahren  ist  folgendes:  Durch  einen  Vorversuch 
wird  auf  dem  Wege  der  Extrapolation  ungefähr  ermittelt, 
welche  Stromstärke  zu  einer  bestimmten  Zeit  ^^  nach  Ein- 
schaltung der  elektromotorischen  Kraft  im  Galvanometer  zu 
erwarten  ist.  Beim  zweiten  definitiven  Versuche  bleibt  Sl 
zunächst  geschlossen;  der  Akkumulator  A  entsendet  einen 
Zweigstrom  (Hilfsstrom)  in  das  Galvanometer,  der  durch 
Variation  des  Regulierwiderstandes  R  auf  eine  beliebige  Größe 
gebracht  werden  kann  und  einen  konstanten  Ausschlag  a 
hervorruft.  Nun  wird  zur  Zeit  /  m  0  im  Hauptkreis  die  elektro- 
motorische Kraft  E  eingeschaltet;  da  Sl  geschlossen  ist  und 
W^  (1  Ohm)  gegenüber  dem  Widerstände  der  Galvanomeier- 
spule  (10.000  Ohm)   immer   noch   als    Kurzschluß   aufgefaßt 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


1063 


werden  kann,  geht  der  normale  Laäungsstrom  und  der  mit 
hohen  Anfangswerten  einsetzende  Rückstandsstrom  /  zunächst 
über  Sl  und  W^  zur  Erde,  während  im  Galvanometer  der  Hilfs- 
strom den  konstanten  Ausschlag  a  erhält.  Zu  jener  Zeit  t  zz  Z^, 
für  welche  auf  Grund  des  Vorversuches  zu  erwarten  ist, 
daß  i=:  a  ist,  wird  der  Schlüssel  51  geöffnet.  Es  wird  damit 
gleichzeitig  der  Hilfsstrom  a  unterbrochen  und  der  zu  messende 
Strom  /  über  das  Galvanometer  geleitet.  War  wirklich  im 
Momente  der  Unterbrechung  i  =r  a,  so  bleibt  in  diesem 
Momente  die  abgelenkte  Galvanometerspule  im  Gleichgewichte, 
um  dann  der  Abnahme  von  i  entsprechend  ihren  Ausschlag  zu 
verringern;  war  aber  im  Momente  der  Unterbrechung  i  größer 
oder  kleiner  als  a,  so  erfolgt  auch  eine  stoßartige  Vergrößerung 
oder  Verkleinerung  des  Ausschlages..  Auf  diese  Weise  kann 
also  die  Stromstärke  i  bestimmt  werden  für  eine  relativ  kurze 
Zeit  (in  praxi  etwa  10  Sekunden)  nach  Stromschluß, 

2.  Versuchsresultate. 

Zunächst  soll  in  drei  Beispielen  (Versuchsreihen  1,  2 
und  3)  der  auf  p.  1022  besprochene  Unterschied  der  beiden 
Typen  anomalen  Ladungsstromes  gezeigt  werden. 


Versuchsreihe  1. 

Zylinderkondensator  mit  Petroleum  gefüllt;  t  Zeit  in 
Sekunden  von  Stromschluß  an  gerechnet,  E  Potentialdifferenz 
in  Volt,  i  beobachteter  Strom  in  Skalenteilen,  a  stationärer 
Endwert  desselben,  y  gegeben  durch  i  —  a. 

Von  /=:0  bis  ^  =  1000;  £=300  Volt;  für />  1000:  E  =  0, 


t 

• 

f 

y 

t 

■ 

1 

y 

0 

^.^ 

180 

126-3 

0-8 

15 

240 

114-5 

240 

126 

0-5 

30 

188 

62-5 

300 

126-2 

0-7 

45 

168 

42-5 

660 

125-5 

00 

60 
90 

151 
134 

25-5 
8-5 

900 

125-5 

0-0 

1000 

— 

120 

129 

3-5 

1020 

0-2 

— 0-2 

150 

127 

1-5 

1060 

0-1 

Ol 

1064 


E.  V.  Schweidler, 


Versuchsreihe  2. 

Plattenkondensator  mit  Toluol  gefüllt;  Bezeichnung  wie 
bei  1. 

/  =  0  bis  /zi=3600  sec:  £=200  Volt;  />3600  sec:  £=0  Volt. 


t 

• 

t 

y 

i 

t 

y 

0 

.__ 

300 

110 

32 

30 

875 

297 

360 

105 

27 

60 

260 

182 

420 

101 

23 

90 

182 

104 

480 

99 

21 

120 

155 

77 

540 

95 

17 

150 

140 

62 

600 

94 

16 

180 

130 

52 

3600  1 

V 

78 

00 

240 

117 

39 

3650 

—0-5 

0-5 

Versuchsreihe  3. 

Glaskondensator   (Eprouvette,   als  Belegungen   innen 
und  außen  Schwefelsäure);  Bezeichnung  wie  früher. 

Von  /  =  0  bis  /  =:  900  sec:  £=300  Volt;   für  />900  sec: 

E=0  Volt, 


0 

10 

20 

30 

50 

80 

100 

150 

600 

890 


22 

16 

12-6 

111 
9-1 
9-0 
80 
60 
60 


n  =  h— ^ 


16 

10 
6-6 
51 
31 
30 
20 
00 
00 


-    I 


«2  =  ^2 


900 

910 

920 

930 

950 

980 

1000 

1050 

1500 

ISOO 


18 
9-8 
7-3 
5-0 
3-9 
31 
20 
00 
00 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1065 

Das  Resultat  ist  also,  daß  in  den  Versuchsreihen  1  und  2 
der  Strom  allmählich  auf  einen  stationären  Endwert  abnimmt, 
nach  Ausschaltung  der  elektromotorischen  Kraft  aber  ein  Strom 
merklicher  Intensität  überhaupt  nicht  vorhanden  ist,  daß 
dagegen  in  der  Versuchsreihe  3  zunächst  analog  wie  in  den 
ersten  beiden  Fällen  eine  Abnahme  des  Stromes  erfolgt,  nach 
Ausschaltung  der  elektromotorischen  Kraft  aber  ein  entgegen- 
gesetzt gerichteter  Strom  auftritt,  dessen  Stärke  innerhalb 
der  Beobachtungsfehler  der  Größe  y^y  d.  i.  dem  Überschusse 
des  Stromes  i\  über  seinen  stationären  Endwert,  gleich  ist. 

Die  Kurventafeln  I,  II  und  III  geben  ein  Bild  von  den 
Gesetzen  des  zeitlichen  Verlaufes  der  variablen  Bestandteile 
y  =:  i — a\  die  Abszissen  stellen  log  ^,  die  Ordinaten  log  y  dar; 
für  II  und  III  erhält  man  angenähert  Gerade:  also  da 

\Qgy  =  Const — n  log  / 
daraus 

y  =  B,  /-«. 

Für  I  dagegen  tritt  an  Stelle  einer  Geraden  eine  stark  nach 
abwärts  gekrümmte  Kurve,  die  allerdings  dann  in  eine  Gerade 
überzugehen  scheint. 

Trotz  der  mehr  oder  weniger  großen  Analogie  in  der  Form 
des  zeitlichen  Ganges  sind  die  Fälle  1  und  2  scharf  zu  sondern 
von  3.  Bei  1  und  2  liegt  ein  nicht  reversibler  anomaler 
Ladungsstrom  vor,  der  theoretisch  auf  die  Eigenschaften  eines 
Mediums  mit  lonenleitung  zurückgeführt  werden  kann. 
Bei  3  liegt  ein  reversibler  anomaler  Strom,  also  eigentliche 
Rückstandsbildung  vor.  Bei  flüssigen  Dielektrikas  ist  vom 
Verfasser  immer  nur  der  erste  Typus  konstatiert  worden,  bei 
festen  Dielektrikas  der  zweite. 

Die  von  vielen  Beobachtern  (vergl.  p.  1024)  gefundene  und 
durch  den  oben  angeführten  Versuch  3  bestätigte  Formel: 

für  den  zeitlichen  Verlauf  der  Rückstandsströme  wurde  bisher 
immer  nur  für  relativ  kleine  Zeitintervalle  (bis  zu  einer  Stunde 
etwa)  experimentell  geprüft. 

Die  beiden  folgenden  Versuchsreihen  erstrecken  sich  über 
weit  längere  Zeiten. 


1066 


E.  V.  Schweidler, 


Versuchsreihe  4. 

Glimmerkondensator  von  1  Mikrofarad  Kapazität, 
durch  69  Stunden  =  248400  Sekunden  auf  300  Volt  geladen; 
zur  Zeit  /  =  0  entladen;  für  den  Entladungsstrom  i^  wurde 
gefunden : 


t  (sec) 


«2  (partes) 


0 

40 

60 

100 

150 

200 

300 

600 

1000 

2000 


(149) 
104 
73 
56 

46-5 
36-0 
23-2 
17-0 
11-3 


Temperatur 
5  C  C.) 


19-2 


19-4 
19-5 


/  (sec) 


i'a  (partes) 


3000 

4000 

6150 

10000 

25000 

100000 

110000 

346500 

520000 


8-8 

7-0 

5-30 

3-92 

2-06 

0-64 

0-58 

0130 

0-080 


Temperatur 

5  C  C.) 


I 


19-6 
19-7 
19-8 
20-0 
20-4 
21-2 
20-6 
21-6 
22-8 


Die  graphische  Darstellung  gibt  bis  zu  zirka  /  =  10000  sec 
(log  /  :=  4'0)  einen  linearen  Verlauf,  also  Gültigkeit  der  obigen 
Formel;  für  />  100000  fällt  der  Strom  rascher,  als  es  der 
Formel  entspricht.  Doch  kann  daraus  noch  nicht  auf  ihre 
Ungültigkeit  für  hohe  Werte  von  /  geschlossen  werden. 

Der  Voraussetzung  nach  sollte  die  Formel  i  =5/~*  gelten 
für  den  anomalen  Ladungsstrom  sowie  für  den  Entladungs- 
strom dann,  wenn  der  Kondensator  unendlich  lange  Zeit 
vorher  auf  konstanter  Potentialdifferenz  geladen  gehalten  wurde. 
Nach  endlicher  Ladungsdauer  8  ist  nach  dem  Superpositions- 
prinzipe  zu  erwarten,  daß  der  Entladungsstrom 

,,  =/(/)-/(^+8)  =  5[/-«-(/+8)-]. 

Da  im  vorliegenden  Falle  8  zwar  groß  (rund  250000  sec),  aber 
nicht  unendlich  ist,  so  wird  beim  Entladungsstrom  das  Glied 
(/+8)'~'*  für  kleine  Werte  von  /  zu  vernachlässigen,  für  große 
Werte  von  /  aber  merklich  sein. 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


1067 


Eine  Beobachtung  des  über  den  eventuellen  konstanten 
Leitungsstrom  übergelagerten  Ladungsstromes,  die  direkt 
/(/)  gegeben  hätte,  mußte  aus  praktisch-technischen  Gründen 
unterbleiben:  die  elektromotorische  Kraft  —  durch  Abzweigen 
vom  Straßenstrom  erhalten  —  war  nicht  vollkommen  konstant^ 
so  daß  ihren  Variationen  entsprechende  normale  Ladungs-  und 
Entladungsströme  sich  über  den  zu  beobachtenden  Strom  über- 
lagerten und  unregelmäßige,  sehr  bedeutende  Schwankungen 
des  Ausschlages  hervorriefen. 


Versuchsreihe  5. 

Paraffinpapierkondensator  von  5  Mikrofarad  Kapa- 
zität, durch  6  Tage  und  5  Stunden  =  450000  Sekunden  auf 
300  Volt  geladen;  zur  Zeit  /z=0  entladen;  für  den  Entladungs- 
strom lg  wurde  gefunden: 


/  (sec) 


0 

60 

100 

120 

180 

200 

300 

600 

1000 

1500 

3000 

10000 

93000 

250000 

332000 

508500 

768600 

1-20.10« 


1*2  (partes) 


22500 
19000 
11200 
8580 
8080 
6360 
4550 
3640 
3090 
2420 
1640 

748 

596 

491 

403 

287 

186-5 


Temperatur 

ä  C  c.) 


/  (sec) 


20-4 


21-0 
20-6 
19-8 
22-6 
21-4 
22-4 

19-8 


1-48.106 

1-72.106 

1-80.106 

2-08.106 

2-17.106 

2-33.106 

2-42.106 

2-51.106 

2-68.106 

3-11.106 

3-19.106 

3-72.106 

10-89.106 

11-69.106 

12-11.106 

15-97.106 

15-98.106 


fg  (partes) 


154-5 

162 

155 

155 

139 

186-5 

201-5 

213 

202 

202 

209 

170 
17-0 
16-0 
13-1 
8-2 
18-0 


Temperatur 
^  (•  C.) 


18-4 
20-2 
19-7 
20-0 
19-0 
22-8 
23-6 
24-2 
24-4 
26-0 
270 

17-2 
18-0 
14-0 
12-8 
18-8 


1068  E.  V.  Schweidler, 

Wie  die  graphische  Darstellung  (Kurventafel  V)  zeigt,  ist 
hier  die  obige  Formel  weniger  gut  erfüllt;  log  i  fallt  zuerst 
rascher  (entsprechend  n=i0*86),  dann  langsamer  (entsprechend 
«i=0-34);  für  große  Werte  von  /  (/>  100000)  vidrd  der  Gang 
ganz  unregelmäßig,  in  offenbarem  Zusammenhang  mit  Tempe- 
raturschwankungen. Erhöhter  Temperatur  entsprechen  höhere 
Stromwerte.  Nach  mehr  als  einem  halben  Jahre  (/=  16  Millionen 
Sekunden)  ist  der  Rückstandsstrom  noch  sehr  merklich;  da  die 
zeitliche  Änderung  nun  eine  sehr  langsame  ist,  kommen  die 
Temperatureinflüsse  rein  zur  Geltung.  Einer  Erhöhung  der 
Temperatur  von  12*8*C.  auf  18*8'  C.  entspricht  ein  Anwachsen 
der  Stromstärke  von  8-2  auf  18*0  partes. 

Im  Anschluß  hieran  seien  einige  Versuche  über  die  Be- 
einflussung der  Rückstandsbildung  in  Glas  durch  die  Tempe- 
ratur mitgeteilt. 

Versuchsreihe  6. 

Glaskondensator,  bestehend  aus  Kochkolben,  Be- 
legungen innen  und  außen  Schwefelsäure;  in  fünf  Versuchen 
bei  verschiedenen  Temperaturen  wurde  der  Entladungsstrom 
gemessen,  nachdem  der  Kondensator  in  allen  fünf  Fällen  durch 
eine  Zeit  8  =1800  sec  auf  300  Volt  geladen  worden  war.  Die 
Temperaturen  betrugen: 

heia) *=  18*  C 

b) 30 

c) 38 

d) 40 

»    e) 47 

Unter  Hinweglassung  der  zugehörigen  Zahlentabellen  sei 
direkt  auf  die  graphische  Darstellung  in  Taf  VI  verwiesen. 

Es  ergibt  sich,  daß  die  Kurven  log  i  =/(log/)  angenähert 
Gerade  von  gleicher  Neigung  sind,  aber  um  so  höher  liegen, 
je  größer  die  zugeordnete  Temperatur  ist.  Es  gilt  also  auch 
angenähert  die  Formel  izziB.t—^,  und  zwar  ist»  durch  die 
Temperatur  nicht  wesentlich  beeinflußt,  während  B  mit 
steigender  Temperatur  zunimmt. 


» 
» 
» 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielekti'ika.  1069 

Mit  Steigender  Temperatur  nimmt  also  der  Rückstands- 
strom zu,  ohne  die  Form  des  zeitlichen  Verlaufes  erheblich 
zu  ändern. 

Die  folgende  Versuchsreihe  enthält  eine  Prüfung  des 
Superpositionsprinzipes.Wird  ein  Kondensator  unter  sonst 
gleichen  Bedingungen  (gleiche  elektromotorische  Kraft,  gleiche 
Temperatur)  bei  variabler  Ladungsdauer  8  geladen  und 
dann  der  Entladungsstrom  gemessen,  so  sollte  bei  Gültigkeit 
des  Superpositionsprinzipes  die  Gleichung  erfüllt  sein: 

i=.J5/-'»— 5(/+8)-«. 

Versuchsreihe  7. 

Glimmerkondensator  von  1  Mikrofarad  Kapazität; 
£  =  300  Volt,  8  respektive  gleich  2,  10,  60,  600,  1800, 
250000  Sekunden.  Die  graphische  Darstellung  in  Kurven- 
tafel VII. 

Eine  tabellarische  Zusammenstellung  der  beobachteten 
und  der  berechneten  Werte  von  i  gibt  die  Tabelle  auf  p.  1070. 

Die  beobachteten  und  die  berechneten  Werte  stimmen  für 
8  z=  60  sec  und  8  =  600  sec  gut  überein  (für  8  =  250000  sec 
ist  die  ausgeglichene  Kurve  der  beobachteten  Werte  als  be- 
rechnete eingesetzt,  daher  die  Übereinstimmung  selbstverständ- 
lich); im  übrigen  ist  zwar  die  Größenordnung  dieselbe,  die 
Abweichung  aber  doch  eine  die  Beobachtungsfehler  über- 
steigende. 

Dabei  ist  aber  zu  berücksichtigen,  daß  für  kleine  Ladungs- 
zeiten (8  =z  2  sec  und  10  sec)  der  eingesetzte  Wert  von  8 
ungenau  ist,  ferner  daß  in  den  verschiedenen  Messungsreihen 
nicht  dieselbe  Temperatur  zu  erzielen  war,  was  ebenfalls  Vor- 
aussetzung der  exakten  Übereinstimmung  ist. 

Weitere  Versuche  prüfen  die  Richtigkeit  der  Annahme,  daß 
bei  verschiedenen  Werten  E  der  elektromotorischen  Kraft  die 
zugehörigen  Werte  von  B  in  der  Formel  i=:BJ-^  der  elektro- 
motorischen Kraft  proportional  sind. 

Versuchsreihe  8. 

Glimmerkondensator  von  1  Mikrofarad  Kapazität, 
Ladungsdauer  8  =  600  sec,  E  variabel. 


1070 


E.  V.  Schweidler, 


CO 

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S. 


1 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


1071 


Die   Versuchsergebnisse    sind   zusammengestellt    in    der 
folgenden  Tabelle: 


/  (sec) 

£  = 

10  Volt 

20  Volt 

50  Volt 

100  Volt 

300  Volt 

0 

30 

50 

60 

100 

250 

500 

1000 

4-8 

2-9 

• 

1-5 
0-53 
0-24 
0-13 

8-5 

5-3 

4-3 

2-6 

1-09 

0-56 

0-21 

22 
13-8 

Ire 

8-0 
2-83 
1-54 
0-60 

47 
29 
24-1 
150 

2-99 
1-20 

94 

77 

47 

19 
9-3 
4-7 

Die  Abweichungen  liegen  innerhalb  der  Grenzen  der  Beob- 
achtungsfehler; die  obige  Annahme  erweist  sich  also  berechtigt 
bei  Variationen  der  elektromotorischen  Kraft  im  Verhältnis 
von  1 :  30. 


Anwendung  der  experimentell  gefundenen  Resultate. 

Im  folgenden  soll  an  einem  Beispiel  gezeigt  werden,  wie 
aus  der  Untersuchung  des  Rückstandsstromes  die  dadurch  be- 
dingten Anomalien  anderer  Art  numerisch  berechnet  werden 
können. 

Aus  Versuchsreihe  4  ergibt  sich  für  einen  Glimmerkonden- 
sator von  1  Mikrofarad  Kapazität  bei  E  =i  300  Volt  für  den 
Rückstandsstrom : 

i  =z  B,t-»;  B  =  1370  partes  =:  4-38. 10-'  A 

n  =  0'64. 

Setzt  man  B  zz  C£ß,  so  erhält  man: 


ß=  1-46. 10-M  — 

\  sec 


1070  E.  V.  Schweidler, 


—  ist   somit  für 

H 


&3    ^^    ^ 

oopa>co^^►-»-* 

ooooooooo    -  //5poniDlen  Ladung 


I  I  I  I  I  ?  I  '^ 

CO 


O  P  *  * 

■ 

..y/flbaren  Kapazität  C  mit  der 
''''»'  •  '."^ü^  rf«""  form«!  (vergl.  p.  1032) 


I     I     I     I 


S,'  ßm-n)  cos  ^     ^   J 


'     '  .      "     .  ,uenz  =  10000,     C'=  1-000021  C 

.    >^'  1000  1-000046 


100 

1-000106 

10 

1-000243 

1 

1-000556 

•ht  sich  aus  der  Formel  für  den  reziproken 

i'-^*U   ^'^  ^rw  cos  (1^  ■ 


„baren   Widerstand    des  Kondensators  infolge 
sc  j 


/Bf  d«"  ...  1 


rtcVOI  s«<=»  Frequenz  =  10000,  <»  =     14.000  Ohm 

»==,,*^il  1000                61.000 

!,.^-,,  100               267.000 

^Vl  10            1,180.000 

\  .•»  1            5,150.000 

p»«<5en5  scheinbaren  Widerstand  entspricht  dann  die  analog 
4;^  j<>u!c*sche  Wärme  berechnete  Energievergeudung  im 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1073 

■isammenstellung  der  Werte  von  ß  und  w,  die  in 

für  andere  Substanzen  die  auf  Rückstands- 

nden    Phänomene   numerisch   berechnen    läßt, 

.ler  (Versuch  4)  bei  zirka  20**  C: 

P=  1-46. 10-»  (— );  «  =  0-64. 
Glas  (Eprouvette,  Versuch  3)  bei  zirka  20°  C: 

ß  =  78. 10-»  (— );  n  =  0-74. 
Glas  (Kochkolben,  Versuch  6)  bei  zirka  18°  C.: 

ß=  15-4.10-»  (— );  «  =  0-70. 
Paraffinpapier  (Versuch  5)  bei  zirka  20**  C: 

ß=  128.10-»  (---];  n=i0'34. 


IV.  Teil. 
Zusammenfassung  der  Resultate. 

I.  Es  wurde  zunächst  auf  Grund  der  bisher  vorliegenden 
experimentel  len  Ergebnisse  eine  Darstellung  der  Haupt  formen 
anomalen  Verhaltens  der  Dielektrika  und  der  dabei  gefundenen 
Gesetzmäßigkeiten  gegeben.  Als  solche  Hauptformen  werden 
unterschieden: 

1.  Die  Rückstandsbildung; 

2.  die  Energieverluste  (Wärmeproduktion)  in  Dielek- 
trikas  unter  dem  Einfluß  eines  Wechselfeldes; 

3.  die  ponderomotorischen  Kräfte,  die  ein  Dielek- 
trikum in  einem  relativ  zu  ihm  rotierenden  Felde  erfährt; 

4.  die  scheinbare  Abhängigkeit  der  Kapazität  eines 
Kondensators  von  Ladungsdauer  bei  konstanter  Spannung, 
beziehungsweise  Perioden dauer  bei  Wechselspannung. 

II.  Es  wurde  hierauf  gezeigt,  daß  das  Vorhandensein  von 
Rückstandsbildung  in  einem  Medium  notwendig  auch  die  unter 
2  bis  4  genannten  Formen  anomalen  Verhaltens  bedingt  und 


1074  E.  V.  Schweidler, 

<iaß  aus  den  empirisch  gefundenen  Gesetzen  der  Rückstands- 
bildung auch  die  Gesetze  für  diese  Formen  quantitativ  ab- 
leitbar sind. 

Es  wird  ferner  gezeigt,  daß  zwar  ohne  Rückstandsbildung 
diesen  anderen  Formen  analoge  Erscheinungen  durch  Leitung 
des  Dielektrikums  zu  stände  kommen  können,  daß  aber  eine  Be- 
rücksichtigung der  bisher  gefundenen  Ergebnisse  quantitativen 
Charakters  diese  Erklärung  als  unzureichend  erscheinen  läßt. 

Die  Diskussion  der  verschiedenen  Möglichkeiten,  die  Ano- 
malien der  Dielektrika  theoretisch  zu  behandeln,  führt  auf 
folgende  Resultate: 

Die  Annahme  inhomogener  Struktur  des  Dielektrikums 
YMaxweirsche  Theorie  der  geschichteten  Dielektrika)  führt  zu 
qualitativ  richtigen  Folgerungen,  doch  ist  infolge  mathematischer 
Schwierigkeiten  eine  exakte  Lösung  der  gestellten  Probleme 
und  damit  ein  Vergleich  von  Theorie  und  Erfahrung  in  quanti- 
tativer Beziehung  vorläufig  undurchführbar. 

Die  Annahme  anomaler  Leitung  (lonenleitung)  führt 
teilweise  zu  qualitativ  richtigen  Ergebnissen,  teilweise  aber  zu 
Konsequenzen,  die  mit  der  Erfahrung  im  Widerspruch  stehen. 
Anomale  Leitung  kann  daher  in  manchen  Fällen  an  den  beob- 
achteten Erscheinungen  mitbeteiligt  sein,  ohne  eine  aus- 
reichende Erklärung  zu  liefern. 

Die  Annahme  anomaler  Vorgänge  dielektrischer 

Natur    (dielektrische    Nachwirkung,    Hysteresis)    ist 

unzureichend  in  der  Form,  wie  sie  bei  den  Erscheinungen  der 

magnetischen  Hysteresis  mit  Erfolg  verwendet  wurde.  Die  von 

Pellat  präzisierte  Annahme  einer  dielektrischen  Nachwirkung 

(viskosen  Hysteresis),  daß  die  dielektrische  Verschiebung  nach 

einem  bestimmten  einfachen  Gesetz  ihres  zeitlichen  Verlaufes 

einem  der  jeweiligen  Feldintensität  proportionalen  stationären 

fd^  ä&        d  \ 

Endwert  zustrebe    -Tr  =  ^^i ^  [5)— sÄ'®]  ,  gibt  im  all- 

\  dt  dt         dt  I 

gemeinen  eine  gute  Annäherung  an  die  beobachteten  Er- 
scheinungen, doch  bleiben  in  einzelnen  Punkten  Differenzen 
zwischen  Theorie  und  Beobachtung  bestehen. 

Es  wird  nun  eine  Modifikation  dieser  Theorie  durchgeführt, 
die  darin  besteht,  daß  die  dielektrische  Verschiebung  in  eine 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1075 

Summe  beliebig  vieler  Glieder  zerlegt  wird,  von  denen  jedes 
einzelne  demselben  einfachen  Gesetz  folgt  wie  nach  der  Pellat- 
schen  Theorie,  doch  unter  Variation  der  in  der  Formel  ent- 
haltenen Parameter. 

Es  folgt  eine  Interpretation  der  dieser  Theorie  zu  Grunde 
liegenden  Annahmen  vom  molekularphysikalischen  Stand- 
punkt aus. 

III.  Experimentelle  Untersuchungen  der  Rückstandsbildung 
mittels  einer  galvanometrischen  Methode  bestätigen  und  er- 
gänzen die  schon  von  anderen  Autoren  gefundenen  Resultate 
bezüglich  des  zeitlichen  Ganges  der  Rückstandsbildung,  der 
Gültigkeit  des  Superpositionsprinzipes,  des  Einflusses  der 
Temperatur  und  der  Proportionalität  zwischen  Rückstands- 
strom und  Spannung. 

An  einem  Beispiel  wird  gezeigt,  wie  aus  zwei  Konstanten, 
deren  Werte  aus  der  Untersuchung  des  Rückstandsstromes 
ermittelt  wurden,  die  anderen  Formen  anomalen  Verhaltens 
durch  Angabe  numerischer  Werte  dargestellt  werden  können. 


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auch  Proc.  Roy.  Soc,  25,  496 1876/77 

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Sitzb.  d.  mftthem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  71 


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22.  H.  Muraoka,  Wied.  Ann.,  40,  328 1890 

23.  E.  Bouty,  C.  R.,  110,  846,  1362 1890 

auch  Ann.  chim.  phys.  (6),  27,  62 1892 

24.  A.  Hess,  Lum.  electr.,  46,  401,  507 1892 

auch  J.  de  Phys.  (3),  2,  145 1893 

25.  B.  Dessau,  Rend.  R.  Acc.  d.  Line.  (5),  2,  II,  86 1893 

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27.  R.  Lombardi,  Mem.  R.  Acc.  Torino  {2),  44 1894 

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30.  —  Eclair  electr.,  7,  450 1896 

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32.  Th.  Wulf,  diese  Sitzungsberichte,  105,  667 1896 

33.  L.  Houllevigue,  J.  de  Phys.  (3),  6,  113,  120,  153...  1897 

34.  J.  Hopkinson  und  E.  Wilson,  Proc.  Roy.  Soc,  öO, 

425 1897 

35.  F.  Hasenöhrl,  diese  Sitzungsberichte,  107,  1035  ...1898 

36.  H.  A.  Rowland  und  T.  D.  Penniman,  J.  Hopk.  Un. 

Circ,  77,  52 1898 

37.  A.  Naccari,  Atti  Torino,  34,  1088 1899 

38.  L.  M.  Potts,  J.  Hopk.  Un.  Circ,  i*,  59 1899 

39.  H.  Pellat,  C.  R.,  128,  1312 1800 

auch  Ann.  chim.  phys.  (7),  i«,  150 1899 

40.  L.  M.  Potts,  J.  Hopk.  Un.  Circ,  19,  %2 1900 

41.  H.  Pellat,  J.  de  Phys.  (3),  9,  313 190t) 

42.  C.  V.  Drysdale,  Electrician,  46,  890 1901 

43.  A.  W.  Ashton,  Phil.  Mag.  (6),  2,  501 1901 


i 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1077 

44.  J.  Buchanan,  Phil.  Mag.  (6),  5,  240 1902 

45.  E.  V.  Schweidler,  diese  Sitzungsberichte^  111,  573.  .1902 

46.  —  diese  Sitzungsberichte,  111^  579 1902 

47.  U.  Seiler,  Mitt.  Phys.  Ges.  Zürich,  Nr.  3,  12 1902 

n.  Hysteresis. 

1.  W.  Siemens,  Pogg.  Ann.,  125,  137 1864 

2.  A.  Naccari  und  F.  Bellati,  J.  de  Phys.  (2),  i,  430  . .  1882 

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auch  J.  de  Phys.  (2),  5,  217 1888 

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auch  Phys.  Rev.,  7,  183 1892 

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auch  Elektrotechn.  Z.  S.,  /J,  227 1892 

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auch  J.  de  Phys.  (3),  2,  145 1893 

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16.  —  Rend.  R.  Acc.  dei  Line.  (5),  2, 1,  341 1893 

17.  —       »       »     .       »      »      (5),  2, 11,260 ......1893 

18.  .  —       »       »     »       »      »      (5),  ^,  1, 585 1894 

19.  _      ,       »     »       »      .      (5),5,  II,  294 1894 

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23.  A.  Hess,  Eclair,  electr.,  4,  205 1895 

71* 


1078  E.V.  Schweidicr, 

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Heft  16 1895 

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auch  N.  Cim.  (4),  5,  52 1896 

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32.  W.  Schaufelberger,  Dissertation,  Zürich 1898 

auch  Wied.  Ann.,  ö5,  635 1898 

33.  H.  Pellat,  C.  R.,  128,  1312 1899 

auch  Ann.  chim.  phys.  (7),  18,  150 1899 

34.  W.  Schaufelberger,  Wied.  Ann.,  67,  307 1899 

35.  E.  B.  Rosa  und  A.  W.  Smith,  Phys.  Rev.,  8,  l 1899 

auch  Phil.  Mag.  (4),  47,  222 1899 

36.  F.  Beaulard,  C,  R.,  130,  1182 1900 

37.  —  J.  de  Phys.  (3),  9,  422 1900 

38.  H.  Pellat  und  F.  Beaulard,  C.  R.,  130,  1457 1900 

39.  —  J.  de  Phys.  (3),  9,  313 1900 

40.  L.  M.  Potts,  J.  Hopk.  Un.  Circ,  19,62 1900 

auch  Phys.  Zeitschr.,  2,  301 1900 

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auch  J.  de  Phys.  (4),  i,  33 1902 

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auch  Eclair,  electr.,  57,  404 1903 


Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika.  1079 

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auch  C.  R.,  140,  433 1905 

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7.  L.  Graetz,  Drude's  Ann.,  i,  530 1900 

siehe  auch:  Arno,  II,  7,  15  bis  19,  27; 

Weiler,  II,  13; 
Threlfall,  11,30,31; 
Schaufelberger,  II,  32,  34; 
V.  Lang,  II,  52. 

IV.  Anomale  Leitung. 

1.  H.  Hertz,  Wied.  Ann.,  20,  279 1883 

2.  G.  Quincke,  Wied.  Ann.,  28,  529 1886 

3.  H.  Koller,  diese  Sitzungsberichte,  P*,  201 1889 

4.  R.  Appleyard,  Phil.  Mag.  (5),  38,  396 1894 

5.  —     Phil.  Mag.  (5),  42,  148 1896 

6.  A.  Naccari,  N.  Cim.  (4),  *,  259 1898 

7.  E.  V.  Schweidler,  diese  Sitzungsberichte,  109,  964. .  1900 

8.  —  Drude's  Ann.,  J,  483 1901 

9.  H.  Gädeke,  Dissertation,  Heidelberg 1901 

10.  E.  V.  Schweidler,  diese  Sitzungsberichte,  113,  881  .  .1904 

11.  R.  Appleyard,  Phil.  Mag.  (6),  10,  485 1905 

12.  P.  Goure  de  Villemontee,  C.  R.,  141,  179 1905 

V.  Abhängigkeit  der  Dielektrizitätskonstante  von  Ladungs- 
dauer oder  Wechselzahl. 

1.  N.  Schiller,  Pogg.  Ann.,  152,  555 1872 

2.  L.  Boltzmann,  diese  Sitzungsberichte,  67,  17 1873 


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höherer  Explosibttität,  für  welche  die  Arbeiten  der  genannten 
Forscher  zu  dem  bemerkenswerten  Ergebnis  führten,  daß  sich 
hier  die  In  der  Röhre  schließlich  erlangte  Geschwindigkeit  der 
Flamme  außerordentlich  an  die  Molekulargeschwindigkeit,  also 
auch  an  die  Schallgeschwindigkeit,  wie  sie  in  dem  brennenden 
Gasgemisch  herrscht,  annähert.  Diese  zuletzt  erwähnte  Gesetz- 
mäßigkeit scheint  nicht  nur  für  gasförmige,  sondern  auch  für 


I  Auf  die  korrelctera  Methode  von  Gouy-Michelson  zur  BestiminunS 
der  normiJen  Explosionsgescbwindigkeit,  welche  Aucb  flir  nicht  kegelßmitge 
Brennflächen  gilt,  werden  wir  später  zu  sprechen  kommen. 


Sehweidler  E.,  V.:  Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


Tafel  I. 


Tafel  I  zu  Versuchsreihe  1,  Petroleumkondensator. 


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Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907. 


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Seh  weidler  E.,  V. :  Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


Tafel  II. 


Tafel  II  zu  Versuchsreihe  2,  Toluolkondensator. 


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Seh  weidler  E.,  V.:  Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


Tafel  III. 


Tafel  III  zu  Versuchsreihe  3,  Glaskondensator. 


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Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  vi.  Wiss.,  math.-nalurw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907. 


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Tafel  IV  zu  Versuchsreihe  4,  Glimmerkondensator. 


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Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907. 


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Tafel  V. 


Tafel  V  zu  Versuchsreihe  5,  Paraffinpapierkondensator. 


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Tafel  VI. 


Tafel  VI  zu  Versuchsreihe  6,  Glaskondensator. 


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Seh  weidler  E.,  V.:  Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 


Tafel  VII. 


Tafel  VII  zu  Versuchsreihe  7,  Glimmerkondensator. 


Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907. 


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1081 


Grundzüge  zu  einer  Theorie  der  Explosionen 

von 

Dr.  Heinrich  Mache. 

Ans  dem  physikalischen  Institute  der  Universität  Innsbruck. 

(Mit  6  Tcxtfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Siuung  am  4.  Juli  1907.) 

Strömt  ein  homogenes  Knallgas,  etwa  ein  Leuchtgas-Luft- 
Gemisch,  aus  einer  zylindrischen  Röhre  aus  und  wird  es  ent- 
zündet, so  hat  die  Brennfläche  die  Form  eines  Kegels,  wie  wir 
ihn  an  jedem  Bunsenbrenner  beobachten  können.  Es  ist  dies 
die  innere,  je  nach  dem  Mischungsverhältnis  grün  bis  violett 
leuchtende  Fläche,  in  der  sich  das  zuströmende  Knallgas  ent- 
zündet und  in  der  brennendes  und  unverbranntes  Gas  sozu- 
sagen unvermittelt  aneinander  grenzen.^  Auf  der  einen  Seite 
dieser  Fläche  herrscht  die  Entzündungstemperatur,  auf  der 
anderen  Seite  die  hohe  Verbrennungstemperatur.  Da  hier  un- 
mittelbar nach  der  Entzündung  die  Wärmeverluste  an  die 
Umgebung  sich  noch  nicht  geltend  gemacht  haben,  so  be- 
zeichnet diese  Seite  der  Brennfläche  zugleich  die  heißeste 
Stelle  der  Flamme. 

Der  Öffnungswinkel  27  des  Brennkegels  (Fig.  1)  steht  nun 
in  einfacher  Beziehung  zur  Strömungsgeschwindigkeit  und 
der  zur  Brennfläche  normalen  Explosionsgeschwindigkeit  des 
Knallgases.  Ist  u  die  erstere,  so  ist  ihre  Projektion  auf  die 


^  Der  Übergang  von  der  Entzündungs-  zur  Verbrennungstemperatur 
erfolgt  in  außerordentlich  kurzer  Zeit.  Vergl.  darüber  z.  B. :  B.  Hopkinson, 
Proc.  Roy.  Soc,  77,  p.  387  (1906). 


1082  H.  Mache, 

zur  Kegelfläche  errichtete  Normale  NN'  gleich  der  normalen 
Explosionsgeschwindigkeit  c.  Daher  ist  auch  c  iz:  »  sin  7.   Er- 
sichtlich kann  man  durch  Beobachtung  von  u  und  7  das  c 
angenähert   bestimmen.^    Derartige   Messungen   ergeben   nun 
das  überraschende  Resultat,   daß  diese  normale  Explosions- 
geschwindigkeit verhältnismäßig  sehr  gering  ist  und  z.  B.  bei 

der  explosibelsten  Leuchtgas-Luft- Mischung  0*5 ,  bei  der 

fH 

explosibelsten  Wasserstoff-Sauerstoff-Mischung   10 nicht 

Übersteigt. 

Mit  diesem  Ergebnis  stehen  eine  Reihe  von  Tatsachen 
scheinbar  im  Widerspruch.  Erstens  ist  es  ja  bekannt,  mit 
welcher  außerordentlichen  Heftigkeit  Gasexplosionen  im  all- 
gemeinen in  größeren  Räumen  verlaufen  und  daß  die  Schnellig- 
keit, mit  der  sich  hiebei  die  Entzündung  fortpflanzt,  die  oben 
gegebenen  Werte  bedeutend  übertrifft. 

Zweitens  haben  die  Messungen  von  Berthelot,  von 
Mallard  und  Le  Chatelier  und  von  Dixon  direkt  gezeigt, 
daß  sich  die  Flamme  in  mit  Knallgas  gefüllten  Röhren,  an 
deren  einem  Ende  die  Entzündung  eingeleitet  wurde,  von  da 
mit  zuerst  rasch  anwachsender,  später  konstant  werdender 
Geschwindigkeit  bewegt  und  daß  diese  schließlich  erreichte 
Endgeschwindigkeit,  die  Geschwindigkeit  der  »Explosions- 
welle«, um  vieles  größer  ist  als  die  oben  gegebenen  Zahlen. 
Selbst  bei  Gemengen  von  relativ  geringer  Explosibilität  trifft 
dies  zu,  in  besonders  hohem  Maße  aber  bei  den  Gemengen 
höherer  Explosibilität,  für  welche  die  Arbeiten  der  genannten 
Forscher  zu  dem  bemerkenswerten  Ergebnis  führten,  daß  sich 
hier  die  in  der  Röhre  schließlich  erlangte  Geschwindigkeit  der 
Flamme  außerordentlich  an  die  Molekulargeschwindigkeit,  also 
auch  an  die  Schallgeschwindigkeit,  wie  sie  in  dem  brennenden 
Gasgemisch  herrscht,  annähert.  Diese  zuletzt  erwähnte  Gesetz- 
mäßigkeit scheint  nicht  nur  für  gasförmige,  sondern  auch  für 


1  Auf  die  korrektere  Methode  von  Gouy-Michelson  zur  Bestimmung 
der  normalen  Explosionsgeschwindigkeit»  welche  auch  für  nicht  kegelförmige 
Brennflächen  gilt,  werden  wir  später  zu  sprechen  kommen. 


Theorie  der  Explosionen.  I0v>3 

flüssige  und  feste  Elxplosivstot^e  zxx  bestehen*  Wenigstens 
haben  Untersuchungen  Berthelot*s  an  einigen  dieser  Körper 
zu  Zahlen  geführt,  welche  eine  derartige  Deutung  zulassen.^ 

Eine  dritte  Erscheinung,  welche  gleichfalls  auf  Grund  der 
geringen  normalen  Elxplosionsgeschwindigkeit  nicht  erkltirt 
werden  kann,  ist  die  in  die  Theorien  der  inneren  Ballistik 
von  manchen  Autoren  eingeführte  sogenannte  »äußere  Ent- 
zündung«. Wird  kolloidales  Pulver  mit  würfeN  oder  röhren- 
förmigem Korn  an  einer  Stelle  entzündet,  dann  ptlanzt  sich 
zunächst  die  Entzündung  so  gut  wie  momentan  über  die  Ober- 
flächen aller  Würfel  oder  Röhren  fort,  aus  denen  die  Ladung 
besteht,  um  dann  erst,  ungleich  langsamer,  senkrecht  gegen 
die  Oberfläche  in  das  Innere  des  Kornes  vorzudringen.  In  der 
Tat  brennt  das  Pulver  in  iiquidistanier  Fläche  ab»  so  dai3  die 
Komform  gewahrt  bleibt:  Würfel  bleibt  Würfel,  Röhre  bleibt 
Röhre.  Der  Beweis  wurde  erbracht  durch  die  Beobachtung 
erloschener  Reste  und  eine  Bestätigung  liegt  auch  darin,  daß 
die  Verbrennungsdauer  des  Korns  der  Komdicke  proportional 
ist*  Ein  derartiges  \'erhalten  ist  nur  möglich,  wenn  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit der  Explosion  von  einem  Korn  zum 
anderen,  also  die  Oberflächengeschwindigkeit  der  Explosion, 
groß  ist  gegenüber  der  Verbrennungsgeschwindigkeit  dos 
Korns,  d.  h.  also  gegenüber  der  Geschwindigkeit,  mit  der  die 
Explosion  senkrecht  zur  Brennfläche  fortschreitet. 

Angesichts  der  erwähnten  Tatsachen  drängt  sich  nun  die 
Frage  auf,  wie  es  möglich  ist,  daß  ein  und  derselbe  \'er- 
brennungsprozeß  das  einemal  mit  relativ  kleiner,  das  andere- 
mal  mit  so  großer  Geschwindigkeit  in  die  unverbrannte  Sub- 
stanz fortgeleitet  wird. 

In  den  folgenden  Ausführungen  wird  versucht,  diese  Frage 
zu  beantworten.  Hiebei  beschränken  wir  uns  auf  den  Fall,  daß 
die  Verbrennung  offen,  also  unter  normalem  Luftdruck  vor 
sich  geht  Im  geschlossenen  Gefäße  wird  durch  den  steigenden 
Druck  sowohl  das  Flammengas  wie  der  Explosivkörper  adia- 


1  Vergl.  darüber:  N ernst,  Theoretische  Chemie,  2.  Aufl.,  p.  626. 
>  C.  Cranz,  Ballistik,  p.  257;    Enzyklopädie  der  mathem.  Wiss.,  IV.^» 
Heft  2  (1903). 


1084 


H.  Mache, 


batisch  komprimiert  und  hiedurch  einerseits  die  Verbrennungs- 
temperatur erhöht,  andrerseits  die  noch  nicht  entzündete  Masse 
vorgewärmt.  Aus  beiden  Gründen  steigt  die  Explosions- 
geschwindigkeit. Bei  offener  Flamme  hingegen  kann  ein  der- 
artiger Effekt  nur  eintreten,  wenn  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit der  Explosion  die  Schallgeschwindigkeit  übersteigt  Bis 
zu  dieser  Grenze  bestimmen  chemische  Natur  und  Anfangs- 
temperatur der  explosiblen  Substanz  eindeutig  diese  Grö8e. 


Kehren   wir  jetzt   zur  Betrachtung   des   Flammenkegels 
zurück,    der    sich   in   einem   durch   eine   zylindrische   Röhre 

strömenden,  homogenen  Knallgas 
stationär  erhält.  Auch  hier  können 
wir  ersichtlich  zwei  verschiedene 

Explosionsgeschwindigkeiten 
unterscheiden.  Zunächst  erfolgt 
senkrecht  zur  Bremifläche  die 
Fortleitung  der  Explosion  mit  der 
normalen  Explosionsgeschwin- 
digkeit c.  Diese,  unter  der  Strö- 
mungsgeschwindigkeit des  Knall- 
gases liegend,  wäre  aber  allein 
nicht  im  stände,  den  Brennkegel 
stationär  zu  erhalten;  denn  sie 
treibt  ihn  nur  mit  der  Geschwin- 
digkeit u  sin*  Y  der  Strömung  ent- 
gegen. Es  würde  sich  also  die 
Flamme  vom  Brennerrohr  abheben  und  erlöschen.  Da  dies 
nicht  eintritt,  sind  wir  zur  Annahme  gezwungen,  daß  sich  die 
Basis  des  Kegels  mit  der  Geschwindigkeit  C-=.u  der  Strömung 
entgegen  bewegt,  d.  h.  daß  am  Rande  der  Brennfläche,  etwa 
unter  dem  Winkel  y  gegen  diese,  sich  die  Explosion  mit  der 
Geschwindigkeit  der  Strömung  in  das  unverbrannte  Gas- 
gemisch fortpflanzt.  Es  ist  einleuchtend,  daß  dann  auch  die 
übrigen  Teile  der  Brennfläche  stationär  erhalten  bleiben  werden, 
indem  sie  sich  jederzeit  im  selben  Maße,  in  dem  sie  von  der 


Fig.  1. 


Theorie  der  Explosionen.  1085 

Strömung  in  die  Höhe  getragen  werden,  vom  stationären  Rande 
der  Brennfläche  her  ergänzen.^ 

In  der  Tat  wird  sich  ja  doch  ein  in  A  befindliches 
Flammenteilchen,  durch  die  Strömung  und  die  normale  Ex- 
plosionsgeschwindigkeit getrieben,  längs  der  Mantelfläche  des 
Kegels  bewegen  müssen. 

Steigert  man  die  Strömungsgeschwindigkeit,  so  wird  der 
Brennkegel  steiler  und  höher,  bis  er  bei  einem  vom  Mischungs- 
verhältnis abhängigen,  kritischen  Werte  sich  vom  Brennerrohr 
abhebt  und  erlöscht.  Indem  sich  also  der  Rand  des  Kegels 
unter  immer  spitzerem  Winkel  gegen  das  zuströmende  Gas 
einstellt,  erhält  er  zunächst  die  Fähigkeit,  mit  der  jeweiligen 
Strömungsgeschwindigkeit  dem  Gasstrom  entgegenzueilen  und 
sich  so  stationär  zu  erhallen.  Erhöht  man  aber  die  Strömungs- 
geschwindigkeit bis  zum  Erlöschen  der  Flamme,  so  bezeichnet 
dieser  Wert  den  Maximalwert  CMaxi  mit  dem  die  Explosion 
vom  Rande  der  Brennfläche  aus  in  das  Gas  vordringen  kann 
und  der  Winkel,  den  jetzt  die  Brennfläche  mit  der  Strömungs- 
richtung einschließt,  diejenige  Richtung,  in  welcher  die  Ex- 
plosion mit  diesem  Maximalwerte  fortschreitet.  Als  minder 
wesentlich  sei  hier  nur  kurz  bemerkt,  daß  der  Winkel  an  der 
Basis  des  Kegels  sich  nicht  genau  mit  dem  halben  öfi'nungs- 
vvinkel  y  deckt.  Er  ist  vielmehr  stets  größer,  schon  deshalb, 
weil  die  Brennfläche  an  der  Basis  eine  Verbiegung  aufweist, 
die  hauptsächlich  dadurch  bestimmt  ist,  daß  dort  in  der  Nähe 
der  Wand  die  Strömungsgeschwindigkeit  infolge  der  Reibung 
geringer  ist.^ 


1  Das  Knattern  der  Flftmnse  kurzröhriger  Bunsenbrenner  rührt  von  dieser 
fortwährend  vom  Rande  aus  erfolgenden  Neuentzündung  her. 

2  Es  ist  wohl  bekannt,  daß  es  gleichfalls  unwesentlich  ist,  daß  wir  uns 
den  Brennkegel  am  Ende  des  Brennerrohres  aufsitzen  denken.  Kegel  von 
gleicher  Form  lassen  sich  auch  im  Rohre  oder  in  kleiner  Entfernung  über  deci 
Rohre  erhalten.  Um  die  Flamme  ins  Rohr  zu  bringen,  ist  es  nur  nötig,  das  Ende 
von  außen,  etwa  mit  einer  Stichflamme,  anzuheizen.  Der  Kegel  zieht  sich,  nach 
kurz  dauerndem  Vibrieren  zwischen  den  beiden  Lagen,  hinein  und  wandert 
dann  in  dem  Maße,  in  dem  das  Rohr  von  ihm  selbst  erhitzt  wird,  langsam  nach 
unten.  Auch  über  dem  Rohre  läßt  sich  der  Flammenkegel,  etwa  auf  einem  Ring 
aus  Platindraht  von  der  gleichen  Öffnung  wie  das  Brennerrohr  aufsitzend, 
erhalten. 


1086 


H.  Mache, 


Im  folgenden  werden  zunächst  einige  Bestimmungen  der 
Größe  Cmex  für  ein  Leuchtgas-Luft-Gemisch  mitgeteilt,  die  ge- 
mäß den  obigen  Ausführungen  in  der  Weise  erhalten  wurden, 
daß  man  die  Geschwindigkeit  des  Knallgasstromes  beobachtete, 
die  gerade  hinreichte,  um  die  Flamme  zu  erlöschen.  Der  Durch- 
messer des  verwendeten  Brennerrohres  betrug  0*765  cm,  seine 
Länge  85  cm.  An  ihm  war  unten  ein  weiteres  Rohr  angesetzt, 
das  als  Mischkammer  diente.  Die  Luft  wurde  einem  mit  Ge- 
wichten belasteten  Glockengasometer  entnommen,  der  im  Gaso- 
meter vorhandene  Druck  mit  einem  Manometer  beobachtet,  das 
ausgetretene  Luftquantum  aus  dem  Sinken  der  Gasometer- 
trommel unter  Voraussetzung  isothermer  Ausdehnung  berech- 
net. Das  Leuchtgas*  wurde  direkt  aus  der  Leitung  zugeführt, 
das  Quantum  vermittels  einer  mehrmals  kubizierten  und  mit 
Manometer  versehenen  Präzisionsgasuhr  bestimmt.  Es  war 
nach  dem  Passieren  der  Gasuhr  mit  Wasserdampf  so  gut  wie 
gesättigt,  hingegen  hatte  die  Luft,  da  sie  dem  Gasometer  un- 
mittelbar nach  der  Füllung  entnommen  wurde,  nur  den  geringen 
Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  des  Beobachtungsraumes. 

Die  folgende  Tabelle  enthält  in  der  ersten  Spalte  den 
Prozentgehalt  der  Mischung  an  Leuchtgas,  in  der  zweiten  die 
(nach  der  Gouy'schen  Methode  gemessene)  normale  Explo- 
sionsgeschwindigkeit Cy  in  der  dritten  die  Strömungsgeschwin- 
digkeit, bei  welcher  das  Abreißen  der  Flamme  erfolgte,  also 
diejenige  Größe,  die  nach  den  obigen  Ausführungen  mit  der 
maximalen  Explosionsgeschwindigkeit  Cmax  identisch  ist   In 


der  vierten  Spalte  ist  der  Quotient 


'Max 


gegeben. 


% 


CfH 

sec 


'Max 


cm 

sec 


'Max 


10 
U 
12 
14 
14 
15 
15 


53 
56 
14 
39 
72 
26 
62 


19 
23 
25 
32 
33 
34 
36 


9 
2 
0 
2 
2 
9 
1 


107 
222 
433 
559 
653 
733 
880 


5-4 

9-6 

17-3 


17 
19 


4 

7 


21-0 
24-4 


1  Der  Heizwert  des  zu  diesen  Messungen  verwendeten  Leuchtgases  betrug 
rund  4900  Cal. 


Theorie  der  Explosionen.  1087 

Wir  sehen  aus  diesen  Zahlen,  daß  selbst  bei  den  im  Ver- 
gleiche zu  anderen  explosiven  Mischungen  relativ  wenig  ex- 
plosiblen Leuchtgas-Luft- Gemengen  die  maximale  Explosions- 
geschwindigkeit die  normale  um  vieles  übertrifft.  Auch  sieht 
man,  daß  mit  wachsendem  Leuchtgasgehalt  und  gleichzeitig 
steigender  Explosibilität  der  Wert  Cmsz  etwa  linear,  der  Quo- 

tient  — *-   hingegen   zuerst    schnell,    später   langsamer   an- 
wächst. 

Der  geringe  Gasdruck  in  der  Leitung  gestattete  nicht,  den 
Prozentgehalt  des  Leuchtgases  in  der  Mischung  noch  weiter 
zu  erhöhen  und  so  den  Höchstwert  der  maximalen  Explosions- 
geschwindigkeit zu  bestimmen,  der  offenbar  erst  in  der  explo- 
sibelsten Mischung,  die  nahe  bei  17^0  Leuchtgasgehalt  liegt. 


!f 


Fig.  2. 

erreicht  worden  wäre.  Falls  eine  Extrapolation  gestattet  ist,  so 

fit 

würde   aus  ihr  folgen,    daß   dieser  Höchstwert   10 nicht 

sec 

wesentlich  übersteigt. 

Fassen  wir  das  bisher  Gesagte  zusammen,  so  kommen 
wir  zu  der  folgenden  Vorstellung  über  das  Fortschreiten  einer 
auf  einer  Fläche  in  einem  homogenen  Explosivkörper  ein- 
geleiteten Verbrennung:  Ist  MN  diese  Fläche,  so  pflanzt  sich 
in  ihren  mittleren  Partien  die  Explosion  in  der  Richtung  der 
zur  Fläche  errichteten  Normalen  mit  der  Geschwindigkeit  c 
fort.  Am  Rande  der  Fläche  hingegen  ist  die  Explosion  auch 
seitlich  gerichtet  und  ihre  Geschwindigkeit  erreicht  da  in  einer 
bestimmten,  etwa  durch  den  Winkel  0  gegebenen  Richtung 
einen  Maximalwert  Cwax,  der  c  um  vieles  übertrifft. 

Um  dieses  polare  Verhalten  im  Fortschreiten  der  Brenn- 
fläche zu  begründen,  wollen  wir  uns  wieder  der  schon  früher 


1088  H.  Mache, 

eingeführten^  Vorstellung  bedienen,  daß  die  Fortpflanzung  der 
Verbrennung  im  Wesen  ein  Wärmeleitungsprozeß  ist,  d.  h.  daß 
die  Entzündung  der  Gasschichten,  welche  der  Brennfläche 
anliegen,  dann  erfolgt,  wenn  sie  durch  Wärmeleitung  bis  zur 
Entzündungstemperatur  erhitzt  sind.  Hiebei  wird  der  durch 
Strahlung  übergeführte  Wärmebetrag  vernachlässigt,  eine  Ver- 
nachlässigung, die  bei  gasförmigen  Explosivstoffen  mit  hin- 
reichender Annäherung,  bei  flüssigen  oder  festen  Explosiv- 
stoffen vollkommen  zutrifft.  Die  verschieden  geschwinde  und 
verschieden  gerichtete  Fortpflanzung  der  Entzündung  senk- 
recht und  schräg  zum  Rande  der  Brennfläche  muß  dann 
durch  Verschiedenheit  in  der  Intensität  des  Wärmestromes 
nach  beiden  Richtungen  begründet  sein  und  wir  werden  im 
folgenden  versuchen,  diese  Verschiedenheit  molekularmecha- 
nisch zu  erläutern. 

Bedienen  wir  uns  zunächst  einer  in  der  Flamme  selbst 
auftretenden  hydrodynamischen  Analogie: 

Tritt  ein  Knallgasstrom  vom  Querschnitt  q  senkrecht  in 
die  Brennfläche  XY  etwa,  mit  der  Geschwindigkeit  c,  so  muß 
der  Kontinuität  halber  diese  Strömungsgeschwindigkeit  nach 
dem  Passieren  der  Brennfläche  um  so  viel  gesteigert  sein,  daß 
qpc^nqp'c^  ist,  wenn  p'  und  c'  Dichte  und  Strömungsgeschwin- 
digkeit des  brennenden  Gases  bezeichnen,  also  des  Gases  nach 
dem  Passieren  der  Fläche  XY.  Bei  der  in  der  Brennfläche 
vor  sich  gehenden  Reaktion  zwischen  Sauerstoff  und  Brenn- 
stoff und  der  hiedurch  gleichzeitig  eintretenden  Temperatur- 
erhöhung und  Verdünnung  des  Gases  wird  somit  der  neu- 
gebildeten Molekel  eine  gegenüber  der  Bewegung  der  Kom- 
ponenten erhöhte  translatorische  Bewegung  verliehen,  die  in 
der  Richtung  der  Z-Achse  ihren  Maximalwert  erreicht  und  eine 
erhöhte  molare  Strömung  veranlaßt. 

Ganz  analog  ist  der  Vorgang  für  den  Fall,  daß  der  Knall- 
gasstrom mit  der  zur  Brennfläche  errichteten  Normalen  NN^ 
einen  Winkel  a  einschließt.  Auch  hier  wird  aus  Gründen  der 
Kontinuität  die  Strömungsgeschwindigkeit  von  einem  Werte  c 


1  H.  Mache,  diese  Sitzungsber.,  108,  p.  1152  (1899). 


Theorie  der  Explosionen. 


1089 


auf  einen  Wert  c'  erhöht  werden,  welcher  jetzt  der  Gleichung 
cos  aqpc -=:  cos  ^qp'c'  entspricht,  wobei  wir  ß  den  Winkel 
nennen,  welchen  die  Richtung  des  Gasstromes  nach  dem 
Passieren  der  Brennfläche  mit  der  Flächennormalen  einschließt. 
Außerdem  ist  es  aus  dem  oben  Gesagten  einleuchtend,  daß 
diese  Geschwindigkeitserhöhung  nur  die  auf  XY  senkrechte 
Komponente  von  c  betrifft,  während  die  zu  ihr  parallele  erhalten 


Fig.  3. 


bleibt  Somit  ist  auch  ^  sin  a  =:  c'  sin  ß.  Aus  der  Vereinigung 

beider  Gleichungen  ergibt  sich  die  Beziehung  -^  ■=.    ^  .  Der 

p'        tgß 

die  Flamme  speisende  Gasstrom  wird  also  durch  den  in  der 
Brennfläche  eingeleiteten  und  sich  dort  auch  nahezu  momen- 
tan vollziehenden  Prozeß  der  Verbrennung  in  der  Richtung 
des  zur  Brennfläche  errichteten  Lotes  abgelenkt. 

Man  kann  dieses  Verhalten  nach  Gouy^  an  jedem  Bunsen- 
brenner demonstrieren,  wenn  man  die  Strömungsfäden  durch 
dem  Gasgemisch  beigemengten  feinen  Kohlenstaub  sichtbar 
macht.  Die  in  der  Brennfläche  lebhaft  aufleuchtenden  Partikel 
bewegen  sich  dann  durch  den  Flammenmantel  in  einer  Bahn  ssf 
(siehe  Fig.  1),  die  auf  der  Brennfläche  unter  einem  Winkel  ß 


1  Ann.  chim.  phys.  (5),  18,  p.  27  (1879). 


1090 


H.  Mache, 


ansetzt,  der  stets  den  Winkel  y  in  Größe  übertrifft.  Man  erkennt 
auch  bei  der  Betrachtung  der  Erscheinung  leicht,  daß  die  Bahn 
der  Teilchen  mit  der  äußeren  Kontur  des  Flammentnantels 
parallel  verläuft.  In  der  Tat  verdankt  ja  diese  äußere  Begren- 
zung derselben  ablenkenden  Ursache  ihre  Form.  Man  kann 
daher  den  Winkel  ß  auch  ohne  Zuhilfenahme  der  aufleuch- 
tenden Partikel  bei  A  oder  A'  am  Saume  des  Flammenmantels 
messen  und  dann  die  obige  Beziehung  dazu  benützen,  um  das 

Dichtenverhältnis  -~  zu  bestimmen. 

P' 

In  der  folgenden  Tabelle  werden  einige  für  dieses  Ver- 
hältnis an  Leuchtgas-Luft-Gemischen  ermittelte  Werte  mit- 
geteilt. Verwendet  wurde  hiebei  ein  Brennerrohr  von  0*  81  ^rm 
Durchmesser  und  1 20  cm  Länge.  Die  Messung  der  Gasströme 
erfolgte  in  der  bereits  oben  beschriebenen  Weise.  Das  Aus» 
messen  des  Winkels  ß  geschah  an  photographischen  Bildern 
der  Flamme.  Hiebei  war  nur  eine  Schwierigkeit  zu  überwinden, 
die  darin  bestand,  daß  Flammen,  die  mit  einem  Überschusse 
von  Luft  brennen  (in  unserem  Falle  Flammen  mit  einem  Leucht- 
gasgehalt unter  177o)>  ^Iso  oxydierende  Flammen,  nur  Rudi- 
mente des  Flammenmantels  zeigen  und  schließlich  nur  aus 
dem  Brennkegel  allein  bestehen.  Doch  gelang  es  leicht,  auch 
hier  den  Flammenmantel  sichtbar  zu  machen  und  zu  photo- 
graphieren,  wenn  man  in  das  Knallgas  Kupferchloridpulver 
oder  gemahlenen  Flußspat  einführte. 


13-17 
15-24 
17-05 
18-57 
18  79 
20-47 
21-71 
23  06 


28-3 
34  9 
40-6 
38-4 
35-7 
32-5 
27-3 
19-3 


4« 

5 

7 


5' 

30 

0 


6  55 

6  40 

6  20 

5  35 


5 


7*»  40' 

14  40 
25  25 

24  15 

25  35 
25  15 
24  25 

15  50 


1-9 
2-7 
3-9 
3-7 
41 
4-3 
4-6 
40 


Theorie  der  Explosionen.  1091 

Die  Zahlen  der  letzten  Spalte  geben  das  Verhältnis  zwi- 
schen der  Dichte  des  auf  Entzündungstemperatur  gebrachten 
Knallgases  und  des  brennenden  Flammengases.  Man  sieht, 
daß  diese  Größe  mit  steigendem  Leuchtgasgehalt  zu  einem 
Maximum  anwächst  und  dann  wieder  sinkt.  Das  Maximum 
entspricht  aber  nicht  dem  bei  17%  liegenden  Maximum  der 
Explosibilitäty  sondern  tritt  erst  bei  einer  an  Leuchtgas  reicheren 
Mischung  ein. 

Weiter  beweisen  diese  Zahlen,  daß  in  der  Brennfläche 
nicht  nur  zwei  Gasschichten  sehr  verschiedener  Temperatur, 
sondern  auch  sehr  verschiedener  Dichte  aneinander  liegen:  auf 
der  einen  Seite  das  dichte,  noch  nicht  entzündete,  aber  auf  der 
Entzündungstemperatur  befindliche  Knallgas,  auf  der  anderen 
Seite  das  um  vieles  weniger  dichte,  zur  hohen  Verbrennungs- 
temperatur erhitzte  Flammengas.  Es  ist  klar,  daß  dieser  Dichten- 
unterschied, der  schon  an  den  relativ  wenig  explosiblen  Leucht- 
gas-Luft-Gemischen so  ausgeprägt  ist,  bei  den  explosibelsten 
Gasgemischen,  für  welche  die  Entzündungstemperatur  niedrig, 
die  Verbrennungstemperatur  hoch  liegt,  noch  wesentlich  höhere 
Werte  annehmen  kann  und  für  flüssige  und  feste  Explosiv- 
stoffe ganz  enorme  Größen  erreicht  So  läßt  sich  z.  B.  für 
Nitroglyzerin  [2  C8H5(NOa)808  =  6  CO,  -h  5  H^O  +  6  N  +  O, 
Dichte  =  1*60],  dessen  Verbrennungstemperatur  nach  Wuic 

3005*  C.  beträgt,   das  Verhältnis  -^  zu   ungefähr   12000  be- 

rechnen  und  für  Knallquecksilber  [Hg  CgO^Ng  =  Hg + 2  CO  -h  2  N, 
Dichte  rz  4 '  42],  das  bei  der  Verbrennung  von  einem  Gramm- 
äquivalent 116000  Cal  entwickelt,  erhalten  wir  4"  =  34000. 

P 

Es  ist  also  das  Charakteristische  für  eine  jede  Brenn- 
fläche, daß  in  ihr  Gas  von  sehr  hoher  Temperatur  und  geringer 
Dichte  an  den  Explosivstoff  grenzt,  der  wesentlich  niedrigere 
Temperatur  und  um  vieles  höhere  Dichte  aufweist.  Die  aus 
dem  Gase  in  den  Explosivstoff  einfliegenden  Molekel,  welche 
durch  Abgabe  ihrer  Energie  die  Explosion  weiterleiten,  haben 
somit  hiebei  den  Übergang  aus  einem  dünnen  in  ein  bedeutend 
dichteres  Medium  zu  vollziehen.  Bei  diesem  Übergange,  d.  h. 
bei  dem  ersten   im   dichten  Medium  erfolgenden  Zusammen- 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  72 


1092  .      H.  Mache, 

stoße  werden  sie,  wie  wir  noch  ausführlich  erörtern  wollen^ 
abgelenkt,  und  zwar  von  dem  zur  Fläche  errichteten  Lote.  So- 
wie im  oben  behandelten  Falle  der  vom  dichten  in  das  dünne 
Gas  übertretende  Gasstrom  in  der  Richtung  zum  Lote  ge- 
brochen wird  und,  die  praktische  Realisierbarkeit  des  Falles 
vorausgesetzt,  eine  in  entgegengesetzter  Richtung  erfolgende 
Strömung  eine  Ablenkung  vom  Lote  erführe,^  so  wird  auch 
die  Richtung  einer  jeden  einzelnen  einfliegenden  Molekel  beim 
Übergange  durchschnittsweise  im  gleichen  Sinne  abgelenkt, 
wenn  auch  natürlich  nicht  nach  dem  gleichen  Gesetze.  Die 
hiedurch  entstehende  Polarität  in  der  Energieströmung  erklärt 
dann  zwanglos  die  besprochene  Polarität  in  der  Weiterleitung 
der  Explosion  vom  Rande  der  Brennfläche. 


Es  hat  Maxwell,  um  das  Gleiten  verdünnter  Gase  an- 
einer  festen  Wand  und  die  Erscheinung  der  thermischen  Effu- 
sion  analytisch  zu  behandeln,  eine  Methode  gegeben,^  der  wir 
zwar  hier  aus  leicht  ersichtlichen  Gründen  nicht  ganz  folgea 
können,  die  wir  aber  doch  zur  Rechtfertigung  unserer  späteren 
speziellen  Annahmen  erwähnen  müssen.  Liegt  molekular  be- 
wegtes Gas  geringer  Dichte  und  molekular  ruhendes  Gas 
großer  Dichte  unmittelbar  aneinander,  so  wird  dort  ausgeführt, 
daß  die  aus  dem  dünnen  Gas  einfliegenden  Molekel  häuflger 
den  Pol  als  den  Äquator  der  Molekel  des  dichten  Gases  treffen 
werden  und  daß  infolgedessen  hauptsächlich  die  senkrecht  zur 
Trennungsfläche  ausfliegenden  Molekel  in  das  dichte  Gas  ge- 
langen, während  diejenigen,  welche  nahezu  parallel  zur  Tren- 
nungsfläche ausfliegen,  unter  Beibehaltung  ihrer  Tangential- 
und  Reversion  ihrer  Normalgeschwindigkeit  von  den  obersten 


1  Auch  bei  der  Effusion  eines  Gases  wird  das  molar  ungeordnete  Gas  molar 
geordnet,  indem  jede  die  Öffnung  passierende  Molekel  durch  den  letzten  in  der 
Öffnung  erfolgenden  Zusammenstoß  einen  Geschwindigkeitszuwachs  in  der 
Richtung  der  Normalen  erfährt.  Umgekehrt  erfährt  die  einfliegende  Molekel  beim 
ersten  Zusammenstoß  im  dichten  Gase  im  Durchschnitt  eine  Verminderung  ihrer 
Normalkomponente. 

2  Im  Nachtrage  zur  Abhandlung:  »On  Stresses  in  rarified  gases  arising 
from  inequalities  in  temperature.« 


Theorie  der  Explosionen.  1093 

Molekelreihen  des  dichten  Gases  abprallen.  Es  ist  ohneweiters 
klar,  daß  diese  Scheidung  von  »absorbierten«  und  »reflek- 
tierten« Molekeln  bezüglich  der  dynamischen  Wirkung  des 
ersten  Zusammenstofles  keine  strenge  sein  kann,  daß  vielmehr 
hier  alle  Übergänge  vorhanden  sein  müssen  und  daß  auch  die 
eindringenden  absorbierten  Molekel  beim  Zusammenstoß,  ähn- 
lich wie  die  reflektierten,  hauptsächlich  eine  Änderung  der 
Normalkomponente  ihrer  Geschwindigkeit  erfahren  werden, 
wogegen  die  Tangentialkomponente  viel  weniger  beeinflußt 
wird,  ja  für  alle  schräg  eindringenden,  aber  noch  nicht  reflek- 
tierten Molekel  nahezu  vollkommen  erhalten  bleibt.  Dann  ver- 
läuft aber  im  Durchschnitte  die  ganze  Erscheinung  so,  als  ob 
jede  eindringende  Molekel  beim  ersten  Zusammenstoß  unter 
Einbuße  eines  Teiles  ihrer  Energie  nach  einem  bestimmten 
Gesetze  vom  Lote  gebrochen  würde. 

Auch  ein  von  Jäger^  zur  Ableitung  der  van  der  Waals- 
schen  Zustandsgieichung  benutzter  Gedanke  läßt  uns  zum 
gleichen  Schlüsse  kommen.  Jäger  beweist,  daß  eine  aus 
dichtem  in  verdünntes  Gas  oder  in  den  leeren  Raum  über- 
tretende Molekel  beim  Durchgange  durch  die  Grenzfläche 
Arbeit  gewinnt,  so  als  ob  zwischen  den  Molekeln  Abstoßungs- 
kräfte vorhanden  wären.  Es  hat  dies  zur  unmittelbaren  Folge, 
daß  die  Molekel  im  Momente,  wo  sie  die  Grenzfläche  passiert, 
einen  Impuls  in  der  Richtung  der  Flächennormalen  erfahrt, 
d.  h.  die  Normalkomponente  ihrer  Geschwindigkeit  gesteigert 
wird,  und  zwar  ohne  Änderung  der  zur  Fläche  parallelen 
Komponente.  Daraus  ergibt  sich  aber  auch,  daß,  wenn  um- 
gekehrt die  Molekel  aus  dem  dünnen  in  das  dichte  Gas  über- 
tritt, dies  einer  in  der  Richtung  der  Flächennormalen  zu 
leistenden  Arbeit  entspricht,  zufolge  deren  sie  mit  verminderter 
Normal-  und  beibehaltener  Tangentialgeschwindigkeit  zum 
nächsten  Zusammenstoß  gelangen  wird. 

Auf  diese  Überlegungen  gestützt,  nehmen  wir  an: 
1.  Daß  die  ursprüngliche  Geschwindigkeit  c  der  Molekel 
und  die  durch  den  ersten  Zusammenstoß  veränderte  c'  mit 


1  Diese  Sitzungsber.,  101,  p.  1520  (1892).  Auch  Winkelmann,  Hand- 
buch der  Physik,  11,  2,  p.  544  (1896). 


f   «^ 


109i  H.  Mache, 

dem  Einfallslot  in  einer  Ebene  bleiben.  Das  gilt  natürlich  nicht 
für  den  einzelnen  Stoß,  sondern  nur  für  den  Mittelwert  vieler. 

2.  Daß  die  in  die  Richtung  der  Ebene  fallende  Komponente 
hiebei  erhalten  bleibt  Sind  also  d  und  i/  die  Winkel,  welche 
die  Geschwindigkeitsvektoren  mit  dem  Lote  bilden,  so  gelte 
die  Gleichung  c  sin  ^  =  c'  sin  y. 

3.  Daß  hingegen  die  Normalkomponente  c  cos  ^  eine  ge- 
wisse, von  p  und  p'  abhängige  Veränderung  erfährt  Es  sei 
also  c' cos  y  =  r  cos  d/(p,  p').  Ist  p'>p,  so  muß  jedenfalls 
/(p,p')<l  sein. 

Durch  Vereinigung  beider  Gleichungen  erhalten  wir  femer 
auch  die  Beziehungen 

tg^=/(p,pOtgy 

und 

c'^  =  c^  sin«  ^+t:«  cos«  ^[/(p,  p')]". 

Es  ist  wohl  kaum  nötig,  eigens  zu  betonen,  daß  diese 
Annahmen,  vor  allem  die  zweite,  durchaus  nicht  völlig  den 
Tatsachen  entsprechen  werden  und  daß  daher  auch  die  Resul- 
tate nach  der  Auffindung  direkterer  Methoden  möglicherweise 
erheblicher  Korrekturen  in  quantitativer  Beziehung  bedürfen 
werden. 

Wir  betrachten  nun  den  folgenden  Fall: 

Die  für  Wärme  undurchdringliche  Wand  AB  trenne  bren- 
nendes und  unentzündetes  Gas.  Nur  durch  eine  in  der  Wand 
befindliche  Öffnung  von  der  Größe  F  sei  das  Fortschreiten  der 
Vei brennung  in  das  unter  AB  befindliche  Knallgas  ermöglicht 
Wir  fragen  nach  der  Dichte  der  Energie-  oder  Wärmeströmung 
in  den  verschiedenen  Richtungen,  einer  Größe,  die  gemäß  der 
oben  entwickelten  Anschauung  der  Geschwindigkeit  propor- 
tional ist,  mit  der  sich  die  Explosion  von  F  aus  nach  den  ver- 
schiedenen Richtungen,  unmittelbar  nach  Einleitung  des  Vor- 
ganges, fortpflanzt  Denken  wir  uns  also  um  F,  in  der  aus  der 
Figur  ersichtlichen  Weise,  mit  dem  Radius  Eins  eine  Halb- 
kugel konstruiert,  so  handelt  es  sich  um  die  Berechnung  der 
Energie,  welche  die  von  oben  aus  dem  brennenden  Gase  ein- 
fliegenden Molekel  durch  die  verschieden  gelegenen  Flächen- 


Theorie  der  Explosionen. 


1095 


eletnente  dieser  Halbkugel  tragen,  wobei  es  im  voraus  aus 
Gründen  der  Symmetrie  einleuchtet,  daß  diese  Energieströmung 
nur  von  dem  Winkel  *  oder  9^,  dagegen  nicht  vom  Azimut 
abhängen  kann  und  daher  längs  der  Zone  (tv  =i  2«  sinW^' 
überall  den  gleichen  Wert  hat  Wir  wollen  ferner  bedenken, 
daß  die  Geschwindigkeit  der  Molekeln  des  brennenden  Gases 
viel  größer  ist  als  die  des  noch  nicht  entzündeten  Gases,  so 
daß  wir  uns  das  letztere  molekular  ruhend  denken  können. 
Es  heißt  dies  nichts  anderes,  als  daß  die  Wurzel  aus  der 
Differenz  der  Quadrate  der  Molekulargeschwindigkeiten  in  den 


Fig.  4. 

beiden  Gasarten  sich  mit  der  Wurzel  aus  dem  mittleren  Ge- 
schwindigkeitsquadrat der  Molekel  des  brennenden  Gases,  c, 
hinlänglich  deckt. 

Der  Vorgang,  durch  den  der  Wärmetransport  vom  heißen 
zum  kalten  Gase  erfolgt,  ist  dann  der  folgende: 

Durch  die  Öffnung  F  fliegen  von  allen  Seiten  die  Molekeln 
des  brennenden  Gases  in  das  um  vieles  dichtere  unverbrannte 
Gas  ein.  Bei  dem  ersten  Zusammenstoße,  welcher  in  den 
obersten  Molekelreihen  des  dichten  Gases  stattfindet,  werden 
die  Normalkomponenten  der  stoßenden  Molekel  nach  dem 
oben  eingeführten  Gesetze  verändert  und  die  hiebei  verloren 
gegangene,  senkrecht  zur  Trennungsfläche  gerichtete  Energie 
an  die  getroffenen  Molekeln  des  dichten  Gases  übertragen. 
Außerdem   haben  aber  auch   die  stoßenden  Molekeln   selbst 


1096  H.  Mache, 

einen  Energierest  behalten,  der  nach  verschiedener  Richtung 
verschieden  groß  ist  und  eine  Energieströmung  veranlaßt,  die 
sich  ersichtlich  als  Funktion  des  Winkels  ^  ausdrücken  lassen 
wird.  Es  soll  gezeigt  werden,  daß  die  Dichte  dieser  vorzugs- 
weise seitlich  gerichteten  Energieströmung  die  Dichte  der 
normal  eindringenden  Energieströmung  bedeutend  übersteigen 
kann  und  in  einer  bestimmten  Richtung  das  Maximum  erreicht. 
Es  ist  dies  dann  zugleich  die  Richtung,  in  der  die  Explosions- 
geschwindigkeit beim  Durchtreten  der  Explosion  durch  die 
Wand  AB  den  größtmöglichen  Wert  erreicht. 

Fassen  wir  unter  den  einfliegenden  Molekeln  diejenigen 
ins  Auge,  deren  Richtung  mit  der  Flächennormalen  den  Winkel 
^  bis  ^-hdd"  einschließt,  so  ist  die  Zahl  solcher  Molekel  in  der 

Sekunde  bekanntlich^  gleich  — Nc  sin ^  cos ^d^,  wobei  wir 

2 

der  Einfachheit  halber  F  =  1  setzen  und  unter  N  die  Zahl  der 
Molekel  verstehen,  welche  in  der  Volumseinheit  des  brennenden 
Gases  enthalten  sind.  Nach  dem  ersten  Zusammenstoße 
schließen  diese  Molekel  nach  dem  Obigen  mit  der  Flächen- 
normale den  Winkel  ^  bis  ^'-hdd^  ein,  wobei 

tgy=— !^tg^     und     ^y  =  — ^   ^^^'  ^  d» 
f(p,9')  f{?,9')    cos«d 

ist. 

Ihre  Geschwindigkeit  ist  c'  =  ^\/sin^  0'-hcos**[/(p,pO]*. 
Es  passiert  somit  die  Zone  (Jiv  der  Energiebetrag 

E^,,  =  —  A^f«r»sin^cos^4d{sin2»-4-cos>d[/(p,f/)]«} 


und  die  Flächeneinheit  der  Zone  der  Energiebetrag: 

Ott  Sin  rrötr 


1  Vergl.  z.  B.  O.  E.  Meyer,  Kinetische  Theorie  der  Gase,  2.  Aufl.,  p.  82 
(1899). 


Theorie  der  Explosionen.  1097 

Dieser  Ausdruck,  der  nichts  anderes  gibt  als  die  Dichte 
•der  Energieströmung  in  der  Richtung  des  Winkels  y,  läßt  sich 
zunächst  durch  die  folgenden  einfachen  Transformationen  in 
•eine  übersichtliche  Form  bringen.  Es  ist  nämlich  unter  Berück- 
sichtigung der  Beziehungen,  welche  zwischen  b  und  y  be- 
stehen: 

_  1       -_        ,    Sin^C0S**^d  ^,        /N/*«a.r-r/        /m«  i 

1  Ar«,.»-Ünl£24*  [/(p,p0]3(i+tg«*')  = 


8tc  sin^cos^y 

8«  {H-[/(p,p')]''tg**'}'' 

Suchen  wir  denjenigen  Winkel  0,  für  welchen  diese 
Energieströmung  den  größten  Wert  annimmt  und  unter  dem 
«ich  somit  auch  die  Explosion  am  raschesten  fortpflanzt,  so 
erhalten  wir,  durch  Nullsetzung  des  nach  ^  gebildeten  Diffe- 
rentialquotienten,  für  ihn  die  Bestimmungsgleichung 

tg2e  = 6 

und  für  den  Höchstwert  der  Energieströmung 

1      5'/. 


E\t.x  ■=■ NnK^ 


8ir     6«  /(p,p')[l-/(P.P'm 


Es  ist  nun,  wie  schon  oben  betont  wurde,  /(p,  p')  stets 
kleiner  als  Eins,  und  zwar  wird  es  um  so  kleiner  sein,  je 
größer  der  Dichtenunterschied  der  Gase  auf  beiden  Seiten  der 
Brennfläche  ist  Fassen  wir  Fälle  ins  Auge,  wo  dieser  Dichten- 
unterschied große  Werte  erreicht,  wo  also  /(p,  p')  sehr  klein 
ist,  so  können  wir  auch  schreiben: 


/((>,(>') 


1098  H.  Mache, 


und 


1      5*/«  1  1 


8  IC    6«  /(p,p')  /(p,pO 

Vergleichen  wir  damit  die  Dichte  der  Energieströmung, 
wie  sie  in  den  mittleren  Partien  einer  ausgedehnten  Brenn- 
fläche vorhanden  ist.  Da  sich  hier  die  seitlich  gerichteten 
Komponenten  gegenseitig  aufheben,  wird  sie  senkrecht  zur 
Brennfläche  gerichtet  sein.  Es  ist  nun  die  Gesamtzahl  der 
durch  die  Flächeneinheit  in  der  Sekunde  einfliegenden  Teil- 
chen gleich 


I 


2   1  1 

—  Nc  sin*  cos*  J*  =  — Nc 

2  4 


und  die  durch  sie  überführte  Energie 


-^Normal  =  — Nntc^  =:  0'125 Nmc^, 
8 


Man  sieht  ein,  daß  für  genügend  kleines  /(p,  p')  der  Wert 
von  JEmäx  den  von  iSNormai  bedeutend  übertreffen  kann  und  daß 
dann  auch  die  vom  Rande  der  Brennfläche  weitergreifende 
Explosion,  besonders  in  der  Richtung  des  Winkels  0,  in  ihrer 
Geschwindigkeit  die  normal  zur  Brennfläche  sich  fortpflanzende 
erheblich  übersteigen  wird. 


Es  erübrigt  noch,  die  Bedeutung  der  oben  entwickeitert 
Anschauungen  für  die  Physik  der  Explosionen  kurz  aus- 
einanderzusetzen. 

Zunächst  ist  es  einleuchtend,  daß  die  Einführung  der  am 
Rande  der  Brennfläche  vorhandenen  maximalen  Explosions- 
geschwindigkeit uns  in  den  Stand  setzt,  sowohl  die  rasche 
Explosion  größerer  Knallgasvolumina  wie  auch  die  außer- 
ordentlich schnelle  »äußere  Entzündung«  der  inneren  Ballistik, 
die  wir  eingangs  erwähnt  haben,  zu  erklären.  Von  irgend  einer 


Theorie  der  Explosionen.  1099 

Stelle  aus,  in  der  die  Entzündung  eingeleitet  wurde  und  sich 
eine  kleine  Brennfläche  gebildet  hat,  verbreitet  sich  zunächst 
diese  Brennfläche  vom  Rande  aus  durch  oder  über  den  Ex- 
plosivkörper mit  großer  Schnelligkeit,  und  zwar  vornehmlich 
in  der  jeweiligen  Richtung  der  maximalen  Explosionsgeschwin- 
digkeit, während  in  der  Richtung  der  jeweiligen  Flächen- 
normalen die  Verbrennung  viel  langsamer  erfolgt.  Ist  speziell, 
wie  bei  den  festen  Explosivstoffen,  der  Dichtenunterschied 
zwischen  dem  Flammengas  und  der  explosiblen  Substanz  sehr 

IC 

groß,  so  wird  der  Winkel  0  nahezu  gleich  — ,  d.  h.  die  Explo- 

sionsgeschwindigkeit  hat  in  der  Richtung  der  an  der  betreffen- 
den Stelle  des  Randes  an  die  Brennfläche  gelegten  Tangential- 


ebene den  höchsten  Wert.  Die  Verbrennung  wird  sich  also 
tatsächlich  in  einer  Pulverladung  zunächst  von  der  Entzün- 
dungsstelle über  die  Oberflächen  der  Pulverkörner  bewegen 
und  dann  langsamer  in  das  Innere  eines  jeden  Kornes  vor- 
dringen. 

Auch  das  Entstehen  der  von  Berthelot  als  Explosions- 
welle bezeichneten  Erscheinung  läßt  sich  auf  Grund  der  ent- 
wickelten Theorie  dem  Verständnis  näher  bringen.  Wird  in 
einer  mit  einem  Explosivstoff,  etwa  einem  Knallgas  gefüllten  • 
zylindrischen  Röhre  die  Entzündung  selbst  auf  einer  zur 
Achse  senkrechten  Ebene  eingeleitet,  so  schreitet  die  Brenn- 
fläche doch  nicht  als  Ebene  durch  die  Röhre  weiter  fort.  Die 
der  Röhre  anliegenden  Partien  der  Brennfläche  werden  nämlich 
infolge  der  kühlenden  Wirkung  der  Wandung^  eine  gegenüber 


t  H.  Mache,  diese  Sitzungsber.,  111,  p.  1224  (1902). 


1100  H.  Mache, 

der  Mitte  stark  verminderte  Explosionsgeschwindigkeit  auf- 
weisen und  hinter  ihnen  zurückbleiben.  Dadurch  erhält  aber 
die  Brennfläche,  besonders  in  engen  Röhren,  wie  sie  ja  stets 
zu  diesen  Versuchen  verwendet  werden,  sehr  bald  die  Form 
eines  Kegels.  Die  Spitze  dieses  Kegels  wirkt  dann  hier  im 
ruhenden  Gasgemisch  ähnlich  wie  die  Kegelbasis  im  strömen- 
den, d.  h.  wie  der  Rand  einer  Brennfläche.  In  der  Tat  muß  ja 
gemäß  den  obigen  Ausführungen  eine  jede  gegen  das  unver- 
brannte Knallgas  gerichtete  Fiammenkante  oder  Spitze  in  ganz 
analoger  Weise  wirken  wie  ein  Flammenrand,  Das  hat  zur 
Folge,  daß  die  Spitze  des  Kegels  nicht  mit  der  normalen, 
sondern  mit  höherer  Explosionsgeschwindigkeit  in  das  Knall- 
gas vordringt  und  den  übrigen  Partien  der  Brennfläche  immer 
mehr  voraneilt.  Der  Kegel  wird  steiler  und  steiler,  die  Ge- 
schwindigkeit seiner  Spitze  dadurch  immer  größer,  bis  sie 
ihren  Höchstwert  erreicht  hat,  bis  nämlich  die  Richtung  der 
maximalen  Explosionsgeschwindigkeit  mit  der  Achse  der  Röhre 
zusammenfällt.  Ist  diese  größtmögliche  Geschwindigkeit  ein- 
mal vorhanden,  so  wird  sie  sich  erhalten,  d.  h.  der  Kegel 
schreitet  von  da  ab  mit  konstantem  Öffnungswinkel  und  kon- 
stanter, die  normale  Explosionsgeschwindigkeit  weit  über- 
treffender Geschwindigkeit  durch  die  Röhre  weiter,  wobei  sich 
die  peripheren  Partien  des  Kegels  in  ganz  analoger  Weise  von 
der  Spitze  her  entzünden  und  ergänzen  wie  im  strömenden 
Knallgas  die  zentralen  Partien  vom  Kegelrande.  Bezeichnet 
also  2y  den  Öffnungswinkel  des  Kegels,  C  seine  maximale 
Geschwindigkeit,  c  wieder  die  normale  Explosionsgeschwindig- 

c 
keit,  so  ist  sin  7  zu  — .  Ist  weiter  r  der  Radius  der  Röhre,  so 

ist  die  maximale  Länge  des  Kegels 


/  =  rcotgY  =  rv/l— )— Icory 


Die  Beobachtungen  ergeben  nun  tatsächlich  je  nach  der 
Länge  der  Röhre  verschiedene  Mittelwerte  für  die  Geschwindig- 
keit, mit  der  die  Explosion  sie  durchläuft.  Auch  wurde  nach- 
gewiesen, daß  diese  Geschwindigkeit  von  der  Entzündungs- 


Theorie  der  Explosionen.  1 101 

Stelle  aus  zunächst  anwächst,  bis  sie  einen  gewissen  bestimmten 
Wert  erreicht  hat,  den  sie  dann  beibehält.* 

Das  Gesagte  gilt  ohneweiters  natürlich  nur  für  offene 
Röhren  und  für  den  Fall,  daß  die  auf  die  geschilderte  Weise 
erreichte  maximale  Geschwindigkeit  die  Schallgeschwindigkeit 
in  der  unverbrannten  explosiblen  Substanz  nicht  übersteigt. 
Tritt  das  letztere  ein,  so  wird  die  Geschwindigkeit  der  Explo- 
sionswelle infolge  der  jetzt  eintretenden  adiabatischen  Kom- 
pression noch  weiter  ansteigen.  Es  wird  nämlich  einerseits 
durch  die  Kompression  des  Flammengases  die  Verbrennungs- 
temperatur höher,  andrerseits  durch  die  Kompression  der  un- 
verbrannten Substanz  diese  bedeutend  vorgewärmt  und  die 
zur  Erreichung  der  Entzündungstemperatur  durch  Wärme- 
leitung zuzuführende  Wärmemenge  geringer.  Beide  Ursachen, 
vor  allem  die  zweite,  erhöhen  nun  die  Explosionsgeschwindig- 
keit und  rückwirkend  die  Kompression.  Diese  gegenseitige 
Steigerung  wird  so  lange  andauern,  bis  die  Explosions- 
geschwindigkeit den  größten  überhaupt  möglichen  Wert  an- 
genommen hat.  Es  kann  kein  Zweifel  darüber  bestehen, 
welches  dieser  Wert  ist.  Da  der  Fortleitungsmechanismus  der 
Explosion  in  einem  Wärmeleitungsprozeß  besteht,  so  wird 
der  Grenzwert  der  Explosionsgeschwindigkeit  durch  die  Ge- 
schwindigkeit der  Molekel  gegeben  sein,  welche  den  Wärme- 
transport vermitteln.  Es  wird  also  schließlich,  wie  dies  die 
Experimente  von  Berthelot  und  Dixon  ergeben  haben,  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Explosion  in  der  Röhre 
gleich  der  Geschwindigkeit  der  Molekel  in  der  Flamme  sein 
oder,  genauer  gesagt,  gleich  der  mittleren  molekularen  Ge- 
schwindigkeit des  Verbrennungsproduktes  bei  der  aus  Ver- 
brennungswärme und  Wärmekapazität  berechenbaren  maxi- 
malen Verbrennungstemperatur. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  noch  den  Zusammenhang 
zwischen  dem  Gesagten  und  einem  einfachen  Gesetze  dar- 
legen, welches  für  alle  Verbrennungserscheinungen  von  großer 
Bedeutung  ist.   Dieses  Gesetz  sagt  aus,  daß  der  Verbrauch 


1  Vergl.  z.  B.  H.  B.  Dixon:  R.  Boyle  Lecture,  1903,  H.  Frowde,  London 
(1905). 


1102  H.  Mache, 

an  Brennstoff  für  eine  Flamme  der  Größe  ihrer  Oberfläche 
proportional  ist.  Gouy  hat  diesen  Satz  begründet  und  experi- 
mentell nachgewiesen.^  Er  resultiert  unmittelbar  aus  der  Be- 
merkung, daß  die  Normalkomponente  der  Explosionsgeschwin- 
digkeit für  jeden  Flächenteil  der  Flamme  die  gleiche  ist,  und 
zwar  gleich  der  normalen  Explosionsgeschwindigkeit  der 
betreffenden  explosiblen  Substanz.  Dann  ist  auch  der  Ver- 
brauch an  Brennstoff  einer  beliebig  gestalteten  Flamme  gleich 
dem  einer  ebenen  Flamme  von  gleicher  Größe  und  es  ist  der 
Quotient  aus  Konsum  und  Brennfläche  gleich  c.  Auf  diese 
Weise  hat  Michelson  durch  Ausmessen  der  kegelförmigen 
Brennfläche,  wie  sie  sich  über  zylindrischen  Brennerröhren  aus- 
bildet, für  einige  Knallgase  die  normale  Explosionsgeschwindig- 
keit bestimmt^  und  auf  diese  Weise  sind  auch  die  oben  für 
Leuchtgas- Luft-Gemische  gegebenen  Werte  von  c  erhalten 
worden. 

Die  Gültigkeit  dieses  Satzes  ist  nun  an  die  Erfüllung 
zweier  Bedingungen  geknüpft.  Zunächst  muß  der  Konsum  der 
Flamme  und  damit  auch  die  normale  Explosionsgeschwindig- 
keit von  der  Krümmung  der  Brennfläche  unabhängig  sein. 
Das  ist  nur  dann  der  Fall,  wenn  die  Tiefe,  bis  zu  der  die 
Wärmeströmung  in  den  unentzündeten  Brennstoff  eindringt, 
eine  kleine  Größe  gegen  die  bei  den  Beobachtungen  vor- 
kommenden Krümmungsradien  der  Oberfläche  ist;  denn  eine 
jede  irgendwie  beträchtliche  Konvergenz  der  Wärmeströmung 
hätte  ja  ein  rascheres  Erreichen  der  Entzündungstemperatur 
und  damit  auch  ein  Ansteigen  der  normalen  Explosions- 
geschwindigkeit in  diesen  Teilen  der  Flamme  zur  Folge.  Daß 
diese  Bedingung  genügend  erfüllt  erscheint,  wurde  bereits  an 
anderer  Stelle  nachgewiesen.* 

Außerdem  müssen  wir  aber  noch  zur  Gültigkeit  des  Satzes 
annehmen,  daß  die  maximale  Explosionsgeschwindigkeit  die 
normale  sehr  wesentlich  übertrifft.  Genau  würde  der  Satz  nur 
gelten,  wenn  die  maximale  Explosionsgeschwindigkeit  unend- 


1  Ann.  chim.  phys.  (5),  18,  p.  27  (1879). 

2  Wied.  Ann.,  37,  p.  1  (1889). 

8  H.  Mache,  diese  Sitzungsber.,  108,  p.  1152  (1899). 


Theorie  der  Explosionen.  1 103 

« 

lieh  grofl  wäre  und  in  die  Richtung  der  Brennfläche  fieley  wie 
dies  gleichfalls  bereits  an  anderer  Stelle  dargelegt  wurde.^  Ist 
nämlich  MN  =  /  eine  etwa  in  einer  zylindrischen  Röhre 
senkrecht  zur  Achse  stehende  Brennfläche,  so  schreitet  sie, 
wenn  wir  von  der  kühlenden  und  retardierenden  Wirkung  der 
Wandung  absehen,  mit  der  Geschwindigkeit  c  in  der  Röhre 
fort.  Ist  hingegen  die  Brennfläche  unter  dem  Winkel  y  gegen 


M        M 


Fig.  6. 

die   Achse   geneigt,    so    fordert   unser   Satz,   daß   sich   diese 

Geschwindigkeit  auf  —, erhöht;  denn  es  ist  ja  nur  dann 

sm  Y 

der  Quotient  aus  Konsum  und  Brennfläche 

c 


f-i 


sm  Y 


/ 


=  c. 


sm  Y 


Während  also  die  Explosion  in  einer  bestimmten  Zeit, 
etwa  in  einer  Sekunde,  senkrecht  zur  Brennfläche  von  N^ 
nach  A/j  fortschreitet,  muß  sie  parallel  zur  Fläche,  also  vom 

Rande  aus  mindestens  die  Strecke  N^N^  = zurückgelegt 

tgT 
haben.    Daraus  ergibt  sich,  daß  für  kleine  Werte  von  y  die 

Geschwindigkeit  in  dieser  Richtung  sehr  große  Werte  an- 
nehmen muß,  ja  daß,  wofern  wir  die  absolute  Gültigkeit  des 
Gesetzes  postulieren,  die  Annahme  nötig  wird,  daß  sich  die 
Explosion  seitlich  mit  unendlich  großer  Geschwindigkeit  aus- 
breitet. 


1  H.  Mache,  diese  Sitzungsber.,  113,  p.  341  (1904). 


1 104  H.  Mache,  Theorie  der  Explosionen. 

# 

Der  Satz  wird  also  nicht  mehr  gelten,  wo  Krümmungs* 
radius  und  Reichweite  der  Wärmeströmung  von  gleicher 
Größenordnung  sind  oder  wo  die  maximale  Explosions- 
geschwindigkeit die  normale  nicht  erheblich  übertrifft.  Er 
wird  endlich  auch  dann  ungültig  werden,  wenn  die  Neigung 
der  Brennfläche  gegen  den  Brennstoff,  der  Winkel  y,  sehr 
klein  wird,  wie  dies  z.  B.  der  Fall  ist,  wenn  die  Verbrennung 
in  einer  Röhre  als  Explosionswelle  fortschreitet 


1105 


Eine  einfache  Methode  zur  Bestimmung  der 
Wärmeleitungskonstante  von  Flüssigkeiten 

(I.  Mitteilung) 

von 

Heinrich  Mache  und  Josef  Tagger. 

(Mit  1  Textfigur.) 

Aus  dem  physikalischen  Institute  der  Universität  Innsbruck. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  4.  Juli  1907.) 

Die  Flüssigkeit  wird  in  eine  nicht  zu  dickwandige  Hohl- 
kugel aus  gut  leitendem  Metall  (Kupfer)  eingefüllt,  die  an  einer 
Stelle  ein  kurzes  Metallröhrchen  trägt,  in  die  eine  nicht  zu  enge 
Kapillare  eingesetzt  ist.  In  diesem  Kapillarrohr  steht  dann  die 
Flüssigkeit  in  bestimmter  Höhe.  Die  ganze  Vorrichtung  ist  also 
nichts  anderes  als  ein  offenes  Thermometer  mit  größerem, 
kugelförmigem  Metallgefäß. 

Wird  dieses  Thermometer  aus  einem  Bade  von  Zimmer- 
temperatur rasch  in  ein  zweites,  um  wenige  Grade  wärmeres 
Bad  gebracht,  so  beobachtet  man  zunächst  infolge  der  Aus- 
dehnung des  Thermometergefäßes  ein  fast  momentanes  Sinken 
der  Flüssigkeit  im  Rohre,  worauf  dann  langsamer,  und  zwar  in 
dem  Maße,  als  die  Flüssigkeit  sich  erwärmt,  das  Steigen  des 
Meniscus  eintritt.  Nach  einer  gewissen,  gewöhnlich  kurzen 
Zeit  ist  er  in  die  Anfangsstellung  zurückgekehrt  und  läuft  mit 
fortschreitender  Erwärmung  darüber  hinaus,  um  natürlich  erst 
dann  zur  Ruhe  zu  kommen,  wenn  die  ganze  Flüssigkeitsmasse 
die  höhere  Temperatur  des  zweiten  Bades  angenommen  hat. 
So  wenig  diese  späteren  Stadien  des  Prozesses  einem  reinen 
Wärmeleitungsprozeß  entsprechen,  da  ja  bis  dahin  zur  Aus- 
bildung  von   Strömungen   in    der   Flüssigkeit    reichlich   Zeit 


1106 


H.  Mache  und  J.  Tagger, 


) 

vorhanden  ist,  so  ist  doch  der  erste  Teil  des  Vorgrangi 
in  Flüssigkeiten  geringer  Fähigkeit,  von  Störun^e/f^ 
Konvektionsströme  als  vollkommen  frei  anzusehen.  Du 
unten  beschriebenen  Versuche  weisen  dies  nach  undz 
daß  die  aus  der  Ausdehnung  der  Flüssigkeit  im  ersten  ^ 
berechenbaren  Werte  der  Wärmeleitungskonstanten 
nach  der  bisher  einzig  verläßlichen  Lamellenmetbo^ 
H.  Weber  erhaltenen  sehr  gut  übereinstimnnen. 


Wir  betrachten  eine  Flüssigkeitskugel  vom  Radius  R 
Zeit  /zzO  sei  die  Temperatur  in  ihrem  Innern   *iz=0. 
Kugel  werde  plötzlich  auf  ihrer  Oberfläche,  also  für  f  =  Ä 
die  höhere  Temperatur  0  gebracht   und  auch    ^veiterhi/? 
dieser    Temperatur   erhalten.     Die    Temperaturverteilung 
Innern  der  Kugel  zur  Zeit  i  ergibt  sich  dann   als  J^ösung 
Differentialgleichung 


8/ 


=  a 


3f8 


unter  gleichzeitiger  Befriedigung  der  Nebenbedingungen; 


und 


»  =  0  für  t  =  0 
9' =  B  für  r  =  R. 


Hiebei  bezeichnet  a^  die  Temperaturleitfahigkeit  de''^'^^' 
sigkeit. 

Setzen  wir  rft  zu  v,  so  erhalten  wir  statt  dessen  auch  ^^ 
Differentialgleichung 


1^ 


=.  a 


2 


3  t;« 
8t' 


mit  den  Bedingungen: 


v  =  0      für  /=zO 
v  =  R%    »    r  =  R 
v  =  0        »    r  =  0. 


WärmeleitUQgskonsUnte  von  Flüssigkeiten.  1 1 07 

^'^^  Stöningi  Lösung  findet  man  den  Ausdruck:^ 

fe^'^^'m ersten c  [^        ^  ;f^,      **  ^ 

P^'onstauten  ♦, 

Ißjßjjgjj    ^at  nun  ein  Volumelement  der  Flüssigkeitskugel  für  ^=:0 

Diwen        *öße  4r*7cJf,  so  hat  die  in  ihm  enthaltene  Flüssigkeit, 

m   8   ihren    thermischen    Ausdehnungskoeffizienten    be- 

anet,  bei  der  Temperatur  b  das  Volumen  4^^1:^^(14-5^). 

y^    n  ,  hat  sich  somit  um  Ar'^'Rdrtb^  ausgedehnt.  Die  gesamte,  zur 

a  )  /  vorhandene  Volumsvergrößerung  -4/  erhalten  wir  dann 

.    r  "^^  einfache  Integration.  Es  ist: 

iturvent.     J^ 

lalsU:.  2  ^^f«  ^    V  (-1)«    -ff)''  .    «^ 


2         r^ 

-RSl     4rTCi 

^'        Jo 


,      ..  .-s^r  >    -^ —e  '    sin— r 

TZ         ^  Z^       n  R 

fi=i 


3  A       "  Jo  R 


«=1 
^^^  Da  ferner 


r^      .    «TT     ^ 
/     r  sm  —  rar  = 

h  R 


R 


rR         nz  i?-      .     «it 

—  cos  —  r-h sm — -r 

m:  R  «*i:*  /?      o 


so  erhalten  wir  auch: 


R^ 

=  -(-o"— .  . 

in:  7 


®^         D«         —    -  f—Yt 


6   VI     1     -^*(ä-J 


3  I         Ä»  ii-i  «^ 


«=i 


Bezeichnet   man  nun   mit  Bt  die  tatsächlich    zur  Zeit  / 
beobachtete  scheinbare  Ausdehnung  der  Flüssigkeit  und  mit  C 


1  Verirl.  z.  R.  Riemann-Hattendorf,  Partielle  Differentialgleich.,  p.  145. 
Sitzb.  d.  mathcm.-natunv.  KL;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II a.  73 


1 108  H.  Mache  und  J.  Tagger, 

die  Ausdehnung  der  die  Flüssigkeit  enthaltenden  Metallkugel, 

Da  der  Temperaturleitungskoeffizient  eines  gut  leitenden 
Metalles  stets  um  vieles  größer  ist  als  der  einer  Flüssigkeit  — 
für  Kupfer  ist  er  etwa  700  mal  so  groß  als  für  Wasser  —  so 

kann  man  annehmen,  daß  das  Metall  sofort  die  Temperatur  des 

4 
Bades  annimmt  und  daß  C  =  —  i?^irß  9  gesetzt  werden  kann, 

3 

wo  ß  den  kubischen  Ausdehnungskoeffizienten  des  Metalles 
bezeichnet. 

Dann  ist,  wenn  wir  unter  z  die  Zeit  verstehen,  in  welcher 
der  Meniscus  in  die  Anfangsstellung  zurückkehrt,  für  welche 
also  Bf  1=0  wird, 

oder,  wenn  wir  mit  t  die  Zeit  bezeichnen,  in  welcher  der 
Meniscus  im  Rohre  vom  Querschnitt  q  bis  zur  Höhe  h  empor- 
gestiegen ist, 

oo  ,  /««\* 

6S  SRHS    '"  ZuH^ 


e 


Aus  beiden  Formeln  können  wir  durch  probeweise  Sub- 
stitution das  a^  ermitteln.  Mitunter  wird  allerdings  diese 
Berechnung  infolge  geringer  Konvergenz  der  Summe  etwas 
langwierig. 

Die  Resultate  der  nachfolgenden  Beobachtungen  sind  als 
vorläufige  zu  betrachten,  da  sie  gewiß  nicht  die  Genauigkeit 
erreichen,  deren  die  Methode  fähig  ist.  Vor  allem  wird  sich  die 
Zeitmessung  durch  automatische  Registrierung  wesentlich  ver- 
bessern lassen.  Immerhin  sind  sie  geeignet,  die  Brauchbarkeit 
der  Methode,  d.  h.  also  die  Nichtexistenz  von  Störungen  kon- 
vektiver  Natur  darzutun. 

Die  Kapillare  war  in  der  folgenden,  aus  der  nebenstehenden 
P'igur  ersichtlichen  Weise  an  die  Kupferkugel  angesetzt.  Um 
die  Öffnung  O  wurde  das  weitere,  innen  mit  Gewinde  versehene 


Wärmeleitungskonstante  von  Flüssigkeiten. 


1109 


Röhrchen  r  stumpf  aufgelötet.  In  dieses  paßte  das  Röhrchen  p, 
in  dem  die  Kapillare  eingesiegelt  war.  Die  letztere  konnte  dann 
eingeschraubt  und  auf  einen  am  Boden  des  Röhrchens  befind- 
lichen Kautschuk-  oder  Lederring  gepreßt  werden,  der  einen 
dichten  Abschluß  herstellte.  Die  Kugel  wurde  bei  etwas  niedri- 
gerer Temperatur  mit  der  luftfrei  gemachten  Flüssigkeit  gefüllt. 
Bei  Erwärmung  auf  Zimmertemperatur  steigt  dann  die  Flüssig- 
keit von  selbst  in  die  Kapillare. 

Die  Resultate  wurden  für  Flüssigkeiten  mit  geringer 
innerer  Reibung  nur  brauchbar,  wenn  man  die  Beobachtungs- 
zeit nicht  über  40  Sekunden 
ausdehnte.  Geht  man  darüber 
hinaus,  so  erhält  man  durch 
Strömungen  gestörte,  also  zu 
hohe  Werte.  Wir  haben  uns 
andrerseits  überzeugt,  daß  zwi- 
schen 40  und  10  Sekunden  die 
Beobachtungen  konstante  Werte 
geben.  Freilich  läßt  sich  er- 
warten, daß  für  sehr  kleine,  unter 
10  Sekunden  liegende  Zeiten 
die  Voraussetzung,  daß  das 
Metall  sofort  die  Temperatur  des  Bades  annimmt,  nicht  mehr 
genügend  zutrifft  und  daß  dann  für  die  Wärmeleitungskonstante 
zu  kleine  Werte  resultieren.  Diese  untere  Grenze  konnte  aber 
mangels  genauerer,  automatischer  Zeitmessung  nicht  festgelegt 
werden. 

Die  folgende  Tabelle  gibt  die  an  vier  verschiedenen 
Flüssigkeiten  für  ungefähr  gleiche  Beobachtungszeiten  erhal- 
tenen Resultate: 


R 

^0 

^ 

qcm^ 

h 

6 

cm 

C." 

c.*^ 

cm 

T 

sec 


cm* 


I 


sec    (Weber) 


Glyzerin  . . . 
Anilin  . .  . . 
Wasser  . . . . 
Alkohol . . . . 


5-00 
2-49 
2-49 
2-49 


0-00053 
0-00092 
0-00016 
0-00110 


15-6 
17-2 
14-5 
14-7 


21-7 
22-2 
17-7 
20-2 


0-0175 


0-0175 


0 
2-55 

0 
3-95 


23 
37 
38 
32 


0-00091 
0-00070 
0-00175 
0-00095 


0-00093 
0-00078 
0-00136 
0 • 00096 


73* 


1 1 10        H.  Mache  und  J.  Tagger,  Wärmeleitangskonstante  etc. 

Die  verwendeten  Kugeln  hatten  eine  Wandstärke  von 
0*065  cm.  Der  kubische  Ausdehnungskoeffizient  des  Kupfers,  ß, 
wurde  gleich  0*000051  gesetzt.  Für  Glyzerin  und  Wasser 
bezeichnet  r  die  Zeit,  in  welcher  der  Meniscus  in  die  Anfangs- 
stellung zurückkehrte,  für  Anilin  und  Alkohol  die  Zeit,  in 
welcher  der  Meniscus  im  Rohr  bis  zur  Höhe  h  emporstieg.  Die 
Zahlen  der  letzten  Spalte  geben  die  von  Weber  nach  der 
Lamellenmethode  im  Temperaturintervall  9  bis  15*  für  a* 
erhaltenen  Werte. 

Die  Versuche  werden  in  der  Richtung  verfeinert  werden, 
daß  die  Zeitmessung  vermittels  elektrischer  Kontakte  durch 
einen  Chronographen  erfolgt.  Dieser  Apparat  ist  bereits  in 
Bestellung  gegeben,  doch  glaubten  wir,  da  die  Versuche  eine 
längere  Unterbrechung  erfahren  müssen,  die  Methode  schon 
jetzt  kurz  mitteilen  zu  Sollen. 


1 


Mach  E.,  Die  Phasenverächiebung  durch  Reflexion  an  den  Jamin'schcn  Platten. 
Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  997—1000. 


Phasenverschiebung  durch  Reflexion  an  den  Jamin'schen  Platten. 

Mach  E.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907), 
p.  997-- 1000. 


Jamin'sche  Platten  zum  Nachweis  der  Phasenverschiebung  durch  Reflexion. 

Afach  E.,   Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,   II  a.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  997-1000. 


Reflexion,  Phasenverschiebung  bei  d^ersclben  an  den  Jamin'schen  Platten. 

Mach  E.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  997—1000. 


Cantor  M.,   Zur   Bestimmung   der  Lichtgeschwindigkeit   nach    P'izeau   und 
akustische  Anüilogien.  ^    • 

Sitz.  Ber.  der  Wioncr  Akad.,  Ha.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1001—1012. 


Lichtgeschwindigkeit  nach  Fiieaii  und  akustische  Analogien. 

Cantor  M.,  Sitz.  Ber.  <kr  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1007), 

p.  1001-1012. 


«I  ■         -      «    C  1    •    ■   •        \ 


Akustische  Analogen  2u  Fliseau*s  Messung  dtr  Lichtgeschwindigkeit. 

Cantor  M.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1001-1012. 


Wagner  R.,  Die  Scnallenergie  des  elektrischen  Funkens. 

Sitz.  Ber. 'der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907),  p.  1013— 1018. 


Schallenergie  des  elektrischen  Funkens. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Ak.ail.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907^, 
p.  1013—1018.  '     ' 

Abt.  IIa,  Juni. 


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Elektrizität,  Schallcnergic  des  elektrischen  Funkens. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1013—1018. 


Energie  des  Schalles  des  elektrischen  Funkens. 

Wagner  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  fl907), 
p.  1013-1018. 


Schweidler  E.,  v.,  Studien  über  die  Anomalien  im  Verhalten  der  Dielektrika. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1019—1080. 


Dielektrika,  Sturf.iien  über  die  Anomalien  im  Verhalten  der  — . 

Schweidler  E.,  v.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  1019-1080. 


Hysteresis,   dielektrische.    Studien   über    die   Anomalien   im    Verhalten    der 
Dielektrika. 

Schweidler  E.,  v.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  1019—1080. 


Mache  H.,  Grund/üge  zu  einer  Theorie  der  Explosionen. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd  116(1907),  p.  1081  —  1104. 


Explosion,  Grundzüge  zu  einer  Theorie  der  Explosionen. 

Mache  H.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1081—1104. 


Flamme,  Grundzüge  zu  einer  physikalischen  Theorie  der  Flamme. 

Mache  H.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1081  —  1104. 


Mach«  H.  und  Tagger  J.,  Eine  einfache  Methode  zur  Bestimmung  der  Wärme- 
leitungskonstante von  F'lüssigkeiten.  (I.  Mitteilung.) 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1 105— U 10. 


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Tagger  J.  und  Mache  H.,  Eine  einfache  Methode  zur  Bestimmung  der  Wärme- 
Icitungskonstante  von  Flüssigkeiten,  (l.  Mitteilung.) 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1105—11 10. 


Wärmeleitung  von   Flüssigkeiten,  eine  einfache   Methode   zur  Bestimmung 

der—  \(;'>:^ 

Mache  H.  imdTa^git  *J.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt., 

Bd.  116(1906),  p.  1105—1110. 


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Flüssigkeiten,  efn^  ejAfftcbe  Mt^^p(i^  ^r  Bestinmuii^|xl0r^^'^i}neleitungs- 
konstante  von  —  . 

Mache  H.  und  Tagger  J.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt., 
Bd.  116(1907),  p.  1105—1110. 


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SITZUNGSBERICHTE 


DEK 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXVI.  BAND.  VIL  HEFT. 


ABTEILUNG  IIa. 

KNTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECflANIK. 


«•»- 


74 


1113 


Drei  Konstruktionen  der  Fläche  zweiter  Ord- 
nung aus  neun  gegebenen  Punkten 

von 

Robert  Gidaly  in  Wien. 

(Mit  4  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  6.  Juni  1907.) 

Von  den  zahlreichen  Methoden,  durch  neun  Punkte  eine 
Fläche  zweiter  Ordnung  zu  legen/  sind  nur  zwei  zur  kon- 
struktiven Durchführung  geeignet:  die  Methode  von  Thomae  ^ 
und  jene  von  Adler*;  Rohn*  führt  die  Konstruktion  nach 
einer  Methode  durch,  die  mit  der  Thomae'schen  identisch  ist. 

Im  nachstehenden  werden  drei  weitere,  sehr  einfache 
Konstruktionen  der  Fläche  zweiter  Ordnung  aus  neun  Punkten, 
I  II  III  IV  V  VI  VII  VIII  IX,  mitgeteilt.  Die  Ebenen  durch  I,  II, 
III;  IV,  V,  VI;  VII,  VIII,  IX  mögen  mit  a,  ß,  7  bezeichnet  werden; 
ferner  sei  A  =  [ß^]»  B  =  [«tI»  C=  [aß]  und  5  =  [aßv].  Da  es 
sich  um  eine  Aufgabe  über  reine  Lagenbeziehungen  handelt, 
kann  die  Konstruktion  durchgeführt  werden,  wenn  das  Drei- 
kant ABC  und  die  Punkte  I ...  IX  in  irgend  einer  linearen  Ab- 
bildung gegeben  sind.  Unsere  Aufgabe  soll  für  gelöst  gelten, 
wenn  von  der  gesuchten  Fläche  F  fünf  in  einer  Ebene  liegende 
Punkte  bekannt  sind. 


1  Vergl.  Boegehold,  Historisch-kritische  Darstellung  der  Konstruktionen 
der  Fläche  zweiter  Ordnung  aus  neun  Punkten;  Doktor-Dissertation,  Jena  (1898). 

^  Thomae,  Lineare  Konstruktion  einer  Fläche  zweiter  Ordnung  aus  neun 
Punkten,  Leipziger  Ber.,  44.  Bd.  (1892);  Rohn,  Die  Konstruktion  der  Fläche 
zweiten  Grades  durch  neun  gegebene  Punkte,  Leipziger  Her.,  46.  Bd.  (1894)  und 
Rohn-Papperitz,  Lehrbuch  der  darstellenden  Geometrie,  2.  Teil,  §676; 
Adler,  Zur  Konstruktion  der  Flächen  zweiten  Grades  aus  neun  gegebenen 
Punkten,  diese  Sitzungsberichte,  110.  Bd.  (1901). 

74* 


1114 


R.  Gidaly, 


Erste  Konstruktion. 

Die  gesuchte  Fläche  F  ist  die  den  Punkt  IX  enthaltende 
Fläche  des  Flächenbüschels  mit  den  Grundpunkten  I. .  .VIII. 


Fig.  1. 


Die  Flächen  dieses  Flächenbüschels  schneiden  die  Ebene 
f  =:  [VII  Vin  IX]  nach  Kegelschnitten  eines  Kegelschnitt- 
büschels, von  welchem  zwei  Grundpunkte,  VII  und  VIII,  be- 
kannt sind.  Die  beiden  anderen  Grundpunkte,  p  und  q,  können 
mittels  Zirkeis  und  Lineals  bestimmt  werden.  Ä'^  =  [Fi\  ist  der 
den  Punkt  IX  enthaltende  Kegelschnitt  des  Kegelschnittbüschels 
mit  den  Grundpunkten  VIT  VIII  pq. 


Konstruktionen  det  Fläche  zweiter  Ordnung.  1113 

4>  =  [VII  VIII]  1 11  m  IV  V  VI  ist  eine  FläcHe  des  Flächen- 
büschels durch  I...VI1I;  die  Erzeugende  G  i=  [VII  VIII] 
schneidet  a  in  a,  ß  in  b.  Die  Kegelschnitte  [$a]  und  [4»ß] 
schneiden  sich  in  zwei  Punkten  der  Geraden  C,  c^  und  r^,  die 
man  als  das  gemeinsame  Punktepaar  der  durch  die  Kegelschnitt- 
büschel a  I  II  III  und  b  W  V  VI  auf  C  bestimmten  Involutionen 
erhält,  [^a]  enthält  die  Punkte  c^c^al  II  III  und  schneidet  B 
in  a  und  a+,  [$ß]  enthält  c^  c^blV  V  VI  und  schneidet  ^  in  ^ 
und  b-^]  a+  und  ^+  können  linear  bestimmt  werden.  E  =z  [a'^b'^] 
ist  die  zweite  in  f  liegende  Erzeugende  von  4>. 

V  =  [IV  V]  I  II  III  VI  VII  VIII  ist  eine  zweite  Fläche  des 
Büschels  I...VIII.  Man  legt  durch  VI,  VII,  VIII  die  Ebenes; 
die  Erzeugende  H  =.  [IV  V]  schneidet  s  in  ^,  a  in  h  und  y  in  /• 
[Ve]  und  [^Fa]  schneiden  sich  in  s^  5^,  dem  gemeinsamen 
Punktepaar  der  durch  die  Kegelschnittbüschel  e  VI  VII  VIII 
und  Ä  I  II  III  auf  S=[ea]  bestimmten  Involutionen,  [^''a]  zu 
s^s^hl  II III  schneidet  B  in  den  Punkten  t^,  t^;  [Vf]  ist  somit 
durch  fünf  Punkte,  t^  t^  l  VII  VIII,  bestimmt. 

Die  Gerade  £  schneidet  \^i\  in  den  gesuchten  Punkten/?,^, 
zu  deren  Bestimmung  ein  Kreis  (durch  e)  und  77  gerade 
Linien  erforderlich  sind. 

Zweite  Konstruktion. 

Chasles^  und  Steiner^  legen  das  Flächenbüschel 
zweiter  Ordnung  durch  I...VIII  und  bestimmen  die  durch 
dieses  auf  jB  ausgeschnittene  Involution,  Jb\  zwei  Punktepaare 
von  Jt  können  linear  ermittelt  werden.^  7^,,  I,  II,  III  bestimmen 
in  a  ein  Kegelschnittbüschel  und  auf  C  die  Involution  Je.  Durch 
J^.,  IV,  V,  VI  ist  in  ß  ein  Kegelschnittbüschel  und  auf -4  die  In- 
volution Ja  bestimmt.  Die  Flächen  des  Flächenbüschels  durch 
I...VIII  schneiden  Y  nach  Kegelschnitten  eines  Kegelschnitt- 
büschels, von  dem  VII  und  VIII  zwei  Grundpunkte  sind  und 
durch  welches  auf  A  die  Involution  Ja,  auf  B  die  Involution  Ji 


1  Ghasles,  Principe  de  correspondance  entre  deux  objets  variables,  qui 
peut  etre  d'un  grand  usage  en  Geometrie,  P.  C.  R.,  t.  41  (1855);  Steiner- 
Geiser,  Konstruktion  der  Fläche  zweiten  Grades  durch  neun  Punkte,  Crellc- 
sches  Journal,  68.  Bd.  (1868). 

2  Vergl.  Anm.  2  auf  p.  1118. 


1116 


R.  Gidäly, 


bestimmt  wird.  Der  Kegelschnitt  dieses  Kegelschnittbüschels 
durch  IX,  K^  =  [^7],  schneidet  A  in  einem  Punktepaar  von 
Jay  B  nach  einem   solchen  von  Jt,*  K^  ist  somit  sowohl  ein 


\/;|Ar^jj,y^yj,...y 


Kig.  2. 


Kegelschnitt  des  durch  7^,  VII,  VIII,  IX,  als  auch  ein  Kegel- 
schnitt des  durch  Jt,  VII,  VIII,  IX  bestimmten  Kegelschnitt- 
büschels. Die  vierten  Grundpunkte  dieser  beiden  Büschel,  v  und 
w^  können  mit  dem  Lineal  allein  konstruiert  werden.  K-;  ist  nun- 
mehr durch  VII,  VIII,  IX,  v,  tv  bestimmt. 


Konstruktionen  der  Fläche  zweiter  Ordnung. 


111 


Mit  Berücksichtigung  dieser  Modifikation  lassen  sich  die 
Methoden  von  Chasles  und  Steiner  linear,  und  zwar  mit 
Hilfe  von  58,  beziehungsweise  52  geraden  Linien  durchführen; 
dafi  die  Steiner'sche  Methode  linear  durchgeführt  werden 
kann,  dürfte  noch  nicht  bekannt  sein. 


Dritte  Konstruktion. 

Die  Flächenbüschel  durch  I II III IV  V  VI  VII VIII  und  I II III 
IV  V  VI  VII IX  bestimmen  in  a  Kegelschnittbüschel  mit  den 
Grundpunkten  I II  III  r  und  I II  III  t.  Die  gesuchte  Fläche  F, 


Fig.  3. 


welche  diesen  Flächenbüscheln  gemein  ist,  schneidet  a  nach 
üT«  =  I  II  in  r  /.  V.  Staudt  *  bestimmt  die  Punkte  r  und  /  bloß 
mittels  des  Lineals,  jedoch  auf  sehr  komplizierte  Weise;  eine 
sehr  einfache,  lineare  Konstruktion  dieser  Punkte  soll  im 
folgenden  mitgeteilt  werden. 

*  =  [I II]  III  IV  V  VI  VII  VIII  ist  eine  Fläche  des  Büschels 
I. .  .VIII;  sie  schneidet  a  nach  den  Erzeugenden  G  =  [I II]  und 


1  V.  Staudt,  Beiträge  zur  Geometrie  der  Lage,    3.  Heft  (1860);   §39, 
Nr.  582  ff. 


1118  R.  Gidaly, 

E  =  [IH  r].  E  wird  folgendermafien  bestimmt:  G  schneidet  ß 
in  c,  y  in  b;  c  IV  V  VI  sind  die  Grundpunkte  eines  Kegelschnitt- 
büschels,  in  welchem  [4^p]  enthalten  ist  Drei  andere  Kegel- 
schnitte dieses  Büschels,  [c  IV]  [V  VI],  [c  V]  [IV  VI]  und 
c  IV  V  VI  5,  schneiden  auf  C  die  Punkte  c,  c',  5,  auf  A  die  einer 
Involution  angehörigen  Punktepaare  aa,  a'a',  s{sj  aus.  Durch 
aa  VII  VIII  B,  a'a'  VII  VIII  b  und  s^s;  VII  VIII  E  sind  Kegel- 
schnitte eines  Kegelschnittbüschels  in  f  bestimmt,  die  B  in  E 
und  in  b,  b',  s  schneiden.  Nun  ist 

(cc's, .  .)z(aa,a'a\  s(s), .  .)ic(bb^s.  .  .); 

die  Punktreihen  cc^s...  und  bb's..,  befinden  sich  somit  in 
perspektiver  Lage,  i  =z[bc.b^c^  ist  das  Perspektivzentrum 
E=z  [Uli]  ist  die  zweite  in  a  gelegene  Erzeugende  von  ^.  Die 
Ermittlung  der  Punkte  b  und  b^  geschieht  am  einfachsten  auf 
Grund  des  Pascal'schen  Satzes  mit  Hilfe  der  Sechsecke 
c/i7  VII  VIII  bb  und  a'a'  VII  VIII  bb'. 

^+  =  [I  III]  II  IV  V  VI  VII  VIII  ist  eine  zweite  Fläche  des 
Flächenbüschels  I...  VIII,  [^-^ol]  zerfallt  in  die  Geraden 
(r-^  =  [I  III]  und  £+  =r  [11/],  wenn  j  das  Perspektivitäts- 
zontrum  der  Punktreihen  cc's.  .  .  und  b^b^-^s, .  .  bedeutet.* 

r  =r  [EE-^]  ist  der  vierte  Grundpunkt  des  durch  das 
Fliichenbüschel  I. .  .VIII  in  a  bestimmten  Kegelschnittbüschels. 
Steiner,  der  [*a]  und  [^+a]  auf  die  geschilderte  Art  kon- 
struiert, bestimmt  noch  die  Kegelschnitte  [^ß],  [*+ß],  [4>t]. 
[*+y]  und  erhält  als  Schnittpunkte  der  beiden  letzteren  nebst 
VII,  VIII  zwei  weitere  Punkte  von  [Fi]\  es  sind  dies  dieselben 
Punkte,  welche  in  unserer  ersten  Konstruktion  mit  /?,  q  be- 
zeichnet wurden.* 


i  [G^C]  =^  r^  [G*B\  =  h-^]  die  Kegelschnitte  [?\V]  [V  VI],  [c^V]  [IV  VI], 
r+IV  V  VI  5  schneiden  auf  C  die  Punkte  c,  c\  s,  auf  ^4  die  einer  Involution  ange- 
hörigen Punktepaare  aa-*-,  a'a+,  s  (5)_etn.  Mit  Hilfe  der  Pascal'schen  Sechsecke 
a\i  Vn  VÜI  b+b^  und  a'W  VII  VIII  b^b'+  werden  auf  B  die  Punkte  b^  URd  b"- 
linear  bestimmt,  (s)  braucht  nicht  gezeichnet  werden. 

2  [<!)«]  und  [<^+a]  schneiden  B  in  Punktepaaren  jener  Involution,  die  ge- 
legentlich der  Besprechung  unserer  zweiten  Konstniktion  mit  /^  bezeichnet 
wurde. 


Konstruktionen  der  Fläche  zweiter  Ordnung. 


1119 


4>o  =  [1 11]  ni  IV  V  VI  VII IX  und  *+  =  [I III]  II IV  V  VI  VII IX 
sind  Flächen  des  Flächenbüschels  I  II  III  IV  V  VI  VII IX. 
$Q  schneidet  a  nach  den  Erzeugenden  G  =  [I  II]  und 
E,  =  [III  lo],  ^^  nach  G+  =  [I  III]  und  £+  =  [II^o];  /  =  [^o^^] 
ist  somit  der  vierte  Grundpunkt  des  durch  das  genannte 
Flächenbüschel  in  a  bestimmten  Kegelschnittbüschels. 


Vom  Kegelschnitt  AT«  z=  [Fol]  kennt  man  jetzt  fünf  Punkte: 
I,  II,  III,  r, /;  unsere  Aufgabe  ist  somit  gelöst.  Die  angegebene 
Konstruktion  erfordert  insgesamt  nur  44  gerade  Linien,  eine 
Zahl,  die  von  der  Anzahl  der  Linien,  welche  man  zur  Durch- 
führung anderer  Methoden  braucht,  weit  übertroffen  wird.^ 

1  Nach  Adler  braucht  man  zur  Durchführung  der  Rohn'schen  Kon- 
struktion ungefähr  90  gerade  Linien,  zur  Durchführung  der  Adler'schen  Methode 
außer  einem  festen  Kreise  genau  83  Gerade ;  durch  passende  Wahl  des  Hilfs- 
kreises kann  aber  die  letztere  Zahl  bedeutend  reduziert  werden,  etwa  auf  50. 


1121 


Über  die  Zerfallskonstante  von  Ac>l 

von 

Dr.  V.  F.  Hess. 

Aus  dem  II.  physikalischen  Institut  der  k.  k.  Universität  Wien. 

(Mit  1  Tafel  und  1  Textfigur.) 
^Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  11.  Juli  1907.) 

I.  Zweck  der  Untersuchung. 

In  der  Literatur  finden  sich  merkwürdigerweise  sehr 
abweichende  Angaben  über  die  Zerfallsperiode  von  AcA,  deren 
Aufklärung  das  Ziel  der  vorliegenden  Untersuchung  war. 

Bekanntlich  entsteht  aus  der  Emanation  des  Actiniums 
ein  strahlenloses  Produkt,  Ac-4,  mit  einer  Halbierungszeit  von 
rund  36  Minuten,  aus  welchem  eine  a-,  ß-  und  f-strahlende 
Substanz,  AcB,  sich  bildet,  die  in  etwa  2  Minuten  auf  die 
Hälfte  abklingt. 

Verfolgt  man  die  Abklingung  der  induzierten  Aktivität,  so 
bemerkt  man  bei  kurzer  Expositionsdauer  ein  anfängliches 
Wachsen  der  Aktivität  (das  Maximum  trifft  nach  etwa  8  Minuten 
ein),  hierauf  eine  Abklingung,  die  allmählich  in  eine  rein 
exponentielle  nach  der  Konstante  des  Aci4  übergeht.  Bei 
längerer  Exposition  verflacht  sich  der  anfängliche  Anstieg  und 
wird  bei  sehr  langer  Exposition  ganz  unmerklich. 

Die  von  den  verschiedenen  Forschern  gefundenen  Halbie- 
rungskonstanten für  Ac^  zeigen  Abweichungen,  die  aus  den 
Beobachtungsfehlern  nicht  mehr  erklärt  werden  können.^ 


1  Siehe  T.  Godlewski,  Ober  die  Eigenschaften  des  Aktiniums.  Jahrb.  f. 
Rad.  u.  Elektron.,  3,  p.  157. 


1122 


V.  F.  Hess, 


Es  schien  mir  daher  wünschenswert,  mit  einer  exakten 
Meßmethode  die  Abklingung  der  induzierten  Aktivität  bei 
variierten  Versuchsbedingungen  zu  verfolgen. 

Die  Meßmethode  mittels  eines  Blattelektrometers,  wie  es 
die  meisten  Beobachter  anwendeten,  ist  bei  einer  so  rasch 
abklingenden  Strahlung  nicht  exakt  genug,  da  jede  einzelne 
Messung  viel  zu  lange  dauert  und  keine  Mittelwerte  gewonnen 
werden  können. 


EltitrotfUBLer 


Eräjt 


ca 


r*n 


^ 


SrAe 


P 


Erder 


t 


B 


XXXXXXXXXXXXXXX) 


+ 


Q 


Jt>4f 


Nun  hat  Dr.  Bronson^  eine  sehr  präzise  Methode  an- 
gegeben, die  »Methode  der  konstanten  Ausschläge«.  Ich  habe 
mich  ebenfalls  derselben  bedient  und  möchte  vorerst  die  Er- 
fahrungen mitteilen,  die  ich  mit  derselben  gemacht  habe. 

II.  Bronson's  »steady  defleetion  method*. 

Die  Schaltung  ist,  wie  aus  der  Figur  ersichtlich,  genau  die 
von  Bronson  und  Rutherford  angegebene. 

Das  eine  Quadrantenpaar  bleibt  ständig  geerdet,  das  andere 
ist  ständig  mit  dem  Versuchsgefäß  verbunden;  dieses  war  auf 


1  Bronson,  Sill.  Joum.  (1905,  Februar). 


Zerfallskonstante  von  Aci4.  1 123 

einer  Ebonitunterlage  P  gestellt  und  die  äußere  Belegung  mit 
dem  positiven  Pole  einer  kleinen  Weston- Hoch  Spannungs- 
batterie  (System  Dr.  Krüger)  verbunden,  deren  negativer  Pol 
geerdet  war.  Am  Boden  des  Versuchsgefäßes  wurden  die  aktiven 
Substanzen  A  gelegt. 

Bronson's  Methode  besteht  bekanntlich  darin,  daß  das 
mit  dem  Versuchsgefaß  verbundene  Quadrantenpaar  durch 
einen  sehr  hohen  Widerstand  R  ständig  zur  Erde  geleitet  ist, 
weshalb  die  Aufladung  durch  den  Sättigungsstrom  im  Ver- 
suchsgefäß nur  so  lange  dauert,  bis  sie  durch  die  langsame 
Entladung  mittels  R  kompensiert  ist. 

Nach  dem  Vorgange  Rutherford's  verwendete  ich  als 
Widerstand  R  einen  zweiten  Luftkondensator,  in  dem  sich 
ein  sehr  stark  aktives  Poloniumpräparat  D  befand,  welches 
die  Luft  so  stark  ionisierte,  daß  das  Ohm'sche  Gesetz  be- 
folgt war. 

Die  Elektrometemadel  war  ständig  auf  100  Volt  geladen, 
das  Elektrometer  war  eines  vom  Dolezalek'schen  Typus  (Papier- 
nadel und  Luftdämpfung). 

Da  die  Luft  des  Laboratoriums  sehr  trocken  war,  hatte  ich 
Schwierigkeiten,  den  Quarzfaden  dauernd  leitend  zu  erhalten. 
Insbesondere  bemerkte  ich,  daß  die  Oberfläche  der  Siegellack- 
kittungen an  den  Häkchen  die  Leitfähigkeit  am  ehesten  verlor. 

Mit  Erfolg  wendete  ich  den  Kunstgriff  an,  die  Siegellack- 
kittungen, nachdem  der  Faden  bereits  leitend  gemacht  war,  in 
feinstes  Aluminiumpulver  zu  tauchen,  das  infolge  der  starken 
Adhäsion  sofort  einen  leitenden  Oberzug  bildete. 

Die  Bronson*sche  Methode  erwies  sich  für  radioaktive 
Messungen,  welche  sich  nur  auf  kurze  Zeiträume  erstrecken, 
innerhalb  deren  sich  die  Empfindlichkeit  nicht  ändert,  als  sehr 
zweckmäßig. 

Die  Empflndlichkeit  kann  bei  konstanter  Nadelladung 
durch  zwei  Mittel  variiert  werden:  entweder  man  verändert 
die  Große  des  als  Widerstand  dienenden  Luftraumes  C — D 
durch  Verschieben  der  Platte  C  oder  man  verändert  die  Ioni- 
sation in  diesem  Räume  durch  Bedecken  des  Poloniumbleches  D 
mit  dünner  Aluminiumfolie.  Die  Strahlung  des  Bleches  darf 
aber  nicht  so  weit  geschwächt  werden,  daß  der  Luftraum  C—I) 


1124  V.F.Hess. 

das   Ohm*sche   Gesetz  nicht  befolgt;  dann  sind  nämlich  die 
Ausschläge  keineswegs  mehr  proportional  den  Stromstäiicen. 

Bei  meinen  Messungen  benützte  ich  zwei  verschiedene 
Empfindlichkeitsbereiche,  und  zwar  entsprachen  einem  Strome 
von  1  Volt/min  Ausschläge  von  3*0  mm,  beziehungsweise 
38  •  0  mm  (ersteren  Bereich  gebrauchte  ich  nur  für  einige  mit 
dem  stärksten  Actiniumpräparat  lange  Zeit  induzierte  Bleche). 
Die  Ausschläge  waren  nicht  über  die  ganze  Skala  proportional 
den  Stromstärken,  sondern  nur  bis  zirka  1 50  mm.  Für  höhere 
Ausschläge  benützte  ich  eine  sorgfältig  hergestellte  Eichungs- 
kurve. 

III.  Die  Versuehsresuitpate. 

Es  standen  mir  drei  verschiedene  Actiniumpräparate  zur 
Verfügung.  Diese  Präparate  waren  von  Herrn  Dr.  Hai  tinger 
und  Dr.  Ulrich  in  Atzgersdorf  bei  Wien  aus  Pechblende  ge- 
wonnen und  aus  derselben  Hauptmenge,  jedoch  mit  verschie- 
denen Fällungsmethoden  hergestellt.  Sie  waren  in  flachen 
Metallschälchen  aufbewahrt  und  bei  der  Aktivierung  wurden 
kleine  Silberbleche  über  diese  Schälchen  gelegt.  Es  wurde  dafür 
Sorge  getragen,  daß  dies  unter  vollkommenem  Luftabschluß 
geschah,  um  den  Einfluß  des  Staubes*  tunlichst  zu  ver- 
meiden. 

Zur  Aktivierung  wurden  stets  ganz  neue  Bleche  verwendet, 
um  jeden  Zweifel  wegen  Verunreinigung  der  Oberfläche  aus- 
zuschließen. Die  Bleche  waren  nicht  immer  gleich  groß. 

Die  Induktionszeiten  wurden  zwischen  1*5  Minuten  und 
24  Stunden  variiert. 

Im  folgenden  seien  nur  einige  mit  dem  stärksten  Präparat 
(Nr.  I)  erhaltenen  Abfallsbeobachtungen  in  extenso  mitgeteilt. 
Von  den  übrigen  Präparaten  seien  nur  die  bei  den  verschiedenen 
Beobachtungsreihen  erhaltenen  Halbierungszeiten  mitgeteilt.  In 
der  Kolumne  log  J  sind  die  Logarithmen  der  in  willkürlichen 
Einheiten  gemessenen  Aktivitäten  verzeichnet,  t  bedeutet  die 
Zeit  nach  Beendung  der  Induktion. 

2  Brooks,  Phil.  Mag.,  1902. 


ZerfallskonstAnte  von  AcA. 


1125 


Versuchsresultate  mit  Präparat  Nr.  I. 

Versuch  1. 
Expositionszeit  5  Minuten.  Präparat  Nr.  I. 

Zeit  zwischen  Herausnehmen  des  Bleches  und  der  ersten  Beobachtung 

4*2  Minuten. 


t 

log/ 

/ 

log/ 

4-2 

2  0497 

39-3 

1-8382 

6-8 

2  0763 

46-0 

1 • 7858 

10-2 

2-0714 

53-8 

1-7141 

14-8 

2-0382 

61-0 

1-6546 

21-5 

1-9856 

70-5 

1  -  5786 

24-6 

1-9554 

78-8 

1-5101 

30-2 

1-9141 

89-0 

1-4250 

36-5 

1 • 8593 

101-0 

1 • 3295 

Auf  graphischem  Wege  wurde  die  Halbierungskonstante 

HC  =  36' l  Minuten 
gefunden  (siehe  Kurve  I). 

Versuch  2. 
Expositionsdauer  10  Minuten.  Präparat  Nr.  I. 


t 

log/ 

/ 

log/ 

40 
7-0 
10-2 
13-7 
18-2 
230 

• 

28-7 
34-0 
38-4 

2-3245 
2-3348 
2  -  3239 
2 • 2954 
2-2592 
2  -  2268 
2-1688 
2-1359 
2-0965 

44-6 
50-2 
58-8 
64-5 
73-3 
82-6 
92-7 
97-4 
105-2 

2-0418 
1-9994 
1-9244 
1-8782 
1-8114 
1-7280 
1-6414 
1-6017 
1  -  5378 

Auf  graphischem  Wege  ermittelte  Halbierungskonstante 

HC=36'0  Minuten 
(siehe  Kurve  II). 


J 


1126 


V.  F.  Hess, 


Versuch  3, 

Expositionsdauer  7  Minuten.  Präparat  Nr.  I. 


/ 

log/ 

/ 

log/ 

3-7 

2-1694 

43-5 

1-9046 

7-1 

2-1780 

48-5 

1-8613 

11-8 

2-1653 

53-3 

1-8222 

15-3 

2- 1346 

58-7 

l • 7720 

18-7 

2   1052 

64-1 

1-7288 

21-7 

2-0831 

71-7 

1-6734 

25-3 

2-0597 

79-6 

1-5945 

33-6 

1-9822 

91-7 

1-4948 

39*0 

1-9387 

• 

Daraus  ergibt  sich 

HC  =35 'S  Minuten 
(hiezu  Kurve  III). 

Versuch  4. 
Expositionsdauer  5  Minuten.  Präparat  Nr.  I. 


4" 

■0 

8 

•0 

l\' 

'3 

15 

•0 

18 

■5 

21 

•8 

25" 

•7 

30 

•0 

37 

■ 

•8 

1-9554 
1-9741 
1-9637 
1  9336 
1-9000 
1 • 8803 
1 • 8465 
1-8077 
1 • 7449 


43-0 
48-7 
54-4 
61-0 
68-8 
75-6 
86-2 
94-7 


6943 

6525 

6042 

5386 

4793 

4275. 

3383 

2637 


Aus  dieser  Abklingung  (Kurve  IV)  folgt: 

HC  =36-2  Minuten. 


Zerfallskonstante  von  Aci4. 


1127 


Versuch  5. 
Expositionsdauer  4  Minuten.  Präparat  Nr.  1 


/ 

log  7 

/ 

log/ 

5-0 

1 • 8855 

41-0 

1  -  6568 

9-0 

1-9201 

45-2 

1-6256 

12-7 

1-8831 

51-0 

1-5722 

17-0 

1 • 8587 

56-5 

1-5275 

220 

1-8111 

63-2 

1-4719 

25-3 

1-7886 

70-7 

1-4123 

30-0 

1 • 7449 

81-0 

1-3137 

35-5 

1-7006 

99-0 

1-1793 

Aus  der  entsprechenden  Kurve  V  ergibt  sich 

i/C=  36-0  Minuten. 


Versuch  6. 
Expositionsdauer  30  Minuten.  Präparat  Nr.  I. 


4-0 
10-0 
14*8 
19-5 
24-5 
29-5 
34-2 
38-0 
42-5 


2-5340 
2  - 5053 
2-4618 
2  - 4324 
2-3898 
2-3515 
2-3097 
2-2810 
2  -  2380 


49-0 
52-5 
57-9 
63*8 
69-5 
75-9 
85  0 
92-7 
100-5 


2-1865 
2-1599 
2-1115 
2-0626 
2-0212 
1-9678 
1*8881 
1-8252 
1-7581 


Der  lineare  Teil  der  entsprechenden  Kurve  VI  liefert  die 

Halbierungszeit: 

i/C=  36-4  Minuten. 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  ßd.,  Abt.  IIa. 


75 


1128 


V.  F.  Hess; 


Versuch  7. 
Expositionsdauer  1 2  Stunden.  Präparat  Nr.  I. 


t 

log/ 

/ 

log/ 

3-0 
6-0 
100 
15-0 
21-5 
26-6 
30-8 
36-4 

2-8014 
2-7851 
2-7622 
2-7207 
2-6666 
2-6312 
2  -  5866 
2-5376 

41-0 
46-5 
53-0 
59-7 
65-6 
75-3 
85-3 
990 

2-5018 
2-4519 
2-4008 
2-3472 
2-2981 
2  -  2094 
2-1396 
2-0196 

Daraus  folgt  (siehe  Kurve  VII): 

i/Cm  35-9  Minuten. 

Versuch  8. 
.    Expositionsdauer  1  Stunde.  Präparat  Nr.  I. 


log/ 


log/ 


40 

2-6216 

8-5 

2 ■ 5960 

11-5 

2-5813 

16-9 

2-5403 

23-0 

2-4880 

31-0 

2-4284 

36-3 

2-3835 

39-5 

2  3542 

44-2 

2-3159 

58-1 

2-2036 

62-2 

2   16/8 

68-7 

2-1066 

73-5 

2  0685 

79-3 

2-0259 

98-1 

1-9542 

107-5 

1-8751 

Dieser  Abklingung  entspricht  (Kurve  VIH): 

//C=36-2  Minuten. 


Zerfallskonstante  von  Aci4. 


1129 


Versuch  9. 
Expositionsdauer  2  •  5  Minuten.  Präparat  Nr.  I. 


9-2 
15-2 
18-3 
270 
290 
360 
40-7 
44*5 


1 • 6930 
1 • 7446 
1 • 7045 
1  6736 
1-6092 
1-5971 
1-5307 
1-5019 
1-4709 


48-4 
52-6 
57'5 
65-2 
67-7 
76-2 
S8-7 
990 


-4313 
-4017 
•3569 
•2915 
-2731 
•2143 
•1113 
•0188 


Hier  ergibt  sich  (aus  Curve  IX): 

//C=  36-6  Minuten. 


Versuch  10. 
Expositionsdauer  1  •  5  Minuten.  Präparat  Nr.  I. 


Der  lineare  Teil  der  Kurve  X  ergibt: 

Ä'C=  35-6  Minuten. 


75* 


1130  V.F.Hess, 

Ferner  wurden  mit  Präparat  Nr.  I  noch  folgende  Versuchs- 
resultate erzielt  (der  Kürze  wegen  seien  nur  die  auf  graphischem 
Wege  ermittelten  Halbierungszeiten  mitgeteilt): 

Versuch  11.  Präparat  Nr.  I. 

Exposition  2  Minuten:       HCz=  36*0  Minuten. 

Versuch  12.  Präparat  Nr.  I. 

Exposition  20  Minuten:     HC  =  36*2  Miuuten. 

Versuch  13.  Präparat  Nr.  I. 

Exposition  120  Minuten:  HC  :=.  35*9  Minuten. 

Versuch  14.  Präparat  Nr.  I. 

Exposition  10  Minuten:     HCz=:  35*8  Minuten. 

Versuch  15.  Präparat  Nr.  I. 

Exposition  6  Stunden:       HC=^  36'- 3  Minuten. 

Es  ergibt  sich  somit  als  Mittelwert  der  beim  Präparat  Nr.  I 
gefundenen  Halbierungskonstanten  (36*  1,  36-0,  35*8,  36-2, 
36-0,  36-4,  35-9,  36-2,  36-6,  35-'6,  36-0,  36-2,  35-9,  35"8, 

^'  Mittelwert  HC  =36-07  Minuten. 

Versuchsresultate  mit  Präparat  Nr.  II. 

Präparat  Nr.  II  war  bedeutend  schwächer  als  Nr.  I.  Ver- 
suche mit  sehr  kurzer  Expositionszeit  konnten  nicht  durch- 
geführt werden,  da  dann  die  aktivierten  Bleche  viel  zu  schwach 
aktiv  waren,  als  daß  die  Abklingung  durch  längere  Zeit  präzis 
verfolgt  werden  konnte,  trotz  der  sehr  empfindlichen  Versuchs- 
anordnung. 

Ich  erhielt  folgende  Resultate: 

Expositionsdauer  10  Minuten: 

Versuch  16 HC  =36' 3  Minuten 

17 HC=36'0 

18 HC  =3Q^0 


Zerfallskonstante  von  Ac  i4.  1131 

Expositionsdauer  30  Minuten: 

Versuch  19 HC  =35  9  Minuten 

20 HC  =35-9 

21 HC=36'2 


Expositionsdauer  60  Minuten: 

Versuch  22 HC  =z  36-1  Minuten 

23 HC  =36-2 

24 ^C=35-8 

Expositionsdauer  6  Stunden: 

Versuch  25 HC=3^'0  Minuten. 

Expositionsdauer  24  Stunden: 

Versuch  26 HCz=3b'9  Minuten 

27 HC  =  36-3 

28 HC  =:  360       - 

Als  Mittelwert  (Versuche  16  bis  28)   für  Präparat  Nr.  II 

ergibt  sich  mithin: 

//C=  36-05  Minuten. 


Versuchsresultate  mit  Präparat  Nr.  III. 

Präparat  Nr.  III  war  ungefähr  halb  so  stark  wie  Nr.  I,  doch 
gestattete  die  empfindliche  Anordnung  des  Elektrometers  noch, 
mit  vollständiger  Sicherheit  auch  Induktionskurven  bei  sehr 
kurzer  Expositionsdauer  aufzunehmen.  Die  Ergebnisse  sind 
in  vollständiger  Übereinstimmung  mit  den  bisher  mitgeteilten 
Resultaten. 

Es  wurden  folgende  Haibierungskonstanten  gefunden: 

Expositionsdauer  5  Stunden: 

Versuch  29 HC  =:  36  •  1  Minuten. 

Expositionsdauer  2  Stunden: 

Versuch  30 HC  =35 '6  Minuten 

31 ifC=  36-2 


1132  V.F.Hess, 

Expositionsdauer  1  Stunde: 

Versuch  32 Ä'C  =  36  •  3  Minuten. 

33 HC=36'0 

Expositionsdauer  25  Minuten: 

Versuch  34 WC  =  36-2  Minuten. 

Expositionsdauer  15  Minuten: 

Versuch  35 HC  =  S6'4  Minuten. 

Expositionsdauer  10  Minuten: 

Versuch  36 Ä^C  zu  36  •  1  Minuten. 

Expositionsdauer  5  Minuten: 

Versuch  37 i/C  =  36-  5  Minuten 

38 ifC=:36-2 

39 HC=3ö'8 

40 i/C=35-9 

Mittelwert  für  Präparat  Nr.  III: 

i/C=  36-11  Minuten. 

IV.  Diskussion  und  Zusammenfassung  der  Resultate. 

1.  Meine  an  drei  verschiedenen  Ac-Präparaten  mittels  der 
Bronson*schen  Methode  aufgenommenen  40  Induktionskurven 
ergeben  für  den  rein  exponentiellen  Teil  nur  wenig  voneinander 
abweichende  Halbierungskonstanten. 

Es  wurde  gefunden  für 

Präparat     I:  HC  =  36*07  Min.  (Mittelwert  aus  15  Versuchen), 

II:  HC  =36'0o     »     (         *  »13  »         ), 

III:  HC  =36' II     >     {         >  »12  »         ). 

Somit  als  Gesamtmittel  der  Halbierungskonstante  von  AcA: 

HC  =36-07  Minuten. 

Die  extremsten  der  gefundenen  Werte  waren  35*6  und 
36-6  Minuten. 


Zerfallskonstante  von  AcA. 


1133 


2.  Die  innerhalb  weiter  Grenzen  vorgenommene  Variie- 
rung hinsichtlich  der  Aktivierungszeit  hatte,  wie  aus 
der  folgenden  Zusammenstellung  ersichtlich,  auf  die  Halbwerts- 
zeit keinerlei  konstatierbaren  Einfluß. 


Dauer  der  Aktivierung 

Gefundene  Halbwertszeiten 

1  bis  5  Minuten 

36-1,  36-2,  36-0,  36*6,  35*6,  36*0,  36-5, 

36-2,  35-8,  35-9, 

im  Mittel  36*09  Minuten 

5  bis  10  Minuten 

360,  35-8,  35-8,  36-3,  36*0,  36-0,  36-1, 
im  Mittel  86*00  Minuten 

10  bis  60  Minuten 

36-4,  36-2,  36-2,  359,  35-9,  36-2,  36-1, 

36-2,  35-8,  36-4,  362,  360.  36*3, 

im  Mittel  36*14  Minuten 

Länger  als  60  Minuten 

35*9,  35*9,  36*3.  36*0,  35*9,  36*3,  36*0, 

35*6,  36*2,  36*1, 

im  Mittel  36*02  Minuten 

3.  Es  erscheint  somit  fraglich,  ob  die  die  Beobachtungs- 
fehler übersteigenden  Abweichungen  in  den  bisher  in  der 
Literatur  angegebenen  Werten  der  Halbierungskonstante  von 
AcA  auf  tatsächliche  Verschiedenheiten  (Beimengung  von  un- 
bekannten radioaktiven  Stoffen)  bei  Actiniumpräparaten  ver- 
schiedener Darstellungsweise  begründet  sind. 

4.  Die  Versuche  sollen  fortgesetzt  werden,  sobald  mir 
noch  andere  Präparate  ganz  verschiedener  Provenienz  zur 
Verfügung  stehen. 


Hess  V.  F.:  Zerfallskonstante  von  Ac-4. 


Zeitliche  Abklingung  der  induzierten  Aktivität  von  Actinium. 


80 
70 

to 

50 
30 

to 

to 

too 

90 
90 
10 
C0 


20 


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Idt  im^MbmUm/  > 


Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-natun\'.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907. 


1135 


Der  Peltiereffekt  Niekel-Kupfer  zwischen 

20  und  450°  C. 

von 

Dr.  Paul  Cermak. 

(MU  i  T«xtfigttr.> 

Aus  dem  physikalischen  Institute  der  k.  k.  deutschen  Universität  in  Prag. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  axn  20.  Juni  1907.) 

Anschließend  an  meine  Arbeit  über  den  Peltiereffekt 
Eisen-Konstantan  zwischen  0  und  560*  C.^  bestimmte  ich  für 
denselben  Bereich  der  Temperatur  den  Peltiereffekt  Nickel- 
Kupfer.  Es  wurde  bei  dieser  Arbeit  genau  die  gleiche  Versuchs- 
anordnung benutzt,  wie  bei  der  früheren. 

In  einem  elektrischen  Ofen  befand  sich  ein  Lecher'sches* 
Kalorimeter.  In  dasselbe  ragte  die  eine  Lötistelle  eines  Nickel- 
Kupferelementes  zur  Bestimmung  des  Peltiereffektes  und  ein 
0*06  mm  dünnes  Konstantandrähtchen,  mit  dessen  Hilfe  die 
Joule'sche  Wärme  eines  bestimmten  Stromes  gemessen  wurde. 
Als  Badflüssigkeiten  für  das  Kalorimeter  wurden  auch  diesmal 
bis  200**  C  Petroleum,  bis  380**  C.  Reten  und  bis  450*  C. 
Chrysen  verwendet.  Auch  betreffs  der  Beobachtungsweise  und 
der  Auswertung  des  Peltiereffektes  genügt  es  wohl,  auf  meine 
frühere  Arbeit  zu  verweisen. 

Kürzlich  wurde  von  Herrn  Rziha^  im  hiesigen  Institute 
der  Peltiereffekt   Nickel-Kupfer   zwischen   den  Temperaturen 


1  P.  Cermak,  diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  p.  657  (1907). 

2  E.  Lecher,  diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  p.  1506  (1906). 

3  K.  Rziha,  diese  SiUungsberichte,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa  (1907). 


113G 


P.  Cermaky 


200  und  800°  C.  beobachtet.  Seine  Methode,  die  sich  gut 
eignet,  den  Verlauf  der  Abhängigkeit  von  der  Temperatur  zu 
untersuchen,  läßt  keine  Bestimmung  absoluter  Werte  des 
Peltiereffektes  zu.  Ich  habe  bei  meinen  Untersuchungen  nur 
sechs  Punkte  herausgegriffen,  und  zwar  die  bei  Zimmer- 
temperatur, bei  95**  C,  bei  235,  290,  340  und  445°  C.  Es 
wurden  zur  Gewinnung  der  Werte  bei  diesen  Temperaturen 
jedesmal  mindestens  zehn  Beobachtungen  gemacht,  deren 
Mittel  den  wirklichen  absoluten  Wert  wohl  mit  großer 
Sicherheit  angeben  dürften.  In  der  folgenden  Tabelle  sind  die 
Ergebnisse  verzeichnet: 


Temperatur 


19**  C. 


95'  C    1  235*»  C. 


290*»  C. 


340''  C.  '  445*»  C. 


- 

2' 

04 

2-23 

2-53 

2-07 

1-97 

2 ' 

08 

2    12 

2-38 

1-94 

1-84 

05 

2-27 

2-49 

2-13 

1-92 

Einzelne 
Werte  in 

r 
1' 

70 
83 

2-09 
2-18 

2-29 
2-52 

2-15 
r08 

207 
1-82 

Gramm- 
kalorien. 10-3 

1 

98 

2-14 

2-45 

2  06 

1-88 

r 

87 

2-08 

2-41 

2-22 

1-96 

i 

83 

2-20 

2-53 

2-02 

1-94 

• 

2 

00 

2-13 

2-49 

1-99 

1-85 

l 

•81 

2-07 

2-44 

2-08 

1-87 

Mittelwerte  . . 

1-92 

2-15 

2-45 

2  06 

1-91 

2-27 

2-42 

I 

2-35 

2-42     . 

I 

2-29     ' 

2-38 

2-46     . 

2-50 

2-35 

2-41 

2-38 


Die  so  gewonnenen  Werte  zeigen  eine  hinlängliche  Über- 
einstimmung mit  denen,  die  K.  Rziha  gefunden  hat.  Um  dies 
zu  zeigen,  ist  in  das  nebenstehende  Diagramm  der  Verlauf 
beider  Versuchsreihen  eingezeichnet  mit  der  Annahme,  daß 


Peltiereffekt  Nickel-Kupfer. 


1137 


die  Werte   bei    Zimmertemperatur,    die   sich   am   genauesten 
bestimmen    lassen,    übereinstimmen.     Jedenfalls    kommt    bei 


30 


20 


\-WaUarLM4iß 


10 


Temperatur  Uv  CaUi^mdav 


100 


too 


500 


^0 


500 


beiden  Methoden  das  zweimalige  Umwenden  der  Kurve  zu 
deutlichem  Ausdrucke. 


Herrn  Prof.   Lech  er   bin   ich   für  vielseitige   Förderung 
während  der  Untersuchungen  zu  großem  Danke  verpflichtet. 


1139 


Über  eine  der  Brown'sehen  Molekular- 
bewegung in  den  Flüssigkeiten  gleich- 
artige Molekularbewegung  in  den  Gasen 
und  deren  molekularkinetischer  Erklä- 
rungsversuch 

von- 
Dr.  Felix  Ehrenhaft. 

Aus  dem  I.  physikalischen  Institute  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 
(Vorgelegt  in  der  Siuung  am  11.  Juli  1007.) 

Die  kinetische  Theorie  der  Gase  überträgt  die  Gesetze  der 
Bewegung  und  des  Stoßes  greifbarer  Massen  auf  die  Moleküle 
der  Gase.  Es  wird  wohl  kaum  je  der  Beweis  erbracht  werden 
können,  daß  die  Gasmoiekeln  selbst  sich  mit  den  ihnen  zu* 
gedachten  Eigenschaften  bewegen  und  damit  die  kinetische 
Theorie  der  Materie  von  einer  der  fruchtbarsten  heuristischen 
Hypothesen  zu  einer  die  Naturwahrheiten  beschreibenden 
.  Wissenschaft  erhoben  werden.  Bisher  hat  man  die  Berechtig 
gung  der  Voraussetzungen  einzig  durch  das  Zutreffen  der 
Konsequenzen  anerkannt. 

Und  doch  gibt  es  ein  den  Mikroskopikem  wohlbekanntes 
Phänomen,  die  Brown'sche  Molekularbewegung  in  den  Flüssig- 
keiten, die  stets  wieder  an  die  Naturwahrheit  der  molekular* 
kinetischen  Hypothesen  gemahnt.  Trotz  vielfacher  experimen* 
teller  Untersuchungen  sind  diese  Studien  zu  keinem  ab- 
schließenden Resultate  gelangt,  da  die  kinetische  Theorie  der 
Flüssigkeiten  heute  noch  nicht  so  weit  entwickelt  ist,  um  aus 
ihr  irgend  welche  sichere  Schlüsse  auf  das  Brown'sche  Phäno- 
men zu  ziehen  oder  vor  allem  umgekehrt  aus  den  experi- 
mentellen Untersuchungen  des  letzteren  Rückschlüsse  auf  die 


1140  F.  Ehrenhaft, 

kinetische  Theorie  der  Flüssigkeiten  zu  machen.  Dagegen  ist 
die  kinetische  Theorie  der  Gase  heute  bis  zu  hoher  Vollendung 
gediehen,  so  daß  eine  Untersuchung  der  Konsequenzen  der 
kinetischen  Theorie  hier  aussichtsreicher  erscheint. 

Eine  der  Brown'schen  Molekularbewegung  in  den  Flüssig- 
keiten gleichartige  Erscheinung  in  den  Gasen  war  aber  bis 
heute  noch  nicht  nachgewiesen.^  Erhöhtes  Interesse  für  dieses 
Phänomen  wird  hauptsächlich  durch  zwei  Untersuchungen 
von  Einstein^  und  Smoluchowsky  angeregt^  die  beide  auf 
verschiedenen  Wegen  zu  ähnlichen  Resultaten  gelangen. 

R.  V.  Smoluchowsky  berechnet  nach  einer  ganz  um- 
fassenden Kritik  der  experimentellen  und  theoretischen  Arbeiten 
über  die  Brown*sche  Bewegung  in  den  Flüssigkeiten  auf  Grund 
von  kinetischen  und  Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen  das 
mittlere  Quadrat  A^  der  Entfernung  eines  Teilchens,  das  in 
einem  Medium  suspendiert  ist,  aus  seiner  Anfangslage.  Hierbei 
sind  zwei  typische  Fälle  zu  unterscheiden.  Entweder  ist  der 
Radius  des  Teilchens  groß  gegen  die  mittlere  Weg- 
länge der  umliegenden  Molekeln.  Dann  sind  die  Zusammen- 
stöße des  Teilchens  mit  den  Molekeln  nicht  ganz  zufallig:  ein 
Fall,  bei  dem  die  Rechnung  keine  exakte  Durchführung  gestattet 
und  der  realisiert  wäre  bei  den  Suspensionen  in  Flüssigkeiten, 
da  die  in  denselben  mikroskopisch  oder  ultramikroskopisch 
sichtbaren  Teilchen  stets  Dimensionen  haben,  die  groß  sind 
gegen  die  mittlere  Weglänge  der  Flüsstgkeitsmolekeln.  Aus 
bereits  vorerwähnten  Gründen  ist  dieser  Fall  auch  nicht  von 
so  großem  Interesse. 

Oder  der  Radius  des  in  dem  Medium  suspendierten 
Teilchens  ist  klein  gegen  die  Weglänge  der  umliegenden 
Molekeln.  Die  einzelnen  Zusammenstöße  sind  dann  voneinander 
völlig  unabhängige  Ereignisse.  Man  kann  dann  die  kleinen 
suspendierten  Teilchen  als  Indices  der  ungeordneten  Bewegung 
der  umliegenden  Molekeln  betrachten  und  es  könnte  dieser 
Fall  etwa  als  Modell  der  Bewegung  von  Molekülkomplexen 
in  einem  Gase  gelten. 


1  M.  V.  Smoluchowsky,  Ann.  d.  Physik,  1906,  p.  774. 

2  A.  Einstein,  Ann.  d.  Physik,  17,  p.  549  (1905);  19,  p.  871  (1906). 


Molekularbeweg^ng  in  Gasen.  1141 

Bei  der  Kleinheit  der  mittleren  Weglänge  der  Flüssigkeits- 
molekeln  und  bei  der  Grenze,  die  der  Mikroskopie  gesetzt  ist, 
erhellt,  daß  dieser  Grenzfall,  der  ein  Bild  der  ungeordneten 
Bewegung  der  Molekeln  geben  könnte,  nur  in  einem  gas- 
förmigen Medium  zur  Beobachtung  gelangen  kann. 

Der  erste  Schritt  wäre  also  der  Nachweis  der  Exi- 
stenz einer  Molekularbewegung  in  den  Gasen,  die  der 
Brown'schen  Bewegung  in  den  Flüssigkeiten  analog  ist, 
ein  Nachweis,  der  mit  den  heutigen  Mitteln  vom  Verfasser  auf 
nachfolgende  Weise  gelungen  ist: 

Für  die  Beobachtung  scheint  die  uitramikroskopische 
Methode  am  zweckmäßigsten.  Die  obere  Quarzplatte  der 
Küvette,  die  für  ultramikroskopische  Untersuchungen  von 
Flüssigkeiten  bei  Zeiß  erhältlich  ist,  wurde  abgehoben  und 
die  Küvette  sodann  direkt  an  die  Frontlinie  des  Mikroskop- 
objektives C  gekittet. 

So  konnte  durch  einen  Aspirator  ein  Gasstrom  unmittel- 
bar an  der  Frontlinie  des  Ultramikroskopes  vorbeigeführt  und 
durch  Schließen  von  Glashähnen  vor  und  nach  der  Küvette 
zur  Ruhe  gebracht  werden.  Es  zeigt  sich,  daß  bei  genügender 
Enge  der  zuführenden  Rohre  und  Bohrungen  der  Hähne  die 
Gasmasse  fast  unmittelbar  zur  Ruhe  gelangt.  Saugt  man  etwa 
eine  Zigarettenrauch  enthaltende  Gasmasse  durch  die  Küvette, 
so  ist  es  unschwierig,  auf  dieselbe  Weise  wie  bei  den  Flüssig- 
keiten Beugungsbilder  der  ultramikroskopisch  sichtbar  werden- 
den Teilchen  scharf  einzustellen. 

Man  beobachtet  nun  bei  Teilchen  aller  Substanzen  von 
ultramikroskopischer  und  vielleicht  etwas  größerer  Größen- 
ordnung eine  lebhaft  vibrierende  tanzende  zitternde  Bewegung 
und  die  dadurch  bedingte  Ortsänderung  der  einzelnen  Teilchen, 
die  in  ganz  ungeordneter  Bewegung  begriffen  erscheinen,  wenn 
genügende  Vorsichtsmaßregeln  jede  Strömung  und  Konvektion 
verhindern.  Das  ganze  Phänomen  bietet  ein  Bild,  das  völlig 
mit  dem  Eindruck  übereinstimmt,  den  man  der  Brown'schen 
Molekularbewegung  in  den  Flüssigkeiten  entnimmt.  Nur  tritt 
das  Phänomen  in  den  Gasen  mit  bedeutend  erhöhter  Leb- 
haftigkeit auf.  In  der  Etnstellebene  des  Mikroskopes  erscheint 


1142  F.  Ehrenhaft, 

dus  einzelne  Teilchen  je  nach  Gröfie  als  stärker  oder  schwächer 
leuchtender  Punkt,  der  beim  Verlassen  der  Einstellebene  sich 
in  ein  System  von  kreisförmigen  konzentrischen  Beugungs- 
ringen auflöst.  Jedes  einzelne  Teilchen  erscheint  in  einer  leb- 
haft zitternden  Bewegung  und  ändert  dabei  seine  Lage  im 
Räume  in  unregelmäßigen  Zickzackwegen  mit  Geschwindig- 
keiten, die  um  so  größer  sind,  je  weniger  intensiv  die  Beugungs- 
phänomene, also  je  kleiner  das  beobachtete  Teilchen  ist.  Als 
gutes  Demonstrationsobjekt  dient  Zigaretten-  oder  Zigarren- 
rauch, wenn  sich  die  größeren  Rauchteilchen  bereits  abgesetzt 
haben,  ferner  Salmiakdampf.  Eben  bei  diesen  Substanzen  ist 
man  jedoch  nicht  in  der  Lage,  die  Größe  der  einzelnen  Teilchen 
zu  regulieren,  sondern  es  erscheinen  Teilchen  verschiedener 
Größe  in  der  Luft  suspendiert,  die  alle  mit  abnehmender  Größe 
einer  Molekularbewegung  zunehmender  Lebhaftigkeit  unter- 
worfen erscheinen.  Zinkoxyddampf,  erzeugt  durch  oszillierende 
Entladung  zwischen  Zinkkugeln,  die  Verbrennungsgase  ge- 
wöhnlicher Bogenlampenkohlen  enthalten  Teilchen,  die  sich 
als  Demonstrationsobjekte  ebenfalls  gut  eignen. 

Aus  den  Versuchen  erhellt,  daß  man  es  hier  mit  dem  Ana- 
logon  der  Brown'schen  Molekularbewegung  in  den  Flüssig- 
keiten in  den  Gasen,  mit  einer  Erscheinung  gleicher  Allgemein- 
heit zu  tun  hat  wie  in  den  Flüssigkeiten. 

Die  Molekularbewegung  bleibt  zeitlich  ebenso  unveränder- 
lich, solange  die  Teilchen  schweben,  sie  ist  von  äußeren  Um- 
ständen auf  keinerlei  Weise  zu  beeinflussen  oder  aufzuhalten. 
Wenn  man  irgend  einen  Teil  des  Gesichtsfeldes  plötzlich 
stärker  belichtet,  was  bei  der  ultramikroskopischen  Anordnung 
durch  seitliche  Verschiebung  des  ßeleuchtungsobjektives  leicht 
möglich  erscheint,  das  Phänomen  ist  an  der  frisch  durch- 
strahlten Stelle  mit  gleicher  Lebhaftigkeit  zu  flnden.  Der 
Strahlungsdruck,  der  bei  Teilchen  dieser  Größenordnung  be- 
reits von  Belang  sein  könnte,  wäre  doch  nur  im  stände, 
Bewegungen  mit  einer  bestimmten  Richtungstendenz  zu  er- 
zeugen, nie  aber  gerade  jene  charakteristische  ungeordnete 
Bewegung,  bei  der  Teilchen  in  jede  Richtung  gleichzeitig  das 
Gesichtsfeld  zitternd  durcheilen.  Wie  bei  den  Flüssigkeiten,  so 
ist   auch   hier   mit    zunehmender   Erwärmung  des   Mediums 


Molekularbcwegung  in  Gasen.  1 1 43 

Zunahme  der  Lebhaftigkeit  der  Molekularbewegung  verbunden 
und  dies  ist  die  einzige  Möglichkeit,  die  Bewegung  zu  beschleu- 
nigen oder  zu  verzögern. 

Die  Bewegungsrichtung  der  Teilchen  wird  in  gasförmigen 
Medien  natürlich  durch  die  Erdschwere  stärker  beeinflußt  wie 
in  Flüssigkeitssuspensionen.  Je  größer  ein  Teilchen,  desto 
stärker  macht  sich  der  Einfluß  geltend  und  desto  rascher  sinkt 
das  Teilchen.  Im  Ultramikroskop  sieht  man  von  einem  solchen 
Teilchen  zunächst  ein  sehr  lichtstarkes  System  von  konzentri- 
schen Beugungsringen,  die  sich,  sobald  das  Teilchen  bis  in 
die  Einstellebene  des  Ultramikroskopes  gesunken  ist,  in  ein 
punktförmiges  Beugungsbild  zusammenziehen.  Bei  weiterem 
Sinken  löst  sich  dasselbe  wieder  in  kreisförmige  Beugungs- 
erscheinungen auf  Während  des  Faltens  beobachtet  man  gleich- 
zeitig, daß  die  Teilchen  nicht  in  lotrechter  Richtung,  sondern 
in  einer  Zickzacklinie  fallen.  Die  Bewegung  superponiert  sich 
also  aus  der  Fallbewegung  und  den  seitlichen  Bewegungs- 
impulsen infolge  der  Molekularbewegung. 

Bei  kleinen  Teilchen,  die  etwa  in  der  ultramikroskopischen 
Größenordnung  liegen,  macht  sich  der  Einfluß  der  Schwere 
fast  gar  nicht  geltend.  Die  beobachtbare  Molekularbewegung 
solcher  Teilchen  erfolgt  natürlich  räumlich.  Es  erscheint  z.  B. 
ein  derartiges  Teilchen  in  der  Einstellebene  als  leuchtender 
Punkt,  verläßt  die  Einstellebene  durch  Molekularimpulse  und 
erscheint  dadurch  je  nach  der  Entfernung  von  der  Einstell- 
ebene von  mehr  oder  weniger  kreisförmigen  Beugungsringen 
umgeben.  Es  ist  oft  sehr  leicht  zu  beobachten,  daß  ebendas- 
selbe Teilchen  als  punktförmiges  Beugungsbild  zu  wieder- 
holten Malen  im  Wechsel  von  konzentrischen  Ringen  umgeben 
erscheint,  durch  Molekularimpulse  zu  wiederholten  Malen 
über  die  Einstellebene  gehoben  wird,  sodann  wieder  sinkt. 
Die  Fallbewegung  wird  also  von  der  Molekularbewegung 
überdeckt.  Ebendiese  Beobachtung  ist  schon  beim  ein- 
fachsten Demonstrationsobjekt,  beim  Zigarettenrauch,  zu 
machen.  Die  größeren  Teilchen  sinken  in  Zickzacklinien  zu 
Boden,  die  kleineren  bleiben  in  lebhafter  Molekularbewegung 
begriffen,  oft  minutenlang  schwebend. 

Sitzb.  d.  mathem..naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  ^6 


1144  F.  Ehrenhaft, 

Von  besonderem  Interesse  erscheint  der  Fall,  in  dem  die 
mittlere  Weglänge  der  umgebenden  Molekeln  groß  ist  gegen 
die  Lineardimension  der  suspendierten  Teilchen. 

Bedenkt  man,  daß  die  mittlere  Weglänge  in  atmosphäri- 
scher Luft  unter  normalen  Umständen  von  der  Größenordnung 
lAO~^cm  ist,  so  erhellt,  da  die  ultramikroskopische  Beob- 
achtung in  Flüssigkeiten  noch  Metallteilchen  von  der  Größen- 
ordnung 10~*  cm  zu  erkennen  gestattet,  daß  es  prinzipiell 
nicht  ausgeschlossen  ist,  Teilchen,  die  kleiner  sind  als  die 
mittlere  Weglänge  in  atmosphärischer  Luft,  in  dieser  zu  beob- 
achten, um  so  mehr  als  der  kleinere  Brechungsexponent  der 
Luft  die  untere  Grenze  der  Sichtbarmachung  nur  noch  er- 
weitert, also  die  Sichtbarkeit  noch  kleinerer  Teilchen  ermög- 
licht als  etwa  im  Wasser, 

Die  Erzeugung  derartiger  Teilchen  wurde  durch  Ver- 
dampfen von  Edelmetallen  im  galvanischen  Lichtbogen  be- 
werkstelligt. Um  definierte  Substanzen  beobachten  zu  können, 
wurde  zwischen  Silber-  oder  Platinelektroden  von  der  Dicke 
von  5  mm  ein  galvanischer  Lichtbogen  hergestellt.  Das  ver- 
dampfende Metall  kondensiert  an  der  Luft  und  erfüllt  dieselbe 
mit  feinen  Metallteilchen.  Die  Menge  und  Feinheit  des  sich 
entwickelnden  Silberdampfes,  respektive  der  in  der  Luft  sus- 
pendierten Silberteilchen  hängt  von  der  Stromstärke  ab.  Bringt 
man  den  Strom  dieser  Luft  durch  einen  Aspirator  vor  die 
Frontlinse  des  Ultramikroskopes,  dann  sieht  man  ein  ähnliches 
Bild  lebhafter  Bewegung  wie  beim  Zigarettenrauch.  Je  größer 
die  erzeugende  Stromstärke  ist,  desto  intensiver  sind  die  sicht- 
bar werdenden  Beugungserscheinungen,  desto  größer  sind  also 
die  Teilchen,  desto  geringer  ist  deren  Molekularbewegung  und 
desto  rascher  sinken  sie  in  Zickzacklinien  zu  Boden.  Stellt 
man  jedoch  den  Lichtbogen  mit  jener  Minimalstromstärke  her, 
die  ihn  gerade  noch  unterhält,  dann  gelingt  es,  Silberteilchen 
in  der  Luft  zu  suspendieren,  die  bis  zu  30  Minuten  schwebend 
bleiben,  wie  man  sich  durch  wiederholtes  Absaugen  aus  dem 
Gefäß,  in  dem  man  den  Lichtbogen  unterhielt,  überzeugen  kann. 

Diese  Teilchen  entwerfen  im  Ultramikroskop  in  der  Ein- 
stellebene Beugungspunkte,  die  gerade  noch  bei  an  Dunkel- 
heit akkomodiertem  Auge   sichtbar  werden,  die   also  an  der 


Molekularbewegung  in  Gasen.  1  145 

unteren  Grenze  der  mit  dem  Ultramikroskop  noch  sichtbar  zu 
machenden  Teilchen  liegen.  Dieselben  sind  in  einer  ungeord- 
neten Bewegung  begriffen,  die  von  außerordentlicher  Leb- 
haftigkeit ist.  Es  gelingt  ohne  Schwierigkeit,  ein  und  dasselbe 
Teilchen  viele  Minuten  lang  in  dieser  lebhaften  Bewegung  auf 
seiner  ganz  unregelmäßigen  Bahn  zu  verfolgen,  bis  es  aus  dem 
Bereiche  des  beleuchtenden  Kegels  kommt. 

Diese  Versuche  erweisen  in  einer  unzweifelhaften  Weise 
die  Existenz  einer  der  Brown'schen  Molekularbewe- 
gung in  den  Flüssigkeiten  gleichartigen  Bewegung 
in  den  Gasen.  Teilchen  von  der  Größenordnung  der  mitt- 
leren Weglänge  der  Gasmolekeln  und  etwas  größere 
Teilchen  fallen  in  einer  Zickzacklinie,  die  Geschwindig- 
keit des  Niedersinkens  ist  eine  größere  als  die  durch  die  Mole- 
kularbewegung bedingte  Ortsänderung.  Teilchen,  die  an 
der  Grenze  der  ultramikroskopisch  noch  sichtbar  zu 
machenden  Größe  liegen,  sind  in  so  lebhafter  Mole- 
kularbewegung begriffen,  daß  die  Fallbewegung  von 
dieser  ganz  überdeckt  wird.  Es  gelingt  also  in  den  Gasen 
auch  insbesondere  den  Fall  zu  beobachten,  bei  dem 
die  suspendierten  in  Molekularbewegung  begriffenen 
Teilchen  klein  sind  gegen  die  mittlere  Weglänge  der 
umliegenden  Molekeln. 

Es  erübrigt  also  nur,  zu  untersuchen,  inwieweit  die  experi- 
mentellen Resultate  sich  in  quantitativer  Weise  mit  den  Resul- 
taten der  molekularkinetischen  Hypothesen  decken.  Von  den 
Methoden,  die  im  Bereiche  einfacher  experimenteller  Möglich- 
keit liegen,  wurde  zunächst  jene  in  Ausführung  gebracht,  die 
eine  direkte  Bestimmung  der  mittleren  sekundlichen 
Entfernung  A  eines  Teilchens  infolge  der  Molekular- 
bewegung ergibt,  um  selbe  mit  den  Resultaten  der  Theorie 
von  Smoluchowsky  zu  vergleichen.  Die  naheliegendste 
Methode,  mit  einem  Projektionsokular  die  Bahn  und  daher  die 
Geschwindigkeit  eines  derartigen  Teilchens  photographisch  zu 
fixieren,  scheitert  an  der  weitaus  zu  geringen  Lichtintensität 
des  von  den  Teilchen  zerstreuten  Lichtes.  Es  war  bloß  die 
zwar  primitive  Methode  der  direkten  Messung  ausführbar,  die 
aber  überraschend  gute  Resultate  gibt.  Verwendet  wurde  das 

78* 


1140  F.  Ehrenhaft, 

Zeiß'sche  Okularmikrometer  4,  in  dem  ein  Netz  von  18  Qua- 
draten enthalten  war.  Die  Seitenlänge  eines  Quadrates  betrug 
bei  Anwendung  des  Objektives  C  16.  IQ-*  cm. 

Nachdem  der  Gasstrom,  in  dem  z.  B.  Zigarettenrauch  sus- 
pendiert ist,  zur  Ruhe  gekommen  ist,  die  größeren  Teilchen 
sich  abgesetzt  haben,  muß  man  sich  die  Sicherheit  verschaffen, 
daß  die  Bewegung  der  im  Gesichtsfelde  sichtbaren  Teilchen 
eine  ungeordnete  ist,  die  durch  den  Umstand  zu  erlangen  ist, 
daß  gleichzeitig  Teilchen  der  verschiedensten  Bewegungs- 
richtungen das  Gesichtsfeld  durcheilen.  Sodann  ist  es  un- 
schwierig, die  Bahn  eines  Teilchens  zu  verfolgen  und  zwei 
Punkte  der  Bahn  bestimmten  Punkten  des  Okularnetzes  zu- 
zuordnen und  gleichzeitig  eine  Zeitmessung  zu  machen.  Die 
eventuell  beobachtbaren  Zickzackkrümmungen  der  Bahn  mit 
in  Rechnung  zu  ziehen,  ist  auf  das  Resultat  von  keinem 
nennenswerten  Einflüsse. 

Nimmt  man  unter  vorerwähnten  Vorsichtsmaßregeln  z.  B. 
an  Zigarettenrauch  die  angedeuteten  Messungen  vor,  so  weichen 
die  Einzelresultate  voneinander  ab.  Schon  die  verschiedene 
Größe  der  suspendierten  Teilchen  bedingt  Verschiedenheit  der 
sekundlichen  Ortsänderung,  abgesehen  von  der  zu  erwartenden 
Unordnung  der  Geschwindigkeit  ein  und  desselben  Teilchens. 
Der  Mittelwert  einer  Reihe  von  Messungen  ergibt  aber  auf- 
fallend gut  übereinstimmende  Resultate,  wie  aus  nachfolgender 
Tabelle  ersichtlich,  in  der  die  eingetragenen  Zahlen  die  in  1  sec 
zurückgelegte  Zahl  der  Quadratseiten  des  Okularnetzes  be- 
deuten, wenn  Zigarettenrauch  der  österreichischen  Zigarette 
Memphis  verwendet  wird. 


Molekularbewegung  in  Gasen. 


1147 


A  von  Zigarettenrauch. 


Me;->sung 


II 


III 


ü"5 


^  es 


•-    t: 


:?    rt 


J£  ' 


gö-o 


I 


C    CS 

—  ^3 


Mittel  .  . . 


Ortsände- 
rung pn) 
sec  A    .  . 


l 
1 

2 

1 
2 
1 


4 

4 
3 
2 

3 
2 

9 


2-7. 10-:» 


20 
2-0 
1-4 
2-8 
2-0 
0-9 
2-8 

1*6 


1 


2-6.10-3 


1-2 
2-1 
30 
1-0 

ro 


1-5, 


2-6.10-a 


1-5 
20 
20 
0  8 
.  1-6 
0-8 
1-5 


2-2.10-3 


1-2 

1-3 
0-8 
3-0 
1-7 
1-3 
1-4 

1-3. 


2-2.10-3 


cm 
sec 


cm 


Mittlere  Ortsänderung  pro  Zeiteinheit  A  =  2*5.10  "'* 


Die  größte  beobachtete  Ortsänderung  betrug  A=i4-8. 10~^ 


die  kleinste  A  =:  1-3.10-3 


cm 

sec 


cm 

sec 


Smoluchowsky  berechnet  für  Teilchen  von  der  Größen- 
ordnung 10-^ cm  A  =  1'4.10~3  in  Luft  von  normaler  Dichte 
und  Temperatur.  Über  die  Größe  der  Rauchteilchen  genaue 
Angaben  zu  machen,  ist  schwierig.  Da  die  Beobachtungen  nur 
an  den  langen  schwebenden  Teilchen  vorgenommen  wurden, 
die  jedenfalls  unter  der  Größenordnung  \0~^cm  liegen,  er- 
scheint eine  der  Brown'schen  Molekularbewegung 
analoge  Bewegung  in  den  Gasen  von  einer  Lebhaftig- 
keit, wie  sie  Smoluchowsky  berechnete,  nachgewiesen. 

Von  speziellem  Interesse  erscheint  der  Fall,  in  dem  die 
Teilchen  nachweisbar  klein  sind  gegen  die  mittlere 
Weglänge  der  umliegenden  Gasmolekeln,  ein  Fall,  der 
bei  Teilchengrößen,  die  an  der  Grenze  der  ultramikroskopi- 
schen Sichtbarkeit  liegen,  erfüllt  ist.  Zu  diesem  Zwecke  wurden 
Silberteilchen  nach  früher  beschriebener  Methode  durch  die 


1148 


F.  Ehrenhaft, 


minimalste  Stromstärke  erzeugt  und  auf  dieselbe  Methode 
deren  Ortsänderung  A  in  der  molekularen  Bewegung  gemessen. 
Nachfolgende  Tabelle  enthält  die  Resultate. 

A  von  Silberteilchen   an  der  Grenze  der  ultramikro- 
skopischen Sichtbarkeit. 


Messung 


I 


II 


III 


IV 


^  ^  f^ 

o  fe   S 

^  ja 

£  ISJ 


Mittel 


I  Ollsänderung 
!       pro  sec  A .  , 


2-0 
1-6 
8-4 

o .  •> 

3-5 
60 


2-9 
4-6.10-^5 


•> .  o 

1-5 
«•2 
2-0 
60 
2-0 
6-6 
3-0 


4-3.10-^i 


1 

■8 

5 

•0 

15 

•0 

3 

•0 

1 

•0 

3 

•0 

2 

•4 

3 

•3 

7 

"5 

0 

•9 

4«. 

10-3 

2-4 
4-2 

3-0 
4-0 


o 
4 


0 

7 


2-8 
2-8 


3     0;, 


4-9.10-'J 


cm 
sec 


Es  beträgt  somit  die  mittlere  Ortsänderung  pro  Sekunde 


A=:4-6.10   3 


cm 


sec 


Die  angeführten  Messungen  sind  bloß  Vertreter  einer 
langen  Serie  von  Messungen  gleichen  Resultates.  Man  sieht 
auch  hier  die  große  Abweichung  der  einzelnen  Messungen 
und  völliges  Übereinstimmen  der  Mittelwerte,  die  bei  diesen 
wesentlich  kleineren  Teilchen  höher  liegen  wie  beim  Zigaretten- 
rauch. 

In  diesem  Falle  ist,  da  die  Teilchengröße  klein  ist  gegen 
die  mittlere  Weglänge  der  umgebenden  Molekeln,  die  Formel 
von  Smoluchowsky  e^akt  anwendbar.  Substituiert  man  in 
derselben 

für  Luft   normaler  Dichte   und  Temperatur   für  A^=:4.10S 
c  —  48. 10».  Bedenkt  man  fernen  daß  die  in  Luft  suspendierten 


-J 


Molekularbewegung  in  Gasen.  1 149 

Teilchen  in  erster  Näherung  von  den  in  Wasser  suspendierten 
Teilchen  der  kolloidalen  Metalle*  nicht  erheblich  abweichen 
werden  und  daß  sie  an  der  Grenze  der  Sichtbarkeit  liegen,  so 
substituiert  man  für  i?  =:  3. 10~®  ctn,^ 
Obige  Formel  ergibt  daraus  für 

A  =  4-8.10-8. 

Wenn  man  auch  die  Größe  von  R  auf  100%  ^^f  oder 
ab  nicht  genau  fixieren  kann,  jedenfalls  stehen  Theorie  und 
Experiment  in  einer  Übereinstimmung,  die  in  Hinblick  auf  die 
geringe  Sicherheit  der  Zahlen  der  kinetischen  Gastheorie  als 
weitaus  ausreichend  zu  bezeichnen  ist. 

Weitere  Möglichkeit  der  Prüfung  wäre  gegeben  durch 
Untersuchungen  über  die  Änderung  von  A  mit  Temperatur 
oder  Verdünnung,  die  einer  zukünftigen  Untersuchung  vor- 
behalten bleiben  sollen. 

Wenn  auch  ein  exakter  Nachweis  der  Naturwahrheit  der 
kinetischen  Hypothesen  erst  durch  Nachweis  zu  erbringen 
wäre,  daß  diese  nicht  nur  die  zweckmäßigsten,  sondern  auch 
die  einzigen  sind,  die  das  Phänomen  der  Molekularbewegung 
suspendierter  Teilchen  in  Flüssigkeiten  und  Gasen  zu  erklären 
im  Stande  sind;  jedenfalls  wäre  es  möglich,  in  dieser  Studie 
eine  neue  Stütze  der  molekularkinetischen  Hypothesen  zu 
sehen. 

1  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXFV^  Abt.  IIa,  Juli  1905.  F.  Ehrenhaft. 


1151 


Über  die  photographisehe  Lichtstärke  von 

Femrohren 

von 

Dr.  Egon  R.  v.  Oppolzer  in  Innsbruck. 

(Mit  1  Tafel.) 

(Eingereicht  am  18.  März  1904.) 

(Vorgelegt  in   der   Sitzung  am   10.   Mai    1907.) 

Vom  Standpunkte  der  geometrischen  Optik  werden  alle 
achsenparallei  auffallenden  Strahlen  von  einem  aberrations- 
freien Spiegel  oder  einer  vollkommenen  Linse  in  einem  Punkte 
vereinigt.  Die  Lichtstärke  in  diesem  ist  jedenfalls 

4 
zu  setzen,  indem  von  der  Öffnung  ein  Lichtzylinder  von  dem 

IC 

Querschnitt  —  -O*  aufgefangen,  wenn  mit  O  der  Durchmesser, 

die  »Öffnung«,  bezeichnet  wird,  dann  hievon  ein  Bruchteil  7 
beim  Spiegel  reflektiert,  bei  der  Linse  durchgelassen  wird, 
welchen  Bruchteil  7  wir  als  das  »optische  Vermögen«  be- 
zeichnen wollen;  diese  Vermögen  hängen  selbstverständlich 
von  der  Wellenlänge,  dem  spezifischen  Material  der  optischen 
Flächen  und  bei  Linsen  von  ihrer  Dicke  ab. 

Die  Abbildung  findet  aber  nicht  annähernd  punktförmig 
statt,  indem  ja  mannigfache  Einflüsse,  wie  die  Beugung  am 
Rande  der  Eintrittspupille,  die  unregelmäßigen  Strahlen- 
brechungen in  der  Atmosphäre,  die  Vibrationen  des  Instruments, 
die  ungestörte  geradlinige  Ausbreitung  des  Lichtes  verhindern. 


1152  E.  V.  OppolzeT, 

Selbst  bei  idealen  Luftverhältnissen  und  absoluter  Ruhe  der 
optischen  Achse  tritt  das  Beugungsscheibchen  mit  dem  Durch- 
messer d  (in  linearem  Maße,  Millimeter)  oder  8"  (im  Bogen- 
maße, Bogensekunden)  in  der  Fokalebene  auf,  für  welchen  die 
Theorie  der  Beugung  ergibt: 

J.  =  2-44. X.  —  =  2-44.X.4>-i     in  Millimeter, 

O 

2 • 44 . X . 206265      .    ^  ,       , 

\  =  m  Bogensekunden 

(X  =  Wellenlänge  in  Millimeter,   4>  z=  Öffnungsverhältnis). 

Mit  F  möge  die  Brennweite  und  mit  ^  das  »Öffnungsver- 
hältnis« iP'.F)  bezeichnet  werden.  Für  photographische 
Strahlen  ist  X  z=  430. 10-*  wm  anzunehmen,  so  daß 

d^  =  0-001049. 4>-i,  (1) 

\  =  ^  (2) 

gesetzt  werden  kann.  O  ist  dabei  in  Millimeter  auszudrücken. 
Unter   diesen    Umständen   wird   die   von    der  Eintrittspupille 

kommende  Lichtmenge  — -  •  O^  nicht  in  einem  Punkte,  sondern 

4 

in  dem  kleinen  Beugungsscheibchen  ausgebreitet;  die  Licht- 
menge, die  durch  Beugung  noch  außerhalb  des  Scheibchens 
fällt,  kommt  gegen  die  in  diesem  vorhandene  nicht  in  Betracht. 
Ist  i  die  Lichtintensität  pro  Flächeneinheit  im  Scheibchen,  so 
besteht  dann  die  Gleichung: 

Y«  JL.02=z  —d^A    oder:     ^0^  =  (R.u 
4  4 

Die  photographische  Wirkung  hängt  aber  jedenfalls  nur 
von  i  ab,  sobald  das  Beugungsscheibchen  gegen  das  Korn  der 
Platte  groß  wird,  sobald  es  mehrere  Körnchen  reizt.  Die  Größe 
dieser  beträgt  bei  grobkörnigen  Platten  einige  Tausendstel  des 
Millimeters.  Die  obige  Formel  (1)  für  das  Beugungsscheibchen 
in  linearem  Maße  zeigt  aber,  daß,   wenn  nicht  ganz  extreme 


Photographische  Lichtstärke  von  Femrohren.  1 1 53 

Öffnungsverhältnisse  gewählt  werden,  in  der  Regel  wohl  stets 
die  Körnchengröße  durch  den  Durchmesser  des  Beugungs- 
scheibchens  übertroffen  wird.  Dann  wird  also  die  photo- 
graphische Lichtstärke  L\ 

.  _       O^  _  .    __^!*!_  —  Y  0^ 

"~    ""^    d^   "  ^    0-0010498   "~    0-001049^     F^ 

gesetzt  werden  können.  Außer  allem  Zweifel  gilt  die 
Formel  streng,  wenn  man  nach  der  spektrophoto- 
graphischen  Lichtstärke  fragt.  Denn  die  Breite  des 
Spektrographenspaltes  kann  schon  aus  mechanischen  Gründen 
nicht  unter  0*01  mm  gewählt  werden,  weil  dann  die  exakteste 
Pointierung  nicht  verbürgen  könnte,  daß  das  Sternbildchen  in 
diesen  schmalen  Bezirk  fällt  und,  da  die  Fokallänge  der  Kamera 
von  gleicher  Ordnung  gewählt  werden  muß  wie  die  des 
Kollimatorobjektivs,  so  bildet  sich  der  Spalt  auf  der  Platte  mit 
derselben  Breite  0*01  mm  ab  —  infolge  der  Beugung  am  Rande 
der  Kollimator-  und  Kameralinse  wird  diese  Breite  noch  wesent- 
lich vergrößert  werden  — ;  eine  derartige  Breite  übertrifft  aber 
die  Körnchengröße  so  stark,  daß  also  die  spektrographi- 
sche  Lichtstärke  zweifellos  nur  von  Lichtstärke  pro 
Flächeneinheit  im  Spalt  oder,  da  dieser  ja  in  der  Brennebene 
liegt,  im  Beugungsscheibchen  abhängt.  Sollte  aber  dieses 
kleiner  sein  infolge  einer  Wahl  eines  extremen  4>,  so  wird 
der  Spalt  überhaupt  nicht  mit  Licht  ausgefüllt  und  eine 
Messung  einer  Linienverschiebung  wird  illusorisch.  Bei  spektro- 
graphischen  Untersuchungen  muß  daher  immer  das  in  der 
Fokalebene  im  Spalt  erzeugte  Scheibchen  durch  irgend  einen 
Einfluß  auf  die  Minimalspaltbreite  erweitert  sein,  dann  ist  aber 
die  obige  Formel  nach  den  eben  gemachten  Erörterungen 
streng,  wenn  wir  unter  ä^  das  tatsächliche  Scheibchen  als  Pro- 
dukt aller  die  geometrische  Abbildung  störenden  Einflüsse 
verstehen. 

Nennen  wir  nun  den  Durchmesser  dieses  tatsächlichen 
Scheibchens  d,  so  wird  er  bei  vollkommener  Optik  des  Spiegels 
oder  der  Linse  die  Summe  aus  dem  Durchmesser  des  Beugungs- 
scheibchens  und  dem  der  Luftunruhe  n  sein,  also: 


J^-  8».F*  (80+«)'' 

(-TT-*-, 

weil  dann  nur  die  zwei  störenden  Einflüsse  der  Beugung  und 
der  Luftunruhe  übrig  bleiben.  Die  Vibrationen  des  Beobachtungs- 
rohres können  selbstverständlich  keiner  zahlenmäßigen  Unter- 
suchung unterworfen  werden,  sondern  sie  vermischen  sich 
ganz  mit  dem  Einflüsse  der  Luftunruhe.  Da  in  der  obigen 
Formel  L  durch  die  Öffnung  völlig  bestimmt  ist,  so  ist  man  in 
der  Lage,  den  Einfluß  der  Luftunruhe  auf  die  photographische 
Lichtstärke  zahlenmäßig  zu  verfolgen.  So  wird  z.  B.  das  Licht- 
stärkenverhältnis zweier  Instrumente  mit  den  optischen  Ver- 
mögen Y  und  7',  den  Öffnungen  0  und  CK,  den  Brennweiten  F 
und  F'  bei  gleichen  Luftverhältnissen  sein: 

216-4  \2 


=  i  r*  Y 


IJ  t'  V4>'/    V8.  +  «/         Y\^J  \    216'4 

Führen  wir  das  Fechner'sche  Gesetz  ein,  so  wird  der 
Größengewinn  (L) — (Ü)  des  einen  Instruments  gegen  das 
andere  ausgedrückt  sein  durch: 


1104  E.  V.  Oppolzer,  i 

d  =r  d^-k-u'     in  Millimeter, 

8  =1  8q  +h     in  Bogensekunden, 

wo  «'  und  H  die  Durchmesser  in  linearem  und  Bogenmaß  des  I 
Luftunruhenscheibchens  bedeuten.  Das  u  ist  nichts  anderes  als  I 
die  doppelte  Amplitude  der  Zitterbewegungen  der  Stembildchen,  | 
wie  sie  durch  die  unregelmäßigen  Strahlenbrechungen  der 
Atmosphäre  hervorgerufen  werden.  Da  heutzutage  die  Technik 
in  der  Lage  ist,  parabolische  Spiegel  herzustellen,  die  also  in 
der  Achse  aberrationsfreie  Abbildung  bedingen,  so  kann  man 
strenge  setzen: 

0*  O^  1 

L  =  Y    -       =  Y-      -  —  •  206265  =  y.2062654>« 


I 


I 


Photographische  Lichtstärke  von  Fernrohren. 


1155 


Größengewinn  =  (L)—{U)  =  2*5  log -y  = 

1=  2-5  log ^,  +5  1og-|-+5  1og(-J^±^). 

Die  obige  Formel  (3)  zeigt,  daß  die  Vergrößerung  des 
Öffnungsverhältnisses  ebenso  wesentlich  die  Lichtstärke  beein- 
flußt wie  eine  Vergrößerung  der  Öffnung,  ferner  daß  mit  zu- 
nehmender Luftunruhe  die  Lichtstärke  überhaupt 
immer  mehr  von  dem  Öffnungsverhältnis  allein  ab- 
hängt. Diese  Folgerung  erscheint  ja  auch  im  vorhinein  natür- 
lich. Bei  großer  Luftunruhe  erscheinen  eben  die  Sterne  als 
leuchtende  Flächen.  Die  Helligkeit  der  Abbildung  von  leuchten- 
den Flächen  hängt  aber  nach  einem  bekannten  optischen  Satze 
nur  von  dem  Öffnungsverhältnis  und  nicht  von  der  Öffnung  ab. 

Es  mögen  nun  die  aufgestellten  Formeln  durch  ein  Beispiel 
erläutert  werden.  Hiezu  soll  der  große  und  kleine  Potsdamer 
Refraktor  und  ein  Reflektor,  den  ich  mir  zur  Konstruktion  vor- 
zuschlagen erlaube,  herangezogen  werden. 

Die  optischen  Konstanten  für  diese  Instrumente  sind: 


Fotsdamei 
großer 

•  Refraktor 

kleiner 

1 
Reaektor 

1 

0  —  Öffnung  in  Millimeter 

SCO 

340 

400 

F  —  Brennweite  in  Millimeter 

12000 

3400 

1000 

4>  =  Öffnungsverhältnis    

1:15 

1:10 

1:2-5 

y  =  Optisches  Vermögen 

0-49 

0-66 

0-80 

^0  B=  Durchmesser    des    Beugungs* 
scheibchens  in  Bogensekunden 

0"271 

0"637 

0"541 

Für  die  optischen  Vermögen  habe  ich  die  in  Potsdam 
bestimmten  Werte  genommen  und  für  den  Reflektor  das  Re- 
flexionsvermögen 0*80,  das  bei  frischer  Politur  des  Silberglas- 
spiegels   sicherlich    höher,    selbst    für    die    photographischen 


1156 


E.  V.  Oppolzer, 


Strahlen,  anzunehmen  ist.  Für  visuelle  kann  man  das  Reflexions- 
vermögen 0*90  setzen. 

Rechnen  wir  nun  nach  der  Formel  (3)  für  diese  drei  Instru- 
mente die  entsprechenden  Lichtstärken  für  verschiedene  Luft- 
unruhen u  aus,  wie  sie  nach  den  Untersuchungen  Exner's 
und  Villiger's  Platz  greifen  können  (diese  Sitzungsberichte, 
Bd.  CXI,  p.  1265),  so  erhalten  wir  die  folgenden,  in  willkürlichen 
Einheiten  ausgedrückten  Lichtstärken: 

I.  Lichtstärken  (in  willkürlichen  Einheiten). 


1 

Luftunruhe  u  — 

1 

'  0"  (ideal) 

l" 

3" 

5" 

Großer  Refraktor 

1 
'      2-965 

0  135 
0-246 
5-390 

0-020 
0-050 
1021 

0-008 
0-021 
0-417 

Kleiner  Refraktor 

1-627 

Reflektor  

....      43-732 

i 

Hieraus  wird  der  ungemein  starke  Einfluß  der  Luftunruhe 
ersichtlich. 

Ebenso  erkennt  man  die  enorme  Überlegenheit  der  In- 
strumente mit  großem  Öffnungsverhältnisse.  Schon  bei  ganz 
normaler  Luft  (u=:  \")  wird  der  große  Refraktor  fast  unbrauch- 
bar, nur  bei  idealer  Luft  (w  =  0"),  die  an  den  seltenen  Abenden, 
an  denen  das  Beugungsscheibchen  sichtbar  ist,  herrschen 
würde,  wäre  der  große  Refraktor  etwas  überlegen.  Dies  haben 
auch  die  Potsdamer  Beobachtungsresultate  ergeben.  Noch 
deutlicher  wird  der  Einfluß  der  Luftunruhe  aus  der  folgenden 
Tabelle  hervorgehen,  welche  den  Größenverlust  bei  der  Luft- 
unruhe u  gegen  die  ideale  Luft  angibt: 

II.  Größenverlust  infolge  der  Luftunruhe. 


Luftunnihe 

1" 

2"       1       3" 

* 

4" 

5" 

Großer  Refraktor 

Kleiner  Refraktor 

Reflektor  

3-35 
2-05 

2  "27 

1 

4-62 
3-08 
3-36 

5-41 
3-78 
408 

5-99 
4-31 
4-62 

6-44 
4-73 
5  05 

Photographische  Lichtstärke  von  Fernrohren. 


1157 


Bedenkt  man  nun,  daß  aus  den  obigen  Lichtstärken  sich 
folgende  Größengewinne  (siehe  Tabelle  III)  ergeben  und  ferner, 
daß  die  Potsdamer  Instrumente  die  vierte  Sterngröße  kaum  zu 
erreichen  im  Stande  sind,  so  ersieht  man  aus  der  Größenverlust- 
tabelle  (II),  daß  der  große  Refraktor  bei  Luft  u  =:  2",  der  kleine 
schon  bei  u  =  3"  fast  untauglich,  der  Reflektor  aber  stets 
tauglich  bleibt,  weil  er  gegen  den  kleinen  Refraktor  einen 
Größengewinn  von  über  drei  Größenklassen  erreicht  und 
hiemit  nahe  die  siebente  Größe  zu  messen  gestattet;  bei  der 
extremen  Luftunruhe  u  =  5"  gehen  aber  erst  fünf  Größen  ver- 
loren, so  daß  noch  die  hellsten  Sterne  bis  zweiter  Größe  unter- 
sucht werden  können.  Es  ist  dies  ein  großer  Vorteil  des 
Reflektors,  daß  er  selbst  bei  unruhiger  Luft,  die 
sehr  häufig  an  klaren  Abenden  herrscht,  zu  spektro- 
graphischen  Arbeiten  herangezogen  werden  kann. 

III.  Größengewinne. 


Luftunruhe 

Großer — kleiner  Refraktor 

i 

1 
Kleiner  Refraktor— Reflektor 

w  =  0" 

-hü- 65 

3-57 

1 

~0-65 

— 3-35 

2 

—0-88 

— 3-30 

3 

0-97 

— 3-28 

4 

—  1-03 

3-26 

5 

—  1-06 

—3-26 

Das  derzeit  wohl  photographisch  lichtstärkste  Instrument 
dürfte  das  Bruce-Teleskop  in  Heidelberg  sein  mit  16  Zoll  Öff- 
nung und  1 : 5  ÖfiFnungsverhältnis  der  dreilinsigen  Objektive 
Petzvarschen  Typus.  Das  öfifnungsverhältnis  des  Reflektors  ist 
also  doppelt  so  groß  und  die  Öffnung  von  nahe  gleicher  Größe. 
Durch  dieses  extremere  Öffnungsverhältnis  gewinne  ich  gegen 
das  Bruce-Teleskop  1*5  Größen,  welcher  Größengewinn  infolge 
der  hiebei  noch  nicht  berücksichtigten  Einflüsse  der  optischen 
Vermögen  zu  niedrig  angesetzt  ist.  Im  folgenden  werden  die- 
selben berechnet  werden. 


1158  E.  V.  Oppolzer, 

Es  erübrigt  nun  zu  untersuchen,  ob  nicht  die  Wahl  eines 
Linsensystems  mit  extremem  öfTnungsverhältnis  einem  Spiegel 
vorzuziehen  ist.  Vor  allem  hatte  mich  ursprünglich  folgende 
Überlegung  geleitet.  Bei  spektrographischen  Messungen,  wo 
der  Spalt  sich  in  der  optischen  Achse  unmittelbar  befindet, 
braucht  die  Abbildung  also  nur  dort  in  der  Achse  vollkommen 
zu  sein,  außerhalb  können  die  Abbildungsfehler  beliebig  hohe 
Werte  erreichen.  Es  legt  dies  nahe,  daß  man  durch  diesen 
günstigen  Umstand  das  Linsensystem  (infolge  Fortfallens  der 
Sinusbedingung)  einfacher  und  hiemit  lichtstärker  gestalten 
kann.  Auf  Grund  dieser  Bedingungen  schlug  ich  der  Firma 
Zeiß  ein  zwei  linsiges  Objektiv  vor,  das  auch  durch  ihren  Mit- 
arbeiter, Herrn  König,  berechnet  und  das  ich  auch  in  kleinem 
Maßstab  ausführen  ließ. 

Die  damit  erzielten  Resultate,  die  ich  ebenfalls  einem  Mit- 
arbeiter der  Firma,  Dr.  Villiger,  verdanke,  zeigen  die  große 
Überlegenheit  dieses  Objektivs  an  Lichtstärke,  sogar  auch 
etwas  an  Präzision  der  Abbildung  gegen  das  beste  heutige 
System,  das  Zeiß*sche  Planar,  selbstverständlich  in  unmittel- 
barster Nähe  der  Achse.  Beide  hier  wiedergegebenen  Aufnahmen 
wurden  gleichzeitig  mit  gleicher  Öffnung  beider  Objektive 
gemacht,  sind  also  streng  vergleichbar.  Die  große  Lichtstärke 
wird  sofort  durch  die  bedeutendere  Schwärzung  des  Himmels- 
grundes erkannt.  Handelt  es  sich  also  bei  Untersuchungen 
nicht  um  ein  großes  Gesichtsfeld,  sondern  um  möglichste  Licht- 
stärke in  der  Achse,  so  bringt  die  Anwendung  eines  dreilinsigen 
Objektivs  unnötige  Nachteile  und  man  wird  mit  Vorteil  zu 
dem  zweilinsigen,  eben  besprochenen  Objektiv  greifen.  Solcher 
Untersuchungen  gibt  es  ja  außer  den  spektrographischen  noch 
viele.  Bei  der  photographischen  Photometrie  einzelner  Objekte, 
z.  B.  kleiner  Planeten  oder  einzelner  Nebelteile  oder  Partien  des 
Zodiakallichtes  u.  s.  w.  oder  variabler  Sterne.  Trotz  dieser 
ermutigenden  Resultate  bin  ich  auf  den  Vorschlag  der  Firma 
Zeiß,  einen  Spiegel  zu  wählen,  aus  folgenden  Gründen  ein- 
gegangen : 

Sind  A^  brechende  Flächen  mit  dem  Brechungsexponenten«« 
vorhanden,  so  wird  von  dem  auffallenden  Lichte  durch  Re- 
flexionsverlust nach  Fresnel 


Photographische  Ucht&tärke  von  Femrohren.  1 159 

I 

durchgelassen.  Bestehen  die  Flächen  aus  verschiedenen  Glas- 
sorten, vt^ie  dies  ja  bei  achromatischen  Systemen  sein  muß,  so 
kann  mati  für  n  das  Mittel  der  einzelnen  Brechungsexponenten 
setzen,  um  dem  Einflüsse  der  Reflexion  genügend  Rechnung 
zu  tragen. 

Außerdem  geht  Licht  durch  Absorption  in  den  Glasmassen 
verloren;  ist  die  durchschnittliche  Dicke  der  Linse  D  und  der 
durchschnittliche  Absorptionskoeffizient  x,  so  geht  nur  der 
Bruchteil  e~''^  des  in  die  Glasmasse  eben  eingedrungenen 
Lichtes  durch.  Es  wird  daher  die  durchgelassene  Intensität  / 
aus  der  auffallenden  Iq  wie  folgt  gefunden : 


'-{ 


«-4-1 


Nun  ist  aber  1:1^  das,  was  wir  optisches  Vermögen  genannt 
haben,  also  weiter: 

Die  Dicke  D  ist  aus  technischen  Gründen  abhängig  von 
der  Öffnung;  man  kann  als  Durchschnittsresultat 

D  =  0'07bxO 

für  eine  Linse  setzen,  so  daß  bei  A^  Linsen 

D  =  0'075XNXO 

angenommen  werden  kann.  Hiedurch  wird  die  Lichtstärke  nach 
Formel  (3): 

L=  h  —  il^^-L.]  i.^o.ü75x.^^ü,  206265. 


{-(^)T 


(8o+«)^ 


Nach  VogeTs  Untersuchungen  (Sitzungsber.  Akad.  Berlin, 
1896,  p.  623)  kann  man  für  die  Jenenser  Gläser  setzen: 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  77 


1160 


E.  V.  Oppolzer, 


Fiint      »Oppolzerc  340 
Crown  »Planar«       203 


Mittel 


Visuell 


PhotogFBphts€h 


l • 5835 


1-Ö210 


1-552 


0-840 


1-6010 


0-850  I  0-5320 


0-845 


1-5665 


0-615 


0-692 


0-6535 


wobei  8  die  Diathermasie  bezeichnet,  bezogen  auf  eine  Plan- 
platte von  100  mm.  Hiemit  ist: 


so  daß  sich  der  Absorptionskoeffizient  x  auf  1  mm  Dicke 
bezieht.  Mit  diesen  numerischen  Daten  wird  die  Lichtstärke 
visuell : 


L  —  0-9532^  d-<'«»i26307.o.Ar^206265. 


photographisch : 


L  =  0-9513^^^-<»03i906.o.^, 206265- 


(«o+«)^ 


^2 

(8«+«)« 


eines  achromatischen  Objektivs  mit  N  Linsen,  der  Öffnung  0 
und  des  öfTnungsverhältnisses  4>  gefunden.  Bequemer  ist  es, 
wenn  wir  die  Lichtstärke  (L)  wieder  in  Größenklassen  aus- 
drücken, so  daß  die  Lichtstärke  in  Größenklassen  visuell: 

(L)  =  —0-05202. iV— 0-0001372. 0.iV+51og*- 

c,      /  289-4         \ 
-51og(-^+i.), 

photographisch : 

(L)=  -0-05425.A/— 0- 0006928. 0.iV+ 5  log*— 


.,     /  216-4 


ist. 


Photographische  Lichtstärke  von  Fernrohren.  1161 

Aus  dieser  Formel  findet  man  leicht,  daß  von  etwa  18  w 
Öffnung  an  eines  zweilinsigen  Systems  eine  Vergrößerung  der 
Öffnung  einen  Lichtverlust  mit  sich  bringt,  während  diese 
Grenze  für  photographische  Systeme  bei  7  tn  Öffnung  erreicht 
wird. 

Ferner  ersieht  man  sofort,  daß  Silberspiegel  mit  einem 
Lichtverlust  von  lOVo  (T  —  0*90)  für  visuelle  Strahlen  unter 
sonst  gleichen  Umständen  (gleicher  Öffnung,  gleichem  Öffnungs- 
verhältnis, gleicher  Luftunruhe)  stets  einem  achromatischen 
System  überlegen  sind,  weil  ihr  Vermögen  (0- 90)  in  Größen- 
klassen — 0*1164,  also  stets  größer  für  alle  Öffnungen  als  bei 
einem  vierlinsigen  (A^  =  4)  (—0-20808)  ist. 

In  der  Achse  ist  ein  Silberspiegel  stets  einem 
Linsensystem  an  Lichtstärke  für  visuelle  Beobachtung 
überlegen.  Hiezu  kommt  noch  der  Vorteil,  daß  bei  ersterem 
jeder  chromatische  Fehler  beseitigt  ist.  Vorausgesetzt  ist  natür- 
lich hiebei  die  Tatsache,  daß  heute  ein  in  der  Achse  aberra- 
tionsfreier (also  parabolischer)  Spiegel  herstellbar  ist. 

Für  die  photographischen  Strahlen  ergibt  sich  eine  bei 
kleinen  Öffnungen  geringe  Überlegenheit  der  Linse,  weil  für 
diese  Strahlen  das  Reflexionsvermögen  ziemlich  geringer  ist 
(=  0*80).  Man  erhält  wieder  leicht  aus  der  obigen  Formel,  daß 
von  33  mm  Öffnung  an  ein  Silberspiegel  einem  Objektiv  in  der 
Achse  überlegen  ist. 

Aus  der  folgenden  Tabelle  (p.  1162)  wird  der  Größen- 
gewinn: Spiegel  minus  zwei-  respektive  dreilinsigem  Objek- 
tiv ersichtlich. 

Aus  dieser  Tabelle  zeigt  sich  eine  entschiedene  Überlegen- 
heit des  Spiegels  von  300  mm  Öffnung  an,  die  noch  durch  den 
Vorteil  der  vollständigen  Achromasie  und  der  Abwesenheit  von 
Zentrierungsfehlern  nicht  unwesentlich  erhöht  wird;  nachdem 
ferner  heutzutage  eine  frische  Versilberung  leicht  vor  jedem 
Beobachtungsabende  vorgenommen  werden  kann,  so  unterliegt 
es  keinem  Zweifel,  daß  die  Spiegelteleskope  einer  großen  Zu- 
kunft entgegensehen.  Die  früheren  teilweisen  Mißerfolge  lagen 
in  schlechtem  Reflexionsvermögen,  nicht  minder  aber  daran, 
daß  die  Spiegeldicke  viel  zu  gering  genommen  wurde,  so  daß 
Verbiegungen  eintraten. 


1162 


E.  V.  Oppolzer, 


Größengewinn. 


Öffnung 
in  Millimeter 

Spiegel  —  zweilinsiges 
Objektiv 

1 1 1  ■ 

Spiegel ' —  dreüinsiges 
Objektiv              ] 

visuell 

photo- 
graphisch 

visuell 

photo- 
graphisch 1 

25 

-f-0 

•00 

^0 

■Ol 

-1-0 

•15 

—001 

50 

•11 

4-0 

•Ol 

•16 

-4-0-02 

75 

•12 

•03 

•17 

•04 

100 

•12 

04 

* 

•18 

•07 

200 

15 

•It 

22 

•17     i 

300 

18 

•18 

•26 

•27 

1 

400 

•20 

25 

31 

1 
•38     \ 

500 

•23 

•32 

35 

1 

•48 

1000 

•37 

•67 

'55 

1 

100 

1 

2000 

•64 

1 

36 

96 

2-04 

3000 

'92 

2 

05 

r 

37 

3-08     1 

1 

Bei  400  mm  Öffnung  gewinne  ich  also  noch  gegen  das 
Heidelberger  dreilinsige  Bruce-Teleskop  0-38  Größen,  durch 
das  extremere  Öffnungsverhältnis  1*50  Größen,  also  zusammen 
fast  zwei  Größenklassen.  Der  Reflektor  dürfte  also  auch  das 
photographisch  lichtstärkste  Instrument  werden,  falls  nicht  ein 
ähnliches  von  noch  größerer  Öffnung  gebaut  werden  sollte. 
Allerdings  wird  das  ausnutzbare  Gesichtsfeld  bloß  einige 
Zehntelgrade  betragen,  indem  bei  derartig  extremem  Öffnungs- 
verhältnisse die  Bilder  schon  nahe  der  Achse  unbrauchbai* 
werden. 

Wird  nun  dieser  Reflektor  zu  spektrographischen  Unter- 
suchungen herangezogen  und  soll  seine  volle  Lichtstärke  aus- 
genutzt werden,  so  muß  das  Öffnungsverhältnis  der  Kollimator- 
linse des  Spektrographen  dem  des  Spiegels  gleich  sein.  Da  die 
Kamerabrennweite,   wenn   die  Genauigkeit   (mittlerer  Fehler) 


Photographische  Lichtstärke  von  Fernrohren.  1 163 

einer  Linienmessung  ±1  km  etwa  betragen  soll,  etwa  400  mm 
lang  sein  muß  bei  einer  Dispersion  1  (jl|x  zr  40<y',  so  müßte  als 
Öffnung  der  Kollimator-  und  Kameralinse  160  mm  genommen 
werden,  die  Höhe  der  Prismen  ebensogroß.  Da  dies  unter 
keinen  Umständen  ratsam  wäre,  so  geht  man  mit  Vorteil  zu 
größeren  Dispersionen,  d.  h.  mehr  Prismen  über  und  kann  dann 
kleinere  Brennweiten  wählen.  Der  Spektrograph  soll  folgender- 
maßen konstruiert  werden: 

Brennweite  der  Kollimatorlinse  40  mm,  ihre  Öffnung  16  mm; 
dieselbe  Öffnung  naturgemäß  die  Kameralinse  mit  80  mm  Brenn- 
weite. Es  wird  mit  ihm  allerdings  der  mittlere  Fehler  einer 
Geschwindigkeitsmessung  auf  das  Dreifache,  dzSkm,  steigen, 
aber  die  Helligkeit  des  Spektrums  wird  so  erhöht,  daß  noch 
zwei  Größenklassen  gewonnen  werden  können.  Es  steht  also 
zu  erwarten,  daß  ich  mit  ihm  die  neunte  Größe  erreichen 
kann  mit  einer  für  statistische  Untersuchungen  ausreichenden 
Genauigkeit,  da  die  durchschnittliche  Sterngeschwindigkeit 
über  16  km  pro  Sekunde  beträgt. 


Oppolzer  E-,  R.  V.:  Photographische  Lichtstärke  von  Fernrohren. 


Mit  Objeküv  .Oppolee 


Mit  Objektiv  >PIaoar<. 
itzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXVI,  Abt.  lU,  IÖ07. 


1165 


Beitrag  zur  Theorie  des  Pfaff 'sehen  Problems 

von 

Karl  Carda  in  Wien. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  11.  Juli  1907.) 

Im  folgenden  sollen  einige  Bemerkungen  zur  Theorie  des 
Pfaflf'schen  Problems  mitgeteilt  werden.  Zunächst  wird  ein 
Theorem  über  eine  Zerlegung  der  Punkttransformationen  des 
M-fachen  Raumes  bewiesen.  Dieses  Theorem  führt  zu  einer 
Vereinfachung  des  von  Herrn  Frobenius  gegebenen  Beweises 
der  Invarianz  von  x,  Xj,  x^  des  Pfaflf'schen  Problems.  Hieran 
schließt  sich  ein  gruppentheoretischer  Beweis  eines  Theorems 
von  H.  Grassmann  über  schiefsymmetrische  Determinanten. 
Das  Theorem  von  Cayley  ergibt  sich  als  einfache  Folge. 
Schließlich  wird  eine  sich  von  selbst  darbietende  Verallge- 
meinerung des  Grassmann*schen  Theorems  angegeben. 

1. 

Wir  wollen  das  folgende  Theorem  beweisen: 

Theorem. 

Jede  Punkttransformation  des  n-fachen  Raumes 
Rn  ist  bei  passender  Bezeichnung  der  Variabein  äqui- 
valent der  Aufeinanderfolge  von  n  Punkttransforma- 
tionen des  Rft,  wobei  immer  nurje  eine  Variable  trans- 
formiert wird, 

J  t 


für  i^k; 

ll     iy    tL^    O)    •     .     •  >    M. 

r^^"^    'T^    ^^    'J^  ^^ 

-^—     i    »"'s •  •  •  *»!• 


1166  K.  Carda, 

Wir  betrachten  eine  beliebige  Punkttransformation  T  des  Rn 

^i  =  fii^v  ^29  ^s^ '  •  -j^«);     i  =  1,2,3,...«.  (1) 

Es  ist  also  die  Funktionaldeterminante 


d(^j,  ^2»  •  •  •>  ^n) 


*o. 


Es  ist  klar,  daß  man  nötigenfalls  stets  die  Variabein  derart 
passend  umnumerieren  kann,  daß  jedes yj  die  Variable  Xi  wirk- 
lich enthält.  Wir  können  also  ohne  weiteres  voraussetzen 

M^O,     1  =  1.2,3,...,«. 

OXi 

Dann  lassen  sich  die  Gleichungen  (1)  auf  die  folgende 
Form  bringen: 


Xi  mr  ?/A^i»  ^2»  •  •  •  ^i — 1)  ^ij  ^»i-1*  •  •  •  ^n)'t       <  ^^  ^,  O,  .  .  .  W. 


(2) 


Die  Funktionaldeterminante 

0(X^j  X^f  «  '  V»  ^nj 

ist  bekanntlich  gleich  dem  Produkte 


8?i 


HS- 


Dieses  Produkt  ist  von  Null  verschieden,  da  die  Gleichun- 
gen (2)  eine  Punkttransformation  darstellen.  Hieraus  folgt,  daß 
jede  Funktion  ^,-  die  Variable  Xi  sicher  explicit  enthält. 

Es  ist  nun  leicht,  die  Punkttransformation  (2)  in  n  Punkt- 
transformationen zu  zerlegen.  Wir  setzen 

Xi  =  x\^\  x'i  =  ;rr;     i  =  1,  2,  3, .  . ., «. 

Wir  definieren  n  Punkttransformationen  in  folgender  Weise 
mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (2): 


Zur  Theorie  des  Pfaff'schen  Problems. 


1167 


*  l  M*)  =  M*-')  für  I  ±  *. 


(3) 


«^»-')  für  ii|z 

Wir  haben  nun  die  Identität  zu  beweisen: 

\ 

r^^^M   ^f  ^^  'y  ^T' 

=^   •*  1  ■«  2  ^  3  •  •  •  '*  «  • 

l 
Den  Beweis  führen  wir  einfach  durch  den  Schluß  von  m 

aui  m-{-\.  Wir  setzen  voraus,  die  Zusammensetzung  der  ersten 

m  Transformationen  habe  die  Form 

Wir  wollen  diese  Transformation  mit  der  Transformation 
Jm-i-i  zusammensetzen.  Es  ist 


m-fl 


Nun  ergibt  die  Zusammensetzung  von  (4)  mit  Tm+i 


v=:l:     ^r^^>  =  Ti(^i.--»^i.). 


^1  ^2  ^8  ■  •  •  ^»»  ^m+l  ^ 


1  <  V  <  w  +  1 : 


Wir  können  auch  setzen: 


v  =  l: 

^+l)—,^^(^^^,,,^X„), 

l<v<m  +  l: 

«(«+«)  =  rp,(4'»>, . . . ,  *('!?^,  ;r„ . . . ,  ir„), 

»  =  tH  +  \: 

4«+')  =  ^{xf^y,  ...,:i^^l,x„...,  X,), 

v>m-»-l:     ir<*^'^^)  =  ^,. 


1168 


K.  Carda, 


Es   ist   aber  ;ir;«>  =  ;r<*«+^>  für  vr^m  +  l.    Demnach  er- 
hält man: 


'l^i-^S"  '  -*  m-*m+l  ^ 


l<v^  w  +  1: 

V  >  w  H- 1 :     4'"'^^^  =  ^v . 


•>  *»)» 


(5) 


Hiemit  ist  gezeigt,  daß  die  Gleichungen  (4)  auch  für  f»  + 1 
gelten,  wenn  sie  für  m  gelten.  Es  ist  also  nur  noch  zu  zeigen, 
daß  T^T^  die  angegebene  Form  besitzt. 

Es  ist 


xi^)  z=z  X,  für  v4il. 
=  rp,(4i),...,;r<;)), 


^,2)  =  ;r<i)  für  v=tr2. 
Daher  ergibt  sich  für  die  Zusammensetzung  beider: 


T  T  < 


vzzil:      xf^  =  tf^(x^,,,.,Xn\ 
v>2:     ;rl2)  =  ;i:_ 


Hieraus  erhält  man  weiter 


r        v  =  l: 
;rjl<v^2: 


xf> 


^l{^V'">^n)y 


v>2:     ;r<-) 


•■^^    *»^j  . 


Die  Formel  (4)  für  die  Zusammensetzung  T^T^T^^.-Tm  ist 
also  richtig  für  w  =z  2,  also  ist  sie  nach  dem  Früheren  für 
jedes  fH  richtig.  Insbesondere  ergibt  sich  für  f»  =  t« 

Hiemit  ist  das  aufgestellte  Theorem  bewiesen. 


Zur  Theorie  des  Pfaff'schen  Problems.  1 169 


2. 


Wir  betrachten  im  i?„  einen  beliebigen  PfafTschen  Aus- 
druck 

n 

A  =  \  a^  dxi 


L 


1 
und  eine  beliebige  infinitesimale  Transformation 


x,^Y} 


Wir  bilden  den  Ausdruck 


n 

J  =  ^aiii.  (6) 

Herr  Engel  hat  gezeigt,  daß  dieser  Ausdruck  bei  allen 
Punkttransformationen  des  i?„  invariant  bleibt.  Daß  die  Glei- 
chung J=:  0  diese  Eigenschaft  besitzt,  ist  begrififlich  klar, 
denn  sie  drückt  die  notwendige  und  hinreichende  Bedingung 
dafür  aus,  daß  alle  Bahnkurven  von  Xf  zugleich  Integral- 
kurven der  Pfaff'schen  Gleichung  A  zu  0  sind.  Um  die  In- 
varianteneigenschaft von  J  zu  beweisen,  genügt  es  offenbar 
nach  dem  Theorem  des  vorigen  -Artikels  zu  zeigen,  daß  J  bei 
allen  Transformationen 

^2  =  ^2  f  ^-^   =   «  1 

x^  =  x,  \^^.        ^V  (7) 

'*«  —  ^n 

invariant  bleibt.  Es  ist  vermöge  (7) 


II  12 


1170  K.  Carda, 

Es  ist  also 

...  '  •  .     .  .  •       »        .  . 

V  >  1 :     a^zn  a[  ffv+^C .  (8) 

Andererseits  ist 


2«'Ti=E«^»^ 


Also  folgt 


n 


yiii9i=K 


v>l:     4,  =  €C. 


(9) 


Nun  ist 


J  ^  V^vSv  =  fli4i-4-yi'av$v  =  ^i?iSi+y  (^ifv+^)4i 


2 
n 


ä(  .  V  6v  Tv-H  Nv  aC6J  rz  V  aC€i 


Hiemit  ist  der  Beweis  erledigt. 

3. 

Mit  dem  Pfaff'schen  Ausdruck 


n 


\i  Uidxi 


1 

sind  gewisse  Systeme  linearer  Gleichungen  invariant  ver- 
knüpft. Die  Rangzahlen  x^,  x,  x^  derselben  sind  Invarianten 
von  A. 

Wir  setzen 

^Ui        iü^ 


Zur  Theorie  des  Pfaff'schen  Problems.  1171 


und  betrachten  zunächst  das  System 


n 


VavSv  =  0 


(10) 


n 


a,£^j+\va,v£v  =  0;     i  ==  1,2,3,.  . .,«. 


Der  Rang  dieses  Systems  wird  mit  Xi  bezeichnet.  Um  -zti 
zeigen,  daß  %^  eine  Invariante  von  A  ist,  genügt  es,  alle  Punkt- 
transformationen von  der  Form  (7)  heranzuziehen. 

Wir  setzen  noch 

h^m      _ 
'•ü — ^ —  =  ?'■* 

OXiCXk 

und  erhalten  mit  Rücksicht  auf  (7)  und  (8) 


8^1  ^  ./ 


dx. 


8av  ,  3a'  öai 


V>1 


Demnach  ergibt  sich 

aiv  =  9i.aiv.  (11) 

Weiter  folgt  für  /  >  1,  v  >  1 : 

3av  ,  /3a'  3a;  \       3aJ  3aJ 

Hieraus  leitet  man  ab: 

a,v  =  «p,-.alv+cpv.a/i+a5v;     *'>!,  v>l.  (12) 


1172  K.  CArda, 


Das  System  (10)  geht  also  über  in 


n 

y  oj«  =  0, 


1 
fi 

^'>1:    — KTi+a{)€o+?i««€i+ V  (?^^iv+Tv.a{i-f-aW^  =  0- 


Da  f  1  ^  0   ist,   kann   die    zweite  Gleichung   vereinfacht 
werden: 

n 

1 

Nunmehr    kann    auch   die   dritte   Gleichung   vereinfacht 
werden  zu 

n 

—  «{So+Ti^{i6i+ V(Tvö{i+a{06v  =  0. 

2 

Führen  wir  vermittels  Gleichung  (9)  die  41  ein,  so  kommt 


— ^i^  +  y  ^iv€t  =  0     (wegen  a[^  =  0) 
1 

M  fl 

— a{€oH-^(i9i£i+«{i.  y  Tv6v  + Va{v€v  =  0;     #>1 

2  2 

oder  endlich 

H 

(13) 


! 


-«{€o+21'*^'^  =  ^'     »  =  *'2.3 


y    •    •    • y   Vv« 


Zur  Theorie  des  Pfaff'schen  Problems.  1 1 73 

Die  Lösungen  der  linearen  Systeme  (10)  und  (13)  sind 
vermöge  (0)  ein-eindeutig  aufeinander  bezogen.  Hieraus  folgt 
sofort,  daS  diese  Systeme  den  gleichen  Rang  x^  besitzen. 

Setzt  man  den  Parameter  Sq  gleich  Null,  so  erhält  man  ein 
lineares  System,  dessen  Rang  x  ebenfalls  eine  Invariante  ist. 

Wenn  man  den  Rang  des  linearen  Systems 

n 

^va,vCv  =  0;     i  =:  1,  2,  3, . . .,  h 

mit  X,  bezeichnet,  so  ist  auch  x,  eine  Invariante,  denn  bei  dem 
Beweise  der  Invarianz  von  x^  wurde  die  Gleichung 


#• 

2 


a,L  =  0 


zur  Umformung  des  linearen  Systems  nicht  benutzt. 

Hiemit  ist  gezeigt,  daß  x^,  x,  Xg  bei  jeder  Punkttransforma- 
tion (7)  invariant  sind,  also  sind  sie  überhaupt  bei  jeder 
Punkttransformation  des  i?«  invariant. 

4. 

H.  Grassmann  hat  das  interessante  Theorem  bewiesen: 

Der  Rang  einer  schiefsymmetrischen  Determi- 
nante ist  eine  gerade  Zahl. 

Mit  Hilfe  äußerst  einfacher  BegrifiFe  der  Lie'schen  Gruppen- 
theorie gelingt  es,  einen  durchsichtigen  synthetischen  Beweis 
dieses  Theorems  zu  geben. 

Es  sei 

Z>  =  |aft|;     üit  =  —aki\     i,  *  ==  1,2,3, . . .,«. 
Wir  betrachten  die  Linearformen 

'    n 

Li^^aikXk\     «  =  1,2,3, .  ..,w.  (14) 

i 

Ist  Dd^O,  so  ist  n  gerade,  also  der  Rang  von  D  auch 
gerade.  Wir  können  also  stets  D  m  0  voraussetzen.   Dann 


1174  K.  Carda, 

sind  nicht  alle  Li  voneinander  unabhängig.  Es  seien  gerade  m 
der  Linearformen  (14)  voneinander  unabhängig.  Dann  ist  m 
der  Rang  von  D. 

Durch  passende  zyklische  Vertauschungen  der  Indices 

12  3  4...« 

2  3  4  . .  .  M 

3  4  .  .  .  « 


können  wir  stets  erreichen,  daß  gerade  die  m  ersten  Linear- 
formen voneinander  unabhängig  sind,  während  jede  der  übrigen 
von  den  m  ersten  abhängig  ist.  Es  ist  also 


m 


1 
^  r=  m-l-1,  f«  +  2, ,  .  .,n. 

Diese  Identität  zerfällt  in  die  Gleichungen 


m 


Clqk  =   \   CqsUsk,  (15) 


R  —  1,  ^,  ö,  .  .  .  «^ 

q  =  m-hl,  m-h2, . .  .  «. 

Die  Gleichungen  (15)  lassen  eine  schöne  begriffliche 
Deutung  zu.  Wir  bringen  sie  auf  die  folgende  Form,  wobei  wir 
zugleich  k  passend  beschränken: 


III 


—  ^kq-h  %  Cqsaks  =  0.  (16) 

1 

*  n:  1,  2,  3, ...  w; 

^  zz  m  -h  1 ,  w+ 2, . . .  «. 

Diese  Gleichungen  drücken  aus,  daß  die  Linearformen 
Lj, . . .  Lin  die  folgenden  n — tn  infinitesimalen  Translationen 
in  sich  gestatten: 


_-^ 


Zur  Theorie  des  Pfaff'schen  Problems.  1 175 


1 

q  z=  ^-4-1,  w+2, . . .,  w. 

Diese  infinitesimalen  Translationen  sind  ofTenbar  von- 
einander unabhängig.  Es  fragt  sich,  ob  die  Linearformen  (14) 
noch  eine  weitere  Translation  in  sich  gestatten,  die  von  den 
Translationen  (17)  unabhängig  ist.  Ist  eine  solche  vorhanden, 
so  kann  sie  offenbar  auf  die  Form  gebracht  werden: 


Die  Linearformen  (14)  gestatten  diese  Translation  dann 
und  nur  dann,  wenn 

m 

yl  CsUis  =  0;     /  ==  1,  2, 3, . . .  m, 

also  dann  und  nur  dann,  wenn 

aik\  =:  0;     I,  t  =  1,  2,  3, . . .,  f». 


Ist  also  m  ungerade,  so  gibt  es  immer  eine  Translation 
von  der  Form  (18),  welche  die  L,-  gestatten. 

Da  die  Linearformen  Lp. .  .,X,„  voneinander  unabhängig 
sind,  so  kann  man  stets  vermöge  einer  linearen  Transformation 
neue  Variable  j/^  ...,>'»  derart  einführen,  daß  man  hat 

A  =yv 


Man  sieht  sofort,  daß  die  allgemeinste  infinitesimale  Trans- 
lation, welche  jedes  L,-  in  sich  transformiert,  sich  aus  den 
n — m  infinitesimalen  Translationen 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  78 


1176  K.  Carda, 


Yqf^  ~^;     q  =  m'h\,m-h2,\  . .,« 


ableiten  läßt.  Da  jede  lineare  Transformation  jede  Translation 
wieder  in  eine  Translation  überführt,  so  folgt,  daß  die  Linear- 
formen (14)  auch  in  den  x^y .  •  .,^„  gerade  n—m  voneinander 
unabhängige  infinitesimale  Translationen  in  sich  gestatten. 
Ist  m  ungerade,  so  gestatten  sie  nach  dem  Früheren  minde- 
stens n — w  +  1  derartige  Translationen,  Hieraus  schließt  man, 
daß  m  eine  gerade  Zahl  sein  muß.  Hiemit  ist  das  Grass- 
mann'sche  Theorem  bewiesen. 

5. 

Es  sei 

D  =  |a,it|;     aik-^Uki  =  0,  «  =:  gerade  Zahl. 

Nach  Grassmann's  Theorem  verschwinden  alle  Ad- 
junkten Aik  vermöge  Z>  r=  0,  weil  der  Rang  von  D  stets  eine 
gerade  Zahl  ist.  Da  Aik  von  niedrigerem  Grade  ist  als  D,  so 
muß  Z)  in  Faktoren  zerfallen: 

D^P^Q^ 

Hierin  bedeuten  P,  Q, , , .  irreduzible  Polynome.  Es  ist 
klar,  daß  (jl,  v, ...  hur  die  Zahlenwerte  eins  oder  zwei  be- 
sitzen können.  Nehmen  wir  zunächst  (i  ==  1  an.  Es  sei  ant  eine 
Variable,  die  in  P  wirklich  vorkommt.  Nun  ist  bekanntlich 

82)  8P 

daik         cuik 

wo  /  ein  gewisses  Polynom  bezeichnet.  Nun  kann  Ant  nicht 
vermöge  P  =  0  verschwinden,  weil  P,  Q,. . .  als  irreduzibel 
vorausgesetzt  sind.  Also  kann  (jl  nur  den  Wert  zwei  besitzen. 
Ist  außer  P  noch  ein  anderes  Polynom  Q  vorhanden,  so  folgt 
ebenso  v  zz  2  u.  s.  w.  Demnach  ergibt  sich  das  Theorem  von 
Cayley 

D  =  (Polynom)«. 


Zur  Theorie  des  Pfafif'schen  Problems.  1177 


6. 

Schließlich  soll  eine  Ei^weiterung  des  Grassmann*schen 
Theorems  angegeben  werden. 

Theorem. 

Genügen  die  Elemente  a/*  einer  Determinante  Z>, 
deren  Rang  kleiner  als  ihr  Grad  ist,  entweder  den 
Bedingungen 

i,k  =  1,  2, 3, . .  .,M 
oder  den  Bedingungen 

a,jkH-a«  =:  0,     ii^k] 

SO    enthält   D    mindestens    eine    Hauptunterdetermi- 
nante, deren  Rang  gleich  jenem  von  D  ist. 
Der  Beweis  ist  einfach. 


78* 


I 


1 


Gidaly  R.,  Drei  Konstmklionen  der  Fläche  zweiter  Ordnung  aus  neun  gegebenen 
Punkten.  •     .    .    ^ 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116(1907).  p.  1113  —  1119. 


Flächen  zweiter  Ordnung,    Konstruktionen  derselben  q.us  ncyn,  gegebenen 
Punkten. 

Gidaly  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907), 
p.  1113—1119. 


Konstruktionen  der  Fläche  zweiter  Ordnung  aus  neun  gegebenen  Punkten. 

Gidaly  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907), 

p.  1113—1119 


Hess  V.  F.,  Ober  die  Zerfallskonstante  von  Aci4. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907),  p.  1121  —  1133. 


..    /    ' 


Actinium  A,  Über  die  Zerfallskonstante  von  — . 

Hess  V.  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116  (1907), 
p.  1121—1133. 


Cermak  P.,  Der  Peltiereffekt  Nickel-Kupfer  zwischen  20  uftd  450*'C. 

Site.  Ber.derWienerAkad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116(1907),  p.  1135-1137. 


Peltiereffekt,  Dter  —  Hickel-Kirpfer  zwischen  20  und  450**  C. 

Cermak  P.,  Sttis.  Ber.  der  Wiener  Akäd.,  Ha.  Abt,  Bd.  1(6  (1907), 
p.  1135—1137. 


Nickel-Kupfer,  Der  Peltiereffekt  —  zWvciacn  W)  and'  450«  C      i 

Cermak  P.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907). 
p.  1135-1137. 


Ehrenhaft  F.,  Über  eine  der  Brown'schcn  Molekularbewegung  in  den  Flüssig- 
keiten gleichartige  Molekularbcwegung  in  den  Gasen  und  deren  mole- 
kularkinetischer  Erklärungsversuch. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1 139—1 149. 

Abt.  II  a,  Juli. 


.nsJilaij'l 


f  ,rioH't;>'<^'    [iiijfi    •f'iin   ni><i\3r'i^b    (m\*>\)'Ainittfio'/\    ,}(aunbiO   I9^i9'<«rs    naric^il'! 

,("n(;ii  ?)li  .bü  ..jdA  .BlI  ,.bfl;iA  lonaiV/  lob  .löfl  .sii2  ,.fl  v.ißbiO 

.»Mir-  rt  l  l  .q 


,('»<'()!)  iU  (    bH  ,.]dA  .ßll  ..bßü/.  lanoiV/  lab  .löü  .sJi?.  ,.«  xlßbit> 


.*.:.':  1  I  -  r::n  .q  ,(TO«l}an  .in  ,.idA  .üll  ..bajIA  lansiW  isb  .i^a  .sli2 


.  -    /:<iv  u)iir.J''fKi>if-I!iJlrjS  aib  ibdÜ  ,K  muiniijA 
^fTO'.'ly  fill  .ta  ^.JdA  j:U  ,.bij;IA  lan^iW  lab  .lod  .sii2  ,.H  .V  8f<öH 

.6Pn  — /Sil  .q 


"w:il-  i.r.il  .q  /Tü^n.  öll  .bil  ..MA  .üII  ,.bß>JA  lenaiWiob  .lad  .sli2 


,(  ."•M;  'M  I  .l^H  ,.jnA   r.  H  ,.b>j>iA  isnoiW  lab  .loH  .SJi2  ,/l  iß/ma'J 

.T8JI— r.jni  .q 


(;o.>i)  fH  I  .IA\  „JdA  .fill  ,.bji>iA  isnaiW  i9b  .19«  .sJi8  ,.'!  alBcmaO 

.YKll— c8Il  .q 


-'jlo.n    fiji').>    biuj    no^flf)  rt'jb  ni    ^rri;>497;'jdir,lu>(olof/.  o^inßrtorala    nalioii 

.i?^ 1 1  -  »n:  \  t  .q  X^^OG I)  a r  l  .ba  ,.id A  .n  n  ,ba)IA  lanöiW  lab  .löfl  .sl!2 

liul  ,BlI   tdA 


Molekularbewegong  in  Gasen  nach  Art  der  ßrown'schen  in  Flüssigkeiten. 

E  h  r  e  n  h  a  f  t  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt.,  Bd.  11 6  ( 1 907), 
p.  1139—1149. 


Brownes  Molekularbewegung  in  Gasen. 

Ehrenhaft  F.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  1139-1149.    ;        [    ;jjSiU-iv;'    ^   1  i. 


Gase,  Molekularbewegung  nach  Art  der  Brown'schen  in  den  Flüssigkeiten. 

EUireah^ft  F.,  Siiz^  B«K.4ar  >AiHetw,A4tfifh,(y,'»rAbtr,  W;  Ll^<t90f). 


Oppolzer  £.  v.,  Über  die  photographische  Lichtstärke  von  Femrohren. 

Sitfti^3ef.  d^  Wi«fiar  Akftd-^ H«,  Abt^  i?fi-f1,^t (* S^^LR-  >  IP 1  —  1 1 Ö3. 


Lichtstarke,  photographische,  von  Fernrohren. 

Oppolzer  B{,'  v.,  SM^.  9»r.  dir.Wi4«er  JLkad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  1151—1163. 


•  %  t  •  • 


Fernrohr,  Photographische  Lichtstärke  desselben. 

Oppolzer,  ^^  v.^  §ita.  Ber,  d^r,  .JAfippap ^nd^  M^  AhW^^  Wtt. 
(1907),  p.  llüWqß?,     ,..^      ,.   p.,^    -.       .,    v-^ 


Carda  K.,  Beitrag  zur  Theorie  des  PfafT'schen  Problems. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  JJ  a.  AbU  Bd.  1 16  (1907),  p.  1 165—1 177. 


Pfaflr*8ches  Problem,  Beitrag  zur  Theorie  desselben. 

Carda  K.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1165—1177. 


c» 


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ii')<(l9^.rjb  olio'jdT  lux  yhtJfjM  (RidldoiH  89ifDa"fti;n 

,(TOt>l)  an  .bH  ,.JdA  Jill  ..hK>JA  i9f»9iW  lob  .i^H  .sil2  ,.">!   BbtB> 

.7\ri— <";aM  .q 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFIER 


MATHEMATISCH  -  NATURWISSENSCHAFTUCHE  KUSSE. 


CXVI.  BAND.  VIII.  HEFT. 


ABTEILUNG  II  a. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


■a»- 


79 


1181 


Über  die  Beziehung  zwischen  Druek  und 
Temperatur  bei  mit  der  Höhe  variablen 

Temperaturgfradienten 

von 

Dr.  Albert  Defant. 

(Mit  3  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  84.  Oktober  1907.) 

Bei  Untersuchungen  über  meteorologische  Probleme,  in 
denen  es  namentlich  auf  eine  Anwendung  der  mechanischen 
Wärmetheorie  auf  atmosphärische  Vorgänge  ankommt,  hat 
man  bis  jetzt  fast  ausschließlich  als  Beziehung  zwischen 
Druck  und  Temperatur  die  Poisson'sche  Formel  angewendet; 
damit  beschränkte  man  sich  von  vornherein  nur  auf  jene 
Fälle,  in  denen  von  einer  Wärmezu-  oder  -abfuhr  abgesehen 
werden  konnte.  Alle  diese  Untersuchungen  lieferten  uns  trotz 
dieser  Einschränkung  so  wichtige  Ergebnisse,  daß  damit  das 
Verständnis  meteorologischer  Vorgänge  wesentlich  gefördert 
wurde.  Trotzdem  wäre  es  wohl  wünschenswert,  wenn  mög- 
lich, uns  von  diesen  beschränkenden  Voraussetzungen  zu 
befreien  und  zu  versuchen,  die  Anwendung  der  mechanischen 
Wärmetheorie  auch  auf  jene  Prozesse  auszudehnen,  in  denen 
die  Wärmezu-  oder  -abfuhr  nicht  mehr  vernachlässigt  werden 
kann.  Dadurch  gestalten  sich  zwar  sowohl  die  Ableitungen 
sowie  alle  auftretenden  Formeln  viel  komplizierter  und  man 
könnte  sogar  fürchten,  durch  den  mehr  mathematisch-deduk- 
tiven Gang  der  Rechnung  den  Überblick  über  die  weitere  Ent- 
wicklung des  Problems  zu  verlieren.  Jedoch  mathematische 
Schwierigkeiten,  die  sich  bei  Inangriffnahme  eines  Problems 
einzustellen  pflegen,  sollten  uns  nicht  zurückschrecken,  die 

79* 


1182  A.  Dcfaiu, 

umfangreicheren  Rechnungen  zu  unterlassen,  vielleicht  auf 
Kosten  wichtiger  Folgerungen,  die  man  aus  den  abgeleiteten 
Formeln  mit  Leichtigkeit  eventuell  ziehen  könnte  und  die  man 
sicher  vielleicht  nie  auf  statistischem  Wege  aus  dem  vor- 
liegenden Beobachtungsmaterial  ermitteln  hätte  können. 

Die  wichtigste  Grundfonne),  die  man  zu  weiteren  Ent- 
wicklungen unumgänglich  besitzen  muß,  ist  die  Beziehung 
zwischen  Druck  und  Temperatur.  Solange  man  sich  auf  adia- 
batische Prozesse  beschränkte,  genügte  die  einfache  Pois- 
son'sche  Formel,  aus  der  sich  dann  weitere  Folgerungen  für 
die  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  ableiten  liefien.  Für  die 
in  der  Meteorologie  wichtigen  Fragen  ist  die  durch  die  Pois- 
son'sche  Formel  gegebene  Beziehung  zwischen  Druck  und 
Temperatur  etwas  unbequem.  Führt  man  für  die  Druckände- 
rung die  entsprechende  Höhenänderung  ein,  so  erhält  man 
leicht  den  Wert  der  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe.  Wie 
bekannt,  ergibt  sich  dafür  fast  1*  C.  pro  100  fw.  Hätten  wir 
eine  trockene  Atmosphäre,  bei  welcher  bloß  durch  Kon- 
vektionsströmungen  Wärme  zugeführt  wird,  so  würde  die 
Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  überall  1*  pro  100 1«  be- 
tragen. Diesen  thermischen  Zustand  der  Atmosphäre  nennt 
man  deshalb  den  Zustand  des  thermtsch-konvektiven  Gleich- 
gewichtes. Jedes  Luftteilchen  befindet  sich  im  indifferenten 
Gleichgewichtszustande. 

Die  Poisson'sche  Gleichung  ist  etwas  allgemeiner  als  die 
Beziehung,  die  uns  zu  jeder  Höhe  die  entsprechende  adia- 
batische  Temperatur  gibt,  da  sie  uns  gestattet,  aus  den  beob- 
achteten Luftdruckwerten  direkt  die  entsprechenden  Tempera- 
turen zu  berechnen;  auf  jeden  Fall  gilt  jedoch  die  Poisson'sche 
Beziehung  nur  im  Falle  eines  konvektiven  Temperaturgletch- 
gewichtes. 

Beträgt  die  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  mehr  oder 
weniger  als  1*  pro  100  w,  so  gilt  die  Beziehung  nicht  mehr; 
und  gerade  dieser  Wert  der  Temperaturabnahme  bildet  eine 
Grenze  zwischen  labilem  und  stabilem  Gleichgewichtszustand 
und  tritt  daher  in  der  Atmosphäre  wohl  ziemlich  selten  auf. 

Deshalb  war  es  wohl  wünschenswert,  eine  Beziehung 
zwischen  Druck  und  Temperatur  bei  gegebenem  vertikalen 


Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc.  1 1 83 

Teinperaturgradienten  zu  besitzen.  Uns  kommt  es  hier  nicht 
darauf  an,  zu  untersuchen,  wann  und  wie  die  angenommenen 
vertikalen  Temperaturgradienten  entstehen,  sondern  uns  handelt 
es  sich  bloQ  um  die  Frage:  wie  kann  ich  bei  gegebenem  Luft- 
druck und  gegebenem  vertikalen  Temperaturgradienten  die  in 
dieser  Höhe  dadurch  bedingte  Temperatur  berechnen. 

Wir  gehen  wieder  aus  vom  ersten  Hauptsatze  der  mecha- 
nischen Wärmetheorie,  welcher  lautet: 

r     ^T 

1) 


dQ            dT 

-AR ; 

dt              dt 

p     dt 

für  adiabatische  Zustandsänderungen  'Q.  =  0  ergibt  sich 

dt 

Cp      \     dT  _    \     dp 


AR    T    dt  p    dt 

und    integriert   zwischen   den   Grenzen    T,  p   und   T^,  p^  die 
Poisson'sche  Gleichung 


Po 


\  ^0/ 


Aus  Gleichung  2)  folgt,  da  stets,  wenn  x  die  Höhe  be- 
deutet, dp  n:  — pdx  und  p  z=z  pRT  ist, 

(7«    dT  dx  A 

-^-=^  =  — -!^     oder     T=n——x.  4) 

A     dt  dt  <^p 

Dabei  ist  T  die  Temperatur  in  der  Höhe  x,  Tq  die  Tem- 
peratur an  der  Erdoberfläche  xzz.0.  Die  durch  die  Poisson'sche 
Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  gegebene  verti- 
kale Temperaturverteilung  ist  linear.  Trägt  man  diese  Funktion 
in  ein  Koordinatensystem  ein,  in  dem  die  Ordinatenachse  die 
Höhen  x,  die  Abszissenachse  die  Temperaturen  T  enthält,  so 
erscheint  die  Adiabate  4  als  eine  beinahe  unter  45*  gegen  die 
Abszissenachse  geneigte  gerade  Linie.  Der  Temperaturgradient 
für  adiabatische  Temperaturverteilung  ist  daher 

iTg     _  _j4    _  _ 

Ix    '^        ^    "       '^' 


1184 


A.  Def«nt, 


Wir  nehmen  jetzt  zuerst  eine  lineare  vertikale  Tem- 
peratur\'erteilung  in  der  Atmosphäre  an,  bei  welcher  also  der 
Temperaturgradient  konstant  ist,  jedoch  vom  adiabatischen 
als  verschieden  angenommen  wird.  Für  einen  solchen  kon- 
stanten Temperaturgradienten  ist  die  Entwicklung  sehr  ein- 


fach.  Ist   Oq  ^=  — 


hT 


8r 


Sjt 


**    der  adiabatische  und  arz: ^  der 

ix 

von  uns  angenommene  ebenfalls,  wie  o^  konstante  Temperatur- 
gradient, so  definieren  wir  ff  =:  — • 


Flg.  l. 


Da  nun 


tT. 


ix 


ist,  so  folgt 


Tn—T. 


T  = 


und 

iT 
ix 

Ta- 

■T 

T—T. 


X  —  Xr 


T—T. 


Um  die  Entwicklung  anschaulicher  zu  machen,  denken 
wir  uns  die  Luft  in  vertikaler  Bewegung  begriflFen;  die  Luft 
steige   auf  und  die  Temperatur   in  jeder  Lage  sei  definiert 

sr 

nach  unserem  vorgegebenen  Gradienten  a  = :  In  einer 

ix 

Höhe  x^  habe  nach  diesem  Temperaturgradienten  a  die  Luft 


Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc.  1 185 

die  Temperatur  T^  Würde  die  Luft  adiabatisch  aufgestiegen 
sein,  so  würde  sie  in  derselben  Höbe  die  Temperatur  Ti^a 
besitzen,  die  definiert  ist  nach  der  Gleichung  3). 

Die  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  nach  unserem 
angenommenen  Temperaturgradienten  a  können  wir  uns  nun 
folgendermaßen  entstanden  vorstellen.  Wir  lassen  die  Luft 
adiabatisch  aufsteigen  und  führen  ihr  dann  in  jedem  Augen- 
blicke so  viel  Wärme  zu  oder  ab,  als  sie  benötigt,  um  die  vor- 
gegebene Temperatur  T^  anzunehmen.  Für  konstante  Tem- 
peraturgradienten brauchen  wir  die  Wärmemenge  erst  am 
Schlüsse  der  adiabatischen  Bewegung  hinzuzufügen;  anders 
verhält  es  sich  bei  Temperaturgradienten,  die  von  der  Höhe  x 
selbst  abhängen.  Bei  konstantem  Gradienten  können  wir  somit 
den  Prozeß  uns  in  zwei  Teile  gedacht  denken:  zuerst  lassen 
wir  die  Luft  adiabatisch  bis  zur  Höhe  x^  aufsteigen;  dabei 
nimmt  sie  die  Temperatur  Ti^a  an,  hierauf  führen  wir  ihr  noch 
so  viel  Wärme  zu,  bis  die  Luft  die  nach  dem  Temperatur- 
gradienten a  vorgegebene  Temperatur  T^  angenommen  hat. 
Diese  Wärmemenge  ist  leicht  zu  bestimmen.  Da  alles  unter 
konstantem  Drucke  p^  vor  sich  geht,  ist  sie  gegeben  durch 

Q  =  c^(T,^Tt^a)-  5) 

Bei  mit  der  Höhe  veränderlichem  Temperaturgradienten 
ist  die  Sache  etwas  komplizierter.  Der  vorgegebene  Tem- 
peraturgradient sei  nun  jetzt  nicht  mehr  konstant,  sondern 
von  der  Höhe  x  abhängig.  Die  Temperatur  der  Luft  nehme 
nach  einem  bestimmten  vorgegebenen  Gesetz  ab.  Der  Tem- 
peraturgradient an  jeder  Stelle  ist  dann  die  geometrische 
Tangente  an  jenem  Punkte  der  Kurve,  welche  die  vertikale 
Temperaturverteilung  graphisch  darstellt.  Es  ist  dann 

OL  =  a(x)  zz 

ix 

Steigt  die  Luft  adiabatisch  auf,  so  habe  sie  in  der  Höhe  x^ 
die  Temperatur  Ti^a'f  steigt  sie  nach  der  vorgegebenen  Tem- 
peraturabnahme auf,  so  würde  sie  in  x^  die  Temperatur  T^ 
erreicht  haben.  Wir  teilen  auch  in  diesem  Falle  unseren  Prozeß 
in  zwei  Teile:  eine  adiabatische  Abnahme  und  ein  Hinzufügen, 


1186 


A.  Defent, 


beziehungsweise  Wegnehmen  von  so  viel  Winne,  bis  die  nach 
obigem  Gesetze  der  Temperaturabnahme  in  dieser  Höhe  ge- 
fundene Temperatur  angenommen  wird.  Zu  diesem  Zwecke 
teilen  wir  das  Intervall  x^ — x^  in  m  —  der  Einfiachheit  halber  — 
gleiche  Teile  und  betrachten  bloß  dn  Intervall  Xr  bis  jv^i; 
dieser  Streifen  habe  die  Höhe 

Die  entsprechenden  adiabatischen  Temperaturen  in  dieser 
Höhe  seien  Ta,r  und  r«. r+i,  die  vorgegebenen  Tr  und  Jr+i- 


Fig.  2. 

In  diesem  kleinen  Streifen  8  können  wir  die  Temperatur- 
gradienten als  konstant  betrachten.  Die  Wärmemenge,  welche 
wir  somit  hinzufügen  müssen,  damit  in  der  Höhe  Xr^i  Luft 
von  der  Temperatur  Ta,  r+i  die  Temperatur  7V  annehme,  ist 
nach  dem  Früheren 


Führen  wir  nun  in  jedem  Intervall  diese  Wäimemenge  zu 
und  addieren  wir  schließlich  alle  Wärmemengen,  so  ist  die 
Gesamtwirmemenge,  die  wir  hinzufügen  müssen,  um  die 
gegebene  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  bis  zur  Höbe  x^ 
zu  erhalten: 


Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc.  1 187 


r  =  ii  r  =  fi 


ö  =    y    Ör-Hl   =   ^  Cp(Tr^t^Ta,r-^l) 


r  =  0  r  =  0 

oder 

r  =  n 


Zi-j      ^      8,.  8,.         y 

r  =  0 


G^hen  wir  nun  zum  Grenzfalle  lim  u  :=z  oo  über,  so  wird 
die  Summe  rechts  nichts  anders  als  die  klassische  Definition 
des  bestimmten  Integrals  zwischen  den  Grenzen  Xq  und  x^; 
weiter,  da  fiXr  lim  «  =  oo  lim  8^  n:  0  wird,  ist 

Hm  ^rtinZil  =  il    und     lim  ^^^I±i=^  = -^'' . 

«=o        8r  8:r  «  =  o  8^  ix 


Somit  wird 


Q  = 


Jx.       5;r         ix/ 


Dabei  ist  vorausgesetzt,  daß  die  Funktion,  welche  die 
vorgegebene  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  ausdrückt, 
eine  monotone,  überall  difTerenzierbare  Funktion  sei.  Wir 
schließen  damit  alle  jene  vertikalen  Tenvperaturverteilungen 
aus,  in  denen  Sprünge  der  Temperatur  vorkommen.  Diese 
Fälle  können  nur  in  der  Art  behandelt  werden,  daß  man  die 
ganze  Durchführung  der  Rechnung  in  zwei  Teile  teilt,  wobei 
die  Sprungschichte  der  Temperatur  die  Grenze  des  ersten  und 
zugleich  den  Anfang  des  zweiten  Prozesses  bildet. 

Alsdann  definieren  wir  die  Funktion 

ix  ix  dT  ol(x) 

Da  nun  der  adiabatische  Gradient  konstant  ist,  und  zwar 

8*    ~        <>  ' 


1188  A.  Defant, 


SO  ist 


A          liT         A    ix  ^^ 

^{x)= : = 7) 

0»        ix       ^p  iT 

Für  die  zugeführte  Wärmemenge  erhalten  wir  sodann 
nach  einigen  Umformungen 

Q  =  c^  r'\l-rf(x))^dx  =  cp  r^  (l—^(x))dT.       8) 

Ist  die  Funktion,  welche  die  Temperaturabnahme  mit  der 
Höhe  ausdrückt,  monoton  und  stets  diflFerenzierbar,  so  ist  es 
tf(x)  auch.  Diese  eingeführte  Funktion  rf(x)  kann  nur  Werte 
zwischen  den  Grenzen  0  und  -4-oo  annehmen;  für  ^p(;r)  =  1  ist 
der  Temperaturgradient  a  gleich  dem  adiabatischen  a^;  für  alle 
ff(x)<\  nimmt  die  angenommene  Temperaturverteilung  nach 
dem  vertikalen  Gradienten  a  viel  rascher  ab  als  nach  dem 
adiabatischen  o^,;  ist  dagegen  <p(;r)>l,  so  nimmt  die  Tem- 
peratur der  Luft  weniger  rasch  ab  als  nach  dem  adiabatischen 
Gesetze. 

Die  Differentialgleichung  des  Problems  gestaltet  sich  somit 
folgendermaßen:  Aus  der  thermischen  Gleichung 


dt  dt  P     dt 

folgt  für  isentropeZustandsänderungen  —^  =0  die  Poisson'sche 
Gleichung 

Pl    _    [T\^a\^^ 


Po         V    Z 


0 


Damit  ist  die  adiabatische  Temperatur  Ti^a  für  die  Höhe  x^ 
bestimmt.  In  unserem  Falle  müssen  wir  somit  in  der  Höhe  x^ 
der  Luft  noch  die  Wärmemenge  hinzufügen,  welche  die  Tem- 
peratur von  Ti^a  auf  T^  erhöht  oder  erniedrigt  Für  ein  Zeit- 
element dt  wird  diese  Wärmemenge  nach  Gleichung  8) 


Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc.  1 189 


^  =  c,(l-^{x)) 


dT 


dt  dt 

sein. 

Die  DifTerentialgleichung,  die  somit  für  jede  Höhe  gleich 
nach  Integration  zwischen  den  gewünschten  Grenzen  die 
Temperatur  nach  der  vorgegebenen  Temperaturabnahme  liefert, 
lautet: 

dT  dT  T   dp 


oder 


dt  '    dt  P    dt 


dT  T    dp 

^       dt  P    dt 


somit 


Cp    ^^  ^  dT  dp 


AR 


tW^^t  = 


und  integriert  zwischen  den  Grenzen  T^,  p^  und  Ti, /7^: 

'P     r''^('ldT=logP^  9) 


ARJt. 


AR  Jt        T  Po 


oder  infolge  der  Gleichung  7) 


1     r*i  dx        ,        p 

—  I      =  log  -^-- 

RX       T  Po 


10) 
R 


Die  Integralgleichung  9)  kann  man  nur  dann  auflösen, 
falls  ^{x)  in  gegebener  expliziter  Form  vorliegt.  In  der  zweiten 
Form  10)  muß  dagegen  die  Temperatur  T  als  Funktion  der 
Höhe  X  explizit  gegeben  sein. 

Betrachten  wir  dagegen  bloß  Fälle,  in  denen  der  Tem- 
peraturgradient in  jeder  Höhe  konstant  ist,  also  den  Fall  einer 
linearen  vertikalen  Temperaturverteilung,  so  ist  ff  =:  const; 
somit  wird 

Sil.  log  Il.  =  log  ^ 
AR  T^  Po 


U90  A.  Defant, 


oder 


'r 


Po         [t. 


11) 


Diese  Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  ist 
sehr  ähnlich  der  Poisson*schen  Gleichung  und  unterscheidet 
sich  nur  im  Exponenten  der  rechten  Seite  der  Gleichung, 
indem  noch  eine  Konstante  als  Faktor  hinzutritt,  der  von 
Null  an  als  Wert  alle  positiven  Zahlen  annehmen  kann. 
Gleichung  11)  gilt  jedoch  nur  unter  Voraussetzung,  daß  der 
Temperaturgradient  durch  die  ganze  Höhe  konstant  ist,  somit 
das  Gesetz  der  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  gleich  dem 
adiabatischen  durch  eine  Gerade  graphisch  darstellbar  sei. 

Um  ein  Beispiel  für  einen  mit  der  Höhe  veränderlichen 
Temperaturgradienten  zu  geben,  benützen  wir  jene  Mittel- 
werte der  Lufttemperatur  für  die  Atmosphäre  über  der  mittel- 
deutschen Tiefebene,  die  Berson  und  Süring  in  den  Ergeb- 
nissen der  Berliner  wissenschaftlichen  Luftfahrten  abgeleitet 
haben.  Diese  Werte  der  Temperatur  beanspruchen  zwar,  da 
aus  verhältnismäßig  wenig  Beobachtungen  gebildet,  keinen 
größeren  Grad  von  Genauigkeit;  auf  jeden  Fall  geben  sie 
aber  ein  gutes  Beispiel  für  eine  stetige  Änderung  des  Tem- 
peraturgradienten mit  der  Höhe.  Sie  stellen  nur  mittlere  Ver- 
hältnisse dar;  in  den  einzelnen  Jahreszeiten  weicht  die  Tem- 
peraturverteilung in  der  Vertikalen  manchmal  erheblich  von 
diesen  Mittelwerten  ab;  sie  sind  jedoch  sehr  geeignet,  ein  Bild 
der  mittleren  Wärmeverteilung  über  der  mitteldeutschen  Tief- 
ebene zu  geben.  Wir  benützen  hier  jene  Werte,  die  Bezold 
in  seiner  Abhandlung: ^  »Theoretische  Betrachtungen  über  die 
Ergebnisse  der  wissenschaftlichen  Luftfahrten«  mitteilt. 

Die  mittleren  Temperaturen  für  die  einzelnen  Hdhen  folgen 
in  folgender  Tabelle;  daneben  sind  für  die  einzelnen  Höhen  die 
Temperaturgradienten  (Temperaturabnahme  pro  100  m)  mit- 
geteilt. 


1  Wissenschaftliche  Luftfahrten,   Braunschweig  1900,   Bd.  III,  p.  283  ff. 
oder  Bezold.  Gesammeae  Abhandlungen,  X,  p.  246. 


Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc. 


1191 


Höhe« 

in  Metern 


500 
1000 
1500 
2000 
2500 
3000 
3500 
4000 
4500 
5000 
5500 
6000 
6500 
7000 
7500 
8000 
8500 
9000 


^beob. 


7 

5 

2 

0 

2 

•  5 

.  7 

■10 

•13 

-16 

-20 

23 

-27 

-30 

-34 

-37 

41 

45 


•9 
•4 
•9 
•4 
•3 
•0 
•6 
•3 
•5 
•7 
•1 
•6 
•0 
•4 
•0 
•6 
•6 
•6 


■^ber. 

8-2 
5-8 
3-3 
0-7 

—  2-3 

—  4-9 

—  7-7 

—  10-7 
—13-7 

—  16-9 
—20-2 
—23-5 
—27-0 
—30-5 
— 34  1 
—37-9 
—41-6 
—45-5 


(- 


«r 

8^/beab. 

0-50 
050 
0-50 
0-54 
0-54 
0-52 
0*54 
0-64 
0-64 
0-68 
0-70 
0-68 
0-68 
0-72 
0-72 
0-80 
0-80 


0-48 
050 
0-5« 
0-52 
0-54 
0*56 
0-60^ 
0-60 
0-64 
O'öd 
OÖd 
0-70 
0-70 
0'72 
0-74 
0-78 
0-78 


Trägt  man  die  Werte  der  mittleren  Temperaturen  graphisch 
ein,  und  zwar  derart,  daß  die  Ordinatenachse  die  Höhen  x^  die 
Abszissenachse  die  Temperaturen  t  darstellt,  so  gibt  uns  diese 
Zustandskurve  ein  Bild  der  mittleren  Temperaturverteilung  in 
den  Vertikalen.  Die  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe  stellt 
sich  als  eine  gegen  den  Ursprung  schwach  konkave  Kurve 
dar.  Wir  haben  versucht,  diese  Werte  für  die  mittlere  Tem* 
peraturabnahme  mit  der  Höhe  in  eine  Gleichung  zusammen- 
zufassen, um  so  eine  annähernd  mittleren  Verhältnissen  ent- 
sprechende Funktion  zwischen  Temperatur  und  Höhe  zu  er- 
halten. Diese  Werte  ließen  sich  nun  am  besten  durch  folgende 
Gleichung: 


t  =  r— 273  =  10-6 


0-464  ;r—000163;r2— 

—  0-00000174;3 


12) 


1192  A.  Defant, 

wiedergeben,  wobei  als  Einheitslänge  der  Temperatur  1 '  C, 
als  Einheitsiänge  der  Höhe  100  m  gewählt  wurde.  Die  Werte, 
welche  man  aus  dieser  empirischen  Gleichung  erhält,  sind  für 
die  einzelnen  Höhen  ebenfalls  in  früherer  Tabelle  unter  tber. 
mitgeteilt;  ebenso  sind  auch  die  aus  Formel  12)  leicht  be- 
rechenbaren Temperaturgradienten  für  Schichten  von  500  zu 
500  f»  bestimmt  worden.  Die  Abweichungen  der  berechneten 
von  den  beobachteten  Werten  sind  minimal  und  schwanken 
zwischen  0*0  und  —  0*4**  C. 

Die  größten  Abweichungen  bemerken  wir  in  den  Höhen 
bis  zu  2000  m;  von  hier  an  sind  sie  stets  sehr  gering,  so  daß 
obige  Gleichung  die  mittlere  Temperaturverteilung  in  der  Verti- 
kalen mit  genügender  Genauigkeit  wiedergibt.  Die  Haupt- 
ursache dieser  größeren  Abweichungen  in  den  ersten  2000  m 
ist  wohl  in  den  häufigen  Temperaturumkehrungen,  in  den 
Kondensationsprozessen  und  anderen  sonstigen  Störungen, 
die  eben  in  dieser  Schichte  sowohl  im  Winter  wie  im  Sommer 
am  häufigsten  vorkommen,  zu  suchen.  Der  Temperaturgradient 
ist  nach  Gleichung  12)  somit  ebenfalls  eine  Funktion  der 
Höhe  Xy  und  zwar  ist 

^    =  =  —0-464— 0-00327;r—0-000005;r«. 


8^  hx 

Daraus  ergibt  sich,  daß  in  mittleren  Verhältnissen  die 
vertikale  Temperaturverteilung  sich  durch  eine  Reihe  nach 
steigenden  Potenzen  von  x  darstellen  läßt  von  der  Form 

T  =  aQ-fajAr-ha2^^-haj^*-4-  . . .  13) 

Da  nun  eine  solche  Potenzreihe  stets  eine  analytische 
Funktion  ist,  die  als  stets  stetig  und  monoton  vorausgesetzt 
wird,  so  ist  die  Reihe  auch  umkehrbar  und  somit  x  ebenfalls 
darstellbar  mittels  einer  Potenzreihe  nach  steigenden  Potenzen 
von  r,  und  zwar  wie  folgt: 

Die  Koeffizienten  in  dieser  Reihe  müssen  nach  der 
Methode  der  unbestimmten  Koeffizienten  aus  13)  bestimmt 
werden  und  umgekehrt.  Nun  ist  dann 


Beziehung  zwischen  Druclc  und  Temperatur  etc. 


1193 


=  &i+2&gr+3&,r*+... 


und  weiters  nach  Gleichung  6) 


?(«)  = 


iT. 


ix      87 


Somit  ist 


r^'^=ir(^*"«^'''^*->^ 


b,log-^^2b^{T,^T,)^^(Tl-T^^... 


Nach  Gleichung  9)  folgt  dann 

p^  _   ■^[&iiogA4-2Mr,-r<o+-^(r;-r,»)+...] 


/'o 


=:  e 


oder 


A     _   /^l\**:^    i[2t,iT,-T;^  +  -^  (T\-Tl^^...] 


Po 


14) 


Zu  unserer  früheren  Gleichung  11),  die  uns  den  Zu- 
sammenhang zwischen  Druck  und  Temperatur  bei  konstantem 
vertikalen  Temperaturgradienten  wiedergibt,  erhalten  wir  im 
Falle  eines  mit  der  Höhe  veränderlichen  Temperaturgradienten 
ein  Korrektionsglied  in  Form  einer  ^-Potenz,  das  abhängt  von 
den  Koeffizienten  zweiter  Ordnung  in  der  Potenzreihenentwick- 
lung der  Temperaturfunktion  nach  der  Höhe.  Führen  wir  diese 
Rechnung  im  angeführten  konkreten  Falle  durch,  so  erhalten 
wir  durch  Umkehrung  der  Potenzreihe  1 2) 

^  =  21-49— l-90(r— 273)— 0-0097(7— 273)2— 

— 0-000211(7-273)» 

Dabei  müssen  wir  uns  erinnern,  daß  die  gewählte  Längen- 
einheit für  die  Ordinatenachse  x  100  m  ist.  Nehmen  wir  1  tn 


1194  A.  Defant. 

als  Längeneinheit,  so  müssen  wir  die  rechte  Seite  der  Gleichung 
mit  100  multiplizieren.  Wir  erhalten  alsdann  für  den  Dififeren- 
tialquotienten  nach  T 

^^    = —4378+32  •62  7—00633  r^ 


ST 


?w  = 


Somit  folgt 


Ix      ZT 

=  —000984(— 4378+32-62  7— 0O633P 
:=  4308— 0-321  7+0000623  7«. 


Nach  Gleichung  9)  ist  dann,  da  — ^— =  3*47  ist, 

AR 

logZi.  :^  log(-l-         _i.ii4(7,-7o)+000218(7f— 7^) 
oder 

Po         \T,! 

Diese  Gleichung  14)  gibt  uns  somit  die  Beziehung  zwi- 
schen Druck  und  Temperatur  bei  der  durch  Gleichung-  12) 
gegebenen  Temperaturabnahme  mit  der  Höhe.  Sie  weicht  in 
den  numerischen  Koeffizienten  ziemlich  stark  von  der  PoiSBon- 
sehen  Beziehung  bei  adiabatischer  Temperatumbnahme  ab. 
Der  Exponent  im  Temperaturenverhältnisse  hängt  bloß  von 
dem  linearen  Gliede  in  der  Potenzreihenentwickkmg  der  Höhe 
nach  steigenden  Potenzen  der  Temperatur  ab.  Die  weiteren 
Koeffizienten  in  den  Gliedern  höherer  Ordnung  treten  in  dieser 
Beziehung  als  eine  Art  von  Korrektionsglied  in  Form  einer 
^-Potenz  auf.  Über  die  Größe  der  Werte,  welche  die  ^-Potenz 

^-MU(r,-rg)  +  o-()02i8(rJ-r^) 
annehmen  kann,  können  wir  folgendes  schließen. 


Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc. 


1195 


Für  Tj  =  Tq  wird  der  Exponent  gleich  Null,  die  d-Potenz 
gleich  1.  Da  ferner  stets  T^<Tq  ist,  so  ist  das  erste  Glied  im 
Exponenten  wesentlich  positiv,  das  zweite  dagegen  stets 
negativ.  Es  muß  somit  für  einen  zweiten  Wert  von  T^  der 
Exponent  verschwinden.  Dabei  ist  natürlich  T^  z=l  283*5 
(10-6**  C.)  zu  setzen.  Für  7^  =  227-4  (—45-6**  C)  ver- 
schwindet zum  zweiten  Male  der  Exponent,  die  d-Potenz  wird 
gleich  1. 


Fig.  3. 

Für  Werte  von  7  >  227 '4  ist  der  Exponent  stets  negativ, 
somit  die  d-Potenz  stets  kleiner  als  1.  Da  eine  Temperatur  von 
—  45-6*  C.  erst  in  9000  w  auftritt,  so  ist  für  unser  ganzes 
Intervall,  in  dem  wir  unsere  Beziehung  benützen  können,  die 
^-Potenz  kleiner  als  1. 

Der  kleinste  Wert  wird  erreicht  bei  T^  ■=z  255*5  ( — 17 '5**). 
Folgende  kleine  Tabelle  und  Figur  3  gibt  uns  einen  Überblick 
über  die  Werte  und  den  Verlauf  dieser  ^-Potenz  in  dem  uns 
interessierenden  Intervall: 

Jj  =    283-6,    280,      270,      260,       255,      250,      240,      230,       226 
xinC.  =     10-6,     -1-7,      —3,     —13,    —18,    —23,    —33,    —43,    —47 
«-Potenz  =         1,      0-664,  0-272,  0-200,  0-165,  0-192,  0*301,  0-741,  1197 

Sitsb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  80 


1196  A.  Defant, 

Nachdem  wir  nun  die  Beziehung  zwischen  Druck  und 
Temperatur  bei  mit  der  Höhe  veränderlichem  Temperatur- 
gradienten  abgeleitet  und  diskutiert  haben,  wollen  wir  nun 
noch  die  erste  Diflferentiaigleichung  bei  Annahme  eines  auch 
mit  der  Zeit  veränderlichen  Temperaturgradienten  ableiten.  Die 
Temperatur  selbst  ist  dann  ebenfalls  eine  Funktion  der  Zeit 
und  der  H5he.  Der  Einfachheit  halber  wählen  wir  nun  eine 
lineare  Temperaturverteilung 

T  =  Tq — \x. 

Dabei   soll   T^   und   auch   X   von   der  Zeit   t   abhängen; 

dann  wird 

ITa  87  1     ITa 

^  ix  hx  X     hx 

wobei  auch  m  jetzt  von  der  Zeit  abhängig  ist. 

Unsere  Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  lautet 
sodann  unter  diesen  Vorau  .Setzungen: 

w-^  log  r+C  =  logp. 
AR  ' 

Differenzieren  wir  nun  nach  der  Zeit  /,  so  ergibt  sich 

1    dp 
P    dt 

Betrachten  wir  bloß  einen  Punkt  der  Erdoberfläche,  so 
können  wir  die  totalen  DiflFerentialquotienten  mit  den  partiellen 
vertauschen.  Es  ist  also 

—  -^  =  m  —^  _  —  4-  --_  log  T 15) 

Da  nun 


Co 

1 

dT 

Cb 

dm 

p 

+ 

F 

logT 

AR 

T 

dt 

AR 

dt 

AR 

1 
T 

87 

it 

AR 

log 

T 

8/ 

nt 

A 

1 

und  X  eine  Funktion  von  /  allein  ist,  so  setzen  wir 

«(0  =  +f 


Besiehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc.  1197 


SO  ist 


Somit 


ix 
87 



n(t)    und 

3»»    _ 

A    8« 

Cp    8/ 

8p 
8i 

•zz: 

A 

87 
8^ 

+  p71og 

8< 

87 

1 

wobei 


ix  n(t) 

ist. 

Die  Änderung  des  Luftdruckes  an  einem  Orte  somit  hängt 
ab:  1.  von  der  Änderung  der  Temperatur  der  Luftsäule  selbst, 
2.  aber  auch  von  der  Änderung  des  Tempferaturgradienten  in 
dieser  Säule.  Der  Betrag,  den  eine  Änderung  des  Temperatur- 
gradienten X  bei  konstanter  Temperatur  T  an  der  Erdoberfläche 
liefert,  ist  gegeben  durch 

^  =  pT\ogT^'  16) 

Differentialgleichung  15)  gibt  uns  somit  eine  Beziehung 
zwischen  der  Änderung  des  Luftdruckes  an  einer  bestimmten 
Stelle  und  der  Änderung  der  Temperatur  in  der  darüber 
liegenden  Luftschichte. 

Unter  den  vorausgesetzten  Bedingungen  ist  Differential- 
gleichung 16)  sofort  integrierbar;  sie  gibt 

Pi—Po  =  pTlog  Tin^—n^} 
oder 


Pt—Po  =  P^^ogT 


\  \        \  j 


Sie  besagt,  daß  die  Änderung  des  Luftdruckes  an  der 
Erdoberfläche  bei  konstanter  Temperatur  proportional  ist  der 
Differenz  der  reziproken  Temperaturgradienten  oder,  anders 
ausgedrückt,  proportional  der  Differenz  der  einem  Grade  ent- 
sprechenden Höhenstufen.  Wird  der  Luftdruck  b  in  Millimetern 

80* 


1 198     A.  Oefant,  Besiehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  etc. 

ausgedrückt  und  bedeutet  M  den  Modul  des  Brigg'schen  Log- 
arithmensystems,  so  wird 

priogJ 


b^  =  *o+ 


13-596  Af 


\\        \\ 


Diese  Formel  gestattet  uns  jetzt  die  Änderung  des  Luft- 
druckes direkt  in  Millimetern  aus  der  Änderung  des  vertikalen 
Temperaturgradienten  zu  berechnen. 

So  wird  z.  B. 

für  Xo  (in  Graden  pro  100 m)      1,      0-9,    0*7,     0*6,     0-6*C 

und  Xj  (in  Graden  pro  100  w)    0*8,    0'8,     0-6,    0-5,     0-4*C 

bei    T  =  283   (t  =  10*  C.), 

^—*o  0"  Millimetern)  .• .   3-80,  2*12,  3-64,  5-02,  12-61 

bei    T  =  293   (t  =  20''  C.), 

b^—b^  (in  Millimetern)  ...   3-68,  2-06,  3-53,  4-86,   12-24 


1199 


Über  eine  Cubaturformel 

von 

Dr.  O.  V.  Lichtenfels  in  Graz. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  14.  November  1907.) 

Die  bekannte  Formel  zur  Berechnung  eines  Körperinhaltes 
mit  Hilfe  von  Zylinderkoordinaten: 

läßt  sich,  wenn  man  zuerst  bei  konstantem  u  die  Integration 
nach  r  und  z  ausgeführt  denkt,  in  einer  Weise  umgestalten^ 
daß  aus  ihr  eine  einfache  Integralformel  hervorgeht,  welche  als 
einen  sehr  speziellen  Fall  auch  die  sogenannte  »Guldin'sche 
Regel«  zur  Berechnung  des  Volumens  eines  Rotationskörpers 
in  sich  schließt. 

Die  Anwendung  der  obigen  Formel  setzt  voraus,  daß  der 
Schnitt,  welchen  die  dem  Winkel  u  entsprechende  Ebene  E  mit 
dem  zu  kubierenden  Körper  bildet,  entweder  überhaupt  ganz 
auf  einer  Seite  der  2- Achse  gelegen  ist  —  wobei  diese  auch 
einen  Teil  der  Begrenzungslinie  des  Schnittes  bilden  kann  — 
oder  daß  davon  nur  der  auf  einer  bestimmten  Seite  der  2-Achse 
gelegene  Teil  berücksichtigt  und  dann  die  Integration  nach  u 
entsprechend  geleitet  wird.  Macht  man  also  diese  Annahmen, 
nennt  man  den  Inhalt  des  Schnittes  Fy  seinen  Schwerpunkt  S 
und  p  den  Abstand  des  Punktes  S  von  der  «-Achse,  so  ist: 


JJ(F 


r.dr.dz  zz  /'.p, 

(FJ 

und  das  Volumenelement  erster  Ordnung  ist  nach  Ausführung 
dieser  Integration  durch 

dV=  F.p.J» 


1200  O.  V.  Lichtenfels, 

• 

gegeben.  Wenn  aber  nun  die  dem  Winkel  u-hdu  entsprechende 
Ebene  Ef  den  Schnitt  mit  dem  Schwerpunkte  S  liefert,  SSf=:ds 
gesetzt  und  der  Winkel  der  Richtung  SSf  mit  der  in  der 
Richtung  der  wachsenden  u  positiv  gezählten  Normalen  zur 
Ebene  £:a  genannt  wird,  so  kann  pdu  durch  ^3^5. cos o,  das 
Volumenelement  durch: 

dV  =,  F.  cos  oL.ds 

ersetzt  werden.  In  dieser  Formel  ist  keine  Beziehung  auf  das 
angewendete  Koordinatensystem  mehr  enthalten,  E  und  E 
können  Elemente  irgend  einer  stetigen  Serie  von  Ebenen  sein, 
und  man  kann  daher  folgenden  Satz  aussprechen: 

»Wird  ein  zu  kubierender  Körper  K  von  einer 
stetigen,  einfach  unendlichen  Serie  von  Ebenen  E 
geschnitten,  deren  jede  einen  Schnitt  liefert,  welcher 
ganz  auf  einer  Seite  der  Geraden  liegt,  die  E  mit  der 
unendlichbenachbarten  Ebene  der  Serie  gemein  hat, 
nennt  man  Fden  Flächeninhalt  des  Schnittes,  S  seinen 
Schwerpunkt,  s  die  Bogenlänge  der  Kurve  £  der 
Punkte  S,  endlich  a  den  Winkel  der  Tangente  an  I 
in  S  mit  der  Normalen  zu  E,  so  ist  durch  die  Formel: 

(a).,,  V:=l    F.cos  a.ds 


das  Volumen  von  ^gegeben,  welches  zwischen  seiner 
sonstigen,  von  den  Ebenen  E  in  den  Schnitten/^  ge- 
troffenen Begrenzung   und    den   beiden  Ebenen   ent- 

f 

halten  ist,  die  den  Werten  s^  und  s^  von  5  entsprechen. 
F  und  a  sind  hier  als  Funktionen  von  5  dargestellt 
angenommen.« 

Zu  demselben  Satze  kann  man  auch  auf  folgendem  Wege 
gelangen.  —  Wird  in  der  (xy)  Ebene  des  rechtwinkeligen 
Systems  eine  Linie  L  gezogen,  die  einen  endlichen  Flächen- 
raum F^  begrenzt,  durch  L  eine  Zylinderfläche  mit  Erzeugenden 
parallel  zur  ^-Achse  gelegt  und  endlich  dieser  Zylinder  durch 
eine  Ebene: 


Ober  eine  Cubaturformel.  1201 

geschnitten,  welche  L  nicht  schneidet,  so   ist  das  Volumen 
zwischen  C,  E  und  der  {xy)  Ebene: 


JJ(F0 


(ax+by-^-c)  dF^. 


Nennt  man  aber  £,  y)  die  Koordinaten  des  Schwerpunktes  von 
F^,  so  ist: 

f(  xdF,  =  F,.i;    ffy.dF,=zF,.yi, 

J  J(FO  J  J(FO 

also  * 

V=F^.{ai+bii^c)=F^,^ 

wenn  C  die  2J-Koordinate  des  Schwerpunktes  S  der  Schnitt- 
fläche von  E  mit  dem  Zylinder  ist.  Eine  zweite  Ebene  £', 
welche  so  liegt>  daß  die  Schnittgerade  G  von  E  und  E!  außer- 
halb der  Zylinderfläche  verläuft  —  oder  so,  daß  sie  höchstens 
einen  Teil  der  etwaigen  gemeinsamen  Begrenzung  der  Schnitt- 
flächen von  E  und  E!  mit  der  Zylinderfläche  bildet  —  liefert 
ebenso: 

und  zwischen  beiden  Ebenen  und  der  Zylinderfläche  ist  dann 
das  Volumen 

enthalten.  Ist  nun  endlich  a  der  Winkel  zwischen  der  Normalen 
zu  E  und  der  2-Achse,  F  der  Flächeninhalt  des  Schnittes  in  £, 
so  ist 

V  —  V=  /^.cosa.(C'— C). 

Dies  gibt,  wenn  E  und  E!^  wie  früher,  als  unendlichbenachbarte 
Elemente  einer  Serie  erklärt  werden  u.  s.  w.,  wieder  die  Formel 

dV  =  F,cos  a.ds 

für  das  Volumenelement. 

Die  sogenannte  »Guldin'sche  RegeU  ist  schon  von 
Monge  (Applic.  de  TAnalyse  ä  la  Geometrie,  Ed.  Liouville, 
p.  333)  auf  den  Fall  ausgedehnt  worden,  daß  der  zu  berech- 
nende Körper  von  einer  Wälzungsfläche  begrenzt  ist.  Dann  ist 


1202  O.  V.  Lichte nfels,  Ober  eine  Cubatur forme!. 

F  =  const,  a  =  0.  —  Im  Jahre  1903  hat  ferner  Stolz  in  diesen 
Sitzungsberichten,  Bd.  102,  p.  343,  eine  Verallgemeinerung 
publiziert,  welche  aus  {ä)  durch  die  Annahme  a  ^  0  hervor- 
geht. Diese  Bedingung  zu  erfüllen,  ist  allerdings  auf  unendlich 
viele  Arten  möglich.  So  stellen  für  den  Fall  der  zentralen  Fläche 
zweiter  Ordnung: 

ax^-^-^y^+^z^ — 8  =  0 

die  Gleichungen: 


# 


wo  a,  h,  c  willkürliche  Konstanten  sind,  Kurven  dar,  deren 
Punkte  die  Schwerpunkte,  d.  h.  die  Mittelpunkte  der  Schnitte 
ihrer  Normalebenen  mit  der  Fläche  sind. 

Die  hier  dargelegte  weiteste  Verallgemeinerung  der  Guldin- 
sehen  Regel,  die  Formel  (a),  welche  ich  seit  dem  Jahre  1894  in 
meinen  Vorlesungen  bringe,  scheint  aber  bisher  noch  nicht 
bemerkt  worden  zu  sein. 


1203 


Über  das  Emissionsvermögen  von  Gesteinen, 

Wasser  und  Eis 

von 
Dr.  Karl  Siegl. 

Aus  dem  II.  physikalischen  Institute  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 
(Vorgele^  in  der  Sitzung  am  14.  November  1907.) 

Die  Ermittlung  der  Emissionsfunktion  des  Kirchhoff'schen 
Gesetzes  bildet  den  Gegenstand  sehr  zahlreicher  Arbeiten. 
Die  ältesten  Versuche  wurden  in  der  Weise  angestellt,  daß 
man  die  Abkühlungsgeschwindigkeit  erhitzter  Körper  beob- 
achtete. Solche  Versuche  hat  schon  Newton^  angestellt.  Er 
zog  aus  seinen  Messungen  den  Schluß,  die  pro  Zeiteinheit 
ausgestrahlte  Wärmemenge  sei  proportional  der  Temperatur- 
differenz zwischen  strahlendem  Körper  und  Umgebung: 
S  =:  a(t — /q).  Dieses  Gesetz  ist  für  kleine  Temperaturdifife- 
renzen  in  erster  Annäherung  richtig,  für  größere  aber  ganz 
falsch. 

Dulong  und  Petit*  maßen  die  Abkühlungsgeschwindig- 
keit von  Thermometerkugeln,  welche  sich  in  einer  Hohlkugel 
von  konstanter  Temperatur  befanden,  und  kamen  zu  dem 
Resultate,  daß  die  pro  Zeit-  und  Flächeneinheit  von  einem 
Körper  von  der  absoluten  Temperatur  T  ausgestrahlte  Wärme- 
menge sich  durch  den  Ausdruck  darstellen  läßt:  S  z=z  tna^j  wo 
m  und  a  zwei  Konstanten  sind. 


1  I.  Newton,  Scala  graduum  caloris  et  frigoris.  Opuscula  mathematica, 
vol.  U,  p.  417-423  (1701). 

^  P.  L.  Dulong  et  A.  T.  Petit,  Des  lois  du  refroidissement.  Ann.  chim. 
et  phys.,  7,  p.  225-264  und  337—367  (1817). 


1204  K.  SicgI, 

De  la  Provostaye  und  Desains*  prüften  diese  Formel 
und  fanden,  daß  a  keine  Konstante  ist.  Wilhelmy*  weist 
darauf  hin,  daß  das  Gesetz  nicht  richtig  sein  könne,  weil  S 
für  J  zz:  0  nicht  0  wird,  und  leitet  aus  den  Messungen  von 
Dulong  und  Petit  eine  andere  Formel  ab:  S  =  ni.t.aK 
Dieses  Gesetz  gibt  aber  für  Temperaturen  über  200*  C.  viel 
zu  große  Werte  von  S. 

Rosetti^  mißt  mit  der  Thermosäule  die  Strahlung  eines 
mit  Wasser  oder  Quecksilber  gefüllten  Leslie'schen  Würfeis 
bis  zu  300''  und  findet  für  die  Strahlung  die  Formel: 
S  =:  mET^{T — *) — u{T — ^).  w,  E  und  u  sind  Konstanten, 
T  ist  die  absolute  Temperatur  des  strahlenden,  d  die  des 
bestrahlten  Körpers.  Das  Gesetz  von  Rosetti  gibt  bei  höheren 
Temperaturen  zu  kleine  Werte  von  S. 

Inzwischen  hat  Stefan*  eine  neue  Gleichung  aufgestellt: 
S=i(3(T*  —  rj),  wo  o  eine  Konstante,  T  die  absolute  Tem- 
peratur des  strahlenden  und  T^  die  des  bestrahlten  Körpers 
bedeutet.  Stefan  wurde  auf  diese  Gleichung  durch  Zahlen 
geführt,  welche  TyndalP  aus  Beobachtungen  der  Emission 
von  glühendem  Platin  erhalten  hatte.  Er  meinte,  seine  Glei- 
chung gelte  für  alle  Körper.  In  Wirklichkeit  gibt  sie  aber  nur 
die  Strahlung  des  absolut  schwarzen  Körpers  richtig  weder. 
Boltzmann*  hat  das  Stefan'sche  Gesetz  theoretisch  begründet, 
hob  aber  zu  wenig  scharf  hervor,  daß  seine  Ableitung  nur  für 
den  schwarzen  Körper  gelte.  In  der  Folgezeit  suchte  man  des- 
halb die  an  nicht  schwarzen  Körpern  angestellten  Strahlungs- 
messungen  immer  wieder  durch  das  Stefan'sche  Gesetz  dar- 


1  F.  de  la  Provostaye  et  P.  Desains,  Memoire  sur  le  rayonnement 
de  la  chaleur.  Ann.  chim.  et  phys.,  16,  p.  337—425  (1846). 

2  L.  Wilhelmy,  Über  das  Gesetz  der  Wärmeabgabe.  Pogg.  Ann.,  84, 
p.  119—135  (1851). 

3  F.  Rosetti,  Indagini  sperimenlali  sulla  temperatura  del  sole.  Atti 
Acc.  Lincei,  Mem.  <3),  2,  I,  p.  169—200  (1878). 

*  J.  Stefan,  Über  die  Beziehung  der  Wärmestrahlung  und  der  Tem- 
peratur.  Diese  Sitzungsber.,  79,  p.  391—428  (1879). 

ö  J.  Tyndall,  On  luminous  and  obscure  radiation.  Phil.  Mag.  (4),  28, 
p.  329—341  (1864). 

ö  L.  Boltzmann,  Ableitung  des  Stefan'schen  Gesetzes.  Wied.  Ann.,  22, 
p.  31—39  und  291—294  (1884). 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc.  1205 

zustellen  und  da  dies  nicht  gelang,  war  man  genötigt,  neue 
Strahlungsgleichungen  aufzustellen. 

So  hat  Violle^  die  Strahlung  von  Platin  beobachtet, 
welches  sich  in  Tiegeln  in  einem  Perrot'schen  Ofen  befand, 
und  die  Gleichung  erhalten  S  ^umTb^^.a^,  wo  m,  b  und  a 
drei  Konstanten  sind.  Kurze  Zeit  darauf  stellte  er  eine  neue 
Formel  auf:  S  :=  mT^il-hta-^y.  Edler"  prüfte  die  Gültig- 
keit dieser  Formeln  sowie  einer  inzwischen  von  Weber*  auf- 
gestellten Gleichung  S  •=  Ae^^.T  an  den  Zahlen,  die  er  bei 
der  Untersuchung  der  Emission  von  Ruß,  Eisenoxyd  und 
Zinkweiß  erhielt,  und  fand,  daß  seine  Messungen  besser  durch 
die  Gleichung  wiedergegeben  werden:  S  = /fe(7— rjj)^*<^"-^«>, 
wo  k  und  a  Konstanten  sind,  T  die  absolute  Temperatur  des 
strahlenden,  Tq  die  des  bestrahlten  Körpers  bezeichnet 

Endlich  untersuchte  Paschen*  die  Strahlung  von  Ruß, 
Kohle,  Eisenoxyd,  Kupferoxyd  und  blankem  Platin  und  kam 
zu  dem  Resultate:  Das  Strahlungsgesetz  besitzt  die  allgemeine 
Form  S  z=z  cT*,  wo  c  und  s  zwei  Konstanten  sind,  welche  von 
der  Natur  des  strahlenden  Körpers  abhängig  sind,  c  ist  für 
einen  nicht  schwarzen  Körper  stets  kleiner  als  o  und  s  nähert 
sich  um  so  mehr  der  Zahl  5,  je  weiter  sich  der  strahlende 
Körper  von  dem  absolut  schwarzen  Körper  entfernt. 

In  jüngster  Zeit  hat  Kurlbaum*  eine  absolute  Bestim- 
mung der  Konstante  a  mit  den  großen  Mitteln  der  Reichs- 
anstalt ausgeführt  und  erhielt  o  =  1*28.10~'* ^ 

L   cm^. sec 

Durch  Vergleich  der  Strahlung  eines  nicht  schwarzen  Körpers 


1  J.  Vi  olle,  Intensites  lumineuses  des  radiations  emises  par  le  platine 
incandescent.  Compt.  rend..  92,  p.  866—868  (1881)  und  105,  p.  163—165 
(1887). 

3  J.  Edler,  Untersuchungen  über  die  Abhängigkeit  der  Wärmestrahlung 
von  der  Temperatur.  Wied.  Ann.,  40,  p.  531—560  (1890). 

*  H.F.Weber,  Untersuchungen  über  die  Strahlung  fester  Körper.  Berl. 
Bcr.,  2,  p.  933—957  (1888). 

■*  F.  Paschen,  Ober  die  Gesamtemission  glühenden  Platins,  Wied.  Ann., 
49,  p.  50—68  (1893).  und  Über  Gesetzmäßigkeiten  in  den  Spektren  fester 
Körper,  Wied.  Ann.,  58,  p.  455—492  (1896)  und  60,  p.  662—723  (1897). 

^  F.  Kurlbaum,  Über  eine  Methode  zur  Bestimmung  der  Strahlung  in 
absolutem  Maße.  Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.,  65,  p.  746  (1898). 


1206  K.  Siegl, 

mit  der  des  schwarzen  lassen  sich  nun  die  Konstanten  c  und  s 
ebenfalls  in  absolutem  Maße  bestimmen.  Bezeichnen  wir  mit 
Rücksicht  auf  die  folgende  Versuchsanordnung  die  Strahlung 
des  Versuchskörpers  mit  S,  die  der  Thermosäuie  mit  S,  die 
der  Klappe  mit  s  und  die  der  Blenden  mit  a,  so  gelten  folgende 
Beziehungen: 

a^=p{  5+a-[X4-a(5-2;)]} 

a^  =r/;{S-4-o-.[S+a(S-i;)]}, 

wo  p  und  a  zwei  Proportionalitätsfaktoren  und  Oq,  beziehungs- 
weise o^  die  Ausschläge  bei  geschlossener  Klappe,  beziehungs- 
weise vorgestelltem  Versuchskörper  sind.  Das  zweite  Glied  in 
der  eckigen  Klammer  stellt  die  durch  die  Zustrahlung  von  s, 
beziehungsweise  S  hervorgerufene  Änderung  der  Ausstrahlung 
der  Thermosäuie  dar.  Infolge  der  geringen  Temperaturände- 
rung der  letzteren  ist  diese  Änderung  der  wirkenden  Zu- 
strahlung proportional. 

ttj — ttg  rz:  a  =  p{S — s — aS+as}  =  p.{\  —  a)S — p{\ — a)S 

oder 

'x  =  AS—B, 

A  und  B  sind  zwei  Apparatkonstanten,  welche  sich  aus 
der  Strahlung  des  schwarzen  Körpers  bei  zwei  verschiedenen 
Temperaturen  ergeben: 

oL^  =  AaT\—B 

«3  =  Ar,T*-B 


A  =  -  "*     "■-  -     und     B  =  A(iT*—(x. . 

Logarithmiert  man  die  Gleichung  a  =:  ^45 — 5,  so  ergibt 

sich:  lg =  lg  S  =:  Igc'+e  IgJ.  Trägt  man  IgS  und  lg  T 

A 

in    ein   Koordinatensystem   ein,   so  erhält   man  eine  Gerade, 
deren  Tangente  s  ist.  c  ergibt  sich  zu: 

Ige  =  lg 6  IgT. 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc.  1207 

Eine  grofie  Schwierigkeit  liegt  in  der  Bestimmung  der 
absoluten  Temperatur  T,  Bei  den  früher  erwähnten  Messungen 
des  Emissionsvermögens  von  Ruß,  Kupferoxyd,  Zinkweiß  etc. 
wurden  diese  Substanzen  in  dünnen  Schichten  auf  eine  Heiz- 
platte von  bekannter  Temperatur  aufgetragen.  Dabei  zeigte 
sich,  daß  die  Intensität  der  Strahlung  von  der  Dicke  der 
Schicht  abhängt  und  ein  Maximum  erreicht*  Wird  die 
Schichtendicke  noch  weiter  vergrößert,  so  tritt  wieder  eine 
Abnahme  der  Strahlung  ein,  weil  jetzt  die  Temperatur  der 
Oberfläche,  die  ja  zur  Strahlung  am  meisten  beiträgt,  schon 
wesentHch  niedriger  ist  als  die  Temperatur  der  Heizfläche.^ 
Will  man  das  Emissionsvermögen  von  Gesteinen  untersuchen, 
so  dürfen  dieselben  nicht  pulverisiert  und  in  dünnen  Schichten 
aufgetragen  werden,  weil  sich  dadurch  das  Absorptions- 
vermögen und  die  Diathermansie  der  Gesteine  ändert,  sondern 
man  darf  nur  massive  Platten  verwenden.  Dann  ist  aber  die 
Temperatur  der  strahlenden  Oberfläche  eine  ganz  andere  als 
die  der  Heizfläche  und  erstere  ganz  genau  zu  ermitteln,  ist 
sehr  schwierig.  Thermometer,  die  ja  stets  eine  große  Masse 
besitzen,  sind  von  vornherein  ausgeschlossen.  Es  kommen  nur 
Thermoelemente  und  allenfalls  Bolometer  in  Betracht.  Legt 
man  die  Lötstelle  des  Thermoelementes  einfach  an  die  strah- 
lende Oberfläche  an,  so  ist  die  Temperatur  der  Lötstelle  von 
der  Art  der  Berührung  sehr  stark  abhängig  und  das  Thermo- 
element liefert  Ausschläge,  welche  bis  zu  307o  untereinander 
differieren.  Versuchsweise  wurde  ein  dünnes  Kupferscheibchen, 
mit  welchem  das  Thermoelement  verlötet  war,  an  die  strahlende 
Fläche  gepreßt.  In  diesem  Falle  waren  die  Differenzen  zwischen 
den  Temperaturangaben  des  Thermoelementes  sehr  gering, 
aber  es  zeigte  nicht  die* Temperatur,  welche  die  strahlende 


1  E.  Villari,  Sul  potere  emissivo  e  sulla  diversa  natura  del  calorico 
emisso  da  diverse  sostanze  riscaldate  a  100  gradi.  Nuovo  Cim.  (3),  4,  p.  5 — 34 
(1878)  und  (4),  U,  p.  436  (1900).  —  F.  Kurlbaum,  Änderung  der  Emission 
und  Absorption  von  Platinschwarz  und  Rafi  mit  zunehmender  Schichtdicke. 
Wicd.  Ann.,  67,  p.  846—858  (1899).  —  E.  G.  Hull,  On  the  radiating  power 
of  shcllac  films  of  various  thickness.  Dublin  Proc.  (2),  p.  90—91  (1880). 

2  F.  Kurlbaum,  Über  die  Temperaturdifferenz  zwischen  der  Oberfläche 
und  dem  Innern  eines  strahlenden  Körpers.  Drud.  Ann.,  2,  p.  546 — 559  (1900). 


1208  K.  Siegl, 

Fläche  besaß,  wenn  sie  frei  strahlte,  das  Scheibchen  also  nicht 
angelegt  war.  Erst  als  der  feine  Draht  des  Thermoelementes 
ohne  Scheibchen  in  einen  schmalen  Spalt  der  strahlenden 
Fläche  versenkt  wurde,  ergaben  sich  brauchbare  Werte  von  T. 
Die  allenfalls  noch  vorhandene  kleine  Temperaturdifferenz 
zwischen  Thermoelement  und  strahlender  Oberfläche  kommt, 
wie  eine  Überschlagsrechnung  zeigte,  nicht  in  Betracht. 

Strahlung  der  Gesteine. 

Zur  Messung  der  Strahlung  diente  eine  lineare  Thermo- 
säule  nach  Rubens.^  Dieser  stand  in  33  (tw  Entfernung  der 
strahlende  Körper  gegenüber.  Dazwischen  befanden  sich  drei 
Blenden  von  2  cm  Öffnung  zur  Abschirmung  seitlicher  Strah- 
lung und  Verhütung  von  Luftströmungen.  Zur  Bestimmung 
des  Nullpunktes  nahm  die  Stelle  des  Versuchskörpers  eine 
Klappe  ein.  Thermosäule,  Blenden  und  Klappe  wurden  durch 
Wasser  auf  konstanter  Temperatur  erhalten.  Der  schwarze 
Körper  war  nach  der  Vorschrift  von  Kurlbaum*  hergestellt 
und  konnte  elektrisch  geheizt  werden.  Die  zu  untersuchenden 
Gesteine  waren  in  Form  von  5  bis  6cw  breiten  und  3  bis 
10  ww  dicken  Platten  auf  einer  Schieferplatte  befestigt,  welche 
durch  eine  vom  elektrischen  Strome  durchflossene  Platinspirale 
gleichmäßig  geheizt  wurde.  In  die  strahlende  Oberfläche  wurde 
eine  gerade  Linie  so  tief  eingeritzt,  daß  der  0*1  mnt  dicke 
Draht  des  Thermoelementes  eben  unter  der  Oberfläche  ver- 
schwand. Die  strahlende  Fläche  war  eben  abgeschliffen,  doch 
niemals  glänzend.  Durch  Einschalten  von  passenden  Glüh- 
lampenwiderständen in  den  Stromkreis  der  Heizspirale  wurde 
die  Strahlung  der  einzelnen  Gesteinsproben  bei  je  12  ver- 
schiedenen Temperaturen  im  Intervall  von  60  bis  200*  C. 
gemessen.  Das  Thermoelement  bestand  aus  einem  O'l  wm 
starken  Eisendrahte,  welcher  mit  einem  gleichstarken  Neu- 
silberdrahte verlötet  war.  Der  Draht  wurde  mittels  einer  bogen- 


1  H.  Rubens,  Über  eine  neue  Thermosäule.  Zeitschr.  f.  Instrumentenk., 
18,  p.  65  (1898). 

s  F.  Kurlbaum,  Emission  und  Absorption  von  Platinschwarz  und  Ru8. 
Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.,  67,  p.  846—858  (1899). 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc.  1 209 

förmigen  Feder  gestreckt  erhalten  und  so  in  die  erwähnte 
Vertiefung  der  strahlenden  Fläche  eingebettet.  Als  Maß  der 
Temperaturdifferenz  zwischen  der  erwärmten  und  den  auf 
konstanter  Temperatur  erhaltenen  kalten  Lötstellen  dienten 
die  ersten  Ausschläge  ß.  Diese  waren  bis  an  das  Ende  der 
Skala  den  TemperaturdifiFerenzen  proportional.  Der  Proportio- 
nalitätsfaktor ist  in  den  Tabellen  mit  a  bezeichnet.  Geeicht 
wurde  das  Thermoelement  durch  eine  Kältemischung  von 
fester  Kohlensäure  und  Äther,  durch  schmelzendes  Eis  und 
durch  die  Siedepunkte  von  Wasser  und  Anilin. 

Zur  Messung  der  Ausschläge  der  Thermosäule  und  des 
Thermoelementes  diente  ein  d*Arsonval- Galvanometer  von 
6*3  Q  innerem  Widerstand  und  einer  Empfindlichkeit  von 
5.10~*  Ampere  pro  Skalenteil.  Vor  dasselbe  war  außer  einer 
gewöhnlichen  Wippe  noch  ein  zweiter  Kommutator  geschaltet, 
welcher  gestattete,  rasch  hintereinander  einmal  die  Thermo- 
säule mit  6*2  Q  Vorschaltwiderstand,  das  andere  Mal  das 
Thermoelement  mit  3000  S.  E.  Vorschaltwiderstand  an  das 
Galvanometer  anzuschließen.  Infolge  der  Änderung  der  Zimmer- 
temperatur und  der  Empfindlichkeit  des  Galvanometers  blieben 
die  Werte  von  A,  B  und  a  nicht  ganz  konstant  und  wurden 
deshalb  für  jede  Versuchsreihe  neu  bestimmt. 

Bei  jeder  Messung  von  Strahlung  und  Temperatur  wurde 
aus  zehn  Werten  von  o,  beziehungsweise  ß  das  Mittel  ge- 
nommen. Der  mittlere  Fehler  dieses  Mittels  betrug  durch- 
schnittlich für  a  0-47o,  fürß  0-27o.  Die  folgenden  Tabellen 
enthalten  oben  die  Werte  der  Konstanten  A,  B  und  a. 
%  bezeichnet  den  Ausschlag  der  Thermosäule,  ß  den  des 
Thermoelementes.  S  und  T  sind  die  daraus  berechneten 
Werte  der  Strahlung  in  Grammkalorien  pro  Quadratzentimeter 
und  Sekunde  und  der  absoluten  Temperatur.  Bei  der  Kon- 
struktion der  Strahlungskurven  ist  es  zweckmäßiger,  — -  lg  5 

4- 

statt  lg  S  als  Ordinate  einzutragen.  Diese  Werte  von  —  lg  S 

fr 

und  lg  r,  welche  zur  Konstruktion  der  Kurven  dienten,  sind 
in  den  Tabellen  ersichtlich.  Unten  sind  die  für  die  Strahlungs- 
konstanten berechneten  Werte  c  und  s  angegeben. 


1210 


K.  Siegl, 


Die  untersuchten  Gesteine  wurden  dem  Verfasser  zum 
großen  Teile  in  sehr  dankenswerter  Weise  von  Herrn  Prof. 
Berwerth  aus  dem  k.  k.  Hofmuseum  zur  Verfügung  gestellt 

Basaltlava. 


>l  =  9008 


J?=  28-1 


a  =  3-n8 


a 

1 
4lg5 

S 

P 

lg  7- 

T 

78-1 

0-5179-1 

0-01179 

128-2 

2 • 5239 

334  1 

93-6 

5327 

1351 

160-8 

5373 

344-6 

108-1 

5449 

1512 

192-5 

5499 

354-7 

128-2 

5598 

1735 

225-6 

5627 

365-3 

150-5 

5743 

1982 

265-9 

5778 

378-3 

177-9 

5898 

2287 

311-2 

5942 

392-8 

208-8 

6050 

2630 

351  l 

6081 

405-6 

244-2 

6201 

3023 

395  •  8 

6232 

420-0 

283-7 

6348 

3461 

437-8 

6369 

433-4 

329-2 

6496 

3966 

486-6 

6523 

449  1 

371-7 

6618 

4438 

524-8 

6640 

461-3 

411-1 

6720 

4876 

558-0 

6739 

472-0 

e  = 

4  083 

^  =  0-589. 

10-12 

Basalt. 


A  =  9032 


J?  =  28-2 


3-121 


a 


IgS 


p 


Igr 


79- 

0 

93' 

3 

114- 

8 

135" 

0 

153- 

'9 

179" 

•7 

204- 

•6 

243 

6 

283 

3 

316 

-8 

355 

•3 

396 

■2 

0-5188-1 
5322 
5499 
5642 
5761 
5905 
6028 
6196 
6344 
6452 
6570 
6680 


0-01186 
1345 
1583 
1806 
2016 
2301 
2578 
3009 
3448 
3809 
4246 
4699 


132 

165 

211 

242 

277 

316 

353 

402 

440-0 

482-1 

515-7 

552-4 


4 
7 
9 
9 
8 
6 
4 
2 


5256 
5392 
5574 
5692 
5821 
5960 
6088 
6252 
6375 
6508 
6611 
6721 


335-4 

346-1 
361-9 
370  9 
382-0 
394-5 
406-3 
421-9 
434-0 
447-5 
458-2 
470-0 


t  =4-089 


c  =  0-557.10-1» 


Emissionsvennögen  von  Gesteinen  etc. 


1211 


Belgischer  Marmor. 


75-4 
89*2 
103-4 
118*9 
139  9 
160-1 
182-3 
216-4 
257-6 
298-4 
337-2 
874-0 


A  »  9020 


5=»  28-2 


3122 


0-5150-1 
5286 
5410 
5531 
5676 
5799 

,  5920 
6083 
6252 
6397 
6519 
6623 


0-01148 
1301 
1459 
1631 
1864 
2085 
2333 
2712 
3168 
3621 
4051 
4459 


128 
157 
190 
222 
258 
288 
325 
367 
421 
461 
501 
534 


•7 
-9 
-2 
•5 
•1 
•5 
•0 
•1 
-6 
•0 
•8 
•5 


2-5240 
5360 
5489 
5614 
5748 
5859 
5989 
6134 
6315 
6441 
6568 
6667 


334-2 
343-6 
853*9 
864-3 
375-7 
385-4 
397-1 
410-6 
428  1 
440-7 
453-7 
464-2 


e  =4-090 


ff  ==  0  •  552  - 10-12 


i4»=9009 


Tonschiefer. 


28-1 


3118 


a 

1 

S 

P 

Ig^ 

T 

74-4 

0-5140-1 

0-01138 

133-5 

2-5261 

835*8 

86-0 

5256 

1266 

162  8 

5381 

345*2 

98-3 

5368 

1403 

183-1 

5462 

851-7 

113*2 

5490 

1570 

217-2 

5595 

862*7 

128-6 

5601 

1739 

247  5 

5710 

872*4 

149-2 

5735 

1968 

280-6 

5832 

388-0 

171-6 

5865 

2218 

316-3 

5960 

894-5 

186-6 

5943 

2383 

342-1 

6050 

402-7 

215-1 

6078 

2699 

371-9 

6152 

412-3 

244-0 

6200 

3020 

410-1 

6279 

424*5 

289*5 

6368 

3525 

463-6 

6451 

441-7 

337*6 

6521 

4059 

511-6 

6600 

457  1 

t  =  * 

4-099 

ff  =  0-508. 

lO-i« 

Sitzb.  d.  m&them.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa. 


81 


1212 


K.  Siegl, 


71-8 
83-1 
96-3 
113-5 
136-1 
156-9 
182-8 
221-8 
258-4 
287-7 
321-3 
366-5 


A  ^  9052 


Humiis. 


B  =^  28-6 


0-5113-1 
5228 
5350 
5490 
5650 
5779 
5921 
6105 
6253 
6360 
6468 
6600 


ß 


OOIUO 

133-6 

1234 

165-1 

1380 

193-6 

1570 

230-8 

1820 

270-9 

2049 

307-9 

2336 

345-2 

2767 

402-0 

3171 

439-9 

3499 

476-6 

3865 

508  1 

4365 

550-8 

as=3-133 


2-5259 
5887 
5500 
5643 
5792 
5925 
6055 

« 

6246 
6369 
6485 
6582 
6710 


335-7 
345-7 
354-8 


366 

379 

391 

403 

421 

433 

445-1 

455-2 

468-8 


7 
5 
3 
2 
3 
'4 


t  =  4-110 


r=:  0-458. 10-1« 


Rheinischer  Schiefer. 


>1»8966 


5  =  28-0 


a  =  3-103 


a 

1 

4  ^^^ 

S 

P 

igr 

T 

62-4 

0-5009-1 

0-01008 

130-4 

2*5251 

3350 

75-0 

5151 

1149 

163-3 

5386 

345-6 

89*1 

5290 

1306 

194-3 

5510 

355*6 

105-1 

5429 

1485 

230-2 

5649 

367-2 

122*2 

5560 

1675 

265-4 

5781 

378-5 

147-3 

5728 

1955 

306-4 

5930 

391-7 

173-7 

5880 

2249 

349-1 

6080 

405-5 

205-6 

6039 

2604 

397-8 

6245 

421-2 

240-5 

6191 

2995 

438-5 

6378 

434-3 

284-3 

6355 

3483 

493-2 

6551 

452-0 

310-4 

6442 

3774 

518-3 

6629 

460*2 

338-9 

6530 

4093 

545*9 

6711 

468-9 

•- 

4-131 

£?  =  0-378. 

10-12 

Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc. 


1213 


Schlesischer  Schiefer. 


62*6 
75- 1 
87-6 
115-7 
120-1 
141-0 
163-4 
187-6 
214-0 
248-6 
288*3 
326-7 


A  ==  8977 


28-0 


3-107 


0-5010-1 
5150 
5275 
5411 
5544 
5687 
5822 
5951 
6081 
6222 
6368 
6492 


0-01009 
1148 
1288 
1601 
1650 
1883 
2132 
2401 
2706 
3082 
3525 
3952 


131-1 
161-5 
194-8 
227-1 
262-7 
298-6 
340-7 
367-9 
412-2 
452-1 
500-0 
533-2 


2-5253 
5378 
5511 
5636 
5770 
5901 
6049 
6143 
6291 
6420 
6570 
6671 


335-2 
345-0 
355-7 
366-1 
377-6 
389-1 
402-6 
411-4 
425-7 
438-5 
453-9 
464-6 


4-132 


tf  =  0-374.10-12 


A  =  8977 


Gneis. 


B  =  28-0 


a^  3- 107 


a 

1 

5 

ß 

Igr 

• 

T 

59-2 

0-4969-1 

0-009719 

130-3 

2-5250 

335-0 

68-6 

5080 

0*01076 

156-5 

5358 

343-4 

82-7 

5228 

1234 

213-0 

5482 

353-3 

93-8 

5331 

1356 

217-4 

5599 

363-0 

105-3 

5429 

1485 

241-0 

5689 

370-6 

122*6 

5569 

1678 

274-7 

5814 

381-4 

138-4 

5670 

1854 

305-6 

5926 

391-4 

162-3 

5816 

2121 

340-8 

6050 

402-7 

191-9 

5973 

2450 

388-1 

6211 

417-9 

228-3 

6139 

2855 

438-7 

6377 

434-2 

266-5 

6290 

3281 

483-5 

6519 

448-6 

312*0 

6446 

3788 

532-2 

6668 

464-3 

.- 

4- 142 

c  =  0-341. 

10-1« 

81* 


1214 


K.  Siegl, 


Scrpcntio« 


8M8 


28-1 


3*112 


a 

Us 

5 

1 

» 

Igr 

T 

57  0 

0-4940-1 

0-009462 

128-7 

2-5242 

334-4 

670 

5061 

0*01058 

155-6 

5353 

3430 

83-2 

5232 

1238 

199-5 

5528 

357- 1 

97-1 

5360 

1393 

226-2 

5631 

365-7 

114*2 

5499 

1583 

265-9 

5780 

378-4 

132-2 

5628 

1783 

296-7 

5892 

388-3 

1531 

5761 

2016 

330-5 

6012 

399-2 

175-2 

5886 

2262 

371-3 

6152 

412-3 

204-0 

6030 

2582 

412-0 

6288 

425-4 

235-7 

6169 

2935 

456-1 

6430 

439-5 

265-5 

6285 

3266 

487-9 

6530 

440-8 

298-6 

6401 

3634 

524-2 

6641 

461-4 

t  =x 

4-148 

r  =  0-82d. 

10-13 

A  ^  8997 


Roter  Sandstein. 


B=:281 


8114 


54-5 

64*5 

75-7 

89*6 

108-1 

132-2 

155- 1 

189*7 

219-9 

259  0 

282-1 

310-5 


-7^S 


0-4907-1 
5031 
5155 
5292 
5450 
5627 
5772 
5960 
6101 
6260 
6344 
6439 


0-009179 
0-01029 
1153 
1309 
1514 
1782 
2036 
2421 
2757 
3192 
3448 
3764 


ß 


130 
157 
190 
221 
260 
306 
350 
403 
443 
490 
517 
547 


•2 
-2 
•0 
-6 
-7 
•9 
-1 
•2 
-5 
•1 
-9 
•5 


^T 


2*5248 
5359 
5490 
5613 
5760 
5928 
6079 
6258 
6389 
6536 
6621 
6710 


334-8 
343-5 
354-0 
364-2 
376-7 
391-6 
405-4 
422-5 
435-4 
450-4 
450-3 
468*8 


4-158 


c  =  0-294.10-1« 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc. 


1215 


Italienischer  Marmor. 


Ö6-0 

M-l 

76' 4 

»2*2 

106-8 

126' 1 

146M 

178-0 

208-4 

240-2 

269-0 

308-7 


>lt»9043 


3«>28-2 


^»3*130 


0-4910-1 
5022 
5158 
5311 
5435 
5580 
5731 
5895 
6021 
6181 
6292 
6428 


4- 165 


0- 009205 
O-01020 
1157 
1332 
1493 
1706 
1961 
2280 
2561 
2968 
8287 
3726 


131-8 


4 
2 
7 
5 


160 

192 

226 

262 

298-1 

339-9 

389*2 

418-7 

474-0 

504-4 

546-9 


2-5252 
5869 
9495 
5628 
5762 
5891 
6038 
6205 
6302 
6478 
6572 
6700 


385-1 
344-3 
354-4 
365-4 
376-9 
388*2 
401*6 
417*4 
426*8 
444-4 
464-2 
467-7 


0-281.10-1» 


il«=899g 


Quarcporphyr. 


^=«28-1 


3-115 


a 

1 

"4  *K^ 

S 

P 

^T 

T 

49-6 

0-4840 

0-008630 

141-3 

2*5294 

338-4 

59-4 

4970 

9728 

172-1 

5419 

348-3 

70-5 

5099 

0-01095 

200-2 

5530 

357-3 

81-1 

5210 

1213 

226*4 

5631 

365-7 

fr7*3 

5360 

1393 

268-6 

5789 

379-2 

116-8 

5517 

1610 

304-2 

5918 

390-7 

131-2 

5620  . 

1770 

334-0 

6023 

400-2 

148-0 

5729 

1957 

365-4 

6131 

410-3 

174-1 

5879 

2247 

406-4 

6268 

423-5 

199-8 

6009 

2533 

448-9 

6406 

437-1 

244-9 

6205 

3034 

504 •9- 

6581 

455-1 

257-4 

6320 

3373 

514-1 

6609 

458-0 

3=.. 

41190 

c  =  0-220. 

10-1» 

1216 


K.  Siegl, 


Rotlicher  Granit 


A^SWQ 


S»2S-1 


a^z-no 


a 

1 

S 

P 

i«r 

T 

44-4 

0-4767-1 

0-008069 

183-4 

2-5262 

335-9 

63-7 

4898 

9103 

166-9 

5399 

346-7 

63-6 

5022 

0-01020 

190-7 

5494 

354-3 

79-3 

5193 

1195 

235-3 

5666 

368-6 

94-2 

5335 

1361 

268-2 

5789 

379-2 

110-3 

5469 

1540 

304-9 

5922 

391*0 

131-0 

5620 

1770 

349-9 

6080 

405*5 

156-4 

5781 

2053 

391-6 

6221 

418-9 

180-3 

5913 

2318 

426-2 

6335 

430-0 

202-9 

6025 

2570 

463-7 

6455 

442-1 

226-6 

6131 

2834 

498-3 

6563 

458-2 

256  1 

6250 

3162 

532-4 

6667 

464-2 

t  = 

4-202 

r  =  0-197. 

10-1« 

Mauthausner  Granit. 


9031 


Ä  =  28-2 


as=3-126 


36-4 

1 

5 

? 

.  igr 

T 

0-4637-1 

0-007158 

128*6 

2*5239 

334*1 

45-4 

4778 

8151 

160-0 

5368 

344-2 

56-1 

4925 

9333 

196-8 

5514 

3560 

70-4 

5095 

0-01091 

232  0 

5649 

367*2 

84-4 

5240 

1247 

273-4 

5803 

380*5 

104-8 

5420 

1472 

319-7 

5969 

395-3 

117-9 

5522 

1617 

350-3 

6075 

405-0 

136-0 

5649 

1818 

383  0 

6186 

415-5 

159-1 

5792 

2074 

421-3 

6312 

427*8 

178-7 

5900 

2291 

459*1 

6433 

439-8 

207-1 

6040 

2606 

496*6 

6550 

451-9 

221-0 

6145 

2871 

530*2 

6652 

462-6 

t  =  - 

4*230 

tf  =  0*158. 

lO-ia 

Emissionsverinögen  von  Gesteinen  etc. 


1217 


Granit  (Fichtelgebirge). 


8978 


B=  280 


19  »3' 108 


1 

1 
«     1 

1 

5 

P 

Igr 

T 

37-0 

0*4650 

0*007244 

134*8 

2  -  5269 

336*4 

45*9 

4788 

8226 

169*5 

5410 

347  5 

56-2 

4930 

9376 

199*0 

5527 

357  0 

67-8 

5070 

0*01067 

234-3 

5663 

368*4 

82*1 

5221 

1226 

276*2 

5819 

381-9 

94*5 

5372 

1409 

309*7 

5940 

392-6 

U4-0 

5498 

1582 

346-2 

6068 

404-4 

129*6 

5611 

1756 

380-6 

6185 

415*4 

152*6 

5759 

2012 

415-2 

6300 

426*6 

172*3 

5871 

2231 

452  0 

6419 

438*4 

201*9 

6021 

2561 

498*0 

6563 

453-2 

230-9 

6150 

2884 

537-1 

6682 

465-8 

! 

.=« 

4*239 

c^0*14t. 

10-1« 

Glimmerschiefer. 


j4:=:8965 


B=:  28-0 


tf  ax  3*103 


T»g5 


32*2 

40*6 

Ö0-9 

65-5 

79 

92 

106 

124*4 

148*2 

166*0 

193*7 

223*5 


0 

4 
3 


0*4568-1 
4710 
4861 
5045 
5192 
5320 
5439 
5576 
5702 
5838 
5983 
6120 


ß 


0006717 

127* 

7656 

165* 

8798 

199- 

0*01042 

243* 

1193 

281* 

1343 

310* 

1498 

343* 

1700 

385- 

1909 

414- 

2164 

454* 

2473 

502- 

2805 

543* 

3 
7 
7 
9 
7 
9 
9 
2 
2 
4 
6 
2 


2 • 5238 
5896 
5531 
5701 
5841 
5946 
6062 
6203 
6299 
6429 
6580 
8703 


384-0 
346*4 
357-4 
371-6 
383-8 
398-2 
403*8 
417*2 
426*5 
439*4 
455*0 
468^1 


4*255 


c  =  0*122.10-1« 


1218 


K.  Siegl, 


81-3 
42-6 
60-9 

do-0 

73-1 

»e-i 

99-1 
116-2 
14a- 1 
160-9 
185-2 
206-2 


X»8067 


Dotomitetikalk. 


B»28-0 


0-4550-1 
4740 
4861 
4980 
5130 
5261 
5379 
5516 
5669 
5809 
5940 
6042 


0-006607 
7871 
8798 
9818 
0-01127 
1272 
1418 
1608 
1852 
2107 
2377 
2611 


132-9 
171-7 
204-6 
231-3 
272-5 
298-9 
334-5 
375-6 
412-2 
458-6 
492-1 
528-0 


«««3-104 


Igr 


2-5261 

335-8 

5420 

348-3 

5550 

35S-9 

5652 

367-5 

5807- 

380-8 

5903 

389-3 

6029 

400-8 

6170 

414-0 

6292 

425-8 

6442 

440-8 

6547 

451-5 

6657 

463*1 

4-260 


r  =  0-116. 10-1« 


Sfidtiroler  Marmor. 


A  >=  8998 


£»28-1 


3-115 


a 

1 

5 

ß 

\%T 

r 

31-5 

0-4552-1 

0-006619 

137-0 

2-5276 

337  0 

37-6 

4658 

7298 

160-5 

5372 

344-5 

45-5 

4782 

8181 

186-2 

5475 

352-8 

55-6 

4921 

9298 

219-4 

5604 

363-4 

66-1 

5049 

0-01046 

255-4 

5740 

375  0 

77-1 

5170 

1170 

283-9 

5845 

.  384-2 

94-9 

5339 

1366 

328-0 

6002 

398-3 

118-7 

5531 

1631 

379-3 

6178 

414*8 

138-7 

5670 

1854 

423*5 

6324 

428*9 

160-1 

5801 

2091 

459-6 

6440 

440*6 

178-2 

5901 

2293 

488-4 

6530 

449*8 

195-5 

5988 

2484 

514-4 

6610 

468'1 

.=.- 

4-266 

<7  =  0lll. 

10-18 

Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc. 


1219 


Rötlicher  Speckstein. 


28*1 

a5'4 

44'8 

65*6 

6Ö0 

78-3 

Ö7-3 

117-6 

143-7 

174-9 

198-8 

219-8 


9021 


0*4488 
4621 
4770 
4920 
5035 
5180 
5358 
5521 
5700 
5881 
6002 
6098 


B«s28-2 


3-122 


4-274 


5 

P 

Igr 

T 

0-006240 

128-2 

2*5238 

334-0 

7053 

154-2 

5845 

342-4 

8091 

193-3 

5501 

354*9 

9290 

225-6 

5626 

386-3 

0-01033 

256*2 

5741 

375-1 

1180 

296-8 

5S89 

388-1 

1391 

340-3 

6042 

402*0 

1616 

389-8 

6210 

417-8 

1905 

435-9 

6361 

432-6 

2251 

489-8 

6531 

440-9 

2517 

527-2 

6645 

461-9 

2749 

555-7 

6730 

471-0 

c^O'lOS. 

10^1« 

Glimmerfixicr  Granit. 


29-6 

37-8 

44-7 

56'7 

67-2 

87-2 

104*8 

128-3 

144-7 

167-6 

187-6 

118-3 


iir:=:9030 


28*2 


0-4516-1 
4660 
4768 
4920 
5060 
5266 
5420 
5562 
6705 
6840 
5946 
6068 


0*006403 
7311 
8076 
9290 
0-61057 
1278 
1472 
1678 
1914 
2168 
2390 
2674 


3-125 


4-282 


1     ß 

IgT 

T 

139*6 

2-5886 

387*7 

175-2 

6429 

349-1 

199-1 

5623 

366-7 

233-5 

5655 

367-7 

269-8 

6790 

379-3 

325*9 

6991 

398-0 

365*1 

6126 

409-8 

402-8 

6252 

419*3 

446*0 

6392 

436-7 

486*7 

6620 

448-7 

618*7 

6618 

459-0 

555-9 

6729 

470-9 

c 

=  0-0966. 

10-1» 

1220 


K.  Siegl, 


28-2 

38-9 

48*3 

58-7 

71-5 

85-4 

98-7 

116-0 

134-1 

152-4 

176-5 

207-5 


vi  »9020 


Lehm. 


B  =  28-2 


a  «=3-122 


0-4490-1 
4678 
4821 
4960 
5109 
5250 
5371 
5509 
5638 
5754 
5890 
6043 


0-006252 
7434 
8480 
9638 
0-01106 
1259 
1407 
1608 
1800 
2003 
2270 
2613 


137-1 
183-6 
212-6 
245-2 
286-6 
820-8 
356  8 
393-4 
432-8 
461-7 
505-1 
552-6 


2-5275 
5463 
5576 
5700 
5852 
5974 
6099 
6222 
6351 
6443 
6578 
6721 


336-9 
351-8 
361  1 
371-5 
384-8 
395-7 
407-3 
419-0 
431-6 
440*9 
454-8 
470-0 


t  =  4-285 


r  =  0-0028. 10-1» 


25-7 

34-4 

42-8 

51-6 

67'3 

79-5 

94*4 

111-6 

131-0 

148*9 

174-9 

201*0 


A  =  9040 


Ackererde. 


Ä=  28-2 


3-132 


0*4439-1 
4601 
4737 
4889 
5060 
5190 
5331 
5473 
5614 
5730 
5879 
6010 


0- 005965 
6925 
7849 
9028 
0*01057 
1191 
1356 
1546 
1760 
1959 
2247 
2535 


134-1 
168-0 
201-3 
240-6 
284-4 
312-1 
354  1 
397  0 
432-3 
471-4 
510-6 
552-3 


2-5261 
5399 
5530 
5680 
5841 
5940 
6086 
6230 
6345 
6469 
6590 
6715 


385-8 
346-7 
357-3 
369-8 
383-8 
392*6 
406-1 
419r8 
481  rO 
443*5 
456*0 
469*4 


4-295 


0*0852.10-1» 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc. 


1221 


A  r=  9053 


Tegel. 


5  =  28-3 


3- 134 


Xlg5 


ß 


IsT 


23-8 

31-0 

39-1 

47-8 

59-8 

70-8 

86-8 

103*2 

121*9 

144*5 

169*9 

201*6 


0-4401 
4540 
4680 
4811 
4970 
5098 
5261 
5405 
5550 
5702 
5851 
6012 


0-005760 
6546 
7447 
8402 
9728 
0-01094 
1272 
1452 
1660 
1909 
2190 
2540 


131-0 
156-4 
194-0 
227-5 
259-6 
300-1 
340-6 
379-5 
424-2 
462-1 
508*3 
558-4 


2-5248 
5352 
5501 
5630 
5750 
5897 
6039 
6171 
6318 
6439 
6582 
6732 


334-8 
342-9 
354-9 
365-6 
375-8 
388-8 
401-7 
414-1 
4^8*4 
440*5 
455*2 
471*2 


4-800 


t  =  0-0811.10-12 


Istrianer  Mfurmor. 


9043  5=28-2 


a?=:8-130 


a 

1 

S 

ß 

IgT 

T 

23*9 

0-4401-1 

0-005760 

138-6 

2-5280 

337 

3 

30*4 

4529 

6480 

169-4 

5405 

347 

•1 

37-6 

4655 

7278 

195-5 

5508 

355 

5 

46-4 

4791 

8249 

225-1 

5622 

364 

9 

55*8 

4920 

9290 

262-8 

5763 

377 

•0 

67-3 

5059 

0-01056 

298-9 

5894 

388- 

5 

78-6 

5181 

1181 

328-4 

5998 

397 

9 

95-4 

5339 

1366 

367  1 

6131 

410 

3 

109-9 

5460 

1528 

406-1 

6261 

422 

8 

133*6 

5632 

1790 

452-3 

6410 

437 

'5 

155*6 

5770 

2032 

439-9 

6540 

450' 

•8 

186-7 

1 

5940 

2377 

546-9 

6700 

467-7 

• 

4-310 

c 

5=0-0741.. 

10-12 

1222 


K.  Siegl, 


Kehlheimer  Kalkstein. 


9060 


B=»28'8 


3*136 


« 

T>«5 

iS 

P 

i«r 

T 

21-5 

O'4350-l 

0*005495 

127-2 

2*6232 

338*6 

28*8 

4498 

6298 

161*0 

5370 

344*4 

37-3 

4649 

7238 

199*2 

5521 

356*5 

45*6 

4778 

8151 

225*0 

5620 

364*8 

65-1 

4910 

9205 

259*7 

6750 

375*8 

66-6 

5050 

0-01047 

296*1 

5882 

387*4 

78-6 

5180 

1180 

329*3 

6999 

398*0 

60*6 

5295 

1312 

362*5 

6113 

408*6 

107-4 

5439 

1498 

399*3 

6236 

420*3 

126*3 

5580 

1706 

443*1 

6378 

434*3 

157 '4 

5779 

2049 

500*4 

6557 

458*6 

182*5 

5917 

2327 

542*2 

0683 

465*9 

.-- 

4*315 

c 

=.0*0709. 

lO-i« 

Weifler  SanOsteiii. 


9063     B»28*3 


3*137 


21*8 

26*6 

35*0 

43*4 

52*8 

65*7 

75*6 

90*1 

100*6 

129-9 

149*4 

170-0 


Tlg^ 


0* 4856-1 
4456 
4610 
4745 
4879 
5040 
5148 
5290 
5382 
5605 
5731 
5850 


0*005526 
6059 
6982 
7907 
8945 
0*01038 
1146 
1306 
1422 
1746 
1961 
2188 


ß 


139*0 
166*8 
196-8 
233*1 
264*8 
306*7 
337*0 
370-7 
400*7 
459*4 
5020 
534*4 


^T 


2*5280 
5393 
5511 
5650 
5768 
5619 
6025 
6140 
6240 
6429 
6561 
6659 


337*3 
346*2 
355*7 
367*3 
377*4 
390*8 
400-4 
411*2 
420-7 
436-4 
458-0 
468-3 


4*328 


r»  0-0682. 10^i> 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc. 


1223 


A  ==  9010 


Schlemmkreide. 


B»  28-1 


3-118 


a 
17-1 

1 

5 

ß 

IgT- 

T 
337-7 

0-4250-1 

0-005012 

193-3 

2-5285 

22-8 

4379 

5644 

170-0 

5410 

347-5 

30-5 

4532 

6498 

198-8 

5524 

356-8 

36-5 

4639 

7172 

229-0 

5640 

366-4 

46-2 

4791 

8249 

266-7 

5781 

378-5 

56-2 

4928 

9358 

299-5 

5900 

389-0 

66- 1 

5048 

0- 01045 

333-5 

6020 

399-9 

78-3 

5181 

1181 

371-3 

6150 

412-1 

Ö40 

5330 

1355 

401-9 

6252 

421-9 

110-3 

5466 

1536 

444-7 

6391 

435-6 

133-4 

5634 

1793 

495-0 

6549 

451-8 

155-9 

5575 

2042 

535-8 

6673 

464-8 

t  =s 

4-358 

c 

»0-04B3. 

10-1« 

13-6 
20-5 
27-2 
35-2 
43-1 


1 
0 
0 


51 

61 

71 

84-7 
107-2 
126 
158 


2 
3 


A  ==  9058 


Carrarer  Marmor. 


2?  =  28-3 


3-135 


0-4168-1 
4829 
4469 
4615 
4742 
4857 
4985 
5100 
5240 
5437 
5580 
5785 


0* 004626 
5390 
6132 
7015 
7885 
8766 
9863 
0-01096 
1247 
1496 
1706 
2061 


130*6 
169-7 
197-3 
232-8 
267-6 
289-3 
326-6 
358-5 
895-5 
449-6 
491-8 
554-5 


2-5247 
5405 
5514 
5650 
5779 
5858 
5990 
6100 
6224 
6399 
6531 
6720 


834 
347 
356 
367 
378 
385 
397 
407 
419 
436 
449 
469 


7 
1 
0 
3 
4 
3 
2 
4 
2 
4 
9 
9 


t  =  4-369 


c  =  0-0437.10-1« 


1224 


K.  Siegl, 


13 

20 

25 

33 

43 

53 

62 

79 

91 

110 

129 

154 


•9 
•2 
•9 
•8 
•6 
•2 
•7 
•5 
•5 
•4 
•0 
•3 


A  =  9054 


Kies. 


B  =  28-3 


0-4170-1 
4322 
4442 
4590 
4750 
4886 
5005 
5190 
5304 
5463 
5600 
5762 


0-004656 
5356 
5981 
6855 
7943 
9003 
O-OlOOö 
1191 
1323 
1532 
1738 
2017 


^  =  3134 


P 

141-9 
172-9 
206-6 
238-4 
278-5 
309-4 
346-7 
388-5 
427-9 
471-3 
510-9 
559-8 


2 • 5293 
5418 
5550 
5671 
5819 
5930 
6060 
6201 
6330 
6468 
6590 
6736 


338-3 
348-2 
358-9 
369-1 
381-9 
391-7 
403-6 
417-0 
429-5 
443-4 
456-0 
471-6 


t  =  4-382 


c  =  0-0389. 10-12 


Strahlung  des  Wassers. 

Da  bei  der  Beobachtung  der  Strahlung  des  Wassers  der 
Temperatursteigerung  sehr  bald  eine  Grenze  gesetzt  ist,  so 
wurde  vor  allem  die  Empfindlichkeit  des  Galvanometers  auf 
das  äußerste  gesteigert,  indem  man  den  Vorschaltwiderstand 
ausschaltete,  was  freilich  andrerseits  die  Unannehmlichkeit  mit 
sich  brachte,  daß  die  Einstellung  der  Nadel  viel  langsamer 
erfolgte.  Ober  der  Wasserfläche,  deren  Strahlung  gemessen 
werden  sollte,  wurde  eine  Blende  und  darüber  ein  Metall- 
spiegel unter  45*  angebracht,  weicher  die  Strahlung  in  die 
Thermosäule  hineinreflektierte.  Diese  Methode  erwies  sich 
aber  als  unbrauchbar,  da  der  Spiegel  sich  stets  mit  Feuchtig- 
keit beschlug,  auch  dann  noch,  als  er  mit  einer  dünnen  Schicht 
von  Vaselinöl  überzogen  worden  war. 

Es  wurde  deshalb  die  ganze  Aufstellung  so  umgebaut, 
daß  die  direkte  Strahlung  vertikal  in  die  Thermosäule  gelangte. 
Dabei  waren  nun  zunächst  die  aufsteigenden  Luftströmungen 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc.  1225 

sehr  lästig.  Durch  eine  in  den  Strahlengang  gestellte  Kautschuk- 
membran ließ  sich  aber  dieser  störende  Einfluß  größtenteils 
beseitigen.  Die  Membran  wurde  so  dünn  als  möglich  aus- 
gespannt und  ließ  zirka  75%  der  Strahlung  durch.  Unter  der- 
selben war  eine  große,  geschwärzte  Wasserblende  mit  einer 
Öffnung  von  2  cm  Durchmesser  angebracht.  5  cm  tiefer  befand 
sich  die  Oberfläche  der  strahlenden  Wassermasse.  Letztere 
wurde  elektrisch  geheizt  und  konnte  man  dieselbe  bis  auf 
zirka  60"*  erwärmen,  ohne  daß  die  Membran  sich  beschlug. 

Zur  Messung  der  Temperatur  wurde  wie  früher  das 
Thermoelement  verwendet,  welches  von  der  Wasseroberfläche 
vollkommen  benetzt  war.  Der  Durchmesser  der  strahlenden 
Wasserfläche  betrug  9  cm.  Für  die  Wahl  der  Dicke  der 
strahlenden  Wassermasse  war  folgender  Vorversuch  bestim- 
mend: Es  wurde  in  den  Strahlengang  ein  Gefäß  gestellt, 
dessen  Boden  durch  eine  sehr  dünne  Kautschukmembran 
gebildet  war.  Über  der  Membran  befand  sich  eine  Wasser- 
säule von  variabler  Dicke.  Es  zeigte  sich  nun,  daß  das  Wasser 
in  einer  Dicke  von  5  mm  seine  eigene  Strahlung  sowie  die  des 
schwarzen  Körpers  vollständig  absorbierte.  Bei  den  eigent- 
lichen Strahlungsmessungen  hatte  die  strahlende  Wassermasse 
eine  Dicke  von  5  cm.  Für  diese  Schichtendicke  hat  also  die 
Strahlung  schon  sicher  ihr  Maximum  erreicht. 

Die  Berechnung  der  Strahlungskonstanten  erfolgte  aus 
der  Beobachtung  der  Strahlung  bei  zwei  Temperaturen: 

04  =  AcTl—B 
und 

0^  in  AcT^—B 

oder  die  Gleichungen  logarithmiert: 

lg(ai-h5)  =  Ig^-hlgc'H-e  lg  T, 
und 

lg(ajH.5)  =  Ig^H-lgcH-slgJg. 

Daraus  ergibt  sich  8  und  c  zu: 

c^   lg(«»+g)— ]g(04-^^)  ^^   Oj+g 

lg  7^2- lg  ^1  AT^ 


1226 


K.  Siegl, 


Bei  der  Messung  von  a  addiert  sich  zur  Strahlung  des 
Wassers  natürlich  stets  die  Strahlung  der  Membran.  Die  Er- 
wärmung der  letzteren  durch  die  Bestrahlung  ist  jedenfalls 
sehr  klein,  kleiner  als  die  der  Thermosäule,  und  kann  die 
Temperaturerhöhung  derselben  niemals  1**  erreichen.  Bei  so 
geringer  Erwärmung  ist  aber  die  Änderung  der  Strahlung  der 
Membran  proportional  der  auf  sie  wirkenden  Zustrahlung. 
Dadurch  beschränkt  sich  der  Einfluß  der  Membran  auf  eine 
Änderung  der  Konstanten  A  und  B. 

Bei  der  Bestimmung  von  a  und  ß  wurde  wieder  aus  je 
zehn  Messungen  das  Mittel  genommen.  Da  der  EinQufi  der 
Luftströmungen  doch  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  be- 
seitigt werden  konnte,  waren  die  Abweichungen  der  Werte 
von  a  untereinander  größer  als  früher.  Der  mittlere  Fehler  <ks 
Mittels  betrug  2*  5%.  Aus  diesen  Mittelwerten  von  a  und  ? 
wurden  nach  den  obägen  Formeln  die  Strahlungskonstanten 
bestimmt.  Diese  Messungsreihe  wurde  zehnmal  ausgeführt 
und  aus  den  daraus  berechneten  Werten  von  c  und  t  aber- 
mals das  Mittel  genommen.  Die  folgende  Tabelle  gibt  diese 
Zahlen  wieder. 


Strahlung  des  Wassers. 


l 

m 

B 

a 

«1 

O 

«2 

P2 

T, 

Pi 

Ti 

c.lO« 

4-10 

1-368 

85-0 

3-122 

24-9 

803 

60-0 

106 

132-1 

331-9 

63-7 

310-0 

0-49 

1-361 

84-2 

3-118 

22 

■8 

786 

54-6 

102 

136-6 

332-0 

71-7 

311-2 

0-50 

4-00 

1-367 

84-9 

3-121 

19 

•1 

761 

Ö3-2 

101 

130-8 

330-9 

61-5 

308-7 

0-50 

4-0Ö 

1-378 

85-3 

3-122 

23 

•0 

786 

58-0 

104 

130-2 

332-0 

61-2 

309  9 

0-48 

4-10 

1-371 

88-1 

3-132 

23 

•9 

817 

65-5 

112 

131  5 

334-7 

53-6 

309-8 

0-50 

4- 10 

1-375 

85-6 

3-112 

36' 

'6 

889 

71-1 

114 

122  0 

330-2 

61-0 

310-6 

0-48- 

4-lZ 

1-384 

86-0 

3  114 

31 

•2 

847 

64-9 

109 

121-4 

329-9 

59-8 

3101 

0-46 

4-12 

1-367 

87-9 

3- 130 

31 

•4 

873 

63-8 

111 

120-8 

330-6 

62-6 

3120 

0-49 

4-11 

1-384 

86-0 

3-115 

3r 

"0 

845 

64-9 

109 

125-2 

332-0 

63-9 

312-3 

0-53 

4-09 

1-359 

83-1 

3-110 

31-1 

840 

650 

■ 

109 

135-3 

331-5 

74-0 

311-8 

0-53 

4-09 

M 

itte! . . 

0-496 

4-101 

Um  zu  sehen,  ob  das  Meerwasser  infolge  seines  Salz- 
gehaltes wesentlich  anders  strahlt  als  reines  Wasser,  wurden 


Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc.  1227 

zwei  Gefäße,  eines  gefüllt  mit  destilliertem  Wasser,  das  andere 
mit  konzentrierter  Kochsalzlösung,  nebeneinander  gemeinsam 
in  einem  größeren  Gefäße  durch  eine  Heizspirale  auf  einer 
Temperatur  von  47-5"  erhalten  und  abwechselnd  ihre  Strah- 
lungen beobachtet.  Die  auf  diese  Weise  angestellten  40  Ver- 
gleichsmessungen ergaben,  daß  die  Differenz  der  beiden  Strah- 
lungen unter  der  Grenze  der  Beobachtungsfehler  liegt. 

Strahlung  des  Eises. 

Zur  Messung  der  Strahlung  des  Eises  wurde  wieder  die 
Aufstellung  verwendet,  bei  welcher  die  Strahlung  horizontal 
in  die  Thermosäule  gelangte.  Das  Eis  befand  sich  in  einem 
doppelwandigen  Gefäße  und  wurde  durch  feste  Kohlensäure 
und  Äther  gekühlt.  Die  Strahlung  wurde  wieder  bei  zwei 
Temperaturen  beobachtet.  Das  Thermoelement  war  in  die 
Oberfläche  des  Eises  eingeschmolzen.  Der  Durchmesser  der 
letzteren  betrug  8  cm,  die  Dicke  der  Eismasse  5  cm.  Die 
Strahlung  besaß  ihr  Maximum,  da  ein  Vorversuch  ergab,  daß 
bereits  eine  Eisplatte  von  zirka  1  mm  Dicke  keine  Strahlung 
mehr  hindurchließ.  Die  strahlende  Eisfläche  bedeckte  sich 
stets  mit  einer  Schicht  von  feinem  Schnee,  welcher  vor  jeder 
Beobachtung  entfernt  wurde,  da  er  die  Strahlung  erhöhte.^ 
Wie  früher,  wurde  aus  zehn  beobachteten  Werten  von  a  und  ß 
das  Mittel  genommen  und  daraus  c  und  e  berechnet.  Aus  zehn 
auf  diese  Weise  berechneten  Werten  der  Strahlungskonstanten 
wurde  wieder  das  Mittel  genommen.  Wie  man  aus  der  nach- 
folgenden Tabelle  ersieht,  ist  die  Strahlung  des  Eises  von  der 
des  Wassers  nicht  wesentlich  verschieden. 

Die  vorletzte  Tabelle  enthält  die  Zusammenstellung  der 
Resultate,  welche  für  die  Strahlungskonstanten  der  unter- 
suchten Körper  erhalten  wurden.  Da  diese  Zahlen  für  den 
Wärmehaushalt  der  Erde  von  Bedeutung  sind,  so  folgt  zur 
leichteren  Orientierung  zum  Schlüsse  eine  Berechnung  der  für 
die  Erdoberfläche  typischen  Strahlungen  von  — 30  bis  -4-30*  C. 
im  Intervall  von  10  zu  10  Graden. 


1  Beobachtungen  von  J.  Maurer  (Meteorol.  Zeitschr.,  XXIV,  7,  p.  295 
bis  301,  1907)  über  die  nächtliche  Ausstrahlung  einer  freien  Schneefläche 
ergaben,  daß  dieselbe  der  Strahlung  einer  berußten  Kupferscheibe  nahekommt. 

Sitzb.  der  mathem.-nÄturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  82 


1228 


K.  Siegl, 


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CO 

CO 

CO 

Emisstonsvermögen  von  Gesteinen  etc. 


1229 


Strahlungskonstanten  aller  Körper 


Bftsaltlava 

Basalt 

Belgischer  Marmor 

Tonschtefer 

Humus 

Rheinischer  Schiefer 

Schlesischer  Schiefer , 

Gneis 

Serpentin 

Roter  Sandstein  

Italienischer  Marmor 

Quarzporphyr 

Rötlicher  Granit 

Mauthausner  Granit 

Granit  aus  dem  Fichtelgebirge 

Glimmerschiefer 

Dolomitenkalk 

Südtiroler  Marmor 

Rötlicher  Speckstein , 

Glimmerfreier  Granit 

Lehm , 

Ackererde 

Tegel 

Istrianer  Marmor 

Kehlheimer  Kalkstein 

Weißer  Sandstein 

Kreide •. , , . 

Carrarer  Marmor , 

Kies 

Wasser , 

Eis , 


c.  10»« 


0-589 
557 
552 
508 
458 
378 
374 
•  341 
.  323 
294 
281 
220 
197 
153 
141 
122 
116 
111 
103 
0955 
0928 
0852 
0811 
0741 
0709 
0632 
0483 
0437 
0389 
496 
437 


4-083 
089 
090 
099 
110 
13t 
132 
142 
148 
158 
165 
190 
202 
230 
239 
255 
260 
265 
274 
282 
285 
295 
300 
310 
315 
328 
358 
369 
382 
101 
120 


82* 


1230 


K.  Siegl,  Emissionsvermögen  von  Gesteinen  etc. 


Strahlungen    bei   verschiedenen  Temperaturen,  verglichen 
mit  der  Strahlung  des  schwarzen  Körpers. 


iS.  10^  bei  einer  Temperatur 
von 


Schwarzer  Körper  . 

Basaltlava 

Tonschiefer 

Gneis 

Mauthausner  Granit, 
Glimmerschiefer . . . . 
Dolomitenkalk  . . . . . 

Ackererde 

Weifier  Sandstein. . . 

Kies 

Wasser 

Eis 


—30 


446 
324 
305 


-20 


525 
382 
360 


259 

307 

189 

224 

173 

205 

169 

200 

150 

179 

134 

159 

111 

132 

295 

348 

—10 

0 

-MO 

-f-20 

^-30 

612 

711 

821 

943 

1079 

448 

521 

604 

696 

798 

422 

492 

570 

657 

754 

360 

420 

488 

563 

647 

264 

309 

360 

416 

480 

242 

283 

330 

383 

442 

236 

277 

323 

374 

432 

211 

248 

289 

335 

387 

188 

221 

258 

300 

347 

156 

184 

216 

251 

291 

485 

563 

649 

745 

408 

476 

1231 


Über  die  Lage  der  Knotenpunkte  in  einseitig 

geschlossenen  Röhren 

von 

Dr.  N.  Stücker. 

Aus  dem  physikalischen  Institute  der  k.  k.  Universität  in  Graz. 

(Mit  2  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  7.  November  1907.) 

Die  Arbeiten,  in  welchen  die  Luftschwingungen  und 
Resonanz  Verhältnisse  eingehend  behandelt  werden,  sind  fast 
durchwegs  theoretischer  Natur.  Schon  Bernoulli,  Euler  und 
Lagrange  haben  diese  Erscheinungen  einem  genaueren 
Studium  unterzogen  und  ,eine  Theorie  entwickelt,  die  im 
wesentlichen  darin  besteht,  daß  die  Verdichtung  am  ofTenen 
Ende  einer  Röhre  gleich  Null  anzunehmen  sei  und  die  Luft  in 
allen  ^Punkten  ein  und  desselben  Querschnittes  die  gleiche 
Dichtigkeit  aufweise.  Nun  aber  widerspricht  beides  der  Er- 
fahrung; erstens  besitzt  die  Luft  am  offenen  Ende  einer  Röhre 
stets  nur  die  Dichte  der  sie  umgebenden  Luftmenge,  niemals 
aber  die  der  außerhalb  befindlichen  Luft,  und  zweitens  ergibt 
sich  aus  der  Annahme  bezüglich  der  konstanten  Dichte  für 
ein  und  denselben  Querschnitt,  daß  sich  die  Wellen  in  einer 
Röhre  nur  parallel  zu  ihrer  Achse  fortpflanzen  können,  während 
durch  die  Theorien  von  Helmhol tz  und  einigen  anderen 
Physikern  direkt  bewiesen  wird,  daß  die  Wellen  aus  der  Röhre 
divergent  austreten  und,  da  eine  solche  Richtungsänderung 
nicht  plötzlich  eintreten  kann,  sich  auch  innerhalb  einer  Röhre 
nicht  nur  parallel  zur  Achse  bewegen.  Poisson  griff  den 
Gegenstand  wieder  auf  und  erklärte,  daß  die  Luft  am  offenen 
Ende  einer  Röhre  wohl  eine  andere  Dichte  besäße,  daß  aber 


1232  X.  Stücker, 

jederzeit  zwischen  der  Geschwindigkeit  der  Schallwellen  und 
der  Dichte  der  Luft  eine  für  ein  und  dieselbe  Röhre  konstante 
Relation  bestände.  Nach  Challis*  Hypothese  endlich  tritt  jede 
Welle,  nachdem  sie  am  geschlossenen  Ende  reflektiert  wurde, 
am  offenen  aus,  ohne  eine  neue  Welle  wieder  in  die  Röhre 
zurückzusenden.  Die  Knotenpunkte,  welche  nach  Euler  Orte 
einer  absoluten  Sülle,  nach  Poisson  Orte  von  Schwing:ungs- 
minima  sind,  existieren  nach  Challis  in  einer  Röhre  über- 
haupt nicht  Der  erste  Physiker,  welcher  die  Sache  vom 
richtigen  Standpunkt  aus  betrachtete,  war  der  Engländer 
Hopkins,^  der  auch  durch  sein  ausgedehntes  Beobachtungs- 
material einige  Erscheinungen  zu  erklären  wußte,  die  bis 
dahin  unberücksichtigt  blieben.  Auf  die  Tatsache  gestützt, 
daß  die  stärkste  Resonanz  bei  einem  ungeraden  Vielfachen 

einer  Viertelwellenlänge,  also  bei  (2n  —  1) —  eintritt,  beob- 
achtete er,  daß  die  Strecke  von  der  Röhrenmündung  bis  zum 
ersten  Maximum  der  Resonanz  stets  kleiner  war,  als  aus  dem 

Werte  für  —  zu  erwarten  wäre  und  daß  diese  DiflFerenz  mit 
2 

der  Röhrenweite  zunahm;  die  weiteren  Knotenpunkte  standen 
jedoch  durchwegs  genau  um  den  Wert  einer  halben  Wellen- 
länge voneinander  ab.  Hopkins  bat  ferner  gefunden,,  daß 
diese  Differenz  von  der  Schwingungszahl,  also  von  derHöhe 
des  betreffenden  Tones  unabhängig  ist,  ein  Umstand,  der  mit 
seiner  Theorie  vollkommen  im  Einklänge  steht  Bei  einer  sehr 
engen  Röhre  (Fig.  1}  werden  die  Wellen,  da  sie  aus  der  Röhre 
divergent  austreten,  bald  so  zerstreut  sein,  daß  sie  durch 
keinerlei  Reflexion  wieder  in  die  Röhre  zurückgeworfen  werden 
können.  Bei  sehr  weiten  Röhren  hingegen  werden  sich  die 
Wellen  auch  in  größerer  Entfernung  von  der  Röhrenmündung 
nocl;  innerhalb  der  Verlängerung  der  Röhrenwand  befinden, 
weshalb  noch  ein  Teil  der  Wellen  in  die  Röhrenwand  reflektiert 
werden  kann.  Es  kommt  also  gewissermaßen  darauf  hinaus, 
I  daß  eine  Glasröhre  scheinbar  um  so  länger  ist,  je  größeren 

1  TrAtigactiofifl  of  the  Cambridge  Phll.  Soc,  Vol.  V,  pt.  H,  p.  281 ;  Pogg. 
;  Ann.,  XUV,  246.  603,  1838. 


I 


Lage  der  Knotenpunkte  in  Röhren. 


1233 


Querschnitt  sie  besitzt.  In  der  Tat  hat  nun  Mousson  bei  am 
Ende  trichterförmig  erweiterten  Röhren  gefunden,  daß  die 
Korrektion  fast  Null  wird. 

Helmholtz,^  dem  wir  so  vielen  Einblick  in  die  Wellen- 
lehre zu  verdanken  haben,  hat  auch  dieses  Kapitel  eingehend 
behandelt,  in  dem  er,  von  den  Bewegungsgleichungen  aus- 
gehend, die  Formel  für  das  Korrektionsglied  ableitet.  Sie  lautet: 

2    R         4 

worin  R  den  kleineren,  R^  den  größeren  Radius  bei  trichter- 
förmig  erweiterten   Röhren,   die  Korrektionskonstante  a  den 


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Fig.  l. 

Unterschied  zwischen  der  reduzierten  und  wahren  Röhren- 
länge bedeuten.  Es  ergibt  sich  von  selbst,  daß  bei  zylindrischen 
Röhren,  bei  denen  2?  =  i?j  ist,  die  Gleichung  übergeht  in: 


a 


^R. 


Setzen  wir  a  =  0,  so  erhalten  wir: 

das  heißt,  wenn  sich  die  Radien  der  Röhre  und  ihres  oberen 
Randes  zueinander  wie  1 :  \/2  verhalten,  so  f%llt  die  wahre  mit 
der  reduzierten  Röhrenlänge  zusammen. 


1  Wissenschaftliche  Abhandlungen,  I,  p.  303  £f. 


1234  N.  Stücker, 

Ich  habe  nun  versucht,  diese  theoretischen  Resultate  durch 
Experimente  zu  prüfen.  Der  Apparat,  dessen  ich  mich  dazu 
bediente,  bestand  aus  einem  Glaszylinder  vom  inneren  Radius 
zu  3 '  2  cm,  in  welchem  durch  damit  kommunizierende  Zu-  und 
Abflußgefäße  eine  Wassersäule  allmählich  veränderlicher  Höhe 
hergestellt  werden  konnte.  In  dieses  Wasser  tauchten  die  mit 
Teilung  versehenen  Resonanzröhren  ein.  Sie  waren  mitsamt 
der  erregenden  Stimmgabel  auf  einem  Schlitten  befestigt, 
dessen  Höhe  verstellt  werden  konnte.  Es  war  also  in  doppelter 
Weise  Vorsorge  getroffen,  die  Länge  der  resonanzgebenden 
Luftsäule  allmählich  zu  vergrößern  oder  zu  verkleinern,  bis  das 
Maximum  des  Resonanztones  eintrat,  und  diese  Länge  genau 
zu  messen. 

Meine  Beobachtungen  stellte  ich  an  Glasröhren  vom  Halb- 
messer 0'2cfn  bis  3' 2  cm  an,  und  zwar  für  die  Töne  a®,  e^,  a\ 
e^y  ä^  und  b^.  Jede  einzelne  Versuchsreihe  bestand  aus  zehn 
Beobachtungen,  die  zu  einem  Mittel  vereinigt  wurden.  Die 
einzelnen  Werte  wichen  nur  für  die  tieferen  Töne,  bei  denen 
das  Maximum  der  Resonanz  nicht  so  scharf  ausgeprägt  war, 
um  0'2cm  voneinander  ab.  Zur  Vermeidung  weiterer  Fehler- 
quellen stellte  ich  das  Wassemiveau  abwechselnd  zu  hoch 
und  zu  tief  ein,  um  durch  Regulieren  von  beiden  Richtungen 
aus  zu  demselben  Resultat  zu  gelangen. 

Die  Berechnung  der  Korrektion  a  gestaltet  sich  sehr  ein- 
fach. Bedeuten  Iq,  l^,  l^...ln  die  Röhrenlängen  vom  freien 
Ende  der  Reihe  nach  bis  zu  den  einzelnen  Knotenpunkten 
und  X  die  Wellenlänge,  so  ist 

A  —  /  _/   —  / 7        —   ^»~^o 


2  » 

a  —  —  —  ^0  —  —z 'o- 

4  *  2« 


Im  folgenden  gebe  ich  nun  eine  Übersicht  über  die  Werte 

von  L,  /,,  /o,  — ,  —  und  a  für  die  einzelnen  Tonhöhen  und 

2      4 

Köhrendurchmesser. 


Lage  der  Knotenpunkte  in  Röhren. 


1235 


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1236 


N.  Stücker, 


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1-5 


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36*91 


24-81 

12-40 
0-30 


11-91 


36*80 


24  89 

12-44 
0-53 


R  (in  ;. 
cm) 


0-2 


0-4 


0-5 


0-9 


1-0 


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4.     a«  (if  =  870 


Mittel|9-30 


X 
9 

X 

4 

o. 


28-14 


18-84 

9-42 
0-12 


9-72 


29-62 


19-90 


9-95 


0-23 


9-76 


29-87 


20-11 


10-06 


0-30 


9-56I29-83 


20-25 


10-13 


0-55 


9-50 


29-71 


49-85 


20-21  120-14 


10-08 


0-68 


9-26 


29'49l 


20-23 


1012 


0-86 


5.     b^  {n  =  1850 


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Mittel 
X 
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4-46 


14-00 


9-54 

4-77 
0-31 


4-20 


13-77 


23-33 


9-57  I  9-56  — 


4-78 
0-58 


Lage  der  Knotenpunkte  in  Rtthren. 


1237 


1-9 


21 


2-4 


2-7 


Schwingungen). 


8-2 


11-37 


36*29 


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12-46 
1-09 


1*9 


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2-1 


2-4 


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2-7 


Schwingungen). 


8-2 


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20-31  I     — 


10- 16 
1-07 


8-95 


29-30 


20*35 

10-18 
123 


8-80 


29-20  49-60  8*60  29-02 


20-40  I  20-40 


10-20 
1-40 


20-42  20-47  |  20*40 


10-21 
1-61 


8-40 


28-87 


49-27 


10-24 
1-84 


Schwingungen). 


3-70  13-30 


22-85 


9-60  I  9-55 


4-77 


107 


3-60 


13-21 


9-61 


4-80 


1*20 


3-40 


13-07 


22-60 


9*67    I    9-53 

4-80 
1-40 


3*20 


12-85 


9-65 

4-82 
1-62 


2-96 


12-65 


22-33 


9*69  I     9-68 


4-84 
1-88 


1236 


K.  Stücker, 


R  (in  cm) 


0-5 


0-9 


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1-5 


i      h 


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3.     e^  (n  =  652 


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X 

X 

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24-81 

12-40 
0-30 


11-91 


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24  89 

12-44 
0-53 


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cm) 


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Mittel 
X 
2 
X 
4 

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28-14 


18-84 


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9-72 


29-62  9-76 


19-90 


9-95 


0-23 


29-87 


20-11 


10-06 


0-30 


9-58 


29-83 


20-25 


10-13 


0-55 


9-50 


29-71 


49-85 


20-21  J20-14 


10-08 


0-58 


9-26 


29-49 


20-23 


10-12 


0-86 


5.     fe>  (h  =  1850 


Mittel! 

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9-54 

4-77 
0-31 


4-20 


13-77 


23-33    — 


9-57  I  9-56 


4-78 

0-58 


Lage  der  Knotenpunkte  in  Röhren. 


1237 


1-9 


2-1 


2-4 


2-7 


Schwingungen). 


3-2 


11-37 


36*29 


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1-09 


1-9 


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2-1 


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2-4 


k        h 


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2-7 


8-2 


Schwinjgungen). 


909Ä9-40   — 


20-31  I     — 


10- 16 
1-07 


3-95 


29-30 


20-85 

10-18 
1-23 


8-80  29-20  49-60  8-60  29-02 


20-40  I  20-40 


10-20 
1-40 


8-40 


28-87 


49-27 


20-42      I    20-47  |  20-40 

10-21 
1-61 


10-24 


1-84 


Schwingungen). 


3-70  13-30  22-85 


9-60  i  9-55 


4-77 


1-07 


3*60 


13-21 


9-61 


4-80 


1-20 


3-40 


13-07 


22-60 


9-67    I    9-53 


4-80 
1-40 


3-20 


12-85 


9*65 

4-82 
1-62 


2-96 


12-65 


22-33 


9-69  I     9-68 


4-84 
1-88 


1238 


N.  Stücker, 


• 

CO 

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6.     a^  (n  =  435  Schwingungen). 

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1242  N.  Stücker, 

Das  Verhältnis  — -  beträgt  im  ersten  Falle  1*2,  im  zweiten 

1-33.    Da  wir  wissen,   daß   für  —^  =  1-20  sich   a  =  0-24 

R!  •  ^ 

und   für  — ^  =:  1*33  sich  o'  zr  0*02  ergibt,  so  erhalten  wir 

R' 

R'        R 

— i- L  =  013  und  a— a'  =  0-22.   Handelt  es  sich  nun 

R'        R  j^, 

darum,  zu  ermitteln,  für  welchen  Wert  von  —  a  =z  0  wird, 

R 

so  stellen  wir  die  einfache  Proportion  auf: 


{a—af):a=  (^^^):x. 
^  \R'        R/ 


Nach  Einsetzung  der  entsprechenden  Werte  erhalten  wir: 

;,^fÄ_A)_^      =0-14. 

^R'        R/a—a! 

R' 

Bei  einem  Werte  von zr  1*20+0-14  zr  1-34  wird  also 

R 

das  Korrektionsglied  gleich  Null  werden. 

Der  Unterschied  zwischen  meinen  Beobachtungen  und 
den  nach  der  Helmholtz'schen  Formel  berechneten  Werten  dürfte 
vielleicht  darin  liegen,  daß  die  Schallgeschwindigkeit  und  mit  ihr 
auch  das  Korrektionsglied  bei  verschiedener  Temperatur  nicht 
gleich  sind.  So  z.  B.  betrug  die  Wellenlänge  für  den  Ton  a* 
bei  den  Versuchen,  die  ich  im  Herbst  bei  einer  Zimmer- 
temperatur von  15*  C.  anstellte,  um  einige  Millimeter  weniger 
als  bei  den  im  Sommer  bei  einer  Zimmertemperatur  von  23"  C. 
angestellten.  Die  Folge  davon  war,  daß  sich  auch  das  Kor- 
rektionsglied änderte.  Vielleicht  wäre  nun  die  Helmholtz'sche 
Formel  auch  experimentell  zu  verwenden,  wenn  man  an  der- 
selben noch  die  Korrektion  der  Temperatur  anbrächte. 

Aus  den  Tabellen  ersieht  man  ferner,  daß  die  Schall- 
geschwindigkeit in  sehr  engen  Röhren  abnimmt,  was  auf  eine 
Reibung  der  Luft  an  den  Glaswänden  der  Röhre  zurück- 
zuführen sein,  möglicherweise  aber  auch  darin  seinen  Grund 


Lage  der  Knotenpunkte  in  Röhren.  1 243 

haben  dürfte,  daß  die  Schwingungen  der  Luft  nicht  mehr  rein 
adiabatisch  erfolgen. 

Es  bleibt  mir  nun  nur  noch  die  Pflicht,  meinem  hoch- 
verehrten Lehrer,  Herrn  Dr.  L.  Pfaundler,  für  die  Über- 
lassung der  nötigen  Apparate  sowie  für  die  gütige  Anleitutig 
bei  meiner  Arbeit  meinen  aufrichtigsten  Dank  auszusprechen. 


Sitzb.  d.  mathem.-natarw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  83 


1245 


Über  die  Bestimmung  der  thermischen 
Änderung  des  Torsionsmoduls  aus  den 
Temperaturänderungen  bei  der  Torsion 

von  Stäben 


von 


Anton  WaOmuth, 
k.  M.  k.  Akad. 

(Mit  1  Textflgur.) 

(Ausgeführt  mit  Unterstützung  der  Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher 
Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur  in  Böhmen.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  31.  November  1007.) 

Im  Jahre  1902^  habe  ich  darauf  hingewiesen,  daß  sich  aus 
den  Temperaturänderungen  bei  der  Biegung  die  thermischen 
Änderungen  des  Elastizitätsmoduls  und  aus  denen  bei  der 
Torsion  die  des  Torsionsmoduls  ermitteln  lassen  müssen. 

In  einer  1906^  erschienenen  Arbeit,  welche  sich  mit  der 

gleichförmigen   Biegung   von   Stäben    aus   Platin,   Palladium, 

Stahl,  Nickel,  Kupfer,  Gold,  Silber,  Aluminium  und  fünf  Arten 

von  Messing  befaßte,  konnte  ich  dartun,  daß  sich  wirklich  aus 

den  dabei  auftretenden  Temperaturänderungen  die  Änderungen 

des  Elastizitätsmoduls  E  mit  der  Temperatur  7,  d.  i.  die  Größen: 

1    dE 
3  — an  der  Hand  der  Voigt'schen  Formel  finden  ließen, 

E  dT 
indem  sich  bei  verschieden  starken  Biegungen  nahe  konstante 
Werte  von  e  ergaben,  die  in  guter  Übereinstimmung  standen 


1  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.    111,   Abt.  II  a,  Juli  1902;  Ann.  d.  Phys., 
Bd.  11,  1903,  p.  159;  Boltzmann,  Festschrift  1904,  p.  560. 

2  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  115,  Abt.  IIa,  März  1906.    Eine  vorläufige 
Mitteilung  erfolgte  im  Herbste  1905  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Meran. 

83* 


1246 


A.  Waßmuth, 


mit  jenen  Zahlen,  wie  sie  von  anderen  Beobachtern  nach  ,ganz 
anderen  Methoden  erhalten  worden  waren.  In  der  vor- 
liegenden Untersuchung  soll  nun  gezeigt  werden,  daß  sich  ganz 
analog  aus  den  Temperaturänderungen  bei  der  Torsion  von 
Metallstäben  an  der  Hand  der  von  mir  schon  1889*  auf- 
gestellten Formel  die  Änderungen  des  Torsionsmoduls  F  mit 

1    dF 

der  Temperatur  T,  das  ist  die  Größen:  if]  = ermitteln 

F  ilT 

lassen.  Die  zu  tortierenden  Stäbe  waren  (Figur)  in  hori- 
zontaler   Lage    mit    beiden    Enden    in    starke,    zylindrische 


Messinghülsen  eingeklemmt;  die  eine  dieser  Hülsen  (in  der 
Figur  rechts)  war  unverrückbar  fest  mit  einem  Gestelle  ver- 
bunden, während  die  zweite  (links)  sich  verjüngend  zum 
Mittelpunkte  einer  auf  der  Achse  des  Stabes  senkrechten  Kreis- 
scheibe aus  Holz  führte.  Durch  Drehen  dieser  Scheibe  um  diese 
Achse  konnte  der  Stab  mehr  oder  weniger  stark  tortiert  werden. 
Das  Drehen  der  Scheibe  erfolgte  durch  Anhängen  von  Gewichten 
an  eine  starke  seidene  Schnur,  die  in  einer  Rinne  um  den 
Umfang  der  Scheibe  herumgelegt  war.  Der  Drehungswinkel 


1  Waßmuth,  diese  Sitzungsberichte  1889,  Bd. 98,  Abt.  IIa,  p.  1393-1408. 


Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls.  1247 

konnte  sowohl  an  einer  Gradeinteilung,  wie  ^uch  d^^urch 
gemessen  werden,  d^0  die  Höhe,  um  die  das  2i\ilegegewiqht 
fiel,  an  einer  vertikalen  noch  eine  Ablesung  von  0*1  fnm  ge- 
stattenden Skala  gemessen  wurde.  In  bekannter  Weise  ließ 
sich  hieraus  der  Torsionsmodul  F  mit  einer  hier  hinreichenden 
Sicherheit  berechnen. 

Die  Temperaturänderungen  wurden  ^  ganz  analog  wie 
früher  —  durch  ein  Thermoelerrient  au3  Eisen  und  Konstantan, 
das  in  der  Mitte  jedes  Stabes  eingelötet  und  durch  leichte, 
breite  Kupferstreifen  mit  dem  (auch  früher  verwendeten) 
Galvanometer  von  kleinem  Widerstände  verbunden  w^r, 
angezeigt  Die  thermoelektrische  Konstante  /?,  d.  i.  jener  Aus- 
schlag, der  bei  einer  Temperaturdifferenz  der  Lötstellen  von 
1  *  und  dem  Gesamtwiderstande  von  1  Ohm  eintritt,  wurde  für 
die  entsprechende  Schwingungsdauer  wiederholt  neu  bestimmt, 
zeigte  sich  aber,  da  stets  gleiche  Sorten  von  Eisen  und  Kon- 
stantan  verwendet  wurden,  gegen  früher  nur  wenig  geändert. 
Der  tortierte  Stab  mit  den  beiden  Hülsen  befand  sich  in  einem 
hölzernen  Gehäuse  und  war  übrigens  sorgfaltig  mittels  Pappen- 
deckel und  Watta  gegen  Luftströmungen  geschützt;  nur  die 
Drehscheibe  und  der  sie  tragende  Stiel  ragten  aus  dem  Gehäuse 
heraus.  Die  Zuleitungsdrähte  befanden  sich  in  Kautsqhuk- 
röhren,  die  noch  mit  Watta  —  gleichwie  das  Galvanometer  — 
umgeben  waren.  Vor  Beginn  der  Versuche  blieb  der  Apparat,  in 
sich  geschlossen,  mehrere  Tage  stehen,  damit  die  Temperatur- 
unterschiede sich  ausgleichen  konnten. 

War  A  der  erste  Ausschlag,  {x^—^x^  die  erste,  {x^ — x^ 
die  zweite  Distanz  der  Umkehrpunkte  und  bezeichnet  K  das 
Dämpfungsverhältnis  beim  Widerstand  w,  so  berechneten  sich 
analog  (1.  c.  p.  229)  die  Temperaturänderungen  t  aus  den 
Formeln: 


t  =r 


X.w 
R    ' 


Y)  [(*i— *s)  +  (*s— «s)] 


K     \2 
Für  die  meisten  Versuche  ergab  sich:  (-r? t-)  =0'315. 


1248  A.  Waßmuth, 

Die  bei  der  Biegung  gewonnenen  Erfahrungen  ließen  es 
auch  hier  angezeigt  sein,  folgende  Punkte  insbesondere  her- 
vorzuheben: 

I.  Jeder  der  untersuchten  Stäbe  mußte  sich  im  Normal- 
zustande beßnden^  was  durch  vielfaches  Kochen  und  Abkühlen 
stets  erreicht  wurde. 

IL  Um  gewisse  konstante  Fehlerquellen  zu  vermeiden, 
war  es  wünschenswert,  die  Differenzen  der  Temperatur- 
änderungen dann  in  Rechnung  zu  stellen  (l.  c.  p.  301),  sobald 
es  zweifellos  war,  daß  man  die  Grenzen  der  vollkommenen 
Elastizität  nicht  überschritten  hatte. 

Unter  Berücksichtigung  dieser  Umstände  ergaben  sich 
auch  hier  —  wie  sich  zeigen  wird  —  nahe  konstante  Werte 

1   dF 

iüT  fi^zz -—--—.  sobald  vollkommene  Elastizität  vorhanden 
*       F  dl 

war.   Die    Berechnung    der   Größe   t)   aus   den    beobachteten 
Temperaturänderungen   t   erfolgte    nach    der  von    mir^  ent- 
wickelten und  etwas  umgeänderten  F*ormel. 
Ich  hatte  gezeigt,  daß 

C.a.T  _,  r^  w^  —  fi^ 

-T^='^-^-4^^  (1. 

sein  müsse,  falls  der  um  den  Torsionswinkel  w^  schon  tortierte 
Stab  vom  kreisförmigen  Querschnitte  (Dicke  2r,  Länge  /,  spe- 
zifisches Gewicht  b,  spezifische  Wärme  der  Gewichtseinheit  O 
durch  weitere  Torsion  auf  den  Torsionswinkel  w^  gebracht 
wurde.  Führt  man  in  diese  Gleichung  statt  der  Torsionswinkel  w 
die  Momente  2\I  mit  Hilfe  der  Beziehungen: 

M,=F.^.r^*^l     und      A/,  =  i^.  ^ .  r*  *?? 

ein,  so  resultiert  die  benützte  Formel: 

C.a.i_7i.(Af|-Mf) 
T     "      F.ir^r«  ^"^ 

Sie  liefert  die  Temperaturänderung  t,  wenn  y]  bekannt  ist 
und  die  Torsion  vom  Momente  M^  aus  zum  Momente  M^  weiter 
geführt  wurde.*  Umgekehrt  ließ  sich  an  der  Hand  dieser  Formel 


^  L.  c.  p.  1397  und  Boltzmiutn,  Festschrift  p.  562. 
2  Zu  demselben  Ausdrucke  gelangte  auf  anderem  Wege   auch  Voigt. 
Thermodynamik  I,  p.  331  und  332. 


Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls.  1249 

aus  dem  beobachteten  t  das  zugehörige  tj  —  mit  gleicher 
Annäherung  —  berechnen;  dabei  war  —  wegen  r^  —  ins- 
besondere die  Dicke  2  r  der  Stäbe  mit  großer  Sorgfalt  zu 
messen.  Der  Torsionsmodul  F  wurde  direkt  durch  Verdre- 
hungen ermittelt.  Wenn  nämlich  ein  Drehmoment  von  p  kg- 
Gewichten  am  Hebelarm  a  mm  am  einen  Ende  des  Stabes 
wirkend  daselbst  eine  Drehung  um  b  Bogengrade  bewirkt, 
so  ist  bekanntlich  ^ 

E-       2    /         57-3  ,_, 

Der  Hebelarm  a  entsprach  nahe  dem  Radius  der  Kreisscheibe 
und  war  a  =  1 05  •  5  mm. 

So  war  z.  B.  für  einen  Stahlstab  an  einer  vertikalen  Skala 
ermittelt  worden,  daß  das  drehende  Gewicht  im  Mittel  um 
\b'7Amm  sank,  wenn  es  stetig  um  je  100^=:  O'lig  ver- 
größert wurde.  Hieraus  rechnet  man  den  Drehungswinkel 
h  =  8 •694*  und  erhält  aus  (3)  mit  a  =  105*5,  /  =  168-  7  mm, 
pzziO'lkg  und  r  =  0-9825  wm  den  Torsionsmodul  des 
Stahles:  Fziz  8014  kg/mm',  was  mit  anderen  Beobachtungen 
stimmt  So  hat:  Voigt  8070,  Gray  7965  und  Wagner 
8075  kglmm\ 

Stahl. 

Mit  einem  Stahlstabe  —  Dicke  1  •  980  mm  —  (von  Martin 
Miller  in  Wien)  wurden  eine  ganze  Anzahl  von  Beobachtungen 
ausgeführt,  von  denen  die  vom  8.  November  1906  mitfolgend 
angeführt  sind. 

Dabei  wurden  —  vgl.  Kolonne  7  der  Tafel  —  nur  jene 
Ausschläge  der  Rechnung  zu  Grunde  gelegt,  wie  sie  sich  beim 
Abheben  der  Gewichte,  also  bei  der  Detorsion  ergaben.  Bei 
der  Torsion  findet  man  meist  kleinere  Zahlen,  da  hier  die 
Wirkung  erst  allmählich  eintritt. 

Es  blieben  stets  50^  angehängt  und  stellt  p  das  Zulege- 
gewicht vor.  Die  Schwingungsdauer  T  war  4*22'',  wozu  eine 
thermoelektrische,  direkt  ermittelte  Konstante  i?=  1896  gehörte. 
Der   gesamte   Widerstand    war  w  ■=z  0*600   Ohm    und    das 


1  Kohlrausch,  Lehrbuch  der  praktischen  Physik  1901,  p.  205. 


1250 


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1231 


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1252  A.  Waftmutb, 

Die  thermische  Änderung  r^  des  Torsionsmoduls  wäre 
sonach  für  Stahl  tj  =r  3'22xlO~*;  für  Eisen  hat  Schaefer 
auf  andere  Art  3-035X  10"^  erhalten. 

Nickel. 

Chemisch  rein  von  der  Berndorfer  Metallfabrik  bezogen;  es 
ist  dies  ein  Stab  von  derselben  Sorte  wie  Nim  ^^^  ^^^  Biegungs- 
versuchen. Dicke  2r^  \'76mm;  spezifisches  Gewicht  a  — 
8*915,  spezifische  Wärme  0'109.  Der  Torsionsmodul  wurde 
mit  Hilfe  der  Formel  (3)  ermittelt  und  gefunden:  als  Mittel  aus 
10  gut  stimmenden  Werten  b=i  12-564**  zu  pz=zO'\  kg,  so 
dafl  für  a  =  106  mw,  /  =  154  2  erhalten  wird 

F=Sl37'7kg/fnm', 

Bei  den  Beobachtungen  über  die  Temperaturänderungen : 
bei  der  Torsion   war  die   Schwingungsdauer:   4*135",  somit 

R  =  {   aTöö'J  ^  ^^^^  ~  ^^2^  ^"^  der  Widerstand  w=0*935ß. 

Demnach  ergaben  sich  die  beobachteten  t  aus:  log  r  zu  0*  7105— 
—  4-1-  log  X.  Zur  Berechnung  der  r^  diente  die  Differenz- 
methode, indem,  wenn  Ar  die  Differenz  von  zwei  aufeinander 
folgender  Werte  der  t  —  und  ebenso  M^  und  M^  zwei  auf- 
einander folgende  Momente  —  darstellt,  sich  t)  ergab,  nach 
der  Formel: 

logT]  =  \ogäz  — log  [Ml  — Ml]  — 0-2910'^  12. 

Die  erhaltenen  Werte  der  y)  sinken  und  steigen  je  nach  der 
Belastung  und  geben  als  Mittelwert:  7)  =  4*  105  X  10"*.  Mit 
diesem  Mittelwerte  sind  die  t^  berechnet  worden,  die  ersichtlich 
eine  gute  Übereinstimmung  mit  den  beobachteten  t  aufweisen. 


Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls. 


1253 


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1254 


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Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls. 


1255 


Die  Abweichung  zwischen  Rechnung  (t^)  und  Beob- 
achtung (t)  bleibt  unter  3  7o  ^^^  ist  bald  positiv,  bald  negativ. 
Auch  sieht  man  ein,  daß  und  warum  dieselbe  sich  anders 
verhält  wie  die  Abweichungen  der  verschiedenen  t)  von  ihrem 
Mittelwerte.  Wir  haben  eben:  log  t*  =  0-2910 —  12  +  log 
4- 105  X  10"*  4-  log  (M^  —  Ml),  abhängig  von  M^,  während  in 
der  obigen  Formel  für  log  yj  die  zwei  benachbarten  M^  und  M^ 
auftreten. 

Ein  zweiter  Nickelstab,  ebenfalls  chemisch  rein,  mit  der 
Dicke  f  r=  1  •  950  mm  gab  bei  den  Torsionsbeobachtungen 
mit  fc  =:  7  •  5*  und  /  =  1 54  den  Torsionsmodul  F  =  8630  kg/mm*. 
Bei  den  Temperaturbeobachtungen  war  die  Schwingungsdauer 
4-32",  R  =  1987,  w  z=  0*700  und  logt  =  0^5469— 4 -h log X. 


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ab 

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5-8 

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3-9 

3-86 
3-42 

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0-0001296« 

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5-90 

ab 
ab 

9-7 
9-1 

6-9 
5-7 

5-7 
4-9 

5-75 
5-78 

5-870 

0002068« 

0-00216« 

ab 

9-5 

6-3 

4-7 

6-05 

250/  ab 

14-4 

9-5 

8-0 

8-92 

ab 
ab 

14-2 
14-7 

10-0 
9-7 

8-0 
7-8 

8-56 
9-22 

8-838 

00031 14" 

0-00324« 

ab 

14-6 

9-8 

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8-65 

1256 


A.  Wafimuth, 


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Mittel 
derX 


Beob- 
achtetes T 


Mittj  = 
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berech- 
netes t^ 


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ab 
ab 


350/  ab 
ab 


19-1 
18*8 
18-1 


14-1 
13-0 
12-5 


24-8 
26- 1 


17-2 
18  2 


11-5 
10-5 
10-5 

14-6 
14-5 


1108 
11-44 
10-90 


14-84 
18-85 


11-140 


0-003925* 


15-345 


0-005407' 


0-00454' 


-J 


0-00605 


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H 


Die  Diflferenzmethode  ergab  für  tj  X  10*  die  Werte;  4*00. 
4-16,  4-82,  2-81  und  4-31,  also  im  Mittel  4*02,  das  ist  einen 
analogen  Wert  wie  früher.  Die  letzte  Kolonne  bringt  die 
mit  diesem  t)  berechneten  t^  (bleibendes  Anhängegewicht  25^ 
nach  der  Formel:  log  t  =  log  tj  +  0-9982  —  13  -h  log  (AP —MD 


Kupfer. 

Dicke  2r  =  2'446 mm,  also  r  =  0'  1223  cm;  b  =  8-90: 
C  =  0-093;  Torsionsmodul  F:  Ein  Stück  von  der  Länge  von 
160  mm  wurde  im  Mittel  aus  zehn  Versuchen  tortiert  um 
^zz6-90'*,  wenn  Ol  kg  am  Arme  a  z=z  105-5  tnm  wirkten. 
Hiemit  gibt  die  Formel  (3)  für  F  =  3989  kg/mm',  während 
Schaefer  hiefür  3967  kg/mm'  hat. 

Bei  den  Beobachtungen  am  28.  September  1907  war  die 
Schwingungsdauer  3-88",  der  Widerstand  fv  m  0*735  Ohm,  so 
daß  die  beobachteten  t  sich  ergaben  aus: 

logt  =  0-6614  — 4  -+-  logX 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  nur  die  Ausschläge  beim 
Abheben  angegeben. 

Die  Berechnung  des  tj  erfolgte  nach  der  Formel: 

log  Y)  =  log  T  —  [log  (AP  —  iWJ)  +  0-8109  —  13], 

wobei  Ml  =  0-457  X  10^*  war. 


Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls. 


1257 


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1258 


A.  Wafimutb, 


Es  ergibt  sich  demnach  für  Kupfer  y]  1=  4*65  X  KT*, 
während  Schaefer  hiefiir  die  etwas  kleinere  Zahl  4*489  X  10"* 
fand. 

Die  größte  Abweichung  zwischen  Rechnung  und  Beob- 
achtung findet  sich  bei  der  letzten  Beobachtung;  wird  diese 
ausgelassen,  so  folgt  als  Mittel  t)  =:  4*55  X  10^*  und  die  Ober* 
einstimmung  wird  nun  eine  noch  bessere. 

Derselbe  Stab,  später  noch  einmal  untersucht,  ergab: 
Schwingungsdauer  4  •  46'',  i?  =  2 1 42,  w  =  0  •  7 1 5,  log  T  =  0  •  5235 
—  4  +  logX 


Erster 

Erste 
Distanz 

Zweite 

Distanz 

Gewicht 
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Aus- 
schlag 
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der 
Umkehr- 
punkte 

der 
Umkehr- 
punkte 

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X 

Deob- 
aehtetest 

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0-8 

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2-5 

2-1 

1-6 

1-35 

1-85 

0-000618" 

ab 

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1-5 

1-4 

1-69 

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3-6 

2-9 

3-76 

ab 

6-8 

5-7 

3-3 

3-98 

3-96 

0-00132' 

ab 

5-9 

3-4 

2-2 

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200^  ab 

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6-8 

4-1 

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ab 

8-9 

7-4 

56 

4-83 

5-68 

0-00190* 

ab 

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8-7 

6-6 

5-81 

250^  ab 

14-7 

11-6 

6-2 

9-13 

ab 

14-6 

12-8 

6-6 

8-52 

8-81 

0-00286'» 

ab 

14-3 

11-4 

6-4 

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16-0 

8-0 

14-08 

ab 

21-1 

16-8 

9-4 

12-89 

13-09 

0-00424* 

ab 

21-1 

17-4 

10-7 

12-29 

Die  beobachteten  t  weichen  sowenigab  von  denen  des 
Vortages,  dafl  sie  für  die  Konstanz  der  Erscheinung  sprechen. 


Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls.  1 250 

Gold. 

Chemisch  rein,  von  W.  C.  Heraeus  in  Hanau  frisch* 
bezogen.  Mittlere  Dicke  2r=  1-6917,  Dichte  19-3  und  spe- 
zifische Wärme  0-0316.  Der  Stab  wurde  nach  Einlöten  des 
Thermoelementes  40mal  gekocht  und  abgekühlt,  so  daß  der 
Normalzustand  wohl  erreicht  war.  Um  die  Grenze  der  voll- 
kommenen Elastizität  nicht  zu  überschreiten,  wurden  nur 
kleine  Gewichte  —  Maximum  50  g —  angehängt.  Man  erhielt 
dann  konstant  für  ein  Zulegegewicht  von  /;  =  10*5 ^z^ 
0-0105 i^  den  Torsionswinkel  bz=4'50^,  woraus  sich  nach 
Formel  (3)  für  /  =  156  der  Torsionsmodul  F  des  Goldes  ergibt  zu 

F  =  2750  kg/mfH\ 

Die  Beobachtungen  vom  9.  Oktober  1907  über  die  Tempe- 
raturänderungen T  bei  der  Torsion  sind  in  der  folgenden  Tabelle 
wiedergegeben,  wobei  wiederum  nur  die  Ausschläge  beim 
Abheben  notiert  sind,  und  stets  10^  angehängt  blieben.  Zur 

1    dF 
Berechnung  des  t]  ^=-^—rf-  diente  die  Gieichung: 

log T]  =  log  T  — [log  (A£>  —  JlfJ)  H- 0-0661  -  11]; 
dabei  war: 

M=z  10-6  X  980  X  (p  +  10) 
und 

AfJ  =  (10-6  X  981  X  10)»=  1010  X  1-082. 

Bei  den  Beobachtungen  blieben  stets  10^  an  dem  dünnen, 
um  den  Umfang  der  Scheibe  gelegten  feinen,  aber  festen 
Faden  hängen.  Es  war  ferner  der  Widerstand  fv  =  0*760  Ohm 
und  die  Schwingungsdauer  4-40",  wonach  sich  das  beob- 
achtete t  berechnet  aus:  logt  =  0-5665  —  4  -*-  logX, 


1  Der  bei  der  Biegung  gebrauchte  Goldstiib  konnte  leider  nicht  auch  zur 
Torsion  verwendet  werden,  was  im  Interesse  der  Gleichheit  des  Materials  wohl 
wünschenswert  gewesen  wäre. 

Sitsb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd..  Abt.  IIa.  84 


1260 


A  Wafimuth, 


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Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls.  1261 

Platin. 

Chemisch  rein;  mittlere  Dicke  2r  =z  1-50 fnm;  Dichte 
21-4  und  spezifische  Wärme  0*032.  Der  Stab  wurde  30mal 
gekocht  und  abgekühlt  und  nur  schwach  —  50  ^  Maximal- 
gewicht —  tortiert.  Da  der  Stab  nur  kurz  war,  so  wurde  er 
in  dicke  Messingzylinder  eingelötet;  die  zu  tortierende  Länge 
war  dann  /  rr  74  •  Qfnm  und  der  dem  Zulegegewicht  p:^Q'01kig 
entsprechende  Torsionswinkel  ^  =:  1  -725'.  Hiemit  findet  man 
—  Formel  (3)  —  den  Torsionsmodul  F  =  5280  kg/mm'.  Die 
folgende  Tabelle  bringt  die  Beobachtungen  über  die  Erwär- 
mungen t  bei  der  Detorsion;  die  Abkühlungen  bei  Anhängen 
der  Gewichte  —  der  Torsion  —  sind  nicht  notiert.  Bezeichnet 
wiederum  At  die  Differenz  von  zwei  aufeinander  folgenden 
Werten  von  t  und  ebenso  Auf*  =  ilf?  —  Äff  die  Differenz  der 
Quadrate  der  zugehörigen  Momente,  so  berechnet  sich  tj  aus 
der  Gleichung: 

Ar 
logtizulog h  11—0-0456. 

AM* 

Beobachtungen  vom  11.  Oktober  1907  am  Platinstab: 
Dicke  1-50.  Es  blieben  stets  10^  angehängt  und  stellt/?  das 
Zulegegewicht  vor.  Es  war  der  Widerstand  w  =i  0  •  797  und 
die  Schwingungsdauer  4'43'^  wonach  sich  das  beobachteter 
berechnet  aus:  log  tz=0*6013  —  4-4-  \ogX —  die  M}  sind  die- 
selben wie  bei  Gold. 


84* 


1262 


A.  WaSffluth, 


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Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls. 


1263 


Palladium. 

Chemisch  rein,  von  Heraeus  in  Hanau  bezogen;  Dicke 
1  •  75  mm.  Nach  dem  Einlöten  des  Thermoelementes  wurde  der 
Stab  30 mal  gekocht  und  abgekühlt.  Wurde  hierauf  dieser  Stab 
in  einer  Länge  von  157  mm  durch  je  ein  Zulegegewicht  von  10^ 
tortiert,  so  ergab  sich  ein  Drehungswinkel  &  =  2'02*  (im  Mittel). 
Hieraus  berechnet  sich  der  Torsionsmodul  F=:  5103  i^/ffif»', 
während  Seh  aefer  hiefür  die  etwas  kleinere  Zahl  461 3-7 i^/wnf* 
erhielt.  Schon  bei  diesen  Versuchen  hatte  sich  ergeben,  daß  bei 
einem  Anhängegewicht  von  80^  die  Grenzen  der  vollkommenen 
Elastizität  überschritten  wurden.  Noch  deutlicher  zeigten  dies 
die  Versuche  über  die  Temperaturänderungen  beim  Tortieren, 
Dieselben  wurden  erst  ausgeführt,  nachdem  der  Stab  fünf  Tage 
wohlverwahrt  stehen  geblieben  war;  die  Abweichung  von 
der  Ruhelage  (bei  offenem  Strom)  war  dann  in  der  Tat  sehr 
gering,  d.  h.  der  stets  vorhandene  Thermostrom  sehr  klein. 

Mit  der  Schwingungsdauer  4-38",  der  thermoelektri- 
schen  Konstante  R  rr  2042  •  5,  dem  gesamten  Widerstand 
fv  =  0*685,  ergab  sich  zur  Berechnung  der  beobachteten 
Erwärmungen  t  —  es  sind  aus  bekannten  Gründen  nur  die 
Ablenkungen  beim  Abheben  (Detorsion)  notiert  —  die  Be- 
ziehung: log  T  z=  0-5256  —  4  4-  log  X, 


bleiben 

stets 
hängen 


'2 


x^—x^ 


Mittel 
derX 


Beob- 
achtetes 


Berech- 
netes ri 


öOg  ab 
ab 
ab 
ab 


7b  g  ab 
ab 
ab 


1-5 
1-5 
1-6 
1-6 


2-5 
2-1 
2-6 


0-8 

0-6 

1-06 

0-9 

0-5 

1-06 

1-0 

0-5 

1-13 

1-09 

0-9 

0-7 

rio 

1-6 

1-1 

1-65 

0-8 

0-6 

1-66 

1-67 

1-5 

1-4 

1-69 

0- 0003656*» 


0-0O05601* 


10X2-9 


-4 


10X2 -0-* 


1204 


A.  WaSmuth, 


Dabei  ist  für  p  =  oOg,  Ml  =  10^^  X  0-2704  und  für 
p=z75g,Mlz=i  10^^  X  0-6084  zu  nehmen.  Man  erhält  so  für 
7j  die  Werte:  2-9  X  10"*  und  2*0  X  10"*.  Der  rasche  Abfall 
dieser  Beträge  weist  darauf  hin,  daß  schon  bei  75^  als 
Anhängegevvicht  die  Grenzen  der  vollkommenen  Elastizität 
überschritten  wurden.  Wir  haben  demnach  nur  den  bei 
kleinster  Belastung  (50^)  geltenden  Wert  zu  nehmen,  d.  i. 
für  Palladium  Y)=::10"*X 2 -9.  Schaefer  hat  hiefür  10-*x2-696. 

Kommen,  wie  beim  Silber  und  Aluminium,  neben  den 
geringen  Grenzen  der  vollkommenen  Elastizität  noch  ela- 
stische Nachwirkungen  dazu,  so  versagt  die  Methode, 
da  die  Voraussetzungen  der  Theorie  fehlen.  Mehrfache  Ver- 
suche  bestätigten  dies. 

Die  Resultate  aller  Versuche  bringt  die  nachfolgende  Tabelle, 

wobei    zu  jedem  t]  r=  -—  -  —  und  s  = Elastizitäts- 

^       t    dT  E   äT 

modul  E  —  der  Faktor  10"*  hinzuzudenken  ist  Die  Daten 
anderer  Beobachter  sind  den  Tabellen  von  Landolt-Börnstein 
1905,  Seite  43  u.  fg.  entnommen;  es  bedeutet:  S  (Schaefer), 
K  (Katzenelsohn),  G  (Gray)  und  V  (Voigt). 


Stahl  . . . 


P= 


8014 
8070 
7965 


V 
G 


Nickel  . . . 

F— 8137- 
7820 

0m 

i 
V 

Kupfer. . . 

F—  3989 
3587 
4199 

K 
G 

Gold 

F=2750 
2850 

V 

Platin  ... 

F=  5280 

Palladium 

F— 5103 
4613- 

7S 

1=3-22 


1=4105 


)=4*55 


Yi=4-37 


71=2-22 


Yj=2-9 


8=2-64 


£=3-247 


t=3o9 


6=4  09 


8=1-07 


j=2-05 


•^= 


3035  S 

Eisen, 
310   K 

Eisen 
3-38    G 

Stahl 


■/]=3-28    S 


•rj=4-489  S 
3-65  K 
1-60  G? 


•/]=3014S 
2-85   K 


•r|=l-78    S 
7-2    K? 

•r|=2-696  S 


:2-25S 

Eisen 
2-33  K 

Eisen 
2-47  G 

Stahl 


8=2  463  S 


8=3-627  S 


K=4-36   G 


8=0-732 


8=1-979  S 


Thermische  Änderung  des  Torsionsmoduls.  1 265 

Die  Betrachtung  dieser  Zahlen  zeigt,  daß  die  Werte  von  yj 
und  s,  wie  sie  nach  meinem  Verfahren  aus  den  Torsions-  und 
Biegungsversuchen  erhalten  wurden,  sich  nicht  sehr  weit 
entfernen  von  jenen,  wie  sie  andere  Beobachter  nach  völlig 
verschiedenen  Methoden  gefunden  haben.  Finden  sich  nach 
dem  thermodynamischen  Verfahren  größere  v),  so  gehören  stets 

auch   größere  s  dazu,   so  daß  das  Verhältnis  -  -  sich  wenig 

ändert. 

Ordnet  man  die  Metalle  nach  den  steigenden  Werten  der  t), 
so  resultiert  die  Reihe:  Platin,  Palladium,  Stahl,  Nickel,  Gold  und 
Kupfer,  wie  sie  auch  Schaefer  erhielt. 

An  den  Versuchen  hat  mit  Erfolg  und  regem  Eifer  Herr 
Dr.  R.  Wagner  teilgenommen. 


1267 


Über  einige  Zusammenhänge  zwischen 

speziellen  Quartiken 

von 

Heinrich  Wielcitner  in  Speyer. 

(Mit  8  Toxtfipiren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  14.  November  1907.) 

Die  letzten  Jahre  haben  die  mathematische  Literatur  um 
zwei  Werke  über  spezielle  Kurven  bereichert,^  von  denen 
besonders  das  von  G.  Loria,  soweit  man  dies  von  einem  ein* 
zelnen  Buche  überhaupt  verlangen  kann,  eine  umfassende 
Übersicht  über  das  weitverzweigte  Gebiet  der  speziellen  ebenen 
Kurven  gibt.  Die  meisten  von  den  vielen  bekannten  und  mit 
Namen  versehenen  Kurven  verdanken  ihre  Entstehung  irgend 
einem  besonderen  Anlaß  und  hängen  oft  mit  anderen  gleicher 
Ordnung,  ja  gleichen  Geschlechts  in  keiner  Weise  merkbar 
zusammen.  Es  ist  vielleicht  nicht  ohne  Interesse,  einige  dieser 
Kurven  einander  näher  zu  bringen.  Dies  soll  im  folgenden  für 
drei  Familien  von  Kurven  vierter  Ordnung  geschehen. 

I. 

In  diesem  ersten  Abschnitte  soll  ein  engerer  Zusammen- 
hang zwischen  den  Booth'schen  Lemniskaten  und  den 
spirischen  Linien  des  Perseus  einerseits,  zwischen  den 
PascaTschen  Schnecken  und  Cartesischen  Ovalen 
andrerseits,  der  zudem  für  beide  Gattungen  derselbe  ist,  nach- 


1  G.  Loria,  Spezieile  algebraische  und  transzendente  ebene  Kurven. 
Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1902.  —  F.  G.  Teixeira,  Tratado  de  las  curvas 
especiales  notables  Mem.  Real  Acad.  cienc.  Madrid,  t.  XXII,  1905. 


1268  H.  Wieleitner, 

gewiesen  werden.  Sowohl  Booth'sche  Lemniskaten  als  Pascal- 
sche  Schnecken  sind  Fußpunktskurven  von  Kegelschnitten. 
Die  allgemeine  Fußpunktskurve  eines  Mittelpunktkegelschnittes 
nun  ist  eine  allgemeine  bizi^kulare  Quartik  mit  Doppelpunkt. 
Dies  dürfte  bekannt  sein.  Sie  gehört  daher  zu  den  sogenannten 
»Potenzkurven«,  d.  h.  wenn  O  irgend  ein  Punkt  der  Ebene 
ist,  &  eine  beliebige  Gerade  durch  O  und  Pj,  Pg,  Pg,  P^  die  vier 
Schnittpunkte  von  &  mit  der  Kurve,  so  ist 

OPi .  OPg .  OP5 .  OP^  =  Const  (I) 

Diese  Eigenschaft  haben  alle  w-fach  zirkulären  Kurven  2ifter 
Ordnung.^ 

Man  kann  nun  —  das  ist  bis  jetzt,  wie  es  scheint,  nicht 
geschehen  —  nach  dem  Orte  aller  Punkte  P  der  Ebene  fragen, 
die  in  Bezug  auf  eine  Potenzkurve  gleiche  Potenz  haben. 
P  wird  dann  eine  Kurve  durchlaufen,  die  wir  »Kurve  gleicher 
Potenz«  nennen  wollen.  Ist  nun 

(i=f{x,y)  =  0  (2) 

die  Gleichung  der  Potenzkurve  6,  so  erhält  man  den  Wert  der 
Potenz  für  einen  Punkt  P  mit  den  Koordinaten  S,  tj,  indem  man 
in  (2)  x^  y  durch  S,  i]  ersetzt.  Dies  ergibt  eine  leichte  Ober- 
legung.  Ist  der  Wert/(S,ri)  =  11  und  wir  lassen  $,  ij  variieren, 
so  stellt 

%^f(x,y)-Wz:zQ  (3) 

eine  Kurve  gleicher  Potenz  II  in  Bezug  auf  E  dar.  Die 
Kurven  S)  treffen  die  Kurven  (£  nur  in  den  imaginären  Kreis- 
punkten, durch  die  sie  in  derselben  Richtung  wie  C  gehen. 
Für  kleine  Werte  von  11  läßt  sich  daher  die  Gestalt  der  Kurven  5) 
angeben,  indem  man  die  Konturen  von  ®,  ohne  (£  zu  über- 
schreiten, verfolgt  und  alle  Knoten  löst  oder  im  Falle  isolierter 


1  J.  Petersen,  Tids.  Math.  (2)  5,  1869;  später  ausführliche  Untersuchung 
über  d«n  GegensUnd  F.  P.  Ruffini,  Mem.  Acc  Bologna  (4)  10^  1890;  neuer- 
dings hat  das  Problem  gestellt  S.  Gondelfinger,  Aiich.  Math.  Phys.  (3)  2, 
1902,  356  (Antworten  ebenda  5,  84,  172,  309;  4,  352). 


Zusammeahänge  zwischen  Quartiken. 


1269 


Punkte  diese  entweder  verschwinden  läßt  oder  durch  kleine 
Ovale  ersetzt.^ 

Für  die  allgemeine  Fußpunktskurve  eines  Mittelpunkt- 
kegelschnittes ist  2)  nach  diesen  Darlegungen  eine  allgemeine 
bizirkulare  Quartik.  Nimmt  man  den  Mittelpunkt  des  Kegel* 
Schnittes  als  Pol,  so  wird  die  Fußpunktskurve  zur  Booth'schen 
Lemniskate.  Sie  hat  z.  B.  für  die  Ellipse  mit  den  Halbachsen 
a,  b  die  Gleichung 


{x^-^y^^  —  (a^x^-^-b^y^  =  0. 


(4) 


Fig.  1. 

Die  Kurven  gleicher  Potenz  bilden  dann  (bei  variablem  II) 
das  System 

{x^^yy  —  (a'^x^-^-by^  n:  W.  (5) 

Dies  sind  die  spirischen  Linien  des  Perseus.  Denn  sie  sind 
bizirkular  und  haben  zwei  Symmetrieachsen.  Im  übrigen  ist 
es  auch  leicht,  Gleichung  (5)  mit  der  sonst  für  diese  Kurven 
gegebenen  Darstellung  zu  identifizieren.  Alle  Kurven  (5)  haben 


1  Vagi,  den  §  28  von  des  Veriassers  »Theorie  der  ebenen  algebraischen 
Kurvsn  höherer  Ordnung«,  Leipzig,  G.  J.  Göschen,  1905  (Sammlung  Schubert, 
XLIII). 


1270  H.  Wieleitner, 


die  außerordentlichen  Brennpunkte  gemeinsam,   die  auf  den 

1       f-:r—r^  1 


Achsen   in    den  Entfernungen   ±  —  \/a^ — b-,  ±  —  \Jh^^a^ 

liegen.  Für  ^^  <  0  ist  der  zu  Grunde  gelegte  Kegelschnitt  eine 
Hyperbel;  insbesondere  wird  (4)  für  &*  =  — a*  die  Bernoulli- 
sche  Lemniskate  und  (5)  das  System  der  Cassinischen 
Kurven.  Fig.  1  gibt  das  System  (5)  für  den  elliptischen  Fall. 
Es  enthält  zwei  reelle  und  zwei  imaginäre  Kreise.  Die  reellen 
Schnittpunkte  der  letzteren  treten  auf  der  Hauptachse  als 
Grenzpunkte  der  reellen  Kurven  auf. 

Nimmt  man  den  Pol  beliebig,  legt  aber  als  Kegelschnitt 
einen  Kreis  zu  Grunde,  so  wird  die  Fußpunktskurve  eine 
PascaVsche  Schnecke.  Diese  hat  die  Gleichung 

(x^^y'^  —  2  rxy  —  /« {x'-^y^  =  0.  (6) 

Hiebei  sind  r  und  /  Radius  und  konstantes  Zwischenstück 
für  die  bekannte  ^konchoidale«  Erzeugung.  Die  Kurven  gleicher 
Potenz  bilden  das  System 

{x^^y^  —  2  rxf  —  /*  (x^^y^  =  U,  (7) 

Das  sind  Cartesische  Ovale  (im  weiteren  Sinne),  denn  sie 
haben  eine  Symmetrieachse  und  in  den  Kreispunkten  Spitzen 
wie  die  Pascal'schen  Schnecken.  Kreise  sind  nicht  in  dem 
System  (7)  enthalten,  wohl  aber  außer  der  zu  Grunde  gelegten 
noch  zwei  weitere  PascaFsche  Schnecken,  deren  eine,  wenn 
die  ursprüngliche  einen  Knoten  hatte,  eine  Form  mit  isoliertem 
Punkt  ist,  während  die  andere  im  Reellen  nur  den  isolierten 
Punkt  besitzt.  Diese  isolierten  Punkte  bilden  hier  die  Grenz- 
punkte der  reellen  Ovale.  Fig.  2  gibt  das  System  wieder.  Es 
konnten  aber  einige  Kurven  wegen  zu  großer  Annäherung  an 
die  ursprüngliche  Pascal'sche  Schnecke  nur  angedeutet  werden. 
Alle  Kurven  haben  den  einen  außerordentlichen  Brennpunkt, 
den  Schnittpunkt  der  beiden  Spitzentangenten  gemeinsam. 
Dies  ist  der  Mittelpunkt  der  der  konchoidalen  Erzeugung  aller 
drei  Pascarschen  Schnecken  zu  Grunde  liegenden  Kreise. 

Bemerkung.  Der  Vollständigkeit  wegen  sei  noch  angemerkt,  d«8  alle 
Fu0punktskurven  von  Kegelschnitten  auf  eine  sehr  einfache  Weise  gezeichnet 
werden  können.  Man  braucht  nämlich  nur  von  einem  bestimmten  Pol  Q  i»^ 


Zusammenhänge  zwischen  Quaitiken. 


1271 


die  Radienvektoren  zweier  Kreise  ^  und  ^  zu  addieren,  von  denen  ^  durch  Q 
geht  (»kissoidalec  Erzeugung).  Ist  der  Mittelpunkt  Af  von  it'  beliebig,  so  ergibt 
sich  eine  allgemeine  Fufipunktskurve  einer  Ellipse  oder  Hyperbel;  ist  Af  der 
Gegenpunkt  von  Q  auf  St,  so  entsteht  eine  Booth'sche  Lemniskate  und,  wenn  M 
mit  Q  zusammenfällt,  eine  Pascal'sche  Schnecke.  Artet  St'  in  eine  Gerade  aus, 
so  erzeugt  man  auf  dieselbe  Weise  die  Fufipunktskurven  der  Parabel  (Strophoide, 
Sluse'sche  Konchoide,  Kissoide  des  Diokles  u.  s.  w.).^ 


Fig.  2. 


n. 

Die  Kurve,  die  wir  in  diesem  Abschnitt  behandeln  wollen, 
steht  in  Loria's  Werk  ganz  isoliert.  Trotzdem  ist  sie  schon 
durch  ihren  Erfinder  bemerkenswert;  wir  meinen  die  Dürer- 
sche  Muschellinie.  Auch  M.  Cantor  führt  diese  Kurve  auf 


1  In  den  beiden  oben  genannten  Werken  ist  dies  nicht  zusammenfassend 
ausgesprochen.  Für  die  allgemeine  bizirkulare  rationale  Quartik  wurde  die 
kissoidale  Erzeugung  überhaupt  erst  in  den  Ann.  di  mat.  (3)  //,  1005,  von 
Teixeira  nachgewiesen.  Dort  ist  aber  nicht  erwähnt,  dafi  dies  Fuflpunkts- 
kurven  von  Kegelschnitten  sind.  Der  Verfasser  hatte  dieselbe  Erzeugung  übrigens 
gefunden,  bevor  ihm  Teixeira's  Abhandlung  bekannt  geworden  war. 


1272  H.  Wicleitncr, 

in  dem  2.  Bande  seiner  »Geschichte  der  Mathematik«  (2.  Aufl., 
Leipzig  1900,  p.  461)  und  sagt,  die  Muschellinie  Dürer's  sei 
»wohl  zu  unterscheiden  von  der  Konchoide  der  Alten«,  d.  h.  der 
Konchoide  des  Nikomedes.  Gerade  zwischen  diesen  beiden 
Kurven   aber   wollen  wir   einen    sehr  engen  Zusammenhang 
nachweisen,  indem  wir  zeigen,  daß  beide  demselben  Bewegungs- 
vorgang entspringen,  beide   in   einem  weiteren   Sinne   »Kon- 
choiden  der  Geraden«   sind.  Die  Konchoide  des  Nikomedes 
wird  bekanntlich  beschrieben  von  einem  festen  Punkte  P  einer 
Ebene  F,   wenn  diese    mit  einem   anderen   festen   Punkte  Q 
{QP  =  l)  auf  einer  Geraden  ®  einer  Ebene  T'  gleitet,  während 
die  Gerade  PQ  =  2  immer  durch  den   festen   Punkt  F  der 
Ebene  T'  geht.  Ist  FOJl®  und  FO  •=.  a,  so  ist  ihre  Gleichung 
in  Bezug  auf  O  als  Anfangspunkt 

^2y  —  {y^ay  (/^  —jk^.  (l) 

Die  Konchoiden  des  Nikomedes  sind  aber  nur  spezielle 
Bahnkurven  dieser  Bewegung,  da  ihr  erzeugender  Punkt  P  auf 
der  die  Bewegung  bestimmenden  Geraden  2  liegt.  Alle  übrigen 
Punkte  R  der  Ebene  F  beschreiben  ebenfalls  rationale  Quartiken, 
die  man  in  der  Kinematik  die  Koppelkurven  des  zentrischen 
Schleifschiebergetriebes  nennt,  die  wir  aber  hier  Heber  »schiefe 
Konchoiden  der  Geraden«  heißen  wollen.^  Indem  wir  von 
der  Bewegung  der  beiden  Ebenen  aufeinander  absehen,  können 
wir  nämlich  die  Erzeugung  einer  solchen  schiefen  Konchoide 
kürzer  folgendermaßen  ausdrücken  (vergl.  Fig.  3):  Es  ist  eine 
Gerade  @  gegeben  und  im  Abstände  a  von  ihr  ein  Punkt  F. 
Ein  konstanter  Winkel  o)  soll  sich  so  bewegen,  daß  sein  einer 
Schenkel  immer  durch  jFgeht,  während  sein  Scheitel  Q  auf  @ 
gleitet  Dann  beschreibt  ein  fester  Punkt  R  des  anderen 
Schenkels  {QR  =  T)  eine  schiefe  Konchoide  der  Geraden.  Wird 
CO  zz  0  oder  2iü,  so  ergibt  sich  die  Konchoide  des  Nikomedes, 


1  Siehe  z.  B.  F.  Ebner,  Leitfaden  der  technisch  wichtigen  Kurven,  Leipzig. 
Teubner,  1906,  p.  127  fr.  Dort  wird  die  Bewegung  ebenfiills  als  »koncboidiscbe« 
bezeichnet.  Übrigens  hat  schon  de  la  Hire  die  Bezeichnung  »Konchoide« 
in  unserem  Sinne  angewendet  in  der  Abhandlung  »Des  conchoides  ea  geoer«!«, 
Mem.  Ac.  Sc.  1708  (Paris  1730)  p.  32  bis  60. 


Zusammenhänge  zwischen  Quartiken. 


1273 


während  die  Dürer'sche  Muschellinie  für  <ö  =  —  entsteht.  Dies 

4 

scheint  bisher  unbemerkt  geblieben  zu  sein.  Man  erhält  für  den 
allgemeinen  Fall,  wenn  man  den  variablen  Winkel  OQF  mit  e 
bezeichnet 

X  Z=Z  a  ctg  8  —  /  cos  (ü)-|-8) 

y  •=.  — /sin  (w+e), 
woraus  durch  Elimination  von  s  die  Gleichung  entsteht 


(2) 


[xy  —  (y*+ay— l^)  tg  o)]»  =  (x  tg  (o -4-jk+  ay  (P  —y^     (3) 


Fig.  3. 


oder  in  sofort  verständlichen  Symbolen 


(3*) 


Die  Kurve  hat  einen  Knoten  im  unendlich  fernen  Punkt 
der  ;r-Achse,  außerdem  zwei  weitere  Doppelpunkte,  wo  die 
Gerade  Sl  die  Hyperbel  ^  schneidet.  Die  Tangenten  des  un- 
endlich fernen  Knotens  (Asymptoten)  sind  ^^  :=  ±  /  sin  co, 
während  die  beiden  Parallelen  y  z=zdtl  horizontale  Tangenten 
sind,  zwischen  denen  die  Kurve  liegt 


1274  H.  Wieleitncr, 

Für  CO  =  0  geht  (3)  in  der  Tat  in  (1)  über;  f ür  «  =:  ~ 
ergibt  sich 

(xy  —y^  —  ay+iy  =  (x^y^a)^  (/«  —y^,  (4) 

welche  Gleichung  sich  leicht  mit  der  sonst  für  die  Dürer'sche 
Muschellinie  gegebenen  identifizieren  liefie.  Wir  wollen  die 
Identität  aber  an  der  von  Dürer  selbst  mitgeteilten  Erzeugung 
erweisen.  Dürer  gibt  zwei  senkrechte  Achsen  (durch  O')  sowie 
auf  der  einen  den  festen  Punkt  A  (ACy  =  2a).  Dann  läßt  er 
eine  Gerade  sich  so  bewegen,  daß  immer  AQ  =:  C/N  ist  Ein 
Punkt  R  von  QN  beschreibt  die  Kurve,  wenn  Q  auf  A(y  gleitet* 
Zieht  man  nun  AA'  unter  45*  gegen  A(y  und  nennt  F  den 
Fußpunkt  des  Lotes  von  CX  auf  >L4',  so  ist  ANFA'  ^  AOQF 
und  A  OFN  ^  A  AFQ,  also  A  NFQ  gleichschenkelig-recht- 

IC 

winklig,  d.  h.  <3C  FQN  =  cö  zz  — .  Damit  ist  die  eine  Erzeugung 

4 

auf  die  andere  zurückgeführt  Es  ist  nur  AO  =  OF  m  Off  —  <* 
zu  nehmen.  Die  Gerade  QN  hüllt  bekanntlich  eine  Parabel  mit 
F  als  Brennpunkt  ein. 

Unter  den  Kurven  (3)  befindet  sich  außer  der  Konchoide 

des  Nikomedes  noch  eine  symmetrische  Form,  für«  =:  — , 

die  man  »Orthokonchoide  der  Geraden«*  nennen  kann.  Ihre 
Gleichung  lautet 

(y2^ay  —  l^^  =  x\l^  -y^.  (5) 

Bemerkung.  Da  in  den  beiden  eingangs  zitierten  Werken  der  Begriff 
der  schiefen  Konchoiden  überhaupt  nicht  erwähnt  ist,  sei  hier  ergänzend  bei- 
gefügt, daß  die  schiefen  Konchoiden  des  Kreises  (mit  dem  Pol  auf  dem  Kreise) 
mit  den  gewöhnlichen  Konchoiden,  d.  h.  den  Pascal'schen  Schnecken  identisch 
sind.  Dies  geht  aus  dem  elementaren  Satze  vom  Peripheriewinkel  hervor. 


1  Siehe  die  »Under^'eysung  der  messung  mit  zirckel  und  richtscheyt«, 
Nürnberg  1525;  dazu  vergl.  v.  Braunmühl  »Historische  Studie  über  die 
organische  Erzeugung  ebener  Kurven«  im  Katalog  matb.-phys.  Modelle  etc., 
München  1892,  p.  62;  S.  Günther,  »Albrecht  Dürer  einer  der  Begründer  der 
modernen  Kurvenlehre«,  Bibl.  math.  1886,  p.  139. 

2  J.  Neuberg,  Mem.  Soc.  Sc.  Liege  (3)  5,  Nr.  7  »Sur  les  tignes  tracees 
par  le  curvigraphe  Victor  Lebeau«. 


Zusammenhange  zwischen  Quartiken.  1 275 

in. 

In  demselben  Kapitel,  in  welchem  Loria  die  Dürer'sche 
Muschellinie  behandelt,  führt  er  noch  eine  andere  rationale^ 
zirkuläre  Quartik  auf,  deren  einer  Doppelpunkt  unendlich  fern 
liegt,  die  aber  mit  der  Muschellinie  keinerlei  Zusammenhang 
aufweist,  d.  i.  die  Trisekante  von  P.  Delanges.  Diese  wollen 
wir  als  Spezialfall  aus  einer  Konstruktion  ableiten,  die  zugleich 
noch  einige  weitere,  ebenfalls  ganz  vereinzelt  stehende  rationale, 
Zirkulare  Quartiken  bei  anderer  Spezialisierung  der  Konstanten 
liefert,  vor  allem  das  sogenannte  Zweihorn  (Kremphut)  und 
die  Kappa-Kurve. 

Die  angedeutete  Konstruktion  ist  die  folgende:^  Es  sind 
zwei  Kreise  D  und  Ä  mit  den  Mittelpunkten  0  und  jBT  gegeben. 
Die  Radien  seien  beziehungsweise  a  und  2^,  die  Mittelpunkts- 
entfemung  w.  Zu  jedem  Punkte  A  auf  Ä  suche  man  die  Polare 
in  Bezug  auf  D,  die  man  mit  der  durch  A  zu  OK  gezogenen 
Parallele  in  P  zum  Schnitt  bringt.  Dann  beschreibt  P  eine 
Kurve,  deren  Gleichung  (für  O  als  Ursprung  und  OK  als 
r-Achse)  ist 

(x^'\-my—aY^y^{x^  —  b^  =  0.  (1) 

Diese  Kurve  hat  für  alle  Werte  von  a,  b,  m  folgende  Eigen- 
schaften. Der  unendlich  ferne  Punkt  der_y-Achse  ist  ein  Doppel- 
punkt mit  den  beiden  Tangenten 


^  =  ±  \Jb^—fn\  (2) 

ferner  sind  die  beiden  auf  der  ^-Achse  liegenden  Punkte  von  D 
Doppelpunkte  der  Kurve.  Sie  haben  zu  Tangenten  die  Geraden- 
paare 

y     __  2a 


x-±La       ni±  \Jb^  —  ä^ 


(3) 


Die  Kurve  geht  immer  durch  die  Schnittpunkte  von  O 
und  Ä.   Sie   ist   im   Endlichen   geschlossen,   wenn   b  <  m\ 


1  Die  leicht  zu  zeichnenden  Figuren  zu  diesem  Abschnitt  überlassen  wir 
dem  Leser. 

Sitzb.  d.  roathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  85 


1276  H.  Wieleitner, 

für  b  =zfn  hat  sie  den  unendlich  fernen  Punkt  der  ^'-Achse  zur 
Spitze.  Die  beiden  endlichen  Doppelpunkte  sind  Knoten,  solange 
b  >  Uy  Spitzen  für  &  =  a  und  isolierte  Punkte  für  b  <c  a.  Daß 
X  :=  ±b  die  die  Kurve  einschließenden  vertikalen  Tangenten 
sind,  erhellt  schon  aus  der  Erzeugung. 

Die  oben  erwähnten  Spezialisierungen  sind  nun  folgende. 
Sind  die  beiden  Kreise  0  und  ffi  konzentrisch  (w  =  0)  und 
zugleich  b  =,  a\/2,  so  erhalten  wir  die  Trisekante  mit  der 
Gleichung 

{x'-hy^  {2a^~x'^  —  a*  =  0.  (4) 

Sind  die  beiden  Kreise  O  und  St  gleich  (2^  =  a)  und 
berühren  sich  außerdem  (m  •=:  2a),  so  entsteht  das  Zweihorr 
mit  der  Gleichung 

(x^+y^+4ay  —  a^  {x^  —  a^  +  4ay  =  0.  (5) 

Nun  kann  aber  a  auch  gleich^Null  werden.  Dann  rücken 
die  zwei  endlichen  Doppelpunkte  zusammen  und  es  entsteh 
auf  jeden  Fall  ein  Berührungsknoten  in  0.  Die  Gleichung  lautet 

{x'-^-myY'^'y^x'  —  b')  =  0.  (6) 


Diese     läßt     sich,    wenn     man    w  4-  \/w^  —  ^*  =  {t, 
m  —  Vw" — b^  =:  V  setzt,  in  die  Form  bringen 


2x=  V->'(jy+2|x)  -h  \/—y(jy+2^).  (6*) 

Dies  ist  demnach  eine  Familie  von  Quartiken,  die  man 
nach  Cayley  »polyzomal«  nennt.  Aus  der  Gleichung  (6*) 
ersieht  man,  daß  diese  Kurven  aus  zwei  sich  in  0  berührenden 
Kreisen  konstruiert  werden  können  mit  den  Gleichungen 

^2-1-^4-2  ^y  =  0,  ^«+y +2  yy  =  0,  (7) 

indem  man  zu  je  zwei  zur  selben  Ordinate  gehörigen  Abszissen 
das  arithmetische  Mittel  nimmt.  Diese  Kreise  und  daher  die 
Konstruktion  sind  aber  nur  reell,  wenn  die  Kurve  sich  im  End- 


Zusammenhänge  zwischen  Quartiken.  1277 

liehen  schließt  {m  >  h).  Hiezu  gehört  z.  B.  der  Fall  bz=:  a  \/2, 

3 
w  zu a,  der  die  Kurve  gibt 

2 

2x=z  \/y(2a— j/)  +  V>(4a— j^),  (8) 

die  Loria  (p.  180)  als  aus  Cramer's  »Introduction  ä  l'analyse 
des  lignes  courbes  algebriques«  stammend  zitiert. 

Zur  zweiten  Gattung  (m  <  b)  gehört  der  Fall  w  =z  0.  Die 
Kurve  hat  in  diesem  Falle  die  Gleichung 

x^  (x^-{^y^  —  b'Y  =  0-  (9) 

Das  ist  die  sogenannte  Kappa-Kurve.  Sie  hat  die  Polar- 
gleichung 

•    9  =  bctgff.  (9*) 

Die  Geraden  x  =z  dzb  sind  Wendetangenten  im  unendlich 
fernen  Knoten.^  Daß  die  Kappa-Kurve  eine  Polyzomalkurve  ist, 
scheint  nirgends  erwähnt  zu  sein.  Die  zugehörige  Gleichungs- 
form lautet 


2x  =  V—y  (^+2  bi)  +  \/—y  Cy—2  bi).  (9t) 

Auf  einige  naheliegende  ]^ Verallgemeinerungen  unserer 
Konstruktion,  die  nicht  -  symmetrische  oder  nicht  -  zirkuläre 
rationale  Quartiken  liefern  würden,  wollen  wir  nicht  eingehen. 
Wir  wollen  nur  den  allgemeinen  Charakter  der  Transformation 
angeben.  Es  entspricht  dem  Kreise  ft  ein  Kegelschnitt  6  als 
polarreziprok  in  Bezug  auf  O.  Dem  Tangentensystem  von  ® 
wird  das  Strahlbüschel  durch  den  unendlich  fernen  Punkt  der 
^'-Achse  so  zugeordnet,  daß  jedem  Strahl  dieses  Büschels  zwei 


1  Hienach  beruht  wohl  die  Bemerkung  Loria's  (p.  182),  daß  die  Kappa- 
Kurve  vom  projektivischen  Standpunkte  aus  von  derKonchoide  des  Nikomedes 
nicht  verschieden  sei,  auf  einem  Versehen.  Von  V.  Retali  wurde  die  Kappa- 
Kurve  durch  eine  besondere  Transformation  abgeleitet,  die  im  allgemeinen 
Kegelschnitte  in  rationale  Quartiken  mit  einem  Inflexionsknoten  überfuhrt  Auch 
alle  bekannten  speziellen  Kubiken  mit  Doppelpunkt  erhält  man  durch  dieselbe 
Konstruktion.  Siehe  die  Abhandlung  »Sur  une  transformation  geometrique«, 
Mem.  Soc.  Sc.  Liege  (3)  2,  1900. 

85* 


12 78  H.  Wieleitner»  Zusammenhänge  zwischen  Quartiken. 

Tangenten  von  6,  jeder  Tangente  von  S  aber  nur  ein  Strahl 
des  Büschels  entspricht.  Es  liegt  also  eine  (l,2)-Korrespondenz 
zwischen  einem  Strahlenbüschel  erster  und  einem  zweiter 
Ordnung  vor.  Indem  man  die  Koinzidenzpunkte  auf  einer 
beliebigen  Geraden  sucht,  findet  man  mittels  des  Chasles'schen 
Korrespondenzprinzipes,  daß  die  Ordnung  des  Erzeugnisses  4 
sein  muß.  Da  die  Punkte  der  erzeugten  Kurve  aber  eindeutig 
den  Tangenten  des  Kegelschnittes  ®  zugeordnet  sind,  muß  die 
erzeugte  Quartik  wie  der  Kegelschnitt  vom  Geschlechte  Null 
sein,  also  drei  Doppelpunkte  haben.  Diese  sind  bei  ganz  allge- 
meiner Lage  das  Zentrum  des  linearen  Büschels  und  die 
Berührungspunkte  der  von  diesem  Zentrum  an  0  gelegten 
Tangenten.  St  und  O  mögen  dabei  irgend  welche  Kegel- 
schnitte sein. 


1 


Defant  A.,  Über  die  Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  bei  mit  der 
Höhe  variablen  Tempeniturgradienten. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1 181  —  1 198. 


Luftdruck,  Über  die  Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  bei  mit  der 
Höhe  variablen  Temperaturgradienten. 

Defant  A.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116(1907), 
p.  1181  -1198. 


Temperaturgradient,  Über  die  Beziehung  zwischen  Druck  und  Temperatur  bei 
mit  der  Höhe  variablen  Temperaturgradienten. 

Defant  A.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116(1907), 
p.  1181—1198. 


Lichtenfels  O.,  v.,  Ober  eine  Cubaturformel. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116(1907),  p   1199-1202. 


Cubatur,  durch  die  verallgemeinerte  Guldin*sche  Formel. 

Lichtenfels  O.,  v.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16 
(1907),  p.  1199—1202. 


Guldin'.sche  Formel,  Verallgemeinerung  derselben. 

Lichtenfels  0.,  v.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad  .  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16 
(1907),  p.  1199—1202. 


Sicgl  K.,  Über  das  Emissionsvermögen  von  Gesteinen,  Wasser  und  Eis. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  1203-1230. 


Emissionsvermögen,  Über  das  —  vun  Gesteinen,  Wasser  und  Eis. 

Siegl  K.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.   116  (1907), 
p.  1203—1230 


Gesteine,  Über  das  Emissionsvermögen  derselben. 

Siegl  K.,   Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  Ha.  Abt,  Bd.  116.(1007), 
p.  1203—1230. 

Abt.  IIa,  Oktober. 


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f»I  '    hH  ,.!«'iA  .,.11  ,.I.ij>IA  -ntvjV//  vjb  .loM  .Mici  ,.v  ..<)  ^  ;  ^J  n  0  J  j- ^  1 .. 


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,{7i"ii;  Uli    .bü   .JdA   .jjU  ,.b«;}IA  vjn'jrU   i*jb   .tjH   .i:iifi   ,.>!  1j,-j.c^. 


.(TOß!)  ^«II    ba   .JdA  .jjII   ..bß>IA  lon-^IV/ 19b  .loM   .sti2',.>J   \-i^ji'<i 


Wasser,  Über  das  Emissionsvermögen  desselben. 

Siegl  K.,   Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  Ha.  Abt.,  Bd.   116  (1907), 
p.  1203—1230. 


Eis,  Über  das  Emissionsvermögen  desselben. 

Siegl  K.,   Sitz.  Ber.  der  Wiener  .\kad.,  Ha.  Abt.,  Bd.   116  (1907), 
p.  1203—1230. 

P      9  ' 

.'  i   i    /^  .     .S  '  .  .^  !  '  i     [\  ; 

Stücker  N.,  Über  die  Lage  der  Knotenpunkte  in  einseitig  geschlossenen  Röhren. 
Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1231—1243. 


•»         »  r    ■  ■* 


r    •  ■• 


. '  ^dluuiUiiAk^ilidteti,   Über.  <Jip   Uigc   der5>t)lbeii   in   tiif^eUig  gesc^>h)ssenen 
Röhren. 

Stücker  N.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1231—1243. 

WaOmuth  A.,  Über  die  Bestimmung  der  thermischen  Änderung  des  Torsions- 
moduls aus  den  Temperaturänderungen  bei  der  Torsion  von  Stäben. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1245—1265. 

« 

Torsionsmodul,   Bestimmung  der   thermischen  Änderung  desselben   aus   den 
Temperaturänderungen  bei  der  Torsion  von  Stäben. 

Waßmuth  A.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,   IIa.  Abt.,   Bd.    116 
(1907),  p.  1245-1265. 

Temperaturänderungen  bei  der  Tursion  v<jn  Stäben;  ihic  Verwendung  zur 

« 

Bestimmung  der  thermischen  Änderung  des  Torsionsmoduls. 

Waßmuth  A.,   Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.    116 
(1907),  p.  1245—1265. 

Wieleitner  H.,  über  einige  Zusammenhänge  zwischen  speziellen  Quartikcn. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116(1907),  p.  1267-^1278. 

Quartiken,  spezielle,  Zusammenhänge  zwischen  mehreren  solchen  Kurven. 

Wieleitner  H.,   Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.   Abt.,  Bd.   116 
(1907),  p.  1267—1278. 

Kurven   vierter   Ordnung,    Zusammenhänge   zwischen   mehreren   speziellen 
Quartiken. 

Wieleitner  H.,   Sitz.   Ber.  der  Wiener  Akad.,   IIa.  .Abt.,  Bd.  116 
(1907).  p.  1267—1278. 


«  • 


I     MI   .."■/     :.l.   .  ,j.  .i/-.  i'jn'JtV/ -t'j!.   .'jil   .y;i<^      /I   I;:,jifi 


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.i'jiflöV 
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•  ßi^Ll  — It:i:l    q 


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;  .«'..Hi-I-GM:]    q  .(;o<mm 

,\      ffi  •    *.  ■  •-  /    "f.    ;  I  >''!(i'-'     i  ./    ,1  ■•-      I     i'.      '.jri    n'jjjniJTjbn»;  üJJr.ijqTT'j '' 
I  <i!I     bH    ,/''A    .i  ll    „liSiAk   lonai //    1;)^   .i-jH   .sjj<:    . /'.    liiLriiU;/// 

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.^Til-  -Tüi.:   .q  ,0*J*i'  i 

fijlij'tx ;.;']*-    irji-/.;!jfn    iijdofi7/\    j^::»  ?•  jftniw-.jX    «T^nunbiO    lalioiy    nonu/I 
(»Il.bH  .  ?d/.    f;!|    ..nß>iA    rj.i«>iV/    t^b    -ic^Ji    .Sli'^    .  H  t«»i-M')  I -ji  7/ 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXVI.  BAND.  IX.  HEFT. 


ABTEILUNG  IIa. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


«•>- 


86 


1281 


Ein  einfacher  Zusammenhang  zwischen 
Brechungsexponent,  Zähigkeit  und  Dichte 

bei  Gasen 

von 
Dr.  E.  Lohr. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  6.  Dezember  1907.) 

Es  ist  bekannt,  daß  bei  der  Funkenentladung  in  Gasen  das 
Produkt  aus  dem  sogenannten  kritischen  Druck  und  der 
Funkenlänge  eine  für  das  betreffende  Gas  charakteristische 
Konstante  ist;  nennen  wir  sie  q.  Es  zeigt  sich  außerdem/  daß 
für  eine  große  Anzahl  von  Gasen  annähernd  die  Beziehung 
gilt: 

—  =z  konst.,  (1) 

wobei  X  die  molekulare  Weglänge  des  Gases  bedeutet.  Es 
schien  mir  naheliegend,  zu  versuchen,  ob  es  nicht  auch  eine 
einfache  Beziehung  zwischen  q  und  der  wichtigsten  elektrischen 
Konstante  des  Gases,  der  Dielektrizitätskonstante  s  gäbe.  In  der 
Tat  fand  ich  sofort  eine  Relation,  welche  sich  aber  nur  aufrecht- 
erhalten ließ,  wenn  ich  dort,  wo  s  wesentlich  von  dem  Quadrat 
des  Brechungsexponenten  abweicht,  wie  z.  B.  bei  Schwefel- 
dioxyd, e  durch  n^  ersetzte.  Ich  entschloß  mich  daher,  überall  s 
mit  n^  zu  vertauschen. 

Die  Beziehung,  welche  ich  gefunden  habe  und  welche  mit 
ähnlicher  Annäherung  wie  Gleichung  (1)  erfüllt  ist,  lautet  dann 


1  J.  J.  Thomson,    >Conduction   of  electricity   through  gases«,    1903, 
p.  366. 

86* 


1282  E.  Lohr, 

(w*— 1).  q  =  konst. 
oder  auch 

(«—1).?  =  konst.  (2) 

Aus  (1)  und  (2)  aber  folgt  sofort  die  neue  Gleichung 

.   -  («  — 1).X  =:  konst., 

oder  anders  geschrieben: 

i«-l).T_^  konst., 


S/I.p 
beziehungsweise  bei  konstantem  Druck: 

^*'~!1'''   =  konst.  z=  K.  (3) 

Es  bedeutet  n  den  Brechungsexponenten,  yj  die  Zähigkeit, 
8  die  Dichte  und  p  den  Druck  des  Gases. 

Ich  will  in  nachfolgenden  Tabellen  zeigen,  wie  weit  die 
Gleichung  (3)  tatsächlich  erfüllt  wird.  Dabei  setze  ich  für  n  den 
Brechungsindex  des  Natriumlichtes  bei  0**  und  760  mtn  Druck, 
und  zwar  verwende  ich  die  Werte  von  Mascart,*  um  mich 
möglichst  in  allen  Fällen  einem  und  demselben  Beobachter  an- 
zuschließen. Wo  ich  in  Ermangelung  Mascart'scher  Werte 
solche  anderer  Beobachter  oder  Brechungsexponenten  anderer 
Lichtarten  verwenden  muß,  wird  es  in  der  Tabelle  erwähnt. 
Die  Werte  der  Brechungsindices  differieren  bei  den  verschie- 
denen Beobachtern  meist  nicht  allzusehr. 

Statt  der  Größe  — L  setze  ich  der  Einfachheit  halber  die 

v/s 

Zahlenwerte  der  ihr  proportionalen  Größe  X  für  0*  und  760  »iw 
Druck  ein. 

Die  Werte  von  \  differieren  aber  bei  den  verschiedenen 
Beobachtern  häufig  sehr  stark.  Man  findet  z.  B.^  für 


1  Landolt-Börnstein,  Tabellen,  3.  Auflage,  1905. 


Brechungsexponent  bei  Gasen.  1 283 

Wasserstoff X  =  1822. 10-»  (Dorn), 

X=  1890.10-»  (Stefan); 

Kohlenoxyd X  z=    968. 10-»  (Dorn), 

\=    650 ..10-»  (Stefan); 

Athylacetat \=    330. 10"»  (L.  Meyer  und  Schu- 
mann), 
\=    173.10-»  (Winkelmann). 

Diese  herausgegriffenen  Beispiele  zeigen  wohl  deutlich, 
daß  die  Werte  für  X  recht  unsicher  sind,  was  natürlich  auch 
bei  der  Beurteilung  der  folgenden  Tabellen  berücksichtigt 
werden  muß. 

Ich  entschloß  mich,  in  erster  Linie  jene  X- Werte  zu  be- 
nützen, welche  O.  E.  Meyer  in  der  zweiten  Auflage  seiner 
kinetischen  Theorie  der  Gase  bringt.  Die  Gase,  für  welche 
dort  X-Werte  angegeben  sind,  fasse  ich  in  der  ersten  Tabelle 
zusammen.  In  der  zweiten  Tabelle  folgen  Gase,  bei  welchen 
ich  die  Winkelmann'schen,  in  der  dritten  solche,  bei  welchen 
ich  die  Steudel'schen  Werte  verwendet  habe.  Zu  beachten  ist, 
daß  bei  Gasen,  für  welche  von  beiden  der  letztgenannten 
Forscher  Beobachtungen  vorliegen.  Winkelmann  stets  ver- 
hältnismäßig kleine,  Steudel  hingegen  große  Werte  für  X 
findet;  z.  B.: 

Winkelmann  Steudel 

Für  Alkohol X  z=  259. 10^»     X  zr  416. 10-» 

»    Butylalkohol  (normal)   . . .  X  =  164. 10*»*     X  —  282. 10-» 

Ich  habe  in  diesen  Tabellen  alle  Gase  zusammengestellt, 
für  welche  ich  gleichzeitig  Werte  für  n  und  für  X  vorfand.  Die 
Gleichung  (3)  würde  fordern,  daß  die  Zahlen  der  letzten  Spalte 
konstant  bleiben. 

Sieht  man  von  den  auffallend  kleinen  Werten  für  Helium 
und  Wasserdampf  ab  und  berücksichtigt  man,  dafi  nach  dem, 
was  über  die  Steudel'schen  X-Werte  gesagt  wurde,  die  Zahlen 
der  Tabelle  3  einer  starken  Reduktion  bedürfen,  um  mit  denen 
der  vorhergehenden  Tabelle  2  vergleichbar  zu  werden,  so  kann 
man  das  Resultat  mit  Rücksicht  auf  die  Unsicherheit  der 
X-Werte  wohl  dahin  zusammenfassen,  daß  die  Relation  (3)  für 


1284 


£.  Lobr, 


eine  große  Anzahl  von  Gasen  im.  großen  und  ganzen  den 
richtigen  Zusammenhang  der  drei  Größen  n,  -q  und  8  gibt 

Tabelle  1; 


Substanz 


(«-l).10e 


X.IO« 
(O.E.Meyer) 


K.lOi» 


Helium   

Wasserdampf  .... 
Quecksilber 

Wasserstoff 

Ammoniak    

Sauerstoff 

Argon« 

Stickoxyd 

Luft 

Stickstoff 

Kohlensäure 

Äthylen 

Chlorwasserstoff . . 

Kohlenoxyd 

Schweflige  Säure. . 

Cyan 

Stickoxydul 

Methan 

Chlor 

Methylttther 

Schwefelwasser- 
stoff   

Methyl  Chlorid  . . . . 

Äthylchlorid 


43 
(weiß  Rayleigh) 

259 

556 

(rot  Le  Roux) 

139 

379 

271 

2aO    (weiß 
Ramsay  und  Travers) 

297 
293 
298 
454 
723 
447 
335 
686 
822 
516 
444 
773 
891 

623 
870 

1179 


2400 

649 
344 

1780 
710 

1020 
990 

940 
960 
950 
650 
420 
710 
950 
470 
400 
650 
800 
460 
410 

600 
440 
360 


10*3 

16-8 
19-1 

24-7 
26-9 
27-6 
27-7 

27-9 
28' 1 
28-3 
29-5 
30-4 
31-7 
31-a 
32-2 
32-9 
33-5 
35-5 
85-6 
36-5 

37-4 
38*3 
42*4 


Brechungsexponent  bei  Gasen. 


1285 


Tabelle  2. 


Substanz 

(„— 1).106 

X.108 
(Winkelmann) 

K.lOio 

Methylalkohol 

Äthylacetat 

Methylacetat 

Äthylformiat 

Methtylpropionat 

Athvläther 

623 
1408 
1138 
1191 
1473 
1544 
1823 
1485 

361 
173 
224 
217 
191 
197 
190 
255 

22-5  siehe  Tab.  3 
24-4 
25-5 
25-8 
2ß«l 
30-4 
34-6 
37-9 

Benzol 

Schwefelkohlenstoff  . 

Tabelle  3. 


Substanz 

(ff— 1).10« 

X.108 
(Steudel) 

K.  1010 

Methylalkohol 

Propyljodid 

Methyljodid    

Äthylbromid 

Chloroform 

Chlorkohlenstoff .... 
Äthvliodid 

623 
1782 
1273 
1223 
1464 
1779 
1008 

501 
288 
408 
430 
373 
314 

» 

354 

31-2  siehe  Tab.  2 
51-3 
52 

52-6 
54-6 
55-9 
66-9 

Die  Formel  kann  aber  aus  zwei  Gründen  nur  als  vor- 
läufige bezeichnet  werden. 

Man  muß  nämlich  von  derartigen  Beziehungen  verlangen, 
dafl  ihre  Gültigkeit  unabhängig  sei  von  speziellen  Werten  der 
Temperatur  und  des  Druckes. 


1286  E.  Lohr, 

Untersuchen  wir  daraufhin,  so  ergibt  sich,  wenn  wir  die 
folgenden  Redulctionsformein  verwenden: 

^""^^^  ifejw  (B'Ot,Arago,  Lorenz), 

1  P 


8  =  8 


"  l+at    760  ' 

wobei  die  Indices  Null  anzeigen,  daß  sich  die  betreffende  Größe 
auf  0°  C.  und  760  mm  Quecksilber  bezieht  und  o  der  Aus- 
dehnungskoeffizient ist 

(n-l).i,     -    K-D.^o    ^konst. 


\/b  .p  \/\ .  760 

Die  Relation  ist  also  innerhalb  der  Gültigkeitsgrenzen 
obiger  Formeln  nachweisbar  unabhängig  von  Druck  und  Tem- 
peratur, aber  auch  nur  innerhalb  dieser  Grenzen.  Nun  ist  es  ja 
bekannt,  daß  die  Formel 


den  Beobachtungen  gar  nie  genau  entspricht  und  z.  B.  für 
Quecksilber  statt  dieser  die  Gleichung 


•^  =  TQo(l+aO 


16 


gilt.  Darin  liegt  die  eine  Schwierigkeit. 

Die  zweite.Schwierigkeit  bildet  der  Umstand,  daß  n  von 
der  Lichtart  abhängt,  während  die  anderen  Größen  der  Formel 
von  dieser  naturgemäß  unabhängig  sind.  Es  kann  die  Formel 
also  nur  für  einen  bestimmten  Brechungsexponenten  streng 
richtig  sein. 

Die  natürlichste  Annahme  bleibt  die,  welche  ich  Ursprung- 
iich  gemacht  habe,  daß  in  die  Formel  nicht  der  Brechungs- 
exponent, sondern  die  Dielektrizitätskonstante  einzugehen  hat 
Diese  Annahme  führt  aber  bei  vielen  Gasen  zu  einem  unbe- 
dingten Widerspruche  mit  der  Erfahrung.  Es  w&re  höchstens 
denkbar,  daß  für  genügend  hohe  Temperaturen  die  Gleichung 


Brechungsexponent  bei  Gasen.  1 287 

-^    ,-J_*    =:  konst. 

wirklich  erfüllt  ist,  da  nach  einer  Bemerkung  vonBädeker^ 
bei  Gasen,  für  welche  das  MaxweH'sche  Gesetz  nicht  gilt,  den- 
noch für  höhere  Temperaturen  eine  Annäherung  der  Dielek- 
trizitätskonstante an  das  Quadrat  des  Brechungsexponenten 
stattfindet. 

Halten  wir  an  der  vorläufigen  Form 

(»  — 1).Y)  , 

-^ —         '    zz  konst., 

beziehungsweise 

(n — 1).X  m  konst. 

fest.  Es  folgt  dann  sofort,  daß  in  allen  Fällen,  wo  eine  Be- 
ziehung zwischen  X  und  einer  anderen  Größe  vorhanden  ist, 
sich  auch  eine  Beziehung  zwischen  dieser  Größe  und  («  — 1) 
ergeben  muß. 

Ich  führe  ein  Beispiel  an:   Für  die  dielektrische  Kohäsion 
eines  Gases'*  gilt  die  Formel 

F  =  a'hbp, 

wo  a  und  b  Konstante  sind  und  p  der  Druck  des  Gases  ist. 
Die  Konstante  b  ist  in  vielen  Fällen  angenähert  proportional 

der  Größe  -z- ,  sie  muß  daher  nach  obiger  Gleichung  auch  an- 
genähert proportional  zu  (w— 1)  sein.  Die  folgende  Tabelle  zeigt, 
wie  weit  dies  der  Fall  ist. 

b  «-1.10« 

Methylalkohol 616  623 

Äthylalkohol 800  885 

Äthyläther 1000  1544 

Aceton 1 100  1 100 

Äthylformiat 1110  1191 

Methylacetat 1250  1 138 

Schwefelkohlenstoff 1510  1485 

Wasserdampf 500  259 

Benzol 1670  1823 

1  Zeitschrift  für  phys.  Chemie,  36,  1901,  p.  335. 

2  J.  J.  Thomson,  »Conduction. . . «,  p.  373. 


1288  £.  Lobr,  Brechungsexponent  bei  Gasen. 

Einen  wesentlich  neuen  und  wichtigen  Aufschluß  gibt  die 
Formel,  wenn  man  sich  der  Bedeutung  des  Brechungsexponenten 
erinnert. 

Man  ersieht  sofort,  daß  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit des  Lichtes  in  einem  Gase  nicht 
nur  eine  Funktion  der  Dichte,  sondern  auch  eine 
Funktion  der  Zähigkeit  des  Gases  ist  und  daß  sie 
bis  auf  vorhandene  Unsicherheiten  ceteris  paribus 
umso  größer  sein  wird,  je  größer  die  Zähigkeit  des 
Gases  ist.  — 

Dies  betrachte  ich  als  das  Hauptergebnis  der  vorliegenden 
Untersuchung. 


1289 


Analyse  der  Strahlung  des  Radiobleis 

von 
Dr.  V.  F.  Hess. 

Aus  dem  IL  physikalische a  Institute  der  k.  k.  UniversitÜt  in  Wien. 

(Mit  7  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  ia  der  Sitzung  am  14.  NoTomber  I907,) 

Erster  Teil. 

Die  Arbeiten  von  Hofmann,  Gonder  und  Wölfl,* 
Rutherford,^  Meyer  und  v.  Schweidler^  haben  sicher- 
gestellt, daß  die  Endglieder  der  Radiumreihe  RaZ?,  RaJ?^  und 
ReiE^  sowie  RaF  im  sogenannten  Radioblei  enthalten  seien. 

Meyer  und  v.  Schweidler  haben  eine  Anzahl  in  heißer, 
wässeriger  Radiobleichloridlösung  aktivierter  Metallbleche 
untersucht  und  fanden  bei  der  Abklingungskurve  eine  Anfangs- 
störung, die  die  möglichen  Beobachtungsfehler  weit  überstieg. 

Anstatt  des  normalen  Abfalles  nach  der  Halbierungskon- 
stante des  Poloniums  (138  Tage)  fiel  die  Aktivität  anfangs  viel 
rascher  ab  {HC=  109,  115,  130  Tage  und  ähnliche  Werte). 

Ich  habe  nun  durch  systematische  Abklingungsmessungen 
diese  Anomalität  aufzuklären  versucht. 

Da  die  Messungen  mehrere  Monate  dauerten,  war  es 
nötig,  ein  Instrument  von  möglichst  konstanter  Empfindlichkeit 
und  bequemer  Handhabung  zu  benützen.  Ich  wählte  daher  ein 


1  Hofmann,  Gonder  und  Wölfl,  Ann.  d.  Ph.,  15,  p.  615. 

2  E.  Rutherford,  Phil,  mag.,  1905,  p.  290. 

9  St.  Meyer  und  v.  Schweidler,  Diese  Sitzungsberichte,  Juli  1905, 
Februar  und  Juni  1906. 


1290  V.F.Hess, 

Exner'sches  Elektroskop  mit  einem  Tischchen  als  Zerstreuungs- 
körper, um  welches  ein  geerdeter  Topf  gestülpt  war.  Eine 
parallaxenfreie  Lupenablesung  gestattete  sicheres  Schätzen 
der  Zehntelteilstriche. 

Jede  der  in  den  folgenden  Tabellen  mitgeteilten  Zahlen  ist 
der  Mittelwert  von  20  Ablesungen. 

Die  natürliche  Zerstreuung  der  Elektrizität  in  der  Luft 
wurde  stets  in  Rechnung  gezogen. 

Die  Aktivierung  wurde  in  einer  Lösung  der  zweiten  (ge- 
reinigten) Fraktion  des  Radiobleichlorids  vorgenommen,  welche 
bereits  von  Meyer  und  v.  Schweidler^  für  zwei  Palladium- 
bleche und  einen  Silberdraht  verwendet  worden  war.  Die 
Lösung  wurde  zuerst  bis  zum  Sieden  erhitzt,  um  Spuren 
eventuell  vorhandener  Radiumemanation  zu  vertreiben  und 
sodann  konstant  auf  einer  Temperatur  von  etwa  60*  erhalten, 
während  die  Metallbleche  an  einem  Drahte  in  die  Lösung  ge- 
taucht waren. 

Nach  der  Aktivierung  wurden  die  Bleche  durch  rasches 
Eintauchen  in  warmes  Wasser  vom  anhaftenden  ungelösten 
Radiobleichlorid  gereinigt  und  zwischen  Filterpapier  vorsichtig 
getrocknet. 

Bei  einigen  Blechen  untersuchte  ich  den  Gang  der  Aktivität 
innerhalb  der  ersten  Tage  besonders  oft;  um  die  Beobachtungs- 
fehler bei  diesen  verhältnismäi3ig  langsamen  Änderungen  der 
Aktivität  möglichst  zu  verkleinern,  wurden  Mittel  aus  50  Ab- 
lesungen zu  einer  Zahl  vereinigt. 

Die  Versuchsergebnisse. 

In  den  folgenden  Tabellen  sind  die  Beobachtungsdaten 
mitgeteilt,  die  an  acht  in  Radiobleilösung  aktivierten  Metallen, 
und  zwar  drei  Palladium-  und  fünf  Silberblechen,  gewonnen 
wurden.  /  bedeutet  die  Zeit  in  Tagen,  J  die  gemessene  Aktivität 
HC  die  Halbierungskonstante. 

1.  Palladiumblech  I. 

Aktiviert  am  28.  November  1906  durch  eine  Stunde.  Un- 
mittelbar  nach   der   Aktivierung    betrug    die   Gesamtaktivitäi 

1  Meyer  und  Schweidler,  Diese  Sitzungsber.,  Juli  10Ü5,  p.  1203; 
Februar  1906,  p.  79  f. 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1291 


167*0  Volt/Min.,  stieg  in  den  weiteren  6  Stunden  zu  einem 
Maximum  von  171 '8  Volt/Min,  und  zeigte  hierauf  den  in 
Tabelle  1  und  der  entsprechenden  Kurve  I  in  Fig.  1  angegebenen 
Veriauf. 

Tabelle  1. 

(Palladiumblech  I.) 


log/ 


dt 


log/ 


HC 
in  Tagen 


0 
2 

2-8 

4-8 

9-0 

150 

22-8 

41-9 

47-8 

58-7 

69-8 

960 

UO-O 

120-0 

134*0 


171- 

'8 

158 

2 

157 

•4 

155 

•2 

151 

•3 

148 

■0 

140 

•6 

125 

'3 

123- 

•9 

116' 

•4 

108' 

•4 

96 

61 

90« 

16 

83" 

18 

80« 

54 

2-285 
2-199 
2-197 
2-191 
2-180 
2-170 
2-148 
2-098 
2-093 
2-066 
2  035 
1-985 
1-965 
1-920 
1-906 


}  »■ 


0180 


\      0-0023 


0-0021 
0-0021 

0-0021 


16-7 


1306 


143 

143 

143 


Man  ersieht,  daß  die  Abklingung  genau  nach  der  Periode 
von  Rajp  erfolgt  —  abgesehen  von  dem  in  den  allerersten 
Tagen  beobachteten  viel  rascheren  Abfall,  der  von  einer  über- 
gelagerten Aktivität  herrührt.  Der  spätere  Verlauf  der  Kurve  I 
ergibt  eine  mittlere  Halbierungskonstante  von  135-5  Tagen. 
Die  ß-Strahlung  war  äußerst  gering,  sie  betrug  anfangs  etwa 
1  -4  Volt/Min.  und  nahm  nach  der  Periode  von  RaJE  ab. 


2.  Palladiumblech  11. 

Aktiviert  am  28.  November  1906,  eine  Stunde  lang.   Auch 
hier  zeigte  sich  in  den  ersten  Stunden  ein  rascher  Anstieg  der 


1292 


V.  F.  Hess, 


Aktivität  von  /=  138-4  Volt/Min.  unmittelbar  nach  der  Akti- 
vierung auf  J=  141-24  Volt/Min.  6  Stunden  später.  Hierauf 
begann  die  regelrechte  Abklingung,  deren  Verlauf  in  der  folgen- 
den Tabelle  2  und  der  entsprechenden  Kurve  II  in  Fig.  1  ver- 
zeichnet ist. 

Tabelle  2. 

(PaHadiumblech  11.) 


Auch  dieses  Präparat  zeigt  einen  ganz  ähnlichen  Gang 
wie  das  Präparat  I.  Die  Aktivität  besteht  fast  durchwegs  aus 
a-Strahlung,  denn  nach  Abschirmung  derselben  durch  40  {j. 
Aluminiumfolie  blieb  eine  restliche  ß- Aktivität  von  bloß 
1*2  Volt/Min.  übrig,  deren  Abklingung  mittels  des  gewöhn- 
lichen Elektroskops  nicht  mehr  ganz  präzise  verfolgt  werden 
konnte.  Es  wurde  nur  konstatiert,  daß  diese  ß-Aktivität  nach 
etwa  einer  Woche  auf  die  Hälfte  gesunken  war  —  was  mit  der 
Periode  des  Ra£  übereinstimmt. 

Die  Gesamtstrahlung  zeigt  im  Anfange  wiederum  eine 
raschere  Abnahme    und   geht   nach   etwa    10  Tagen   in    die 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1293 


normale  Abklingung  nach  der  Periode  des  Poloniums  über;  aus 
der  Kurve  ergäbe  sich  eine -mittlere  Halbierungskonstante  von 
132  Tagen. 

3.  Palladiumblech  III. 

Wurde  am  28.  November  1906  zusammen  mit  den  beiden 
ersten  Präparaten  eine  Stunde  lang  in  der  heißen  Radioblei- 
chloridlösung aktiviert.  Unmittelbar  nach  dem  Herausnehmen 
war  die  Aktivität  109-04  Volt/Min.  und  stieg  in  den  nächsten 
6  Stunden  auf  114-9  Volt/Min. 

Die  dann  beginnende  Abklingung  verläuft  ganz  analog 
wie  bei  den  Präparaten  I  und  II  und  ist  in  der  nachfolgenden 
Tabelle  3  sowie  Kurvte  III  (Fig.  1)  verzeichnet. 

Tabelle  3. 

(Palladiumblech  III.) 


0 

2-8 

4-8 

9-0 

15-7 

23-8 

41-9 

48-7 

57-7 

68-9 

78-7 

88-0 

UO-O 

120-0 


114-90 

105-45 

103-80 

100-74 

95-50 

91-20 

83-37 

81-85 

77-63 

74-47 

70-80 

66-53 

60-67 

57-28 


2' 

060 

2 

023 

2 

016 

2- 

•003 

•980 

•960 

•921 

•913 

•890 

•872 

•850 

•823 

•783 

•758 

} 
} 
} 


0-0140 


0  0031 


0  0024, 


0-0021 


0 • 00208 


21-5 


97-1 


121-9 


143-0 


148-0 


Auch  hier  zeigt  sich  die  schon  erwähnte,  auf  eine  über- 
gelagerte Aktivität  mit  rascherer  Abklingung  zurückzuführende 


1294 


V.  F.  Hess, 


Anfangs  Störung.    Nach   etwa    12   Tagen   ist  die   Abklingung 
wieder  rein  exponentiell,  aus  der  Kurve  würde  eine  Halbierungs- 


2» 


rxo 


tis  ^ 


Zw 


Zvs 


too 


1*5 


J*o 


fs 


t%0 


O      i-75 


t 


llO 


> 

1 

\ 

^ 

■\ 

V 



N<fl> 

> 

N, 

X 

\^ 

1 

\ 

"Nf 

\ 

V 

\ 

\ 

\ 

\ 

\ 

V 

\ 

( 

\ 

V 

X. 

X 

\ 

v 

\ 

• 

1 

N 

\ 

X 

0  so  4«>  «O 

— ►  Zeit  in  Tagen 


80 


wo  ito 


iW 


no 


Fig.  1. 


konstante   von    138  Tagen    resultieren,    was  genau  mit   der 
Periode  des  Poloniums  übereinstimmt. 

Die  ß-Aktivität  vom  Ra£  war  wiederum  gering,  etwa 
1'9  Volt/Min.,  jedenfalls  viel  zu  gering,  um  die  ziemlich 
bedeutende  Anfangstörung  allein  erklären  zu  können. 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1295 


4.  Silberblech  IV. 

Aktiviert  am  1.  Dezember  1906  durch  100  Minuten.  Ebenso 
wie  bei  den  Palladiumpräparaten  wurde  in  den  ersten  Stunden 
nach  der  Aktivierung  ein  Anstieg  der  Aktivität  von  164-8  auf 
167-5  Volt/Min.  beobachtet.  Der  weitere  Gang  ist  ganz  analog 
wie  bei  den  schon  besprochenen  Präparaten:  beschleunigter 
Abfall  durch  etwa  16  Tage  und  hernach  die  normale  Abklingung 
nach  der  Konstante  des  Poloniums  (siehe  Tabelle  4  und  Fig.  2, 
Kurve  IV). 

Der  spätere  Verlauf  entspricht,  wie  man  sieht,  einer 
Halbierungskonstante  HC  =:  1 38  Tage,  was  genau  mit  der 
Periode  des  Poloniums  übereinstimmt. 


Tabelle  4. 

(Silberblech   IV.) 


/ 

1 

log/ 

d 

4i   '"«^ 

HC 
in  Tagen 

0 

1-6 

5-9 

167 
162 
155 

•50 
•93 
•60 

2 
2 
2 

•224 
•212 
•192 

1   0-0075 
y   0-00465 

40-1 
64-7 

12-6 

151 

•00 

2 

•179 

\ 

20-6 

142 

•23 

2 

•153 

33-8 

133 

•66 

2 

•126 

>      0-0023 

130-9 

40-7 

127 

•94 

2- 

107 

46-6 

125 

•90 

2' 

•100 

t 

55-6 

117 

•22 

2 

069 

■V 

66-7 
75-8 

111 
105 

•43 
•20 

2 
2 

047 
022 

\       0-00229 

131-4 

85-7 

100 

•00 

2' 

000 

116-0 

87- 

10 

1- 

940 

\         0-0018 

172-0 

135-9 

81- 

66 

1' 

912 

< 

Aus  der  Kolumne  -—  log  J  ersieht  man  bei  dieser  wie 
bei  den  anderen  Tabellen,   wie  sich  der  Abfall  der  Aktivität 

Sitzb.  d.  mathem.-naiurw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  87 


1296 


V.  F.  Hess, 


allmählich  verlangsamt.  -^7-  \ogJ  ist  ja  ein  Maß  der  radioaktiven 

Konstante  X,  denn  wir  wissen : 

—  1      J 

.             d    ,         ,  -  di    ^  lognat2 

X  = lognatJ= — 


dt 


log« 


HC 


35 

3a 

\ 

1 

1 

1 

1 

23 

\ 

^, 

» 

X 

^  Ml 

V 

X 

•  ZP 

\ 

\ 

J5 

\ 

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X 

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V 

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V 

\ 

\ 

•v 

V 

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\ 

X 

teo 

^ 

V 

— X 

\ 

90 

^ 

\ 

\ 

SP    « 

1                1 

X 

,2 

1 

t 

1 

Iso 

1 

1 

kO 


t« 


to 


wo 


tff 


IM 


t  in  Tagen 


Fig.  2. 


5.  Silberblech  V. 

Aktiviert  am  1.  Dezember  1906  durch  100  Minuten.  Zeigt 
ein  ganz  analoges  Verhalten.  Die  anfanglich  raschere  Abklin- 
gung ist  besonders  deutlich  ausgeprägt,  wie  man  aus  Fig.  2, 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1297 


Kurve  V,  und  Tabelle  5  entnimmt.  Der  lineare  Teil  der  Kurve 
ergibt  eine  Halbierungszeit  von  137  Tagen  —  entsprechend 
der  Konstante  des  Poloniums. 

Die  ß-Aktivität  war  bei  beiden  Präparaten  ziemlich  klein, 
2-8,  respektive  3*8  Volt/Min.,  also  viel  zu  klein,  als  daß  durch 
deren  schnellere  Abklingung  die  Anfangsstörung  erklärt  werden 
könnte. 

Die  Diskussion  und  Erklärungsversuche  dieser  beob- 
achteten Störung  werden  an  späterer  Stelle  gegeben. 

Tabelle  5. 

(Silberblcch  V.) 


t 

J 

log/ 

d 

KC 
in  Tagen 

0 
40 

213-38    • 
203-70 

2-329 
2-309 

1       0-0050 

60-2 

5-9 
12-6 

198   15 
188-36 

2  •  297 
2-275 

1      0- 00328 

91-8 

19-7 

182-80 

2-262 

V 

33-8 
42-0 

167-88 
161-80 

2-225 
2-209 

\      0  0023^ 

128-6 

53-9 

152-06 

2-182 

1 

65-8 

145-88 

2-164 

1 

75-8 

137-40 

2-138 

86-9 

129-42 

2-112 

O-OO2I3 

)41'3 

116-9 

109-12 

2-038 

131-0 

105-93 

2-025 

< 

Auch  in  Tabelle  5  ist  der  Gang  ein  ähnlicher  wie  bei 

d 
den  anderen  Präparaten,  -^r-^ogy  nimmt  ab,  bis  es  der  Kon- 

dt 

stante  des  Poloniums  entspricht. 

6.,  7.,  8.  Drei  Silberbleche:  VI,  Vü,  Vffl. 

Aktiviert  am  8.  Jänner  1907  durch  90  Minuten.  Der  Anstieg 
der  Aktivität  in  den  ersten  6  Stunden  nach  der  Aktivierung 
wurde  wiederum  beobachtet,  und  zwar: 

87* 


1298 


V.  F.  Hess, 


bei  Präparat  VI     von    95*99  Volt/Min.  bis  zu  einem  Maximum 

von    99-54  Volt/Min.  etwa  6  Stunden  später; 

bei  Präparat  VII   von  143-4    Volt/Min.     bis     146-2  Volt/Min. 

etwa  6  Stunden  später; 

bei  Präparat  VIII  von  163-9    Volt/Min.     bis     166-4  Volt/Min. 

etwa  6  Stunden  später. 


2« 


ts 


10 


OS 


ivc 


95 


90 


BS 


80 


•  w*  75 


o 


t      J7Ö 


Vs, 

\ 

x 

\ 

\ 

\ 

X 

• 

\ 

N^(i7; 

\ 

\ 

\ 

\- 

k 

1 

\^ 

1 

N 

\ 

\ 

k 

\ 

V"' 

\ 

\ 

\. 

\ 

\ 

\ 

\ 

\ 

Zeit  in  Tagen 


60 


80 


wo 


120  t*fO 


Fig.  3. 


Die  hierauf  beginnende  Abklingung  ist  in  ihrem  Verlaufe 
ganz  analog  wie  bei  den  schon  besprochenen  Präparaten.  Nur 
ist  die   Anfangsstörung   weniger  groß    und   daher  mit  dem 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1299 


Elektroskop  kaum  einige  Tage  verfolgbar.  Dann  setzt  sofort  die 
rein  exponentielle  Abklingung  ein  (siehe  Fig.  3  und  die  ent- 
sprechenden Tabellen  6,  7^  8). 

Tabelle  6. 

(Silberblech  VI.) 


log/ 


dt 


log  7 


HC 

in  Tagen 


0-2 

3-0 

8-0 

12-3 

20-0 

300 

40-2 

50-0 

79-0 

950 

1100 


146-2 

141-6 

138-4 

135-8 

130-9 

125-3 

118-8 

111-7 

96-4 

92-7 

83-2 


2-165 
2-151 
2-141 
2-133 
2-117 
2-098 
2-075 
2-048 
1-984 
1-967 
1-920 


Tabelle  7. 

(Silberblech  VII.) 


}  »• 


00500 


S      0-00221 


0-00207 


60-2 


136-2 


145-0 


0-3 

40 

7-0 

11-0 

20-0 

30-0 

40-2 

50-0 

79-1 

95-0 

108-0 


99-5 
96-4 
95-1 
94-0 
88-9 
85-3 
80-9 
76-4 
66-1 
63-1 
58-2 


log/ 


1-998 
1-984 
1-978 
1-973 
1-949 
1-931 
1-908 
1-883 
1-820 
1-800 
1-765 


dt 


log/ 


}  »■ 


00378 


O-OO2O5 


0-0022 


0-0019 


HC 
in  Tagen 


79-6 


146-9 


136-8 


158-4 


1300 


V.  F.Hess, 


Tabelle  8. 

(Sflberblech  VIII.) 


/ 

/ 

log/ 

d 

HC 
in  Tagen 

0- 
3 

2 
•0 

166-3 
161-8 

2-221 
2-209 

\      0-00429 

70-2 

8- 

0 

158-5 

2-200 

' 

12' 

3 

155-2 

2-191 

20" 

•0 

148-9 

2-173 

>      O-OO2O4 

147-5 

30" 

'2 

145-2 

2-162 

39' 

3 

136-8 

2-136 

1 

49' 
79 
105 

•2 

'2 
•9 

128-8 
112-5 
'98-6 

2-110 
2-051 
1-994 

0-00197 
0-00218 

152 
141-3 

Aus  diesen  Tabellen  folgen  genau  dieselben  Schlüsse,  die 
bereits  oben  gezogen  wurden.  Nur  war  das  Produkt,  welches 
rascher  abklingende  Strahlung  besitzt  und  die  Anfangsstörung 
hervorruft,  bei  diesen  drei  Präparaten  in  geringerer  Menge  vor- 
handen. 

Aus  dem  späteren,  rein  experimentellen  Teil  der  Kurven 
resultieren  die  Halbierungskonstanten: 

für  Präparat  VI    HC  =139  Tage, 

VII HC=  142      » 

VIII HC=  142      • 

was  in  guter  Obereinstimmung  mit  der  Halbierungskonstante 
des  Poloniums  sich  befindet. 

Die  ß-Strahlung  war  bei  allen  drei  Präparaten  eine  äußerst 
minimale;  sie  betrug  etwa  je  0-4  Volt. 

Analyse  der  mitgeteilten  Versuohsergebnisse. 

Bei  der  Besprechung  der  einzelnen  Präparate  wurde  bereits 
bemerkt,  daß  der  bei  der  Aktivierung  in  heißer  Radiobleichlorid- 
lösung an  der  Metalloberfläche  haftende  aktive  Beschlag  zum 


Strahlung  des  Radiobleis.  1 30 1 

größten  Teil  aus  RaF,  also  Polonium,  besteht.  Außerdem  wurde 
stets  auch  eine  ß-Strahlung,  herrührend  von  Ra£,  bemerkt, 
deren  ionisierende  Wirkung  indes  kaum  1  bis  27o  der  Gesamt- 
strahlung ausmachte. 

Aus  den  im  Vorigen  mitgeteilten  Abklingungskurven  geht 
weiters  hervor,  daß  anfangs  eine  ebenfalls  rasch  abklingende 
weichere  Strahlung  vorhanden  sein  muß,  deren  Halbierungszeit 
von  der  des  RaE  nicht  wesentlich  verschieden  sein  kann. 

Um  diese  Schlüsse  zu  bekräftigen,  habe  ich  bei  einigen 
der  mitgeteilten  Versuchsreihen  die  vom  Polonium  herrührende 
Strahlung  extrapoliert,  um  ein  Bild  von  der  Stärke  und  Abklin- 
gung der  übergelagerten  Strahlung  zu  bekommen.  Zweckmäßig 
wählte  ich  solche  Versuchsreihen,  bei  denen  eben  diese  über- 
gelagerte Aktivität  am  deutlichsten  hervortritt. 

St.  Meyer  und  v.  Schweidler^  haben  gelegentlich  ihrer 
Untersuchungen  über  die  Absorption  der  Strahlung  von  Radium- 
restaktivität gefunden,  daß  bei  den  Restaktivitäten  außer  der 
a-Strahlung  des  RaF  und  der  ß-Strahlung  des  Ra£g  noch  eine 
weiche  Reststrahlung  vorhanden  war,  deren  Halbierungsdicke 
durch  Extrapolation  zu  1*5. 10~*  cm  bestimmt  wurde.  Ich  ver- 
mutete, daß  bei  meinen  Radiobleipräparaten  auch  diese  Rest- 
strahlung die  Anfangsstörung  verursache,  kam  aber,  wie  im 
zweiten  Teile  dieser  Untersuchung  gezeigt  werden  wird,  zu 
nicht  direkt  identifizierenden  Schlußfolgerungen. 

Bei  meinen  Abklingungsmessungen  verfolgte  ich  eine  ganz 
analoge  Methode  wie  Meyer  und  v.  Schweidler  bei  ihren 
Absorptionsversuchen.  Ich  extrapolierte  die  Strahlung  des 
Poloniums  Jp^  und  die  ß-Strahlung  von  der  Gesamtstrahlung  J, 
um  ein  Bild  von  der  übergelagerten  Reststrahlung 

Jr  =  J — Jp^ — J^ 

zu  erhalten. 

Die  Resultate  dieser  graphischen  Extrapolation  seien  nun 
in  folgender  Tabelle  9  mitgeteilt. 


*  St.  Meyer  und  E.  v.  Schweidler,  Diese  Sitzungsber.,  1906,  p.  708 
bis  709  und  p.  725  bis  727. 


1302 


V.  F.  Hess, 


Die  Werte  log  /  und  log  Jp^  sind  aus  einer  nach  Tabelle  5 
sorgfaltig  vergrößerten  und  ausgeglichenen  Kurve  auf  graphi- 
schem Wege  gewonnen. 

Tabelle  9. 

(SUberblech  V.) 


/ 

log/ 

/ 

log  Jp^ 

'P. 

h 

Reststrahlung  /^ 

(/-h-h) 

log  7^ 

0 

2-3292 

213-38 

2 • 2990 

199-07 

3-80 

10-51 

1-0216 

2 

2-3183 

208-10 

2-2947 

197-10 

2-88 

8-12 

0-9096 

4 

2-3081 

203 • 30 

2 • 2904 

195-16 

2-18 

5-96 

0 • 7753 

6 

2-2997 

199-40 

2-2861 

193-24 

1-65 

4-51 

0-6548 

8 

2-2920 

195-92 

2-2818 

191-34 

1-25 

3-33 

0 • 5224 

10 

2 • 2848 

192-68 

2-2775 

189-45 

0-95 

2-28 

0  -  3579 

12 

2-2784 

189-83 

2-2732 

187-60 

0-72 

1-51 

0-1790 

1\ 


/» 


loo^ 


0§» 


tu   0-tc 
O 


t 


O-zo 


\ 

^ 

^\^r 

ÄC-ifTas^ 

\ 

mTag» 


Fig.  4. 
Logarithmische  Abklingung  der  Reststrahlung. 

Wie  man  sieht,  macht  die  übergelagerte  Reststrahlung 
Jr  =:  J — Jp^ — Jfi  etwa  5  bis  77o  der  Gesamtstrahlung  aus.  Daß 
die  extrapolierten  Abklingungskurven  dieser  Reststrahlung  sehr 
exakte  Abfallskonstanten  liefern  würden,  war  da  von  vorn- 


Strahlung  des  Radiobleis.  1 303 

herein  nicht  zu  erwarten.  Ein  ganz  geringer  Beobachtungs- 
fehler bei  der  Anfangsmessung  von  J  (für  ^  =  0)  von  etwa 
0'57o  würde  den  Betrag  der  Reststrahlung  in  Tabelle  9  um 
1  •  1  Volt/Min.  beeinflussen,  was  den  Betrag  von  Jr  bereits  um 
lOVo  verändert. 

Bei  der  mitgeteilten  Versuchsreihe  Ag  V  waren  die  Ver- 
hältnisse für  die  Extrapolation  der  Strahlung  des  Poloniums 
besonders  günstig.  Versucht  man  das  gleiche  mit  den  anderen 
Versuchsreihen,  bei  denen  der  Betrag  der  Reststrahlung  geringer 
ist,  so  kommt  man  zu  wenig  befriedigenden  Resultaten.  Die 
logarithmische  Abklingungskurve  beim  Präparat  Ag  V  ergäbe 
eine  Halbierungskonstante  von  4*7  Tagen  für  die  Reststrahlung. 
Bei  den  anderen  Präparaten,  bei  denen  letztere  in  viel  geringerem 
Betrage  vorhanden  war,  machen  sich  die  Fehlerquellen  ent- 
sprechend stärker  bemerkbar,  so  daß  man  nur  schätzungsweise 
Halbierungskonstanten  von  2  bis  4  Tagen  für  Jr  daraus  folgern 
kann. 

Ich  möchte  daher  aus  den  bisher  mitgeteilten  Versuchen 
nur  etwa  folgende  Schlüsse  ziehen: 

1.  Die  in  einer  Lösung  gereinigten  Radiobleichlorids  akti- 
vierten Metalle  zeigen  in  ihrer  Abklingung  alle  einen  analogen 
Verlauf  (siehe  Kurven  I  bis  VIII  in  Fig.  1  bis  3). 

2.  Nach  2  bis  3  Wochen  erfolgt  der  Abfall  der  Gesamt- 
aktivität genau  nach  der  Konstante  des  Poloniums.  Vorher  ist 
er  rascher;  dies  führt  zu  dem  Schlüsse,  daß  in  dem  aktiven 
Beschlag  außer  dem  RaF  ein  rascher  abklingendes  Produkt 
vorhanden  ist.  Das  nächstliegende  ist,  anzunehmen,  es  rühre 
diese  Anfangsstörung  von  mitabgeschiedenem  RaEg  her,  das 
nach  Meyer  und  v.  Schweidler  bloß  ß-strahlend  ist  und  eine 
Halbierungszeit  von  4*8  Tagen  besitzt.  Wie  meine  Messungen 
ergaben,  ist  jedoch  diese  ß-Aktivität  allein  viel  zu  gering,  um 
diese  Erklärung  zu  rechtfertigen. 

3.  Meine  Analyse  zeigt,  daß  außer  der  a-Aktivität  des 
Poloniums  Jp^  und  der  ß-Aktivität  Jß  des  RaJEg  noch  eine  Rest- 
aktivität Jr  bei  den  untersuchten  Präparaten  vorhanden  war. 
Durch  Extrapolation  Jr:=:J — Jp^ — J^  (siehe  p.  1302)  wurde 
konstatiert,  daß  die  Abklingungsgesch windigkeit  von  Jr  mit 
der  des  ß-strahlenden  Ra-B,  fast  genau  übereinstimmt. 


1304  V.F.Hess, 

Es  erübrigen  nun  dreierlei  Annahmen:  Entweder,  daß 
RaEg  auch  a-Strahlen  aussendet,  deren  Geschwindigkeit  jedoch 
nur  zum  Teil  jene  Schwelle  übersteigt,  von  der  an  eine  Ioni- 
sierung der  Luft  möglich  ist  (denn  wäre  die  Geschwindigkeit 
dieser  a-Partikel  eine  größere,  so  würde  Jr  einen  weit  größeren 
Prozentsatz  der  Gesamtstrahlung  ausmachen). 

Zweitens  könnte  man  annehmen,  es  sei  zwischen  Ra£ 
und  RaF  noch  ein  weiche  Strahlen  aussendendes  Zwischen- 
produkt, das  ähnliche  Abklingungsgeschwindigkeit  besäße,  wie 

RaJSg- 

Drittens  wäre  die  Annahme  möglich,  daß  die  beobachtete 

Reststrahlung   eine   von   den   ß-Strahlen   des   RaJ5^    erzeugte 

Sekundärstrahlung  ist. 

Spätere,  im  IL  Abschnitte  mitgeteilte  Versuche  sollen  über 
diese  drei  Annahmen  entscheiden. 

Am  Schlüsse  des  ersten  Teiles  will  ich  noch  zeigen,  daß 
die  allgemeine  Annahme,  daß  die  Reststrahlung  vom  Raf,  her- 
rühre, sei  es  nun  als  wirkliche  a-Strahlung  oder  als  Sekundär- 
strahlung, zu  Kurven  führt,  die  mit  den  experimentellen  in  voll- 
kommener Weise  übereinstimmen. 

Vergleich  der  theoretischen  mit  den  experimentellen 

Kurven. 

Betrachten  wir  die  Abklingung  eines  Gemisches  zweier 
radioaktiver  Substanzen,  welche  beide  weiche  Strahlen  aus- 
senden und  Halbierungszeiten  von  5,  beziehungsweise  138 
Tagen  besitzen;  mit  dieser  Annahme  werden  wir  den  wirklichen 
Verhältnissen  ziemlich  nahe  kommen,  von  der  geringen 
ß-Strahlung  können  wir  ja  absehen. 

Also  ich  setze  voraus,  es  sei  ein  Gemisch  von  RblE^ 
(HC  =5  Tage)  und  Rai^  (HC=  138  Tage)  gegeben  und  zur 
Zeit  t  =:0  verhielten  sich  die  Intensitäten  ihrer  Strahlungen 
wie  100:900.  In  Tabelle  11  ist  dann  der  Verlauf  der  Ab- 
klingung berechnet.  Es  bedeuten  hierin: 

J^  die  Strahlung  von  Ra£^, 
J^  die  Strahlung  von  RajF, 
Jg  die  Strahlung  des  vom  Ra£^  nacherzeugten  R&F, 
J  =  ^1+^2 +•^2  ^^®  gesamte  Strahlung. 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1305 


4> 

Xi 
cd 


CO 

o 

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CD 

00 

CD 

00 

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CM 

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00 

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o 

1306 


V.F.Hess, 


In  Fig.  5  ist  die  logarithmische  Abklingung  graphisch  dar- 
gestellt. 

Die  hier  gemachte  Annahme,  daß  im  Anfange  10%  ^^^ 
Strahlung  auf  die  Strahlung  von  Ra£^  entfallen,  entspricht 
etwa  den  Verhältnissen  bei  den  Präparaten  III,  IV  und  V,    Wie 


94 

\ 

§0 

\ 

\ 

95 

\ 

V 

M 

\ 

\ 

75 

\ 

\ 

70 

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t     •" 

s 

2'U  ze  M 

— ►  Zeit  in  Tagen. 


90 


i0o 


Fig.  5.     Theoretische  Kurve. 


man  sieht,  ähneln  die  experimentellen  Abklingungskurven  der 
theoretischen  sehr  stark. 

Bei  den  anderen  Präparaten,  wo  die  übergelagerte  Strah- 
lung perzentuell  geringer  ist,  waren  die  Kurven  anfangs  nicht 
so  steil.  Auch  diesen  Fall  können  wir  aus  unserer  Tabelle  sehr 
gut  darstellen,  wenn  wir  etwa  bei  /  =  10  beginnen,  wo  die 
Strahlung  J,  nur  37o  der  Gesamtstrahlung  ausmacht,  d.  h.  die 
Kurve  erst  bei  /  =  10  beginnt.  Die  Kurve  stimmt  dann  z.  B.  mit 
den  experimentellen  Kurven  VI,  VII,  VIII  vollständig  überein. 


Strahlung  des  Radiobleis.  1 307 

Man  ersieht  hieraus,  daß  die  vorläufige  An- 
nahme, daß  die  restliche  Strahlung  rascher  Abklin- 
gung dem  Ra£^  zugehöre,  zu  AbkÜngungskurven 
führt,  welche  mit  den  experimentell  gefundenen  in 
vollkommen    befriedigender   Weise    übereinstimmen. 


Zweiter  Teil. 

Im  ersten  Teil  habe  ich  bei  in  Radiobleichloridlösung  akti- 
vierten Metallblechen  das  Vorhandensein  einer  Reststrahlung  Jr 
außer  der  ß-Strahlung  von  RaJ?^  und  der  a-Strahlung  des  Polo- 
niums festgestellt  und  konnte  nach  dem  damaligen  Stande  der 
Untersuchung  keine  definitive  Entscheidung  zwischen  den  drei 
möglichen  Erklärungen  jener  rasch  abklingenden  Rest- 
strahlung treffen. 

Die  Versuche  wurden  daher  nach  anderen  Gesichts- 
punkten fortgesetzt  und  haben,  wie  ich  hoffe,  die  so  komplizierten 
Verhältnisse  bei  der  Strahlung  des  Radiobleis  zum  größten  Teil 
gelichtet. 

Das  leitende  Prinzip  hiebei  war,  auf  irgend  eine  Weise  ein 
Präparat  mit  sehr  viel  Ra£  und  wenig  RaF  herzustellen  und 
mit  einem  präzisen  Instrumente  die  Abklingung  zu  verfolgen, 
um  aus  der  Gestalt  der  Kurven  zu  entscheiden,  ob  zwischen 
RajBg  und  RaF  noch  ein  weiteres  Zwischenprodukt  vorhanden 
ist.  —  Ferner  untersuchte  ich,  ob  die  durch  Elektrolyse  einer 
Radiobleiacetatlösung  mit  Ra£  und  RaF  überzogenen  Bleche 
dasselbe  Verhalten  zeigen,  wie  die  durch  Eintauchen  in  heiße 
Radiobleichloridlösung  aktivierten  Metalle. 

Zur  Messung  der  Aktivität  wurde  ein  mit  Mikroskop- 
ablesung versehenes  Exner'sches  Blattelektrometer  benützt. 
Die  Vergrößerung  war  eine  zwölfmalige.  Einem  Teilstrich  des 
Okularmikrometers  entsprach  durchschnittlich  0*9  Volt.  Die 
Eichung  geschah  nach  dem  von  H.  W.  Schmidt^  angegebenen 


1  H.  W.  Schmidt,  Phys.  Zeitschr.,  1906,  p.  157. 


I 


1308  V.  F.  Hess, 

Verfahren   mittels  einer  Uraneinheit.   Nach  Adjustierung  des 
Elektrometers  mit  neuen  Blättchen   zeigten  sich   noch  einige 
Zeit  Schwankungen  in  der  Empfindlichkeit,  die   aber  später       j 
ganz  minimal  wurden  (kaum  1 7o)  ^^^  schließlich   ganz  ver- 
schwanden. Die  Schmidt'sche  relative  Eichungsmethode  ge- 
stattete mit  Leichtigkeit,  auch  die  minimalste  Empfindlichkeits- 
änderung noch  zu  konstatieren.  Mit  den  Versuchen  wurde  erst 
begonnen,  als  das  Elektrometer  keine  Empfindlichkeitsänderung 
mehr  aufwies  und  vorsichtshalber  wurde  vor  und  nach  jeder 
Messungsreihe    eine    Kontrolle   der   Empfindlichkeit    mit   der 
Uraneinheit    ausgeführt.  —  Eine    ruckweise   Bewegung   des 
Blättchens  kam  im  verwendeten  Meßbereich  nicht  vor. 

Elektrolytische  Versuche. 

Durch  Elektrolyse  einer  Radiobleiacetatlösung,  derselben, 
welche  Meyer  und  v.  Schweidler^  bei  ihren  Versuchen 
benützten,  versuchte  ich,  auf  Platinblechen  möglichst  viel  Ra£ 
mit  wenig  RslF  niederzuschlagen.  Zu  diesem  Behufe  wollte  ich 
die  Lösung  vorher  möglichst  vom  RslF  freimachen,  elektro- 
lysierte  sie  daher  durch  mehrere  Wochen  mit  einer  Strom- 
dichte von  ungefähr  4- 10~^  Amp./^m*,  bei  welcher  wohl  das 
RaF,  nicht  aber  das  RajB  abgeschieden  wird  (siehe  Meyer  und 
V.  Schweidler  1.  c).  Dieses  Verfahren  erwies  sich  jedoch  für 
unsere  Zwecke  leider  unzureichend.  Trotz  mehrwöchentlicher 
vorhergegangener  Elektrolyse  war  in  der  Lösung  des  Radio- 
bleiacetats  immer  noch  genug  RaF  vorhanden,  so  daß  die 
Strahlung  der  Platinkathoden  zum  größten  Teil  aus  Raf 
bestand.  Auch  eine  weitere  Verlängerung  der  Dauer  der 
Elektrolyse  hatte  keinen  Erfolg;  offenbar  war  die  Lösung  zu 
aktiv,  so  daß  das  durch  Elektrolyse  mit  der  geringen  Strom- 
dichte abgeschiedene  RaF  fast  ganz  durch  die  Nacherzeugung 
aus  dem  vorhandenen  RaE  ersetzt  wurde. 

Die  erhaltenen  Präparate  zeigen  etwa  das  folgende  Ver- 
halten: 3  bis  472^0  der  Strahlung  ist  der  anfängliche  Betrag 
der  in  Frage  stehenden  Reststrahlung.  Die  ß-Strahlung  ist  kaum 


1  Meyer  und  v.  Schweidler,  diese  Sitzungsber.,  1 906,  p.  698. 


Strahlung  des  Radiobleis.  1 309 

meßbar  (etwa  0  •  3  7o)  und  96  Vo  entfällt  auf  die  Strahlung  des 
RslF. 

Die  Mengenverhältnisse  sind  also  bei  diesen  Präparaten 
keineswegs  günstiger  für  die  Entscheidung  unserer  Fragen 
als  bei  den  in  der  heißen  Lösung  aktivierten  Blechen.  Die 
Abklingungskurven  haben  genau  dieselbe  Gestalt  wie  bei  den 
letzteren,  nur  war  die  anfängliche  raschere  Abklingung  etwas 
weniger  ausgeprägt,  also  zur  Extrapolation  der  Reststrahlung 
noch  weniger  geeignet. 

Versuche   mit   nach   der  Aktivierung   ausgeglühten 

Pd-Bleehen. 

Da  die  eben  dargestellten  Versuche,  auf  elektrolytischem 
Wege  Präparate  mit  viel  RaE  und  wenig  RblF  herzustellen, 
mißlungen  waren,  wendete  ich  ein  anderes  Mittel  an,  um  die 
Präparate  mit  Ra£  anzureichern.  Ich  glühte  die  in  einer  Radio- 
bleichloridlösung  sehr  stark  aktivierten  Bleche. 

Bekanntlich  wird  beim  Erhitzen  RslF  eher  flüchtig  als 
Ra£.  Als  >SubHmationstemperatur«  wird  für  RaF  etwa  1000* 
angegeben.  Sehr  richtig  weist  H.  W.  Schmidt^  darauf  hin, 
daß  von  einem  Sublimationspunkt  im  strengen  Sinne  des 
Wortes  bei  den  radioaktiven  Substanzen  nicht  gesprochen 
werden  kann.  Trotz  längerer  Erwärmung  eines  dünnen  Bleches 
auf  1000**  gelingt  es  nie,  dasselbe  vollständig  von  RslF  freizu- 
machen; ich  beobachtete  bei  auf  elektrolytischem  Wege  nur 
mit  Polonium  beschlagenen  Blechen,  daß  selbst  nach  Erhitzen 
bis  zur  Weißglut  die  Aktivität  nicht  ganz  verschwand. 

Für  den  Zweck,  den  ich  im  Auge  hatte,  genügte  indes 
dieses  Trennungsverfahren  vollkommen.  Nachdem  die  Palla- 
diumbleche in  einer  Radiobleichloridlösung  so  stark  aktiviert 
worden  waren,  daß  ihre  Aktivität  mit  dem  gegebenen  Blatt- 
elektrometer nicht  mehr  gemessen  werden  konnte,  erhielt  ich 
sie  etwa  5  Minuten  in  gleichmäßiger  Rotglut.  Dadurch  wurde 
ein  großer  Teil  des  RslF  verflüchtigt,  so  daß  die  Gesamt- 
aktivität zu  einem  meßbaren  Betrage  sank. 


1  H.  W.  Schmidt,  Zeitschr.  für  Radioakt.  und  Elektronik.  4,  Nr.  14. 


1310 


V.  F.  Hess, 


Nach  dem  Glühen  machte  die  ß-Aktivität  des  RaE  etwa 
30  bis  407o  ^®^  Gesamtstrahlung  aus,  die  übrigen  60  bis  70^^ 
waren  a-Aktivität  und  rührten  von  dem  nicht  verflüchtigten 
Teile  des  Poloniums  her. 

Bei  einem  so  großen  Anteile  von  Ra£  mußten  die  Kurven 
der  a-Strahlung  einen  deutlichen  Anstieg  zeigen  und  die  darauf- 
folgende Abklingung  mußte  die  Entscheidung  ergeben,  ob 
zwischen  RaJBg  und  Ra2^  noch  ein  a-strahlendes  Zwischenpro- 
dukt vorhanden  wäre. 

Vorerst  seien  die  an  vier  aktivierten  und  nachher  ge- 
glühten Pd-Blechen  ausgeführten  Abklingungsmessungen  tabel- 
larisch mitgeteilt. 

In  den  Tabellen  bedeuten  i«  und  i^  die  gemessene  Intensi- 
tät der  a-,  respektive  ß-Strahlung.  Die  Zeit  i  ist  in  Tagen  ge- 
messen. HCa  bedeutet  die  beim  Abfall  der  a-Aktivität  beob- 
achtete Halbierungskonstante. 


4 
I 
f 


Tabelle  12. 

(Präparat  Pd  1.) 


/ 

log  'p 

log  »o 

HCa 

0 

7 

0-9736 

1-4148 

3 

•7 

0-8222 

1-4700 

— 

7 

"8 

0-5635 

1-4842 

— 

12 

0 

0-2201 

l • 4906 

17- 

»^ 
/ 

0-970     —1 

1 • 4867 

1 

1 

20' 

8 

0-845     —1 

— 

23' 

8 

1 • 4682 

146-C 

25" 

7 

0-591     —1 

— 

30 

40 

8 
7 

0-770     —2 

1-4598 
1-4390 

r 

143-3 

46 
60 
78 
95 

•8 

•7 

Q 

— 

1-4160 
1 • 3820 
1-3504 
1-3124 

1 

}! 

1 

i       123-1 

171-0 

l       129-1 

Strahlung  des  Radiobleis. 


1311 


Tabelle  13. 

(Präparat  Pd  2.) 


/ 

log  «> 

log  ia 

HCa 

0-2 

1-1810 

1-4498 

1-05 

1-1189 

1-4942 

— 

4-0 

0-9380 

1 • 5292 

— 

6-0 

0-8370 

1  -  5547 

— 

80 

0-7127 

1 • 5662 

— 

140 

0-3430 

— 

20-0 

0-0086 

1-5809 

— 

26-0 

0-7202   1 

1 • 5780 

\       158-0 

40-0 

— 

1-5513 

\         148-0 

490 

— 

1 • 5330 

H   120-4 

57-0 

— 

1-5131 

y    1380 

71-0 

— 

1-4826 

n   128-0 

88-9 

^^" 

1-4405 

Tabelle  14. 

(Prilparat  Pd  3.) 


/ 

log  ȧ 

log  l'a 

ffCa 

0 

0-8325 

1-4829 

0-9 

0-7738 

1 • 4686 

— 

4-9 

0-5441 

1-4826 

— 

5-9 

0-4829 

1-4933 

— 

13-9 

0-0170 

1-4953 

— 

19-2 
230 

0-7510  —1 
0-560  —1 

1 • 4852 
1-4755 

\   117-9 

27-9 

0-345  —1 

1 -4608 

\         144-8 

41-9 
61-9 

— 

1-4362 
1-3916 

M   135-0 

72-0 

— 

1-3740 

\         123-7 

82-0 

— 

1-3427 

J 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a. 


88 


1312 


V.F.Hess, 


Tabelle  15. 

(Präparat  Pd  4.) 


t 

'08  'U 

log  »a 

0 

7 

0-9494 

1-3442 

2- 

8 

0-8189 

1 • 3707 

3- 

7 

0-7752 

7 

8 

0-5366 

— 

12' 

■7 

0-1959 

1 • 3980 

15« 

7 

0-0420 

1 • 3988 

20' 

8 

0-8261   1 

1-3925 

23' 

8 

— 

1-3971 

25 

7 

0-6035  —1 

1-3942 

31" 

7 

0-2753  —1 

1 • 3849 

38' 

7 

— 

1-3731 

40 

•7 

— 

1 • 3674 

46 

■7 

— 

1-34&9 

60 

'7 

— 

1  3222 

78 

7 

— 

1-2847 

95' 

•7 

1  -  2439 

HC^ 


139-5 


} 


} 


158  O 

144-5 
127-0 


Die  logarithmischen  Abklingungskurven  der  ß-  und 
a- Strahlung  sind  in  den  Figuren  6  und  7  verzeichnet. 

Die  Kurven  der  ß-Strahlung. 

Um  Überdeckung  zu  vermeiden,  ist  Kurve  1  (Fig.  6)  um 
0*40  nach  unten  verschoben. 

Nach  St.  Meyer  und  v.  Schweidler^  ist  Ra£  kein  ein- 
heitlicher Körper,  sondern  besteht  aus: 


1  Meyer  und  v.  Schweidler,  Diese  Sitzungsber.,  1906,  p.  711. 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1313 


Ra^i  mit  der  Halbierungskonstante  6  bis  6*5  Tage,  strahlenlos, 

bei  Rotglut  flüchtig; 
Ra^  mit  der  Halbierungskonstante  4'8  Tage,  ß-strahlend,  bei 

Rotglut  nicht  flüchtig. 

88* 


1314  V.F.Hess, 

Von  vornherein  wäre  also  zu  erwarten  gewesen,  daß  unsere 
geglühten  Palladiumbleche  in  der  Abklingung  ihrer  ß-Strahlung 
einfach  die  Halbierungskonstante  von  Ra£^  (HC  =:  4*8  ^^%t) 
zeigen  würden,  da  ja  alles  RslE^  durch  das  Glühen  verjagt  sein 
müßte. 

Wie  ein  Blick  auf  die  logarithmischen  ß-Strahlungskurven 
in  Fig.  6  lehrt,  ist  dies  jedoch  nicht  der  Fall.  Meyer  und 
v.  Schweidler  haben  ihre  Angabe  auf  Platinbleche  bezogen, 
welche  auf  elektrolytischem  Wege  mit  RaE  beschlagen  worden 
waren.  Meine  Präparate  waren  Palladiumbleche,  durch  Ein- 
tauchen aktiviert.  Möglicherweise  sind  die  durch  eine  solche 
»lonenaktivierung«  auf  dem  Metalle  niedergeschlagenen  radio- 
aktiven Substanzen  überhaupt  schwerer  zu  verflüchtigen,  auch 
mag  die  Sublimationstemperatur  für  die  Pd-Präparate  eine 
andere  sein  als  bei  Pt. 

Endlich  sei  noch  auf  die  Angabe  H.  W.  Schmidt 's  (siehe 
p.  1309)  verwiesen,  wonach  von  einem  exakten  Sublimations- 
punkte bei  radioaktiven  Stoffen  überhaupt  nicht  gesprochen 
werden  kann. 

Meine  ß-Kurven  zeigen  also  durchaus  eine  Verflachung 
etwa  vom  15.  Tage  an.  Aus  den  Kurven  ergeben  sich  folgende 
Halbierungskonstanten : 

In  Tagen 
Intervall  HC  Intervall  HC 

Präparat  Pd  1 0—13  4-70  13—31  626 

Pd2 0—14  4-95  14—26  58 

Pd3 0—14  5-13  14—28  6-2 

Pd4 0—16  4-97  16—32  6-5 

Diese  Erscheinung  läßt  sich,  wie  Meyer  und  v.  Schweid- 
ler zeigten,  in  einwandfreier  Weise  nur  durch  Annahme  zweier 
sukzessiver  Produkte  Ra£^  und  RblE^  erklären  mit  den  Halbie- 
rungszeiten 4  •  9,  respektive  6  •  2  Tagen,  von  welchen  E^  strahlen- 
los und  jE^  ß-strahlend  ist. 

Die  Kurven  der  a-Strahlung. 

Die  Kurven  3  und  4  sind  um  0  •  20,  respektive  0  •  50  nach 
oben  verschoben,  um  die  Figur  übersichtlicher  zu  gestalten. 


Strahlung  des  Radiobleis. 


1315 


Eine  Entscheidung  der  Frage,  ob  zwischen  Ra£^  und  RaF 
noch  ein  weiteres  intermediäres  Produkt  mit  a-Strahlung  sich 
befinde,  konnte  nur  durch  exakte  Abklingungsmessung  einer 
durch  Umwandlung  des  Ra£g  gewonnenen  a- Aktivität  getroffen 
werden. 


1 

■ 

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Z 


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Die  Präparate  Pd  1  bis  4  zeigen,  wie  aus  Fig.  7  ersichtlich, 
durchwegs  einen  bedeutenden  Anstieg,  herrührend  von  der 
Umwandlung  des  ß-strahlenden  RaE^  in  einen  a-Strahler.  Dieser 
Anstieg  ist  natürlich  am  deutlichsten  bei  jenem  Präparate, 
welches  am  meisten  RaJB  enthielt,  also  bei  Präparat  Pd  2,  und 


1316  V.F.Hess, 

am  flachsten  bei  Präparat  Pd  3,  das  am  wenigsten  RslE  enthielt 
(siehe  die  Tabellen  12  bis  15). 

Der  Anstieg  dauerte  durchschnittlich  bis  zum  15.  Tage. 
Die  nun  folgende  Abklingung  ist  von  entscheidender  Bedeutung. 
Erfolgt  sie  merklich  rascher  als  es  der  Halbierungszeit  des  RslF 
entspricht,  so  ist  ein  Zwischenprodukt,  auf  dessen  Abklingungs- 
geschwindigkeit  man  durch  Extrapolation  der  Strahlung  des 
RaF  schließen  könnte,  im  anderen  Falle  jedoch  nicht. 

Die  Betrachtung  der  Kurven  Fig»  7  gibt  die  Entscheidung. 
Wie  man  sieht,  liegen  die  beobachteten  Werte  nach  Erreichung 
des  jeweiligen  Maximums  fast  genau  auf  einer  Geraden,  Un- 
mittelbar nach  dem  Maximum  ist  keinerlei  Abfallsbeschleuni- 
gung zu  merken. 

Die  logarithmische  Abklingung  ist  also,  wie  man  ersieht, 
nicht  nur  später,  sondern  auch  unmittelbar  nach  Passierung  des 
Maximums  eine  lineare,  d.  h.  nach  vollzogener  vollständiger 
Umwandlung  des  RaJEg  ist  nur  mehr  ein  a-strahlender  Bestand- 
teil in  den  Präparaten  vorhanden. 

Aus  den  Kurven  ergeben  sich  die  Halbierungskonstanten 

für  Pd  1 HC=  134-5  Tage, 

»    Pd  2 136-5      » 

»    Pd  3 140-0      • 

»    Pd4 142-4      » 

im  Mittel ...     HC  =138' 2  Tage, 

welche  Werte  in  Anbetracht  der  relativ  kurzen  Dauer  der  Beob- 
achtungen (85  bis  95  Tage)  in  befriedigender  Weise  mit  der 
Konstante  von  RslF  übereinstimmen. 

Hiemit  ist  bewiesen,  daß  zwischen  RaJS^  und 
dem  a-strahlenden  RblF  kein  weiteres  a-strahlendes 
Zwischenprodukt  rascher  Umwandlungsgeschwindig- 
keit existiert. 

Es  erübrigt  demnach  noch  eine  Entscheidung  zwischen 
der  p.  1304  angeführten  ersten  und  dritten  Erklärungsmöglich- 
keit für  die  Reststrahlung,  nämlich: 

a)  Annahme,  daß  Ra£^  komplexe  a-Strahlen  aussende, 
deren  Geschwindigkeit  nur  zum  Teil  die  lonisationsschwelle 
übersteigt. 


Strahlung  des  Radiobleis.  1317 

h)  Annahme  einer  von  der  p-Strahlung  des  Ra-EJj  erzeugten 
starken  Sekundärstrahlung. 

Unsere  im  ersten  Teile  besprocheneReststrahlung  kann  un- 
möglich dem  RajEg  als  gewöhnliche  a-Strahlung  zugeschrieben 
werden.  Denn  es  müßte  in  diesem  Falle  diese  Strahlung  einen 
viel  größeren  Prozentsatz  der  Gesamtstrahlung  ausmachen,  da 
die  Umwandlungsgeschwindigkeit  von  RaJBg  gegen  Rai^  groß 
ist.  Also  bliebe  als  Ausweg  nur  die  Annahme  a)  übrig. 

Die  experimentellen  Resultate  an  sich  geben  uns  keine 
Möglichkeit  einer  exakten  Entscheidung  zwischen  der  An- 
nahme a)  und  h)\  denn  die  beobachteten  Phänomene 
stimmen  ebenso  gut  zu  einer  schwachen  a-Strahlung 
als  zu  einer  Sekundärstrahlung  von  Ra£g:  Im  all- 
gemeinen war  die  beobachtete  Reststrahlung  bei  jenen  Präparaten 
am  stärksten,  die  eine  starke  ß-Strahlung  aufwiesen  (siehe 
erster  Teil,  Tabellen  1  bis  8). 

Damit  stimmt  auch  die  Tatsache  überein^  daß  bei  dem 
absteigenden  Aste  der  a-Kurven,  Fig.  7,  eine  Beschleunigung 
des  Abfalls  nicht  mehr  zu  bemerken  war,  da  in  dem  Zeit- 
punkte, wo  der  Abfall  beginnt,  die  ß-Strahlung  und  somit  auch 
die  damit  verbundene  Reststrahlung  bereits  zu  einem  Betrage 
herabgesunken  war,  wo  ihr  Einfluß  von  unseren  Instrumenten 
nicht  mehr  bemerkt  werden  konnte.  Es  hat  sich  eben  in  dieser 
Zeit  bereits  radioaktives  Gleichgewicht  hergestellt,  wogegen 
ausdrücklich  zu  bemerken  ist,  daß  bei  der  lonen- 
aktivierung,  d.  h.  bei  der  Aktivierung  durch  Ein- 
tauchen in  die  Lösung  die  radioaktiven  Substanzen 
nicht  im  Gleichgewichtszustande,  sondern  in  ganz 
variablen  Mengenverhältnissen  abgeschieden 
werden;  von  welchen  Umständen  letztere  abhängen,  war 
bisher  nicht  näher  ausfindig  zu  machen. 

Bei  dem  jetzigen  Stande  der  experimentellen  Hilfsmittel 
wird  eine  Entscheidung  zwischen  der  Auffassung  der  Rest- 
strahlung a)  als  schwach  ionisierende  a-Strahlung  oder  h)  als 
Sekundärstrahlung  kaum  durch  das  Experiment  erzwungen 
werden  können. 

Am  geeignetsten  erschiene  eine  Untersuchung  der  Präparate 
nach  der  Bragg'schen  Methode.  Allein  es  ist  von  vornherein  zu 


1318  ^  V.  F.  Hess, 

erwarten,  daß,  wenn  unsere  Reststrahlung  wirklich  eine 
schwache  a-Strahlung  ist,  ihre  Range  abnorm  klein  und  wegen 
der  unverhältnismäßig  großen  übergelagerten  lonisations- 
Wirkung  des  RaF  kaum  mit  Sicherheit  zu  konstatieren  sein 
wird.  Und  die  Herstellung  eines  vollständig  von  Ra^  freien 
Ra JE- Präparates  ist  nicht  möglich. 

Eine  weitere  experimentelle  EntscheidungsmögrUchkeit 
wäre  die  magnetische  Ablenkungsmethode.  Allein  auch  hier 
sind  die  Schwierigkeiten  enorm.  Denn  die  Sekundärstrahlungs- 
phänomene  sind  so  kompliziert  und  mannigfacher  Art,  daß  sie 
in  manchen  Fällen  von  einer  primären  ß-Strahlung  kaum  unter- 
schieden werden  können,  und  die  Genauigkeit  der  mag^ne- 
tischen  Ablenkungsmethode  bleibt  überdies  noch  weit  hinter 
jener  der  Bragg'schen  Methode  zurück. 

Ich   lasse    demnach  die   Entscheidung  zwischen 
der  Auffassung  der  Reststrahlung  als  langsame 
a-Strahlung  oder  als  Sekundäreffekt  vorläufig  offen 
und  begnüge  mich  damit,  festgestellt  zu  haben,   daß        . 
sie   von  Ra£  herrühren   muß,   nicht  aber   von    einem         i 

zwischen    RaJB  und   RaF  liegenden    unbekannten         ' 

I 

a-strahlenden  Zwischenprodukte.  l 


Anhang. 

Das  Verhalten  der  geglühten  und  ungeglühten  Präparate  in 
den  ersten  Stunden  nach  der  Aktivierung. 

Wie  schon  in  den  Versuchsresultaten  an  mehreren  Stellen 
mitgeteilt  wurde,  zeigten  sich  auch  rasche  Änderungen  der 
Aktivität  der  untersuchten  Präparate  in  den  ersten  Stunden 
der  Aktivierung. 

Die  ungeglühten  Präparate  zeigen  ausnahmslos  einen 
Anstieg  der  Aktivität  in  den  ersten  6  Stunden  um  3  bis  57o 
des  Wertes  der  anfänglichen  Gesamtstrahlung.  Der  darauf* 
folgende  Abfall  war  merklich  rascher  als  es  den  Konstanten 
von  RaJB  oder  RaF  entspräche. 

Bei  einigen  geglühten  Präparaten  ward  in  den  ersten 
Stunden  ein  rascher  Abfall  um  2  bis  6  7o  beobachtet 


Strahlung  des  Radiobleis.  1319 

Eine  Erklärung  für  diese  Erscheinungen  kann  zur  Zeit 
noch  nicht  gegeben  werden. 

Man  könnte  daran  denken,  diese  Erscheinungen  durch 
Abscheidung  von  Ra5  mit  wenig  RaC  zu  erklären;  bei  den 
geglühten  Präparaten  wäre  dann  alles  RaB  sublimiert  und  nur 
eine  Spur  von  RaC  übrig,  während  bei  den  ungeglühten  das 
vorhandene  Ra-iB  einen  raschen  Anstieg  erzeugen  würde. 

Doch  liegen  noch  keinerlei  quantitative  exakte  Daten 
vor,  die  eine  solche  Deutung  stützen  würden,  und  es  ist  ebenso- 
gut möglich  diese  Erscheinungen  auf  irgendwelche  molekulare 
Änderungen  (Diffusionserscheinungen)  oder  Verunreinigung 
durch  geringe  Spuren  anderer  radioaktiver  Substanzen  zurück- 
zuführen, wenngleich  letztere  Annahme  bei  Anwendung  eines 
wiederholt  fraktionierten  gereinigten  Radiobleichlorids  unwahr- 
scheinlich klingt. 

Der  Emanationsgehalt  der  Radiobleichloridlösung  war,  wie 
eine  nachfolgende  Prüfung  nach  der  Emanationsmethode  ergab, 
sehr  gering  (etwa  Vso  v^"  ^^^  ^®r  Gasteiner  Thermen). 


Zusammenfassung    der   wichtigsten  Ergebnisse   der  ganzen 

Untersuchung. 

Im  ersten  Teile  wurde  gezeigt: 

1.  Bei  der  Aktivierung  in  heißer  Radiobleichloridlösung 
werden  die  aktiven  Substanzen  in  von  nicht  näher  kontrollier- 
baren Umständen  abhängenden,  oft  erheblich  variierenden 
Mengenverhältnissen,  durchaus  nicht  im  radioaktiven  Gleich- 
gewichte abgeschieden. 

2.  Die  Abklingung  der  Gesamtstrahlung  der  Präparate  er- 
folgt nach  zwei  bis  drei  Wochen  nach  der  Konstante  von  RaF, 
vorher  ist  sie  rascher.  Doch  ist  die  beobachtete  p-Strahlung 
von  Ra£^  allein  zu  gering,  um  daraus  die  anfangliche  Be- 
schleunigung der  Abklingung  restlos  zu  erklären. 

3.  Durch  graphische  Extrapolation  wurde  gezeigt,  daß 
eine  die  Anfangsstörung  verursachende,  wenig  durchdringende 
Reststrahlung  vorhanden  ist,  die  in  ihrer  Abklingung  ziemlich 
genau  die  Konstante  von  Ra£  befolgt,  somit  entweder  von 


1320  V.  F.  Hess,  Strahlung  des  Radiobleis. 

R«£  oder  einem  nachfolgenden,    zwischen   Ra£    und  Raf 
liegenden  radioaktiven  Produkte  herrühren  muß. 

4.  Die  theoretische  Annahme,  die  Reststrahlung  sei  eine 
von  Ra£^  ausgehende  schwache,  wenig  durchdringende 
Strahlung,  führt  zu  Kurven,  welche  mit  den  experimentell 
gefundenen  in  sehr  befriedigender  Weise  übereinstimmen. 

Im  zweiten  Teile  wurde 

1.  durch  Abklingungsmessungen  an  stark  Ra£-hältigen 
Präparaten  bewiesen,  daß  zwischen  Ra£^  und  RaF  unmög- 
lich ein  weiteres  a-strahlendes  Zwischenprodukt  vorhanden 
sein  kann.  Dadurch  wird  es  zwingend, 

2.  die  im  ersten  Teile  besprochene  Reststrahlung  entweder 
als  schwach  ionisierende  a- Strahlung  oder  als  eine  von  den 
ß-Strahlen  des  Ra£^  hervorgerufene  Sekundärstrahlung  auf- 
zufassen. 

Eine  experimentelle  Entscheidung  zwischen  diesen  beiden 
Erklärungsmöglichkeiten  war  nicht  möglich. 

3.  Bei  Abklingungsmessungen  der  ß-Strahlung  von  Ra£ 
wurde  beobachtet,  daß  der  Abfall  bis  etwa  zum  15.  Tage  nach 
der  Halbierungskonstante  HC  =  4  •  9  Tage  erfolgt,  später  aber 
eine  Verlangsamung  eintritt  (HC=:  6*2 Tage).  Dadurch  wurde 
die  Anschauung  von  St,  Meyer  und  E.  v.  Schweidler,  daß 
RelE  aus  zwei  sukzessiven  Produkten,  dem  strahlenlosen  Ra£i 
{HC  =6-2  Tage)  und  dem  ß-strahlenden  RaJS^  (Ä'C  =  4'9 
Tage)  bestehe,  neuerlich  experimentell  bestätigt. 


1321 


Ober  die  Ableitung-  des  Gauß'sehen  Prinzips 

des  kleinsten  Zwanges  aus  den  allgemeinsten 

Lagrange'schen  Gleichungen  zweiter  Art 

von 

Richard  Leitinger. 

Aus  dem  mathematisch-physikalischen  Kabinett  der  k.  k.  Universität  in  Graz. 
(Vorgelegt  m  der  Sitzung  am  21.  November  1907.) 

Das  von  Gauß  (1829)  aufgestellte  Prinzip  des  kleinsten 
Zwanges  läßt  sich  bekanntlich  für  rechtwinklige  Koordinaten 
in  einfacher  Weise  aus  den  Lagrange'schen  Gleichungen  erster 
Art  ableiten,  wobei  sich  für  den  Zwang  Z,  d.  i.  filr  die  zu  einem 
Minimum  zu  machende  Funktion,  der  schon  von  Scheffler 
(1858)  zuerst  formulierte  Ausdruck  ergibt: 

Zzr  y  — [(Wvi^;— Xv)2+(mv>  — Yv)2+(Wv2v— Zv)2]. 

v  =  l 

Statt  der  rechtwinkligen,  durch  die  Bedingungsgleichungen 
miteinander  verknüpften  Koordinaten  hat  nun  schon  Lipschitz 
(1877)  versucht,  allgemeine,  die  Bedingungsgleichungen  iden- 
tisch erfüllende  Variable  einzuführen,  und  Waßmuth  ist  es 
(1895)  gelungen,  auf  einem  sehr  einfachen  Wege  die  Trans- 
formation des  Zwanges  in  allgemeine  Koordinaten  vorzu- 
nehmen, wenigstens  unter  der  Voraussetzung,  daß  die  Bedin- 
gungen die  Zeit  nicht  explizit  enthalten.^  Außerdem  haben 
sich  auch  Radakovich  und  andere  mit  diesem  Problem  ein- 
gehend beschäftigt. 


1  Wafimuth,  Über  die  Transformation  des  Zwanges.  Diese  Sitzungs^ 
berichte,  CIV,  II.  Teil. 


1322  R.  Leitinger, 

Es  liegt  nun  die  Frage  nahe,  ob  es  denn  nicht  möglich 
sei,  in  ähnlicher  Weise  wie  für  rechtwinklige  Koordinaten 
auch  für  generalisierte,  voneinander  unabhängige  Koordinaten 
das  Gauß'sche  Prinzip  und  insbesondere  den  allgenoeinen  Aus- 
druck für  den  Zwang  Z  direkt  aus  den  allgemeinsten 
Lagrange'schen  Gleichungen  zweiter  Art  abzuleiten? 

Im  folgenden  soll  nun  eine  solche  direkte  Ableitung  ver- 
sucht werden,  wobei  im  ganzen  zunächst  vier  verschiedene 
mögliche  Fälle  in  Betracht  zu  ziehen  sind;  denn  die  zwischen 
den  rechtwinkligen  Koordinaten  bestehenden  Bedingungs- 
gleichungen sowie  die  Transformationsgleichungen,  durch 
welche  statt  der  rechtwinkligen  die  generalisierten  Koordi- 
naten Pi,P29'''Ps  eingeführt  werden,  können  ihrer  Form 
nach  1.  holonom  oder  2.  nichtholonom  sein  und  die 
Transformationsgleichungen  können  selbst  wieder  in  beiden 
Fällen  die  Zeit  t  explizit  enthalten  oder  nicht,  also  noch  rheo- 
nom  oder  skleronom  sein. 

Es  wird  sich  indessen  zeigen,  daß  die  Nichtholonomität 
der  generalisierten  Koordinaten  im  allgemeinen  keinen  wesent- 
lichen Einfluß  auf  den  Gang  der  Ableitung  ausübt,  so  daß 
eigentlich  für  die  vorliegende  Aufgabe  nur  zwei  Hauptfälle  in 
Betracht  kommen,  je  nachdem  nämlich  die  generalisierten 
Koordinaten  skleronom  oder  rheonom  sind. 

Der  einfachere  und  zugleich  weitaus  häufigere  dieser 
beiden  Fälle  soll  zuerst  in  Angriff  genommen  werden. 

A.  Skleronome  generalisierte  Koordinaten. 

Die  Transformationsgleichungen  sollen  zunächst  die  Zeit  / 
nicht  explizit  enthalten,  also  entweder,  falls  sie  holonom 
sind,  lauten: 

x^  =  y;(/7j,  /7a .  . .  ps),     für  V  =:  1,  2, ...  3«    ^ 


1  Dabei  sind  die  rechtwinkligen  Koordinaten  des  Systems  nach  Boltz- 
mann  alle  mit  demselben  Buchstaben  x  bezeichnet  und  ebenso  ist  der  ein- 
facheren Schreibweise  wegen  die  Masse  jedes  Punktes  durch  drei  Buchstaben, 
z.  B.  f»,  =  1^2  s=s  1^3,  ausgedrückt 


Prinzip  des  kleinsten  Zwanges.  1323 

oder,  falls  sie  nichtholonom  sind,  die  Form  haben : 

s 

dx^  =z  V  TChdph,     für  V  rz:  1,  2, 3  . . .  3n, 

wobei  die  Größen  «*  irgend  welche  Funktionen  der  pk  sein 
werden,  die  aber  die  Zeit  ebenfalls  nicht  explizit  enthalten 
sollen.  Die  durch  diese  3n  Gleichungen  eingeführten  s  all- 
gemeinen oder  generalisierten  Koordinaten  jp^,  p^-  -  •  Ps  sollen 
die  zwischen  den  rechtwinkligen  Koordinaten  bestehenden 
T  Bedingungsgleichungen : 

identisch  erfüllen,  aber  voneinander  vollkommen  unabhängig 
sein,  was  natürlich  nur  möglich  ist,  wenn  ihre  Anzahl  5  gleich 
der  Zahl  der  Freiheiten  des  Systems  3» — t  ist.  Die  Lagrange- 
sehen  Gleichungen  zweiter  Art  lauten  dann  für  holonome 
Koordinaten: 

ö,:=  A/i:^]_i^_P,^0,    für  Arn  1,2,. .,5  1) 

dt  \  9pH  I       ipk 

und  für  nichtholonome  Koordinaten,  wie  Boltzmann^  zuerst 
gefunden  hat: 

^  d  f^L\        8L       -, 

ÖÄ  =  -TT  TT-   --^ ^*+ 

dt\dpHj        ^Ph 

3n  /  s  \ 

+  2w,;rJcÄ-f-  ^  Cit]  =  0,     für  Ä  =  1,2,... 5,     U) 

v=l  \  t=l  / 

wobei  L  die  lebendige  Kraft,  Pn  die  generalisierte  Kraft- 
komponente bedeutet. 

Aus  diesen  allgemeinen  Lagrange'schen  Gleichungen  läßt 
sich  nun  im  vorliegenden  Falle  das  Gauß'sche  Prinzip  und  der 
allgemeine  Ausdruck  für  den  Zwang  auf  folgendem  Wege 
direkt  ableiten. 


1  Boltzmann,  Prinzipe  der  Mechanik,  II.  Teil,  p.  100.  Siehe  auch  p.  1330 
dieser  Abhandlung. 


1324 


R.  Leiting«r, 


Aus  den  Gleichungen 


folgt: 


Öl  =  0,  ö«  =  0, . . .  ö.  =  0 
ÖM  +  Ö88A  +  Ös8ä+.  .  .  +  ö,8/,  =  O. 


\] 


Ferner  ergibt  sich  aus  den  Transformationsgleichungen 
durch  Differentiation  entweder: 


1 


i.= 


Ph    oder     x,=  Y  ^*^* 

h  =  \ 


SO  daß  die  lebendige  Kraft  des  Punktsystems  als  eine  quadra- 
tische Form  in  den  Größen  p*  erscheint: 


3n  5 


3) 


v  =  l 


h,k  =  l 


Dabei  setzen  sich  die  Koeffizienten  Uhu  =  ^m   aus  den 


Größen 


ix, 
"8^ 


,  respektive  ttJ  zusammen,  sind  also  Funktionen 


der  pky  die  die  Zeit  nicht  explizit  enthalten,  und  es  läßt  sich 
zeigen,  daß  die  Determinante  der  quadratischen  Form  L  von 
Null  verschieden  ist:* 


D  = 


^s\f    <*s2i  .  .  .  Ä 


55 


0 


für  alle  Werte  der  Zeit  /. 

Man  kann  daher  die  Gleichung  2)  mit  2D  multiplizieren 
und  erhält: 

5 

'  2QH.D.tpx  =  0.  4) 


Z 


1  BoltziiiAnn,  Prinzipe  der  Mechanik,  II,  p.  35. 


Piinzip  des  kleinsten  Zwanges.  1325 

Nun  ist  bekanntlich 
D  =  axnAxi.+auAzH'k- . . .  +ashAsh    für  A  =  1,  2,  3, . . .  s,     5) 

wobei  die  Arn  die  Adjunkten  von  D  sein  sollen.  Die  Gleichung  4) 
läßt  sich  daher  auch  schreiben  in  der  Form: 

y  2Qh[aihAiH'^a2hA2k'^ . . .  -hashAsh]iph  =  0.         6) 

A  =  l 

Nun   gilt   aber  weiters   nach  einem  Satze  der  Determi- 
nantentheorie, daß,  wenn  r  von  h  verschieden, 

airAiH'ha2rAtH-^"  .  -^asrAsk  =  0.  7) 

Fügt  man  daher  zur  linken  Seite  in  Gleichung  4)  oder  6) 
solche  Glieder  hinzu,  die  identisch  verschwinden,  so  gilt  auch: 

s 


h^l 


+  [^12-4lÄ+^2«-^2Ä-t-  •  .  .  -^^aAsh]  8/?2 
+ 

+  [^15  AiH'ha2sA2H^  . . .  -hassAsh]  ^Ps}  =  0.       8) 

Denn  für  jedes  bestimmte  h  verschwinden  nach  7)  sämt- 
liche Glieder  bis  auf  das  eine,  welches  in  Gleichung  6)  auftritt. 
Zieht  man  nun  in  Gleichung  8)  die  vertikal  untereinander 
stehenden  Glieder  zusammen,  so  folgt: 

S  \ 

y  2QH{Ain{ai^^i-^a^2^p^-^ . , .  -^-au^ps) 
-¥• 


+^s*(Ä5i8/?i+ai2  S/r,+  . . .  4-055  8A)}  =  0-       9) 
Nun  ergibt  sich  aus  Gleichung  3): 

8X 


ahiPkf  10) 

*  =  1 


1326  S.  Leitinger, 


daher 

8X 


dt  \  hpu  j       ^^ 


^hkPh 


und  somit  Qk  =  akipi+afap^'^ .  •  •  -h^hsps-^  .  .  .  =  O. 
Es  ist  daher: 

— —  =  ajki, -— -"  —  ^*2,.-.  — :-  —  ^*»-  11'      ! 

8/7i  3/7,  3/7,  I 

Deshalb  kann  man  die  Gleichung  9)  auch  folgendermaßen 
schreiben: 


*   =  1 


+ 


oder  in  Summenform: 


■^■1"H  =  °-  "'' 


Löst  man  jetzt  die  erste  Summe  über  h  auf,  so  erg^ibt  sich 
die  Gleichung 

r  =  1 


5 


8Ör   ».    .  .     8Ör 


r  =  1 


+2Ö,  y  Arsl^iP,+  ...+  ^iPs]=0.  13) 


Prinzip  des  kleinsten  Zwanges.  1327 

Nun  kann  man  in  dieser  Gleichung  wieder  die  vertikal 
untereinander  stehenden  Glieder,  die  also  mit  demselben  Faktor 

-^- —  ipft  multipliziert  sind,  zusammenziehen.  Dann  geht  Glei- 
oph 

chung  1 3)  über  in : 


r=l  ^ 


8A 


-4- 

4-(2^HÖi+2^KJÖ2+...+2^rsÖ5)-^8p4  =:0.      14) 

^Ps  j 

Denkt  man  sich  nun  Gleichung  14)  durch  D  dividiert  und 
setzt  dann: 

^(2^,iÖ,4r2^^Ö2+-- -+2^505)  =  ^  15) 

für  r  =  1,  2,  3  . .  .5, 

so  wird  durch  diese  5  Gleichungen  Z  jedenfalls  als  eine 
quadratische  Funktion  der  Größen  Q^,  Ö2  •  •  •  Ös  definiert,  die 
sich  daraus  durch  Integration  ergibt  in  der  Form: 

5 

wie  man   sich  umgekehrt   durch  Differentiation   leicht   über- 
zeugt. Die  Funktion  <f  tritt  hinzu,  weil  in  den  Gleichungen  11) 
nur  die  Größen  ph  als  Veränderliche  aufgefaßt  wurden. 
Nun  geht  Gleichung  14)  über  in: 

Dieser  letzte  Ausdruck  ist  aber  nichts  anderes  als  die 
erste  Variation  von  Z,  wenn  nur  nach  den  Größen  pn  (also  im 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  89 


1328  R.  Leitingcr, 

Gauß'schen  Sinne)  variiert  und  alles  andere  als  konstant  be- 
trachtet wird.  Mithin  ist  nach  Gleichung  17): 

iZ  =  0,  18) 

Die  zweite  Variation  ist  ersichtlich  positiv,  so  daß  diese 
letzte  Gleichung  besagt,  daß,  wenn  man  die  vorhandene  Be- 
wegung im  angegebenen  Gauß'schen  Sinne  variiert,  für  die 
wirkliche  Bewegung,  die  eben  nach  den  allgemeinen  Lagrang^- 
schen  Gleichungen  1)  erfolgt,  der  Zwang 

2^^yö^öv+T(/?i.. .  'Pi.,Pi  "  '  Ps) 


D 


ein  Minimum  sein  muß. 

Es  ist  wohl  unmittelbar  ersichtlich,  daß  diese  Ableitung 
sowohl  für  holonome  als  auch  für  nichtholonome  sklero- 
nome  Koordinaten  gilt,  wenn  man  nur  unter  den  ö*  i"^  ersten 
Falle  die  linken  Seiten  der  Lagrange'schen  Gleichungen  in  der 
Form  I,  im  zweiten  Falle  aber  in  der  Form  II  versteht;  denn 
die  Schlußweise  bleibt  in  beiden  Fällen  dieselbe. 

B.  Rheonome,  generalisierte  Koordinaten. 

Es  soll  nun  der  zweite  und  bedeutend  schwierigere  der 
beiden  angeführten  Hauptfälle  in  Betracht  gezogen  werden, 
der  Fall  nämlich,  daß  in  den  Transformationsgleichungen  die 
Zeit  auch  explizit  auftritt.  Diese  Transformationsgleichungen 
lauten  daher  jetzt,  wenn  sie  holonom  sind: 

^v  =/v(A  Pv  Pi"'  Ps\     für  V  =  1,  2,  3  ... 3« 
oder,  wenn  sie  nichtholonom  sind:* 

s 

dx„  =  ^^dt  -4-  V  i:ä  dph,     für  v  i=  1,  2,  3  . . .  3«, 

wobei    aber    nun    im    allgemeinen    auch    die   Funktionen    d^ 
und  Tih  die   Zeit   explizit  enthalten  werden.  Die  rheonomen, 


1  Vergl.  Boltzmann,  Prinzipe  der  Mechank,  11.  Teil. 


Prinzip  des  kleinsten. Zwanges.  1329 

generalisierten  Koordinaten  p^,  Pi-  >  -  Ps  sollen  wieder  die 
Bedingungen  des  Systems: 

identisch  erfüllen  und  im  übrigen  wie  früher  voneinander 
vollkommen  unabhängig  sein. 

Die  Lagrange'schen  Gleichungen  zweiter  Art  ändern  sich 
unter  dieser  Voraussetzung  dann  nicht,  werden  also  auch  hier 
in  der  Form  I  oder  II  erscheinen,  je  nachdem  die  Koordi- 
naten ph  holonom  oder  nichtholonom  sind;  denn  eine  Ände- 
rung in  diesen  Gleichungen  würde  ja  nur  eintreten,  wenn 
zwischen  den  Koordinaten  ph  selbst  noch  gewisse  Beziehungen 
bestünden. 

Um  nun  aber  diesem  zweiten  Falle  überhaupt  nähertreten 
zu  können,  ist  es  vom  mathematischen  Standpunkt  aus  not- 
wendig, eine  Voraussetzung  über  die  Natur  der  hier  auf- 
tretenden Funktionen  zu  machen,  und  deshalb  werde  etwa 
angenommen,  daß  sämtliche  vorkommenden  Funktionen  ein- 
deutige,  analytische  Funktionen  seien,  eine  Annahme,  die 
für  das  physikalische  Problem  im  allgemeinen  wohl  eher  zu 
weit  als  zu  eng  gefaßt  sein  dürfte. 

Da  nun  im  vorliegenden  Falle,  wie  sich  durch  Differentia- 
tion aus  den  Transformationsgleichungen  ergibt,  entweder: 


s 


aXu         v^    vX^    . 


ax^        v-^    ox^    .  .. 

^v  =   — -  +    > Ph  1) 


^Ph 


oder 


^v  =  *v+ y  npk 


ist,  so  erscheint  die  lebendige  Kraft  des  Punktsystems  L  jetzt 
nicht  mehr  als  eine  quadratische  Form  in  den  Größen  ph, 
sondern  überhaupt  als  eine  Funktion  zweiten  Grades  in  diesen 
Größen  vom  Typus: 


8n  5 


L  =  y  — ^^  =  —   y    akkPhPk-^Y  hpH-hc,        2) 


2  2 


89* 


1330 


R.  Leitinger, 


wobei  die  Koeffizienten  a^jk,  bk  und  c  selbst  noch  die  Zeit  und 
die  Koordinaten  pk  in  irgend  einer  von  der  Form  der  Funk- 
tionen f,f  respektive  dy  und  icj  abhängigen  Weise  enthalten 
werden. 

Versucht  man  nun  auch  hier  wieder,  sich  die  Ausdrücke  Qk 
wirklich  zusammenzustellen,  so  erhält  man  aus  der  Gleichung  2): 


a) 


IL 


iph 


—  =7     0^hkPk-\ri>h 


»  =  i 


b) 


c) 


d) 


%L 


dt  \8pA 


=z 


1  =  1 


3£m  ., 
9/ 


^+y 


PlPk  +  OUtPk 


3*» 
8^ 


<9 

1  =  1 


»** 


ipl 


PI 


iL 

^pk 


8öpt   .    . 


8  fr, 


= T  E  i^-^'-i:  ^^'- 


p,*  =  i 


8P. 


P  =  i 


9p) 


de 


Ferner  ist  bekanntlich: 


Pk  = 


8^. 


3n 
^1      '*^' 


3i 


oder  für  nichtholonome  Koordinaten: 


Sh 


Pj,=Y^X.7:l 


väI 


und  endlich  nach  Boltzmann:* 


e) 


^  ipH  dt   \  ipH 


k  =  1 


Bildet  man  also  aus  diesen  Relationen  3  b,  c,  d  und  even- 
tuell e  den  Ausdruck  Qh  gemäß  der  eingangs  aufgestellten 


1  Boltzmana,  Prinzipe  der  Mechanik,  II,  p.  106. 


Prinzip  des  kleinsten  Zwanges. 


1331 


Form  I  oder  II,   so  erkennt  man  unmittelbar,  daß  auch  für 
rheonome  Koordinaten  wie  für  skleronome  ganz  allgemein: 

h  ^n  ly  2y « • .  5 


8Ö*    _, 


für 


4) 


^pr  r  =  1,2,  .  .  .5 

Deshalb  liegt  es  nahe,  auch  hier  die  Determinante  D 
des  quadratischen  Teiles  im  Ausdrucke  von  L  (Gleichung  2) 
aufzufassen,  d.  h.  die  Determinante  5*««  Grades: 


D  = 


^11»  ^12»  •  •  •  ^1* 
^^21»  ^22»  •  •  •  ^2s 

^51  >  ^S2y  •  •  •  ^ss 


r 

Doch  kann  man  jetzt  nicht  mehr,  wie  etwa  im  ersten  Falle, 
behaupten,  daß  diese  Determinante  D  für  alle  Werte  der  Zeit  / 
von  Null  verschieden  sein  müsse;  denn  der  dort  zitierte  Beweis 
stützt  sich  wesentlich  darauf,  daß  L  eine  homogene  Form  sei, 
was  ja  hier  nicht  mehr  der  Fall  ist.  Zur  näheren  Untersuchung 
dieser  Determinante  D  ist  es  daher  notwendig,  sich  dieselbe 
wirklich  zu  bilden,  und  zwar  zunächst  unter  der  Voraus- 
setzung, daß  die  Transformationsgleichungen  ihrer  Form  nach 
holonom  seien.  Dann  ist: 

s 


*.  = 


ix. 


und  die  lebendige  Kraft: 


z 


h  =  i 


8;r, 
iph 


Pk 


L  = 


=1 


391 


i!  = 


v  =  l 


Ph  + 


^\ 


2x^ 

iph 


Ph 


3n 

iZ 


v=« 


[it 


1332 


R,  Leitinger, 


Vergleicht  man  damit  die  allgemeine  Form  (Gleichung  2): 

SO  erkennt  man  unmittelbar,  daß  die  Determinante  der  Koeffi- 
zienten Ujik  im  Falle  rheonomer,  holonomer  Koordinaten  in 
folgender  Form  erscheint: 


D  = 


im-  ? 


ix>t  .  ix^  Kr\        8^11    8^ 


öPi    ^P 


a 


^Px   3/^2     ^      l8ft 


,  .    .    .        7 


m. 


OXst      OXh 


Z_i       8_p,    Zp, 


ZOX>i     qx^ 
nu,- 


ZWvf 


Aus  dieser  Form  der  Determinante  läßt  sich  jedoch  über 
ihr  Verschwinden  im  allgemeinen  noch  nichts  Näheres  aus- 
sagen. Darum  ist  es  wichtig,  zu  bemerken,  daß  diese  sym- 
metrische Determinante  D  auch  aufgefaßt  werden  kann  als  das 
zeilenweise  gebildete  Produkt  der  zwei  rechteckigen  Matrices: 


8*1 

8^9 

8^3n 

9x. 

ix. 

8*s. 

t»l 

> 

»»a 

>  • 

•  •  ^8» 

^          1 

y  • 

•      • 

dp, 

Vi 

8/^1 

3/», 

öi^i 

8^ 

ix, 

8  a;. 

8:»r3„ 

8*, 

8*i 

8*s» 

Wi 

> 

m^ 

^           >   • 

. .  m^n 

J 

9  • 

•       • 

^Pi 

o/'s 

8/73 

3;jj 

dp. 

3*1 

8^3« 

8*1 

8*8 

dXjn 

Wj 

> 

w« 

>  • 

•  •  Ws« 

9 

>  • 

•    • 

9ps 

8;?. 

8/?s 

3p* 

dp. 

8/;, 

Dieses  symbolische  Produkt  läßt  sich  aber,  weil  die  Zahl 
der  Horizontalreihen  5  jedenfalls  kleiner  ist  als  die  der  Vertikal- 
reihen 3w,  nach  einem  Satze  der  Determinantentheorie*  weiters 


1  Baltzer,  Determinanten,  §  6,  p.  48  ff.  —  E;  Pascal,  Determinanten, 


I,  §7. 


Prinzip  des  kleinsten  Zwanges. 


1333 


darstellen  als  eine  Summe  von  f      j  Quadraten,  deren  jedes 
einzelne  die  allgemeine  Form  hat: 


mr^.mr^...fHr.. 


iXr, 

3*r. 

dp,    ' 

8Pi 

^^r. 

8*r. 

8pg    ' 

iPi 

iXr, 

1^ 

8/>i 
8*,. 


^P: 


2 


3/7, 


wobei  r^r^r^..,rj  irgend  eine  Kombination  ster  Klasse  ohne 
Wiederholung  aus  den  Elementen  1,  2,  3  ...  3w  bedeutet.  Nun 
sind  aber  die  Koordinaten  x^,x^..,Xsn  voneinander  nicht 
unabhängig,  sondern  miteinander  verknüpft  durch  die  t  Bedin- 
gungsgleichungen : 

?i(^i» ^2  •  •  -^sn)  =  0,  92(^1»  ^2  •  •  -^8«)  =:  0, . . . cpt(^i,  ^2  •  •  •^3»)  =  0, 

weshalb  man  sich  r  von  den  Größen  x  aus  diesen  Gleichungen 
als  Funktionen  der  übrigen  3w— r  rz  5  Größen  x,  die  dann 
voneinander  unabhängig  sind,  dargestellt  denken  kann,  etwa 
in  der  Form : 

^5-1-1  =  ^i(^v  ^2  •  •  •  ^s)f  ^s+2  =  4^2(^1»  ^2  •  •  •  ^s), . . .  ^3«  =  ^^(p^v  ^2  •  •  •  ^5). 


Dann  ist  aber: 


- 

Sa 


8(I)x    Bat,   _^  3^x 


3^- 


2 


ix^    2ph        ix^    dph 


...  + 


8^^x     ^x, 


3^5        8/?Ä 


5) 


für  alle  Werte  von  X  rz  1, 2, . . .  t  und  ä  =  1,  2, . . .  s. 

Führt  man  nun  diese  Darstellung  5)  in  die  einzelnen 
Determinantenquadrate  der  obigen  Entwicklung  ein,  so  tritt, 
wie  unmittelbar  ersichtlich  ist,  aus  jedem  derselben  mit  Aus- 

— —}   zusammen- 

gesetzter   Faktor   heraus   und   die   übrigbleibenden   Deterrni- 
nantenquadrate  stimmen  dann,  mit  dem  ersten  überein.  Deshalb 


nähme   des   ersten   ein    aus   den  Größen 


1334 


R.  Leitinger, 


läßt  sich  auch  die  ganze  Originaldeterminante  D  darstellen 
durch  das  Quadrat  dieser  einzigen  ersten  Teildeterminante  in 
der  Form: 


D  = 


m^m^ . . .  #«5+^(Wi 


8ar, 


^P%  3Pi 


7>p] 


Der  Ausdruck  in  der  eckigen  Klammer  kann,  wie  aus 
seiner  Form  unmittelbar  hervorgeht,  nicht  verschwinden  und 
nur  positiv  sein;  denn  die  m^  sind  als  materielle  Massen  posi- 
tive Größen  und  die  Funktion  4>  kann  als  eine  Summe  von 
quadratischen  Gliedern  auch  nur  positiv  oder  Null  sein.  Mit- 
hin ist  ein  Verschwinden  der  Determinante  D  überhaupt  nur 
möglich,  wenn  die  Determinante  5ten  Grades: 


A  = 


J                    1  •  • 

8^2      8a 

8*, 
aar. 

Safj      Ix^ 

aar. 

>  • 


3^5        ^Ps  ^Ps 

verschwindet. 

» 

Diese  Determinante  A,  deren  Verschwinden  somit  die  not- 
wendige und  hinreichende  Bedingung  für  das  Verschwinden 
der  Originaldeterminante  D  darstellt,  ist  nun  aber  nichts 
anderes  als  die  Funktionaldeterminante  der  eindeutigen  ana- 
lytischen Funktionen: 

Deshalb  ist  A  selbst  eine  eindeutige,  analytische  Funktion 
der  Größen  p^, P2'  -- Ps  und  müßte  als  solche  überhaupt  iden- 
tisch verschwinden,  wenn  sie  in  irgend  einem  auch  noch  so 


Prinzip  des  kleinsten  Zwanges.  1 335 

beliebig  kleinen  Zeitintervall  /'  bis  t"  identisch  verschwindet. 
Dadurch  würde  aber  offenbar  eine  Beziehung  zwischen  den 
Größen  Pit  P2'  -  -Ps  definiert,  was  der  vorausgesetzten  voll- 
kommenen Unabhängigkeit  der  generalisierten  Koordinaten 
untereinander  widerspricht  Es  ist  daher  auch  ein  identi- 
sches Verschwinden  der  Originaldeterminante  D  in  jedem, 
wenn  auch  noch  so  kleinen  Zeitintervall  ausgeschlossen 
und  es  bleibt  mithin  nur  die  eine  Möglichkeit  übrig,  daß 
diese  Determinante  nur  für  vereinzelte,  besondere  Momente 
^o>  ^>  ^-  •  •  verschwindet,  während  sie  sonst  im  allgemeinen 
von  Null  verschieden  ist. 

Solange  nun  aber  diese  Determinante  D  von  Null  ver- 
schieden ist,  kann  man  zufolge  des  in  Gleichung  4)  ge- 
wonnenen Resultates  ohneweiters  auch  für  rheonome,  gene- 
ralisierte Koordinaten  genau  dieselben  Schlüsse  wiederholen 
wie  im  Falle  skleronomer  Koordinaten,  so  daß  für  alle  Inter- 
valle, in  denen  die  Voraussetzung  D^O  erfüllt  ist,  sich  für 
den  Zwang  Z,  der  für  die  wirkliche  Bewegung  ein  Minimum 
sein  muß,  derselbe  allgemeine  Ausdruck  ergibt  wie  im  ersten 
Falle,  nämlich: 

s 
Z  =:  —    y    A^^Q^Q^'¥^{p^...ps,Px'"Ps)' 

Nur  wird  jetzt  natürlich  ebenso  wie  in  den  Größen  A^^ 
und  D  auch  in  diesem  Ausdrucke  für  den  Zwang  Z  die  Zeit 
im  allgemeinen  auch  explizit  auftreten. 

Was  aber  jene  einzelnen  Momente  betrifirt,  in  denen  die 
Determinante  D  wirklich  verschwindet  und  für  welche  daher 
die  oben  gegebene  Ableitung  ihre  Bedeutung  verliert,  so 
ließe  sich  vom  rein  mathematischen  Standpunkt  aus  unter 
spezielleren  Voraussetzungen  über  die  Natur  der  auftretenden 
Funktionen  wohl  durch  Grenzbetrachtungen  der  modifizierte 
allgemeine  Ausdruck  für  den  Zwang  in  solchen  Momenten 
finden.  Doch  muß  von  solchen  eingehenderen  mathematischen 
Untersuchungen  hier  abgesehen  werden,  da  für  das  vorliegende 
allgemeine  physikalische  Problem  nähere  Spezialisierungen  in 
den  Voraussetzungen  nicht  ohneweiters  zulässig  sind  und  da 


1333  R.  Lei  tinger,  Prinzip  des  kleinsten  Zwanges. 

andrerseita  für  einzelne  herausgegriffene  Momente,  in  denen 
Zeit  und  Koordinaten  nicht  als  variabel,  sondern  als  fest 
anzusehen  sind,  die  mechanischen  Prinzipien  keine  eigent- 
liche Anwendung  mehr  finden.  Auch  läßt  sicli,  ohne  auf 
spezielle  Fälle  überzugehen,  im  allgemeinen  nicht  entscheiden, 
ob  überhaupt  oder  wie  oft  dieser  Ausnahmefall  eintreten  kana 
Endlich  ist  noch  bezüglich  der  bisher  ausgeschlossenen 
Nichtholonomität  der  rheonomen  Koordinaten  zu  bemerken, 
daß  diese  auch  hier  wie  im  ersten  Falle  keinen  wesentlichen 
Einfluß  auf  den  Gang  der  Untei*suchung  ausübt.  Ea  treten  nur 

an  die  Stelle  der  DifTerentialquotienten  ~ —  die  allerdings  nicht 

näher  bekannten  eindeutigen  analytischen  Funktionen  %h  und 
die  Lagrange'schen  Gleichungen  sind  wieder  in  der  Form  11 
zu  verwenden.  Im  übrigen  aber  bleiben  alle  Schlüsse  aufrecht 
mit  Ausnahme  der  Zerlegung  der  Determinante  D,  die  hier 
allerdings  nicht  mehr  durchgeführt  werden  kann.  Doch  übt 
dieser  Umstand,  wie  nachträglich  ersichtlich  ist,  auf  die  ganze 
Schlußweise  keinen  weiteren  Einfluß  aus;  denn  ebenso  Vi,'k 
die  Funktionaldeterminante  A  ist  offenbar  auch  D  selbst  eine 
eindeutige  analytische  Funktion  der  Größen  p^,  P29-  -- A ' 
welche  mithin  nicht  identisch  verschwinden  kann,  ohne  die 
vorausgesetzte  Unabhängigkeit  der  generalisierten  KoordinateT 
untereinander  zu  stören.  Der  allgemeine  Ausdruck  fü 
den  Zwang  Z  ist  daher  unter  der  Voraussetzung  ein 
deutiger  analytischer  Funktionen  —  von  einzelnen  möglicher 
weise  vorkommenden  Momenten,  in  denen  Dz=:0  wird,  abge 
sehen  —  auch  für  rheonome,  und  zwar  so^vohl  holo 
nome  als  auch  nichtholonome  Koordinaten  genau 
derselbe  wie  für  skleronome  Koordinaten. 


.-^ 


1337 


Ober  die  einfachen  Einheiten  des  Bereichs 
(a,  \/W),  wo  a  eine  primitive  Einheitswurzel 
von  Primzahlgrad  und  D  eine  negative  Zahl 

bezeichnen 

von 

F.  Mertens. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  l2.  Dezember  1907.) 

1. 

Es  sei  X  eine  ungerade  Primzahl,  a  eine  primitive  Xtc  Ein- 
heitswurzel, D  eine  negative  ganze  quadratfreie  Zahl  und  es 
handle  sich  um  die  Ermittlung  aller  Einheitswurzeln  des 
Bereichs  (a,  \/D  ). 

Hiezu  führt  ein  Satz  Kronecke r's^  über  die  Gleichung 

Yn=0 

für  die  primitiven  wtcn  Einheitswurzeln.  Derselbe  lautet: 

Wird  die  Funktion  V«  durch  Adjunktion  einer  Wurzel 
einer  ganzzahligen  irreduktibeln  Gleichung 

G{z)  =  0 

mit  dem  Koeffizienten  1  bei  der  höchsten  Potenz  von  z  reduk- 
tibel,  so  muß  die  Diskriminante  A  von  G  einen  Primfaktor 
von  n  enthalten. 

Es  sei  gestattet,  hier  einen  einfachen  Beweis  dieses  Satzes 
mitzuteilen. 


1  Memoire  sur  les  facteurs  irreductibles  de  l'expression  x^ — 1.  Journal  de 
mathem.  p.  et  a.  public  par  Liouville,  19,  1854. 


1338  F.  Mertens, 

Da  G(z)  mittels  einer  primitiven  «ten  Einheitswurzel  zer- 
fällbar ist,  so  sei  f(z,  r)  ein  in  dem  Bereich  (r)  irreduktibler 
Faktor  von  G  von  höherem  als  dem  Oten  Grade  mit  dem  Koef- 
fizienten 1  bei  der  höchsten  Potenz  von  z.  Die  Koeffizienter. 
desselben  sind  ganze  ganzzahlige  Funktionen  von  r  und 
müssen  Potenzen  von  r  —  mit  von  0  verschiedenen  Koeffi- 
zienten —  enthalten,  deren  Exponenten  nicht  durch  n  teilbar 
sind.  Es  sei  /  der  größte  gemeinschaftliche  Teiler  dieser 
Exponenten  und  der  Zahl  n  und 

f(z^r)  enthält  dann  nur  Potenzen  einer  primitiven  w^ten  Einheits- 
wurzel p  und  kann  mit  /(«,  p)  bezeichnet  werden,  wo  die 
Koeffizienten  von  /(c,  p)  nicht  mehr  rational  durch  eine  Ein- 
heitswurzel ausgedrückt  werden  können,  deren  Grad  in  n^  auf- 
geht und  <c«i  ist. 

«1  muß  durch  eine  Primzahlpotenz  p^  genau  teilbar  sein, 
welche  >  2  ist,  und  es  sei  n^  =  mp^.  Jede  der  ^{n^ — 1  Funk- 
tionen 

welche  den  von  1  verschiedenen,  zu  %%^  teilerfremden  Zahlen 
a,b,.,.  unter  «^  entsprechen,  geht  in  G(z)  auf  und  es  mu:j 
unter  denselben  mindestens  eine,  etwa  /(«,  p^),  vorkommen,  in 
welcher  c  =  1  (mod  nt)  ist  und  welche  nicht  mit  /^(z,  p)  zu- 
sammenfällt. Denn  anderenfalls  würden  alle  Funktionen 

zusammenfallen,  wo  hp'  =  1  (mod  m)  ist  und  k  alle  zu  /?*  teiler- 
fremden Zahlen  unter  /?*  durchlaufen  soll,  und  /(«,  p)  würde 

gegen  die  Annahme  nur  Potenzen  von  pP  enthalten. 
Sind  aber  die  Funktionen 

/(^,P),/(c,pO 

verschieden,  so  sind  sie  teilerfremd  und  ihr  Produkt  muß  in  G 
aufgehen,  so  daß 

G(r)=:/(z,p)/(^,pOÖ(«.p) 


Einfache  Einheiten  des  Bereichs  (a,  \/D),  1339 

gesetzt  werden  kann,  wo  Q  ganz  und  ganzzahlig  in  2,  p  ist. 
Hieraus  ergibt  sich  durch  Erhebung  in  die  /7*te  Potenz 

GP'=  G(zp")  =f(z,p/fiz,p^y'  Q(z,  p/ 


R  X.       _  .       IS  «.     _  «  «. 


^/(2^  ,  P^  )/(2^^  ,  P^^  )  Ö(^^  ,  P^  )     (mod/?), 
woraus 

G(i2:)  -  f(z,  p/)«  0(2;,  p/)     (mod p) 
folgt. 

Dann  ist  aber 

A  =  0     (mod  /?). 

2. 

Die  Einheitswurzeln  s  des  Bereichs  (a,  \/Z))  sind  von 
zweierlei  Art,  je  nachdem  ihr  Grad  zu  X  teilerfremd  ist  oder 
nicht. 

Es  sei 

e'^  =  1 
und  w  zu  X  teilerfremd. 

Bleibt  Yx  bei  der  Adjunktion  von  s/D  irreduktibel,  so 
darf  \/D^  ^^  — V -^  verwandelt  werden,  wodurch  8  in  e^ 
übergehen  möge.  E^  ist  dann  auch 

e^  =  \ 

und  (x-'e)(x — s^)  hat  in  a  rationale  Koeffizienten.  Ist  dagegen 
Yx  durch  \/D^  reduktibel,  so  ist  \/D  und  infolgedessen 
auch  s  in  a  rational.  Entweder  geht  also  die  Funktion  (x — s)* 
•  (x — 8^),  wenn  s,  Sj  verschieden  sind,  oder  aber  die  Funktion 
X — 8  in  x^'^ — 1  und  daher  auch  in  einem  der  Faktoren 

von  x***—!,  etwa  Yp,,  auf,  wo  l,8,...w  die  Teiler  von  m 
bezeichnen.  Da  aber  YJ^  nach  dem  Satze  in  1  durch  Adjunktion 
von  a  nicht  reduktibel  werden  kann,  so  muß  <p((i.)  <3  sein. 
|JL  kann  demnach  nur  einen  der  Werte 

H  =  1,2,3,4,6 


1340  F.  Mertens, 

und  8  die  Werte 

1,-1,   ±ö)«,   ±i, 
haben,  wo 

_  — I+in/S 


(0  z=. 


2 

ist. 

Die  beiden  ersten  Werte  1,-1  gehören  immer  dem  Be 
reiche  (a,  \/D^)  an,  die  anderen  nur  unter  Umständen. 
Der  Fall 


8  =:  -tco^ 


kann  nur  vorkommen,  wenn  X  >  3  ist,  und  erfordert 


Si  =  =bcö2«. 


Setzt  man 

wo  A,  B  Zahlen  in  a  bezeichnen,  so  ergibt  sich 

2Bs/D  =  =t\/^^ 
2DB  =  ±\/— 3Z). 

Ist  nun  D  nicht  durch  X  teilbar,  so  gilt  dasselbe  von  der 
Diskriminante  der  Gleichung  c^+3i)  =  0  und  Y\  ist  durch 
v/— 32)  irreduktibel.  Es  muß  daher  B  von  a  frei  und 
V  — 3/3  rational  sein.  Da  überdies  D  quadratfrei  angenommen 
wurde,  so  muß  D  =  — 3  sein.  Umgekehrt  gehört  {o  in  diesem 
Falle  zu  dem  Bereich  (o,  \/ — 3). 

Ist  dagegen  D  durch  X  teilbar,  so  sei 

2](t-)«'  =  ^(«)'        5=1,2,...X-1. 
Infolge  der  Gleichung 


\l  {-\)^\  =  b(a) 


Einfache  Einheiten  des  Bereichs  (o,- \/Z) ).     '  1341 

lautet  dann  die  obige  Gleichung: 

2Z?iJ9(a)d(a)  =  ±  v/=3Li;T 

Da  3D^  zu  X  teilerfremd  ist,  so  ist  Yx  durch  V^ — 3Z>i 
irreduktibel  und  es  muß  2DiB('j)^(a)  frei  von  a  und  somit 
\/ — 3Z?i  rational  sein.  Da  überdies  D^  quadratfrei  ist,  so  folgt 

D,  =  —3, 
D  =  —3\        \=  1  (mod4).  , 

In  der  Tat  ist  dann 


(ü  = 1 ^-^  s/D. 

2  2X 


Die  Gleichung 
erfordert 

Setzt  man 


8  =::  dzt 


B^  =  ^U 


z  =  A+B\/d  , 
wo  A,  B  Zahlen  in  a  bezeichnen,  so  wird 

DB  =  z±i\f^^^^. 

Ist  nun  D  zxx'k  teilerfremd,  so  gilt  dasselbe  von  der  Dis- 
kriminante  der  Gleichung  z^-hD  =  0  und  Y\  ist  durch  \/—D 
irreduktibel.  Es  muß  daher  B  von  a  frei,  s/^—D  rational  und 
Z)  r=  —  1  sein.  Umgekehrt  gehört  dann  ±i  zu  dem  Bereich  (/,  a). 

Ist  dagegen  D  durch  X  teilbar,  so  sei 

X— 1 

Es  wird  dann 


und  es  erhellt  wie  vorher,  daß  D^  =z  — 1  sein  muß.  Somit  muß 

D=-'k        XeeI  (mod4) 
sein  und  es  ist  in  der  Tat 


1342         F.  Mertens,  Einfache  Einheiten  des  Bereiehs  (o,  \/D), 


3. 

Es   sei  e    eine    primitive    Einheitswurzel    des    Bereichs 
(a,  \/D  ),  deren  Grad  m  durch  X  teilbar  ist,  und  m  -=:  nX. 
Die  Gleichung 

ergibt 

Ist  Yx  durch  v/^  irreduktibel  und  geht  s  durch  Ver- 
wandlung von  \/D   in  — sJD^  in  e,  über,  so  ist 

8«  zr  a^ 
und  daher 

Somit  ist  in  allen  Fällen  a*  oder  a^*  die  w^«  Potenz  einer 
Zahl  in  a  und  es  erhellt,  daß  n  nicht  mehr  durch  \  teilbar  seir. 
kann.  Dann  ist  aber,  wenn  ä,  k  der  Gleichung 

nk=  1+AX 
genügen, 

3  ist  demnach  das  Produkt  einer  Potenz  von  a  in  eine  Ein- 
heit 8-^^  des  Bereichs  (a,  \/D*)  von  zu  X  teilerfremdem  Grade  tu 

k. 

Faßt  man  die  unterschiedenen  zwei  Fälle  zusammen,  so 

ergeben  sich  alle  Einheitswurzeln  des  Bereichs  (o,  s/D)  in 

der  Gestalt 

8  r=:  ea\ 

wo  c  eine  Einheit  desselben  Bereichs  von  zu  X  teilerfremdem 
Grade  ist. 


1343 


Über  die  in  Bezug  auf  eine  Primzahl  des  Be- 
reichs der  Quadratwurzel  aus  oiner  negativen 
Zahl  irreduktibeln  ganzen  Funktionen  einer 

Variablen 

von 

F.  Mertens. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  12.  Dezember  1907.) 

1. 

Es  sei  D  eine  negative  ganze  quadratfreie  Zahl,  a  die 
Zahl  2  oder  1,  je  nachdem  Z)=  1  (mod  4)  ist  oder  nicht,  und 

^^   a-l  +  V/5" 

0 

Alle  ganzen  algebraischen  Zahlen  des  Bereichs  {\/D)  sind 
Vielfachsummen  von  1,*  und  sollen  kurz  als  ganze  Zahlen  in 
\/D  bezeichnet  werden. 

Unter  einer  Funktion  der  Variablen  x  in  \/D  werde  eine 
ganze  Funktion  von  x  mit  in  s/D  ganzen  Koeffizienten  ver- 
standen. 

Eine  Funktion  von  x  in  \/D  wird  eine  irreduktible  Funk- 
tion oder  Primfunktion  «tcn  Grades  einer  Primzahl  p  des 
Bereichs  {s/D)  genannt,  wenn  sie  den  Grad  n  nicht  übersteigt, 
bei  x*^  den  Koeffizienten  1  hat  und  in  Bezug  auf  den  Modul  p 
durch  keine  Funktion  von  x  in  \/D  von  geringerem  als  dem 
«ten  und  höherem  als  dem  Otcn  Grade  teilbar  ist. 

2. 

Ist  p  eine  Primzahl  des  Bereichs  (\/D),  v  ihre  Norm,  so 
besteht  ein  vollständiges  Restsystem  R  von  p  aus  v  Zahlen  in 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  90 


1344  F.  Mertens, 

\/D  und  jede  Funktion  von  :»:  in  s/D,  welche  den  Grad  ii— 1 
nicht  übersteigt,  ist  einer  und  nur  einer  Funktion 

(I)  =  aj:r"-^H-^g^"~2+  . .  .  +a„ 

nach  dem  Modul  p  kongruent,  deren  Koeffizienten   zu  R  ge- 
hören. Die  Anzahl  d^r  Funktionen  <ö  ist  v". 

Die  Bestimmung  des  über  alle  Funktionen  «»  zu  er- 
streckenden Produkts 

P„  =  n(:r«-l-ü>) 

in  Bezug  auf  den  Modul  p  führt  zu  dem  Produkte   aller  Pnr.-- 
funktionen  «^en  Grades  von  p. 

Es  sei  y  eine  Unbestimmte  und  über  alle  Funktionen  o» 
erstreckt 

/oo  =  no'+o.). 

Ist  ü>^  eine  der  Funktionen  w,  so  durchläuft  üi+a>|  in  Bezu.: 

auf  den  Modul  p  zugleich  mit  w  dieselben  Funktionen   u-ie  t«*    . 

selbst  und  man  hat 

/0'-hü),)^/0')     (modp). 
Hieraus  folgt 

/'O-l-«i)-/O')-0     (modp) 

und,  wenn  y  zzlO  gesetzt  wird, 

/'K)-r(0)-0     (modp). 

Da  diese  Kongruenz  für  alle  v"  Werte  von  cOj  besteht,  die 
Funktion  /'(^') — ^/'(O)  aber  in  y  den  Grad  v«  nicht  erreicht,  <o 
ist  identisch  in  y 

/'O')-/'(0)  =  0     (modp) 
und  /(j')  hat  die  Gestalt 

/OO-ZiO'^O  +  Q^'     (modp), 

wo    Co=/'(0)    ist;  p   bezeichnet  die  rationale  Primzahl,    in 
welcher  p  aufgeht  und  /i(j')  eine  ganze  Funktion  vom  Grade 


Irreduktible  Funktionen  einer  Variablen.  1 345 

—  v",  deren  Koeffizienten  ganze  Funktionen  von  x  in  \JT>  sind 

und  in  welcher  die  höchste  Potenz  von^  den  Koeffizienten  1  hat. 
Ist  v"  >  /7,  so  folgt  weiter,  wenn  co^  wieder  eine  der  Funk- 
tionen 0)  bedeutet, 

/(j,+a>,)-/0')  =/,OP+a>f)-/,(>//')  +  Coü>i      (mod  p) 

und  es  ist 

/i(jV^+0— /iCrO  +  Q^i^O     (modp). 

Nach  Ersetzung  von  y^  durch  y  wird  daher 
/j^+a>f)-/,0)+Coü),-0, 
>lO'+«>f)-/[0')  -0, 

/iK)-/I(0)  =0      (modp). 

Die  Erhebung  der  Gleichung 

in  die  /?te  Potenz  ergibt 

^«^—2  -^^  ^i'  -h  (?JliZz:£  =  (^F_^)  (^p— *J  =  0    (mod  p), 


wo 


^  = 


O— 1— y/X) 


ist  und  es  muß  entweder 

bip-b  =0         (modp) 
oder 

d^-*i~0         (modp) 

sein.  Daher  ist  entweder 
oder 

wo  (üj  den  iri  V^  konjugierten  Ausdruck  von  «^  bezeichnet. 
In  beiden  Fällen  durchläuft  cof  zugleich  mit  co^  lauter  nach  p 
inkongruente  Funktionen  und  es  muß  identisch  in^ 

90* 


1346  F.  Mertens, 

A(y)-A(0)  =  o    (modp) 

sein.  Die  Funktion  f^  (y)  hat  demnach  die  Gestalt 

fi(y)=f2(yn^C,y     (mod^)) 
und  es  wird 

f(y)  =/« Cy^+  C,yp-^ Qy     (mod  p). 

Die  Fortsetzung  dieser  Schlüsse  führt  in  dem  Falle  v  n  f 
nach  n  Schritten  zu  der  Kongruenz 

f(y)  =yp^-h  Cn^iyP""^-^ . . .  +  C^yP-i-  Qy    (mod  p) 
und  in  dem  Falle  v  =:/;*  nach  2n  Schritten  zu  der  Kongruenz 

f(y)  =yp'''-h  a«-iy'^'+ . .  .-i-C^yP^C;^     (mod  p). 
Ist  V  zz  p^,  so  sind  die  Koeffizienten 

durch  p  teilbar.  Denn  dco  durchläuft  mit  o>  nach  dem  Modul  |i 
dieselben  Werte  wie  co  selbst,  weil  *  zu  p  teilerfremd  ist,  und 
auf  Grund  der  Kongruenzen 

*^  =  *i,    ^^  =  d    (mod  p) 
ist 

oder 

(*  — *)  (C^n-iy^^''''  + . . .  -h  qjK)  =  0    (mod  p), 
ivoraus 

folgt. 

Somit  ist  in  allen  Fällen 

fiy)  =>v«+c«_i>^v»-i  + . . .  +  Qj/v-|.Co^    (mod  p). 


Irreduktible  Funktionen  einer  Variablen.  1 347 

Da 

/(l)  =  0,  /(*)  =  0 . . .  /(*--')  =  0     (mod  p), 

/(*-)  =  Pn 
ist,  so  bestehen  die  Kongruenzen 

•  •  • 
P„  =  ;r«^«+Cn^i;if»^*-i4-...4-Co;i^     (mod^)), 

welche,  mit  den  Koeffizienten  von  z^,  z^. .  .2"  in  der  Entwick- 
lung des  Produktes  (z—x)(z—x'*). .  .(z-^x^^"^)  multipliziert,  die 
Summe 

Pn  =  (x^'^—x)  (^v»_;^v).. , .  (;^v«_;j:v»-i)     (mod  p) 

ergeben. 

3. 

Es  sei,  über  alle  Teiler  8  von  n  erstreckt, 


=  n\x^^ —x)  , 
=  ni:.«-ij  , 


wo  (i(S)  bei  quadratfreiem  S  je  nach  der  geraden  oder  ungeraden 
Anzahl  der  Primfaktoren  von  8  den  Wert  1  oder  — 1  und  bei 
nicht  quadratfreiem  8  den  Wert  0  hat  Es  ist  dann 

x^''—x  =  nxt, 

;^'»— 1=11^8. 

Bezeichnet  ^»  das  Produkt  aller  Primfunktionen  Hten  Grades 
von  X  der  Primzahl  p  oder  die  Einheit,  je  nachdem  solche 
Funktionen  vorhanden  sind  oder  nicht,  und  SR  das  Produkt 
aller  zerfallenden  Funktionen  nten  Grades  mit  dem  Koeffi- 
zienten 1  bei  der  höchsten  Potenz  von  x,  so  ist 

Pn  =  9l^„      (mod  p) 


1348  F.  Mertens, 

und  daher,  weil  SR  nach  dem  Modul  p  in  einer  Potenz  von  P„  i 

aufgeht, 

P*_,5ß„-0      (moddp,jy„).  1 

Xn  ist  ZU  jeder  Funktion  x'^^—x  nach  p  teilerfremd,  in 
welcher  m  <n  ist.  Denn  der  größte  gemeinschaftliche  Teiler 
von  v**'— 1  und  v" — 1  ist  v^ — 1,  wo  d  den  größten  gemeinschaft- 
lichen Teiler  von  tn  und  n  bedeutet,  und  es  besteht  eine 
Identität 

V**  —  1  '»•«1  ^'  X  —  1 


v^-1  x^'-^-X 

und  somit,  weil  d  <  n  ist,  die  .Kongruenz 

1  =  A{x'''"-^—l)       (modd  p, X^), 

wo  A,  B  ganze  ganzzahlige  Funktion  von  x  bezeichnen. 

Hienach  ist  die  Funktion  P*_^,  welche  einem  Produkt  von 
Funktionen  x^^-^x  mit  unter  n  liegendem  m  nach  p  kongruent 
ist,  zu  Xn  teilerfremd  und  man  hat 

^n  =  0     (modd  p,  X,). 

Andrerseits  geht,  wenn  «,  d,  d',. .  A  die  Teiler  von  n  be- 
zeichnet, das  Produkt 

in  einer  Potenz  von  P„_i  auf  und  die  Kongruenz 

=^X„Xd, ,  .Xj^Pn—i      (mod  p) 
ergibt 

Pi^.Xn^O       (moddp,?ß«). 

Da  aber  die  Funktion  P,*.^  ein  Produkt  von  Funktionen 
von  geringerem  als  dem  nten  Grad  ist,  so  ist  sie  zu  ^„  teiler- 
fremd und  es  muß 

Xn^O     (modd  p,  5ß„) 
sein. 


Irreduktible  Funktionen  ein«r  Variablen.  1 349 

Somit  ist 

"^n^Xn      (modp) 

und  die  Primfunktiorien  n^en  Grades  von  p  werden  durch  Zer- 
legung von  Xfi  gewonnen.  Ihre  Anzahl  ist 

H 

4. 

Gehört  v  nach  dem  Modul  n  zum  Exponenten  /,  so  geht 
;r"-r^l  und  daher  auch  F„  in  x^^ — x  auf.  Dagegen  ist  Fn  zu 
jeder  Funktion  x'^^ — x  teilerfremd,  in  welcher  p<zn  ist.  Da 
aber 

x^^^—x=nXa 

ist,  wo  d  alle  Teiler  von  t  zu  durchlaufen  hat,  so  muß  F» 

in  Xt  aufgehen.  Die  Funktion  F«  zerfällt  demnach  in  -^-^  Prim- 

funktionen  /^«n  Grades  nach  dem  Modul  p. 

5. 

Ist  V  von  der  Form  ÄX.-+-1,  wo  X  eine  ungerade  Primzahl 
bezeichnet,  und  gehört  v  nach  dem  Modul  n  =  X''  zu  einem 
Exponenten,  welcher  >  1  ist,  so  sind  die  Primfunktionen  der 
Primzahl  p  von  Fn  Funktionen  von  x^. 

Denn  es  sei  |Ji  =z  X?  die  höchste  in  v — 1  aufgehende  Potenz 
von  X.  V  gehört  nach  dem  Modul  |jl  zum  Exponenten  1  und 
F^  zerfällt  demzufolge  nach  dem  Modul  p  in  cp(|x)  Primfunk- 
tionen ersten  Grades.   Es  sei 

Fy,^U  (x — a)     (mod  p). 

n 

Ersetzt  man  x  durch  x^^ ,  wodurch  iy  in  F»  übergeht,  so 
wird 

n 

Fn  =  U  (x^  —ä)      (mod  p). 

n 

Andrerseits  gehört  v  nach  dem  Modul  n  zum  Exponenten  — 

und  Fn  zerfällt  nach  dem  Modul  p  in  lauter  Primfunktionen 


1 350  F.  M  e  r  t  e  n  s ,  I ireduktible  Funktionen  einer  Variablen. 


vom  Grade  —    Letztere  müssen  daher  mit  den    Funktioner. 

^  ^  n 

X  ^  — a  zusammenfallen  und  es  ist  —  =  X*"-p  >  1  .^ 

Für  die  Primzahl  2  gilt  der  Satz  in  folgender  Fassung. 
Wenn  die  Norm  v  der  Primzahl  p  von  der  Form  4Ä-4-  1  ist  ucw 
nach  dem  Modul «  =  2^^  zu  einem  Exponenten  ^gehört,  welcher 
>  1  ist,  so  sind  die  Primfunktionen  der  Primzahl  p  von  /"« 
Funktionen  von  x^. 

Denn  es  sei  r  die  höchste  in  v—  1  aufgehende  Potenz  von  2. 

V  gehört  nach  dem  Modul  r  zum  Exponenten  1  und  /ist  r=:  -  • 

Daher  ist 

Fr  =  ^{x—ä)      (modp) 


und  nach  Ersetzung  von  x  durch  x^\ 

Fn  =  ^{x*—a)      (modp). 

Da  andrerseits  die  Primfunktion  von  F^  vom  Grade  /  sind, 
so  müssen  sie  mit  den  Funktionen  ^ — a  zusammenfallen. 


i  Serret,  Cours  d'algebre  supeneure. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEHATISCH-NATORWISSENSCHAFTLICHE  EXASSE. 


CXVI.  BAND.  X.  HEFT. 


ABTEILUNG  Ua. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MATHEMATIK,  ASTRONOMIE, 

PHYSIK,  METEOROLOGIE  UND  DER  MECHANIK. 


1353 


Ober  rotierende  Scheiben  gleichen  Fliehkraft- 
widerstandes 

von 

Alfred  Basch  und  Alfons  Leon. 

(Mit  5  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitznng  am  24.  Oktober  1907.) 

Es  ist  eine  der  Hauptaufgaben  der  Physiker  und  Ingenieure, 
ihre  Apparate,  Maschinen  und  Tragkonstruktionen  technisch 
vollkommen  zu  gestalten.  In  keinem  Punkte  eines  einzelnen 
Maschinenelementes  darf  die  Elastizitätsgrenze  überschritten 
werden  oder  gar  eine  Trennung  der  Moleküle  eintreten.  Hiezu 
kommt  oftmals  die  Forderung,  an  Material  möglichst  zu  sparen, 
mit  anderen  Worten,  keinen  Punkt  des  elastischen  Körpers 
bezüglich  der  Beanspruchung  zu  bevorzugen.  —  Ein  derartiges 
Formgebungsproblem  tritt  bei  der  Konstruktion  rasch  um- 
laufender Scheibenräder  im  Dampfturbinenbau  zu  Tage.  Auf- 
gabe der  vorliegenden  Studie  ist  es,  zu  untersuchen,  ob  die  von 
den  Konstrukteuren  de  Laval's  verwendete  »Scheibe  gleicher 
Festigkeit«  die  einzige  Form  einer  Scheibe  gleichen  Fliehkraft- 
widerstandes darstellt  und  ob,  sofern  andere  Lösungen  auf- 
findbar sind,  auch  diesen  der  Mangel  anhaftet,  nicht  als 
Scheiben  mit  Bohrung  und  Nabe  verwendbar  zu  sein.  — 

Das  Wort  »Scheibe«  bezeichne  einen  in  Bezug  auf  eine  zur 
Umdrehungsachse  senkrechte  Ebene  symmetrisch  gestalteten 
Rotationskörper,  dessen  axiale  Ausdehnung  im  Vergleiche  zur 
radialen  eine  geringe  ist.  Außerdem  werde  zunächst  geringe 
Neigung  der  Meridianlinien  der  den  Körper  begrenzenden 
Flächen  gegen  die  Symmetrieebene  vorausgesetzt.  Auf  diese 
Weise  ist  es  statthaft,  anzunehmen,  daß  der  Spannungs-  und 
Verzerrungszustand  in  jedem  Punkte  nur  von  der  Entfernung 


1354  A.  Basch  und  A.  Leon, 

von  der  Umdrehungsachse  abhängig  ist  und  daß  die  Rich- 
tungen des  halbpolaren  Koordinatensystems  Hauptspannungs- 
richtungen sind.  In  Wirklichkeit  gibt  es  nur  eine  bestimmte 
dreifach  unendliche  Mannigfaltigkeit  von  Umdrehungskörpem, 
bei  denen  der  letzte  Teil  der  Annahme*  zutrifft,  doch  ist  der 
durch  diese  Vernachlässigungen  begangene  Fehler  bei  den  in 
Frage  kommenden  Rotationskörpern  ein  geringer,  wie  Stodola 
durch  ein  Näherungsverfahren  nachgewiesen  hat.* 

z  sei  die  halbe  Scheibenbreite,  p  die  radiale  Punktverschie- 
bung im  Abstände  r  von  der  Umdrehungsachse.  Die  tangentiale 

Dehnung  X^i=— ,  die  radiale  Dehnung  X^=:--j^.  |t  sei  die 

spezifische  Masse,  E  der  Young'sche  Elastizitätsmodul,  m  die 
Poisson'sche  Konstante  des  homogen  und  isotrop  gedachten 
Materials.  Sofern  Druckspannungen  als  positiv  bezeichnet 
werden,  ist  die  tangentiale,  beziehungsweise  radiale  Normal- 
spannung 

mE    r      p        du 

m^—\  x.     r        dr 

0) 


mE  dt) 

o^  = r — -  m 


m^—l  I      dr 


f 


Die  Scheibe  rotiere  mit  der  unveränderlichen  Winkel- 
geschwindigkeit fv.  Die  Gleichgewichtsbedingung  für  das  durch 
zwei  koaxiale  Kreiszylinder  mit  den  Radien  r  und  r-^dr  sowie 
zwei  einen  sehr  kleinen  Winkel  miteinander  einschließenden 
Meridianebenen  begrenzte  Scheibenelement  lautet: 

d 

{Or.r,z)—at^'-\ifV^r*z  =  0.'  (2) 


dr 


1  A.  Leon,  Ober  das  elastische  Gleichgewicht  derjenigen  gleichmäßig 
sich  drehenden  Drehungskörper,  deren  Hauptspannungsrichtungen  die  Koordi- 
natenrichtungen sind.  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXV,  Abt.  IIa,  November 
1906. —  Derselbe,  Über  die  Materiaispannung  in  rotierenden  Körpern.  Zeit- 
schrift des  österr.  Ingenieur-  und  Architektenvereines,  1907,  Nr.  28. 

2  A.  Stodola,  Die  Nebenspannungen  in  rasch  umlaufenden  Scheiben- 
rädern. Zeitschrift  des  Vereines  Deutscher  Ingenieure,  1907,  Nr.  32. 

s  Siehe  z.  B.  A.  Stodola,  Die  Dampfturbinen.  3.  Auflage.  Verlag  von 
Julius  Springer,  Berlin,  p.  154  ff. 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes.  1 355 

Setzt  man  die  aus  Gleichung  (1)  sich  ergebenden  Span- 
nungen in  Gleichung  (2)  ein,  so  erhält  man  die  Differential- 
gleichung 

d'p      \dlz        1  1  Jp       [    1       dlz         1  1 

aus  welcher  sich  bei  einer  Scheibe  mit  gegebener  Meridian- 
linie, sobald  auch  die  Grenzbedingungen  vorliegen,  die  riadiale 
Punktverschiebung,  die  Hauptdehnungen  und  Hauptspan- 
nungen berechnen  lassen.  —  Nun  ist  aber  hier  umgekehrt 
eine  Scheibe  zu  suchen,  bei  der  die  Sicherheit  gegen  Bruch  in 
allen  Punkten  dieselbe  ist.  Die  für  die  Beanspruchung  maß- 
gebende Funktion  des  Spannungs-  oder  Verzerrungszustandes, 
deren  Form  sich  nach  der  Anschauung  über  das  Maß  der 
Bruchgefahr  richtet,  muß  vom  Achsabstande  unabhängig  er- 
scheinen. Dies  bezeichne  allgemein  die  Gleichung 

in  der  k  einen  konstanten  Wert  bedeutet.  Nun  ist  p  aus 
Gleichung  (4)  zu  bestimmen  und  in  Gleichung  (3)  einzusetzen, 
die  vorher  auf  die  für  die  Auflösung  nach  z  zweckentsprechen- 
dere Form 

d^p    ^    l  f  dp         p\  ^    dlz  f  dp    ^     1       p\ 


dr^        r\dr        ^'        dr  ^^'^        ^^      ^  i 


gebracht  werden  möge.  In  der  Folge  soll  auch  der  Einfluß  der 
zu  Grunde  gelegten  Bruchtheorien  auf  die  Form  der  Scheiben 
gleicher  Fliehkraftfestigkeit  untersucht  werden. 

II. 

Stellt  man  die  Bedingung,  daß  die  tangentiale  und  radiale 
Spannung  überall  denselben  konstanten  Wert  besitzen,  also 


1356  A.  Basch  und  A.  Leon, 

a^  =  a,.  irr  o  z=:  konstant,  (6) 

so  folgt  aus  (1),  daß  auch  tangentiale  und  radiale  Dehnung 
konstant  und  einander  gleich  sind 

Kf  mr  A|-  nr  —  z^  zu  A, 

»-  dr  )  (7) 

p  =  Xr. 

Die  radiale  Punktverschiebung  ist  dem  Achsabstande  pro- 
portional. Den  Zusammenhang  zwischen  Spannung  und 
Dehnung  gibt  die  Gleichung 

a  = ^£X.  (8) 

Bei  Berücksichtigung  von  (7)  gibt  die  Integration  von  (5) 

z  m  —  1      u.fv^  1      tifv^  1      r^  .. 

2o    ■"  2w         XiB  2        <3  ~         2      /?-  ^^ 

C  ZZ  ZqC  ^=  ^0^  •  (*^' 

Dies  die  Gleichung  der  Meridianlinie  der  von  den  Kon- 
strukteuren de  Laval's  benützten  und  von  Stodola  eingehen^: 
behandelten  Scheibe.^  Sie  besitzt  im  Achsabstande 

1 

r  = 


sl- 


|1W^ 


einen  Wendepunkt.  Die  willkürliche  Scheibendicke  Zq  in  der 
Umdrehungsachse  zeigt,  daß,  gleiches  Material  und  gleiche 
Winkelgeschwindigkeit  vorausgesetzt,  für  die  Meridianlinien 
ein  einfach  unendliches  in  Bezug  auf  die  Abszissen  (r-)achse 
affines  Kurvensystem  als  Lösung  hervorgeht.  Die  Variation 
von  Zq  erfährt  durch   die  vorausgesetzte  geringe  Neigung  der 


1  Stodola,  Die  Dampfturbinen,  1905.  p.  157.  Im  folgenden  sei  die  in 
Gleichung  (9)  und  (10)  dargestellte  Form  der  Kürze  wegen  die  Stodola- 
Laval'sche  Lösung  genannt. 


Scheiben  gleichen  Fiiehkraftwiderstandes.  1357 

Meridianlinie  gegen  die  Abszissenachse  nach  oben  eine  Be- 
schränkung. Die  dem  Absolutbetrage  nach  größte  Neigung 
einer  jeden  Kurve,  in  diesem  Falle  jene  in  deren  Wendepunkt, 
ist  durch  den  Differentialquotienten 

[4^1        =  -i?]!:^JL= ^  -  ^0-60653^-  1 

gegeben.  Es  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  die  Form  dieser 
Scheiben  von  den  Elastizitätskonstanten  des  Materials  un- 
abhängig ist,  soweit  diese  nicht  auf  den  Wert  der  zugelassenen 
Spannung  o  einwirken. 

Die  Abszissenachse  ist  Asymptote  der  Meridianlinie.  Da 
sich  die  Scheibe  demnach  ins  Unendliche  erstrecken  würde, 
wird  der  äußere  Teil  bei  Aufrechterhaltung  des  elastischen 
Gleichgewichts  durch  einen  Ring  von  Rechteckquerschnitt 
ersetzt.  Ist  r,-  der  innere,  r«  der  äußere  Radius  des  Ringes, 
2B  seine  Ausdehnung  in  axialer  Richtung,  2zi  die  Breite  der 
Scheibe  am  (abgerundeten)  Übergange,  so  ist  der  Zusammen- 
hang von  Ta  und  B  durch  die  Bedingung  gleicher  radialer 
Punktverschiebung  und  Radialspannung  für  Ring  und  Scheibe 
am  Obergange  gegeben: 

{m^\)rl-\-{m^\)r\ 4p^       ^    2    nn 

(3m  +  l)r|+(w-l)(rf~4;72)      ti-r?      "       ^^ 

Es  gibt  also  einmal  unendlich  viele  solcher  Ringe  (bei 
gegebenem  /?,  r,  und  s,).  Man  trifft  aus  dieser  Mannigfaltigkeit 
die  Wahl  durch  Rücksichten  konstruktiver  Natur. 


1  Es  sei  nebenbei  erwähnt,  daß  der  Rauminhalt  der  unendlich  aus- 
gedehnten Scheibe  gleich  ist  dem  doppelten  Rauminhalte  jenes  Zylinders, 
dessen  Basis  der  Wendekreis  bestimmt  und  dessen  Höhe  der  Maximaldicke 
gleich  ist;  daß  das  Trägheitsmoment  der  Scheibe  dem  achtfachen  Trägheits 
moment  des  obigen  Zylinders  gleichkommt.  Daraus  folgt,  daß  der  Trägheits- 
radius der  Scheibe  gleich  wird  dem  doppelten  Trägheitsradius  des  Zylinders.  — 
Die  Wendetangente  schneidet  die  r-Axe  im  doppelten  Wendepunktabstande  Zp. 

2  Liegt  eine  rotierende  Zylinderscheibe  mit  den  Radien  r^  und  r^  der 
Mantelflächen  vor  und  wirkt  auf  den  Innenmantel  die  gleichförmig  verteilte 
Normalspannung  a^.,  auf  den  Außenmantel  die  gleichförmig  verteilte  Normal- 


1358  A.  Basch  und  A.  Leon, 

Um  einen  anschaulichen  Vergleich  durch  Zeichnung  und 
Zahlenangaben  zwischen  der  bis  hieher  besprochenen  Scheibe 


Spannung  a^,  so  ist  die  radiale  Punktverschiebung  im  Abstände  r  von  der 

Umdrehungsaxe 


8m2        E 


(«-l)r(f«o^-r;o,.)H-(«-hl)-^(o„-8,.) 

die  tangentiale,   beziehungsweise  die  radiale  Normalspannung   sind  gegeben 
durch 


a         t 
1  /  fir^  \ 


1         r  rlrl  1 


8m 


»•ä 


^  [^«»a-»-?»* ^  (»a-«.)] 


Im  vorliegenden  Falle  wirkt  auf  den  Aufienmantel  des  Zylinders   die 

Spannung  o^  =  0,  auf  den  Innenmantel  bei  Annahme  gleichförmiger  Spannungs- 

z- 
t 

Verteilung  o^  =  —  o.  Die  radiale  Verschiebung  der  Punkte  des  Zylindermantels 
ist  somit 

(«-hl)f«— (M— l)ff       Xf 

Dieser  Wert  muß  mit  der  für  die  Punkte  desselben  fUdialabstandes  der 
Scheibe  zufolge  (7)  und  (8)  sich  ergebenden  Punktverschiebung 

m  —  1      o 

r.  =  Xr.  = r. 

•  '  m        B     • 

übereinstimmen,  welche  Bedingung  zu  Gleichung  (1 1)  führt 


Scheiben  gleichen  FUehkraAwiderstandes. 


1359 


mit  den  in  den  weiteren  Abschnitten  abzuleitenden  zu  ermög- 
lichen, sei  ein  spezielles  Beispiel  herangezogen.  Eine  Scheibe 
aus  Nickelstahl  von  2  r^  ==  200  cm  Durchmesser  rotiere  mit  der 
Winkelgeschwindigkeit  ti;  =  317*22  sec~^  (entsprechend  einer 
minutlichen  Umlaufszahl  3029).  Die  spezifische  Masse  beträgt 
im  terrestrischen  Maße  ausgedrückt  7 '95. 10"^ kg cm"^  sec^ 
(entsprechend  dem  spezifischen  Gewichte  0'0078  kgcmr-^).  Die 


8^4 


I 

I 

\ 
I 
I 
t 


IL 


Fig.  1. 

zugelassene  Zugspannung  sei  o  =  — 2000  kg  cm~^.   Hieraus 

ergibt  sich 

1 


i2 


__  _ji^  __  0-0004  CTW-« 


und  der  Wendepunktabstand  p  =:50  cm.  Es  werde,  um  einer 
praktisch  verwendbaren  Scheibe  nahe  zu  kommen,  Zq  z:z5  cm 
angenommen.  Die  numerische  Berechnung  der  Scheiben- 
stärken für  verschiedene  Radienwerte  geschieht  entsprechend 
(9)  nach  Übergang  zu  Brigg'schen  Logarithmen  mittels  der 

Gleichung 

log  2  =  0  •  69897 —0  •  000086858  H. 

Zahlentafel  1  gibt  die  Brigg'schen  Logarithmen  der  Scheiben- 
dicken sowie  diese  selbst.  In  Fig.  1  ist  die  Scheibe  samt  Ring 
dargestellt.  Die  strichlierte  Kurve  ist  der  geometrische  Ort  der 
Eckpunkte  der  Querschnittsrechtecke  der  das  elastische  Gleich- 
gewicht herstellenden  Ringe  unter  der  Voraussetzung,  daß 
w  =:  3  gesetzt  wird. 

Sitzb.  d.  matheiD.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  II  a.  91 


1360  A.  Basch  und  A.  Leon, 


III. 


Seit  Poncelet  und  Grashof  halten  die  Ingenieure  des 
europäischen  Kontinentes  bei  den  Dimensionierungen  an 
dem  Prinzipe  fest,  daß  die  größte  Dehnung  (X)  in  jedem 
Punkte  (oder,  was  dasselbe  bedeutet,  die  reduzierte  Spannung 

Ored  =  —  X£)  unter  einem  gewissen,  vom  Material,  allenfalls 

• 

noch  von  der  Beanspruchungsart  und  der  verlangten  Sicherheit 
abhängigen  Wert  liegen  müsse.  Hiebei  ist  es  für  die  vorliegende 
Frage  ohne  Belang,  ob  auch  eine  negative  Dehnung,  eine  Ver- 
kürzung, im  Stande    sei,   Bruch   herbeizuführen,  weil    solche 
Scheiben  durch  die  Fliehkraft  nur  Zugspannungen  aufnehmen. 
Die  an  die  Spitze  des  vorigen  Abschnittes  an  Stelle  der 
allgemeinen   Gleichung   (4)    tretende    Bedingung   (6)    schloß 
zufolge  (7)  auch  die  Bedingung  in  sich,   daß  die  beiden  in 
Betracht  kommenden  Hauptdehnungen  X/  und  X,.  überall  den- 
selben in  jedem  Achsabstande  gleichen  Wert  haben  müssen. 
Nun  genügt  es  aber,  wenn  die   eine    dieser  beiden    Haupt- 
dehnungen   konstant  ist,   sofern    die   andere   überall   kleiner 
oder  höchstens  gleich  groß  wird.  Würde  Unveränderlichkeit 

der  tangentialen  Dehnung  verlangt  sein,  also  ~  m  X  =:  kon- 

T 

stant,  so  wäre  wieder  p  =i  Xr  und  der  früher  behandelte  Fall 
läge  vor. 

Anders  liegt  die  Frage  bei  konstanter  radialer  Dehnung. 
Das  Integral  der  nun  an  Stelle  von  (4)  tretenden  Bedingungs- 
gleichung 

X,.  =  -4-  =\  =  konst.  (12) 

är 

lautet 

pz=Xr+C.  (13) 

Ein  Körper  gleicher  Festigkeit  liegt  dann  vor,  wenn 

X/=  -^  zz:X-4-^<X  (14) 

ist,  also  wenn  der  Integrationskonstanten  C  ein  negativer  Wert 
gegeben  wird.  Die  Integration  von  (7)  gibt  unter  Berück- 
sichtigung von  (13) 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes.  1 36 1 


2^0 


I                     C I 
— tu/  (w-4-1)Xh +w/[(w  +  l)X]  — 

L  f  .1 

m^—l   [iw«  (        r^  Cr 


{ 


m         E    l2(w+l)X        ^w+l)^X« 

C2 


(W-h  1)3X3 


/ 


(ffH-l)X^-hl]}.    (15) 


Hiebei  ist  der  neu  eingeführten  Integrationskonstanten  die 

Form 

Izq — w/[(wH-l)X] 

gegeben  worden,  um  den  Vergleich  mit  der  Stodola-Laval- 
schen  Scheibe  zu  erleichtern.  Zu  demselben  Zwecke  werde 
die  Bezeichnung 

0  — Or  red  — T  J^  ^ 

m — 1  fn — 1 

eingeführt  und  mit  der  Spannung  o  weitergerechnet,  obwohl 
ihr  keine  weitere  physikalische  Bedeutung  zukommt.  So  geht 
(15)  über  in 


l  2  m^ — 1    0 


z   [iw*  f  1  ^2^      m       E 

'0 


—  w/ 


1— 


nt' 


tn       E   C 
m* — 1    o    r 


^--::^^^\-    (16) 


Bei  negativem  C  geht  aber  einem  der  auf  der  rechten  Seite 
dieser  Gleichung  stehenden  Logarithmen  die  reelle  Bedeutung 
ab,  da  immer  der  eine  oder  der  andere  der  beiden  Numeri 
negativ  wird.  Ist  aber  C  positiv,  so  ist  die  Scheibe  wohl  eine 
Scheibe  konstanter  radialer  Dehnung,  aber  keine  Scheibe 
konstanten  Fliehkraftwiderstandes,  da  die  Ungleichung  (14) 
nicht  erfüllt  ist.  C  =  0  bedeutet  aber  die  Stodola-Laval'sche 
Lösung.  Es  ergibt  sich  somit:  In  allen  Scheiben  kon- 
stanter radialer  Dehnung  ist  die  tangentiale  Dehnung 
größer  als  die  radiale,  im  Grenzfalle  ist  sie  ihr  gleich. 

91* 


1362 


A.  Basch  und  A.  Leon, 


In  Fig.  2  sind  einige  Scheiben  konstanter  radialer  Dehnung 
verzeichnet.  Zahlentafel  2  enthält  die  Ordinaten  ihrer  Meridian- 
linien, die  unter  der  Voraussetzung  E=:  2200000  ig  cm—*  und 
fftzizS  nach  der  Gleichung 

log«  =  log 215+0 -165  c|o- 43429 r  — 


-412-5Clog[l4.^^]}- 


—3  log  [ 


1  + 


412'5C| 


Fig.  2. 

berechnet  wurden.  Zs  bedeutet  hiebei  die  Ordinate  der  Meridian- 
linie der  Stodola-LavaUschen  Scheibe  für  die  gleiche  Abszisse  r. 
Es  erweist  sich  auch  als  unmöglich,  durch  geringe  Mehrbean- 
spruchung bemerkenswerte  Materialersparnis  zu  erzielen. 


IV. 

Im  Gegensatz  zu  ihren  deutschen  und  französischen 
Kollegen  sind  die  englischen  und  amerikanischen  Ingenieure 
der  Ansicht,  daß  die  größte  in  einem  Punkte  auftretende  Zug- 
spannung für  die  Bruchgefahr  maßgebend  sei.*  Der  auf  dieser 
von   Lame  begründeten  Hypothese  *  beruhende  Rechnungs- 


1  Love,  Lehrbuch  der  Elastizität.  Deutsche  Ausgabe  vonTimpe.  Leipzig 
und  Berlin,  1907,  Verlag  B.  G.  Teubner,  p.  144. 

2  Lame  und  Clapeyron,  Memoire  sur  requilibre  Interieur  des  corps 
solides  homogenes.  Paris.  Mem.  pr.  p.  divers  savants,  t  4,  1833. 


Scheiben  gleichen  FUehkraftwiderstandes.  1 363 

Vorgang  wurde  in  Frankreich  seitPoncelet  und  de  Saint- 

Venant,  in  Deutschland  seit  Grashof  verlassen.  Wird  diese 

Anschauung  dem  vorliegenden  Problem  zu  Grunde  gelegt,  so 

ist  eine  Scheibe  als  solche  konstanten  Fliehkraftwiderstandes 

anzusehen,  wenn 

0/  =  a  =:  konst.  (17) 

und 

—Or^—a  (18) 

ist.  Aus  (17)  folgt  unter  Berücksichtigung  von  (1)  die  Diffe- 
rentialgleichung 

w-^4-4^  =  *  (19) 

r        dr 

bei  Einführung  der  Bezeichnung 

Die  allgemeine  Lösung  von  (19)  lautet 

p  =  — +  — ^-r.  (21) 

Da  für  miO,  p  jeden  endlichen  Wert  übersteigen  würde,  ist 
die  Lösung  nur  dann  verwertbar,  wenn  es  gelingt  (nötigenfalls 
künstlich)  zu  einer  Scheibe  mit  Bohrung  zu  gelangen.  Für  die 
radiale  Spannung  ergibt  sich 

or  =  o+mE-^'  (22) 

Die  Ungleichung  (18)  ist  erfüllt,  wenn  C  einen  positiven 
Wert  hat. 

Nach  Einsetzung  von  (21)  in  die  allgemeine  Differential- 
gleichung (5)  erhält  man 


Iz  =  — m 


dr 

*         «-»»+1.  .1 

r 

'        (23) 

T 

(w«— 1)C 


1  Auf  diese  Scheiben  hat  Grübler  aufmerksam  gemacht.  Siehe:  Der 
Spannungszustand  in  rotierenden  Scheiben  veränderlicher  Breite.  Zeitschrift  des 
Vereines  Deutscher  Ingenieure,  1065. 


1364  A.  Basch  und  A.  Leon, 

Führt  man  die  Bezeichnungen  ein 

m^C      E  (m* — 1)C 

so  erhält  man,  nachdem 


] 


br*—\       r 


—  ±|J_ 
~   d  L2 


2-«    b  2-2«    d» 

1  1     „  ...  1  1 


2-3«    *8 


'"-"•+ äir^*^"*"-*---]'  ^2-^^ 


25     fW^ 1      fJLW^    r  1       «  1  W* 1  C 

ir     ~'~~'      ^-^      ~~^ 


kE   L2  m— 1 


«0  m'       kE   12  m—l        k        r"+» 

1     /^»_i\2    c* 


2w»  \      k      /     r^"* 
1        /«»«  — 1\»     C» 


1       /  »*«— IV     O 


4m+2  \    mk 
5«»+3 


Y_c*__ 

)-^ -■•■]■    (26) 


Hiebei  ist  /^^^  als  Integrationskonstante  eingeführt  worden. 
Bei  Berücksichtigung  der  Spannung  a  geht  die  Gleichung 
über  in 

^^  __  ji^ri_^3^       1        mE      C 


Zq  o     l  2  m — 1       o       r"*-^ 

1      m^E^     C« 


2fn       o^       r^*" 
1         w8£8       C^ 


1         nt^E^       C* 


4w  +  2       a*        r*m-f2 

1         m^E^       C^ 
5w-f-3       0^       rS'^+s 


-...]•     ^  (27) 


1  Die  Reihe  ist  konvergent,  wenn 

mE 

r»i+l> C. 

0 

Bei  negativem  C  ist  dies,  weil  o  als  Zugspannung  negativ  ist,  stets  der  Fall. 


Scheiben  gleichen  Fliehkraflwiderstandes. 


1365 


Für  jene  Fälle,  in  denen  die  Poisson'sche  Konstante  m, 
daher  auch  n,  eine  ganze  Zahl  ist,  läßt  sich  die  Lösung  des 
Integrals  der  Gleichung  (25)  in  endlicher  Form  geben.  Setzt 
man  in  der  Gleichung 


lz  = 


f  gr''-^^-^-l    dr   __ 
-^J     brn-i     ^T- 


m 


f*  ^ 


1 


ar' 


r«  +  l 


m-l 


dr 


(28) 


im  letzten  Integral,  sofern  n  eine  ungerade  Zahl  und  in  allen 
Fällen,  wo  fe  >  0  ist, 

sofern  u  gerade  und  d  <  0  ist 


1^ 
b 


-g' 


und 


a 
T 


K 


so  handelt  es  sich  bei  der  Lösung  von  (28)  bloß  um  die  Aus- 
wertung von 

Är«  +  1     dr 


/■ 


bezieh  ung&we  i  se 


/■ 


rn_gn        Y     ' 


Är^  +  l     dr 


r^-V-g^      r 


Für  die  wichtigsten  ganzzahligen  Werte  d^r  Poisson- 
schen  Konstanten  mögen  die  Formen  der  Lösung  entwickelt 
werden. 


1366 


A.  B«sch  und  A.  Leon, 


§ 


c 

5 


0) 
Ü 

Ca 

C 


5 


I 


^-H 

ü 

15 

+ 

o 

CA 

m 

0) 

bo 

►45 

^ 

bO 

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3 

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U 

*-*     k 

0) 

(Q 

• 

J3 

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*■* 

>50 

2 

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1 

1 

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-12 

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1 

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C^l    lO 

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O 

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3 

^-^ 

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;z: 

"w 

1 

>«t 

V 

Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes. 


1367 


+ 


+ 


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lO 


bO 


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I 


I 


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1 

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1109 


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3 


1368 


A..  Basch  und  A.  Leon, 


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r,.- — N 

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I 


la 


I 


II 


*»  1^=" 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes. 


1369 


O 


c 

c 
c 

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O 

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o 
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O 

a> 
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x: 


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1 

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Kl 


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M 

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09 

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M 


^ 


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+ 


+ 


-1^ 

+ 


J-^    lO 


> 


lO 


1370 


.  A.  Basch  und  A.  Leon, 


bO 
c 

s 


s 

c 
c 


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C 

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c 

ü 
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M 

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CD 

+ 


09 


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+ 


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SP  S 

^      Q> 

c    -^ 

2 
o 
Vi 

CO 

CS 


09 


-IN 


II 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes. 


1371 


2.  fH  —  3* 

In  diesem  Fall  ist  die  Form  der  Lösung  bedeutend  ein- 
facher. Für  C,  daher  auch  6  >  0  entfallen  in  der  Lösung  die 
zyklometrischen  Glieder.  Die  Partialbruchzerlegung  lautet 


ftr«4-l    1 


=  __L.I.^.l(_L  +  A)p 


4  \g*  "^  g' 


r+g       r-g  j 


y) 


1/1  h  \      r 

2\g*       g'Jr*+g" 


wonach  hervorgeht 


fhr'  +  l   dr  _   1/1     jr*—g*        h      r*—g*\ 
J  r*-g*     r    ~   4  l  ^*      •  r*      "*"  ^*      r^+g'  /' 


daher 


m 


1  a    3 

2  b 


4 


/ 


-1 


\/¥ 


l 


r«  — 

1     ] 

VF 

r«  + 

1 

s/b> 

1     m^ — 1    |iw* 


.2 


m 


r^-r^^c 


m        kE 


l 


1 


AiiT'TE'  V       * 


.2 


-v^ 


m'—\ 


r»  + 


I  m*—\ 


1  ttW  w  a 

2  0  4  r* 


+  11*'^ 


4      0 


xT 


fM£ 


C.l 


-n/ 


— ?!i^c 


r«  + 


s/ 


1372  A.  Basch  und  A.  Leon, 

Bei  Berücksichtigung  des  Wertes  Drei  der  Poisson'schen 
Zahl  folgt 

3E 


l '  _ 

At 

'"0 

1 

2 

a 

4- 

1 

4 

a     V 

a 

^^C 

0 

•0 

G 

(30 


Sofern  C  >  0  ist,  wird  die  im  Resultat  vorkommende 
Wurzel  reell.  Der  Fall  C<  0  gibt  wohl  eine  Scheibe  konstanter 
Tangentialspannung,.aber  zufolge  (18)  und  (22)  keine  Scheibe 
konstanter  Fliehkraftfestigkeit.  Immerhin  möge  der  Vollständig- 
keit des  Lösungssystems  wegen  auch  dieser  Fall  miteinbezogen 
sein.  Um  eine  für  ein  negatives  C  sinngemäßere  Form  der 
Lösung  zu  erhalten,  ist  es  zweckentsprechend,  die  Partial- 
bruchzerlegung  nach  der  Gleichung  vorzunehmen: 


hr^  +  \      1                1 
r*-^g*      r          '    g* 

1 
r 

2g*-    •     4    \g^        gl 
r«  +  \/2rg-hg* 

1             \/2  /  1           h 

2g*''        4    \g^    '    gj 

r^  —  \j2rg+g* 

I 


Daher  ist 


hr^-hl     dr  1  r^ 


r*+g*       r  4g*      r*+g* 


l     h   I  r\/2  +  g  ,    r\/2—g 

l     ,      r*  1     Ä  g' 


4g*     r*—g*        2    g*         "  r* 
Man  erhält  schließlich  die  mit  (30)  identische  Gleichung 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes. 


1373 


/—  =  + 


4.J^^2  +  ^/ 


3^ 
4 


r*  H C 


1    aw»      / 


3£ 


C  arctg 


v/ 


3£ 


(31) 


3.  fw  =  2. 

Dieser  Wert  kommt  zwar  nicht  bei  den  Konstruktions- 
materialien des  Maschinenbaues,  wohl  aber  bei  Versuchs- 
materialien wie  z.  B.  Kautschuk  in  Betracht. 

Die  Partialbruchzerlegung  lautet: 


Ar'  +  l    J_ 

r 


1        1 


1  /  1 


1 


•3 rfS 


g' 


g 


s 


3  \g^ 
1  /2 


gl  r—i 
h 


3  \g 


8 


r 


g 


-(- 


h 


I 


Daher  ist 
Är«  +  1   dr 


r'+rg+g 


I 


r'—g> 


r'-g' 


\/3  /2f^ 


)]}• 


Die  Rücksubstitution  ist  wie  in  den  früheren  Fällen  vor- 
zunehmen und  ergibt: 

2E  ^ 


Z  1       ]LfV^  1 


r'  H- 


2/ 


4J5: 


-/ 


^ 


2J5; 


f^^^C 


\/3  arctg -^I2r 


v^- 


2EC 


'•    (32) 


1374  A.  Basch  und  A.  Leon, 

Wie  aus  den  Gleichungen  (27),  (29),  (30)  und  (32)  hervor- 
geht, besitzen  die  Oberflächen  der  Scheiben  einen  asymptoti- 
schen Zylinder,  dessen  Halbmesser  r^  aus  der  Gleichung 

C^^  +  ^  C  =  0  (33) 

zu  berechnen  ist.  (Der  Fall  C  =  0  bildet  einen  Sonderfall  und 
gibt  die  Stodola-Lavarsche  Lösung.)  Für  denselben  Wert  des 
Radius  verschwindet  zufolge  (22)  die  Radialspannung,  was  ja 
auch  aus  der  Bedingung  der  von  Normalspannungen  freien 
Oberfläche  hervorgeht.  Für  die  in  diesem  Zylinder  nahe  der 
Mittelebene  liegenden  Punkte  der  Scheibe  ist  dieses  Ergebnis 
mit  Vorsicht  aufzunehmen,  da  wegen  der  zur  Umdrehungs- 
achse  parallelen  Asymptoten  die  Bedingung  geringer  Neigung 
der  Meridianlinie  gegen  die  Abszissenachse  nicht  erfüllt  ist 
Wären  die  Gleichungen  in  aller  Strenge  gültig,  so  wäre  es 
möglich,  ein  (unendlich  langes)  zylindrisches  Loch  vom  Halb- 
messer fg  zu  bohren,  ohne  daß  das  elastische  Gleichgewicht 
des  rotierenden  Körpers  gestört  wäre.  Es  ergeben  sich  in 
diesem  Falle  tatsächlich  Scheiben  gleicher  Festig- 
keit mit  einem  Loch  in  der  Mitte.  Der  Asymptoten- 
zylinder bildet  dann  die  Welljs,  auf  welcher  die 
Scheibe  sitzt.  Natürlich  muß  ihr  Profil  für  praktische 
Zwecke  abgerundet  werden.  Der  Wellenhalbmesser  r^  be- 
stimmt nach  Gleichung  (33)  die  Konstante  C^ 

Fig.  3  zeigt  die  Meridianlinien  der  Scheiben  mit  konstanter 
Tangentialspannung.  Nur  die  außerhalb  der  Stodola-Lavarschen 
Scheibe  liegenden  sind  als  solche  konstanten  Fliehkraftwider- 
standes zu  betrachten,  da  bei  den  innerhalb  liegenden  der 
Wert  der  Radialspannung  jenen  der  unveränderlich  gehaltenen 
Tangentialspannung  überschreitet.  Die  Ordinaten  sind  für  den 
in  Abschnitt  II  zu  Grunde  gelegten  Fall  unter  der  Voraussetzung 
m  ■=  3  gemäß  den  identischen  Gleichungen  (30)  und  (31) 
gerechnet  nach  den  Formeln 


1  Ist  es  notwendig,  zwischen  Welle  und  Scheibe  einen  Hohlzylinder 
(eine  Nabe)  einzuschalten,  so  wären  die  Formeln  in  Anmerkung  p.  1357  sinn- 
gemäß zu  verwenden. 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes. 


1375 


CO 

ob 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Dd.,  Abt.  IIa. 


92 


1376  A.  Basch  und  A.  Leon, 

log  z  -=.  log  25+log  r' — 

— (0-75+0-00574456\/C)  log  (r«— 57-4456  V^)- 
—(0-75— 0-005 74456  n/C)  log  (r»+57- 4456  V^), 

beziehungsweise 

log 2  =  log 2;5+logr3— 0-75  log(r*— 3300C)— 
57•4456 


—  0-0049896  in/— Carctg 5 sT^. 

von  denen  die  erste  für  positive,  die  zweite  für  negative  Werte 
der  Integrationskonstanten  C  verwendet  wurde.  Die  Ordinaten 
sind  in  Zahlentafel  3  zusammengestellt.  Die  letzte  Zeile  enthält 
die  Abszissen  r^  der  in  der  Figur  durch  gestrichelte  Gerade 
angedeuteten  Asymptoten. 

V. 

Nun  möge  die  Radialspannung  konstant  gehalten  werden. 

Wenn 

o,.  zu  o  =z  konst.  (37) 

und 

—f^,^—ri,  (38) 

ist  die  Scheibe  bei  der  in  Abschnitt  IV  zu  Grunde  liegenden 
Festigkeitstheorie  ebenfalls  als  Scheibe  gleichen  Fliehkraft- 
widerstandes anzusehen.  Aus  (37)  folgt  unter  Berücksichtigung 
von  (1) 

«,4L  +  ^  =  i,  (39) 

wobei  Ä  auf  die  durch  (20)  ausgedrückte  Art  mit  der  un- 
veränderlichen Spannung  zusammenhängt.  Die  allgemeine 
Lösung  von  (39)  lautet 

C  k 

*^  _1_         w-4-1  ^ 

Auch  hier  gilt  bezüglich  der  Verwirklichungsmöglichkeit 
der  Lösung  für  den  Mittelteil  des  erhaltenen  Drehungskörpers 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes.  1377 

das    in    dem    vorangehenden    Abschnitte    gesagte.    Für    die 
Tangentialspannung  ergibt  sich 

Q 

r  "• 

Die    Ungleichung   (38)    ist    erfüllt,    wenn    der    Integrations- 
konstanten C  ein  negativer  Wert  gegeben  wird. 

Die  Einsetzung  von  (40)  in  (5)  ergibt  die  Gleichung 

dlz 


dr 


^           hK    ^    ^         ntk           2m+l 

r  '~ 

—  n — r  —  -^ — 

0                      0 

EC 

2m-fl 

r   "• 

(42) 


durch  deren  Integration  man 


Zq  2        o  w  +  1      o         ^-^^ 

r  " 

erhält.  Iz^  wurde  als  neue  Integrationskonstante  eingeführt.  Die 
durch  (43)  gegebenen  Meridiankurven  besitzen,  wenn  C  <  0, 
die  beiden  Koordinatenachsen  als  Asymptoten.  Der  Fall  C  =:  0 
stellt  wieder  die  Stodola-Laval'sche  Lösung  dar.  Ist  C  >  0,  so 
haben  die  Kurven  den  Koordinatenursprung  als  gemeinsamen 
Punkt,  die  Abszissenachse  als  gemeinsame  Asymptote.  Diese 
Kurven  kämen  als  Meridianlinien  von  Scheiben  gleichen  Flieh- 
kraftwiderstandes nicht  in  Betracht,  da  zufolge  (40)  die  tangen- 
tiale Zugspannung  den  Wert  der  konstant  gehaltenen  radialen 
übersteigen  würde. 

Aus  (41)  geht  hervor,  daß  bei  kleinem  r  das  o^  eine  Druck- 
spannung werden  kann.  Aus  dieser  Gleichung  ergibt  sich  die 
Abszisse,  für  welche  die  tangentiale  Spannung  verschwindet. 
Die  Anschauung  lehrt  aber,  daß  Druckspannungen  im  Innern 
der  Scheibe  nicht  möglich  sind.  Wie  früher  verwischen  in  der 
Nähe  des  Mittelpunktes  die  sogenannten  Nebenspannungen  das 
theoretische  Ergebnis. 

92* 


1378  A.  Basch  und  A.  Leon, 

Es  sei  wieder  das  in  den  früheren  Abschnitten  behandelte 
Beispiel  herangezogen.  Die  Ordinaten  der  durch  (43)  gegebenen 
Kurven  ergeben  sich  für  w  zz  3  aus  der  Gleichung 

r 

log  z  =  log  Zs— 358  •  289  — ^ , 

für  f«  =  4  aus  der  Gleichung 

log 2  =:  log«,— 382-175— g- 

In  Fig.  4  sind  einige  Kurven  des  Systems  für  w  =:  3,  in 
Fig.  5  für  m  zz  4  dargestellt.  (Siehe  auch  Zahlentafeln  4  und  5.) 

VI. 

Legt  man  der  Untersuchung  die  Anschauung  zu  Grunde, 
daß  die  größte  in  einem  Punkte  auftretende  Schubspannung, 
also  die  Differenz  zwischen  größter  und  kleinster  Haupt- 
normalspannung für  die  Bruchgefahr  maßgebend  sei,  wie  dies 
nach  der  Mohr'schen  Theorie  für  solche  Materialien  gilt,  deren 
Hüllkurve  eine  zur  Achse  parallele  Gerade  ist,  für  welche  also 
Streck-  und  Quetschgrenze  nicht  stark  voneinander  abweichen, 
eine  Anschauung,  die  von  Coulomb,  Treska,  G.  H.  Darwin* 
u.  a.  gestützt  wurde  und  welcher  für  die  im  Turbinen- 
bau verwendeten  Materialien  große  Beachtung  gebührt,  so 
ergeben  sich  für  die  vorliegende  Formgebungsaufgabe  keine 
neuen  Gesichtspunkte.  Die  größte  Hauptschubspannung  ist  in 
diesem  Falle,  wo  radiale  und  tangentiale  Spannung  Zug- 
kräfte sind,  also  gleiches  Vorzeichen  haben,  nur  von  der 
größten  Hauptspannung  abhängig,  denn  in  axialer  Richtung 
ist  die  Normalspannung  gleich  Null.  Die  hieraus  sich  er- 
gebenden Aufgaben  wurden  in  den  obigen  Kapiteln  behandelt. 
Könnten  aber  radiale  und  tangentiale  Spannung  verschiedene 
Vorzeichen  haben,  so  daß  ihre  Differenz  dem  Absolutbetrage 
nach  größer  würde  als  Minuend  oder  Subtrahend,  so  würde 
sich  folgendes  ergeben. 


1  O.  Mohr,    Zivilingenieur,    1882.    Zeitschrift    des  Vereines    Deutscher 
Ingenicure,   1900.  Love,  Lehrbuch  der  Elastizität. 


Scheiben  gleichen  Fliehkraltwiderstandes. 


A.  Basch  und  A.  Leoj 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes. 


1381 


Die  Hauptschubspannung 


t  =  d=Y(o/— 0,), 


(44) 


nachdem  im  vorliegenden  Fall  die  tangentiale  und  die  radiale 
Richtung  die  Richtungen  der  Hauptnormalspannungen  sind. 
Soll  t  für  alle  Punkte  die  gleiche  Größe  haben,  so  besteht  die 

Gleichung 

P        äp 
r        dr 


=  k, 


(45) 


wobei  k  durch  die  Gleichung 


*  =  — 


f«  +  l    2t 


nt 


E 


(46) 


von  der  zugelassenen  Schubspannung  t  abhängig  ist.  Das 
Vorzeichen  ist  in  diesem  Falle  belanglos.  Die  Integration  von 
(45)  ergibt 


P  =  ""^^^c" 


(47) 


und  durch  Einsetzung  dieser  Gleichung  in  (5)  ergibt  sich  die 
Beziehung 


(48) 


dlz         ^^  C 

m^ — 1    |i«;*  ^       2 
m«        kE   ^       r 

dr            dr 

W-+-1      r    ^  . 

aus  welcher  hervorgeht 


r^ 


c 


fH — 1    |JL«; 


2 


m 


kE 


rdr 


m 


'{'-'' -i 


/»r 


2m 


w  +  1 


dr 


l 


tn 


1382 


A.  Basch  und  A.  Leon, 


Diese  Gleichung  geht,  wenn  man  die  neue  Konstante 


m 


C'  =  Ce    "•+^ 


einführt,  über  in 


/ 


[^ 


/»r 


m — 1        \LfV 


2 


m 


kE 


Qf2 


(fj 


2  m 


fr  f 


.  '(f  J 


w-4-1 


/ 


Der  Integrallogarithmus  bewirkt,  daß  die  Lösung  nur  durch 
eine  unendliche  Reihe  ausgedrückt  werden  kann. 


'ä  = 


m — 1    (tw' 


/ 


m 


kE 


l 


a 


c 


1 . 1 !  l    C 


/ 


m 


m  +  \ 


l 


2/ 


a 


— 1 


(49) 


VII. 

Schließlich  nehmen  wir  noch  an,  daß  die  auf  die  Raum- 
einheit  bezogene  Formänderungsarbeit  in  einem  bestimmten 
Punkte  das  Maß  der  Bruchgefahr  bilde,  eine  Anschauung,  die 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes.  1 383 

zuerst  von  Beltrami  ausgesprochen,  jüngst  neuerdings  ver- 
treten wurde.  ^ 

Im  vorliegenden  Falle  eines  ebenen  Spannungszustandes 
ist  das  elastische  Potential  durch  die  Gleichung  gegeben 

Mit  Hilfe  von  (1)  erhält  man 

H       \dr  J       m    r    dr  m^E 

Die  Einführung  der  neuen  Variablen 

e  =  /r,     7i  =  -f  (52) 

T 

gibt 

,^  ^    2(w4-l)       ,  ,    2(w-+-l)    .      ,        ^  ._. 

woraus  hervorgeht,  daß 


«=/ — 

J    _  w  +  1 


und  sofern  man 


\/m2— 1 

7=r— TQ   =   sin  © 

setzt, 

m  r  äff 


£  = 


—  r— 


V/iii^=lJ     .  1  ^  +  1      tgcp 


Vw«— 1 

Setzt  man 


a=i±l,     fc  = — 


\/f»«  — 1 


-^  E.  Beltrami,  Solle  condizioni  di  resistenza  dei  corpi  elastici.  Lomb. 
Ist.  Rend.  (2),  XVIII  (1885).  —  Beiblätter  zu  den  Annalen  der  Physik,  1885.  — 
R.  Girtler,  Über  das  Potential  der  Spannungskräfte  in  elastischen  Körpern 
als  Maß  der  Bruchgefahr.  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXVI,  Abt.  IIa,  1907, 
März.  —  Zeitschrift  des  österr.  Ingenieur-  und  Architektenvereines,  1907,  Nr.  37. 


1384  A.  Basch  und  A.  Leon, 


und  beachtet,  daß 


/ 


d^                  Ä©  b 
^. =      Q     .o  H i — 7ö-  t(fi  cos  ©+&  sin  «), 


so  erhält  man 

fn — 1  J       tn-hl 


^  =  \ 


T+'l-^^-^l^v/*— ^^1 


Vw*— 1         \     »»\/F 


und  wenn  man  wieder  die  ursprünglichen  Veränderlichen  r 
und  p  einführt 


-  =  ^ 


w — 1  Vw*  —  1      p 

arc  sin 


Vw«  — 1  m\/k        r 


\      mV*      *"       V 


««* — 1      p* 

I      •      ■■  ■         ■ 


+  /C.    (54) 


Da  es  nicht  möglich  ist,  einen  expliziten  Ausdruck  für  die 
radiale  Punktverschiebung  p  zu  finden,  so  erweist  es  sich  als 
unmöglich,  die  Aufgabe  der  Scheiben  gleichen  Fliehkraft- 
widerstandes bei  Zugrundelegung  des  Potentials  der  Spannungs- 
kräfte als  Maß  der  Bruchgefahr  einer  geschlossenen  exakten 
Lösung  zuzuführen. 


Fassen  wir  die  Betrachtungen  zusammen,  so  ergibt  sich 
folgendes: 

Bei  Annahme  konstanter  tangentialer  Dehnung  ergibt  sich 
für  die  Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes  ein  einfach 
unendliches,  affines  Lösungssystem. 

Bei  Annahme  konstanter  radialer  Dehnung  ergibt  sich  ein 
System  mit  zwei  willkürlichen  Parametern  (C  und  Zq).  Sofern 
der  eine  (C)  verschwindet,  gelangt  man  zum  obigen  einfach 
unendlichen  Lösungssystem ;  sofern  dies  nicht  geschieht,  liegt 
der  Scheibenmittelpunkt  in  der  Oberfläche.  Es  liegen  jedoch 
keine  Scheiben  gleicher  Festigkeit  vor,  denn  die  tangentiale 
Dehnung  ist  immer  größer  als  die  radiale;  im  Mittelpunkt  ist 
sie  unendlich  groß. 


Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes.  1385 

Bei  Annahme  unveränderlicher  tangentialer  Spannung 
erhält  man  wieder  ein  zweifach  unendliches  den  Raum  zwei- 
fach füllendes  Lösungssystem,  welches  sich  wie  früher  ver- 
sondern läßt.  Nicht  alle  erhaltenen  Umdrehungskörper  sind 
jedoch  solche  gleichen  Fliehkraftwiderstandes.  Die  Scharen  der 
Meridianlinien  der  Körper  gleicher  Festigkeit  werden  von  den 
übrigen  durch  die  besondere  Linienschar  getrennt,  welche  sich 
ergibt,  wenn  der  eine  Parameter  (C)  verschwindet.  Im  Außen- 
raume  liegen  die  Scheiben,  deren  radiale  Zugspannung  kleiner, 
im  Innenraume  jene,  deren  radiale  Zugspannung  größer  ist 
als  die  tangentiale.  Erstere  kämen  für  den  Maschinenbau  in 
Betracht;  ihre  Meridianlinien  besitzen  eine  zur  Drehungsachse 
parallele  Asymptote.  Ist  die  Poisson'sche  Konstante  eine  ganze 
Zahl,  so  ergibt  sich  für  die  Lösung  eine  geschlossene  Form 
durch  Integration  rationaler  Funktionen. 

Bei  Annahme  stets  gleicher  radialer  Spannung  ergibt  sich 
ein  ähnliches  Lösungssystem,  wie  es  soeben  besprochen 
wurde.  Nur  fallen  die  Asymptoten  der  Meridianlinien  in  die 
Umdrehungsachse  selbst.  Auch  diese  Scheiben  kämen  für  den 
Turbinenbau  in  Frage.  Die  Beschaffenheit  der  Poisson'schen 
Zahl  hat  für  den  hier  benützten  Lösungsweg  keine  Be- 
deutung. —  Die  in  diesen  zwei  Abschnitten  besprochenen 
Scheiben  gleicher  Fliehkraftfestigkeit  können  hyperbolische 
Profile  annehmen. 

Die  Annahme  konstanter  Differenz  zwischen  tangentialer 
und  radialer  Normalspannung  führt  zu  einem  zweifach  un- 
endlichen Lösungssystem,  das  sich  aber,  sofern  diese  Differenz 
nicht  verschwindet,  in  geschlossener  Form  nicht  darstellen  läßt. 

Der  Annahme  konstanten  Potentials  der  Spannungskräfte 
entspricht  ebenfalls  ein  zweifach  unendliches  Lösungssystem. 
Doch  erweist  es  sich  als  unmöglich,  auf  exaktem  Wege  zu 
einer  Gleichung  der  betreffenden  Drehungskörper  zu  gelangen. 


1386 


A.  Basch  und  A.  Leon, 


Zahlentafel  1  zu  Abschnitt  IL 


0 
10 
20 
30 
40 
50 
60 
70 
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90 
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0-69028 

0-66423 

0-62080 

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0-48182 

0-38628 

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2-4338 
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1-3902 
0-9895 
0-6767 


Zahlentafel  2  zu  Abschnitt  III. 


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0-5788 

0-1707 

30 

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0-3526 

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Scheiben  gleichen  Fliehkraftwiderstandes. 


1387 


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A.  Basch  und  A.  Leon, 


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CO 

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05 

o 

»-^ 

1391 


Zur  Thermodynamik  bewegter  Systeme 


von 


Dr.  Fritz  Hasenöhrl. 

(Vorgelegt  in  der  Sitsung  am  31.  Oktober  1907.) 

Der  Strahlung  in  einem  bewegten  Hohlräume  kommt  eine 
bestimmte  elektromagnetische  Bewegungsgröße  und  Masse  zu. 
Da  der  Wärmeinhalt  eines  jeden  Körpers  zum  Teil  aus  strah- 
lender Energie  besteht,  besitzt  jeder  Körper  eine  bestimmte 
elektromagnetische  Masse,  die  von  seinem  Energie inhalt,  also 
etwa  auch  von  seiner  Temperatur  abhängt.  Diese  Behauptung 
habe  ich  in  früheren  Arbeiten  bewiesen.*  Seither  ist  eine  Arbeit 
des  Herrn  v.  Mosengeil  über  die  Strahlung  in  einem  bewegten 
Hohlraum  erschienen,  worin  unter  anderen  der  Energie  inhalt 
des  bewegten  Hohlraumes  mit  Hilfe  der  Beziehung  zwischen 
Energie  und  Bewegungsgröße  berechnet  ist.^  Ferner  hat  Herr 
Planck*  die  Dynamik  eines  beliebigen  bewegten  Systems 
studiert,  wobei  er  von  der  Existenz  der  erwähnten  elektro- 
magnetischen Bewegungsgröße  ausgeht. 

Herr  Planck  setzt  die  Gültigkeit  des  sogenannten  Rela- 
tivitätsprinzips in  der  Fassung  von  Einstein  voraus,  benützt 
den  bewegten  Hohlraum  als  Vergleichskörper  und  gelangt  so 
zu  Sätzen,  welche  für  jeden  Körper  gelten  müssen. 


1  F.  Hasenöhrl,  diese  Sitzungsber.,  CXIII,  p,  1039,  1904;  Ann.  d.  Phys. 
(4),  15,  p.  344,  1904,  und  16,  p.  589,  1905. 

2  K.  V.  Mosengeil,  Berliner  Dissertation  1906;  Ann.  d.  Phys.  (4),  22, 
p.  867,  1906.  —  Auf  Herrn  v.  Mosengeil's  Kritik  meiner  Arbeiten  komme  ich 
später  zu  sprechen. 

3  M.  Planck,  Berliner  Berichte,  1907,  p.  542. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  93 


1392  F.  Hasenöhrl, 

In  der  vorliegenden  Arbeit  habe  ich  versucht,  gleichfalls 
eine  Theorie  eines  beliebigen  bewegten  Körpers  auszuarbeiten. 
Der  eingeschlagene  Weg  unterscheidet  sich  wesentlich  von  der 
Methode  des  Herrn  Planck.  Es  sind  nur  die  thermodynami- 
schen  Sätze  sowie  die  Definition  der  elektromagnetischen 
Bewegungsgröße  vorausgesetzt.  Stellt  man  dann  die  Forderung, 
daß  ein  mitbewegter  Beobachter  nichts  von  der  Bewegung 
wahrnehmen  soll,  so  ergibt  sich  die  Fitzgerald-Lorentz'sche 
Kontraktionshypothese. 

Wir  betrachten  also  einen  beliebigen  Körper,  dessen  Zu- 
stand in  der  Ruhe  durch  die  innere  Energie  U^  und  das 
Volumen  v  gegeben  ist.  Wird  derselbe  bei  konstantem  Volum 
adiabatisch  auf  die  Geschwindigkeit  q  :=z  ^c  gebracht,^  s» 
besitzt  er  eine  bestimmte  Bewegungsgröße  0,  die  als  Funktion 
von  C/q»  ^>  ß  darstellbar  sein  muß.  Wir  setzen 

®=4-<I'(^o.«'.ß)- 
Die  dabei  geleistete  Arbeit  der  Translationskräfte  ist 


J  dt  i       8ß 


Um   diesen  Betrag   hat  die  Energie  des  Körpers  zuge- 
nommen; bezeichnen  wir  dieselbe  mit  U,  so  ist 

=3  — ^.  '1' 

3ß  8p 

Wir  führen  ferner  die  Größe 

ein,  die  wir  auch   als  Funktion  von  Uq,  v  und  ß  betrachten 
können.  Es  gilt  dann: 


*  Es  soU  stets  nur  von  reversibeln  V^orgängen  die  Rede  sein,  c  ist  die 
Lichtgeschwindigkeit  im  Äther. 


Thermodynamik  bewegter  Systeme.  1 393 

H=U^-f%d^,  (3) 

(4) 


37/ 

U=zH-^-^.  (5) 

Bei  der  DifTerentiation  nach  einer  der  Größen  U^^v,^  sind 
die  beiden  anderen  konstant  zu  halten.  Wir  heben  noch  hervor, 
daß  wir  unter  Uq  den  Wert  der  Energie  verstehen,  welchen  sie 
annimmt,  wenn  der  Körper  adiabatisch  und  isochorisch  zur 
Ruhe  gebracht  wird;  ganz  gleichgültig,  auf  welchem  Wege  der 
Körper  auf  seinen  momentanen  (bewegten)  Zustand  ge- 
kommen ist 

1.  Berechnung  des  Druckes. 

Wir  bezeichnen  den  Druck  des  ruhenden  Systems  mit  p^, 
den  des  bewegten  mit  p.  Zur  Berechnung  des  letzteren  be- 
trachten wir  folgenden  Kreisprozeß: 

A.  Der  Anfangszustand  seider  der  Ruhe;  Uq,v,Pq  seien 
die  Werte  der  betreffenden  Zustandsgrößen.  Wir  ändern  das 
Volum  adiabisch  von  v  auf  i/  =  v-^-dv;  die  Energie  nimmt  den 
Wert  U{^  =  U^—p^dv  an. 

B,  Wir  bringen  den  Körper  auf  die  Geschwindigkeit  ßc. 
Die  Energie  nimmt  den  Wert 

•     C7=<I>(C7^,i/,ß) 
an.  Die  Arbeit  der  äußeren  Kräfte  ist 

C  Wir  ändern  bei  konstanter  Geschwindigkeit  das  Volumen 
adiabatisch  um  — dv.  Die  äußeren  Kräfte  leisten  die  Kompres- 
sionsarbeit pdv  und  die  Translationsarbeit  (um  die  Geschwin- 
digkeit konstant  zu  erhalten)  ß^(|>.  Es  ist  also  die  Zunahme  der 

Energie 

dU^pdv-^-^d^, 

93* 


1394  F.  HasenShrl, 

Sei  U"  der  Wert,  den  £/„  jetzt  angenommen  hat;  dann  ist 

dU=^(JJ'^,v,^)-^{U'„i/,^), 

rf,I,  =  4.(t7^',tf,ß)-i.(C7^,i/,ß). 

D,  Wir  bringen  den  Körper  adiabatisch  und  isochorisch 
zur  Ruhe.  Dabei  wird  die  Arbeit 

ü;;'-*(c;^',i/.P) 

geleistet.  Der  Zustand  des  Körpers  ist  jetzt  durch  die  Variabein 
f/J',  i;,  ß  z=  0  gegeben.  Die  gesamte  Arbeit  der  äußeren  Kräfte  ist: 

Nach  dem  ersten  Hauptsatze  muß  diese  Arbeit  gleich 
UH — Uq  sein.  Der  zweite  Hauptsatz  verlangt  überdies,  daß 
diese  Differenz  gleich  Null  sei.  Sonst  würde  dieser  Kreisprozeß, 
oder  der  umgekehrte  ein  thermisches  Perpetuum  mobile  reprä- 
sentieren. Setzen  wir  also  im  obigen  Ausdrucke  U(l  =  U^\  be- 
achten, daß  dann: 

at/o  '   ^        °'       St;  ^ 

rz  — —Pndv ^dv 

Wo  ^v 

*(C7,',  t/,  ß)-4>(üo,  V,  ß)  =:  ^dv^^podv 
ist,  so  erhalten  wir: 

-7-—  rff Padv-h^ Pndv—^  —-  dv-hpdv  =  0 

^v  8C7o    '  8f7o  ^'         ^  8i;  ^ 

oder  nach  (2): 

Wir  erhalten  also  den  Satz:  Steht  ein  beliebiger  Körper 
im  Zustande  der  Ruhe  unter  dem  Druck /?o,  so  nimmt  derselbe 


und 


/ 


Thermodynamik  bewegter  Systeme.  1 395 

bei  adiabatisch  isochorischer  Beschleunigung  den  Wert  /?,  der 

durch  Gleichung  (6)  gegeben  ist,  an. 

Dieser  Satz  läfit  sich  einfacher,  aber  vom  physikalischen 

Standpunkte  weniger  klar,  auf  folgendem  Weg  ableiten:  Bei 

einer  adiabatischen  Zustandsänderung  ist  der  Betrag  von  U 

nur  von  den  momentanen  Werten  der  Größen  ß  und  v  abhängig. 

Wenn  also  bei  beliebiger  Geschwindigkeit  v  adiabatisch  um  dv 

verändert  wird,  so  ändert  sich  U^  um  —p^dv}   Es  muß  dann 

die  Zunahme  der  Energie,  welche  hier  der  Arbeit  der  äußeren 

Kräfte  gleich  ist: 

dU=i  -—pdv+^d^ 
und  daher  auch 

— pdi^ — ifd^ 
ein  vollständiges  Differential,  also 

8/7 


=(i^) 


8ß 

sein.  Hiebei  ist  unter  (-^)  eine  Differentiation  bei  adiaba- 
tischer Zustandsänderung.  zu  verstehen;  ist  also  ^  als  explizite 
Funktion  von  v  und  U^  gegeben,  so  ist 

/8(^\        ^        8i>   /3C7o\  _   3^)  8(|> 

\lvj  ~  "älT  "*"  8C7p  \  81;  /  "■  '8t;      ^<>  8Ü0  ' 

Da  ferner  nach  (4) 

^~        8ß 

ist,  läßt  sich  obige  Gleichung  nach  ß  integrieren  und  wir  er- 
halten: 

p  =  Po 5 —  -4-Konst. 

Diese  Konstante  kann  noch  eine  Funktion  von  U^  und  v 
sein;  sie  reduziert  sich  auf  Null,  da  für  ß  =  0,  p=^Po 


ist. 


«=..:  (^)  =0 


if      m^^ 


1  Vergl.  den  folgenden  Abschnitt  2. 


-^{■w:'''^-^^''-^^''^)-^^'^' 


aß 

Berücksichtigen  wir  (1),  (2)  und  (6),  so  wird: 

oder 

3C7o 
Dieser  Ausdruck  gilt  ganz  allgemein. 

3.  Die  Temperatur  des  bewegten  Körpers. 

Wir  betrachten  zuerst  ein  System  von  Körpern,  die  sich 
alle  mit  derselben  konstanten  Geschwindigkeit  bewegen.  Die 
Erfahrung  lehrt,  daß  dann  dQ/T  ein  vollständiges  Differential 
ist.  Gleichung  (7)  zeigt,  daß  diese  Bedingung  erfüllt  ist,  wenn 
wir 

T=T,—-^fi^)  (Sa) 

setzen.  Denn  T^  ist  der  integrierende  Nenner  von  düjj+/7^jc/r, 
wenn  wir  analog  dem  früheren  unter  T^  die  Temperatur  ver- 
stehen, die  der  bewegte  Körper  annimmt,  wenn  er  adiabatisch 


I 


1396  F.  Hascnöhrl, 

2.  Das  Differential  der  zugeführten  Wärme 

ist  gleich  der  Zunahme  der  Energie  vermehrt  um  die   (vom       ' 
betrachteten  Körper)  geleistete  Arbeit,  also 

dQ  =  dU'\-pdv—^d^.'^ 

Führen  wir  wieder  Üq,  v  und  ß  als  independente  Variable 
ein,  so  wird: 

8C7         °        8t;  8ß      *^ 


1  Darauf,  daß  hier  auch  die  Translationsarbeit  ßiit|>  berücksichtigt  werden 
mufl,  hat  zuerst  Herr  Planck  aufmerksam  gemacht 


Thennodynamik  bewegter  Systeme.  1397 

und  isochorisch  auf  die  Geschwindigkeit  Null  gebracht  wird. 
Die  auftretende  Funktion  von  ß  spielt  hier  die  Rolle  einer  Kon- 
stanten, ist  daher  belanglos.  Natürlich  muß  sie  für  alle  Körper 
denselben  Wert  haben. 

Da  wir  in  diesem  Falle  ß  als  konstant  ansehen,  ist 

dQ  =  -^(dU,  +p,  dv)  =  dH^pdv . 
oUq 

In  einem  Systeme,  dessen  Geschwindigkeit  sich  nicht 
ändert,  spielt  H  für  den  mitbewegten  Beobachter  die  Rolle  der 
inneren  Energie;  zwischen  den  Größen  //,  v,  p,  T  bestehen  die- 
selben Beziehungen,  welche  aus  den  thermodynamischen  Haupt- 
sätzen für  C/q,  v,Pq,  Tq  folgen. 

Wir  lassen  nun  einen  Körper  einen  Carnot'schen  Kreis- 
prozeß durchlaufen,  bei  dem  die  beiden  Reservoire  verschiedene 
Geschwindigkeit  haben;  und  zwar  sei  7\,  ^^c  Temperatur  und 
Geschwindigkeit  des  einen  Reservoirs;  Tj,  ß^c;  seien  die  betref- 
fenden Größen  für  das  andere.  Gilt  der  Satz  von  der  Unmög- 
lichkeit eines  thermischen  Perpetuum  mobile  auch,  wenn  das- 
selbe in  seinen  verschiedenen  Stadien  verschiedene  Geschwin- 
digkeit annimmt,  so  kann  das  Verhältnis  der  an  die  Reservoire 
abgegebenen  Wärmemengen  nicht  von  der  Natur  des  den 
Kreisprozeß  ausführenden  Körpers  abhängig  sein.  Es  muß 
dann 

sein.  Man  erkennt  leicht,  daß  diese  Funktion  die  Gestalt 


haben  muß.  Da  femer 


1398  F.  Hasenöhrl, 

sein  muß,  weil  für  Körper  derselben  Geschwindigkeit  die  ge- 
wöhnliche Temperaturdeflnition  zu  gelten  hat,  ergibt  sich  für  ^ 
die  Form: 

(K7;ß)  =  r.^(ß). 

Wir  wollen  diese  Funktion  ^(ß),  sowie  die  Funktion  f(^) 
in  (8a)  gleich  Eins  setzen;  dann  wird 

T=T^-^.  (8) 

8C/o 

Wir  müssen  jedoch  betonen,  daß  darin  eine  gewisse  Will- 
kür liegt.  Auch  wenn  wir  diese  Funktionen  nicht  gleich  Eins 
setzen,  kommen  wir  weder  in  Widerspruch  mit  dem  Satz  von 
der  Unmöglichkeit  des  thermischen  Perpetuum  mobile,  noch 
mit  der  gewöhnlichen  Temperaturdefinition,  die  sich  ja  nur  auf 
Körper  derselben  Geschwindigkeit  bezieht.  Das  Kriterium  der 
Temperaturgleichheit  ist  auf  Körper  ungleicher  Geschwindig- 
keit nicht  anwendbar,  da  wir  sie  nicht  direkt,  sondern  nur  mit 
Hilfe  eines  Hilfskörpers,  der  verschiedene  Geschwindigkeiten 
annimmt,  in  reversibeln  Wärmeaustausch  bringen  können. 
Setzen  wir  jedoch  ^(ß)  nicht  gleich  Eins,  so  ändert  sich  auch 
die  Entropie  bei  adiabatischer  Beschleunigung. 

Es  ist  also  jedenfalls  am  einfachsten,  T  durch  die  Glei- 
chung (8)  zu  definieren;  dann  ist  dQjT  ein  vollständiges  Diffe- 
rential und  die  Entropie  bleibt  bei  adiabatischer  Beschleunigung 
konstant.^ 

4.  Die  Entropie  eines  bewegten  Körpers. 

Wir  sind  zum  Resultate  gelangt,  daß  bei  der  isochoren 
adiabatischen  Beschleunigung  Druck  und  Temperatur  die 
Werte 

T=  Jo-^  (8) 

3Ü0 


^  Es  ist  dies  auch  in  den  Arbeiten  der  Herren  v.  Mosengeil  und  Planck 
bei  der  Bestimmung  der  Temperatur  eines  bewegten  Hohlraumes  geschehen. 


Thermodynamik  bewegter  Systeme.  1 390 

annehmen.  H  spielt  in  einem  System,  das  sich  mit  konstanter 
Geschwindigkeit  bewegt,  die  Rolle  der  inneren  Energie. 

Die  Entropie  des  ruhenden  Systems  sei  Sq{Uq,v\  die  des 
bewegten  kann  durch  S{Hy  v)  ausgedrückt  werden.  Es  gelten 
die  Beziehungen 

ebenso  aber  auch 


denn  es  ist  ja  (bei  konstantem  ß) 

dS=  —(dH-hpdv), 

Da  das  System  aus  dem  Zustande  der  Ruhe  adiabatisch 
in  den  der  Bewegung  gebracht  wurde,  hat  die  Entropie  in 
beiden  Fällen  denselben  Wert,  also: 

S,(U,,v)=S(H,v); 
daher  auch 

8So       8S       8S   m 


W^         ZUo         ^H    W^ 

\  ^v  lu,^  \  Iv  Ju,'^  8if  V  81;  luj^  \  iv  Jh 

Daraus  ergeben  sich  auch  sofort  die  Gleichungen  (6) 
und  (8). 

5.  Die  Bewegungsgröße. 

Wir  haben  bisher  die  Existenz  einer  Bewegungsgröße 
vorausgesetzt,  ohne  eine  spezielle  Annahme  über  ihren  Wert 
zu  machen.  Nun  wollen  wir  in  Übereinstimmung  mit  der 
Theorie  von  Lorentz  uud  Abraham  annehmen,  daß  die 
Bewegungsgröße  gleich  sei  dem  Raumintegral  des  (al)Soluten) 


1400  F.  Hascnöhrl, 

Energiestromes,  dividiert  durch  das  Quadrat  der  Lichtgeschwin- 
digkeit. Nehmen  wir  an,  daß  es  auf  den  Strom  der  gesamten 
Energie  ankommt,  daß  also  die  gesamte  innere  Energie  elektro- 
magnetischer Natur  sei,  so  kann  die  Bewegungsgröße  durch 
folgende  einfache  Überlegung  berechnet  werden. 

Wir  betrachten  einen  zylindrischen  Körper  vom  Querschnitt 
Eins,  der  sich  in  der  Richtung  seiner  Achse  bewegt  (einen 
anders  geformten  Körper  können  wir  in  zylindrische  Teile  zer- 
legt denken).  Durch  einen  beliebigen  Querschnitt,  der  die  Be- 
wegung mitmacht,  fließe  der  (relative)  Energiestrom  tc^  in  der 
Richtung  der  Bewegung,  der  Energiestrom  ^  in  der  entgegen- 
gesetzten Richtung.  Da  der  Körper  homogen  gedacht  ist,  sind 
diese  Größen  von  der  Lage  des  Querschnittes  unabhängig;  es 
wird  daher  die  (dem  Sinne  der  Bewegung  nach)  rückwärtige 
Basisfläche  in  der  Zeiteinheit  die  Energiemenge  ic^  aussenden 
und  die  Energiemenge  r^  zugeführt  erhalten.  Die  Differenz 
itj — TCg  muß  gleich  sein  der  in  der  Zeiteinheit  an  dieser  Fläche 
geleisteten  äußeren  Arbeit.  Die  hier  angreifende  Kraft  ist  der 
Druck/;;  die  Druckarbeit  in  der  Zeiteinheit  ist pq;  also 

pq  =  Äj— «2. 

Um  den  absoluten  Energiestrom,  also  den  Energiestrom 
durch  einen  ruhend  gedachten  Querschnitt  zu  berechnen,  haben 
wir  zum  relativen  Energiestrom  in  der  Richtung  der  Bewegung, 
also  zur  Größe  ic^ — -jtg  noch  das  Produkt  der  Energiedichte  mal 
der  Translationsgeschwindigkeit  hinzuzufügen.^  Bezeichnen 
wir  die  erstere  für  den  Augenblick  mit  w,  so  wird  der  absolute 
Energiestrom  durch  einen  Querschnitt  durch  die  Größe 

gegeben  sein.  Multiplizieren  wir  diese  Größe  mit  dem  Volumen 
und  dividieren  durch  c^,  so  wird 


1  Vergl.  etwa  M.  Abraham,  Theorie  der  ElektriEiUt,  II.,  p.  108. 


Thermod^'nAmik  bewegter  Systeme.  1401 


oder,  da  wir  uv  mit  U  bezeichnen : 


&=\(pv^U)q,^  (10) 


Es  kommt  also  gar  nicht  darauf  an,  welcher  Art  die  innere 
Energie  des  Körpers  ist,  wenn  sie  nur  elektromagnetischer 
Natur  ist  (wir  denken  uns  dieselbe  wohl  aus  strahlender 
Energie  und  der  Energie  irgendwie  bewegter  Elektronen  zu- 
sammengesetzt). Auf  die  Relativgeschwindigkeit  der  Energie- 
strömung kommt  es  hier  gleichfalls  nicht  an;  die  einzelnen 
Energiearten  können  natürlich  auch  mit  verschiedener  Ge- 
schwindigkeit strömen. 

Man  kommt  natürlich  zum  selben  Resultate,  wenn  man  die 
einzelnen  Energieströmungen  in  Rechnung  zieht.  Sei  etwa 
«(^)  sin  ^d^  die  Dichte  einer  bestimmten  Energieart,  welche 
sich  in  einer  relativen  Richtung  bewegt,  die  mit  der  Bewegimgs- 
richtung  zwischen  <[»  und  ^-^d^  einschließt.  Dann  ist  die 
gesamte  Energie  dieser  Art 


U=:2icv  ju 
Jq 


(^)  sin  ^d^. 


Die  Bewegungsgröße  erhalten  wir,  wenn  wir  die  absolute 
Strömung,  das  ist  also  u(ßf)  sin  ^d^f.f^A  (wo  o>^  die  absolute 
Strömungsgeschwindigkeit  ist)  mit  cos  cp  multiplizieren,  wenn  cp 
der  Winkel  zwischen  der  absoluten  Strömungsrichtung  und  der 
Bewegungsrichtung  ist.  Also : 

@  1=  I     w((ji).<ö^.cos  fp.sin  ^^4». 

Nun  ist  aber^ 

iüA  cos  ^  '=.  ^-hCöÄ  cos  ^, 


1  Die  hier  angegebene  Methode  basiert  auf  einer  Überlegung,  die  ich 
bereits  in  einer  früheren  Arbeit  (diese  Sitzungsber.,  CXIII.,  p.  1039,  1904)  ver- 
wendet habe.  Die  Gleichung  (10)  wurde  bereits  von  Herrn  Planck,  1.  c,  abge- 
leitet. Die  Methode  Planck*s  hat  aber  mit , der  hier  verwendeten  gar  nichts 
zu  tun. 

2  Vergl.  etwa  F.  Hasenöhrl,  Ann.  d.  Phys.,  15,  p.  347,  1904  (dort  ist 
allerdings  nur  strahlende  Energie  in  Betracht  gezogen.  Wir  haben  jetzt  die  dort 
mit  c  und  c'  bezeichnete  Größe  durch  u>^  und  iaj^  zu  ersetzen.  Da  die  Be- 
ziehungen rein  geometrisch  sind,  ist  diese  Vertauschung  ohne  weiters  gestattet). 


1402  F.  Hasciiöhrl, 

WO  (üR  die  Relativgeschwindigkeit  ist  (u)^*  und  «j^  sind  im  all- 
gemeinen Funktionen  von  <|)  oder  tp). 
Also  wird 

@  — q  l    u{^)  sin  ^d^  H /    u(^)  sin  ^  cos  ^häj^J^J». 

Der  erste  Summand  ist  gleich  — |-  ^J7;  der  zweite  gibt  den 

Cr 

Überschuß  der  von  der  Basisfläche  abgehenden  Energie  über 
die,  welche  ihr  zuströmt,  an,  hängt  daher  mit  der  Dnickarbeit 
pq  zusammen,  wodurch  wir  wieder  zur  Gleichung  (10)  ge- 
langen. 

6.  Die  Änderung  des  Volumens. 

Sei  ein  ruhendes  System  gegeben,  das  sich  im  mecha- 
nischen und  thermischen  Gleichgewichte  befindet,  in  dem 
also  alle  Körper  denselben  Druck  und  dieselbe  Temperatur 
haben.  Wird  dieses  System  adiabatisch  (jeder  Körper  für  sich 
adiabatisch)  in  Bewegung  gesetzt,  so  ändern  sich  Druck  und 
Temperatur  jedes  einzelnen  Körpers,  und  zwar,  wie  wir  von 
vornherein  annehmen  müssen,  bei  den  einzelnen  Körpern  in 
verschiedenem  Maße.  Es  wird  also  das  Gleichgewicht  gestört; 
stellt  es  sich  wieder  her,  so  werden  die  einzelnen  Körper  ihre 
Volumina  ändern  müssen.  Sind  diese  Volumsänderungen  für 
verschiedene  Körper  verschieden,  so  sind  sie  prinzipiell  beob- 
achtbar. Wenn  aber  das  mechanische  und  thermische  Gleich- 
gewicht dadurch  wieder  hergestellt  wird,  daß  die  Dimensionen 
aller  Körper  in  gleicher  Weise  geändert  werden,  ist  ein  Einfluß 
der  gemeinsamen  Translationsbewegung  nicht  merkbar. 

Dies  ist  in  der  Tat  der  Fall;  es  läßt  sich  erstens  zeigen, 

daß,  wenn  adiabatisch  ß  um  Jß  und  gleichzeitig  v  um  — t;-p-Ti 

geändert  wird,  der  Druck  eines  jeden  Körpers  unverändert 
bleibt.  Es  muß  also 


Thermodynamik  bewo^er  Systeme.  1403 


sein,  wenn 

i-ß 


dv  =  —v-f-^     und     dU^  =  —p^dv  (12) 


ist  (letztere  Beziehung  gilt  je  nach  (7)  allgemein  für  die  adia- 
batische Zustandsänderung). 

Wir  beachten,  daß  nach  (10)  und  (2) 

ist.  Setzen  wir  noch  für  U  seinen  Wert  aus  (5)  ein,  so  ergibt 
sich 

H=  (l_ß«)if_(l_ß8)ß-^_ß«pt; 

3ß 

oder 

öß 
Es  wird  dann: 

=  -  ß/'o  -^  iH+pv) + ß  -^  {H+pv)  = 

„/      m        ZH\      „   /       hp         ip\  .^ 


Setzen  wir  diesen  Wert  in  (11)  ein  und  berücksichtigen  (12), 
so  sehen  wir,  daß  in  der  Tat  dpzz.O  wird. 
Die  gleichzeitige  Änderung  von  T  ist: 

37         ar  ar 

8t;  3C7o       "^       aß 


ßjß  /ar         8r\     ar  ^^ 


1404  F.  Hasenöhrl, 


welche  Relation  bekanntlich  aus  der  Thermodynamik  ruhende: 
Körper  folgt,  so  wird: 

_  8     /       8Ä-\        8    /       8Ä-\  _        87        Sr 

Also  wird 

^  _  _      ß  ß         /     _8r_  _  ^ 

gp    -         i_ß8  •  1-ß«  *'l^«  8c;^       17 

und 

i-ß» 

Die  Änderung  der  Temperatur  ist  also  für  alle  Körper  die 
gleiche. 

Wir  können  diesen  Ausdruck  sowie  den  Ausdruck  für 
dv  (12)  sofort  integrieren.  Wir  erhalten  dann: 

T  =  Jj  s/l— ß*- 


87 

8ß 

una  zwar  isi 

^    8«^ 
•  8ß8C7o 

I 
1  — 

ß*  "'•  ^  8f7, 

(H+pv) 

1 
~          1— 

ß»            öf^o 

1 

_p.  !"''• 

8;, 

Nun  ist  aber 

T    ^P    - 
"  W,   - 

-  T  (  ^P" 

8i/ 
^Po- 

8^0 

8«/f 

8üo8i;/' 

Setzen  wir  hierin 

"  8C/,  - 

- ''  w. 

8^0 

8r 

1 

Thermodynamik  bewegter  Systeme.  1405 

Wir  gelangen  also  zu  dem  Resultate: 

Wenn  sich  das  Volumen  mit  der  Geschwindigkeit  nach 
obigem  Gesetze  verkleinert,  sich  also  etwa  die  Dimensionen 
der  Materie  in  der  Richtung  der  Bewegung  im  Verhältnisse 

verkürzen,  so  bleibt  bei  adiabatischer  Änderung  der  Geschwin- 
digkeit der  Druck  jedes  Körpers  unverändert,  während  die 
Temperatur  aller  Körper  in  gleichem  Maße  sinkt.  Es  ist 
dann  kein  Einfluß  einer  gemeinsamen  Translationsbewegung 
merkbar. 

Es  stimmt  dies  mit  der  Kontraktionshypothese  von 
H.  A.  Lorentz,  sowie  mit  den  Sätzen,  die  Herr  Planck  aus 
dem  sogenannten  Relativitätsprinzip  abgeleitet  hat,  überein. 

Während  Herr  Planck  die  Gültigkeit  des  Relativitäts- 
prinzips von  vornherein  annimmt,  sind  wir  gewissermaßen  zu 
einem  Beweise  der  Kontraktionshypothese  gelangt,  in  dem  wir 
den  Satz  postulierten,  daß  eine  gemeinsame  Translations- 
bewegung für  einen  mitbewegten  Beobachter  nicht  wahrnehm- 
bar ist;  oder  auch  in  dem  wir  gezeigt  haben,  daß  bei  konstantem 
Druck  eine  Volumänderung  in  der  oben  angegebenen  Weise 
eintreten  muß. 


1407 


Ober  das  Eintreffen  gleichartiger  Meteoriten 


von 


G.  Tschermak, 

w.  M.  k.  Akad. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  12.  Dezember  1907.) 

I.  Meteoriten  und  Sternschnuppen. 

Die  Zahl  der  Meteoritenfalle,  die  sich  auf  der  Erde  jährlich 
ereignen,  ist  sehr  groß.  Reichenbach  schätzte  dieselbe  auf 
beiläufig  4500.^  Dies  kann  wohl  nur  als  ein  Minimum  angesehen 
werden.  Andere  Schätzungen  gehen  weit  darüber  hinaus.  In 
einem  Jahrhunderte  würden  demnach  zum  mindesten  450.000 
Fälle  eintreten,  bei  denen  einzelne  Meteoriten  oder  Schwärme 
derselben  die  Atmosphäre  durchdringen  und  sich  mit  der  Erde 
vereinigen. 

Davon  kommt  nur  wenig  in  die  Sammlungen.  Die  meisten 
Meteoritenfälle  werden  nicht  wahrgenommen  und  die  Produkte 
der  beobachteten  werden  nicht  immer  gefunden. 

Ein  Teil  dieser  fremden  Gäste  wird  aufgelesen,  ohne  daß 
der  Falltag  bestimmt  ist,  ein  Teil  ist  bisher  nicht  genauer 
geprüft  und  klassifiziert.  Von  diesen  abgesehen,  beträgt  die 
Zahl  der  Meteoritenfälle  des  vorigen  Jahrhunderts  ungefähr  320, 
nämlich  solcher,  von  denen  Exemplare  aufbewahrt  werden, 
deren  Falltag  und  Beschaffenheit  bekannt  ist.^ 


1  Poggendorff's  Annalen,  Bd.  105,  p.  557  (1858). 

2  Nach  F.  B er werth's  Verzeichnis  der  Meteoriten  im  naturhistorischen 
Hofmuseum  Ende  Oktober  1902  (Annalen  des  naturhist.  Hofmus.,  Bd.  18),  dem 
auch  die  übrigen  zifTermäßigen  Daten  bezüglich  der  Meteoriten  entnommen  sind. 

Sitzb.  der  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  94 


1408  G.  Tschermak, 

Obgleich  dieser  Betrag  im  Verhältnisse  zu  der  vorher 
genannten  Zahl  ein  sehr  geringer  ist,  so  gilt  es  doch  als  wahr- 
scheinlich, daß  die  Summe  der  in  den  Sammlungen  vorhandenen 
Proben  die  durchschnittliche  Beschaffenheit  jener  kleinen 
Himmelskörper  verrät,  welche  als  Meteoriten  fortwährend  von 
der  Erde  aufgenommen  werden.  Es  ist  aber  wohl  möglich,  daß 
künftig  auch  einzelne  Meteoriten  gesammelt  werden,  die  eine 
neue  Zusammensetzung  darbieten. 

Die  Meteoriten  enthalten,  wie  bekannt,  nur  solche  Grund- 
stoffe, die  auch  in  der  Erdrinde  und  der  Atmosphäre  nach- 
gewiesen sind  und  ihre  Gemengteile  gleichen,  wenn  auch  nicht 
der  Art,  so  doch  der  Gattung  nach,  Mineralen.  Werden  sie  nach 
dem  spezifischen  Gewicht  angeordnet,  so  ergibt  sich  eine  Reihe, 
die  mit  den  kohligen  Meteoriten  von  der  Dichte  1*7  bis  2*9 
beginnt,  worauf  die  feldspatführenden,  deren  Dichte  3  bis  3' 4 
ist,  folgen.  Daran  schließen  sich  die  bronzit-  und  olivinhaltigen 
Steine,  die  gewöhnlich  kleine  Kügelchen  (Chondren)  enthalten, 
mit  der  Dichte  3  bis  3*8;  ferner  die  silikatführenden  Eisen. 
deren  Dichte  zu  4*3  bis  7  angenommen  werden  kann,  endlich 
die  Meteoreisen  von  der  Dichte  7*5  bis  7-8.  Unter  den  stein- 
artigen Meteoriten  bilden  jene  mit  Kügelchen,  welche  von 
G.  Rose  als  Chondrite  bezeichnet  werden,  die  Hauptmasi«e. 
Unter  den  aufgesammelten  320  Meteoriten  des  vorigen 
Jahrhunderts  haben  ungefähr  270  die  Beschaffenheit  der 
Chondrite. 

Die  Beobachtungen,  welche  beim  Eintritte  der  Meteoriten 
in  die  Atmosphäre  gemacht  werden,  sind  gewöhnlich  sehr  un- 
vollkommen, weil  die  Beobachter  meistens  nicht  geschult  und 
der  plötzlichen  Erscheinung  gegenüber  nicht  vorbereitet  sind. 
Wer  aus  den  Aussagen  der  Augen-  und  Ohrenzeugen  auf  die 
Bahn  der  Meteoriten  in  der  Atmosphäre  schließen  will,  ist  auf 
die  Kombination  verschiedenwertiger  Wahrnehmungen  und  auf 
Schätzungen  angewiesen.  Wenn  nicht  ein  einzelner  Meteorit, 
sondern  ein  ganzer  Schwärm  niederfallt,  gibt  die  Art  der  Ver- 
streuung  auf  der  Erdoberfläche  wenigstens  die  Projektion  der 
Richtung  beiläufig  an.  Über  die  Neigung  der  Bahn  und  über 
die  Geschwindigkeit  der  Meteoriten  ist  nur  selten  eine  sichere 
Angabe  zu  erhalten. 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1409 

Trotz  der  vielen  Schwierigkeiten  wurden  schon  früher  von 
Galle,  Heis,  Newton,  Petit  einzelne  Meteoritenbahnen 
berechnet.  In  der  letzten  Zeit  hat  G.  v.  Niessl  die  Erforschung 
des  Problems  der  Meteoriten  und  Feuerkugeln  zu  seiner  Auf- 
gabe gemacht  und  die  Bahnbestimmungen,  soweit  dies  möglich, 
mit  rühmenswertem  Eifer  und  großem  Erfolge  durchgeführt. 

Das  Ergebnis  lautet  im  allgemeinen  dahin,  daß  für  die 
Mehrzahl  der  Meteoritenfälle  eine  hyperbolische  Bahrt  anzu- 
nehmen ist,  weil  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  diese  Körper 
in  die  Atmosphäre  eintreten,  sowohl  jene  der  Planeten,  die  sich 
in  geschlossenen  Bahnen  bewegen,  als  jene  der  Kometen, 
welchen  parabelähnliche  Bahnen  zukommen,  um  ein  be- 
deutendes übertrifft.  Demnach  würden  die  Meteoriten,  aus  fernen 
Räumen  anlangend,  in  das  Sonnensystem  eintreten  und  würden 
alle  jene,  die  sich  hier  nicht  mit  den  Planeten  vereinigen,  diesen 
Raum  wiederum  und  für  immer  verlassen.  Da  jedoch  die 
Geschwindigkeit  nicht  immer  annähernd  bestimmt  werden  kann, 
so  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  es  auch  Meteoriten  gibt, 
die  sich  ähnlich  den  Planeten  in  elliptischen  Bahnen  bewegen 
und  in  regelmäßiger  Wiederkehr  das  Sonnensystem  besuchen. 

Den  gleichen  Charakter  bezüglich  der  Bahn  weisen  die 
detonierenden  Feuerkugeln  auf,  deren  Wesen  von  jenem  der 
Meteoriten  kaum  verschieden  sein  dürfte,  wenngleich  keine 
Residuen  derselben  gefunden  werden. 

Die  Erscheinung  der  Sternschnuppen  ist  eine  ähnliche.  Sie 
wird  ebenfalls  als  das  Erglühen  fester  Körper,  die  in  die  Atmo- 
sphäre eindringen,  aufgefaßt.  J.  V.  Schiaparelli,  der  vor 
Jahren  in  einem  grundlegenden  Werke  ^  den  Zusammenhang 
der  feurigen  Erscheinungen  in  der  Lufthülle  unseres  Planeten 
beleuchtete,  bezeichnet  den  astronomischen  Unterschied  damit, 
daß  den  Meteoriten  vorwiegend  eine  hyperbolische  Bahn,  den 
Sternschnuppen  hingegen  eine  solche  zugeschrieben  wird, 
welche  sich  der  parabolischen  nähert. 

Durch  diese  Auffassung  ist  hier  eine  numerische  Grenze 
gezogen,  deren  Bestehen  durch  den  Umstand  bekräftigt  wird, 


1  Entwurf  einer  astronomischen  Theorie  der  Sternschnuppen.  Deutsch  von 
Boguslawski,  Stettin  1871. 

94* 


1410  G.  Tschermak, 

daß  zur  Zeit  der  großen  Sternschnuppenschauer  keine  gröüere 
Häufigkeit  der  Meteoritenfälle  beobachtet  wird,  femer  dadurch, 
daß  bei  Durchsicht  der  Falltage  der  genauer  bekannten 
Meteoriten  die  größte  Dichtigkeit  auf  die  Monate  Mai  und  Juni 
fallt,  was  mit  der  Häufigkeit  der  Sternschnuppen  sich  nicht 
vereinigt.  Da  jedoch  die  Wahl  zwischen  den  beiden  Arten  der 
Bahn  bloß  durch  die  Geschwindigkeit  beim  Zusammentreffen 
mit  der  Erde  bestimmt  ist  und  diese  lediglich  auf  Schätzungen 
beruht,  so  ist  die  vorbezeichnete  Grenze  keine  scharfe.  Mit 
Recht  bemerkt  G.  v.  Niessl,  daß  nichts  hindert,  für  einen  Teil 
der  Sternschnuppen  hyperbolische  oder  auch  elliptische  Bahnen 
anzunehmen.^ 

Allgemein  gilt  als  sicher,  daß  der  Lichtstreif  in  der  Atmo- 
sphäre von  sehr  kleinen  Stücken  fester  Körper  veranlaßt  wird. 
Nach  dem  Auftreten  der  Erscheinung  zu  schließen,  sind  diese 
Körper  teils  unregelmäßig  im  Himmelsraume  verteilt,  zum  Teil 
jedoch  nach  ihrem  Eintritt  in  das  Sonnensystem  zu  lang- 
gezogenen Schwärmen  angeordnet. 

Was  die  Beschaffenheit  der  letzteren  betrififl,  ist  die  Gleich- 
artigkeit bemerkenswert,  welche  sich  bei  den  großen  Meteor- 
strömen herausstellt.  E.  Weiss,  einer  der  ersten  Kenner  des 
Phänomens  bemerkt,^  daß  die  einzelnen  Meteorströme  ganz 
verschiedenen  Charakter  nach  Farbe,  Lichtschweif,  scheinbarer 
Geschwindigkeit  besitzen,  daß  aber  die  Sternschnuppen  des- 
selben Stromes  der  Mehrzahl  nach  dieselbe  Leuchtkraft  be- 
sitzen, woraus  man  den  Schluß  ziehen  darf,  daß  hier  ungefähr 
die  gleiche  Größe  der  Partikel  und  die  gleiche  chemische  Be- 
schaffenheit vorherrscht. 

Eine  Bestätigung  dieser  Wahrnehmung  bieten  die  spektro- 
skopischen Beobachtungen,  da  Browning  in  dem  Schweif  der 
Augustmeteore  die  gelbe  Natriumlinie,  in  jenem  der  November- 
meteore ein  kontinuierliches  Spektrum  ohne  die  gelbe  Linie 
erblickte  und  Secchi  in  diesem  die  Magnesiumlinien  deutlich 
erkannte. 


1  über  die  Pcrihcldistanzen  und  Bahnelcmente. . .  von  Meteoriten.    Ver- 
handlungen des  naturforschenden  Vereines  in  Brunn,  Bd.  29  (1891). 

2  Diese  Sitzungsbcr.,  Bd.  57,  Abt.  II,  p.  281  (1868). 


Eintrefifen  gleichartiger  Meteorite.  141 1 

Alle  diese  Beobachtungen  liefern  eine  Stütze  für  die  An- 
sicht, daß  die  zahllosen,  im  Welträume  verteilten  kleinen  Körper 
so  angeordnet  sind,  daß  sie  zum  Teile  große  Ströme  von 
ungefähr  gleichartiger  Beschaffenheit  bilden  und 
daß  die  voneinander  verschiedenen  Ströme  auch 
verschiedene  Bahnen  verfolgen. 

Die  stoffliche  Beschaffenheit  dieser  Körper  läßt  sich  nicht 
bestimmen,  aber  vielleicht  erraten,  wenn  man  die  an  den 
Meteoriten  gemachten  Erfahrungen  zu  Hilfe  nimmt. 

Daubree  hat  auf  die  Analogie  der  petrographischen  Zu- 
sammensetzung hingewiesen,  welche  zwischen  den  Meteoriten 
und  jenen  Bestandteilen  der  Erde,  die  eine  Bildung  bei  hoher 
Temperatur  verraten,  besteht.  Das  Meteoreisen  und  die  mit 
Silikaten  gemischten  Eisen  entsprechen  der  vermutlichen 
Zusammensetzung  des  Erdinneren,  aus  dessen  Bereich  wohl 
niemals  etwas  an  die  Erdoberfläche  gelangt.^  Die  olivin-  und 
bronzithaltigen  Meteorsteine  sind  einigen  Felsarten  analog, 
die  an  der  Erdoberfläche  wenig  verbreitet  sind,  in  größerer 
Menge  aber  in  den  tiefen  Regionen  der  Erdrinde  vermutet 
werden.  Die  feldspatreichen  Meteoriten  sind  einzelnen  eruptiven 
Felsarten  sehr  ähnlich. 

Werden  die  seit  vielen  Jahrtausenden  herabgefallenen 
Meteoriten  zu  einer  Masse  vereinigt  gedacht,  in  der  die  spezi- 
fisch schweren  den  Kern  bilden,  die  übrigen  nach  Abnahme 
der  Dichte  aufeinander  folgen,  so  konstruiert  die  Phantasie  ein 
kugeliges  Gebilde,  das  der  Erde  analog  zusammengesetzt  ist, 
wenn  man  die  Atmosphäre,  das  Wasser  und  die  sedimentären 
Schichten  der  letzteren  wegdenkt.  Der  Unterschied  würde 
darin  bestehen,  daß  auf  der  Erde  noch  eine  äußere  Schichte 
jener  salzartigen  Verbindungen  existierte,  deren  Elemente  im 
Meerwasser  gelöst  enthalten  sind.  §olche  Verbindungen  sind 
in  einigen  kohligen  Meteoriten  bloß  in  geringer  Menge  nach- 
gewiesen worden.  Spezifisch  leichtere  Stoffe  scheinen  jedoch 
im  Sonnensystem  eine  größere  Rolle  zu  spielen. 

Während  der  Erde  eine  mittlere  Dichte  von  5 '6  zukommt, 
berechnet  sich  für  den  Mond  eine  solche  von  3 '4.  Wird  für 


1  Schwantke  A.,  Sitzungsberichte  der  Beriiner  Akademie,  1906,  p.  853. 


1412  G.  Tscherraak, 

diesen  ein  analoger  Bau  wie  für  die  Erde  angenommen,  wonach 
der  äußeren  Rinde  des  Mondes  die  Dichte  von  höchstens  2  zu- 
käme, so  wird  die  Vermutung  angeregt,  daß  die  Kruste  des 
Mondes  aus  leichterem  Material  bestehe,  ähnlich  den  vorher 
genannten  salzartigen  Verbindungen,  die  auf  dem  Monde  früher 
vorhanden  gewesenen  Wasser  absorbiert  haben.^ 

Geleitet  durch  die  Formen  der  Mondoberfläche,  die  eine 
ehemals  heftige  eruptive  Tätigkeit  verrät,  hat  man  wohl  ange- 
nommen, daß  die  Rinde  des  Mondes  aus  vulkanischem  Gestein, 
Laven  und  Aschen  von  derselben  Beschaffenheit  bestehe,  wie 
die  Produkte  der  irdischen  Vulkane,  aber  die  riesigen  Krater- 
formen auf  dem  Monde  sprechen  mehr  für  eine  explosive 
Tätigkeit,  die  ein  Emporschleudern  leichten,  pulverigen  Mate- 
rials bewirkte,  als  für  Ergüsse  von  Laven. 

Wenn  schon  auf  dem  Begleiter  der  Erde  Massen  von 
geringerer  Dichte  als  jener  der  Erdrinde  anzunehmen  sind,  so 
führen  die  Zahlen  für  die  Dichte  der  unteren  Planeten,  wie 
Jupiter,  dessen  mittlere  Dichte  1*4,  Neptun,  dessen  mittlere 
Dichte  1-1,  zu  der  Erkenntnis,  daß  in  den  äußeren  Regionen 
des  Sonnensystems  Stoffe  von  geringer  Dichte  verbreitet  sind 
und  daran  knüpft  sich  die  Vermutung,  daß  die  aus  fernen 
Himmelsräumen  zu  uns  gelangende  Spreu  zum  großen  Teil 
aus  solchen  Stoffen  bestehe. 

Zuerst  könnte  man  an  lockere,  staubförmige  Massen 
denken,  die  im  weiten  Räume  Wolken  bilden.  Solche  könnten 
wie  die  Meteoritenschwärme  in  die  Atmosphäre  treten  und  sich 
hier  zerteilen.  Dafür  würde  der  Fund  in  dem  bei  der  Chal- 
lenger-Expedition  emporgebrachten  Meeresschlamm  sprechen, 
worin  Renard  kleine  Kügelchen  beobachtete,  die  den  eisen- 
haltigen Chondren  vollkommen  gleichen. 

Ferner  möchte  man  in  den  fernen  Räumen  auch  Flocken 
jener  pulverigen,  salzartigen  Verbindungen  annehmen.  In  den 
kohligen  Meteoriten  sind  außer  dem  Steinstaub  auch  Kohle 
und  Kohlenwasserstoffe  zugegen.  Beim  Auflesen  der  Meteoriten 
von  Pultusk  wurden  als  Begleiter  derselben  auch  Flocken  von 


1  Siehe  meine  Abhandlung  über  den  Vulkanismus  als  kosmische  Ersehet- 
nung.  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  75,  Abt.  I,  p.  166  (1877). 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1413 

kohliger  Beschaffenheit  beobachtet.  Für  das  selbständige  Auf- 
treten von  kohligen  Flocken  unter  den  zur  Erde  gelangenden 
Gästen  spricht  auch  die  von  A.  E.  Nordenskiöld  erwähnte 
Auffindung  kohltgen  Staubes  auf  frischem  Eis  und  Schnee  in 
menschenleeren  Gegenden.^ 

Bei  der  niedrigen  Temperatur  des  Weltraumes,  die  nach 
Pouillet  ungefähr  —142"  beträgt,  könnten  daselbst  auch 
Stoffe,  die  an  der  Erdoberfläche  im  flüssigen  oder  dampf- 
förmigen Zustande  vorkommen,  in  fester  Form  bestehen  und 
könnten  auch  Flocken  solcher  Stoffe,  wie  Schnee,  Kohlen- 
dioxyd und  leichter  Kohlenwasserstoffe  in  großen  Schwärmen 
die  fernen  Regionen  durchziehen.  Diese  würden  sich  aber, 
wenn  sie  nicht  von  festen  Stoffen  adsorbiert  sind,  kaum  längere 
Zeit  in  dieser  Form  erhalten  und  würden  allmählich  in  die 
Gasform  übergehen. 

Dem  Gesagten  entsprechend,  gewinnt  die  Vermutung 
Raum,  daß  Partikel-  und  Flocken  von  lockerer  Beschaffenheit 
und  scheinbar  geringer  Dichte,  die  aus  verschiedenen  Stoffen, 
wie  Steinpulver,  salzartigen  Verbindungen,  aus  Kohle  und 
Kohlenwasserstoffen  bestehen,  im  Welträume  verbreitet  sind 
und  zum  Teil  stromweise  in  das  Sonnensystem  eintreten.  Ein 
kleiner  Teil  derselben  begegnet  der  Erde  und  tritt  mit  einer 
enormen  Geschwindigkeit  in  die  Atmosphäre.  Die  Partikel 
werden  glühend,  leuchtend  und  geben  die  Erscheinung  der 
Sternschnuppen.  Der  genannten  Zusammensetzung  und  lockeren 
Beschaffenheit  zufolge  werden  dieselben  schon  bevor  sie  der 
Erde  nahe  kommen,  verbrannt,  fein  verteilt,  wie  man  zu  sagen 
pflegt,  aufgezehrt,  indem  sie  Kohlensäure,  Wasserdampf  und 
einen  feinen  Staub  zurücklassen.  Demnach  wäre  das  Material 
der  Sternschnuppen  bezüglich  der  Aggregation  und  zum  Teil 
auch  in  chemischer  Beziehung  von  jenem  der  Meteoriten  ver- 
schieden. 

II.  Die  vulkanische  Theorie  der  Meteoritenbildung. 

Die  Meteoriten  gelangen  in  der  Form  von  Bruchstücken 
und  Splittern  in  die  Atmosphäre,  woraus  geschlossen  wird,  daß 


1  Zeitschrift  der  deutschen  geol.  Ges.,  Bd.  ad,  p.  27  (1881). 


1414  G.  Tschermak, 

dieselben  durch  Zertrümmerung  von  größeren  Massen  ent- 
standen sind.  Sie  zeigen  in  ihrer  Struktur  Ähnlichkeit  mit 
vulkanischen  Felsarten,  mit  deren  Breccien,  Tuffen  und  es  weist 
ihr  Gefüge  an  vielen  Stücken  auf  sehr  intensive  Vorgänge  der 
Verschiebung,  Zerstäubung  und  Wiedervereinigung  durch 
Schmelzung  und  Frittung  hin.  Demnach  ist  es  wahrscheinlich, 
daß  jene  Zertrümmerung  durch  einen  Vorgang  ähnlich  den 
vulkanischen  Explosionen  erfolgte. 

Von  der  Ansicht  ausgehend,  daß  die  vulkanischen  Er- 
scheinungen der  Erde  durch  die  Entwicklung  der  in  dem 
metallischen  Erdkern  absorbierten  Gase  und  Dämpfe,  die  bei 
der  allmählichen  Erstarrung  des  glutflüssigen  Inneren  sich  ent- 
binden, hervorgebracht  werden  und  daß  dem  analog  an  kleinen 
kosmischen  Körpern  bei  deren  Abkühlung  Eruptionserschei- 
nungen  von  großer  Heftigkeit  eintreten  würden,  habe  ich  vor 
mehreren  Jahren  die  Hypothese  der  vulkanischen  Entstehung 
der  Meteoriten  entwickelt*  und  bin  zu  dem  Schlüsse  gelangt, 
daß  die  Erwägung  aller  Umstände  dazu  führt,  eine  Anzahl 
kleiner  Himmelskörper,  die  zwar  einen  erheblichen  Umfang 
hatten,  aber  doch  so  klein  waren,  daß  sie  Trümmer,  welche 
durch  Explosionen  emporgeschleudert  wurden,  nicht  mehr 
zurückzuführen  vermochten,  als  die  Werkstätten  der  Meteoriten 
anzusehen.  Jene  kleinen  Sterne  verloren  aber  durch  das  wieder- 
holte Abschleudern  der  Bruchstücke  fortwährend  an  Masse,  bis 
sie  endlich  ganz  oder  zum  großen  Teil  in  kleine  Stücke  auf- 
gelöst wurden,  die  nun  in  verschiedenen  Bahnen  den  Welt- 
raum durchziehen. 

Diese  Annahme  unterscheidet  sich  erheblich  von 
der  älteren  Explosionshypothese,  nach  welcher  jene 
kleinen  Himmelskörper  durch  eine  heftige  Explosion  zer- 
platzten und  mit  einem  Male  zertrümmert  wurden.  In  diesem 
Falle  müßten,  wie  Schiaparelli  richtig  bemerkte,  außer 
kleinen  Stücken  auch  sehr  große  Blöcke  nach  allen  Richtungen 
verstreut  werden,  so  daß  keine  Schwärme  von  kleinen  Stücken 
gebildet  würden. 


1  Die  Bildung  der  Meteoriten  und  der  Vulkanismus.   Diese  Sitzungsber., 
Bd.  71,  Abt.  IIa,  p.  661  (1875). 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1415 

Die  Meteoriten  sind  immer  relativ  kleine  Massen  und  ihr 
Gefüge  weist  auf  einen  Vorgang  der  Zerteilung  hin,  der  mit 
dem  auf  der  Erde  beobachteten  vulkanischen  Prozeß  bloß 
durch  das  Emporschleudern  fester  Stücke  eine  Ähnlichkeit  hat, 
während  alles  fehlt,  was  an  die  Bildung  von  Laven  erinnert. 

Das  Material  der  Meteoriten  ist  nur  in  der  Minderzahl  der 
Fälle  gleichförmig  kristallinisch,  was  auf  die  ruhige  Bildung 
einer  Erstarrungskruste  hinweist.  Viele  Meteoriten  zeigen  eine 
Zusammenfügung  von  Splittern,  ein  tuffartiges  Gefüge,  was 
einer  Zermalmung  des  früheren  kristallinischen  Gesteins  ent- 
spricht. Die  meisten  sind  Chondrite  und  bestehen  aus  ganzen 
oder  zerbrochenen  Kügelchen  und  aus  kristallinischer  oder 
tuffartiger  Grundmasse.  Dies  spricht  wiederum  für  eine  gestörte 
Bildung  unter  häufiger  Bewegung  der  ganzen  Masse. 

Der  Auflösungs-  und  Zerteilungsprozeß  der  gedachten 
kleinen  Himmelskörper  vollzieht  sich  gemäß  der  vulkanischen 
Hypothese  derart,  daß  immer,  sobald  sich  eine  Erstarrungs- 
kruste gebildet  hatte,  diese  durch  die  empordringenden  heißen 
Gase  zerkleinert,  durch  Stöße  zerrieben,  in  Staub  und  kleine 
Stücke  umgeformt  und  wieder  zusammengefrittet,  endlich 
durch  stärkere  Explosionen  abgesprengt  wird  und  dieser  Vor- 
gang sich  beständig  wiederholt.  Die  erste  Kruste  besteht 
aus  spezifisch  leichteren  Massen,  die  folgenden  sind  ein 
schweres  Material,  bis  endlich  auch  Krusten  von  Eisen  gebildet, 
zersprengt,  abgeschleudert  und  zerstreut  werden.  Die  gleich- 
zeitig abgesprengten  Stücke  würden  besonders  im  Anfange 
dieser  Zertrümmerung  von  gleichartiger  Beschaffenheit  sein. 
G.  V.  Niessl  hat  die  vulkanische  Hypothese  einer  allgemeinen 
Diskussion  unterzogen  und  ist  zu  dem  Ergebnisse  gelangt,  daß 
die  Auflösung  solcher  explodierender  Massen  in  Gegenden 
außerhalb  des  Sonnensystems  zu  verlegen  seien.^ 

Wird  der  angenommene  Vorgang  weiter  verfolgt,  so  ergibt 
sich,  daß  die  abgesprengten  Stücke  verschiedene  Bahnen, 
darunter  auch  geschlossene,  antreten,  also  rekurrente,  regel- 
mäßig wiederkehrende  Schwärme  gebildet  werden  können. 
Alle  so  entstehenden,  gleichzeitig  gebildeten  Meteoriten  haben 


1  Diese  Sitzungsberichte,  Bd.  113,  Abt.  IIa,  p.  1361  (1904). 


1416  G.  Tscherraak, 

in  ihrem  Laufe  den  Explosionspunkt  gemein.  Werden  ihre 
Bahnen  zurückverfolgt,  so  kreuzen  sich  dieselben  in  jenem 
Punkte.  Bei  wiederholten  Explosionen  reihen  sich  viele  solche 
Kreuzungspunkte  aneinander.  Aus  dem  Gesagten  folgt,  daß 
gleichartige  Meteoriten  verschiedene  Bahnen  antreten  können, 
deren  ursprünglicher  Kreuzungspunkt  nicht  leicht  erkennbar 
wäre. 

Ist  die  Explosionsstelle  weit  von  dem  Zentralkörper  ent* 
fernt,  wo  die  Geschwindigkeit  des  die  Meteoriten  erzeugenden 
Körpers  eine  geringe  ist,  so  hat  die  Explosionsgeschwindigkeit 
einen  erheblichen  Einfluß  auf  die  Gestaltung  der  Meteoriten- 
bahnen. Viele  der  Trümmer  werden  in  Richtungen  geraten,  die 
von  jener  des  erzeugenden  Körpers  stark  abweichen.  Ein  Teil 
behält  anfangs  die  Richtung  des  letzteren  und  bewegt  sich  mit 
vermehrter  Geschwindigkeit  weiter.  Es  sind  jene,  bei  denen 
die  Stoßrichtung  mit  der  Bahnrichtung  nahe  übereinstimmt. 
Jene,  deren  Explosionsrichtung  der  Bahnrichtung  des  erzeugen- 
den Körpers  entgegengesetzt  ist,  werden  mit  verminderter 
Geschwindigkeit  ihren  Lauf  antreten  oder  sogar  eine  rück- 
läufige Bewegung  annehmen. 

Diesen  Bemerkungen,  welche  sich  NiessTs  Ausführungen 
anschließen,  möchte  ich  noch  zufügen,  daß  nach  der  vulkani- 
schen Hypothese  die  Explosionen  fortdauern,  während  sich 
der  erzeugende  Körper  dem  Sonnensystem  nähert.  Jetzt  wird 
die  Explosionsgeschwindigkeit  immer  weniger  Einfluß  auf  die 
Veränderung  der  ursprünglichen  Bahn  ausüben  und  werden 
die  entstehenden  Meteoritenschwärme  immer  mehr  der  ur- 
sprünglichen Bewegungsrichtung  treu  bleiben.  Gleichartige 
Stücke  werden  benachbarte  Bahnen  einschlagen,  so  daß  der 
Auflösungsprozeß  Schwärme  liefert,  welche  eine  Anordnung 
entsprechend  der  Zeitfolge  ihrer  Entstehung  darbieten.  Trifft 
nun  ein  Teil  dieser  Schwärme  mit  der  Erdbahn  zusammen,  so 
kann  die  Erscheinung  eintreten,  daß  mit  der  Zeit  eine  regel- 
mäßige Verschiebung  jenes  Punktes  eintritt,  in  welchem  die 
Erdbahn  von  einem  solchen  Schwärme  durchschritten  wird. 

Es  kann  nicht  meine  Aufgabe  sein,  den  astronomischen 
Teil  der  hier  berührten  Meteoritentheorie  weiter  auszuführen, 
was  den  Forschern  vorbehalten  bleibt,  welche  dieses  Gebiet 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1417 

beherrschen.  Die  vorstehende  Betrachtung  dürfte  aber  aus- 
reichen, um  anzudeuten,  daß  infolge  der  hier  angenommenen 
Bildungsweise  der  Meteoriten  die  Ausstreuung  derselben  im 
Welträume  so  stattgefunden  hätte,  daß  dieselben  zum  Teil  in 
Schwärmen  von  gleichartiger  Beschaffenheit  ange- 
ordnet wurden  und  daß  demgemäß  Schwärme  von  ver- 
schiedener Beschaffenheit  auch  verschiedene  Bahnen  verfolgen. 
Damit  ist  einerseits  der  weiter  zu  besprechende  Versuch  ge- 
rechtfertigt, einer  Gesetzmäßigkeit  des  Erscheinens  gleichartiger 
Meteoriten  nachzuforschen,  andrerseits  die  Analogie  zwischen 
Meteoriten  und  Sternschnuppen  zu  beleuchten.  Für  letztere 
wären  als  erzeugende  Körper  keine  kompakten  Massen,  viel- 
mehr lockere  Anhäufungen  von  festen  und  flüchtigen  Stoffen 
anzunehmen,  die  beim  Eintritt  in  das  Sonnensystem  in  Flocken 
aufgelöst  und  oft  stromweise  angeordnet  würden. 

Die  kosmischen  Staubmassen,  durch  deren  Zusammen- 
schließung die  Meteoriten,  Sternschnuppen  und  Kometen  ent- 
stehen, leitet  S.  Arrhenius  von  den  unmeßbar  kleinen  Par- 
tikelchen ab,  die  von  der  Sonne  und  den  vielen  anderen 
glühenden  Zentralkörpern  aus  vom  Strahlungsdruck  in  den 
Sternenraum  geführt  werden  und  sich  stellenweise  zu  größeren 
oder  kleineren  Aggregaten  ansammeln.^ 

Arrhenius  verlegt  die  Bildung  der  Meteoriten  in  die 
Region  der  Nebelflecke,  weit  außerhalb  des  Sonnensystems. 

III.  Falltage  der  gleichartigen  Meteoriten. 

Bei  der  Betrachtung  der  Fallzeiten  ergibt  sich  eine  un- 
gleiche Verteilung  auf  die  einzelnen  Tage  des  Jahres.  Einer 
gleichförmigen  Verbreitung  der  Meteoriten  Im  Räume  würde 
auch  eine  derartige  Verteilung  der  Fallzeiten  entsprechen, 
zumal  die  .Zahl  der  sämtlichen  bisher  bekannten  Fallzeiten  der 
Zahl  365  nahekommt.  Dem  entgegen  zeigen  sich  einerseits 
Lücken,  andrerseits  für  manche  Tage  Anhäufungen  von 
Meteoritenfällen,  woraus  man  schließen  könnte,  daß  die 
Meteoriten  in  Strömen  angeordnet  sind,  welche  zur  selben  Zeit 


1  Das  Werden  der  Welten.  Übersetzt  von  L.  Bamberg  er.  Leipzig  1907. 


1418  G.  Tschermak, 

des  Jahres  wiederkehren.  Wenn  man  sich  aber  gegenwärtig 
hält,  daß  die  Zahl  der  beobachteten  Meteoritenfälle  nur  einen 
verschwindend  kleinen  Teil  der  tatsächlich  eingetretenen  aus- 
macht, so  wird  man  jenen  Anhäufungen  keine  so  weittragende 
Bedeutung  beimessen. 

Wären  die  Meteoriten  von  gleicher  Fallzeit  in  chemischer 
und  petrographischer  Beziehung  als  gleichartig  zu  betrachten, 
so  hätte  die  Vorstellung  von  einer  homogenen  BeschafTenheit 
der  einzelnen  Meteorströme  einige  Berechtigung  und  die  Er- 
forschung der  Bahnen,  welche  diese  Körper  vor  ihrem  Eintritt 
in  die  Atmosphäre  beschreiben,  könnte  dafür  den  Beweis 
erbringen.  Die  an  gleichen  oder  benachbarten  Tagen  gefallenen 
Meteoriten  zeigen  aber  gewöhnlich  eine  verschiedene  Zu- 
sammensetzung oder  wenigstens  verschiedene  Struktur,  daher 
es  bei  der  ersten  Durchsicht  der  Angaben  scheint,  als  ob  kein 
Zusammenhang  zwischen  dem  Orte  des  Zusammentreffens  mit 
der  Erde  und  der  Art  der  Meteoriten  bestünde. 

Bei  genauer  Durchmusterung  ergeben  sich  jedoch  nicht 
wenige  Beispiele  dafür,  daß  gleicher  Fallzeit  auch  eine  gleiche 
oder  ähnliche  Beschaffenheit  entspricht.  Dadurch  veranlaßt, 
unternahm  es  A.  G.  Högbom^  auf  Grund  der  von  E.  A.  Wül- 
fing  veröffentlichten  Zusammenstellung*  eine  Statistik  der  bis 
zum  Jahre  1896  bekannten  und  durch  Proben  belegten 
Meteoritenfälle  unter  Angabe  der  beiläufigen  Stellung  im  petro- 
graphischen  Systeme  zu  verfassen,  die  eine  gute  Übersicht 
gewährt. 

Von  den  dort  verzeichneten  Beispielen  mögen  vorläufig 
nur  zwei  hervorgehoben  werden: 

1803  am  13.  Dezember     Massing, 
181 5  am  13.  Dezember    Luotolaks. 

Die  beiden  Meteoriten  sind  petnographisch  sehr  ähnlich, 
doch  wären  dieselben  in  chemischer  Beziehung  noch  vollstän- 
diger als  bisher  zu  untersuchen. 


1  Eine  meteorstatislische  Studie.  Bull,  of  the  Geol.  Instit.  of  Upsala,  Nr.  9. 
Vol.  V,  Part  I  (1900).  Eine  Zusammenstellung  der  Falltage  ohne  Angabe  der 
petrographischen  Beschaffenheit  hat  auch  Reusch  im  Jahrb.  für  Mineralogie. 
4.  Beilageband,  p.  513  (1886)  gegeben. 

i  Die  Meteoriten  in  Sammlungen  und  ihre  Literatur.  Tübingen  1897. 


Eintreffen  gieichortiger  Meteorite.  1419 

1827,  am  9.  Mai  Drake  Creek, 

1829,    »    8.    »  Forsyth, 

1840,    »    9.    »  Karakol, 

1846,    »    8.    »  Monte  Milone. 

Alle  vier  sind  einander  sehr  ähnlich.  Sie  gehören  zu  den 
weißen  Chondriten.  Die  zwei  ersten  sind  sehr  unvollkommen, 
die  beiden  anderen  gar  nicht  analysiert.  Somit  fehlt  der  genauere 
Nachweis  ihrer  Gleichartigkeit.  Die  Nachrichten  über  die  Fall- 
erscheinungen gestatten  für  keinen  der  genannten  Meteoriten 
eine  Berechnung  der  Bahn.  Aus  diesen  Gründen  lassen  sich 
diese  Fälle  nicht  verwenden,  um  der  Frage  bezüglich  der  Her- 
kunft gleichartiger  Meteoriten  näherzutreten. 

Diese  wenigen  Andeutungen  geben  schon  zu  erkennen, 
welche  Hindernisse  gegenwärtig  einer  gründlichen  Erforschung 
des  Meteoritenphänomens  entgegenstehen.  Bald  fehlt  es  an  der 
petrographisch-chemischen,  bald  an  der  astronomischen  Be- 
stimmung, meist  an  beiden.  Die  Angabe  der  Fallzeit  allein  ist 
nicht  genügend. 

Was  die  Bahnbestimmung,  d.  i.  die  Berechnung  der  Bahn- 
tangente und  Geschwindigkeit  betrifft,  so  läßt  sich  für  die 
Zukunft  nichts  weiter  tun,  als  immer  wieder  betonen,  daß  die 
Meteoritenforschung  nicht  nur  ein  petrographisches, 
sondern  zugleich  ein  astronomisches  Problem  ver- 
folgt und  daß  die  Aufsammlung  aller  Falldaten  ebenso  wichtig 
ist  als  die  Aufsammlung  der  gefallenen  Exemplare.  Obwohl  die 
Erscheinung  eine  sehr  seltene  ist,  wäre  es  doch  zweckmäßig, 
eine  einfache  Belehrung  über  die  bei  Meteoritenfällen  zu  beob- 
achtenden Erscheinungen  und  erforderlichen  Zeitmessungen 
zu  verfassen  und  diese  in  geeigneter  Weise  zur  Kenntnis  der 
Naturfreunde  aller  Länder  zu  bringen. 

Die  Erforschung  der  petrographisch  -  chemischen  Be- 
schaffenheit hingegen  liegt  in  der  Hand  jener,  die  im  Besitze 
größerer  Quantitäten  einzelner  Meteoriten  sind.  Das  Auf- 
bewahren solcher  liegt  allerdings  im  Interesse  der  Erforschung 
durch  künftige  Generationen,  aber  bei  dem  gegenwärtig  schon 
hochentwickelten  Zustande  der  petrographischen  und  chemi- 
schen Analyse  wäre  es  schon  an  der  Zeit,  eine  systematische 


1420  G.  Tschermak, 

Untersuchung  der  Meteoriten  in  beiden  Richtungen  durch- 
zuführen. In  jeder  größeren  Sammlung  lagern  von  mehreren 
Meteoritenfällen  größere  Mengen,  daher  ohne  Gefahr  für  die 
künftige  Forschung  so  viel  geopfert  werden  kann,  daß  eine 
petrographische  Prüfung  und  eine  chemische  Analyse  durch- 
führbar ist.  Von  einzelnen  Meteoritenfallen  liegt  das  Hauptstück 
in  einer  kleineren  Sammlung  und  die  großen  Museen  besitzen 
bloß  Splitter  davon,  die  höchstens  eine  beiläufige  Klassifikation 
ermöglichen.  Es  wäre  demnach  ein  Zusammenwirken  aller 
Besitzer  von  Meteoriten  erwünscht.  Die  Bearbeitung 
sollte  so  durchgeführt  werden,  daß  nur  bewährte  Fachmänner 
mit  denselben  betraut  werden  und  nicht  Anfanger,  die  zum 
ersten  Mal  einen  Meteoriten  in  die  Hand  bekommen. 

IV.  Fallzeiten  der  Eukrlte. 

Wenn  am  gleichen  Tage  verschiedener  Jahre  zwei 
Meteoritenfalle  beobachtet  werden,  die  gleichartige  Meteoriten 
lieferten,  so  kann  diese  Wiederholung  einem  Zufalle  zuge- 
schrieben werden.  Die  Bahn  des  einen  und  des  anderen  kann 
eine  sehr  verschiedene  gewesen  sein  und  es  ist  bloß  der 
Durchschnittspunkt  an  der  Erdbahn,  die  Knotenlänge  an- 
nähernd die  gleiche.  Würde  sich  aber  herausstellen,  daß  für 
beide  Fälle  die  Bahn  im  Sonnensystem  ungefähr  die  gleiche 
war,  so  erhält  damit  die  Existenz  eines  Meteorstromes  von 
homogener  Beschaffenheit  einige  Wahrscheinlichkeit.  Letztere 
würde  noch  vergrößert,  wenn  diese  zwei  Meteoriten  von  den 
übrigen  erheblich  verschieden  wären,  weil  der  supponierte 
Strom  sich  von  anderen  Strömen  und  von  den  regellos  verteilten 
Meteoriten  deutlich  abheben  würde.  Die  bezeichnete  Wah«* 
scheinlichkeit  würde  sich  endlich  sehr  der  Gewißheit  nähern, 
wenn  unter  gleichen  Umständen  die  Erscheinung  auch  ein 
drittes  Mal  einträte,  wenn  also  drei  gleichartige  Meteoriten  das 
gleiche  Zusammentreffen  mit  der  Erdbahn  und  ungefähr  gleiche 
Bahnen  im  Sonnensystem  aufwiesen.  Eine  solche  Wieder- 
holung ist  jedoch  bisher  noch  nicht  konstatiert. 

Wenn  bemerkt  wird,  daß  am  selben  oder  an  benachbarten 
Tagen  verschiedener  Jahre  drei  Fälle  gleichartiger  Meteoriten 
sich  ereignet  haben,  ohne  daß  Beobachtungen  gemacht  wurden. 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1421 

die  eine  Bahnbestimmung  ermöglichen,  so  wird  diese  Wieder- 
holung schon  eine,  wenn  auch  geringe  Wahrscheinlichkeit  des 
Zusammenhanges  der  Erscheinungen  ergeben.  Diese  wird  aber 
vergrößert,  wenn  diese  drei  gleichartigen  Meteoriten  zugleich 
von  den  übrigen  verschieden  wären.  Wenn  dieselbe  Knoten- 
länge gleichartiger  Meteoriten  mehr  als  dreimal  vorkommt,  so 
wird  ein  Zusammenhang  dieser  Beobachtungsergebnisse  nicht 
mehr  zweifelhaft  sein,  wenngleich  keine  Bahnbestimmungen 
vorliegen,  also  eine  Erklärung  im  vorgedachten  Sinne  noch 
aussteht.  Bei  jeder  ferneren  Wiederholung  wird  aber  ein  solcher 
Zusammenhang  immer  sicherer  begründet  sein. 

Von  diesen  Erwägungen  ausgehend,  habe  ich  die  Fall- 
daten aller  jener  Meteoriten,  die  sich  von  der  Hauptmasse  der- 
selben, also  von  den  Chondriten,  merklich  unterscheiden, 
genauer  verglichen  (siehe  Anmerkung  1). 

Vor  allem  erschienen  mir  die  Daten  bezüglich  der  Eukrite 
bemerkenswert.  Stellt  man  deren  Fallzeiten  zusammen,  so 
ergibt  sich  eine  merkwürdige  Regelmäßigkeit,  aber  nicht  von 
der  Art,  daß  das  Eintreffen  immer  am  gleichen  Knotenpunkte 
stattfindet,  vielmehr  in  einer  solchen  Aufeinanderfolge,  daß  ein 
ungefähr  gleichförmiges  und  beständiges  Vorrücken 
der  Knotenpunkte  wahrzunehmen  ist.  Dies  zeigt  schon  die 
Übersicht  der  Falltage: 

1808,  Mai  22 Stannern, 

1819,  Juni  13 Jonzac, 

1821,  Juni   15 Juvinas, 

1855,  August    5  . . . .  Petersburg, 

1865,  August  25  ... .  Shergotty, 

1899,  Oktober  24  . . .  Peramiho. 

Diese  Reihe  umfaßt  alle  Meteoriten  von  bekannter  Fall- 
zeit, die  auf  Grund  petrographischer  und  chemischer  Gleich- 
artigkeit zu  den  Eukriten  gerechnet  werden  können.  Vier 
davon,  jene  von  Stannern,  Jonzac,  Juvinas  und  Peramiho,  sind 
einander  außerordentlich  ähnlich  und  besitzen  ganz  gleiche 
chemische  Zusammensetzung.  Die  übrigen  zwei,  jene  von 
Petersburg  und  Shergotty,  werden  nicht  allgemein  als  Eukrite 
betrachtet,  obwohl  dieselben  zufolge  ihrer  Zusammensetzung 


1422  G.  Tschcrmak, 

hier  und  nicht  in  die  nächste  Gruppe  einzureihen  sind  (siehe 
Anmerkung  2).  Auch  wenn  hervorgehoben  wird,  daß  diese 
beiden  Meteoriten  nicht  genau  den  übrigen  Eukriten  gleichen, 
so  ist  doch  zu  berücksichtigen,  daß  dieselben  als  lokale  Aus- 
bildungsarten des  gleichen  Gemenges  angesehen  werden 
können. 

Jedenfalls  sind  die  zuvor  aufgezählten  Meteoriten  von 
allen  übrigen  merklich  verschieden,  wodurch  die  Wahrschein- 
lichkeit, daß  der  Reihenfolge  ihrer  Fallzeiten  eine  Gesetzmäßig- 
keit entspricht,  vergrößert  wird.  Freilich  muß  dabei  ange- 
nommen werden,  daß  jene  Eukrite,  deren  Fall  nicht  beobachtet 
wurde,  auch  dieser  Reihenfolge  der  Fallzeiten  sich  einordnen. 

Um  genauer  vergleichbare  Zahlen  zu  erhalten,  richtete  ich 
an  Herrn  Hofrat  E.  Weiss  das  Ersuchen  um  die  Bestimmung 
der  Knotenlängen  sowohl  der  Eukrite  als  der  noch  weiter  zu 
besprechenden  Meteoritenfälle.  Ich  verdanke  seiner  gütigen 
Bereitwilligkeit  die  weiterhin  angegebenen  Zahlen,  die  von 
Herrn  Dr.  A.  Prey  ermittelt  wurden. 

Die  geographischen  Längen  beziehen  sich  auf  den  Meridian 
von  Greenwich,  die  Erdlängen  oder  Knotenlängen  auf  das 
mittlere  Äquinoctium  von  1900.  Diese  sind  in  ganzen  Graden 
und  Dezimalteilen  angegeben. 

Geogr.  L.         Knotenlän^:;! 

Stannern,     1808,  Mai  22,  um  6*^  a 12*^  36'  O  242-13' 

Jonzac,         1819,  Juni  13,    »    6*^  a 0    27  W  262-45 

Juvinas,        1821,  Juni  15,    »    3**30"p...  4    21  O  265-20 

Petersburg,  1855,  Aug.   5,    *    3**30°»p...  86    50  W  313-45 

Shergotty,   1865,  Aug.  25,    »    9*^  a 85    33  O  332-38 

Peramiho,    1899,  Okt.  24,    »    7*»  a 35    32  0  390-50 

Um  keinen  Widerspruch  aufkommen  zu  lassen,  sollen 
zuerst  bloß  jene  vier  Fälle,  deren  Meteoriten  ganz  unzweifel- 
haft gleichartig  sind,  einer  Berechnung  unterzogen  werden. 
Wird  hier  angenommen,  daß  die  Verschiebung  des  Knotens  der 
Zeit  proportional  erfolgt,  so  erhält  man  nach  Ermittelung  der 
Konstanten  durch  Anwendung  der  Methode  der  kleinsten 
Quadrate  für  die  Knotenlängen  E  die  Formel 

£=230-64+ 1-6175/, 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1423 

in  welcher  t  die  Jahreszahl  minus  1800  bedeutet.  Dieser  ent- 
sprechend ergeben  sich  im  Vergleiche  zu  den  Beobachtungen 
die  Zahlen: 

Beob.  Rechnung  B. — R. 

1808,  Stannern 242-13  243-58  —1-45 

1819,  Jonzac 262-45  261-37  +1-08 

1821,  Juvinas 265-20  26461  +0-59 

1899,  Peramiho 390-56  390-78  -0-22 

Die  berechneten  Werte  stimmen  mit  den  Beobachtungen 
so  gut  überein,  als  es  nach  der  Analogie  mit  den  wieder- 
kehrenden Sternschnuppenschauern  zu  erwarten  war,  denn  die 
größte  Differenz  übersteigt  nicht  IVg  Tage.  Somit  ist  hier 
ein  regelmäßiges  Vorschreiten  des  Knotens  kon- 
statiert. 

Die  obige  Zusammenstellung  regt  nunmehr  zwei  Fragen 
an.  Die  eine  bezieht  sich  auf  die  Möglichkeit  einer  gemeinsamen 
Herkunft  dieser  Meteoriten,  die  zweite  auf  die  regelmäßige 
Verschiebung  der  Knoten. 

Da  die  vier  Eukrite  einander  ungemein  ähnlich  sind,  so  ist 
nach  den  früheren  Erörterungen  eine  Übereinstimmung  ihrer 
Bahnen  zu  erwarten  und  die  der  Zeit  proportionale  Zunahme 
der  Knotenlängen  würde  voraussichtlich  durch  die  sukzessive 
Bildung  zu  erklären  sein.  Die  Frage,  ob  jene  Obereinstimmung 
sich  bestätigt,  erschien  im  vorliegenden  Falle  wenigstens  zum 
Teile  beantwortet  werden  zu  können,  da  für  drei  dieser 
Meteoritenfälle  Angaben  vorhanden  sind,  welche  eine  beiläufige 
Bestimmung  der  Bahnelemente  gestatten.  Ich  wandte  mich 
daher  an  den  Herrn  Hofrat  G.  v.  Niessl,  der  schon  früher  eine 
Untersuchung  über  den  Meteoritenfall  von  Stannern  veröffent- 
licht hatte,  mit  der  Bitte,  auch  die  beiden  anderen  Fälle,  jene 
von  Jonzac  und  von  Juvinas,  einer  Berechnung  unterziehen  zu 
wollen.  Mit  großer  Bereitwilligkeit  ging  dieser  auf  meine  An- 
regung ein  und  bemühte  sich,  auf  Grund  der  oft  mangelhaften 
Daten  die  Bahnberechnung  durchzuführen. 

Das  Resultat^  war  der  Ansicht  von  der  kosmischen  Zu- 
sammengehörigkeit ungünstig,  indem  sich  herausstellte,  daß 


1  Siehe  diese  Sitzungsber.,  Bd.  113,  Abt.  IIa,  p.  1361  (1904). 
Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  95 


1424  G.  Tschcrmak, 

die  von  den  drei  Meteoriten  im  Sonnensystem  unmittelbar  vor 
dem  Zusammentreffen  mit  der  Erde  verfolgten  Bahnen  wesent- 
lich verschieden  waren.  Auch  die  weiteren  Berechnungen 
begegneten  unter  der  Annahme,  daß  die  drei  verschiedenen 
Bahnen  innerhalb  des  Sonnensystems  durch  Störungen  seitens 
eines  der  großen  Planeten,  insbesondere  Jupiters,  aus  ursprüng- 
lich einheitlichen  oder  nahezu  identischen  Bahnen  entstanden 
seien,  einer  großen  Schwierigkeit,  indem  zwar  die  Bahnen  vun 
Jonzac  und  Juvinas  durch  solche  Störungen  erzeugt  worden 
sein  können,  die  Bahn  von  Stannern  hingegen  ohne  Voraus- 
setzungen, denen  nur  geringe  Wahrscheinlichkeit  zukonimt, 
sich  nicht  in  gleicher  Weise  ableiten  läßt. 

Dieser  Schwierigkeit  läßt  sich  dadurch  begegnen,  daß  die 
Bildungsstätte  dieser  drei  Meteoriten  in  einen  Punkt  weit 
außerhalb  der  Planetenregion  verlegt  wird,  wo  auch  störende 
Körper  von  geringer  Masse  eine  völlige  Umwandlung  der 
ursprünglichen  Bahnen  veranlassen  konnten.  Dann  ergibt  sich 
die  Möglichkeit  ihrer  Herkunft  aus  derselben  Gegend  des 
Weltraumes,  wenigstens  kann  dem  gegenüber  nicht  mit  Sicher- 
heit behauptet  werden,  daß  jene  Meteoriten  von  ganz  ver- 
schiedener Abkunft  seien. 

Die  Mitteilung  G.  v.  NiessTs  besagt  also,  daß  aus  der. 
Beobachtungen  beim  Niederfallen  der  genannten  Meteoriten 
kein  Beweis  für  einen  gemeinsamen  Ursprung  abgeleitet 
werden  kann,  wenngleich  die  Möglichkeit  eines  solchen  nicl.t 
ausgeschlossen  ist. 

Dieses  Ergebnis,  das  meine  Erwartung  täuschte,  war  nicht 
sehr  ermutigend.  Ich  zögerte  daher,  meine  Niederschrift,  welche 
die  erkannte  Regelmäßigkeit  des  Eintreffens  dieser  und  anderer 
gleichartiger  Meteoriten  beleuchten  soll,  zu  veröffentlichen. 
Schließlich  überwog  aber  meine  Überzeugung,  daß  trotzdem 
hier  ein  Zusammenhang  der  Erscheinungen  bestehen  müsse. 

Einerseits  ist  es  die  Gleichartigkeit  der  Eukrite,  die  >" 
groß  ist,  daß,  wenn  die  Steine  irdischen  Ursprungs  wären, 
jeder  Petrograph  geneigt  wäre,  anzunehmen,  daß  dieselben  vun 
einer  und  derselben  Eruptivmasse  herrühren,  andrerseits 
war  ich  in  der  Ansicht,  die  regelmäßige  Folge  des  Erscheinens 
der  Eukrite  sei  nicht  als  ein  Spiel  des  Zufalls  zu  betrachten. 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1425 

dadurch  bestärkt  worden,  daß  nach  der  Berechnung,  die  ich 
vor  8  Jahren  anstellte,  sich  ergab,  daß  in  dem  Falle,  als  in  den 
nächsten  Jahren  das  Niederfallen  eines  Eukrits  beobachtet 
würde,  dies  gegen  Ende  Oktober  eintreten  sollte.  In  der  Tat 
wurde  diese  Vorausberechnung  durch  den  Fall  des  Eukrits 
von  Peramiho  am  24.  Oktober  1899  bestätigt. 

Obwohl  es  nicht  gelungen  ist,  die.  Regelmäßigkeit  des  Ein- 
treffens dieser  Meteoriten  durch  eine  Ähnlichkeit  ihrer  Bahnen 
im  Sonnensystem  zu  erklären,  so  ist  doch  die  Möglichkeit 
nicht  zu  bestreiten,  daß  durch  die  Betrachtung  der  vorliegenden 
Daten  von  einem  neuen  Gesichtspunkt  eine  solche  Erklärung 
gelingen  werde.  Die  vulkanische  Hypothese  der  Meteoriten- 
bildung leitet  schon  darauf,  daß  Meteoriten  gleichen  Ursprungs 
verschiedene  Bahnen  einschlagen  können.  Daß  einige  derselben 
trotzdem  die  Erdbahn  in  demselben  Punkte  oder  nahe  dem- 
selben schneiden,  bildet  ein  Problem,  das  einstweilen  wohl 
kaum  lösbar  erscheint,  zu  dessen  Lösung  aber  eine  Zusammen- 
stellung dieser  Schnittpunkte  beitragen  kann. 

Diese  Auffassung  läßt  den  Versuch  nicht  ganz  überflüssig 
erscheinen,  die  Knotenpunkte  der  petrographisch  gleichartigen 
Meteoriten  zu  vergleichen,  weil  dadurch  eine  Anregung  für 
künftige  Forschungen  gegeben  ist. 

Vorher  wurde  schon  bemerkt,  daß  das  Zusammentreffen 
der  Gleichartigkeit  von  Meteoriten  mit  der  regelmäßigen  Wieder- 
kehr ihres  Falles  auch  dann  von  Bedeutung  sei,  wenn  bezüg- 
lich der  Bahn  dieser  Meteoriten  keine  Beobachtungen  vorliegen, 
zumal  wenn  die  Zahl  der  Fälle  eine  größere  ist.  Dieser  Ansicht 
folgend,  will  ich  die  Knotenpunkte  sowohl  der  vier  genannten, 
im  strengsten  Sinne  gleichartigen  Eukrite,  als  der  zwei  den- 
selben nahestehenden  Meteoriten  von  Petersburg  und  Shergotty, 
für  welche  keine  genaueren  Falldaten  bekannt  sind,  einer  Be- 
trachtung unterzielfen. 

Wird  auch  hier  angenommen,  daß  die  Verschiebung  des 
Knotens  der  Zeit  proportional  erfolgt,  so  erhält  man  nach  Be- 
stimmung der  Konstanten  durch  Anwendung  der  Methode  der 
kleinsten  Quadrate  für  die  Knotenlänge  L  die  Formel 

L^  =230 -04+ 1-5953^, 

95* 


1426  G.  Tschermak, 

in  welcher  /  die  Jahreszahl  minus  1800  bedeutet.  Dieser  ent> 
sprechend  ergeben  sich  im  Vergleiche  mit  der  Beobachtung 
folgende  Zahlen: 

Beob.  Rechnung  B.— R. 

1808,  Stannern 242-13  242 •  80  —0-67 

1819,  Jonzac 262-45  260-35  -4.2-10 

1821,Juvinas 265-20  263-54  -I-1-66 

1855,  Petersburg 313-45  317-  77  —4-32 

1 865,  Shergotty 332-38  333-73  —1-35 

1 899,  Peramiho 390-56  387-98  +2-58 

Die  Übereinstimmung  der  beobachteten  und  berechneten 
Werte  ist  eine  befriedigende.  Immerhin  ergeben  sich  Ab- 
weichungen, die  bis  4-32®  gehen,  wonach  für  den  Meteoriten- 
strom, der  hier  angenommen  werden  kann,  ungefähr  das 
doppelte  zu  nehmen  wäre,  also  die  Breite  des  Stromes  beim 
Durchschnitte  mit  der  Erdbahn  mindestens  8*6*  ausmachen 
würde.  Diese  Breite  ist  von  einem  Betrage,  der  nichts  Unwahr- 
scheinliches darbietet.  Übrigens  lassen  sich  die  Knotenlängen 
mit  einer  noch  größeren  Annäherung  an  die  beobachteten 
berechnen,  wenn  zwar  eine  der  Zeit  proportionale  Zunahme, 
zugleich  aber  ein  periodisches  Schwanken  dieses  Fortschrittes 
angenommen  wird  (Anmerkung  3). 

Für  eine  Periode  von  72  Jahren  erhielt  ich  die  Zahlen: 

Beob.  Rechnung  B. —  R. 

1808,  Stannern 242-13 

1819,  Jonzac 262-45 

1821,  Juvinas 265*20 

1855,  Petersburg 313-45 

1 865,  Shergotty 332-38 

1899,  Peramiho 390-56 

Hier  ist  die  Übereinstimmung  eine  so  vollkommene,  daß 
die  größte  Differenz  noch  nicht  einen  vollen  Tag  ausmacht. 
Der  Kreuzungspunkt  des  angenommenen  Meteoritenstromes 
würde,  nach  dieser  Berechnung  zu  urteilen,  in  einem  Jahr- 
hundert um  beiläufig  160°  vorschreiten.  Es  erscheint  aber  auch 


242-64 

—0-51 

261-78 

+0-67 

264-98 

+0-22 

314-24 

—0-79 

331-56 

+0-82 

391-00 

—0-44 

Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1427 

möglich,  dafi  nach  längerer  Zeit  eine  Verschiebung  im  ent- 
gegengesetzten Sinne  eintritt. 

Die  hier  erkannte  Regelmäßigkeit  verdient  aus  dem  Grunde 
besonders  hervorgehoben  zu  werden,  weil  alle  bisher  be- 
kannten Eukrite  derselben  folgen,  keine  Ausnahme  statt- 
findet und  die  Zahl  6  der  dieser  Gruppe  angehörigen  Fälle 
so  erheblich  erscheint,  daß  die  Wahrscheinlichkeit 
ihrer  astronomischen  Zusammengehörigkeit  eine 
sehr  große  ist. 

V.  Fallzeiten  der  Howardite  und  nahestehender  Meteoriten. 

Den  Eukriten  sind  die  Howardite  ähnlich,  doch  unter- 
scheiden sich  diese  durch  einen  wesentlichen  Bronzitgehalt 
und  dem  entsprechend  in  chemischer  Beziehung  durch  die 
geringere  Menge  von  Calcium.  Die  Struktur  ist  die  einer  feinen 
Breccie,  was  hier  als  luffartig  bezeichnet  wird  (Anmerkung  1 
und  4).  Unter  den  Juli  — August-Meteoriten  sind  drei  Howardite 
hervorzuheben: 

Geogr.  Knoten- 

Länge  länge 

Nobleborough,  1823,  Aug.  7,  um  4^3(rp.  .  •  69°4(yW  SlS-öö** 

Le  Teilleul,        1845,  Juli  14,  um  3**  p 0  53  W  292  •  70 

Pawlowka,         1882,  Aug.  2,  um  4'*3ü'^p.  . .  42  20  O    310-53 

Hier  zeigt  sich  eine  große  Verschiedenheit  der  Knoten- 
längen, so  daß  eine  Zusammengehörigkeit  kaum  erkennbar  ist 
-Wird  jedoch  auch  in  diesem  Falle  außer  einer  der  Zeit  pro- 
portionalen Abnahme  auch  ein  gleichzeitiges  Schwanken  dieser 
Abnahme  vorausgesetzt  und  so  wie  bei  den  Eukriten  eine 
72jährige  Periode  angenommen  (Anmerkung  3),  so  berechnen 
sich  die  Knotenlängen  mit  großer  Annäherung  an  die  Beob- 
achtung. 

Beob. 

1 823,  Nobleborough 3 1 5  •  55  ** 

1845,  Le  Teilleul 292*70 

1882,  Pawlowka 310-53 


Rechnung 

B.— R. 

315-40° 

+015 

292-54 

+016 

810-65 

—0-30 

1428  G.  Tschermak, 

Ähnlich  wie  diese  verhalten  sich  die  Fallzeiten  dreier  Juni- 
Meteoriten,  von  denen  jedoch  die  ersten  zwei  zu  den  bron- 
zitischen  Gemengen  gehören  und  nur  der  dritte  zu  den 
Howarditen  gezählt  wird  (Anmerkung  1). 

GeogT.  Knoten- 

Länge  lange 

Manegaon,      1843,  Juni  29,  um  3^30" p.. . .   75**37'0   277- 77' 

Ibbenbühren,  1 870,  Juni  1 7,  um  2^  p 7  *  42^  O   266  •  50 

Jodzie,  1877,  Juni  17,  um  4^30"^p.. . .   24'22'0   266 -2« 

Auch  hier  ergibt  sich  eine  vollständige  Übereinstimmung 
der  Rechnung  mit  der  Beobachtung,  wenn  dieselben  Voraus- 
setzungen gelten  wie  vorhin  und  wiederum  eine  Schwankungs- 
periode von  72  Jahren  angenommen  wird  (Anmerkung  3). 

Beob.  Rechnung  B. — R 

1843,  Manegaon 277-77"         277-7r         +0-06 

1 870,  Ibbenbühren  ...     266-50  266-52  —0  •  02 

1877,  Jodzie 26628  266-32  — O-04 


Als  zusammengehörig  werden  oft  jene  Meteoritenfälle  be- 
trachtet, welche  sich  um  die  erste  Hälfte  des  Dezember 
ereignen,  wegen  des  beiläufigen  Zusammentreffens  mit  der  Er- 
scheinung des  Kometen  Biela. 

Werden  diejenigen  ausgewählt,  deren  Meteoriten  vermöge 
ihrer  Zusammensetzung  als  ähnlich  anzusehen  sind,  so  ergib: 
sich  die  Reihe: 

1803,  Dezember  13 Massing, 

1813,  Dezember  13 Luotolaks, 

1850,  November  30 Shalka, 

1852,  Dezember     2 Busti, 

1868,  Dezember     5 Frankfort. 

Von  diesen  sind  die  drei  Howardite  Massing,  Luotolaks 
und  FYankfort  einander  sehr  ähnlich,  während  Shalka  und 
Busti  schon  zu  der  folgenden  Abteilung  der  bronzitischen 
Gemenge  zu  stellen  sind. 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1 429 

Dies  könnte  indes  als  Verschiedenheit  infolge  lokaler  Aus- 
bildung aufgefaßt  werden  (Anmerkung  1).  Immerhin  erscheint 
die  Vereinigung  zu  einer  gleichartigen  Gruppe  etwas  gewagt. 
Die  Berechnung  der  Knotenlängen  ergibt  sich  aus  folgenden 
Daten,  wobei  zu  bemerken  ist,  daß  bei  Luotolaks  und  Busti  die 
Rechnung  für  die  Mittagszeit  geführt  wurde. 

Geogr.  Knoten- 

Länge  länge 

Massing,     1803,  Dez.  13,  um  10»^  30"^  a.. . .    12^36'0  81  •83** 

Luotolaks,  1813,  Dez.  13,  bei  Tage 27M9'0  82-30 

Shalka,        1850,  Nov.  30,  um  4^  30"^  a 87*'22'0  68-12 

Busti,  1852,  Dez.    2   82M2'0  70-97 

Frankfort,   1868,  Dez.    5,  um  3^  p 85**  5'W  74*50 

Die  Zahlen  für  die  Knotenlängen  geben  im  Mittel  75° 54 
und  die  Differenzen  zwischen  der  Beobachtung  und  dieser 
Mittelzahl  betragen: 

-4-6-29,     -4-6-76,     —7-42,     —4-57,     —1-04. 

Wird  hier  angenommen,  daß  der  Durchschnitt  an  der  Erd- 
bahn statt  konstant  zu  bleiben,  sich  periodisch  verschiebt,  um 
wieder  zur  selben  Stelle  zurückzukehren,  so  berechnen  sich 
für  eine  80jährige  Periode,  innerhalb  welcher  die  Knotenlänge 
schwankt  (Anmerkung  3),  nachstehende  Zahlen: 

Beob.  Rechnung  B. — R. 

1803,  Massing 81 

1813,  Luotolaks 82 

1850,  Shalka 68 

1852,  Busti 70 

1 868,  Frankfort 74 

Shalka  und  Busti,  welche  von  den  drei  übrigen  in  petro- 
graphischer  Beziehung  abweichen,  geben  auch  die  größeren 
Differenzen. 

Die  übrigen  Meteoriten  von  ungewöhnlicher  Zusammen- 
setzung lassen  sich  bezüglich  der  Knotenlängen  nicht  in  solche 
Reihen  bringen  (Anmerkung  5). 


•83 

81-59 

+0-24 

•30 

81-98 

+0-32 

•12 

69-32 

—  1-20 

•97 

69-48 

+  1-49 

•50 

75-29 

—0-79 

1430  G.  Tschermak, 

VI.  Falltage  der  Chondrite. 

Diese  Abteilung  der  Meteoriten  ist  die  umfangreichste.  Vor. 
je  100  Meteoriten  bekannter  Fallzeit  gehören  ungefähr  86  zu 
den  Chondriten.  Ihrer  Beschaffenheit  nach  lassen  sich  dieselben 
größtenteils  in  eine  Reihe  bringen,  deren  Glieder  von  einander 
wenig  abweichen,  auch  die  typisch  aussehenden  Glieder  sind 
in  der  Reihe  mit  den  benachbarten  meist  durch  Obergänge  ver- 
bunden. Unter  diesen  Umständen  ist  es  schwer,  solche  Gruppen 
aufzufinden,  deren  Glieder  gleichartig  wären  und  sich  von  den 
übrigen  Chondriten  abheben  würden.  Die  Gleichartigkeit  müßte 
aber  nicht  bloß  durch  die  äußere  Beschaffenheit,  sondern  auch 
durch  eine  chemische  Ähnlichkeit  begründet  sein.  Dazu  reicher 
aber,  wie  schon  bemerkt  wurde,  die  bisherigen  Untersuchungen 
nicht  aus. 

Aus  allen  diesen  Gründen  bietet  die  heutige  Kenntnis 
der  Chondrite  zu  wenig  Anhaltspunkte  für  eine  Zusammen- 
stellung der  Fallzeiten  solcher  Meteoriten,  die  miteinander 
unzweifelhaft  gleichartig  sind. 

Früher  wurde  schon  ein  Beispiel  angeführt,  welches  zeic:, 
daß  vier  als  weiße  Chondrite  bezeichnete  Meteoriten,  die  nich: 
genauer  untersucht  sind,  die  Fallzeiten  vom  8.  und  9.  Mai  auf- 
weisen. Hier  möge  noch  ein  zweites  Beispiel  Platz  finden, 
welches  die  bei  den  Chondriten  herrschenden  Verhältnisse  von 
einer  anderen  Seite  beleuchtet. 

1785,  Februar  19. . . .  Eichstädt, 

1814,        »        15....  Bachmut, 

1853,        >        10. . . .  Girgenti, 

1875,        »        12....  West- Liberty. 

Diese  Gruppe  zeigt  eine  Verschiebung  der  Knoten  von 
einer  ziemlich  großen  Regelmäßigkeit,  zugleich  sind  alle  vier 
Meteoriten  bezüglich  der  chemischen  Zusammensetzung  sehr 
ähnlich  (Anmerkung  6),  sie  sind  aber  in  Bezug  auf  ihre  Struktur 
ungleich,  indem  Eichstädt  als  Kügelchenchondrit,  Bachmut  und 
Girgenti  als  weiße  Chondrite,  West-Liberty  als  ein  grauer 
Chondrit  von  breccienartigem  Gefüge  bezeichnet  werden.  Ob 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1431 

diese  Unterschiede  im  vorliegenden  Fall  als  wesentliche  zu 
betrachten  sind,  läßt  sich  gegenwärtig  nicht  entscheiden. 

Vn.  Falltage  der  Meteoreisen. 

Unter  den  Meteoreisen  sind  zwei  einander  ähnliche  von 
ungefähr  gleicher  Fallzeit  zu  erwähnen : 

Charlotte,  Dickson  Cty.  Tennesee    1835,  Juli  31  oder  August  1, 
Quesa,  Prov.  Valencia,  Spanien. . .    1898,  August  1. 

Beide  Eisen  bestehen  aus  dünnen,  oktaedrischen  Lamellen 
und  der  Nickelgehalt  wurde  zu  8  und  lOVo  bestimmt.  Eine 
Zusammengehörigkeit  ist  nicht  unwahrscheinlich.  Da  bisweilen 
Meteoriten  gefunden  werden,  die  ein  Gemenge  von  Eisen  und 
Howardit  darstellen  (Grahamite),  so  könnte  daran  gedacht 
werden,  diese  beiden  Meteoritenfalle  mit  den  früher  erwähnten 
howarditischen  Augustmeteoriten  in  Zusammenhang  zu  bringen. 

VIII.  Übersicht. 

1.  Das  Material  der  Sternschnuppen  scheint  von  dem  der 
Meteoriten  bloß  durch  lockere  Beschaffenheit  und  das  Vor- 
walten von  Kohlenwasserstoffen  und  salzartigen  Verbindungen 
verschieden  zu  sein. 

2.  Aus  den  bisherigen  Beobachtungen  läßt  sich  schließen, 
daß  die  zu  verschiedenen  Zeiten  des  Jahres  periodisch  ein- 
tretenden Meteorschauer  aus  etwas  verschiedenem  Material 
bestehen  und  daß  jedem  dieser  Meteorströme  eine  ungefähr 
gleichartige  Beschaffenheit  zukommt. 

3.  Dementsprechend  ist  zu  vermuten,  daß  es  auch  Ströme 
von  Meteoriten  gibt,  die  beiläufig  gleichartig  sind  und  in  regel- 
mäßiger Wiederkehr  eintreffen. 

4.  Nach  der  von  mir  entwickelten  Anschauung  bezüglich 
der  Bildung  der  Meteoriten  durch  eine  Zerstreuung  von  Aus- 
würflingen kleiner  Himmelskörper  können  Schwärme  gleich- 
artiger Meteoriten  gebildet  werden,  die  mit  der  Erde  in  regel- 
mäßiger Folge  zusammentreffen. 

5.  Nach  diesen  Voraussetzungen  gewinnen  die  Daten 
bezüglich  der  Bahnen  und  demzufolge  bezüglich  der  Knoten- 
punkte gleichartiger  Meteoriten  eine  genetische  Bedeutung. 


1432  G.  Tschermak, 

6.  Werden  von  den  Meteoritenfällen  jene  ausgewählt, 
welche  gleichartige  Produkte  lieferten,  die  sich  auch  von  allen 
übrigen  unterscheiden,  so  ergeben  sich  Regelmäßigkeiten  be- 
züglich ihrer  Knotenpunkte. 

7.  Das  Eintreffen  der  calciumreichsten  Meteoriten  (Eukrite) 
läßt  eine  bestimmte  Wiederkehr  und  zugleich  eine  regelmäßige 
Folge  der  Knotenpunkte  erkennen,  indem  hier  eine  jährliche 
Verschiebung  von  1°  36'  eintritt. 

8.  Die  Bahnberechnung  für  drei  der  Eukrite  ergab  unter 
Annahme  von  Störungen  durch  Himmelskörper  außerhalb  des 
Bereiches  der  bekannten  Planeten  bloß  die  Möglichkeit  einer 
gemeinsamen  Herkunft  dieser  Meteoriten. 

9.  Für  einige  Meteoriten,  die  sich  den  Eukriten  anreihen, 
ergeben  sich  Regelmäßigkeiten  in  demselben  Sinne  und  jene 
Gruppe,  deren  Fallzeiten  in  die  erste  Hälfte  des  Dezember 
treffen,  zeigt  ein  regelmäßiges  Schwanken  der  Knotenlängen 
innerhalb  bestimmter  Grenzen. 


Anmerkung  1. 

G.  Rose  hat  eine  Einteilung  vorgeschlagen,  derzufolge 
jene  Meteoriten,  die  eine  gleiche  Kombination  der  Gemengteiic 
darstellen,  unter  derselben  Gruppenbezeichnung  zusammen- 
gefaßt werden.^  Diese  Klassifikation  wurde  von  mir  unter 
Berücksichtigung  der  späteren  Forschungsergebnisse  fortgesetzt 
und  vervollständigt."  Seither  sind  nur  geringe  Veränderungen 
dieser  Gruppierung  eingetreten. 

Eine  solche  Einteilung  bezieht  sich  mehr  auf  die  Anord- 
nung einer  großen  Sammlung,  als  auf  die  petrographische 
Zusammengehörigkeit  der  bisher  aufgesammelten  Meteoriten. 
Soll  eine  hierauf  bezügliche  Übersicht  erhalten  werden,  so  ist 
zu  berücksichtigen,  daß  die  einzelnen  Meteoritenfälle  immer 


1  Beschreibung  und  Einteilung  der  Meteoriten.  Abhandlungen  der  Berliner 
Akad.,  1864,  p.  23  bis  161. 

2  Beitrag  zur  Klassifikation  der  Meteoriten.  Diese  Sitzungsber.,  Bd.  8S, 
Abt.  I,  p.  347  (1883),  und:  Die  mikroskopische  Beschaffenheit  der  Meteoriten. 
Stuttgart  1883. 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1 433 

nur  je  eine  Probe  aus  einer  größeren  Masse,  die  nicht  voll- 
kommen gleichartig  ist,  darstellen.  In  einer  solchen  können 
allerlei  lokale  Abweichungen  von  dem  normalen  Bestände  vor- 
kommen. Denkt  man  sich  aus  vielen  Bruchstücken  von  Granit 
einzelne  herausgenommen,  so  werden  solche  wohl  häufig  das 
Granitgemenge  darstellen,  nicht  selten  wird  aber  das  einzelne 
Stück  als  Quarz  oder  als  Feldspat,  mitunter  auch  als  Glimmer 
oder  vielleicht  als  Turmalin  zu  bezeichnen  sein.  Die  den 
Meteoriten  zu  Grunde  liegende  Masse  ist  aber  nicht  so  homogen 
wie  gewöhnlich  der  Granit.  Man  sieht  an  den  einzelnen 
Stücken,  die  von  einem  sogenannten  Steinregen  herrühren,  wie 
z.  B.  an  den  Meteoriten  von  Stannern,  eine  große  Ungleich- 
förmigkeit,  so  daß  einzelne  Steine  gar  nicht  der  durchschnitt- 
lichen Beschaffenheit  entsprechen.  Es  darf  auch  nicht  über- 
sehen werden,  daß  bei  der  Untersuchung  der  Meteoriten  wegen 
Kostbarkeit  des  Materials  immer  nur  kleine  Teile  eines  größeren 
Stückes  für  die  petrographische  und  chemische  Analyse  benutzt 
werden.  Wir  sind  bei  der  Prüfung  der  Meteoriten  auch  nicht  in 
der  Lage,  wie  bei  anstehendem  Gestein,  die  Übergänge  der 
einzelnen  Typen  zu  studieren  und  so  zu  bestimmen,  was  als 
normales  Gemenge  und  was  als  ein  Übergangsglied  zu  be- 
trachten ist. 

Um  die  petrographische  Gleichartigkeit  und  Verschieden- 
heit hervortreten  zu  lassen,  kann  die  folgende  Übersicht  dien- 
lich sein.  Durch  die  in  Klammern  stehenden  Ziffern  wird 
angegeben,  wie  viele  unter  den  Meteoriten,  deren  Fall  beob- 
achtet wurde,  zu  je  einer  Gruppe  gehören. 

A,  Feldspatführende  Gemenge. 

Eukrit,  wesentlich  aus  Augit  und  Anorthit  bestehend, 
untergeordnet  auch  Bronzit.  Struktur  ophitisch,  bisweilen  tuff- 
artig. Alle  sind  genauer  untersucht  (6).  Hierher  gehören  die 
Steine  von  Stannern,  Jonzac,  Juvinas,  Shergotty,  Peramiho, 
Petersburg.  Der  letztere  wurde  wegen  tuffartiger  Struktur  von 
einigen  Forschem  zur  nächsten  Gruppe  gestellt.  Er  ist  aber 
den  vorigen  chemisch  gleichartig  und  die  Struktur  kann 
angesichts  der  an  dem  Steinregen  von  Stannern  gemachten 
Beobachtung  von  Steinen  mit  Tuffstruktur  neben  solchen  von 


1434  G.  Tschcrmak, 

kristallinischem  Gefüge  nicht  zur  Trennung  berechtigen.  Der 
Meteorit  von  Shergotty  reiht  sich  an  die  Eukrite.  Der  isotrope 
Feldspatgemengteil  (Maskelynit)  entspricht  seiner  chemischen 
Zusammensetzung  nach  einem  Labradorit.  Es  erscheint  mir 
nicht  zweifelhaft,  daß  ursprünglich  Labradorit  vorhanden  war 
und  dieser,  wahrscheinlich  durch  später  eingetretene  Tem- 
peraturerhöhung, in  eine  isotrope  Masse  verwandelt  wurde. 
Beispiele  dafür  liefern  Erscheinungen  in  anderen  Meteoriten. 
Prof.  F.  Becke,  dessen  Autorität  im  Gebiete  der  Feldspate  all- 
gemein anerkannt  ist,  bestätigte  nach  Prüfung  der  Dünnschliffe, 
daß  die  äußere  Form  und  die  Erscheinung  im  gewöhnlichen 
Lichte,  welche  das  Detail  der  Plagioklastextur  erkennen  läßt 
vollkommen  einem  Labradorit  entspricht.  Einem  in  dem  Wiener 
Hofmuseum  aufbewahrten  Eukrit,  welcher  mit  dem  von  Stan- 
nern  identisch  ist,  wurde  früher  der  Fallort  Konstantinopel 
zugeschrieben.  Ich  habe  schon  vor  langer  Zeit  diesen  Fallort 
als  höchst  zweifelhaft  bezeichnet^  und  bin  in  meiner  Ansicht 
durch  den  Mangel  jeder  verbürgten  oder  zuverlässigen  Nach- 
richt bestärkt  worden. 

Howardit,  wesentlich  aus  Augit,  Bronzit,  Anorthit  be- 
stehend. Struktur  tuflfartig.  Zum  großen  Teile  nicht  genauer 
untersucht  (9).  Reiht  sich  an  die  Eukrite.  Manche  Exemplare 
lassen  sogar  kleine  Bruchstücke  von  Eukrit  erkennen.  Durch 
den  Gehalt  an  Bronzit  mit  der  folgenden  Gruppe  verbunden. 
Hierher  werden  gezählt  die  Steine  von  Massing,  Luotolaks, 
Nobleborough,  Bialystok,  Le  Teilleul,  Zmenj,  Frankfort,  Jodzie, 
Pawlowka. 

B,  Feldspatarme  bis  feldspatfreie  bronzitische  Gemenge. 

Meist  kristallinisch-kömig.  Ein  ungewöhnliches  Gemenge 
von  Diopsid  und  Enstatit  repräsentiert  der  Stein  von  Busti. 
Jener  von  Aubres  wird  als  zugehörig  bezeichnet. 

Chladnit,  wesentlich  aus  Bronziten  (Enstatit  und  Bronzit. 
bestehend  (4).  Zugehörig  Bishopsville,  Manegaon,  Shalka, 
IbbenbühreH. 


1  Mineralogische  Mitteilungen,  Bd.  11,  p.  85  (1872). 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1435 


C.  Olivinhaltige  kristallinische  Steine. 

Der  Meteorit  von  Angra,  wohl  eine  lokale  Ausbildung 
olivinhaltiger  Massen,  besteht  aus  Augit  und  wenig  Olivin. 
Ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Stein  von  Novo  Urei. 

Amphoterit,  ein  Gemenge  von  Olivin  und  Bronzit  (2). 
Als  zugehörig  werden  Manbhoom  und  Roda  bezeichnet.  Der 
Stein  von  Jelica  hat  schon  chondritische  Ausbildung,  jener  von 
Chassigny  besteht  fast  nur  aus  Olivin. 

D.  Bronzit-  und  Olivingemenge  mit  Kügelchen. 

Chondrit.  Dem  Amphoterit  entsprechende  Gemenge  mit 
Chondren  und  meist  mit  Füttern  von  Eisen  und  Magnetkies. 
Grundmasse  kristallinisch,  tuffartig,  selten  halbglasig  oder 
fehlend  (nahezu  300).  Diese  Abteilung  wird  nur  durch  das 
Vorkommen  der  Chondren  zusammengehalten.  Im  einzelnen 
zeigen  sich  große  Unterschiede  in  der  Beschaffenheit  der  Grund- 
masse und  der  Kügelchen,  daher  nach  der  physikalischen  Be- 
schaffenheit mehrere  Gruppen  aufgestellt  werden  können.  Da 
jedoch  nur  ein  Teil  dieser  Steine  chemisch  untersucht  ist,  so 
fehlt  eine  sichere  Grundlage  der  Klassifikation  und  es  muß  die 
Entscheidung  über  die  Gleichartigkeit  noch  hinausgeschoben 
werden. 

E,  Leichte,  durch  Kohle  und  Kohlenwasserstoffe  gefärbte 

Steine. 

Kohlige  Meteoriten,  von  tuffartiger  Struktur.  In  der 
von  Kohle  und  Kohlenwasserstoff  durchtränkten  Grundmasse 
wurden  auch  Kügelchen  beobachtet  (7).  Obwohl  diese  Steine 
gewöhnlich  den  Chondriten  angeschlossen  werden,  so  zeigt 
doch  deren  physikalische  Beschaffenheit  eine  besondere  Bil- 
dungsweise an. 

F.  Eisen,  mit  Silikaten  gemischt. 

Sie  enthalten  die  Gemengteile  des  Howardits  Chladnits, 
Chassignits,  Amphoterits  in  einer  Eisengrundmasse.  Nur  letztere, 


1436 


G.  Tschermak, 


als  Mesosiderit  bezeichnet  (4),  sind  unter  den  Meteoriten, 
deren  Fall  beobachtet  wurde,  repräsentiert. 

G.  Meteor  eisen. 

Vorwiegend  aus  Nickeleisen  bestehend  (9). 

Anmerkung  2. 

Die  Ähnlichkeit  in  der  chemischen  Zusammensetzung  der 
Eukrite  geht  aus  folgenden  Zahlen  hervor: 


e  ^ 


C 


B 


S       «3 


Vi 

GS 

c 

3 


O 

B 
B 

vi 


3 


O       O 


o 

»       3 


SiO. 


TiOc 


AI2O3, 
FegOg 


FeO 


MnO 


MgO 
CaO. 


Na^O 


Außerdem 


Dichte 


48-30 


12-65 


19-32 


0-81 


6-87 


11-27 


0-62 


0-23 


100-61 


3-17 


48-33 

49-21 

O'IO 

— 

12-55 

11-05 

1-21 

19-48 

20-41 

— 

0-04 

6-44 

8-13 

10-23 

9-01 

0-63 

0-83 

0-12 

b 

c 

100-97 

99-24 

3-11 

3-28 

50-21 


5-90 


21-85 


10-00 

10-41 

1-28 

0-57 


100-22 


3-28 


a 
h 
c 
d 
e 


49-32 


0-42 


11-24 


20-65 


7-15 

10-84 

0-40 

0-25 

e 


100-38 
3-08 


Chromit  0*54,   Schwefel  Spur. 

Fe  0-16,  S  0-09,  Chromit  1-35,  PjOj  0-28. 

Fe  0-50,  SO-06,  Ni,  P  Spur. 

Magnetit  (von  mir  separat  bestimmt)  4*57,  S  Spur. 

S  0-23,  ab  Sauerstoff  0- 12. 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1 43  7 

Der  Stein  von  Shergotty  weicht  in  der  Zusammensetzung 
etwas  von  den  übrigen  ab,  gleichwie  er  durch  den  eigentüm- 
lichen Feldspatbestandteil  etwas  verschieden  ist.  In  der  Struktur 
gleicht  er  den  kristallinischen  Eukriten. 

Anmerkung  3. 

Die  Abweichung  der  nach  angegebener  Formel  berechneten 
Werte  für  die  Knotenlängen  der  Eukrite  zeigen  eine  Regel- 
mäßigkeit, welche  sich  darin  ausspricht,  daß  die  Differenzen 
entsprechend  der  Zeit  ihr  Vorzeichen  wechseln: 

1808         1819         1821  1855         1865         1899 

—0-67     +2-10     +1-66     —4-32     —1-35     +2*58 

Ich  möchte  angesichts  der  Unsicherheit,  welche  das  hier 
berührte  Problem  darbietet,  auf  diese  Wahrnehmung  weiter 
keinen  Nachdruck  legen  und  will  nur  andeuten,  daß  bei  An- 
nahme einer  Periode  von  72  Jahren  für  das  Schwanken  in  der 
Zunahme  der  Knotenlängen  sich  ein  ziemlich  genauer  Anschluß 
an  die  Beobachtungen  ergibt.  Das  Resultat  der  Berechnung 
nach  der  Formel: 

J5  =  229-554-l  •624^+3  sin  — IT, 

72 

worin  t  die  Jahreszahl  minus  1801,  ist  im  Text  angeführt. 
Demnach  wäre  der  Charakter  der  Schwankung  dieser,  daß  die 
Verschiebung  der  Knotenlänge  im  Anfange  der  Periode  rascher 
als  durchschnittlich  erfolgt,  diese  Beschleunigung  aber  nach 
18  Jahren  wieder  abnimmt  und  mit  36  Jahren  =:  0  wird,  worauf 
eine  Verzögerung  eintritt,  die  18  Jahre  später  ihr  Maximum 
erreicht  u.  s.  w. 

Nach  der  gleichen  Formel,  jedoch  mit  anderen  Konstanten, 
lassen  sich  die  Knotenlängen  der  drei  Howardite:  Noble- 
borough,  Le  Teilleul  und  Pawlowka  berechnen.  Diese  ist: 

£=:302-70— 0-025/+14-lsin(— IC 

V72 

worin  /  die  Jahreszahl  minus  1801. 


1438 


G,  Tschermak, 


Auch  die  als  zusammengehörig  betrachtete  Gruppe:  Mane- 
gaon,  Ibbenbühren,  Jodzie  gestattet  eine  Berechnung  der 
Knotenlängen  durch  Anwendung  der  gleichen  Formel  mit 
anderen  Konstanten,  nämlich: 


£=298-25-0-439/-l-4-2Sin 


in( — t:), 


worin  t  dieselbe  Bedeutung  hat,  wie  in  der  zuletzt  angeführten 
Formel. 

Für  die  Meteoritenfalle  um  den  Anfang  Dezember,  nämlich 
Massing,  Luotolaks,  Shalka,  Busti,  Frankfort  ergibt  sich  keine 
kontinuierliche  Verschiebung  des  Knotens,  vielmehr  ein 
Schwanken  zwischen  den  Grenzen  82°  und  68**.  Bei  Annahme 
einer  80jährigen  Periode  wurde  gerechnet  nach  der  Formel: 


£=i75-8-l-6-5sin 


t      \ 
80    / 


in  welcher  /  die  Jahreszahl  minus  1789.  Die  Schwankungs- 
breite würde  sonach  ungefähr  13  Tage  betragen. 

Anmerkung  4. 

Für   den  Vergleich   der  Howardite   mit   dem    Eukrit    ist 
folgende  Zusammenstellung  dienlich: 


Howardit 


'^     I 


t:  c 

tu   CQ   ^ 


— .    o 

C      Jt4 

6    « 


Eukrit 


o 


o     «> 


SiOi 

AI2O3.... 

FeO 

MnO  .... 
MgO  .... 

CaO 

Na20..., 

KgO 

Außerdem 


5311 

51-33 

48-18 

49-32 

8-20 

8-05 

8-06 

11-24 

10-14 

13-70 

14-48 

20-65 

— 

2-17 

— 

8-49 

17-59 

16-81 

715 

5-79 

7-03 

5-84 

10-84 

1-93 

0-45 

1-75 

0-40 

1-19 

0-22 

0-38 

0-25 

a 

b 

c 

d 

99-72 

99-02 

99-95 

100-38 

50-21 

5-90 

21-85 

1000 

10-41 

1-28 

0-57 

e 

100-22 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1439 

a  =  FeS  0-37,  Fe^Ni  052,  Cr^Og  098. 

b  =  SO-23,  CraO3  0-42. 

c  =  FeS  1-32,  FcgNi  0-32,  FeCrgÖ^  0-58,  Pj^Og  008. 

d  =  SO-23. 

e  :=:  S  Spur. 

Der  Unterschied  zeigt  sich  vor  allem  in  den  Zahlen  für 
CaO,  aber  auch  für  FeO.  Selbst  der  von  den  übrigen  Eukriten 
etwas  abweichende  Stein  von  Shergotty  läßt  die  Verschieden- 
heit in  diesen  beiden  Stoffen  erkennen. 

Anmerkung  5. 

Die  früher  nicht  angeführten  Fälle,  welche  Steinmeteoriten 
von  ungewöhnlicher  Zusammensetzung  lieferten,  sind  die 
folgenden: 

Geogr.  Knoten- 

Länge  länge 

Aubres,  1836,  Sept.    14,  um  3^  p 5**  8'0  352-67 

Novo  Urei,  1886,  Sept.    22,    *    7M5"^a...   43  410  359*27 

Chassigny,  1815,  Okt.       3,    »    8*^  a 5  23  0  10-40 

Bialystok,  1827,  Okt.       5,    »    9*^30"*a.. .   23  10  O  12-30 

Manbhoom,  1863,  Dez.    22,    »    9**  a 86  33  0  90-20 

Angra,  1869,  Jänn.  20,    >    5^  a 44  10  W  120*49 

Bishopsville,  1843,  März  25,  bei  Tage 80  12  W  185*22 

Alle  diese  Meteoriten  sind,  ihrer  Zusammensetzung  nach, 
voneinander  verschieden. 

Anmerkung  6. 

Die  chemische  Zusammensetzung  der  vier  zuletzt  ange- 
führten Chondrite  läßt  sich  aus  den  folgenden  Zahlen  erkennen, 
welche  die  prozentischen  Mengen  bezüglich  der  Silikate  nach 
der  Berechnung  von  Rammelsberg,^  ferner  unter  L  die  ent- 
sprechenden Quantitäten  des  durch  Säure  auflöslichen  An- 
teiles, endlich  unter  F  die  in  100  Teilen  der  Meteoriten  gefun- 
denen Mengen  von  Eisen,  Magnetkies  und  Chromerz  angeben. 


1  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie,  1 879. 
Sitzb.  u.  maihem.-naturw.  Kl. ;  CXVl.  Bd  .  Abt.  II  a.  96 


1440 


G.  Tschermak, 


:es 

0) 

JS 
U 


kl 

SP 

o 

C/3 


3 

a 

ja 
u 

ctf 

CQ 


C 
o 


es 

> 


o 


£ 


SiOj. 

AI2O3 

FeO. 

MgO 

CaO. 

Na^O 

K2O. 

L  ... 
F  ... 


46 
3 
20 
27 
0 
1 
0 


13 
22 
02 
35 
93 
48 
28 


44-6 
27 


46 
3 
18 
29 
1 
0 
0 


18 
38 

19 
78 
55 
24 


49 
18 


46 

1 

19 

28 

1 

1 


•61 
•68 
•22 
•89 
•99 
•61 


15 


46S8 

2-40 

17-49 

31-36 

1-41 

0-46 


50 
17 


Eintreffen  gleichartiger  Meteorite.  1441 


Inhalt. 


Seite 

I.  Meteoriten  und  Sternschnuppen 1407 

II.  Die  vulkanische  Theorie  der  Meteoritenbildung 1413 

III.  Die  Falltage  gleichartiger  Meteoriten 1417 

IV.  Fallzeiten  der  Eukrite 1420 

V.  Fallzeiten  der  Howardite  und  nahestehenden  Meteoriten  •    •    .    .  1427 

VI.  Falltage  der  Chondrite 1430 

VII.  Falltage  der  Meteoreisen -.1431 

Vm.  Übersicht 1431 

Anmerkungen  1  bis  6 1432 


96* 


1443 


Beitrag  zur  Kenntnis  der  Thoriumzerfalls- 
produkte 

von 

Dr.  F.  V.  Lerch. 

Aus  dem  II.  physikalischen  Institute  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 

(Mit  2  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  10.  Dezember  1907.) 

In  einer  früheren  Arbeit^  konnte  ich  zeigen,  daß  das  Th-4 
eine  Strahlung  aussendet,  die  zum  größten  Teile  durchdrin- 
gender wie  die  a-Partikeln  des  Th^B,  respektive  Th  C  und  ab- 
sorbierbarer wie  die  ß-Strahlung  der  letztgenannten  Substanzen 
ist.  Es  wurde  die  Absorption  der  Strahlen  des  Th^B  und  des 
Th  A+B  durch  verschiedene  Aluminiumschirme  gemessen 
und  aus  den  sich  ergebenden  Differenzen  eine  Strahlung 
des  Th^  nachgewiesen.  Durch  dünne  Aluminiumfolien  (zirka 
2*1. 10^* cm)  wird  die  Th5-Strahlung  weniger  absorbiert  wie 
die  des  Th  A-hB,  das  ThA  sendet  also  —  falls  man  nicht  eine 
Stömng  durch  Sekundärstrahlen  der  absorbierten  ß-Strahlen 
des  ThJB  annimmt*  —  absorbierbarere  Strahlen  aus  wie  die 
a-Partikeln  desThS,  respektive  C  Beim  Bedecken  mit  dickeren 
Aluminiumfiltem  kehrt  sich  der  Effekt  um.  Die  Th5-Strahlung 
wird  mehr  geschwächt  wie  die  vom  Th^-l-Ä  Der  größte  Teil 
der  Th-4-Strahlen  muß  also  durchdringender  sein  wie  die 
absorbierten  a-Partikeln.  Dann  wurde  noch  die  Absorbierbarkeit 
außerhalb  des  lonisationsbereiches  der  a-Partikeln  untersucht 
und  gezeigt,  daß  die  Strahlen  des  Th-4  weniger  durchdringend 
sind  wie  die  ß-Strahlen  der  folgenden  Produkte. 

1  Phys.  Zeitschr.,  VII,  913  (1906). 

2  Bei  der  Deutung  der  Versuche  durch  eine  einheitliche  Strahlung  des  Th>l 
ist  ein  störender  Druckfehler  stehen  geblieben.  Auf  Seite  915  soll  es  heißen: 
Die  durch  Absorption  der  Strahlen  des  ThB  (statt  Thil)  in  dünnen  Schichten 
erzeugten  


1444 


F.  V.  Lerch, 


•n5T57r^  tunv  Qwabäranlav 


IS  cm,  l 


<^7n^ 


160  Volt 


Mit  der  gleichen  Versuchsanordnung  (siehe  nebenstehende 
Figur)  wurden  einige  weitere  Messungen  mit  dickeren  Alumi- 
niumfiltern gemacht,  über  die  im  folgenden  berichtet  werden 
soll  Der  zur  Erde  geleitete  Drahtring  R  leitet  die  durch  die 
a-Strahlen  im  Raum  CDEF  erzeugten  Ionen  ab,  im  oberen 
Meßraum  ABCD  ionisieren  bloß  die  ß -Strahlen.  Um  genaue 
Werte  zu  bekommen,  würde  ähnlich  wie  früher  die  Ionisation 

bei    bedecktem    und   freiem 
Präparat    mehrmals   gemes- 
sen   und    aus    den   Zahlen 
die     Absorption     bestimmt. 
Das  ThB  wurde   auf  einer 
Ni-Scheibe  durch  Eintauchen 
in   eine  Thoriuminduktions- 
lösung  ausgefällt  und  gleiche 
Ni-Scheiben    durch   direktes 
Aussetzen  der  Thoriumema- 
nation mit  Th-4-f--B  aktiviert. 
Die     bei     diesen    Ver- 
suchenverwendeten dickeren 
Aluminiumfolien    hatten  die 
Dicke    zirka    l-03-10-'nM. 
In  der  Tabelle  bedeuten  die  unter  Th^-l-jB  und  Th£  mit- 
geteilten Zahlen  die  durchgelassenen  Prozente  der  Strahlung 
beim  Bedecken  mit  verschieden  vielen  Aluminiumfolien. 


9San^ 


weitmaschig  CS 


jf^zurErdry 


•>  aküre-  Sduubc 


S'Scnv 


Fig.  1. 


AI  l 
AI  3 
A14  , 
AI  8 
AI  12 
AI  16 
AI  24 
AI  32 
AI  40 
AI  48 
AI  56 


101-1 
91*2 
88-0 
75-0 
68-9 
63-0 
57-4 
49-1 
43-2 
38-6 
34*0 


101-7 
99-8 
99-3 
94-0 
88-1 
830 
75-2 
66-4 
60-0 
53-4 
46-4 


0-0134 
0 • 0266 
0-0293 
0-0333 
0-0346 
O0370 
0-0408 
0-0403 
0-0384 


Beitrag  zur  Kenntnis  der  Thorium  Zerfallsprodukte. 


1445 


Wie  man  aus  den  Zahlen  sieht,  wird  durch  Bedecken  mit 
einer  l-OSAQ^^cm  dicken  Aluminiumfolie  die  durch  die 
ß-Strahlung  des  ThB  erzeugte  Ionisation  vergrößert.  Es  ist 
das  sicher  auf  eine  Sekundärstrahlung  zurückzuführen.  Die 
durchdringenderen  ß-Strahlen  des  ThB  ionisieren  im  oberen 
Gefäß,  das  die  ß-Strahlung  nicht  vollständig  ausnützt,  nicht 


tooo 


^900 


V800 


noo 


1600 


VMtO 


"^ 

■^ 

V 

^ 

^ 

\ 

^. 

"-> 

X 

ThB 

N 

k. 

^ 

4 

*^ 

..  . .  .^ 

"^ 

s^ 

e 

"^ 

r 

Th 

A*B 

^^^^ 

\, 

^ 

^ 

^ 

\s 

N 

t 

^ 

N 

1 

\^ 

1 

1 

!     ! 

1 

t 

N 

S 

*»       i 

r         f 

t        tt 

l           J- 

0          2 

1         z 

tt           3 

2           U 

a       <t4 

9           h 

M          H 

»          i 

7           J 

Fig.  2. 


SO  stark  als  die  durch  Absorption  im  Aluminiumfilter  ent- 
stehenden weicheren  Sekundärstrahlen.  Trägt  man  die  Loga- 
rithmen der  durchgelassenen  Strahlung  auf  ein  Koordinaten- 
papier auf,  so  erhält  man  zwei  Gerade,  die  einander  parallel 
laufen  (Fig.  2). 

Hieraus  lassen  sich  einige  Schlüsse  ziehen.  Bezeichnet 
man  mit 


M  die  vorhandene  Menge  ThA, 


N 


ThB, 


A  die  Strahlung  der  Mengeneinheit  Th-4, 


B 


ThB, 


1446  F.  V.  Lerch, 


M  A 


a  die  durch  ein  Filter  hindurchgelassene  Strahlung  von  Th  A, 
ß>>»»  »  >  »      ThS, 

7  die  durch  ein  Filter  hindurchgelassene  Strahlung  von  einem 
Gemisch  von  ThA-hB^  so  ist 

_  3L4g+A^gg  _  mzoL-h? 
'^^     MA-hXB     ""    mx-k-l 

m,  das  Verhältnis  der  auf  dem  aktiven  Blech  vorhandenen 
Menge  Th^  zur  Menge  ThJ?,  läßt  sich  nach  der  Rutherford- 
schen  Theorie  aus  der  Expositionsdauer  und  der  Abklingungs- 
zeit  berechnen.  Wird  y  mit  dem  gleichen  Filter  für  verschiedene 
m  bestimmt,  so  läßt  sich  aus  den  Zahlen  x  berechnen,  denn  es 
ist  ß,  die  Absorption  für  das  abgetrennte  ThJB,  bekannt 

Bei  den  eben  mitgeteilten  Versuchen  waren  die  Bleche 
durch  längere  Zeit  der  Thoremanation  ausgesetzt  und  erst 
längere  Zeit  nach  ihrer  Entnahme  aus  dem  das  aktivierende 
Präparat  enthaltenden  Gefäß  untersucht  Die  Menge  Th-4  ver- 
hält sich  dann,  wie  sich  leicht  berechnen  läßt,  zur  Menge  Th  B 

wie    ^      '^    m  9-52,  denn  es  ist 

\  =  1  -816. 10-*sec  Xj  =  1  -913. 10-*sec, 

Jf  =  J^  e-^*  die  Menge  Th^  zur  Zeit  /, 

Jf  =  J^  - — ^—  (e~^f—e-^f)  die  Menge  ThÄ  zur  Zeit  /,  wenn 
zur  Zeit  t  =zO  nur  die  Menge  J^^  von  Th>l  vorhanden  war, 

-70-  =  —^T ^ TT w  =  — ;r— ^  fiir  große  Werte  von  /. 

Absorptionsmessungen  für  verschiedene  Verhältnisse  w, 
etwa  Anstiegskurven  für  bedeckte  und  freie  Strahlung  kurz 
induzierter  Bleche,  wurden  nicht  angestellt,  da  die  Versuchs- 
anordnung zu  wenig  empfindlich,  respektive  das  induzierende 
Radiothorpräparat  zu  schwach  war. 


Beitrag  zur  Kenntnis  der  Thoriumzerfallsprodukte.  1447 

Aus  Gleichung  1)  findet  man  für  x 

ß— T 


fH*f — ma 


Da  nun,  wie  die  Versuche  zeigen,  die  Th>l-Strahlen  viel 
leichter  absorbierbar  sind  wie  die  ß-Strahlen  des  ThJ5,  a  also 
kleiner  ist  wie  y  und  ß,  kann  man  in  erster  Annäherung  das 
Glied  ma  vernachlässigen  und  erhalten 

ß— Y  ß 

X  =:  -^ und    -^—  =  fHx-^  1  =  const 

in  Übereinstimmung  mit  den  obigen  Zahlen,  die  Logarithmen 
der  Absorptionen  liegen  auf  parallelen  Geraden.  Wenn  wir  in 
obiger  Gleichung  für  x  das  Glied  ma  vernachlässigen,  so  wird 

ß— Y 
das  aus  der  vereinfachten  Gleichung  x  •=.  — berechnete  x 

besonders   für  geringe   Filterdicken   zu   klein   ausfallen.   Für 

stärkere  Filter,  wo  die  Vernachlässigung  ma  eher  erlaubt  ist, 

muß  X  konstant  werden.  Aus  den  Zahlen  der  letzten  Kolumne 

der  Tabelle  I  sieht  man,  daß  x  von  AI  32  an  den  Wert  zirka 

0-04  hat. 

Unter  den  gegebenen  Umständen  ionisiert  also  die  Strahlung 

des  Thi4  0*04 mal  weniger  als  die  ß-Strahlung  einer  gleichen 

Menge  ThÄ  Da  nun  auf  den  Blechen,  die  längere  Zeit  induziert 

sind,  mehrere  Stunden  nach  ihrer  Entnahme  aus  dem  Akti- 

vierungsgefaß   w  =  9-52   ist  —   die  Aktivität   eines   solchen 

Bleches  sinkt  in  10*6  Stunden  auf  die  Hälfte  —  so  ist  für 

diesen  Fall  das  Verhältnis  der  durch  die  ß-Strahlen  des  Th^ 

und  ThB  erzeugten  Ionisation  0 '04. 9- 52  =  0-38.  Die  Th^- 

0*38 
Strahlen  machen  also  —  zirka  0'28  der  ganzen  ß-Ioni- 

1  *  oo 

sation  aus.  Nach  St.  Meyer  und  v.  Schweidler*  ist  durch 
ß-  und  Y-Strahlen  hervorgerufene  Ionisation  unter  den  gewöhn- 
lichen Versuchsbedingungen  zirka  l'87o  ^^^  Gesamtionisation, 


1  St  Meyer  und  E.  R.  v.  S  ch weidler,  diese  Sitzungsberichte,  CXV, 
Abt.  IIa,  Mai  1906. 


1448  F.  V.  Lerch, 

daher  sind  also  1'8.0'28  =  0*5Vo  ^^r  Gesamtstrahlung  auf 
das  Th^  zurückzuführen. 

Bei  diesen  und  früher  mitgeteilten*  Versuchen  wurde  eine 
große  Reihe  von  Abklingungskurven  bestimmt,  aus  denen  sich 
ein  recht  genauer  Wert  für  die  Halbierungskonstante  berechnen 
läßt.  Für  das  auf  Ni  elektrolytisch  niedergeschlagene  Thß 
findet  man  eine  prinzipiell  zu  große  Halbierungskonstante, 
wenn  etwas  Th^  mitausgefällt  wird,  da  dann  ein  Teil  des 
ThJ5  nach  der  HC  des  Th-4  abklingt  Doch  läßt  sich  dieser 
Fehler  leicht  korrigieren,  wenn  man  nach  einer  Zeit,  in  der 
sich  das  spurenweis  vorhandene  Th^  schon  mit  dem  IhB 
ins  Gleichgewicht  gesetzt  hat  —  etwa  nach  24  Stunden  — 
die  schwache  Aktivität  der  Ni-Scheibe  bestimmt  und  dann  die 
zu  Beginn  der  Abklingung  vorhandene  Th-4-Menge  ausrechnet. 
Diese  Korrektion  wurde  für  20  Kurven  bestimmt  und  im  Mittel 
zu  0*75  Minuten  gefunden.  Es  wird  also  beim  Eintauchen  von 
Ni  in  eine  salzsaure  Induktionslösung  durchschnittlich  so  viel 
Th^  mitausgefällt,  daß  die  HC  um  0-75  Minuten  zu  groß 
erscheint.  Diese  Zahl  wurde  von  den  übrigen  HC  abgezogen, 
für  welche  die  Korrektur  nicht  direkt  bestimmt  war. 

Aus  50  Abklingungskurven,  mit  einem  Elektroskop  ge- 
messen, ergab  sich  als  mittlere  Halbierungskonstante  60-66 
Minuten,  für  67  Abklingungskurven,  mit  dem  Elektrometer 
gemessen,  als  Mittel  60*37  Minuten.  Die  größten  Einzelschwan- 
kungen betrugen  58  und  62  Minuten,  doch  zeigten  die  mit  dem 
Elektrometer  gemessenen  Zahlen  im  allgemeinen  geringere 
Abweichungen  vom  Mittelwert  wie  die  mit  dem  Elektroskop 
bestimmten.  Für  die  mit  dem  Elektrometer  nach  der  Auf  lade- 
methode  gefundenen  HC  mußte  eine  Korrektion  wegen  Isola- 
tionsverlusten angebracht  werden. 

Schlechte  Isolation,  die  bei  schwachen  Aktivitäten  mehr 
in  Betracht  kommt,  läßt  die  HC  zu  klein  erscheinen.  Da  meine 
Bernsteinisolation  gut  war,  betrug  die  Isolationskorrektur  im 
Mittel  nur  zirka  0  •  2  Minuten.  Diese  Größe  wurde  also  durch- 
schnittlich den  mit  dem  Elektrometer  gemessenen //"C  zugezählt. 


1  F.  V.  Lerch,    diese   Sitzungsberichte,  CXIV,  Abt.  IIa,  Marx    1903, 
und  1.  c. 


Beitrag  zur  Kenntnis  der  ThoriumzerfaUsprodnkte.  1449 

Als  Mittel  aller  Versuche  kann  man  60*4  Minuten  als  HC 
für  ThJS  nehmen,  da  die  mit  dem  Elektrometer  gefundenen 
Werte  etwas  genauer  sind.  Der  Fehler  dürfte  kleiner  sein  als 

0-3  Minuten,  X.  =  1- 913. 10-* -^. 

^  sec 

Aus  12  Abklingungskurven  für  Thil  erhielt  ich,  mit  dem 
Elektrometer  gemessen,  10*594  Stunden  und  aus  10  mit  einem 
Elektroskop  bestimmten  10*627  Stunden  als  Halbierungs- 
konstante. 

Rechnet  man  die  mit  dem  Elektrometer  gefundene  Zahl 
doppelwertig,  so  erhält  man  als  HC  für  ThA  10*605  Stunden, 

X- =  1*816. 10-*^  —  . 
*  sec 

Diese  Konstanten  sind  in  guter  Übereinstimmung  mit  den 
von  mir  in  einer  früheren  Arbeit^  bestimmten:  1  Stunde,  respek- 
tive 10*6  Stunden.  Letzterer  Wert  ist  inzwischen  von  ver- 
schiedenen Seiten  gefunden  worden. 

Einige  genau  gemessene  Abfallkurven  lang  induzierter 
Bleche  sollten  zeigen,  ob  sich  eine  Restaktivität  für  die  aktiven 
Thoriumbeschläge  nachweisen  läßt.  Das  Fehlen  beträchtlicher 
Restaktivitäten  ist  von  O.  Hahn  und  anderen  gefunden  worden, 
doch  fehlen  quantitative  Angaben. 

Ein  durch  3V2  Monate  mit  Radiothor  induziertes  Ni-Blech 
fiel  mit  der  konstanten  HC  10*6  Stunden  bis  auf  den  lO-'ten 
Teil  seiner  Anfangsaktivität  und  eine  durch  I3V2  Monate  mit 
Thorium  aktivierte  Scheibe  zeigte  bis  zum  lO^'^ten  Teil  ihres 
Anfangswertes  regelmäßiges  Abklingen.  Dann  ließ  sich  eine 
lonisationsvermehrung  im  Versuchsgefäß  nicht  mehr  mit  Sicher- 
heit nachweisen.  Die  großen  Werte  der  Anfangsaktivität  konnten 
mit  meiner  Versuchsanordnung  nicht  bestimmt  werden;  sie 
wurden  aus  den  nach  einigen  Tagen  gemessenen  berechnet. 
Eine  untere  Grenze  für  eine  etwaige  a-strahlende  Restaktivität 
läßt  sich  aus  der  Formel 

7,  =  /eo(l-^-^0 
angeben. 


1  Diese  Sitzungsberichte,  CXIV,  Abt.  IIa,  März  1905. 


1450    F.  V.  Lerch,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Thoriumxef&Jlsprodukte. 

-=r^  war  in  einem  Falle  für  i=:3^/^  Monate  gleich  10~^, 


oo 


X  berechnet  sich  zu  3.10~' 


Jahre' 
ein  HC  zu  zirka  2 .  10*  Jahre. 

Falls  also  ein  radioaktives  Endprodukt  existiert,  so  ist  nur 
ein  äußerst  stabiles  möglich.  Die  Halbierungskonstante  muß 
gröfier  sein  als  zirka  2*  10*  Jahre. 

Zusammenfassung  der  Resultate. 

Mifit  man  mittels  einer  besonderen  Versuchsanordnung, 
welche  die  Ionisation  durch  a- Strahlen  eliminiert,  die  Ab- 
sorption der  ß- Strahlen  durch  verschiedene  Filter  für  elek- 
trolytisch abgetrenntes  ThB  und  ein  Gemisch  von  ThA  und 
ThB,  wie  es  auf  Blechen,  die  auf  gewöhnliche  Weise  aktivien 
sind,  vorhanden  ist,  so  ergeben  sich  Unterschiede  bis  zu  20^  '^, 
die  auf  eine  Th>l-Strahlung  zurückzuführen  sind. 

Die  Th>l-Strahlung  macht  unter  normalen  Versuchsbedin- 
gungen zirka  0*5^^^  der  Gesamtstrahlung  aus. 

Die  Halbierungskonstanten  für  ThA  und  ThB  betragen 
10*605  Stunden,  respektive  60*4  Minuten. 

)^=  1-816. 10-5—       X,  =  l-913.10   '     ^ 


sec  sec 


Wenn  eine  a-strahlende  Restaktivität  vorhanden  ist,  so  hat 
sie  eine  HC>  zirka  2. 10*  Jahre. 


1451 


Kinematische   Interpretation   der   Maxwell- 
sehen Gleichungen  mit  Rücksieht  auf  das 
Reziprozitätsprinzip  der  Geometrie 

von 

Lrucius  Hanni  in  Wien. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  24.  Oktober  1007.) 

• 

Interpretiert  man  die  in  den  MaxwelFschen  Gleichungen 
für  homogene  isotrope  Nichtleiter*  auftretenden  abhängigen 
Veränderlichen  nicht  als  die  Komponenten  der  elektrischen  und 
der  magnetischen  Kraft,  sondern  als  Geschwindigkeits-  und 
Drehungskomponenten,  so  hat  das  eine  Gleichungssystem  eine 
leicht  ersichtliche  und  bekannte  kinematische  Bedeutung,  wenn 
man  es  auf  die  Punkte  eines  Volumelementes  anwendet.  Wie 
im  folgenden  gezeigt  werden  soll,  läßt  sich  aber  auch  für  das 
zweite  Gleichungssystem  eine  Interpretation  angeben,  die  der 
bekannten  des  ersten  ganz  analog  ist.  Diese  Interpretation  des 


^  Es  sind  dies  die  beiden  Gleichungssysteme 

BL        BZ       BY 

Aa        = 
'^  Bt         By        Bz 

BX       BM 

^'  Bi'Bz' 

BN 
By 

BM      BX       BZ 
'^  ^^  Bt        Bz        Bx 

BY       BN 

II)      >l6             ==             - 

8/        Bx 

BL 
Bz 

BN       BY       BX 

BZ       BL 

BM 

Au.  —  — 

^  8^         Bx        By 

Az — 

Bi        By 

Bx' 

zu  denen  noch  die  Gleichungen 

BL       8A/       8iV 
Bx        By        Bz 

BX       BY       BZ 

Bx        By        Bz 

=  0 

hinzutreten  (Hertz,  Ges.  Werke,  II,  p.  215).  Der  Kürze  wegen  werden  I)  und 
II)  im  folgenden  einfach  als  Maxwell'sche  Gleichungen  bezeichnet. 


1452  L.  Hanni, 

zweiten  Systems  ist  zugleich  so  beschaffen,  daß  sich  dann 
beide  Gleichungssysteme  zum  Teil  aus  demselben  System  vor. 
Formeln  ergeben.  Für  das  Folgende  scheint  es  nun  angezeigt, 
von  diesen  Formeln  auszugehen  und  sich  nicht  nur  auf  die 
kinematische  Interpretation  des  zweiten  Systems  der  Maxweü- 
schen  Gleichungen  zu  beschränken,  sondern  beide  Systeme  in 
gleicher  Weise  zu  behandeln.  Wenn  dabei  auch  die  Wieder- 
holung einer  Reihe  von  bekannten  Formeln  notwendig  ist,  so 
hat  dieser  Weg  doch  den  Vorteil,  daß  die  Analogie  zwischen 
der  kinematischen  Bedeutung  des  einen  und  der  des  anderen 
Systems  mehr  hervortritt.  Außerdem  sieht  man  dabei  unmittel- 
bar, wie  entsprechend  der  zwischen  Elektrizität  und  Magne- 
tismus bestehenden  Reziprozität  auch  bei  der  kinematischen 
Interpretation  der  MaxweH'schen  Gleichungen  wieder  eine 
reziproke  Verwandtschaft  auftritt,  die  sich  schon  von  solcher 
Art  erweist,  daß  sie  sich  leicht  auf  das  Reziprozitätsprinzip  der 
Geometrie  zurückführen  läßt. 

I. 

Einen  einfachen  speziellen  Fall  der  MaxweH'schen  Glei- 
chungen erhält  man,  wenn  man  von  den  Beziehungen  ausgeht, 
die  zwischen  den  Richtungscosinus  «ojßoiTo»  ^»ßi^Ti»  «j^^'T* 
von  drei  aufeinander  senkrechten  Richtungen  bestehen.  Le^* 
man  ein  rechtwinkliges  Koordinatensystem  zu  Grunde,  so  sind 
diese  Beziehungen  gegeben  durch  die  Gleichungen 

«0  =  >w(ßiY2-Tiß2)     «1  =  w(ß2To-T2ßo)     «2  =  w(ßoTi— Toßi) 
ßo  =  ^(TiOa— «1T2)     ßi  =  w(T2ao— «2T0)     ß2  =  w(Toai-«oTi)  1' 
To  =  w(aiß2— «2ßi)     Ti^^Coaßo-ßaOo)     Tt  =  ^(«oßi-ßo*i)' 

wo  m  gleich  + 1  oder  — 1  ist,  je  nachdem  das  von  diesen  drei 
Richtungen  gebildete  System  von  derselben  Art  wie  das  zu 
Grunde  gelegte  Koordinatensystem  ist  oder  nicht.  Wir  nehmen 
nun  an,  es  sei  ein  Bogenelement  85  eines  Kreises  vom  Radiu>,5 
gegeben  und  6?p  sei  der  zu  85  gehörige  Zentriwinkel,  so  dal3 

8s  rz  p8cp  - 

ist.  Ferner  wählen  wir  als  Koordinatensystem  ein  Rechtssyste.'n 
und   verlegen   seinen   Anfangspunkt   in   den  Mittelpunkt  des 


Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.       1453 

Kreises,  zu  dem  das  Bogenelement  85  gehört.  Außerdem  setzen 
wir  die  positive  Richtung  von  8s  und  dementsprechend  auch 
den  positiven  Sinn  von  8'^  als  gegeben  voraus,  während  die 
positive  Richtung  von  p  die  vom  Mittelpunkte  zum  Bogen- 
element hin  sei;  das  von  diesen  drei  aufeinander  senkrechten 
Richtungen  gebildete  System  ist  dann  ein  Linkssystem.  Es 
seien  nun  Oq,  ß^,  Yq  die  Richtungscosinus  von  85,  04,  ß^,  y^  die 
von  p  und  Og,  ßg,  Y2  ^^^  von  8^;  ferner  seien  hx,  8jv,  82  die  Pro- 
jektionen von  8s,  x,y,  z  die  von  p  und  %^xy  8'f^,  '^^z  die  von  8'^. 
Aus  2)  und  dem  ersten  der  drei  Gleichungssysteme  1)  ergibt 
sich  dann  das  Gleichungssystem 

%x  =  zhffy — yttf^ 

hy  =  xi^fz—z^^x  3) 

82  zizyZrfx — xhrfy 

und  aus  2)  und  dem  dritten  Gleichungssystem  von  1) 

1 

8?:r  =  — (ßi82;— Yi8jv) 

r 

^y  =  —  i^l^x—a^iz)  4) 

r 

Wendet  man  jetzt  3)  und  4)  auf  unendlich  kleine  Lagen- 
änderungen der  Punkte  eines  Volumens  an,  so  gelangt  man 
zu  Gleichungssystemen,  welche  schon  so  beschaffen  sind,  daß 
man  von  ihnen  unmittelbar  zu  Gleichungen  von  derselben 
Form  wie  die  Maxwell'schen  übergehen  kann.  Um  aus  3)  ein 
solches  Gleichungssystem  zu  erhalten,  wenden  wir  dasselbe 
auf  die  Punkte  eines  Volumens  an,  das  sich  um  eine  Achse 
dreht.  Verlegt  man  den  Anfangspunkt  des  Koordinatensystems 
in  die  Drehungsachse  und  ist  p  der  Abstand  eines  Punktes 
Xy  y,  z  des  Volumens  vom  Koordinatenanfangspunkt,  8?p  der 
Winkel,  welchen  p  bei  der  Drehung  des  Volumens  durchläuft, 
so  gelten  nämlich  für  die  Lagenänderungen  8s  seiner  Punkte 
die  Gleichungen  1)  und  2)  und  somit  auch  3).  Da  8^^^,  89^,  8^;^ 


1454  L.  Hanni, 

von  ;tr,  jv,  z  unabhängig  sind,  so  erhält  man  aus  3)  durch  partielle 
Differentiation  die  beiden  Gleichungssysteme 

'^x    "^    8jv    ""    8 z~  "^ 
88«        5.  88>'  ^ 


8^         ^"        82 
88;»:         ^  8825 

"aT^^^^^     "8F  =  -^^^  '^ 

Umgekehrt  gelangt  man  durch  Integration  dieser  beiden 
Gleichungssysteme  wieder  zu  3);  denn  die  bei  der  Integration 
auftretenden  Konstanten  fallen  nach  entsprechender  Wahl  des 
Anfangspunktes  des  Koordinatensystems  wieder  weg.  Somit 
sind  die  Gleichungssysteme  5)  und  6)  dem  Gleichungssystem  o' 
äquivalent.  Faßt  man  nun  in  6)  je  zwei  in  einer  Zeile  stehende 
Gleichungen  zusammen,  so  ergibt  sich  das  bekannte  Gleichungs- 

'y'^'"'  ,  1/88.         88^  \ 

1   /88;ir         882:  \ 
^?^  =  tI-8^ 87-j 


8,,  =  lfÄ-i^) 
^"        2  \  8;ir  8v  / 


Dasselbe  kann  wieder  durch  6)  ersetzt  werden,  falls 

88^  __        88_y 

88;tr  882J 


82  ^x 

88jv  _        88;»: 

ist.  Daher   sind   auch   die   Gleichungssysteme   5),  7)  und  8) 
zusammen  dem  Systeme  3)  äquivalent. 

Um    auch    aus   4)    ein    den    Gleichungen    7)    analoges 
Gleichungssystem  zu  erhalten,  nehmen  wir  zunächst  an,  es 


Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.       1455 

möge  sich  ein  Volumen  längs  eines  Bogenelementes  ver- 
schieben. Jedes  von  einem  Punkte  des  Volumens  dabei  durch- 
laufene Bogenelement  ersetzen  wir  nun  durch  ein  gleich  langes, 
gleich  gerichtetes  und  nach  derselben  Seite  hin  konvexes 
Bogenelement  65  eines  Kreises,  dessen  Mittelpunkt  der  Schnitt- 
punkt der  Symmetrieebene  von  85  mit  einer  zur  Verschiebungs- 
richtung parallelen,  als  gegeben  vorausgesetzten,  außerhalb  des 
Volumens  gelegenen  Geraden  ist,  und  nehmen  an,  daß  sich  die 
Punkte  des  Volumens  längs  dieser  Bogenelemente  8s  bewegen, 
deren  Länge  für  alle  Punkte  dieselbe  ist,  deren  Krümmung  aber 
in  der  Richtung  gegen  die  gegebene  Gerade  hin  beständig 
zunimmt.  Eine  solche  Bewegung  der  Punkte  eines  Volumens 
erhält  man  z.  B.,  wenn  seine  Punkte  frei  bewegliche  Massen- 
punkte sind  und  dieses  Volumen  sich  unter  der  Einwirkung 
einer  unendlich  langen,  mit  Masse  belegten  Geraden  parallel 
zu  dieser  Geraden  längs  eines  Bogenelementes  verschiebt,  falls 
für  die  Massenanziehung  das  Newton  sehe  Gravitationsgesetz 
gült.  Ist  insbesondere  das  Volumen  sehr  klein,  so  erhält  man  als 
Grenzfall  der  hier  angegebenen  Lagenänderung  seiner  Punkte 
wieder  eine  unendlich  kleine  Verschiebung  des  Volumens.  Es 
sei  nun  p  der  Radius  des  Kreises,  auf  dem  sich  ein  Punkt  x^y^  z 
des  Volumens  verschiebt,  und  8?p  der  zu  85  gehörige  Zentri- 
winkel. Für  jeden  Punkt  des  Volumens  gelten  dann  die  Glei- 
chungen 1)  und  2)  und  daher  auch  4).  Während  aber  bei  der 
Drehung  eines  Volumens  um  eine  Achse  8^>r»8f^  89«  konstant 
sind,  sind  jetzt  ix^hy^Zz  von  Ar,j/,2  unabhängig  und  8<p;c,89^8(p, 
veränderlich.  Da  p  als  stetige  Funktion  von  x,y^  z  vorausgesetzt 
ist  und  außerdem  die  Gleichungen 


89*    "^^y 

ix    ""    dy 

aus  4)  das  Gleichungssyste 

82               p 

8«    ""  p  ' 

8?»  _       ßi 
ix              p 

^y        Ti 
ix    ■"  p  ' 

8jV               p 

10) 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  97 


1456  L.  Hanni, 

Umgekehrt  ergibt  sich  aus  10),  wenn  die  darin  auf- 
tretenden Differentialquotienten  stetige  Funktionen  von  x,\\: 
sind,  zusammen  mit  9)  wieder  das  Gleichungssystem  4),  so 
daß  9)  und  10)  dann  den  Gleichungen  4)  äquivalent  sind.  Faßr 
man  in  10)  je  zwei  in  einer  Zeile  stehende  Gleichungen  zu- 
sammen, so  erhält  man  das  Gleichungssystem 


«1 

p 

— 

1 

2 

p 

— 

1 
2 

P 

— 

1 
2 

dx 


i: 


8v  /' 


^X  ÖJV 


das  wieder  durch  10)  ersetzt  werden  kann,  falls 

8?Ä   ^^y 


iy 

8s 

Ö2 



8<Ps 
Zx 

8tp,. 

8<P* 

12, 


=  — — L^8 
Bat  9jv 

ist.  Daher  sind  auch  die  Systeme  9),  1 1)  und  12)  zusammen 
dem  Gleichungssystem  4)  äquivalent,  wenn  die  in  10)  auf- 
tretenden Differentialquotienten  stetige  Funktionen  von  x,y,' 
sind. 

Geht  man  jetzt  von  den  Systemen  7)  und  11)  zu  kinema- 
tischen   Gleichungssystemen     über,     so     erhält    man    schon 
Gleichungen  von  ähnlicher  Form  wie  die  MaxwelFschen.  Um  7 
in  ein  solches  Gleichungssystem  zu  verwandeln,  nehmen  wir 
an,  es  drehe  sich  ein  Volumen  mit  der  Winkelgeschwindigkeit 

~j-  um  eine  Achse.  Sind  dann  Vx,  Vy,  Vz  die  Geschwindigkeits- 
komponenten eines  Punktes  x,y^z  des  Volumens  und  wählt 
man  als  positive  Richtung  von  Is  die  Bewegungsrichtung,  so 
folgt  aus  7)  das  Gleichungssystem 


Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.       1457 


iVy\ 

dt         2'\iy       .  iz  J    . 
d^y 1  /ivx        ivg 

dffg  _  1  fivy        dvx\ 
dt    '^  2\hx  dy  J' 


13) 


während  5)  und  8)  die  Form  annehmen 


iVx     iVy 

8vj 

hx   '^   dy    "^ 

Bz 

8«v 
8z 

8vx 

32     ~ 

8i/, 
Ix 

3ty  _ 

8f« 

0  14) 


15) 


%x  dy 


Betrachtet  man  in  13)  /  als  Parameter,  so  daß  Vx,  ty,  v^  nur 
noch  als  von  x^y,  z  abhängig  erscheinen,  so  läßt  sich  nach  dem 
Vorhergehenden  13)  in  Verbindung  mit  14)  und  15)  auf  das 
Gleichungssystem 

dffy  dffz 


d(fx  d(f 


^z  =y--f^ — ^ 


y 


dt  dt 

zurückführen.  Da  man  auch  umgekehrt  aus  diesem  Gleichungs- 
system wieder  die  Gleichungen  13),  14)  und  15)  erhält,  so  sind 
diese  drei  Gleichungssysteme  dem  System  16)  äquivalent.  Wie 
man  durch  Vergleichung  von  16)  mit  3),  2)  und  1)  unmittelbar 
sieht,  ist  daher  13)  in  dem  Falle,  wo  auch  die  Gleichungen  14) 

97* 


1458  L.  Hanni, 

und  1 5)  bestehen,  einfach  eine  Übertragung  der  für  die  Bewegung 
eines  Punktes  io  einer  Kurve  geltenden  Gleichung 

auf  die  Punkte  eines  Volumens,  das  sich  um  eine  Achse  dreht. 
Aus  11)  ergibt  sich  ein  dem  System  13)  analoges  Gleichungs- 
system, wenn  man  voraussetzt,  daß  sich  bei  der  Verschiebung 
der  Punkte  eines  Volumens,  wie  sie  bei  der  Aufstellung  der 
Gleichungen  11)  angenommen  wurde,  sämtliche  Punkte  des- 
selben mit  derselben  Geschwindigkeit  w  bewegen  und  die 
Tangentialkomponente  der  Beschleunigung  verschwinde.  Zu- 
folge der  anfangs  über  den  Sinn  von  p  gemachten  Festsetzung 
erhält  man  dann  für  die  Komponenten  pc,x^  Pc.y,  Pc,z  der  Zentri- 
petalbeschleunigung pc  eines  Punktes  die  Ausdrücke 

Pc,x= — «!>     Pc,y  = —pi,     Pc,z  = —  Ti-       1'' 

P  P  P 

^  o  ^ 

Setzt  man   die  Werte,   welche  sich   für  -^ ,  —  ,  —  aus 

P      ?       9 

diesen  Gleichungen  ergeben,  in    11)  ein,  so  gelangt  man  zu 
dem  den  Gleichungen  13)  analogen  Cleichungssystem 

Pc,x  — 


2    \dz  dy 


^'•"■"    2   \3>'  2x 

Ist  umgekehrt  ein  Gleichungssystem  von  dieser  Form 
gegeben,  so  kann  man  dasselbe  mit  Hilfe  von  17)  auf  ein 
('•leichungssystem  11)  zurückführen,  indem  man  die  Gleichun- 
gen 17)  ohne  Rücksicht  auf  ihre  kinematische  Bedeutung 
lediglich  als  Definitionsgleichungen  von  p  ansieht  und  die  in 
den  abhängigen  Veränderlichen  des  so  sich  ergebenden 
Gleichungssystems  implizit  auftretende  Variable  /  als  Parameter 
betrachtet.  Damit  ein  Gleichungssystem  von  der  Form  18)  aber 


Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.        1459 

« 

auch  die  bei  seiner  Einführung  angegebene  kinematische  Be- 
deutung habe,  müssen  außerdem  nicht  nur  die  Bedingungs- 
gleichungen 9)  und  12)  bestehen  und  die  Differentialquotienten 
auf  der  rechten  Seite  von  18)  stetige  P'unktionen  von  x^y^  z  sein, 
sondern  es  müssen  auch  w^,  Wy,  n;^,  die  Komponenten  von  w, 
von  x^y^z  unabhängig  sein,  so  daß  wieder  umgekehrt  in  dem 
aus  1 1)  sich  ergebenden  Gleichungssyslem  4) 

gesetzt  werden  kann.  Da  sich  die  Gleichungen  18)  unter  diesen 
Bedingungen  somit  auf  die  Systeme  17)  und  11)  zurückführen 
lassen,  so  k&nnen  sie  daher  dann  angesehen  werden  als  Ober- 
tragung  der  für  die  gleichförmige  Bewegung  eines  Punktes  in 
einer  Kurve  geltenden  Beziehung 


Pc-=^ 


fV^ 


? 


auf  die  Punkte  eines  Volumens,  die  sich  in  der  bei  der  Ein- 
führung von  1 1)  angegebenen  Weise  verschieben». 

Die  Gleichungen  13)  und  18)  stimmen  nun  mit  den  Max- 
weirschen  Gleichungen  zunächst  bezüglich  der  darin  auf- 
tretenden Konstanten  nicht  überein.  Dieser  Unterschied  ist 
jedoch  unwesentlich,  da  die  Maxweirschen  Gleichungen  durch 
eine  einfache  Transformation  in  die  Gleichungen 

dfx  _    W8t^«  8«{y\  ^Vx   __H^/8?>  ^fz 

if'^YV^  BT/  Tr~~2"\~8^  dy 

TT'^Yvix  dy~)  "dT'^'^Vdy        Tx~ 

übergehen.  Für  das  Folgende  können  wir  daher  die  Maxwell- 
schen  Gleichungen  ß\s  in  dieser  Form  gegeben  annehmen. 

Ferner  unterscheiden  sich  die  Gleichungen  13)  und  18) 
von  19)  dadurch,  daß  in  13)  fx9fy,fz  von  Xfy,z  unabhängig 
sind^  und  auch  die  auf  der  linken  Seite  von  19  2^)  auftretenden 
Differentialquotienten  können  im  allgemeinen  nicht  mit  den 


1460  L.  Hanni, 

Funktionen  p^,^,  Pc,yyPc,z  in  18)  identifiziert  werden.  Interpretiert 
man  in  19)  Vxy  Vy,  v^  als  die  Komponenten  der  Geschwindigkeit  i 

eines   Punktes   x,  y\  z    und     -^ ,  -^^" ,  -^-    als    die  Kom- 

ponenten  der  Winkelgeschwindigkeit^  mit  der  sich  ein  Radius- 
vektor dreht,  dessen  Endpunkt  derselbe  Punkt  x^y^z  ist,  so 
lassen  sich  jedoch  die  Gleichungen  19)  auf  13)  und  18)  zurück- 
führen, wenn  man  19)  nur  auf  die  Punkte  eines  Volumelementes 
anwendet.  Aus  dem  gleichzeitigen  Bestehen  der  beiden  Glei- 
chungssysteme 19)  folgt  nämlich,  daß  v»^  Vy,  Vg^  ^x^  ^^  ^^  stetige 
Funktionen  der  unabhängigen  Veränderlichen  x^y^  z  und  t  sind 
In  einer  genügend  kleinen  Umgebung  eines  Punktes  x,}\z 
kann  man  daher  jede  dieser  sechs  stetigen  Funktionen  durch 
den  Grenzwert  ersetzen,  dem  sie  sich  hier  nähert.  Ersetzt  man 
nun  in  19  a)  ^x^  ?^  ?»  durch  diesen  Grenzwert,  so  folgt  daraus, 
daß  der  Grenzwert  von  t^x,  ?y,  ?z  für  alle  Punkte  des  betrachteten 
Volumelementes  derselbe  ist,  daß  auch  die  Differentialquotienten 
auf  der  linken  Seite  von  19  a)  als  Komponenten  der  Winkel- 
geschwindigkeit für  alle  Punkte  des  betrachteten  Volum- 
elementes denselben  Wert  haben.  Es  geht  also  das  Gleichungs- 
system 19  a),  wenn  man  es  nur  auf  die  Punkte  eines  Volum- 
elementes anwendet,  bei  dieser  Interpretation  in  das  Gleichungs- 
system 13)  über. 

Um  19^)  auf  ein  Gleichungssystem  18)  zurückzuführen, 

und  setzen 

fi;2    3/""        p  '      w^    8/    ""  '      p  '      w«     3/    ~       p' 

Das  so  sich  ergebende  Gleichungssystem  hat  dann  schon 
dieselbe  Form  wie  18),  wenn  man 

setzt.  Da  wegen  des  gleichzeitigen  Bestehens  der  beiden 
Systeme  19)  Vx,  Vy,  Vz  stetige  Funktionen  von  x^y^z  sind,  sc 


Kinematische  Interpretation  der  Muxweirschen  Gleichungen.       1461 

sind  ferner  die  Differentialquotienten  auf  der  linken  Seite 
von  192^)  und   somit  auch  die   oben   definierten  Funktionen 

— ,  — ,  —  stetige  Funktionen  von  x,yyZ.  Endlich  kann  wegen 
P      P      P 

der  Stetigkeit  von  v,,  Vy,  v^  jede  dieser  Funktionen  innerhalb 
einer  genügend  kleinen  Umgebung  eines  Punktes  durch  den 
Grenzwert  ersetzt  werden,  dem  sie  sich  hier  nähert,  so  daß 
dann  in  dem  aus  19  b)  hervorgehenden  Gleichungssystem  4) 

gesetzt  werden  kann.  Beschränkt  man  sich  auf  die  Punkte  eines 

Volumelementes,  so  haben  daher  die  mit  — ^  multiplizierten 

Gleichungen  19^)  auch  dieselbe  kinematische  Bedeutung  wie 
18),  falls  noch  die  Bedingungsgleichungen  9)  und  12)  bestehen. 
Endlich  müssen  wir  noch  untersuchen,  welche  Bedeutung 
die  Gleichungen  14)  und  15),  beziehungsweise  9)  und  12) 
haben,  die  bei  der  Einführung  von  13)  und  18)  zu  13), 
beziehungsweise  18)  hinzugetreten  sind.  Von  diesen  Bedin- 
gungsgleichungen ist  14)  ein  spezieller  Fall  der  Gleichung 

m 

9)  ein  spezieller  Fall  von 

die  Gleichungen  15)  und  12)  aber  eine  Spezialisierung  des 
Systems  13),  beziehungsweise  18).  Die  funktionentheoretische 
Bedeutung  dieser  Spezialisierung  der  Maxweirschen  Gleichun- 
gen findet  man  in  einfacher  Weise,  wenn  man  mittels  der  in 
den  Maxweirschen  Gleichungen  auftretenden  reellen  Funk- 
tionen komplexe  Funktionen  bildet.  Setzt  man 

i  =  z-^iy,    7]  =  x-^iz,     C  =y+ix,     (i  =  V^) 
und 


1462  L.  Hanni, 

SO  stellen  nämlich  die  Gleichungen  14)  und  15)  die  Bedingung 
dar,  daß  v^  eine  analytische  Funktion  von  S,  i;,  eine  analytische 
Funktion  von  t],  t;;  eine  analytische  Funktion  von  C  ist,  faüs 
man  in  v^  x  und  /,  in  t;,,  y  und  /,  in  V;  z  und  /  als  Para- 
meter ansieht.  Ebenso  drücken  die  Gleichungen  9)  und  12n 
wenn  man 

setzt,  die  Bedingung  aus,  daß  «p^  eine  analytische  Funktion  von ; 
mit  den  Parametern  x  und  /,  tp,,  eine  analytische  Funktion  von  \ 
mit  den  Parametern  y  und  U  <Pc  «in©  analytische  Funktion 
von  C  mit  den  Parametern  z  und  /  sei. 

Wie  man  jetzt  unmittelbar  sieht,  kann  man  dann,  wenn 
die  Bedingungsgleichungen  14),  15)  und  9),  12)  erfüllt  sind,  nich: 
nur  von  den  MaxweH'schen  Gleichungen  19)  zu  Gleichungen 
von  der  Form  3)  und  4)  übergehen,  sondern  man  gelangt  dann 
auch  umgekehrt,  indem  man  von  3)  und  4)  ausgeht,  wieder  zu  den 
MaxwelFschen  Gleichungen,  falls  man  3)  und  4)  auf  die  Punkte 
eines  Volumelementes  anwendet  und  voraussetzt,  daß  sich  :r. 
den  Systemen  13)  und  18)  <pr,  f^  ^z,  beziehungsweise  Vxy  t>  *: 
beim  Übergang  von  einem  Volumelement  zum  benachbarten 
stetig  ändern. 

Dadurch,  daß  wir  ausgehend  von  denselben  geometrischen 
Beziehungen  beide  Systeme  der  MaxwelKschen  Gleichungen 
nebeneinander   einführten,  gelangen  wir,  allerdings  zunächst 
nur  unter  beschränkenden  Voraussetzungen,  zu  einer  Lösung 
des  Problems,  in  welcher  Beziehung  die  Reziprozität  zwischen 
Elektrizität    und   Magnetismus    zum  Reziprozitätsprinzip  der 
Geometrie  stehe.  Da  die  zwischen  Elektrizität  und  Magnetismus 
bestehende  Reziprozität   in   den  MaxweH'schen    Gleichungen 
schon  vollständig  zum  Ausdruck  kommt,  ist  dieses  Problem 
identisch  mit  dem  folgenden :  In  welcher  Beziehung  steht  die 
durch  die  Maxwell'schen  Gleichungen  definierte  Reziprozität 
zu  der  in  der  Geometrie  auftretenden.  Um  zur  Lösung  der  s.^ 
formulierten  Aufgabe  zu  gelangen,  interpretieren  wir  in  ^^'^^ 
Maxweirschen    Gleichungen    die    abhängigen  Veränderlichen 
wieder  in  der  bereits  angegebenen  Weise  als  Geschwindigkeits- 
und Drehungskomponenten.  Außerdem  vereinfachen  wir  diese 


Kinematische  Interpretation  der  Maxweli'schen  Gleichungen.        1463 

Aufgabe  noch  dadurch,  daß  wir  uns  auf  die  Betrachtung  eines 
Volumelementes  beschränken;  wie  bereits  gezeigt  wurde,  gehen 
dann  die  Maxweirschen  Gleichungen  in  die  Gleichungen  13) 
und  18)  über.  Nach  dieser  Vereinfachung  der  Aufgabe  reichen 
jetzt  in  dem  Falle,  wo  die  Gleichungen  14),  15),  9)  und  12) 
bestehen,  schon  die  bisher  erhaltenen  Resultate  zu  ihrer  Lösung 
aus.  In  diesem  Falle  können  nämlich,  wie  schon  bewiesen 
wurde,  13)  und  18)  auf  Systeme  von  der  Form  3)  und  4)  zu- 
rückgeführt werden,  so  daß  jetzt  an  die  Stelle  der  Maxweirschen 
Gleichungen  zwei  Gleichungssysteme  treten,  die  sich  rein 
geometrisch  interpretieren  lassen.  Die  beiden  Systeme  der 
Maxweirschen  Gleichungen  können  daher  als  reziproke 
Systeme  angesehen  werden,  wenn  3)  und  4)  zu  einander  rezi- 
prok sind.  Diese  letzteren  Gieichungssysteme  besitzen  nun 
wirklich  diese  Eigenschaft;  denn  sie  lassen  sich  unter  Berück- 
sichtigung von  2)  auf  das  erste  und  dritte  System  von  1) 
zurückführen  und  es  können  die  Richtungskosinus  von  8?p 
als  Ebenenkoordinaten  und  die  von  85  als  Punktkoordinaten 
interpretiert  werden.  Wie  man  unmittelbar  sieht,  sind  dann 
das  erste  und  dritte  System  von  1)  reziproke  Systeme. 

Daß  die  in  der  hier  angegebenen  Weise  auf  die  Punkte 
eines  Volumens  angewandten  Systeme  3)  und  4)  zueinander 
reziprok  sind,  ergibt  sich  auch,  wenn  man  die  dadurch  dar- 
gestellten Lagenänderungen  betrachtet.  Es  ist  nämlich  die  bei 
der  Einführung  von  11)  angegebene  unendlich  kleine  Ver- 
schiebung der  Punkte  eines  Volumens  reziprok  zu  einer  un- 
endlich kleinen  Drehung  eines  Volumens  um  eine  Achse;  denn 
es  entspricht  bei  diesen  beiden  infinitesimalen  Lagenänderungen 
dem  durch  Drehung  einer  Ebene  entstehenden  Ebenenbüschel 
eine  durch  Bewegung  eines  Punktes  entstehende  Punktreihe 
und  umgekehrt. 

In  dem  hier  behandelten  speziellen  Falle  der  Maxwell- 
schen  Gleichungen  gelangt  man  somit  zum  zweiten  System 
derselben,  indem  man  von  einem  Gleichungssystem  ausgeht, 
das  zu  demjenigen  reziprok  ist,  aus  dem  sich  das  erste  System 
ergibt,  und  es  können  daher  auch  die  beiden  Systeme  der 
Maxweirschen  Gleichungen  als  zueinander  reziprok  angesehen 
werden. 


1464  L.  Hanni, 


II. 


Nach  der  Erledigung  dieses  speziellen  Falles  läßt  sich 
jetzt  auch  dann,  wenn  14),  15),  9)  und  12)  nicht  mehr  bestehen, 
die  zwischen  Elektrizität  und  Magnetismus  bestehende  Rezi- 
prozität zum  Reziprozitätsprinzip  der  Geometrie  in  Beziehung 
bringen,  indem  man  die  Maxwell'schen  Gleichungen  wieder 
auf  zwei  Systeme  zurückführt,  die  sich  geometrisch  inter- 
pretieren lassen.  Dazu  ist  notwendig  und  hinreichend,  daß  die 
einzelnen  partiellen  Differentialquotienten  von  Vxy  Vy,  v^,  ?x,  ?,t^ 
ffz  nach  Xy  y,  z  stetige  Funktionen  von  Xy  y,  z  sind.  Wir  setzen 
nun  voraus,  daß  diese  Bedingung  erfüllt  sei.  Außerdem  inter- 
pretieren wir  wieder  Vx,  f^.,  v^  als  Geschwindigkeitskomponenten 

eines  Punktes  ar,jv,c  und  "TT"'  TT"»  ~^T"  ^^^  ^^®  Komponenten 

et        ot        dt 

der  Winkelgeschwindigkeit,  mit  der  sich  ein  Radiusvektor  dreht, 

dessen  Endpunkt  derselbe  Punkt  x^y^  z  ist. 

Um  19  a)  auf  ein  Gleichungssystem  zurückführen  zu  können, 

das  sich  geometrisch  interpretieren  läßt,  haben  wir  zunächst  zu 

berücksichtigen,  daß  dann,  wenn  die  Differentialquotienten  auf  der 

rechten  Seite  stetige  Funktionen  sind,  nicht  nur  -—-,  -^,  -^» 

et         ot       et 

sondern  auch  die  Summen 


8j)^    __   _1_   /  3  V;-  iVy 

TT  "^  T  v^  "*■  TT 

8/         2\^z         ix) 


21i 


stetige  Funktionen  von  x.y^z  sind.  Entsprechend  der  Inter- 
pretation von  Vxj  Vy,  Vs  als  Geschwindigkeitskomponenten 
können  ^x,  ^yy  ^z  als  Winkel  interpretiert  werden.  Durch 
Einführung  dieser  Hilfswinkel  gelangt  man  nun  von  21)  und 
19  a)  zum  Gleichungssystem 


Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.        1 463 


3t»s 

^^x       8<p* 

8/             dt 

32         3/ 

8?« 
dt 

3i/, 
3z 

_  ^^y  ,    ^9y 
~  Zt         Zt 

3a:  ~  dt 

df, 
dt 

2Vy 

3ar 

~  3/    ■*■   8/ 

3^  ~  dt 

8(p« 
8/ 

irrh 

Rliminfltinn  vnr 

3<It,     3<}»y     8<|is 

flllC  * 

22) 


3/  '   3<  '   3<    aus  22)  wieder 

das  System  19  ä)  ergibt  und  ^xf  ^y,  ^z  einfach  als  durch  die 
Gleichungen  21)  definierte  Hilfsgröfien  angesehen  werden 
können,  so  ist  22)  dem  System  19  a)  äquivalent.  Von  22) 
kann  man  jetzt  leicht  zu  einem  den  Gleichungen  3)  analogen 
Gleichungssystem  gelangen^  wenn  man  sich  auf  die  Betrach* 
tung  eines  Volumelementes  beschränkt.  Da  nämlich  zufolge 
unserer  Voraussetzung  ffx,  fyj  Tz,  ^x,  ^yy  'K  stetige  Funktionen 
von  x,y,z  sind,  so  nähern  sie  sich  innerhalb  einer  genügend 
kleinen  Umgebung  eines  Punktes  x,y,  z  je  einem  bestimmten 
Grenzwert.  Wir  ersetzen  nun  f  jr,  rp^  t«,  ^x^  ^^  ^z  durch  diese 
Grenzwerte  und  betrachten  außerdem  die  Zeit  als  Parameter. 
Bei  einer  unendlich  kleinen  Lagenänderung  der  Punkte  des 
betrachteten  Volumelementes  geht  dann  22),  wenn  man  an  Stelle 
der  Geschwindigkeit  den  Weg  5s  einführt,  in  das  Gleichungs- 
system 

Hz      _. .      -  80-2       ^ ,      ^  rtov 

^-  =  8^y,.+87^.  —-  =  Z^^^-ozy  23) 

Über,  in  dem  jetzt  die  Größen  rechts  vom  Gleichheitszeichen 
innerhalb  des  betrachteten  Volumelementes  von  ;r,  y^  z  un- 
abhängig sind.  Endlich  setzen  wir  vorläufig  noch  voraus,  daß 
an  Stelle  der  Gleichungen  von  der  Form  20  a)  die  spezielleren 
Gleichungen  von  der  Form  5)  zum  ersten  System  der  Maxwell- 


1466  L.  Hanni. 

sehen  Gleichungen  hinzutreten.  In  diesem  Falle  ergibt  sich 
aus  23)  und  5)  durch  Integration  das  Gleichungssystem 

Zz  =:^(8^^+8<pjp)+^(84|y— 5(py), 

falls  der  Einfachheit  wegen  die  Integrationskonstante  gleich 
Null  gesetzt  wird.  Umgekehrt  erhält  man  durch  Differentiation 
dieses  Gleichungssystems  wieder  die  Gleichungen  23)  und  5), 
so  daß  24)  diesen  beiden  Gleichungssystemen  äquivalent  ist 
Seine  geometrische  Bedeutung  ist  bekanntlich  die.  da&  das 
betrachtete  Volumelement  eine  unendlich  kleine  Drehung  um 
eine  Achse  und  eine  unendlich  kleine  Deformation  ohne  Dilata- 
tion erfährt. 

In  analoger  Weise  kann  man  auch  Ift^)  auf  ein  Gleichungs- 
system zurückführen,  das  sich  geometrisch  interpretieren  läßt, 
indem  man  durch  die  Gleichungen 

2   U^         ay/""        8/ 

^/3^        8,p\  3uv 

2    V3;r  ^  aJ~        Sr  ^""^ 

2    \3jj/         3;r/  2t 

die  Hilfsgrößen  u^,  Uy,  Us  einführt,  die  gemäß  unserer  Inter- 
pretation von  Vx,  Vy,  Vzy  ^xy  T^,  ?«  als  Geschwindigkeiten  ange- 
sehen werden  können.  Aus  25)  und  19  h)  ergibt  sich  nun  das 

Gleichungssystem 


8/  8/  /  8>f  ""       n^  \8/  8/  ) 

^x  _    1    (2vz        8«^\  8^_         1    (ivz       iu^\ 

dy  ^  fv^\  dt  ht  J  Zx  '~       w«  \  8/         8/  r 


Zz 

— 

1 

ix 

— 

1 

8«p* 

1 

Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.        1467 

.^,v  .  ,  ,  ditx  ZUy  hUz 

das  dem  System  19  b)  äquivalent  ist,  da  —  ^ 


dt  '  3/  '  dt 
einfach  als  abkürzende  Bezeichnung  für  die  Summen  auf  der 
linken  Seite  von  25)  angesehen  werden  können.  An  Stelle  der 
Beschleunigungen  auf  der  rechten  Seite  von  26)  führen  wir 
jetzt  die  Funktionen  p  und  r  ein,  indem  wir 


a) 

1    8i;, 
w*  it 

P' 

1 

h) 

1    8«, 
w«   it 

a 

r  ' 

1 

ß. 
P  ' 

1    8t;,  _       Ti 
tv*   it              p 

• 

b 

1     dUz                c 

r  ' 

w^   dt   '^       r 

it 

27) 
8»,  -         -    - 


it   ~ 

setzen,  wo  a,,  ßj,  Yi.  <»,  b,  c  Richtungscosinus   sind;   es   geht 
dann  26)  über  in  das  Gleichungssystem 


dz  ~^  r         p 

3_y         r         p 

dx         r         ^ 

dz         r        ^ 

8<p^        c        Ti 
dy         r         p 

dffy     _       C           ^        T, 

8;r         r         p 

28) 


Außerdem  setzen  wir  vorläufig  noch  voraus,  daß  statt  der 
Bedingungsgleichungen  von  der  Form  20b)  die  spezielleren 
Gleichungen  von  der  Form  9)  zum  Gleichungssystem  28)  hin- 
zutreten. Aus  28)  lind  9)  erhält  man  dann  das  Gleichungs- 
system 

wenn  man  die  Zeit  als  Parameter  ansieht.  Da  sich  aus  29) 
wieder  die  Gleichungen  28)  und  9)  ergeben,  so  ist  29)  diesen 
beiden  Gleichungssystemen  äquivalent.  Sollen  endlich  in  29) 
schon  in  dem  speziellen  Falle,  der  im  I.  Teile  behandelt  wurde, 


1468  L.  Hanni, 

8;r,  6jv,  82:  als  die  den  Geschwindigkeitskomponenten  i/^,  Vy,  v^, 
entsprechenden  Lagenänderungen  interpretiert  werden  können, 
so  müssen,  wie  im  L  Teil  gezeigt  wurde,  auch  diese  Geschwin- 
digkeitskomponenten von  x,yyZ  unabhängig  sein.  Es  darf  daher 
29)  nur  auf  die  Punkte  eines  Voiumelementes  angewendet 
werden,  so  daß  dann  die  stetigen  Funktionen  Vx,  Vy^  v^  durch 
ihren  Grenzwert  ersetzt  werden  können. 

Daraus,  daß  sich  die  MaxwelFschen  Gleichungen  unter 
den  angegebenen  Bedingungen  auf  die  Systeme  24)  und  29 1 
zurückführen  lassen,  folgt  wieder  wie  früher,  daß  dann  die 
Maxwell'schen  Gleichungen  als  zwei  zueinander  reziproke 
Systeme  angesehen  werden  können,  wenn  24)  und  29)  zu- 
einander reziprok  sind.  Diese  beiden  Systeme  besitzen  nun 
wirklich  diese  Eigenschaft.  Um  dies  zu  zeigen,  setzen  wir 
zunächst  in  24) 

8ä  =  8igjH-8s^, 
wo 

a)  8yj  i=;r8(p,— 289^        b)    ^y^  =zxi^g-h  z^^jg         30} 
825j  ^=zyZtfx — xttfy  Zz^  zzzy^^x-hxi^y 

ist.  In  analoger  Weise  zerlegen  wir  auch  29)  in  die  Gleichungs- 
systeme 

8tp?^  =  --(Mir~-r,8^)  htfT=  —  (biz-hciy) 

a)     8!p;»  =  — (Yi8A:-a,82)       b)     Iti^f  =  —  (clx-\-alz)       31' 

r  ' 

5  !pL"  =  —  («jS^-  ßiSar)  8  tp«'  =  —  (a  ly+bhx), 

r 

SO  daß 

89^=1  8q)i?>-f-8^pi« 

8cp^  =  8cp;^^+8(pj?> 

ist.  Wie  bereits  im  I.  Teile  gezeigt  wurde,  ist  30  a)  reziprok 
zu  31  a).  Ebenso  können  aber  auch  die  Systeme  ZOb)  und  31  b 


) 


32) 


Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.        1469 

als  reziprok  angesehen  werden;  denn  sie  lassen  sich  auf  die 
beiden  Gleichungen 

und  auf  zwei  Gleichungssysteme  von  der  Form 

cos  Uq  =  cos  &j  cos  Cg-fcos  Cj  cos  b^ 
cos  b^  rz  cos  Ci  cos  Äj+cos  a^  cos  c^ 

cos  Cq  =r  cos  öj  cos  feg -h  cos  b^  cos  flg 

cos  Äg  =  cos  b^  cos  r^-i-cos  Cq  cos  &j 
cos  feg  =  cos  Cq  cos  Äj-f-cos  Uq  cos  Cj 
cos  Tg  =  cos  Uq  cos  fej  -hcos  feo  cos  öj 

zurückführen  und  es  können  in  ihnen  die  Richtungsco^inus 
von  8(p  und  8?p^*^  als  Ebenenkoordinaten  und  die  von  85  und 
ts^  als  Punktkoordinaten  interpretiert  werden.  Somit  sind  dann 
die  beiden  Systeme  32)  und  daher  auch  30  fe)  und  31  fe)  zu- 
einander reziprok.  Infolgedessen  besteht  jedes  der  beiden 
Systeme  24)  und  29)  aus  der  Summe  von  zwei  Gleichungs- 
systemen, zu  denen  im  anderen  System  je  eines  reziprok  ist, 
und  es  sind  auch  24)  und  29)  zueinander  reziprok. 

Durch  die  Zerlegung  von  29)  in  die  beiden  Systeme  31) 
findet  man  auch  unmittelbar  die  kinematische  Bedeutung  des 
dazu  äquivalenten  Gleichungssystems  19  fe).  Wegen  der  bereits 
vorausgesetzten  Beschränkung  von  29)  auf  die  Punkte  eines 
Volumelementes  hat  nämlich  31  a)  die  schon  angegebene 
kinematische  Bedeutung.  Die  von  31  fe)  ergibt  sich  in  analoger 
Weise  wie  im  I.  Teil  die  Bedeutung  des  auf  die  Punkte  eines  Vo- 
lumens angewandten  Gleichungssystems  4),  indem  man  berück- 
sichtigt, daß  sich  31  fe)  auf  Beziehungen  von  der  Form  2)  und  32) 
zurückführen  läßt  und  in  den  Gleichungen  29)  Zx,  8jv,  82  von  x,y,  z 
unabhängig  sein  sollen.  Denn  daraus  folgt  zunächst,  daß  31  fe) 
eine  unendlich  kleine  Verschiebung  der  Punkte  eines  Volumens 
längs  Kreisbogen  darstellt,  deren  Länge  für  alle  Punkte  dieselbe 
ist  und  deren  Krümmung  dem  Abstände  eines  sich  verschie- 
benden Punktes  von  einer  gegebenen  Geraden  verkehrt  pro- 
portional ist.   Die  Richtungscosinus  einer  Ebene,  in   der  ein 


.\* 


1470  L.  Hanni, 

solcher  durch  Bewegung  eines  Punktes  x,  y^  z  entstehender 
Kreisbogen  liegt,  erhält  man  durch  Vergleichung  von  31  h)  mit 
dem  System  30  i?),  durch  das  eine  unendlich  kleine  Deformation 
ohne  Dilatation  dargestellt  wird.  Die  Richtungscosinus  einer 
solchen  Ebene  sind  nämlich  dieselben  wie  die  aus  30 1)  für  einen 
Punkt  mit  denselben  Koordinaten  sich  ergebenden  Richtungs- 
cosinus von  65g,  so  daß  eine  solche  Ebene  auf  der  durch  \s^ 
bestimmten  Richtung  senkrecht  steht.  Aus  der  Bedeutung  von 
31 V)  und  aus  27  h)  erhält  man  jetzt  die  von  25)  in  analoger  Weise 
wie  im  I.  Teil  aus  4)  und  17)  die  des  dort  behandelten  speziellen 
Falles  von  19^),  falls  die  partiellen  DifTerentialquotienten  auf 
der  linken  Seite  von  25)  den  Bedingungen  genügen,  die  zu  25) 
hinzutreten,  wenn  man  von  ZW)  zu  25)  übergeht.  Gleichzeitig 
ergibt  sich  auch  hier,  daß  wegen  der  Beziehung 

die  Geschwindigkeitskomponenten  Ux,  «y,  fh  von  x,  y,  z  unab- 
hängig sein  müssen.  Da  zufolge  der  Voraussetzung,  daß  die 
partiellen  DifTerentialquotienten  von  (fx)  T^i  ^z  nach  x^y^  z  stetige 
Funktionen  von  x^y,  z  sind,  auch  Mx,  Uy,  n^  stetige  Funktionen 
von  x,y,z  sind,  so  kann  man  dieser  Bedingung  dadurch  genügen, 
daß  man  31  b)  nur  auf  die  Punkte  eines  Volumelementes  an- 
wendet und  Ux,  tiyy  Hz  durch  ihren  Grenzwert  innerhalb  des- 
selben ersetzt.  Es  ist  somit  die  früher  gemachte  Beschränkung 
von  29)  auf  die  Punkte  eines  Volumelementes  nicht  nur  wegen 
des  speziellen  Falles  31a),  sondern  auch  wegen  31^)  not- 
wendig. Da  sich  aus  der  Bedeutung  der  beiden  Systeme  31) 
auch  die  von  29)  ergibt,  so  ist  jetzt  auch  die  kinematische 
Bedeutung  des  dazu  äquivalenten  Systems  \9b)  bekannt. 

Aus  der  hier  angegebenen  kinematischen  Bedeutung  der 
Maxweirschen  Gleichungen  erhält  man  auch  die  der  im  I.  Teil 
auftretenden  einschränkenden  Bedingungsgleichungen  15)  und 
12).  Zufolge  15)  und  12)  ist  nämlich  in  21) 

8 ^|)^  iz:  8 ^^  =z  8(j)-5  r=  0 

und  in  25) 

a  h  c  


r         r        r 


Kinematische  Interpretation  der  Maxwell'schen  Gleichungen.        147 1 

daher  fällt  dann  beim  ersten  System  der  Maxwell'schen 
Gleichungen  die  durch  reine  Gestaltsänderung  verursachte 
Lagenänderung,  beim  zweiten  System  die  zu  dieser  reinen 
Gestaltsänderung  reziproke  Verschiebung  der  Punkte  eines 
Volumelementes  weg. 

Ebenso  wie  von  den  Gleichungen  3)  und  4)  kann  man, 
um  die  Maxwell'schen  Gleichungen  zu  erhalten,  auch  von  24) 
und  29)  ausgehen.  Wendet  man  nämlich  24)  und  29)  auf  die 
Punkte  eines  Volumelementes  an  und  setzt  man  voraus,  daß 
8?*>  S^py,  8<p;B,  ^^xf^^yy  8(|>a  Und  die  durch  27)  definierten  Ge- 
schwindigkeitskomponenten Uxf  Uyy  Uzi  Vxi  Vyj  Vz  innerhalb  eines 
Volumelementes  von  x,  y^  z  unabhängig  sind,  sich  aber  beim 
Übergang  von  einem  Volumelement  zum  benachbarten  stetig 
ändern,  so  gelangt  man  in  analoger  Weise  wie  im  I.  Teil  zu  den 
MaxweU'schen  Gleichungen  und  den  Bedingungsgleichungen 
5)  und  9).  Es  ist  daher  die  Voraussetzung,  daß  in  den  Maxwell- 
schen  Gleichungen  die  partiellen  Differentialquotienten  von 
Vxy  Vyy  Vz,  ^xi  %^  ^z  nach  x,  y,  z  stetige  Funktionen  von  x,  y,  z 
sind,  in  dem  Falle,  wo. die  Gleichungen  14)  und  9)  bestehen, 
nicht  nur  hinreichend,  sondern  auch  notwendig  dazu,  daß  sich 
die  Maxwell'schen  Gleichungen  auf  die  Gleichungen  24)  und 
29)  zurückführen  lassen. 

Unter  der  Voraussetzung,  daß  die  in  den  Maxwell'schen 
Gleichungen  auftretenden  abhängigen  Veränderlichen  in  der 
angegebenen  Weise  als  Geschwindigkeitskomponenten  und 
Projektionen  von  Winkeln  interpretiert  werden,  läßt  sich  jetzt 
auch  der  Fall,  wo  zu  den  Maxwell'schen  Gleichungen  anstatt 
14)  und  9)  die  Bedingungsgleichungen  20)  hinzutreten,  unmittel- 
bar auf  den  hier  behandelten  zurückführen.  Da  Vx,  Vy,  v^  als 
Geschwindigkeitskomponenten  eines  Punktes  x,  y,  z  definiert 
sind,  so  kann  man  nämlich,  wenn  man  sich  auf  die  Betrachtung 
von  unendlich  kleinen  Lagenänderungen  beschränkt,  zunächst 
20  a)  durch  die  Gleichung 

88;«:       88y       882 

\ —  H =  0 

^x         8jV         8« 

ersetzen,  vermöge  der  eine  unendlich  kleine  Lagenänderung 
der  Punkte  eines  Volumelementes  von  der  Art  ist,  daß  keine 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Ki. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  IIa.  dS 


1472  L.  Hanni,  Kinematische  Interpretation  etc. 

Volumänderung  auftritt.  Es  läßt  sich  nun  eine  unendlich  kleine 
Deformation  in  eindeutiger  Weise  in  eine  reine  Volumänderung 
und  eine  reine  Gestaltsänderung  zerlegen,  wo  die  reine  Volum- 
änderung durch  das  Bestehen  der  Gleichungen 

SSat  _9Zy  _  88g 
ö;r  "~    8^  ~~   32 

definiert  ist.  Daher  kann  bei  dieser  Interpretation  der  Maxwell- 
schen  Gleichungen  der  Fall,  wo  die  Bedingungsgleichung  20^) 
zu  19  a)  hinzutritt,  immer  auf  den  bereits  in  diesem  Teil 
behandelten  zurückgeführt  werden.  Wegen  der  Symmetrie,  die 
zwischen  \9a)  und  19 b)  besteht,  folgt  daraus,  daß  man  ebenso 
den  Fall,  wo  20  b)  zu  19  b)  hinzutritt,  auf  den  zurückführen 
kann,  wo  20  b)  durch  die  Gleichungen  9)  ersetzt  wird.  Somit 
lassen  sich  die  Maxwellschen  Gleichungen  für  homogene  iso- 
trope Nichtleiter  in  solcher  Weise  kinematisch  interpretieren, 
daß  sie  in  zwei  geometrische  Gleichungssysteme  übergeführt 
werden  können,  die  zu  einander  reziprok  sind. 


1473 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Radioaktivität  der 

Mineralquellen  Tirols 

(L  Mitteilung) 

von 

Max  Bamberger. 

Aus  dem  Laboratorium  für  anorganische  Chemie  an  der  k.  k.  Technischen 

Hochschule  in  Wien. 

(Vorgelegt  in  der  Siuung  am  12.  Dezember  1907.) 

Die  Anregung  zu  vorstehender  Arbeit  verdanke  ich  einer 
Publikation  C.  Engler's/  in  welcher  derselbe  einen  sehr 
bequemen  Apparat  zur  Bestimmung  der  Radioaktivität  von 
Mineralquellen,  den  er  Fontaktoskop  ^  nennt  und  der  sich 
besonders  gut  als  Reiseapparat  benützen  läßt,  beschreibt. 

Es  wurde  der  größte  Wert  darauf  gelegt,  die  Bestimmung 
der  Radioaktivität  unmittelbar  an  der  Quelle  oder  in  möglichster 
Nähe  derselben  vorzunehmen,  was  auch  in  den  meisten  Fällen 
möglich  war.  Die  in  der  nachfolgenden  Tabelle  verzeichneten 
Zahlen  geben  den  für  einen  Liter  direkt  beobachteten  oder,  falls 
geringere  Wassermengen  genommen  wurden,  den  auf  einen 
Liter  umgerechneten  Potentialabfall  in  Volt  pro  einer  Stunde 
abzüglich  des  Normalverlustes.  Für  die  noch  im  Versuchs- 
wasser enthaltene  Emanation  wurde  die  Korrektur  berück- 
sichtigt. Bei  einigen  stark  radioaktiven  Quellen  wurde  auch 
die  induzierte  Aktivität  in  Abzug  gebracht.  Die  Stärke  der 
Radioaktivität  ist  nach  dem  Vorschlage  von  Mache*  in  elektro- 
statischen Einheiten  angegeben. 

Die  folgenden  Tabellen  enthalten  die  Resultate,  die  bei 
Untersuchung  der  Wässer  der  Quellen  ermittelt  wurden. 

1  Sitzungsberichte  des  Naturwissenschaftlichen  Vereines  in  Karlsruhe, 
Bd.  19.  —  Cöthener  Chemikerzeitung,  31  (1907),  811.—  Zeitschrift  für  Anor- 
ganische Chemie,  53  (1907),  l. 

2  Das  von  C.  Engler  und  H.  Sieveking  konstruierte  Fontaktoskop 
wurde  von  der  Firma  Günther  &  Tegetmeyer  in  Braunschweig  bezogen  und 
betrug  die  Kapazität  der  Elektroskope  Nr.  2211  und  2220  13*4,  beziehungs- 
weise 13-9. 

3  Monatshefte  für  Chemie,  26  (1905),  356. 

98* 


1474 


M.  Bamberger, 


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1482  M.  Bamberger, 

Zur  näheren  Beurteilung  der  in  vorstehenden  Tabellen 
auf  p.  1477,  die  Quelle  zu  Häring  im  Unterinntal  betreffenden 
Angaben  stellt  mir  Herr  A.  Pfeffer,  k.  k.  Bergrat  im  Acker- 
bauministerium, nachstehende  Daten  über  den  ärarischen  Braun- 
kohlenbergbau Häring-Kirchbichl  gütigst  zur  Verfügung. 

Die  Grubenwässer,  welche  sich  in  den  Bauen  des  Braun- 
kohlenwerkes Häring-Kirchbichl  ansammeln,  fließen  vorwiegend 
durch  den  tiefst  gelegenen  Stolleneinbau,  den  2800  m  langen 
Erbstollen,  zu  Tage  und  ergießen  sich  bei  der  Ortschaft  Kirch- 
bichl  in  den  Innfluß.  Der  übrige  Teil  fließt  durch  einen 
kurzen  Stolleneinbau  (Ferdinandstollen)  oberhalb  der  Ortschaft 
Häring  aus. 

Die  Menge  der  Erbstollenwässer  variiert  je  nach  der  Inten- 
sität und  Dauer  der  atmosphärischen  Niederschläge  und  je  nach 
der  Jahreszeit;  sie  schwankt  zwischen  0*3  und  3*0f»*  pro 
Minute.  Nach  Zeit  und  Umständen  verschieden  ist  auch  ihre 
Temperatur;  doch  sind  die  Schwankungen  nicht  so  augenfällig 
und  bloß  mit  dem  Thermometer  meßbar.  Aber  stets  ist  die 
Wärme  höher,  als  nach  der  Tiefenlage  der  Gebirgsschichten. 
welche  die  Wässer  durchsickern,  geschlossen  werden  könnte. 

Die  Erwärmung  der  Grubenwässer  ist  auf  Flözbrände 
zurückzuleiten,  welche  in  verschiedenen  Partien  des  Gruben- 
gebäudes sich  im  Laufe  der  Jahre  eingenistet  haben,  die  heute 
noch  bestehen  und  den  Ausbau  der  restlichen  Kohlenmittel 
verhindern. 

Diese  Flözbrände  fanden  sich  mit  dem  Fortschreiten  des 
Kohlenausbaues  nach  der  Tiefe  zu  ein:  der  erste  Brand  brach 
im  östlichen  Teile  des  höchst  gelegenen  Abbaufeldes,  genannt 
das  »Franciscirevier«  im  Jahre  1836  aus,  nachdem  hier 
schon  durch  mehr  als  40  Jahre  der  Betrieb  und  damit  die 
Kohlenausbeute  vor  sich  gegangen  war. 

Am  1.  Mai  1873  geriet  das  westlich  von  Francisci  gelegene 
»Berggrüblrevier«  in  Brand  und  mußte  geräumt  werden, 
was  ohne  besondere  Verluste  erfolgen  konnte,  da  ja  die  Kohle 
bis  auf  wenige  Pfeiler  ausgebaut  war. 

Am  28.  Dezember  1892  entstand  im  Barbararevier,  dessen 
oberer  Teil  an  Berggrübl  grenzt,  ein  Brand,  dem  drei  Wochen 


Radioaktivität  der  Mineralquellen  Tirols.  1483 

Später  ein  katastrophal  wirkender  im  tiefer  gelegenen  »Erb« 
Stollenrevier«  folgte. 

Die  Grubenwässer  aus  dem  Franciscireviere  übertrafen  an 
Wärme  weitaus  die  Wässer  des  Berggrüblfeldes;  die  Tempe- 
ratur betrug  beim  Austritte  aus  dem  Brandfelde,  d.  i.  bei  den 
siphonartigen  Ausflußstellen  in  den  Verdammungen  35  bis 
40®  C.  Der  Abfluß  erfolgte  seinerzeit  teils  durch  den  Francisci- 
stollen  zu  Tage,  teils  durch  die  Grubenbaue,  die  an  das  Brand- 
feld angrenzen. 

Diese  Wässer  sind  wegen  ihrer  Wärme  von  den  breiten 
Volksschichten  bald  zu  Reinigungsbädern  benützt  worden.  Das 
Sammelbassin  befand  sich  im  150  w  langen  Stollen  knapp  vor 
der  Dammauer  an  der  Flözanfahrung  und  diente  zugleich  als 
Badebassin.  Als  jedoch  ganz  gute  Heilwirkungen  auch  wahr- 
genommen wurden  und  infolgedessen  die  Frequenz  des  Bades 
stieg,  das  sich  nur  zu  bald  als  räumlich  unzureichend  erwies, 
verlegte  ein  Unternehmer  im  Jahre  1877  das  Bad  aus  dem 
Stollen  in  eine  eigens  errichtete  Bretterhütte  vor  dem  Stollen- 
eingange. Diese  Hütte  war  in  Kabinen  geteilt  und  mit  Bade- 
wannen ausgestattet. 

Doch  auch  diese  Vorsorge  genügte  bei  dem  Zudrange  von 
Badebedürftigen  bald  nicht  mehr.  Der  Unternehmer  schritt 
zehn  Jahre  später  an  die  Errichtung  eines  netten,  geräumigen 
Badehotels  mit  zirka  20  Badewannen.  Dieses  Hotel  ist  in  der 
Ortschaft  Häring  erbaut  und  erhielt  das  Brandwasser  mittels 
eines  Rohrstranges  zugeleitet. 

Bei  dem  erweiterten  Badebetriebe  reichte  das  Stollen- 
wasser nicht  mehr  aus;  es  mußte  auch  das  übrige  Wasser,  das 
bisher  aus  dem  Franciscibrandfelde  in  die  tiefer  liegenden 
Grubenbaue  gesickert  ist,  gesammelt,  in  Rohre  gefaßt  und  dem 
Badehotel  zugeleitet  werden. 

Bis  zum  Ausbruch  des  Grubenbrandes  im  Erbstollenrevier 
ging  die  Versorgung  des  Bades  mit  »Heilwasser«  ohne  weitere 
Störungen  vor  sich.  Während  der  mannigfaltigen  Gewälti- 
gungen,  welche  auch  auf  Arbeiten  im  Franciscistollen  sich 
erstreckten,  litt  jedoch  die  Rohrleitung  vielfachen  Schaden  und 
versagte  schließlich  ganz.  Das  Wasser  ist  fortan  ausgeblieben; 
es  hat  neue  Wege  durch  entstandene  Verbrüche  des  Hangend- 


1484  M.  Bamberger, 

gesteines  gefunden  und  fließt  nun  durch  das  Erbstollenrevier 
auf  den  Erbstollenhorizont  herab. 

Die  Wässer  aus  dem  Berggrüblbrandfelde  fließen  zum 
Teil  durch  den  Ferdinandstollen  zu  Tage,  zum  Teil  durch  die 
Grubenverhaue  des  Barbara-  und  Erbstollenreviers  zum  Erb- 
stollenhorizont. 

Die  Stollenwässer  haben  eine  durchschnittliche  Temperatur 
von  19  bis  20**  C;  sie  werden  mittels  eines  Rohrstranges  dem 
Hotel  zum  Badebetrieb  als  Ersatz  für  das  Francisciwasser 
zugeleitet. 

Die  Wässer  des  Barbara-  und  Erbstollenbrandfeldes  fließen 
ausnahmslos  auf  den  Erbstollenhorizont. 

Auf  diesem  tiefsten  Horizont  des  alten  Grubenfeldes  findet 
also  die  Vereinigung  der  Brandwässer  aus  den  genannten 
Revieren  mit  den  sonstigen,  in  die  Grubenbaue  eindringenden 
indifferenten  Wässern  statt.  Von  hier  aus  rinnen  sie,  wie 
eingangs  erwähnt  ist,  gemeinsam  durch  den  ErbstoUen  nach 
Kirchbichl  ab. 

Diese  Mischwässer  besitzen  beim  Eintritt  in  den  Erbstollen 
immerhin  noch  eine  Wärme  von  30,  35,  ja  noch  mehr  Grad 
Celsius. 

Schließlich  verdient  noch  bemerkt  zu  werden,  daß  diese 
Mischwässer  gleich  beim  Eintritt  in  den  Erbstollen  ein  ge- 
räumiges Bassin  passieren,  in  welchem  Grubenarbeiter  Bäder 
zu  nehmen  pflegten.  Seit  der  Errichtung  der  obertägigen 
bequemen  Umkleide-  und  Badeanstalt  für  das  Werkspersonal 
am  Tiefbauschacht  in  Häring  wird  der  Badegelegenheit  in  der 
Grube  keine  Beachtung  mehr  geschenkt. 

Bestimmung  der  Radioaktivität  einiger  Quellsedimente. 

Die  Bestimmungen  wurden  mit  Engler's  für  feste  Stoffe 
abgeänderten  »Fontaktoskop«  ausgeführt.  Als  Normalmenge 
wurden  je  125^  trockene  Substanz  verwendet. 

Verlust  in  Volt 
pro  Stunde 

Alt-Prags:      Sediment  von  der  Badequelle 7 

Vetriolo:        Levico-Ockererde  (von  der  Schwach- 
quelle)     41 


Radioaktivität  der  Mineralquellen  Tirols.  1485 

Verlust  in  Volt 
pro  Stunde 

Froy:             Sediment  von  der  Schwefelquelle^  . . .        224 
>  Sediment  von  der  Eisenquelle^ 18 

Über  die  geologischen  Verhältnisse  der  näheren  Um- 
gebung des  Bades  Froy  erhalte  ich  von  Herrn  Chefgeologen 
Prof.  A.  Rosiwal  die  folgende  Mitteilung: 

Auf  Grund  der  Aufnahmen  der  k.  k.  Geologischen  Reichs- 
anstalt, über  welche  die  geologische  Spezialkarte  1  :  75000  des 
Kartenblattes  Klausen  von  Bergrat  F.  Teller  vorliegt,  ist  die 
Situation  des  Bades  Froy  wie  folgt  zu  skizzieren. 

Das  genannte  Bad  liegt  in  dem  östlich  vom  Eisacktale 
bei  Klausen  befindlichen  Abschnitte  des  langen,  ostwestHch 
streichenden  Zuges  von  Tonglimmerschiefern,  der  »Quarz- 
phyllit- Gruppe«  G.  Stäche's,*  welcher  die  Südflanke  der 
kristallinischen  Zentralkette  der  Alpen  in  Tirol  bildet,  und  von 
der  Mündung  des  Passeyrertales  nach  Ost  quer  über  das 
Eisacktal  bei  Brixen  streichend,  sich  längs  des  Pustertales 
bis  Lienz  verfolgen  läßt. 

Vom  Eisacktal  im  Westen,  vom  Grödner-  und  Villnößtal 
im  Süden,  beziehungsweise  Norden  begrenzt,  erhebt  sich  der 
Tschanberg  zu  Gipfelhöhen  von  1913  und  2007  f»,  zwischen 
deren  Einsattelung  das  kleine  Quertal  beginnt  und  nach 
Norden  vorläuft,  in  welchem  Bad  Froy  liegt. 

Erst  jenseits  des  Grödnertales  im  Süden  liegt  die  nächste 
geologische  Formationsgrenze,  indem  die  genannten  Ton- 
glimmerschiefer der  Zentralkette  unter  der  mächtigen  Platte 
der  Bozener  Quarzporphyrdecke  verschwinden.  Noch  näher 
gerückt  tritt  dieser  Porphyrdeckenrand  in  der  östlichen  oro- 
graphischen  Fortsetzung  des  Tschanberges  in  der  Gipfelregion 


^  Der  Schlamm  von  der  Schwefelquelle  ist  rot,  der  von  der  Eisenquelle 
braimgelb  gefärbt.  Beide  Sedimente  lösen  sich  sehr  leicht  in  Salzsäure  unter 
Chlorentwicklung  und  unter  Zurücklassung  des  beigemengten  Phyllits  zu  einer 
dunkelbraunen  Flüssigkeit.  (Die  genannten  Quellabsätze  verdanke  ich  der  Güte 
des  Herrn  F.  Ring! er,  Direktors  des  Bades  Froy,  welcher  dieselben  am 
26.  November  1907  gesammelt  hat.) 

2  Paläozoische  Gebiete  der  Ostalpen.  Jahrb.  d.  k.  k.  Geolog.  Reichsanst., 
1874. 


1486  M.  Bamberger, 

der  Raschötzer  Berge  auf,  deren  Nordgehänge  (östlich  von  dem 
zirka  2  km  entfernten  Flitzbachtale)  in  den  oberen  Teilen  aus 
Porphyr  besteht,  während  am  unteren  Hange  gegen  das  Vill- 
nößtal  noch  die  Tonglimmerschiefer  freiliegen,  bis  sie,  wie 
V.  Mojsisovics  festgestellt  hat,  an  der  ostwestlich  streichen- 
den »Villnösser  Bruchlinie«  verschwinden.^  Längs  dieser 
markanten  tektonischen  Störungslinie  ragen  von  Osten  her 
die  Triaskalke  und  -dolomite  des  Peitlerkofels  und  der  Kofler- 
alpe  vom  Wurzenpaß  bis  in  die  Nähe  von  St  Magdalena  und 
St.  Johann,  während  von  da  ab  die  darunter  liegenden  Werfener 
Schiefer  und  Beilerophonschichten  und  weiter  westlich  bis 
Villnöß  der  Grödener  Sandstein  die  unteren  Hänge  des  Vill- 
nösser Tales  bilden.  Dasselbe  schneidet  sich  in  seinem  weiteren 
Verlaufe  zwischen  Villnöß  und  St.  Josef  wieder  in  das  Grund- 
gebirge des  Tonglimmerschiefers  ein,  in  welchem  es  bis  zu 
seiner  Ausmündung  ins  Eisacktal  verbleibt.  Im  untersten  Kilo- 
meter des  Tales,  bei  Gufidaun,  wurden  jene  Gneise  und  Amphi- 
bolite  angeschnitten,  welche  der  Quarzphyllitgruppe  stellen- 
weise eingelagert  sind  und  anläßlich  der  geologischen  Unter- 
suchung des  benachbarten  Dioritgebietes  von  Klausen  von 
Teller  und  v.  John^  näher  beschrieben  wurden.  In  der  näherea 
Umgebung  des  Bades  Froy  sind  lokale  Einlagerungen  hom- 
blendeführender  Schiefergesteine  (Amphibolite)  nur  von  der 
Ostseite  des  benachbarten  Flitzbachtales  bei  St.  Florian  und 
unweit  davon  im  Südhang  des  Villnößtales  oberhalb  »Fuchs- 
loch« bekannt. 

Es  ist  nach  dieser  orographischen  und  geologischen  Lage 
fast  mit  Sicherheit  anzunehmen,  daß  die  Quellen  von  Bad  Froy 
ausschließlich  aus  dem  Tonglimmerschiefer  stammen,  be- 
ziehungsweise nur  innerhalb  dieses  Formationsgliedes  auf 
Klüften  und  Spalten  zirkulieren,  welche  den  Nordhang  des 
Tschanberges  durchsetzen. 


1  Die  Dolomitriffe  von  Südtirol.  Holder,  Wien  1879,  p.  U9,  121.  Profile 
p.  123,  in  welchen  das  generelle  Südfallen  der  phyllitischen  Schiefer  des 
Tschanberges  verzeichnet  erscheint. 

9  Geolog.-petrogr.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  dioritischen  Gesteine  von 
Klausen.  Jahrb.  d.  k.  k.  Geolog.  Reichsanst,  1882. 


Radioaktivität  der  Mineralquellen  Tirols.  1487 

Ein  ganzes  System  von  Längs-  und  Querbrüchen,  be- 
ziehungsweise Verwerfungen  wurde  in  der  Klausener  Gegend 
von  Teller  beobachtet  und  dürften  sich  manche  derselben 
auch  in  den  geologisch  einheitlichen  Schichtenkomplex  des 
Tschanberges,  der  in  der  östlichen  Streichungsfortsetzung  liegt, 
hinein  fortsetzen,  wie  schon  v.  Mojsisovics  vermutet  hat. 

Ober  die  petrographischen  Komponenten  des  genannten 
mächtigen  Schieferkomplexes  der  »Quarzphyllitgruppe«  sei 
erwähnt,  daß  von  Teller  a.  a.  O.  darauf  hingewiesen  wurde, 
daß  man  es  hier  weniger  mit  Faltenbildungen  verschieden- 
alteriger  Gesteine  der  Gneis-  und  Phyllitreihe  zu  tun  habe, 
sondern  mit  einer  vielfach  wiederholten,  oft  bankweisen 
Wechsellagerung  von  Schiefern,  welche  einem  raschen  Wechsel 
der  Faziesverhältnisse  ihren  Ursprung  verdanken. 

»Feldspatreiche,  dickbankige  Muskovitgneise  wechseln 
wiederholt  mit  dünnschichtigen,  durch  talkigen  und  serizitischen 
Glimmer  ausgezeichneten  Schiefergesteinen  und  echten  Ton- 
glimmerschiefern. In  die  letzteren  schalten  sich  häufig  jene 
dunklen  graphitischen  Schieferlagen  ein,  die  im  Villnöß-  und 
Aferstal  eine  so  große  Verbreitung  besitzen«  (Teller,  a.  a.  O.). 

Erwähnt  sei  hiezu,  daß  der  Befund  an  eingeschwemmtem 
Detritus  der  Nachbargesteine  im  Ockerschlamme  der  Schwefel- 
quelle ausnahmslos  Fragmente  von  Tonglimmerschiefer  ergab. 
Sie  gehören  speziell  einem  normalen  typischen  grauen  Phyllit 
an,  der  häufig  deutliche  Clivage  und  jenen  halbmetallischen 
Glanz  der  Schieferungsflächen  zeigt,  welcher  auf  reichliche 
mikrolithische  Interpositionen  von  Rutit  und  Graphit  zwischen 
den  Glimmermembranen  zurückzuführen  ist. 


Wie  aus  der  vorstehenden  Tabelle  hervorgeht,  zeichnen 
sich  die  Quellen  des  Bades  Froy  im  Villnößtale  durch  hohe 
Radioaktivität  aus  und  sollen  diese  im  kommenden  Jahre 
einer  eingehenden  Untersuchung  unterzogen  werden,  welch 
letztere  ich  auch  noch  auf  andere  Heilquellen  Tirols  aus- 
zudehnen beabsichtige. 


Sitzb.  d.  mathem.-naturvv.  Kl. ;  CXVI.  Bd.,  Abt.  Ha.  99 


1488         M.  Bambergrer,  Radioaktivitilt  der  MineialqMllen  Tirols. 

Die  Angaben  über  die  Temperatur  der  untersachten 
Quellen  wurden  teilweise  von  den  Quellenb«6ftzem  nitgeteilt, 
teilweise  wurden  sie  von  rmt  selbst  ermittelt 


SchlieUkh  ist  es  mir  eine  sehr  angenelune  Pflicht,  den 
Besitzern  und  Direktoren  der  verschiedenen  Bäder-  und  Kur- 
anstalten den  verbindlichsten  Dank  für  das  überaus  liebens- 
würdige Entgegenkommen,  das  sie  mir  bei  Ausführung  dieser 
Arbeit  angedeihen  ließen»  auszusprechen. 


1 


Lokir  E^  Em  einfacher  Zusammenhang  «wischen  Brechungsexponent,  Zähigkeit 
und  Diohle  bei  Gasen. 

Site.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  II  a.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  1281  — 128B. 


Brechungsexponent,  Zähigkeit  und  Dichte  bei  Gasen. 

Lohr  E.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  U6  (1907), 
p.  1281—1288. 


Zfthii^eit,  Brechungsexponent  und  Dichte  bei  Gasen. 

Lohr  E.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1281—1288. 


Hess  V.  F.»  Analyse  der  Strahlung  des  Radiobleis. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1289-1320. 


Radioblei,  Analyse  der  Strahlung  des  — . 

Hess  V.  F.,  !5it«.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1289—1320. 

■ 

Leitinger   R.,    Über  die  ^Ableitung  des   Gau0*schen   Prinzips    des    kleinsten 

Zwanges  aus  den  allgeraeinsten  Lagcange'scheii  Gleichungen  zweiter  Art. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  1321-1336. 


Ableitung  des  Gauß'scben  Prinzips  des  kleinsten  Zwanges  aus  den  Lagrange- 
sehen  Gleichungen  zweiter  Art 

Leitinger  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  1321—1336. 


Prinzip  des  kleinsten  Zwanges,  Ableitung  desselben  aus  den  Lagrange'schen 
Gleichungen  zweiter  Art. 

Leitinger  R.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907), 
p.  1321—1336. 


Mertens  F.,  Ober  die  einfachen  Einheiten  des  Bereichs  (a,  \/D  ),  wo  a  eine 
primitive  Binheitswurze!  von  Primzahlgrad  und  D  eine  negative  Zahl 
bezeichnen. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  1337—1342. 


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Bewegte  Systeme,  zur  Thermodynamik  derselben. 

Hasenöhrl   F.,   Sitz.  Ber.   der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  1391  —  1405. 


Tschermak  G.,  Über  das  Eintreffen  gleichartiger  Meteoriten. 

Site.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1407  —  1441. 


Meteoriten,  Regelmäßigkeit  des  Eintreffens  gleichartiger  — . 

Tschermak  C,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
aö07),  p.  1407—1441. 


Meteoriten,  Bildung  und  Verteilung  im  Welträume. 

Tschermak  G.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.   116 
(1907),  p.  1407—1441. 


Vulkanische  Theorie  der  Meteoritenbildung. 

Tschermak  C,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,   IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  1407—1441. 


Sternschnuppen  und  Meteoriten. 

Tschermak  G.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt,  Bd.  116 
(1907),  p.  1407—1441. 


Lerch  F.,  v.,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Thoriumzerfallsprodukte. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  1 16  (1907),  p.  1443—  1450. 


Thoriumzerfallsprodukte,  Beitrag  zur  Kenntnis  derselben. 

Lerch  F.,   v.,    Sitz.    Ber.  der  Wiener   Akad.,  Ha.   Abt.,  Bd.    116 
(1907),  p.  1443—1450. 


Hanni  L.,    Kinematische   Interpretation   der  MaxwelFschen   Gleichungen  mit 
Rücksicht  auf  das  Reziprozitätsprinzip  der  Geometrie. 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907),  p.  1451  -  1472. 


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4 


Maxwell'sche  Gleichungen,  Kinematische  Interpretation  derselben  mit  Rück- 
sicht auf  das  Reziprozitätsprinzip  der  Geometrie. 

Hanni  L.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907), 
p.  1451—1472 


Reziprozitätsprinzip  der  Geometrie,  Kinematische  Interpretation  der  Maxwell- 

schen  Gleichungen  mit  Rücksicht  auf  das . 

Hanni  L.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116  (1907)» 
p.  1451  —  1472. 


Bamberger  M.,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Radioaktivität  der  Mineralquellen 
Tirols,  (l.  Mitteilung.) 

Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116(1907),  p.  1473—1488. 


Mineralquellen  Tirols,   Beiträge   zur  Kenntnis  der  Radioaktivität  derselben. 
(I.  Mitteilung.) 

Bamberger  M.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  1473—1488. 


Radioaktivität  der  Mineralquellen  Tirols.  (I.  Mitteilung.) 

Bamberger  M.,  Sitz.  Ber.  der  Wiener  Akad.,  IIa.  Abt.,  Bd.  116 
(1907),  p.  1473—1488. 


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